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Full text of "Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur"

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HANDBOL'ND 
AT  THE 


UNIVERSITY  OF 
TORONTO  PRESS 


BEITRÄGE 


ZUR 

^SCHICHTE  DER  DEUTSCHEN  SPRACHE 
UND  LITERATUR 

UNTER     MITWIRKUNG     VON 
HERMANN  PAUL  UND  WILHELM  BRAUNE 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

EDUARD    SIEYERS. 


XXYIII.  IUM>. 


HALLE  A.  S. 

MAX    NIEMEYER 

77/78  GR.  STEINSTRASSE 
1903 


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INHALT. 

Seite 

Die  inundart  von  Pernegg-  in  Kärnten.     Von  P.  Lessiak.     .     .        1 
Dialog  von  Luther  und  der  botschaft  aus  der  hülle.  Von  A.  G  oetze    228 

Eine  Vadianische  flugsclirift.    Von  demselben 236 

Zur   relativen  Chronologie   urgernianischer   lautgesetze.    Von   N. 

van  Wijk 243 

Zur  Scheidung  der  kurzen  e- laute  im  niittolhochdeutschen.     Von 

T.  E.  Karsten 25-t 

Mittelhochdeutsch  Schemen.    Von  E.  Sievers 260 

Nachtrag  (zu  Beitr.  27,  565  ff.).    Von  W.  Braune 26-i 

Zur  althochd.  interlinearversion  der  Cautica;  suueiga  (Beitr. 27, 504). 

Von  J.  H.  Gallee • 265 

Zum  Beowulf  (v.  48 f.).    Von  E.  Sievers 271 

Die  spräche  des  jungen  Schiller   in  ihrem   Verhältnis   zur   nhd. 

Schriftsprache.     Von  W.  Pf  leider  er 273 

Zum  reimgebrauch  Rudolfs  von  Ems.     Von  K.  Zwierzina     .     .    425 

Das  Iweinfragmeut  C.    Von  W.  Niemeyer 454 

Die  rhythmik  des  Hans  Sachs.     Von  Chr.  A.  Mayer 457 

Grammatisches.    Von  W.  van  Helten 497 

(LH.  Zu  der  auf  schleif-  bez.  stosstoniger  ausspräche  der  end- 
silben  basierten  auslauttheorie,  s.  497.  —  LIII.  Zur  westgerm. 
apo-  bez.  synkope  von  kurzem  vocal  der  endsill)e,  s.  522.  — 
LIV.  Zur  westgerm.  dehnung  von  consonant  und  halbvocal  \i 
vor  i,  s.  530.  —  LV.  Zur  behandlung  von  -z  und  -s  im  west- 
germanischen, s.  534.  —  LVI.  Noch  einmal  zur  frage  'gab  es 
westgenn.  reflese  von  got.  -ans,  -iufi,  -uns  des  acc.  pl.?',  s.  536. 
—  LVn.  Zu  den  altgorm.  endungen  des  gen.  und  dat.  sg.  der 


INHALT. 

Seite 

l-  und  tt- Stämme  und  verwautes,  8.538.  —  LVIII.  Zur  ana- 
logischen ai)okoi)e  der  endung  im  dat.  sg.  raasculiner  und 
neutraler  substantiva,  s.  542.  —  LIX.  Zum  westgerm.  -i,  -e 
der  2*.  sg.  praet.  ind.,  s.  545.  —  LX.  Zu  got.  -au,  -jatt,  an.  -a 
etc.  für  die  1.  sg.  praes.  und  praet.  opt.,  s.  540.  —  LXI.  Zum 
Prototyp  von  got.  -iiui  der  1.  pl.  praes.  und  praet.  opt.  und 
verwantes,  s.  548.  —  LXII.  Zum  got.  iraperat.  auf -Jau, -»m/öm, 
s.  551.  1/XTII.  Zur  eutwickelung  einiger  altgenu.  partikeln. 
8. 552) 

Zur  althochdeutschen   literatur:    1.   Otfrid  ad  Ludowicum.     Von 

G.  Ehrismanu .570 


DIE  MUNDART  VON  PERNEGG 
IN  KÄRNTEN.') 

Die  mundart.  welclie  dieser  abliandhmo:  zu  gründe  liegt, 
ist  die  des  sogenannten  "Klotzen winkeis'  {khh^atsmviukhl)  süd- 
westlich von  Feldkirclien  in  Kärnten,  d.  li.  des  dorfes  Pernegg 
und  der  übrigen  am  nordabhang  des  vom  Klammbacli  (einem 
Zuflüsse  der  Glan)  durcliflossenen  tales  gelegenen  Ortschaften 
Dolientschig,  Leiten,  Adriach  und  St.  Nikolai.  Sie  bilden  nebst 
ein  paar  andern  weilern  die  pfarr-  und  schulgemeinde  St.  Nikolai 
ob  Pernegg  und  sind  mit  den  kirchspielen  Ossiach  und  Glan- 
hofen  zu  der  politischen  gemeinde  Ossiach  vereinigt.  Nennens- 
werte unterschiede  zwischen  den  mundarten  der  drei  pfarreien 
sind  nicht  vorhanden,  nur  ist  in  den  beiden  letzteren  der  fremde 
einfluss  in  erheblich  stärkerem  masse  fühlbar.    Der  verkehrs- 


1)  Yerzeichuis  der  wichtigsten  benutzteu  Schriften:  A.  Hauff en, 
Die  deutsche  Sprachinsel  Gottschee  (Quellen  und  forschuugen  zur  geschichte, 
literatur  und  spräche  Oesterreichs  und  seiner  kronländer  3).  Graz  1895.  — 
A.  Heusler,  Der  alemannische  consonantismus  in  der  mundart  von  Basel- 
stadt. Strassburg  1888.  —  fr.  Kauffmann,  Geschichte  der  schwäb.  mundart 
im  Mittelalter  und  in  der  neuzeit.  Strassburg  1890.  —  Joh.  Krassnig,  Ver- 
such einer  lautlehre  des  oberkärntischcD  dialektes.  Erste  Jahresschrift  des 
k.  k.  Unterrealgymnasiums  zu  Villach  für  das  Schuljahr  1869,70.  Villach 
1870.  —  J.  W.  Nagl,  Grammatische  analyse  des  niederösterreichischen  dia- 
lektes im  anschluss  an  den  als  probestück  der  Übersetzung  abgedruckten 
6.  gesang  des  Roanad.  Wien  188G.  —  Derselbe,  Das  hohe  A  in  der  bair.- 
österr.  mundart.  In  der  Sammlung:  Der  vocalismus  der  bair.-österr.  maa. 
historisch  beleuchtet.  1.  cap.  Wien  1895.  —  J.  Schatz,  Die  mundart  von 
Imst.  Strassburg  1897.  —  J.  Schiepek,  Der  satzbau  der  Egerländer  mund- 
art. 1.  Prag  1899.  —  J.A.  Sc  hm  eil  er,  Die  mundarten  Baierns,  grammatisch 
dargestellt.  München  1821.  —  E.Sievers,  Grundzüge  der  phonetik.-'  Leipzig 
1901.  —  H.  Stickelberger,  Die  derainutiva  in  der  Berner  ma.  (Philo- 
logische Studien,  festgabe  für  E.Sievers)  1896.  —  K.  Weinhold,  Bairische 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen    prache.     XXVIU.  1 


2  LESSIAK 

mittelpuiikt  der  ganzen  umo'ebung*  ist  der  markt  Feldkirchen, 
dessen  idiom,  eine  durch  die  mundarten  der  umgegend  etwas 
modificierte  abart  des  genieinkänitnischen  stadtdialekts  (vgl. 
dazu  den  anliang),  die  bauerndialekte  der  nachbarschaft  immer 
mehr  zurückdrängt. 

Die  mundarten  der  im  talboden  zumal  in  unmittelbarer 
nähe  des  marktes  gelegenen  orte  haben  schon  ziemlich  viel 
von  ihrer  ursprünglichkeit  eingebüsst,  aber  auch  in  den  berg- 
dörfern  macht  sich  unter  der  Jugend  in  immer  höherem  masse 
das  bestreben  geltend,  höfaSr  zu  sprechen  ('höfisch'  =  'fein, 
städtisch,  herrisch',  im  gegensatze  zu  pceiros  'bäurisch').  Die 
Pernegger  selbst  fühlen  sich  bereits  erhaben  über  das  pirgsrdä 
oder  gropinrgdrds,  die  urwüchsigere  ausdrucksw^eise  der  pirgr, 
d.  h.  der  gebirgsbauern  von  der  Görlitzen  oder  aus  der  Teichen, 
denen  man  nachsagt,  dass  sie  mehr  khglbmp  ('bellen')  als  rödnt. 
Im  ganzen  und  grossen  bildet  die  Feldkirchner  gegend 
mit  dem  obersten  Glantal  und  der  östlichen  hälfte  des  Ossiacher 
seebeckens  bis  zur  bezirksgrenze  ein  ziemlich  einheitliches 
dialektgebiet,  nur  unbedeutend  sind  die  lautlichen  abweichungen, 
auch  im  Wortschatz  sind  die  unterschiede  nicht  allzu  gross; 
etwas  stärker  treten  die  Verschiedenheiten  des  tonischen  accents 
zu  tage.    Im  osten  verbindet  das  Glantal  das  Feldkirchner 


grammatik.  Berlin  1867.  —  Derselbe,  Mittelhochdeutsche  grammatik.^ 
Paderborn  1883.  —  J.  Winteler,  Die  Kerenzer  muudart  des  cantons  Glarus 
in  ihren  grundzügen  dargestellt.    Leipzig  und  Heidelberg  1876. 

Wörterbücher:  0.  üutsmann,  Deutsch-windisches  Wörterbuch  mit 
einer  Sammlung  der  verdeutschten  windischen  Stammwörter.  Klagenfurt  1789. 
—  Fr.  Kluge,  Etymologisches  Wörterbuch  der  deutschen  spräche.^  Strass- 
burg  1899.  —  M.  Lexer,  Kärntisches  Wörterbuch.  Leipzig  1862.  —  J.  A. 
Schmeller,  Baierisches  Wörterbuch,'^  bearb.  von  G.  K.  Frommauu.  München 
1872 — 1877.  —  Desselben  sogenanntes  cimbrisches  Wörterbuch,  das  ist 
deutsches  Idiotikon  der  VIT  und  XIII  conimuni  in  den  venetianischen  Alpen. 
Herg.  von  J.  Bergmann.  Wien  1855.  —  Schweizerisches  Idiotikon. 
Wörterbuch  der  schweizerdeutschen  spräche.  Ilerg.  von  Fr.  Staub,  L.  Tobler 
etc.  Fraucnfeld  1881  ff.  —  Ant.  U  eher  fehler,  Kärutnerisches  idiotikou, 
herg.  von  S.  M.  Mayer.  Klagenfurt  1862. 

Arbeiten,  denen  ich  einzelheiten  entnommen  habe,  sind  an  der  betr. 
stelle  angeführt.  Die  benutzung  der  gewöhnlichen  germanistischen  hilfs- 
mittel, wie  der  grammatiken  von  Paul,  Braune,  Wilmanns,  setze  ich  still- 
schweigend voraus. 


MUNDART   VON   PERNEGG.  3 

mit  dem  St.  Veiter  beckeu,  es  fehlt  dalier  nach  dieser  richtung 
eine  natürliche  grenze,  wie  denn  auch  eine  schroffe  dialekt- 
scheide. Im  Südosten  bilden  etwa  die  pfarren  Radweg-  und 
Klein -St.  Veit  die  grenze  gegen  die  von  der  Klagenfurter  stadt- 
sprache  ungemein  stark  beeinflussten  dialekte  des  W()lfnitz- 
tales.  Eine  scharfe  grenzlinie  besteht  eigentlich  nur  iin  norden 
(nordosten,  nordwesten)  gegen  die  mundarteu  des  oberen  (iurk- 
tales  {a/ga -Wnie,  von  der  Gnesau  westlich  zugleich  ö'/^-linie, 
vgl.  dazu  die  §§  58.  71).  Sie  fällt  mit  der  Avasserscheide  zwischen 
der  Gurk  und  Glan  zusammen.  Die  grenzgemeinden  sind  Steuer- 
berg und  Himmelberg.  Die  westgrenze  bilden  die  nordöstlichen 
ausläufer  der  Görlitzen  bis  zu  ihrem  gipfel,  von  da  etwa  die 
bezirkshauptmannschaftsgrenze  bis  zur  Sprachgrenze  (grenz- 
gemeinden Steindorf  und  Ossiach;  im  untern  teile  äulätv-lime, 
vgl.  §  68,  anm.). 

Im  Süden  liegt  slowenisches  bez.  gemischtsprachiges  ge- 
biet. Die  utraquistischen  grenzgemeinden  sind  Köstenberg  und 
Techeisberg.  Der  '  Klotzenwinkel '  liegt  demnach  unmittelbar 
an  der  Sprachgrenze  (über  deren  verlauf  gibt  ziemlich  richtige 
auskunft  Lexer,  einl.  zum  Kämt.  wb.  s.  xvi).  Das  nächstliegende 
windische  dorf  Laas  ist  nur  eine  starke  halbe  stunde  von  Per- 
negg  entfernt.  Doch  ist  der  verkehr  nach  dieser  seite  hin  wenig 
rege.  Die  zahl  der  diesseits  der  Sprachgrenze  ansässigen  Slo- 
wenen ist  äusserst  gering.  Zweisprachigkeit  ist  auf  deutscher 
Seite  verhältnismässig  sehr  selten,  scheint  aber  früher,  so  lange 
noch  der  sog.  Wechsel,  d.  h.  der  gegenseitige  austausch  deutscher 
und  windischer  kinder  bestand,  häufiger  gewesen  zu  sein.  Dass 
wir  uns  in  unserer  gegend  auf  ursprünglich  fremd si)rachigem 
boden  befinden,  daran  erinnern  uns  zahlreiche  orts-  und  11  ur- 
namen,  sowie  eine  anzahl  haus-  und  familiennamen  slawischen 
Ursprungs.  Vgl.  die  Ortsnamen  Pernegg,  ma.  perne,  urkundlich 
(1290)  Förnik,  wind.  j?)(>n2l/6'6'  (zu  j^onio  offen,  frei  gelegen); 
Dolientschig,  ma.  dol^antse  {(bl4antse),  wind.  doWnisotsc;  Del- 
lach, ma.  dedldx,  wind,  dwa^e  (bez.  loc.  *dolea;,),  beide  zu  dol  tal; 
flurnamen,  z.  b.  Icummdts,  larnitsn;  hausnamen,  wie  {^({d^lits, 
urwne,  pnwdsnc  [nc  ^=^  ^nilc)  u.a.m.  Es  ist  mir  bisher  nicht 
gelungen,  auch  nur  den  geringsten  anhaltspunkt  zu  gewinnen, 
um  bestimmen  zu  kitnnen.  wann  der  germanisierungs[)r()cess  in 
unserer  gegend   seinen  abschluss  erreichte.     Es  ist  dies  über- 

1* 


4  LESSIAK 

haupt  eine  selir  schwierige  aufgäbe  insofern,  als  wir,  wie  uns 
Ortsnamen  und  Urkunden  lehren,  in  Kärnten  für  die  zeit  vom 
8.  jli.  angefangen  und  —  zum  teil  wenigstens  —  noch  bis  spät 
ins  mitt.elalter  hinein  ein  mosaikartiges  durcheinanderwohnen 
der  beiden  volksstämme,  sowol  für  den  deutschen  als  windischen 
landesteil,  anzunehmen  haben,  natürlich  mit  procentmässig 
stärkerer  bez.  schwächerer  Vertretung  des  einen  oder  anderen 
Volkstums.  Erst  nachdem  die  minderheit  gegenseitig  aufgesogen 
war,  kann  von  einer  festen  Sprachgrenze  die  rede  sein;  eine 
eigentliche  veischiebung  derselben  hat  in  grösserem  massstabe 
kaum  stattgefunden. 

Leider  ist  es  mir  vorläufig  nicht  möglich  gewesen,  die 
Urkunden  des  ehemaligen  klosters  Ossiach,  die  einzigen  schrift- 
lichen altertümer  aus  unserer  gegend  (das  Feldkirchner 
urkundenmaterial  ist  vor  ein  paar  jähren  auf  rätselhafte  weise 
verschwunden)  einer  genaueren  prüfung  zu  unterziehen.  Ich 
habe  dagegen  zur  bestimmung  der  ursprünglichen  aussprach- 
verhältnisse  häufig  die  lautsubstitution  in  lehnwörtern  heran- 
gezogen und  muss  daher  einige  darauf  bezügliche  bemerkungen 
vorausschicken. 

Die  berührung  der  beiden  Völker  konnte  natürlich  nicht 
ohne  einfluss  auf  ihre  spräche  bleiben.  Eine  ausserordentlich 
starke  einwirkung  von  selten  des  deutschen  erfuhr  das  win- 
dische (ich  gebrauche  diesen  ausdruck  fortan  der  kürze  halber 
für  die  slowenischen  niundarten  Kärntens,  obwol  er  ja  eigent- 
lich 'slowenisch'  im  allgemeinen  bezeichnet,  im  gegensatz  zu 
slowenisch,  worunter  ich  speciell  die  krainische  Schriftsprache 
verstehe)  vor  allem  in  bezug  auf  den  Wortschatz,  aber  auch 
die  Syntax  und  lautentwicklung.  Es  ist  durchaus  nicht  über- 
trieben, wenn  man  behauptet,  dass  sich  im  windischen  fast 
ganze  sätze  aus  deutschen  fremdwörtern  bilden  lassen  (ein 
charakteristisches  bei  spiel  für  die  starke  Sprachmischung  ist 
unter  anderem  die  nachbildung  der  trennbaren  verbalcomposita, 
entweder  mit  unmittelbarer  entlehnung  oder  wenigstens  ge- 
nauer Übersetzung  der  partikel.  Vgl.  an-,  höh-,  näx-,  tsud-,  löz- 
iötd  an-,  weg-,  nach-,  zu-,  losgehen;  tsi  sou  an,  näx  er  gieng 
nicht  an,  nach  u.s.w.). 

Was  die  zeit  der  entlehnung  aus  dem  deutschen  anbetrifft, 
so  lassen  sich  etwa  zwei  hauptperioden  unterscheiden:  der  einen 


MUNDART  VON   PERNEGG.  5 

grossen  gruppe  von  fremdwörtern  liegt  der  mhd.  laiitstand 
zu  gründe,  die  zweite  spiegelt  im  allgemeinen  die  modernen 
lautverliältnisse  der  deutschen  grenzmundarten  wider.  Ich  stelle 
sie  als  'ältere'  und  'jüngere'  einander  gegenüber.  Gelegent- 
lich wird  es  notwendig  sein,  eine  zwischengruppe  einzuschieben 
('entlehnungen  der  Übergangsperiode'),  zumal  mit  rücksicht  auf 
die  entAvicklung  der  diphthonge. 

Umgekehrt  ist  der  einfluss  des  windischen  auf  das  deutsche, 
vor  allem  was  den  eigentlichen  Sprachschatz  anbelangt,  ein 
auffallend  geringer.  Eine  entschädigung  für  diesen  'mangel' 
bieten  die  zahlreichen  Ortsnamen  slowenischer  herkunft:  frei- 
lich nicht  die  beste,  denn  nicht  in  allen  fällen  lässt  sich  die 
grundform  mit  bestimmtheit  feststellen.  Ich  habe,  um  sicher 
zu  fahren,  vor  allem  nur  solche  Ortsnamen  zum  vergleiche 
lierangezogen,  deren  windische  form  bei  den  angrenzenden 
Slowenen  noch  in  Verwendung  steht,  oder  sich  zum  mindesten 
mit  einiger  gewisheit  aus  der  älteren  gestalt  in  den  Urkunden 
erschliessen  lässt.  In  einzelnen  fällen  bin  ich,  um  die  zahl 
der  beispiele  zu  vermehren,  über  das  beschränkte  gebiet  meiner 
nnindart  hinausgegangen,  es  gelten  ja  doch  im  wesentlichen 
auch  für  die  nachbarmundarten  dieselben  Substitutionserschei- 
nungen. Auch  die  deutschen  ortsbezeichnungen  im  slowenischen 
grenzgebiet  habe  ich  hier  und  da  herangezogen,  vor  allem 
deshalb,  weil  sie  in  folge  ihrer  teilweise  erst  später  erfolgten 
eindeutschung  gewissermassen  als  Vertreter  einer  moderneren 
gruppe  von  entlehnungen  dienen  können.  Zu  meinem  bedauern 
muss  ich  übrigens  gestehen,  dass  es  mit  einer  auf  wissenschaft- 
licher grundlage  beruhenden  ortsnamenforschung  in  Kärnten 
recht  schlecht  bestellt  ist,  deren  ergebnisse  ich  im  weiteren 
umfange  hätte  benützen  können.  Amtliche  Verzeichnisse  wie 
das  ortsrepertorium  und  die  älteren  autlagen  des  diöcesan- 
schematismus  mussten  wegen  ihrer  zahlreichen  Irrtümer  und 
geradezu  bewussten  fälschungen  (falscher  reconstructionen  von 
Ortsnamen  slow.  Ursprungs)  beiseite  gelassen  werden.  Ich  be- 
schränkte mich  daher,  so  weit  es  angieng,  auf  selbstgehörte 
namensformen;  das  nämliche  gilt  übrigens  in  bezug  auf  das 
windische  wortmaterial.  Wo  schriftliche  quellen  benutzt 
wurden,  ist  dies  stets  ausdrücklich  bemerkt. 

Bei  den  übrigen,  speciell  romanischen,  fremdwörtern  kommt 


6  LESSIAK 

ausser  der  zeitlichen  imterscheidung-  noch  der  unterschied 
zwischen  mittelbarer  und  unmittelbarer  entlehnung  in  be- 
tracht.  Unter  'unmittelbaren'  entlehnungen  verstehe  ich 
solche,  die  nicht  auf  dem  umwege  durch  die  schrift-  (gelehrten-) 
spräche  oder  fernstehende  dialekte  in  unsere  ma.  gedrungen 
sind,  sondern  direct,  durch  mündlichen  verkehr,  aus  dem  be- 
nachbarten italienischen  (friaulischen)  übernommen  wurden 
(zum  teil  natürlich  durch  Vermittlung  der  engverwanten  grenz- 
mundarten). 

Aum.  Einen  kleinen  bruchteil  des  Wortschatzes  hat  die  ma.  der 
spräche  der  sogenannten  htirtslr  (zu  nihd.  sterzen  umherscliweifen),  einer  im 
aussterben  begriffenen,  modernen  abart  der  mittelalterlichen  kaltsmide,  ab- 
geborgt. Diese  leute  (ßohnt  (wandern)  fast  während  des  ganzen  Jahres  im 
lande  herum  mitsammt  ihren  viühi  (weibern)  und  hratsn  (kindeni),  indem 
sie  klempnerarbeiten  besorgen,  mit  riemenzeug  handeln  {memjrn),  sich 
nebenbei  aber  auch  aufs  tirhn  (betteln)  und  gelegentlich  sogar  aufs  Snifn, 
hturni  oder  fäsn  (stibitzen)  verlegen.  E.s  ist  zu  bemerken,  dass  es  fast 
durchweg  einheimische  familien  sind;  ihr  rotwelsch  zeigt  kärntnerische 
lautgebung. 

Die  mundarten  des  herzogtums  Kärnten  gehören  sämmt- 
lich  der  bair.-üsterreichischen  dialektgruppe  an.  Das  charak- 
teristische merkmal,  das  die  mehrzahl  derselben  unter  einander 
zu  einer  grösseren  einheit  verbindet,  besteht  darin,  dass  alle 
ursprünglichen  fortes  von  sonorconsonanten  und  reibelauten  in- 
lautend zwischen  sonoren  mit  einfachen  lenes  zusammengefallen 
sind.  Ausgenommen  sind  davon  nur  einzelne  dialekte  des  Ober- 
landes und  randdialekte,  zumal  das  lesachtalerische,  das  auch 
sonst  eine  weit  grössere  Übereinstimmung  mit  dem  osttiroli- 
schen  aufweist,  als  mit  der  hauptmasse  der  übrigen  Kärntner 
mundarten. 

Im  allgemeinen  steht  das  kärntnerische  den  mundarten 
Tirols  näher  als  denen  Altbaierns  und  der  nördlichen  kron- 
länder  (Salzburg,  Oesterreich  ob  und  nid  der  Enns).  Man  wird 
übrigens  gut  daran  tun,  das  bair.-österr.  dialektgebiet  über- 
haupt in  zwei  hauptgruppen,  etwa  'nörd-'  und  'südbaju warisch' 
zu  trennen.  Auf  diese  weise  würden  sich  die  zahlreichen 
misverständnisse,  die  auf  Verallgemeinerung  nordbajuwarischer 
eigentümlichkeiten  beruhen,  bald  klären.  Eine  genauere  ab- 
grenzuiig  besonders  mit  rücksicht  auf  die  steirischen  mimd- 
arten  ist  mir  vorderhand  nicht  möglich.    Ich  möchte  zur  recht- 


MUNDAKT   VON   PERNEGG.  7 

fertig-ung  des  gesagten  nur  auf  einige  der  wichtigsten  unter- 
schiede aufmerksam  machen: 

1)  Der  Süden  hat  im  gegensatz  zum  norden  altes  e  und  6 
diphthongiert  (südl.  ea,  oa,  nördl.  e,  g). 

2)  l  und*;-  bleiben  dort  im  allgemeinen  unverändert,  in 
den'  meisten  nördlichen  mundarten  dagegen  hat  sich  l  nach 
vocalen  zu  einem  vocalischen,  /-ähnlichen  laut  entwickelt  (vgl. 
Nagls  II,  l  als  vocalfärber,  Roanad,  einl.  §  29  f.),  während  /• 
postvocalisch  vor  consonanten  und  im  wortauslaut  fast  durch- 
gehends  zu  ■)  geworden  ist  (daher  konnte  sich  hier  r  als  'hiatus- 
trenner'  entwickeln,  vgl.  Roanad  v.  77,  s.  73  f.). 

3)  (West-)  germ.  kh  und  Ic,  soweit  dieses  nicht  zur  spii'ans 
verschoben  wurde,  erscheint  im  südbaju warischen  in  allen 
Stellungen  als  aifricata  bez.  aspirata,  in  den  nordbajuwarischen 
ma.  ist  es  nur  anlautend  vor  vocalen  als  Ich  'erhalten'. 

4)  t  (=  germ.  d)  ist  im  Süden  fast  durchgehends  von  d 
(=  germ.  ]))  unterschieden,  im  norden  ist  es  im  anlaut  und  nach 
länge  ziemlich  allgemein  mit  diesem  zusammengefallen. 

5)  Der  norden  scheidet  (zum  teil?)  im  anlaut  h  und  p  (vgl. 
Nagl  briiadä  bruder,  hiici  bub  —  prömv  probe,  pedä  Peter),  der 
Süden  kennt  hier  nur  p. 

6)  Den  südlichen  ma.  fehlen  vor  allem  die  sogenannten 
'ender weichungen'  bez.  '-Verstärkungen',  wie  sie  das  nordbaju- 
warisclie  aufweist  (z.  b.  sg.  long,  pl.  beik  bock  —  bücke,  vgl. 
Roanad,  gramm.  §  11  ff.,  s.  442). 

Irgendwelche  abhandlung  über  die  Pernegger  mundart  ist 
bisher  nicht  erschienen.  Der  Wortschatz  der  P'eldkirchner 
gegend  liegt  teilweise  zu  gründe  dem  Kärntnerischen  Idiotikon 
von  A.  Ueberfelder,  Klagenfurt  1862.  Einzelne,  aber  vielfach 
unrichtige  angaben  über  die  Glantaler  dialekte  finden  sich  in 
M.  Lexers  Kärntischem  wb.  Der  kurze  aufsatz  J.  Krassnigs : 
Versuch  einer  lautlehre  des  oberkärntischen  dialektes,  Villach 
1870  (g3'mnasialprogramm),  enthält  die  einzige  zusammen- 
hängende bearbeitung  eines  Kärntner  dialektes. 

Hinsichtlich  der  transscription  habe  ich  mich  im  all- 
gemeinen an  .T.  Schatz  (Die  mundart  von  Imst,  Strassburg  1897) 
angeschlossen, ')  dem  ich  überhaupt  in  der  anordnung  des  Stoffes 


')  Nur  setze  ich  aus  typograpbisclieu  gründen  v  und  x  für  ;/  und  /. 


8  LESSIAK  §  1 

etc.  vielfach  gefolgt  bin.  Auf  den  häufigen  parallelismus  ein- 
zelner lauterscheinungen  der  Pernegger  und  Imster  ma.  ver- 
weise ich  gleich  an  dieser  stelle,  um  mir  die  beständigen  hin- 
weise zu  ersparen. 

Zu' wärmstem  danke  fühle  ich  mich  den  herren  hofi^at  prof. 
dr.  Eichard  Heinzel  und  prof.  dr.  C.  Kraus  verpflichtet,  die  die 
anregung  zu  dieser  arbeit  gegeben  haben  und  durch  deren 
befürwortung  mir  von  selten  des  hohen  k.  k.  ministeriums  für 
cultus  und  Unterricht  die  zu  einer  ausbildung  auf  dem  gebiete 
der  phonetik  nötige  Unterstützung  zu  teil  "wurde,  sowie  herrn 
prof.  dr.  Eduard  Sievers,  der  mit  liebevoller  teilnähme  während 
der  zwei  semester  meines  Leipziger  aufenthaltes  die  arbeit 
förderte,  dem  ich  aufschlüsse  über  eine  reihe  wichtiger  fragen, 
wertvolle  winke  und  die  ausbildung  meines  wissens  in  phoneticis 
verdanke.  Auch  den  herren  professoren  M.  H.  Jellinek  und 
E.  Much  sei  hier  für  die  vielen  auskünfte,  die  sie  mir  erteilt 
haben,  der  herzlichste  dank  ausgesprochen. 

Lautlehre. 

1.  Teil: 
Laiitphysiologisches. 

A.    Allgemeines. 

§  1- 
Beim  gewöhnlichen,  ruhigen  atmen  liegt  der  Vorderteil  der 
zunge  in  ziemlich  wagrechter  läge  eingebettet  zwischen  den 
zahnen  des  Unterkiefers,  an  den  seitenrändern  gegen  diese  hin 
etwas  abgewölbt.  Die  hauptmasse  der  zunge  concentriert  sich 
mehr  nach  hinten,  die  Zungenspitze  berührt  noch  den  unteren 
rand  der  unteren  vorderzähne.  Das  gaumensegel  hängt  schlaff 
herab,  die  beiden  zahnreihen,  sowie  die  lippen  sind  einander 
bis  auf  einen  geringen  spalt  genähert.  Die  articulation  der 
zunge  sowol  wie  des  kehlkopfs  kann  man  nicht  als  besonders 
kräftig  bezeichnen.  In  dieser  hinsieht  wie  besonders  in  bezug 
auf  die  fast  passive  lippentätigkeit  steht  unsere  mundart  in 
starkem  gegensatze  zu  der  energischeren  articulationsweise  der 
windischen  nachbardialekte,  die  sich  auch  durch  einen  höheren 
kehlkopfstand  und  durch  einen  helleren,  mehr  palatalen  laut- 


§  2  MUNDART   VON   PERNEGG.  9 

Charakter  von  ihr  unterscheiden.!)    Die  nasalierung-  ist  sehr 
schwach  (vgl.  §  22).    Das  Sprechtempo  ist  langsam,  bedächtig. 

B.    Die  einzellaute. 

§  2,    Einfache  vocale. 
a)  Vordere: 

/.  Die  Zungenmasse  wird  nach  vorne  geschoben.  Das 
zungenblatt  stemmt  sich  gegen  die  unteren  Schneidezähne,  der 
rücken  articuliert  gegen  den  vorderen  harten  gaumen.  Die 
Spannung  erreicht  eine  mittlere  Intensität.  Die  Unterlippe  wird 
etwas  gesenkt  und  ein  wenig  gegen  die  unterzähne  hingezogen, 
die  mundwinkel  öffnen  sich  ganz,  ohne  sich  indes  seitwärts  zu 
bewegen.    Der  kieferwinkel  ist  hier  am  kleinsten. 

e  erhalten  wir,  wenn  wir  die  zunge  von  der  i- Stellung 
ein  wenig  nach  unten  und  rückwärts  bewegen.  Die  lippen 
articulieren  in  der  vorhin  angedeuteten  richtung.  Die  Span- 
nung der  articulationsorgane  ist  äusserst  schwach.  Die  klang- 
farbe  ist  die  eines  sehr  geschlossenen  e  {e  kommt  nur  in  neben- 
toniger Silbe  als  Vertreter  eines  urspr.  i  vor). 

ö.  Der  kieferwinkel  ist  grösser  als  beim  e,  die  Spannung 
der  zunge  sehr  intensiv.  Die  mundwinkel  sind  halb  geschlossen, 
die  lippen  Öffnung  nimmt  eine  etwas  ovale  gestalt  an,  wir  haben 
es  mit  schwachen  ausätzen  zur  rundung  zu  tun.  [In  der  ge- 
bildeten Umgangssprache  Kärntens  und  wol  auch  darüber  hinaus 
ist  es  der  regelmässige  substitutionslaut  für  schriftdeutsches 
(bühnendeutsches)  ö,  mit  dem  es  aber  keineswegs  verwechselt 
werden  darf.] 

€,  Die  läge  der  zunge  ist  tiefer  als  beim  ö,  die  Spannung 
geringer.  Die  Unterlippe  nimmt  fast  dieselbe  Stellung  ein  wie 
beim  /,  nur  fehlt  hier  die  bewegung  gegen  die  unterzähne. 
AVährend  beim  i  und  ö  ein  merkbarer  unterschied  zwischen 
kürze  und  länge  nicht  besteht,  ist  er  hier  deutlich  fühlbar. 
Die  länge  e  nähert  sich  der  klangfarbe  nach  einem  mittleren  e, 


^)  Trotzdem  erscheint  die  deutsche  Sprechweise  viel  'härter',  'kräf- 
tiger'. Dies  beruht  aber  auf  dem  gewaltigen  gegensatz  iu  der  accentuierung. 
Das  windische  hat  keinen  ausgeprägten  dynamischen  wort-  und  satzaccent, 
wol  aber  einen  stark  entwickelten  musikalischen  accent;  es  'singt',  wie  man 
zu  sagen  pflegt. 


10  LESSIAK  §  3 

die  weniger  gespannte  kürze  hat  einen  ziemlicli  ausgeprägt 
offenen  Charakter. 

b)  Hintere: 

a  entspricht  dem  liellen  italienischen  a.  Die  grosse  der 
lippenöffnung  und  des  kieferwinkels  ist  hier  am  bedeutendsten. 
Die  vorderzälme  stellen  durchschnittlich  etwas  über  1  cm.  von 
einander  entfernt.  Die  zunge  bildet  eine  kaum  merkbare  Wöl- 
bung nach  dem  weichen  gaumen  hin. 

o,  steht  seiner  klangfarbe  nach  dem  o  näher  als  dem  a 
(mittleres  6).  Die  zunge  wird  stark  zurückgezogen,  ihre  Wöl- 
bung ist  intensiver  als  beim  a.  Die  Öffnung  der  lippen  hat 
ungefähr  dieselbe  form  wie  beim  ö,  ist  aber  bedeutend  kleiner. 

o.  Die  zunge  articuliert  so  ziemlich  gegen  denselben  teil 
des  velums  wie  beim  q,  nur  ist  die  engenbildung  eine  stärkere. 
Die  Spannung  ist  grösser  als  bei  irgend  einem  anderen  vocal. 
Die  lippenöffnung  ist  geringer  als  beim  q,  man  merkt  im  ver- 
lauf der  articulation  eine  leise  bewegung  der  lippen  nach  vorn. 
Das  0  hat  einen  sehr  geschlossenen  Charakter. 

u.  Beim  Übergang  von  o  zu  u  bewegt  sich  die  zunge 
nach  oben  und  zugleich  etwas  nach  vorwärts.  Die  lippen- 
öffnung ist  ausserordentlich  klein,  aber  im  gegensatz  zu  o 
nicht  oval,  sondern  mehr  spaltförmig;  sie  hat  eine  grosse  ähn- 
lichkeit  mit  der  des  w  (s.  unten).  Vorstülpung  kommt  nicht 
vor.  In  folge  der  schwachen  beteiligung  der  lippen  hat  das  u 
trotz  der  beträchtlichen  Spannung  der  zunge  einen  mehr 
offenen  klang. 

'     Kürzen    und    längen    unterscheiden    sich    bei   den   letzt- 
genannten vocalen  nicht. 

9,  Yocai  der  indifferenzlage.  Vor  li  {x)  und  n  nähert  es 
sich  stark  dem  a. 

§  3.    Diphthonge, 
a)  Sog.  unechte. 
19,    i  unterscheidet  sich  hier  nicht  vom  isolierten  i.    Die 
zunge  bewegt  sich  allmählich  nach  unten  und  rückwärts  bis 
fast  in  die  ruhelage.    Die  Unterlippe  vollführt  dabei  eine  mini- 
male Senkung. 

e^a.  q  hat  die  klangfarbe  eines  sehr  offenen  e  (ä),  die 
mundöffnung  erreicht  beinahe  dieselbe  grosse  wie  beim  a.    Die 


§  3  MUNDART   VON   PERNEGG.  11 

beiden  componenten  stellen  einander  ziemlich  nahe.  Im  ver- 
lauf der  bewegung  werden  die  mundwinkel  etwas  seitAvärts 
gezogen,  die  zunge  senkt  sich,  erreicht  jedoch  nicht  die  «-Stel- 
lung.   Zu  ej  vgl.  §  24. 

o^a.  Der  diphthong  setzt  mit  einem  sehr  offenen  g  ein,  das 
sich  von  dem  geschlosseneren  o  in  isolierter  Stellung  beträcht- 
lich unterscheidet.  Die  Senkung  des  zungenkörpers  ist  grösser, 
die  lippenöffnuug  hält  so  ziemlich  die  mitte  zwischen  der  des 
ö  und  e.  Gegen  das  ende  hin  vergrössert  sie  sich  sowol  in 
verticaler  als  in  seitlicher  richtung.  Die  zunge  wird  über  die 
«-Stellung  hinaus  nach  vorn  geschoben  und  gesenkt. 

iia.  Der  grad  der  Spannung  ist  etwas  geringer  als  beim 
isolierten  u.  Die  zunge  bewegt  sich  in  der  beim  oa  angedeu- 
teten richtung,  bleibt  jedoch  in  höherer  läge  und  gelangt 
weiter  nach  vorwärts.  Die  lippen  machen  dabei  eine  schwache 
bewegung  nach  unten. 

b)  Sog.  echte  diphthonge. 

fpi.  Der  erste  component  ist  ein  überoffenes  ä,  die  liori- 
zontallage  der  zunge  ist  höher  als  beim  a,  die  lippenr>ffnung 
geringer.  Vom  ä  gleitet  die  zunge  in  die  e-stellung  hinüber; 
die  richtige  transscription  wäre  demnach  a?e*  aus  praktischen 
gründen  habe  ich  aber  davon  abgesehen,  mich  von  dem  her- 
gebrachten Avortbild  allzu  weit  zu  entfernen, 

au.  Das  a  wird  etwas  weiter  rückwärts  gebildet,  die 
lippenöffnung  ist  kleiner.  Der  klangfarbe  nach  neigt  es  ganz 
wenig  nach  ä  hin.  Den  endpunkt  der  bewegung  bildet  ein 
sehr  weites  u,  mit  der  für  (isol.)  u  charakteristischen  li})pen- 
stellung. 

oi  =  geschlossenem  o  +  /.  Das  o  wird  unter  besonders 
starker  Spannung  der  lippen  gebildet.  Ihre  Öffnung  gleicht 
der  beim  u.  Die  klangfarbe  schwankt  ein  klein  wenig  nach 
H  hin.  Die  zungenarticulation  entspricht  der  des  isol.  o.  Das 
i  wird  weiter  rückwärts  gebildet  als  sonst  und  ist  etwas  ge- 
spannter. Da  sich  die  lijjpenstellung  während  des  Verlaufs  nur 
sehr  wenig  ändert,  bekonnnt  es  eine  etwas  «^-ähnliche  färbung. 

iii  kommt  nur  in  ein  paar  interjectionen  vor,  z.  b.  pfui, 
iui,  hui.  Die  rundung  des  u  ist  hier  stärker,  das  i  entspricht 
so  ziemlich  dem  isol.  i. 


12  LESSIAK  §  4 

§  4.    Sonorconsonanten. 

a)  Halbvocale. 

/.  *Icli  fasse  unter  diesem  zeichen  die  palatalvocale  in 
unsilbischer  function  zusammen.  Die  klangfarbe  scliwankt  un- 
gefähr zwischen  halboffenem  /  und  geschlossenem  e.  Vor  u 
neigt  sie  gegen  ü^  (/'ijwl-x  jung),  vor  den  übrigen  velarvocalen 
klingt  der  halbvocal  wie  ö  (ögJJd  Jakob),  vor  ö  wie  weites  i 
{ifiSds  Jesus),  vor  i  wie  mittleres  i  {iwgr  jünger),  vor  e  etwa 
wie  e  (vgl.  eegr  Jäger,  als  schreibname). 

it  kommt  nur  im  aulaut  nebentoniger  silben  vor  als  zweiter 
component  eines  urspr.  Zwielauts,  z.  b.  mä-ur  mauer.  Die 
klangfarbe  ist  offener  als  die  des  u,  die  lippen()ffnung  weiter, 
die  zungenarticulation  weniger  energisch  (über  den  Übergang 
zu  w  in  den  angrenzenden  ma.  vgl.  §  68,  anm.). 

w  hat  ganz  die  von  Schatz  (Imster  ma.  §  10)  beschriebene 
articulation.  Die  einheitliche  oder  doppelseitige  bildungsweise 
hängt  von  der  beschaffenbeit  der  lippenbildung  der  einzelnen 
personen  ab ,  d.  h.  von  der  mehr  oder  minder  convexen  form 
der  Oberlippe  (vgl.  Sievers,  Phonetik'^  §  321).  Ein  reibungs- 
geräusch  fehlt,  daher  der  sonore  Charakter. 

b)  Liquidae. 

l  ist  alveolar.  Die  zunge  wird  ziemlich  stark  zurück- 
gezogen, daher  der  etwas  gutturale  klang  des  l,  besonders  in 
der  nachbarschaft  dunkler  vocale.  Nach  /.:,  g  findet  zungen- 
verschluss  am  harten  gaunien  statt,  nach  t,  d,  s  ist  l  postdental. 
Neben  doppelseitigen  h()rt  man  nicht  selten  einseitig  gebildete  l. 

r.  Der  r-laut  ist  (wenigstens  bei  einem  teil  der  älteren 
Schicht  der  bevölkerung)  vor  labialen  und  gutturalen  ungerollter 
Zungenlaut.  Der  zungenrücken  wird  gehoben,  der  vordere  teil 
stark  löffelartig  ausgebreitet.  Der  zungensaum  wird  von  unten 
schwach  an  die  oberen  backenzähne  angedrückt.  Die  spitze 
ist  aufgebogen  und  articuliert  gegen  die  alveolen.  Dadurch, 
dass  sie  häufig  recht  nahe  an  diese  herangebracht  wird  und 
der  verschluss  an  den  backenzähnen  weniger  energisch  erfolgt, 
bekommt  das  r  leicht  eine  Z-artige  färbung  (im  nördlichen  teil 
der  P^eldkirchner  gegend,  wo  das  zungen-r  unter  den  erwähnten 
bedingungen  noch  ziemlich  allgemein  verbreitet  ist,  hörte  ich 


§  5  MUNDAKT    VON   PERNEGG.  13 

kiuder  bisweilen  in  der  tat  reines  l  dafür  sprechen).  In  anderen 
fällen,  von  der  jiigeud  zumeist  auch  vor  labialen  und  guttu- 
ralen, wird  fast  durchgehends  ungerolltes  zäpfchen-r  gesprochen 
(ganz  ausnahmsweise  bedienen  sich  manche  Individuen  nur  des 
zungen->).  Das  zäpfchen-r  hat  stark  kratzenden  Charakter, 
so  dass  es  oft  einem  ^  sehr  nahe  kommt,  zumal  in  der  Ver- 
bindung -erer  (Jiudtrs  bez.  hudtdrs  für  hiotrr  'Imterer',  d.i.  hut- 
maclier).  Ich  unterscheide  die°  beiden  qualitäten  graphisch 
durch  r  (zungen-r)  und  r  (zäpfcheu-r).  Kehlkopf- r  hört  man 
öfter  nacli  dunklen  vocalen  vor  l,  z.  b.  Mgrl  Karl,  auslautend 
und  silbenbildend  in  der  endung  -er,  z.  b.  fgtr  vater.  Ist  das 
knarrgeräusch  sehr  schwach,  so  nähern  sich  diese  auslautenden 
r  stark  einem  a(a)-ähnlichen  vocal,  ohne  jedoch  ihren  selbstän- 
digen, von  diesem  verschiedenen  Charakter  aufzugeben. 

c)  Nasale. 

ni  ist  bilabial,  n  schwankt  zwischen  postdentaler  und 
alveolarer  articulation,  die  letztere  herscht  stets  vor  und  nach 
s,  l  (in  der  auslautenden  Verbindung  In  hört  man  nicht  selten 
einen  scliwachen  c?-ähnlichen  übergangslaut  Idn.  Dies  erklärt 
sich  daraus,  dass  die  nasenklappe  erst  geöffnet  wird,  nachdem 
der  seitliche  zungenverschluss  bereits  vollzogen  ist.  Das  n 
ist  hier  von  sehr  kurzer  dauer).  In  Verbindung  mit  /'  ist  der 
mund verschluss  ein  doppelter:  zum  verschluss  durch  die  zunge 
kommt  die  anpressung  der  Unterlippe  an  den  rand  der  ober- 
zähne  (es  entsteht  so  ein  dentilabialer  nasal,  in  ermangelung 
eines  passenden  buchstaben  schreibe  ich  durchweg  n). 

§  5.    Lippenlaute. 

Verschlusslaute  sind  (fortis)  x)  und  (stimmlose  lenis)  h, 
beide  werden  bilabial  gebildet.  Der  reibelaut  /  schwankt 
zwischen  bilabialer  und  dentilabiolabialer  articulation,  d,  h. 
die  reibeenge  wird  entweder  durch  die  lippen  allein  hergestellt, 
oder  die  Unterlippe  berührt  (wenigstens  zum  teil)  auch  die  obere 
zahnreihe.  Dies  ist  der  fall  vor  e  und  /,  bei  deren  bildung  sich 
die  lippen  seitwärts  öffnen  bez.  nach  innen  bewegen,  ferner 
in  der  Umgebung  von  dentalen,  jenes  besonders  vor  vocalen 
mit  rundöffnung.  Bilabial  ist  f  auch  in  der  affricata  pf.  Die 
Unterlippe  wird  dabei  in  der  regel  etwas  hinaufgezogen,  die 


14  LESSIAK  §  6.  7 

Oberlippe  massig-  vorgestülpt.  Der  so  entstaiideiie  kesseiförmige 
räum  vor  den  oberen  Schneidezähnen  dient  zur  Verstärkung 
des  bliisegeräusches. 

An  IM.  b  kommt  als  historisch  entwickelter  laut  in  der  muudart  nicht 
vor,  sondern  ist  das  ergebnis  einer  teilweisen  assimilation  des  w  an  folgende 
consonanten  (vgl.  §  28,  a).  Stimmhaftes  b  hört  man  in  der  gemischt- 
sprachigen, nachbarschaft  für  deutsches  w  nicht  selten. 

§  6.    Zahnlaute. 

Die  verschlusslaute  (fortis)  t  und  (stimmlose  lenis)  d  werden 
häufig  interdental,  daneben  postdental  gebildet.  In  der  nachbar- 
schaft eines  s,  l  sind  t,  d  alveolar,  vor  n  herscht  faucale,  vor 
l  seitliche  explosion. 

Der  reibelaut  s  ist  interdental.  Die  reibeenge  liegt  zwischen 
dem  zungenblatt  und  den  oberen  Schneidezähnen.  Die  lippen 
bleiben  dabei  in  der  ruhelage.  Lispelnde  s  (vgl.  Sievers,  Phon.^ 
§  335)  sind  nicht  selten.  Irgendwelche  ausgeprägte  rinnen- 
bildung  habe  ich  beim  s  nicht  beobachtet. 

Beim  «  wird  der  zungenkörper  nach  rückwärts  bewegt 
und  gehoben.  Die  Zungenspitze  ist  etwa  1 — l'/a  cm.  vom  rande 
der  Schneidezähne  entfernt  und  massig  in  der  richtung  gegen 
die  alveolen  gehoben.  Die  lippenspalte  ist  etwas  breiter  als 
beim  s,  die  entfernung  der  Unterlippe  von  den  unteren  Schneide- 
zähnen eine  grössere. 

§  7.    Kehllaute. 

Die  articulation  der  verschlusslaute  (fortis)  Je,  stimmlose 
(lenis)  {/  ist  je  nach  der  vocalischen  Umgebung  eine  verschiedene. 
Vor  und  nach  palatalen  vocalen  erfolgt  der  verschluss  am  mitt- 
leren harten  gaumen,  sonst  am  weichen,  nahe  der  übergangs- 
steile von  palatum  und  velum.  Der  kehlkopf  ist  offen;  nur  bei 
starker  Steigerung  des  druckes  tritt  unter  umständen  kehlkopf- 
verschluss  ein.  Dies  gilt  übrigens  für  sämmtliche  verschluss- 
fortes  (vgl.  etwa  das  energische,  ärgerliche,  dabei  etwas  ge- 
murmelte oder  geflüstei'te  du  \)ist  a  tokkr  a  tummr  du  bist  ein 
tölpel,  ein  dummer.  Häufig  bei  ka¥  hässlich,  in  der  kinder- 
sprache). 

Das  unaspirierte  k  wird  mit  geiingerer  Spannung  gebildet 
als  die  reine  tenuis  etwa  des  slowenischen.    Die  lösung  des 


§  8.  9  MUNDART   VON   PERNEGG.  15 

versclilusses  ist  wenig-er  energisch,  erfolgt  aber  deshalb  nicht 
bei  geringerem  expirationsdruck.  Es  nimmt  daher  unser  Je 
eine  mittelstellung  zwischen  eigentlichem  sprenglaut  und 
lösungslaut  ein  (vgl.  Sievers,  Phon.'^  §  370).  Dieselbe  doppel- 
heit  wie  bei  Je,  g  herscht  bei  der  bildung  des  stimmlosen  Spi- 
ranten X.  Doch  erfolgt  die  engenbildung  des  x^  weiter  rück- 
wärts als  bei  den  entsprechenden  verschlusslauten,  nahe  der 
gaumenscheide  (es  unterscheidet  sich  daher  noch  immer  ganz 
wesentlich  von  einem  palatalen  norddeutschen  x).  Dasselbe 
Verhältnis  gilt  von  x''-.  In  der  affricata  l'x  steht  das  x  dem  x^ 
näher  als  dem  x-  (zum  unterschied  von  den  Tiroler  ma.). 

§8- 
Daran  schliesse  ich  den  hauchlaut  h.  Er  unterscheidet 
sich  im  wortanlaut  nicht  vom  gemeindeutschen  lt..  Bei  der  bil- 
dung des  inlautenden  h  wird  der  kehlkopf  ganz  schwach  nach 
unten  bewegt,  die  zunge  ein  klein  wenig  zurückgezogen. 
Zwischenvocalisch,  zumal  bei  tieferer  Stimmlage,  ist  es  häufig 
stimmhaft.  Dazu  kommen  die  aspiraten  hh  und  Ä',  die  erstere 
mit  stärkerer,  die  letztere  mit  etwas  schwächerer  aspiration 
{U  ist  der  auslautende  Vertreter  für  inlautendes  unaspiriertes  h, 
vgl.  §  116,  3). 

C.    Zur  articulationsstärke  der  consonanten. 

§9. 

Ein  kennzeichen  fast  sämmtlicher  oberdeutscher  mundarten 
ist  bekanntlich  der  mangel  an  stimmhaften  verschluss-  und 
reibelauten.  Damit  steht  teilweise  im  Zusammenhang  die 
Unterscheidung  bestimmter  (in  der  regel  geschichtlich  ver- 
schiedener) lautgruppen  allein  auf  grund  der  exspirationsstärke. 
Bekanntermassen  bezeichnet  man  den  mit  grösserer  energie  des 
ausatniungsdruckes,  stärkerer  muskelspannung,  energischerem 
verschluss  bez.  engenbildung  articulierten  laut  als  fortis,  die 
schwächere  parallele  als  lenis.  Selbstverständlich  kann  es 
dabei  zahlreiche  abstufungen  geben.  Mit  rücksicht  auf  die 
Verhältnisse  in  unserer  ma.  möchte  ich  etwa  deren  vier  unter- 
scheiden:  fortes'  —  fortes^  —  halbfortes  (neutrale)  —  lenes, 

Fortes*  (d.h.  fortes  im  eigentlichen  sinne,  wie  sie  z.  b.  die 
benachbarten  slawischen  dialekte  besitzen)  kennt  die  ma.  nur 


16  LESSIAK  §  10 

im  aiilaut  und  auch  hier  nur  ausnalims weise,  d.  h.  nur  in  der 
emphase  (ich  bezeichne  sie  durch  doppelschreibung  der  betref- 
fenden consonanten).  Vgl.  etwa  das  ironisch -verächtliche  d9s 
pp'tjule  4lo  das  bilblein  da!,  das  in  aufregung-  gesprochene 
so  a  ttüle  so  ein  stier!  (bez.  ssö  a  tfile  so  ein  stier)  oder  ssau 
(last  üKsnl-lunist  schau,  dass  du  hinauskommst!,  ffldt  mr  nit  (Bin 
fällt  mir  gar  nicht  ein!,  ttg  g(^ast  her  da  gehst  du  her!,  na 
Hu  pist  sult  nein,  du  bist  schuld,  Zyt«  (ärgerlich)  geh!,  u.s.w., 
wobei,  wie  die  letzteren  beispiele  zeigen,  auch  lenes  zu  der- 
selben stärke  gesteigert  werden  können  wie  fortes  (der  mangel 
an  historisch  entwickelten  fortes,  wie  sie  in  vielen  obd.  dia- 
lekten  im  anlaut  durch  assimilierung  der  partikel  ge-  und  des 
artikels  die  hervorgegangen  sind,  erklärt  sich  aus  dem  unter- 
bleiben derselben  in  unserer  ma.).  Wenn  ich  in  dieser  ab- 
handlung  ohne  Aveitere  bemerkung  von  'fortes'  rede,  so  sind 
darunter  allemal 'fortes-',  d.h.  laute  von  nicht  bedeutend,  aber 
doch  merklich  geringerer  intensität  als  die  oben  erwähnten  zu 
verstehen.  Zwischen  diesen  und  den  eigentlichen  lenes  halten 
die  halbfortes  ungefähr  die  neutrale  mitte. 

§  10.    Sonorconsonanten, 

a)  Im  eingang  sowol  der  stark-  als  der  nebentonigen 
Silben  sind  die  liquiden  und  nasale  {m  zum  teil  ausgenommen, 
s.  unten)  lenes.  Dies  gilt  nicht  nur  für  den  reinen  anlaut  wie 
in  m^s  mass,  Igdn  laden,  ngs  nass,  röd  rad,  bez.  fi-le  viele, 
fl-re  vier,  he-na  henne,  sondern  auch  für  die  anlautenden 
copsonantengruppen  wie  in  plgg  plage,  pröt  brett,  fns  frisch, 
slög  schlag,  bez.  mi-gla  möglich,  slä-fre  schläfrig.  Ebenso  im 
wortauslaut:  föl  voll,  iugr  mürbe,  mgn  mann,  u.s.w. 

b)  Halbfortes  sind  sie  im  auslaut  starktoniger  silben  vor 
spirantischen  und  sonoren  consonanten  und  t:  pem-sl  pinsel, 
gl-so  also,  khlr-fbt  kirchfahrt,  ham-la  \ieim\idi,  /mw-re  hungrig, 
win-tr  winter,  ivgr-tn  warten.  Desgleichen  im  wortausgang 
vor  reibelauten,  vor  g  und  sonoren:  ggns  gans,  hgls  hals,  mars 
marsch,  iverx  werg;  —  pglg  balg,  hglw  halb,  ggrn  garn,  Migrl 
Karl,  fgln  fallen.  Ferner  r  und  l  in  den  Verbindungen  -Ihm, 
-rhu.  Doch  ist  in  der  Stellung  vor  g  und  sonoren  die  intensität 
etwas  geringer  als  vor  reibelauten,  zumal  beim  r. 

c)  Fortischarakter  haben   die  sonore   inlautend  vor  p,  h: 


§  11.  12  MUND  ART  VON   PERNEGG.  17 

lumpm  lumpen.  IJielpr  lialsband,  murh}  giirke;  auslautend  vor 
allen  verscblussfortes  (ihre  dauer  ist  in  diesem  falle  sehr  kurz): 
'khgmp'kdimm,  e>2^ende,  morlix m'ixv\i,  gelt gelö.  (verhältnismässig 
am  schwächsten  ist  r  vor  t:  tvirt  mrt).  Ferner  m  sowol  in- 
als  auslautend  nach  q,  o,  u  (vgl.  §  14)  und  auslautend,  wenn 
gleich  *-tm7  (nöm  nehmen),  ebenso  -«?,  wenn  aus  *-)jg^  {sw 
singen). 

§  11.    Die  reibelaute  5,  s,  f. 

a)  Sie  sind  lenes  im  silbenanlaut:  fgl  fall,  sün  söhn,  suw 
Schub,  Wö-fr  käfer,  ivg-sr  wasser,  grö-sn  groschen. 

b)  Halbfort  es  vor  folgendem  verschlusslaut:  oft  oft,  Qst  ast, 
drceislv  dreissig,  höftn  heften,  möstn  mästen,  liQspl  liaspel.  Im 
auslaut  nach  sonoren:  Iwns  Hans,  ligls  hals,  liirs  hirsch;  glgs 
glas,  gwis  gewis,  söf  schaff.  Nach  (langen)  vocalen  sind,  sie 
zwar  ein  wenig  schwächer  als  nach  liquiden  und  nasalen,  aber 
von  merklich  grösserer  energie  und  dauer  als  inlautend,  z.  b, 
glö-sr  gläser,  so- fr  schaff  er. 

c)  Fortes  nach  verscblussfortes,  also  in  den  Verbindungen 
vf,  ps,  ps,  ts,  ts,  ks,  l's. 

§  12.    h,  X. 

Im  anschluss  daran  möchte  ich  die  Verhältnisse  bei  h  und  x 
erörtern.  Anlautend  und  inlautend  zwischen  sonoren  fehlt  der 
ma.  der  reibelaut  x.  Alle  ursprünglichen  ch  sind  in  dieser 
Stellung  zu  h  geworden  (vgl.  Krassnig  s.  35).  Es  heisst  also 
pghn  backen,  ridhn  riechen,  pähle  bächlein.  x  findet  sich  nur 
vor  geräuschlauten  und  im  auslaut:  u-oxtn  'wachten',  wachen, 
rcxt  recht,  mQxst  machst,  uqx}))-  nachbar,  2^öx  bacli,  Digrx  mark, 
und  zwar  ist  x  durchweg  lenis,  nur  in  der  auslautenden  affricata 
kx  hat  es  etwa  den  Charakter  einer  halbfortis. 

Eine  gewisse  parallele  zur  behandlung  der  Spiranten  .9,  6- 
und  /"  ergibt  sich  auch  hier,  wenn  -wir  das  x  dem  blossen  hauch 
sozusagen  als  fortishauch  gegenüber  stellen:  wo  s,  s,  /'als  lenes 
auftreten,  erscheint  //,  sonst  x.  "W^as  die  Verbindung  kh  an- 
belangt, so  ist  zu  bemerken,  dass  die  aspiration  am  schwächsten 
ist  im  anlaut  vor  vocalen:  khint  kind,  khöJin  kochen;  stärker 
vor  l,  n,  r:  kldög  klage,  khnext  knecht,  khrgtsn  kratzen,  und 
inlautend  in  der  gemination:  tvöklin  wecken;  hier  kann  man 
zweifeln,  ob  man  kh  noch  als  aspirata  oder  schon  als  affricata 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXVlll.  9 


18  LESSIAK  §  13.  14 

auzusebeu   hat.    Eine   gewisse   engenbildung   ist   entschieden 
noch  vorlianden. 

§  13.  Yerschlusslaiite. 
h,  ä,  g  sind  durchweg  lenes.  Zu  bemerken  ist  jedoch,  dass 
d  aushuitend  nach  sonorcons.  und  in  der  Stellung  zwischen 
zwei  n  stets  zur  fortis  wird,  vgl.  Wmt  kind,  sult  schuld,  gopurt 
geburt,  aber  Ihindr  kinder,  sidde  schuldig,  gdpirde  gebürtig. 
Ebenso  flntn  finden,  dag.  finde  findig  (vgl.  §105,2).  Zur 
assimilation  in  der  Umgebung  von  verschlussfortes  und  reibe- 
lauten  vgl.  §  27  ff.  i>,  t,  k  sind  in  allen  Stellungen  fortes. 
Nur  anlautendes  k  vor  sonorconsonanten,  z.  b.  kriiok',  ist  halb- 
fortis;  es  hält  ungefähr  die  mitte  zwischen  g  und  k. 

§  14.    Gemination. 

Ich  muss  hier  aus  praktischen  gründen  ein  capitel  vorweg 
nehmen,  das  eigentlich  zur  lehre  von  der  Silbentrennung  ge- 
hört, die  gemination.  Die  ma.  kennt  nur  geminata  von  ver- 
schlusslauten und  m.  Alle  urspr.  geminierten  dauerlaute,  m  zum 
teil  ausgenommen,  sind  vereinfacht  worden.  Es  fehlen  also  die 
geminaten  von  f,  s,  s,  x,  l,  r,  n.  Zugleich  ist  auch  der  fortis- 
charakter  derselben  verloren  gegangen,  sie  sind  unter  allen 
umständen  mit  urspr.  lenes  zusammengefallen  und  werden  ganz 
so  behandelt  wie  diese.  Es  heisst  also  süna  sonne,  gle  alle, 
ngrdt  (mhd.  narreht),  pösr  besser,  sgfn  schaffen  (nigkn  machen), 
u-gsn  waschen.  Dasselbe  gilt  für  die  composition  und  zum  teil 
auch  für  das  zusammentreffen  im  satze:  prmiQgl  brunnennagel, 
st^lampdle  stalllämpchen,  Iceisuohn  lause  suchen,  aiifgsn  'auf- 
fassen', aufladen. 

Dagegen  sind  geminiert  die  fortes  p,  k  sowol  allein  als  in 
den  Verbindungen  pf,  p>s,  kh,  ks  nach  kurzem  vocal  vor  folgendem 
sonor  (ausgenommen  im  anlaut  starktoniger  silben,  denen  eine 
schwache  vorausgeht,  z.  b.  hjkhän  hat  keinen,  aber  hgkkhun 
hat  keinen,  niklg  Nicolai,  aber  nikkl  'Nickel',  Nicolaus).  Bei- 
spiele für  die  gemination:  kligppm  kappe,  stQppfl  stufe,  snappsln 
schnaps  trinken,  miikh)  mücke,  ligklilin  hacken,  wgkksn  wachsen. 
Nach  dijdithoiig  oder  vocal  +  sonorconsonant  unterbleibt  häufig 
die  gemination,  vgl.  dazu  den  folgenden  §. 

t  ist  stets  geminiert  nach  i  und  u:  snittr  Schnitter,  2^uttr, 
und  in  der  Verbindung  ts  unter  den  bei  p,  k  angegebenen  be- 


§  15  MÜNDART   VON   PERNEGG.  19 

dingung'en:  Jiattsn  heizen,  sniüsln  schnitzeln,  sonst  ungeminiert: 
grte  artig",  miintr  munter,  ligltr  'halter',  hirte,  rötn  retten,  sgtn 
schatten,  lätr  leiter,  sMurn  stadtturm,  pötrögn  bett  tragen. 

m  ist  doppellaut  nach  den  vocalen  p,  o,  « :  //ow»«r  hammer, 
tommos  Thomas,  summr  sommer,  tsommglin  zusammen  machen; 
in  allen  anderen  fällen  einfach:  stemon  stemmen,  6'/?)»e' schlimme, 
pämids  baummoos,  drimr  trümmer,  stemösn  stamme  messen. 

Die  verschiedene  behandlung  der  beiden  consonanten  steht 
offenbar  im  zusammenhange  mit  der  articulationsweise  der 
vorausgehenden  vocale.  Von  o,  o,  n,  wo  die  lippenöffnung  am 
geringsten  ist,  beansprucht  der  Übergang  zu  m  mit  völligem 
lippenverschluss  weniger  zeit  und  arbeit  als  von  einem  anderen 
vocal.  Die  Verbindung  der  beiden  laute  kann  sich  bei  der 
teilweisen  articulationsverwantschaft  viel  inniger  gestalten  als 
sonst,  eine  etwaige  Verschiebung  der  silbengrenze  zu  gunsten 
des  folgenden  consonantischen  teiles  ist  hier  leichter  möglich. 
Ganz  ähnlich  liegen  die  Verhältnisse  beim  t.  i  und  u  haben 
unter  allen  vocalen  den  kleinsten  kieferwinkel.  Der  Übergang 
zum  ^verschluss  lässt  sich  in  diesem  falle  am  schnellsten  und 
leichtesten  bewerkstelligen.  Dazu  kommt  noch  die  neigung 
des  /  und  u  zur  kürze  (vgl.  §  36). 

§  15. 
Hinter  den  echten  fortisgeminaten,  wie  sie  etwa  das 
italienisclie  kennt,  stehen  die  unsrigen  an  energie  zurück. 
Auch  Heusler,  Ma.  von  Baselstadt  §  35,  macht  auf  das  relativ 
schwächere  gepräge  der  geminaten  seines  dialekts  aufmerksam. 
Mit  der  geringeren  Intensität,  mit  der  einsatz  und  lösung  des 
verschlusses  erfolgt,  hängt  zusammen,  dass  bei  den  momentan- 
lauten die  pause  weniger  ins  ohr  fällt,  auch  die  schueidung 
des  vorausgehenden  vocals  ist  bei  unseren  geminaten  eine  ver- 
hältnismässig schwächere.  Eelativ  am  wenigsten  entwickelt 
ist  die  gemination  des  Ih,  jedesfalls  ist  sie  erheblich  schwächer 
als  die  des  unaspirierten  Ic.  Bei  vorausgehendem  diphthong 
bez.  vocal  -f  liquida  oder  nasal  ist  es  oft  schwer  zu  entscheiden, 
ob  es  sich  noch  um  eine  schwache  geminata  handelt,  oder  ob 
wir  es  bereits  mit  einem  einfachen  laute  zu  tun  haben.  Ziem- 
lich deutlich  ist  der  doppellaut  noch  hörbar  nach  gleichartigem 
sonor,  z.  b.  stempiü  Stempel,  iveM:dt  verbogen.    In  den  übrigen 

2* 


20  LE8SIAK  §   16.  17 

fällen  wird  der  versclilusslaut  meist  zur  folgenden  silbe  gezogen: 

r/j-j;?  riipel,  iol-lcdt  'dalket',  töricht,  besonders  nach  r:  har-pfn 

liarfe.  ni)'r-lhn  merken.   Bei  starker  nebentonigkeit  eines  Wortes 

wii'd  die  gemination  aufgegeben,   z.  b.   mitrnöxt  mitternacht, 

neben  mittr  mittler,  prulihi  brücke,  aber  holtspruha,  nit  stam- 

pndij  holzbrücke,   nicht  steinbrücke.     Genauere  grenzlinien 

lassen  sich  sclnver  abstecken.    Die  Klagenfurter  stadtsprache 

und  die  von  ihr  beeinflussten  dialekte  sind  im  aufgeben  der 

gemination  unserer  ma.  weit  voraus.  Silbentrennung  wieprü-hj 

{prti-l-hu),  th-mr  (dummer)  ist  hier  ganz  gewöhnlich. 

Zur  transscription   möchte   ich  bemerken,   dass  ich  den 

doppellaut  nur  bei  einfacher  consonanz   nach   kurzem   vocal 

schreibe.  ^  .^     o  i     ■■   i 

§  16.    Schwächung. 

Schwächung  erfahren  a)  die  an-  und  auslautenden  sonore, 
indem  sie  zum  teil  ihren  stimmton  einbüssen.  Im  anlaut  setzt 
er  erst  im  laufe  des  Übergangs  zum  vocal  ein,  im  auslaut  geht 
er  gegen  das  ende  hin  verloren.  Was  für  den  reinen  anlaut 
gilt,  gilt  auch  für  die  Verbindung  von  stimmlosem  consonant 
4-  sonor,  z.  b.  glgs,  slös. 

b)  Die  anlautenden  Spiranten,  indem  hier  das  reibungs- 
geräusch  stark  vermindert  wird.  Bei  dem  unbetonten  sint  sind, 
sQJcJir  'sagt  er',  tritt  in  schneller  rede  unter  umständen  völlige 
reduction  des  s  ein.  Man  hört  statt  dessen  einen  etwas  modifi- 
ciertcn  hauch  hnt,  hgkr. 

§  17.    Reduction. 

Reduciert  erscheinen:  a)  die  auslautenden  stimmlosen  lenes 
d,  g  (r^d  rad,  iog  tag),  indem  die  unmittelbare  lösung  des 
verschlusses  unterbleibt.  Die  zunge  senkt  sich  in  der  regel 
erst  nach  längerem  verweilen  in  der  Verschlussstellung  und 
ganz  allmählich  in  die  ruhelage  zurück  (in  anderen  mundarten 
ist  in  solchen  fällen  zuweilen  völliger  Schwund  eingetreten, 
vgl.  Nagl,  Roanad,  einl.  §  41); 

b)  die  h,  d,  g  in  den  auslautenden  consonantenverbindungen 
hm,  dn,  gn.  Die  zunge  geht  von  der  articulationsstellung  des 
voraufgehenden  sonors  zwar  in  die  Verschlussstellung  über, 
verbleibt  aber  in  derselben.  Gleichzeitig  damit  erfolgt  die 
Öffnung  der  nasenklappe.  Der  unterschied  zwischen  derartigen 
Verbindungen  und  directem  Übergang  von  vocal  +  nasal  wii'd 


§  18  MUNDART   VON    PERNEGG.  21 

besonders  dadurch  fühlbar,  dass  dort  die  nasalierung  des  vocals 
unterbleibt.  Dazu  kommt,  dass  im  ersteren  falle  der  nasal 
silbenbildend  auftritt.  Während  bei  der  directen  Verbindung- 
die  druckstärke  vom  silbengipfel  ang-efangen  gleichmässig  ab- 
schwillt, haben  wir  hier  ein  decrescendo  des  vocals  und  ein 
crescendo -decrescendo  des  nasals.  Allerdings  ist  der  zweite 
Silbengipfel  dem  ersten  so  sehr  untergeordnet,  dass  man  fast 
den  eindruck  der  einsilbigkeit  erhält.  Ich  bezeichne  diese 
reduction,  avo  es  notwendig  ist,  durch  ein  A  :  löbm,  rödn,  sggn 
(vgl.  dazu  Nagl,  Eoanad,  einl.  §  32). 

Anm.  In  einigen  fällen,  wie  sime  7  (neben  seltenerem  snvsne), 
simtsen  17,  simtsk  70,  gmp  abend,  in  (judtnomp  guten  abend,  l^aivwerg 
Liemberg  (ortsn.  iirk.  Liebinbcrch),  ist  directer  Übergang  zum  nasal  und 
damit  nasalierung  des  vocals  eingetreten.  Dies  ist  stets  der  fall  bei  aus- 
lautendem -ga  in  nebensilben:  hceiliv  heiligen  (vgl.  hceüiuMtgt  aus  hceüiv- 
§/ö< Heiligenstatt;  ort,  fälschlich 'Heiliges  gestade'  genannt),  fs^o^'f/w  züchtigen. 

§  18.    Secundäre  stärkeunterschiede. 

Die  relativ  stärkere  oder  schwächere  schneidung  eines 
sonanten  steht,  AAie  §  36  ff.  zeigt,  in  regelmässigem  zusammen- 
liang  mit  der  stärke  des  folgenden  consonanten:  alle  einem 
stark  geschnitten  sonanten  folgenden,  derselben  drucksilbe  an- 
gehörigen  consonanten  sind  fortes  und  umgekehrt.  Im  einzelnen 
falle  wird  es  sich  oft  kaum  entscheiden  lassen,  was  das  primäre 
ist,  ob  z.  b.  in  einem  worte  wie  h^nt  hand,  die  starke  sclmei- 
dung  des  sonanten  das  ursprüngliche  ist,  also  sie  den  fortis- 
charakter  des  folgenden  n  bedingt  oder,  ob  man  diesen  als 
ausgangspunkt  für  jene  zu  betrachten  hat,  was  mir  übrigens 
das  wahrscheinlichere  zu  sein  scheint. 

Eine  erscheinung  zweifellos  secundärer  art  ist  die,  dass 
in  unserer  ma.  alle  dem  sonanten  einer  stark  geschnittenen 
silbe  unmittelbar  vorausgelienden  einfachen  consonanten,  ein- 
schliesslich der  Verbindung  verschlusslaut  +  spirans,  eine  leise 
Verstärkung  erfahren.     Die  p  in  pit  bitte,  pgnt  band,   sind 

etwas  kräftiger  als  das  in  jnna  bühne.    Ebenso  verhält  sich 

\  \  \  \ 

etwa    tvij)2^e  :  tUsl,    siqipm  :  suna,    si^mp  :  sQcln,    fipprn  :  fUe, 

pf^lilcr  :  pfgf,  tsökJcr  :  tsöhn,  n(tm  :  wpr,  diJcx  :  dln,  gimpl  :  glndn. 
Auf  die  ersten  componenten  der  Verbindungen  von  geräusch- 
laut +  nasal  oder  liquida,  oder  Spirans  -f  verschlusslaut  erstreckt 


22  LESSIAK  §  19 

sich  diese  Vermehrung-  der  intensität  jedoch  nicht:  p  in  pritsln 
oder  s  in  spits  fühle  ich  nicht  verschieden  von  dem  in  prmdn, 

.^p'd   ll.S.AV. 

Auni.  Zur  fortis  k  wird,  wenn  die  iu  §  116,4  angcfülirten,  etymo- 
logisch leider  ziemlich  dunklen  beispiele  nicht  trügen,  das  g  im  anlaut 
einer  stark  geschnittenen  silbe,  wenn  dem  unmittelbar  sich  anschliessenden 
souantcu  die  fortis  (geminata)  Je  bez.  Z;'  folgt.  Auch  in  der  anlautenden 
grnppc  fl  -\-  souorcons.  Avird  es  in  diesem  falle  (im  gegensatz  zum  oben 
bemerkten)  yerstärkt,  doch  nicht  zur  vollen  fortis.  Ich  schreibe  indes  auch 
hier  k,  vgl.  §  13.  Mir  ist  kein  einziges  mundartliches  wort  bekannt,  das 
vor  tautosyllabischem  k  (¥)  mit  wirklicher  lenis  g  anlautete. 

Hier  haben  wir  es  neben  der  blossen  Steigerung  der  intensität  wol 
bereits  mit  einer  art  assimilation  zu  tun.  Einigermassen  auffallend  ist  es, 
dass  dieselbe  erscheinung  nicht  auch  vor  k.v  eintritt:  ggvkx  gang  (weitere 
beispiele  stehen  mir  übrigens  nicht  zu  geböte).  Ob  etwa  eine  solche  Ver- 
stärkung unter  gleichen  Verhältnissen  auch  ein  d  vor  folgendem  tt  erfahren 
würde,  ist  fraglich;  ich  finde  in  der  ma.  kein  einziges  sicheres  beispiel, 
das  diesen  bedingungen  entspräche. 

D.    Lautverbindungen. 

§  19.    Ein-  und  absatz. 

Die  ma.  kennt  für  gewöhnlich  nur  den  leisen  ein-  und 
absatz.  Festen  einsatz  hört  man  zuweilen  in  der  emphase 
'auf  auf!,  V'''  g^asUnr  herunter  gehst  du  mir!,  'ans-isgn  eins 
ist  es  schon!  Fester  absatz  ist  nicht  selten  in  vocalisch  aus- 
lautenden einsilbigen  Wörtern  wie  i(/  ja,  n(/  na,  sau'  schau!, 
und  dient  zum  ausdruck  des  zweifeis  oder  ärgers.  Eegel  ist 
er  in  der  kurzform  der  negation  na"  nein  (auch  na'ä  oder  nd'a), 
da^.  na  mit  länge. 

Gehauchter  einsatz  (vom  historisch  entwickelten,  anlauten- 
den h  abgesehen)  steht  bei  (urspr.)  vocalischem  anlaut  in  kidtsa 
jetzt  (mhd.  iezuo),  Jmlänr  ulan,  helement  element. ')  Alt  ist  er 
in  helfmpan  elfenbein.  Gehauchter  absatz  kommt  vor  in  der 
interjection  ivüli  puh,  brr,  neben  tvr  (mit  lippen-r),  und  gh  ah 
(neben  g),  zuweilen  auch  bei  energischerem  mjh  na!  Verbindung 
von  festem  und  gehauclitem  einsatz  findet  sich  in  der  inter- 
jection ^e',  ''ö',  auch  ''a',  ^'o',  "/^  =  merkwürdig,  seltsam;  daneben 
'^e''  U.S.W,  das  mag  ich  nicht.  Die  verschiedensten  combina- 
tionen  sind  möglich  bei  hm  (vgl.  Sievers,  Phon.'-  §  397),  das 

')  Vgl.  auch  halödre  spitzbube,  einer  der  'allotria'  treibt. 


§  20.  21  MÜNDART   VON    PERNEGG.  23 

unter  umständen  einen  ganzen  satz  vertreten  kann,  vgl.  z.  b. 
'm  'm'm  'm'm,  ng  Igsmrs  giidt  seein  na  lassen  wir's  gut  sein; 
'm'tn  'm'm  armes  kind  du!  u.s.w. 

§  20.    Berührung  von  vocalen. 

Die  ma.  kennt  nur  den  directen  Übergang.  Bei  verwanten 
vocalqualitäten  ist  der  gleitlaut  kaum  hörbar.  Etwas  stärker 
ausgeprägt  ist  er  bei  Verbindungen  wie  du{u)ä  du  auch,  du(u)c)igl 
du  engel,  wo  die  beiden  laute  einander  ferner  stehen.  "Wenn 
ein  wort  mit  /  schliesst  oder  das  folgende  mit  i  beginnt,  stellt 
sich  gern  ein  i  als  übergangslaut  ein,  vgl.  liQivr  ich  aber,  g^a 
du  invre  geh  du  hinüber.  Ueber  einige  weitere  erscheinungen 
beim  zusammentreffen  von  vocalen  vgl.  §  94. 

Sonstige  übergangslaute,  wie  z.  b.  r  in  den  nordbajuwari- 
schen  dialekten  oder  n  im  schwäbischen,  sind  in  unserer  ma. 
nicht  vorhanden  (die  angäbe  Lexers,  KWb.  einl.  s.  xii  unter  R 
ist  falsch;  ein  tiidri,  tvidri  tue  ich,  wie  ich,  ist  in  ganz  Kärnten 
unerhört). 

In  fällen,  wo  ein  consonant  im  reinen  auslaut  geschwunden 
ist,  inlautend  vor  vocal  dagegen  sich  erhalten  hat,  wo  also  ein 
regelmässiger  formenwechsel  besteht,  wie  z.  b.  in  flmse  fleissig, 
flect.  ficeisige,  simte  Sonntag,  pl.  siintigr,  fl  vieh,  pl.  flhr,  kann 
sich  der  consonant  bei  vocalischem  anlaut  des  folgenden  Wortes 
zwar  einstellen,  muss  es  aber  nicht.  Das  letztere  ist  sogar 
weit  häufiger,  vgl.  afn  suuti-gä  am  sonntag  auch,  flceisi-gis 
fleissig  ist,  s  fi-liis  das  vieh  ist,  gewöhnlicher  sunte-a,  flceisc-is, 
fl-is.  —  Zu  n  vgl.  §  112,3. 

§  21.    Berührung  von  vocal  -}-  consonant. 

a)  Ueber  den  einfluss  benachbarter  vocale  auf  die  conso- 
nantenarticulation  ist  schon  bei  der  besprechung  der  einzellaute 
das  wichtigste  gesagt  worden.  Irgend  welche  ausgesprochene 
form  der  palatalisierung  oder  rundung  kennt  die  ma.  nicht, 
die  Übergänge  von  und  zu  palatalen  bez.  labialen  lauten  er- 
folgen durchweg  durch  gleitbewegungen  (vgl.  Sievers,  Phon.'* 
§  469  ft'.j. 

b)  Umgekehrt  werden  auch  vocale  durch  ihre  consonan- 
tisclie  umge])ung  modificiert.  Consonanten,  bei  deren  biklung 
der  Zungenrücken  gehoben,  ihre  masse  mehr  nach  vorn  ge- 


2i  LESSIAK  §  22 

schollen,  der  resouanzraum  also  verkleinert  wird,  begünstigen 
eine  liellere  (gesclilossenere),  dagegen  solche,  bei  denen  die 
ziinge  zurückgezogen  oder  gesenkt  wird,  eine  dunklere  (offenere) 
fiirbung  des  vocals.  Da  mit  dem  vorwärtsschieben  der  zunge 
zugleich*  eine  kleine  hebung  des  kehlkopfs  verbunden  ist,  wdrd. 
auch  die  läge  der  tonluilie  etwas  verändert:  der  helleren  vocal- 
färbung  entspricht  die  höhere  tonlage  und  umgekehrt.  Zuden 
lauten  der  ersten  gruppe  gehören  vor  allem  unsere  dentale, 
ferner  g\  lc\  zur  zweiten  besonders  l,  r,  h.  Consonanten  mit 
neutraler  zungenlage  wie  die  labialen  zeigen  eine  verschiedene 
Wirkung.  Palatale  vocale  w'erden  in  der  regel  etwas  herab- 
gedrückt, umgekehrt  velare  etw^as  gehoben.  Vocale  im  reinen 
anlaut  haben  (bei  gleichbleibendem  folgenden  consonanten) 
immer  einen  geschlosseneren  Charakter  als  nach  consonanten 
der  zweiten  kategorie.  In  der  folgenden  anordnung  der  bei- 
spiele  gehen  die  mit  hellerer  vocalfärbung  voran:  iina — pina 

—  Una  —  rlna;    sgnt  —  WQnt  —  lignt  —  Ignt  —  rgnt\    sldln 

—  fldln  —  ridhi]    engl  —  pcagl]    pgdn  —  gtn  —  Igbi]    ösn 

—  öfn  —  öl\  gfn  —  gle.  Besonders  deutliche  gegensätze  er- 
geben sich  natürlich,  wenn  sich  die  beeinflussenden  factoren 
verstärken,  vgl.  sist :  rixt.  Auch  wenn  die  consonanten  ge- 
schwunden sind,  zeigen  sich  unter  umständen  noch  unterschiede, 
vgl.  gegraß  geographie  :  ß  vieh,  Qndr^a  Andrä  :  rQa  reh.  Der 
Zusammenhang  mit  dem  Wechsel  der  tonlage  erschwert  vielfach 
eine  genauere  Unterscheidung  (vgl.  dazu  Sievers,  Phon.'-  §  478 
und  665). 

§  22.    Nasalierung. 

Sie  ist  in  der  ma.  sehr  schwach  entwickelt.  Nasalvocale 
kommen  selbständig  nicht  vor,  sondern  nur  in  der  Umgebung 
eines  nasalen  consonanten.  In  den  wenigen  fällen,  wo  der 
nasal  geschwunden  ist,  ist  die  nasalierung  aufgegeben  worden, 
z.  b.  dm,  scei,  a,  kha  (vgl.  dazu  §  112,  3).  Die  nasalierung  ist 
sowol  regressiv  als  progressiv:  2^äm  bäum,  siän  stein,  nös  nass, 
nisa  niss  (dass  die  letztere  nicht  alt  sein  kann,  beweist  der 
umstand,  dass  sie  im  gegensatz  zur  regressiven  keinerlei  wesent- 
liche Veränderung  der  vocalqualität  bewirkt  hat).  In  beiden 
fällen  ist  der  nasale  Charakter  des  vocals  wenig  ausgeprägt, 
denn  noch  während  seiner  articulation  schliesst  sich  die  gaumeu- 
klappe  bez.  sie  öffnet  sich  erst  während  derselben.    Es  bleibt 


§  23  MUNDART   VON   PERNEGG.  25 

dalier  der  ausgang  bez.  der  eingang  des  vocals  imnasaliert. 
Stärker  entwickelt  ist  er,  Avenn  der  vocal  zwischen  zwei  nasalen 
steht.  Hier  bleibt  das  gaumensegel  während  der  ganzen 
articulationsdauer  offen:  nojn  name.  Im  allgemeinen  lässt  sich 
sagen,  dass  der  nasalierte  vocal  einen  etwas  offeneren  klang 
besitzt  als  der  nicht  nasalierte.  Da  die  nasalierung  in  der 
Umgebung  von  nasalen  unter  allen  umständen  eintritt,  lasse 
ich  sie  in  der  regel  unbezeichnet.  Zu  den  wenigen  fällen  der 
nasalierung  vor  urspr.  -hm,  -gis  vgl.  §  17,  anm.  Metathese  hat 
stattgefunden  bei  lungr  (neben  lugur)  lügner,  röuyon  (neben 
rögudn)  regnen.  Nasalentwicklung  findet  sich  in  pauganvt  ba- 
jonett,  mangäre  meinetwegen  (nach  Lexer  zu  ital.  macari, 
magari).  Die  fragende  interjection  Itä?  scheint  wol  aus  hm 
hervorgegangen  zu  sein. 

§  23.  Vocal  +  ;•.  'Brechung.' 
Beim  Übergang  von  vocal  zu  (zäpfchen-)  >•  {ar  ausgenommen) 
macht  sich  ein  ganz  leiser  vocalischer  übergangslaut  bemerkbar, 
wodurch  der  vocal  etwas  diphthongiert  (gebrochen)  erscheint : 
mVr  mir,  ffrst  fürst,  ng'r  narr,  Wr  uhr.  Doch  sind  diese  pseudo- 
zwielaute  so  sehr  verschieden  von  den  eigentlichen  diphthongen 
i^,  Qa,  u9,  die  übergangslaute  so  schwach  (individuell  oft  gar 
nicht  entwickelt),  dass  ich  es  vorgezogen  habe,  sie  in  der 
transscription  unbezeichnet  zu  lassen,  «m  so  mehr,  da  ich  die 
beiden  r-laute  orthographisch  scheide.  Auch  die  m^sprünglichen 
id,  ud  {^a,  Qu)  sind  vor  r  zu  /',  u%  e\  </  geworden  und  so  mit 
einfacliem  i,  u,  e,  q  zusammengefallen  (vgl.  §  57.  64.  65.  76.  77. 
78).  Ob  die  diphthongierung  in  einer  früheren  sprachperiode 
stärker  ausgeprägt  war,  ob  es  sich  also  hier  um  eine  rück- 
läufige bewegung  handelt  (vgl.  unten  über  die  brechung  vor  //), 
lässt  sich  schwer  entscheiden.  Der  zusammenfall  von  einfachem 
laut  und  diphthong  vor  r  reicht  auf  bairischem  boden  bekannt- 
lich schon  in  die  mhd.  zeit  zurück  (Paul,  Mhd.  gr.-»  §  113). 

Anm.  Nur  iu  unbetonter  Stellung  vor  starktoniger,  consonantisch 
anlautender  folgesilbe,  z.  b.  a  2^Qcn'  «»a  ein  paar  scbube,  kommt  iu  folge  der 
scbwäcbereu  articulation  des  r  und  der  touurastellung  (vgl.  §  9-i)  das  voca- 
lische  Übergangselement  stärker  zur  geltung. 

Vor  (zungen-)»-  ist  ein  solcher  übergangslaut  nicht  vor- 
handen.   Dagegen  findet  hier  eine  eigentümliche  articulations- 


26  LESSIAK  §  24.  25 

mischung- statt :  die  r-stelhmg  der  zunge  wird  (wenigstens  zum 
teil)  schon  wähi-end  der  bildung-  des  vocals  vorausgenommen. 
Die  dadurch  herbeigefülirte  Veränderung  des  resonanzraums 
ist  von  Rieht  geringem  einfliiss  auf  die  klangfarbe  des  vocals: 
/  bekommt  einen  etwas  palatovelaren  Charakter,  d.  h.  die  engen- 
bilduug  erfolgt  weiter  rückwärts.  Umgekehrt  wird  das  it 
weiter  vorn  gebildet,  die  folge  ist  natürlich  auch  hier  eine 
schwache  mixed-färbung.  e  verhält  sich  noch  am  passivsten. 
Die  velarvocale  a,  o  (o  vor  r  fehlt)  werden  gehoben.  Die  zunge 
nimmt  eine  höhere  läge  ein  als  sonst,  a  erhält  einen  etwas  «-, 
{j  einen  «-ähnlichen  klang.  Dasselbe  gilt  für  historisch  voraus- 
zusetzendes ö=*e.  Es  erreicht  fast  die  klangfarbe  eines  offenen  i. 
Der  ansatz  zur  rundung  fehlt  hier,  die  lippen  werden  eher  etwas 
auseinandergezogen  (ich  umschreibe  diesen  laut  durch  'i,  vgl. 

dazu  §  56,  2). 

§  24.    e  ((>)  vor  h. 

Eine  ähnliche  brechungserscheinung  wie  vor  /  lässt  sich 
auch  bei  *e  vor  h  beobachten;  z.  b.  seoJin,  Icsedlm  u.s.w.  (vgl. 
§  57, 3  c).  Doch  herscht  daneben  in  allen  fällen  die  ausspräche 
mit  unmittelbarem  Übergang:  sehn,  Melm.  Auch  hier  sind 
urspr.  e  und  e  zusammengefallen,  vgl.  tseohnt  und  tsehnt  zehe. 
In  Wörtern  wie  Jchncxt  knecht,  rext  recht,  wo  der  vocal  kurz, 
das  h>  X  geschärft  erscheint,  hört  man  die  brechung  sehr  selten 
(formen  wie  Mmedxt,  reozt  werden  als  ^pirgdrds'  angesehen).  Zu- 
Aveilen  findet  sie  sich  auch  bei  g:  tgdxtr  neben  tgxtr  tochter, 
gdlir  neben  glir  abher. 

-  Anm.  Brechung  des  e  scheint  einmal  auch  vor  l  bestanden  zu  hahen, 
das  unterbleiben  der  diphthongierung  des  e  (ae)  lässt  darauf  schliessen. 
Vereinzelt  kommt  sie  vor  bei  tedl  dunst  (schwüle)  neben  tel  (Lexer,  KWb. 
s.  56  stellt  teil  zu  ahd.  twelun),  dedhx  neben  dehx  Dellach  (ortsn. ;  es,  e  =  *ce), 
mihedl  neben  mihd  Aiichael. 

Berührung  von  consonanten. 

1)  Entwicklung  von  übergangslauten. 

§  25.    Verbindungen  von  sonoren  untereinander. 

a)  -nl  >  -ndl.    Beispiele:  andbfe  11  {mhd.einlif),  andlötse 

einzeln    (mhd.  einlüt^ec),    ugrsceindla  wahrscheinlich,    spendlw 

gelbe    pflaume,    Spilling    (mhd.  spenlinc),    rceindlw    reindling, 

kuchen  (zu  rceina  reine,  eine  art  backmodel,  Schüssel),  Jchgndl 


§  25  MUNDART   VON   PERNEGG.  27 

kanne  (mlid.  lanncle).  manäl  männleiii,  prindl  brünnlein.  Indem 
der  scliliiss  der  gaumeiiklappe  der  Öffnung-  des  seitlichen  ziingen- 
versclilusses  vorauseilt,  der  mundraum  also  für  einen  augenblick 
völlig  abgesperrt  wird,  wird  beim  Übergang  zu  l  in  folge  der 
explosion  der  inzwischen  angesammelten  luft  ein  ganz  kurzer, 
schwacher  verschlusslaut  hörbar,  g  für  d  erscheint  in  tsivwgl 
{fswiugliu)  Zwilling,  mhd.  sivinel{-inc).  Die  gemischtsprachige 
nachbarschaft  bietet  noch  andere  fälle,  z.  b.  l-hgugl,  rceüjgli». 
Voraussetzung  ist  eine  angleichung  des  n  an  das  gutturale  l  >  w. 

b)  -nr  >  -ndr.  Beispiele:  tQudr  donner,  sendr  senne  (mhd. 
senmerc);  regelmässig  in  den  pluralen  auf  -r:  mandr  männer, 
pandr  'beine',  knochen,  r^andr  raiue  u.s.w.  In  der  adjectiv- 
flexion  ist  der  übergangslaut  fast  überall  analogisch  beseitigt 
worden.  Man  hört  noch  hie  und  da  hhlandr  kleiner,  s^andr 
schöner,  häufiger  andr  einer,  mceindr  meiner,  sceindr  seiner 
(neben  Müänr,  änr  u.s.w.),  dagegen  nur  dceinr  deiner,  wol  wegen 
des  anlauts. 

c)  -Ir  >  -Idr.  Beispiele:  hUdm  {*hülren)  hohl  hallen,  ßdrn 
1)  vollstopfen,  zu  'voll',  2)  füllen  werfen,  tröldrn  schütteln, 
beuteln  (intrans.,  vgl.  Lexer,  KWb.  s.  66  irgUu  poltern),  poldrn 
poltern  (mhd.  hollern),  irröldrn  (=  tröldrn)  zu  'prallen',  oldrjx 
Ulrich,  Qldrlignt  allerhand.  Bei  der  ableitungssilbe  -r  {mglr 
maier),  in  der  flexion  und  in  (jüngeren)  Zusammensetzungen 
unterbleibt  der  übergangslaut,  z.  b.  niihöd  mühlrad.  Das  letz- 
tere gilt  übrigens  auch  für  nl,  nr:  tva^inlögr  weinleger,  gnrext 
anrecht. 

Für  die  fälle  b)  und  c)  muss  die  ausspräche  des  r  als 
Zungen -r  vorausgesetzt  werden,  ndr  erklärt  sich  aus  dem 
schluss  der  gaumenklappe  vor  lösung  des  vorderen  verschlusses 
der  zunge,  Idr  aus  vorzeitigem  schluss  ihrer  seitlichen  Öffnung, 

d)  -ml  wird  zu  -mU,  doch  nur  dann,  wenn  beide  consonanten 
derselben  silbe  angehören.  Z.b.  hirnhl  himmel  {^Ju-mlhez. kim-ml), 
ebenso  simhl  schimmel  (pferd),  somhhi  sammeln,  mmnhln  mum- 
meln, mqamhl  muhme  (mhd.  nu'icmlin),  semhl  semmel,  drcmhl 
prügel  (mhd.  dremel).  Vergleiche  dagegen  liim-ldtsn  wetter- 
leuchten (mhd.  MmeUitzen),  stam-U  stämmlein,  nam-la  'nämlich', 
sehr,  ham-la  heimlich.  Wenn  es  hingegen  auch  stäml,  jiäml 
heisst,  so  liegt  natürlich  analogie  nach  den  volleren  deminutiv- 
formen vor,  umgekehrt  steht  rgmhla  'schwarze  kuh'  unter  dem 


28  LESSIAK  §  26 

eiiifluss  von  rgmhl  'schwarzer  stier'  (aucli  ' Schmutzfink').  Auch 
hier  ist  der  voreilige  schhiss  des  gaumensegels  vor  lösung  des 
lippenversclilusses  die  Ursache. 

e)  Die  auslautenden  Verbindungen  -Im,  -riu  werden  zu 
'Ihm,  -rhm  (die  gaumenklappe  wird  erst  nach  vollzogenem 
lippenverseliluss  geöffnet.  Z.  b.  söIbtH  'schelm',  dieb,  helhm  heim, 
icilli{)Ibm  AMlhelm  (nilid.  WiUchahn),  ivnrbni  wurm,  d^rhrn  dann, 
fiirhm  form. 

Dieses  -Ibm,  -rhm  fällt  lautlich  mit  dem  aus  "^-Iben  (-Iwen), 
-rben  {-rivcn)  entwickelten  zusammen.  Daraus  erklären  sich 
formen  wie  ivilhglivin  {-halivin)  die  Wilhelmin  (d.h.  das  weib 
des  vulgo  iciUiolbm),  fgriva  farupflanze  (sing,  neubildung  zu  dem 
als  pl.  gefühlten  fgybm  =  mhd.  varm  farnkraut). 

Dagegen  inlautend  (bei  Verteilung  der  sonore  auf  zwei 
Silben)  ivirmr  Würmer,  'iymr  ärmer,  hghndx  stoppelklee  (eig. 
collectivum  zu  liglbm  halm).  Wird  das  r  als  Zäpfchen -r  ge- 
sprochen, so  unterbleibt  der  übergangslaut,  vgl.  dgnn,  tvurm 
u.  s.  w. 

Anm.  Auffallend  sind  jJoZiw  ball,  und  kh{)lhm  hellen,  für  zu  erwartendes 
p^ln,  khphi  (nilid.  bctUe,  liallen).  Im  ersten  falle  lässt  sich  m  für  n  durch 
assirailation  an  das  anlautende  p  erklären,  bei  Tih{>lbm  dürfte  formübertrag-ung 
vorliegen  (etwa  3.  pl.  khgibmp  für  hhglnt  nach  analogie  von  icölhmp  sie 
wölben). 

f)  Umgekehrt  wird  durch  vorzeitiges  öffnen  der  lippen 
der  verschlusslaut  getilgt  in  der  Verbindung  nibr:  Jchatcmr 
quatember,  setemr  {septemr)  September,  detsemr  december, 
ngfcmr  november,  numrel  {nimidrel)  regenschirm  (ital.  omhrello), 
gmrds  Ambros. 

§  26.    Sonor  -f  reibelaut. 

118  >  nts:  menis  mensch,  icunts  wünsch,  wintsn  wünschen, 
flenUn  herabhängendes  stück  fleisch  einer  wunde  (zu  mhd. 
rlanscV^). 

Dagegen  bleiben  ms,  ns  unverändert:  pemsl  pinsel,  plgamsuox 
'bluraensuche',  gemeindeweide,  (jgns  gans,  lianse  Hans;  ebenso 
/•>,  U:  hglsn  halsen,  hgUh)  hülse.  Doch  stehen  nebeneinander 
flintsn  und  flinsn  ohrfeige,  tsintsln  und  tsinsln  empfindlich  tun 
(mhd.  zinzdcn). 

Vereinzelt  findet  sich  einschiebung  eines  t  zwischen  spirant 
H-  h   tipftl  tüpfel  (dem.  zu  iupf\  dazu  tipftln  tifteln),  perstlw 


§  27  MUNDART   VON   PERNEGG.  29 

barsch  (inlid.  hersicli,  *hcrslinc).  uruibi  wedeln,  mit  einem  tuclie 
zuwinken  (mlid.  ivechcln,  vgl  dazu  KWb.  s.  248),  saxtl  Wäldchen 
(dem.  zu  mhd.  scliache).  Vgl.  diUoXi  palditl  ne^i^n  palclil  (dem.  zu 
PqTxx  pack). 

A  n  m.  Zur  svarabhaktibildung-  in  der  Verbindung  1 4-  h  (.r)  vgl.  §  115,  R,  anra. 

2)  Assimilationen. 
§  27.    Vollständige  assimilation. 

a)  Inlautend-regressiv: 

n  +  m  >  m  {mm) :  stämöts  Steinmetz,  sehmnös  Seelenmesse. 

w  -{-  p  \  I  lappüsn  (auch  läpusn)  laubbuschen, 

t -\- p    \  >  1>P  (p)-      stQppJgtz  stadtplatz, 

d  -\-  p   \  \  s  rgprixt  das  rad  bricht. 

d  +  t>  t(tt):  Igtruyn  ladtruhe. 

t  +  Ic    \  I  prauhhQstn  brautkasten, 

d -^  h       >l-Jc(k):       6-a/.7/p5^«  getreidekasten, 

<7  -\-  k   \  I  mgJchän  mag  keinen. 

Vereinzelt  h  (x)  -\-  f>  f:  liQafrt  hoffart,  hhirfdt  kirchfahrt 
(wallfahrt),  raufgt)  rauchfang. 

}i{x)  +  s>  s:  ptos^pe«; buchstabe  {nohexs. puMtQiv),  pudsädn 
Buchscheiden  (ortsn.,  vgl.  noch  §  115,4b). 

s  -\-  f>  f:  «-p/'mwc/r  was  für  einer  (doch  vgl.Beitr.20,220f.). 

b)  Inlautend-progressiv  : 

t  -\-  d^  t  (tt) :  prätruhhn  breit  drücken. 

f  _^  (.    \  I  diMgn  entgegen,   on  dö  stgllc^an  in 

h -{- q    \    ^^'^'(^')'       die  Stadt  gehn,  prmhQm  bräutigam, 

'  I  lildccru  liegt  gern. 

Anm.  Gegenseitige  assimilation  liegt  vor  in  öppr  etwa  {*etwar),  öppds 
etwas  (vgl.  dagegen  ?/•//«•«  witwe,  o/Zu-e/fe 'altweltig',  altertümlich  u.s.w.). 

c)  Auslautend-progressiv : 

-mn  >  m:  tsijm  zusammen,  ngni  name  (^ngmii),  wöm  nehmen. 
Daneben  jedoch  ngnimdu,  nömon  u.s.w. 

-vg  >  ü :  ri}]  ring,  hsgu  gesang.  Inlautend  dagegen  rin(jl 
ringlein,  siwjr  'singer',  sänger. 

-w(/w>ü:  .s'/w  singen,  67>r/w  springen  (neben  .s/w^jfj«  etc.). 
Das  n  hat  hier  eine  längere  dauer  als  oben. 

-ht{'Wt)  über^^>^:  löp  lebt,  srceip  schreibt,  spceip  speit 
(inf,  spceihm). 


30  LESSIAK  §  28 

-dt  >  /:  rät  redet. 

-gt  über  It  >  Ä':  löJc'  legt,  spriulc'  springt,  igh'  jagd,  jagt. 

Anm.  Diese  eigentlich  mir  im  reiueii  aiislaut  berechtigte  assimila- 
tion  von  -It,  -gt  bleibt  durchweg  fest,  auch  vor  folgendem  sonor  (oders): 
gippän  gibt  einen,  sgkkr  sagt  er,  ioM  jagt  auch ;  vgl.  bes.  §  160. 

§  28.    Teilweise  assimilation. 

a)  Inlautend-regressiv: 

tv  >  h  (fast  lialbfortis)  vor  t,  Je,  f,  s,  s,  z.  b.  srceilt^fl  sclireib- 
tafel,  riidhlhösl  rübenkessel,  lidhsQft  liebschaft,  rceihsQiit  reib- 
sand,  Qbfrösn  abfressen. 

«  >  m  vor  2h  ^^'  '■  ylQnipgx  Glanbach,  khrampcry  Krainberge 
(Karawanken),  Quiwarrndn  anAvärmen,  pnimicgsr  brunnenwasser 
(vor  w  jedoch  auch  niv.  gnivarnmi  u.  s.  w.). 

n  >  «  vor  (j,  k:  guglceihn  angleichen,  ähnlich  sein,  ivcewJchelr 
Weinkeller. 

s  +  s  >  s:  glQsisl  glasschüssel. 

(7  >  /  vor  s,  s:  rgthi^  radschuh,  l-smtscein  (Hmd- seein)  ge- 
scheit sein. 

g  >  k  vor  ]),  t,  f,  s,  s  (k  ist  hier  etwa  lialbfortis):  slQkpgr 
schlagbar,  khlgktgg  klagtag,  rinkfimjr  ringfinger,  gtikst  angst, 
sgksätn  Sägespäne. 

Zuweilen  hört  man  auch  ks,  ks  für  kxs,  kxs,  z.  b.  ivöksaug'ti 
für  ivökxsaugtj  wegschauen. 

tf'i^t  zu  ;>/■  geworden  in  hgmpfl  handvoll  (sonst  regelmässig: 
pludtfuds  'blutfuss',  ein  gespenst,  yotfgir  gott  vater;  ebenso  vor  m: 
mau tmil  mautmühle). 

b)  Inlautend-progressiv : 

d  >^  nach^),  Z;:  tgp  tg  tappe  da,  er  sgk-tr  er  sagt  dir. 

g  >  k  nach^;:  ^jpp  kölm  pappe  geben  (auch  hier  erreichen 
t,  k  nicht  die  volle  fortisstärke). 

s>  s  vor  s  {s  ist  ein  zwischen  5  und  s  die  mitte  haltender 
compromisslaut;  die  zunge  wird  weiter  nach  vorn  geschoben 
und  nimmt  eine  tiefere  läge  ein  als  beim  s;  die  hebung  der 
Zungenspitze  ist  ganz  minimal).  Z.  b.  jlmisuppm  fleischsuppe. 
Doch  kommt  daneben  auch  gleitbewegung  vor. 

c)  Auslautend-progressiv: 

■hn,  -wn  >  -hm:  lähm  leben,  snceibm  schneien. 


§  29  MUNDART   VON   PERNEGG.  31 

-pn  >  -^»n:  sngpiym  schnappen. 

■gn  >  -g)):  trggu  tragen. 

-kn  >  -Ä"m:  prulih)  brücke. 

-mt  über  -mpt  >  -mp:  gmp  amt,  tsQnq)  zusammt,  ne^amp  nie- 
mand, s<^mp  schände  (mhd.  schamede);  ebenso  -hnt  (-icnt)  >  hnq): 
trceibmp  (sie)  treiben,  Qbnq)  abend. 

-gut  >  -gnJc:  iUgnli  Jugend,  slggnh  (sie)  schlagen. 

-rn  >  -ru:  frlöjv  verloren,  gen3  gern  (doch  hört  man  da- 
neben auch  gern  u.s.w.;  es  hängt  dies  mit  der  mehr  oder  minder 
spirantischen  ausspräche  des  r  zusammen,  vgl.  §  4b). 

Anm.  Inlautend  sind  die  assimilationen  hm,  2)m,  gv,  ku  nicht  häufig, 
fast  durchweg-  sind  sie  als  Übertragungen  aus  den  auslautenden  formen  auf- 
zufassen, z.  h.  öhma  ebene,  kiilögur  geschlagener  (doch  auch  kMögur),  htühmdn 
seeundärer  pl.  zu  Uühm  stube.  Selten  hört  man  ivgcjur,  yrähmr  für  tvggnr, 
gräicnr  M'agner,  gräbner  (grabenmacher).  Anlautend  heisst  es  stets  gnönt 
genannt,  gngd  gnade  u.s.w.  Allerdings  haben  diese  n  eine  von  dem  ge- 
wöhnlichen n  etwas  verschiedene  klangfarbe,  indem  beim  (g)n  der  zungen- 
rücken  eine  höhere  läge  einnimmt  als  sonst,  bei  (w)n  die  lippen  mehr  ge- 
schlossen bleiben. 

E.    Die  präfixe  ge-  und  6e-.') 

§  29.    ge-. 
ge-  verliert  sein  vocalisches  element  nur  vor  dauerlauten. 

a)  Vor  sonoren  (ausser  r):  ggtnt  geatmet,  gölclidt  geeggt, 
f/ö5w  gegessen;  ^^öY^^  gejätet,  giäd  (mhd.  gejeide);  givild  wild  n. 
(mhd.  getvüde),  inguäd  eingeweide;  glglin  gelacht,  glidxt  licht 
adj.  (^geliehte);  gmösn  gemessen,  gmän  gemeine,  gemein;  gnom 
genommen,  gn^at  arbeitshäufung  i^genocte).  Ausnahmen:  goiiüo 
genug,  gduäu  genau;  zu  Icei  i^gcUch)  vgl.  §  115,4b,  anm.  1. 

b)  Vor  den  Spiranten  f,  s,  s  wird  g  zu  /::  hfgr  gefahr, 
/.•/?o^^>^  gefunden,  /r.9r/m  gesehen,  /.•6v.r^  geschichte,  /üsyTh  geschaue. 
Ebenso  vor  h:  Ichgt  gehabt,  Ichcn)  gehören,  Idigltn  behalten  (mhd. 
gehalten),  Jihatr  heiter  (*geheiter),  hhceindn  stossen,  sich  kümmern 
(mhd.  gchöuiren?  vgl.  KWb.  s.  137). 

c)  Zu  Ih  wird  g{c)-  auch  vor  r  (vgl.  Krassnig  s.  36.  Wein- 
hold, Bair.gr.  §  172).    Beispiele:  Jchröt  geredet,  khrittn  geritten, 

')  Es  wären  an  dieser  stelle  eigentlich  nur  die  assimilationen  zu  be- 
sprechen, die  infolge  der  synkope  eintreten,  ich  benutze  jedoch  die  gelegen- 
heit  zu  einer  übersichtlichen  darstelluug  der  behaudlung  der  beiden  Vor- 
silben. 


32  LESSIAK  §  29 

Txhraft  gerauft,  Ixhwin  geraten  (inf.  und  part.),  Ihrextn  in  Ord- 
nung bringen  (^gerehten),  Ihrist  gerüst,  JJirixt  gericlit,  Tihrmimp 
gereimt,  passend,  lihrwit  Kreuth  (häufiger  ortsname,  mhd. 
yeriute).' 

Die  ersch einung  lässt  sich  folgendermassen  erklären:  in 
einem  grossen  teile  Oberkärntens  mrd  im  wortanlaut  noch 
Zungen-;- gesprochen  und  zwar  mit  einem  A-älmlichen  einsatz, 
also  In-üs  ross,  hrödn  reden,  hrii3  ring.  Desgleichen  in  der  Zu- 
sammensetzung, z.  b.  hceihröhn  heurechen  (vgl.  KWb.  s.  xiv 
unter  Ch.  Weinhold,  Bair.  gr.  §  160).  >)  Wir  müssen  annehmen, 
dass  diese  ausspräche  des  anl.  r,  so  lange  es  noch  zungen-r  war, 
auch  für  unsere  ma.  gegolten  hat.  Dann  wäre  die  assimilation 
einfach  \\1e  oben:  g{c)  +  h>  Ich. 

Dass  die  ausspräche  h?-  eigentlich  nur  für  den  anlaut  galt, 
dass  also  ein  nebeneinander  von  anlautenden  und  nicht  an- 
lautenden formen  bestehen  musste,  damit  diese  assimilation 
eintreten  konnte,  beweist  das  unterbleiben  derselben  in  grgla 
'koralle',  perle,  gritsdx  Gritschach  (slow,  gorice). 

Aiim.  Unter  dem  einfluss  der  stadtsprache  (s.  anhang)  bez.  der  analogie 
hört  man  hie  und  da  schon  formen  wie  graft,  grittn  u. s.w. 

d)  Vor  verschlusslauten  bleibt  dagegen  der  vocal  erhalten: 
gdp^lin  gebacken,  gdpöei  gebäude,  gopäx  gebäck,  gdtalt  geteilt, 
gdtUd  getue,  betragen,  gdtqas  getöse,  gddräi  gedreht,  gddrei)  ge- 
dränge,  gdkhert  gekehrt,  gdl-ltaft  gekauft,  gdgösn  gegossen,  gdgätr 
gitter  (coli,  zu  ^{?i!r)  u.s.w. 

Ausnahmen  sind  trad  getreide,  pridt  neben  gdpridt  gebrüt, 
2nrgr  gebirgsbauer  (neben  gopirg  gebirge),  päur  bauer  {ngxpr 
nachbar).  Ferner  die  part.  praet.  göhni  gegeben,  ggi)  gegangen, 
JchriaU  gekriegt  (=  bekommen;  dagegen  gokhridJv  gescholten). 
\Jchomdn  gekommen,  jyrgxt  gebracht  nebst  trgrv  geworden,  sind 
alte  präfixlose  i)articipia.  Regelmässig  sind  auch  glap  geglaubt 
und  pjUbm  geblieben,  zu  mhd.  yeloithen,  heliben].  Neben  gotgn 
getan,  steht  söttn  (mhd.  sogetän)  solch.  Auffallend  ist  das 
unterbleiljen  irgendwelcher  Verstärkung  des  anlautenden  g  bei 
göbtn,  ggu:  man  würde  Ic  erwarten  (vgl.  dazu  Schatz  §  153). 


')  Wie  mir  herr  k.  k.  landesgerichtsrat  Joh.  Steiner  privatim  mitteilte, 
wird  auch  in  einzelnen  nordungarischen  Sprachinseln  (Kremnitz)  im  anlaut 
hr  für  r  gesprochen. 


§  30  MUNDART   VON    PERNEGG.  33 

Ich  bin  der  ansiclit,  die  synkope  sei  vor  verschlusslauten 
in  der  ma.  gesetzmässig  nnterblieben.  Eine  so  weitgehende 
restitution  wäre  (zumal  bei  collectivbildungen)  wol  kaum  mög- 
lich gewesen.  In  anderen  mundarten  des  herzogtums,  vor  allem 
Oberkärntens,  ist  das  vocalische  element  in  noch  viel  aus- 
gedehnterem masse  erhalten  geblieben.  So  heisst  es  im  oberen 
Gurktal  (Reichenau)  bei  anlautendem  r  des  grundworts  stets 
(jiraion  gereut  (ahd.  girüiran),  giraft  gerauft.  Das  Lesaclital 
mit  dem  angrenzenden  Osttirol  und  den  Sprachinseln  in  Krain 
und  Oberitalien  kennt  fast  nirgends  einen  ausfall  des  vocals; 
vgl.  lesachtalerisch  giliilwe  (mhd.  gchilwe),  gilidxte  licht,  gilaixe 
gleich,  U.S.W,  (die  paar  ausnahmen  wie  gnüde  gnade,  glähn 
glauben,  l-fottr  gevatter,  Icse'l  geselle,  sind  wol  als  entlehnungen 
anzusehen;  fraglicher  ist  dies  bei  träd,  paur).  Die  möglichkeit, 
dass  unter  umständen  wirklich  S3'nkope  eintrat,  ist  ja  nicht 
ausgeschlossen.  Bei  söttn,  nQxpr  war  wol  der  accent  von 
einfluss.  In  einzelnen  fällen  mag  auch  das  grundwort  mass- 
gebend gewesen  sein,  Ygl.pirgr  neben  j;r^:>-(/rj)«.?.  I-Jiriogn  (und 
damit  auch  seine  flexion)  scheint  trotz  seiner  gegenwärtigen 
Verbreitung  importiert  zu  sein.  Die  alten  sagen  dafür  fast 
durchAveg  pjlihömdn  bekommen. 

§  30.     he-. 

Bei  he-  tritt  synkope  nur  ein  vor  s,  s,  h.  Z.  b.  psCal  be- 
scheid,  j)5275n  besitzen,  jj5ioi(/r  besonder,  jw/pn^ 'bestand',  pacht. 

p  +  //  geht  \\\pf"\}i\)tv:])fi<)tn  behüten, 7)/('«7  {pfcnte)  behende. 
Dagegen  (wol  unter  fremden  einfluss) p)Qli'ubm  beheben, pDh(^ndhi 
behandeln,^w/*m(j:>^w  behaupten;  vgl.  auch  j;aArt»i(Za)  heimlich  (adv.). 

Aiim.  Zur  beliaiullung  unseres  (j{e)  +  r  bieten  eine  parallele  die  bei 
Weinhold,  Bair.  gr.  §  12 1  angeführten  pfreim,  pfreit,pfri'ic)nen  (pfmws  *b[c\-hr). 

Vor  sonoren  und  auffallenderweise  auch  vor  /"  bleibt  der 
vocal  erhalten:  pomölin  'bemachen',  umbringen,  pdmant  'bemeint', 
zugedacht,  ponöiidn  benennen,  pdrödn  bereden,  pdlögn  belegen, 
pdivceisn  beweisen;  vgl.  auch  p)alQuksgm  'be-langsam',  nach  und 
nach,  jwwfl/iZa  gemächlich  (adv.);  pdfkvtsii  befleissen,  pdfösn  be- 
fassen, U.S.W.  —  Ausnahmen :7)te/i?M  bleiben,  merkwürdig j>rcB<75 
bereits,  mit  der  bed.  "beinahe',  weil  sicher  entlehnt  {cei  =  *ei). 
—  Desgleichen  vor  verschlusslauten:  potriogn  betrügen,  pdlclilggn 
beklagen,  pdgrghm  begraben. 

Beitrage  zur  gcschichte  der  deutschen  spräche.     XXVIII.  3 


34  LESSIAK  §  31.  32 

F.    Besondere  ersoheinungen. 

1)  Feruassimilation  und  -dissimilatioii. 

§  31.    Assimilation. 

a)  Vollständige:  Ichristwu  kly stieren,  luncjl  hinge  (alid. 
hmgun),  .ßnofl,  fmdf  fenchel  {-l  wurde  als  ableitungssilbe  ge- 
fasst  und  etwa  nacli  analogie  des  formenwechsels  bei  deminutiv- 
bildungen  fallen  gelassen;  vgl.  dazu  gmnids  anisel,  in  anderen 
m-ü.  omsl\  doch  sind  beide  Wörter  masculina),  /eü/i- weide  (mhd. 
vehver),  l-nisld  knorpelige  Speiseüberreste  (mlat.  ernst ula;  im 
nachbarlichen  Steindorf  hörte  ich  mit  secund.  dissim.  trns/d; 
die  stadtspraclie  hat  gnisjil). 

b)  Teilweise:  spgwdt  (neben  spogot)  spagat,  pcmsl  pinsel 
(mhd.  pensel),  pumeldste  gummi  elastic(um).  Vielleicht  gehört 
auch  tc^afQm  schmerz,  hierher,  wenn  aus  ^^iveatohm  (mhd.  tvetage, 
doch  vgl.  auch  mhd.  ivetuom). 

§  32.    Dissimilation. 

a)  Vollständige:  mesr  mörser,  födry  foi'dern,  födr  vorder, 
l:hcdr  köder  (ahd.  qucrdar),  mödr  marder  (vgl.  §  114),  süehverg 
Steuerberg  (besser  Steierberg),  masiru  marschieren,  khwatir 
quartier,  khaprgl  korporal  (wenn  es  nicht  direct  auf  das  franz. 
caporal  zurückzuführen  ist), ')  hhospl  Spülicht  (mhd.  Icarspuoh)^ 
fjmmdspihl  Ameisbichl  (ortsn.,  urk.  Älnians^^nJid),  Ichüivdsr  käse- 
wasser,  molken  (anders  Behagliel-Horn,  Beitr.22,220f.),  tvoiiraux 
Weihrauch,  ivoeimixtn  Weihnachten  (dagegen  ivwixprun  weih- 
brunn,  ivmxivgsr  Weihwasser),  icceispiU  <  u-cvipspilt  weibsbild, 
trQSQlix  <  trolisglix  tragsack,  spotakhl  spektakel,  pröshgft  brest- 
haft. Vielleicht  auch  püd  bube,  knabe,  Jchirfjt  kirchfahrt  (vgl. 
dagegen  hgafrt  hoffart),  Mnvc  <  liirwig  <  herherg  herberge, 
mgrgit  Margareth. 

bj  'l'eilweise:  glmr  schrank  (lat.  armarium),  pglivin3  bar- 
bieren, frakhdle  kleines  schnapsgläschen  (bair.  flaclidl,  nach 
Sclimeller,  Bair.  wb.  1,  786  aus  franz.  flacon),  lilmaul  knäuel 
(*Jdüivel),  hhnöfbx  knoblauch  (vgl.  dagegen  wind,  kübudx  mit 
ho-  <  */.;Zo-),    tesnter  deserteur,    slujgivUs  sliwowitz  (pflaumen- 

')  Eine  andere  meinung  vertritt  in  bezug-  auf  diese  fremdwörter  Horu, 
Zu.  f.  Ld.  ma.  1,  27,  doch  vgl.  ma.  mari  marsch,  khwarlöl  quartal. 


§  33.  34  MUND  AKT    VON   PERNEGG.  35 

sclinaps),  pfiuJcstc  <  pfintste  donuerstag  (mlid.  pf\n.ztac),  humr'e 
<  liumhrig  <  hungrig  liungTig  (darnacli  liummr  Imnger),  feldn 
Velden  (ortsn.  "^felhni,  zu  nilid.  veltve;  vgl.  slow.  Vrha  =  weide), 
t rahmte  (daneben  tramte)  <  *trägentig  trächtig'.  Vielleicht  auch 
IJuviivl  kalb  für  '^kJtahcl  (dagegen  Idiölwl  als  hausname),  scmwlb) 
Saibling  (ein  fisch)  WsXh.  2, 263. 

c)  Mehrfache  Umgestaltung  erfuhr  ivarwl  marmor:  marmor 
>  marml  >  marivl  >  ivaricl  (den  Übergang  von  rml  >  rivl 
zeigt  auch  'irai  ärmel,  "^'irml  bez.  'irmhl.  Es  unterblieb  die 
Öffnung  der  gaumenklappe).  Aehnlich  nudrstgrf  Mattersdorf, 
urk.  Merteinsdorf  (Martinsdorf). 

Assimilation  oder  dissimilation  kann  man  annehmen  in 
terpmtikhl  perpendikel  (pendel). 

2)   Unorganische  t. 

§  33. 

a)  Nach  Spiranten:  Miist  (neben  Ichls)  kissen  (mhd.  Jcüsse), 
artst  erz,  purst  bursche,  pirst  birsch,  imlst  puls,  last  f.  geleise 
(mhd.  leis\  sist  sonst  (mhd.  sus),  pgpst  papst,  Uivdst  obst,  gndrst 
anders,  ondouJcst  ohne  Überlegung  (mhd.  Undankes),  twixt  teich, 
s<?ft  saft. 

b)  Nach  n,  r:  tolmt  thon  (^tähen),  tsedlint  zehe,  tölmt  de- 
chaut,  nöhnt  nahe  (mhd.  nähen),  nQamp  niemand,  duliöguh  {^ent- 
gegent)  entgegen,  indrt  (indrst)  irgendwo  (mhd.  iender,  inder). 

c)  Inlautend  in  Zusammensetzungen:  döstivögu,  tvöstwögv 
des-,  weswegen,  nueint-,  dwint-,  sccintwögu  meinet-  u.s.w.  wegen, 
derniicögu  deshalb,  ?;«;-/a;Hörimmer  einmal',  zuweilen,  üivrthgliv 
oberhalb,  gudrihgliv  anderthalb. 

Anm.  Dagegen  ist  t  abgefallen  in  moykx  markt,  sgvhr  sankt,  rxin- 
früs  reinfrost,  pfantsl  pfannkuclieu  (mlul.  pfanziilte),  ödlpröx  Adelbreclit 
(haueuame). 

Eine  erklärung  dieser  erscheinung  gibt  Bremer,  Deutsche 
Phonetik  §  56,  anm. 

3)   Sandhierscheinungen. 
§  34. 
Der  unbestimmte  artikel  'ein'   lautet  vor  consonantisch 
anlautenden  Wörtern  a,  vor  vocalisch  anlautenden  an.    Wort- 

3* 


o6  LESSIAK  §  34 

anlautendes  n  konnte  daher  leicht  als  zum  artikel  gehörig- 
aufgefasst  werden.  So  erklären  sich  fälle  wie  gtr  natter, 
schlänge  überhaupt  (an-otr  für  a-nötr),  uos  rinne  (mhd.  7iuosch), 
ahm  f.  'nabenstock  (eig.  pl.  zu  'nabe'),  arhui  klammer  (mhd. 
nänrc),  nra  hode  (ahd.  niero  in  derselben  bedeutung;  für  'niere' 
wird  das  comp.  ridcJära  'rückenniere'  verwendet).  Häufig  hört 
man  auch  iuldole  enkel,  für  nmlihdle  (mit  Verschiebung  des 
accents  und  abfall  des  anlautenden  e  aus  ahd.  eninchili).  xlehn- 
lich  verhalten  sich  ädliv  Nadling  (aus  dn-ädlw  in  Nadling; 
die  Nadlinger  selbst  sagen  nädlw,  auch  urk.  Nedlkh);  okx  für 
Xock,  häufiger  bergname  im  benachbarten  Nockgebiet,  aus  afn- 
olxx  auf  dem  Nock;  dagegen  nolhn  kloss.  Vgl.  auch  öhtn  neben, 
dies  selbst  wider  aus  cn-chcn.  Gerade  umgekehrt  verhält  es 
sich  bei  m(jl  igel,  nöla  ahle,  nunorci  schirm  (ital.  omhrello), 
näwdx  verkehrt  (aus  *cn-ebich).  Auch  niirin-  hört  man  zu- 
weilen neben  urpr  Zuchteber  (^ur-hcr,  zu  ur-  vgl.  mhd.  urgül, 
■ml  und  Kluge,  AVb.  unter  auerhaJm). 

In  däsn  f.  holzgestell  an  der  küchendecke  zum  scheiter- 
trocknen (mhd.  äse)  wurde  das  d-  des  artikels  zum  stamme 
gezogen.  Der  fall  ist  insofern  interessant,  als  die  ma.  heute 
eine  unsilbische  kurzform  des  artikels  'die'  nicht  mehr  kennt, 
ausser  etwa  in  der  redensart  ajJiwi  g^'cm  neben  9n  da  gcui  g. 
fortwandern  (gcei  =  gau).  Vielleicht  gehört  auch  tsgxtl  schachte! 
hierher  {^d'sQxtl).  Umgekehrt  wurde  das  mhd.  dwehele,  Hvehele 
über  d'ivehcle  zu  ^i•ö]^^  f.  kleineres  tischtuch.  idtrastän  Dietrich- 
stein, lässt  sich  möglicherweise  über  ""d'idtrastänr  die  Dietrich- 
steiner, erklären,  fsgldrox  hat  sein  t  aus  dem  compositum 
haUgldrdx  für  *heid-schalrach  hülsen  des  buchweizens  (hädn). 
Dagegen  scheint  sich  in  hvev  Tweng  (ortsname,  urk.  in  Weng'm) 
das  t  phonetisch  wie  etwa  in  mceinhvögv  meinetwegen,  ent- 
wickelt zu  haben. 

Das  gemeinkärntnische  dös  (für  *äs)  ihr,  dürfte  seinen 
dentalen  anlaut  der  personalendung  zu  verdanken  haben: 
*hahet-te^  für  habet- e^.  d  für  t  steht  unter  dem  einfluss  von 
da  du.  Dem  entsprechend  haben  auch  die  *ihr-dialekte'  (Lesach- 
tal, Osttirol,  Sprachinseln)  der,  dr  für  ir  (vgl.  Lexer,  KWb.  s.  58 
unter  dess). 

In  einigen  fällen  gab  die  i)räp.  ts(9)  zu  (mhd.  ^e),  anlass 
zu  einem  misverständnis:  der  ortsname  grwibts  Greilitz,  lautet 


§  34  MÜNDART    VON   PERNEGG.  37 

im  wind.  sJcrile  (als  grundfonn  für  das  deutsclie  ist  das  demin. 
*sJirlIitsc  Yorauszusetzeii);  nacli  §  109, 1  miisste  anl.  slow,  s  zu 
ts  werden:  ^tshnlits,  Avas  man  zu  ts-hmlits  umdeutete.  Die 
beispiele  sind  nicht  selten:  vgl.  göt^sigl  Gottestal  (urk.  Scozidol, 
GottzkM,  mit  volksetym.  Umgestaltung  aus  slow.  Skocidol), 
r(vix  Rajacli  (wind,  sröie),  tents9x  Tentscliach  (slow.  *stemtse) 
U.S.W.  Umgekelirt  lieisst  es  gewöhnlich  tsivean  Wien  {du,  af 
tsicean  in,  nach  Wien).') 

Die  redensart  mi{t)  Miceit  Igsn  neben  dn  hlueit  l.  in  ruhe 
lassen,  beruht  auf  falschei-  auffassung  des  on  als  präp.  on  l'ha'it 
geht  auf  "^'ungehöuwet  {-luet?)  zurück  und  gehört  zum  verb. 
Ichceindn  stossen,  kümmern  (vgl.  KWb.  s.  137  (jilieien).  khceit 
wurde  als  subst.  betrachtet  unter  dem  einfluss  von  on  (mit) 
ruo  Igsu  in  (mit)  ruhe  lassen. 

Der  regelmässige  Wechsel:  n  yoy  vocalischem  anlaut,  fehlen 
desselben  vor  consonantischem  bei  'von'  (s.  §112,  3),  z.  b.  fd 
dir  von  dir,  aber  ßn-(^am  (eig.  fb-n^am)  von  ihm,  ist  analogisch 
auch  auf  die  vocalisch  auslautenden  präpositionen  'zu'  und 
'bei'  übertragen  worden:  j>;a  sön  bei  ihnen,  tsd  dir  zu  dir,  da- 
gegen pdn-irn  bei  ihr,  tson-enJcx  zu  euch.  Unterstützend  wirkten 
liierbei  die  formen  j;9n,  ts9n  beim,  zum.  Die  präp.  'gegen', 
'zwischen'  erscheinen  in  der  form  <jöyu,  tsivisn  und  yöy,  tsivis. 
Massgebend  für  den  Schwund  des  n  werden  vielleicht  fälle 
gewesen  sein  wie  tvugv  fotr  wegen  'dem'  vater  (aus  wögn  n 
fgtr),  tstvisn  jxrg))  zwischen  den  bergen  (aus  tswisn  n  pergu). 

Die  form  um-  für  (negierendes)  'un-',  z.  b.  ?f;>#(>r/«  unartig, 
umsauwr  unsauber,  umlliraiä  unkraut,  laimne  unsinnig,  umrext 
unrecht,  ist  übertragen  aus  fällen  wie  mnpQr  unpaar,  ummigla 
unmöglich,  etc.,  wo  n  in  folge  assimilation  zu  m  werden  musste. 

Anm.  Ich  fasse  hier  einige  fälle  zusammen,  die  sich  unter  keine  der 
besprochenen  lauterscheinungen  bringen  lassen,  -in  >  -hv  in  ^livlcv  flinte 
(vielleicht  anlehnung  an  jUvlc'^  flink),  molkki  maXA.^  (Bair.  wb.  1, 1595  «to//»); 
bei  titjkü  wäre  dissiniilation  möglich  (grundforni  t/'ncla).  k  ist  eingeschoben 
in  kspevkst  gespenst  (vielleicht  dissimilation  über  kspentsl),  i^kHpQlir  neben 
psp^tltr  espe  (mhd.  aspe,  zur  ableituug  vgl.  Kluge,  Wb.  unter  massholder), 
plinWdw  neben  plintsliu  blindschleiche.  Anlautendes  g  erscheint  in  galaun 
alaun,  gra-  für  ga-  hat  gramila  kamille  (vgl.  auch  den  Ortsnamen  gramibx 
Gramillach  zu  slow,  gomilo).    töfnt  taffet,  hat  sein  n  tutsnt  dutzend,  taiisnt 

^)  Auf  diese  für  die  ortsnamenforschung  wichtige  erscheinuug  machte 
schon  J.  W.  Nagl  (das  hohe  '-d'  s.  85,  anm.  1)  aufmerksam. 


38  T.ESSIAK  §  35.  36 

tausend,  etc.,  icixlr  oder,  poin  ir  dem  correlativ  niticödr  zu  verdanken.  Die 
meisten  liierher  gehörigen  fälle  beruhen  auf  volksetymologisclicr  Umgestal- 
tung: z.  b.  j^erg.vurtr  barometer  (pergament),  tsimräi  zu  ebener  erde  (zimmer), 
llwfrfil  kerbelkraut  (lat.«7T/b//»w;  kilfer,  fülle),  rmnatigu  ilieinanke  (äugen), 
sitprasttid,  Superintendent  (assistent?),  luMokx  liebstöckel  (ital.  htvistico; 
stock),  iylaim  neben  iihvin  schleie  (schleim),  frisirnt  vazierend  (ver-). 

4)   Reste  des  mlid.  auslaiitgesetzes. 

§  35. 
Der  iirspr.  Wechsel:  inlautend  versclihisslenis,  auslautend 
versclilussfortis  ist  fast  überall  zugunsten  der  formen  des  inl. 
consonanten  aufgegeben  worden;  eine  ausnähme  bildet  d  nach 
sonoren  (s.  §  13.  §  105,  2).  Im  übrigen  haben  sich  folgende 
erstarrte  auslautformen  gehalten:  *b  — ^:  JiqI^)  axtstiel  (mhd. 
hal}),  -hes);  glp  'alp',  gespenst,  gedacht  als  feuriger,  fliegender 
strohschaub,  vogel,  rap  (neben  rä^(;)  raub  von  bienen.  *g  —  Ji: 
für  das  bair.-österr.  ist  der  Wechsel  </  —  /.'.^vorauszusetzen.  Ein 
lebender  beweis  dafür  sind  die  ma.,  welche  das  mhd.  auslaut- 
gesetz  fast  noch  in  vollem  umfange  bewahrt  haben,  wie  die 
des  Lesachtals  mit  den  oben  erwähnten  Sprachinseln.  Vgl.  die 
zarzerischen  formen  tcä/ix  weg  —  dat.  sg.  und  nom.  acc.  pl. 
ifäiye;  tQkx  tag  —  iguge  tage;  parlix  {pdrhx)  berg  —  perge 
berge  u. s.w.  Die  ma.  bietet  folgende  fälle:  rwlxx\e\d\i  (mhd. 
rinc\  daneben  riu).  JgwLx  lang  (vom  räume,  dagegen  h/u  von  der 
zeit,  mhd.  adv.  lange),  Igwkxtvtdn  langwiede;  iiwJix  jung;  ggyl-x 
gang  (als  räunilichkeit;  dagegen  ggu  =  reise),  smwlcx  schvvung, 
rhjlxxmänr  ringmauer,  perkxn-crx  bergwerk  (auch  ortsn.),  wöJcx 
weg  (adv.),  iaidcx  Südwind  (slow.  j%).  Vgl.  auch  die  in  §  116, 3 
angeführten  wfirter  mit  auslautendem  Jix  für  k\ 

Anra.  1.  AVährend  rrvkr,  Igolcx  auch  in  den  flecticrten  formen  hx 
haben,  heisst  es  gewöhnlich  iuvge  junge,  iivgr  jünger  u.  s.  w. 

Anm.  2.  Aeltere  lehnwörter  des  windisclien  zeigen  auslautendes  k 
in  noch  viel  Aveitcrem  umfange;  vgl.  raujlnlc  rauchfang,  j^dibrk  Bleiburg, 
r'nik  ring,  znhk  schlag,  nicbk  neidig,  zahk  selig,  u.  a.  Vgl.  auch  dhp,  döup 
dich,  körji  korb. 

G.    Vocalquantität  und  Silbentrennung. 

§  36. 
Hinsichtlich  der  vocal-  (bez.  silben-)  quantität  zeigt  die 
ma.  .'^tarke  ausgleichungen,  die  in  innigem  Zusammenhang  mit 


^  3fi  MUNDAUT    VON    PERNEOG.  39 

der  sill)eiitreiiiiung"  stellen,  weshalb  ich  beides  gemeinsam  be- 
handle. Zusammenfassend  lässt  sich  sagen :  die  iirspriingiichen 
(historischen)  unterschiede  zwischen  kürze  und  länge  haben 
einem  völlig  neuen,  phonetischen  princip  weichen  müssen. 
\\'eini  ich  im  allgemeinen  von  'kürze'  und  'länge'  rede,  so  sind 
darunter  nicht  irgend  welche  absoluten  grossen  zu  verstehen, 
denn  1)  sind  die  einzelnen  vocale  der  nia.  an  nnd  für  sich 
nicht  alle  von  derselben  dauer.  Insbesondere  beansprucht  a 
durchschnittlich  eine  längere  zeit  zu  seiner  articulation  als 
die  übrigen  vocale  unter  gleichen  umständen.  Im  sg.  strd  stall, 
ist  das  Q  merklich  kürzer  als  das  a  im  pl.  siäl,  ebenso  verhält 
sich  sg.  ngxt  zu  pl.  naxt.  Langes  ä  neigt  durchweg  zur  Über- 
dehnung, in  den  taldialekten  ist  dies  noch  mehr  ausgeprägt 
als  in  unserer  ma.  Relativ  am  kürzesten  sind  /  und  u,  die 
übrigen  vocale  halten  so  ziemlich  die  mitte.  Diese  'absolute' 
vocahiuantität  steht  beiläutig  in  geradem  Verhältnis  zur  grosse 
des  kieferwinkels,  welche  die  articulation  der  einzelnen  vocale 
beansprucht  und  damit  natürlich  zu  der  zeit  und  arbeit,  die  die 
Senkung  und  hebung  des  Unterkiefers  erfordert  [dazu  scheint 
eine  erscheinung  in  der  Zarzer  ma.  zu  stimmen:  i  und  u  sind 
hier  stets  kurz,  während  alle  andern  vocale  in  gewissen  fällen 
gelängt  bez.  diphthongiert  sein  können]. 

2)  Kommt  die  anzahl  der  silben  eines  Sprechtaktes  in  be- 
tracht.  Sie  steht  in  umgekehrtem  Verhältnis  zur  silbenlänge 
(vgl.  Sievers,  Phon.^  §  684  ff.).  So  unterscheiden  sich  die  kür- 
zeren a,  i  in  siäU,  tsify])lot  deutlich  von  denen  in  sttü,  islfr 
u.  s.  w. 

3)  Was  speciell  die  'kürzen'  anbelangt,  so  ist  zwischen 
Silben  mit  stark  (stärker)  und  schwach  (schwächer)  geschnit- 
tenem accent  zu  unterscheiden:  je  stärker  der  folgende  con- 
sonant  bez.  je  stärker  die  schneidung,  desto  geringer  ist  die 
dauer  des  vocals  und  umgekehrt.  So  ist  das  {>  in  (jst  merklich 
länger  als  in  hgut.  Jenes  wäre  etwa  als  'unterkürze'  zu  be- 
zeichnen. 

4)  Schliesslich  sind  natürlich  auch  die  verschiedenen  Stim- 
mungsverhältnisse zu  beachten.  Die  eindringlich  belehrende, 
ermahnende  und  klagende  rede  liebt  die  Überdehnung  der 
vocale,  umgekehrt  werden  sie  beim  sprechen  in  erregter  Stim- 
mung über  das  normalmass  hinaus  verkürzt,  vgl.  dazu  §  50. 


40  LESSIAK  §  37.  38.  3!) 

1.   Starktonige  silbeii  in  nicht  oxytonierten  Wörtern. 

§  37. 
^^'il•  Jviamen  zwei  liauptregeln  aufstellen:  1)  in  heute  offener 
Silbe  sind  urspr,  kurze  vocale  regelmässig  gedehnt,  urspr.  längen 
haben  ihre  quantität  bewahrt.  —  2)  In  heute  geschlossener 
Silbe  bleibt  die  quantität  urspr.  kurzer  vocale  erhalten,  urspr. 
längen  werden  gekürzt. 

§  38.    Offene  silben. 
a)  Sind  die  sonanten  zweier  silben  durch  einfache  consonanz 
getrennt,  so  wird  diese  in  jedem  falle  zur  zweiten  silbe  gezogen. 

Aiun.  Wenn  ich  von  'einfacher'  consonanz  spreche,  so  stehe  ich 
natürlich  auf  dem  Standpunkt  der  heutigen  Verhältnisse  in  der  ma.;  vgl. 
hierzu  §  li. 

Beispiele  für  die  dehnung  von  einfacher  consonanz: 

a)  vor  r,  l,  n.  Urspr.  einf.  lenis:  .s^^z^r  Spieler,  jwmbirne; 
urspr.  geminata:  Inla  hülle,  säU  schälchen,  pfgna  pfanne. 

ß)  Vor  Spiranten  und  h.    Urspr.  lenis:  öfn  ofen,  st{)ld  stahl. 
Urspr.  fortis:  snfn  schaffen,  g^sn  gasse,  silir  sicher,  ivgsn  waschen, 
-/)  Vor  verschlusslenis:  s{)än  schaden,  %w  liegen. 

b)  Besteht  die  trennende  consonanz  aus  verschlusslenis  oder 
reibelaut  (und  h)  +  sonorconsonant,  so  fällt  die  silbengrenze  vor 
dieselbe:  pi-hndn  beben,  la-dh  lädchen,  mt-gla  möglich,  hp-fnr 
hafner,  mö-snr  mesner,  strl-läe  strichlein. 

Anm.  Bei  Verbindung  von  spirans  +  sonorcons.  hört  man  daneben  auch 
die  Silbentrennung  hbj-nr,  mös-nr.  In  diesem  falle  ist  die  silbe  natürlich 
geschlossen,  der  vocal  kürzer. 

§  39.    Geschlossene  silben. 

Steht  zwischen  den  silbenträgern  eine  geminata  oder  eine 
andere  lautverbindung  als  die  oben  unter  b)  erwähnten,  so 
fällt  die  silbengrenze  stets  in  die  consonantengruppe.  Die  silbe 
ist  geschlossen,  der  vocal  kurz.  Nur  Verbindungen  mit  t  als 
erstem  componenten  bilden  zum  teil  eine  ausnähme;  isoliert 
steht  äpr  aper,  schneefrei. 

a)  Bei  geminaten  als  silbentrennender  consonanz  sind  die 
silben  stets  stark  geschnitten: 

a)  pp,  kk:  uQp-pl  nabel,  tsip-pfl  zipfel,  hop-psn  hopsen,  roh-hi 


^  39  MUNDART   VON   PERNEGG.  41 

roo-o-en,  nolc-lüidt  nackt,  icehlshi  wechseln,  ursprüngliche  länge 
ist  gekürzt  in  l-hrQp-pfn  krapfen,  Mcq^pfn  Stangenschlitten  (mhd. 
sleipfen)  u.a.m. 

/?)  mm.  Urspr.  w???i:  MÜQm-maW^awm  {mhLldamme),  prum- 
niJii  brummen  (dagegen  lilde-mDn  klemmen,  t-mr  immer,  giifri-mou 
bestellen,  zu  mhd.  vrämmen).  Urspr.  m  nach  kurzem  vocal: 
hgm-mr  liammer,  sgm-mdn  schämen,  sum-mr  sommer  (dagegen 
ha-mrn  hämmern,  Icsä-me  'geschämig',  schamhaft,  he-mot  hemd). 
Kürzung  urspr.  länge:  iom-mr  Jammer  {m\\^.  jämcr),  Jchrom-mr 
krämer  (mhd.  Jirämcere;  zu  mm  und  tt  \g\.  §  14). 

7)  tf.  Urspr.  tt:  smit-tn  schmiede,  hit-tn  hütte,  tut-ta  brust- 
warze  (mhd.  tutte\  dagegen  lo-ta  latte,  mö-tn  mette).  Urspr.  t: 
slit-in  Schlitten,  tsit-tr  zither,  put-tn  bütte,  Ihut-trij  kichern  (mhd. 
Icutercn),  tut-tr  dotter  (dagegen  sö-tn  schatten,  icö-tr  wetter,  fö-tr 
Vetter,  'khrö-ta  kröte).  Affricata:  Idirgt-tsn  kratzen,  söt-tsn  setzen, 
rot-tse  rotzig;  pQt-tsn  filzschuhe,  rut-tsn  rutschen,  plot-tsn  grosses 
pflanzenblatt.  Kürzung  urspr.  länge:  imt-tsn  beizen,  wat-tson 
(mhd.  ivekhi). 

Eiue  ausnähme  bilden  einige  der  stadtsprache  entlehnten 
Wörter  und  fremde  eigennamen:  stri-tse  (neb.  strit-tse)  stromer, 
««-fee'Ignaz,  (/rrt-^5e  Pankraz;  Mianä-tse  ?>\}i\z\)w\)Q^  scheint  eine 
art  koseform  zu  'canaille'  zu  sein;  vgl.  auch  auslautend  mards 
Moritz  (hausname). 

Die  Verbindung  t  +  nasal  oder  liquida  (in  der  Stellung 
nach  i,  u  natürlich  ausgenommen)  wird  genau  so  behandelt 
wie  d  4-  nasal  oder  liquida.  Es  heisst  also  prödrox  collectiv 
zu  brett,  stadle  städtlein,  Jisödne  gesottene. 

Nebeneinander  hört  man  pddln  mxd pe-tJn  betteln;  pet-ilr 
hat  regelmässig  kürze.    Fremdwort  ist  Indr  Luther. 

b)  Vor  Spirans  oder  sonorconsonant  als  erstem  bestandteil 
einer  doppelconsonanz  ist  die  silbe  schwach  geschnitten: 

«)  Spirans  4-  verschlussfortis:  höfdn  heften,  ivgx-tr  Wächter, 
fös-pr  Vesper,  kliQs-tn  kästen,  hm-lcr  eidechse.  Beispiele  für 
die  kürzung  urspr.  länge:  /7t/p/'-/fr  klafter,  liafdc  {mM.  hei ftec). 

ß)  Sonorcons.  4-  verschlusslenis  oder  t,  spirans  oder  sonor- 
cons.:  en-gl  engel,  tvun-dr  wunder,  pd-dr  bilder,  hgldn  halten, 
föl-sn  felsen,  f\n-fe  fünf,  stir-mds  stürmisch,  ler-ndn  lernen,  pamde 
bäumchen. 


42  TvESSIAK  §  40.  41 

c)  Bei  iiielii-  als  doppelter  coiisonaiiz  ist  die  silbe  natür- 
lich stets  gesclilosseii,  z.  b.  ay-Ua  avtlicli,  as-thi  ästclieiij  sirp-j)fn 
{,iir-2)fii)  schüi-feii  (mild,  i^chiirpfcn). 

2)   St'arktonige  silben  in  oxytonis,  bez.  einsilbige 

Wörter. 

§  40. 

Die  vocakiuantität  verhält  sich  folgendermassen: 

1)  In  offener  silbe  kennt  die  nia.  nur  lange  vocale:  du  du, 
so  so,  dö  da,  U.S.W. 

2)  In  geschlossener  silbe  vor  einfacher  consonanz,  bestehend 
aus  verschlusslenis  oder  dauerlaut  {n  stets,  m  zum  teil  aus- 
genommen) ist  der  vocal  lang:  (jUd  glied,  tgg  tag,  siw  sieb, 
f'd  viel,  sncl  schnell,  man  mann,  nur  narr,  liöf  hof,  söf  schiff, 
sus  scliuss,  plöx  blech. 

3)  Vor  den  verschlussfortes  p,  k,  vor  «  und  vor  mehrfacher 
consonanz  ist  der  vocal  stets  kurz:  a)  Ichngp  knappe,  khrip 
gerippe,  snck'  Schnecke;  —  tsopf  v.o\)i,  spgts  spatz,  irgts  Schwätzer, 
plil;x  blick,  alcs  aclise,  galcs  plötzlich  {m\\^.(jdhes\  sngps  schnaps, 
PQpst  pabst,  pgnt  band,  Igmp  lamm,  ivdt  weit,  mit  stark  ge- 
schnittenem; —  ß)  Sri ft  ^dmii,  mlstmi^i,  ^rpx^  tracht ;  —  ggns 
gans,  spr/" scharf,  mgrx  mark;  —  folg  folge,  'irg  arg;  —  harw 
herbe,  s/ö7n  stellen;  —  W«  ring,  A'^p«  gesang,  mit  schwach  ge- 
schnittenem accent.     Isoliert  steht  fast  feist. 

4)  Vor  auslautendem  m  sind  immer  kurz  die  vocale  g  (o),  xi, 
alle  übrigen  lang,  a)  grgm  'gram',  zorn,  slgm  schlämm,  frum 
fromm.  Der  accent  ist  in  diesem  falle  stets  stark  geschnitten. 
—  ^)  stlm  stimme,  stvem  schwemme,  läm  lehm.  Ausnahme: 
m  =  *mn  (nöm  nehmen). 

5)  Vor  t  ist  durchweg  kurz  das  i.  Alle  anderen  vocale 
(auch  u)  sind  lang.  Die  behandlung  des  u  vor  auslautendem  t 
steht  also  im  gegensatz  zu  der  vor  inlautendem  i.  a)  pit  bitte, 
mit  schnitt,  trit  tritt,  slt  schütt  (mit  stark  geschnittenem  accent). 
Ausnahme:  stark  betontes  nd  (auch  mta)  nicht.  —  ß)  sät  sud 
(mhd.  sut),  füt  Vulva  (mhd.  fut),  stgt  Stadt,  plgt  blatt,  göt  gott, 
galtet  gebet,  möt  met. 

§  41. 
Dieselben  quantitäts-  bez.  Silbentrennungsgesetze,  wie  sie 
für  die  folge  von  vocal  -\-  sonorconsonant  bestehen,  gelten  auch 


§  42.  43  MUNDART    VON    PERNEGG.  43 

für  die  diphthonge:  der  uiisilbisclie  bestandteil  fungiert  genau 
so  wie  eine  liquida  oder  ein  nasal.  Es  heisst  also  fö-ir  feuer, 
Iw-h-  leier,  sä-ur  'schauer',  liagel;  —  frcei  frei,  x)äu  bau,  nöi 
neu,  mit  delinung  des  ersten  componenten,  dagegen  mit  kürze 
desselben  rml-in  reiten,  laii-tr  lauter,  Ichroi-ndn  gereuen,  xmhx 
bauch,  ncBid  neid.  Ebenso  yerlialten  sich  fns  früh,  snqa  schnee, 
strga  stroh.  aber  sio-hm  schieben,  nqa-in  nötigen,  igat  tot  u.s.w. 
Nachtrag.  Vor  der  auslautenden  Verbindung  -ru  ist  der 
sonant  sehr  schwach  geschnitten.  Die  quantität  hält  so  ziem- 
lich die  mitte  zwischen  länge  und  kürze:  ^)^>-w  bohren,  ^(rwgern, 
daneben  zweisilbig  pQrn,  genj. 

3)   Quantität  in  nebentonigen  silben. 
§  ^2. 

In  unterstarken  oder  mibetonten  silben  (vgl.  §  44  f.)  ist 
der  vocal  stets  kurz,  der  accent  schwach  geschnitten,  z.  b. 
l.hrnnmvöt  (mhd.  Jcmnctritc),  sjjiuairöta  Spinnengewebe,  tvcrlcstgt 
Werkstatt,  tsglpgr  zahlbar,  leronn  lehrerin  u.s.w\  Allerdings 
sind  je  nach  der  stärke  des  nebentons  unterschiede  bemerkbar; 
so  ist  das  a  in  dem  zweisilbigen  pirpam  birnbaum,  entschieden 
kürzer  als  in  dem  dreisilbigen  öpflpam  apfelbaum;  fast  zur 
halblange  wird  es  in  dem  pl.  öpflpumr.  Eventuell  lang  sind 
•mittelstarke'  nebensilben.  Die  vocalquantität  ist  nur  um 
weniges  geringer  als  in  der  entsprechenden  starktonsilbe:  prun- 
tröy  brunntrog,  icösrsgtj  wassersäge,  srccibfodr  schreibfeder.  Doch 
beschränkt  sich  die  länge  nur  auf  die  Stellung  in  pausa,  bez. 
am  satzende.  Im  satzinnern  wird  zugleich  mit  dem  nachdruck 
auch  die  quantität  vermindert,  z.  b.  dr  pruntrü-gis  firte  der 
brunntrog  ist  fertig. 

AVas  für  die  ableitungssilben  und  scliwachtonigen  compo- 
sitionsglieder  gilt,  gilt  im  allgemeinen  auch  für  die  neben- 
tonigen bez.  unbetonten  Wörter  im  satze.  Vgl.  dg  tva-si  niJcs 
da  weiss  ich  nichts  (betont  dg,  icäs,  t);  ugnr  nghr  ivg-sggu 
tat  wenn  er  dann  (et)was  sagen  würde  (täte;  betont  icgn, 
nghr,  wgs,  tat). 

§  43.    Nachträge. 
Da  gewisse  Wortklassen  (partikeln,  präpositionen.  zum  teil 
auch  die  verba)  im  satze  regelmässig  einen  schwächeren  accent 


44  T.ESSIAK  §  43 

tragen  und  demnacli  statt  der  eventuellen  länge  kurzen  vocal 
besitzen,  ist  es  begreiflich,  dass  dieser  zuweilen  auch  auf  die 
Stellung  der  betreffenden  wiirter  in  pausa  übertragen  wird. 
So  hört  «man  häutig  /  <ßic,  i  sqq,  i  rod  für  i  (ßiv,  sog  u.s.w. 
Hier  kommt  noch  der  einfluss  der  übrigen  flexionsformen  hinzu, 
die  in  folge  des  antritts  von  consonanten  regelmässig  kurzen 
vocal  haben  (vgl.  du  seiest,  er  soh,  tvir  sQgmr  u.s.w.).  Stets 
kurz  sind  z.  b.  ivög,  tstvis,  gög,  pcez,  af  wegen,  zwischen,  gegen, 
bei,  auf,  wol,  tvolivol,  in  Kärnten  allgemein  übliche  beteuerungs- 
partikel  'ja'  (dagegen  wul  wol,  adv.  zu  'gut'),  auch  w^enn  sie 
mit  besonderem  nachdruck  versehen  sind.  In  energischem, 
gebieterischem,  ton  gesprochene  silben  bez.  Wörter  werden 
häufig  verkürzt:  stil  still!  dg  da!  so  so!  Durchweg  kurzen 
vocal  haben  die  wirklich  befehlenden  imperative  Igs  lasse!,  nim 
nimm!,  sau  schau!  Dagegen  mehr  bittend  als  befehlend  Ige, 
nun  u.s.w.  Andere  ausnahmen  sind  durchaus  analogischer 
natur.  So  heisst  das  neutrum  zu  jm-«(!  breit,  Uirgd  gerade,  tvif 
lebhaft,  nicht  2^räts  u.s.w.,  sondern  präts,  Jchrgts,  ivifs.  Man 
hört  neben  einander  Idpimsn  und  läpüsn  (law  +  pUsn),  glgshaus 
und  glgshaus  glasliaus. 

Je  älter  und  fester  die  composition,  bez.  je  isolierter  die 
form,  desto  mehr  machen  sich  die  allgemeinen  regeln  geltend; 
vgl.  gäxs  jähes,  aber  gähs  plötzlich  (mhd.  gähes). 

Aiim.  1.  In  der  älteren  gnippe  deutscher  lehnwörter  im  windischen 
spiegeln  sich  die  ursprünglichen  quantilätsverhältnisse  mit  ziemlicher  con- 
scqnenz  wider.  Der  quantitativen  Verschiedenheit  im  deutschen  entspricht 
eine  Verschiedenheit  der  musikalischen  accentuieruug  im  windischen:  zwei- 
uud  mehrsilbige  Wörter  mit  urspr.  kurzem  stammvocal  sind  musikalisch 
oxytoniert,  d.h.  sie  haben  den  hochton  (')  auf  der  letzten  silbe;  umgekehrt 
haben  solche  mit  urspr.  langem  stammvocal  den  hochton  auf  der  Stammsilbe. 
Einsilbige  Wörter  mit  urspr.  kurzem  vocal  sind  kurz  mit  fallendem  (')  accent, 
zuweilen  auch  lang  mit  steigendem  accent  ('),  solche  mit  urspr.  langem 
vocal  sind  lang  mit  ebenem  ton  (').  Ich  stelle  die  Avind.  und  rahd.  formen 
nebeneinander:  a)  hij.äUr — pjlasler,  iämät  —  sumät,  hähSx  —  habech, 
häinf  —  humer,    husatlt  —  vazztn,   iäfatd  —  admffen,   iösdx  —  ezzicli,  Icr^hä 

—  kresse,  hülä  —  hüt(e,  ilnats — sinnen.  Dagegen  ma?,<aia  —  malen,  papai 

—  bäbes,   tsila  —  züe,   Mlata  —  ilen,  nftaS  —  *noßtesch,   r^ia  —  rose,  müta 

—  mute;  — •  h)  hr^nt  —  grünt,  bl^Jc  —  vlec,  hnäx  —  smaeh,  llcäf — schaf. 
J-)agegen  rät  —  rät,  nid  —  nit,  hyt  —  sehr 6t,  rüt  —  *rüt  (gereut).  Die 
ausnahmen  beschränken  sich  so  ziemlich  auf  die  Stellung  urspr.  kürzen  vor 
l,  T,  h  und  deren  Verbindungen. 


§  U.  45  MUNDART    VON   PERNEGG.  45 

Aum.  2.  Zur  silbcutreiniung  wäre  noch  uachzutrageii,  dass  dieselben 
regeln,  wie  sie  für  den  wortinlaut  festgestellt  wurden,  auch  für  den  Satz- 
zusammenhang gelten.  Die  sätze  ts^n  öhh  is  a  pisl  an  öivdst  ä  giot  zum 
essen  ist  ein  bischen  (ein)  obst  auch  gut,  i  pit  in  nü  ich  bitte  ihn  nicht, 
wökx  is  i'  weg  ist  er,  werden  demnach  folgendermassen  gesprochen:  tS9  — 
nö  —  sn  —  })/  —  sa  —  p/s  —  Ja  —  nö  —  ivos  —  tä  —  guot,  i  —  jjrt  —  ti  —  nit, 
iröJc  —  Ih  i  — •  s^-. 

Schliesst  ein  wort  mit  silbischem  nasal  oder  /,  so  wird  dieser  bei 
vocalischem  anlaut  des  folgenden  wertes  in  zwei  teile,  einen  silbischen 
und  einen  unsilbischen  aufgelöst,  z.  b.  nödl  —  lis  nadel  ist,  petn  —  rmnt 
beten  und,  u.s.w.  Bei  r  dagegen  wird  der  silbische  teil  gewöhnlich  durch 
i  ersetzt:  fotr,  aber  futa-rä  vater  auch,  seltener  foti--rä. 

II.    Zui'  kenntnis  des  aoeents. 
1)  Dj'iiamisclier  acceut, 

§  44 

Ueber  den  djmamisclien  silbenaccent  habe  ich  bereits  ge- 
legentlicli  der  besprechmig  der  Stärkeverhältnisse  der  conso- 
nantenarticnlation  nnd  der  silbentrennnng  die  notwendigsten 
aufschlüsse  gegeben.  Ich  wende  mich  daher  zum  d3'namischen 
wortaccent.  Es  würde  mich  zu  weit  führen,  auf  eine  er- 
schöpfende behandlung  desselben  einzugehen.  Die  folgenden 
angaben  beschränken  sich  auf  das  aller  wichtigste. 

Die  hauptregel  ist:  die  Stammsilben  tragen  den  haupt- 
accent,  die  nebensilben  sind  verhältnismässig  schwächer.  Es 
lassen  sich  im  allgemeinen  etwa  vier  stärkestufen  unterscheiden, 
die  natürlich  selbst  wider  schwankuugen  unterworfen  sind. 
Ich  bezeichne  sie  mit  stark-  oder  haupttonig  (1),  mittelstark 
(2),  unterstark  (3),  schwach  oder  unaccentuiert  (4).  Unter 
"nebentonig'  fasse  ich  die  stufen  2  und  3  zusammen.  Gelegent- 
lich verbinde  ich  die  Zahlzeichen  mit  den  exponenten  a  und  b, 
um  die  gr(3ssere  oder  geringere  stärke  der  einzelnen  stufen 
ausdrücken  zu  können. 

§  45. 

Von  einfluss  auf  das  relative  Stärkeverhältnis  der  Stamm- 
silbe zu  den  nebensilben  ist: 

a)  Die  schneidung  der  Stammsilbe.  Je  schwächer  diese 
geschnitten  wird,  bez.  je  grösser  die  dauer  ihres  sonanten  und 
je  geringer  die  Intensität  des  (der)   anlautenden  consonanten 


4(1  LESSIAK  §  45 

der  uebensilbe,  desto  mehr  wird  die  stärke  der  letzteren  lierab- 
gedrückt.  So  ist  das  -le  (-lein)  in  hhapple  stärker  als  in  fisle, 
und  in  diesem  A\-ider  kräftiger  als  in  äle.  Ebenso  verhalten 
sich  die  .-(',  -n,  -l  in  liansc — plöse,  pittn  —  gtn,    liitÜ  —  stall. 

b)  Die  beschaff enheit  der  nebensilben  selbst,  d,  h,  ihre 
quantität  und  die  qualität  des  silbenträgers. 

a)  Schwach  sind  nebensilben  mit  silbischem  nasal  oder 
liquida  und  d  als  sonanten:  tgäl,  iventn,  folr,  tämos,  mibx,  liir- 
tvdst.  Doch  kann  man  auch  hier  unterschiede  wahrnehmen; 
so  ist  das  -dt  =  *-olit,  -eht  etwas  stärker  als  die  verbalendung 
-dt;  vgl.  öhlcdt  eckig  :  öMdt  eggt,  neidet  gestreift  {*rkkht)  :  IcekUt 
leidet.  Die  obere  grenze  der  schwachtonigkeit  bildet  etwa  das 
-dn  =  *m^  z.  b.  Jiütson  (mhd.  hühin). 

ß)  Unterstark  sind  die  nebensilben  mit  vollvocalen:  Jiceifte 
häufig,  {)ld  alle,  anta  ente,  lianüa  heimlich,  ivirtm  wirtin,  mäniu 
meinung,  ceiliw  uhu,  Ig^iks^m  langsam,  anfgx  einfach,  poshgft 
boshaft,  fmntsgft  feindschaft,  srölixpQr  schreckbar,  rwJihceü 
leichtigkeit.  Die  beispiele  sind  beiläufig  nach  den  stärke- 
graden  der  nebensilben  geordnet.  Am  schwächsten  sind  -e,  -a, 
am  stärksten  -ligft,  -sgft,  -pgr,  -Idiceit. 

c)  Der  rhythmus.  In  dreisilbigen  Wörtern  hat  bei  un- 
betonter zweiter  die  dritte  silbe  einen  stärkeren  nebenaccent 
als  eine  silbe  derselben  art  in  zweisilbigen.  Vgl.  sauwrhJmit 
(1:4:3a)  zu  s^anhcmt  (1  :  3).  Damit  hängt  die  erscheinung 
zusammen,  dass  compositionsglieder  an  zweiter  stelle  häufig 
völliger  abschwächung  zum  opfer  fallen,  während  in  folge  des 
rhythmischen  nebentons  an  dritter  stelle  der  vollvocal  erhalten 
bleibt:  tL-fcimpr  Weinbeere,  .y«v>ri^.s;^>r  schwarz- (=  heidel-)  beere, 
prgmpr  brombeere  u.s.w.,  aber  rüdlpir,  stghlpir  grosse  und 
kleine  Stachelbeere,  paslpir  Sauerdorn;  wcrxtc,  lohte,  suntc  werk-, 
leb-,  Sonntag,  aber  föeirtgy,  ngmnidnstgy  feiertag,  namenstag  u.a.; 
vgl.  dazu  das  in  §  89.  75,  2,  anm.  über  -le,  -l-  -liceü,  -Jut  gesagte. 

Steht  in  der  zweiten  silbe  -Im,  -fgx,  -Sgft,  -pgr,  -Jchceit  und 
ähnl.,  so  trägt  diese,  wenn  die  dritte  ein  -e,  -a  oder  schwach- 
tonig  ist,  den  nebenaccent.  Die  silbenstärke  verhält  sich  un- 
gefähr wie  1:3:4:  dnfojie,  hersö/tn,  stdndVmgr,p6s}iäfte,  tüm- 
hceitn.  Indes  ist  er  hier  merklich  schwächer  als  in  dem  ent- 
sprechenden zweisilbigen  worte.    In  fällen  wie  prduxpö^re  Ideit 


§  iG  MUNDART   VON   PERNEGG.  47 

brauchbare  leiite,  werden  die  beiden  nebensilben  zwar  ziemlich 
stark  lierabgedrückt,  aber  die  erste  bewahrt  stets  die  Über- 
legenheit über  die  zweite.  Dasselbe  gilt  z.  b.  auch  noch  in 
lidhsoftn  frgösn  liebschaften  vergessen,  trotz  des  rhythmischen 
nebentons  auf  der  dritten.  Das  Verhältnis  ist  etwa  1  :  3b  :  4a 
:  4  :  1  b  :  4.  Steht  eine  der  erwähnten  schweren  nebensilben 
an  dritter  stelle,  so  ist  ihr  die  zweite  silbe  immer  unter- 
geordnet:  jirauxporlcliceit  (1  :  4a  :  3)  brauchbarkeit.  In  fällen 
"wie  firtige  fertige,  pirlilmie  birkene,  gmisthne  geistliche,  icir- 
iinon  Wirtinnen,  IcuJcsomr  langsamer,  haben  die  beiden  neben- 
silben ungefähr  dieselbe  silbenstärke.  Folgt  noch  eine  dritte 
nebensilbe,  so  wird  die  erste  schwachtonig,  die  zweite  trägt 
den  nebenaccent;  z.  b.  honse]  firtigr  pdli]i'öm{dn)  habe  sie]  fertig 
(als  fertige)  bekommen,  etwa  la:4:3b:4:lb:  (4).  In  dem 
viersilbigen  liamlihhceitn  heimlichkeiten,  ngxprsoftn  nachbar- 
schaften,  ist  die  dritte  silbe  kräftiger  als  in  dem  dreisilbigen 
hamlikhmt,  noxprsgft. 

§  46.  Composita. 
a)  Das  Verhältnis  1  :  3  bez.  1:4:3a,  welches  für  die 
schweren  ableitungssilben  gilt,  herscht  auch  in  solchen  Zu- 
sammensetzungen, ß)  in  denen  der  zweite  bestandteil  seine 
Selbständigkeit  verloren  hat,  d.  h.  als  simplex  nicht  mehr  vor- 
kommt, aber  doch  seinen  vollvocal  erhalten  hat.  Hierher 
gehören  z.  b.  die  composita  mit  -ukjI:  noxtnwl  nachtmahl, 
mdVogmnl  mittagmahl;  -stow:  gortstgiv  (mhd.  gartsiap)  stachel- 
stock zum  treiben,  ligntsUjw  handstab  bei  der  drischel;  -tverx: 
hjntwerx  handwerk,  tögwerx  tagewerk,  desgleichen  in  den 
häufigen  collectivbildungen  wie  sioivcrx  menge  von  schuhen, 
kJirödwerx  gerede,  khindnverx  'kinder',  rumplivcrx  gerümpel, 
u.  s.  w. 

Anm.  In  Wörtern  wie  lötslt  lebzelt,  Iceinsdt  (mhd.  linsät),  rgapr  erd- 
(rot-)  beere  u. s.w.,  in  denen  völlige  Schwächung  des  grundwortes  ein- 
getreten ist,  sind  natürlich  die  nebensilben  durchweg  uuaccentuiert.  Drei- 
silbige wie  iva'iiuxtn  Weihnachten,  l/iäicasr  'käsewasser',  entsprechen  so 
ziemlich  den  oben  erwähnten  firticjc,  hnmbne. 

ß)  In  welchen  das  grundwort  nicht  mehr  in  seiner  eigent- 
lichen bedeutung  gebraucht  wird  oder  doch  in  einer  anderen 
als  das  simplex.   So  die  composita  mit  -stgt  (=^  statte) :  prontsUjt 


48  LESSIAK  §  46 

bramlstätte.  irerlshf  Werkstatt,  Wiöglstgt  kegelbalin;  -pQu:  wisj^gn 
eisbalin,  a^isnpgn  eisenbalm;  -hof-.jifiyrhofi^tmTliof,  fncithofhied- 
hof;  -l-hncxt:  {röslchncxt  rosskiiecht  1:2;  dagegen  dühUrldmext 
(lieieckiges.  beim  dachdecken  verwendetes  gestelle,  ngtrkhnext 
heftkissen  der  näliterinnen,  mit  1:4:3a),  vgl.  noch  ä^anspot 
dienstbote,  lidxtmüs  lichtmess  (dagegen  friomös  frühmesse  1  : 2), 
wauxprun  weihbrunn  (=  wasser),  fcülnjmp  feierabend,  h/nlcxivKil 
langweile.    Ferner  gehören  hierher: 

7)  Häufig  gebrauchte  Zusammensetzungen,  die  zu  einer 
gewissen  einheit  versclimolzen  sind.  So  die  zusannnensetzungen 
mit  -pani  bäum:  pirpam,  Mierspam,  nuspam,  wispam,  axpam 
birn-,  kirsch-,  nuss-,  wies-,  eichbaum;  -Icbü  leute:  liausloeit, 
praüüwit,  iccehvrlcBit  haus-,  braut-,  weiberleute;  -haus:  mar- 
haus,  Wirtshaus,  sudlhaus  meier-,  wirts-,  schnlhaus;  -stühm  stube: 
p<^tstiihm,  marstuhm,  rauxstul)m,prvhJstuhm  bad-,  meier-,  rauch-, 
brechelstube ;  -kein:  rngntsrnn,  nceiswhi  mond-,  neuschein  (=  neu- 
mond);  -rngn:  fiirnnm,  tsnnrmori  Mir-,  z\mmeYm8iJiJi.  Vgl.  ferner 
tisplot  n.  tischplatte,  hcryot  herrgutt,  tctitsignt,  nisJgnt  Deutsch- 
land, Kussland,  peisnur  betschnur. 

ö)  Moderne,  der  Schriftsprache  entlehnte  bezeichnungen  wie 
u-Qrts{tl  Wartesaal,  fgrplan  fahrplan,  sneltsug  Schnellzug,  lösepudx 
lesebuch. 

t)  In  übertragener  bedeutung  gebrauchte  Wörter  und 
schelten:  sicceinstgl  =  unsauberkeit  (1:3;  dagegen  =  'schwein- 
stair  mit  1  :  2),  holtsivög  'holzweg'  (=  irrtuni;  dagegen  trlwög 
triebweg),  satipud  saukerl,  rotspuo,  saimiggti,  saupartl  u.  a. 

b)  Dagegen  ruht  in  Zusammensetzungen,  in  denen  eine 
solche  Verschmelzung  der  beiden  begriffe  nicht  stattgefunden 
hat,  das  grundwort  nicht  wie  in  den  obigen  beispielen  zu  einem 
weniger  bedeutungsvollen  bestandteil  herabgesunken  ist,  auf 
diesem  ein  starker  nebenton.  Das  Verhältnis  des  hauptaccents 
zum  nebenaccent  ist  ungefähr  das  von  1  :  2  ('mittelstarke 
Silben').  Es  ist  nicht  zu  verkennen,  dass  die  mehrsilbigkeit 
des  grundworts  dabei  eine  rolle  spielt:  zwei-  oder  mehrsilbige 
grundwörter,  zumal  solche  mit  langer  Stammsilbe,  verlieren 
nur  selten  ihren  starken  nebenaccent  (vgl.  dazu  die  angaben 
über  quantität  und  tonhöhe  §  42.  52). 

Beispiele:  j>roa/a^  brotteig,  spDtsirtvög  s^SivAerweg,  saudirw, 
Jchiodirn  sau-,  kuhmagd,  6'/r(^aJta;  Strohdach,  A/mi/s/ö/kindstaufe, 


§  46  MUNDART   VON   PERNEGG.  4Ö 

2)crJistoJiX  berg'stock.  wnsrsof/  wassersäge,  ra'istusjris  reistenspiess, 
kvolhmnüst  Schwalbennest,  IM^apröhn  kleebrache,  tgmpfnncU 
dampfnudel,  hQr{n)möndt  hornmonat  (februar),  Jchlevkhöfr  hirsch- 
käfer,  spcnfalhl  junges  ferkel,  tsontliüihdt  zahnlückig,  sivortsaucjdt 
schwarzäugig,  IwicrnUsl  taubnessel,  füdrwösr  federmesser,  pau- 
liDnisindin  bauchentzündung,  u.s.w. 

Die  erwähnte  betoniingsAveise  herscht  nur  im  Satzausgang 
oder  in  pausa,  im  satzinnern  verliert  das  grundwort  bedeutend 
an  stäi'ke,  vgl.  on  dr  oastrivöJm  4:4:1:4:2:4,  dagegen  on 
dy  oastrwohn-nisr  Jchömon  4  :  4  :  1  :  4  :  3  :  4  :  4a  :  4  :  Ib  :  4  in 
der  osterwoche  ist  er  gekommen. 

c)  In  compositis  mit  mehr  als  zwei  gliedern  von  der  art 
(a  +  b)  +  c  verliert  das  zweite  glied  an  nachdruck,  das  dritte 
kommt  dem  ersten  an  stärke  nahezu  völlig  gleich:  tsinthöltsl 
1:2:4,  dagegen  tsinthöltsUaxtsle  'zündhölzchen-schächtelein' 
1:3:4:  lb:4:3b;  pamprüx  beinbruch  1  :  2,  dagegen  pani- 
pruxr(^asle  'beinbruchröslein',  gänseblümchen  1  :  3b  :  Ib  :  4a; 
ähnlich  aitfort  auffahrt  (d.  i.  himmelfalirt)  1  :  3,  anfjrtMog  1 
:  4a  :  2.  In  Zusammensetzungen  von  der  art  a  n-  (b  +  c)  tritt 
aus  rhythmischen  gründen  häufig  accent Verschiebung  ein: 
piraufJögu  (1:3:  2)  biei'auflagen,  lüxlgntsüitn  licht  anzünden, 
lömpridftrhgr  landbrief träger,  feltmarsäl  feldmarschall.  Doch 
Vgl. pdtsirhshanpmon  (neben pDtsirlshdupmgn  bezirkshauptmann, 
frön tsprgntiva'in  f ranzbranntwein ,  peltslchcrspam  pelzkirsch- 
baum,  ähnlich  crtspisof  erzbischof. 

d)  Ungefähr  gleich  stark  betont  sind  die  compositions- 
glieder  in  Zusammensetzungen  mit  Un-,  irts-,  haup-,  mitrts-,  risn-, 
2)c)-)j;  ents-  {unents-),  wenn  diese  nur  zur  Verstärkung  des  be- 
griffs  dienen,  z.b.  imtoifl  niiteiiM,  ^m/^^^c?r  riesenf uder,  irtsranwr 
erzräuber,  irtslunq)  erzlump,  murtsJchauijdmowMnild,  haupingur, 
haupsijlbm  hauptlügner,  -dieb,  rlsnlakld,  pcydulcld  ein  riesen- 
haft, bärenmässig  grosser  mensch,  cntsdrum  riesenstück  {ents 
=^  'endes').  Mit  gewöhnlicher  betonung  dagegen  etwa  fixslcherl 
'viehskerl',  durchtriebener  kerl,  dröLunandl,  ioijl{ü)mandl  dreck-, 
teufelsmännlein. 

Schwebende  betonung  herscht  auch  bei  adjectiven  wie 
Idiüsplax  käsebleich,  grgsgrqan  grasgrün,  lutfrcni,  luttalän  ganz 
fremd,  ganz  allein,  poitsnföl  voll  wie  ein  blutegel  (poitsa),  fut- 
nglclidt  ganz  nackt,    nürglt  meeralt,    stolcxla^Us,  -irind.hs  stock- 

üeitriige  zur  gcschiclile  Jci   Jeuuclicii  spräche.     XXVlll.  ^ 


50  LESSTAK  §  47 

deutsch,  -wiiidiscli.  unilJu-äx  nudehveicli.  Oft  wird  der  accent 
geradezu  auf  das  zweite  giied  verschoben:  stolixivindds.  In 
der  flexion  dagegen  ist  dieses  nebentonig:  a  Idirmtspräfr  ments 
(1  :  2  :  4),  snmicci'ise  hör,  a  stwhrfanU  lu,idr  ein  kreuzbraver 
mensch,  schneeweisse  haare,  ein  stinkfaules  luder. 

"  ^  47.    Hauptaccent  auf  nebensilben. 
Accen  turnst  eilung. 

a)  Die  hauptmasse  der  hierher  gehörigen  beispiele  bilden 
fremdworter  bez.  W(3rter  mit  fremder  ableitungssilbe:  lanir 
lineal.  pgxyir  papier,  l-haiiiöde  komödie,  maierc  'materie',  eiter, 
matrosinj  'maturescieren',  eitern,  fatcnkx  isibiik,  liidncei  litanei, 
srwkcDrcei  Schreiberei,  sinirn  sinnieren.  Dagegen  mit  Zurück- 
ziehung des  accents  sobt  salat,  sjwfjdt  spagat,  mos  anis.  Zahl- 
reiche beispiele  liefern  hiefür  die  Ortsnamen  slow,  herkunft, 
z.  b.  tr^afn  Treffen  (wind,  trchme),  filox  Mllach  (wind,  hlak, 
^belaJ,-),  pöbnits  Polenitz  (wind,  polanitsa). 

Fremde  eigennamen  haben  als  Ortsnamen  in  der  Verbindung 
mit  'sanct'  fast  durchweg  den  ursprünglichen  accent  bewahrt, 
vgl.  SQuJcx  milwdl,  itriugn,  dndr^a,  morgreain,  madl^an,  fdippm, 
iohöns  St.  Michael,  Urban,  Andrä,  Margarethen,  Magdalena, 
Filippen,  Joliann  (doch  stets  srmkx  nmin  St.  ]\fartin).  Diese 
betonungsweise  liegt  auch  den  meisten  volkstümlichen  kose- 
formen  zu  gründe:  lij^,  le/ma,  n^asa,  hids  Philipp,  Magdalena, 
Agnes,  Matthias,  u.s.w.  Als  vornamen  verwendet  haben  sie 
den  accent  auf  der  ersten  silbe:  whan,  fdip,  mihi,  urtvan,  ödom 
(Adam).  Es  scheinen  hier  rhythmische  gründe  ausschlaggebend 
gewesen  zu  sein,  vgl.  sg^kx  tniheal,  aber  'Michael  Köfler'. 

b)  Offenbar  der  Schriftsprache  entlehnt  sind  hm  ende  leben- 
dig (neben  eclit  mundartlichem  löbmte),  freln  forelle  (in  nachbar- 
dialekten  findet  sich  nocli  forhti  =  mhd.  vorhen),  faidcntsn 
faulenzen.  Etymologisch  dunkel  straicdntsn  herumschlendern, 
slmvduhr  weiberrock. 

\'on  Zusammensetzungen  mit  accent  auf  dem  zweiten 
b(^st  and  teil  wären  zu  erwähnen  die  ui'spr.  adjectivischen  Ver- 
bindungen mdt()(j  mittag,  müruQxt  mitternacht,  saurgnipfr  Sauer- 
ampfer; Zeitbestimmungen  wie  oastrmonte  Ostermontag,  khgr- 
frckitii  karfreitag,  gntbspfi nieste  gründonnerstag  (mhd.  ''aniläz- 
pjinztuc),  /ihirhm^nte  montag  nach  dem  kirchtag. 


§  47  MUNDART    VON   PERNEGG.  51 

Ferner  firsfjrisoffnvsWn^diof.  crishcrtsog  erzherzog',  rauwr- 
huupmQU  räuberliauptuianii,  polcsire  (neben  })()ksire)  naseweis 
{'^büg-schirec  streit-,  prahlsücbtig),  groasmexte,  longmexte  gross-, 
langmäcbtig. 

Composita  mit  negierendem  un-  (ma.  um-)  baben  durdnveg 
den  ton  auf  diesem:  ümmigla  unmöglicb,  ümfräqant  unverdient, 
ümgrte  unartig.  Eine  ausnabme  bilden  dnäonlcst  {mXi^.undanTxCS, 
s.  §  122  b)  und  dnlcha'it  (s.  §  34). 

Bei  zablwörtern  von  20 — 100  bort  man  neben  der  regel- 
mässigen betonung  tswädgxtsJc  82  u.  s.  w.  zuweilen  auch  tstca- 
(Igxtsl-,  doch  nur  ganz  ausnahmsweise.  Bei  Zusammensetzungen 
mit  -kiindrt  und  -iausnt  wechselt  der  accent  je  nach  ihrer 
syntaktischen  Verwendung.  Es  heisst  gewöhnlich  tstvalnmdrt, 
tsivatdusnt,  dagegen  in  attributiver  Stellung  tsicdhundrt,  tsivd- 
täusnt  guldn  200,  2000  gülden. 

Zu  Verbindungen  wie  mar-grogr  Meier-Gregor,  vgl.  §  122  c,  a. 

c)  Eine  ausnahmestellung  nehmen  zum  teil  die  zusammen- 
gesetzten Ortsnamen  ein: 

a)  Den  accent  auf  dem  bestimmungswort  haben  stets  die 
composita  mit  -herg,  -lach,  -dorf,  -fehl,  -hof,  -iveg:  Mmhliverg 
Himmelberg,  JchÖstm2)(rg  Köstenherg,  «n^/rjJOT/ Unterberg,  ösdx- 
pcrg  Ossiachberg;  —  ivceismpox  Weissenbach;  —  ^ö^nc/cv/ Satten- 
dorf, j)/o/)if/o>/Pfaffendorf,  ««7t?c7o,'/]\Iicheldorf;  —  Öbmfclt  Eben- 
feld, 67cp//(?2/6'?/ Schleichenfeld,  zrfe/fji.s'/HnVeitensfeld;  — söntlwf 
Sandhof;  —  rcnuög  Rennweg.  Ebenso  die  mit  -bürg  zusammen- 
gesetzten: möswurg  Moosburg,  plckmurg  Bleiburg  (die  einzige 
mir  bekannte  ausnähme  ist  Iharmpihg  Karnburg  [''Karanta- 
burc]).  P'erner  solche  auf  -bühel,  -graben,  -iruitcn,  -bodcn: 
(nnmdspild  Ameisbichl,  grütsgrQbm  Grilzgraben,  mceitrQtn  Mai- 
tratten, kkunpodn  Schaumboden;  vgl.  auch  püosadn  l^ucli- 
scheiden,  pälrggsu  Patergassen.  Desgleichen  die  Zusammen- 
setzungen mit  ober-  und  unter-,  z.b.  öwrtsern,  üntrtsern  (-Tschern). 

Dagegen  ruht  der  accent  in  Ortsnamen  auf  -cclc,  -stein,  -tal, 
-tiiyn;  —  -liofcn,  -Ic'nclicn,  -liausen,  -statten,  -eben,  -ivässcrn, 
-brächen  stets  auf  dem  grundwort  (die  meisten  sind  urspr. 
genetiv-  oder  adjectivverbindungen).  Vgl.  ghcohx  Albeck,  liga- 
höhx  Hochegg;  —  wtrastdn  Dietrichstein,  grUtan  Arnoldstein, 
rgatnstän  Rotten-  (besser  Roten-)  stein;  —  6'r»/o/ Ehrenthal; 
—    rgatntnrn  Rotcntnrn.    fra'hntnrn  Fr«nentuni:     —    stglhöfn 


52  LES8IAK  §  48.  49 

Stallliofen,  (ßanlwfn  Glanliofen,  Jchrantslköfn  Kranzelliofen,  oli- 
liöfn  Althofen;  —  feWiirhn  Feldkirchen,  tsivavhhirhn  Zwei- 
kirclieii;  —  crnhdusn  Ehreuhaiisen;  —  pitsJstotn  Pitzelstätteii; 
?/aj7c>6?;?Liecliteben;  —  tswis{n)icasyn  Zwisclieiiwässern,  u.s.w. 
Hierlier  geliören  ferner  die  dreisilbigen  auf  -au,  z.  b.  rmi- 
liDnau  Eeiclienaii;  vgl.  dagegen  tvolfa  Wolfau,  gneasa  Gnesau. 
Weiter  geuetivverbindimgen :  fridldx  Friedlacli  (urk.  Fridelos- 
ciche),  jjer««a'Peniach  ('Bäreneiclie');  ?/3&«/e7.s  Liebenfels,  lonts- 
Jihr gan  L^ndskroii;  etj'mologisch  dunkel  ist  l-Jdogufiirt  K\sigen- 
furt.  Adjectiv Verbindungen:  hrFtliulstot  Reiligenstsitt  (fälschlich 
'Heiliges  gestade'),  pqasnJolckn  Büsenlacken,  p^asnökhi)  Pess- 
neggen  (eigentl.  Bösenecken),  Igugölhr  Langacker,  mitewölt 
Mittewald,  gltnmörlcx  Altenmarkt  u.  a. 

Aum.  Sonst  kommt  eine  abnormale  accentuieruug-  nur  in  der  ma. 
(liclitung  vor,  bedingt  durch  den  zwang-  des  rhythmus;  vgl.  etwa  lidhm 
h'jhm  —  oicr  hamla  hamlä  —  hei  a  liumhne  Jiaw  is  shs  —  namla  iimiüü 
(lieben,  lieben  — ,  aber  heimlich,  heimlicli,  nur  eine  heimliche  liebe  ist  süss, 
—  freilich  freilich!).     Besonders  reich  daran  sind  die  kinderreime. 

§  48.  Satzaccent. 
AVas  den  satzaccent  anbelangt,  so  stimmt  die  ma.  in  den 
grundzügen  mit  der  accentuierungsweise  der  Schriftsprache 
überein.  Von  einer  speciellen  erörterung  der  einzelnen  ab- 
weichungen  sehe  ich  vorderhand  ab,  da  sie  in  allzu  enger 
beziehung  zur  syntax  stehen.  Ln  übrigen  verweise  ich  auf 
den  folgenden  abschnitt. 

2)  Tonischer  accent, 
§49. 
Ich  beschränke  mich  in  diesen  ausführungen  darauf,  die 
richtung  dei-  tonbewegung  im  allgemeinen  anzudeuten.  L^gend- 
welche  absoluten  angaben  über  tonhöhen  zu  machen,  bin  ich 
in  folge  mangelhafter  musikalischer  Vorbildung  nicht  in  der 
läge.  Eine  genauere  darstellung  einzelner  tatsachen,  wie  die 
tonlage  einzelner  Wortklassen,  casus  u.  s.  w.  behalte  ich  mir  für 
später  vor,  da  sie  bei  den  verwickelten  Verhältnissen  der  ma. 
tonführung  einen  besonders  schwierigen  gegenständ  der  Unter- 
suchung bilden  und  vor  allem  einen  längeren  aufenthalt  in  der 
heimat  erfordern. 


§  50  MUNDART   VOX   PEKNEGG.  53 

§  50.    Satzaccent. 

Ich  beginne  mit  dem  satzaccent.  Die  ma.  kennt  zwei 
arten  der  'intonation'. ')  Icli  will  sie  als  fallende  (I)  und 
steigende  (II)  einander  gegenüber  stellen.  Für  die  erste  ist 
es  charakterist iscli,  dass  im  gewöhnlichen  aussagesatz  alle 
starken  silben  zugleich  hochtonig,  alle  schwachen  tieftonig 
sind.  Die  zweite  steht  dazu  in  gerade  umgekehrtem  Ver- 
hältnis: die  starken  silben  sind  tief,  die  schwachen  hoch. 

Die  angaben  Schiepeks  (Der  satzbau  der  Egerländer  ma. 
§  4  ff.)  über  die  musikalische  betonung  seiner  ma.  lassen,  wenn 
ich  mich  nicht  täusche,  auf  eine  ähnliche  doppelheit  der  ton- 
bewegung  schliessen.  Jedenfalls  dürfte  sie  weit  über  unsere 
ma.  grenzen  hinausreichen.  Die  Verteilung  der  beiden  Systeme 
beruht  auf  dem  gefühlscharakter  des  gesagten  bez.  der  ver- 
schiedenen gemütsstimmung  des  sprechenden. 

Intonation  I.  durchweg  die  gewöhnlichere,  herscht  sowol 
in  der  ruhigen  affeclloseu  mitteilung,  als  auch  beim  berichte 
interessanter  begebenheiten,  im  befehl,  in  energischer  selbst- 
beAvusster  rede,  und  dient  ferner  zum  ausdruck  einer  besonders 
freudigen  oder  ärgerlichen  Überraschung  (Verwunderung). 

Intonation  II  (verhältnismässig  seltener)  wird  gebraucht 
zum  ausdruck  der  gleichgiltigkeit,  resignation,  Verzweiflung, 
des  klagens,  bedauerns,  des  wolmeinenden  väterlichen  rates, 
milden  tadeis  und  massiger  Verwunderung.  Sie  wird  weiter 
häufig  angewendet  in  der  objectiven  erzählung  (märchen,  sage), 
bei  gleichgiltiger  widerholung  der  rede  eines  dritten,  in  pathe- 
tisch gefärbter,  würdevoller  rede  (feierlicher  anspräche),  in 
der  zurückhaltenden  redeweise  mit  höher  stehenden  personen. 

Das  tempo  ist  hier  weniger  rasch,  die  intervalle  kleiner, 
die  gesammttonlage  tiefer. 

Im  allgemeinen  lässt  sich  sagen:  je  subjectiver  die  rede, 
desto  mehr  wird  die  erste  art  der  intonation  bevorzugt,  je 
ubjectiver,  desto  mehr  neigt  man  zur  zweiten.  Es  ist  klar, 
dass  sich  öfter  kreuzungen  ergeben,  dass  man  während  eines 
gesprächs  plötzlich  umspringt  u.s.w.  Die  Vorliebe  für  die 
mehr  oder  minder  häufige  Verwendung  der  einen  oder  andern 

•)  Vgl.  E.  Sievers,  Ueber  sprachmelodisches  in  der  deutschen  diclituiig. 
Leipziger  rectoratsrede  1901. 


54  LESSIAK  §  50 

art  liängt  vielfach  yon  der  persönlichen  Veranlagung  (dem 
teniperament)  der  individuen  ab.  Weiber  bedienen  sich  der 
Intonation  II  durchschnittlich  wol  liäufiger  als  männer,  und 
ausserhalb  der  ma.  wird  sie  in  der  etwas  abgetönten  con- 
versationssprache  besserer  kreise  in  sehr  ausgedehntem  masse 
angewendet.  Bei  sinngemässem  nicht  pointierten  vorlesen  habe 
ich  sie  in  unseren  gegenden  recht  häufig  beobachten  können. 

Das  gesagte  mögen  die  folgenden  beispiele  verdeutlichen 
(die  hochtoustelle  ist  mit  hochgestelltem,  die  tief  tonstelle  mit 
tiefgestelltem  punkt  vor  dem  betr.  wort  bezeichnet), 

/  'Was  nit  iconr  ivet  Mwm{.m)  \.  Entschieden  und  be- 
stimmt: 'ich  weiss  nicht,  wann  er  kommen  wird'.  Dagegen 
i  Acas  nit  ivgnr  ivet  l-]iöm{9n)  y,  unsicher,  zweifelhaft,  etwa 
*'ich  weiss  nichts  bestimmtes,  wann  er  wol  kommen  wird',  oder 
mit  dem  nebengedanken  'wie  soll  ich  es  denn  wissen,  was  geht 
das  mich  an?'  Auf  die  frage  'was  hast  du  gemacht?'  erfolgt 
entweder  die  bestimmte  antwort  mit  hochtoniger  Starktonsilbe, 
z.  b.  'pcmüan  lion  i  ceinlcsötst  "^  'bäumchen  hab'  ich  ein- 
gesetzt' oder  die  mehr  indifferente  .pamlan  hon  i  winlcsötst  / , 
etwa  'nun,  was  soll  ich  denn  gemacht  haben,  bäumchen  hab' 
ich  halt  eingesetzt'. 

lud  nr  'dg  plceibm  /\  'bleibe  nur  hier',  gewöhnliche  auf- 
forderung;  ho  nr  .dg  plceibm  y,  sanft,  liebevoll  ermahnend, 
bittend,  besänftigend.  Barsch,  gereizt  heisst  es  i  g^a  'hani  x, 
dn  (jgntsn  ghmp  l<el  'spiln  v,  dos  'mgg  i  nit  f\,  'ich  gehe 
Iheim,  den  ganzen  abend  bloss  spielen,  das  mag  ich  nicht'. 
Dagegen  misgelaunt,  verdriesslich  /  (jqa  .ham  "^j  du  gontsn 
ghwj)  la-l  .spiln  f\,  dos  .mgg  i  nit   '\ 

\. 

Den  plötzlichen  Übergang  aus  der  einen  tonführung  in  die 
andere  zeigt  folgendes  beispiel:  is  is  tvol  'rixte  a  Jchneits  af  dr 
ivclt  —  mon  ivas  sgn  'n^anir,  tvgs  mdn  soll  'gnhöhm:  .de/ins- 
2)0 tn  sint  glivmil  ivqanigr,  s  Jräd  hglchan  wert  mer  —  ig  ivohm 
ivcmr  den  'UiötU  on  gotsngm  mitr  tvml?  'es  ist  wol  wirklicli 
ein  kreuz  auf  der  weit,  man  weiss  schon  nimmer,  was  man 
anfangen  sollte:  dienstboten  sind  alleweil  weniger,  das  ge- 
treide  hat  keinen  wert  mehr,  ja  wohin  werden  wir  um  gottes 
willen  mit  der  zeit  kommen?' 


§  50  MUNDAKT   VON   PERNEGG.  55 

Die  tonbewegimg  der  sechs  Sätze  ist  folgende: 

1)    /x         2  und  3)  A.        4)       .  5)       .        6)     a 

\  A  /         ■        ./  \  . 

1.  2.  3  und  6  haben  fallende,  4  und  5  steig:ende  tonbeweg'ung. 
In  jenen  kommt  die  subjective  erregung  (ärger)  zum  ausdruck. 
diese  bilden  sozusagen  eine  art  parenthese,  eine  einfache  hin- 
deutung auf  eine  feststehende  tatsache.  Die  Sprechweise  ist 
hier  verhältnismässig  langsamer. 

Die  umkehruug  stimmt  ziemlich  genau  bis  auf  den  völligen 
schluss  eines  satzes  bez.  zusammenhängenden  Satzgefüges.  Hier 
kennt  die  ma.  von  der  letzten  starktonsilbe  ab  in  der  regel 
nur  fallenden  accent. 

Die  grosse  des  Intervalls  hängt  ab  vom  affect  der  rede. 
Je  stärker  der  exspiratorische  accent  der  einzelnen  silbe,  desto 
mehr  unterscheidet  sie  sich  in  der  tonlage  von  der  Umgebung. 
Vgl.  das  aufgeregt  gesprochene  g(^ats  'häm,  dö  'kJno  is  hin  ivgr» 

'^\^-    Dagegen  einfach  aussagend  du  'klina  is  mr  hin  tcorn 

^^-"--^    'geht  heim,  die  kuh  ist  verendet!'  —  'Die  kuh  ist 
uiir  verendet.' 

Fragesätze  haben  im  allgemeinen  dieselbe  richtung  der 
tonbewegung  wie  aussagesätze,  sie  unterscheiden  sich  von 
ihnen  nur  durch  die  Verschiedenheit  der  Intervalle. 

Im  fragesatz  ohne  fragewort  wird  die  mit  nachdruck  ver- 
sehene silbe  stark  in  die  höhe  getrieben  (was  ich  durch  hoch- 
gestelltes ■■  bezeichne),  die  vorausgehenden  silben  (wörter) 
habeu  eine  relativ  etwas  tiefere  tonlage  als  im  aussagesatz, 
die  nachfolgenden  eine  relativ  höhere.  Beim  fragesatz  mit 
fragewort  ist,  vorausgesetzt  dass  dieses  selbst  unbetont  bleibt, 
die  tonlage  der  starktonsilbe  nur  wenig  höher  als  im  aussage- 
satze.  In  ungefähr  demselben  Verhältnis  werden  die  voraus- 
gehenden und  nachfolgenden  silben  gehoben.  Die  Intervalle 
sind  also  hier  verhältnismässig  am  kleinsten;  z.  b.  er  g^at  •  fuH 
er  geht  fort;  g^atr  "furi  geht  er  fort?  tvcr  y^atn  -fürt  wer 
geht  denn  fort?  •ncr  (je^ut  fiirt  wer  geht  fort?  er  wet  -ham- 
<je,an  er  wird  heimgehn;  ivetr  " hamgean  wird  er  heimgehn? 
wer  ivetn  •hamgean  wer  wird  denn  heimgehn?  •icer  tcet  ham- 
gean wer  wird  heimgehn?    Der  zuletzt  angeführte  fall  (frage- 


■V 


56  T.ESSIAK  §  51 

satz  mit  betontem  fragewort)  unterscheidet  sich  gar  nicht  von 
einem  gewöhnlichen  aussagesatze  mit  betonter  silbe  an  ent- 
sprechender stelle.  Die  antwort  "iiqamp  ivct  hamgqan  'niemand 
Avird  heimgehn',  hat  nicht  nur  dieselbe  richtung  der  tonbewe- 
gung,  sondern  auch  die  tonlagen  der  einzelnen  silben  entsprechen 
sich  vollkommen. 

Intonation  11  ist  in  fragesätzen  ihrem  Charakter  entspre- 
chend, da  sie  ja  das  subjective  interesse  besonders  in  anspruch 
nehmen,  recht  selten.  In  einer  rede,  die  im  allgemeinen  mit 
steigender  tonbewegung  gesprochen  wird,  springen  die  frage- 
sätze  regelmässig  um.  Doch  vergleiche  etwa  das  gedehnte  bieder- 
männisch-gemütliche 7i{>  wio  .geats  ^  'na,  wie  geht's?',  neben 
dem  gewöhnlichen,  in  fröhlicher  laune  mit  einer  gewissen  Zu- 
versicht auf  eine  bejahende  antwort  gesprochenen  no  wio  'g^ats 
/,  das  bittende,  fast  betrübt  klingende  g^ast  öppr  son  Jiäm 
\^  'gehst  du  etwa  schon  heim?  (ach  bleibe  noch  ein  wenig, 
es  ist  ja  noch  zeit  u.s.  w.)'  bez.  werst  öpin- son  Juimgean 
mit  steigendem  wortaccent  in  hämge^an,  vgl.  dazu  unten. 

Es  ist  natürlich  eine  ausserordentlich  schwierige  sache, 
die  Stimmungsverhältnisse,  welche  die  einzelnen  formen  der 
tonischen  accentuierungsweise  bedingen,  durch  blosse  Schlag- 
wörter richtig  zu  beleuchten.  Eine  häufung  isolierter  beispiele 
würde  die  Verhältnisse  wol  kaum  verständlicher  machen.  Am 
besten  wäre  es  vielleicht,  sie  an  einem  längeren  Zwiegespräch, 
das  mit  einer  reihe  von  glossen  und  hilfszeichen  versehen  werden 
müsste,  näher  zu  erörtern,  was  jedoch  über  den  rahmen  dieses 
aufsatzes  hinausgienge. 

§  51.  Tonischer  wort-  und  silbenaccent. 
Im  isolierten  wort  fallen  unter  normalen  bedingungen 
stark-  und  hochton,  neben-  (schwach-)  und  tiefton  zusammen. 
Also  Säle  schälchen,  mit  hochton  auf  der  ersten,  tief  ton  auf 
der  zweiten  silbe.  Die  tonhöhe  der  nebensilben  richtet  sich 
nach  dem  gewicht  der  einzelnen  silbe.  Je  grösser  ihre  dyna- 
mische stärke,  desto  höher  die  tonlage.  In  göta  patin,  ist  das 
Intervall  zwischen  den  tonhöhen  der  beiden  silben  bedeutend 
grösser  als  etwa  in  saudinj  saumagd:  hier  ist  die  zweite  silbe 
nicht  nur  exspiratorisch,  sondern  auch  musikalisch  nur  wenig 
von  der  ei'Sten  veisdiieden.     In  nebensill)en,  die  ich  als  'mittel- 


§  51  MUNDART    VON    PERNKGG.  57 

stark'  bezeichnet  habe,  tritt  unter  den  obgenaunten  umständen 
regelmässig-  tonumstellung  ein;  z.  b.  tver  is  drmisn?  antwort: 
(da)  saudiru  ^,  (dr)  pri^ftrögr  h  mit  tiefton  auf  sau-,  priof- 
und  hochton  auf  -din);  -trö-.  Der  sinn  ist  etvra:  'wer  sollte 
es  anders  sein!,  was  fragst  du  denn?'  (vgl.  auch  das  obige 
hämg^an  /).  Dagegen  herscht  bei  einfacher  angäbe,  ohne 
irgendwelchen  nebengedanken  fallender  accent.  Bei  Wörtern 
mit  schwächeren  nebensilben  kommt  eine  solche  umlegung  in 
der  regel  nicht  "\'or.  Auf  dieselbe  frage  antwortet  man  unter 
gleichen  bedingungen  etwa:  dr  fofr  mit  fallendem  wortaccent. 
Allerdings  besteht  auch  hier  ein  unterschied  von  der  gewöhn- 
lichen aussage:  die  gesammttonlage  ist  höher,  die  erste  silbe 
wird  etwas  überdehnt,  das  intervall  ist  geringer. 

Nur  rufe  bilden  zum  teil  eine  ausnähme,  vgl.  ßtr  (fotr) 
^  vater!  neben  ßtr  "n,  oder  das  drohende  ncrg  j  (Nero,  hunde- 
name),  mit  griisserem  intervall.  In  diesen  fällen  tritt  zuAveilen 
auch  Verschiebung  des  dj-namischen  accents  ein. 

Die  einsilbigen  fragen,  z.  b.  tcus?  was,  ha?  wie,  was,  du? 
ihi,  so?  so,  g^ast?  gehst  du,  haben  steigend-fallenden  ton  mit 
äusserst  geringem  intervall;  sie  unterscheiden  sich  nur  durch 
eine  höhere  tonlage  von  dem  sonst  gleichartigen  aussagenden 
du,  so,  i^,  nä.  Die  beiden  letzten  werden  daneben  aber  auch 
mit  bloss  steigendem  accent  gesprochen. 

Zweigipfligkeit  verbunden  mit  doppeltonigkeit  dient  zum 
ausdruck  verschiedener  affecte.  Häufig  hftrt  man  doppelt  fallen- 
den ton  zur  bezeichnung  der  Ungeduld  oder  —  bei  grösserem 
intervall  —  der  starken  freudigen  übeiraschung,  z.  b.  irffs  "»v., 
d{)  "-V.  Doppelt  steigend  ist  das  Verwunderung  und  neugier 
ausdrückende  tcos  ^^,  so  ^^.  Fallend -steigend  das  elegische 
io  y,  steigend-fallend  (mit  gi-ossem  intervall)  das  ärgerliche  h 
als  antwort  auf  lästiges  drängen  und  betteln. 

An  111.  Auf  die  toiierhöliuug  bedingt  durch  rein  niechiiuisclic  ursachou 
habe  ich  bereits  in  §21b  hingewiesen. 


58  LESSIAK  §  52.  53 

2.  Teil: 
Geschichtliche   entwickelung  der  laute. 

*    I.  Der  vocalismus  starktoniger  silben. 

A.    Mild,  a,  ä,  ü,  ce. 

§  52.    Mhd.  ä  und  ä  >  ö. 

a)  a  >  o:  mgst  mast,  ^scjts  schätz,  prolcx  mäiiiil.  liimd  (mhd. 
hracl'e),  ggriva  garbe,  Ihrgm  krampf  (mlid.  Jcram),  d{yuldin  danken, 
sf())jga  Stange. 

ß)  a>  g:  swgl  schwall,  strxll  stadel,  fgsn  fassen,  gär  gar, 
wölr  weis  (mhd.  ivaler).  fösl  m.  rasse,  zucht  (mhd.  vasel),  ögn 
flachsspreu  (mhd.  eigene),  spgna  spanne. 

/)  a>f>:  sgm  same,  tglit  doclit  {m\\i\.  iäJd),  mipst  papst, 
l-Jirgpfn  krapfen,  ngxpr  nachbar,  trgm  querbalken  (mhd.  träm). 

d)  ä  >  g:  mgd  mahd,  trgr  wahr,  mos  mass,  ^)/p««;  pfau,  jj?p^r 
blatter.  blase,  mgsl  f.  narbe  (mlid.  mäse),  strgsn  Strasse,  mögu 
mohn  (mhd.  ninge),  rgln  rade  (mhd.  rate),  sjmn  spahn. 

Eine  ausnähme  bilden  sof  m.  schaf ,  une  ohne  (letzteres 
wol  der  schriftspraehe  entlehnt),  zi-n  wo  (mhd.  ivä).  Vgl.  auch 
Kolfgrt  wallfahrt  (anlehnung  an  'wol'?). 

All  111.  Im  gegensatz  zur  Schriftsprache  sind  umlaiitslos:  »(/Zinsfreister 
(mhd.  a(jehier),  orirdsa  erbse  Oiihd.  areiceiz),  golt  gelt  frahd.  fialt),  wodl  wedel 
(mhd.  irruld),  iomnidn  schämen  (mhd.  schämen),  §o?«/^Z schemel  (mhd..s(7irtJHe/), 
t'Ujghi  dengeln,  fßontsii  glänzen,  man  inäline  (mhd.  mane,  man),  und  die 
meisten  ableituugeu  auf  -cvrc,  z.  h.  inuir  Wächter,  Ichmmmr  krämer. 

§  53. 
Der  ^\■andel  des  ä  zu  einem  dumpfern  o-laut,  der  sich  mit 
ausnähme  der  dialekte  der  Sprachinseln  an  der  tiiolisch-italier 
nischen  grenze  heute  über  das  ganze  bair.-österr.  Sprachgebiet 
ei'streckt,  tindet  seinen  reflex  in  der  behandlung  der  fremd- 
wörter.  A\'ir  unterscheiden,  je  nachdem  das  fremde  a  als  g 
oder  a  erscheint,  ZAvei  schichten:  die  erste  ist  aufgenommen, 
als  das  einheimische  u  noch  den  ursprünglichen  oder  wenig- 
stens einen  diesem  nahe  stehenden  lautwert  besass.  Der  fremde 
laut  fiel  also  mit  dem  deutschen  zusammen  und  wui-de  wie 
dieser  zu  g  weiter  entwickelt.  Die  zweite  gruppe  ist  jüngeren 
daturas.    Das  '''a  war  inzwischen  zu  g,  das  *ä  zu  reinem  a 


§  53  MUND  AKT    VON   PEKNEGG.  59 

geworden.  Es  ist  nun  selbstverständlich,  dass  man  jetzt  den 
diesem  qualitativ  gleicliwertig-en  laut  ohne  weiteres  beibehielt. 
Es  dürfte  nicht  unangebracht  erscheinen,  eine  grössere  anzahl 
von  beispielen  für  beide  fälle  anzuführen. 

«)  Fremd  a  >  o:  (iltor  altar,  gibs  atlas  (Seidenstoff),  gtupl 
ampel,  ölefgnt  elefant,  fiotrgl  futteral,  gröla  koralle,  grötn  kleiner 
wagen  (mhd.  gratte),  ggru  karren,  l-ohiids  kalmus,  Igfr  kampfer, 
lihgrnr  beinhaus  (mhd.  Jcanicr),  IhapJgn  kaplan,  Ihrgiiöt  Kroate, 
Jchgntsl  kanzel,  Ihlgr  klar,  Ichgppm  kappe,  lihapröl  korporal, 
Igmpm  lampe,  Igrfn  larve,  niDstrgnisn  monstranz,  mgutl  mantel, 
prgtsn  branke  (rom.  hrasa).  pgp  kleister,  pgppl  pappel,  p)^^'?st 
palast,  pgppDgcei  papagei,  x>lötn  platte,  prclgt  prälat,  pgs  pass, 
porlmt  barchent,  söht  salat,  spggdt  {spgwdf)  spagat,  sgnts  schanze 
(glucks wurf),  5p/)-p)i.  Safran,  fgfntr  taffetapfel,  foJihgfn  ducaten. 
Eigennamen:  gdom  Adam,  fi  gnts  Franz,  iohgns  Jolia.mies,  [glikop 
iipTi')  Jakob,  Ixgspr  Kaspar,  ^)?(7.9e' Blasius,  tdmgs  Thomas,  ivglt- 
hausr  (tcgltdsr)  Balthasar,  urivun  Urban,  fglt{an)  Valentin. 

(3)  Fremd  a  >  a:  ämDu  amen,  arniJcha  arnica,  cdht  act 
(Schriftstück),  äre  arie,  entsian  enzian,  frahx  frack,  fgtdgräf 
photograph,  pUiantsn  'vacanzen',  ferien,  gendml  general,  hulänr 
ulan,  husär  liusar,  intrdsant  interessant,  hspäs  spass,  kJianäre 
kanarienvogel,  Ihanäl  kanal,  kldas  klasse,  Icliapsl  kapsei,  Ichäsa 
kasse,  Ichrauatl  kravatte,  hliatär  katarrh,  Iclirimdnid  criminal, 
TcheUräive  kohlrabi,  lahx  lack,  marJchn  marke,  inasa  masse, 
tmisdlchant  musikant,  mars  marsch,  misdrmd  miserabel,  olMaf 
octave,  präf  brav,  pätr  pater,  pauJcx  {ivauk')  wechselbank, 
päs  f.  lauer,  j^äsn  passen,  hglpart  halbpart,  plan  plan,  pasUi 
pasta,  x)raMdds  praktisch,  pranis  h\'a\\c\\Q,  rantse  vawvA^,  reträt 
retirade  (abort),  rätn  rate,  rawiät  rabiat,  remätos  rheumatisch, 
sankhius  sanctus,  .säl  shawl,  Srimlarm  gendarm,  tcdsn  'fasse', 
Untersatz  (it.  tazza),  tcdcs  faxe,  fmkka  tschako,  iunt  tante,  töätr 
theater,  uäl  ball  (tanz),  icanda  bände,  wähn  verächtl.  weib 
(wind.  haha).  Hierher  gehfiren  ferner  alle  subst.  auf  -age: 
pakas  bagage  (gesindel),  karüs  courage,  moias  menage,  marm.s 
mariage  (spiel),  fiidträs  fourage  (mit  anlehnung  an  'futter'). 
Eigennamen:  ndne  Anna,  maks  Max.  marks  Marcus,  ivariva 
Barbara  u.s.w. 

Anm.  Wenn  auth  in  einigen  sicher  jüngeren  fremdwörteru  wie  z.  lt. 
kliglfgkhtr  kalfakter,  Iceiin^nt  leutenaut.  o  erscheint,  so  ist  dies  wol  darauf 


60  LESSTAK  §  54 

zni-ückzuführeu.  dass  leute  aus  höheren  gesellschaftskreiseii,  also  die  eigent- 
lichen Termittier  dieses  fremden  Wortschatzes,  die  mit  der  ma.  nicht  völlig 
vertraut  sind,  analogisch  auch  das  o  der  fremdwörter  vielfach  als  ä  sprechen, 
wenn  sie  sich  der  ma.  zu  bedienen  suchen  (auch  der  einfluss  der  schrift  ist 
hierbei  niclit  zu  übersehen).  So  erklärt  sich  z.  b.  der  gegensatz  zwischen 
städtisch  igicöl-Ji  tabak,  und  raa.  imvalw.  Die  a-form  ist  entschieden  die  ältere. 

Eine  älniliclie  doppellieit  zeigen  die  lelmwin'ter  im  wind, 
in  der  behandlung  des  deutschen  ä.  Die  ältere  gruppe  hat 
durchgehends  reines  a.  Die  beispiele  sind  sehr  zahlreich,  vgl. 
etwa  hTihn  'kragen',  hals,  imddr  bader,  stäud  stall,  ärtsdt 
arzt,  späratd  sparen,  tsäliaib  zagen;  —  jp«ra  bahre,  jwato  braten, 
hnäda  gnade,  (sonnen-)  Untergang,  rätat9  raten.  Die  jüngeren 
haben  o,  z.  b.  j;ona  bahn,  /«/o.' glattweg,  &(M-fa/<3  warten  (pflegen), 
sQrf  scharf.  Da  die  Slowenen  offenes  <j  besassen  (vgl.  mhd.  ö 
>  wind,  g,  §  64,  anm.  2),  so  wäre  es  nicht  erklärlich,  wie  sie 
dazu  kamen,  a  zu  substituieren,  wenn  der  deutsche  laut  zur 
zeit  der  entlehnung  der  ersten  schiclit  dem  reinen  a  nicht  sehr 
nahe  gestanden  wäre. 

§  54.    Mhd.  (obd.)  ü  und  ce  >  ä. 

1)  Der  secundäre  umlaut  des  kurzen  a  erscheint:  a)  vor 
germ.  h  +  cons.  Qih,lit,lis)\  //«/iHiechel,  naxtn  nkohiow  (gestern 
abend),  praxtn  grosssprechen  (mhd.  hrähten),  gmaxt  n.  gemächt 
(glied),  pslaxt  n.  beschlag,  pfaxtn  eine  stute  probieren  (mhd. 
2> fällten),  haksn  (haJis)  m.  bein  (mhd.  Iiähse),  aks  achse  (mhd. 
äkse),  ]}ra]is  m.  brasse  (alid.  hrahsia,  hralisina),  täsn  (neben 
taJcsn)  pl.  nadelholzäste  (mhd.  dähscn),  dazu  cjddalis  buschwerk, 
icas  (neben  ivalis,  mhd.  wchse)  schneidig.  Etymologisch  dunkel 
sind  prulcsn  f.  kleinere  hacke,  auch  gewehr  (vgl.  BWb.  1,  344, 
vielleicht  zu  'brechen'),  Ichrahsn  f.  gesteil  zum  tragen  auf  dem 
rücken,  hosenträger  (mhd.  Jcrähse),  dazu  wol  JchraMn  klettern. . 

In  den  folgenden  fällen  kann  secundärer  umlaut  auch  aus 
anderen  gründen  eingetreten  sein  (vgl.  dazu  unten):  g92)äx  ge- 
bäck,  gmäx  schlechte  oder  unnütze  arbeit  (*gamahM),  glaxtr  ge- 
lächter,  givahs  gewächs;  /j^'wmAe' schmackhaft  (mhd.  '^gesmächic), 
iivrnaxte  übernächtig,  iwlcslaxte  ungeschlacht,  tgridrslaxte  vom 
blitze  getroffen,  glceixtraxte  gleiche  tracht  habend,  gakslte  in 
hemdärmeln  oder  mit  umgehängtem  rocke,  'geachseltig',  slaxt'm 
schlachten  (mhd.  sichtigen),  x^dmälila  allmählich  (^'bemächlich), 
waxtl  m.  wedel,  tvaxtln  fächeln  (vgl.  BWb.  2, 833),  naxt  nachte, 


§  54  MUNDART   VON   PERNEGG.  Gl 

flaJcsn  pl.  zu  fgls  fleclise,  das  Kluge  fälschlich  als  fremd  wort 
erklärt  (lat.  flcxus),  vgl.  L)A\'b.  unter  'flachsader'. 

Anm.  Priniäreii  umhiiit  haben  hö.rt  beeilt,  swöhot  schwäche,  swöhr 
schwächer,  ebenso  vor  einfachem  h:  ö/ir  ähre  (daneben  auffallend  e/t?');  «t-ö/;/ 
tischtuch  (ahd.  (hrehüa).  Merkwürdig  ist  hhh-ld  drehbarer  türriegel,  neben 
khlähl  vierschrötiger  mensch  (mhd.  Idcchel,  Idachd;  vgl.  ß'W'b.  1,132;J).  /u 
itrMext  pocke,  s.  §  75,  anm.  2. 

b)  Vor  r  +  consonant:  harira  herbe,  arhm  klammer  zum 
befestigen  des  bogenschlosses  (mhd.  '^näncc,  vgl.  BWb.  1, 1756), 
ivarmon  wärmen  (dag.  u'irmdn  wärme,  iv-irnir  wärmer),  sivarnidn 
schwärmen,  jiarndn  in  der  scheune  die  garben  aufschichten  (zu 
pQrn  banse,  mhd.  harn),  pffu-Dx  pferch  (mhd.  pferrkh),  drhäru 
aushalten  (vgl.  BM'b.  1, 1147  harren,  harren),  siär  starr  (BWb. 
2,  775,  mhd.  starre),  tsäru  zerren,  üarstiibm  dörrstube  (dag.  dirv 
dörren,  mhd.  derren),  harpfn  harfe,  stangenhütte  auf  feldern 
zum  aufhängen  von  garben,  liliarpfn  karpfen  (BW  b.  1, 1295  Mrpf, 
also  auch  umlaut),  hartn  kunnner,  wehmut  (dag.  hirtn  härte, 
vgl.  auch  hQrt,  comp,  liartr  schwierig,  dag.  liirt  hart,  mhd. 
herte),  dnvartn  reflexiv  schmerzen  bekommen,  besonders  vom 
Seitenstechen  {s.\id.  inccrfen),  partsn  sich  recken  (BWb.  1,284; 
A&zu.  portsQx  Jungholz).  Ferner  nüros  närrisch,  tsartds  'zärtisch', 
zimperlich,  'kkiriv  n.  aus  blättchenweise  geschnittenem,  ge- 
kochtem obst  bestehendes  futter  (zu  mhd.  scharhen),  farwin 
färbein  (dag.  firbm  färben),  sivarüiu  das  erste  oder  letzte  vom 
stamme  gesägte,  auf  der  einen  seite  mit  rinde  versehene  brett 
(zu  'schwarte'),  arliu  pflugschar  (zu  grl  ein  leichterer  pflüg 
besonderer  art),  garliu  karren  =  ggru.  Die  letzterwähnten 
lassen  sich  ebensogut  unter  die  folgenden  abschnitte  einreihen. 

c)  Vor  l  +  consonant:  u-üIjs  \\ähdi  (mhd.  ivälhiscli),  hcds 
halse,  pcd(j  bälge,  untrhaltla  unterhaltend  (das  oben  gesagte 
gilt  auch  von  diesen  beispielen). 

d)  Wenn  das  i  der  dritten  silbe  angehörte:  arM  erz  (ahd. 
aruzzi),  iagr  Jäger,  khränawöt  wachholder  (ahd.  kranaivitu;  dag. 
lihrgnapir  wachliolderbeere,  mhd.  *kraneher),  tsähr  m.  zähre 
(mhd.  zäher;  der  umlaut  stammt  aus  dem  pl.);  vielleicht  gehört 
hierher  auch  hägr  (neben  luujrla)  hager  (ja-stamm?)') 

')  Nach  Kluge,  ^^'b.  wäre  das  wort  ud.,  es  ist  aber  (vgl.  BWb.  1, 10G8. 
KWb.  130)  in  den  bair.-österr.  ma.  mit  verschiedenen  ableituugen  stark  ver- 
breitet. Avährend  es  das  'höfische'  nicht  kennt. 


&2  LESSIAK  §  54 

e)  in  neutralen  collectivbildungen  auf  *-/:  (pc/ätr  gitter, 
khräfl  wertloses  zeug  (zu  'raffen'),  Ihalx  'geliäck',  häcksel, 
gddräs  gesell wätz  (zu  'dreschen'),  gnalcx  genick  (zu  'nacken'), 
gdtrats  geplauder  (zu  trgfsn),  giväs  'gewäsclie',  patsch wetter, 
l-sats  ansehen,  bewertung  (zu  'schätzen'). 

f)  In  einigen  ableitungen  auf  -ig:  säte  schattig,  släme 
schlammig,  ixjsluifte  boshaft,  saumscde  saumselig,  aste  ästig, 
guhhaue  zudringlich  {^'angehähig,  zu  'haben'),  dfle  eiterig  (zu 
öjl,  mhd.  (7/H  eiter),  -/«Ae  '-fächig'  (t7r(c«/a/ie' dreifach  u.s.  w.), 
t  lähmte  trächtig  {^^  trügend  ig).     \g\.  auch  auJcstiu  ängstigen; 

auf  ^-Ikh:  ädla  mit  besonderem,  aber  ansprechendem  be- 
nehmen (mhd.  ädelUch),  mntla  schändlich,  namla  (adv.)  in  der 
tat,  sehr  (mhd.  nämeVicli),  tverxtägla  werktägig; 

auf  -iscli:  taiipds  täppisch,  ollcfatros  altvaterisch  i^'altgevä- 
terisch); 

auf  *-m:  stälddii  stählern  (mhd.  stähelin),  liätvrDn  habern 
(mhd.  hüberin); 

im  masc.  auf  -ing:  dräliu  klotz  (zu  dr(d  drall),  ämrliv  ammer 
(vogel); 

in  einigen  masc.  auf  d  (*-ü7?):  Jtcddd  haken,  pargl  ferkel 
(mhd.  larc\  tamp^l  Sauerteig  (zu  'dampf'),  liäivl  henkel  (zu 
mhd.  habe),  khrcäsl  reisigbündel  zum  abkratzen,  tväsl  (stroh)- 
büschel  zum  abwaschen,  slauJd  Schlingel,  Idiampl  kämm,  auch 
starker,  pfiffiger  bursche  (vgl.BWb.  1, 1251),  laldd  grosser,  etwas 
plumper  mensch; 

in  einigen  fem.  auf  -in:  artstin  ärztin,  Ispänin  genossin 
{zwrlcsiiijn,  mhd.  gespan),  sicägrin  {sivägdrin)  Schwägerin,  Ifätdrin 
gevatterin,  naxporin  nachbarin; 

in  den  zahlreichen  demin.  auf  -le,  -l:  ^7«.s/e  gläslein,  harnihle 
wiesei  (mhd.  Jicynidin),  nägdlc  nelke,  'nägelein',  mandle  männ- 
lein.  tale  tälchen,  farfjle  mehlklösschen  (zu  mhd.  varvcT),  tsaugl 
kleine  zange,  gwanil  kleidchen  u.s. w.; 

in  einer  reihe  verbaler  ableitungen  auf  d:  tändln  tändeln, 
pantln  'bändeln',  sich  mit  kleinigkeiten  beschäftigen,  mit  jem. 
'anbinden',  nirddn  zu  'machen',  pastin  zu  'hast',  beides  in  der 
bedeutung:  wertlose  arbeit  verrichten,  gartln  im  garten  arbeiten, 
tsartln  zärtlich  tun,  prantln  nach  brand  riechen,  rädln  fahren, 
täfln  täfeln,  winsalddn  einheimsen  (zu  'sack'),  oivldirägln  ab- 
stechen fzu  'klagen'),  sägin  sägen,  snapsln  gerne  schnaps  trinken, 


§  54  MUNDART    VON   PERNEGG,  63 

pldün  blättern,    tauf  sin  tänzeln,    vdnün  in  die  wand  keg-eln, 
pähln  "Wärmen  (zu  2^ohn),  fädln  fädeln  u.  a.  m. 

g)  In  fällen,  wo  sich  ein  *i  erst  secundär  aus  anderen 
vocalen  entwickelte:  gams  m.  gemse  {ohd.  gamii;s),  näivox  ver- 
kehrt, im  handumdrehen  {dAid.  ahuh),  //««rr?^' habicht  {?i\\^.halmli), 
haute  bitter  (ahd.  Jianiag),  (antn  ente,  ahd.  anut),  antrox  ente- 
ricli  (ahd.  antrchlio,  antrahho).  aufm  nachäffen  (ahd.  antarön), 
häsn  glatt  (ahd.  Jiasan),  altn  m.  alant  (ein  fisch;  ahd.  alant, 
ahmt,  vgl.  BWb.  1,  72),  Ihamfn  Kärnten  (urk.  Carantanum, 
später  Carintania;  es  ist  kein  zweifei,  dass  die  zweite  silbe 
urspr.  ein  a  oder  o  hatte,  vgl.  wind,  l-oroskg,  das  zweite  ()  =  ^gn. 
Melleicht  gehört  auch  pfantsl  eine  art  kuchen  (mhd.  pfan.zclte, 
wind,  fäntsüt)  hierher.  Ein  derartiger  secundärer  wandel  neben- 
toniger vocale  zu  i  muss  jedesfalls  vorgekommen  sein.  Wie 
wäre  anders  der  umlaut  in  schriftd.  'körper'  und  ma.  Jiöne 
honig,  zu  erklären? 

h)  In  folgenden  Verben:  mtsn  schätzen,  gntsaj^fn  unzsL^fen, 
gatsn  ätzen,  .stähln  mit  heissem  stahl  erwärmen,  hdilrn  hadern, 
zanken,  iväsru  wässern,  liämrn  hämmern,  afhi  eitern  (vgl.  oben), 
grCuvnon  graben  auswerfen,  tmtsn  necken  (mhd.  tr ätzen),  happrw 
hapern,  gampru  horumhüpfen  (zu  mhd.  gainpcn),  stnmpru  herum- 
treten (vgl. 'stampfen'),  lilinuudu  herumklettern,  -stöbern  (vgl. 
mhd.  Jirammen),  platsn  weinen,  schluchzen  (zu  'platzen'?). 

i)  In  vielen  fällen  ist  es  schwer  zu  entscheiden,  warum 
secundärer  umlaut  eingetreten  ist;  z.  b.  fratn  Waldlichtung  (vgl. 
mhd.  vrde,  vrate  wunde,  ital.  fratta  'hecke',  wol  zum  adj.  vrat 
aufgerieben,  bloss,  dag.  frötn  sich  plagen),  taJcJin  Strohmatte 
(mhd.  täcl-e),  hanfs  handschuh  (vgl.  Schatz  s.  44),  prama  bremse 
(fliege,  mhd.  brcme),  pranisa  angebrannte  speise,  grantnr  unter- 
läge für  fässer  (zu  mhd.  grant),  rappm  räude  (mhd.  rappe). 
Etymologisch  dunkel  siiui  .slats  m.  schlämm,  guraln  anschreien, 
grajit  m.  Unwille  (dazu  graute  verdriesslich),  plakhnou  stinken 
(vgl.  Schweiz.  j>?«^eu  modern,  mM.  j^fac,  -ges  aas),  era« ^6- tüchtig, 
fäsn,  stüsn  stehlen  (beide  scheinen  der  gaunersprache  zu  ent- 
stammen), häsr  'armer  teufel'  (vielleicht  zu  mhd.  heschcn 
schluchzen),  granta  preissei  beere. 

k)  .y-Umlaut  scheint  vorzuliegen  in  masn  masche,  asn  asche 
(äsche,  ein  fisch):   jedoch  gsn,  insu,  flgm  asche,  tasche,  flasche 


64  LESSIAK  §  55 

U.S. w.;   —   r/-umlaut  in  ganstnj  schnelle  bewegungen  machen 
(nihil,  gancistcrn  funken  sprühen). 

1)  a  als  umlantsvocal  erscheint  in  einer  grossen  anzahl 
analogischer  pluralbildungen:  plats  platze,  al;lir  äcker,  taäl  pl. 
zu  tödl  'tadel',  gebrechen,  abmtr  abende  u. s.w.  (vgl.  §  123  ft".). 

2)  Der  umlaut  des  langen  d  {(v)  erscheint  durchweg  als  a: 
IhCis  käse,  .sära  schere,  (/rata  gräte,  Jclirü  krähe,  sähr  Schacher, 
hdrli)  häring,  iarliu  jähriges  tier,  rcdsl  rätsel,  rabx  rettig  (mhd. 
rceticli),  ivädn  f.  Schneeverwehung  (vgl.  alid.  giiväkla),  hfräs 
schlechtes  essen  (mhd.  gevrceze),  Icsambx  gesänie. 

(jüx  jäh,  Icir  leer,  swär  schwer,  lud  glatt  (mhd.  Imle)^  tsax 
zähe,  (ßägu  ansteigend  (zu  ahd.  lägi  steil,  vgl.  Schatz  s.  45), 
Milt  ruliig,  drät  schnell,  gut  (mhd.  drcßte),  tähon  tönern  (ahd. 
'■'täJtm),  iraga  träge,  räx  ranzig,  auch  übersalzen  (mhd.  robhe), 
gräw  grau  (^Ujrceive),  täse  sich  ruhig  verhaltend  (mhd.  dcesic), 
Jcfare  gefährlich  (mhd.  gevcenc),  rälla  massig  (bedäclitig  ab- 
gemessen), knapp  (mhd.  '-^'neUich),  guMiräle  lästig,  zudringlich 
{*angcrcetec),  tvoltäte  wo\t?itig,  tigxläse  nsichläüsig,  gnäde  gnädig, 
X)are  trächtig  (von  Stuten,  mhd.  hcercc),  strCifla  schlecht  (eig. 
•sträflich'),  släfre  scliläfrig,  tsnahst  zunächst,  fneigäive  freigebig. 

sündu  säen,  nmidn  nähen,  mmidn  mähen,  Diärn  schwätzen 
(mhd.  mceren),  dazu  7narl  bes.  gmigrmarl  ^geiger märlein',  erlogene 
erzählung,  harr)  haare  ausraufen  (fahren  lassen),  sträln  kämmen 
(mild,  s( reden),  uunru  jammern,  druhslii  drechseln,  pstütn  be- 
stätigen, frsmähn  verschmähen. 

äs  ässe,  fi-gas{')l)  vergässe,  tat  täte,  praxi  brächte  u.s.w. 
'  Umlaut  durch  -m  (mhd.  4e)  erscheint  in  masxrcBl  'messerei', 
das  messen,  mmdrm  Sämerei  (vgl.  auch  poeidrSei  bäuerei). 

Interessant  ist  gräfndorf  Grafendorf  (urk.  Gravin-,  Greven- 
darf). 

Als  analogiebildungen  sind  zu  betrachten  plöw  (wasch-) 
bläue  (auffallend  ^fe(;9?6' blaumeise,  wtdhtw  plöwjle),  .s^^öYr  später 
(zu  Spot  spät),  nöhna  (neben  nahnu)  nähe. 

§  55. 
Als  Vorstufe  des  heutigen  ma.  a  ist  überoffenes  ä  anzu- 
nehmen, wie  es  noch  die  ma.  einiger  Sprachinseln  (so  Zarz  in 
0))erkrain,  Bladen  und  die  Zalire  in  Friaul,  die  'Siben  Kamaün' 
und  die  angrenzenden  südtirolischen  Sprachinseln)  kennen. 


§  55  MUNDART    VON   PEUNKGG.  65 

p]iiiige  alte  wind,  lelinwörter  haben  den  offenen  e-laiit 
noch  erhalten;  z.  b.  i)r(!htjh  prahlerisch  (ma.  praxte),  drqta 
schusterdraht,  fl^tn  gefällig-,  lustig  (mhd.  vlcetec),  p^tr  (ma.  gd- 
pätr  oberes  Stockwerk  in  der  scheiine;  woher?),  lehr  neben  i«/«r 
Jäger  (vielleicht  auch  öhöhtntsa  aus  *öhnQ]it7itsa  Maria  Verkün- 
digung, zu  mhd.  chennehtc?).  In  der  Stellung  vor  r  und  l  er- 
scheint jedoch  schon  in  den  ältesten  entlehnungen  a,  z.  b. 
skärie  schere  (pl.),  mär  beachtenswert  (mhd.  nuere),  Mlok  selig 
U.S.W.  Der  grund  dürfte  in  den  lautverhältnissen  des  windi- 
schen zu  suchen  sein,  das  einen  entsprechenden  offenen  e-laut 
(aus  *en)  in  dieser  Stellung  wahrscheinlich  nicht  besass. 

Umgekehrt  findet  sich  in  Ortsnamen  slow,  herkunft  a  als 
Vertreter  des  *  wind.  ^,  z.  b.  tswcitndorf  Zwattendorf  (zu  su^t 
heilig),  Ti{li)näsicög  Knasweg  {iviV  "^hiqzeuHie  zu  A-n?*- fürst;  vgl. 
auch  das  steir.  Gnasbach,  urk.  knesaha),  lüdiu  Lading  (aus 
*l§dma),  auch  ?r()Äw(/r>./-/' Wakendorf  (slow.  Vema  ves,  ortsrep.) 
dürfte  hierher  gehören.  Vgl.  noch  ma.  (mts  tand,  wind,  isetsa 
puppe  (zarz.  tsütsc  mädel).  Diese  Verhältnisse  sind  wol  ein 
sicherer  beweis  für  die  obige  annähme.  Wann  allerdings  der 
Übergang  des  «  zu  a  erfolgte,  lässt  sich  nicht  nachweisen:  aus 
den  Urkunden  lässt  sich  gar  nichts  erschliessen.  Schon  in  sehr 
alten  stehen  ä,  e  und  a  neben  einander,  und  dieser  Wirrwarr 
dauert  zum  teil  noch  bis  ins  18.  jh.  hinein  fort.  AVenn  wir 
für  unsere  mundarten  eine  ausspräche  voraussetzen,  wie  sie 
mir  z.b.  aus  der  Sprachinsel  Zarz  bekannt  ist  (ein  überoffenes  ä, 
das  nur  ganz  wenig  weiter  vorn  articuliert  wird  als  das  reine  d), 
wenn  wir  ferner  bedenken,  dass  das  nicht  umgelautete  a  seinem 
ursi)r.  lautwert  zum  mindesten  noch  sehr  nahe  stand,  so  lässt 
sich  die  Unsicherheit  der  älteren  Schreiber  leicht  begreifen.  In 
jüngeren  Zeiträumen  spielt  natürlich  die  traditionelle  Schreibung 
eine  rolle.  Ohne  zweifei  trug  auch  die  Verschiedenheit  der  aus- 
spräche des  lat.-rom.  und  des  einheim.  a  viel  zur  Verwirrung  bei. 

Während  ein  wind,  a,  das  nicht  vor  palatalen  consonanten 
bez.  einem  i  der  folgenden  silbe  stand,  regelmässig  zu  {)  wird 
(vgl.  Ortsnamen  wie  Igs  Laas  [wind,  uäze  für  *la2e],  klgnts  Glanz 
[wind.  */.?a»Y.s'  bez.  klmicts],  strön  Stron  [wind.*.s7rrt»],  plös  Plass 
[wind.  *2^laz],  sakopi^r  [wind.  skopa.r\  yli^n  Glan  [wind.  Jiudna 
fnr  *glana]  kelt.  urspr.]  u.s.w.),  bleibt  es,  wenn  die  obigen  be- 
dingungen  vorhanden  sind,  erhalten;  z.b.  rädivög'Ra.ö.weg  (wind. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXVIII.  5 


^iO  LESSIAK  §  56 

radöijtsc  für  *radouil-c),  (jrädne  GY?idie\\egg  (für  ""gradnilie),  präse 
Prascliig (für '^praS[_n]ike),  j]atndtsY\2iiim.tL  (für *blat)iitsa),  flatsdx 
Flatschach  (für  *hlatsax  <  Natjax)  u.  a.  Daher  auch  grats  Graz 
(für  "^(/radld  bez.  loc.  gradlcc). 

]\raii  kann  sich  diesen  unterschied  nur  dann  erklären,  wenn 
man  voraussetzt,  dass  im  zweiten  falle  umlaut  eingetreten  ist, 
der  sich  dann  regelmässig-  zu  a  weiter  entwickelte  (die  urk. 
Schreibung  der  Ortsnamen  wechselt:  Grednich  und  Gradnich, 
Bcedetvich  und  JRadewik  etc.). 

Das  letztere  gilt  auch  A'on  sonstigen  alten  fremdwr)rtern, 
■\\ie  i(dr  teuer  (it.  tagliere),  ampldts  ein  bes.  jochriemen  (mlat. 
mnhlacium),  tats  abgäbe  (it.  dazio\  grändtsn  grenze  (slaw.  gra- 
nica).  äs  as  (mhd.  esse,  lat.  assis),  fatm  (in  nachbarma.  fäsn) 
Windel  (it.  fascia).  äpr  schneefrei  (wenn  aus  apricus,  vgl.  Schatz 
s.  39,  Kluge  unter  aber),  ivarwl  marmel  (mhd.  mermel),  arJcr 
'erker',  dachlucke  (zu  den  beiden  letzteren  vgl.  §54,  g);  auch 
martr  marter  (lat.  martyrkim)  dürfte  hierher  gehören.  Sie  sind 
also  nicht  mit  den  in  §  53,  ß  angeführten  jüngeren  fremdwörtern 
auf  eine  und  dieselbe  stufe  zu  stellen,  wie  man  dies  gewöhn- 
lich zu  tun  pflegt.  Es  handelt  sich  hier  nicht  um  unmittelbare 
Substitution  des  fremden  a  durch  a,  sondern  es  liegt  eine  periode 
des  Umlauts  dazwischen;  vgl.  die  schriftdeutschen  formen  teller, 
grenze;  cimbr.  v^ssa  =  ma.  fatsn,  dets  =  ma.  tats. 

Aum.  Mit  entlehnungen  aus  der  Schriftsprache  haben  wir  es  zu  tun, 
wo  e  statt  des  zu  erwartenden  a  als  umhiut  erscheint:  heks  hexe,  mexte 
mächtig,  prexte  prächtig,  teglix  täglich,  fche  fähig,  (jerbm  gerben  (dagegen 
s\o\v.  garbati),  ^es^«?  lästig,  drnembhe  der  nämliche,  lerbm,  lerm  Yärm,  gertnr 
gärtner,  Meft  geschäft  (neben  echt  ma.  k^aft  eifer,  kmfte  geschäftig),  lerhn 
lärche  (wol  alle  bair.-österr.  ma.  haben  hier  auftallenderweise  e,  auch  das  a 
bei  Schatz  §  87  könnte  auf  f  zurückgeführt  werden),  heiße  hälfte  (ma.  holb- 
ioeit;  keifte  wird  meist  adjcctivisch  verwendet),  dr  selige  der  selige,  aber 
sälige  fräu  (volkssage).  Desgleichen  die  plurale  mit  e  als  umlautsvocal : 
pshr  neben  jMhr  bäche,  givles  ablasse,  loeldr  wälder  (icglt  ist  der  ma.  eigent- 
lich fremd;  ältere  leute  gebrauchen  es  nicht,  dafür  wird  allgemein  i^er^ 
'berg'  gesagt.  Auch  wind,  horä  hat  diese  doppelbedeutung).   Vgl.  §  127,  3. 

B.     Mhd.    e,   e,    e. 
§  56.     Mhd.  e. 
Mhd.  e  (primärem  umlaut  des  ä)  entspricht  in  der  ma.: 
1)  ö  in  allen  fällen  ausser  vor  r  und  nasalen:  Aö^w«  heben, 
tröur  pl.  treber,   o>/7  apfel  (der  umlaut  stammt  aus  dem  pl). 


§  56  MUNDART   VON   PERNEGG.  67 

höfn  liafen  (mhd.  lieven,  alid.  *hevin),  Jchröftn  kraft,  strötv  streu 
(mhd.  strewe),  rödn  reden,  mötn  mette,  tsötn  verstreuen  (mhd. 
ze'ttcn),  flöts  boden  (mhd.  vle'tze),  lots  schlecht  (mhd.  letze),  als 
subst.  fem.  abschied,  mösr  messer,  ivös  wasche,  srög  schräg,  pöTxX 
bäcker,  becken  (mhd.  he'cl-e  m.  n.),  högl  m.  stierkalb  (zu  mhd. 
h(ifjcn).  nö(jl  \\d.gt\,  ökJiU  eggen,  JihlöJiln  genügen  {nüid.  Meelen), 
ahnt  elend,  tswölfz-wolf,  ö7welle;  —  vor  II  oder  l  +  consonant: 
söln  schälen,  n-öln  wollen  (mhd.  wellen),  Jchöln  kelle,  sivöl  f. 
Vorrichtung-  zum  eindämmen  des  wassers  (mhd.  sive'lle),  givölte 
im  Stande  {mhd.getve'ltec),  öltn  alter  (mhd.  e'lie),  smöltsn  schmelzen 
(mhd.  trans.  snie'hen),  möltsn  mälzen,  xwltsn  pölzen,  unterstützen 
(zu  pglts  stütze,  vgl.  mhd.  pfalzcn  und  lat.  palitiitm),  uölgu, 
wölgru  wälzen  (zu  wQlgn  sich  wälzen,  mhd.  ivalgen),  pölgrv  das 
getreide  von  hülsen  reinigen  (zu  'balg'),  gölsn  schreien  (mhd. 
gehen),  givölw  ge wölbe,  laden,  ölwliu  Elbling  (Ortsname,  zu 
glbm  albe). 

2)  i  (i)  vor  r.  Die  älteren  leute,  die  das  /•  vor  guttural 
und  labial  noch  als  zungen-r  sprechen,  unterscheiden  vor  diesem 
den  aus  e  entstandenen  /-laut  (0  durch  offenere  ausspräche  von 
dem  i  ^=  *i  oder  ü  (vgl.  dazu  §  23;  ein  ähnliches  nebeneinander 
bei  Krassnig  s.  24).  Beispiele:  wun  wehren,  -pir  beere,  irl  erle, 
Jchirtsn  kerze,  tsln)  zelu'en  (mhd.  ze'rn),  spuu  sperren,  ^rtn  {kfirtn) 
fährte,  liirt  hart  (mhd.  herte),  ßrte  fertig,  tvirt  Wörth  (ortsname, 
mhd.  tve'rt),  girtn  gerte,  mirfn  Martin  (dag.  mätrstgrf,  vgl.  §  32,  c; 
die  Ursache  dieser  differenzierung  liegt  wol  darin,  dass  im 
zweiten  falle  die  accentverschiebung  erst  später  erfolgte),  irte 
dienstag,  'erchtag',  irts-  erz-  (dag.  der  Schriftsprache  entlehnt 
erts-liertsog,  -pisof),  hirtsndgrf  Hörzendorf  (urk.  Herzogindorf 
'Herzogsdorf'),  irtsnon  arzt  sein  (mhd.  erzenen),  mirts  märz  (mhd, 
merze),  s^?Visw  vagabundieren  {n\\\L  sterzen);  —  liir  wo  st  herhat, 
'incl  ärmel,  'iriv  erbe  (dag.  auffallend  arndgrf  Arndorf,  urk. 
Ärhin-,  Erbender f,  \diX.  Ueredltas),  frd'irhmxevdeYhen,  'irmr  ärmer, 
sirfn  schärfen,  irg  arg  (mhd.eV^e),  /)-s7/-yü  verklagen  (zu  'scherge'), 
st'irJihn  stärken,  l'irgdt  lärchenpech  (BWb.  1, 1501;  vgl.  mlat.  lar- 
gatiun),  lihirllir  kerker.  Auch  in  mir  (neben  mir)  meer,  wird 
noch  Zungen-;-  gesprochen.    Isoliert  steht  ö  in  gwör  gewehr. 

Aum.  Sthriftsprachliche  eutlehimugeu  sind  z.  b.  merkhwirdc  mcrk- 
würdig  (neben  mirJchn  merken),  utru  uäbreu,  hntticcr  landwebr.  Auffallend 
perMliv  barscb.  vgl.  nibd.  heri^ich. 

5* 


G8  T.ESSIAK  §  57 

3)  e"  vor  nasalen:  .s'to^j^/'w  stampfen  (trans.),  lenqmj  lä,mmer 
werfen,  frem  fremd,  Ihcmpni  zahne  am  Jch{>mprgd  kammrad, 
tcn  tenne,  rcndn  rennen,  spendn  der  mutterbrust  entwöhnen 
(mild,  spenen),  henWin  hangen  und  henken,  pcvgln  sich  ab- 
mühen (mild.  he'ngeJn),  tsevgrJxhraut  hahnenfuss  (mhd.  zenger). 
—  Ausnahmen  s.  §  57, 2,  anm. 

§  57.    Mhd.  e. 
A)  In  einheimischen  Wörtern  ist  e  ausser  vor  l,  r  und 
germ.  h  fast  durchweg  mit  *e*  in  ö,  vor  nasalen  in  e  zusammen- 
gefallen. 

1)  e  >  ö:  göbm  geben,  swöwl  schwefel,  möt  met,  wötn  zu- 
sammenjochen  (mhd.  weten),  födr  feder,  wösn  wesen,  nöst  nest, 
sivöstr  Schwester,  sösi  sessel,  pßög  pflege,  wog  weg  (subst.), 
prüJin  brechen,  röhn  rechen. 

2)  vor  nasalen  >  e:  senofsent,  semhl  semmel,  fenstr  tenster, 
stren  strähne,  demrv  dämmern,  sensn  sense  (mit  verlust  des  g). 

Aiim.  Als  ö  erscheint  es  dagegen,  wenn  es  als  länge  zwischen  Ich 
oder  nasal  +  nasal  steht:  Ihömdii  kommen,  nömdn  nehmen.  Unter  den- 
selben bedingnngen  ist  auch  e  zu  ö  geworden:  Jchömatn  'kemenate',  kammer, 
khömn  kennen,  nötmi  nennen.  Ferner  in  dön  dem,  den,  wön  wenn,  wen 
(wem).    Den  grund  dieser  differenzierung  vermag  ich  nicht  anzugeben. 

3)  Als  e  erscheint  es  auch  vor  l,  r  und  germ.  h;  in  diesem 
falle  ist  also  der  unterschied  zwischen  den  beiden  e-lauten  be- 
wahrt geblieben  (vgl.  dazu  Zwierzina,  Zs.  fda.  44,  249  ff.  Maurer, 
Ma-.  a.  d.  Hz  s.  12.  Krassnig  s.  23): 

a)  mel  mehl,  gel  gelb,  stein  stehlen  (dag.  stöhi  stellen), 
stiel  schnell  (dag.  snöln  schnellen),  Ihelr  keller,  helfn  helfen, 
sclftr  länglicher  Splitter  (vgl.  mhä.  schelfe  und  ^schilf),  selhn 
selchen,  gelt  geld,  steltsa  stelze,  spelta  Spaltholz  für  zäune  (mhd. 
Spelte)^  elsn  traubenkirsche  (vgl.  Kluge  unter  erle\  nach  aus- 
weis  unserer  ma.  ist  *f'  anzunehmen). 

b)  iver  wer,  Miern  kehren  ==  wenden  (dag.  Milrn  [aus-] 
kehren),  lernen  lernen,  lehren,  gerstn  gerste,  sterhm  sterben, 
gerbm  germ,  liefe  (mhd.  genve),  hherl  kerl,  sterts  sterz  (kämt, 
nationalspeise  aus  buchweizen,  zu  mhd.  sterben  steif  empor- 
ragen; zur  bedeutungsent Wicklung  vgl.  strauhn  strauben,  zu 
mhd.  strüheu),  scrtsn  springen,  wild  herumlaufen  (bes.  vom  vieh; 


§  57  MUNDART   VON   PERNEGG.  69 

mhd..  scherten),  se)is{l)  ansclineidestück  eines  laibes  {mhd.sclierse), 
fertn  voriges  jähr  (nihd.  rert),  -iverts  -wärts. 

c)  Yor  */i  tritt  häufig  'brechiing'  des  e>  ed  ein  (vgl.  dazu 
§  24):  sedhn,  selm  sehen,  Jiseohn,  IcseJin  geschehen,  spedlin,  spelm 
spähen.  Fast  durchgehends  unterbleibt  die  brechung  in  Iclinext 
knecht,  rext  recht,  slext  schlecht,  stets  in  fcxtn  'fechten',  nur 
in  der  bedeutuug  'betteln',  ivelcsl  Wechsel.  Die  beiden  letztern 
scheinen  'höfische'  lehnwörter  zu  sein.  Etymologisch  dunkel 
ist  fedlis,  felis  trottel,  fc9Jisn,  feksn  fechsen  (nihd.  vehsen). 

4)  Ein  eigentümliches  schwanken  besteht  vor  gutturalen 
(vgl.  Schatz  s.  50.  Maurer  s.  9.  Krassnig  s.  23).  Es  heisst  einer- 
seits Miökxkeck,  drökxdYeok,  spölx  si)eck,  isivökx  zweck  w.s.w., 
aber  leJihn  schaden  (eig.  'riss',  vgl.  BWb.  1, 1433),  lehaisn  lechzen, 
tsrUksnon  in  folge  trockenwerdens  den  festen  verschluss  ver- 
lieren, sleJilm  schlecken,  lekx  n.  leckfutter,  Icklin  lecken,  tseMin 
zecke,  pehhn  stechen,  mit  dem  Schnabel  darauf  loshaueu,  .sekhdt 
scheckig,  prehln  flachs  brechen,  snek'  Schnecke,  sprekkl  Sprenkel 
(mhd.  spreckel).  fsekkdtsu  zappeln,  scherzen  (mhd.  zecken),  regln 
quacken  (dazu  khregln  für  *  geregein  plaudern,  viell.  zu  'regen'), 
(g)legr  lager  (mhd.  leger).  Ferner  haben  e:  fetsn  fetzen,  ^?eifs 
m.  kleine  wunde,  pletsn  anhauen  (dazu  pletsr  kleine  hacke; 
nihd.  hletzen),  pretsln  prasseln,  letn  schlämm  (mhd.  leite),  pctn 
beten,  ^)e/Zw  {p>etün)  betteln,  snepf  schnepfe,  srefl  kleinholz 
(vgl.  mhd.  schrei- en),  wedl  widder  (vgl.  BWb.  2,  886  unter  'well' 
zu  ivejü-).  Dunkler  herkunft  sind  tcftn  aus  der  fassung  bringen, 
tep  dummkopf,  letsdt  weich,  schlaff,  tetsn  ohrfeige,  fes  schmuck, 
u.  a.  Häufig  findet  sich  e  in  lautmalenden  Wörtern,  z.  b.  tseppru 
rasseln,  klüeppru  klappern,  pleppru  {pl^apri))  plappern,  mekkotsn 
meckern. 

Anm.  1.  ^■- Umlaut  des  e  ist  anzuuehnien  in  jyölts  (mhd.  belliz,  ralat. 
peUicia),  fölsn  felsen  (ahd.  felis),  öltas  iltis  (mhd.  cites,  i'Ms),  sökse  sechs 
(dag.  sextsen  16,  se.ctsk  60),  tsöhne  zehn  (vgl.  Paul,  Mhd.  gr.-'^  §  43,  anm.  3). 

Anm.  2.  Gegenüber  schriftsprachlichem  /  haben  den  e-laut  sei/' schiff 
(daneben  hlf),  khrösn-  (in  Zusammensetzungen  mit  -gicgnt,  -pfät  taufkleid, 
-licmd,  ahd.  cresamo  chrisam),  iö(jl  tiegel  (ahd.  teyal),  ierbm  schirm,  kherhi 
kirsche,  wanr  oiterbläschen  (mhd.  irimmcr),  tsem  ochseurute  (vgl.  Kluge  unter 
Ziemer).  Vgl.  Braune,  Ahd.  gr.  §  31,  anm.  2. 

B)  Lehnwörter.  Den  Übergang  von  e>  ö  vor  geräusch- 
lauten, eine  eigentümlichkeit  der  meisten  baii\-österr.  ma.,  haben 


70  LESSIAK  §  58.  59 

auch  die  älteren  lelmAvürter  niitgemaclit.  Vgl.  2^öx  pecli,  töhont 
decliant,  pühr  beclier,  süxtr  secliter,  jpröi/e' predigt,  prösn  pressen, 
mos  messe,  tsödl  zettel  (mhd.  scdele),  löls  Alex,  stöf]  stoß  Stefan, 
gpotölihtj  »potlieke,  öftujöl,  {-ds)  evangelium,  (evangelisch),  föspr 
Vesper,  trgmpötn  trompete,  (jrögr  Gregor,  föstr  Silvester. 

Jüngere  fremd  Wörter  dagegen  bewahren  ihr  e:  rest  rest, 
regl  rege],'  elstra  extra,  fct  fett,  frcx  frech,  nct  nett,  ext  echt, 
speise  ^s^eyA'',  bnsenfreund,  tcMn  theke,  planet  planet,  sep  Josef 
(vgl.  sgnJcx  xösep  weben,  iösef).  Auffallend  ist  ontrösn  'Interessen', 
Zinsen,  beachtenswert  slöppm  schleppen,  aber  slep  schleppe. 

§  58. 

Die  mehrzahl  der  Kärntner  dialekte  stimmt  in  der  behand- 
lung  des  e  mit  unserer  ma.  überein.  Doch  haben  die  mundarten 
nördlich  und  nordwestlich  von  unserem  dialektgebiet  (grenz- 
angabe  s.  einleitung),  d.  i.  das  obere  Gurktal  (Gnesau,  Reichenau), 
Kleinkirchheim,  Radentein,  Feld,  den  alten  unterschied  zwischen 
den  beiden  e-lauten  bewahrt;  desgleichen  das  Lesachtal  mit  dem 
angrenzenden  Osttirol  und  die  krainisch-italien.  Sprachinseln. 

Es  heisst  im  oberen  Gurktal  also  Ichm  leben,  Jcdr  leder, 
ivettr  wetter,  rc^w  regen,  stclm  stechen,  esn  essen,  dresn  dreschen 
U.S.W.  Ausnahmen  mit  ö'  statt  e  sind  ausser  den  auf  s.  69, 
anm.  1  angeführten  Wörtern:  ö'bm  eben,  Vo'dig  ledig,  prö'dig 
predigt;  —  sivö'sfr  Schwester,  gö'strn  gestern,  prö^sliQft  brest- 
haft (dag.  liest  nest),  tsivö'spa  zwetschke,  fö'spr  vesper,  ferner 
pyr'öH  brett,  pfläUj  pflege,  tö'gl  tiegel,  ö'ppds  etwas,  enttvö'dr  ent- 
weder, prö'sn  pressen,  mö's  messe,  pö'hr  becher,  sö^xtr  sechter, 
tö'Jmit  dechant.  Vor  kx  herscht  merkwürdigerweise  auch  hier 
ein  ähnliches  schwanken  wie  in  unserer  ma.;  vgl.  Jchö'Jcx,  drü'kx, 
aber  s2)el-x,  tsivekx,  lelcx  u.  s.  w.,  ebenso  ivi'/kx  adv.  weg,  dag.  ivcg 
subst,  weg  (dementsprechend  gottscheerisch  Jjekx  —  hakx,  mit 
a  aus  *e). 

Anm.  Die  ursprüngliche  differenzierung-  spiegelt  sich  noch  in  den 
älteren  windischen  lehnwörtcrn  wider.  Vgl.  hVck  fleck,  tsuek  zweck,  dreh 
dreck,  fkuhr  käfer,  lerem  kresse,  mem  messe,  Udr  leder,  mit  offenem  e, 
während  umlauts-c  fast  ausnahmslos  als  ö  erscheint,  z.  b.  löUraU  'lästern', 
ijiträh  estrich,  iösdh  essig  u.s. w.    Doch  uvilä  'wette',  Steuer,  für  *uctja. 

§  59.     Mhd.  e. 
Mhd.  e  >  f«:   fja  ehe,  IMi^a  klee,  wP^a  m.  weh,  snf^a  schnee, 


§  60.  61  MUNDART   VON   PERNEGG.  71 

sfla  see,  auch  iuterj.  {=  nihd.  se),  e,awe  ewig,  slqmve  kränklich 
(mhd.  sUivic),  gr(^acln  holzschicht  (mhd.  grede),  steandn  stehen, 
g^atidn  gehen,  ivqane  wenig,  pqade  beide. 

Vor  r,  l,  Ji  fällt  es  mit  c  in  e  (ed)  zusammen  (vgl.  §  23.  24): 
Icr  lehre,  mcr  mehr,  per  eher  (mhd.  her),  er. st  erst,  reru  weinen 
(mhd.  reren) ;  —  sei  seele ;  —  tsedhnt,  tseJmt  zehe,  sedxtn,  sextn 
laugwäsche,  verb.  se(d)xtndn  auslaugen,  se{d)xttn  gerne  saufen 
(BWb.2,218;  zu  'seihen'). 

ea  für  lat.  c  steht  in  mgrgr(^atn  Margareten,  peatr  Peter, 
madlqan,  leana  Magdalena,  ondrea  Andrä,  hhrqandl  liammer 
zum  schärfen  der  mühist  eine  (zu  lat.  crena  kerbe);  —  desgl. 
für  slaw.  e  in  treafn  Treffen  (ortsn.,  wind,  treh'ine,  st.  trch-  roden), 
fr^asn  Fressen  (zu  hreza  birke),  khrean  kren  (zu  xrenii),  IqaJm 
säereihe  (zu  lexa). 

C.  Mhd.  i,  l 

§  60.    Mhd.  /. 

Mhd.  i  bleibt  in  seiner  qualität  erhalten:  fldru  entblättern, 
abblättern  (mhd.  vidern  zu  'feder'),  pibnidn  beben  (mhd.  bihenen), 
iv'idn  Strang  aus  zweigen  (mhd.  ivide),  lign  liegen,  drisl  drischel, 
tsiäsl  gabelförmiger  ast  (mhd.  zicisel),  frgixt  n.  gicht,  prlndn 
(intr.)  brennen,  gin9n  'gähnen',  keuchen  (mhd.  ginen),  stingl 
Stengel  (mhd.  stingel),  sirivdle  lämpchen  (zu  ' Scherbe'),  ksir  ge- 
scliirr,  ^nra  birue,  hhirhn  kirche. 

Auffällig  ist  id  in  sridt  schritt,  eam,  '^iem  ihm,  neben  m. 

§  61.    Mhd.  l 

Mhd.  i  >  (ei  (eig.  (ee):  ceiÜ  "eitel',  unwol,  leer,  geeit  geiz, 
fheithof  friedhof  (mhd.  vrUJiof),  tsceihn  zeihen,  ^Jde/a  biene  (mhd. 
hie),  fceifoltr  (auch  mit  nebenformen  wie  spceilfgltr  u.a.)  Schmetter- 
ling (mhd.  vtvcdter),  lueint  heute  (urspr.  heute  abends;  mhd.  Innt), 
Jihrceistn  stöhnen  (mhd.  hrlsten).  keiln  leite,  halde  (mhd.  Ute), 
rmdn  biegung, Serpentine  (zu  mhä.riden),  spceils^\itteY{mhd.spil). 

Alte  ablautsformen  sind  drsidr  —  drsceidr  seither  (mhd.  dar- 
sjdr);  strit —  strceit  streit;  drlfuds  dreiiwsa  —  drcei  drei;  rtwmsn 
i'eibeisen,  rihtsceit  'reibzeit',  Strichzeit  der  fische  —  reeihm  reiben. 

Dieselbe  diphthongierung  erfuhr  l  in  fremdwörtern:  fgln- 
tcein  Valentin,   motceis  Matthias,   Ichatnein  Katharina,    mdrcein 


72  LESSIAK  g  62 

Mareiii  (ortsu..  eig.  gen.  Marien),  prwims  Primus.  Häufig  in 
Ortsnamen,  z.  b.  Ueilin  Teuchen  (besser  Teichen,  slow,  "^tlxa 
'stille'),  psmn  Psein  (für  "^pslnc  'Hundsdorf')  etc. 

Die  «entAvicklung  des  l  über  ei  >  cei  können  wir  mit  liilfe 
der  lelmwörter  im  wind,  verfolgen:  a)  Erste  schiebt  (mhd.  »  =  *), 
z.  b.  in  in  tsila  zeile,  hlisdlc  fleissig,  nid  neid,  hikJar  Schneider, 
if6'77<a  gefähgnis  (mhd. /.7c/ie,  msi.hhceihn),  ^/Ap/'Leikauf,  Mix  gleich, 
ribato  reiben,  lihato  leihen,  sribatd  schreiben,  uitse  fegefeuer 
(mild,  wi^e,  vgl.  BWb.  2, 1059).  Die  beispiele  sind  sehr  zahl- 
reich. —  b)  Zweite  schiebt  (mhd.  i  =  öi  bez.  o):  roitr  reiter 
(=  sieb),  zlöfatd  schleifen,  tsuhöin  draht,  'zugeisen',  tsöla  keil, 
zauböi  Salbei,  u.  a.  —  c)  Dritte  schiebt  (mhd.  t  =  ai):  hditdsn 
geizig  (ma.  gceitos),  hdisatj  weiss  tünchen,  Mahn  knapp  (ma. 
glmm,  \\\\i(\..  (jelime),  u.s.w. 

D.   Mhd.  0,  ö  und  deren  umlaut. 
§  62.     Mhd.  0. 

Es  erscheint  1)  als  geschlossenes  o  ausser  vor  nasalen 
und  r:  khröta  kröte,  gruw  grob,  höfn  hoffen,  lödn  loden,  rot 
rost  (mhd.  rot),  rots  rotz,  glösti  glimmen  (mhd.  glasen),  lösn 
losen,  horchen,  lötr  m.  starker  mensch,  bursche  (mhd.  loter), 
pötdx  unterer  teil  des  rumpfes,  taille  (mhd.  botech),  stotsn  niederes, 
weites  schaff  (mhd.  stotse),  liMopfn  klopfen,  poppm  puppe  (mhd. 
poppe). 

2)  Als  offenes  q  vor  nasalen  und  r  (h): 

a)  läiQmmdt  kummet  (mhd.  Jiomet),  Ignr  lünse  (vgl.  Kluge, 
Wb.  unter  lünse),  tgnär  donner  (daneben  als  schelte  tundr;  mhd. 
toner,  tuner).  Desgleichen  in  den  fremd  Wörtern  tgn  ton,  j^^'^'spn 
person,  patrgna  patrone,  pasign  passion,  khangn  kanone,  Miaign 
kujon.  Eine  ausnähme  bilden  gnom  genommen  (systemzwang) 
und  die  fremdwörter  tomnidle  Thomas,  ^öwe' Anton,  grüne  Hmco- 
nymus  (vgl.  BWb.  1, 1000),  üne  ohne  (dazu  Lit.-bl.  1894,  s.  77). 

b)  fgrxt  furcht  (mhd.  vorhte),  Jcstgrbm  gestorben,  dgrf  dorf, 
tsgrn  zorn,  tgr  tor  n.,  p)grv  bohren.  Dagegen  mit  verlust  des  r 
födrn  fordern,  födre  vordere  (vgl.  §  114),  Geschlossenes  o  haben 
die  fremdwörter  flöre  Florian,  pure  'porrum',  lauch. 

c)  Vor  */i  nur  in  tgxtr,  tgdxtr  tochter.  Dagegen  ohs  ochs, 
7io{li)  noch  (vgl.  dazu  Maurer  s.  31  f.).    Zu  hfloxtn  vgl.  §  171b. 


§  68  MUNDART   VON   PERNEGG.  73 

Anm.  1.  In  einigeu  rora.  freradwörtcrn  erscheint  u  für  o:  khnpfr 
koffer  {pf  \\(A  in  anlehming-  an  'kupfer'),  pumrantm  \\om(ixm\zQ  {\i.  poma- 
rancia),  muH(p)rel,  it.  omhrcllo;  ferner  fiirhiti  (furw)  form,  tinintovte.  Die 
beiden  letzteren  stammen  wahrscheinlich  aus  der  stadtsprache,  die  o  vor  r 
regelmässig-  zu  ud  entwickelt  hat,  z.  b.  «sri  ort,  /j-Zwani  verloren ;  vgl.  auch 
murts-  (höfisch  miorts-)  mords-,  in  Zusammensetzungen  wie  7iiurt(s)iölbm 
mordsdieb.  Dagegen  scheint  fm-t  eine  alte  nebenform  zu  'fort'  zu  sein 
[vgl.  zarzerisch  vurt.  Auch  Schmeller,  BWb.  1,  7G2  führt  nur  fürt  an]. 
Dasselbe  gilt  von  fitnvnrt  'bes.  wichtiges  wort',  neben /or  vor,  dur({a)  dort. 

Anm.  2.  Nebentoniges  o  in  fremdwörtern  wie /i7«/(>  kilo,  függ,  tremg 
furcht,  präivg  hat  offene  ausspräche  und  geht  zuweilen  in  a  über:  Ichila, 
fnga,  tkdJca  tschako. 

§  63.     Mhd.  ö. 
ÄXlid.  ö  >  ma.  ö,  ausgenommen  vor  r.    Es  ist  also  in  den 
meisten  fällen  mit  mhd.  e  zusammengefallen. 

1)  öl  öl,  tsüpfn  Zöpfe  flechten,  pögln  bügeln,  pödn  pl.  zu 
boden,  pölix  bocke,  Icsröf  felsen  (coli,  zu  mhd.  schrovc,  daneben 
hsyjftüY  *gesch'üve),  /'öTe' völlig',  beinahe,  sä fltr  soxiel,  Ihlölhln 
flechten,  klöppeln  (zu  mhd.  Uoclicn),  iöhm  f.  dunst,  dampf  (vgl. 
Schweiz,  top  feucht),  grösw  junger  bäum  {ivcemdxtgrösw  eine 
art  christbaum,  mhd.  grözsinc),  lisnöpf  gesicht  (verächtlich;  zu 
'schnupfen',  vgl.  Schmeller  unter  schnopfen;  möglich  wäre  es 
auch,  es  zu  'schnabel'  zu  stellen,  vgl.  Kluge  unter  sclinabel). 

Anm.  1.  ö  erscheint  auch  häufig  als  Vertreter  von  slow,  o  vor  pala- 
talen,  z.  b.  pöliv  Fölling  (für  *polanc),  glö{d)n9ts  Glödnitz  (für  *glodmtsa) 
u.  s.w.  —  Auffälliges  e  hat  das  fremdw.  seps  'schöps'  (schelte),  iepssn  schöpsern. 

2)  Vor  h  ist  es  zu  e  geworden :  ertr  örter  (orte),  wertr  worte, 
äerfr  dörfer,  sper  rauh,  schwierig  {m\\^. spare),  mcrl,me)-lw möhre; 
vgl.  auch  inesr  mörser.  Ausnahmen:  neben  her»  hört  man  sehr 
häufig  hävn  pl.  zu  hgri)  m.  hörn,  desgl.  Ihnörtsl,  Jchnirtsl  neben 
Ihncrtsl  knirps  (zu  mhd.  hiorre).  Jenes  ist  wol  analogiebildung, 
vgl.  sl{)g  schlag,  pl.  slög,  dieses  dürfte  eine  compromissform 
sein  {Vinur^ü  —  hiorzil). 

Vor  h  erscheint  c  {cd)  für  ö  nur  in  textr,  teoxtr  töchter. 

Anm.  2.  Dem  umlaut  des  (urspr.  geschlossenen)  slow,  ö  vor  ;•  ent- 
spricht derselbe  laut,  der  für  mhd.  e  vor  r  auftritt,  nämlich  i  bez.  i;  z.  b. 
pirtidx  Pörtschach  (wind.  loc.  pgrntMx  für  *pon'Üax),  girtidx  Görtschach 
{*goritsax),  girts  Görz  i*gorHsa),  s'irg  Sorg  {*zoriJce)  u.a.m.  Das  deutsche 
ö  bez.  0  muss  demnach  vor  ;•  offenbar  schon  sehr  früh  eine  offene  ausspräche 
gehabt  haben,  sonst  wäre  die  verschiedenlieit  der  behandlung  nicht  zu  er- 
klären. 


74  LESSIAK  §  64.  65.  66 

§  64.     Mhd.  ö. 

Mild,  ö  >  0«:  strga  stroh,  khlöa  klaue  (mhd.  Mo),  flga  floh, 
roat  rot,  tgad  tod,  Moas  stoss,  rgasa  'rose',  bluine,  slgas  verschluss 
(mhd.  sZcJi'),  Igas  los,  pgasn  (herunter-)  schlagen  (mhd.  hosen), 
g))H)gas  (neben  gnipas)  ambos,  Iclügatsa  gedörrte  birne  (mhd. 
klöslire),  gastnj  ostern,  /.7??(>«s/rkloster,  Iganlohn,  sganon sdionen. 

Vor  r  erscheint  es  als  () :  gra  olir,  rör  röhr,  Igrivr  lorbeer, 
mgra  schwarze  kuh  (mhd.  mor  mohr). 

Anm.  1.  Die  stacltspraclie  hat  dafür  fast  durcliweg-  geschlossenes  v: 
rot,  not  U.S.W.  Daher  stammcu  (jrosfgtr  grossvater  (dag.  groas  gross;  für 
echt  lua.  eulce),  löt  lot,  poshgft  {-hafte)  hoshaft  (mit  anlehnung  au  })ösn  m. 
heimtückisch  zugefügter  schaden),  ftrmla'ihiiom  frohnleichnam  (statt  des 
sonst  verbreiteten  (jolslodmdstog  gottsleichnamstag,  dag.  frganiclsn  frohn- 
wiese).  Eine  neue  eutlehuiiug  ist  Idirma,  Ihrnnc  (münze),  dag.  Jchroan 
kröne,  IgntsJchrgan  Landskron.  Neben  einander  stehen  trgast  —  trosl  trost, 
prgat  (selten,  als  piygärfs  betrachtet)  —  }yrdt  brot,  sehr  üblich  ist  auch  die 
compromissforni  pröt. 

Anm.  2.  Die  lebnwürter  im  wind,  bieten  dafür  fast  durchgehends  {>: 
ngt  not,  ngn  lohn,  h-gt  waldteil  u. s.w. 

§  65.     Mhd.  oe. 

Mhd.  (ß  >  ea  (es  fällt  also  mit  c  zusammen):  jleasn  flössen 
(zu  ilgus  floss),  neatn  nötigen,  teadin  'tödin',  todesfrau,  r^atl 
rötel  (eine  krankheit),  snQada  'schnöde',  unansehnlich,  p^as  böse, 
seasl  rockzipf  (zu  -schoss'),  teasl  dummkopf  (zu  'tosen'),  sl(>atn 
Wäsche  ausspülen  (zu  mhd.  sUte  schlämm),  dr  l^atiye  teufel  (zu 
\\i\\i}i.lcetic,  vgl.  KWb.  s.  181),  si^asl  stössel,  pr^asl  brosame,  dr^asl 
drossel  (vgl.  ahd.  drösca),  lieandn  höhnen,  heulen,  s^an  schön, 
pqändln  mit  bohnen  spielen. 

Vor  r  erscheint  es  als  e:  hcru  hören,  Jcfrcrv  sich  gefrieren 
(ti-ans.  '*(jefroeren),  ter  unempfindlich  (mhd.  Hoerc),  terds  taub 
(mhd.  trerisch). 

Vor  l  als  e,  eo:  dedhx,  deUx  Dellach  (slow.  JDöle),  hliel  (nie 
mit  c:))  kolil  (mhd.  ho2le). 

E.   Mhd.  u,  ä  und  deren  umlaut. 

§  66.     Mhd.  u. 

Mhd.  II  >  ü:  sprüx  Spruch,  stühm  stube,  liüf  hüfte  (mhd. 

Imf),  67«/" Schlupfwinkel  (mhd.  sluf),  snmts  schmutz,  suU  schuld, 

iruts  trotz  (mhd.  irut;^),  p)runst  feuersbrunst,  tuhx  m.  tücke  (mhd. 


§  07  MUNDART    VON   PEKNEGG.  75 

tue),  trutta  alp  (gespenst,  mlid.  trute),  hwgl  limge  (mlid.  hmgeT), 
furx  fiu'clie,  sturhm  stürm,  san  solin,  nnna  noime  (mlid.  UHune), 
Sana  sonne,  summr  sommer,  Jistviinmmi  geschwommen,  gdpründn 
gebrannt  (mlid.  gebrunnen),  gfuidn  gönnen. 

§  67.    Mhd.  iL 

Mhd.  ü  >  f:  Ixhnmi  m.  knoten  (mlid.  hüihel),  slfe  süffig, 
slwvu  das  heu  in  häufchen  {söicrlcm)  bringen  (zu  'schober'), 
sist  sonst  (mhd.  süst),  JcMs  kissen,  Mrit  n.  altes,  verrostetes  zeug 
(zu  mhd.  rot  rost),  sprlsl  sprosse  (mhd.  sjjrüzzeT),  tslgl  zügel,  rasse 
{mii^.zügel),  fliga  flügel  (m\\(\..vlügc),  IJnnon  können,  Mlnekömg, 
Qnfrlmdn  bestellen  {m\\{\..vribnmen),  milnr  müller  (mhd.  mülncBre), 
piln  brüllen  (mhd.  hüllen),  fir  für,  iir  tür,  sünj  stöbern  (mhd. 
stüni),  hie  ührlein,  rtJidln  wiehern  (mhd.  rülielen). 

Vor  pf,  pp,  l-Ji,  Ich,  ts,  Id,  It,  n  und  r  +  consonant  ist  der 
nmlaut  in  vielen  fällen  unterblieben:  slnpfn  schlüpfen,  stiqjfn 
(mhd.  stiipfen),  strupfn  zwischen  den  fingern  durchziehen  (mhd. 
strupfen),  hiipf'n  hüpfen,  tupfn  tupfen,  Supfn  schupfen,  stossen, 
tsupfn  zupfen  (bes.  haare,  zu  'zopf');  —  stupjmi  f.  pulver,  staub 
(mhd.  stüppe),  Wiluppm  kluppe;  —  mitl:J;um\\Q\ie,  r?^/.7i;j  rücken, 
prulJctj  brücke;  —  stul-x  stück,  oustulhn  au>;tückeln,  lu/i/ui  lücke, 
tsudlulchn  verschliessen  (zu  mhd.  lüchen),  nüdin  rücken,  smukhu 
schmiegen  (mhd.  smücl-en),  pulilin  bücken,  iulilin  jucken,  tuhlin 
ducken  (mhd.  tüclien),  drulihn  drücken;  —  nuts  nütze,  nutsn 
nützen;  —  ^«W^w  golden,  stiltsn  ^\\\zq,  i'^ZcZe  schuldig,  vgl.  auch 
icrdon  aus  wolle;  — pdduulxhn  bedünken;  — purgr  bürger,  purn 
bürde,  purtsln  purzeln,  vgl.  auch  purndu  aufheben  (mhd.  hürn). 
—  Dazu  kommen  ^)M^/«  bütte,  tuttln  saugen  (mhd.  tüttcln),  rutsn 
rutschen,  Muhl  küche,  lug  f.  lüge,  lügu  lügen. 

Dagegen  ist  unter  ähnlichen  bedingungen  der  unilaut  ein- 
getreten z.  b.  in  gliJcx  glück  (vgl.  auch  zarzerisch  gdlikxe  glück, 
glücklich),  trililma  trockenheit,  trikhndn  trocknen,  tiklm  tückisch, 
hhripfn  hüsteln  (zu  *  kröpf),  tippl  döbel  (mhd.  tühel),  tsippl 
büschel  von  heu,  haaren  etc.  {m[\^.  schüheJ);  —  spritsn  spritzen, 
pltsn  lache,  feuchte  stelle  (mhd.  hütze),  ritse  mit  'rotz'  (pferde- 
krankheit)  behaftet,  s'ds  schütze,  psitsn  beschützen;  —  liiltsjn 
hölzern;  —  ivintsn  wünschen,  tsintn  zünden,  tinstn  dünsten, 
pwU  m.  gesch willst,  bündel  (jawwM.  punhen);  —  ivirgu  würgen, 
stirtsBn  stürzen,  firhm  getreide  säubern  (mhd.  vürhen),  hirt  Hirt 


76  LESSIAK  §  68 

(ortsii..  urk.  Hnnli  "liiirde'),  (//rs/c' durstig  (dag.  durstndn  dürsten) 
u.  ähul. 

Zu  den  umlautlosen  formen  des  conj.  praet.  wie  tsuntot 
zündete.*  sun(pt  sänge,  slns^t  schlösse,  slnfdt  schlöffe  u.s.w..  vgl. 
i;  170.  f. 

Aum.  In  älteren  wind,  lelinwöitern  erscheint  u  als  substitutiouslaut 
für  (lentsclies  «,  z.  b.  Mla  füllsel  (ma.  füa),  IcuhiU  küssen,  Imtä  hütte,  nün- 
hai5  wün.schen,  kmill  knüttel. 

§  08.     Mhd.  ü. 

Mhd.  11  >  au:  liamva  haube,  paunon  bauen,  raiidn  räude 
(mhd.  rüde),  sautcr  sauber,  gaiidn  prahlen  (mhd.  (/nden),  maudn 
schnaufen  (mhd.  snüden),  auir  euter  (mhd.  ilter),  IMausn  klause, 
/«?<Y5;i  jauchzen  {m\\^.jüwesen),  Jp/Va^(>^ia  pflaume,  c?aMw^  daumen, 
tsauu  zäun,  slautmi  schlummern  (zu  mhd.  slün  =  slür  müssig- 
gang;  die  nördl.  ma.  haben  slaunon  in  der  bedeutung  'von 
statten  gehen',  mhd.  sinnen).  Auffallend  ist  glaum  neben  glmm 
(mhd.  geltme).  —  maurr  maurer,  traure  traurig,  säur  hagel 
(mhd.  schür),  säur  sauer. 

Aum.  Die  Silbentrennung  vor  silbischem  r  ist  pa-uf  bez.  pä-rpr, 
Tgl.  §  41. 

In  den  dialekten  westlich  von  Ossiach  und  im  'Unteren  Drautal'  ist 
das  u  in  diesem  falle  zu  lo  geworden:  päwr,  $äwr,  mäwr  bauer,  schauer, 
mauer  etc.,  dagegen  nicht  vor  l.  In  unserer  ma.  schwankt  man  in  der 
ausspräche  zwischen  fä-iil  und  faul  (einsilbig)  faul ,  khnä-nl  und  khnaul 
knäuel,  jedoch  fast  ausschliesslich  iä-uln  heulen  (mhd.  *jülen  zu  jCi). 

Dieselbe  diphthongierung  erfuhr  n  in  fremdAVörtern :  iausn 
jause  (.slow,  jif/m«),  «n//ij;  Südwind  (slow,  j/lr/),  tsauhn  Z-dUchen 
(ortsn.,  wind.  suJid),  saunidn  rauschen  (beim  herannahen  eines 
gewitters;  slow,  sumeti). 

Auch  hier  lassen  sich  an  der  hand  der  deutschen  lehnwörter 
im  wind,  die  drei  stufen  der  entwicklung  w  >  ou  >  au  ver- 
folgen: a)  Erste  schiebt  ü:  mnta  maut,  murar  maurer,  puuatd 
bauen,  Jcüma  kaum,  hipaz  taubenschlag  (mhd.  tübhüs),  rät  (ma. 
raut)  rodung  (mlid.  *rüt),  sübua  schaufei  u.s.w.  (eine  noch 
ältere  stufe  liegt  vor  in  mir  mauer,  stsd  für  *xysa  haus,  mit 
*y  als  Substitution  für  ü).  —  b)  Zweite  Schicht:  für  ou  (geschl. 
0  -{-  u)  sind  mir  nur  die  beiden  beispiele  fduöuz  (für  *foglouz) 
Vogelhaus,  und  fürouz  pfarrhaus,  bekannt.  Bei  0.  Gutsmann 
(Deutsch- wind,  wb.)  finden  sich  noch  stros  strauss,  tror  trauer- 


§  69.  70  MUNDART   VON   PERNEGG.  77 

flor  (mit  0  für  *oh?).  —  c)  Dritte  scliiclit:  zduhrn  sauber,  sncuha 
schraube,  u.s.w. 

§  69.  Umlaut  des  mlid.  ti. 
Der  umlaut  des  ü  (mlid.  tu)  erscheint  wie  urspr.  i  als  wi: 
Ihrceits  kreuz,  ceüa  eule,  Jchceis  schwach,  gebrechlich  (mhd. 
kiusche),  listrceis  'gesträuss',  gesträuch,  Iceitrtj  läutern,  j9(b?7Z 
beutel  {ahd.j^tUil,  vgl.  wind.  j)/(/?a,  pütli),  ^w^^/f  gemäuer,  dceilin 
dünken,  däuchten,  aufnüceindn  auftauen  (mhd.  entlnmen).  Da- 
gegen unterbleibt  der  umlaut  vor  m:  rannmi  räumen,  frsannmi 
versäumen. 

F.   Die  mhd.  diphthonge  ei,  oii,  in. 
§  70.    Mhd.  ei. 

Mhd.  ei  >  a  (es  fällt  also  mit  a  =  mhd.  ä,  ce  zusammen): 
srä  schrei,  law  laib,  slapfn  Schlittenkufen,  pantoffel  (mhd.  sleipfe), 
sirä/"  schweif,  sCifn)  geifern,  langsam  rinnen  (mhd.  sei  fern),  liafte 
erbittert  (mhd.  heiftic),  mtn  holzspäne  (mhd.  scheite),  pfaf  f. 
hemd  (mhd.  i^/e^Y),  fast  feist,  äs  geschwür  (mhd.  eis),  säs  (mhd. 
schein),  snäsn  reihe  (mhd.  sneise),  mäs  maische,  fräs  f.  freisen, 
rätl  drehstange  (mhd.  reitel),  nag  neige,  sivay  'schwaig',  sennerei, 
sträx  streich,  furtlähndn  fortlocken  (mhd.  leichen),  pän  bein  = 
knochen,  länon  lehnen  (mhd.  leinen),  läni  lehm  (mhd.  leime), 
fäm  feim,  pdhüm  geheim,  mal  fleck,  muttermal  (mhd.  meil), 
fäl  feil,  mär  nieier. 

Für  contraction  aus  -agi,  -egi-:  träd  getreide,  giäd  jagd 
(mhd.  gejeide),  mastr  meister,  ädn  %g^%  (mhd.  eide  aus  *egede). 
Vielleicht  gehört  auch  nüwr  bolirer  (mhd.  nagehcr  <  naheglr) 
liierlier.  madl  mädel,  scheint  dem  'höfischen'  entlehnt  zu  sein. 

Anm.  Die  iiürdl.  (;f<-(lialekle  (Gurktiil  etc.)  uiitersclieideii  iroad,  (jioad, 
moastr  (aus  *agi)  und  ädn  (aus  *c(ji). 

Für  fremdes  oi  steht  ä  in  ändtsn  gabeldeichsel  (wind. 
iwintse  für  *ojnice),  slär  Schleier  (mhd.  sloier);  für  fremdes 
a  -f  /  (bez.  palatalj  in  Ihran  (nördl.  kJiroan)  Krain  (slow.  kran). 

Dagegen  erscheint  wi  (vgl.  Schatz  s.  61)  in  geeist  geist, 
gceistlu  geistlich,  /laulc  heilig  (dag.  hal  heil),  fkeis  fleisch,  roiin 
rein,  khwisr  kaiser  (aber  khäsrpira  kaiserbirne),  poglceiin  be- 
gleiten (dag.  lätn  leiten),  hceid  beide  m.  neben  hädn  m.  heide- 
koni.   f.  beide,    ceivkla  eigentlich  (dag.  ägn  eigen),    dr  tsivceite 


78  LESSIAK  §  71 

der  zweite  (dag.  tsirä  2),  pneits  'bereits',  fast,  polceidw  be- 
leidigen (dag.  lad  leid),  gtnceinde  gemeinäe  (neben  gniän  gemein, 
nnigegend.  gemeinweide).  Alle  diese  cui  sind  anf  fremden  ein- 
tluss  zurückzuführen.  Zu  -hceit,  -Jcceit  -heit,  -keit  s.  §  75,  2,  anm. 
Eine  besondere  bewantnis  hat  es  mit  dem  cei  in  cöi  ei,  pl.  ceir, 
und  mwi  mai,  mceidn  schälen  (von  jungen,  frischen  zweigen 
die  rinde"  ablösen;  auch  sich  schälen),  mceipn  f.,  mceipam  mai- 
baum.  Hier  hat  sich  das  urspr.  geminierte  i  ebenso  regelrecht 
erhalten  "wie  das  u  in  au  =  mhd.  ouiv{e).  Mhd.  ei  hätte 
eigentlich  zu  ä  werden  müssen,  aber  im  pl.  mhd.  ei-ier  musste 
das  i  erhalten  bleiben  (ä-rr)]  durch  ausgleicliung  ist  es  aus 
den  flectierten  formen  auch  auf  den  nom.  acc.  sing,  übertragen 
worden  (vgl.  die  zarzerischen  formen  oäic  ei,  mgüie  maibaum, 
gegen  sonstiges  oä,  z.  b.  l-hoa.mr  kaiser). 

Wenn  es  dagegen  nie  (demin.),  arlhlgr  (eierklar,  eiweiss) 
heisst,  so  erklärt  sich  dies  daraus,  dass  vor  folgendem  con- 
sonanten  die  gemination  aufgegeben  werden  musste  (vgl.  unten 
§  73,  2  khräl). 

§  71. 

Das  a,  w'elches  unsere  ma.  im  gegensatz  zum  pa  der 
meisten  übrigen  bair.-österr.  ma.  als  Vertreter  des  mhd.  ei  be- 
sitzt, erstreckt  sich  auf  einen  grossen  teil  der  kärntnischen 
dialekte.  Wenn  wir  etwa  durch  die  mitte  des  deutschsprechen- 
den gebiets  eine  mit  der  Sprachgrenze  parallel  laufende  linie 
ziehen,  so  entspricht  diese  ungefähr  der  grenze  zwischen  den 
«--und  oa-dialekten.  Die  südliche  hälfte  (das  Gailtal  mit  ein- 
begriffen) spricht  a,  die  nördliche  qü.  Auch  das  einst  kärnt- 
nische, jetzt  tirolische  Pustertal  und  die  friaulischen  Sprach- 
inseln scliliessen  sich  dem  a-gebiet  an.  Zarz-Deutschrut  dagegen 
hat  QU,  das  Gottscheerländchen  neben  einander  qi,  gai,  ga. 
Die  in  der  einleitung  beschriebene  nordgrenze  des  Feldkirchner 
dialektgebiets  bildet  zugleich  einen  teil  der  a;ga-\m\%. 

Ich  kann  Schatz  nur  beipflichten,  w^enn  er  die  meinung 
Nagls,  das  a  sei  kein  einheimisches,  sondern  ein  durch  cultur- 
übertragung  eingeschmuggeltes  fremdes  element,.  für  unhaltbar 
erklärt.  Es  müssten  sich  unter  dieser  Voraussetzung  denn 
doch   irgend  AN'elclie  reste   mit   altem  ga  vorfinden:   so  durch- 


§  72  MUNDART   VON   PERNEGG.  79 

greifend  kann  diese  bewegung-  wol  nicht  gewesen  sein,  dass 
sie  jede  spur  eines  urspr.  ga  getilgt  hätte.') 

Es  scheint  vielmehr  eine  im  Verhältnis  zu  den  (>a-ma. 
gewissermassen  conservativere  entwicklung  des  diphthongs  zu 
dem  heute  vorliegenden  ergebnis  geführt  zu  haben.  Wie 
mhd,  i  in  unserer  ma.  nicht  zu  ai  mit  hellem  a  (vgl.  Schatz 
s,  5)  geworden  ist,  sondern  bei  cei  (eigentlich  oee)  stehen  blieb, 
so,  meine  ich,  hat  sich  dem  parallel  auch  in  ei  der  erste  com- 
ponent  nicht  über  a  hinaus  verändert,  sondern  es  ist  als  letzte 
Vorstufe  der  gegenwärtigen  entsprechung  ai  bez,  ae  anzunehmen, 
dessen  zweiter  bestandteil  sich  allmählich  dem  ersten  anglich, 
während  wir  für  die  übrigen  bair.-üsterr,  dialekte  wol  eine 
Weiterentwicklung  etwa  ai  {ae)  >  äae  (oae)  >  ga  vorauszu- 
setzen haben. 

Die  drei  entwicklungsstufen  ei  —  ai  (ae)  —  a  finden  wir 
in  den  lehnwörtern  des  wind,  wider:  a)  Erste  schiebt  öl  (ö): 
JÖitra  leiter  (ma.  latr),  hmöitn  froh  (mhd.  gemeit),  holda  heide- 
korn,  hoär  eiter  (ma.  dir),  zofa  seife  (ma,  säfn),  pluJia  bleiche 
(ma.  plälin),  tsöna  handkorb  (mhd.  seine,  ma,  tsäna)  u.  a.  m. 
(wenn  sich  dagegen  in  oberkrainischen  dialekten  formen  mit 
gi  finden,  z.  b.  Igitra,  so  sind  sie  natürlich  den  'oa- dialekten' 
der  ehemals  zahlreichen  deutschen  siedelungen  in  Oberkrain 
entlehnt,  als  deren  letzten  rest  wir  die  Sprachinsel  Zarz  zu 
betrachten  haben).  —  b)  Zweite  schiebt  ai:  hmdhia  wald  (eig. 
gemeinbesitz),  raitatd,  raitingd  (mhd,  reiten,  reitimge\  ma.  rätn, 
rätin),  hdiiua  geissei  (ma.  gäsl),  raizd  reise  (ma.  ras),  räi  tanz 
(mhd.  reie),  mäldr  meier  (ma.  mär).  —  c)  Dritte  schiebt:  t sälin 
zeichen  (ma.  tsähn),  stdnifs  'Steinmetz',  maurer,  täl  teil  u.s.w. 

§  72.     Umlaut  des  ei. 

Zum  a  <  *ei  gibt  es  auch  einen  umlaut  ca;  vgl.  ivqahn 
Weichheit,  weiche  (als  körperteil),  jrrt^atn  (seltener  j;m/«)  breite, 
mqasl  dem.  zu  niäsa  meise,  sic^af  pl.  zu  sicäf  schweif,  strqaf 
pl.  zu  straf  streifen,  Jchr^as  zu  khräs  kreis,  m^asl  zu  mäsl  meissel 
tcögl^ast  zu  -last  f.  geleise.  Nebeneinander  stehen  gas  und  g^asr 
gaissen,  rän  und  r^andr  raine.  tv^ats  pl.  zu  icats  hat  die  be- 
deutung  'weizensorten,  -f eider'. 

^)  Paindorf,  ma.  ix^andorf,  bildet  keine  ansuahine.  Der  uame  lautet 
Ulk.  Bondorf  'Bohnendorf . 


80  LESSIAK  §  72 

Ferner  die  comparative  Ihl^anr  kleiner,  xü^ahr  bleicher, 
pr^atr  breiter,  heasr  heisser,  ivealir  weicher  (daneben  auch  häsr, 
ivCihr)  zu  IMdn,  pläx  etc.;  analogisch  j^>-fa/y-  neben  präfr  braver. 

Es  ist  zu  bemerken,  dass  die  plurale  der  neutra,  vgl.  scü{r) 
seile,  mäl{r)  male,  niemals  umlaut  liaben,  und  dass  ausser  j^räf 
kein  einziger  fall  von  Übertragung  desselben  auf  ein  anderes  a 
als  das  aus  ei  entwickelte  vorkommt  (etwa  a  =  *ä  oder  oii). 

Schatz  s.  62  erklärt  dieses  ?«  als  analogiebildung  nach  dem 
umlaut  des  ga  (mhd.  o).  Für  ihn  lag  dies  auf  der  hand,  da  in 
seinem  dialekte  mhd.  ei  und  ö  in  oa  zusammengefallen  sind. 
Aehnlicli  deutet  es  Nagl  (Eoanad,  einl.  §  IG).  In  seiner  ma. 
sind  zwar  *o  und  *ei  geschieden,  dagegen  ist  sowol  *or  als  *ei 
zu  Qa  geworden.  Nach  dem  muster  oa  '^or  >  ea  *ör  sei  auch 
*ei  umgelautet  worden. 

Indes  für  unsere  ma.  ist  eine  analogiebildung  völlig  aus- 
geschlossen. Wir  werden  in  diesem  ea  kaum  etwas  anderes 
sehen  dürfen,  als  wirklich  eine  art  umlaut  des  ei;  denn  es 
wäre  wol  sehr  gewagt,  anzunehmen,  die  nördlichen  oa-dialekte 
hätten  das  vorbild  abgegeben.  Dagegen  würden  sprechen  fälle 
wie  ivats  (ahd.  iveizi),  ymän  (ahd.  gimeini),  tsäna  (got.  tainjö), 
patsn  (ahd.  heiszen,  für  *baitjan),  ratsn  (ahd.  reüzen),  snätn 
entästen  (mhd.  sneiten,  für  *snaidjan),  lätn  {*laidjan)  u.  ä. 

Ich  habe  mir  folgende  erklärung  zurechtgelegt:  eine  be- 
einflussung  des  ei  durch  einen  folgenden  palatal  konnte  sich 
erst  geltend  machen,  als  ahd.  ei,  das  doch  wol  aus  geschlossenem 
(umlauts-)  e  +  i  bestanden  haben  dürfte,  im  bajuwarischen 
wrder  in  cei,  ae  überzugehen  begann.  Denn  ei  als  solches 
konnte  durch  einen  folgenden  palatal  wol  nicht  sonderlich 
modificiert  werden.  AVir  müssen  nun  annehmen,  dass  in  dieser 
zeit  (12.  jh.j  die  palatalität  der  consonanten  in  solchen  fällen, 
wo  ein  folgendes  i  geschwunden  oder  zu  e  geschwächt  war, 
sclion  aufgegeben  worden  war,  während  z.  b.  in  den  fem. 
abstractbildungen  auf  -i  und  in  den  deminutiven,  wo  das  * 
sich  erhalten  hatte,  vor  diesem  der  palatale  Charakter  des 
consonanten  gewahrt  blieb,  der  den  diphthougen  an  seiner 
Weiterentwicklung  zu  *ae  hinderte.')     Während   also   das  ei 


';  Trat  doch  auch  der  umlaut  des  e  nur  da  ein,   wo  das  /  der  folge- 
silbe  sich  länger  erhielt  (§  57,  4,  anm.  1). 


§  73  MUNDART    VON    PEKNEGG.  81 

in  hreit  zu  *ac  wurde,  blieb  es  in  hreiti  unverändert.  Aus 
einem  solchen  nebeneinander  me  hraet  —  hreiti  musste  sich  — 
nach  dem  Vorbild  von  rot  —  roeti  u. s.w.  —  für  das  sprach- 
g-efühl  natürlich  unbewusst  der  geg-ensatz  von  nicht  umgelau- 
tetem  und  umgelautetem  ae  herausbilden,  der  dann  analogisch 
auch  auf  die  pluralbildung  übertragen  wurde.  Was  die  Steige- 
rung anbelangt,  so  kann  er  sich  hier  wol  auch  auf  lautgesetz- 
lichem wege  entwickelt  haben,  denn  es  ist  nicht  sehr  unwahr- 
scheinlich, dass  sich  hier  —  zumal  im  Superlativ  —  das  neben- 
tonige /  länger  erhielt  als  unter  ähnlichen  bedingungen  in 
anderen  nebensilben. 

Dieses  'umgelautete'  ei  ist  in  der  folge  —  wol  über  ee  — 
zu  f«  geworden  und  mit  dem  aus  mhd.  e  entstandenen  diphthong 
zusammengefallen. 

In  pQade  (neben  seltenerem  pääe)  beide,  tveane  geht  das 
f«  höchstwahrscheinlich  auf  r  zurück  (zu  jenem  vgl.  Sievers, 
Beitr.  10,  495,  anm.). 

§  73.    Mhd.  ou. 
Mhd,  ou  wurde  vor  gutturalen  und  *u  zu  au,  sonst  zu  «. 

1)  o«t  >  a:  gläbm  glauben,  stäw  staub,  law  laub,  säw  schaub 
(auch  'geld'),  tsäivm  zaubern,  lahm  vorhaus  (mhd.  louhe);  traf 
m.  traufe,  /«/"taufe,  gäfn  i-aum,  gebildet  durch  die  aneinander 
gelegten  hohlen  bände  (mhd.  (joufe),  räfn  raufen,  lüfn  laufen, 
sträfn  streifen  (mhd.  stroufen:  *02i  nach  ausAveis  der  pa-ma.), 
llmäflu  knitpfen  (zu  mhd.  Jmouf);  gäm  gaumen,  tsäm  zäum, 
täm  dunst  (mhd.  totini),  träm  träum,  säm  säum,  räm  rahm 
(mhd.  roum). 

Die  ausnahmen  iirlamv  Urlaub,  neben  clrlähn  erlauben, 
Jihauf  kauf,  neben  /:liafn  kaufen,  rauhm,  ranwr  rauben,  räuber, 
neben  räw  raub  von  bleuen  (daher  rappöeia  raubbiene),  haup- 
mQn,  -sglin  hauptmann,  liaui)tsache,  neben  happl  krautkopf, 
stück  woUvieh,  happotu  pl.  köpfende  {'^hoiihethette),  sind  sicher 
auf  fremden  einfluss  zurückzuführen. 

2)  ou  >  au:  auga  äuge,  laugmn  leugnen,  taugn  taugen, 
laugn  lauge,  ratix  rauch,  spaulhn  herumschleichen,  trans.  ver- 
jagen (vgl.  Kluge,  Wb.  unter  sjmJi,  '^spank-),  kauldn  allerlei 
bewegungen  machen,  'gaukeln'  (vgl.  §  117, 1,  c).  —  fräu  frau, 
du  au,  gonäu  genau,  tau  tau  m.,  liaundii  hauen,  saugv  schauen, 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXVllL  (j 


82  LESSIAK  §  74 

duM'c  {amvea)  ach  (mlid.  ouive).  Die  ausnahmen  u  auch,  lax- 
(jrean  (^-L)  unreif,  'lauchgrün',  ivölfa  Wolfau  (urk.  Wolfowe), 
(jnmsa  Gnesau  (urk.  Gnesoive),  erklären  sich  aus  der  neben- 
tonig-keit,  bei  ä  ist  die  schwachtonige  form  verallgemeinert 
Avorden.  strä  (neben  ströiv)  streu,  tsr-,  frsträndn  zer-,  ver- 
streuen (neben  gnströhn  anstreuen),  gehen  auf  die  mhd.  kurz- 
formen  slrou,  stroun  zurück,  ebenso  hhml  kräuel  (für  "^Icrouwel, 
gen.  Vü-oules  u.s.w.).  Auch  lfm  lawine,  scheint  hierher  zu 
gehören. 

Dass  sich  ou  über  au  zu  ä  entwickelte,  können  wir  aus 
den  lehn  Wörtern  im  wind,  ersehen:  a)  Erste  Schicht:  die  ältesten 
entlehnungen  haben  sehr  geschlossenes  ö.  Es  ist  wol  aus  öu 
hervorgegangen,  wie  denn  im  wind,  auch  sonst  öu  vor  labialen 
in  ö  übergeht:  röp  raub,  sköpa  schaub,  nöpa  iaube',  Vorhalle, 
tsöprato  zaubern;  daneben  steht  u  in  ^nww  weberbaum,  uüx 
(für  Hng)  lauge.  —  b)  Zweite  schiebt:  strcmfatd  {==  msi.  sträfn), 
tsaunidr  \)Ya.ntt\\\\YeY  (ma.  tsämr,ti\Y'^^oumwre),  drlauhatä  (=:ma. 
drlähni).  —  c)  Dritte  schiebt:  ^;a»i  bäum,  zämdr  (ma.  sämr, 
mhd.  soumcere)  u.  a. 

§  74.    Umlaut  des  ou. 

Als  Umlaut  des  ou  erscheint  mi  in  folgenden  fällen:  1)  Imi 
lieu,  hce'uß)  heu  machen,  göei  gau  (gewöhnlich  nur  im  pl.  ge- 
braucht; im  sg.  ist  es  weiblich,  wol  nach  analogie  des  pl.), 
fr(jeid  freude,  hfrceindn  (ge-)f reuen;  —  2)  migle  äuglein,  frceiln 
f.  fräulein;  —  3)  pdüeibm  betäuben,  frkhceifr  Verkäufer. 

-  Vergleiche  dagegen  j9«?«7«^/ö' beiläufig,  {nus-)pmndn  ('^höumm), 
pamle  bäumlein  {pümr  bäume),  und  die  oben  erwähnten  glähm 
{^galauhjan),  sträfn  (^^'straupjan),  au  (*awjö)  u.s.w. 

Wenn  wir  alle  diese  fälle  überblicken,  so  können  wir  wol 
mit  Sicherheit  annehmen,  dass  wir  es  nirgends  mit  einer  laut- 
gesetzlichen  entsprechung  des  öir-umlauts  in  unserer  ma.  zu 
tun  haben.  Die  unter  punkt  2  erwähnten  fälle  sind  einfach 
analogiebildungen  nach  dem  umlaut  des  au  aus  '*ü  {frmiln  ist 
übrigens  der  entlehnung  sehr  verdächtig),  pjkcihm,  frMiceifr 
entstammen  höchstwahrscheinlicli  der  schiiftsprache.  Die  unter 
punkt  1  genannten  Wörter  sind  als  compromissformen  zu  be- 
trachten, bedingt  durch  das  nebeneinander  von  urspr.  umgelau- 
teten  und  nicht  umgelauteten  formen  desselben  Wortes. 


§  75  MUNDART  VON   PERNEGG.  83 

§  75.     Mhd.  iu. 

]\Ili(l.  hl  (=g'erm.  eu)  >  ma.  oi,  cei).  1)  oi:  urspr.  mw  ent- 
spricht es  in  lihroindn  gereuen,  ploinou  bläuen  (mlid.  hliutven), 
Ichoindn  kauen  {xnh^.hiuiven;  dazu  Icliöia  kinnlade,  maul,  Tilioipöx 
kaupech),  noimn  stampfen  (mhd.  nimven).  Es  erscheint  ferner 
in  füir  teuer  (selten  fcnir).  tvoishi  wehklagen,  wimmern  (wol 
zu  'weh':  *^^•Mt•-  als  Schwundstufe  zu  *i.vanv-),  Istoichidn  ge- 
rinnen, stocken  (vgl.Nagl,  Roanad  v.  177  g/fuitn;  indog.  wz.  steu- 
[dli-\  s,  Beitr.  26,  309);  Ihrois  krebs  {m\i±  krin 2,  lcreus\  Nagl, 
Festschr.  f.  P.  H.  Mareta,  erklärt  das  ^eu  aus  eiv  <  eh)\  tröhn 
trieb-,  viehweg  (in  Pernegg  fast  unbekannt,  bes.  in  den  ober- 
kärnt.  ma.  heimisch:  vgl.  KWb.  s.  72.  Schatz  s.  65')). 

Nebeneinander  stehen  toiß  —  iceiß  teufel,  tsoig  —  tsceigzeug 
(Werkzeug,  Stoff),  nöi  —  ncei  neu,  töir  —  t^ir  teuer,  Jwir  —  hceir 
heuer.  Selten  ist  trol  neben  trcvi  treu,  und  dröi  (drei  uhr, 
mhd.  drin)  neben  drcei.  Die  cei -tormeii  sind  gegenwärtig  die 
häufigeren. 

oi  erscheint  ferner  für  wind,  iu  in  poitsa  blutegel  (wind. 
piuiiitsa),  für  wind,  n  mit  vorausgehendem  palatal  in  loibl  Loibl 
(slow.  Ljiihelj]  eig.  luhel),  loihn  Leoben  (Kärnten  und  Steier- 
mark; urk.  Linhina  für  ""hihina,  luhjcma;  Ortsnamen  mit  oi  sind 
nicht  gerade  selten,  doch  steht  mir  keine  sichere  erklärung 
derselben  zu  geböte);  für  fremdes  eu  in  hois  Matthäus,  für  oi 
in  lois  Alois,  tsöia  häher,  tsoiga  verdorbener  maiskolben  (wind. 
söid)  u.  a. 

Anm.  Auffallend  ist  das  «  iu  läwax  Laibach  (slow.  Ljubljana  für 
*lubjana);  die  nördl.  ma.,  ebenso  Zarz  haben  ga,  Gottschee  oi  =  *ei). 

2)  (ei  für  ni  erscheint,  wenn  diesem  ein  i  oder  j  folgte, 
d.  h.  wenn  umlaut  eintrat  (r  und  w  wirkten  umlauthindernd, 
vgl.  oben  noi,  trui,  töir):  tceits  deutsch,  Iceit  leute  (dem.  Iceitl 
kommt  auch  im  sg.  vor),  dceitn  deuten,  sirrceitsn  spreizen  (*spriut- 
jan),  nn'ine'  neun  (mhd.  niunin),  fceixin  flehte  (vgl.  Kluge,  Wb. 
unter  ficJtte),  heixtn  leuchten,  grceipa  griebe  (*griubjön),  Iceisn 
leuchse,  sceix  scheu,  sa^ihn  feldscheuche,  scheuen,  h  scheint  also 
in  unserer  ma.  nicht  umlauthemuiend  gewesen  zu  sein. 

Als  'höfische'  lehnwörter   sind  zu  betrachten  frceint  ver- 


^)  Zuletzt  hat  dieses  wort  besprochen  V.  Hintner,  Zs.  f.  d.  Wortforschung 
1902,  s.  129.    Er  erklärt  es  ans  tn'ircy  —  <<  irihweg  —  triebweg. 


84  LESSIAK  §  75 

wanter,  freund  (vg-1.  Schatz  s.  66  fnt^t),  tsocig  zeuge  (die  neben- 
form  tsceige  weist  direct  auf  entlehnung),  stwir  Steuer  (die  nördl. 
ma.  haben  noch  stuir)]  prceidn  brauen,  ist  sclion  an  seiner 
endung-  als  fremdwort  erkennbar;  es  müsste  ma.  zum  mindesten 
prce'mdn  lauten;  dasselbe  gilt  von  rceidn  reuen  (neben  khroindn). 
plml  bläuel,  ist  vielleicht  auf  %lüivil  zurückzuführen.  Bei 
pceintn  (vgl.  Kluge,  "Wb.  unter  heunde)  liegt  wol  die  form  Mwende 
zu  gründe,  während  für  die  ma.  mit  oi,  ui  (vgl.  Schatz  puit) 
hiwende  mit  t  als  grundform  anzunehmen  ist. 

Das  urspr.  Verhältnis:  o'i  als  Vertreter  des  nicht  um- 
gelauteten,  «?/  des  umgelauteten  dii)hthongs  iu,  ist,  wie  aus  den 
angeführten  beispielen  hervorgeht,  ziemlich  stark  getrübt 
worden  durch  die  grosse  beeinflussung,  die  die  ma.  in  jüngster 
zeit  \o\\  Seiten  der  stadtsprache  erfährt.  Doch  schon  der  um- 
stand, dass  wi  nur  in  den  Wörtern  auftritt,  die  auch  das 
'höfische'  kennt,  dagegen  nicht  in  den  ihm  fremden  wie  nohidn, 
ploimm,  kkrois  u.s.w..  beweist  zur  genüge,  dass  wir  es  hier 
mit  entlehnungen  zu  tun  haben,  die  die  echten  formen  zum 
teil  sch(jn  verdrängt  haben,  in  anderen  fällen  sie  zu  ver- 
drängen suchen. 

Was  die  flexion  der  starken  Zeitwörter  der  zweiten  klasse 
anbelangt,  so  ist  ?<9  im  ganzen  präsens  verallgemeinert  worden. 
Man  tlectiert  also  durchgehends  i  sidtv,  du  sidhst,  er  sidp  u.  s.  w., 
imp.  sidiv. 

Entsprechend  der  urk.  Schreibung  des  diphthongs  (iu  —  eu) 
erscheint  in  älteren  fremd  Wörtern  des  windischen  teils  iu:  riua 
trübsal,  unglückliches  weibsbild  (mhd.  riuwe),  hriuato  (für 
*griimti)  gereuen  (vgl.  auch  slow,  stihra  Steuer,  mit  *v  >  h), 
teils  öu:  tsöuh  zeug,  döup  dieb. 

Metathese  von  iu  zu  ui,  wie  Schatz  s.  66  meint,  ist  kaum 
anzunehmen.  Die  entwicklung  dürfte  wahrscheinlich  folgender- 
massen  gewesen  sein:  iu  >  eü  >  öü,  dieses  mit  dissimilation 
zu  oü  und  weiterhin  zu  oi  bez.  ui,  während  das  umgelautete 
iu  über  iü  zu  ü  und  weiterhin  zu  cei  wurde. 

Anm.  Bemerkenswert  sind  die  formen  da  die,  nora.  acc.  \}\.  und  nom. 
acc.  fem.  sg.  '*dhi,  so  sie,  nom.  acc.  \)\.  '*sm,  firmvö  warum  (für  *für  [ein':!] 
wiu,  vgl.  KWh.  s.  259  znw,  zwoi).  Das  ö  wird  sich  kaum  anders  als  aus 
*/n  erklären  lassen,  und  zwar  dürfte  es  aus  *öü,  also  einer  Vorstufe  des 
heutigen  oi,  hervorgegangen  sein.  Der  grund,  warum  die  iu  in  diesen 
wortformell   in   der  entwicklung  hinter  den  übrigen  zurückgeblieben  sind, 


iis  76  MUNDART   VON   PERNEGG.  85 

ist  ihre  eventuelle  uebeiit»,.iiigkeit.  Ursprüiiglicli  müssen  du  (nebentonig) 
—  doi  (starktonig-)  n.  s.  w.  nebeneinander  gestanden  haben.  Diese  wurden 
allmählich  verdrängt,  indem  man  die  nebentonigen  formen  verallgemeinerte. 
In  döge,  do/ge  'diese",  der  adjectivischen  Weiterbildung-  zu  *dh(,  ist  die 
(loppelheit  noch  erhalten  (die  ansieht  Lexers,'  K^Yb.  s.  4f),  doige  sei  in  dg-iye 
'darige'  aufzulösen,  ist  entschieden  irrig). 

Aehnliche  fälle  finden  sich  auch  sonst,  die  beweisen,  dass  die  diphtlionge 
unter  'stärkerenr  nebenton  (d.h.  so  weit  sie  nicht  völlig-  abgeschwächt 
wurden),  eine  im  Verhältnis  zu  den  Starktonsilben  rückständigere  entwick- 
lung  nahmen.  "Während  *ei  in  Stammsilben  über  (ce,  ue  zu  «  wurde,  er- 
scheint es  in  der  ableitungssilbe  -heit,  -Ticit  als  ai  (lee):  fobihait  falsch- 
heit,  tiwüia'it  dummlieit,  ksiinthceit  gesundheit.  r/vJiJueit.  la'iatikhu'ä  leichtig- 
keit,  eau-iklueit  ewigkeit,  samvrlihxt'it  Sauberkeit  (nebeneinander  stehen  JcroDk- 
h(eit  und  khrovkhat  krankheit ;  stets  heisst  es  vnvlot  Wahrheit).  Es  ist  nicht 
anzunehmen,  dass  hier  etwa  schriftsprachlicher  einfluss  vorliege.  Auffallend 
ist  es  nur,  dass  in  zweisilbigen  Wörtern  sich  daneben  abgeschwächte  formen 
vorfinden,  doch  müssen  wir  hiei-  immerhin  mit  ausgleichungen  rechnen. 
Vgl.  noch  /«'/A-o/' Icikauf  (mhd.  IHkonf)  mit  o  für  *cm  statt  des  zu  erwarten- 
den «  (ähnlich  urslcvin  kuhpockeu.  mhd.  urslcht,  mit  e  für  «).  Wahrschein- 
lich ist  auch  die  deminutivendung  -k  C'-U)  aus  -lei  hervorgegangen,  s.  §  89. 

G.   Mhd.  ie,  uo,  üe. 

§  76.    Mhd.  ie. 

Mhd.  ie  >  ij,  vor  r  >  7,  vor  nasal  >  m:  1)  dioiv  dieb, 
li9w\ieh,  tidfüet  Ihlidhm'kMeheYi,  /7/<>r/a  fliege,  smiagtj »chmiegeu. 
sidx  hässlich,  dazu  sidlin  sich  scheuen  (mhd.  schiech,  schiehen), 
sidhn  krankheit  (zu  'siech'),  lidlin  Iwokt  zum  verscliliessen  (zu 
w\\\di.Uechen  schliessen),  ///»/r«  fliehen; — j)/9/«  bieten,  nidtn  met% 
grids  gries,  sand,  pi<^st  biest,  mios  moos  (mhd. ««es-),  tsiotr  deichsei 
für  ein  Ochsengespann  (mhd.  zieter),  frlidsn  verlieren,  tridl  m. 
lippe  (mild,  triel).  —  Urspr.  geschlossenes  e  liegt  zu  gründe  in 
i'idivr  fieber,  tsidcjl  ziegel,  sind(jl  Spiegel,  pridf  brief.  Vgl.  auch 
wid  wie,  hi9tsa  jetzt,  an-iddr  ein  jeder,  nid  nie. 

2)  Vor  r:  stlr  stier,  Ür  tier,  cWru  magd  (mhd.  (Herne),  sllr 
geschwür,  bubo  (mhd.  slier). 

3)  \oYm,n:  r^c/mriemen,  j9/)-fajn  pfriem, /i7i«^a«c)»  knieen, 
d^andn  dienen;  ferner  .str^am  Strieme,  M(^an  kien,  neamr  nimmer, 
n(;amp  niemand.  Ebenso  in  dem  fremdwort  ddleantse  (doJcanfsef) 
Dolientschig  (^"dolidutsilcc).  ]\Iit  ausfall  des  h\  l^amtvcrg  Liem- 
berg  (urk.  LiehinhcrcJi). 

i  für  i9  erscheint  (wie  schon  im  mhd.)  in  mir  immer,  indrl 


86  LESSIAK  §  77.  78 

(inclrst).  nindrf  (nindrsf)  irgend,  nirg-ends  (mlicl.  indert,  nindert). 
s'if  schief,  ist  entlelint.    mm  ihm,  setzt  ein  mlid.  -^iem  voraus. 

§  77.  Mhd.  uo. 
Mhd.  uo  >  iid,  vor  r  >  u,  vor  nasal  >  ga,  vor  l  +  cons.  >  o: 
1)  rüJ  ruhe,  plüd  f.  blute  (mhd.  hliio),  rudwa  rübe  (mhd.  riiobe), 
mudtr  mutter,  fudtr  futter,  fuddr  fuder,  pruotn  brüten,  frudt  m. 
artig-keit,  Sauberkeit  (mhd.  vruoi)]  dazu  frudU  von  blühendem 
aussehen),  piidsn  busen,  mudt  gemüt,  tvudst  wüst,  hhliidg  'klug', 
sparsam,  karg,  pudhn  buche,  siidhn  suchen,  subst.  fem.  furche 
(ahd.  siioha),  Sluoxtn  Schlucht  (zu  mhd.  sluoche  graben;  vgl.  da- 
gegen Kluge,  Wb.  unter  schluckt),  spudla  spule,  wuoln  wühlen. 
Etymologisch  dunkel  ist  Jcsnuopr  sauber,  hübsch. 

2)  für  führe,  fahrgelegenheit,  hur  hure. 

3)  grganQn  grünen,  (jrgamdt  grummet  (mhd.  gruomnät), 
plQama  'blume'  (als  kuhname),  tgan  tun  (daneben  tän  beson- 
ders in  den  talma.). 

4)  oldrdxVh'ioh,  ivolmaus m2i\x\\\m:i  {vüh^.'^^tviwlmüs),  moltr 
längliclie  holzschüssel  (mM.muoUer;  in  den  nordwestlichen  ma., 
z.  b.  Radenthein,  geht  uo  auch  vor  einfachem  l  in  o  über:  stul 
stuhl,  söl  schule,  dag.  stidb  stühlchen). 

§  78.    Mhd.  üe. 
Mhd.  üe  >  id,  vor  r  >  i,  vor  nasal  >  ea.    Es  fällt  also 
durchweg  mit  *ie  zusammen: 

-'  1)  mtd  mühe,  ^;>•^^  brühe,  tridw  trüb,  rmve  ruhig  (mhd. 
rüewec),  ridfn  rufen,  middr  mieder,  kstiddl  n.  Webstuhl  (zu  mhd. 
stuodel)yplidtn\)\\it&Q.,  wsZrüssel,  ioksn  achselhöhle  {mhLüehse), 
tidhon  (mhd.  tüechin),  widha  geil,  fett  (vgl.  Schatz  s.  106),  nioin 
aushöhlen  (zu  mhd.  nüejel  nuthobel),  tioln  Vertiefung  (mhd.  tüele). 

2)  rlrn  rühren,  ßru  führen,  wtra  rinnsal  mit  dämm  zum 
ableiten  des  wassers  (mhd.  ivüere). 

3)  m^ama  tante,  muhme  (dem.  m^am&Z;  aus  *wmomja) ;  grea- 
nidtn  grummeten,  gre,an  grün,  h^andl  liühnchen,  plqandn  blühen, 
gleantc  glühend  (mhd.  gläendic),  pre^anon  brühen,  pdm^andn  be- 
mühen, le^midn  brüllen  (mhd.  lüejen,  lüen),  khQcmfsl  klette  (vgl. 
BWb.  1,  267  unter  IdienM.  DWb.  5,  2746),  Iche^an  dat.  pl.  kühen 
neben  analogischem  hh'mi). 


§  79.  80  MUNDART   VON   PERNEGG.  87 

Auiii.    lu  wiiulischeii  lehnwörteru  findet  sich  zuweilen  ;«  als  Vertreter 
des  mhd.  iie,  z.  b.  7nüia  (niuoia)  mülie,  pnidlinlc  (ma.  prialiJ)  friscliliug  (zu 
brühr). 

§  79. 

Uebersicht  der  entsprecliungen  der  ma,  vocale 

und  diplithonge  im  mhd. 

(Von  einigen  ausnalinien  habe  ich  in  dieser  Zusammenstellung  abgesehen.) 

ma.  a  =  mhd.  ä,  oe,  ei,  ou  vor  labialen. 

ma.  ö  =  mhd.  e  (ausser  vor  nasalen  und  r);  e  (ausser  vor 
nasalen,  r,  l,  h);  ö  (ausser  vor  r). 

ma.  e  =  mhd,  e  und  e  vor  nasalen;  e  und  c  vor  l,  r,  h 
(vor  h  auch  ea);   ö  vor  r;   <r  vor  r,  l. 

ma.  i  =  mhd.  i,  ü;    e  vor  r  (hier  auch  i');    ic,  äe  vor  r. 

ma.  0  =  mhd.  0  (ausser  vor  nasalen  und  r);  iio  vor  ?  +  cons. 

ma,  0  =  mhd,  a,  a;    0  vor  nasalen  und  ;•;    0  vor  r. 

ma,  w  =  mhd,  u;   iio  vor  >•. 

ma.  cei  =  mhd.  ?,  iu  (=  «V,  d.  h,  umlaut  des  11  und  <«),  [öu\ 

ma,  mt  =  mhd.  ^'<;   ow  vor  gutturalen  und  iv. 

ma.  öi  =  mhd.  nicht  umgelautetem  iu. 

ma.  ^a  =  mhd.  e  (ausser  vor  r,  l,  /*);  m  (ausser  vor  r,  l)\ 
umgelautetem  ei;  ie  und  üe  vor  nasalen. 

ma.  id  ^=  mhd.  ie  und  üc  (ausser  vor  nasal  und  r). 

ma.  ga  =  mhd.  0  (ausser  vor  r);    uo  vor  nasalen. 

ma.  ?o  =  mhd.  uo  (ausser  vor  nasal,  r,  l  +  cons.). 

II.    Der  vocalismus  nebentoniger  silben. 

A.  Auslautende  vocale. 

§  80. 
Mhd.  -e  (ahd.  a,  e,  i,  0,  u)  ist  durchweg  geschwunden  in 
folgenden  fällen: 

1)  Im  nom.  sg,  der  schwachen  masc.  soweit  sie  lebende 
wesen  bezeichnen,  d,  h,  das  flexions-;i  nicht  auch  in  den  nom, 
gedrungen  ist:  jjö^  böte,  /<er  lierr,  /i7«7/' gehilf e,  Apshase,  (7/' äffe, 
pföf  \)i'AU^^  hsöl  geselle,  tirU  'J'ürke,  prmis  Preusse, 

2)  In  den  starken  masc,  auf  -c  (ahd,  -/,  -u) :  Miäs  käse,  wats 
Weizen  (ahd,  ?t'e?>^?),  hirsm.  hirse  (ahd, /«>5?);  —  möt  met  (ahd. 
metu). 


88  LESSIAK  §  81 

3)  In  den  starken  neutris  auf  -c:  pöt  bett,  stuJcx  stück, 
ent  ende,  nöts  netz,  23ilt  bild,  Ihrwits  kreuz,  Jiirfj  'hirn',  stirne. 

4)  In  den  neutralen  collectivbildungen  auf  -e:  gtvilkx  ge- 
wölk,  Mwis  gehäuse,  l-hrixt  gericlit,  gmidt  gemüt,  gtvent  'ge- 
wände",  f eisen. 

5)  In -den  zweisilbigen  ableitungen  auf  (mhd.)  -misse,  -in(ne), 
-imge,  -cere,  -oete  u.  ä. 

6)  Im  sing,  der  starken  fem.  (n-ded.):  m.s- reise,  .sto?  schule, 
spröx  spräche,  frag  frage,  nag  neige,  stunt  stunde,  sint  Sünde. 

7)  In  der  flexion:  a)  im  dat.  sg.  der  starken  masc.  und 
neutra;  —  b)  im  nom.  acc.  pl.  der  starken  masc.  und  der  fem. 
der  i-decl.;  —  c)  in  der  l.p.  ind.  und  3.  p.  conj.  praes.  aller  verba, 
im  imp.  sing,  der  schwachen  verba,  ferner  in  der  1.  und  3.  conj. 
praet.  und  in  der  participialendung  -ende  (s.  flexionslehre). 

§  81. 

Dagegen  hat  sich  der  auslautende  vocal  erhalten: 
1)  als  a: 

a)  Im  sing,  einer  grossen  anzahl  schwacher  bez.  schwach 
gewordener  fem.:  sola  schale,  Mla  hülle,  pir«  birne,  pfrauma 
pflaume,  sina  schiene,  Igiva  laues  wasser,  ggnva  garbe,  tswöspa 
Zwetschke,  taiifa  daube,  häua  haue,  karst,  grata  gräte,  rgasa 
rose,  blume,  ivartsa  warze,  süeiga  hühnersteige,  fllga  flügel, 
tsgnga  zange,  hglclia  hacke,  smelha  Schmiele.  Indes  werden 
diese  formen  auf  -a  immer  mehr  durch  die  im  'höfischen'  ge- 
bräuchlichen «-formen  verdrängt,  deren  sich  die  jüngere  gene- 
ration  mit  besonderer  vorKebe  bedient.  Man  hört  also  daneben 
sehr  häufig  sgln,  gorlmi,  wartsn  u.s.w.,  zumal  bei  dingbezeich- 
nungen. 

Festes  a  haben  fast  alle  Wörter,  die  ein  lebendes  wesen 
bezeichnen,  z.  b.  hena  henne,  lieia  ziege  (vgl.  BWb.  1,  1188), 
Icgra  mutterschaf,  pmia  biene,  wöivosa  wespe,  aukha  grosse  kröte 
(vgl.  mhd.  üche,  ouJce),  ceila  eule,  präma  bremse,  anta  ente;  — 
wiUva  witwe,  gota  patin,  nmia  nonne,  m^ama  muhme.  —  Ferner 
schelten  und  Übernamen:  isgra,  trgla,  tr^apa,  mgia,^khuna  un- 
geschickte, blöde  person,  hauta  'arme  haut'  (nmsc.  hceitr),  poitsa 
feistes  weib  (eig.  'blutegel')  u.s.w.;  —  taufnamen:  mgitsa,  mitsa 
Marie,  «^«5«  Agnes,  .se/a  Josef a  etc.;  —  eigennamen  dertiere: 


§  81  MUNDART   VON   PERNEGG.  89 

kulniamen  wie  sp'oißa,  sfenia  mit  einem  weissen  fleck  (' Spiegel, 
Stern')  an  der  stirne,  tsikha  die  weissgestreifte  (zu  'zucken'), 
riJila  mit  weissem  streifen  längs  des  rückens,  sprelda  die  ge- 
sprenkelte, semhla  die  semmelfarbige,  mora  'mohrin',  heJma 
die  behelmte  (weissköpfige),  mansa  (zu  mausdt  ins  graue  spie- 
lend), nusa  die  nussbraune,  romma  die  schwarze,  hirsa  'hirsch- 
kuh',  sQfsa  'sehatz';  stutennamen:  prauna  die  braune,  Ixhöla, 
swQrtsa  die  schwarze,  selcha  die  scheckige  u.  s.  w.  (die  zu- 
gehörigen masc.  sind  in  der  regel  endungslos,  z.  b.  tsilcx,  sembl, 
rücM,  sivQrts,  prmm).  Ferner  einzelne  blumennamen:'6'/2eaA?oM"a 
Schneeglöckchen  (dag.  Uolih)  giocke),  sanaivenfa  'sonnwend- 
blume',  orakelblume  (dag.  sunaiccnt  Sonnenwende). 

Fast  durchweg  haben  nur  die  a-form  auch  solche^wörter, 
welche  in  der  stadtsprach e  entweder  gar  nicht  oder  doch  in 
einer  abweichenden  gestalt  vorkommen  (zumal  wenn  sie  im 
'höfischen'  im  sing,  nicht  auf  -n  auslauten):  ngla  ahle,  h{)wa 
lienkel  (mlid.  habe),  tsäna  korb,  äara  abgedorrter  stamm,  plisa 
baumnadel,  fehlen  der  Stadtsprache,  scira  schere,  khem  rand- 
furche (zu 'kehren'),  f()la  t'dWe,  Jchröta  kröte,  m-cb/A«  weihe  (-act), 
s  öla  Obstschale,  f^Ia  falte,  lauten  im  höf.  sär,  Wier,  fgl,  Tiliröt, 
wieix,  sölr  m.,  foltn.  Hierher  gehören  ferner  die  subst,  deren 
stamm  auf  -n  endigt:  pfgna  pfanne,  süna  sonne,  rlna  rinne 
u.  s.  w.    Nur  selten  hört  man  daneben  das  höfische  pfgn,  sUn,  nn. 

Im  ganzen  und  grossen  lässt  sich  sagen,  dass  (abgesehen 
von  den  eben  angeführten  kategorien)  bei  bezeichnungen  von 
kleineren  gegenständen,  Werkzeugen,  pflanzen,  fruchten  u.dgl. 
die  rt-formen  bevorzugt  werden.  Dagegen  haben  Wörter  mit 
abstracterer  bedeutung,  ausdrücke  für  räum  und  zeit  durchweg 
die  endung  -n ;  z.  b.  söhn  sache,  ivöhn  woche,  soeitn  seite,  strgsn 
Strasse,  ggsn  gasse,  wim  wiese,  Iccitn  leite,  halde,  Idiirhn  kirche, 
priihhi)  brücke,  hiün  hütte,  stühm  stube,  smittu  schmiede,  nekhi 
wegbiegung  (aber  Ihöslrwida  drehstange,  woran  der  kessel 
hängt);  die  weiteren  beispiele  s.  §  141. 

Die  Ursache  dieser  differenzierung  ist  mir  nicht  ganz  klar. 
Es  mag  sein,  dass  die  zahlreichen  abstracta  auf  -ii  die  anregung 
zur  Verallgemeinerung  der  «-form  gegeben  haben. 

Ursprünglich   drei-   und  mehrsilbige  fem.   n- stamme   mit 

suffixalem  sonorconsonanten  (ahd. -a?a, -am  u.  s.  w.)  sind  in  die 

gemischte'  decl.  übergetreten,  d.h.  sie  haben  ihren  auslautenden 


90  LESSIAK  §  82.  83 

yocal  verloren;  vgl.  otr  iiatter,  plötr  blatter,  dreasl  drossel. 
Eine  ausnähme  bilden  die  etyniologiscli  dunklen  Igdra  schmu- 
tziges Wasser  (KWb.  s.  171;  in  ähnlicher  bedeutung  palüdra, 
vielleicht*  zu  it.  jjrt?2a?e),  ^wrfm  art  matrosenpfeife, 'mund'  (vgl. 
dazu  K^^'b.  s.  215.  339),  Uiittra  schnapsflasche,  tsumpra  vulva 
(KWb.  s.  227),  pl^adra  plauderin.  Fremdwort  ist  numra  num- 
mer(o).  Vgl.  dazu  noch  §  85, 1,  c. 

§  82. 

b)  Im  sing,  der  schwachen  neutra:  ora  ohr,  auga  äuge. 
Sie  werden  wegen  ihrer  endung  auch  häufig  als  fem.  gebraucht 
(dö  auga,  dö  gm).  Nur  fem.  ist  ivgnga  wange  (eine  ausnähme 
bildet  lierts  herz,  das  zum  teil  schon  im  mhd.  nach  der  jö-decl. 
flectiert  wird,  vgl.  Paul,  Mhd.  gr.  §  131). 

Dazu  kommen  eine  reihe  neutraler  ableitungen  auf  -dda: 
waJihoda  eingeweichtes  futter  (zu  ivaJchn  einweichen),  smöUsdda 
art  eierschmarrn  (zu  smöltsn  schmelzen),  fnvceisdda  zerlassenes 
Schweinefett  (zu  fnvceisn  'verweissen',  abschmalzen;  entspr. 
slow.  2a-heliti),  smoltsdda  zerlassenes  schmalz,  sgldt-giümglidda 
•abgemachter',  d.h.  zubereiteter  salat,  frhokhdda  kleingehacktes 
Schweinefett,  säJidda  harnlache  (zu  sahn  harnen,  mhd.  seichen), 
Jvhöhdda  etwas  gekochtes,  tuukhoda  wo  man  hineintunkt,  tunke, 
tempfdda  gedünstetes,  'gedämpftes'  fleisch,  misdda  gemisch, 
ritsoda  gemengsei  (KWb.  s.  209,  vgl.  BAVb.  2, 191). 

In  folgenden  beispielen  überwiegen  bereits  die  höfischen 
kurzformen  auf  -dt:  ivakhot,  smöUsot,  fnvmsdt,  frhokhot,  tempfdt, 
rltsH  (letzteres  masc.  und  in  etwas  modificierter  bedeutung: 
gericht  aus  gerste  und  bohnen).  Es  ist  bezeichnend,  dass  sie 
in  den  übrigen  fällen  nicht  vorkommen,  da  diese  der  stadt- 
sprache  unbekannt  sind. 

§  83. 

c)  Als  -a  erscheint  der  auslautende  vocal  ferner  in  folgenden 
ad  jecti  vischen  ja -stammen:  gawa  fett,  ausgiebig  (mhd.  gosbe), 
hariva  zu  viel  gesalzen,  'herbe',  Jchihva  bewölkt  (zu  Jchihv  ge- 
wölk,  mhd.  gehihve),  e^ada  geschmacklos,  leer  (mhd.  vede,  in  ähn- 
licher bedeutung  ^Z^öc/a,  mhd.6Z«ffc),  x>rqada  gebrechlich,  spröde 
(mhd.  hroide),  daneben  auch  spre^ada  (anlehnung  an  die  schrift- 
deutsche form?),    ivilda  wild,    Imda  zu  wenig  gesalzen,   auch 


§  84  MUNDART   VON   PEKNEGG.  91 

Ihisa  (yg-l.  KWb.  s.  180;  sclnvilb.  lina),  lenda  weicli,  nicht  durcli- 
gebraten,  siech  (vgl.  dazu  l(^an  weicli,  von  eiern),  Iceisa  leise,  >) 
Jasa  lässig,  träge  (mhd.  Hce^e),  Jchceisa  schwach,  zart,  gebrech- 
lich (mild.  Iciusche),  fl^atsa  flach,  seicht  (vom  geschirr;  vgl.  ahd. 
//aj  flach;  m  fordert  ein  urspr.  e  oder  aj),  gcüia  jäh  {m\\L  gcelie), 
sidha  schiech,  garstig  (mhd.  sckieJie),  tsülia  zähe,  ividha  geil,  fett 
(vgl.  KWb.  s.  260.  Schatz  s.  106,  cimbr.  hüge  mit  g  =  *A),  träga 
träge,  evga  enge,  sUla  stille,  lümdla  kühl  (neben  WiidV),  tera 
unempfindlich,  taub,  verstockt  (mhd.  *t(ßre).  Die  «-formen  sind 
sozusagen  ein  curiosum  der  alten  leute.  Die  Jugend  gebraucht 
mit  Vorliebe  die  endungslosen  formen  ead,  sn^ad,  siox,  hanv  u.s.w. 
Die  übrigen  adj.  dieser  klasse,  wie  lull  schlüpfrig  im\\([.hcele), 
lär  (mhd.  leere),  stat  ruhig  (mhd.  stcete),  fast  (mhd.  veste),  sqan 
(mhd.  scJicene),  dm  (mhd.  dünne)  u.  s.  av.,  haben  den  auslautenden 
vocal  verloren. 

Anm.    Das  adv.  ahd.  lulid.  där-inne  erscheint  als  dnua  und  drin. 

2)  Urspr.  auslautendem  vocal  (bez.  diphthong)  entspricht 
-c(-e)  in  folgenden  fällen: 

§  84. 
a)  In  deminutiven  auf  -le;  —  b)  in  koseformen  auf  -c\  — 
c)  in  einigen  fem.  abstr.  (ich  behandle  diese  drei  gruppeu  der 
Übersicht  halber  in  besonderen  paragr.,  s.  u.);  —  d)  im  nom. 
acc.  sg.  fem.  und  nom.  acc.  pl.  aller  geschlechter  der  starken, 
im  nom.  sg.  masc.  und  nom.  acc.  sg.  fem.  und  neutr.  der  schwachen 
adjectivflexion  (s.  flexionslehre,  §  143  ff.);  —  e)  in  Zahlwörtern 
von  3  bis  (einschl.)  19,  wenn  sie  nicht  attributiv  verwendet 
werden:  drceid  3,  ftre  4,  finfe  b,  andbß  11,  simtsone  11  (dag. 
flr  §töJcx,  wisndn,  glösr  vier  stocke,  wiesen,  gläser);  —  f)  ferner 
vertritt  es  fremdes  -/:  a)  lat.  gen.  von  personennamen:  tsn 
fdippe,  loscfc,  martlne,  george  zu(m)  Philippi,  Josephi  u.s.w., 
analogisch  mihele,  iohäne  Michaeli(s),  Johanni(s);  —  ß)  masc, 
lat.  -ins:  speise  'spezi',  busenfreund  (^spedus),  nätse  Iguatius, 
iune  juni,  irde  juli  (daneben  auch  -i);  —  /)  fem.,  lat.-/«,  -ium: 

1)  In  welcher  beziehimg;  diese  ihrer  bedeutung  nach  so  nahe  verwauten 
Wörter  zu  einander  stehen,  ist  mir  nicht  vüllig  klar.  A'ielleicht  sind  ver- 
schiedene wurzeln  durcheinander  geraten.  Vgl.  Kluge.  Wb.  unter  linde  und 
leise.  Auch  loide  (weiche  Ij  und  mhd.  liicmc  matt,  milde,  können  zum  ver- 
gleich herangezogen  werden. 


02  LESSIAK  §  85 

famlJe  faniilie.  mafcre  'materie'.  eiter,  l-hamöde  komödie,  stüde 
Studium,  (jauclc  g-audium,  Stuäöre  stübclien  {studorium).  [Vgl. 
auch  mödd  mode,  brauch,  paräde  parade,  safläde  (safoläde) 
cerA'ehit-wnirst,  lommie  limone,  citrone.  mit  -e  =  nhd.  e.] 

§  85.    Die  deminutiva. 

Es  "Wären  in  diesem  Zusammenhang-  eigentlich  nur  die  -le, 
-Z-demin.  und  die  koseformen  zu  behandeln;  ich  benutze  jedoch 
die  gelegenheit  zu  einer  übersichtlichen  darstellung  der  demi- 
nutivbildung-  überhaujjt. 

üeminutive  sind  in  der  ma.  ungemein  beliebt. 

1)  Z-suffix. 

a)  Am  gebräuchlichsten  sind  die  formen  auf  -le,  -ale,  ilec- 
tiert  (gen.  dat.  sg.  und  im  ganzen  pl.)  -lan,-dlan:  /?Ä;5?e  füchslein, 
Ichifhle  kirchlein,  pcriße  berglein,  ptsle  sträusschen  (zu  pmn 
strauss),  rlmjle  ringlein,  dirndle  (didndlo)  'dirnlein',  mädchen, 
r^asle  röslein,  blümchen,  täsle  täschchen,  lalMe  (zu  l{)k}m  lache), 
wcehvle  weiblein,  (jäsle  gässchen,  witrle  (zu  autr  euter),  pilfrle 
pülverchen,  tsikkrlc  'zuckerchen',  bonbon  u. s.w. 

Subst.  auf  (mhd.)  -el  bilden  ihr  deminutiv  regelmässig  auf 
-die  (die  erklärung  hierfür  gibt  Schatz  s.  71):  föfple  vögelein, 
täfdle  täfeichen,  nägole  kleiner  nagel,  nelke,  ampidle  lämpchen 
(zu  Qmpl),  fjäwdle  kleine  gabel,  lwg,Jlan  (pl.  e.  speise;  zu  Imsgl 
hinge).  Dagegen  ist  bei  einsilbigen  auf  -l  durchweg  synkope 
eingetreten:  ^«?e  tälchen,  teilchen  (mhd.  täleli[n]j  ic(leU[n]),  stäle 
kleiner  stall,  säle  schälchen,  grak  betschnurkügelchen  (zu  grgld), 
file  füllen  (zu  fü),  snäle  kleine  schnalle,  Jchnceüe  (zu  Minaul 
knäuel),  grde  kleine  grille.  Inconsequent  ist  die  behandlung 
der  subst.  mit  suffixalem  -n,  -m,  vgl.  tvägole  kleiner  wagen, 
Jiöfole  töpfchen  (zu  höfn),  wüfdle  (mhd.  *iväfenU[n],  zu  w^fa  rüb- 
hacke),  paddle  neben  pödn{d)le  kleiner  boden;  nur  öfndle  kl. 
ofen,  pösndle  kl.  besen.  Nach  analogie  der  übrigen  fem.  Jchötl{e) 
kl.  kette. 

-die  wird  ferner  gebraucht,  um  den  begriff  der  kleinheit 
zu  verstärken  oder  zum  ausdruck  der  Zärtlichkeit:  pidwdle 
'liebes  büblein',  fidsdle  feines,  zartes  füsschen,  sivalwdle  kosend 
'das  liebe  schwälbchen',  a  khlawintsiks  gartole  ein  kleinwinziges 
gärtchen,  neben  gewöhnlichem  pinvle,  fiosle  u.s.w.    Stets  er- 


§  85  MÜNDART    VON    PERNEGG.  93 

scheint  es  bei  eigennamen:  nmidle  Anna,  seppdle  (zu  sep  Josef), 
loisdle  (zu  lois  Alois)  u.  s.  w. 

Es  scheint  in  diesen  fällen  doppelte  deminution  vorzuliegen. 
Als  ausgang'spunkt  sind  die  dem.  kurzformen  fidsl,  liansl  u.s.w. 
zu  betrachten.  "\Me  ilsl  Schüssel,  über  sislle  zu  stsole,  so  hansl 
Hänschen,  über  liansUe  zu  hansdle. 

Anm.  Besonders  beliebt  ist  -ole  in  der  kindersprache.  Hier  werden 
die  demiuutiva  übrigens  gewöhnlich  nmlautslos  gebildet,  so  z.h.  pudicale 
st.  pi9icle,  fuasale  st.  fidsle,  huntsJe  st.  h/'ntle  hündchen,  hantele  Qiantdle)  st. 
//«»f/e  händchen,  vi. s.w.  Umlautslose  formen  wie  äo^ss/c,  ?wö;?37e  schätzchen, 
mäunchen,  von  erwachsenen  angewendet,  drücken  den  höchsten  grad  der 
traulichkeit  i;nd  Zärtlichkeit  aus. 

b)  -l  (bleibt  im  sg.  unverändert;  der  pl.  lautet  entweder 
-In  oder  gewöhnlicher  -lan  wie  bei  der  ersten  gruppe):  prindl 
quelle  (zujjriTJi  brunnen),  prCitl  (zu  jjr(>^w  braten),  j^aw/iA^  bänk- 
chen, stuvl  stübchen,  (jrdtl  (zu  grutn  art  wagen),  prcvinäl  (zu 
praun  braunes  pferd),  mösl  kleineres  moos,  hhrapfl  kräpflein, 
stritsl  (zu  struts  wecken),  paldd  packet  (zu  pqIiX  pack)  u.s.w. 
Was  die  Verteilung  der  beiden  suffixformen  anbelangt,  so  ist 
zu  bemerken,  dass  gewisse  Wörter,  zumal  umlautsfähige,  die 
kurzform  bevorzugen,  während  nicht  umlautsfähige  ihr  demi- 
nutivum  fast  durchAveg  auf  -le  bilden.  Das  letztere  ist  stets 
der  fall  bei  mehrsilbigen  Wörtern;  formen  wie  fenstrl,  sölsrl, 
tvüsrl  sind  in  der  echten  ma.  unerhört,  dafür  nur  fenstrle, 
soksrle,  wäsrle  u.s.w. 

In  vielen  fällen  haben  die  bildungen  auf  -I  ilu'en  eigent- 
lich deminutivischen  Charakter  verloren  und  dienen  häufig  nur 
zur  begrifflichen  Unterscheidung.  So  bezeichnet  tidhl  nicht  ein 
'kleines  tuch"  an  und  für  sich,  sondern  speciell  das  sack-  oder 
kopftuch;  bei  tirl  denkt  man  an  eine  ofen-  oder  schranktüre, 
bei  rddl  an  ein  uhrrad,  mäsl  bezeichnet  ein  bestimmtes  mass 
oder  messgefäss  (man  spricht  wol  von  einer  m{>s  mihx,  sagt 
aber  stets  a  mäsl  liQivr)  u.s.w.  In  fällen,  wo  das  grundwort 
verloren  gegangen  ist,  wie  liaftl  häckchen,  marl  erzählung, 
märchen,  wäsl  waise,  raftl  ranft  (eines  laibes)  u.  a.,  kann  natür- 
lich von  einer  dem.-bedeutung  schon  gar  nicht  die  rede  sein. 
Häufig  stehen  auch  grundwort  und  -/-deminutiv  ohne  irgend- 
welchen bedeutungsunterschied  nebeneinander,  ygl.pötstgt  und 
pntstritl  Schlafstätte,  triulchglos  und  lr)ij/,h(/JäsJ  trinkglas.  u.s.w. 


94  LESSIAK  §  85 

Au  in.  Die  abweiclieude  form  /"ra'/Zx  fräiüein,  ist  wol  entlehnt.  'Kleine 
frau"  heisst  fräu^le. 

"Was  das  g-eschlecht  der  Verkleinerungswörter  auf  -le,  -l 
anbetrifft«,  so  sind  sie  in  der  regel  neutra.  Nur  eigennamen 
bilden  zum  teil  eine  ausnähme.  Stets  männlicli  bez.  weiblich 
werden  gebraucht  die  personennamen  auf  -l,  wie  dilhtl,  frantsl, 
igkld  Benedict,  Franz,  Jacob;  —  mitsl,  sandl,  tirsl  Mizi,  Susanna, 
Ursula.  Dagegen  sagt  man  fast  nur  s  tändle,  s  fgltdle,  s  andrle 
das  Antonchen,  Yalentinchen,  Andreaschen,  u.s.w.  Als  vulgar- 
namen  sind  jedoch  auch  die  demin.  auf  -le  regelmässig  masc: 
clr  stöfdle,  dr  mötdle,  dr  urivolc  (in  diesem  falle  wird  auch  der 
acc.  auf  -lan  gebildet,  z.  b.  i  Itgn  on  möMan  liselin  ich  habe 
den  Yulgo  motole  gesehen). 

c)  Die  den  deminutivbildungen  auf  -le  bei  männlichen 
eigennamen  entsprechenden  weiblichen  deminutiva  haben  eine 
besondere  form  -la,  z.  b.  ädla  grossmutter  (für  *amla  >  ü{n)dla 
mit  Schwund  des  nasals;  dass  nicht  mhd.  eide  zu  gründe  liegt, 
beweisen  die  pa-ma.,  falls  sie  das  wort  nicht  etwa  selbst  wider 
aus  den  «-dialekten  entlehnt  haben;  die  nördl.  ma.  haben  da- 
neben anlidla)]  miodla  Marie  (neben  middl;  vielleicht  für  *'me'rüa, 
mit  ausfall  des  r  nach  Übergang  des  e  >  i  und  entwicklung 
des  übergangslautes),  sandla  (neben  sandl,  s.  oben),  liautla  neben 
lianta  (s.  §  81).  Kuhnamen:  r^.aüa  (^''rötild)  die  rote,  tsiJdidla 
neben  tsikha  u.  a.,  hctla  neben  heta  ziege. 

2)  Gutturalsuffix. 
-  a)  -dJchle,  -hhdle  nur  in  götoJchle  patenkind  {*goti[n]kU)  und 
{n)lnMidle  enkel  (vgl.  KWb.  s.  85  unter  önild).  Beide  sind  neutra 
und  flectieren  wie  die  dem.  auf  -le. 

b)  -/.•e'(masc.),  -^■«(fem.);  mit -Ze  erweitert -/es ?e:  enhegvo^^- 
vater,  anka  grossmutter  (letzteres  mehr  in  den  nördl.  ma.  ver- 
breitet), sauka  (zu  sau  'sau',  dazu  smikole  ferkelchen),  mrkdle 
junge  henne,  die  bald  legen  wird  (wol  zu  'jähr';  vgl.  KWb. 
s.  150  mii^x järetde),  mgnkole,  mankdle  männlein  u.a.  (vgl.  auch 
pitskij  f.,  zu  putsn  apfelbutzen,  und  holskv  f.  hülse).  Die  formen 
auf  -ke,  -ka  haben  mehr  den  Charakter  von  kosewürtern  als 
von  eigentliclien  deminutiven.  Hierher  dürften  auch  gehören 
euphemistische  bildungen  wie  snakke  (zu  'schnaps'),  tveske'  (zu 
'bestie'j,  vielleicht  auch  toikds,  twikös  (zu  'teufel'). 


§  85  MUNDART   VON   PERNEGG.  95 

3)   -ts-,  -ts-siittix. 
iQmpdtsa  mntterschaf  {6.2i7Ä\  tampotsle),  iarl-otsle  (zu  obigem 
xarJidlc]  vgl.  aucli  mmiskdle  neben  maKhole  Stachelbeere,  Avenn 
aus  *müxits-). 

■  Anm.  Lexer,  KWb.  hat  noch  Felbazc  {=  Jchöhr9tse)'ka.\hm.  Jampazn, 
lampizn  weibl.  scliaf.  lu  Klagenfurt  sind  unter  der  Jugend  männl.  kose- 
forinen  auf  -tse  sehr  beliebt,  z.  b.  mcmise  maikäfer,  hiltse  schuldiener,  bes. 
bei  eigennamen:  R-ce/n/se  Weinländer,  «ice/Hfse  Meingast,  ?fCE«s/se  Weisinger, 
iceintse  Scheinigg,  etc. 

-dts  haben  poppois  knospe  (neben  poppT),  Mlfdts,  Mifotsle 
schlechter  hut  (neben  kllßle).  Formen  wie  trutsdU  liebling, 
tvauivautsdU  wauwanchen,  mautsdle  "mäuschen'  (zu  Vi\\\(\..müclien), 
gehören  der  kindersprache  an.  (Die  stadtsprache  kennt  dieses 
sufiix  auch  bei  personennamen,  z.  b.  tvilUe  ^Mlhelm). 

4)  Koseformen  auf  -e. 

göte  pate  (fem.  göta),  Iwppc  (vgl.  ahd.  chappo),  hone  liahn, 
Male  rappe  (zu  Ihöl  u.  kohle),  uTite  Wiedehopf,  täte  (ate)  vater, 
mfde  maultier,  hiMe  kuckuck.  Ausserordentlich  häufig  sind 
bildungen  auf  -e  bei  männl.  personennamen:  frantse  (zu  fronts 
Franz),  hanse  (zu  ligns  Hans),  möte  Matthäus,  lutte  Ludwig, 
prlme  Primus,  rudpe  Eupprecht  (neben  riidp),  JiJiQre  Karl  (vgl. 
Schweiz.  Jchari;  das  l  in  l-Jigrl  wird  als  demin.  suffix  gefasst). 
—  Hausnamen:  iVQÜse  (•\\'alther'),  tvccide  ('\\'ido'),  fgrhe.  — 
Uebernamen:  tuppe,  tsgre,  tsiwke,  tslne-hane,  mauJcJw,  Igle  (sämmt- 
lich  in  der  bedeutung  'dummkopf,  cretin'). 

Selten  ist  -c  bei  weibl.  eigennamen:  nüne  Anna,  Ihkire 
Clara,  warne  Barbara. 

Wie  aus  dieser  Zusammenstellung  hervorgeht,  verwendet 
unsere  ma.  fast  dieselben  suffixe  zur  bildung  von  deminutiven 
und  koseformen,  wie  sie  auch  im  schweizerischen  gebräuchlich 
sind.  Ich  verweise  da  besonders  auf  den  aufsatz  von  H.  Stickel- 
berger.  Die  deminutiva  in  der  Berner  ma.  (Phil.  Studien,  festg. 
für  E.  Sievers  1890,  s.  819  ff.).  Für  das  unter  2,  b  erwähnte 
A-suffix  weiss  ich  keine  erklärung.  Auch  das  gottscheerische 
kennt  ähnliche  bildungen,  zumal  bei  eigennamen.  vgl.  Jonl;c, 
Hamkc,  Vr'uiskdc.  Mit  ableitungen  auf  -dtsa  können  wol  ahd. 
formen  wie  Bichza  etc.  verglichen  werden,  freilich  könnte  das 
suffix  auch   aus  dem  slawischen  stammen  (slow.  -ica).    Beson- 


96  LESSIAK  §  86.  87 

ders  nahe   liegt  die  annalnne  einer  entlehnung-  bei  -dts  (slow. 
-iv,  wind,  -dts),  doch  vgl.  schweizerisch  -tsi.    Zu  -le,  -l,  -e  s.  §  89. 

§  86.    Die  weiblichen  adjectivabstracta. 
Sie  erscheinen  in  vierfacher  gestalt: 

1)  ohne  endung:  leti  läng-e,  gr^as  grosse,  Ma  höhe,  {lidio 
liebe),  prcein  bräune,  plöiv  bläue; 

2)  auf  -n  (weitaus  die  meisten):  ö7^w  alter  (mhd.  e7^e),  tidfn 
tiefe,  r^atn  röte,  swirtsn  schwärze,  glidxtn  helligkeit,  ojgti  enge, 
liirtn  härte,  Ixlilidgu  Sparsamkeit  (zu  Iclüudg),  sidsn  süssigkeit, 
dikhn  dicke,  smöln  schmalheit,  gentsn,  ggutsn  ganze,  hantn 
bitterkeit  (zu  hante  bitter),  wceitn  weite,  stirMm  stärke  (dag. 
stirlix  Stärkemehl),  prqatn  breite,  u.  a.; 

3)  auf  -e:  sceirc  säure,  /r«/?e  faule  (in  munt-,  strolfmle  mund-, 
Strahlfäule),  mo^ge  menge,  sivöhe  (neben  swöhn)  schwäche,  nöse 
(neben  nösn)  nässe; 

4)  auf  -a:  öhma  ebene,  fmstra  finsternis,  finstere,  .stikhla 
Steilheit  (zu  stikhl,  mhd.  stichel  steil),  triMina  trockenheit  (ahd. 
truccJiani),  näJma,  nöhna  nähe  (zu  mhd.  adv.  nähen,  ma.  n^Jmt), 
tvirma  wärme,  {Iteitra  abfalle  beim  zerlassen  von  fett;  zu  'lauter'). 

§  87.    Die  vocalischen  auslautverhältnisse 
in  benachbarten  dialekten. 

]\rit  dem  gemeinbair.-österr.  stimmt  unsere  ma.  und  mit 
ihr  die  mehrzahl  der  übrigen  Kärntner  dialekte  völlig  überein 
in-  der  apokope  des  mhd.  -e  in  den  unter  §  80  angeführten 
fällen.  Doch  steht  sie  hierin  im  gegensatz  zu  der  gruppe 
von  dialekten,  die  ich  schon  öfter  im  zusammenhange  genannt 
habe  und  die  ich  dei'  kürze  halber  unter  der  bezeichnung  'ihr- 
dialekte'  (s.  §  34)  zusammenfassen  möchte:  ich  meine  das 
Lesachtal  mit  dem  angrenzenden  Osttirol,  die  beiden  krainischen 
Sprachinseln  (Gottschee,  Zarz-Deutschrut)  und  die  friaulischen 
Sprachinseln  (Bladen,  Zahre.  Tischelwang  schliesse  ich  aus, 
da  ich  mit  der  ma.  dieser  enclave  nicht  hinreichend  vertraut 
bin).  Diese  dialekte  haben  das  auslautende  -e  fast  durchweg 
erhalten.  Nur  im  dat.  sg.  masc.  und  ntr.  herschen  z.  t.  Schwan- 
kungen (so  erscheint  im  zarzerischen  die  endung  fast  nur  nach 
sonorconsonant  und  verschlusslenis),  desgl.  in  der  verbalflexion 


§  87  MUNDAKT   VON   PERNEGG.  97 

(Lesachtal,  Zarz.  Gottschee  stimmen  in  diesem  punkte  nahezu 
völlig  mit  unserer  ma.  überein,  während  die  übrigen  sich  viel 
conservativer  verhalten). 

Was  die  endung  der  schwachen  fem.  und  neutra  anbelangt, 
so  erscheint  in  den  ilir-ma.  durchgehends  -e  (bez.  -9  mit  einer 
dem  e  ähnlichen  klangfarbe)  wie  in  den  übrigen  fällen.  Der 
ganze  sing,  bleibt  unflectiert,  es  besteht  demnach  in  der  ilexion 
der  fem.  kein  unterschied  zwischen  den  a-  und  «-st.  In  allen 
Kärntner  dialekten  (mit  ausnähme  des  Lesachtals)  sind  die 
-a-fem.  endungslos.  Bei  den  -«-stammen  ist  in  den  meisten 
ma.  (auch  in  der  stadtsprache)  das  flexions-M  im  ganzen  para- 
digma  verallgemeinert  worden,  eine  erscheinung,  die  wol  als 
gemeinbajuwarisch  bezeichnet  werden  darf  (nur  eigennamen 
nehmen  vielfach  eine  Sonderstellung  ein).  Dagegen  hat  das 
obere  Gurktal  und  das  Gailtal  hier  z.  t.  vocalisclien  auslaut 
wie  Pernegg  und  die  übrigen  ma.  der  Feldkirchner  gegend, 
soweit  sie  von  dem  uniformierenden  einfluss  der  stadtsprache 
noch  mehr  verschont  geblieben  sind.  Im  oberen  Gurktal  er- 
scheint der  auslautende  vocal  als  a  ziemlich  in  denselben 
fällen  wie  in  unserer  ma.  Im  gailtalerischen  sind  die  «-formen 
seltener.  Die  qualität  des  endungsvocals  ist  hier  zwiefach: 
die  gewöhnlichen  fem.  haben  -9  {^tiavd,  lüiirhd,  sünd,  erdo  u.s.w.), 
weibliche  eigennamen  dagegen  -a  (mitsa,  desgl.  göUi  patin,  nU)ia 
grossmutter).  Als  -o  erscheint  im  Gailtal  ferner  die  endung 
der  schwachen  neutra  {aug9,  Qard),  der  abstracta  (triJchno,  fmih 
u.s.w.)  und  der  jo-adjectiva,  soweit  sie  hier  erhalten  ist.  Das 
letztere  gilt  auch  fürs  obere  Gurktal  {qaib,  pl^ado  u.a.).  Die 
vollform  des  dem.-Z-suffixes  (ma.  -Iv)  lautet  im  oberen  Gurktal 
-b,  in  den  übrigen  Kärntner  ma.  und  in  den  ihr-dialekten  -le 
(indes  kennen  einzelne  ma.  des  kronlandes  nur  die  kurzform  -V). 
Denn  ma.  -e  in  koseformen  wie  göte  etc.  entspricht  im  oberen 
Gurktal  und  Gailtal  -i  {göti,  täti,  lo^«  Ulrich).  Einigen  Kärntner 
ma.  fehlen  diese  formen  übrigens  ganz. 

In  der  adjectivflexion  stimmen  die  meisten  Kärntner  ma. 
mit  Pernegg  überein,  so  wol  was  die  häufigkeit  der  endung  als 
was  die  qualität  des  endungsvocals  anbelangt.  Ob.  Gurktal 
hat  auch  hier  -/  für  ma.  -e.  Abweichend  verhält  sich  das  gail- 
talerische  mit  seinem  -<?  (sowol  in  der  starken  als  schwachen 
deck).    In  den  ihr-dialekten  erscheint  im  nom.  acc.  sg.  fem.  und 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutseben  spräche.    XXVHI.  7 


98  LESSIAK  §  88 

pl.  iitr.  (also  mit  einer  ausnähme  entsprechend  dem  mhd.  -iu)  -a 
(Gottschee  -«?),  sonst  -e  (das  Lesachtal  und  die  friaul,  Sprach- 
inseln haben  das  -a  auch  auf  den  nom.  acc.  pl.  masc.  und  fem. 
der  starken  flexion  ausgedehnt). 

Die  endung  der  Zahlwörter  ist  recht  verschieden,  je  nach- 
dem die  mhd.  -ht-  oder  -e-formen  verallgemeinert  wurden.  Ob. 
(jurktal  hat  -i. 

Ich  habe  diese  Zusammenstellung,  die  keineswegs  anspruch 
auf  Vollständigkeit  erheben  darf,  gemacht,  erstens  um  einmal 
darzutun,  dass  die  südlichen  randdialekte  von  der  starken 
apokopierung,  wie  sie  im  gemeinbajuwarischen  schon  verhältnis- 
mässig früh  eingetreten  ist,  mehr  oder  weniger  verschont  ge- 
blieben sind,  ferner  um  zu  zeigen,  wie  verschiedenartig  die 
auslautenden  nebentonigen  vocale  in  dialekten  eines  verhältnis- 
mässig nicht  allzu  ausgedehnten  Sprachgebiets  behandelt  werden 
konnten,  und  wie  schwierig  es  für  den  dialektforscher  ist,  bei 
einer  solchen  inconsequenz  der  entwicklung  (die  z.  t.  wol  auf 
dialektmischung  beruhen  dürfte),  sichere  aufschlüsse  zu  geben. 

§  88. 

Ich  will  nun,  so  gut  es  eben  geht,  die  einzelnen  fälle  zu 
erläutern  suchen. 

Ein  nebeneinander  von  -a  und  -n  im  sing,  der  schwachen 
fem.  findet  sich  auch  in  anderen  bair.-österr.  ma.,  zumal  in 
solchen,  wo  für  die  urspr.  auslautende  Verbindung  von  langem 
vocal  +  n  blosser  nasalvocal  erscheint.  Doch  sind  die  Verhält- 
nisse in  diesen  dialekten  von  den  unsrigen  grundverschieden: 

a  tritt  da  auch  für  auslautendes  -n  der  schwachen  masc, 
des  inf.  u.s.w.  ein,  und  es  ist  diese  vocalisierung  des  n  von 
bestimmten  vorausgehenden  consonanten  abhängig  (vgl.  Eoanad, 
V.  200,  s.  164  f.).  In  unserer  ma.  (und  es  gilt  dies  für  fast  alle 
kärntnischen  dialekte,  sowie  auch  für  die  ihr-dialekte:  was  zu 
beachten  ist)  beschränkt  sich  der  schwund  des  auslautenden 
nasals  ganz  und  gar  auf  die  wenigen  in  §  112  angeführten  fälle. 

Es  wäre  ganz  unverständlich,  warum  sich  denn  just  im 
sing,  der  schwachen  fem.  das  -n  anders  entwickelt  haben  sollte 
als  sonst.  Allerdings  heisst  es  auch  2^^'9<^sa  (pl.  prgasn  bro- 
samen),  f^rwa  (pl.  fgrlm  farren),  Unsa  (pl.  linsii  linse)  zu  ahd. 
brösina,  varm,  Unsi(n).    Doch   haben  wir   es  hier  nicht  etwa 


§  88  MUNDART   VON    PERNEGG.  99 

mit  einem  directen  Übergang*  des  -n  (-m)  in  a  zu  tun,  sondern 
es  sind  dies  einfach  analogische  neubilduugen  nach  dem  pl.  (zu 
fanva  s.  §  25,  e).  Bezeichnender  weise  Sind  es  gerade  Wörter, 
die  fast  immer  im  pl.  gebraucht  werden.  Die  übrigen  bei- 
spiele  mit  urspr.  -n,  wie  l-hötn  kette,  Ihöstn  kastanie,  öln  eile, 
jmttn  bütte,  Ihinidn  f.  kümmel,  mötn  mette,  lenttt  'lende',  der 
untere  teil  des  rückens,  arschbacken,  haben  durchweg  festes  -n. 
Doch  hört  man  zuweilen  fer.sa  ferse,  neben  fer.sn  (alid.  fersana). 
[Vgl.  die  wind,  lehnwörter  tsötond  {*ketina),  tsdnidnd  (^kimina), 
möidnd,  kdhind  (für  *kt(xina)  küche,  dag.  zöfa  seife,  puähdhlsihe 
u.  s.  w.]. 

Es  ist  auch  ganz  unmöglich,  das  -a  der  oben  angeführten 
adiectiva  etwa  auf  die  adverbialendung  -en  zurückzuführen. 
Dagegen  spricht  schon  der  eine  umstand,  dass  es  lauter  jo- 
Stämme  sind.  Man  würde  doch  bei  anderen  adverbien  wie 
naxtn  (mhd.  näJiten),  mgrgw  morgen,  fertn  voriges  jähr,  eine 
parallele  entwicklung  erwarten.  Auch  das  adj.  liäsn  glatt 
(ahd.  hasan),  müsste  dann  als  *häsa  erscheinen  (was  das  auf- 
treten eines  n  in  der  flexion  dieser  adj.  anbelangt,  so  verweise 
ich  auf  die  ausführungen  in  §  147). 

Wenn  wir  also  die  möglichkeit  einer  entstehung  des  -a 
aus  silbischem  -n  bestreiten,  so  bleibt  uns  natürlich  nichts 
übrig,  als  erhaltung  des  urspr.  auslautenden  vocals  anzunehmen. 

Die  ungleiche  entwicklung  der  femininendung  (schwund 
des  auslautenden  vocals  bei  den  «-stammen,  bewahrung  des- 
selben bei  den  «-stammen),  lässt  sich  nur  unter  der  Voraus- 
setzung begreifen,  dass  der  endungsvocal  in  beiden  fällen 
ursprünglich  quantitativ  verschieden  war.  Auf  eine  solche 
differenzierung  lässt  auch  das  cimbrische  (die  ma.  der  Sette 
comuni)  schliessen.  Vergleiche  einerseits  sünte,  Ulfe,  varhc, 
misse  messe,  segense  sense,  tmge  truhe,  vorte  furcht,  schante 
schände,  fröivede  freude,  gihc  gäbe,  hutc  hut,  vorgchonge,  schc- 
zonge,  paine  pein,  pridcge  predigt,  andrerseits  nasa,  henna, 
sunna,  herza  warze,  niftela  nichte,  nc^^ela  nessel,  u. s.w.  (die 
beispiele  sind  dem  Cimbr.  wb.  von  Schmeller-Bergmann,  Wien 
1855,  entnommen). 

Dasselbe  gilt  natürlich  auch  in  bezug  auf  die  endung  der 
schwachen  neutra  (das  cimbr.  hat  hier  im  gegensatz  zu  unserer 
ma.  -e,  wol  unter  einfluss  der  zahlreichen  neutralen  j«-stämme). 


UX>  LESSIAK  §  88 

Ich  wage  also  zu  behaupten,  dass  das  auslautende  -a  im 
nom.  sg.  der  schwachen  fem.  und  nom.  acc,  sg.  der  schwachen 
neutra  wenigstens  für  einen  teil  der  altbajuwarischen  dialekte 
als  lang  angesehen  werden  muss. 

Nach  der  form  des  nom,  wurden  dann  die  übrigen  casus 
(beim  fem.  wol  zuerst  der  acc.)  uniformiert. 

Die  /«-formen  der  fem.  beruhen  natürlich  auf  dem  um- 
gekehrten Vorgang,  ^^'arum  in  dem  einen  falle  dieser,  im 
anderen  jener  process  stattfand,  ist,  wie  schon  bemerkt,  schwer 
zu  entscheiden.  Es  ist  nicht  unmöglich,  dass  die  häufige  Ver- 
wendung der  Wörter  der  letzteren  gruppe  in  gewissen  festen 
dativischen  präpositionalver])indungen  ausschlaggebend  war 
für  die  Verallgemeinerung  der  n  -  formen  (z,  b,  dn  dr  Jihirhn, 
stuhm;  af  dr  Mrgsn-^  af,  dn  dr  ern  in  der  kirche,  stube;  auf  der 
Strasse;  auf,  in  der  erde,  etc).  Begreiflich  ist  es,  weshalb  die 
fremdwörter  fast  durchweg  der  «-gruppe  angehören,  wie  z.  b. 
IdiQPpm  kappe,  iopimi  joppe,  silhm  silbe,  tivh)  tinte,  teldin  theke, 
marhhn  marke,  pippm  pipe,  fasshahn,  u.s.  w.  Hier  sind  einfach 
die  'höfischen'  formen  beibehalten  worden. 

"\^'as  die  endung  der  adj.  J«-stämme  anbelangt,  so  wäre 
man  geneigt  anzunehmen,  dass  dieselben  factoren  die  erhaltung 
des  auslautenden  vocals  in  unserer  ma.  begünstigt  haben,  die 
Wilmanns  (Gramm.  1-,  §  280,  3  f.)  für  die  bewahrung  des  -c  im 
nhd.  verantwortlich  macht  (wechsel  von  stimmhaften  und  stimm- 
losen consonanten  bez.  von  lenis  und  forti.s).  Die  mehrzahl 
der  fälle  würde  wol  dazu  stimmen.  Doch  wie  A'erhält  es  sich 
mii-läsa,  khceiSa,  flqutsu,  silla,  Idiudla,  tera?  Hier  musste  der 
cons.,  ob  in-  oder  auslautend,  sich  doch  immer  gleich  bleiben. 
Sehr  merkwürdig  ist  der  gegensatz  von  khudla  und  hhidl. 
Jenes  würde  dem  adv.  (ahd.  laiolo,  mhd.  h(ole),  dieses  dem  adj. 
(ahd,  hioli,  mhd.  l-üelc)  entsprechen.  P^s  ist  nicht  unmöglich, 
dass  wir  es  hier  zum  teil  wirklich  mit  adverbialformen  zu  tun 
haben.  Freilich  sind  die  meisten  dieser  adj.  umgelautet,  doch 
es  mag  wol  früh  eine  Vermischung  der  l)eiden  formen  statt- 
gefunden haben  (die  «-formen  beschränken  sich  auf  die  prädi- 
cative  und  adverbielle  Verwendung  der  Wörter,  z.  b.  stlla  pdn 
ösn,  lüiisa  pdm  pein  still  beim  essen,  leise  beim  beten,  dö  suppm 
is  plf^ada  die  suppe  ist  fad). 

Mit  den  von  verben  abgeleiteten  neutren  auf  -dda  lassen 


§  80  MÜNDART    VON   PERNEGG.  101 

sich  am  ehesten  iiocli  nhd.  bildungen  wie  (jehrimäc,  geMude, 
(jemäldc  vergleiclieii.  Ob  wir  unser  -odu  auf  nihd.  -cde  (ahd. 
-idi)  zurückführen  dürfen,  ist  fraglich.  Auffallend  ist  die  con- 
crete  bedeutung  dieser  wr>rter.  Vgl.  dagegen  mit  Schwund  des 
auslautenden  vocals  licmot  (mhd.  hcmcde,  nicht  bes.  gebräuclilich, 
dafür  pfät),  gläd  (mhd.  gejeide),  träd  (mhd.  getreide),  Tiswistrot 
n.  geschwister  (in  der  comp,  hswistra-,  auch  hsivistraralchint 
geschwisterkind),  stimmt  wol  eher  zu  mhd.  gesivistergU,  als  gc- 
sicisterde  (vgl.  dazu  BWb.  2,  651). 

Nacli  aus  weis  der  übrigen  ma.  (s.  §  87)  liegen  unserem  -a 
wahrscheinlich  zwei  urspr.  verschiedene  vocalqualitäten  (.9  und  a) 
zu  gründe.  Wie  es  mit  der  Verteilung  dieser  beiden  bescliaffen 
Avar,  lässt  sich  natürlich  mit  Sicherheit  nicht  mehr  feststellen, 
zumal  da  die  anderen  dialekte  in  dieser  hinsieht  selbst  von 
einander  abweichen. 

§  89.     -e. 

AVenn  Avir  die  einzelnen  in  §  ^-i  angeführten  fälle  über- 
blicken, so  ergibt  sich  daraus,  dass  wir  in  ma.  -e  (-e)  den  laut- 
gesetzlichen Vertreter  eines  urspr.  auslautenden  4  bez.  -in  vor 
uns  liaben.  T'^rspr.  -i  entspricht  es  in  den  ersten  drei  fällen, 
nrspi'.  -in  in  den  beiden  folgenden. 

-e  r=  *^^(  war  in  der  adjectivdeclination  von  haus  aus  natür- 
lich auf  den  nom.  fem.  sg.  und  nom.  acc.  ntr.  pl.  der  starken 
Üexion  beschränkt.  Von  da  ist  es  in  unserer  ma.  (und  damit 
stimmt  ein  grosser  teil  der  bair.-österr.  dialekte  überein)  auf 
alle  casus  ausgedehnt  worden,  die  im  mhd.  auf  -e  ausgiengen, 
wo  also  lautgesetzlich  schwund  des  flexionsvocals  hätte  eiii- 
treten  müssen  (s.  flexionslehre).  Das  -e  der  Zahlwörter  ent- 
spricht genau  der  mhd.  neutralendung  {rieriu,  ftnfiu  etc.). 
Während  auslautendes  -in  unabhängig  von  der  silbenzahl,  also 
durchgehends,  als  -e  bewahrt  ist,  scheint  sich  urspr.  -i  nur  in 
urspr.  dreisilbigen  Wörtern  lautgesetzlich  als  -e  erhalten  zu 
haben;  in  zweisilbigen  dagegen  ist  es  offenbar  schon  sehr  früh 
verkürzt  worden,  und  musste  daher  abfallen.  Dafür  spricht 
der  umstand,  dass  in  urspr.  zweisilbigen  Substantiven  auf  -i 
durchweg  schwund  des  vocals  eingetreten  ist.  Vgl.  feminina 
wie  7nll  mühle  (ahd.  nudt).  miD  mühe  (ahd.  muoi\  unsicher  sind 
täf  taufe  [ahd.  toup  und  toufti]  und  Ing  lüge,  letzteres  wegen 


102  T.ESSIAK  §  89 

des  unterbleibens  des  umlauts),  oder  (urspr.)  nentra  wie  Idüs, 
liMst  m.  kissen  (ahd.  clmsst),  fll  füllen  (alid.  fnU),  Jchits  kitze 
(ahd.  chiz^t),  jml-x  m.  becken  (alid.  Vecclü).  Dagegen  Avürden 
allerdings  die  zweisilbigen  koseformen  sprechen:  sie  entsprechen 
genau  ahd.  formen  wie  Bodi,  Tat/,  Gunsi  (vgl.  Zs.  fda.  43,  40), 
deren  -i  sicherlich  als  lang  anzusetzen  ist. 

Doch  wir  müssen  hier  in  betracht  ziehen,  dass  wir  es  mit 
einer  selbständigen  ableitungssilbe  zu  tun  haben,  wodurch  sich 
diese  ausnahmsstellung  wol  begründen  lässt.  Dasselbe  gilt 
von  den  (zweisilbigen)  deminutiven  auf  -U  (ahd.  -li,  flect.  -lin). 
Indes  schon  das  nebeneinander  der  beiden  formen  -le  und  -/ 
lässt  auf  eine  urspr.  verschiedene  Verteilung  derselben  schliessen. 
-le  scheint  eigentlich  nur  bei  zweisilbigem  grundworte  berech- 
tigt zu  sein,  während  bei  einsilbigem  durchweg  -l  zu  erwarten 
wäre.  Das  ursprüngliche  Verhältnis  ist  noch  insofern  z.  t.  ge- 
Avahrt,  als  zweisilbige  grundwörter  die  kurzform  des  Suffixes 
durchaus  meiden. 

Grössere  Schwierigkeiten  bietet  die  erklärung  der  ver- 
schiedenen formen  der  abstracta.  Das  nebeneinander  von  gr^as 
und  düilin  deutet  darauf  hin,  dass  doppelformen  bestanden 
haben  müssen,  wie  sie  ja  im  ahd.  tatsächlich  vorkommen.  Dem 
gri^as  würde  ein  ahd.  grö^i,  dem  dilchn  ein  dicchin  entsprechen. 
Allerdings  sollte  man  im  zweiten  falle  -on  i^dilxhdn)  erwarten, 
vgl.  §  90,  2,  b.  Indes  die  uniformierung  nach  den  übrigen  fem. 
auf  -n  liegt  auf  der  band.  In  den  paar  abstracten  auf  -c  ist 
das  ahd.  auslautende  4  erhalten  geblieben.  Das  'warum'  lässt 
sich  natürlich  schwer  beantworten.  Schriftsprachliche  ent- 
lehnung  ist  kaum  anzunehmen,  dagegen  sprechen  die  übrigen 
bair.-österr.  dialekte,  die  solche  formen  mit  auslautendem  vocal 
(in  der  regel  -i)  in  noch  weit  ausgedehnterem  masse  bewahrt 
haben  als  unsere  ma.  Was  endlich  die  beispiele  mit  -a  an- 
belangt, ist  es  immerhin  auffallend,  dass  ihnen  fast  durch- 
gehends  zweisilbige  adjectivformen  zu  gründe  liegen.  Indes 
es  wird  sich  hier  doch  kaum  um  etwas  anderes  handeln  als 
um  einfache  analogie  nach  der  grossen  anzahl  der  übrigen 
feminina  auf  -a.  Eine  Sonderentwicklung  des  -^  würde  sich 
durch  nichts  begründen  lassen.  Die  stadtsprache  mit  ihrem  -c 
{finstre,  trikhne)  scheint  hier  das  ursprüngliche  gewahrt  zu 
haben  (eine  dreifache  form  der  abstracta:  endungslose,  solche 


§  90  MUNDART    VON    PERNEGG.  103 

auf  -)i  und  solclie  auf  -/,  kennt  auch  Nagl,  Roanad.  .s.  411.  a.  8). 
Hiusiclitlicli  der  (lualität  des  auslautenden  -e  ist  zu  bemerken, 
dass  es  sich  in  der  deminutivendung  -le  von  den  übrigen  fällen 
durch  grössere  Offenheit  unterscheidet.  P^s  dürfte  hiei'  das 
vorausgehende  l  den  dumpferen  Charakter  verursacht  haben, 
ein  unterschied  in  der  entwicklung  des  vocals  selbst  ist  kaum 
anzunehmen.  [Auffallend  ist  es,  dass  in  wind,  lehnwürtern 
die  endung  der  koseformen  als  öi  oder  il  erscheint  (z.  b.  utöi, 
frantaöl  bez.  atä  u.  s.  w,  =  ma.  äte,  frantse),  während  dem  ma. 
-le  durchgehends  -lo  entspricht,  das  auf  -It  zurückgeführt  werden 
muss  (z.  b.  liansald,  nalidVo  =  ma.  liansdU,  nägdle).  Das  ober- 
gurktalerische  -h  ist  wol  durch  ausgleichung  nach  den  flec- 
tierten  formen  {-hn)  entstanden.] 

Als  Vorstufe  des  heutigen  -e  ist  wol  -ei  bez.  -m  anzunehmen, 
vgl.  dazu  §  75,  anm. 

Zu  beachten  ist,  dass  in  den  ihr-dialekten  (auch  das  gail- 
talerische  stimmt  da  zu  dieser  gruppe)  das  -in  eine  von  -i  ver- 
schiedene entwicklung  erfahren  hat, 

B.   Inlautende  vocale. 
§  90.    Lebendige  bildungssuffixe. 

1)   Kurzvocalige. 

a)  Vollvocal  hat  sich  erhalten  in 

«)  -/;;,  -liu  (ahd.  -ing,  -ling):  pfenitj  pfennig,  grösiu  junger 
■w  aldbaum  (mhd.  grö^pnc),  arliu  pflugeisen  (zu  grl,  mhd.  arl), 
oiilin  uhu  (zu  *eule');  —  serivliu  ein  dahinsiechender  (zu  serhm, 
mhd.  scrivcii),  .ipltsliu  Spitzapfel,  flotrliu  'flatterling',  Schmetter- 
ling, initliu  {mittrlm)  Verbindungsstange  zwischen  dem  vorder- 
uud  hinterteil  des  wagens,  irivluj  ärmel,  u. s.w.;  urspr.  -ang 
entspricht  es  in  f'Qsii)  fasching  (mhd.  vaschanc).  Zu  -w  =  urspr. 
■ih  nach  /  und  ;•  vgl.  §  117,  2  anm. 

(i)  -in  im  fem.  (ahd.  -unga,  vgl.  Kauffmann,  Gramm,  der 
Schwab,  ma.  §  109):  pri<>fuj  jirüfung,  firmlu  firmung,  niiiniu  mei- 
üung,  tsceitiv  zeitung,  ratiu  rechnung. 

/)  -in  (ahd.  -in,  -inna):  fiksin  füchsin  (dag.  fidsin  'frau 
Pouchs"),  putin  botin,  jx'-irin  bäurin,  odlpralän  (die  vulgo  mUprox), 
gyäfin  (die  vulgo  gr^f;  dag.  der  Schriftsprache  entlehnt  greßn 
gräfin),  n^tdrin  nähterin,  puosdrin  büsserin,  su9stdrm  schusterin. 


104  LESSIAK  §  90 

6)  -nus  {^M. -ni(ssi):  Icliamnus  geheimni»,  irgmius 'ÄYgei'ms, 
glmxnus  gleiclmis,  tsauc/nus  zeugnis,  fmstrnus  finsternis.  Doch 
werden  diese  formen  nur  von  der  ältesten  scliiclit  der  bevölke- 
rung  gebraucht;  die  jüngeren  leute  bedienen  sich  der  ab- 
geschAvächten  form  -nos  {Jchamnos  u.s.w.).  Nur  -n9s  hörte  ich 
bei  wüdnds  'wildnis'  (eine  art  ausschlag),  und  it^^Jf/w^s  wagnis. 
Lautgesetzlich  werden  wol  beide  formen  berechtigt  sein:  -nus 
in  dreisilbigen,  -nds  in  zweisilbigen  Wörtern. 

£■)  -e,  flect.  -/(/-  (ahd.  -mj,  -ug,  -ig,  -ig):  /^CB^76' heilig,  söYesatt, 
jironte  brandig,  luvifte  häufig,  sixte  kränklich  (mhd.  sUhtic),  sixtc 
zornig  (für  *schühtic  zu  schiuhen),  snitte  schneidend,  siddnVe  sie- 
dend. Substantiva:  Mmekönig,  Aöwehonig,  u.a.  (vgl.  §116,2, b), 

g)  Ferner  in  -soft,  -hgft,  -fax,  -som  -Schaft,  -haft,  -fach,  -sam 
(vgl.  §  44,  c). 

b)  Urspr.  vollvocal  erscheint  zu  <>  geschwächt  in 
a)  -ds  (ahd.  -isc):   stötds  städtisch   (auch  stötndrds),  poeirds 
bäurisch,    ter9s  schwerhörig,  taub   (mhd.  tcerisch),    luddros  ver- 
dammt, verflixt   (zu  Inadt-  luder),    lHtr9s  lutherisch   (vgl.  auch 
fgbs  falsch). 

ß)  -9st  (superlativsuffix):  seanost-  schönst,  gceitdsost-  geizigst, 
fgldsdst-  fälschest  (s.  flexionslehre). 

Anm.  Auch  die  fremde  endung  -itsa  ist  iu  zweisilbigen  worttbriuen 
zu  -sts  geschwächt  worden,  vgl.  fceistrdts,  flätnais  =  slow,  bistrica,  hlatnica. 
Aber  dreisilbig  pöbnits,  korhwäs  etc. 

y)  -dx  (ahd.  -aJii,  -ach):  dilchox  (gjdihhdx)  dickicht,  pirhhox 
{wAiA.hirlmch),  stauddx  {m\\^.siüdach),  prgmox  brombeergesträuch, 
hgshx  haselgebüsch,  hmiÜQam9x  heublumen,  JcJärdx  kehricht, 
hhneitlox  'kräutlich',  grünzeug,  fetsdx  coli,  fetzen,  glumpdx  coli, 
lumpen,  gwgmp^x,  frgts9x  (coli,  zu  icgmpm,  frgts  ränge),  gsdx 
geschirr  (mhd.  «s.§ac/i),  spwiwdx  Speichel  (zu  'speien'),  givmwrox 
Weibervolk,  gdpumprax  beständiges  pumpern,  u.s.w. 

d)  -dt  (ahd.  -aht,  -oht,  -eht):  pauhdt  bauchig,  /^ÖÄ7^^^  fleckig, 
tsötdt  zottig,  misdt  vermischt,  pgtsdt  patzig,  spiogbt  mit  einem 
Spiegel  A'ersehen,  slgmpH  schlampig,  hauhat  gebückt,  alters- 
schwach (zu  mhd.  hüchen  kauern),  stvgrts-,  rin-cmgot  schwarz-, 
triefäugig,  sceiwolot  rund,  scheibenförmig  (mhd. schibeloht),plgw9l9t 
bläulich,  n-ms:)ht  weisslich,  moiitsdUt  schlecht  aussehend  (nach 
überstandener  krankheit;  zu  ahd.  mü^^ön?),  u.s.w. 


ß  9()  MUNDART    VON    PERNEGG.  105 

t)  -9tsn  (alid.  -azzcn,  -ezzen):  tropf Jtsn  tröpfeln,  pöli^tsn 
pochen  (vom  puls),  schnaufen,  gamdtsn  gähnen  (vgl.  tvcoi.  (jQanidtsn 
und  ahd.  geinön),  täiptsn  schwach  regnen,  pleniDtsn  {pl^amdtsn) 
blinzeln  (vgl.  KWb.  s.  30),  (jarDtsn  girren  (mhd.  gurren),  Ichotsn 
lechzen,  nopfjtsn  einnicken,  sitzend  schlummern  (vgl.  mhd.  nafzen 
etc.),  frttiipfotsn  kleinweis  verschwinden  (zu  mhd.  zlpftn),  stuk- 
Txdtsn  rülpsen,  und  zahlreiche  andere.  —  Dagegen  ist  der  vocal 
geschAvunden  in  huntsn  beschimpfen  (zu  'hund'),  rauntsn  weiner- 
lich tun  (von  hindern;  zu  'raunen'),  lautsn  jauchzen  (neben 
jßlidtsn,iurldtsn\pnmtsn\iYmiZQ:\i,  5«/rfe« sickern  (zu  mhd.se?/er). 

2)   Langvocalige. 
a)  Der  voll  vocal  hat  sich  erhalten  in 

rt)  -la  (ahd.  -Uli):  hamla  heimlich,  ivirlihla  wirklich,  rätla 
seltsam,  rätselhaft,  adv.  knapp  bemessen  (mhd.  '^rceütch),  untr- 
sldla  unterschiedlich,  wgadla  fett,  ekel  erregend  (vgl.  Schweiz. 
ivüed  geil),  gceisfla  geistlich,  öfla  etlich. 

Die  meisten  bildungen  auf  -la  können  nur  prädicativ  oder 
adverbial  gebraucht  werden,  so  frceila  freilich,  mastla  'meist- 
lich',  meistenteils,  namla  'nämlich',  freilich,  ganz  besonders  (z.  b. 
ägs  is  namla  gu^t  das  ist  in  der  tat  gut),  crla  'ehrlich  ge- 
sprochen', wahrscheinlich,  beinahe,  neatla  heikel,  wählerisch 
(mhd.  metlich),  goprauxla  gebräuchlich,  fwlntla  'feindlich',  sehr 
(z.  b.  i  lign  sc  fmntla  geru  icli  habe  sie  sehr  gern).  Für  den 
attributiven  gebrauch  bedient  man  sich  anderer  formen  oder 
Umschreibungen.  Man  sagt  zwar  g(^a  drätla  geh  schnell,  aber 
a  dräts  gf^anan  ein  flinkes  gehen  (mhd.  drcetc);  d<js  is  rceunla 
'reimlich',  passend,  srökhla  schrecklich,  Icfarla  gefährlich,  aber 
a  Jchrceimps  dirndle  ein  passendes  (liebes)  mädchen,  a  .srölchpQre, 
Ifärige  söhn  eine  schreckliche,  gefährliche  sache.  Zuweilen 
werden  in  diesem  falle  auch  'höfische'  formen  auf  -lix  zum 
ersatze  herangezogen.  p]s  heisst  dos  is  ummigla  unmöglich,  orntla 
ordentlich,  grausla  grauslich,  aber  an  ummöglihe  Isixt  eine  un- 
mögliche geschichte,  an  orntlixs,  grauslixs  ijsn  ein  ordentliches, 
grausliches  essen.  Es  ist  wol  nicht  anzunehmen,  dass  die  ver- 
schiedene entwicklung  des  Suffixes  lautgesetzlich  begründet  sei. 
Entlehnt  sind  auch  gwcndUx  gewöhnlich,  {dtrtimlox  altertüm- 
lich, enldx  (enlix)  ähnlich,  natirldx  natürlich. 

Eegelmässig   bilden    zweisilbige   adjectiva    auf   -l   solche 


106  LESSIAK  §  90 

adverbialfornien  auf  -la:  aütl  'eiteF,  leer,  iinwol  —  cßitla;  rögl 
locker^  lose  (mhä.  royel)  —  rU(jla  (adv.  auch  behutsam);  stiMd 
steil  —  stiJchla\  JmkJd  heikel  —  haJda. 

Zur  'flexion  dieser  und  der  adj.  auf  -la  vgl.  §  147;  über 
den  Schwund  des  auslautenden  x  §  115, 4,  b.  Auffallend  ist  es, 
dass  -i  sich  hier  zu  -a  entwickelt  hat.  Die  Urkunden  haben 
fast  durch w^eg  -Icich.  Es  mag  sein,  dass  das  urspr.  folgende 
-ch  von  irgend  welchem  einfluss  auf  die  gestaltung  des  voraus- 
gehenden vocals  gewesen  ist.  Andere  ma,  haben  zum  teil  -fo. 
Es  ist  daher  nicht  ausgeschlossen,  dass  auch  hier  ein  wandel 
von  (ausl.)  -d  zu  -a  vorliegt  [die  stadtsprache  kennt  nur  die  form 
■Ux:  hamlix,  hakhlix,  röylix;  doch  frceüiy  neben  frmlix]. 

ß)  -j^jr  (nhd.  -har):  denkhpgr  denkbar,  d{>ukhpoy  dankbar, 
tsglpor  zahlbar;  doch  erwr  (adv. erw-r^a)  zimperlich,  gallig  (mhd. 
erhcBre). 

b)  Der  langvocal  ist  zu  9  geschwächt  worden  in  -dn  (ahd, 
-hl):  hiltsdn  hölzern  {mhLhiilzin),  ^/^/^^w  aus  tuch  {m\\^.  tüecMn), 
gamshceitdn  gemsledern  (-häuten),  riipfm  aus  rupfn  (gröbere 
Sorte  werg),  (jiddon  golden  (dag.  guldn  gülden),  Iceindn  leinen, 
nuspämon  aus  nussbaumholz,  plölmi  (neben  plöJiryi)  blechern, 
silwrdn  (neben  silivrn)  silbern.  A\'ährend  '^-en  zu  -n  geworden 
ist  (z.  b.  puohn  buche,  rolclcn  roggen),  bleibt  hier  der  vocal  er- 
halten (daher  puohdn  aus  buchenholz,  roWcdn  aus  roggen).  Dies 
lässt  darauf  schliessen,  dass  sich  die  länge  des  vocals  geraume 
zeit  gehalten  haben  muss.  Die  urk,  Schreibung  -ein  beweist 
übrigens,  dass  in  der  älteren  spräche  hier  diphthongierung  ein- 
trat. Wenn  dagegen  die  'schwerere'  nebensilbe  *-??m  (s.  §  85) 
als  -lan  erscheint,  so  handelt  es  sich  natürlich  nur  um  einen 
graduellen  unterschied,  denn  auch  das  -o  in  -3n  hat  eine  stark 
«-ähnliche  färbung. 

c)  Völliger  Schwund  des  langvocals  liegt  vor  im  suffix  r 
(ahd. -an):  «rox^/- Wächter,  trogr  träger,  siugr  Sänger,  stoZrschüler, 
hnugy  brustfieck  ('^hangcere),  holir  'halter',  hirte,  khgltr  hehälier, 
inrnr  türmer,  hgndh-  liändler,  maiiinr  mautner,  fgrstnr  förster, 
mgdr  mähder.  —  ]\Iit  dopiteltem  suffix:  glgsrr  glaser,  hiidtrr 
•huterer',  hutmacher,  kJdgmpfrr  klemi)ner  (mhd.  klampfer).  — 
Vgl.  auch  trgxtr  ti'ichter,  khgrnr  beinhaus  (lat.  carnarium),  mesr 
mörser. 


§  91  MUNDART    \  ON    PERNEGG.  107 

Den  unterschied  zwisclien  iirspr.  -er  und  -wrc  haben  noch 
die  lehnwürter  im  \vind.  bewalirt:  vgl.  hnämr  glasei",  siibar 
schreiben  täuarlidr  tagelöhner  (ma.  iggiccrhr).  pintdr  binder, 
mömdr  mesuer,  imkhhdr  prediger,  trfditdr  trichter,  mouzdr 
mörser,  u.s.w..  dag.  prdr  butter.  poustr  polster,  huä^t'r  pflaster, 
wiüÄ^f  muster,  mudi'r  mwiitv,  etc.;  auch  m/w'- jäger  (ma.  m^r 
mit  Umlaut:  es  scheint  dies  darauf  hinzuweisen,  dass  der  um- 
laut  nur  dann  eintrat,  wenn  die  kurzform  des  suflixes  vor- 
handen war). 

Anm.  Das  suflix  -/•  ist  uugemeiu  fruchtbar.  Fast  von  jedem  verbum 
rler  beweguiig  kann  ein  (mäunl.)  Substantiv  abgeleitet  werden,  das  eine  ein- 
malige, momentane  tätigkeit  bezeichnet:  vgl.  paiilr,  tsuJchr,  rukhr,  sitsr, 
miifotur,  himbUr,  mekloisr,  pfakkoii^r,  woklr,  rii77iph;  2>i''<>»i',  9f(>T)  jiihafsr 
U.S.W,  ein  einmaliges,  rasches  beuteln,  zucken,  rücken,  sich-setzen,  ein- 
nicken, wetterleuchten,  meckern,  vorbeihuschen,  Avackeln,  rumpeln,  brummen, 
girren,  jauchzen  (vgl.  Schatz  §  108,  anm.). 

3)   Diphthongische. 

Zu  -heit,  -keit  vgl.  §  75,  2,  anm, 

Urspr.  -kiom  erscheint  durchweg  als  -tum,  z.  b.  pistum  bis- 
tum,  rceixtnm  reichtum,  Jchristutum  Christentum.  Ks  ist  mög- 
licherweise der  Schriftsprache  entlehnt. 

§  Öl. 

Sonst  sind  kurze  vocale  in  nicht  haupttoniger  silbe  meist 
geschwunden.  In  einigen  fällen  jedoch  hat  sich  der  vocal  als 
3  erhalten,  zumal  in  der  Stellung  zwischen  sonorcons.  (auch  w) 
oder  reibelaut  +  folg.  reibelaut,  verschlusslaut  +  x.  Vgl.  mit 
urspr.  -«-:  öwdst  obst,  ögbstr  ehtev  (mhd.  aglaster),  hgn^fhanf, 
nendf  senf,  lihghx  kalk  (ahd.  chalah);  —  mit  urspr.  -?'-:  pilhx 
bilch  (ahd.  Ijilih).  tswlhx  zwilcli,  Möhx  kelch,  näwox  verkehrt 
(mhd.  äbich),  hmvdx  habicht  (mhd.  häbich),  hhinvds  kiirbis,  ösdx 
essig,  h'invdst  herbst,  rätdx  rettich  (mhd.  netich).  Vgl.  auch 
hcnut  hemd,  insUt  unschlitt  (mhd.  insUf);  —  mit  urspr.  -u-: 
mlbx  milcli,  khoivjs  kappes,  kraut  (ahd.  kahu^).  nokhdt  nackt. 
Vgl.  ferner  Imrhsa  hornisse  (s.  Kluge,  Wb.  unter  horlitzen), 
wöivdsa  wespe,  löwdsa  lefze,  lippe. 

Dagegen  ist  der  vocal  geschwunden  in  ernst  ernst,  henkst 
hengst,  Qukst  angst,  tmisnt  tausend,  artst  erz,  iuguk  fügend, 
ahm  eichhorn  (mhd.  eichorn). 


108  LESSIAK  §  02 

Fast  immer  tritt  syiikope  ein  bei  der  fremden  endung  -es, 
-US  nach  sonorcons..  z.  b,  lohons  Johannes,  pnmms  Primus.  Vgl. 
dagegen  tampds  •'tampus',  rausch,  rgwds  'rabus'.  rabenvieh,  kerl, 
wauivds  'wauwus',  wauwau  u.a.m. 

Gedeckte  länge  hat  sich  fast  durchweg  als  -a-  erhalten: 
töhont  dechant  (ahd.  dechän),  sornnidt  sammt,  mündt  monat  und 
mond,  midt  einöde,  Mnidt  heimat,  tsimdt  zimmet,  Vimndn  kümmel 
(ahd.  chumhi),  ohjs  anis  (höf.  omeis).  urjsn  Speisereste,  verb. 
wüsten  (vgl.  got.  nzeta,  ne.  ort[s]).  Der  vocal  ist  geschwunden 
in  d^anst  dienst  (ahd.  dionöst),  ^rtst  arzt  (ahd.  arzät\  wind,  ärtsdt). 

Als  -9-  erscheint  auch  urspr.  -et-  in  gywdsa  erbse  (mhd. 
arwei^),  gmnidsa  ameise,  grwdt  arbeit.  Geschwunden  ist  es  in 
ganstrn  hin-  und  herfahren  (mhd.  ganeistern).  Urspr.  -no-  ist 
erhalten  in  Qrmuot  armut    (vgl.  auch  d^amudt,  demuot  demut). 

§  92.    Abschwächung  von  vocalen  in  nebentonigen 
compositionsgliedern. 
1)  Schwächung  zu  9. 

a)  Kurze  vocale:  -tag  erscheint  in  zweiter  silbe  als  -te; 
als  Zwischenstufe  ist  -tig  anzunehmen:  Miirxte  kirchtag,  lobte 
lebtag,  m(/nte  montag,  u.s.w.;  analogisch  mitte  mittwoch  (der 
pl.  lautet  -tigr:  Muyxiigy,  mgntigr  etc.);  —  -tveg  als  -we  in  ghve 
allweg.  —  Vgl.  ferner  Iceibx  leintuch  (mhd.  lilacli),  antrdx  ente- 
rich  (mhd.  antrechc),  (vceinoxtn  Weihnachten,  öp}''^^^  etwas,  öhnt 
elend  (ölonte  elendig),  andldf  elf  (mhd.  e'mlif). 

-  b)  Lange  vocale:  grQamdt^'\immeiiva[\Lgruonmät),lminsJt 
leinsamen (Imsdi),  launiDtlemwcind (Unwät),  lueirdt lieirat,  hgaxtsdt 
hochzeit,  Qntbs-  (mhd.  antlä^  in  Qntbspßiliste  gründonnerstag, 
gntldsäle  osterei). 

c)  Diphthonge:  Ihnöfhx  knoblauch  (stadtspr.  khnöß),  snitldx 
Schnittlauch,  hontdx  handtuch,  firtox  'fürtuch',  schürze. 

2)  A'ölliger  Schwund  des  vocals  ist  eingetreten  bei  folgen- 
dem sonorconsonanten:  öppr  etwa  i^etewär),  pangrt  (mhd.  &ow«i- 
gnrte),  fgltr  'falltür',  gatter,  pQnldni  bankert,  waiimpr  Weinbeere, 
mapr  'rot-',  erdbeere,  ngxpy  nachbar,  imr  immer,  tQlivrts  tal- 
wärts (dag.  auf-,  aus-,  hamwerts  auf-,  aus-,  heimwärts),  ^hr,  aufr 
U.S.W,  'abher',  'aufher';  —  elil  jenseits  (mhd.  cnhalp),  söfl  so- 
"\'iel  (auch  tciafl  neben  2fi9fil  wieviel),  liQmpfl  handvoll,  ioivl  zu- 


§  93.  9J:  MÜNDART    VON   PERNEGG.  109 

weilen  {*ieivU),  icoJfl  wolfeil,  firü  viertel,  fgrtl  vorteil,  urtl  urteil, 
drispl  schwelle  (mlid.  drischüheT);  —  aiifn,  ahn,  mhn  etc.  'auf-, 
ab-,  einliin".  Erhalten  ist  der  vocal  in  sötdn  {söttdn,  söxtdn) 
solch,  derartig"  (mhd.  sogetän),  ivoltm  in  der  tat,  sehr  (mlid. 
wolgetän).  Hier  scheint  anlehnung  an  die  adj.  auf  -m  statt- 
gefunden zu  haben. 

§  93.  Nebentonige  vocale  vor  der  starktonsilbe 
erfahren  häufig  Schwächung,  z.  b.  motög  mittag,  pongnär  bei- 
einander, fdldmntsn  vacanzen,  ferien,  mdstrontsn  (mit  ausfall 
des  n)  monstranz,  mdärgtsn  matratze,  spdtgl  spital,  u.s.w.;  — • 
geschwunden  ist  der  vocal  in  frgn  voran,  frans  'voraus',  beson- 
ders, fra  'füi'-ein',  drum  darum,  drJiwtr  dahinter,  drfir  dafiii-, 
u.  a.  m. 

Dunkle  vocale  (p,  o)  werden  (zumal  vor  nasalen)  gern  zu  a, 
d.h.  sie  werden  dem  vocal  der  ruhelage  (3)  zwar  genähert, 
aber  ohne  viUlig  in  ihn  überzugehen,  z.  b.  pratscs  process,  pra- 
fesr  Professor,  Ihamöde  komödie,  lanfomjn  begleiten  (gew.  nur 
atisn  l:  hinauswerfen;  zu  franz.  convoi),  praivirn  probieren,  ra- 
söle rosoglio,  glanhöfn  Glanhofen,  glanuhx  Glanegg  (dag.  gJm 
Glan),  Jchaplgn  kaplan  (beachte  das  p  der  zweiten  silbe).  Doch 
auch  laicende  lebendig,  lamm  linieren. 

Eine  art  vocalharmonie  zeigt  sich  bei  polgnlisom,  pahamla 
(neben  pDlouhsQm,  pdliamla  vgl.  i^  30). 

An  111.  Zuweilen  ist  auch  der  vocal  in  der  compositionsfuge  erhalten 
geblieben,  Tgl.  «»««»Y'/^f  Sonnenwende  {\\\\\(\.  mumirendc),  Ihränaicöt  wach- 
holder (uihd.  kruncwiii'),  sjfinuirötd  Spinnengewebe,  spinne  (inhd.  sp/}ineicet), 
Onairottd  längsstreifen  zu  beiden  selten  eines  ackers  (wo  der  pflüg  gewendet 
wird;  mhd.  aneicemle).  höleproiä  'höllebrand'  (eine  pflanze)  [vgl.  auch  öle- 
pügv  eil  bogen]. 

§  94.    Vocalismus  mindertoniger  Wörter. 

In  Wörtern,  die  im  Satzzusammenhang  in  der  regel  neben- 
tonig gebraucht  werden,  erfahren  die  vocale  bez.  diphthonge 
nicht  nur  die  in  §  42  besprochene  quantitätsverminderung, 
sondern  es  sind  hier  weitere  abschwächungen,  mitunter  auch 
völliger  schwund  möglich. 

Die  sog.  unechten  diphthonge  biissen  zuweilen  ihren  zweiten 
bestandteil  ein,  vgl.  gqa  gehe!,  aber  g^-her  geh  her!;  s^aw  schön, 
'a\)qv  piiiicn,  pilxliorsen  'bitte  schön,  'bitte  gar  schön'  (in  formel- 


110  LKSSIAK  §  94 

hafter  Verwendung'  neben  pitsean  u.  s.  w.;  auch  ägnliscn  danke 
schön,  neben  donhs^cui);  sgn  schon,  neben  sgan  (selten,  auch 
emphatiscli  in  der  reg-el  nur  s^n);  tud  tue!  aber  oft  tu-nitasö 
tue  nich't  (al-)so;  iig  wihösten  na,  wie  hast  du  denn,  für  hq 
ivid  . . .  etc. 

Dieser  verlust  tritt  besonders  dann  ein,  wenn  das  folgende 
betonte  wort  mit  einem  vocal,  zumal  einem  solchen  dunkler 
([ualität,  anlautet;  z.  b.  fruduf  {=  fruD-auf)  früh  auf,  is  dö  Jdmd 
Jmi  {khud-a)  ist  die  kuh  auch  hin  (tot)?,  is  ni-dus  (nio-aus) 
ist  nie  aus,  is  dr  snq-Q^irlcfQln  (snea-öhr)  ist  der  schnee  herab- 
gefallen? 

Bei  besonderer  emphase  des  betonten  Wortes  kann  in 
nebentoniger  silbe  unter  bestimmten  bedingungen  sogar  accent- 
verschiebung  eintreten.  Vor  allem  sind  folgende  zwei  fälle 
zu  erwähnen: 

1)  Lautet  die  starktonsilbe  mit  einem  vocal  an,  so  lehnt 
sich  der  auslautende  vocal  der  voraufgehenden  nebentonigen 
silbe  (a  ausgenommen)  unter  verlust  seines  Charakters  als 
silbenträger  an  diesen  an;  z.  b.  du-ä  (du-a)  du  auch?,  dg  geid 
mit  (dg  g^a  i  ä  mit)  da  gehe  ich  auch  mit,  hgt  sedusn  Mmtsn  . . . 
hat  sie  hinaus  geworfen  (dass  sie  nur  so  geflogen  sind).  Sogar 
das  obige  beispiel  khud  kann  zu  khnd  (einsilbig)  werden,  wenn 
das  ä  den  nötigen  nach  druck  erhält. 

2)  'Unechte'  fallende  diphthonge  werden  in  der  Stellung 
vor  der  starktonsilbe  leicht  zu  steigenden,  d.  h.  der  accent  rückt 
auf  den  zweiten  bestandteil  (dies  gilt  zum  teil  auch  von  Ver- 
bindungen von  vocal  +  r;  das  r  verschwindet  in  diesem  falle 
fast  ganz  und  der  gleitlaut  übernimmt  die  rolle  des  silben- 
trägers);  z.  b.  hQstsmr  nm  ksgJc  (=  nio  k.)  hast  es  mir  nie  ge- 
sagt, is  neamptg  (=  w^amp  dg)  ist  niemand  da?,  tvo  ivets  dr 
pua  hernöm  {=  pUd  h.)  wo  wird  es  der  junge  hernehmen?, 
a  hsnuaprs  dirndle  ein  schmuckes  {hsnudprs)  niädel,  a  pga''  sud 
ein  paar  {pgr)  schuhe,  a  drcßi  fta''  Ihrceitsr  'ein'  (artikel)  drei, 
vier  kreuzer  {flr),  fq.a''  Jchrixt  vor  (fgr)  gericht,  hca''  pfgrr 
herr  (Jier)  pfarrer.  Vgl.  aucli  i  tuaso  niks  (=  i  tud  asö  niks) 
ich  mache  sowieso  nichts,  a  soa  pud  dg  {=  a  so  a  piid  dg 
(ein)  so  ein  'schwacher  kerl'  da.  Bei  vorausgehender  stark- 
tonsilbe: rotspua  (=  rotspüd)  emph.  'rotzbub'. 


§  94  MUNDAKT    VON    PERNEGG.  111 

Bei  einzelnen  Partikeln,  fürwörtern  und  hilfsverben  haben 
sich  besondere  schwachtonige  formen  entwickelt,  die  ich  hier 
übersichtlich  zusammenstelle.  Voraus  stehen  die  entsprechen- 
den Starktonformen.  In  einzelnen  fällen  sind  diese  verloren 
gegangen  und  durch  schwache  ersetzt  worden  (seltene  formen 
stehen  in  runder,  secundäre  starkformen  in  eckiger  klammer). 


ich 

i 

i,  e 

mich 

ml 

me,  mf 

dich 

dÄ. 

de,  dl 

sich 

{sxx  entlehnt?) 

se,  Sf 

sie  (fem.  sg.) 

soBi  [si\ 

se,  sf 

sie  (pl.) 

so 

se 

die  (fem.  sg.  und  pl.) 

cU 

dö,  d} 

du 

du 

du,  i-td),  -t 

zu  (mhd.  ze) 

{tsu3  nur  adv.) 

iS3,  ts 

bei 

pa'i 

|)3  (psn,  pm) 

er 

er 

er,  X,  -r- 

der 

dsr  [df] 

df,  dr- 

mir 

mir 

mt 

dir 

dir 

dr 

wir 

iclr 

wx 

nur 

[wf] 

nx 

für 

nr 

fir,  fx,  fr- 

vor 

far 

f9>'>  fr 

ihm 

§am  [in] 

in,  du,  n 

ihn 

m 

in,  an,  ji 

den 

dön 

(in),  an,  n 

in 

in 

(in),  an,  n 

uns 

uns,  i)is 

(ans) 

man 

fehlt 

man,  ma  (.stadtspr.  mf] 

xind 

unt 

ant,  nt,  (-e-,  -o-)») 

sind 

sint  (saiint) 

sant,  snt,  hnt 

habe  (mlul.  lu'tn) 

hm 

Jwn,  (an) 

von 

{fön  adv.) 

fan,  fn,  fa 

auf 

(auf  adv.) 

<'f 

aus 

aus 

(as) 

es 

fehlt 

9S,  S 

das 

dgs 

das,  as,  s 

ihr  (mhd.  e^) 

dös 

dös,  (as),  s 

weil 

icceil 

Oval) 

tut 

tust 

(tat) 

nicht 

(nixf)  [nH] 

nit,  (not),  nt 

wird 

wert 

2cet,  (wat) 

')  Vgl.  söÄ-seseci-isA'sechsundsechszig;  —  hinatndr  bin  und  her  ('wider'). 


112  LESSIAK  §  95.  96 

III.    Der  consonantismus. 
A.  Lippenlaute. 

§  95.   Germ.  p. 

1)  p  >  pf-  a)  Im  anlaiit:  pjlög  \)^egQ, pfludg -^^wg, pfretigr 
Zwinger  (zu  mhd.  p)frcnyen,  got.  praggan).  pfaxtn  prüfen  (mhd. 
pfchten\pföw  pfau,  j)f?»A\s/e''pfinztag',donnerstag',  pfendx  pfenich 
(lat.  panicum),  pfrauma  pflaume,  pfat  hemd  (mhd.  pfeif),  pfmde 
finnig'  (vom  fleisch;  m\\^.  phindic,  vg:l.  Kluge,  Wb.  unter  j^w«e^). 

—  b)  In  der  Verbindung  mp:  ignipf  dampf,  tumpf  m.  tümpel 
(vgl.  mhd.  tiimpfel),  rimpfn  rümpfen,  runzeln,  glimpfn  folgsam, 
rührig  (mhd.  gelimpf),  strgmpfn  strampfen,  die  füsse  unruhig 
hin  und  her  bewegen   (vgl.  nd.  strampeln),  plumpfn  plumpsen. 

—  Aus  mf  hat  es  sich  entwickelt  in  trumpf  trumpf.  hliQmpfr 
kampfer,  ist  dem  höfischen  entlehnt  (echt  ma.  Iwfr).  —  c)  In 
der  gemination  pp :  tsopf  zopf,  hhropf  kröpf,  tupf  punkt,  tupfn 
mit  etwas  spitzigem  berühren,  coire,  eintauchen  (die  letztere 
bedeutung  lässt  auf  verwantschaft  mit  'tief  schliessen,  vgl. 
Kluge,  AM),  unter  tüpfel,  KWb.  s.  77  unter  Tupf  ein  'badeort'  im 
Lesachtale),  slupfn  schlüpfen,  ivipfl  wipfel,  Jdmjpfn  krapfen, 
stQpfl  stufe  (mhd.  stapfei),  tsipf  zipf el,  topfn  quark  (mhd.  topfe), 
IcMpfm.  runge  (vgl.  Kluge,  AVb.  unter  l'tpfd,  \2ii.cippus);  —  sirpfn 
zuspitzen  {m\\([.  schiirpfen,  dag. -sv)/«  aufritzen,  schürfen),  harpfn 
harfe,  hharpfn  karpfen. 

2)  Sonst  p  >  /■  (inl.  */f):  söfn  schaffen,  anordnen,  slgfn 
schlafen,  Miäfn  kaufen,  saufn  saufen,  ruf  reif  (band),  swäf 
schweif,  tidftiet]  —  dgrf  dorf,  %/ scharf,  wur f -wurf,  terfn  (s. 
Kluge,  Wb.  unter  dürfen,  bei  Schatz  tarffd),  helfn  helfen. 

§  96.     Germ.  h. 

\)  h  >  p.  a)  Im  anlaut:  jwwi  bäum,  prUx  bruch,  prg'ngon 
'prangen',  an  der  frohnleichnamsprocession  teilnehmen,  plna 
bühne,  pgrtn  ]m\,  harte. 

b)  In  der  Verbindung  mh:  Ihgmp  kämm  (des  hahns,  ge- 
birges),  Ihampü  haarkamm,  Igmp  lamm,  lump  lump,  hode  beim 
stier  (mhd.  lumhe),  ugmpm  l)aucli  {m\\()i.ivamhe),  sumpru  brummen 
(daneben  scmpru  fortwährend  jammern,  keifen;  zu  mhd.  smnher 


§  96  MUNDART    VON   PEUNEGG.  113 

trommel  korb:  dazu  wol  aucli  scnqn'  dickbancli.  wanst).  tampr» 
klupt'eii  (zu  mild,  tamer  lärm,  tcmeren  sclilagen,  klopfen;  dazu 
vielleicht  gntempru  anschoppen). 

Vergieiclie  das  nebeneinander  in  Wirump  krumm,  lilirgmpni 
krampe,  Spitzhacke,  lihrcmpl 'kr&We  und  Z^rp^^^j/^krampf,  neben 
lihrgm  (dazu  /i7weme' krämpfig) ;  strempfl  und  s^;-e;»ji9Z  pflock  (zu 
obigem  titrQmpfn,  m]\d.  sfrempfel);  JiliJQmpr  klRmmav,  l-ldowpfrn 
klempnern,  dazu  lüdempr})  herumtasten,  klimpern;  stampru 
herumstampfen,  -treten,  ^tamprle  kleines  konisches  gläschen, 
stumpl  Stummel,  stompfn  stampfen,  abstossen,  stumpf  stumpf; 
picmpru  anschoppen,  klopfen  (in  letzterer  bed.  auch  piimpru), 
pompf  dicke  breiartige  masse,  pgmpfn  (sich)  anfüllen;  pimpln 
baumeln  {pimpdle  penis),  pim{p)f  läpp,  dummkopf;  tampos 
rausch,  tgnqyf  dampf,  rausch  (dazu  wol  tcmdn  dunstig,  schwül 
sein,   teme  schwül). 

Ferner  slgnipa  schlampe  (zu  mhd.  slimp  träge),  gamprn 
hüpfen  (mhd.  gampelen\  dazu  gimpl  gimpel),  trgmpl  schelte: 
'dummkopf  (zu  mhd.  tmmpelen),  tsrlempru  zu  gründe  richten, 
g  lemprl  o  Jammer!  (vgl.  nhd,  (jelämmert,  B^^'b.  1,  1474  lätnp 
fetzen),  plempm  grosses  volles  bierglas  (wol  zu  obigem  plumpfn, 
vgl.  zarzerisch  pjlumpf  tümpel),  <jrampdle  graupe  (vgl.  BWb. 
1,  995  gramcT). 

m  für  ahd.  mh  erscheint  in  um  um,  tum  dumm  (neben 
timip)dt  stumpf,  tiimpl  kleiner  mensch),  tslmr  zimmer  (wol  ent- 
lehnt, dafür  gew.  stühm,  vgl.  wind,  tslmpr  bauholz,  tswiprmdn, 
ma.  tslmrmgn  Zimmermann),  shm  schlimm  (ist  ebenfalls  der 
entlehnung  sehr  verdächtig),  simhl  (vgl.  §  25,  d)  schimmel  (pferd), 
dag.  simp)l  Schimmel  (pilz).  Nebeneinander  stehen  cmr  'eimer' 
als  flüssigkeitsmass,  emp»-  eimer  als  gefäss. 

Das  nebeneinander  von  formen  mit  oder  ohne  p  (bez.  p 
und  pf)  vor  l  und  r  lässt  sich  wol  daraus  erklären,  dass  sich 
schon  im  vorahd.  (vorgerm.?)  formen  mit  mbr  (mhl)  und  mr  (ml) 
gegenüber  standen,  je  nachdem  die  beiden  sonorconsonanten 
in  unmittelbare  berührung  kamen  oder  nicht,  bez.  je  nachdem 
die  Silbentrennung  beschaffen  Avar  (vgl.  dazu  die  heutigen 
Verhältnisse  in  der  ma.  §  23.  und  Streitberg,  Ui'germ.  gramm. 
§130,2). 

c)  In  der  gemination  hh:  Ichngp  knappe,  Ichrippm  wagen- 
korb (krippe;   Kluge  stellt  es  mit  recht  zu  mhd.  Icrehe  korb), 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXV 111.  8 


114  LESSIAK  §  96 

rappm  räiide  (mlid.  rappc),  stnppm  arzneipulver,  blütenstaub 
(mild,  stüppe),  sappm  am  unscliuldigenkiudertage  mit  ruten 
schlagen  (wol  zu  säw  sclianb,  'rutenbünder?),  stöppm  steppen, 
Soppm  sciioppen  (dazu  /.soj)j)?  Stöpsel?,  vgl.  auch  ^Ä?a!yjw^  struppig, 
niedergeschlagen,  BWb.  2,  43G  schaupen,  schaiipecht),  sQ)pm 
blättchenweise  schneiden  (mhd.  scharhen),  sidpm  schuppe  (vgl. 
Schatz  s.  77),  grcüipa  griebe  {^griubjön),  lappm  f.  Überbleibsel 
(vgl.  mhd.  leihe),  troppm  traben,  Ichnoppr  f.  auswuchs,  knopper 
(vgl.  nd.  hiubhe),  Igppe,  Igppdht  lau  (ahd.  lap  brühe;  dazu  wol 
lop  läpp,  tölpel,  mhd.  hippe),  loöppdtsn  schnell  vorbeihuschen 
(neben  wöpfbtsn;  vgl.  Kluge,  Wb.  unter  tvippcn,  wz.  ivih)\  — 
vor  l:  /<)j^^  beule  (^«iJ^^Z^JöiZn 'dübelboden',  Zimmerdecke,  tippln 
mit  fingern  futter  hineinstoi)fen,  zu  mhd.  tühcl  holznagel),  ngppl 
nabel,  rippln  fest  abreiben  (mhd.  rippeln),  nusMppl  m.  nuss- 
schale  (wol  zu  haben  =  'halten',  s.  BWb.  1, 1036  unter  höhel), 
(jropplm  herumtasten,  -kriechen  (zu  graben,  vgl.  Schatz  s.  77), 
nöppln  rauchen  (mehr  'höfisch',  zu  nebel). 

2)  In-  und  auslautend  zu  w-  zu  h  (b)  in  den  in  §  28,  a,  c 
angeführten  fällen.  Beispiele:  Qtv  ab,  kJiQhv  kalb,  tridw  trüb, 
gwr  aber,  hglivr  halber,  u-öivr  weber,  sivötvl  Schwefel  (mhd. 
swebel),  söwr  schober,  löhn  leben,  Jiu9hm  hübe,  iobm  üben. 

Nach  sonoren  erscheint  auch  das  anlautende  *b  des  zweiten 
gliedes  alter  fester  composita  (wenn  dieses  in  seiner  eigent- 
lichen bedeutung  nicht  mehr  empfunden  wird)  als  iv  (vgl.  dazu 
AVeinhold,  Baii\gr.  §  136):  Mn^^e' herberge,  envr  empfindlich, 
gallig  (mhd.  erbwre),  lonvr  lorbeer.  Zahlreiche  beispiele  bieten 
die  Ortsnamen:  himblivcrg  Himmelberg,  ählivcrg  Eichelberg, 
ivermwerg  Wernberg,  plcenvurg  Bleiburg,  l^amwerg  Liemberg, 
umiverg  Umberg,  Jchrätverg  Krallberg,  stoinverg  Steuer-  (rich- 
tiger Steier-)  berg,  mosiverg  {-ivvrg)  ]\roosburg  (urk.  Mosahurch). 
Wo  dagegen  die  bedeutung  des  zweiten  compositionsteils  noch 
gefühlt  wird,  erscheint  stets  p.  Dies  tritt  besonders  beim  ge- 
brauch der  Präpositionen  deutlich  zu  tage.  Man  sagt  afn  Mwstm- 
2)erg,  iväsmperg  etc.  'auf  dem'  Köstenberg,  Wachsenberg  (obwol 
beide  Ortsnamen),  dagegen  mi  oder  ts  Jchrätverg  in,  zu  Krahberg. 

Geschwunden  ist  *b  in  lötslt  lebzelt.  Ms  'hübsch',  ziemlich, 
^hr,  (jhn  'abher',  'abhin',  glkera  abkelir  (wegrinne),  auslautend 
in  eohl  (ehl)  drüben  (mhd.  enhalp).  Zu  püd,  wceispiU  vgl.  §  32,  a, 
zu  hon  (habe)  §  176.    S.  ferner  §  17,  anm. 


§  97.  98  MÜNDART   VON   PERNEGG.  115 

§  97.    Germ.  f. 

Germ,  f  erscheint  normalerweise  als  f,  fällt  also  nach  §  14 
mit  *//' zusammen:  fämi%\m,  fios  tnss,  /)•«  frisch;  —  ö fn  oten, 
Möfr  käfer,  liöfn  hafen  (topf),  khnofhx  knoblauch  (ahd.  Jdovo- 
louJi),  saufl  schaufei  (vielleicht  auch  sraufa  schraube,  vgl.  Kluge, 
Wb.  unter  scJirauhe),  cmdhfe  elf,  tswölfe  zwölf,  Iwf  liof,  (jrgf 
graf,  «-p;/ sensenstiel  {m\\L  icarf,  wari)]  die  westl.  nachbarma. 
haben  zum  teil  icgrp). 

Anlautendes  fn  erscheint  als  pfn  in  pfnatsn  niesen  (zu  ahd. 
fnaslicizzen,  fncsJcezzan).  —  xt  für  ft  haben  fuxtsen,  fuxtslc  (nach 
Kauffmann,  ßeitr.  12,  512,  fussn.  Streitberg,  Urgerm.gr.  §  117,4 
wäre  das  x  schon  urgerm.;  vielleicht  liegt  aber  doch  nur  eine 
art  dissimilation  vor;  andere  ma.  haben  fuftscn,  fuftsk). 

§  98.    Germ.  u\ 

Germ,  lu  (u)  >  w;  >  h  unter  denselben  bedingungen  wie  *h 
(es  sind  demnach  urspr.  b  und  iv  im  in-  und  auslaut  völlig  zu- 
sammengefallen): wceis  weiss,  zvelt  weit,  tvurtsa  würze),  sivär 
schwer,  sivits  schweiss,  sivgl  schwall,  tsivihlm  zwicken,  tsivä 
zwei.  —  Inlautend  sivgliva  schwalbe,  snceihm  schneien,  siKnihm 
speien,  ströiv  streu  (mhd.  strewe),  ridwe  ruhig  (nihd.  rüewic), 
M^aiiUi  kränklich  (mhd.sUtv ic),  eaive  evdg,  law  löw'e,  gräiv  gY?i\\, 
pigw  blau,  Igw  lau,  khüw  gewölk  (mli([.gehllive),  smirhm  schmieren 
{smiriv  f.  'schmiere',  salbe),  gnvdsa  erbse,  serbm  dahinsiechen, 
Serben,  fonv  färbe,  liariva  herbe,  arhm  klammer  (mhd.  "^nänve). 

Geschwunden  ist  ""iv  diu'chweg  in  den  anlautenden  Ver- 
bindungen wl,  wr  (wie  bereits  im  ahd.).  —  *{ju  erscheint  als 
kh  in  khökx  keck,  {khökxsilivr  quecksilber),  khömdn  kommen  (ahd. 
fjueman;  die  stadtspr.  hat  khünmi),  khcdr  köüer  (nüid.querder),^) 
khit  kitt,  khittn  quitte,  khcrdtsn  knirschen,  knarren  (mhd.  kerren, 
ahd.  querem),  klnr  kirre  (got.  qairrus).  Ferner  im  fremdwort 
khatemr  (doch  daneben  khivatemr)  quatember;  —  als  khw  in 
khiihln  f.  weichteil,  lende  (zu  got.qijtus]  dazuwol  [sichj  frkhufsn 
im  Schlünde  stecken  bleiben,  klmttrn  kichern,  lachen,  dass  man 
sich  scliüttelt  [mhd.  kufteni],  khiifflßökx  kuttelfleck,  s.  Kluge, 
Wh.  unter  kuiteln),  khivöl  quäl  {khicüln  (luälen).  Vgl.  auch  das 
wind,  lehnwort  kiiät  kot  (ahd.  qtiät;  das  in  der  ma.  höchst  selten 

')  Vgl.  slow,  kvedro  schulilappen ;  mhd.  querder  hat  dieselbe  bedeutiing;. 

8* 


116  LESSIAK  §  99 

vorkommeiule  Uüi  ist  entlehnt).  Fremdwörter  sind  hhmt  quitt, 
l-Jncinfn  pl.  grillen  (franz.  quinte),  lilitmlr  iiuader,  frMiwentsn  ver- 
schaclier;i  (eig.  quentclienweise  verkaufen),  /i/w<?a/ir  quartier  u.a. 

Inlautend  ist  w  gescliwunden  in  pJoinon  bläuen,  l-Jiroinon 
gereuen,  l-hohmi  kauen,  hamun  hauen,  imundn  bauen,  iäudtsn 
•tauen',  schwach  regnen.  —  Auslautend  in  gel  gelb  (dag.  gil- 
ivdldi  gelblich),  mcl  melil,  mgr  mürbe  (mlid.  mar,  -ives\  ligr  m. 
haar  (=  flachs,  mhd.Aar,  -tves),  rud  ruhe,  sfa  see,  Icldm  klee,  /./mta 
knie,  ?«ö/  neu,  /«cb*  heu,  gm  gau,  iJ^^i  blei  {lümim  bleiern), 
g^imi  gebäude  (vgl.  auch  frcm,  tau  u.s.w.,  IMöa  klaue,  strga 
Stroh,  /'röa  froh). 

Es  ist  zu  i/  ge^vorden  in  Imigis  heuen,  sawr/»  schauen,  noig- 
neu  (flect.  z.  b.  noige,  nwige  sUd  neue  schuhe),  tv^ag-  wehtuend 
(flect.  z.b.  «  tvQagr  fwgr  ein  kranker  flnger,  zu  mhd.  adv.  tve; 
es  ist  wol  kaum  anzunehmen,  dass  eine  ableitung  auf  -ig, 
*ive[iv]ig,  zu  gründe  liegt),  trog  Drau  (fluss;  wind,  dräud,  lat. 
DravHs,  mlat.  Traha,  doch  /rö/o?  Drautal,  tr^nvurg  Drauburg). ') 
Vgl.  Schatz  s.  80  und  die  dortigen  angaben. 

Zu  felfr  felber  s.  §  31,  a,  zu  rgax,  Igax  s.  §  118,  3. 

Ich  bin  nicht  der  ansieht,  dass  wir  als  Vorstufe  unseres 
gegenwärtigen  «t"-lauts  stimmhaftes  iv  zu  betrachten  haben. 
Für  tv  =  *&  w^äre  eine  solche  annähme  w^ol  sehr  bedenklich. 
Aber  auch  die  entwicklung  des  ""n  zu  heutigem  iv  lässt  sich 
leicht  ohne  eine  solche  Zwischenstufe  verstehen  (vgl.  auch 
Schatz  s.  82). 

§  99.    Germ.  m. 

Germ,  m  =  m:  ingkn  machen,  mösr  messer,  mos  sumpf  (mhd. 
mos),  nömdn  nehmen,  raimdn  'reimen',  passen,  sich  fügen,  stwi 
stimme,  sivom  schwamm,  träm  träum,  läm  lehm,  wurlm  w'urm, 
Qrhiii  arm. 

In  nebentoniger  silbe  ist  es  auslautend  zu  n  geworden: 
pödn  boden,  ggdn  getreidekasten,  schrank,  lihrösn  {-gelt  spende 
des  taufpaten),  ntn  atem,  pudsn  busen,  fösn  besen  (zu  mhd. 
hodem,  gadem,  Iresem  u.  s.  w.).  Vgl.  auch  prgasa  f.  {^m\.  iireasdle 
bröselein;  aus  mhd.  hrösme  über  prgasn,  vgl.  dazu  §  88.  Ueber 
den  dat.  sg.  der  pron.  und  adj.  s.  §  143.  §  152  ff.). 

In  turü  türm,  ist  das  n  \\(A  ursprünglich  (vgl.  Kluge,  Wb. 

»)  Vgl.  gottscheeriscli  icuß  Sai\  (=  slow.  Sam). 


§  100  MUNDART   VON   PERNEGG.  117 

unter  türm),  lilmi  kalin  (sclion  mlid,  hm.,  J:dn).  Fraglicli  ist 
es,  ob  man  gläii  funke,  zu  mlid.  glcim  stellen  darf.  Geschwunden 
ist  m  in  pQlpusn  palmbusch  (am  palmsonntagf  geweihtes  büschel 
von  Weidenruten);  zu  pfriddl  vgl.  §  112,2. 

Aum.  Als  p  erscheint  urspr.  m  in  prentln  nächtliclie  liebesbesuche 
abstatten,  zu  dem  in  der  ma.  ausgestorbenen  Z^rent,  vesperbrot  (BWb.s.361) 
ans  it.  merenda.  Das  prenthi  ist,  zumal  wenn  mehrere  burschen  gemeinsam 
ausziehen,  häufig  auch  mit  einer  'bewirtung'  verbunden. 

Entsprechungen  fremder  labiale. 
§  100.  Behandlung  der  labiale  in  fremdwörteru  der  nia. 

\)p. 

a)  In  lehn  Wörtern,  die  vor  der  lautverschiebung  auf- 
genommen wurden,  hat  es  dieselbe  entwicklung  mitgemacht, 
wie  germ,  p\  z.  b.  pfceifn  pfeife,  pföfr  pfeffer,  hlmpfr  kupfer 
(doch  vgl.  die  beiden  ersten  unter  c  angeführten  beispiele). 

b)  Als  p  erscheint  es  im  anlaut  später  entlehnter  Wörter 
(es  fällt  also  hier  mit  germ.  h  zusammen):  pira  birne,  xiölts 
pelz,  pöx  pech,  pigl  gallert  aus  gesottenen  knochen  (it.  pegola, 
lat.  *picula),  plQgn  plagen,  peltsn  beizen,  prösn  pressen,  pgr 
paar,  püsn  'pfütze',  nässender  ackergrund  (alid.  huzm,  puzsi, 
vgl.  ii.pozzö),  plgts  platz.  —  In  der  regel  auch  im  inlaut:  kJiQppl 
Kappel  (häufiger  Ortsname,  lat.  capella),  pgppl  pappel  {saupQppl 
malve),  pippm  fasshalm  (it.  pipa),  poppm  puppe  (mhd.  hoppe, 
vgl.  Kluge  im  Et.  wb.). 

c)  Als  IV  (bez.  V)  erscheint  es  inlautend  in  kliQtvos  kraut 
(vgl.  Kluge,  Wb.  unter  Icappes),  löivdsn  huflattich  (Haham,  zu 
lat.  lapatnan^)),  töivox  teppich  (mhd.  te'bech),  olbin  (dem.  alwl) 
alpe,  alm  (mhd.  albe),  Icemndts  Leibnitz  (slow,  lipnica),  lö{h)mdx 
Lebmach  {iirk. Leheiikih,  zu  slaw.^ej^e/i-  dunkel),  preJcJi{miFveggSim 
{*prdJioh€u  bez.  -wen,  slow.  *preJcopa;  dazu  prclhgwr  [hausname]). 
Die  beispiele  Hessen  sich  vermehren,  doch  sind  sie  etymologien 
vielfach  unsicher. 

2)  h. 

a)  h>  p  (nur  im  anlaut):  purst  bur.sche,  pirstn  birschen, 
puhspam  buchsbaum,  priof  brief,  prcfa  f;,  dem.  prefdle  amulet 

*)  l'^iodsn  gehört  mehr  der  oberkärnt.  ma.  an.  In  iinserer  gegeud  sagt 
man  dafür  lieber  lapötika  (mlat.  lapatica). 


118  LESSIAK  §  100 

(zu  lat.  hrcrc),  prütsn  t  bretzel,  j«(^^r  butter,  präfhrSiW,  prenta 
kübel  (it.  wind,  brenta). 

b)  6  >  /':  a)  wind,  lelmwörter,  anlautend:  fceistrQts  Feistritz 
(slow.  Bistrica),  flcitnots  Flattnitz  (Blatmca),  firndts  Fürnitz 
{Brnca),  flhx  Villacli  {Beljalc),  fr^asn  Fressen  i^breza),  ferhx 
Ferlacli  (Borovlje),  f^ahx  Vellach  i^helax),  flatsdx  Flatsclmcli 
(Blace),  frdits  Verditz  (zu  slow,  hrdo),  fölMirmgrlcx  Völkermarkt 
(wind,  hlkämts,  %olilcoudts\  die  slow,  bezeichnung  Velilcovec  be- 
ruht auf  falscher  etymologie,  vgl.  urk.  Volkin-,  Volke-,  Volchen- 
marc]i[et]),  u.s.w^  —  Inlautend  trQafn  Treffen  (wind,  ^re&me), 
rceifndts  Eeifnitz  (Bibnica),  säfndts  Saifnitz  (Zabnice),  grifn 
Griffen  (Grebinj),  Ufn  Tiffen  (yjvüA.  pgtum  im  *pod  tibinlem]), 
gfrdts  Afritz  (wind.  tsgbrtsa\  etc. 

Anm.  Wenn  jedoch  dem  h  urspr.  ein  j  oder  r  folgte  oder  ein  in 
vorausgieng,  so  ist,  soweit  ich  die  Terhältnisse  bisher  überblicken  kann, 
das  h  'erhalten'  geblieben  und  den  lautgesetzen  der  ma.  gemäss  weiter 
entwickelt  Avorden.  Vgl.  loihm  Leobeu  (*iuhjina),  töwrdx  Döbriach  {*do- 
brijax),  d^airr  Debar  (wind,  na  dchre),  domra  Dombra  i^dd^mhraxia,  abulg. 
dqbrava),  ghntsa  Glantschach  (urk.  Glonhscujs,  Glohzach,  Glomsach,  zu 
*glöcmboJco,  abulg.  glqbolco),  tdiviÜ  Tobitsch  {*döcmbitHe,  zu  dq.bü  eiche). 

ß)  Romanische  lelmwörter:  tafern  gasthaus  (it.  taberna), 
fgltsn  balzen  (itbahare),  fgstibn  (dem.fostt)  Sebastian,  mglfd{r)(jet 
Malborghet  (it.  3Ialborghetto).  Auch  bei  tstvtfl.  zwiebel,  scheint 
eine  roman.  form  mit  b  zu  gründe  zu  liegen  (vgl.  wind,  tsdbü 
für  *tsib6l  und  Kluge,  AVb.  unter  ziviebeT). 

q)  b  >  w:  iväl  ball  (it.  ballo),  ivanda  (musik) bände  (it. 
bandd),  wankmiötn  banknoten,  ivastt  Sebastian,  ivarwa  Barbara, 
iveske  'bestie',  kerl,  icglthdusr,  ivgltdsr  Balthasar  (volksetym. 
^Waldhauser'),  wenedikht  Benedikt,  ivStldliem  Bethlehem,  wawi- 
Ignds  babylonisch  (in  oberkärnt.  ma.  auch  tvaivügmis),  wargn 
baron,  iväbm  weib  (verächtlich;  wind,  bäbd),  t/lwots  Tiebitsch 
(wind,  tibdtse),  traivene  Trabenig  (wind,  trabentse;  beide  Ort- 
schaften liegen  jenseits  der  Sprachgrenze). 

3)  Rom.  V 
erscheint  (von  uralten  lehnwörtern,  wie  ivcein  wein,  etc.,  natür- 
lich abgesehen)  in  der  regel   als  f:    fceit  Veit,    föspr  vesper, 
fcndrn   schachern    (mhd.  vervendern,    zu  lat.  vendere),    fonöde 
\'enedig,  pulfr  pulver,  sglfe  salbei  (lat.  salvia),  salfn  kurieren 


§  101  MUNDAKT    VON   PERNEGG.  119 

(auch  Übertragen  'züclitigen";  lat.  salivarc  durch  speidielfluss 
kurieren,  vgl.  BA\'b.  2,  271  unter  salfern  schnell,  unverständlich, 
mit  ausspritzen  des  speicheis  sprechen;  wahrscheinlich  gehört 
auch  nhd.  salbadern  hierher),  taufa  daube  (rom.  döva,  vgl.  Kluge, 
Et.  wb.);  —  nofcmr  november,  fifa  vivat,  tifdäln)  dividieren, 
f'itse  vize-,  facUum  vadium,  u.  s.  av. 

tv  haben  tvlla  villa,  aivisg  aviso,  alaivante  schnell  vorwärts 
(it.  allo  avanti),  eiciivä  (it.  evviva),  gaivlir  cavalier,  präivg  bravo. 

Anm.    Wind,  m  ist  ausnahmslos  durch  iv  (Ijez.  h)  vertreten. 

§  101.    Behandlung  deutscher  labiale  in  fremd- 
wörteru  des  windischen. 

1)  pf  wird  anlautend  stets  durch  f  ersetzt,  das  vor  *?  in 
h  i^x)  übergeht  (uralte,  gemeinslaw.  lehnwörter  wie  jionva 
pfanne,  pmcz  'pfennig',  geld,  u.s.w.  kommen  dabei  nicht  in 
betracht):  färd  pfarre,  ßnt  pfund,  frenydr  (=  ma.  pfreugr\ 
huäntsa  pflanze,  huästr  pflaster. 

In-  und  auslautend  erscheint  in  älteren  lelinwörtern  2h  in 
jüngeren  /':  sujui  schuppen  (ma.  supfn  f.,  mhd.  schupfe\  staple 
pl.  stufen  (ma.  stQpfl),  tsdp  zipfel  (ma.  tsipf),  h-äp  krapfen;  — 
slnfatd  schimpfen,  Mfv  kupfer,  hiof  knöpf,  li-of  kröpf.  Auf- 
fallend ist  wind,  hinlidstb  (pl.)  pfingsten.  Das  wort  ist  zweifel- 
los aus  dem  deutschen  entlehnt,  und  zwar  setzt  es  eine  form 
mit  anlautendem  v  (für  pf)  voraus,  die  vielleicht  durch  an- 
lehnung  an  ein  einheimisches  Avort  entstanden  sein  mag.  Vgl. 
Xotkers  si  finfckustin. 

2)  Germ.  h.  Es  erscheint  in  den  fällen,  wo  es  in  der 
ma.  durch  p  vertreten  ist  (im  anlaut,  in  der  Verbindung  mh 
und  in  der  gemination)  stets  als  p  {hgx  Speckseite,  ma.  pQlin, 
m\\(}i.haclie,  ist  wol  nicht  entlehnt,  sondern  urverwant:  v^^z.hhög?). 
Inlautend  hat  eine  sehr  alte  schiebt  von  lehnwörtern  p,  eine 
zweite,  jüngere  h.  Beispiele:  nöpa  (*/r7jja)  'laube',  vorhalle  in 
der  kirche,  shöpa  schaub,  tsöpratd  zaubern,  röpato  rauben,  her- 
pric  pl.  herberge  (ma.  h'ince),  Mpos  kraut  (ma.  Jchgwds),  päpaz 
papst  (mhd.  hähcs),  zugpü  schwefel  {'^zucpel,  ma.  swöivl),  si2)a 
(Gutsm.)  sclieibe;  —  sribatd  schreiben,  n'ia/«?  reiben,  plibrkB\^i- 
burg  {xi\di. plceiwurg),  häbdx  habicht,  Muba  salbe,  u.s.w. 

Auslautend  wird  es  durch  j;  vertreten  in  den  in  §  3r>,  anm.  2 


120  LESSIAK  §  102 

augefiilirten  Avörtern.  Sonst  erscheint  h,  z.  b.  püdh  'buhe',  knabe, 
nrJduh  Urlaub. 

3)  */f  =  germ.  ^  oder  assimilationsproduct  ersclieint  durch- 
weg als  f:  strdfaid  strafen,  safcd'd  schaffen,  öfn  offen,  hmfatb 
•klaffen',  unsittlich  reden,  67i«/  schaff,  tsirfdt  wallfahrt  (ma. 
Jihirfat),  öfart  hoffart,  etc. 

Altes  (germ.)  /'  erscheint  dagegen  in  der  regel  als  h.  Nur 
verhältnismässig  späte  entlehnungen  haben  durchweg  f:  a)  hirt9x 
'fürtuch',  schürze,  bUk  fleck,  bgs  floss,  bttla  fülle,  blis9Jc  fleissig, 
böhafo  (*bol(jati)  folgen,  gehorchen,  h(1i_<x  (nia.  föbx,  s.  §  115,  3), 
bauä  falte,  birmat^  firmen,  z-baratd  erfahren  (secundär  daraus 
gefolgert:  ftara^a  fragen),  Jnlmaw  fromm;  —  tsebr  käter,  Mbndr 
liafner,  sibra  Splitter,  glasscheibe  (mhd.  scJinwr),  trlbös  dreifuss 
(ma..  dnfios),  ^übua  sch-diitel,  Jiräbstöh  Grsitenstem,  pitlbr,  purbl 
pulver,  u.a.m.  —  b)  fdiratd  feiern,  fmgrdt  üngerhnt,  füotr  futter, 
töf'l  tafel  (=  gastmahl,  dag.  fabua  schreibtafel),  pnofihga  prü- 
fung,  U.S.W. 

Auslautendes  f  erscheint  als  b  nur  in  pridb  brief,  papier, 
sonst  stets  als  f:  britof  friedhof,  fdrof  (Gutsm.)  pfarrhof,  stäiif 
(ortsn.)  Stallhofen.  Junge  entlehnungen  sind  höf,  hrbf  hof,  graf 
(denn  wären  sie  alt,  so  müssten  sie  Vigf,  *hräf"bez.  *hgb,  "^hräb 
lauten). 

4)  Deutschem  tv  entspricht  in  älteren  lehn  Wörtern  durch- 
weg u,  in  jüngeren  b:  a)  uihatd  weichen,  mmip  bauch  (mhd. 
wambc),  uähta  wacht,  uidn  Wien,  uäratd  se  sich  hüten  (mhd. 
tcarn),  imitatd  anwenden  (gegen),  uiki  weise,  uitse  pl.  fegfeuer 
(mhd.  ivitse,  vgl.  BAVb.  2,  1059  iveis),  tsmh  zweck  (holznagel), 
zuitsat'j  schwitzen,  bdrua  färbe,  täudrx  tage  werk,  hantudrx 
handwerk,  htmart  Hochwart,  Iön  löwe.  —  b)  band  wanne, 
bdibotsa  weiblein,  bmidratd  wandern,  bQndlingd  Wandlung,  bök 
weg  (ma.  ivölix),  ebdJc  ewig,  frbözdr  Verweser,  firbdr  färber, 
u.  s.  w, 

§  102. 

Wenn  wir  alle  diese  Verhältnisse  im  Zusammenhang  über- 
blicken, so  gelangen  wir  mit  ziemlicher  Sicherheit  zu  folgenden 
Schlüssen. 

1)  Germ,  b  muss  im  altbajuwarischen  ein  stimmloser 
bilabialer  verschlusslaut  gewesen  sein,  wie  dies  ja  schon  aus 
der  Orthographie   der   ältesten   denkmäler   hervorgeht:   sonst 


§  102  MUNDART   VON   PERNKGG.  121 

wäre  es  unerklärlich,  wie  die  SloAveneii,  die  ein  stimmhaftes  h 
besassen,  dazu  gekommen" wären,  es  durch  p  zu  ersetzen,  und 
umgekehrt  die  Deutschen,  für  fremdes  stimmhaftes  h  einen 
anderen  laut  (*i')  zu  substituieren.  Die  verschiedene  entspre- 
cluing  in  der  heutigen  ma.  (anlautend  p,  inlautend  iv)  beruht, 
wie  dies  bereits  Schatz,  Imster  ma.  s.  83  gezeigt  hat,  auf  jüngerer 
ent Wicklung;  nur  so  ist  es  zu  verstehen,  wie  das  anlautende  h 
des  zweiten  teiles  fester  composita  (s.  §  96,  2)  dieselbe  behand- 
lung  erfahren  konnte  Avie  die  übrigen  inlautenden  h.  Einen 
sicheren  beweis  für  die  richtigkeit  dieser  annähme  liefern  auch 
die  fremdwörter,  deren  inlautendes  p  zu  iv  geworden  ist 
(s,  §  100, 1  b).  Hier  scheint  das  p  im  gegensatz  zu  den  fällen, 
wo  es  heute  als  p  {pp)  erscheint  (z.  b.  poppl),  nicht  als  gemi- 
nata  übernommen  worden  zu  sein.  Die  beispiele  sind  charak- 
teristisch: *capiitium,  lapdtium,  ^tapetum,  'Hepmjax  haben  den 
accent  auf  der  folgesilbe.  In  ^prelcopa  gehört  das  p  einer 
nebentonigen  silbe  an.  In  "^lipnitsa  steht  es  nach  länge  und 
vor  folgendem  consonanten  (vgl.  auch  ahd.  hohes,  \?ii.papa  mit 
langem  a).  Bei  "^alp-  geht  ein  consonant  voraus. ')  Die  er- 
weichung  zu  iv  muss  bereits  ziemlich  früh  stattgefunden  haben, 
jedesfalls  schon  zu  einer  zeit,  wo  das  ma.  **  noch  annähernd 
den  lautwert  eines  langen  l  hatte,  vgl.  wind,  srihatd,  rihato. 
Das  allmähliche  aufgeben  der  Schreibung  p  für  inl.  *&  in  bair. 
Sprachdenkmälern  vom  11.  jh.  ab  entspricht  demnach  in  der 
tat  einem  wandel  in  der  ausspräche. 

2)  An-  und  inlautendes  altes  f  war  in  einer  älteren  periode 
unserer  ma.  stimmhafte  (wahrscheinlich  labiodentale)  lenis.  Als 
solche  erscheint  es  noch  heute  in  den  ma.  von  Gottschee,  Zarz- 
Deutschrut  und  der  si)racliinseln  in  Friaul  und  an  der  tirolisch- 
italienischen  grenze.  Unsere  ma.  hat  den  urspr.  unterschied 
von  fortis  und  lenis  bei  dauerlauten  aufgegeben;  dadurch  ist 
natürlich  auch  *//  "^it  */'  zusammengefallen.  Dass  es  sich 
liierbei  um  eine  verhältnismässig  junge  erscheinung  handelt, 
ist  sclion  an  und  für  sich  sehr  wahrscheinlich,  denn  soweit 


1)  Vielleicht  ist  auch  arndgrf  Arndorf,  für  *a)i)m-  (änccn-),  wind. 
»(iyjwulie  für  *arpou/ke  hierherzustellen,  falls  hier  nicht  entlehnung  aus 
dem  deutschen  vorliegt  (es  ist  nicht  mit  dem  in  §  56, 2  erwähnten  Arn- 
dorf, \&t.  Hereditas,  identisch;  dieses  heisst  wind,  nach  dem  ortsrepertorium 
Verjyja  ves). 


122  LESSIAK  §  102 

ich  die  bair.-österr.  dialekte  kenne,  scheiden  im  inlaut  alle 
streng  ZAvischen  fortis  ff  (=  germ,  p)  und  lenis  f  (=  g-erm.  /'). 
Das  Vorhandensein  einer  ursprünglichen  differenzierung  be- 
stätigt ohne  weiteres  die  verschiedene  entsprechiing  der  beiden 
laute  in  älteren  deutschen  lehnwörtern  des  wind.  Ohne  zweifei 
war  auch  in  unserer  ma.  germ.  f  (im  gegensatz  zum  verscho- 
benen) lenis,  fraglich  ist  es  nur,  ob  wir  für  dasselbe  stimm- 
hafte ausspräche  voraussetzen  dürfen.  Abgesehen  davon,  dass 
sich  eine  ausgesprochene  lenis  stimmlosen  Charakters  am  besten 
als  reductionsproduct  eines  ursprünglichen  stimmhaften  lautes 
auffassen  lässt,  scheinen  mir  die  substitutions Verhältnisse  mit 
grosser  Wahrscheinlichkeit  für  ehemalige  stimmhaftigkeit  zu 
sprechen.  Ich  muss  daran  erinnern,  dass  dem  slow,  die  labiale 
Spirans  von  haus  aus  fehlt.  Mit  ausnähme  einiger  onomato- 
poetischer bildungen  sind  die  heute  allerdings  sehr  zahlreichen 
Wörter,  in  welchen  ein  /'  erscheint,  durchweg  fremden  Ursprungs. 
Eine  gewisse  abneigung  gegen  das  fremde  /'  müssen  wir  daher 
für  das  slow,  wenigstens  anfänglich  sicher  voraussetzen,  und 
diese  äussert  sich  ja  in  der  tat  in  der  eigentümlichen  behand- 
lung  des  deutschen  pf:  inlautend,  wo  es  stark  geminiert  ge- 
sprochen wurde  (schup-pfe),  wo  also  der  verschlusslaut  gewisser- 
massen  über  den  folgenden  Spiranten  überwog,  und  im  auslaut, 
wo  das  f  leicht  reduciert  werden  konnte,  haben  die  älteren 
lehnwörter  bezeichnender  weise  in  der  regel  p,  anlautend  da- 
gegen, wo  eher  der  verschlusslaut  eine  gewisse  Schwächung 
erfahren  konnte,  erscheint  immer  f 

Aber  auch  unter  voller  berücksichtigung  der  tragweite 
dieses  umstandes  wäre  es  kaum  möglich  gewesen,  dass  die 
Slowenen  (germ.)  f  anders  behandelt  hätten  als  ff,  wenn  es 
sich  bloss  um  den  unterschied  von  lenis  und  fortis  gehandelt 
hätte  (dass  sie  sich  auch  heute  nicht  scheuen,  deutsche  lenis 
als  /'  zu  übernehmen,  kann  allerdings  nicht  als  beweismittel 
in  anspruch  genommen  werden,  denn  heute  hat  sich  f  im  slow, 
ja  volles  heimatsrecht  erworben).  Unter  dieser  Voraussetzung 
würde  es  auch  ganz  seltsam  erscheinen,  warum  man  deutscher- 
seits beim  versuche,  den  fremden  stimmhaften  verschlusslaut 
zu  ersetzen,  der  stimmlosen  parallele  mit  solcher  consequenz 
aus  dem  wege  gieng,  die  meines  erachtens  jenem  immer  noch 
näher  liegt  als  /'  (auch  wenn  dieses  bilabial  articuliert  wird). 


§  102  MUNDART    VON   PEKNEGG.  123 

tv  kommt  in  dieser  periode  natürlicli  ausser  betracht  (s.  unten). 
Dagegen  lassen  sich  alle  Schwierigkeiten  mit  einem  schlage 
beseitigen,  wenn  wir  annehmen,  dass  germ.  /"  zur  zeit  der 
entlehnung  der  betreffenden  Wörter  im  an-  und  inlaut 
sthnmhaft  gesprochen  wurde.')  Dann  erscheint  die  Substitution 
V  für  h,  bez.  b  für  v  ganz  natürlich.  Die  Wahrscheinlichkeit 
dieser  annähme  wird  um  so  grcisser,  wenn  wir  die  Verhältnisse 
in  den  genannten  Sprachinseln  berücksichtigen.  Das  v  ist 
hier  sicherlich  nicht  als  secundäre  entwicklung  zu  betrachten. 
Es  wäre  doch  höchst  merkwürdig,  wie  in  all  diesen  mit 
einander  in  gar  keiner  berührung  stehenden  mundarten  sich 
derselbe  process  vollzogen  haben  sollte.  Es  liegt  doch  ent- 
schieden näher,  gemeinsame  bewahrung  der  ursprünglichen 
Verhältnisse  anzunehmen.  Auch  die  ma.  nordungarischer 
Sprachinseln  zeigen  vielfach  dieselbe  entsprechung.^) 

Im  auslaut  war,  solange  in  der  ma.  noch  das  mhd.  aus- 
lautgesetz  (inlautend  lenis,  auslautend  fortis)  herschte,  altes  f 
jedesfalls  stimmlos.  Doch  es  scheint  da  (zumal  nach  länge) 
ziemlich  früh  ausgleichung  nach  den  inlautenden  formen  statt- 
gefunden zu  haben  (s.  §  111.  118,3,  b;  vgl.  auch  wind,  ntd  neid), 
so  dass  also  auch  auslautendes  f  zum  mindesten  mit  stimm- 
haftem einsatz  gesprochen  wurde.  Dazu  würde  wind,  pridh 
brief,  stimmen.  3) 

Dass  slow,  h  nach  m  und  vor  j,  r  nicht  dieselbe  entwick- 
lung nahm  me  sonst,  wird  uns  nicht  befremden,  wenn  wir  in 


^)  Vorahd.  f  wird  wol  stimmlos  gewesen  sein. 

^)  Ein  beispiel  für  das  wideraufgeben  der  stimmhaften  ausspräche  des 
(germ.)  f  bietet  die  Sprachinsel  Gottschee,  wo  in  der  Stadt  und  der  nächsten 
nmgebnug  (wol  unter  fremdem  eintiuss)  altes  /'  vielfach  schon  stimmlos  ge- 
sprochen wird  (f'anhtr  fenstor),  während  sonst  noch  überall  das  v  bewahrt 
ist  (raustr).  Derselbe  gegensatz  zwischen  städtischem  /"  und  bäurischem  v 
herscht  in  der  nordungarischen  Sprachinsel  Kremnitz. 

ä)  Allerdings  könnten  hier  auch  satzphonetische  formen  von  einfluss 
gewesen  sein.  Sicher  liegt  eine  solche  dem  zweifellos  alten  flstn  (mhd. 
vlcetec)  zu  gründe.  Vgl.  die  Verhältnisse  im  zarzerischen:  dr  viugr  der 
finger,  mit  stimmhaftem  i',  anlautend  fviugr  mit  stimmlosen  eingang,  dfni 
ii)}t  fiufjr  da  sind  finger,  mit  stimmlosen  /'  nach  stimmlosem  consonanten; 
irolf-woU,  dagegen  icolcizekke  Wolfseck,  an  icolv  cni  (jdzäihn  den  wolf  habe 
ich  gesehen  (Silbentrennung  Kol-veni).  Was  den  auslaut  anbelangt,  so  ist 
zu  bemerken,  dass  das  zarzerische  zu  den  ma.  gehört,  die  das  mhd.  aus- 
lautgesetz  noch  fast  in  vollem  umfange  bewahrt  haben. 


124  LESSIAK  §  102 

betraclit  ziehen,  dass  es  gerade  diesslben  beding-ungen  sind, 
unter  denen  auch  germ.  l  heute  als  p  {pp)  erscheint.  Hier  trat 
eine  gemsse  Verschärfung  ein,  die  Substitution  erfolgte  durch 
den  stimmtosen  (niclit  geminierten!)  verschlusslaut  (vgl.  die  urk. 
Schreibung  Liupina  Leoben  904),  der  sich  dann  regelmässig  zu 
tv  bez.  h  weiter  entwickelte.  Zur  gemination  kam  es  allerdings 
nicht:  die  periode  der  westgerm.  consonantendehnung  war  ja 
schon  vorüber,  und  ausserdem  war  das  fremde  h  stimmhaft. 

Die  Qualität  des  v  scheint  labiodental  gewesen  zu  sein,  wie 
sie  es  noch  heute  in  den  oben  citierten  Sprachinseln  ist  (vgl. 
Braune,  Ahd.  gr.-  §  137).  Die  urk.  Schreibung  vünve,  cimnftich 
(13.  jh.)  scheint  dies  zu  bestätigen. 

3)  lü.  Germ,  w  wurde  bis  ins  13.  jh.  hinein  als  unsilbi- 
sches u  gesprochen. 

Eine  Substitution  war  hier  von  selten  des  windischen 
nicht  nötig,  da  dieses  qualitativ  denselben  laut  besass  (noch 
heutzutage  erscheint  ja  slaw.  v  im  windischen  als  m).  Die 
heutige  ausspräche  iv  für  die  ältere  periode  anzunehmen,  ist 
ganz  unmöglich.  Unter  dieser  Voraussetzung  wäre  ohne  zweifei 
im  deutschen  tv  für  das  fremde  h,  im  wind,  umgekehrt  h  für 
deutsches  iv  substituiert  Avorden,  wie  dies  ja  gegenwärtig  tat- 
sächlich geschieht. 

Zu  ende  des  13.  jh.'s  scheint  germ.  iv  schon  die  heutige 
ausspiache  gehabt  zu  haben.  Um  diese  zeit  beginnt  es  in  den 
Urkunden  mit  inlautendem  h  (das,  wie  aus  den  oben  angeführten 
beispielen  wie  Mhatd  etc.  hervorgeht,  schon  etwa  anderthalb 
Jahrhunderte  zuvor  den  gegenwärtigen  lautwert  bekommen 
hatte)  verwechselt  zu  werden.  Vgl.  Weinhold,  Bair.  gr.  §  124 
und  §  136.  Belege  aus  Kärntner  Urkunden:  ehichleich  1291, 
piderive  1299,  Stuhemvcrch  (Stubenberg),  JudenwurJcch  (Juderi- 
burg)  1351. 

Sogar  im  anlaut  wird  von  diesem  jh,  an  öfter  h  für  tv 
geschrieben.  Daraus  geht  nicht  etwa  hervor,  dass  dieser  h 
geschriebene  laut  als  stimmhafter  verschlusslaut  gesprochen 
wurde,  sondern  den  Schreibern  standen  eben  zwei  gleichwertige 
zeichen  für  ein-  und  denselben  laut  (ma.  w)  zur  Verfügung, 
Daher  nebeneinander  tveitver  und  beiher.  Dass  h  für  tv  im 
anlaut  verhältnismässig  seltener  erscheint  als  im  inlaut,  ist 
natürlich  dem  umstände  zuzuschreiben,  dass  dieser  buchstabe 


§  102  MUNDART   VON    TEKNEGG.  125 

—  sicheilicli  iiacli  nach  fremdem  (sclnväb.  md.)  muster  —  auch 
für  anlautendes  bajuw.  2^  (=  *h)  gebraucht  wurde.  Dass  dieses 
zeichen  aber  dennoch,  ohne  dass  man  sich  deslialb  gerade  viel 
scrupel  machte,  für  anl.  w  verwendet  werden  konnte,  ist  vor 
allem  dem  einfluss  der  ortliog'raphie  und  ausspräche  des  lateins 
zuzuschreiben.  Das  lat.  anlautende  b  (und  selbstverständlich 
auch  das  inlautende)  wurde  auf  bair.-österr.  sprachboden,  seit- 
dem hier  ein  tv  überhaupt  existierte,  vor  vocalen  ohne  zweifei 
als  tv  gesprochen.  Dies  beweist  vor  allem  die  (wol  über  das 
gesammte  bair.-österr.  Sprachgebiet  verbreitete)  ausspräche  des 
b  als  IC  in  lat.  personennamen  wie  tvencdikld  Benedikt,  ivar- 
wara  Barbara,  scivastian  Sebastian,  etc.  An  eine  direete  Sub- 
stitution für  rom.  b  ist  in  solchen  fällen  natürlich  nicht  zu 
denken.  Diese  Wörter  entstammen  ja  alle  der  lat.  gelehrten- 
sprache.  In  Kärnten  wird  von  einheimischen  lateinsprechern 
(zumal  der  älteren  geistlichkeit)  noch  heute  ziemlich  regel- 
mässig ivmg  ibiho),  favi  (ubi),  tvcne  (bene),  nvi  (ibi)  u.  s.  w.  ge- 
sprochen.')  Vor  consonanten  dagegen  erscheint  im  anlaut  ^;: 
IJreivis  (brevis),  planditsia  {blanditia).  Daher  auch  z.  b.  ma. 
plgse  Blasius.^) 

Die  frage,  wie  sich  hier  im  Süden,  bei  den  steten  be- 
ziehungen  zu  Italien,  diese  ausspräche  überhaupt  [festsetzen 
konnte,  ist  nicht  schwer  zu  beantworten,  ic  ist  ja  der  natür- 
lichste ersatzlaut  für  fremdes  b,  den  unsere  mundarten  besitzen. 
Ein  ponus  (=  bonus)  würde  sich  im  vergleich  zur  ausspräche 
der  Italiener  seltsam  genug  ausgenommen  haben,  und  dass  die 
grosse  masse  der  deutschen  lateinsprecher  wirklich  stinnn- 
haftes  b  gesprochen  haben  soll,  ist  wol  so  ziemlich  aus- 
geschlossen. Anlautendes  tvl,  ur  war  dagegen  eine  der  ma. 
nicht  geläufige  consouantenverbindung. 

Die  beispiele,  in  denen  gegen Avärtig  /'  für  fremdes  b  er- 


')  Vgl.  dazu  die  latinisierende  scbreibung  des  Ortsnamens  'Benesiruitz', 
ra&.  weane  sirnsts,  d.  i.  "Wenig-Siruitz.  'Wenig'  bat  bier  die  bedeutung  von 
'klein',  Avie  denn  z.  b.  ancb  das  beutige  'Klein'-St.  Veit  urk.  'Wenig-'  ge- 
nannt wird,  vgl.  besonders  BWb.  2, 1)22. 

'■')  In  den  nacbbarländern  scbeint  beute  wol  überall  das  lat.  b  aucb 
vor  vocalen  und  im  inlaut  als  stimmloser  verscblusslaut  gesprocben  zu 
werden ;  nur  Deutscb-Südtirol  soll,  wie  mir  mitgeteilt  wurde,  mit  Kärnten 
übereinstimmen. 


126  LESSIAK  §  103 

scheint,  müssen  natürlich  sämmtlich  zu  einer  zeit  entlehnt 
worden  sein,  da  b  noch  als  verschlusslaut  gesprochen  wurde 
und  einheimisches  stimmhaftes  v  als  nächstliegender  substitu- 
tionslaut erschien.  Wenn  namen  solcher  orte,  die  in  heute 
wind.  Sprachgebiete  liegen,  zum  teil  tv  (geschrieben  h)  für 
slow,  h  haben,  so  erklärt  sich  dies  jedesfalls  daraus,  dass  sie 
entweder  erst  später  eine  deutsche  form  erhielten  oder  dass 
die  slowenische  namensform  immer  einen  gewissermassen  corri- 
gierenden  einfluss  ausübte,  bez.  die  alte  deutsche  bezeichnung 
ganz  verdrängte.') 

Was  die  Wörter  mit  anlautendem  j)  für  fremdes  b  anbelangt, 
so  sind  sie,  soweit  sie  nicht  schon  in  voralid.  zeit  entlehnt  wurden, 
als  'mittelbare'  entlehnungen  zu  betrachten  (s.  einleitung). 

Der  natürliche  substitutionslaut  für  fremdes  v  ist  heute  tv 
(vgl.  alawante).  Wenn  es  nun  auch  tifddlrw,  fädium  u.s.w. 
heisst,  so  handelt  es  sich  hier  nicht  um  directen  ersatz.  Diese 
zweifellos  jungen  lehnwörter  entstammen  offenbar  der  spräche 
der  gebildeten,  in  welcher  für  lat.  v  früher  allgemein  die 
'traditionelle'  (besser:  'historisch  entwickelte')  ausspräche  f 
üblich  war.  Anders  verhält  es  sich  hingegen  mit  dem  v  älterer 
lehnwörter.  Dieses  hat  sich  natürlich  wie  heimisches  *v  ganz 
lautgesetzlich  zu  f  entwickelt. 

B.    Z  a  h  n  1  a  u  t  e. 
§  103.  Germ,  t 

1)  ^  >  ^  in  den  Verbindungen  tr,  ft,  st,  ht:  trötn  treten, 
ätr  eiter,  lautr  lauter,  ^j?Y^r  bitter,  tsittm  zittern;  —  höftn  heften, 
möstn  mästen,  Ihxt  licht. 

2)  t>  ts:  a)  im  anlaut:  tsceit  zeit,  tsaun  zäun,  tsceUin  zeiheil, 
tswä  zwei,  tswimzwivw.,  ^sms^zwiesel  (gabelförmiger  ast),  tswökx 
zweck,  tsivihld  7A\\QkQ\-^  —  b)  inlautend  nach  n,  l,  r:  pjlgntsa 
pflanze,  pföfrminls  pfeffermünze,  khr<jnts  kränz,  S(jUs  salz,  holts 
holz,  smöltsn  schmelzen,  herts  herz,  sivgrts  schwarz,  furts  furz, 
sertm  'scherzen',  springen,  rennen;  —  c)  in  der  gemination: 
SQts  schätz,    rgts  m.  ratte,    lots  schlecht  (mhd.  letze),    flöts  m. 


^)  Die  heutige  deutsche  namensform  für  wind.  Buhla  ist  (um  ein  hei- 
spiel  hiefür  anzuführen)  Wuchel.  Urkundlich  lieisst  der  ort  aber  Fuchel, 
Veuchel,  dem  lautgesetzlich  ein  modernes  fceihl  entspräche. 


§  104  MUNDART   VON   PERNEGG.  127 

boden  (mlid.  vUtse),  stots  niederes,  seichtes  schaff  (zu  ^stutzen'), 
tsuts  sauglappen  (mlid.  zutzel,  vgl.  'zitze'),  struts  wecken  (zu 
ahd.  stredan  aufwallen,  vgl.  auch  'strotzen',  'Strudel'),  snits  m. 
spalte,  Wallach  (zu  'schneiden'),  trutsn  hartnäckig  begehren 
(mhd.  trufzen),  glitsn  glänzen  (mhd.  glitten),  hafsn  heizen,  wötsn 
wetzen,  ratsn  reizen,  fnnitsn  vermissen  {*mitjan),  pitsn,  pitsln 
stechen,  prickeln  (zu  'beissen',  dazu  xyitse,  pitsle  jähzornig, 
rasch  auffahrend). 

3)  ^  >  5  (für  '"^ss)  nach  vocalen:  mos  mass,  sus  schuss,  gas 
geiss,  liäs  heiss,  sniis  knallfaden  bei  der  peitsche  (zu  smceisn 
schmeissen,  werfen),  sprisl  leitersprosse  (mhd.  sprüzzeT),  strösn 
Strasse,  wosr  wasser,  ri9sl  riissel  (mhd.  räeseT).  Nebeneinander 
stehen,  mit  etwas  differenzierter  bedeutung,  päsn  und  patsn 
beizen  (dazu  päs,  pats  beize). 

Ausgefallen  ist  das  ^  in  einigen  flexionsformen  von  midsn 
müssen,  Igsn  lassen,  s.  §  175.  177,  5. 

§  104.    Germ.  d. 

Germ.  d>  t  bez.  tt  (vgl.  §  14):  anlautend:  tag  tag,  tost  tor, 
tölpel  (vgl.  Kluge,  Wb.  unter  thor^).  Im  gegensatz  zur  Schrift- 
sprache haben  anlautendes  t  wie  im  mhd.:  tunst  dunst,  tompf 
dampf,  tQm  dämm,  tum  dumm,  tuft  duft,  tgngln  dengeln,  tuulxhl 
dunkel,  tglm  dohle  (mhd.  tdlie),  tuttr  dotter  (gew.  tuttdrale,  ahd. 
iui(iyei),  tftsl  'dusel',  eine  art  fieber,  Schwindel.  —  Inlautend, 
auslautend:  puttn  bütte,  stritte  strittig,  gritta  der  von  beiden 
beinen  gebildete  winkel,  gritfr  m.  kreuzgestell  (zu  mhd.  gritcn 
grätschen),  sZ<7^«  Schlitten,  f/zt'<Y^r  gewitter,  ^r(7/« 'tratte',  Vieh- 
trift (mhd.  träte),  tsidtr  zieter,  deichsei,  hsötn  gesotten,  gelfn 
gelten,  girtl  gürtel,  j)röY  brett,  prät  breit,  2'>öi  hote,  fort  fahrt, 
lh(jU  kalt.  —  Urspr.  geminata:  mittr  mittler,  hittn  hütte,  fiitta 
brustwarze  (mhd.  tutte),  wötn  wetten,  tsötn  verstreuen  (mhd. 
ze'tten),  rötn  retten,  sötn  quark  (mhd.  schotte). 

Mit  *dd  ist  *])J)  zusammengefallen:  ^mittn  schmiede  (mlid. 
stnitte),  Igln  latte,  spütn  spotten  (s.  Kluge,  Wh). 

Eine  gewisse  Schwierigkeit  bietet  die  gruppe  *;«?  (für 
ahd.  nt).  Es  entspricht  ihr  heute  in  den  meisten  fällen  nt,  in 
einigen  nd  (dieselbe  doppelheit  herscht  auch  in  der  Imster 
ma.,  vgl.  Schatz  s.  87  f.).  Wie  bereits  oben  §  13  bemerkt  wurde, 
erscheint  im  auslaut  nach  n  und  in  dei-  Stellung  zwischen  u  -f-  n 


128  LESSIAK  §  104 

die  dentale  verschlusslenis  stets  als  fortis.  Demnach  sind  fälle 
wie^Zm^  blind,  sgnt  sand,  Jcsimi  gesund;  unfn  unten,  hinbi  hinten, 
smin  schinden,  isintn  zünden,  lintn  linde,  von  einer  vergleichen- 
den zusanrmenstellung  als  selbstverständlich  auszuschliessen. 

1)  nd  erscheint  vor  vocal  oder  liquida  in  icgnäln  wandeln 
(bei  der  messe),  tändln  'tändeln',  trödeln  (dazu  tandir  trödler), 
liQndln  handeln  (vgl.  dag.  wind,  häntöu  handel),  frtsandln  (stadt- 
spr.  frsandln)  verunstalten  (zu  'schände'),  sindlm.  schale,  rinde 
(zu  schinden),  auch  schindel  (lat.  scindida;  letzteres  heisst  in 
der  stadtspr.  sintl),  ivundr  wunder  (bes.  häutig  in  Zusammen- 
setzungen [wie  wundr-seltn,  -lidiv,  -lildgr  u.s.  w.  wunderselten, 
-lieb,  -klar),  lüundr  habseligkeiten,  plunder  (dazu  plindrn  über- 
siedeln), psundr  besonder,  Jmndrt  hundert,  Igndrds  ländlich, 
tceitslendr  Deutschländer,  ivQndn)  wandern,  frhvendr  Verschwen- 
der (dag.  swentr  roder),  sindr  Sünder,  sindw  sündigen,  Mtendr 
Ständer,  pstende  beständig,  slanddt  stünde  (dag.  stantrle  Ständ- 
chen), ont sindw  entzündung,  ngat-,  ans-,  ceimvende  not-,  aus-, 
inwendig,  anedgxtsh  einundachtzig,  umddum  umundum  (höfisch 
umdtüm).  —  Neben  Iharntnr  (Kärntner)  hört  man  zuweilen 
auch  liharnr  mit  Schwund  des  vorauszusetzenden  d  (vgl.  mhd. 
Kärnäenoere,  Kärndcere).  —  In  tvindds  windisch,  dürfte  das  d 
wol  auf  */^  zurückgehen  (vgl.  ahd.  Winkla  pl.). 

2)  nt  haben  alle  übrigen  fälle:  pÄintr  blinder,  plinU 
blinde,  l:sintr  gesünder,  Jisinidste  gesündeste,  Ighntr  lachend, 
rwisnfr  reissend,  ^anfr  ehe  (analogiebildung  nach  erstarrten  par- 
ticipialformen  auf  -r  oder  secundärer  comparativ);i)ewfrbänder, 
lentr  länder,  prentr  brande;  j:)m^r  binder,  sintr  Schinder;  hantle 
händchen,  hintle  hündchen;  ivantln  'wändein',  in  die  wand 
kegeln,  tsintln  'zündeln',  mit  feuer  spielen,  gpprantlr  'abbränd- 
1er',  ein  durch  brand  geschädigter,  p)rantrle  'brandvogel',  rot- 
kelchen;  hantliv  handhabe  beim  pflüg;  /taw^e  bitter  (ahd.  hantag; 
dazu  hant  m.,  hantn  f.  bitterkeit,  groll),  grante  verdriesslich 
{grantm.  Unwille,  vgl.  BWb.  1, 1003),  6{^wfe' sandig,  winte  windig, 
frcehitla  freundlich,  santla  schändlich,  saulentdt  mit  schwach 
entwickeltem  hinterteil  (lentn),  pentm  bändigen.  Ferner  untr 
unter,  hintr  hinter  (zurück),  muntr  munter,  wintr  winter,  tsiintr 
Zunder;  fremdwörter:  mgntl  raantel,  hmtr  etwas  böswilliges 
(mhd.  hinder),  l-anirle  Wandschrank  (vgl.  §  117, 1,  a).  Vgl.  noch 
swintl  Schwindel,  taumel,  dag.  sivindl  betrug. 


§  105  MUNDART   VON   PERNEGG.  129 

Die  gTOSse  masse  der  beispiele  mit  nt  scheint  wol  dafür 
zu  sprechen,  dass  wir  nt  im  allgemeinen  als  die  lautgesetzliche 
entsprechung  des  germ.  nd  in  unserer  ma.  zu  betrachten  haben. 
Es  ist  indes  zu  beachten,  dass  die  überwiegende  mehrzahl  der 
fälle  mit  nd  an  und  für  sich  oder  wenigstens  der  bedeutung 
nach  isoliert  ist,  während  den  mit  nt  fast  ausnahmslos  aus- 
lautende formen  oder  formen  auf  -ntn  zur  seite  stehen.  Es 
würde  daher  nahe  liegen  anzunehmen,  die  fortis  sei  von  diesen 
auf  die  inlautenden  formen  übertragen  worden.  AVie  kommt 
es  aber,  dass  dieselbe  Verallgemeinerung  sich  nicht  auch  bei 
nd  aus  *h7j  vollzogen  hat?  (vgl.  dazu  den  folgenden  paragr.). 
Andererseits  ist  es  wider  kaum  möglich,  das  d  in  allen  fällen 
auf  fremden  einfluss  zurückzuführen.  Wir  werden  wol  damit 
rechnen  müssen,  dass  ahd.  nt  sich  wenigstens  facultativ  zu  nd 
entwickeln  konnte,  zumal  vor  r  und  l.  wintr,  munter  haben 
ursprüngliclie  geniinata.  Auch  für  tsiintr  (vgl.  ahd.  euntra), 
untr,  hintr  könnte  man  sie  eventuell  annehmen.  Bei  den  beiden 
letzteren  könnte  sie  sich  in  den  flectierten  und  abgeleiteten 
formen  entwickelt  haben.') 

§  105.    Germ.  Jb. 

1)  J)  >  d.  Anlautend:  der  der,  drwi  drei,  dgnJcx  dank, 
drum  trumm,  stück,  di?^  ding,  dln  dünn,  dränon  drehen,  drcmhl 
stück  holz  (ahd.  dremil).  —  In-  und  auslautend:  lödn  bohle, 
laden,  sgdn  schaden,  n'idr  nieder,  fuddr  fuder,  modr  mälider, 
södr  Schotter  (vgl.  Schatz  §  69,  anm.),  stgdl  stadel,  flüdn  liaden, 
ödl  edel,  smüdln  herumschmieren,  beschmutzen  (zu  'schmutz', 
WZ.  *smftj)-;  dazu  Mmaudlox  unreinliche  Speiseüberreste),  fludr 
Hügel  eines  mühlrads  (vgl.  mlid.  cloder  gerinne),  gndr  ander; 
vgl.  auch  pfinde  voll  finnen  (mhd.  phindec  neben  pfmnec),  winde 
wütend,  toll  (mhd.  windec  neben  ivinnec);  —  liod  lied,  2^gd  bad, 
röd  rad,  hsceid  gescheit  (mhd.  yescMde),  schäd  scheide,  Igd  n. 
lade,  tgad  tod  (aber  igat  tot)  u.s.w. 

2)  l>  >  t.  Wortanlautendes  t  erscheint  für  zu  erwarten- 
des d  in  tgxt  docht,  ighnt  ton,  tausnt  tausend,  tceits  deutsch, 
tgndr  donner,  tiwkhn  tunken,  trauwa  traube  (sämmtliche  schon 
mhd.  mit  t)\    tistl  distel,    tgasn  tosen  {gdt^as  getöse),   täsn  pl. 

•)  Neben  dem  häufigen  Ortsnamen  hört  Hart  (wald)  steht  auffallendes 
harclükx  Hardegg. 

Beiträge  zur  geschichte  iler  deutschen  spraclie.     XX VIII.  9 


130  LESSIAK  §  105 

nadelliolzzweige  (mlicl.  r/f/^.sm;  dag.  [pdals  n.  dickielit,  gestrüpp), 
terfn  dürfen,  täse  fügsam,  nüiig  (mlid.  thescc;  hielier  gehört 
auch  das  jetymologisch  dunkle  tristn  holzschicht,  etc.;  die  mehr- 
zahl  der  übrigen  nia.  hat  d  im  anlaut,  vgl.  KWb.  s.  71.  BWb. 
1, 676).  Fremdwörter:  tats  abgäbe  (it.  dazio),  täum  dauern 
(durare),  taufa  daube,  igxtl  dachtel,  töhdnt  dechant,  tixtn 
•dichten',  ausdenken,  tösn  dose,  topplt  doppelt,  iutsnt  dutzend, 
iüdln  dudeln,  {iüdlsQhx  dudelsack),  tühnt  federbett  (cech. 
duchna),  tgUi)  pl.  eine  speise  (art  grütze,  cech.  vdolek;  vgl. 
BWb.  1, 505),  tdlxlighi  (neben  dQkhgtn)  dukaten,  tisiMim  dis- 
putieren, tisixdrirn  discurieren,  iesntcr  deserteur. 

Dagegen  ddlelht  dialekt,  dil:ht~mj  dictieren,  dätdm  (dätum) 
datum,  deJiha  deka,  detsemr  december,  doJchtr  doctor,  didmant 
diamant,  drutsln  eine  weiche  masse  hin  und  herrollen,  ihr  eine 
wurstähnliche  gestalt  geben  (it.  druzzolare,  Körting  no.  9620), 
däniel  Daniel,  u.a.  Die  Ortsnamen  wind,  herkunft  haben  ihr 
anlautendes  d  in  der  regel  bewahrt:  dedhx  Dellach,  d^atvr 
Debar,  d^Ieanise  Dolientschig,  u.  s.  w.  Doch  vgl.  töslh  Tösch- 
ling  (wind,  dosntse),  trgg  Drau,  tgntsdx  Damtschach  (wind. 
dgmatsand),  iöivrdx  Döbriach  {*dobrijax).  Wenn  wir  die  er- 
klärung  von  Behaghel  und  Schatz  (Imster  ma.  s.  90)  für  unsere 
ma.  brauchbar  machen  wollen,  so  müssen  wir  annehmen,  dass 
auch  hier  einmal  das  gesetz  von  der  satzanlautenden  fortis 
gegolten  habe. 

Fortis  erscheint  ferner  im  auslaut  nach  sonorconsonanten 
und  in  der  Stellung  zwischen  n  +  n:  sult  schuld  —  kdde 
schuldig  (der  pl.  sidin  neben  siddn  ist  analogisch);  tvüt  wild 
—  ivilde  wilde,  yolt  gold  —  gulddn  golden,  frgoldn  vergolden; 
2nlt  bild  —  jj«7c?r  bilder  {auspüdn  ausbilden);  rint  rind  —  pl. 
rindr\  Jchint  kind  —  pl.  Jckindr;  tsfjnt  zahn  (ahd.  zand)  — 
tsandle  zähnlein;  l.sivint  geschwind  —  Jistvindr  geschwinder; 
frkhinin  verkünden  —  frJdiindw  verkündigen;  funt  fund,  fintn 
finden  —  finde  findig,  ßndlJchint  findelkind;  linfn  mehl  rösten 
(der  sterts  wird  ghmtn),  zu  linf  bez.  linda  'linde',  ungesalzen; 
zvert  wert  m.,  tvert  adj.  (nur  prädicativ);  hert  herd;  fiirt  fort; 
gdpurt  geburt  —  gdfrirde  gebürtig  (^^gl.  got.  gahaürj)sy.  Vgl. 
auch  swit  (ahd.  sid;  dagegen  drsldr,  drsceidr  seither.  Wir 
haben  es  hier  wie  etwa  bei  wökx  weg,  mit  einer  erstarrten 
auslautsform  zu  tun;. 


§  106  MUNDART   VON   PERNEGG.  131 

Anm.  (pdult  gediild  (ahd.  -lt\  dazu  gdduldn  gedulden,  gedulde  ge- 
duldig, ist  sicher  entlehnt.  Ebenso  wird  geldr  gelder,  der  pl.  zu  gelt  (ahd. 
geh),  schriftdeutschem  einfluss  zuzuschreiben  sein.  Auffallend  ist  der  Wechsel 
von  t  und  d  in  fait  Veit  —  »ouhv  fceidr  St.  Vetter,  fa^/dl  (eig.  dem.  zu 
Veit,  aber  in  der  bedeutung  'schlechtes  taschenmesser';  vgl.  BWb.  1, 692). 

Zu  fortis  wird  die  lenis  schliesslich  im  auslaut  schwach- 
toniger  Silben:  hcmot  hemd^  ingndt  monat  (ethd.mänöd,  vgl.  zarz. 
mgunade).  Das  t  ist  hier  fest  geworden:  pl.  hemdtr,  mgndtr. 
Hierher  gehören  auch  die  höfischen  kurzformen  auf  -dt  neben 
altem  -dda,  s.  §  82.  Vgl.  ferner  die  Ortsnamen  piograt  Pur- 
grad (wind,  püdhrad),  pregrat  Prägrad  (wind,  prshrad).  i) 

3)  Geschwunden  ist  */?  nach  r  in  pürn  bürde,  ern  erde, 
(merkwürdig  ertöpfl  erdapfel,  kartoffel),  wern  werden  (in  allen 
formen:  i  iver  ich  werde,  ivürdt  'würde-te',  worn  ge-worden). 
Vgl.  auch  das  lehn  wort  gmin  Ordnung,  {grutla  ordentlich). 
Nach  l  in  föla,  fgln  falte  (*/j  wie  in  got.  faipan),  pgldstr  in 
bälde,  eig.  gen.  zu  pglt  bald  (zu  -tr  vgl.  §  148,  anm.).  Nach 
m  in  frem  fi'emd.  Der  Schwund  kam  lU'sprünglich  wol  nur  den 
inlautenden  formen  zu,  von  diesen  scheint  er  auch  auf  den 
auslaut  übertragen  worden  zu  sein. 

Anm.  In  fällen,  wo  das  /•  vor  d  durch  dissimilation  beseitigt  wurde, 
ist  das  d  geblieben.    Die  beispiele  s.  §  32,  a. 

Anlautendes  ]jw  ist  zu  tsw  geworden:  tsiverx-  zwerch-, 
iswingti  zwingen.  Zu  ivöhl  (ahd.  dweliila)  vgl.  i;  34.  Ebenso 
div.  tstvergl  zwerg.  Slow,  du  erscheint  als  isw  in  isivgrtsn 
Tschwarzen  (ortsn.,  "^duortse  höflein). 

§  106.    Germ,  s  (ss). 

1)  5  >  s:  scBi  sie,  sgt  satt,  sggv  sagen,  sgl  saal;  —  (visti 
eisen,  rästi  reisen,  Iceisa  leise,  graiisn  grausen,  linsa  linse,  friosn 
frieren,  frlidsn  verlieren,  lösn  losen,  horchen,  «fö^wwasen,  rasen; 
—  </rp5gTas,  ?aM5laus,  ceisei^,  ggns  ^Mi^,  /<p/5  hals;  —  ss  >  s: 
mos  messe,  guts  gewiss,  rös  ross,  khrös  kresse,  püsn,  pmln 
'bussen',  küssen,  mösw  messing. 

2)  s  >  s:  a)  anlautend  vor  consonanten:  slidsn  schliessen, 


')  Das  a  scheint  hier  nicht  durch  abschwächung  aus  *o  entstanden 
zu  sein,  es  wird  vielmehr  umlaut  vorliegen.  Die  wind.  Ortsnamen  sind  in 
der  regel  in  der  locati\'form  übernommen  worden.  Wind.  loc.  u  pre-, 
ptiahrade,  *pred-,  podgrädc. 

9* 


132  LESSIAK  §  106 

sniöl  schmal,  snceid  f.  sclineide,  miit,  swpgr  scliwagei",  sfög  Steg, 
sjjöt  spät,  slij-nuts  m.  düte  (it.  scarnuzzo),  skapollr  scapiüier, 

b)  Iijlautend  in  der  Verbindung-  sp  und  sh:  luspm  lispeln, 
Minospa  knospe,  Impl  liaspel,  rgspln  raspeln,  Idirispm  die  wasche 
beim  ausschwemmen  auf  steine  schlagen  (zu  mhd.  hrispen  kräu- 
seln?), zvispam  heubaum  (mhd.  ivisboum),  respehld  respect,  eM- 
phtsirn  explicieren,  Mglspcrg  Kaisberg  ('Kalbsberg',  urk. 
Chalhersherg),  dr^glsperg  Drageisberg,  tcdldsperg  Techeisberg 
(5  <  5  <  ts,  wind.  iihöUsa),  praimsperg  Braunsberg;  —  muskl 
muskel,  h-nskl  (s.  §  31,  a),  xiiskötn  biscuit  {ii.hiscoUo,  vgl.  Kluge, 
Wb.  unter  hiskuit),  miskolants  misculanz. 

Vor  t  dagegen  erscheint  inlautend  s:  Igst  last,  glustn  ge- 
lüsten, hu9stn  husten,  rgstn  rasten.  Nur  wenn  in  folge  der 
Silbentrennung  inl.  st  in  den  anlaut  einer  haupttonigen  oder 
mit  starkem  nebenton  versehenen  silbe  zu  stehen  kommt,  wird 
es  zu  6^^:  Mastraun  kastraun  (kha-straim),  khristöf  Christoph 
(dag. /i'Am^?  Christian).  nmtrgntsnmQ\\^iY?aYLQ\  —  restratsion  re- 
stauration  (restaurant),  khonstantlnüpl  Konstantinopel  (dagegen 
Tihristlrti  klystieren,  pistoln  pistole,  pastätl  bastard,  doch  instddüt 
Institut,  ?r^s7m»^e;^^nstrument);l)  —  Ztev^s/or/"  Leinsdorf  (Zcem- 
stQrf),  wglslQrf  Ingelsdorf,  pridflstgrf  Brief elsdorf,  pödnslgrf 
Bodensdorf,  rp/>j3i6'fpr/"Eabensdorf.  Fremdwörter  sind  manestra, 
maUstra  etwas  breiartiges,  mischmasch  (it.  minestra),  tvoste  töli^el 
(eig.  'Sebastian',  wind,  böstii). 

c)  Nach  r:  pfirs3x  pfirsich,  fersa  ferse,  hirs  hirse  (gleich- 
lautend mit  hirs  hirsch,  mit  urspr,  rz),  first  fürst,  erst  erst, 
durst  durst,  gerstn  gerste,  ligrst  harsch,  gefrorener  schnee  (zu 
mhd.  harsten  hart  werden),  gndrst  änderst,  hintrsa  zurück  (mhd. 
hinder  sich),  ucrsa  aufwärts,  drüber  hin  (mhd.  über  sich),  ursa, 
ursl  Ursula. 

Dagegen  nicht  in  der  flexion:  an  gndrs  ein  anderes,  wgs 
psundrs  was  besonderes,  tsuntrst,  tsöwrst  zu  unterst,  zu  oberst, 
fgrst  fährst,    vgl.  auch  frlurst  verlust,    kfrurst  das  gefrieren, 

')  Die  Stadtsprache  hat  einerseits  inUants,  inUruJchtr,  inUinkkt,  Mgn- 
istant,  klupiUruidrn,  restitutsiQn,  diUants,  suMtants,  auguMin,  andererseits 
arestant,  ministrgnt,  postidrn,  khastridrn,  sistiarn,  iustits,  protastant,  ab- 
strakht,  abstinentslr,  Jchastroln  (kastrol,  kasserole).  Daraus  geht  hervor, 
dass  bei  jüngeren  lat.  freradwürtern  das  U  im  allgemeinen  auf  den  anlaut 
des  Stammwortes  beschränkt  ist. 


§  107.  108  MÜNDART   VON   PERNEGG.  133 

frostbeule,  mit  secimdärem  r  nach  analogie  der  verbalformen. 
fersl  vers,  ist  fremd  wort.    Zu  mesr  mörser,  s.  §  114, 

§  107.    6'  aus  germ.  sJc  u.  a. 

Germ.  sJc  >  s:  sghm  schaben,  sroJix  schrecken,  Üs  tisch, 
frls  frisch,  ösn  asche,  flösn  flasche,  tclsn  wisclien  (dazu  drivtsn, 
dricUsn  erwischen),  dreasl  drossel  (vgl.  ahd.  drösca),  flöm  flösse, 
flligel  (vgl. BWb.  1,798;  zu  Qhä.jjenmilas,  /?osw«,Alid.gl.  1,347,46, 
ilascim  2, 302, 69,  wenn  hier  dem  sc  gegenüber  dem  geläufigen 
zz  der  glosse  eine  bedeutung  zukommt). 

Während  sich  Jis  sonst  regelmässig  zu  Ics  entwickelte  (vgl. 
§  118, 2),  ist  es  in  folgenden  fällen  wol  durch  metathese  über 
sl  zu  s  geworden:  Iceim  leuchse  (mhd.  liulise  vgl.  Kluge,  Wb. 
unter  leuchse),  icäs  wacker,  scharf  {a  iväsr  ments  ein  tüchtiger, 
schneidiger  mensch ;  in  anderen  ma.  kommt  auch  icalcs  vor,  vgl. 
KAVb.  s.  248;  es  entspricht  viAiLu-alis,  tvchse  zu  'wachsen',') 
das  frühzeitig  mit  tvass,  tcesse  zu  'wetzen'  vermischt  worden 
zu  sein  scheint.  Vgl.  dazu  den  Ortsnamen  ma.  wäsmperg 
Wachsenberg,  urk.  Wessenberch),  dräslp^x  (ortsn.)  Draschel- 
bacli  (urk.  Dyehsiljjach). 

Urspr.  sj  wurde  zu  s  in  neisn  reuse  {*rrisjön-;  s.  Kluge,  Wb. 
unter  reiise,  Schatz  s.  108).  Dazu  vgl.  bei  Krassnig  s.  27  gis 
wolkenbruch  (mhd,  güsse  für  *gus[s]ja). 

§  108.    ts. 

In  diesem  zusammenhange  will  ich  auch  die  oft  schwer 
deutbaren  fälle  anführen,  in  welchen  die  affricata  ts  erscheint. 

1)  Anlautendes  ^s  haben  ^iö^)/"  schöpf,  dach  vorsprang,  tsq)})! 
büschel  (vgl.  dag.  nö.  siju^l),  tsippln  bei  den  haaren  packen, 
isopplza,Y)ieii,  Stöpsel  (vgl.mhd.5c/i0j)),  /srt«j»?;miedergesclilagen, 
kränklich  sein,  tsaupot  mit  wirrem  haar,  kränklich  aussehend 
(vgl.  KWb,  tscliaup  dichter  büschel  von  haaren,  federn),  tsuttru 
sicli  vor  lachen  schütteln,  tsuttra  baucliige  schnapsflasche,  tsuMe 
kleines  kind,  isödra,  tsedra  kleine  hülzeine  tabakspfeife  mit  nie- 
derem bauchigem  köpf  und  engem  röhrchen,  auch  verächtlich  für 
'mund',  tsödr  wirres  haar,  iso]i2^l  tölpel,  tsgtrn  prasseln,  brodeln. 


')   Nach  Sievers  ist  icachsen  eine  -sZ;o  -  ableitung  zu  icacheu,   gruudf. 
*-icaJcsko-.    Die  bedeutung  'wacker'  würde  wol  dazu  stimmeu. 


134  LESSIAK  §  108 

tswerlln  taumeln,  tsine,  tsmlie,  fem.  tsanka  dumme  person,  tswkln 
baumelnd  einliergehen,  tseldm  klirren  (zu  'schelle'),  tsepprw  rasseln 
(BWb.  2,  354  schehern,  scheppern),  Uolpru  schallen,  klappern  (zu 
mhd.  schdlbcere  laut  schallend?),  tsindru  klingen,  klirren  (interj. 
isin-tsm),  tserjln  klappern  (von  schlecht  angebrachten  schuhen), 
tscrfl  schlechter  schuh  (BWb.  2, 464  scherfein),  tsandm,  frUandna 
vertändeln,  tshlin,  tsidkln  schielen  (mhd.  schiec  schief),  ghUapin) 
sich  davon  machen,  tsridp,  tsirpr  tölpel,  tsr^apa  Scherbe  (interj. 
tsräp,  wenn  etwas  hinunterfällt  und  zerbricht,  vgl.  auch  wind. 
tsr^pua  Scherbe),  Uürn  sich  langsam  herumbewegen,  tsUre,  tsgre, 
fem.  tsgra  läppische  person,  tmra  vulva  (in  derselben  bedeutung 
tsumpra,  vgl.  BAVb.  2,  420  schummel,  schumpel,  mhd.  schiimpfe 
buhlerin,  s.  Kluge,  Wb.  unter  schimpf),  tsafittl  rockzipfel,  etwas 
wegstehendes  (BWb.  2,  518  schlafittich  für  *  schlag  fUtich), 

In  einzelnen  fällen  wird  sich  das  t  wol  durch  sandhi  er- 
klären, z.  b.  tiot  seldrij  >  tudt-tseldru,  oder  t-sumpra  die  s.  > 
isumpra.  Zum  teil  sind  es  lautmalende  bildungen.  Auffallend 
ist  es,  dass  eine  ganze  wortsipi)e  mit  ts  anlautet.  Die  ersten 
fünf  beispiele  gehören  jedesfalls  ein  und  derselben  wurzel  an. 
Die  folgenden  beispiele  von  tsuttru  bis  einschliesslich  tswerJdn 
sind  insofern  bemerkenswert,  als  sie  eine  auffällige  berührung 
mit  Wörtern  zeigen,  die  mit  k  bez.  kw  anlauten.  Neben  tsuttru 
steht  khuttru  'sich  den  bauch  voll  lachen'  (Schmeller  hat  da- 
neben kudern,  auch  in  der  bedeutung  'bauschen').  Ich  habe 
dieses  oben  §  98  zu  got.  cjijms  gestellt,  welches  urspr.  wol 
'Schlund',  'Öffnung  überhaupt'  bezeichnet  haben  wird.  In  der 
bedeutung  'innerer  teil  des  Schlundes'  begegnet  es  im  eng- 
lischen: ue.  cud,  quid,  ags.  cudu,  vgl.  Kluge,  Wb.^  unter  köder\ 
air.  hei  <  indog.  g^'etlo-  heisst  'mund,  lippe'  (Streitberg,  Ur- 
germ.  gr.  §  125,  4,  a);  dazu  got.  qipan  'den  mund  auftun', 
sprechen;  vgl.  auch  nhd.  maulen.^)  tsödra  mund  (KWb.  s.  215 
tscheadriveit  'ganz  offen')  und  tsuttra  bauchige  flasche,^) 
würden  der  bedeutung  nach  wol  dazu  stimmen.  Auch  tsuhle 
Hesse  sich  damit  vereinigen.    Zur  bedeutungsentwicklung  vgl. 


')  Dazu  sind  jedenfalls  zu  stellen  ahd.  quiti  vulva,  quoden  femina; 
nhd.  koder  unterkinn,  kröpf,  kutleln  ausweiden,  futkuten  vulva.  Sehr  wahr- 
scheinlich gehört  auch  kot,  ahd.  quat  '  excrementa '  hierher.  Ma.  khwidn 
schamleiste,  lende,  steht  der  bedeutung  'vulva'  recht  nahe. 

2;  Doch  vgl.  slow,  cutaru,  cotara  (wind,  ihüiru)  feldMasche. 


§  108  MUNDART  VON  PERNEGG.  135 

ma.  WQmpm  (mlid.  wamhe)  bauch,  veräclitl.  kind.  Ma.  tsödr 
entspricht  im  slowenischen  entlehntes  lodcr,  dazu  schles.  kudeln 
verworrene  haare  (eig.  gedärme?).  Neben  tsgppl  steht  höfisches 
Jikwoppl  Als  entsprechung  zu  unserem  Uiveykln,  tsgtru  hat 
das  DAVb.  quergeln,  quattern.  Zu  tsaup  vgl.  nhd.  kaiipe  feder- 
büschel  (Kluge  unter  l'oj^f).  Es  läge  auch  nahe,  khopf  köpf, 
und  tsopf  schöpf,  oberes  ende  (auch  köpf,  s.  KWb.)  zusammen- 
zustellen, wenn  jenes  nicht  lehn  wort  wäre.  Sollte  dem  ts(w) 
ein  indog.  sg'  zu  gründe  liegen  oder  sind  dies  (was  mich  wenig 
wahrscheinlich  dünkt)  nur  zufällige  berührungen?  Vgl.  übri- 
gens auch  den  Wechsel  von  üv  —  kiv  {sivelde  —  quehle). 

In  fremdwürtern  erscheint  anlautendes  ts  für  fremdes  s,  ts 
vor  consonanten  und  (.y),  ts,  z.  b.  tsmcyld  schmutz  (wind,  smrld 
rotz),  tsrngaka  weiche,  halbgedrückte  birne  (wind,  tsmglma  weiche 
masse,  kot,  tsöm  häher  (wind.w/a),  tsentsn  langweilig  schwätzen 
(it.  cianciare  schwätzen,  scherzen),  u.  a.  m. 

2)  In-  und  auslautend  ts.  Nach  Wintelers  regel  (Beitr. 
14,  455  ff.)  aus  guttural  +  ts  (durch  Umstellung  >  tsk  >  tsk 
bez.  ts)  lässt  sich  ts  erklären  in  rutsn  rutschen  (W.  ^ruckczzen). 
ratsn  plaudern  (zu  ahd.  raskeszan,  vgl.  auch  ma.  regln  schwä- 
tzen), tatsln  mit  der  flachen  band  widerholt  sauft  schlagen, 
tctsn  ohrfeige,  tets  m.  beschädigung  (vgl.  ghtakkln  prügeln,  taitx 
interj.  des  Schlages,  bes.  einer  ohrfeige;  IsSWh.  s.49  toclui  knallen), 
(rätsln  häufig  fragen  (meist  aus  f rätsln  neugierige  fragen  stellen), 
gratsn  knirschen  (vgl.  nUsgrägl  nusshäher,  KWb.  s.  120  graggczn 
ein  geschrei  erheben),  gnmtsii  knistern,  knirschen  (KWb.  s.  121 
grgngge  dürrer  ast),  hatsn  knieweich  einhergehen  (Vuekezen, 
d.i.  mit  hakenförmig  gekrümmten  füssen  gehen),  hatsht  liätscheln, 
zärteln  (zu  'hegen'),  turfsn  zusammenstossen  (zu  mhd.  tiirc 
schwankende  bewegung),  tvatsn  maulschelle  (zu  mhd.  ivagen, 
ma.  wokkhi  wackeln),  ^>o/se' saubär  (BWb.  1.312,  botschl  bock, 
Schweiz,  hot.'^cli  widder,  zu  mhd.  hockezen).  pgts  fiachsklopfer, 
filzscliuh,  pgts  interj.  des  klatschens,  plumpsens,  pgtsn  klatschen 
(vgl.  KWb.  pgggn  knicken,  zerdrücken),  pritsn  hölzerne  schlaf- 
stätte,  schmutziges  wasser,  prits  tölpel,  pritsn,  2)ritsln  plätschern 
(zu  mhd.  hrügc,  nM. prägel),  jlit.sn  ausgelassenes  mädel  (zu  fluggu, 
s.  K^^'b.  s.  99),  lets9t  knieweich,  schlotternd  (vgl.  lamlgkkdt  weich 
wie  lelim).  Imtsn  schaukeln  {Vmckezen,  eig.  sich  durch  auf-  und 
niederhocken  in  bewegung  versetzen),  pfutsn  eine  schnelle  be- 


136  LESSIAK  §  109 

Avegung-  maclien  (interj.  fuis,  pfuis),  in  derselben  bedeutung 
pfuklcdtsn,  fulilotsn  (aucli  'kichern';  dazu  pfits  ein  unkraut, 
fiüdlc  sclileclites  nmdclien,  fiikpfmil  pfeil),  pQntsn  pantschen 
(zu  dem  nia.  weit  verbreiteten  stamme  panh-,  pimh-  stossen^ 
schlagen,  krachen  lassen;  die  bedeutungsentwicklung  wäre  dann 
wie  bei  pritsln,  das  auch  die  bedeutung  'durcheinandergiessen' 
hat),  u-anß  stattlich,  beleibt  (KAVb.  s.  250  aufgedunsen;  wol  zu 
Svange').  Der  guttural  hat  sich  noch  erhalten  in  pfnaUba 
neben  pfuatsn  niesen  (zu  alid.  fnascaz^en),  piitsn,  dem.  pHskdle 
kleines  bauchiges  fässchen  (zu  'biegen';  doch  vgl.  auch  §  85,2), 
moeitslidle  dem.  zu  mauhole  Stachelbeere,  laus  (s.  §  85, 3;  zu  mhd. 
mücJien  verstecken). 

In  anderen  fällen  ist  die  erklärung  unsicher,  plotsa  grosses, 
breites  pflanzenblatt  (vgl.  Kauffmaim  §  153, 4,  c),  pflotsH  auf- 
gedunsen, aufgetrieben,  hitsn  mädel  (meist  verächtlich.  Im 
Lesachtal  ist  gitse  die  gewöhnliche  bezeichnung  für  mädel, 
vgl.  DWb.  5,  869.  Schweiz,  id.  2,  578),  frhiün  verschachern, 
Jiatsapats  hagebutte  (stadtspr.  Jietsapets),  tgrtsa  kotfladen,  un- 
reine wunde,  flacher  runder  hut  (zu  mhd.  tartsche  kleiner 
Schild?  vgl.  BAVb.  1,  539  üdrlceln  schmieren),  pfl^atsn  schlecht 
knallen,  platzen,  tsurtm  m.  maiskolben,  fruchtzapfen  der  wald- 
bäume, flentsn  läppen,  wunde,  verb.  weinen  (vgl.  mhd.  vlans, 
flansch,  KWb.  s.  97  fUjnJie  grosses  stück  von  einem  dinge), 
trQtits  m.  weinerliche  person  (fem.  tr^antsa  mit  ts),  tr^antsn 
weinen,  sich  besudeln  (vgl.  trinsn  Speichel  rinnen  lassen), 
prgnisn  neben  prantsa  was  sich  beim  anbrennen  der  speise  in 
der  pfanne  ansetzt,  mats  matt  (BWb.  1, 1699).  —  Fremdwörter 
sind  faisn  windel  (it.  fascia),  Jcutsn  kutsche,  mutskdt  muskat, 
mgtsne  brei,  gemengsei  (wind.  mgUnbh  mehlbrei,  sterz),  felüsdpe 
velociped  u.  a. 

Ueber  -ts  als  deminutivsuffix  vgl  §  85, 3. 

Entsprechungen  fremder  s-  und  5-laute. 

§  109.    Behandlung  wind.  Zischlaute. 

1)  Wind,  s:  a)  anlautend  s  >  ts:  tsaulm  Zauchen  (suhd), 

tswätndgrf  Zwattendorf    (zu  stti^t  heilig),    tswmindts  Zweinitz 

{*suimtsa).    Zum  st.  sedlo  (siedelung)  gehören  tscdlne  Zedelnig 

(hausn.,    wind.  sedlnoJc),    tsedbtsdgyf  Zedlitzdorf,    ferner    die 


§  110  MUNDART   VON   PERNEGG.  137 

sclii'iftnamen  Zedl,  Zdsach,  Zeltschach  {\w:\.Zedelsacli).  —  Zmuln, 
Zlnpp,  Zlan,  Zlatting  beruhen  auf  slow.  *smolno,  *slap,  *slano, 
*slatin((.  Vgl.  auch  die  namen  der  beiden  Sprachinseln  tsäre 
Zarz  (slow.  *soura),   tsäre  Zahre  (it.  bez.  furlanisch  Sauris).^) 

■    Aum.    Ortsnamen  in  wind,  gegend  bilden  zum  teil  eine  ausnähme, 
vgl.  Sckirn  (wind,  sotsmi;  vgl.  slow,  selcira  axt). 

b)  Inlautend  s>s{*ss):  üsox  Ossiach  (wind.  loc.  w(^sflirt.r). 
In  Urkunden  wird  vom  9. — 14.  jli.  in  der  regel  zz,  z  {sz)  dafür 
geschrieben,  nur  für  slow,  st  erscheint  häufig  st]  z.  b.  Osze- 
ivach,  Ozziach,  Oziach  (vom  beginn  des  15.  jh.  an  regelmässig 
Ossiach),  Wztriz(e),  Fustriz  (ma.  fa^istrots  Feistritz,  ^bystriisa)] 
Oztericiz,  Osterwiz  (Osterwitz,  ^ostroidtsa). 

2)  Wind,  s  sowol  an-  als  inlautend  >  s:  saumdn  (slow. 
sumcti,  vgl.  §  68),  jjjrä.vö'Praschig  (;^2^rasiJ>c),  tsrösn  Tschröschen 
(zu  slow,  crcsnja  kirsche,  urk.  Cherzhovm).  Niu'  in  der  Ver- 
bindung st  ist  s  zu  s  geworden:  g^sarest  Gassarest  i^lcozariste, 
urk.  Cosarist),  grädes  Grades  (mit  abfall  des  t  für  *grailisfc, 
urk.  Gradmist,  Gradest).  Vgl.  dazu  nhd.  bistiim  aus  mlid. 
bischtiioni. 

3)  AVind.  z  >  s,  anlautend  vor  cons.  >  .s:  fr^asn  fressen 
i^Jjrcza),  ?ö5Laas  (wind.  ?/«i'c)  u. s.w.;  swonmnSQ\w\?a\m\  (wind. 
zuomnd). 

4)  Wind,  z  >  s  (anl.  vor  cons.  >  s):  sitte  Sittich  (wind. 
zotdtse),  sirndts  Sirnitz  (wind,  zirdntsd),  säfnots  Saifnitz  (wind. 
Mbntse),  selprits  Se\\)Yitsdi  (wind,  zöjrraise),  su2Wne' {hsiusn.,  wind. 
zu2)[n\e]i),  dräsiu  Drasing  (wind,  drazhi),  psarndts  Pusarnitz 
{*2)ozarnitsa),  rgsöJix  Eosegg  (wind,  rgzdk),  'dds  (hausn.,  wind. 
lldz)\  vgl.  noch  Zedras  (wind,  sodrazauu),  Mies  (wind.  miza). 

Aum.  Jüngere  deutsche  formen  von  ortsuamen  in  wind,  gegend 
haben  zuweilen  §  für  slow.  i. 

§  110.    Deutsche  s-  und  s-laute  im  windischen. 

1)  Mhd.  ^  (aus  *^)  ist  durchweg  durch  s  vertreten:  basato 
fassen,  po-blisatd  befleissen,  puosa  busse,  iösbli  essig,  hdsa  gasse, 
hrüds  gruss,  hrios  gries,  mnpds  ambos,  bOs  floss,  pös'rnis3  besser 
(mit  slow,  comparativsuffix),    sliasa  schliesse,   pdisatd  beissen, 

')  Ferner  Zmidie,  Zcrbst  in  Mitteldeutschland. 


138  LESSIAK  §  HO 

rceisntd  reissen,  fäsl  (ma.  fäsl)  fässclien.    Die  letzten  vier  bei- 
spiele  sind  sicher  junge  entlelinungen. 

2)  Mhd.  s:  a)  in  der  Umgebung-  von  sonoren  >  z:  zinatb 
sinnen,  zlhr  sicher,  zemud  seinmel,  zelda  (ma.  sextn)  laugwäsche, 
zida  seide,  fout  krieg  (mhd.  solt  sold),  hmha  salbe,  zuäk  schlag, 
zudhta  ver Avantschaft  (mhd. 5Za/i^e),  zmdx  gesdim?ick  {mhä.smach), 
zmäuts  schmalz,  znäböu  ' Schnabel',  lippe,  zmduöh  Schnittlauch, 
/m^5a ^9  schwitzen;  —  wl/a  weise,  tduznt  t&xisend,  ürzdx  m'S?iche, 
tseuzjx  katarrh  {mM.Jcelsuht),  röza  'rose',  blume,  mözndr  mesner; 
—  hndz  glas,  paraäiz  paradies,  färöuz  pfarrhaus,  hdnaz  anis, 
x'(twi  Johannes,  primaz  {-oz)VY'm\\\!&  {^oth.  iöizas,  ma.  iösas  Jesus, 
kristas  Christus  [ma.  Ichristds,  -us\  marli'H  Marcus). 

b)  >  s  in  der  gemination  und  in  der  Umgebung  von  stimm- 
losen consonanten:  a)  '*ss:  kuisnö  gewiss,  kresd  kresse,  mesd  messe, 
2}resd  presse,  husntb  küssen,  slow,  vanjkus  polster  (mhd.  wange- 
liüsse).  —  ß)  sp,  st:  spol  spiel,  pnspdn  buchsbaum,  strihato 
streichen,  püdstah  buchstabe,  komst  kunst,  ßmst  dunst,  köstatd 
kosten  (=  prüfen),  uüstii  lustig,  kmstr  kloster,  poustr  polster, 
tr^st  trost,  Ulsta  kiste,  miistr  muster,  u.s.w. 

c)  In  jüngeren  fremd  Wörtern  wird  es  vertreten:  «)  in  voca- 
lischer  Umgebung  durch  z:  zits  sitz,  zgtl  sattel,  zgld  saal,  zgft 
saft,  hdisl  abort  (ma.  hceisl  'bauschen'),  mgzl  mal,  narbe  (ma. 
niQsl),  Jidnzii  Hans  (ma.  hanse),  luz  los,  räiz  reis  {oqv^ov),  hirts- 
hduz  Wirtshaus;  —  ß)  anlautend  vor  consonanten  durch  s:  sldr 
Schleier,  sngld  schnalle,  smirha  (ma.  smirw)  schmiere,  sughl 
Schnabel,  sbgli'r  Schwager;  --  /)  inlautend  vor  t  und  in  der 
gemination  durch  s:  süostar  schuster,  häist  geist  (flüssigkeit), 
südmastr  Schulmeister  (dag.  tsöhmastr  'zechmeister',  kirchen- 
kämmerer),  Uostatd  wüsten;  —  päsat')  passen,  späs^  spashk  spass, 
spassig,  trös  zins  (ma.  ontrösn  'Interessen'). 

Anm.  In  moderneu  lehnwörtern  erscheint  auch  in  vocalischer  nach- 
barschaft  zuweilen  s:  lö^epMx  lesebuch,  tsüumli  zausen,  fräs  (ma. /ras), 
freisen,  ipäjs  (ma.  spceis)  Speisekammer,  mnär  siebener,  sümrfrih  Sommer- 
frische, sdndla  (raa.  sandlet)  Susanne. 

Bei  roraan.  fremdwürtern  wie  sonälä  sahit,  saJcmmensko  sackerment! 
sQrta  Sorte,  ist  wol  direete  entlehnung-  aus  dem  it.  anzunehmen;  vgl.  zakra- 
ment  Sakrament,  mit  2,  weil  dem  deutschen  abgeborgt.  .  Auifällig  ist  Ht 
(slow,  ient)  sanct,  aus  ahd.  mhd.  senie. 

3)  Ahd.  sk  erscheint  in  einigen  alten  lehnwörtern  noch 
als  sk:  .sMn'e  pl.  schere,  s/.p/" bischof,  skäf  achsiif,  sÄ-o/;a  schaub. 


§  111  MÜNDART   VON   PERNEGG.  139 

Vgl.  noch  slow,  skrat  waldgeist  (nihd.  schrat),  skiin  Schilling, 
skinära  rübenschale  (ma.  sindJ),  skiliti  schielen,  [sk^dd  schade, 
ist  wegen  des  q,  vgl.  §  53,  jedesfalls  vorahd.  geraeinslaw.  ent- 
lehnung;  sonst  haben  lehnwörter  aus  dem  gerni.  allerdings  sk: 
vgl.  slow,  skut  schoss,  saura,  skedcnj  (wind,  skodin,  *skudin) 
Scheune,  ahd.  scugin]. 

In  einer  jüngeren  gruppe  wird  es  durch  s  vertreten:  sl2)a 
Scheibe,  sribatJ  schreiben,  scmd  maske,  sclilechter  hut  (mhd. 
scheme)  etc.  Für  erhaltenes  inlautendes  sk  bez.  sk  fehlt  es  an 
belegen.  ^) 

§  111. 

Aus  diesen  Verhältnissen  geht  mit  Sicherheit  das  eine 
hervor,  dass  die  beiden  5-laute  in  einer  früheren  sprachperiode 
eine  verschiedene  qualität  besassen,  und  zwar  muss  das  alte 
s  eine  weiter  hinten  liegende,  6-- ähnliche  articulation  gehabt 
haben  (etwa  die  des  friaul.  6),  während  ^  wol  coronal  gebildet 
wurde,  wie  das  s  unserer  heutigen  ma.  oder  des  windischen 
(vgl.  Braune,  Beitr.  1,  528  ff.  Ahd.  gr.-  §  1G8).  Seit  dem  ausgang 
des  14.  jh.'s  wird  in  den  Urkunden  ziemlich  regelmässig  ss  (s) 
für  mhd.  ^j  (^)  geschrieben.  Um  diese  zeit  also  dürfte  germ.  s 
in  vucalischer  uachbarschaft  seineu  ^'-älinlichen  Charakter  be- 
reits verloren  haben,  d.  h.  an  derselben  stelle  articuliert  worden 
sein  wie  ^,  bez.  modern-ma.  s.  Vor  t  mag  sich  die  ursprüng- 
liche qualität  des  s  vielleicht  länger  gehalten  haben.  Die 
lieutige  grenze  zwischen  dem  .s-^/ 5^ -gebiet  geht  quer  durch 
Oberkärnten.  Ein  teil  der  westlichsten  mundarten  spricht  noch 
st  bez.  6'^  (mit  s  bezeichne  ich  den  schon  oben  §  28  b  erwähnten 
zwischen  s  und  s  in  der  mitte  liegenden  Zischlaut).  Im  Gailtal 
wird  strichweise  weit  herunter  bis  nahe  an  die  slow.  Sprach- 
grenze st  gesprochen.  Ich  bin  vorderhand  nicht  in  der  läge, 
die  grenzlinie  genauer  zu  bestimmen. 

In  vollem  umfang  haben  den  unterschied  in  der  articulation 
der  beiden  s-laute  die  krain.  und  nordital.  Sprachinseln  bewahrt. 
Gottschee  und  Zarz  haben  für  altes  s  iu  der  umge])ung  von 
sonoren  z,  auslautend  und  in  der  uachbarschaft  stimmloser 
consonanten  s.    Die  friaul.  enclaven  haben  dem  entsprechend 


')  Slow,  ^k  bat  sich  im  deutschen  zu  s  entwickelt  in  hi9fliü  schieHing, 
wind,  hki'ofatse  (*sIco9fike  zu  hkof  bischof). 


140  LESSIAK  §  111 

's  —  5  bez.  / — s,  letzteres  vor  consonanten  und  nach  r. ')  Mhd,  $ 
erscheint  hier  durchgehends  als  ss  bez.  s. 

Olme  zweifei  verhielt  sich  mhd.  ^ :  s  (ausser  vor  stimm- 
losen consonanten)  wie  fortis  :  lenis.  Da  in  der  ma.  heute 
Spirant,  fortes  durchweg  mit  entsprechenden  lenes  zusammen- 
gefallen sind,  so  ist  auch  dieser  unterschied  zwischen  §;  und  s 
(ausgenommen  da,  wo  sich  dieses  zu  s  entAvickelt  hat)  auf- 
gehoben, während  ihn  die  übrigen  bair.-österr.  dialekte  wol 
ohne  ausnähme  aufrecht  erhalten  haben. 

Dass  der  zusammenfall  der  beiden  laute  jung  ist,  geht 
ohne  weiteres  aus  dem  lehnmaterial  im  wind,  hervor.  Einzelne 
dieser  Fremdwörter  haben  ein  so  modernes  gepräge,  dass  man 
wol  annehmen  darf,  noch  vor  ein  paar  menschenaltern  werde 
irgendwelcher  unterschied  bestanden  haben.  Einigermassen 
auffallend  ist  die  vreite  Verbreitung  dieser  erscheinung.  Die 
mittelkärnt.  dialekte,  mit  denen  ich  am  besten  vertraut  bin, 
stimmen  hierin  wol  alle  mit  unserer  ma.  überein. 

Wie  altes  f,  so,  meine  ich,  ist  auch  .s  in  der  nachbarschaft 
von  sonoren  früher  stimmhaft  gesprochen  worden,  wie  noch 
heute  in  den  Sprachinseln,  aber  auch  in  anderen  mund arten,  so 
z.  b.  im  Pustertal  [pustertalerisch  goivQzn  gewesen,  aber  m^ssn 
messen,  dem  entsprechend  natürlich  auch  finve  bez.  vinve  fünf, 
dag.  soffn  schaffen].  Die  stimmhaftigkeit  mag  vielleicht  sehr 
gering  gewesen  sein,  wie  sie  es  auch  heute  in  all  diesen  mund- 
arten  ist,  welche  stimmhafte  Spiranten  noch  besitzen.  Im  ver- 
gleich zu  slow,  s,  z  und  it.  v  erscheinen  diese  deutschen  z,  k, 
z,  V  wie  lenes  gegenüber  fortes. 

Dafür,  dass  sich  der  stimmhafte  Charakter  des  s  in  unserer 
ma.  erst  in  jüngster  zeit  verloren  haben  muss,  scheint  mir  das 
verhalten  der  fremdwörter  im  wind,  mit  grösster  Wahrschein- 
lichkeit zu  sprechen.  Die  oben  §  110,  2,  anm.  angeführten  bei- 
spiele  mit  slow,  s  für  deutsches  s,  die  sich  leicht  vermehren 
lassen,  repräsentieren  offenbar  die  allermodernsten  entlehnungen 
und  zeigen,  dass  der  gegenwärtige  substitutionslaut  für  den 
deutschen  stimmlosen  Spiranten  s  ist.  Es  wäre  seltsam  genug, 
wenn  er  es  nicht  auch  früher  gewesen  sein  sollte,  hätten  sich 
inzwischen  die  bedingungen  nicht  verändert. 


')  Was  die  beteiligung  des  stimmtons  anbelangt,  gelten  hier  im  all- 
gemeinen dieselben  Verhältnisse  wie  beim  v,  s.  §  102,  2,  fussnote. 


§  111  MUNDART   VON   PERNEGG.  141 

Für  altes  f  haben  wir  wol  eine  parallele  entmcklung 
anzuuelinien.  Die  grosse  anzalil  wind,  fremdwörter  mit  f  statt 
des  zu  erwartenden  h  ist  einigermassen  auffallend.  Doch 
müssen  wir  hier  immer  mit  dem  umstand  rechnen,  dass  das 
slow,  stimmhaftes  v  gar  nicht  kennt,  während  f,  wie  bereits 
bemerkt  wurde,  in  folge  der  zahlreichen  entlehnungen  all- 
mählich ein  der  spräche  geläufiger  laut  geworden  sein  muss, 
so  dass  man  ihn  später  auch  als  substitutionslaut  für  deutsches 
stimmhaftes  v  verwendete,  weil  er  diesem  offenbar  näher  stand 
als  h. 

Im  anlaut  vor  sonorconsonanten  wird  das  's,  das  sich  hier 
schliesslich  zu  6-  entwickelt  hat,  wol  früher  stimmlos  geworden 
sein  als  vor  vocaleu.  Darin,  dass  es  die  Slowenen  in  späteren 
fremdwörtern  nicht  durch  z  ersetzten,  obschon  es  hier  gewis 
innner  lenis  war,  glaube  ich  einen  weiteren  beweis  für  meine 
annähme  zu  finden,  dass  der  stimmhafte  substitutionslaut  des 
wind,  einen  stimmhaften  laut  im  deutschen  voraussetzt.  Die 
tatsache,  dass  auch  auslautendes  deutsches  s  im  wind,  fast 
ausnahmslos  als  z  erscheint,  bestärkt  mich  sehr  in  der  ansieht, 
die  ich  schon  oben  §  102,  2  ausgesprochen  habe,  dass  bei  aus- 
lautenden geräuschlauten  sehr  früh  ausgleichungen  nach  den 
inlautenden  formen  stattgefunden  haben,  so  dass  auch  aus- 
lautendes 's  (partiell  wenigstens)  stimmhaft  gesprochen  wurde, 
vorausgesetzt  natürlich,  dass  in  unserer  ma.  das  mhd.  aus- 
lautsgesetz  überhaupt  je  auch  für  inlautende  geräuschlenes 
geltung  hatte. 

Eines  ist  sicher  ausgeschlossen,  nämlich  dass  auslautendes 
germ.  5  zur  zeit  der  entlehnung  als  stimmlose  fortis  gesprochen 
wurde  (wie  z.  b.  im  zarzerischen  gl{>s  glas).  In  diesem  falle 
hätten  die  Slowenen  offenbar  s  substituiert. 

"Wenn  im  anlaut  die  affricata  ts  für  wind,  s  erscheint, 
so  erklärt  sich  dies  sehr  einfach  aus  dem  mangel  einer  an- 
lautenden stimmlosen  fortis  im  deutschen.  Dem  entsprechend 
ist  ja  auch  slow,  anlautendes  "^x  im  deutschen  zu  *lix  ge- 
worden (vgl.  §  115, 4  b,  anm.  2),  und  sicherlich  wäre  auch  ein 
anlautendes  slow,  f  deutscherseits  durch  7)/"  substituiert  worden, 
wenn  es  im  slow,  vorhanden  gewesen  wäre  und  sich  eine  ge- 
legenheit  zur  Substitution  ergeben  hätte. 


142  LESSIAK  §  112 

§  112.    Germ.  w. 

Es  ist  fast  überall  erhalten.  Die  gemiiiata  ist  durchweg 
vereinfacht  worden:  tiösf  nest,  n^gl  nagel,  prindn  brennen, 
nöndti  nennen,  Igan  lohn,  tgan  tun,  fm  ^i.  faline,  dnn{a)  darin, 
tvirtin  wirtin. 

Geschwunden  ist  es  mit  verlust  der  vorauszusetzenden 
nasalierung  des  voraufgehenden  vocals: 

1)  Regelmässig  vor  germ.  h:  ceihr  herein  (*inher),  ceihn 
hinein  {*inhin),  eJil  (edJil)  jenseits,  drüben  (mhd.  enhalp),  ledlirt 
Lienhart  (Leonhard),  dext,  dextr  dennoch  {*denht  <  dennoht 
mit  secundärem  t,  vgl.  D Wb.  2, 935 :  die  nebenform  auf  -r  ist 
zu  erklären  wie  pgldstr  u.s.w.,  vgl.  §  143,  anm.;  dext  ist  mehr 
in  den  nördl.  und  nordwestl.  ma.  üblich.  In  Pernegg  sagt 
man  lieber  dend).  Zu  fuxtsen  15,  fuxtsk  50,  s.  §  97  (wäre  der 
ausfall  des  n  alt,  so  würde  hier  sicherlich  diphthongierung 
eingetreten  sein).  In  Zusammensetzungen  wie  prenhoUs  brenn- 
holz,  stanhgrt  steinhart,  hat  sich  das  n  natürlich  unter  dem 
einfluss  der  simplicia  gehalten,  desgl.  in  s^anhmit  Schönheit. 

2)  Vereinzelt  in  raftl  abschnitt  von  einem  laibe,  ranft, 
ädla  grossmutter  (vgl.  §  85,  c),  s^adni  (in  nachbarma.  sendrv) 
zudringlich  um  etwas  bitten  {"^senren,  zu  mhd.  senen),  stappihl 
Steinbichl  (ortsn.),  loeildx  leilach,  leintuch  (mhd.  lin-,  UlacJi), 
vielleicht  auch  in  wistä,  wistdhg{r)  'links'  (zuruf  an  Zugtiere), 
wenn  zu  mhd.  winster.  Urspr.  m  ist  über  n  geschwunden  in 
pfriddl  fliete  (eig.  demin.  zu  "'pfriem';  andere  ma.  haben  pfridndl). 
Die  nebensilbe  -ing  ist  zu  -e  (*-ig)  geworden  in  khme  könig, 
vgl.  dagegen  tsmwkhmmgle  Zaunkönig,  auch  klänwglhgs  ka- 
ninchen  (mhd.  Idinildm).    Das  zarzerische  hat  Jchinönkh  könig. 

3)  Auslautend  vor  consonantisch  anlautendem  folgendem 
Worte  in  den  fürwörtern  mcei,  dm,  scei,  a,  kha  mein,  dein,  sein, 
ein,  kein,  wenn  sie  attributiv  gebraucht  werden:  mcei  fgtr 
mein  vater,  scei  wceiw  sein  weib,  a  röd  eine  rede  (dag.  mcein- 
glte  meine  alte,  dcein-ösn  dein  essen,  khan-auga  kein  äuge; 
dgs-is  mwin,  dmn,  sadn  das  ist  mein,  dein,  sein,  alän  allein). 
Unter  denselben  bedingungen  in  den  endungslosen  formen  des 
nom.  acc.  neutr.  einiger  adjectiva  (vgl.  §  143). 

Ferner  in  der  präp.  fo  von,  und  in  sg  schon:  fd  dir  von 
dir   (dag.  fdn-etikx  von  euch),    is  so  dg,    sg  fürt    ist  schon  da, 


§  113.  114  MUNDART    VON   PERNEGG.  143 

schon  fort  (dag.  sQu-aus  schon  aus).  Nebeneinander  stellen 
mD,  nmi  'man'  vor  consonanten.  vor  vocalen  heisst  es  stets 
mon.    Vgl.  auch  gdtpl,  gdperg  zutal,  zuberg  {^ijen-  gegen). 

Von  haus  aus  war  der  Schwund  des  -n  jedesfalls  nur  bei 
neben-  (schwach-)  tonigkeit  der  Wörter  berechtigt.  Wenn  es 
nun  auch  mcei  fötr  mein  vater,  Jchä  prgat  kein  brot,  heisst,  so 
ist  dies  natürlich  übertragen.  Die  negation  nä  nein,  erscheint 
stets  ohne  das  auslautende  n. 

Andere  hierher  gehörige  fälle  sind  bereits  oben  in  den 
§§  31.  34  besprochen  worden. 

Anm.  Formen  wie  cmfe,  öice,  tsiotce,  ceine,  aiise,  umme  hinauf, 
hinab,  hinzu,  hinein,  hinaus,  hinüber  (umhin),  eig.  auf-,  ab-  etc.  hin,  die 
jetzt  die  echt  mundartlichen  cmfii,  ohn,  tsiohn,  mhn,  ausn,  ummdn  zu  ver- 
drängen beginnen,  entstammen  dem  höfischen. 

Auffallendes  n  hat  östrndx  estrich. 

§  113.  Germ,  l 
Es  ist  fast  ausnahmslos  bewahrt  (zur  Vereinfachung  der 
geminata  \g\.  §  14):  luodr  luder  (schelte),  lösr  leser,  labmagen, 
helfn  helfen,  polstr  polster,  poln  samengehäuse  (mhd.  holle), 
fgia  falle,  hol  hölle.  Ausgefallen  ist  es  in  as  als,  asö  so,  der- 
art (mhd.  also),  dr  sewige  (häufiger  dr  sege)  derselbige,  jener, 
schm  damals  {*selhen).    7a\  Ihoehvl,  soehvliu  vgl.  §  32,  b. 

§  114.    Germ.  r. 

Es  wird  vor  gutturalen  und  labialen  vielfach  noch  als 
zimgen-.r,  sonst  in  der  regel  als  Zäpfchen -r  gesprochen:  rceisin 
reiste,  ßrn  führen,  jH^^'^  bart,  irl  erle,  dQrf  dorf,  j>e>7/  berg, 
mer  mehr.  Mit  urspr.  geminata:  dum  dürrer  ast,  bäum,  ggn} 
karren.  In  den  Wörtern  fürt  fort,  her  her,  mir  meer,  jK^'  bär, 
wird  häufig  zungen-r  gesprochen  im  gegensatz  zur  obigen  regel. 
Die  beiden  ersten  fälle  lassen  sich  wol  aus  der  häufigen  Ver- 
bindung mit  g^a7t  erklären  (furl-ean,  hcrg^an),  für  die  übrigen 
vermag  ich  keinen  grund  anzugeben.  Dass  einmal  durch- 
gehends  zungen-r  gesprochen  wurde,  geht  aus  den  in  §§  25  c. 
29  c  besprochenen  erscheinungen  hervor.  Auch  die  erliöhung 
des  mhd.  e  zu  i  lässt  sich  wol  nur  unter  dieser  Voraussetzung 
begreifen  (s.  §  56,  2). 

Geschwunden  ist  auslautendes  r  in  d{)  da.  ivö  wo,  rn  ehe 


144  LESSIAK  §  115 

(9n§a  für  *dem  e).  In  unbetonter  silbe  dagegen  erscheint  mhd. 
dar,  ivar  als  dr,  ivr:  drfor  davor,  draussen,  drpml  dabei,  drhäm 
daheim,  drividr  dawider,  drhintr  dahinter,  etc.,  glswr  anderswo 
(mhd.  cdsivä  bez.  *alstcär),  öppr  etwa  {*etwär).  döhm,  dimtn 
droben,  drunten  (neben  dröhm,  druntn)  scheinen  spätere  zu- 
sammenrückungen von  dö-öbm,  dö-untn  zu  sein. 

Inlautendes  r  wird  häufig  unterdrückt  in  didndle  'dirnlein', 
mädel  (doch  sagen  die  alten  fast  durchweg  dirndle),  ferner  in 
piln  neben  pildr  (stets  im  pl.  gebraucht)  kiefer  (mhd.  hilern). 

Die  beispiele  mit  schwund  in  folge  dissimilation  habe  ich 
in  §32,  a  angeführt.  Die  erscheinung  ist  jedesfalls  sehr  alt: 
in  födr  'vorder',  muss  das  r  schon  ausgefallen  sein,  bevor  or 
>  gr  wurde  (die  formen  fgdr,  fgadr,  welche  daneben  vor- 
kommen, stehen  sicherlich  unter  dem  einfluss  des  höfischen 
fordr,  födr).  In  mesr  'mürser',  fand  der  Schwund  des  r  zwar 
später  statt  als  der  Übergang  von  ör  zu  er,  doch  früher  als 
die  entwickluug  des  r's  zu  rs. 

Neben  farle  ferkel  (dem.  zu  ahd.  varh)  steht  fädle.  Im 
Lavanttal  (spr,  Läfanttal,  ma.  IgfntgT)  ist  der  Übergang  des  r 
vor  l,  n  zu  d  sehr  verbreitet  (stedn  stern,  khedl  kerl),  auch 
im  Unteren  Drautal  hört  man  zuweilen  dn  für  rn  (fedndgrf 
Ferndorf).    Vgl.  auch  Schatz  §  72. 

C.    Gaumenlaute. 

§  115.    Germ.  Je. 

1)  k>  Ich  bez.  Mh,  lex  (vgl.  die  §§  12.  14.  15):  a)  Im  anlaut: 
hhgts  katze,  Mmd  kuh,  leidem  klein,  IMi^a  klee,  khlüw  m.  das 
klieben,  spalt,  hhlaidmi  klauben,  Mtridg  krieg,  lihropf  kröpf, 
khrceistn  kreisen  (=  stöhnen,  mhd.  Jcristen),  Idirggt)  kragen, 
hals,  khnölm  knöchel,  JcJmoln  knolle,  khnäß  knöpf  (dem.  zu 
'knauf'). 

b)  In  der  Verbindung  nk:  dgwkx  dank,  srgnkx  querhölzer 
bei  der  säge  (mhd.  schranc),  khrgvkx  krank,  schwach  (a  khrgwkhr 
studl  ein  schwacher  stuhl),  siukhn  Schenkel,  siwkhn  schinken, 
swinkhl  dreschflegel  (zu  mhd.  sivinken,  vgl.  Kluge,  Wb.  unter 
schtvingen),  pddiwklm  bedünken,  khlgnkx  schlinge  (mhd.  klanc^ 
■kes;  dazu  khlenkhn  mit  einer  kleinen  glocke  läuten,  auch 
khlenkhln),  stmkhn  stinken,  dazu  stenkhn  reizen,  aufstacheln. 


§  115  MUNDART    VON   PERNEGG.  145 

c)  In  der  geminatlon  (/.•/,):  i^pöl-x  speck,  shd-x  stück,  sHJcx 
riss,  Sprung-,  srikhn  bersten  (mlid.  schrie,  schricketi),  tsikx  leichter 
schlag  (mhd.  zic\  slikJm  schlucken  (mhd.  slicJcen),  ivöklm  wecken, 
'prokkn  pflücken  (zu  'brechen'),  tvaJcJm  einweichen,  eintunken 
{^ivaikjan),  olchr  acker,  Igklin  lache  (ahd.  laccha),  tokhn,  dem. 
töklüe  rechteckiger  klotz  (bei  der  presse),  docke  (5 — 10  garben; 
mhdJocZ;e),Ä7i?oÄ7?»  klopfen  (mhd.Z:/öc/tew),  kkrökkn  nüsse  knacken 
(eig.  'krachen  machen',  mhd.  krccken),  khlökhn  ausreichen  (mhd. 
kleckcn),  tsivikhn  zwicken,  luhlidt  lückenhaft,  rokhl  spinnrocken- 
stab,  tseklin  zecke,  gnakx  genick,  nacken,  noklin  (dem.  nökhle) 
kloss,  lokhn  'locken'  d.  h.  ein  kind  'auf  dem  arme  tragen' 
(der  urspr.  sinn  war  wol  'den  arm  biegen',  vgl.  Kluge,  A\^b. 
unter  locke  =  'gebogenes';  auch  nhd.  locken  dürfte  von  haus 
aus  nichts  anderes  bedeutet  haben  als  'den  finger  bez.  die  band 
krümmen'  zum  zeichen  des  lieranwinkens),  tsceiklin  anstacheln, 
stechen  (vgl.  BWb.  2, 1137  zinken  stechen,  reizen,  zu  mhd.  zinke 
spitze,  mit  ausfall  des  nasals  und  dehnung  des  i),  iceiklin  jagen, 
forttreiben  (KA\'b.  s.  151  jcmkn,  vgl.  mhd.  jouchen  jagen,  trei- 
ben, dazu  'jucken'?),  inkhn  kleben  (trans.  und  intr.,  zu  'pech'). 
Interessant  ist  das  nebeneinander  von  spalM  und  spähl  rad- 
speiche. 

2)  k>h  inlautend  nach  vocalen,  auslautend  x:  sghn  sache, 
p^hn  backen  (mhd.  hachen),  pudlm  buche,  tsidha  zieche,  ksmghn 
geschmack,  siolin  krankheit  (zu  'siech'),  pröhn  brechen,  7.7/6»//? 
kachel,  khühl  küche,  ;»/7Aniinterlistiger  mensch  (zumlid.;>//;(c//t7-), 
wäx  weich,  wgx  wach,  xüöx  block,  ösdx  essig,  U{9)rdx  wider- 
gekäutes  futter,  zu  ttrdlm  widerkäuen  (ahd.  itruchan). ') 

3)  Germ.  Ik,  rk  erscheint  teils  als  Ih,  rJi,  teils  als  Ikh,  rkh: 
a)  (urspr.)  spirans  haben  mehhn,  melhn  melken,  ivehx  welk, 
tvgldx  f.  Walkmühle,  khgbx  kalk,  fgbx  falber  ochse,  fem.  fglha, 
mgrlin  grenze  {morxstän  markstein),  ivcrx  werk,  werg  {werx 
=  werk,  kommt  nur  noch  in  Zusammensetzungen  vor,  vgl. 
§  46  a,  a;  in  der  bedeutung  'gutes  werk'  heisst  es  iverkx  und 
ist  wol  der  Schriftsprache  entlehnt;  auch  wcrkhl  leierkasten, 
werkhln  werkeln,  dürften  kaum  bodenständig  sein),  irx  weiss- 
gegerbtes  leder  (mhd. /VcA,  zu  V^i.  hb-ciis?),  5;ip>7m  schnarchen ; 

b)  (urspr.)  affricata:  pglkhn  balken,  tvolkhn  wölke,  gwilkx 

')  Davon  ist  zu  trennen  xlrnax  gift,  viell.  sclnviuulstufe  zu  'eiter'. 

Beiträge  zur  geschichte  Jer  deutschen  spräche.     XXVllI.  J^Q 


146  LESSIAK  §  115 

gev.'ölk.  foJhr  volk.  sforlx  stark,  st'irliX  stärke,  st'irl-Jm  stärken, 
pirlüm  birke,  inirMin  merken,  wirlhn  weben,  'wirken'. 

Fremdwörter  sind  pdtsirlxx  bezirk,  tsirldü  zirkel,  Idiirlihr 
kerker,  mgrlcx  markt.  Auch  storx  storcli,  ist  sicher  entlehnt, 
es  müsste  sonst  zum  mindesten  stQvx  lauten  (slow.  storMja 
storch,  zeigt,  dass  ursp]\  die  /--form  verbreitet  war). 

Wenn  wir  mit  Schatz  s.  99  f.  annehmen,  die  spirans  sei  die 
regelmässige  entsprechung  des  urspr.  einfachen  k,  dagegen  kx 
(kh)  die  des  geminierten,  so  würden  nur  stgrkx,  folkx  als  aus- 
nahmen zu  betrachten  sein,  denn  für  alle  anderen  fälle  mit 
affricata  (aspirata)  dürfen  bez.  müssen  wir  gemination  voraus- 
setzen, folkx  könnte  man  schliesslich  noch  als  schriftdeutsches 
lehnwort  betrachten,  dagegen  kann  stgrkx  doch  unmöglich  ent- 
lehnt sein. 

Die  einzelnen  dialekte  weichen  in  diesem  punkte  übrigens 
ziemlich  stark  von  einander  ab.  So  hat,  um  ein  beispiel  heraus- 
zugreifen, das  zarzerische  unserer  ma.  entsprechend  stgrkx, 
ivolkxe,  gcmörhc  (gemarkung),  dagegen  abweichend  von  ihr 
mörhn  (merken),  lüirlm,  pirlie,  vglkxe  falbe  kuh  (vgl.  zu  diesem 
Worte  Beitr.  15, 180  und  Zs.  fda.  40,  295  ff.).  Lexer,  KWb.  s.  259 
führt  ghvülche  neben  (jhvülkc  an.  Dieses  nebeneinander  scheint 
dafür  zu  sprechen,  dass  es  im  gründe  nicht  auf  den  unterschied 
von  geminierten  und  nicht  geminierten  formen  ankommt.  Sehr 
ansprechend  ist  die  ansieht  Kauffmanns  (Gesch.  d.  schwäb.  ma. 
§  176),  der  den  Wechsel  von  x  und  kx  auf  formen  mit  und 
ohne  svarabhakti  zurückführt  (die  je  nach  dem  rh3'thmus  bez. 
der  Silbenzahl  in  ein  und  demselben  paradigma  einander  gegen- 
über gestanden  haben  mochten).  Analogisch  wäre  dann  die 
eine  oder  andere  form  verallgemeinert  worden.  Nach  secundär- 
vocalen  hätte  sich  das  k  ebenso  regelmässig  zur  spiraus  ent- 
wickelt wie  etwa  in  mildx  milch,  khöUx  kelch,  tswildx  zwilch, 
lerx  lerche  (für  *le-wra]iha,  s.  Kluge),  kJiirhn  kirche,  wo  der 
z wischen vocal  ursprünglich  ist. 

Eine  form  wie  imsterisch,  zarz.  pirxe  (bez.  pirhe)  setzt  un- 
bedingt svarabhaktibildung  voraus  {*J)irkjön  musste  ja  west- 
germ.  zu  lirkkj-  werden).  An  ein  nebeneinander  von  gemi- 
nierten und  ungeminierten  formen  ist  hier  nicht  zu  denken 
da  j  durch  das  ganze  paradigma  hindurch  geht,  und  doch 
kann  sich  x  nur  aus  einfachem  k  entwickelt  haben.    Durch 


§  115  MUNDART   VON   PERNEGG,  147 

die  eiitfaltung-  eines  secnndärvocals  {*hinJd'a)  kam  die  geminata 
zwischen  zwei  nebentonige  sonanten  zu  stehen  und  der  anlass 
zur  Vereinfachung  derselben  liegt  unter  diesen  umständen  sehr 
nahe  (vgl.  die  Schwächung  des  hh  >  h  in  ahd.  weliher,  soliher). 

Anm.  Einen  Wechsel  von  formen  mit  und  olme  zwischenvocal ,  wie 
ihn  das  ahd.  zum  teil  aufweist,  kennt  auch  die  gegenwärtige  ma.  hei 
l  +  X  (h).  Es  heisst  zwar  m'iJax,  iccbx,  khob.r,  aber  bei  antritt  einer 
weiteren  silbe  viiUtc  milchig-,  icelhe  welke,  khoJhe  kalkig.  Wenn  es  neben 
melhn  melken,  mclhnt  sie  melken,  iveJhn  welken,  auch  mcUhn,  mehhnt, 
u-übhn  heisst,  so  haben  wir  es  natürlich  mit  einer  Übertragung  des  a  aus 
formen  wie  ^  msi9x  ich  melke,  wehxt  welkt,  u.  s.  w.  zu  tun.  Das  part.  praet. 
von  'melken'  lautet  bezeichnenderweise  nur  gmolhn  (vgl.  auch  sclahn  §  118). 

Es  ist  fraglich,  ob  es  sich  in  diesen  fällen  um  eine  moderne  svara- 
bhaktibihlung  handelt  oder  ob  bewahrung  des  alten  z wischen vocals  vorliegt. 
Ich  möchte  mich  für  das  letztere  entscheiden  (vgl.  §  91). 

4)  Geschwunden  ist  *x:  a)  inlautend  in  tcölr,  dr  ivöle 
welcher,  soldr,  sölr  solcher  (vgl.  Braune,  Ahd.  gr.  §  145,  anm.  7). 
Doch  hört  man  daneben  häufig  auch  solhr,  ivölhr  (wol  unter 
fremdem  einfluss).  —  Einige  andere  fälle  habe  ich  bereits  in 
§  27,  a  angeführt;  —  b)  auslautend  in  %  ich,  ml  mich,  di  dich, 
untrsa  {mhä..  unier  sicJi),  nvrsa  {iiher  sich),  liintrsa  (hinter  sich), 
ßrhosa  vorwärts  i^vürhin  sich),  ci  auch,  (jlcei  sogleich  (dag. 
glceix  gleich). 

Anm.  1.  Hierhergehört  auch  das  in  Wendungen  wie  Z;/mr«<w  Z«?/-?«/, 
laei  tösn  sprichwörtlich  gewordene  gemeinkärntnische,  aber  auch  in  einem 
teile  Osttirols  übliche  Icei.  Es  ist  eine  füUpartikel  und  hat  etwa  die  be- 
deutung  'nur,  eben'.  Häufig  wird  es  durch  Ji()lt  hult,  h^- nur,  ?('oZ  wol,  ver- 
stärkt; z.  b.  tios  nr  Icci  losn  lass  es  nur  bleiben,  is  holt  la'i  a  h-Jirceits  (es) 
ist  halt  eben  ein  kreuz,  lai  dos  nit  nur  das  nicht.  Daraus,  dass  auch  fihel 
zuweilen  in  derselben  bedeutung  verwendet  wird,  geht  hervor,  dass  es  damit 
identisch  und  aus  mhd.  gclich  entstanden  ist.  Dafür  sprechen  auch  Zu- 
sammensetzungen wie  Iceiwol  'gleich wol',  endlich  (Iceiivol  ampl  endlich  ein- 
mal), Iceisamr  ebensowol  {wgn  ign  gls  hin  is,  Iceisdmr  dgs  ä  nox  wenn  schon 
alles  verloren  ist,  nun  so  soll  denn  das  auch  noch  sein).  Es  ist  auf  *gcUch 
sü  mare  zurückzuführen  (vgl.  B^^■b.  1,  1123  glc/sowai;  KWb.  s.  186  leisimur). 
Der  Schwund  des  anlautenden  g  erklärt  sich  aus  der  nebentonigkeit  dieser 
Wörter.  Die  urspr.  bedeutung  lässt  sich  noch  aus  einzelnen  Wendungen 
erkennen,  z.  b.  Icei  fürt  'in  derselben  weise,  ganz  so  fort,  sc.  wie  bisher', 
daraus  'nur  so  fort'. 

Ferner  in  den  adjectiven  auf  *-Uch  (ma.  -la),  (s.  §  90, 2,  a,  «)• 

Sonst  ist  auslautendes  x  überall  geblieben;  ygl.rätox  rettich, 

häivdx  habiclit,   pötdx  unterer  teil   des  rumpfes   (mhd.  hotech). 

lu* 


148  LESSIAK  §  115 

Aucli  in  Personennamen  auf  ^-rich  (urk,  -rcicli):  oldrdx  Ulrich, 
didtrox  dietricli  (nur  in  der  bedeutung-  ' naclisclilüssel').  In 
den  Zusammensetzungen  oldrdspery  IJlriclisberg,  idtrastan  Diet- 
riclistein,  liegt  assimilation  vor,  wie  in  den  in  §  27,  a  an- 
geführten fällen. 

Aus  den  obigen  beispielen  geht  klar  hervor,  wie  die  ver- 
schiedene behandlung  des  auslautenden  -x  zu  erklären  ist.  In 
isolierten  wortformen  musste  es  schwinden,  während  es  in 
fällen,  wo  formen  mit  inlautendem  x  daneben  standen,  er- 
halten blieb. 

Die  erstgenannten  beispiele  bedürfen  keiner  weiteren  er- 
örterung,  nur  zu  glcei  wäre  vielleicht  zu  bemerken,  dass  die 
adverbialendimg  bei  der  facultativen  nebentonigkeit  des  Wortes 
früh  geschwunden  sein  dürfte.  Die  nomina  auf  -lieh  (urk. 
-leich)  waren,  wie  aus  den  ausführungen  in  §  90,  2  hervorgeht, 
in  der  ma.  von  haus  aus  adverbia  bez.  nur  prädicativ  gebrauchte 
adjectiva.  "\\^enn  sie  heute  zum  teil  auch  attributiv  verwendet 
werden,  so  ist  dies  ohne  zweifei  etwas  secundäres.  Dafür 
spricht  deutlich  die  eigentümliche  flexionsweise  (s.  §  147).  Auch 
hier  mag  die  apokope  des  ursprünglich  auslautenden  vocals, 
der  in  folge  der  absteigenden  accentuierung  dieser  Wörter 
(heimliche)  eines  nebenaccents  völlig  entbehrte  und  daher 
einer  abschwächung  besonders  ausgesetzt  war,  schon  sehr  früh 
erfolgt  sein. 

Zu  den  formen  slx,  se,  -sa  sich,  vgl.  §  151. 

-  Anm.  2.  Slow.  *.r  erscheint  anlautend  als  A;/*,  z.  1).  Ä:/t{>?<.s3J?  Kaltschach 
(wind.7/,oyf§e),  hhoiMdx  Keutschach  (wind.  loc.  höddiax  für  *xödihax  >>  deutsch 
*kxüdüax;  ö  wurde  durch  n  substituiert,  da  die  ma.  keinen  langen  ge- 
schlossenen o-laut  besass),  khrgs  Krass  (*xmst),  khywatn  Krobathen  (ortsn.), 
khr^iivöt  Kroate  (wind,  hr^ut).  khrmn  kren,  meerrettich  (wind.  Ibvän  aus 
*xrenii).  Inlautend  ist  es  wie  deutsches  *x  zu  h  geworden,  vgl.  tmhn 
Teichen  {Hixa).  Auslautend  erscheint  es  als  x.  Zahlreiche  belege  bieten 
die  Ortsnamen  auf  -ach  (ma.  -9x),  wie  ädrax  Adriach,  ostrdx  Ostriach,  raumx 
Kaunach,  etc.,  eig.  locative  pl.  auf  *-ex(w),  -cuiü). 

Die  Substitution  des  anlautenden  slow,  x  durch  /c/t  spricht  mit  grosser 
Wahrscheinlichkeit  dafür,  dass  unser  (stark  aspiriertes)  kli  ursprünglich  kx, 
d.  h.  echte  affricata  war,  wie  etwa  die  Tiroler  ma.  sie  besitzen.  Die  ent- 
wicklung  zu  kh  scheint  der  des  inlautenden  x  zu  h  parallel  gegangen  zu 
sein.  Hätte  man  zur  zeit  der  Übernahme  im  anlaut  kh  gesprochen  wie 
heute,  so  wäre  dieser  ersatz  nicht  recht  begreiflich,  man  würde  da  wol 
eher  zu  einfachem  /*  gegriffen  haben.     Für  die  richtigkeit  dieser  annähme 


§  116  MÜNDART   VON   PERNEGG.  149 

kann  ein  beweis  durch  moderne  Substitution  nicht  erbracht  werden,  da  die 
slow.  raa.  Kärntens  anlautendes  x  nicht  mehr  besitzen. 

Slow.  X  für  auslautendes  deutsches  kx  findet  sich  in  hpex  speck. 

§  116.    Germ,  g. 

1)  Germ,  g  erscheint  iu  den  meisten  fällen  als  stimmlose 
lenis  g:  göhm  geben,  ggrste  garstig-,  gäl  'geil',  ergiebig,  frgixt 
giclit,  (7?ösw  glimmen  {m\\L  gloscn),  gjgt  'glatt',  glattweg,  dnrcli- 
■\veg,  glontsn  glänzen,  gröiv  grob,  grünt  grnnd,  mggr  mager, 
tcögu  wegen,  wägen,  xmgi)  bogen,  fwgr  finger,  liuigl  hinge, 
tsiwga  zunge,  ongl  angel,  Stachel,  sog  säge,  ivög  weg,  slgg  schlag. 

Anm.  Assimilationserscheiniuig-eu  (g'^k)  s.  §.  27.  29.  Ausl.  g'^kx 
s.  §  35.  *^  erscheint  auslautend  als  x  iu  mgrx  mark  (ahd.  marg),  planx 
unwol,  kränklich  (mhd.  hluc,  -ges).    Eine  erklärung  hierfür  gibt  Schatz  s.  104. 

2)  Geschwunden  ist  g:  a)  anlautend  über  j  in  'irgij  (St.) 
Georgen,  'irgl  Jörg,  ilgij  (St.)  Aegiden  (zu  gründe  liegt  der  lat. 
Personenname  Aegilius)]  —  b)  inlautend  in  der  gruppe  -agi-, 
-cgi-,  s.  §  70;  —  c)  auslautend  in  der  Verbindung  vg  {IMgn 
klang),  s.  §  27,  c,  in  gdnüo  genug  (vielleicht  liegt  hier  dissimi- 
lation  vor).  Eegelmässig  in  unbetonter  silbe:  A7ime'könig,  liöne 
honig,  sunte  sonntag,  mgnte  montag,  sgmste  samstag,  tcerxte 
Werktag  (s.  §  92),  gltve  allweg,  immer,  liirtce  herberge,  pröäe 
predigt  (neben  jüngerem  prödilit)\  —  clirste  durstig,  pente 
'bändig',  parlre  'parierig'  (beide  in  der  bed.  'gehorsam'),  motU 
schimmelig  (zu  'moder',  vgl.  mhd.  mot),  teme  schwül  (zu  temon 
schwül  sein,  wol  zu  'dampf'),  primtse,  pruntsre  pissbedürftig, 
State  stättig.  nicht  von  der  stelle  gehend,  u.s.  w.  In  der  flexion 
kommt  das  g  wider  zum  Vorschein,  vgl.  klfmigr  könige,  fnvitigr 
freitage,  dirstige  durstige.  —  Unter  derselben  bedingung  ist 
auch  das  auslautende  k  in  fremdwörtern  gescliwundeu  (vgl. 
§  117,  2),  desgl.  kx  in  frudste  frühstück  {fnustiu  frühstücken). 
Dagegen  ist  bei  ausfall  des  vocals  das  -g  als  k'  erhalten  in 
den  Zahlwörtern  auf  -ig:  tsivants¥,  drceisk',  firtsk'  etc. 

3)  In  der  gemination  (westgerm.  gg)  ist  es  inlautend  durch 
k  (bez. /i7.)  vertreten:  ökku  eggen,')  ecke,  hakkl  hacken  (ahd. 
Jiäcko,  häggo),  hakkl  heikel,  lökku  holzschicht  (mhd.  lecke,  zu 
'legen'),  sngkkn  f.  eisensi)alin,  -abfall,  snakkdlc  rülps  (wol  zu 
nhd.  Schnake,  vgl.  Kluge,  Et.  wb.  und  BWb.  2,  505  f.),   priikku 

')  Das  'land",  d.h.  die  talma.,  haben  ögu  (eggen). 


150  LESSIAK  §  116 

brücke,  rulku  rücken,  sprckld  Sommersprosse  (mlid.  sprecJccT), 
sprelikln  sprenkeln,  lalcld  ungeschickter  mensch  (vgl.  Schatz 
s.  105),  dazu  lamlglihdt  schlapp,  knie  weich  (zu  IglihH  vgl.  BWb. 
1, 1432  Meli  lau,  matt),  rehldn  neben  regln  quacken,  plaudern, 
liosnakM  (hausn.,  s.  BWb.  1, 1721),  riuTidle  gabelring  am  Spinnrad, 
ivökh)  wecken,  puH-l  buckel,  Jiökkrle  heuhäufchen  (vgl.  Kluge, 
Wb.  unter  höckcr),  miiH-u  mücke,  wqMIu  wackeln,  tsglchr  zwei- 
rädriger karren  mit  (aus  ruten  geflochtener)  krippe,  dazu  tsöMr 
tragkorb  (vgl.  an.  tag  weidenzweig),  mauhi  nach  eingesperrter 
luft  riechen,  maulen  übelriechendes  geschwür  am  hufe,  mauke 
(vgl.  BWb.  1, 1565,  zu  'meuchel'),  dazu  mnuku  heimlich  tun, 
liebeln  (auch  miwJdn,  mimlidtsn),  mwJcdle  penis,  brotrestchen, 
rgMl  ästige  stange  zum  aufhängen  von  klee,  getreide  etc.  (zu 
mhd.  rahe,  ma.  rähl  Stange),  raldiru  sich  abplagen  (zu  'regen'), 
tsidl'ln  schielen  (mhd.  scJiiec  schief),  Jmohj  f.  gabelzinke,  hiidkot 
spitzig,  mit  zinken  versehen  (ablautsform  zu  obigem  haMl 
haken),  ple})ld  m.  prügel,  plenldpir  tropfbier  (zu  mhd.  hlenken 
sich  hin-  und  herbewegen,  KWb.  s.  30  plengT),  piwJca  fisten, 
piuM  beule,  bündel  (a.dj.piu'kdt]  germ.  wz.  hing-  stossen,  schlagen; 
vgl.  Kluge,  Wb.  unter  hengel,  haclibunge.  BWb.  1,  394  f.  Schweiz, 
id.  4, 1377  ff.),  sleuhru  dahinbaumeln,  slawldn  herumschweifen, 
slankl  Schlingel  (mhd.  slenkeren  zu  'schlingen'),  tvevhi  f.  krüm- 
mung,  ausbiegung  am  blechgeschirr,  ivcnhdt  verbogen,  verzogen 
(zu  'wange'),  tsinhdle  fetttropfen  (ahd.  cmco,mhd.^mZ-e 'albugo'), 
fimh)  einheizen,  coire  (schweiz.  fnngge,  vgl.  auch  KWb.  s.  105 
fiinggn  pedere,  funkeln,  und  Kluge,  Wb.  unter  fimJce).  Etymo- 
logisch dunkel  sind  toJdcr  tölpel  (schweiz.  toggeli),  ivokkr  in 
derselben  bed.,  ^Igaka  liederliches  weibsbild,  stukkotsn  rülpsen, 
staukln  herumschlendern,  pfgkkr  hilfloser  mensch,  ferkln,  furkln 
herumarbeiten,  -wetzen,  murku  girren,  ratwku  eine  in  schmalz 
geröstete  mehlspeise,  rmmkole  ein  gebäck  (wol  zu  'raunen', 
wegen  des  brodelns  beim  backen),  latikdle  rechteckiger  auf 
pflöcken  ruhender  rahmen  zum  gehenlernen  der  kinder  (zu 
'lenken',  oder  deminutivbildung  zu  länon  lehnen?),  ghtakkln 
durchprügeln,  pdkdddn  betrügen,  x}dtakklt  berauscht,  plekkdtsn 
(neben  plckhofsn)  blinzeln  (dies  hat  sein  kk  wol  nach  analogie 
ähnlicher  bildungen  wie  mekkdtsn  meckern,  tsekkdtsn  necken, 
erhalten),  Uinkln  baumeln,  u.a.m.  (vgl.  auch  die  deminutiva 
auf  -k-  §  85,  2). 


§  116  MÜNDART   VON   PERNEGG.  151 

Auslautend  wird  "^gg  zu  V  in  fällen,  wo  inlautende  formen 
daneben  stehen:  ö¥  n.  eck,  zipfel,  m.  eckkegel  (pl.  öhlw,  öJd-r; 
fem.  ö/di)  ecke),  sneJc'  m.  Schnecke  (pl.  mekh)),  fliuJc'  flink 
(flect./??w/iv;  damit  scheint  rmcIi  fJauUn,  flanJcinj  herumschweifen, 
versippt  zu  sein),  tenJc'  link  (flect.  tei^Jcr,  tevkds  linkisch). ')  — 
In  isolierten  wortformen  dagegen  erscheint  es  als  hx:  qIwüJcx 
Albeck  (urk.  ÄlheJxJie),  glanölcx  Glanegg  (urk.  Glanel-Jce),  tsruhx 
zurück.  —  Dieselben  regeln  gelten  vom  auslautenden  fi-emden  h, 
s.  unten. 

4)  Anlautendes  /.•  für  g  haben  hiMi)  gucken,  Icenlce  ein 
traumiclmicht  (KWb.  s.  108  ggngge,  111  gcgl,  113  gengge;  die 
in  den  obd.  ma.  weit  verbreitete  wz.  gi{n)g,  die  in  allen  mög- 
lichen ablautformen  auftritt,  scheint  die  grundbedeutung 
'baumeln'  zu  haben).  l;ro]du  pl.  gliedmassen  (dazu  krakka, 
krgkka  spinne  mit  langen  beinen;  KWb.  s.  120  graggln  mit 
krumm  gestellten  beinen  gehen;  Schweiz,  id.  2.  725  ^ra^/^e«; 
mit  nasalinfix  krcukl  dürrer,  krummer  ast;  dehnstufe  liegt  vor 
in  krudk'  bein),  krakkdtsn  schreien,  krächzen  (dag.  mit  an- 
lautendem g:  nusgrägl  nusshäher,  gratsn  knarren,  knirschen), 
klenkrn  sich  hin-  und  herbewegen,  klinhie  das  sich  bewegende 
restchen  im  glase,  zu  klwikri)  {m{\^.glunkern)  baumeln,  kikkdtsn, 
kQkkdtsn  stottern. 

Es  handelt  sich  hier  um  eine  art  assimilation  des  an- 
lautenden g  an  das  folgende  k,  vgl.  §  18,  anm.  Dieselbe  er- 
scheiiniiifi-  findet  sich  in  einzelnen  Schweizerma.,  man  ver- 
gleiche die  bei  Winteler,  Kerenzer  ma.  s.  57  ff.  angeführten 
beispiele. 

Anl.  k  für  fremdes  g  erscheint  in  kölas,  auch  kholas,  gulasch 
(magy.  gnhjas),  kah'mperg  Golinberg  (wind,  hglimie  aus  ""golimje), 
kalQsn  galoschen,  kaUp  galopp,  kitär  (auch  khitär)  guitarre. 
Die  Verstärkung  scheint  in  diesen  fällen  von  der  betonung 
abzuhängen,  denn  mit  ausnähme  des  ersten  beispiels  haben 
sämmtliche  den  Imuptaccent  auf  der  zweiten  silbe.  Vgl.  audi 
kalandr  meist  in  der  Verbindung  üfakalandr  'ofengeländer', 
sparrwerk  um  den  ofen.  Sehr  auffällig  ist  hier  die  erhaltung 
des  zwischenvocals. 


')  Das  7i  ist  hier  in  der  regel  schwächer  aspiriert  als  sonst,  doch  herscht 
individuell  schwaukeu.  Unter  umständen  bekommt  mau  sogar  affricatii  (öLl). 


152  LESSTAK  §  117 

§  117.    Fremdes  h. 

Fremdes  1:  erscheint  1)  als  lc\  a)  anlautend  in  Tiultr  decke 
(fi-anz.  coultre),  liöfr  kampfer  (mhd.  gaffer,  it.  cafura,  v^l.  Kluge, 
Et.  wb.),  -K-antrle  Stellage  in  der  stubenecke  (KWb.  s.  108 
ganterle,  Schweiz,  id.  2,  380  gänterli  schrank;  es  scheint  lat. 
cantlierius  zu  gründe  zu  liegen,  doch  vgl.  auch  Kluge,  AVb.  unter 
Mnsterlein),  Jiolmds  kalmus,  hdsr  kutscher  (zu  magy.  Jcocsi), 
JigJil  Schafgarbe  (DAVb.  gauclilieü,  gacheü,  ghocheil  etc.;  ich 
stelle  es  zu  lat.  cancalis,  gr.  y.avxa/Jg  haftdolde,  doldentragende 
pflanze  überhaupt;  lat.  cacalia  kann  wegen  der  bedeutungs- 
verschiedenheit  nicht  in  betracht  kommen),  hupf  rundliche 
erhebung,  Impfdt  über  den  rand  voll  (lat.  cuppa\  Iwtr  (daneben 
lihötr)  stall  (slaw.  kotor  bürde),  laeisn  keusche,  kleines  bauern- 
haus,  bauschen,  wo  die  'auszügler',  d.h.  die  vom  ausgedinge 
lebenden  alten,  wohnen  (vgl.  BWb.  s.  952  getischen;  wol  späte 
entlehnung  aus  sj^nonymen  wind.  Miia,  das  selbst  wider  auf 
deutsches  Ichceis  gehäuse,  zurückzugehen  scheint;  dazu  die 
merkwürdige  ableitung  kwislöJclr  keuschler),  koppot  voll,  in 
ähnlicher  bed.  wie  kuppt  (rom.  coppa,  wind,  köpdsf),  hdräs, 
kuras  courage. 

kupf  und  kglil  sind  sehr  merkwürdig,  da  der  inlautende 
consonant  verschoben  ist.  Krassnig  s.  22  hat  auch  ggumpf 
{=kumpf)  wasserhorn,  in  Pernegg  lautet  dies  wort  khumpf 
(Kluge  stellt  es  zu  mlat.  cmnhia). 

Slow,  k  in  eigennamen  erscheint  meist  als  k:  köseperg 
Göseberg  {^kozje  bez.  loc.  kozjax,  urk.  Cösiach  'Ziegenort'),  kgrl 
Karl- (ortsn.,  winä.karön),  kgilr  (hausn.,  *koÜar  'kesselflicker') 
u.  s.  w.  Doch  wird  daneben  da,  wo  amtlich  /;;  geschrieben  wird, 
auch  kh  gesprochen:  kh(/rl,  khnasicüg  (s.  §  55)  u.s.w. ')  Die 
nördlichen  ma.  haben  im  anlaut  in  der  regel  g  für  slow,  k, 
z.  b.  gvQa  Grai  (^^kraj  ort),  gurhj  Gurk  (slow.  krkd). 

Unsicher  ist  die  etymologie  folgender  Wörter:  kceifn  hündin, 
kitsn  mädel  (meist  verächtlich,  vgl.  DAVb.  5,  869,  Schweiz,  id. 
2,  578),  umkQmpr,  umkgmprds  nicht  passend,  nicht  geschickt  zu 
etwas  (man  wäre  geneigt,  es  zu  lat.  compar  zu  stellen,  doch 


*)  Der  einfluss  der  scbrift-  imd  sclmlaussprache  macht  sich  aiich  in 
anderen  fällen  geltend.  So  wird  ein  fremder  selten  die  einheimische  form 
Xjerne  (Pernegg)  hören.    Man  sagt  ihm  gegenüber  licrnökx. 


i}  117  MUNDAET   VON   PERNEGG.  153 

Vgl.  mhd.  ungamper  steif),  Idündts  trielxvveg,  gnlcentsn  'angänzen', 
anschneiden  (viell.  ans  *an-entgcnzen),  Txöra  mntterschaf,  hcrl 
Widder,  Tcumröhm  gundelrebe  (vgl.  wind.  Mnrödn),  Jd'ifdle,  Tdlfdts 
schlechter  hut,  Müdr  wamme  (in  nachbarma.  kommen  formen 
ohne  l  vor,  vgl.  KWb.  s.  117  ijuffe,  giiffl  verächtlich  für  'hut' 
und  'köpf,  117  goudr  die  fleischige  haut  unten  am  kimi;  es 
scheinen  indes  in  beiden  fällen  Je  zwei  verschiedene  Wörter  zu 
gründe  zu  liegen;  zu  jenem  vgl.  BWb.  1, 1325  klnfen,  glufen, 
gufen  'kopfnadel'  und  it.  cuffia  haube,  KWb.  s.  116  gUife  Steck- 
nadel, zu  diesem  DWb.  5, 1221  und  1569.  Wir  haben  es  hier 
sicher  mit  contaminationsformen  zu  tun). 

b)  Inlautend  in  tsulikr  zucker,  tsolld  holzschuh  (it.  zoccolo), 
isalxka  tschako,  murh)  gurke  (vgl.  Kluge,  A\'b.  unter  gurJie),  tnik» 
tinte  (Isit.  tincta),  arJcr  'erker',  dachlucke,  spelikdUru  speculieren, 
Qpdtölih)  apotheke,  frealcn  liej'umschneiden,  unnütze  arbeit  ver- 
richten (nach  Lexer,  K^^'b.  s.  102  zu  it.  fregare,  lat.  fricare?), 
frakkdle  (s.  §  32,  b),  sakrds  {sikrds)  'verflucht",  zu  sakra,  sikra 
sackerment!,  iaukr  rock,  jacke  (BWb.l,  1208.  Schweiz,  id.  3,49), 
strgnka  bohnenschote,  demin.  stnwkjJc  (wind,  strgk  mit  g  für  *on), 
stoeikdle  aufgestellte  flachs-,  buchweizengarbe  (dem.  zu  gleich- 
bedeutendem wind,  staukd,  "^stauika),  nikkl  Nikolaus,  stokkMs 
Stogglitz  (ortsn.,  wind,  stoklhse),  tsirkdisn  Zirkitzen  (wind,  tsir- 
koutsd  für  *tsirkuitsa  kirchlein),  lukke  Lucas,  parokku  perücke, 
mask)),  maskdra  maske,  maskerade,  u.  a.  m.  Dunkel  ist  sJtidkkl 
kahn,  slaivdnkr  jacke  mit  längeren  schössen. 

c)  In-  und  anlautend  zugleich  in  kokh}  m.  kern  einer  eitern- 
den geschwulst  (lat.  coccum  kern,  beere;  vgl.  Schweiz,  id.  2, 178 
goggc"),  kaukkhi^gimke\n\  unruhig  sein,  allerlei  gebärden  machen, 
kuukk.üc  unruhiges  kind  (zu  lat.  caucula,  gr.  xavxa  schale;  vgl. 
Du  Cange  2,250a  Caucidatores,  cauclearii,  codearii ...  qui  cau- 
culis  seit  pocidis  amatoriis  . . .  ita  mentcs  quornndam  inficiunf, 
nt  in  insaniam  versi  a  plerisfj^iie  iiidiccntur]  dazu  wol  der 
scherzhafte  Zauberspruch  kgkkgVörium,  auch  kgkkglgre  gemüt- 
licher tropf,  und  mit  formeller  anlehnung  an  dieses  wort  kgkkg- 
lgre augengläser,  lat.  ocidaria),  kakkä  mahn  (caccarc),  klokku 
glocke  (mlat.  clocca),  kriiskl  knorpel  (mlat.  crustula;  nachbarma. 
haben  truskl,  gruspl),  kuskr  m,  grüne  eidechse  (wind,  kustsdr). 
kaiüik))  hütte.  'keusche',  ist  der  spräche  der  stirtslr  (s.  s.  6,  anm.) 
entlehnt. 


154  LESSIAK  §  117 

Im  aiislaut  starktoniger  silbeii  erscheint  fremdes  Je  als  // 
unter  denselben  bedingungen  wie  germ.  gg,  z.  b.  tir¥  Türke 
(pl.  tidij;  tirh)  m.  bedeutet  mais),  xqW  Jakob  (dem.  iQlcld), 
slgwa/v  Slowake  (pl.  slgwal-Jw).  Isolierte  formen  haben  kx: 
kolkx  Golk  (slow.  *Jwlk-),  Ignkx  Lang  (zu  slow.  Iglca  mit  q  für 
*on;  beides  ortsn.). 

2)  Fremdes  /.•  erscheint  anlautend  als  g  in  gröla  'koralle', 
perle,  kügelchen,  grgtn  leiterwagen  (mhd.  gratte,  Icratte,  lat. 
cratis).  gort),  garlw  karren  (lat.  carrus),  gramila  kamille  (s.  §  34, 
anm.),  gmvdllr  cavalier.  Das  g  dürfte  hier  schon  ziemlich  alt 
sein;  vgl.  wind.  hrdUsa,  lirgtc,  häre,  hahlir,  während  ma.  h  als 
h  erscheint:  koutr  (ma.  hiltr),  Icdfra  (ma.  Icgfr),  Jcölmaz  (ma. 
liolmds)  etc.  Häufig  hiu't  man  auch  gridshatsn  für  hridshatsn 
sonn wendf euer  abbrennen  (wind.  hrUs  aus  "^kres  Sonnenwende; 
die  form  mit  g  beruht  auf  Volksetymologie:  man  bringt  das 
wort  mit  grids  'grüsse',  wunschsprüclilein,  in  Verbindung,  die 
beim  sonn  wendf  euer  gesprochen  werden). 

In  unbetonter,  der  starktonsilbe  folgender  silbe  ist  fremdes 
k  zu  g  geschwächt  worden  und  muss  im  auslaut  lautgesetzlich 
schwinden  (vgl.  §  116,  2,  c):  Ortsnamen:  penie  Pernegg  {^por- 
nike),  sitte  Sittich  {*£itike),  mmislte  Meiselding  (urk.  MizziUich\ 
maltse  Maltschach  (urk.  3Itlschik),  dol^antse  Dolientschig  i^do- 
Imitsike)]^)  hausnamen:  .s'/'it^;jwie' Stupnig,  wi^^pswe  Wippenig 
('^'Mr.pnik  etc.).  Inlautend  bleibt  das  g:  pernigr  Pernegger, 
sittigr  Sitticher,  maltsigr  Maltschacher,  stuppnigos  stupnigisch, 
u.  s.  w. 

Anm.  Auslautendes  ry  (*^-)  ist  erhalten  in  fallen  wie  rafZ?üö(/ Radweg 
{^rddouike),  plsivög  Pisweg  (*2nsonike);  slow,  -uik  ist  hier  zu  ivög  weg, 
umgedeutet  worden.  —  Nach  l  und  r  erscheint  slow.  *-ik{e)  als  -iu,  z.  b. 
ü(jrii)  Tigring  (urk.  Ti/(jrich,  wind,  ührüe),  ädlm  (urk.  Nedlich,  s.  §  34), 
unter  dem  einfluss  deutscher  Ortsnamen  auf  -liv,  -ria  wie  Elbling,  Fische- 
ring  u.  a.  Diese  Übertragung  findet  sich  auch  sonst,  vgl.  töUiv  Töschling 
{*dohiike),  hiafUv  Schiefling  (*skiofikc),  pöliu  Fölling  (*polana,  urk.  Polan). 

3)  Als  /i:Ä  (kx)  erscheint  fremdes  k:  a)  lautgesetzlich  ent- 
wickelt im  anlaut  solcher  Wörter,  die  vor  der  lautverschiebung 


^)  Ich  habe  absichtlich  diese  fünf  beispiele  gewählt,  um  durch  die 
nebeneinanderstellung  der  mundartlichen  und  schriftsprachlichen  formen 
die  grosse  inconsequenz  der  modernen  amtliclien  Schreibung  der  Ortsnamen 
zu  beleuchten.  Es  liegt  natürlich  in  allen  füllen  dasselbe  slow,  suffii 
{-ike)  vor. 


§   118  MUNDART    VON   PERNEGG.  155 

aufgenommen  wurden,  wie  lihupfr  kupfer,  Txhöhn  kochen;  — 
h)  in  Wörtern,  die  durch  vermitthing  höherer  gesellschafts- 
kreise  in  die  ma.  gedrungen  sind:  Ixlignimr  kammer,  Ihöm^tn 
gemach  (mhd.  kemenäte),  Jchrceidn  kreide,  lihapeln  kapelle, 
lihornr  beinhaus  (mhd.  l'arner,  lat.  carnarium),  l'hgntsl  kanzel, 
Ihatöhs  katholisch,  Idigppm  kappe,  l:harfipl  karfiol,  {a)kJirät 
accurat,  Jikaperdöklm  überdecke  (it.  coperta),  khläs  klasse, 
selditn  'sekten',  kennen,  dokldr  doctor,  ärrelclitr  (drelhtr)  di- 
rector,  plQukhn  planke,  plankx  blank,  quIM  grossvater  (die 
bedeutungsentwicklung  scheint  durch  das  ma.  enhe  grossvater, 
l)eeinflusst  worden  zu  sein;  der  begriff  'onkel'  wird  dui'cli  fötr 
'vetter'  widergegeben). 

Anm.  Die  stadtsprache  hat  unaspiriertes  Tc  in  den  meisten  fällen 
durch  hh  ersetzt:  Ihceisn  {ma.. Ire/'sn),  khgimus  (ma.Ävj/»i,?.s),  khukhitJch  kuckuck 
(ma.  kukke),  ökhdt  (ma.  ökk3t),  »iiikkn  (ma.  viukku),  u.  s.  w.  Es  ist  dies  wol 
auf  gelehrten  einiluss  zmiickzuführen.  Das  k  wird  als  'windisch'  em- 
pfunden. 

In  welchem  umfange  die  nachbarma.  das  anlautende  fremde 
k  als  solches  bewahrt  haben,  weiss  ich  vorläufig  nicht  be- 
stimmt anzugeben.  Das  untere  Gailtal  und  die  besagten 
Sprachinseln  stimmen  zu  unserer  ma.  In  den  übrigen  bair.- 
österr.  ma.  scheint  es  (wenn  man  sich  auf  die  Wörterbücher 
verlassen  darf),  soweit  es  nicht  als  kh  erscheint,  wol  überall 
mit  g  zusammengefallen  zu  sein  (vgl.  auch  Schatz  §  75).  Sollte 
denn  bei  uns  und  in  den  genannten  dialekten  die  stete  berüh- 
rung  mit  dem  fremden  Volkstum  von  einfluss  auf  die  erhaltung 
gewesen  sein? 

§  118.  Germ.  x. 
\)  Germ,  x  ist  so  wol  anlautend  (ausser  vor  consonanten) 
als  auch  inlautend  regelmässig  als  //,  vor  t  als  x  erhalten:  lio.s 
hase,  liunt  himd,  hgne  halm,  j9l/<?  bühel,  raJil  bohnenstange 
(mhd.  rahe),  sohr  sumpfgras,  schilf  (mhd.  saJicr).  stghl  stahl, 
iöhnt  ton  (mhd.  tähe),  tsöhne  zehn,  tg/m  do\i\e  (mhd.  tähe),  fscolnit 
zehe,  j)/o//«  blähe,  tsähr  zähre,  ehr  (öhr)  ähre,  tighnt  nahe, 
tsH9lcDhn  zulehen,  fsi.iJin  ziehen,  fliolin  fliehen,  auch  fliegen, 
■sehn  sehen,  kschu  geschehen,  tsau/ui  beschuldigen,  zeihen,  hcilni 
leihen,  sceihn  seihen,  smelha  Schmiele  {mM.  snielJie),  sühn  schielen 
(mhd.  schilhcn),  foyhn  führe  (mhd.  rorhe),  vi'irhu  mäliiv.  dirue; 
ivgxt  wacht,  slext  schlecht,  rixtu  richten.    Nebeneinander  stehen 


156  LESSIAK  §  118 

formen  mit  und  ohne  zwisclienvocal  bei  seldJin,  sclhn  selchen, 
räuchern  (aber  stets  selhr  selcher).  Urspr.  Mi  haben  IgJm  lachen, 
isöhn  zechen. 

2)  Zu  Je  ist  es  geworden  in  der  Verbindung-  hs:  oJcs  ochse, 
iQjcsn  achselhöhle  (mhd.  üchse),  glcsl  achsel,  fulis  fuchs,  hqakste 
höchste,  nqliste  nächste.  In  der  verbaMexion  steht  sikst  neben 
sixst,  sonst  herschen  durchweg-  die  analogieformen  Igxst  lachst, 
tüceixst  weihst,  u.  s.  w. 

3)  Geschwunden  ist  h:  a)  inlautend  in  hgafri  hoffart  (s. 
§  27,  a),  ivceindxtn  Weihnachten,  wmraux  Weihrauch  (s.  §  32,  a), 
ngmmdtgg  nachmittag,  täsn  nadelholzzweige  (mhd.  äelisen,  vgl. 
§  54, 1),  ignsn  sich  durch  zahlen  von  getränk  loskaufen  (für 
Hghgnsn  zu  ^Johannes';  diese  eigenartige  sitte  wird  von  Lexer, 
KWb.  s.  133  unter  hgnsn  beschrieben).  —  Nach  consonanten: 
farle  {fädle)  ferkel  (dem.  zu  ahd.  farh),  merl,  merlw  m.  möhre 
(mhd.  "^mörlicl,  -ine),  «t'äZ<?5  wälsch  (mlid.?('«7Ä?5c//),  n-fe'erchtag', 
dienst ag,  mnmr  umher,  mnnmi  'umhin',  hinüber,  aufr  'aufher', 
aufti  'auf hin',  mtsr  'ausher',  ausn  'ausbin'.  Vgl.  hierzu  die 
'höfischen'  formen  öivr,  aine  etc.  §  112, 3,  anm.  —  Vor  t  in 
unbetonter  silbe,  so  in  dem  adjectivsuffix  mhd.  -cht,  -oht:  poMidt 
bockig,  sprelilcM  gesprenkelt  (mhd.  sjn-ceJceleht),  plqamdldt  ge- 
blümt, U.S.W.  Bei  mt,  mta  nicht,  ist  die  schwachtonige  form 
verallgemeinert  worden  {nixt  ist  selten  und  wol  neu  entlehnt; 
doch  vgl.  tsiiixt,  frnixt  'zu,  für  nicht',  nichtswürdig,  schlecht; 
tsnixt  wird  auch  attributiv  verwendet;  'nichts'  ist  über  nixs 
zu  niks  geworden).  Ferner  gmp  amt  (ahd.  amhaht),  hceint  heute 
(ahd.  hinahf).  Erhalten  ist  h  in  rudprdxt  Ruprecht,  und  bei 
abfall  des  t  in  gdlprgx  Adelbrecht  (ahd.  Ädalpcraht). 

b)  Auslautend  in  flga  floh  (pl.//e«;  dag.  ausflgaJm  SiU^üöhen), 
süJ  schuh  (dem.  shhlc),  fl  vieh  (pl.  fthr),  hm  höhe,  sl^a  schiebe, 
rcei  reihe.  Nebeneinander  stehen  r^a,  r(^ax  reh,  [Iga,  Igax  lohe]. 
'Noch'  lautet  vor  consonanten  in  der  regel  nu,  vor  vocalen  und 
im  reinen  auslaut  wird  daneben  nöx  gesprochen. 

Dagegen  hat  sich  das  auslautende  x  erhalten  in  wgsrwmix 
wasserweihe  (neben  wmha  weihe,  tvoeihn  weihen),  hgux  hoch, 
raux  rauh,  7-gax  roh  (flect.  hgahe,  rauhe,  rgahe), .  sidx  unschön 
(neben  sidha),  gäx  jäh  (neben  gäha),  tsäx  zähe  (neben  tsäha), 
ividx  (neben  ividha,  vgl.  §  83);  i  stx  ich  sehe,  tsidx  ziehe,  säx 
sähe,  Jisäx  geschähe,  u.s.w.    Es  ist  ohne  weiteres  klar,  dass 


§  118  MUNDART    VON    PERNEGG.  157 

wir  es  in  diesen  fällen  mit  ausg-leielmng"en  nach  den  inlauten- 
den formen  zu  tun  haben,  die  in  der  adjectiv-  und  verballlexion 
ja  ganz  bedeutend  überwiegen. 

Es  ist  ferner  regelmässig-  bewahrt  in  unbetonter  silbe. 
Hierher  gehören  die  collectivbildungen  auf  -9x  (ahd.  -ahi,  mhd. 
-ach):  snittdx  häcksel,  Ichräsdx  reisig  (zu  mhd.  rce^e),  gratsox 
knirschleder  (zu  gratsn  knirschen),  ridtdx  eine  pflanze  (mhd. 
rietach),  u. s. w.;  seUx  schief  (flect.  seihe,  ahd.  scelah),  s^hx 
Sallach  (ort  ob  Tiffen;  zu  ahd.  salaha  Salweide;  es  ist  fem.: 
af  dr  sgldx;  dies  beweist,  dass  das  wort  deutschen  Ursprungs 
ist;  wäre  es  slawisch,  so  stünde  die  präp.  on  oder  ts  'in',  'zu' 
ohne  artikel,  z.  b.  du,  ts  adrdx,  usox  in,  zu  Adriach,  Ossiach, 
U.S.W.),  furx  furche  (ahd. /wrw/i;  es  ist  heute  zwar  einsilbig, 
doch  wird  in  einer  früheren  periode  der  zwischenvocal  vor- 
handen gewesen  sein). 

Einigermassen  auffallend  ist  die  bewahrung  des  -x  in  nöx 
nach,  durx  durch.  Doch  müssen  Avir  bedenken,  dass  die  beiden 
Wörter  sowol  in  i)räpositionaler  als  adverbialer  Verwendung 
liäufig  in  den  inlaut  zu  stehen  kommen:  durhm  durch  ihn, 
n^hm  p^x  "nach  dem  bache',  längs  des  baches,  durh-,  nghlösn 
durch-,  nachlesen,  -ökh)  -eggen,  etc.  Zwischenvocal  kann  even- 
tuell auch  für  durx  vorausgesetzt  werden.  In  proklitischer 
Stellung  als  untrennbares  verbalsuffix  ist  durch  zu  dr  geworden: 
drtQini  es  fertig  bringen,  drsöyn  zu  ende  sagen,  drisgln  völlig 
bezahlen,  drpQrmon  erbarmen,  u.s.w.  {dr-  hat  er-  völlig  ver- 
drängt). 

Trotz  der  zahlreichen  ausnahmen  werden  wir  den  Schwund 
des  auslautenden  h  in  haupttoniger  silbe  als  das  lautgesetz- 
liche zu  betrachten  haben.  Da  auslautendes  x  (=  *A')  unter 
denselben  bedingungen,  d.  h.  bei  einem  nebeneinander  von 
aus-  und  inlautenden  formen  niemals  schwindet,  dürfen  wir 
mit  Sicherheit  annehmen,  dass  es,  ehe  die  Schwächung  im  in- 
laut eintrat,  sowol  in-  als  auslautend  eine  vom  alten  h  ver- 
schiedene qualität  besass  und  dass  dieses  im  auslaut  keinerlei 
Verstärkung  erfuhr,  bez.  dass  die  qualität  des  inlautenden  h 
frühzeitig  auf  den  auslaut  übertragen  wurde.  Dies  würde 
vollständig  zu  der  in  §§  102,2.  111  ausgesprochenen  ansieht 
über  das  verhalten  auslautender,  spirantischer  lenes  in  unserer 
ma.  stimmen.    Die  formen  r(^ax,  Igax  sind  avoI  den  nördlichen 


158  LESSIAK  §  119.  120 

dialekten  abgeborgt,  die  im  gegensatz  zu  unserer  ma.  das  aus- 
lautende h  fast  durclnvegs  als  x  bewahrt  haben  {kidx,  fix  etc.). 
Für  die  Bewahrung  des  auslautenden  h  in  schwaclitoniger  silbe 
weiss  icli  keine  erklärung.  Die  erscheinung  ist  einigermassen 
befremdend,  w^enn  man  die  Verhältnisse  beim  auslautenden  x 
in  nicht  haupttoniger  silbe  vergleicht  (§  115, 4,  b).  Sollte  denn 
die  quantität  des  vocals  der  nebensilbe  vom  einfluss  gewesen 
sein?  Unmöglich  wäre  es  gerade  nicht,  dass  in  den  ableitungen 
auf  -licli  der  schwächer  geschnittene  accent  des  Suffixes  mit 
zui'  reduction  des  Spiranten  beitrug  (vgl.  imsterisch  starktonig 
nn,  schwachtonig  miy  'mich'  Schatz  s.  102). 

Anm.  rgax,  Igax  haben  secundäres  */t;  Tgl.  die  ausführungeu  bei 
Schatz  s.  80.  loa  kann  ohne  weiteres  zu  mhd.  lö  gestellt  werden ;  eine 
Zwischenstufe  '^Igah  ist  indes  nicht  völlig  ausgeschlossen,  vgl.  Igahn  lohen 
(färben). 

§  119.    Germ.  j. 

Germ,  j  ist  anlautend  durch  i  vertreten:  i'p/c' jagd,  ipr  jähr, 
iüx  joch,  iötn  jäten,  iommr  Jammer.  Zu  eJil,  edJil  (mhd.  enhalp) 
vgl.  Sievers,  Beitr.  18,  407  f.  Geschwunden  ist  j  inlautend  zwi- 
schen vocalen  in  verben  wie  sanon  säen,  nänon  nähen,  drändn 
drehen,  pl^andn  blühen,  u.  s.  w.  (ahd.  säian,  hluoian  etc.,  s.  §  163), 
ferner  in  Hin  lilie.  Es  ist  zu  y  geworden  in  sirya  verklagen 
(zu  mhd.  scherye,  sche'rje),  fridyr  früher,  fmiyl  neben  fmil  Veil- 
chen (mhd.  viel  bez.  *vijcl),  ilyu  (^yiljen  zu  lat.  Äeyilius,  s. 
§116,2,a). 

nildöyr  Nikolaier  (zu  niU{)  Nikolai),  ist  wol  nur  analogie- 
bildung  etwa  nach  dem  muster  von  perniyr  Pernegger,  zu  perne 
Pernegg. 

§  120. 

Zur  beleuchtung  der  relativen  Chronologie  der  lautentwick- 
lung  durch  die  lehnwörter  im  windischen  führe  ich  die  folgen- 
den charakteristischen  beispiele  an^): 

Germ.  h\  inl.  ji  >  iv:  -\-  iiipa  Scheibe,  x  rihato  reiben. 

Germ.  /"],  v  >  f:  -\-  tsohhis  zu  fleiss,  +  sr&uba  schraube 
{m?i.  sraufa),  +  hirtox  'fürtuch'  (beispiele  mit  &  +  p  =  *a  fehlen). 


1)  Ein  +  vor  dem  werte  soll  ausdrücken,  dass  es  zur  bestimmung  der 
oberen  grenze  des  alten,  ein  x,  jener  des  neuen  lautwertes  dienen  soll. 
Die  zeichen  für  die  laute,  auf  die  es  beim  vergleich  ankommt,  sind  in 
antiqua  gesetzt. 


§  121  MUNDART   VON   PERNEGG.  159 

nenn,  w],  u  >  tv:  xh^na  wanne,  x  frlülar  verweser 
(beispiele  mit  «-{-()  =  *«,    +  ai  =  *«  fehlen). 

Germ.  5],  s  >  s:  +  frhözar,  +  /au&rw  sauber,  +  rai/a 
reise,  +  hrist  gerüst,  +  k^st  getreidekasten ,  +  rs-izl  kurze 
Stange,  stab  (zu  mlid.  rts). 

Germ.  sJi],  sk  >  s:  x  si])a,  x  ^iihua  sdiaufel. 

Flexionslehre. 

A.   Das  Substantiv. 

1)   Das  genus. 

§  121. 
Bevor  ich  zur  besprechung  der  einzelnen  casus  übergehe, 
gebe  ich  eine  Zusammenstellung  der  Wörter,  welche  in  der  ma. 
ein  vom  nhd.  bez.  mhd.  verschiedenes  geschlecht  haben. 

1)  Männlich  gebraucht  werden:  a)  die  schriftsprachlichen 
neutra  ceis  eis,  .sof  schaf,  rar  röhr,  IcMs  (Jchist)  kissen,  j^öZ.?; 
becken,  horv  hörn,  hhu  'hirn',  stirne,  dntin  trumm,  stück  (mhd. 
(Inim  n.),  flöts  boden  (mhd.  vlct^e  n.).  Ferner  häddx  heidekraut, 
ridtdx  ein  unkraut  (mhd.  *heidacJi,  rietacli  n.),  tau  tau,  fQfnhis)' 
Vaterunser.  Wie  im  mhd.  sind  masc.  aJiru  eichhorn,  w^a  weh, 
schmerz,  pols&  polster,  mies  moos  {mhä.mies).  Gegen  das  mhd. 
gödn  getreidekasten  (mhd.  (jadem  n.).  —  b)  Die  schriftsprach- 
lichen feminina  tscolmt  zehe  (nach  linger),  spits  spitze,  nüdl 
nudel,  haks{-n)  häclise,  bein  (nach  'fuss'),  öhr,  ehr  ähre  (mhd. 
elier  n.),  Iceinsdt  'leinsaat',  leinsamen  (nach  letzterem),  frnunft 
Vernunft  (nach  'verstand'),  ceinom  einnähme,  ^n-als  brasse, 
furhm  (furm)  form,  rfis  ruhe;  dr^asl  drossel,  gmnids  amsel,  lerx 
lerche,  ggldstr,  auch  gylöstr  elster  (sämmtliche  nach  'vogel'), 
ivumhl  liummel,  strupfn  strupfe,  strippe  (aus  lat.  struppus), 
prüm  'brame',  einfassung,  ivQmpm  'wamme',  bauch  (nach  diesem). 
Ferner  slapf  schleifbaum,  pautoffel  (mhd.  sleipfe  f.),  t^lmt  thon 
(mhd.  iahe  f.).  "Wie  im  mhd.  Idirös  kresse  (ahd.  h-esso).  tust 
*lust',  verlangen,  luft  luft,  .skem  schleie  (ahd.  sUo),  tistl  distel, 
gams  gemse  {mhd.  gamf) ,  ten  tenne,  rats  ratte  (ahd.  ratto), 
snepf  sc]me\)ie  (RM.sncpfo),  fnniiüme.  traftVc{\\ie{m]\([.iroi(f), 
puttr  butter,  ^Igm  flamme  (mhd.  f.  m.;  es  wird  auch  in  der  bed. 
'weichteile'  gebraucht),  tsw'i^l  zwiebel,  list  list,  tsälir  zähre, 
liirs  hirse,    §neV  Schnecke,    wön  mahne  (mhd.  man  m.),    mötsn 


160  LESSIAK  §  121 

metze    (alid.  mezzo).    Vgl.   auch  l-spgr  spur    (mlid.  gespor  n.), 
peatrsil  petersilie  (mlid.  petersil  m.). 

2)  Säclilicli  gebraucht  werden:  a)  hof  hof,  frceitJiof  Meö.- 
liof  (doch  zuweilen  auch  m.),  trdr  teller.  Wie  im  mhd.  hone 
honig,  Jcsr))j  gesang,  iroulcx  trank,  ätr  eiter.  Gegen  das  mhd. 
lötslt  lebzelt,  foln  fohlen,  lihränaivöt  wachholder  (mhd.  krane- 
wite  m.).  —  b)  Igd  lade,  uhl  eichel  (im  kartenspiel),  tis2}lQt  tisch- 
platte  (wol  angelehnt  an  ^jfe^  blatt).  Wie  im  mhd.  khöl  kohle, 
mQil  mahd. 

3)  Weibliches  geschlecht  haben:  a)  hudstn  husten,  srcein 
Schrein  (ahd.  scrini  m.  n.,  vgl.  wind,  skrlnd  f.),  glmi  ahorn,  pulst 
puls  (nach  'ader'),  IMr^a  Idee  (meist  nur  im  pl.  gebraucht), 
(/(7i;r  gatter,  zauntor  (nach 'tiir').  Ferner /t(e?6TöÄ;a;  heuschrecke 
(mhd.  m.).  Wie  mhd.  sgas  sclioss,  supfn  schuppen,  rgmma  rahmen. 
—  b)  gcei  'gäu'  (meist  pl.),  fetn  fett,  era  Öhr  (mhd.  wre  n.). 
Ferner  wgfa  riibhacke  (mhd.  tvdfen),  ivöt  wette,  ivgnga  wange 
(meist  auch  auga  äuge,  gra  ohr;  vgl.  §  82).  AVie  im  mhd.  mos 
mass,  Stift  Stiftung. 

4)  Doppeltes  geschlecht  haben  gltgr  n.  m.  altar,  tül  n., 
selten  m.  teil,  muds  m.  n.  muss,  tseJchn  f.,  selten  tsekx  m.  zecke, 
äs  n.  f.  ass  (im  kartenspiel,  f.  nach  *sau'),  söf,  sif  n.  m.  schiff, 
tgl  n.,  igln  f.  tal,  stüfin  m.,  stöfta  f.  stift,  holznagel,  sceitl  n., 
selten  m.  seidel.  Differenziert  sind  der  bedeutung  nach  mittl 
m.  sensengriff,  n.  mittel;  ments  m.  mensch,  n.  weibsbild;  rngnot 
m.  mond,  n.  monat;  multr,  moltr  m.  backtrog,  moltr  f.  läng- 
liche holzschüssel;  grt  m.  n.  ort,  nur  n.  ende;  nokhn  m.  kloss, 
f.  fade  Weibsperson;  öMw  f.  ecke,  öU  n.  zipfel,  berg  (in  Zu- 
sammensetzungen), öJv  m.  eckkegel. 

Anin.  Bei  höite  honig',  luft,  lust  wird  zuweilen  schon  das  schrift- 
deutsche geschlecht  angewendet. 

5)  Fremdwörter  haben  nicht  selten  ein  von  dem  in  der 
Ursprache  abweichendes  genus:  z.  b.  numrcl  n.  regenschirm 
(it.  omhrcUo),  tvwpt  n.  leitseil  (wind,  urüdt  f.),  Ichapsl  n.  kapsei, 
retrüt  m.  retirade,  abort,  lUUnm  m.  datum,  pergametr  m.  baro- 
meter,  prefa  f.  amulet  (lat.  hreve),  deklia  f.  deka,  kläla  f.  (n.) 
kilo,  tsakka  f.  tschako,  gas  f.  gas,  söfa  f.  sofa,  tnagotsin  f.  ma- 
gazin,  paprikha  f.  paprika,  terpmtikhl  m.  perpendikel,  sp^täkhl 
m.  Spektakel,  tcavrnähid  m.  tabernakel,  onitf',  iifc'm.  endivie. 


§  122  MÜNDAKT    VON   PERNEGG.  161 

2)    Die  casus. 

§  122. 

a)  Accusativ.  Eine  besondere  vom  nom.  verschiedene 
acc.-form  ist  nnr  nocli  bei  den  schwachen  masc.  (s.  §  129)  und 
den  männlichen  deminutiven  auf  -le  (s.  §  137)  erhalten. 

b)  Genetiv.  Eine  noch  grössere  einbusse  als  in  der  Tmster 
ma.  (Schatz  s.  119)  hat  der  gen.  in  unserem  dialekte  erfahren. 
Der  gen.  pl.  ist  fast  völlig  verschwunden,  auch  im  sg.  haben 
sich  nur  einige  kümmerliche  reste  davon  erhalten  (vgl.  Xagl, 
Eoanad  v.  93.  v.  401,  A). 

ß)  Feststehende  syntaktische  Verbindungen,  adverbiale 
Wendungen:  dn  gots  nom  in  gottes  namen,  tim  yots  (khriste) 
tviln  um  gottes  (Christi)  willen,  um  gots  himhls  wün  um  gottes 
liimmels  willen,  dr  ivceil  hghm  'der  weile',  zeit  haben,  is  nit 
dr  röd,  dr  mid  ivert  ist  nicht  der  rede,  der  mühe  wert,  listolt 
dr  sglin  'gestalt  der  sache',  je  nachdem,  frroltrstsceit{n)  vor 
alters-zeit(en),  fd  rexts  ivögn  von  rechts  wegen,  onstgntshohvr 
anstandshalber,  diuls,  fsceiJcs  als  aushilfswörter  für  einen  augen- 
blicklich nicht  einfallenden  begriff  (z.  b.  dr  divJcs  dg,  icgs  is  den 
dg  fra  tsanks  pdngndr;  noch  häutiger  wird  der  acc.  din,  tsceig 
so  verwendet),  timmir  wceis  dummer  weise,  ertnvceis  'örter- 
weise',  da  und  dort,  stölmvceis  stellenweise,  gaJis  plötzlich  (mhd. 
gdJies),  fhiks  flugs,  -mls  mit  einem  stosse  (vgl.  BWb.  2,  369 
schucJcen  mit  kurzem  schwunge  in  bewegung  setzen),  iivröJcs 
quer  durch  {*üler  cclces).  unfriröks  unterwegs,  hglwöks  halb- 
wegs, hintDnd-s  hinterrücks,  iirrhaps  oberflächlich,  ohne  ins 
detail  zu  gehen  {*überhoiihtes),  dndgnkst  ohne  Überlegung  (mhd. 
tmdankes),  icceitrs  weiters,  psundrs  besonders,  nvrinks  übrigens, 
srcms  quer,  schief  (zu  •schremmen',  vgl.  DWb.  9, 162G.  1731. 
BWb.  2, 601),  indrst  irgendwo  (*mders),  -zverts  -wärts  (iwr-, 
auf-,  sceit-  etc.  -ivcrls).  Zeitbestimmungen:  untr  tgks  unter- 
tags, ghmts  abends  (selten),  suntiks,  mgntiks,  iverxtiks  u.s.w., 
fgrtgks  vor  tagesanbruch;  tsmgrgnstr  des  morgens,  tsghmstr 
des  abends,  öhmstr  'ebens',  unterdessen,  pgUstr  in  bälde  (mhd. 
haldes]  zur  endung  -tr  vgl.  §  143,  anm.).  Auffallend  ist  föstaks 
festtags,  mit  umlaut  (wol  unter  dem  einflusse  des  pl.  fästag). 
Vgl.  noch  gldrhgnt  allerhand,  gldrla,  tsicädrla  allerlei,  zweier- 
lei, etc.  —  Entlehnt  ist  hökstns  höchstens  (vgl.  hcaksic  höchste). 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXVIIl.  J.1 


162  LESSIAK  §  122 

Staudeu  in  derartigen  adverbialen  Verbindungen  ursprüng-- 
lich  zwei  flectierte  genetive  nebeneinander,  so  ist  beim  zweiten 
die  endung-  fallen  gelassen  worden:  hceintikstpg  'heutiges  tages', 
heutzutage.  hoJhmtäl  'halbenteils',  zur  liälfte,  mastntäl  meisten- 
teils, anstäl  einesteils,  (jr^astntal  grösstenteils. 

ß)  Zusammensetzungen:  summrstsceit  Sommerszeit,  ngmmdns- 
tog  namenstag,  Igntslceit  landsleute,  Wirtshaus  Wirtshaus,  rohms- 
tgrf  Eabensdorf,  oldrdsperg  Ulrichsberg,  mätrstQrf  Mattersdorf, 
u.  s.  w. 

Anm.  Doch  ist  auch  in  Ortsnamen  die  genetivendung  nicht  selten 
geschwunden,  z.  b.  fridläx  Friedläch  (urk.  Vrideloseiche,  oft  belegt),  pillägrf 
Pischeldorf  {Fischolvesäorf),  iMofperg  Bischofsberg,  u.  a.  m. 

/)  Genetiv  bei  persönlichen  Substantiven.  Reste  einer  freien 
S3'ntaktisclien  Verwendung  des  genetivs  finden  sich  bei  eigen- 
namen  und  zwar  speciell  bei  männlichen  vulgarnamen.  Eine 
flexionsendung  herscht  nur  bei  'schwach'  flectierenden  vulgar- 
namen (es  sind  dies  fast  durchweg  einsilbige  bez.  oxytonierte 
oder  solche  mit  starkem  nebentou  auf  der  letzten  silbe)  und  bei 
vulgarnamen  auf  -le  (s.  §85,  b),  z.b.  s  tsentsn,  s  grpfn,  s  hintr- 
u'ögr),  s  marn  glcJtr  des  vulgo  tscnts,  gröf,  hintnvng,  mär  (meier) 
acker;  s  mgtdlan,  s  stöfblan  Jchud  des  vulgo  mgtdle,  stöfdle  kuh. 

Anm.  Es  ist  zu  bemerken,  dass  der  gen.  mxr  dann  angewendet  wird, 
wenn  der  vnlgarname  sozusagen  als  Sammelbegriff  fungiert,  d.  h.  wenn  die 
Zugehörigkeit  eines  objects  zur  ganzen  hausgenossenschaft,  nicht  aber  zur 
person  des  besitzers  ausgedrückt  werden  soll.  Man  sagt  zwar  s  marti  äirndlc, 
khnext,  rös,  Iceimdt,  perg  des  vulgo  mär  mädel,  knecht,  ross,  leiuwaud,  wald, 
eto.,  aber  nicht  s  marn  roJcx,  pfmfn,  pgrt  des  m.  rock,  pfeife,  hart,  etc. 

Namen  mit  schwachtoniger  nebensilbe  flectierten  ursprüng- 
lich stark  (vgl.  Schatz  a.a.O.).  Sie  entbehren  heute  jeglicher 
flexionsendung,  z.  b.  s  nisl,  s  wceide,  s  drakslr,  s  pirgr,  s  hansl 
ivlsn  die  wiese  des  vulgo  msl,  wceide  etc. 

Für  den  Schwund  des  -s  werden  wol  mehrere  factoren  massgebend 
gewesen  sein,  die  sich  gegenseitig  förderten.  Die  endung  konnte  einmal 
aus  demselben  'praktischen'  gründe  aufgegeben  werden,  wie  oben  bei 
mastntal  etc.:  der  gen.  des  artikels  l)ringt  ja  die  abhängigkeit  des  Sub- 
stantivs vom  beziehungswort  ohnehin  deutlich  genug  zum  ausdruck  und 
macht  eine  weitere  endung  entbehrlich.  In  einzelnen  fällen,  wenn  der 
stamm  auf  einen  zischlaut  endigte,  musste  nach  synkope  des  vocals  der 
Schwund  lautgesetzlich  eintreten;  dies  konnte  zu  einer  Verallgemeinerung 
führen.  Schliesslich  darf  doch  auch  die  dissimilation  nicht  ganz  ausser  be- 
tracht  kommen. 


§  122  MUNDART   VON   PERNEGG.  163 

Häufig  wird  der  gen.  durch  das  Possessivpronomen  'sein' 
verstärkt,  z,  b.  ••?  irUhr  swi  holts,  (s)  serir  scei  ivögM,  s  mötdlan 
scp't  Jxhöc/lstgt,  etc. 

Mitunter  hört  man  auch  fügungen  wie  dr  grgfn  hunt,  dr 
marn  gl;hr,  dö  tsentsn  nnsn,  wo  also  der  gen.  zwischen  dem 
zum  beziehungsworte  gehörigen  artikel  und  diesem  selbst  steht; 
sie  beschränken  sich  natürlich  auf  die  flexionsfähigen  namen. 

Es  ist  zwar  wahrscheinlich,  dass  wir  es  hier  mit  hewahrung  alter 
Verhältnisse  zu  tun  hahen,  doch  wäre  seciindäre  entAvicklung  nicht  gerade 
unmöglich,  etwa  nach  aualogie  von  .s  marn  rus,  wo  das  .s  sowol  zum  gen. 
Avie  auch  zum  heziehungswort  gezogen  werden  kann. 

Anm.  Ein  erstarrter  gen.  sg.  m.  bez.  n.  des  artikels  hat  sich  erhalten 
hei  den  Präpositionen  'wegen',  'neben',  raa.  ivög{a),  öhm,  die  mit  dem  dat. 
des  Substantivs  verbunden  werden.  Neben  ivögmn  gelt  wegen  des  geldes, 
öbmon  pöx  neben  dem  bache,  hört  man  häufiger  wögnstn  oder  wögns-n  gelt, 
übvistn  oder  öhnis-m  pgx.  Auch  bei  femininis:  wögnstr  mmtr  wegen  der 
mutter,  ühmsir  msn  neben  der  wiese.  Fast  immer  werden  die  s- formen 
gebraucht,  wenn  dem  'wegen'  ein  'halber'  folgt,  z.  b.  ivögns(t)n pudbm  li^lwr 
des  knaben  halber. 

d)  Der  gen.  pl.  findet  sich  ab  und  zu  in  w^endungen  wie 
dr  Iceit  sönr  rödarwi  der  leute  (ihr)  gerede,  dr  Miindr  sönr 
froeid  der  kinder  (ihre)  freude,  dr  ivcekvr  sönr  Heft  der  weiber 
(ihr)  geschäft.  Das  heziehungswort  niuss  ein  persönliches  Sub- 
stantiv sein.    Das  Possessivpronomen  ist  unentbehrlich. 

Derartige  fügungen  kommen  besonders  in  der  stadtsprache  vor,  werden 
aber  in  der  ma.  recht  selten  und  nur  von  den  jüngeren  gebraucht.  Deshalb  ist 
hier  eine  (mittelbare)  entlehiiuiig  aus  der  scliriftsprache  sehr  wahrscheinlich. 

Anm.  Hierher  gehören  auch  fügungen  wie  (clö)  pernigr  pudhinon 
(die)  Pernegger  burschen,  {da)  tJfnr  dirndlan  (die)  Tiffner  mädeln,  s  glan- 
hofnr  glait  das  Glanhofner  geläute,  etc. 

c)  Genetiversatz.  In  den  besprochenen  fällen  kann,  in 
allen  anderen  muss  der  gen.  umschrieben  werden.  Die  haupt- 
möglichkeiten  sind  folgende: 

a)  Das  abhängige  Substantiv  wird  unflectiert  zwischen 
artikel  und  heziehungswort  gestellt;  der  starkton  ruht  auf  dem 
regierenden  Substantiv;  z.  b.  dr  ivirt  sihi  des  vulgo  tvirt  söhn, 
dr  hanslpaur  stgdl  der  stadel  des  vulgo  hanslxmur,  dö  gratse' 
u4sn  die  wiese  des  vulgo  gratse,  dö  nmr  s^fa  die  der  haus- 
genossenschaft  des  vulgo  mär  angehörige  Josefa,  etc. 

Ohne  zweifei  ha1)en  wir  es  hier  einfach  mit  unüectierten  genetiven 
zu  tun,  darauf  weist  vor  allem  die  art  und  weise  der  betonung;  sie  ist 
genau    dieselbe   wie   etwa  oben  bei  s  marn  pcrg  bez.  dr  marn  ökhr.    Die 

11* 


164  LESSTAK  §  122 

eutwicklimg  ist,  wenn  Avir  die  oben  unter  b)  besprochenen  fälle  überblicken, 
leicht  verständlich,  vgl.  die  beiden  letztgenannten  beispiele,  und  Wendungen 
wie  s  i'rcil  feit  des  bez.  das  'Jörgel'  feld. 

ß)  Das  attributive  Substantiv  steht  im  dat.  vor  dem  mit 
dem  Possessivpronomen  verbundenen  beziehungswort:  on  töne 
scei  hudt  'dem  Anton  sein  liut',  d.i.  Antons  Init,  9n  sudstr  scei 
orwdt  'dem  schuster  seine  arbeit',  dr  stvöstr  ir  mgn  'der  Schwester 
ihr  mann'.,  dr  hhgts  ir  msdle  'der  katze  ihr  schüsselchen',  on 
Iceün  sünre  rödn  'den  leuten  ihre  reden',  etc. 

Als  ausgangspunkt  für  die  entwicklung  dieser  art  von  ersatz  ist  die 
füguug :  gen.  +  possessivpron.  zu  betrachten  (s  khränr  scei  ggrtn  '  des  vulgo 
Krainer  sein  garten').  Die  Vermittlung  boten  die  feminina;  in  fällen  wie 
ilr  mudtr  ir  frceintsgft  'der  mutter  ihre  verwautschaft'  wurde  der  gen.  dr 
mudtr  nüsverständlich  als  dat.  gefasst,  dem  er  ja  formell  gleichlautet.  Dies 
wurde  aualogisch  auch  auf  die  masc.  und  neutra  übertragen.  Fördernd 
wirkten  hierbei  in  erster  linie  syntaktische  folgen  wie  i  hon  dn  fgtr  smine 
hud  proxt  ich  habe  dem  vater  seine  schuhe  gebracht,  etc.  Der  dat.  kann 
selbst  wider  durch  die  präp.  '  in '  mit  dem  acc.  umschrieben  werden,  s.  unten. 

/)  Es  kann  die  Vertretung  durch  die  präp.  'von'  {fdn,  fn, 
fd)  mit  dem  dat.  eifolgen:  .s-  wosr  fm  pgx  'das  wasser  vom 
bache',  dr  rolx  fn  fgtr  'der  rock  vom  vater',  dö  tsägr  fd  dr 
nr  'die  zeiger  von  der  uhr',  etc. 

d)  Durch  adjectiva  auf  -dS:  s  märose'rös  das  ross  des  vulgo 
Mar,  d'j  (jrgf9.se  dirn  die  magd  des  vulgo  Graf. 

Anm.  Die  unter  «)  und  rl)  angeführten  Umschreibungen  werden  fast 
ausnahmslos  nur  bei  vulgarnameu,  die  unter  ß)  behandelt,  in  der  regel  nur 
bei  persönlichen  Substantiven,  selten  bei  bezeichmmgen  anderer  lebewesen 
angewendet. 

d)  Dativ.  Vom  nom.  verschieden  ist  der  dat.  sg.  in  der 
fiexion  der  schwachen  masc,  vom  nom.  und  acc.  bei  den  säch- 
lichen verkleinerungsw()rtern  auf  -Je  (vgl.  die  folgenden  paragr.). 
Im  gegensatz  zu  den  meisten  bair.-üsterr.  dialekten  hat  sich 
in  dat.  pl.  die  flexionsendung  -n  durchweg  erhalten.  Die  kärnt- 
nische xoLr/j,  das  'höfische',  kennt  sie  nicht;  eine  beeinflussung 
von  dieser  seite  ist  also  ausgeschlossen. 

Neben  dem  einfachen  dat.  besitzt  die  ma.  eine  mit  der  präp. 
in'  umschriebene  form  im  dat.  fem.  sg.  und  dat.  pl.  aller  ge- 
schlechter. Für  dr  mudtr,  dr  Mmd  der  mutter, .  der  kuh,  kann 
man  auch  sagen  on  dr  rntiatr,  dn  dr  khu9.  Für  dn  Iceitn,  dn 
flhrn  den  leuten,  den  tieren  (viehern),  auch  en  dö  lceH{n),  dn 
dö  f'ihr{v). 


§  123  MUNDART   VON   PERNEGft.  165 

Diese  umschreil)Uiig  bernlit  auf  einer  verwecbslnng-  der  abgescliw ächten 
form  des  artikels  'dem',  'den'  mit  'in'  bez.  'im",  'in'n'  (in  den),  die  in  der 
ma.  alle  in  an,  n  zusammengefallen  sind.  Vgl.  an  fötr  dem  vater,  an  lötro 
den  burscben  (totr),  9)i  tmur  in  trauer,  3»  grgbm  im  graben,  9n  rfandrv  in 
den  rainen.  Der  artikel  <?»  in  3n  fötr,  onlötru  kann  demnach  auch  in  'in 
dem",  'in  den"  aufgelöst  werden.  Diese  auft'assung  wurde  auch  auf  das  fem. 
übertragen.  Wenn  es  im  pl.  neben  9n  irwiwvu  den  weiberu,  auch  an  du 
ircenrr  (acc.)  heisst,  so  erklärt  sich  dies  daraus,  dass  die  präp.  'in"  im  pl. 
auch  mit  dem  acc.  verbunden  werden  kann.  Vgl.  3»  Uötn  und  jh  du  stöt 
in  den  st<ädten.    Daneben  existiert  die  mischbildung  an  dö  stötn. 

Anm.  Diese  dreifache  möglichkeit,  den  dat.  pl.  zu  bilden,  besteht  bei 
allen  präpositionen,  die  den  dat.  regieren  bez.  regieren  können :  stgl,  u-ög{i)), 
aus,  pcei  (p^),  mit,  ikxc,  sceif,  pn  {(<>),  ts,y,  öne,  tsnmp  (zusammt,  sammt); 
—  af,  liintr,  an,  (in),  öb)ii  (neben),  oirr  (oberhalb,  über),  untr,  foi;  tsirii(n) 
(die  letzten  acht  können  auf  die  frage  wohin?  nur  mit  dem  acc.  verbunden 
werden). ') 

Es  ist  zu  bemerken,  dass  der  umschriebene  dat.  im  all- 
gemeinen seltener  angewendet  wird  als  der  einfache.  Seine 
Verwendung  beschränkt  sich  im  allgemeinen  auf  die  substantiv- 
tiexion  (vgl.  dagegen  Schatz  §  144). 

Vielleicht  wurde  er  gar  nicht  in  der  ma.  selbst  ausgebildet,  sondern 
aus  der  stadtspraclie  entlehnt,  die  im  dat.  pl.  nur  die  iimschriebeneu  formen 
kennt,  im  dat.  sg.  fem.  sie  wenigstens  bevorzugt. 

3)    Flexionsklassen.     Pluralbildung, 
a)  Männliche  hauptwörter. 

§  123. 

Eine  einteilung  nach  historischem  gesichtspunkt  wäre  in 
anbetracht  der  grossen  verscliiebungen  unangebracht.  Im  all- 
gemeinen lässt  sich  über  das  Verhältnis  der  gegenwärtigen 
gruppierung  zur  ursprünglichen  folgendes  sagen: 

Die  nicht  umlautsfähigen  /-stännue  sind  mit  den  o-stämmen 
zusammengefallen.  Die  umlautsfähigen  o- stamme  sind  mit 
wenigen  ausnahmen  (§  125, 1,  b)  zu  den  «-stammen  übergetreten. 

Von  den  jd-stämmen  sind  /»//>•  hirse,  /i7««.y  käse,  ivats  'weizen 

')  Die  präp.  'an'  kennt  die  ma.  nicht.  Der  lautliche  zusammenfall 
mit  'in'  (ßn)  mag  ihre  beseitigung  veranlasst  haben.  In  der  regel  Avird  sie 
durch  af  und  pcei  ersetzt,  z.  b.  af  dr  icnnt  an  der  wand,  af  (/Dt  (jläbm  an 
gott  glauben,  af  dr  sceita  oder  p9  dr  sa;itn  an  der  seite.  —  iicr  (über)  re- 
giert stets  den  acc.  Es  wird  nur  in  der  bed.  'drüber  hin'  gebraucht;  z.  b. 
iHTu  pö.v  hprivgan  über  den  bach  springen ;  sonst  wird  immer  oicr  verwendet. 


166  LESSIAK  §  124 

und  die  ableitungen  auf  *-än,  -tiussl  (soweit  m.)  stark  geblieben. 
u-öJclii)  wecken,  und  ruJd-u  rücken,  sind  scliwach  geworden  (doch 
pl.  rilJiij).^    'Hirt'  fehlt  der  ma.,  dafür  hgltr. 

Die  ^rö- Stämme  sind  mit  ausnähme  des  schwachen  sobi 
schatten,  zu  den  o-  bez.  /-stammen  übergegangen,  desgl.  die 
kurzsilbigen  «-stamme.  Die  drei  verwantschaftsnamen  auf  -r: 
fgtr,2)ru9dr,sicögr  bilden  ihi'en  pl.  mit  wrnlant  f(ltr,2^riMlr,m'ägr. 

Eine  anzahl  urspr.  starker  masc.  hat  im  pl.  die  schwache 
endung  angenommen.  Fast  durchweg  sind  es  zweisilbige  Wörter 
auf  -l,  -r  (s.  §  131.  132  anm.).  Desgleichen  sind  ein  paar  ur- 
sprüngl.  j^- Stämme  stark  geworden  (§  127,  anm.).  Von  prak- 
tischem Standpunkt  aus  muss  den  zweilbigen  starken  masc.  auf 
-n  {*-n  oder  -m)  die  zweite  gruppe  der  schwach  flectierenden 
(§  130)  völlig  gleichgestellt  werden.  In  diesem  falle  habe  ich 
jedoch  den  historischen  Zusammenhang  gewahrt  und  sie  in  ver- 
schiedenen abschnitten  behandelt. 

«)  Stark  flectierende  masculina. 

§  124. 

Hierher  gehören  die  alten  o-,  i-,  jo-,  wo-  and  w- stamme, 
soweit  sie  stark  geblieben  sind,  und  einige  urspr.  w- stamme. 
Flexion:  sg.  nom.acc.dat.  endungslos:  Jmot  hiit,  Mnext  kriecht, 
2)äni  bäum;  —  pl.  nom.  acc.  hidt,  IcJmext,  pämr;  —  dat.  hidtn, 
lilinextn,  pämry. 

Pluralbildung.  Praktisch  können  wir  unterscheiden:  je 
nach  der  endung:  1)  endungslose  plurale;  —  2)  plurale  auf  -r\ 
je  nach  der  beschaff enheit  des  wurzelvocals:  1)  umlautsfähige; 
—  2)  nicht  umlautsfähige.  Jene  lassen  sich,  jenachdem  der 
umlaut  eintritt  oder  unterbleibt,  wider  in  1)  umgelautete,  — 
2)  nicht  umgelautete  einteilen. 

Zur  qualität  des  umlauts  wäre  zu  bemerken,  dass  der 
primäre  umlaut  des  ä  ('ö')  bei  masc.  verhältnismässig  selten 
anzutreffen  ist.  Nur  vor  nasalen  erscheint  er  ziemlich  häufig 
als  e.  Die  grosse  masse  der  Wörter  mit  urspr.  ä  als  sonanten 
der  Stammsilbe  hat  a  als  umlauts vocal  (vgl.  Schatz  §  93).  In 
einigen  fällen  ist  der  schriftsprachliche  umlaut  e  eingedrungen. 
Der  umlaut  des  a  =  *a  ist  Qa  (vgl.  §  72).  a  =  ^ou  betrachte 
ich  nicht  als  umlautsfähig  (vgl.  §  74). 

Anm.  Die  iioniiiia  ageutis  auf  *-«/•/  entbehren  regehnässig  des  umlauts. 


§  125  MUNDART   VON    PERNEGG.  167 

§  125.     Pliirale  ohne  enduiig. 

1)  ümlautsfäliig-e.  a)  Umgelautete:  «)  Mit  o  —  ö: 
(jQst  gast  —  gast;  sglix  sack  —  s'ökx\  sgts  (der  gesprochene) 
satz  —  söts\,  slög  schlag,  (hieb)  —  slög  (dag.  sots  sprang  — 
säts;  slög  liolzschlag  —  ■'^Iffg);  i^ögl  nagel  —  nögl.  In  öpfl 
(pl. unverändert)  apfel,  ist  die  pluralform  verallgemeinert  worden. 

(9)  ]\Iit  g  —  e:  Ichrom,  Jxhrgmpf  kvsim^i  —  Jihrem,  Idirempf; 
tsgnt  zahn  —  fsenU  st  gm  stamm  —  stem\  Jchlg/}  klang  —  llileu; 
Ikrgnts  kränz  —  Jihrenfs;  tgmpfd-dm\)t  —  iempf;  swgm  schwamm 

—  sivem;  IxlüguliX  schlinge  —  ]Jilenlcx\  fgnts  tanz  —  fents\  dag. 
tants  umständliche  bewegungen. 

/)  Mit  g  —  a:  tgxt  docht  —  taxt\   rgt  rat  —  rat\   grut  grat 

—  grät;  frgs  fr^ss  —  fräs;  .s^;^;^^  span  —  spän:  fr()m  trambaum 

—  tram\  slöf  schlafe  —  släf;  ivgrf  sensenstiel  (mhd.  ivarf)  — 
ivarf\  sivorhm  sclRAarm  —  strarlm;  morlcx  markt  —  morJiX] 
pgrt  bart  —  ^?«r^;  grs  arsch  —  ars;  pglg  balg  —  pcdg]  Itgls 
hals  —  hals\  hglhm  halm  —  halbm;  swgl  starker  luftzug  — 
siväl]  stgl  stall  —  stäl\  ceinfgl  einfall  —  (emfal;  hol  hall  — 
häl;  Sgl  saal  —  säl;  pfgd  pfad  —  pfäd;  mgn  mahne  —  man; 
strga  sträng  —  straf);  kspon  gespann.  vertrauter  —  Icspän; 
ggnkx  gang  —  gauJcx;  firhgu  Vorhang  —  firhav;  fgn  fahne  — 
fän;  sgts  schätz  —  sats;  plgts  platz  —  plats;  subst  auf  -l,  -r,  -n: 
stgpfl  stufe  —  stapfl;  ngppl  nabel  —  nappl;  ivgdl  wedel  —  umdl; 
st^dl  Stadel  —  städl;  stghl  stahl  —  staJd;  snöivl  Schnabel  — 
snmvl;  sgmhl  schemel  —  samU;  sgtl  sattel  —  sätl;  tgdl  'tadel', 
gebrechen  —  tädl;  gjl  eiter  (mhd.  ufel)  —  äfl;  gugl  Stachel  — 
a^gl;  hgndl  handel  —  handl:  gJihr  acker  —  al-Jtr;  hgmmr  hammer 

—  hänir;  lommr  Jammer  —  iämr;  sghr  sumpfgras,  Schilf  — 
sähr;  gngr  anger  —  augr;  ligugr  brustfleck  —  licmgr;  sponvr 
sperbei"  —  spanvr;  tsgl-kr  eine  art  karren  —  tsaJckr;  Ignr  aclis- 
uagel,  lünse  —  länr  (mit  urspr.  o);  ivgg)j  wagen  —  tvägu;  ggdn 
schrank,  'gaden'  —  gädn;  fgdn  faden  —  fädn. 

6)  Mit  0  —  ö:  poJix  bock  —  pökx;  tsopf  zopf  —  tsöpf; 
khnopf  knöpf  —  khnöpf;  tsopf  schöpf  —  tsöpf;  sokx  schock  — 
sökx;  khöx'koch. —  khöx;  />(7s  frosch  —  frös;  trog  irog  —  trog; 
wolfwolt  —  ivölf;  zweisilbige:  fögl  yogel  —  fögl;  khöglkegei- 
förmiges  gezimmer  über  dem  offenen  herd  zum  auffangen  des 
rauches,  kegelförmige  erhebung-  überhaupt  (iwM. koyel)  —  khöyl; 


168  LESSIAK  §  125 

Möfl  bergspitze,  felswaiid  —  IhöfJ-,  polstr  polster  —  pölstr; 
söwr  scliober  —  sötvr;  'k(li)ötr  abg-eplankter  teil  im  stalle, 
hundestall  —  l-(Ii)öfr:  hitr  erwachsener  bursclie.  starker  mann, 
geliebter  '(zuweilen  im  veräclitl.  sinne,  mlid.  loter)  —  lötr; 
pödn  boden  —  ^öd'w;  öfn  ofen  —  öfn. 

t)  ]\[it  oa  —  ^a:  stgas  stoss  —  st^as\  flga  floh  —  ft^a-,  hjan 
lohn  —  lqan\  trgast  trost  —  tr(^ast  (trostworte),  desgl.  gr  —  er 
in  rgr  röhr  —  rer\  hhgrw  korb  —  Mieriv.  Vgl,  noch  fgrtl  vor- 
teil —  fertl. 

g)  Mit  u  —  /:  sluf  versteck  —  sltf\  süw  Schub  —  siiv\ 
stumpf  strumpf  —  stimpf:  tumpf  tümpel  —  timpf\  Jchumpf 
kumpf  —  hkimp)t\  püf  stoss  —  jnf]  flus  fluss  —  flls;  gus 
guss  —  gts;  sUn  söhn  —  sm\  liiint  liund  —  liint;  grünt 
grund  —  grini;  ivunts  wünsch  —  tvinis;  timst  dunst  —  tinst; 
spruu  Sprung  —  sprw\  turu  türm  —  tirn\  furhm  form  — 
firhm;    wurf  wurf   —    n'irf'-,    prUx  bruch  —  prix\    stUx  stich 

—  stlx-,     tsUg  zug  —   islg;     tiiJcx  tücke   —   tikx]     f'uics  fuchs 

—  fiks\  tsiits  zulp  —  tsits;  zweisilbige:  summr  sommer  — 
slrnr;  Ä-?<7/>- kolt er.  decke  —  Idltr;  pulfr  ^\\[\tv — pilfr\  tsüwr 
zuber  —  tsmr. 

rj)  Mit  iid  —  id:  studl  stuhl  —  stidl\  hudt  hut  —  hidt] 
gruds  gruss  —  grids;  ftos  fuss  —  fios;  hhrudg  krug  —  khridg; 
pfludg  pflüg  —  pfli^g- 

&)  Mit  au  —  wi:  tsaun  zäun  —  tscein;  praun  braun  — 
prcein;  raus  rausch  —  reeis]  khastraun  hammel  —  khastrcein', 
praux  brauch  —  prmix^    slaux  schlauch  —  slceix]    autr  euter 

—  (eitr. 

i)  Mit  a  —  qü:  swäf  schweif  —  sw^af;  straf  streifen  — 
str^af]    khräs  kreis  —  khrqas\    ivats  weizen  —  tv^ats. 

b)  Nicht  umgelautete:  kspgr  spur,  suf  schaf,  gut  gott, 
siis  schuss,  SÜ9  schuh,  srä  schrei,  sträx  streich,  last  leisten, 
räf  reif(en),  law  laib;  holdr  holundr,  wglr  weis,  plutsr  Wärm- 
flasche, fehler,  kuskr  eidechse,  piudsn  busen,  ähij  eichhorn. 
Hierher  geliören  sämmtliche  nomina  agentis  auf  -r,  ahd.  -Cwi. 
wgxtr  Wächter,  hgndlr  liändler,  pgdr  bader,  Igdr  einlader,  tsglr 
Zahler,  (>>•^f3^>' arbeiter,  tnölr  m&ler,  etc.;  vgl.  auch  suppmfg^jgr 
•Suppenfänger',  Schöpflöffel,  latfgwjr  'leitfänger'  (ein  bestand- 
teil  des  pferdegeschirrs).    Ferner  die  nomina  actionis  auf  -r 


§  126  MUNDART    VON    PERNEGG.  169 

me  löhy,  liliTQtsr,  JiJingh;  lnq)fr,  tupfr  ein  momentanes  (plötz- 
liches) auflachen,  kratzen,  knallen,  hüpfen,  tupfen,  u.  s.  w.  (vgl. 
§90,2,c). 

2)  Nicht  umlautsfähige:  /*««^.s  handschuh, /t/i«»«Z  kanal 
(daneben  l-hancle),  ml  shawl,  Miv  scliaub,  säm  säum,  träm 
träum,  traf  traufe,  ten  tenne,  flökx  fleck,  2)crg  berg,  s^a  see, 
iv^a  schmerz,  trlu-  trieb,  strikr  strick,  fist  fist,  s2nts  spitze, 
wirt  wirt,  scain  schein  (heiligenschein),  khceil  keil,  sriot  schritt, 
Ichridg  ki'ieg,  frceint  freund,  fmnt  feind;  khlahl  plumper  mensch, 
arh-  'erker',  dachlucke,  arliu  pflugschar,  tsähr  zälire,  näicr 
bohrer,  grösi»  junger  waldbaum,  i>>/t^^/yy  pfennig,  5eyyÄ7/Z Schwengel, 
grosser  bauch,  kröpf,  sempr  grosser  bauch,  pfreugr  zwinger, 
st(iasl  stössel,  eine  falkenart,  dr<^asl  drossel,  tsedhnt  zehe,  dri^pl 
schwelle,  Ichnnvl  knoten,  hif\{r)  ästige  stange  (zu  Inif  hüfte), 
ngl  riegel,  wegsteile,  tstgl  zügel,  rasse,  tistl  distel,  pinld  beule, 
bündel,  ftugr  finger,  swwlM  flegel  bei  der  drischel,  ridsl  rüssel, 
pceitl  beutel,  toif]  teufel,  (jöülr  geier,  u.  a.  m. 

§  126.     Plurale  auf  -r. 
Nebst  einigen  einsilbigen  gehören  hieher  fast  sämmtliche 
zweisilbigen  Wörter  mit  ausnähme  derer  die  auf  li(iuida  oder 
nasal  auslauten. 

1)  Umlautsfähige,  a)  Umgelautete:  5p/ifsaft  —  saftr\ 
man  mann  —  mandr;  j^^V^t  brand  —  prentr;  auswgrt  'aus- 
wart', frühling  —  ausivartr\  öhmp  abend  —  ähmtr:  liliommot 
(()  =  *o)  kummet  —  Jdiämotr;  plöx  block  —  plöhr;  drum 
grosses  stück  —  drwir.  —  b)  Nicht  umgelautete:  onqMS 
ambos  —  gnipasr;  sgldt  salat  —  söldtr\  spggH  spagat  —  spö- 
gdtr:  pötdx  unterer  teil  des  rumpfes  —  pötdhr;  sunte  sonntag 
—  suntigr;  mgnte  montag  —  nigntigr;  SQmste  samstag  — 
sgmstigr  (ebenso  bilden  ihren  pl.  die  namen  der  übrigen  Wochen- 
tage: irte  dienstag,  miW-'  mittwocli,  pflukste  donnerstag,  frceite' 
freitag). 

2)  Nicht  umlautsfällige:  j)(7w  bäum  —  pämr\  Jcliis 
kissen  —  Wisr;  s'dt  sehild  —  siltr,  sildr;  mids  moos  —  mi^sr; 
gcßist  geist  —  gceisir;  Im'nv  leib  —  Icehvr;  rätdx  rettich  — 
ratdhr;  hnvox  habicht  —  häivohr;  däium  (datwi)  datum  — 
datiunr;    pfirs9x  pfirsich   —  pfir.s^hr]    p'iUx  bilch   —  pil9hr\ 


170  LESSIAK  §  127 

Ixhirivds  kürbis  —  l-]nrivdsr\  IMne  köuig*  —  khmigr;  liirwdst 
herbst  —  liiru'dstr\     ridtdx  (mhd.  rietach)  —  riotdlu: 

Von  .den  ableitungen  auf  -11  u  geboren  hieher  spitslw  spitz- 
apfel  —  spitslujgr-,  spendlb)  Spilling  —  spendliugr.  Plurale 
tantum  ist  standliur  gestell  zum  steinefübren.  Der  stirzler- 
(gauner-)  spracbe  geboren  an  sUslw  bank  —  sitsliu{gr) ;  tröiliu 
'tretling'.  scbub  —  trötlw{gr);  riüw  fuss  —  ritlin{gr),  u.  a.  Die 
übrigen  subst.  auf  -lin  bilden  ihren  pl.  ohne  endung:  invliy) 
ärmel,  merlm  möhre,  pllntsldw  {plintMhj)  blindschleiche,  sceirlw 
Säuerling,  u.  s.  w. 

§  127.    Doppelformen. 

1)  Endungsloser  pl,  steht  neben  solchem  auf  -r  bei  tvurhm 
wurm  —  tvirhm,  wirmr\  pridf  biief  —  jjris/",  pri9fr\  präm 
einfassung,  braue  — präm,prämr\  gst  ast  —  öst,  östr;  stgut 
stand  —  stant,  stantr  (stent  in  übertragener  bed.  'stände'); 
stän  stein  —  Man,  standr\  ran  rain  —  t^än,  r^andr\  luf't 
luft  —  lift,  liftr;  nds  rinne,  rinnsal  mit  holzbekleidung  (mhd. 
nuosch)   —   ids,   idsr;    stceig  Steig  —  stceig,  stctsigr;    pöx  bacli 

—  päx,  pähr.  Zuweilen  hört  man  auch  tscndr  neben  tsent 
Zähne,  ixeihr  neben  ixelx  bauche.  Sehr  selten  ist  päm  bäume, 
für  pämr,  poppdgcei  papageien.  für  poppdgceir. 

2)  Verschiedenen  umlaut  können  haben  hglp  axtstiel  — 
hölp,  halp;  stöiv  Stab  (nur  in  Zusammensetzungen  wie  ligntstgiü 
handstab  bei  der  drischel,  ggrt.stQiv  stachelstock)  —  stötvr,  stmvr; 
mgygl  mangel  —  maugl,  tneugl;  liorn,  hgrij  hörn  —  liön),  her», 
auch  herndr.  Vgl.  noch  oben  ran  —  reandr.  raiit  rodung,  hat 
im  pl.  raut,  selten  rwit;   gghstr  elster  —  ogldstr  oder  äghstr. 

—  Von  den  Wörtern  mit  g  als  stammvocal  haben  folgende  den 
schriftsprachlichen  umlautsvocal  e  neben  heimischem  a:  pgJcx 
pack  —  paJix,  pekx;  x^glg  balg  —  pulg,  pelg;  pgx  bach  — 
pax,  pähr  und  pex,  pehr;  fgtr  vater  —  fätr,  fetr.  Nur  e  haben 
Qivlgs  ablass  —  gtvles;  pgpst  papst  — pcj)5^.  tgg  tag,  als  zeit- 
mass  bleibt  im  pl.  in  der  regel  unverändert,  z.  b.  firtsDtgg  vier- 
zehn tage,  drceish  tgg  dreissig  tage,  daneben  hört  man,  wenn- 
gleich selten,  schon  das  höfische  teg.  In  der  bedeutung  'zeiten' 
lautet  der  pl.  tag,  z.  b.  lustige  tag  lustige  tage. 

3)  Schriftsprachliche  pluralendung  findet  sich  bei  fdrosin 
verein  —  ßrceme,  selten  f9rcein;  seein  schein  (zettel)  —  sceine; 


§  128.129  MUNDART   VON   PERNEGG.  171 

wog  weg,  in  der  bed.  'gang-  zur  behörde'  —  ivöge,  sonst  ivög; 
öfdtslr  Offizier  —  öfdtsire.  Vgl.  auch  die  neutra  lös  loos  (schein) 
—  löse  neben  lös\  Jcsöts  gesetz  —  Isöts,  ksötse;  Iwft  heft  — 
Jiöftr,  liöfte. 

Anm.  Von  urspr.  n-stämineu  sind  stark  geworden  neifreit,  invl  ävmel, 
hOiv r  haber,  /.-/o//- gevatter,  paogrt  baumgarten:  pl.  ra'if,  h-irl,  höicr  (selten 
hmv)-),  kfätr  (selten,  meist  kfötr[s]la'/t),  paugrtr;  —  m(ei,  m/rts,  Qprll  mai, 
märz,  april,  kommen  nur  im  sg.  vor.  —  Vgl.  ferner  folgende  Wörter  mit 
stammauslantendera  nasal:  ppru  banse  (ahd.  hämo),  fön  fahne  (ahd. /«»o), 
prüH  brunnen,  gäm  gaumen.  hterü  Stern,  klieru  kern,  pl.  paru,  fün,  pnn, 
gäm,  hterü,  Icherv. 

,?)  Schwach  flectierende  masculina. 
§  128. 
Wir  können  vier  gruppen  unterscheiden:  1)  substantiva, 
die  nur  im  nom.  sg.  endungslos  sind,  in  allen  übrigen  casus  auf 
-n  auslauten;  —  2)  solche,  die  die  flexionsendung  über  alle 
casus  ausgedehnt  zeigen;  —  3)  solche  die  im  ganzen  sg.  unflec- 
tiert  bleiben  und  nur  im  pl.  die  endung  -u  annehmen;  —  4)  die 
hausnamen. 

§  129.    Erste  gruppe. 

Hierher  gehören  fast  sämmtliche  niasc.  -j^stämme,  welche 
lebende  wesen  bezeichnen.  Weitaus  die  meisten  sind  einsilbig. 
Flexion:  nom.  sg.  pöt,  dat.  acc.  sg.  und  der  ganze  pl.  pötn  böte. 

Beispiele:  j;ö7a?  beck,  bäcker,  prints^Y'mz.  päm-\)-A\\&\\  pföf 
pfaffe,  didiv  dieb,  frgts  fratz  (unartiges  kind),  first  fürst,  gr^f 
graf,  A-M/'gehilfe,  /i-5ö7  geselle,  Äerherr,  iriv  &c\)e,  ments  m&ü&oh, 
nör  narr,  rls  riese,  sits  schütze,  sölhm  'schelm',  dieb  (flect.  sölnwn), 
tep,  ^os^  dummkopf,  trottel,  tsceig  zeuge.  —  Völkernamen:  prceis 
Preusse,  rüs  Russe,  tirJc'  Türke,  frantsos  Franzose,  pcm  Böhme, 
Tscheche  (doch  hört  man  hier  neben  flectierten  auch  unflec- 
tierte  formen),  jiolak'  Polake.  posnmJv  Bosnier.  Bosnjake,  khrmcot 
Kroate,  ?<7(/ Jude,  6tt"w  Schwabe.  —  Fremdwörter:  6-(>7r/öf  soldat, 
/aZö^  schlechter  kerl,  Spitzbube  (franz. /i/ow?),  /msärhusar.  rcgrfit 
rekrut,  %ösmvit  Jesuit,  mnsdl'hant  musikant,  u.s.w. 

Anm.  Die  wöiter  auf  -oi;  nia.  -/•,  wie  prafcsr,  inijiekhtr  professor, 
inspector,  etc.,  bleiben  durch  das  ganze  paradigma  unverändert.  Nur  (Jokhtr 
doctor,  bildet  den  pl.  zuweilen  auf  -».  j^^'i''  Baier,  pl.  pmri;  ist  junge  eut- 
lehnung  aus  der  Schriftsprache  (vgl.  jjan/o»-/"  Baierdoif).  Im  gegensatz  zum 
nhd.  haben  -/•:  khincsr  Chinese,  hulänr  ulan,  fdräur  veteran. 


172  LESSIAK  §  130 

Tiernameu:  «/"äffe,  s2)ots  spatz,  ßnl-x  finke,  Jm  hase,  hirs 
liirsch,  Icrx  lerche,  ohs  ochse,  i^/o?«?  pfau,  prohx  bracke,  praks 
brasse,  rgts^  ratte,  rmv  rabe.  snepf  sclinepfe,  sneV  Schnecke. 

§  130.  Zweite  gruppe. 
Die  zweite  gruppe  iimf asst  fast  alle  unpersönlichen  «-stamme. 
Der  flexion  nach  unterscheiden  sie  sich  in  nichts  von  den  auf 
-n  auslautenden  starken  masc.  wie  siUju  segen,  tvQgn  wagen, 
rög}3  regen,  pödn  boden  (pl.  söyn,  ivügn,  rögn,  pödn);  wie  diese 
lauten  sie  (soweit  sie  umlautsfähig  sind)  im  pl.  meistens  um. 

a)  Umlautsfähige.  «)  Umgelautete:  pQWin  balken  — 
irnUilm  (neben  pQlhlm)\  ])rötn  braten  —  p>rätn]  pghn  Speck- 
seite —  pähn:  pofsn  batzen  — patsn  (nehen  pgtsn);  g^nlgiMn 
gedanken  —  godaukhn;    flgdn  tladen  —  flädn:    ggrtn  garten 

—  gartn;  grübm  graben  —  grähm;  gglgv  galgen  —  galg'J', 
grgtn  karren  —  grdfn;  lujU,»  haken  —  halihr,  Jchrög»  kragen  — 
Jchrögu  (auch  lihregu)]  Ichrompni  m.  krampe  —  khrampm\  Idiostn 
kästen  —  klmstn,  meist /c7<e.sY»;  Zw/w  laden,  bohle  —  lädii]  mügy 
magen,  mohn  —  magi)\  srögn  schrägen  —  srägw;  sgdn  schaden 
sädn\  slgmpm  schlampige  person  —  slampm  (auch  slgpmdn)\ 
ivgsn  rasen  —  tväsn;  wgrnpm  wampe,  bauch  —  ifampm\  pögn 
bogen  —  pögu]  roJdy  roggen  —  rökk)3  (roggensorten,  -f eider); 
prokhn  brocken  — pröklin  wehen  prokhn;  pnsn  'busch',  strauss 
(vgl.  mhd.  hasche  swm.)  —  plsn;    rukku  rücken  (urspr.  stark) 

—  rikkn;  haufn  häufe  —  Ineifn.  —  (^)  Nicht  umgelautete 
(pl.  =  sg.):  rgntsn  ranzen,  pgln  ballen  (schwlele),  pglhm  ball; 
tropfn  tropfen,  kholbm  kolben,  khlöbin  kloben,  pösn  mutwilliger 
streich,  sokJin  socken,  pfostn  pfosten,  stotsn  seichtes  schaff,  noklm 
kloss,  khnoln  knollen,  .^lohi  Stollen,  hufeisenhaken,  hopfn  hopfen, 
2^ostn  posten;  itrupfn  strippe,  stutsn  stutzen,  .siiukhu  Schinken, 
tsurtsn  maiskolben,  )mtsn  butzen,  hädn  'beiden',  buchweizen 
(vgl.  Schatz  §  105j. 

b)  Nicht  umlautsfähige:  siMm  Schenkel,  fetsn  fetzen, 
stökhn  stecken,  etc.  Vgl.  auch  kharpfn  karpfen  (neben  khurpf). 
Es  ist  dies  einer  der  wenigen  tiernamen,  in  welchen  die  tlexions- 
endung  über  das  ganze  paradigma  ausgedehnt  worden  ist;  als 
analoge  fälle  sind  mir  aus  der  ma.  nur  noch  hiidhn  buchen,  und 
ücein  schleihe  (ahd.  slio)  bekannt  (der  pl.  lautet  in  beiden  fällen 
wie  der  sg.). 


§  131.132  MUNDART    VON   PERNEGG.  173 

Aiiiu.  Bei  einzelnen  Wörtern  dieser  gruppe  wird  im  pl..  wenn  er 
nicht  umgelautet  ist,  ein  weiteres  -}i  angehängt,  so  dass  der  pl.  eigentlich 
mit  doppelter  endnng  erscheint,  z.  b.  pg}b}iid)i  halle,  l-holhmdu  kolben,  feisn^u 
fetzen,  polkhit.^n  neben  p(ßh»i  etc.  Vereinzelt  landet  sich  diese  erscheinung 
auch  hei  Wörtern  der  ersten  gruppe.  Häufig  hört  man  p>(,fhmdn  hüben,  bur- 
schen  (sg.  pü9,  fiect.  piohm).  Ziiweilen  auch  pursUmi  burschen  (vgl.  dazu 
§  140),  oT(m?n  ochsen. 

§  131.  Dritte  gruppe. 
Zur  dritteu  gruppe  geliöreu  von  urspr.  schwachen  nur  föir 
•Vetter',  onkel  —  fötm  (neben  fötr)]  klwfr  käfer  —  hhüfr)j 
(neben  Ä-Aö/r);  swierfs  schmerz  —  smertsn;  pudstgiv,  pu{d)listQiv 
buchstabe  — piidstobm  etc.;  lihrijs  kresse  (ahd.  hresso)  —  Ihrösn. 
Ferner  einige  deren  stamm  auf  einen  nasal  endigt:  daiim  dau- 
men  —  daimidn;  flgm  flamme,  weichteile  bei  tieren  —  flgmmdn] 
nom   name   —   nämdn:    hon  hahn  (selten,   dafür  lime,  Icöppe) 

—  Jt(mdii. 

Hier  wäre  eigentlich  auch  im  pl.  Hexionslosigkeit  zu  erwarten,  da  -mn, 
nn  sich  regelmässig  zu  m  assimiliert  bez.  vereinfacht  wird,  sofern  es  nicht 
durch  sj'stemzwang  daran  gehindert  wird.  Die  oben  §  127,  3,  anm.  an- 
geführten beispiele  veranschaulichen  also  die  eigentlich  regelmässige  ent- 
wicklung. 

ream  riemen,  hat  im  pl.  meist  r^am,  sehr  selten  rqamdn. 

Hierher  gehören  noch  das  urspr.  fem.  lialcs  'hächse',  bein 

—  halsn:  h-udV  in  ders.  bed.  —  hiohj;  j^(»;/.7<>Y  bankert  — 
PQnkhrin\  poppdts  knospe  —  poppotsn.  Bei  den  ersten  drei 
Wörtern  hat  man  mitunter  auch  im  dat.  acc.  sg.  die  «-formen. 

Das  hauptcontingent  stellen  einige  urspr.  starke  masc.  auf 
•{>  -!"■  hospl  haspel  —  hgspln:  nudl  nudel  —  nudln.  Ebenso 
wumhl  hummel,  khr^andl  mühlsteinhammer,  roMd  Spindel,  griil 
griffe],  sllsl  Schlüssel,  räü  drehstange  (mhd.  reitel),  rödl  quirl. 
poppr  unartiges  kind,  tolchr  tölpel.  —  In  einigen  fällen  herscht 
schwanken.  So  stehen  nebeneinander  pndl  —  pudln  pudel. 
iimlr  —  undrn  widder,  p»^^;-  —  j)i</6w  butter(striezel),  tsglxh-» 

—  tsakh',  sg.  tsfMr  zweirädriger  karren  mit  korb.  u.  a. 

i^  132. 

Eine  Sonderstellung  nehmen  die  'schwach'  flectierten  haus- 

namen  ein:  nom.acc.dat.  tscnts,  (jr()f,  mär  etc.,  aber  gen.  s  tscntsn, 

(jrofn,  man)  (s.  §  122,  b,  7).    Doch  hört  man  auch  im  dat.  acc. 

formen  auf  -n.    Als  standesbezeiclmung  dagegen  flectieren  rjrnf 


174  LESSIAK  §  133. 134 

graf,  mär  meier,  grossknecht,  ganz  regelmässig:  dat.  acc.  martj, 
ebenso  im  pl.  {mär  war  nrspr.  stark,  vgl.  alid.  meior). 

Anm. .  Ausser  den  oben  genannten  Wörtern  sind  von  nrspr.  starken 
noch  schwach  geworden:  per  saubiir  (nach  analogie  von  per  ursns),  grtst 
arzt  (doch  pl.  zuweilen  artst) ;  Mr  stier,  flectiert  nur  im  sg.  regelmässig 
schwach,  im  pl.  ist  es  gewöhnlich  endungslos.  Ferner  mn  schatten  — 
Min;  nikka  rücken  —  rikkv;  mitsn  nutzen  (pl.  fehlt);  fölsn  felsen  (pl. 
gleich  dem  sg.).  dgks  dachs,  flectiert  im  sg.  meist  schwach,  der  pl.  lautet 
(Jgksn,  selten  daks;    dgrn  dorn,  hat  im  pl.  dgrnon  neben  dgrnr. 

khrist  Christ,  Jkaid  heide,  sind  in  die  schwache  declination  übergetreten 
wie  im  nhd.  —  pg2)st  papst,  ist  im  sg.  schwach;  zum  pl. ^>cj:>st  vgl.  §  127,2. 

b)   Sächliche  hauptwörter. 

a)   Starke  flexion. 

§  133. 
In  folge  des  abfalls  des  endvocals  sind  die  beiden  klassen 
der  starken  neutra  zusammengefallen.    Die  flexion  ist  dieselbe 
wie  beim  starken  masc;  eine  besondere  casusendung  hat  wie 
dort  nur  der  dat.  pl. 

Pluralbildung.  Der  pl.  wird  in  den  meisten  fällen  auf 
-r  gebildet,  damit  ist  bei  umlautsfähigen  der  eintritt  des  Um- 
lauts verbunden.  Seltener  ist  die  endungslose  pluralform.  Was 
die  qualität  des  umlauts  anbelangt,  so  ist  zu  bemerken,  dass 
dei'  secundäre  umlaut  des  ä  fast  gänzlich  fehlt,  a  =  urspr.  ei 
lautet  bei  neutren  nie  um. 

§  134.    Plurale  ohne  endung. 

Hierher  gehören  swcein  seh  wein  (auch  f.),,  r^a  reh,  rös  ross 
(höfisch  rösr),  tir  tier  (selten),  ^öf,  sif  schiff,  hgr  haar,  lat  leit- 
seil, JchrcpÄts  kreuz,  rceis  reis  (ahd.  hris),  gwör  gewehr,  klmio 
knie ;  äM  eichel  (im  kartenspiel),  iwl  übel,  mittl  mittel,  wundr 
wunder,  tnlr  teller,  yogcär  gitter,  fuir  feuer,  oBisn  eisen,  tsähn 
zeichen,  trwkhn  trank  (substantivierter  inf.).  Vgl.  auch  foln 
fohlen  (urspr.  masc). 

Umlaut  haben  tor  tor  —  tcr\  wo5r  wasser  —  wasr\  Jiöf 
hof  —  höf,  selten  höf)  khlgastr  kloster  —  Mil^astr;  fu^dr  fuder 
—  fiodr  neben  fuQdr;  hsgn  gesang  —  hsafj\  ior  jähr  —  iär, 
bei  Zahlenangaben  durchweg  igr  {tswa  %gr  zwei  jähre). 


§  135  MÜNDART    VON   PERNEGG.  175 

§  135.    Plurale  auf  -r. 

a)  Um  gelautete:  «)  o  —  ö:  so/' schaff  —  s6fr\    pgd  bad 

—  pödr;  rgcl  rad  —  rödr;  Igel  lade  —  lödr\  dgx  dach  —  döhr\ 
glgs  glas  —  glösr:  gros  gras  —  grösr;  grgw  grab  —  gröivr\ 
pigt  blatt  —  plötr\  lihgliv  kalb  —  Jchöhvr;  tgl  tal  —  tölr 
(töldr);  spdtgl  spital  —  spotölr  (neben  schriftspr.  spdtelr);  nigd 
mahd  —  mödr  (mhd.  niät,  vgl.  Schatz  §  121).  —  ß)  g  —  e:  Jgmp 
lamm  —  lemp)-\  gmp  amt  —  em{p)tr\  pfgnt  pfand  —  pfentr; 
pgnt  band  —  pentr;     Ignt  land  —  lentr.  —  y)  9  —  "•  f9^  ^^ss 

—  fäsr  neben  fösr  und  /esr.    —    6)  o  —  ö:  mos  moos  (sumpf) 

—  mösr\    hslös  schloss  —  Jcslösr;     ?pa;  loch  —  löhr;    ;(är  joch 

—  iöhr;    holts  holz  —  höltsr;    folkx  volk  —  fölkhr.  —  t)  gr 

—  er:  ort  ort  —  ertr\  dgrfäort  —  der  fr.  —  C)  u  —  i,  ud  —  id: 
h(hv  deckel  —  liJchr  neben  luJchr]    guot  gut  —  gidtr;  pudx  buch 

—  pidlir:  tudx  tuch  —  tidhr\  heandr  hühner.  kommt  nur  im 
pl.  vor.  —  ?])  au  —  cei:  haus  haus  —  Jia'isr;  maul  maul  — 
mceilr;    khraut  kraut  —  Jchrceiir. 

Aum.  Von  ixmlaixtfähigen  sind  nicht  umgelautet  mgyj-  mark,  liirii  — 
morhr;  m önat  monsit  — mönatr;  ösaj:  (hölzernes)  geschirr  —  ös.^kr;  khläd 
kleid  —  khlädr. 

b)  Nicht  umlautfähige:  Jchint  kind  —  Jckindr;  rint  rind 

—  rindr;  ivcenv  weib  —  UKeiivr;  ments  n.  weibsperson,  dii'ne, 
magd  —  mentsr;  fil  füllen  —  fildr\  fj  vieh  —  flhr]  Mits 
Zicklein  —  l-Jiitsr;  pilt  bild  —  püdr;  feit  feld  —  feldr\  cei 
ei  —  öBir.  Ebenso  gehen  glid  glied,  lidd  lied,  sceit  scheit,  pöt 
bett.  nöts  netz,  ^yröt  brett  Ihxt  licht,  gdpet  gebet,  gicölw  ge- 
wölbe,  gnakx  genick  (pl.  gnalhr),  lisnöpf  Ifrls  verächtl.  gesicht, 
gwixt  gewicht,  Ihrixt  gericht,  u.  a.  (kstiQt  gestüt,  gopirg  gebirg, 
hsöts  gesetz.  bilden  den  pl.  ohne  suffix).  —  Zweisilbige:  hcmot 
hemd  —  Itemdtr;   hönc'homg  —  hönigr;   firtdx  'fürtuch',  schürze 

—  firidhr;  Iceildx  leintuch  —  Iceibhr.  —  Auch  die  neutra  auf 
•nos  (bez.  -nus)  gehören  hierher:  Jcfevgnds  gefängnis  —  kfetig- 
ndsr\  Ixhamnds  geheimnis  (auch  m.)  —  k/tamnosr;  tsceigms 
Zeugnis  —  tsceignosr.  —  Ferner  eine  reihe  von  fi-emdwörtern: 
sahhrament  (als  schelte  auch  mlament,  saprament)  sacrament 

—  saJchramentr;  instrdmcnt  instrunient  —  mstrdmentr\  hclc- 
ment  'element'  (in  mehreren  redensarten  und  vergleichen)  — 
helcmcntr;  testdment  testament  —  tesfomenfr;  khomphmcnt 
compliment  —  klwmpldmentr:     lanlr  lineal  —  lanlrr;    praslet 


176  LESSIAK  §  136.137 

armband  —  prasletr]  j>«>Yre  porträt  —  purtrer;  parpli  para- 
pluie  —  parplir  (-m-);    parisöl  parasol  —  parisölr,  u.  a. 

c)  Dpppelformen:  stulcx  stück  —  stulix,  stiJcJtr  (einzelne 
stücke);    jj/««^  pfund  —  pfunt,  pfunclr  (gewichte);    dw  ding 

—  div,  diuyr  (einzelne  dinge);  ivgrt  wort  —  tvgrt  (worte), 
ivertr  (wörter);    pan  *bein',  knoclien  —  pän,  pandr;    säl  seil 

—  säl,  sälr;  mal  mal,  fleck,  narbe  (mlid.  w?e?7)  —  mfd,  mälr. 
Neben  erh-  ortet-,  orte,  hört  man  zuweilen  auch  gri. 

Z^)   Schwache  flexion. 

§  136. 

Von  urspr.  w-stämmen  gehören  hierher:  aiigaaiige,  öraohr. 
Im  sg.  ist  die  nom.  acc.-form  verallgemeinert  worden.  Der  pl. 
lautet  augv,  gnj.  Das  geschlecht  der  beiden  Wörter  schwankt 
zwischen  ntr.  und  fem.  tvongn  (mlid.  ivange  n.)  ist  nur  fem. 
(vgl.  §  82). 

Dies  scheint  daraiif  hinzuweisen,  dass  wir  das  weihliche  geschlecht 
auch  bei  auga,  ora  als  das  eigentlich  bodenständige  anzusehen  haben;  das 
sächliche  dürfte  iinter  nhd.  einfluss  stehen. 

lierts  herz,  hat  im  nom.  acc.  den  auslautenden  vocal  ver- 
loren. Der  dat.  lautet  gewöhnlich  hertsn,  selten  herts,  der  pl. 
liertsn.  In  der  bed.  'lebzeltherz'  kommt  ein  pl.  hertsr  vor.  Die 
'herzen'  im  kartenspiel  heissen  lierts.  lierts  als  fem.  bedeutet 
'herzkarte'. 

Von  urspr.  starken  neutren  bilden  einen  schwachen  pl. 
ent  ende  —  entn\  artst  erz  —  artstn.  Ferner  folgende  auf  -r: 
luddr  luder  (schelte)  —  hiddru;  mösr  messer  —  mösrfr,  Igstr 
laster  —  Igstm.  fcnstr  fenster.  hat  im  i)l.  meist  die  starke  form 
fenstr,  seltener  fenstru. 

Dieser  gruppe  gehören  auch  sämmtliche  deminutiva  auf  -l 
an :  gläsl gläschen  —  gläsin;    fäsl fässchen  —  fäshi;    uäsl weise 

—  iväsln  etc.  (vgl.  §  85, 1,  b).  Doch  geht  der  pl.  auch  auf  -lan 
aus  (s.  u.),  zumal  wenn  diese  bildungen  noch  als  eigentliche 
Verkleinerungen  gefühlt  werden. 

§  137.    Flexion  der  deminutiva  auf  -le. 
Nom.  acc.  sg.  -le,  (gen.)  dat.  sg.  und  der  ganze  pl.  -lern;  z.  b. 
2)älile  bächlein:  äRt.  pählan,  acc.  j)«/iZe,  \}\.  päldan. 


§  138  MUNDART    VON   PEKNEGG.  177 

Anm.  1.  Die  masc.  bilden  (nach  analogie  der  persönlichen  «-stamme, 
wie  pöhr  bäcker  —  acc.  pöklm)  auch  den  acc.  auf  -lan ;  z.  b.  motdle  Matele 
(vulgarname),  gen.  dat.  acc.  motslan. 

Anm.  2.  Die  flexion  dieser  ableituugeu  ents2)richt,  vom  gen.  sg.  ab- 
gesehen, wo  wir  entweder  analogie  nach  dem  dat.  anzunehmen  haben,  oder 
wo  das  s  nach  demselben  princip  schwinden  musste  wie  bei  den  übrigen 
stark  flectierenden  masc.  (vulgarnamen  s.  §  122,  b,  y),  genau  'der  ahd.  obd. 
dcclinatiousweise,  sg.n.a.  jjahhiU,  [g.2>ah]iil/ues],  ^. pahhiUne;  \A.  \\. -a. pahhi- 
U{n),  g.  pahliiUno,  d.  palilulinum.  Der  dat.  sg.  und  gen.  pl.  mussten  nach 
abfall  der  endvocale  mit  dem  nom.  acc.  pl.,  für  den  wir  die  «-form  voraus- 
zusetzen haben,  zusammenfallen.  Der  dat.  pl.  ist  über  -n{d)n  zu  -n  verein- 
facht worden. 

Bei  den  oben  erwähnten,  mit  der  kurzform  des  -Z-suffixes  gebildeten 
deminutiven  ist  der  dat.  sg.  dem  nom.  acc.  angeglichen  worden.  Der  pl. 
hat  das  -n  lautgesetzlich  bewahrt.    Vgl.  dazu  die  ausführungen  in  §  89. 

c)  Weibliche  hauptwörter. 
Wii"  können  drei  gnippen  imtersclieiden: 
I.  gruppe. 

§  138. 

Die  hierher  gehörigen  Wörter  bleiben  im  ganzen  sg.  und 
nom.  acc.  pl.  unflectiert;  der  dat.  pl.  endigt  auf  -n.  Der  pl. 
ist  mit  wenigen  ausnahmen  umgelautet.  Beispiele:  sg.  maus 
maus,  lihrä  krähe;  nom.  acc.  pl.  mceis,  Ihrä;  dat.  pl.  mceisn,  Mrän. 

1)  Umgelautete.  Diese  abteilung  umfasst:  a)  die  meisten 
umlautfähigen  z- stamme,  ferner  die  u-  und  consonantischen 
Stämme,  die  bereits  im  mhd.  in  die  i-decl,  übergetreten  sind 
(sivösir  Schwester,  gehört  zur  zweiten  gruppe,  pl.  sicöstr)}):  stgt 
Stadt  —  stöt\  fiQxt  nacht  —  naxt\  not  naht  —  nät]  ggns 
gans  —  gens;  hgnt  band  —  hent]  jjgnl^x  bank  —  penlix;  ivgnt 
wand  —  ivent]  ngat  not  —  n^at;  tgdxtr  tochter  —  tedxtr; 
2)runst  brunst  —  prinsi]  prust  brüst  —  prist\  furx  furche 
—  firx\  fruxi  fleucht  (selten)  —  frixt;  /m/'hüfte  —  /«/';  Ixlmnst 
kunst  —  Jchinst]  Jchlxft  kluft  —  khlift;  suxt  sucht  (krank- 
heit)  —  sixt\  uitrst  wurst  —  ivirst;  faiist  faust  —  feeist; 
praut  braut,  grobes  gespinnst  —  pneit]  haut  haut  —  hceit; 
laus  laus  —  Iceis;  p}n3  blute  —  pltd\  JchuJ  kuh  —  Mw;  niiotr 
mutter  —  midtr.  Die  umgelauteten  formen  des  gen.  dat.  der 
i-stämme  sind  überall  durch  die  umlautslosen  des  nom.  acc. 
verdrängt  worden.    Die  subst.  mit  nicht  umlautbarem  stamm- 

BeitrUge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXVIII.  j^2 


178  LES8IAK  §  139 

voca],  aber  aucli  einige  mit  umlautfähigem  flectieren  nach  der 
zweiten  bez.  dritten  gruppe. 

b)  Von  nrspr,  a-stämmen  gehören  hierher  sgas  schoss  (ahd. 
sco^a)  —  .s{'as;  JchJöa  klaue  (ahd.  Mäiva,  chlöa)  —  JiJilea;  holt 
'halt',  Weideplatz  (mhd.  lialte)  —  halt'^  sgg  säge  —  säg;  last 
geleise  (ähd.  Icisa,  mhd.  leise,  doch  auch  leis)  —  Iqast  (das  t 
ist  unorganisch);  mCmr  mauer  —  mceir  (ahd.  müra,  muri). 
Ferner  das  urspr.  masc.  ggtr  gatter,  zauntor  —  gätr.  hglftr 
halfter,  gär  ader,  glnir  almer,  schrank,  JMgftr  klafter,  haben 
im  pl.  doppelformen:  halftr  —  hglftnr,  Cidr  —  gärt)]  almr  — 
ghnrtj;    Milaftr  —  Idügftn)  (bei  zahlangaben  IMgftr). 

Von  schwachen  fem.  schliessen  sich  in  folge  ihres  um- 
gelauteten  pl.  dieser  gruppe  an:  glhm  albe,  ahn  —  alhm\  mgdn 
made  —  mächi;  pntsn  bauchiges  fässchen  —  jj?7s«.  sngMv 
eisenspahn,  hat  im  pl.  snaMu  und  sngJdij. 

2)  Nicht  um  gelautete  bez.  nicht  umlautbare  die  urspr. 
cons.  Stämme:  säu  sau  —  säu  (selten  scei);  gas  geiss  —  gas, 
daneben  g^asr. 

Anm.  Plurale  auf  -;•  haben  von  fem.  noch  irgxt  tracht  —  iraxtr; 
pör  bahre  —  i>«?-^-;  höwii/:>  hebamnie  —  höanwgr  neben  häufigerem  Jiöivuvgdn. 

Ferner  die  «-stamme  Jihrd  (ahd.  h-äja,  s.  o.),  dgrnsl^a  dorn- 
schlehe  (ahd.  sWui),  hoUslög  holzlege,  sint  sllnde  (pl.  sint  neben 
sintp),  sindl  schindel,  schale  (von  gurken,  rüben  etc.).  Ferner 
der  «-stamm  -nösl  nessel  (prenösl  brennessel,  hrnvrnösl  'liaber-', 
taubnessel),  und  sämmtliche  mit  -2)ir,  -pr  beere  (ahd.  heri  n.) 
componierte  Wörter,  z.]}.  paslpir  berberitze,  Ichnmapir  wach- 
holderbeere,  rgajrr  erdbeere,  m-grtspr  heidelbeere,  etc.  Vgl. 
auch  dfrij  'dirne',  magd,  srcein  schrein  (pl.  dfrn,  srcmn)  mit 
stamm  auslautendem  n. 

IL  g nippe. 

§  139. 

Flexion:  der  sg.  ist  endungslos,  der  pl.  lautet  auf  -n  aus; 
z.  b.  sg.  Hrgf  strafe,  pl.  strgfn.  Der  pl,  wird  durchgehends  ohne 
Umlaut  gebildet.    Dieser  gruppe  gehören  an: 

a)  Die  meisten  urspr.  ä-  und  ja-stämme,  zumal  solche  mit 
mehr  abstracter  bedeutung:  rgst  rast,  Jchwgl  quäl,  tvgl  wähl, 
tsgl  zahl,  wgx  wache,  wgxt  wacht,  strgf  strafe,  Igg  läge,  sprgx 


§  139  MUNDART   VON   PERNEGG.  179 

spräche,  Ips  Überlassung,  niessbraucli.  l'för  gefalir,  tvög  wage, 
Ichlpg  klage,  frag  frage,  fgriv  färbe,  si)rg  sorge,  trgg  traclit, 
göiv  gäbe,  gnöd  gnade,  folg  folge,  siidl  schule,  2m9s  busse,  für 
führe,  shtnt  stunde,  sult  schuld,  säd  scheide,  tcüd  weide,  ras 
reise,  mag  schwaig,  sennerei,  mäs  meische,  päs,  pats  beize, 
wgsrlät  Wasserleitung,  maiit  maut,  tsceil  zeile,  sjyceis  Speise- 
kammer, fräs  fraisen  (mhd.  vreise),  swöl  'schwelle',  Vorrichtung 
zum  stauen  des  wassers,  sei  seele,  mcml  meile,  hilf  hilfe,  pit 
bitte,  pflog  pflege,  lös  lösche,  sit  erdauf schüttung,  erdwall,  smirw 
schmiere,  lots  abschied  (-schlag),  ler  lehre,  er  ehre,  höts  'hetze', 
vergnügen,  alis  achse,  7nös  messe,  ivceis  weise,  taf  taufe;  röd 
rede,  hol  hölle.  —  Ableitungen  auf  -iti  (ahd.  -ung,  -imga) :  stiftin 
Stiftung,  pstäti^}  bestattung,  begräbnis,  pridfw  prüfung,  frmin 
firmung,  loasitj  'losung',  erlös,  mäniu  meinung,  etc.  —  AVeiter- 
hin  die  fem.  auf  -iios  (-7ius):  ßnstrniis  finsternis,  hintrnus 
hindernis,  pittrnus  bitternis;  —  auf  -in:  'kfat{d)rin  gevatterin, 
ar^5^m  ärztin,  /er^rm  lehrerin,  u.s.w.;  —  auf  -/,  -r  (ahd. -a?a, 
-ara,  -ila  etc.,  gleichgiltig  ob  urspr.  ä-  oder  aw-stämme):  tvgxtl 
Wachtel,  qJcsI  achsel,  fglchl  fackel,  gnipl  ampel,  mosl  'maser', 
narbe  (zu  mhd.  mäse),  nödl  nadel,  ösl  assel,  töfl  tafel,  göivl 
gabel,  Ichöhl  kachel,  tsgxtl  Schachtel,  tgxtl  dachtel,  khQndl 
kanne,  ]}qpp^  pappel,  hligntsl  kanzel,  Qrgl  orgel,  lungl  hinge, 
Tihulil  küche.  Ichiigl  kugel,  saufl  Schaufel,  gäsl  geisel,  peitsche, 
sihl.  Sichel,  tceiksl  deichsei,  irl  erle,  hähl  hechel,  sisl  Schüssel, 
s^rmc/?  Spindel,  fZns^  drischel ;  ö^r'natter',  schlänge,  ^?p^r  blatter, 
blase,  moltr  (s.  §121,4),  IhlQuq) fr  (lihlompr)  'k\?im\\\^\%  haar 
fetzen,  Irdr  leiter,  födr  feder,  löwr  leber.  —  Ferner  gehört 
hierher  eine  reihe  von  fremdwörtern:  tals  taxe,  prus  brosche, 
sQnts  schanze,  2^f'öiv  probe,  Jihläs  klasse,  jwst  post,  taut  taute, 
panlix  bank,  prants  brauche,  plpg  plage,  pulst  puls,  Ur  uhr, 
atres  adresse,  mdsln  maschine,  fdslt  visite,  patrul  patrouille, 
sös  sosse,  faivrilix  fabrik,  repratur  reparatur,  trafilix  trafik, 
prömits  primiz,  okhtaf  octave  (messe),  Ihasern  kaserne,  prsön 
person,  ptasign  passion,  pQrtsign  portion,  fotografl  Photographie 
(pl.  fotDgrafon),  khgntslm  kanzlei  (pl.  khgntslwisn),  litduwi 
litanei,  töhntmi  dechantei.  Ebenso  gehen  ngrotcei  narretei, 
lumpdrwi  lumperei,  raforcei  rauferei,  stroeitdrcei  Streiterei,  etc. 

Anm.  1.    Die  fremdwörter  auf  -e  wie  Jchamöde  'koraödie',  läi-m,  durch- 
einander. tsiVtörc  cichorie,   wöde  mode,  u.s.w.  bleiben  im  pl.  unverändert. 

12* 


180  LESSIAK  §  140 

Aum.  2.  Von  Jt- stammen  sind  in  diese  gnippe  übergetreten:  khots 
katze  (mild,  katze  sw.  f.),  ffäi<  frau,  hür  hnve,  fots  vulva,  maul  (mlid.  fofse 
sw.  f. ;  vgl.  dag.  fotsn  ohrfeige),  r/p/  galle. 

b)  Die  nicht  iimlautfäliigen  /-stamme:  keix leiche,  begräbnis, 
tscBit  zeit,  lioaxtsdt  hoclizeit,  pceixt  beichte,  srift  schritt,  Icsixt 
geschichte,  sixt  schiclite,  rixt  gericht  (von  speisen),  pflixt  pflicht, 
ivelt  weit;  —  die  ableitungen  auf  -hceit  (-hdt),  -klmit  und  -sgft: 
IhrQukhof  krankheit,  smnliceit  Schönheit,  frdridsloxJchceit  ver- 
driesslichkeit,  ivcrksgft  werkschaft,  UohsQft  liebschaft  u.  a. 

Von  umlautbaren  gehören  hierher  sät  saat,  igF  jagd  (pl. 
iglch)  und  xQJctn),  gopurt  geburt,  orivdt  arbeit,  (jludt  glut,  grt 
art,  tügnU  fügend  (pl.  tn,gntn\  Igst  last,  fgrt  fahrt,  tot  tat, 
slQxt  Schlacht. 

Die  drei  letzten  Wörter  werden  nicht  häufig  gebraucht.  Plurale  von 
gluat  und  ort,  das  (von  der  redensart  af  du  grt  auf  die  art,  abgesehen),  fast 
nur  in  der  bedeutung  'betragen'  vorkommt,  hört  man  sehr  selten.  Igst  wird 
stets  in  übertragenem  sinne:  'beschwerde,  Steuer'  verwendet.  Es  ist  wol 
höchst  wahrscheinlich,  dass  es  sich  hier  zum  teil  um  entlehnungen  handelt 
und  dass  die  pluralbildung  der  meisten  dieser  Wörter  unter  nhd.  einfluss 
steht.  o)jkst  angst,  hat  im  pl.  -n  trotz  des  Umlauts:  eukstn  (vgl.  Schatz 
§  117)- ' 

III.  gruppe. 

§  140. 

Flexion:  der  sg.  endigt  auf  -a  oder  -n,  der  pl.  auf  -n  oder 
-n9n,  z.  b.  sg.  p^^a  biene,  trmi  tasche,  pl.  pmidn,  igsn ;  sg.  stübm 
stube,  pl,  stühmdn. 

Zur  endung  des  sg.  vgl.  §  81  und  88.  Zur  pluralbildung 
ist  zu  bemerken,  dass  einige  Wörter  einen  erweiterten  plural 
bilden,  d.  h.  an  die  vorhandene  endung  -n  noch  ein  -on  antreten 
lassen.  In  der  regel  sind  dies  solche  substantiva,  deren  stamm 
auf  einen  labial  oder  guttural  auslautet,  bei  denen  sich  also 
das  auslautende  n  zu  m  bez.  w  assimilieren  muss:  S6e/6m  scheibe 
—  sceihnidn;  grudhm  grübe  —  grudhmdn\  Jchgppm  kappe  — 
ldigpimidn\  stiogu  stiege  —  stioguen;  i^irw/dw  brücke  —  pruJc- 
h)dn,  etc.  Doch  kommen  daneben  auch  dem  sg.  gleichlautende 
pluralformen  vor.    stübm  hat  regelmässig  stühmdn. 

Die  Ursache  ist  klar:  als  eigentliche  pluralendung  betrachtet  man  -n, 
dagegen  werden  m  und  w  als  abweichend  empfunden.  Diese  Unregelmässig- 
keit sucht  man  zu  beseitigen,  indem  man  an  die  form  des  sg.,  die  gewisser- 
massen  als  grundform  angesehen  wird,  nach  analogie  der  subst.  der  zweiten 
gruppe,  die  regelmässige  endung  anhängt. 


§  Ul  MUNDART   VON   PEHNEGG.  181 

Indes  ist  nicht  bei  allen  W(>rteru  dieser  art  diese  doppel- 
bildung-  in  demselben  grade  beliebt.  Insbesondere  verhalten 
sich  subst.,  die  im  sg.  häufiger  die  a-form  haben,  dagegen  sehr 
ablehnend.  Vgl.  söiva  schabe,  pl.  suhm,  nicht  sghmon;  (/(>rwa 
gerbe,  pl.  ggrlm,  nicht  ggrlmm.  Desgl.  haben  flidga  fliege, 
pga  flügel,  stceiga  steige,  im  pl.  nur  flidgu,  fligu,  stceigu.  Wenn 
diese  abweichende  bildung  des  pl.  zuweilen  auch  bei  Wörtern 
mit  anderem  stanimauslaut  auftritt,  .so  ist  dies  natürlich  über- 
tragen. Vgl.  flpsn  flasche  —  flosudn;  ösn  esche  —  ösnon;  ggsn 
gasse  —  göS7i97i;  iclsn  wiese  —  wlS7i9n;  Jihirtsn  kerze  — 
l'hirtsndn;  Mi stn  kiste  —  khisindu;  ^r/>-ö^^w  bürste  — pirstndn\ 
plötn  platte  — pigtnon;  rceidn  wegbiegung  —  rceidndn\  staucln 
Staude  —  sfaudnon.  Daneben  gilt  überall  auch  die  einfache 
pliu^alform  (vgl.  dazu  §  130,  b,  anm.  und  Scliatz  §  111  ff.). 

§  141. 
Die  dritte  gruppe  umfasst  fast  sämmtliche  an-  und  jan- 
stämme  und  einige  «-stamme.  Eine  strenge  Scheidung  nach 
der  Stammeszugehörigkeit  lässt  sich  nicht  in  allen  fällen  durch- 
führen, da  schon  im  alid.  vielfach  schwanken  zwischen  starker 
und  schwacher  flexion  besteht. 

a)  Von  urspr.  starken  seien  angeführt:  mgrlia  {-n)  'mark', 
grenze,  sara  schere,  fllga  flügel,  stceiga  hühnersteige,  tviinta 
wunde,  rintn  rinde,  rudiva  rübe,  griobm  grübe,  cm  (selten  cra) 
erde,  strpsn  Strasse,  hadit  beide,  pruliku  brücke,  rippm  rippe, 
Söhn  Sache,  hittn  hütte,  solhm  salbe,  staudn  (selten  sfauda) 
Staude,  Jchistn  kiste,  fuagu  fuge,  Ihlausn  'klause',  engpass. 

b)  Eine  grössere  anzahl  schwacher  feminina  habe  ich  be- 
reits in  §  81  angeführt;  es  wären  noch  folgende  zu  erwähnen 
(ich  gruppiere  sie  nach  der  häuflgkeit  der  singularformen; 
selbstverständlich  kann  es  sich  dabei  um  keine  feste  grenz- 
bestimmung  handeln:  das  Verhältnis  ist  ja  bei  den  einzelnen 
alters-  und  Standesschichten  der  bevölkerung  recht  schwankend): 

Gewöhnlich  haben  die  singularendung  -a:  spudla  spule, 
n<jla  ahle,  fmla  feile,  röla  mangel,  glättrolle,  stöla  Stellage, 
muhi  schmolle,  das  weiche  im  brote,  uira  dämm  zum  ableiten 
des  Avassers,  mara  brombeere,  plra  birne,  loiira  leier  (neben 
^ffiir),  wöna  wanne,  tsäna  (buckel-) korb,  p'ma  bühne,  rona 
rande.   rote  rübe,    seana  i'otlauf   (zu  'schön'),    Jchrpaiin  kröne, 


182  LESSIAK  §  142 

Mlouinia  klamm,  lumma  liamme,  hmva  'habe',  lienkel,  swQliva 
schwalbe,  rudiva  rübe,  tsivöspa  zwetsclike,  grceipa  griebe,  tsr^apa 
scberbe,  lijügatsa  gedörrte  birne,  föla  (pult-)  decke],  (jritta  beiii- 
winkel,  grätsche,  stroulca  bohnenschote,  f(.üi(ja  feige. 

Häufiger  -n  als  -a  haben  yrnla  perle,  sola  sohle,  sela  schelle, 
sngla  schnalle,  ivöla  wolle,  iidJa  Vertiefung  (mhd.  tüele),  JMuppa 
kluppe,  sratifa  schraube,  sliucja  schlinge,  khlwga  klinge,  klirukha 
knicke,  spelta  geklobenes  zaunbrett  (mhd.  spelte),  ixjrta  hacke, 
harte,  nidta  niete,  grata  gräte,  Iota  latte,  pflgntsa  pflanze, 
Ichrötsa  kratze,  ivgntsa  wanze,  taiiiva  taube. 

Sehr  selten  hört  man  die  a-formen  bei  piiohn  buche,  fceixtn 
tichte,  piyJchn  birke,  leyJm  lärche,  siippm  suppe,  pitnj  bürde, 
sudhn  erdrinne,  furche,  Jchglbm  kalbin  (mhd.  kalbe),  studtn  stute, 
m'irhn  mähre,  gürn  gurre  (sj-nonym  mit  dem  vorigen). 

Durchweg  -n  haben  ään  Qg^^  (pl.  auch  ädnon  neben  ädn), 
hhrippm  wagenkorb,  krippe,  tvgltsn  walze,  spritsn  spritze,  sensu 
sense,  u-iogu  wiege,  paukJin  pauke,  sivgrtn  schwarte,  pintn  binde, 
ngsn  nase,  gsn  asche,  lösn  lasche,  girtn  gerte,  sceihm  Scheibe, 
gr^adn  holzdriste  (mhd.  grede),  stuppm  blütenstaub,  pulver, 
lelilin  schaden,  lahm  'laube',  vorhaus,  supfn  schuppen,  Wiceihn 
gefängnis  (mhd.  lache),  stiogn  stiege,  keixtn  kleiner  wandkamin, 
ögrtn  brache  (mhd.  egerte),  fräfn  waldblösse  (mhd.  vräte),  rlsn 
runse  zur  holzbeförderung,  pr^lni  brache,  u.a.m.  Dasselbe  gilt 
von  den  meisten  modernen  fremdwörtern,  z.  b.  tsigäm  cigarre, 
poletn  bollette,  aprilchüsn  aprikose,  satiiln  Schatulle,  tatsn  'tasse', 
Untersatz,  präsentierteller  (it.  taz^a),  partsein  parzelle,  khaputsn 
kapuze,  markhn  marke.  Doch  vgl.  mäsa  masse,  wäta  watte; 
hier  hat  auch  die  Stadtsprache  -a.  Bei  khäsa  kasse  (cassa), 
tvlla  villa,  imlklia  polka,  ist  das  -a  natürlich  direct  entlehnt. 

Anm.  1.  Im  allgemeinen  gilt  bei  der  übernähme  fremder  in  der  Schrift- 
sprache auf  -e  endigender  Wörter  die  regel,  dass  concreta  nach  dem  muster 
der  schwachen  fem.  fiectiert  werden,  also  die  «-formen  erhalten,  während 
bei  Wörtern  mit  mehr  abstracter  bedeutuug  das  auslautende  -e  im  sg.  ab- 
gestossen  wird,  d.  h.  sie  werden  der  gruppc  II  angereiht  (vgl.  etwa  khontröl 
controle,  ras  [auch  nits]  rasse,  Mrapats  Strapaze,  und  die  bereits  in  §  139 
erwähnten  taks,  prmo  etc.). 

§  142. 
Von  urspr.  f-stämmen  sind  folgende  zur  schwachen  decli- 
nation  übergegangen:  anta  ente,  ftnvdsa  erbse,  nisa  niss,  nüsa 


§  143  MUNDART   VON  PERNEGG.  183 

nuss,  uioisa  würz,  wiirzel,  ahn  eiche,  trötn  tratte,  Viehtrift 
(mhd.  trat),  studtn  Stute,  kJiröftn  ki'aft,  vgl.  auch  hurhsa  hornis. 
smln  Säule,  hat  im  sg.  die  uebenform  sceü. 

In  den  meisten  fällen  dürften  die  flectierten  formen  des  gen.  dat.  die 
veranlassung  zum  übertritt  gegeben  haben;  sicher  ist  dies  bei  khröftn,  sceiln 
(die  uachbarma.  kennen  zum  teil  noch  die  alte  nom.-acc.-form  sauJ,  mhd. 
siiJ).  Avahrscheinlieh  auch  bei  anta  der  fall. 

Die  fem.  abstracta  auf  -n  (s.  §  86)  bleiben  im  sg.  und  pl. 
unverändert.  Sie  sind  also  völlig  mit  den  aw-stämmen  zusammen- 
gefallen. Uebrigens  kommen  plurale  nur  bei  tvceitti  Aveite,  und 
ti9fn  tiefe,  vor.  Die  endungslosen  bleiben  im  sg.  unflectiert. 
Einen  pl.  bildet  greas  grosse  —  grcasn.  Die  übrigen  absti'acta 
werden  nur  im  sg.  gebraucht.  Alle  casus  lauten  gleichmässig 
auf  -e  bez.  -a  aus. 

Anm.  Von  den  Wörtern  mit  n  in  der  ableitungssilbe  (ahd.  -ana,  -ina 
etc.)  bildet  khötii  kette,  den  pl.  regelmässig  auf -3/;:  khöinax.  pidtii  bütte, 
hat  jmttndu  neben  2n(ttH.  Bei  den  übrigen  fem.  dieser  art  lautet  der  pl. 
gleich  dem  sg.  (die  beispiele  s.  §  88). 

B.    Das   adjectiv. 

1)  starke  flexion. 

§  143. 
Das  adjectiv  tiectiert  ohne  artikel  f olgendermassen  : 

sg. 


masc. 

neutr.                fem. 

nom 

.  ffiotr 

gu9ts  (Jchla)           giote 

dat. 

gudtn 

guatn                     gustr 

acc. 

gtidtn 

gu9ts  {khla)           giote 

pl. 

aller  geschlechter:  nom.  giott 

dat.    giotn 

acc.    giott. 

In  Verbindung  mit  dem  unbestimmten  artikel  flectiert  das 
adj.  im  sg.  in  der  oben  angegebenen  weise  bis  auf  den  dat. 
fem.:  andr  yuDtn  einer  guten. 

Die  flexion  des  sg.  masc.  und  neutr.  entspricht  genau  der  des  mhd. 
—  Das  -m  des  dat.  musste,  weil  im  auslaut  einer  schwächt onigen  silbe 
stehend,  zu  -«  werden  (vgl.  §  99).  —  Das  -t^  des  nom.  sg.  fem.  ist  die  regel- 
mässige entsprechung  des  mhd.  -/?<  (vgl.  §  89).  Der  aec,  der  eigentlich  ohne 
endung  erscheinen  sollte,  ist  dem  nom.  angeglichen  worden.  —  Im  dat.  sg. 
fem.  herscht  nach  dem  unbestimmten  artikel  die  schwache  tlexion,  die  auch 
im  mhd.  neben  der  starken  gilt.     —   Ob  wir  auch  für  de)i  dat.  masc.  und 


184  LESSIAK  §  143 

iieutr.  üi  tliesem  falle  schwache  formen  vorauszusetzen  haben,  lässt  sich  von 
rein  lautlichem  Standpunkt  aus  nicht  mehr  entscheiden,  da  hier  die  starke 
und  schwache  form  zusammengefallen  sind.  —  Im  nom.  acc.  pl.  wurde  die 
neutralenduijg  verallgemeinert. 

Im  dat.  pl.  hat  das  attributive  adj.  nacli  präpositionen 
in  der  regel  die  nom.-acc.-endung  -e  statt  -n,  z.  b.  mit  plgase 
fidsii  mit  blossen  fassen,  j^ce^  mere  grtn  an  mehreren  orten,  fgr 
änige  stuntn  vor  einigen  stunden,  selten  mit  plgasn  fidsn,  etc. 

Es  ist  daran  zu  erinnern,  dass  die  präpositionen,  welche  im  sg.  den 
dat.  regiereu,  im  pl.,  wenn  auch  nicht  gerade  besonders  häufig,  so  doch  ab 
und  zu  mit  dem  acc.  verbunden  werden.  Man  kann  auch  sagen  mit  plgase 
fi9s,  pcei  mere  ort,  u.s.  w.  Die  obgenannten  fälle  sind  also  wol  als  eine  art 
compromissbildung  zu  betrachten. 

Die  sog.  'unflectierte  form'  hat  sich  im  neutr.  (nom.  und 
acc.)  einiger  adjectiva,  die  in  pausa  auf  -n  auslauten,  erhalten, 
und  zwar  nur  in  Verbindung  mit  Substantiven,  die  consonan- 
tisch  anlauten.  Es  sind  dies  die  adjectiva  s(^an  schön,  JcJiJan 
klein,  und  die  mit  dem  suffix  -tu  gebildeten.  Das  auslautende 
-n  ist  indiesem^falle  geschwunden  (vgl.  §  112,  3);  z.  b.  s^a  wötr 
schön  wetter,  a  s^a  dirndle  ein  schönes  mädel,  a  IcJila  pidwle 
ein  kleines  bübleiu,  a  IMa  {s^a)  hceisle  ein  kleines  (schönes) 
bauschen,  sivceina  flceis  schweinernes  fleisch,  liaivraprüt  'haber- 
nes'  brot,  u.  a. 

Der  gebrauch  des  adjectivs  ohne  artikel  ist  im  sg.  ziem- 
lich beschränkt  (vgl.  Schatz  s.  146).  Er  findet  sich  1)  in  der 
anrede:  du  tummr  du  dummer  {du  tummr  tep  du,  du  tep  du 
tiimmr),  lidtvr  fgtr,  lidive  mudtr,  lidbs  sgtsdle  lieber  vater,  liebe 
mutler,  liebes  schätzelein,  ivinddSr  Igle  windischer  querkopf, 
icähsr  Jchatslmghr  JcuMu  wälscher  katzenmacher  kucku!  (spott- 
ruf an  die  Italiener);  —  2)  in  redensarten  wie  gudtr  rgt  is 
Icei  seltn  guter  rat  ist  nur  selten,  etc.;  in  kinderreimen,  z.  b. 
grgase  wähni,  grgase  tsent,  JcJiindr  tsdn  tsdrmisn^  —  3)  in  Ver- 
bindung mit  gewissen  Substantiven:  Mrgivötdse  Iceimdt  kroa- 
tische leinwand,  slcxts  ivötr  schleclites  wetter,  sidse  mihx 
süsse  milch,  saurr  räm  saurer  rahm,  fmine,  gudte  wgr  feine 
gute  waare,  tirJcone  pdlentn  maispolenta,  ivcPÄsr  wcein  (is  pösr 
icid  rgatr  oder  dr  rgate)  weisser  wein  (ist  besser  als  roter), 
saurs  Jchraut  saures  kraut,  fns9s  flceis  frisches  fleisch;  mit  grgasr 
mid  mit  grosser  mühe,  mit  hülr  haut  mit  heiler  haut,  pd  hsuntn 
frstgnt  bei  gesundem  verstand,  mit  rgatr  tintn,  fgriv  mit  roter 


§  144  MUNDAUT   VON   PERNEGG.  185 

tinte,  färbe,  tiQx,  fgr  longr  tscvlt  nach,  vor  langer  zeit,  fo  söthnr 
ggtiu  von  solcher  gattung,  on  grgasr  iiQat  in  grosser  not,  u.a.m. 
In  adverbialer  Verwendung  kommt  die  erstarrte  form  des 
nom.  sg.  masc.  vor,  z.  b.  tgatr  h(^mp{t)se  in  l-funtn  sie  haben  ihn 
tot  gefunden,  ivänontr  ise  furhgu  weinend  ist  sie  fortgegangen, 
plintr  'khQm{m)r  se  fg-ngon  blind  kann  man  sie  fangen,  er  is 
drhitstr  tsicögn  Miöm  utit  hots  plr  Jchglfr  gdtnwJihn  er  ist  er- 
hitzt daher  gekommen  und  hat  das  hier  kalt  (als  ein  kaltes) 
getrunken,  er  hgts  glqantigr  gngdgrifn  er  hat  es  als  ein  glühen- 
des angegriffen. 

Anm.  Von  participialforinen  wie  st^antr  ßt^an3ntr)  stehend,  löhntr 
lachend,  sitsntr  sitzend,  hlöfntr  schlafend,  hez.  frprentr,  drtsaustr  in  ver- 
hranntem,  zerzaustem  zustande,  etc.,  wurde  das  -r  bez.  -tr  als  selbständiges 
bildungssuffix  abstrahiert  und  auf  wirkliche  adv.  (zumal  erstarrte  genetive) 
übertragen;  vgl.  ondrUr  änderst,  polostr  (mhi.  baldes),  /sö6ws/r  (zu)  abends, 
söfltr  soviel,  sistr  sonst  (neben  sist),  u.  s.  w.  (vgl.  §  122,  b). 

2)    Schwache  flexion. 

§  144. 
In  Verbindung  mit  dem  bestimmten  artikel  flectiert  das 
adj,  im  sg.  in  folgender  weise:  beisp.  dr  guote  der  gute. 


masc. 

ueutr. 

fem. 

nom.  dr  gudte 

s  gudU 

dö  giote 

dat.    9n  guain 

dn  gudtn 

dr  gu9tn 

acc.    an  gudtn 

s  gndte 

du  gudU. 

Im  pl.  hat  das  adj.,  sowol  wenn  es  mit  dem  bestimmten 
als  mit  dem  unbestimmten  artikel  verbunden  ist,  durchweg  die 
endung  -n. 

nom.  acc.  du  (ane)  giidtn 

dat.  an  {an  bez.  ane)  gtutn. 

Den  mhd.  Verhältnissen  entsprechen  eigentlich  nur  die  n-formen.  In 
den  übrigen  fällen  wäre  mit  ausnähme  des  acc.  fem.  sg.  enduugslosigkeit 
zu  erwarten  (vgl.  Schatz  §  129).  Als  ausgangspunkt  für  die  Verallgemeine- 
rung des  -j  müssen  wir  den  nom.  (und  acc.)  des  starken  fem.  betrachten. 
Sicherlich  fand  eine  aiisgleichung  zuerst  beim  weiblicheu  geschlecht  statt; 
von  hier  wurde  das  -e  auch  auf  das  masc.  und  neutr.  übertragen.  Es  ist 
kaum  anzunehmen,  dass  die  Schriftsprache  irgendwelchen  eiufluss  auf  die 
ausgestaltung  der  Verhältnisse  genommen  hat,  wiewol  ja  die  auffallende 
Übereinstimmung  mit  der  nhd.  flexionsweise  diese  Vermutung  sehr  nahe 
legt.  Dagegen  spricht  vor  allem  die  weite  Verbreitung  dieser  erscheinung, 
die  unter  der  erwähnten  Voraussetzung  kaum  begreiflich  wäre;   denn  von 


186  LESSIAK  §  145.146 

eiuer  eiuwirkung  seitens  der  Schriftsprache  kann  doch  erst  in  allerjüngster 
zeit  die  rede  sein.  Mit  dem  Perneggerischen  stimmen  in  dieser  hinsieht 
nicht  nur  die  meisten  kärntnischen  ma..  sondern  auch  ein  bedeutender  teil 
der  übrigen  bair.-österr.  dialekte  überein,  nur  hat  die  mehrzahl  -/  für  unser  -e. 
Ich  verweise  da  besonders  auf  den  aufsatz  von  ^I.  H.  Jellinek,  Ein  capitel 
aus  der  geschichte  der  deutschen  granimatik  (Abh.  zur  germ.  philologie, 
festgabe  für  E.  Heinzel,  s.  31  ff.). 

Anm.  In  der  Püttner  ma.  (Nagl,  Koanad,  v.  184,  s.  150)  stellen  beide 
formen,  die  auf  -/  und  die  regelmässig  entwickelte  (mit  apokope  des  end- 
vocals  und  Verschärfung  des  auslautenden  consonanten)  nebeneinander. 

§  145.    Abweichungen  in  der  flexion. 

1)  Bei  einigen  adj.  (pronominaladj.),  deren  stamm  auf  -n 
auslautet,  schiebt  sich  vor  der  endung  -r  ein  d  als  übergangs- 
laut ein.  Die  beispiele  sind  unter  25,  b  angeführt;  vgl.  auch 
soldr  solcher,  gUrlignt  allerhand;  sonst  ist  bei  -Ir  der  übergangs- 
laut meist  aufgegeben;  docli  zuweilen  toldr  toller,  foldr  voller. 

2)  Bei  adj.  auf  -n  verschmilzt  das  -n  der  flexionsendung 
völlig  mit  dem  stammauslaut.  Es  heisst  also  s^an,  Jchlän,  dm 
für  se^an{9)n,  Ji]ilän{d)n,  din{d)n  schönen,  kleinen,  dünnen,  etc. 
Nur  im  pl.  hört  man  hie  und  da  die  nach  analogie  der  übrigen 
adj.  'reconstruierten'  zweisilbigen  formen.  Stets  sagt  man 
engdn,  Igngon  engen,  langen  (zeit!.),  nicht  'How,  eh  (vgl.  dagegen 
§27,c). 

3)  Adj.  auf  -s,  -ts,  -s  und  -lix  wie  grcjas  gross,  lots  schlecht, 
fris  frisch,  storlcx  stark,  bilden  den  nom.  acc.  neutr.  sg.  regel- 
mässig auf  -ds:  groasds,  lötsos,  frwos,  stgrlihos.  Dasselbe  gilt 
vielfach  auch  von  adj.  auf  -x:  rmhds,  ivähds  neben  rceixs, 
ivaxs  reiches,  weiches.  Selten  hört  man  zweisilbige  formen 
bei  adj.  auf  -iv.  lidivds,  grUivds,  gewölinlicher  lidbs,  gröhs  liebes, 
grobes. 

Der  grund,  warum  hier  der  zwischenvocal  erscheint,  liegt  im  Charakter 
der  auslautenden  consonanten.  Im  ersten  falle  müsste  die  endung  schwinden, 
im  zweiten  müsste  das  -kx  zu  Je  werden,  M'odurch  eine  differenz  zwischen 
dieser  und  den  übrigen  formen  entstünde;  ähnlich  sind  die  übrigen  fälle 
zu  beurteilen,    xs  ist  eine  ungewöhnliche  Verbindung. 

§  146. 
Von  der  flexion  des  gewöhnlichen  attributiven  adj.  unter- 
scheidet  sich  die  der  pron.  a(n)  ein,  l-ha(n)  kein,  und  aller 
Possessivpronomina   (vgl.  §  152)  dadurch,  dass  diese  im  nom. 


§  147  MUNDART   VON    PERNEGG.  187 

sg.  aller  geschlechter  und  im  acc.  sg.  neutr.  und  fem.  unflectiert 
bleiben  (auslautendes  -n  fällt  hier  nach  §  112,3  vor  consonan- 
tischem  anlaut  ab).  Beispiele:  ä{n)  ein  (als  artikel  kurz,  als 
Zahlwort  lang),  fr  ihr,  iinsr  unser. 

nom.  masc.  luid  noiii.  acc.  fem.  neutr.  ä  (an),  ir,  unsr. 
dat.  acc.  masc.  und  dat.  neutr.  an,  im,  imsrn. 
dat.  fem.  änr  (andr).  tri;  misri: 

In  nicht  attributiver  Stellung,  im  pl.  auch  in  attributiver, 
flectieren  sie  wie  gewöhnliche  starke  adj.  In  Verbindung  mit 
dem  bestimmten  artikel  stimmt  ihre  flexion  völlig  mit  der  des 
schwachen  adj.  überein  [*«ww,  *mcemn  einen  (einem),  meinen 
(meinem),  erscheint  nach  obiger  regel  stets  als  an,  mcein  etc.]. 
Im  dat.  pl.  wird  nach  präpositionen  gewöhnlich  die  acc.-form 
des  attributiven  pronominaladjectivs  angewendet  (vgl.  §  143); 
z.  b.  mit  ane  {mceine)  Jchindm  mit  'einen'  (meinen)  kindern, 
statt  mit  an  {mcein)  Ihindrv.  Dagegen  heisst  es  stets  mwin 
Tihindrn  meinen  kindern,  hin  mcein  Jihindru  allen  meinen  k.,  dn 
an  Tihindva  'den  einen',  d.h.  jenen  k.  Die  umschriebenen 
formen  lauten  dn  mceine  (oder  mcein)  Jchindr»  bez.  dn  mceine 
Jchinclr;  dn  ^le  tnceine  (oder  gln  mcein)  Jchindrn  bez.  dn  öle  mceine 
khindr;  dn  dö  an  ]ihindr{tj)  (hier  ist  ane  unmöglich,  weil  ja 
der  bestimmte  artikel  vorausgeht), 

§  147. 

Eine  besondere  declinationsweise  haben  die  adj.  auf  -la 
{*-lich).  Sie  flectieren,  als  ob  die  pausaform  auf  -lan  ausgienge. 
Beispiel  hamla  heimlich:  hamlanr  heimlicher,  hamlane  heim- 
liche, hamlans  heimliches,  hamlan  heimlichen  (heimlichem).  Vgl. 
noch  dr  gceistlanc  bez.  (jceistldn'e  der  geistliche  (der  suffixvocal 
schwankt  in  der  flexion  zAvischen  a  und  d). 

Zu  erwarten  wäre  eigentlich  hamluhr,  handahc  etc.  Da  aber,  wie  ich 
.schon  oben  in  §  115, 4,  b  ausführte,  diese  Wörter  ursprünglich  nur  adverbial 
verwendet  worden  zu  sein  scheinen  und  das  auslautende  -x  in  isolierter 
Stellung-  überall  abfiel,  musste,  weil  eben  formen  mit  inlautenden  .<•  fehlten, 
das  bewusstseiu  für  diesen  laut  schwinden,  nachdem  er  einmal  nicht  mehr 
vorhanden  war.  .Jedesfalls  haben  wir  von  der  form  hamla  auszugehen. 
Die  Verallgemeinerung  des  it  dürfte  von  den  casus  auf  -/(  (haiiila-)i  heim- 
lichen) ausgegangen  sein.  Wie  iean  'schön'  oder  'schönen'  heissen  kann, 
so  kann  auch  hamlan  als  hamla-n  oder  hamlan-n  aufgefasst  werden,  d.h. 
man  kann  nach  dieser  analogie  das  n  auch  als  zum  stamme  gehörig  be- 
trachten.    Uebrigens  ist  es  auch  möglich,  dass  man  sich  einfach  die  flexion 


188  LESSIAK  §  148 

der  pronomina  a,  Icha  etc.  zum  Vorbild  nahm,  wo  ja  ebenfalls  in  demselben 
paradigma  formen  mit  und  ohne  n  nebeneinander  stehen.  Vgl.  anch  a  khla 
plsl  neben  a  Jchlans  plsl  ein  kleines  bisschen,  n.  ähnl.') 

Die  adj.  auf  -l  bilden  ihr  adv.  auf  -(l)a  (vgl.  §  90, 2,  a,«): 
rögl  —  rögla  locker,  stiJchl  —  Stikhla  steil,  mtl  —  oeiüa  leer, 
fad.  Die  flexion  kann  entweder  von  der  einen  oder  der  anderen 
form  ihren  ausgang  nehmen.  So  gelten  nebeneinander  a  stihhU 
Iceitn  und  a  stikJddne  l.  eine  steile  halde,  a  röglr  tsgnt  und  a 
rügldnr  f.  ein  lockerer  zahn,  an  ceitls  (ceiths)  ösn  und  an  aitldns 
ö.  ein  fades  essen,  etc. 

Diese  doppelheit  gab  die  veranlassung,  dass  auch  die  adj. 
auf  -a  (vgl.  §  83)  öfter  so  flectiert  werden,  als  ob  die  grund- 
form  "^qadan,  '^pl^adati  etc.  lautete.  Neben  an  ^ads,  a  pl^ads 
ein  'ödes',  ein  'blödes',  a  läsr  ein  nachlässiger,  hört  man  auch 
an  ^adans,  a  pl^adans,  a  läsdnr  u.  s.  w.  Nur  die  «-formen  hat 
das  fremdwort  eJcstra  extra:  an  elistranr  ments  ein  besonderer 
mensch,  an  ekstrans  ösn  ein  extrafeines  essen.  Auch  nöwl 
nobel,  Mlöivr  knapp,  schwach,  flectieren,  obwol  es  dazu  keine 
adverbien  *nöwla,  *kJilötura  gibt,  gewöhnlich  in  dieser  weise: 
a  nöwhnr  her  ein  nobler  herr,  neben  nöivlr\  a  Mlöwr{d)ne'  stunt 
eine  schwache  stunde,  neben  JcJdöivre.  Wir  haben  es  also  hier 
mit  ausätzen  zur  entwicklung  einer  neuen  flexionsweise  der 
adj.  zu  tun. 

Anm.    Die  Hexion  der  part.  praes.  und  praet.,  der  comparative  und 

Superlative   deckt   sich   vollständig   mit   der   des   ge\Yühnlichen   adj.  Der 

Superlativ  erscheint  stets  in  Verbindung  mit  dem  bestimmten  artikel.  Das 
part.  'praes.  wird  ausserordentlich  selten  attributiv  verwendet. 

Steigerung  des  adjectivs. 

§  148. 
Der  comparativ  wird  mittels  des  suffixes  -dr,  -r  gebildet: 
ivceitr  weiter  (a  ivceitrr  ein  weiterer,   der  ivceitre  der  weitere, 


1)  Diese  flexionsweise  der  adj.  auf  -la  rindet  sich  in  allen  mir  be- 
kannten Kärntner  ma.  Ich  kenne  sie  auch  aus  Zarz  und  aus  Gottschee. 
Im  Gottscheeischen  ist  das  n  auch  in  die  adverbialform  eingedrungen: 
harlain  (bez.  warlain)  wahrlich,  vaintlain  (=  ma.  fceintla)  'feindlich',  sehr, 
ungemein,  etc.,  so  dass,  was  den  ausgang  anbelangt,  das  suffix  -Uch  mit 
-m  zusammenfiel  (vgl.  guldain  golden,  zilhrain  silbern,  u. s.w.).  Die  Ver- 
mutung, es  seien  urspr.,  dem  mhd.  -Ikhc  und  -liehen  entsprechend,  formen 


§  148  MUNDART    VON    PERNEGG.  189 

a  ivwitrs  ein  weiteres,  etc.),  MJ<^anr  kleiner  (a  IMeanorr  ein 
kleinerer,  dr  l-hlQandre  der  kleinere,  a  hhlqanrs  ein  kleineres, 
an  Ml^anrn  einen  kleineren). 

Ob  das  Suffix  in  der  flexion  als  ->•-  oder  -dr-  erscheint, 
liängt  vom  Charakter  des  (stamm-)  auslantenden  consonanten 
ab.  Man  sagt  in  der  regel  -tre,  -dre,  -fre,  -sre,  -yre\  aber  -iv9re', 
-pdre,  -l-9re,  -tsdre,  -lidre,  hhdre,  -mdre,  -ndre,  -vgore,  -Idre,  -r9re; 
z.  b.  spötre  spätere,  lisceidre  gescheitere,  ulfre  lebhaftere,  j)ösre 
bessere,  'irgre  ärgere  (doch  auch  spötdre  etc.),  aber  lidivdre  liebere, 
rceihdre  reichere,  u.s.w. 

Im  comp,  zweisilbiger  adj.  auf  -r  wird  das  r  des  Suffixes 
bei  antritt  der  flexionsendungen  -5  und  -n  zu  d  vocalisiert;  z.  b. 
»wö^n- magerer:  a  w«ö(7)-as  ein  magereres,  an  mögrdn  einen  mage- 
reren. Der  stark  flectierte  nom.  sg.  masc.  heisst  mögdrr  magererer. 

Zuweilen  wii'd  der  comp,  mit  doppelter  endung  gebildet: 
s^andrr,  Jchl^anorr  statt  s^anr,  IM^anr  schöner,  kleiner.  Gewöhn- 
lich ist  dies  dann  der  fall,  wenn  der  comp,  neben  einem  mit  der 
flexionsendung  -r  versehenen  positiv  steht.  A  sagt  z.  b.  dgs 
is  a  sQanr  das  ist  ein  schöner,  B:  der  is  Qtvr  nox  seanorr  der 
ist  aber  noch  schöner(er);  hier  wird  also  von  der  flectierten 
form  als  grundform  des  positivs  ausgegangen.  Die  adj.  auf 
-la  bilden  den  comp,  auf  -lar  oder  -lanr  {-bnr);  z.  b.  drätla 
schnell,  drätlar  oder  drätkmr  (dräthnr)  schneller,  fiötcl  nobel, 
fein,  hat  7iöwlr  und  nöwlrnr;  letzteres  ist  eine  compromissform 
aus  ^nUwldnr  (vgl.  oben)  und  nüivlr. 

Dem  Superlativ  kommt  das  suffix  -dst,  -st  zu;  z.  b.  dr 
(da,  s)  ivmitdste,  linvoste,  sqandste  der  (die,  das)  weiteste,  liebste, 
schönste;  adv.  dn  ivwitdstn,  lidivostn  etc.  am  weitesten,  liebsten. 
Die  kurzform  des  suffixes  herscht  bei  adj.  auf  -ig,  -har,  -sam, 
z.  b.  tswitiJiste  zeitigste  (reifste),  hwiliJiste  heiligste,  donhrpgrste 
dankbarste,  sporsomste  sparsamste,  und  einigen  isolierten  Super- 
lativen: erste  erste,  j9(>5^e' beste,  lotste  (löste)  letzte,  naJcste  nächste; 
ferner  bei  gre^aste  grösste,  h^aJcste  höchste  (neben  hqahdste),  leuJcste 
längste,  Jchleanste  kleinste  (neben  khlQanostc),  roiixste  reichste 
(neben  rceihdste).  Selten  öwrste  oberste,  nntrste  unterste,  hin- 
trste  hinterste,  fudrste  vorderste,   für  oivrdste  etc.    (individuell 


anf  -la  und  -lau  nebeneinander  gestanden,  mnss  fallen  gelassen  werden, 
denn  *-Uchen  hätte  sich  doch  unmöglich  zu  -/«»  entwickeln  können. 


190  LESSIAK  §  149 

mag-  sie  unter  dem  einfluss  der  stadtsprache  auch  bei  einigen 
anderen  adj.  zur  Verwendung  kommen).  Bei  zweisilbigen  adj. 
auf  -r,  -l  und  solchen  auf  -ot  (mhd.  -cht,  -oJd),  kommen  beide 
formen  vor,  z.  b.  tsiculrste,  tsivulrdste  'zuwiderste',  lästigste, 
twTxhldsie,  tiuMlste  dunkelste,  slgmpdtostc,  slompdtste  schlampigste. 
Sonst  wird  in  der  regel  nur  -dst  gebraucht,  auch  bei  adj.  auf 
-ds{-isch),  z.b.  fem35^tf'törischeste',  taubste,  gmtosdsU  gfüzig^t^ 
(gceÜD.s  geizig),  Qlhfätrdsjste  'alt(ge) väterischeste',  altertümlichste. 

Anm.  Die  adj.  auf  -la  bilden  den  sup.  (dem  comp,  entsprechend)  auf 
-last  oder  -lanst  (-hnst),  z.  b.  dn  drütlustn,  an  drätUnstn  am  schnellsten. 

§  149. 
Die  umlautfähigen  adj.  lauten  im  comp,  und  sup.  meistens 
um.    Ich  gruppiere  sie  nach  den  stammvocalen. 

a)  0  —  ö  (^):  Qlt'dM,  öltr,  öltdst-\  ÄfWzöZ  schmal,  smölr,smöldst-\ 
hliQlt  kalt,  Jchöltr,  JchöltJst-;  sivox  schwach,  swöhr,  swöhost-;  Qrhni 
(()rm)  arm,  'irmr,irmost-\  %/ scharf,  sirfr,  sirfdst-;  stgrJcx  stSirk, 
st'irkkr,  st'irJchdst-;  swQrts  schwarz,  sivirtsr,  swirts9st-\  mggr  mager, 
mögrr,  mögrost-;  —  q  —  a:  hgrt  'hart'  (in  übertragener  bed. 
schwierig,  drückend;  hart  in  eigentl.  sinne  heist  hirt  =  mhd. 
Jierte),  hartr,  hartdst-]  ■ —  g  —  e:  Ign  lang  (zeitl.),  lengr,  let)hst-. 
Mit  ausnähme  von  glt  und  Igii  werden  daneben  überall  auch 
die  nicht  umgelauteten  formen  gebraucht,  doch  seltener,  z.b. 
sniglr,  sniöhst-;  stgylchr,  sfgrlchdst-  etc.  ngs  nass,  MrgnJcx  schwach, 
Jihrgd  gerade,  werden  in  der  regel  nicht  umgelautet.  Selten 
hört  man  nösr,  Mrculr,  khrödr  etc.  IgnJcx  lang  (vom  räum) 
bildet  den  comp,  (bez  sup.)  in  dreifacher  weise:  leugr,  leMir, 
Ignlxhr.  mgt  matt  (selten),  sgt  satt,  flgx  flach,  glgt  glatt  (selten), 
mar  mürbe,  tsgrt  zart,  fghs  falsch,  wgJiJir  wacker,  IhgntrgMt 
contract,  .s-^(>üZ\r  schlank  (selten),  bleiben  in  der  Steigerung 
stets  unumgelautet.  Analogisch  haben  den  umlaut  die  beiden 
adverbien  .S2')gt  spät  (mhd.  späte),  spötr,  spötdst,  und  nglmt  nahe 
(mhd.  nähen),  nöhnr  und  nähnr,  daneben  mit  schriftsprachlichem 
uml.  nehnr,  sup.  nahst-,  spgt  kann  in  allen  formen,  nghnt  nur 
im  comp,  und  sup.  adjectiviscli  verwendet  werden.  Ein  adj. 
'nahe'  kennt  die  ma.  nicht,  plgw  blau,  Igw  lau,  IMgr  klar, 
nehmen  im  comp,  und  sup.  keinen  umlaut  an. 

b)  0  —  ö:  föl  voll,  gröw  grob,  töl  'toll',  stark,  tüchtig, 
haben  doppelformen  mit  und  ohne  umlaut:  grihvr,  gröivr;  gröivdst-, 


§  150  MUNDART    VON   PERNEGG.  191 

gröivdst-  etc.    mül  weich,  hol  hohl,  stolts  stolz,  nöivl  nobel,  Ichamöt 
bequem,  werden  nicht  umgelautet. 

c)  Qa  —  qa.  Stets  umlaut  haben  ligax  hoch,  h^ahr,  h^ahst- 
{h^ahdst-)\  grgas  gross,  gr^asr,  grqast-.  Doppelformen:  rgat  rot, 
rgax  roh,  ngat  nötig  (nur  prädicativ  gebraucht,  vgl.  Schatz 
s.  152).  Keinen  umlaut  hat  fröa  froh,  ploas  bloss,  tgat  tot, 
kommen  nur  im  positiv  vor. 

d)  u  —  i,  iid  —  id.  Stets  umgelautet  sind  A7<«r/s  kurz, /i/iiV^sr, 
Jchirtsdst- ;  iiwJcx j\xng,iwgr, imkhr; in3gdst-,i^wJcst- (selten nuJchdst-). 
Doppelformen  haben  Jiswit  gesund,  Jcsindr,  ksundr  etc.;  Txhrump 
krumm,  lahm,  trukhn  trocken,  kJiludg  'klug',  sparsam,  karg. 
Der  umlaut  tritt  nicht  ein  bei  tum  dumm,  fruni  fromm,  runt 
rund  (rimdr)  etc.;  mds  nütze,  brauchbar,  moralisch  gut  (z. b. 
a  nutsr  ments). 

e)  au  —  cei:  faul  faul,  praun  braun,  säur  sauer,  raiix  rauh, 
sauivr  sauber,  bilden  meist  umlautlose  comp,  und  sup.;  selten 
hört  man  neihr,  scehcrr  für  raulir,  sauwrr  etc.  lauf  laut,  und 
das  fremdwort  6-/«^  schlau  (selten),  bleiben  unumgelautet. 

f)  a  (=*ei)  —  ^a:  prät  breit,  prqatr,  pr^atdst-;  j^;Zäa: bleich, 
pl^ahr,j)lealidst-\  /?«s  lieiss,  hqasr,h(^asdst-\  khlän  "klem,  khl^anr, 
1chle^an(d)st-]  iväx  weich,  iv^ahr,  ivqahdst-  (vgl.  dazu  §  72).  Da- 
neben kommen  auch  formen  ohne  umlaut  vor:  prätr,  pratdst- 
u. s.w.,  selten  hört  man  khlänr,  khländst-.  fast  feist,  hat  nur 
fästr,  fästdst-.  lull  heil,  kommt  nur  im  positiv  vor.  hakkl,  hakkla 
heikel,  hat  hakklr  und  hakklanr  etc.  (vgl.  §  148).  —  Nie  tritt 
der  umlaut  ein  beim  part.  praet.,  z.  b.  frrukht  verrückt,  frrukhtr, 
fyrukhtdst-\  pdkhgnt  hek^imt,  pokligntr, p.ykhgnfdst-.  Desgleichen 
bei  abgeleiteten  oder  zusammengesetzten  adj.,  z.b.  ?««??e' 'launig', 
verdriesslich,  schmollend,  launigr,  launikst-;  lialsgm  heilsam, 
halsgmr,  lialsgmsi-\  dgukxpgr  dankbar,  dg}}kxpgrr,  dgnkxpgrst- 
etc.  Ausnahmen  sind  Ignksgm  langsam,  loiksdmr,  leuksdmst- 
neben  Ignksgmr,  Ignksgmst-]  tvolfl  wolfeil,  tvölflr,  wölfl{d)st- 
(selten  ivolflr  etc.);  khurtsw(eile\iwxz^' eilig,  khirtswmligr,  khirts- 
tvceilikst-. 

§  150.    Abweichende  comparativ-  und  superlativ- 
bildungen. 
Zu  gu9t  gut,  lautet  der   comp,  pösr,  pgsr,   der  sup.  pöst-. 
In  der  bed.  'schmackhafter"  wird  nur  pösr  gebraucht,  sonst 


192  LESSIAK  §  151 

kann  immer  jixIä)-  (=  mhd.  ha^  mit  secundärem  comparativ- 
suffix)  daneben  verwendet  werden,  auch  attributiv.  Als  adv. 
hat  pQsr  den  Vorzug,  z.  b.  gea  xoQsr  geh  besser,  schneller  (selten 
gea  j)ösr).  In  Verbindungen  wie  isudhn,  firlin,  ceihn  pösr  ist 
nur  die  unumgelautete  form  üblich.  Die  bedeutung  ist  hier 
■weiter':  'weiter  hinzu',  'vorwärts', 'hinein',  etc.  Daseinfache 
2)QS  hört  man  ab  und  zu  in  der  wendung  fir  pgs  fürbass  (ge- 
wöhnlich ftr  pösr). 

fil  viel,  hat  den  comp,  mer  (merr),  der  sup.  lautet  mast- 
oder  mcrdst-. 

Isoliert  steht  9{n)-minddstn  am  mindesten,  zu  w^ane  wenig 
{tvqanigr,  tveanihst-). 

Der  comp,  von  friid,  frid  fi'üh,  lautet  frir  oder  fridgr,  da- 
neben steht  qantr  (zu  ahd.  enti,  Alid.  gr.  §  266,  anm.  3). 

lots  schlecht,  hat  einen  zwiefachen  sup.:  lötsost-  und  lotst-. 
Die  kurzform  hat  die  abweichende  bedeutung  'letzt'  (die  form 
löst,  mhd.  lest,  gehört  mehr  den  nördlichen  ma.  an). 

C,   Das  pronomen. 
1)    Ungeschlechtige  fürwörter. 

§  151. 

Die  schwachtonigen  formen  stehen  in  runder  klammer. 

i.  pers.:  i  (e);  mceindr,  mwinr;  mir  {mr);  ml  {me)\  pl.  wir 
(mr);   unsr,  [insr];    dat.  und  acc.  uns,  [ins],  (dns). 

2.  pers.:  du  {dd,  t)\  dceinr;  dir  {dr)\  dl  {de)\  ^\.  dös  (5); 
etilihr:,   dat.  und  acc.  etikx. 

Reflexiv:  — ;  sceindr,  sceinr;    [dat.]  und  acc.  slx  (si,  se). 

Zu  l,  ml,  dl  s.  §  115,  4,  b;  zu  dös  (mhd.  bair.  ej)  s.  §  34. 

Die  eigentliche  pluralform  der  2.  person,  mhd.  ir  etc.,  fehlt 
der  ma.  vollständig.  eMir,  caTix  sind  alte  duale  mit  plural- 
function  (mhd.  bair.  enker,  enk). 

ivlr  wir,  wird  in  der  verbalenklise  zu  mr. 

Das  m  beruht  auf  Verschmelzung:  des  auslautenden  n  der  verbalendung 
mit  dem  anlautenden  iv  des  pronomens,  vgl.  lohmr  für  lachen  wir.  In  den 
meisten  bair.-österr.  ma.,  auch  in  der  Kärntner  stadtspraclie,  hat  die  enkli- 
tische form  das  wir  völlig  verdrängt.  Es  heisst  mundartlich  wir  sceimr  wir 
wir  sind  wir,  höfisch  dag.  mir  sceimr  mir  (vgl.  Schatz  §  135.  Nagl,  Roanad 
V.  156). 


§  151  MUNDART   VON   rEKNEGG.  193 

Die  regelmässige  form  des  gen.  dat.  acc.  der  1.  pers.  ist 
imsr,  uns.  insr,  ins  hört  man  sehr  selten,  sie  sind  mehr  im 
nördlichen  teile  des  Feldkirchner  bezirks  heimisch. 

Es  ist  nicht  notwendig,  die  nicht  umgelaiiteten  formen  etwa  als  ent- 
lehnt zu  betrachten,  wenn  auch  die  meisten  bair.-österr.  ma.  fast  ausschliess- 
lich nur  ins  {insr)  kennen  (der  umlaut  konnte  sich  ja  nur  im  acc.  laut- 
gesetzlich entwickeln,  ahd.  unsih).  Sie  scheinen  vielmehr  die  autochthonen 
zu  sein,  während  die  umgelauteten  aus  den  nördlichen  ma.  eingeschleppt 
worden  sein  dürften. 

Die  gen.  mceindr  etc.  (im  sg.  durch  analogisches  -r  er- 
weitert) werden  gebraucht  wie  im  nhd.  nach  den  präp.  stgt, 
tcög(j))  (die  bei  subst.  den  dat.  regieren),  ferner  statt  des  nhd. 
dat.  nach  iintr,  owr,  hintr,  fgr,  ngx,  öh{m),  {öhms,  öhs  neben), 
tsgtii})  (sammt),  statt  des  nhd.  acc.  nach  göy{)j),  one)  z.  b.  tcöy 
mceindr  wegen  meiner,  nox  dceinr  nach  dir,  for  sceindr  yoy  sich 
(oder  'vor  ihm'),  one  mcmndr  ohne  mich.  Im  pl.  kann  neben 
dem  gen.  auch  der  dat.  verwendet  werden:  fgr  unsr  und  fgr 
uns  etc.;  stets  tintr  uns  (=  engl,  amony  us). 

Aum.  af,  an  (in),  mit,  pcei  (j:»3),  tS9,  fd{n)  haben  immer  den  dat.  bei 
sich,  aus  und  tswiS(n)  können  ausnahmsweise  auch  mit  dem  gen.  ver- 
bunden werden. 

Auffallenderweise  hat  sich  im  gegensatz  zu  i,  ml,  dl  das 
auslautende  x  erhalten  bei  slx  sich.  Es  wird  fast  nur  in  Ver- 
bindung mit  präp.  gebraucht,  die  den  acc.  regieren,  z.  b.  fr 
six,  seltener  vertritt  es  den  dat.  po  slx,  mit  slx  etc.  Dafür 
wird  lieber  in  alter  weise  das  geschlechtliche  pronomen  ver- 
wendet: j)9n  cam,  pdn  im  u.s.w.  Auch  im  acc.  wird  das  reflexiv 
öfter  mit  in  bez.  in  selwr  etc.  umschrieben,  z.  b.  er  hgts  fir  in 
selivr  gdliliaft  neben  fir  six\  dies  gilt  jedoch  nur  für  die  Stellung 
nach  präp.,  während  der  dat.  auch  sonst  gewöhnlich  durch  das 
geschlechtige  fürwort  vertreten  wird;  z.b.  si  ligt  iru  am  frtjhr 
ydldiaft  sie  hat  sich  (eine  gewisse  anzalil  von)  schürzen  gekauft, 
neben  si  hgt  se  (si)  etc. 

In  den  übrigen  fällen  wird  in  der  regel  nur  die  schwach- 
tonige  form  sc,  si  (verstärkt  durch  selivr  oder  ulfin)  verwendet. 

Als  entlehnung  werden  wir  die  form  six  (six)  wol  kaum  betrachten 
dürfen.  Vielleicht  waren  die  accentverhältnisse  von  bestimmendem  eiuHnss 
auf  die  erhaltung  des  x.  Eine  sichere  erklärung  vermag  ich  nicht  zu  bieten 
(vgl.  imsterisch  sig).  In  den  erstarrten  Wendungen  hintrki  zurück,  hinter 
sich,  firhdsa  vorwärts,  unirsu  nach  unten,  abwärts,  ncrsa  nach  oben,  auf- 
wärts (mhd.  hinter  sich,  *viirhin  sich,  unter  sich,  über  sich)  ist  sich  zu  -sa 

Ueiiräge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXVlll.  13 


194  LESSIAK  §  152 

(-M)  geworden.  Das  a  scheint  hier  ein  urspr.  a  zu  vertreten.  Die  ent- 
wicklung  wäre  dann  vielleicht  dieselbe  wie  bei  Mila,  Iceisa  etc.,  die  wol 
aus  *Ui.h,  Jms9  hervorgegangen  sein  dürften.  Gegen  die  annähme,  sich  sei 
in  diesem  fjille  gedehnt  worden  und  hätte  sich  ebenso  regelmässig  zu  sa 
entwickelt  wie  -Ikh  zu  -Ja,  spricht  mit  entschiedenheit  die  accentuierung; 
denn  seit  jeher  lag  der  starktou  auf  dem  Vorworte,  und  unter  der  neben- 
tonigkeit  wäre  eine  längung  ganz  unverständlich. 

Zu  den  scliwachtonigen  formen  ist  folgendes  zu  bemerken: 
neben  den  oben  angeführten  me,  de  hcirt  man  zuweilen  auch 
mi,  dt.  —  e  (ich),  hat  geschlossenen  Charakter,  während  die  e 
in  me,  de,  se  eine  mehr  offene  ausspräche  besitzen.  —  du,  wir, 
mir,  dös  können  natürlich  auch  als  kürzen  auftreten:  du,  wir 
etc.  du  ist  proklitisch,  z.  b.  du  pist,  dd  enklitisch,  z.  b.  ivgndd 
wüst  wenn  du  willst  (daneben  auch  icgndu  w).  In  der  Stel- 
lung nach  dem  verbum  'schwindet'  unbetontes  du,  z.  b.  ploeibst 
bleibst  du?  Doch  ist  die  articiüation  des  auslautenden  st 
energischer,  die  silbe  ist  von  grösserer  dauer  als  in  {du)  plmihst. 
Auch  imterbleibt  in  der  regel  die  assimilation,  z.  b.  du  pis- 
Mrgwkx,  aber  j>/s^  JchrQfd-x?  Daneben  allerdings  auch  ^j/5 
l-hrQ)jl-x,  aber  mit  deutlich  merkbarer  pause  zwischen  dem  s 
und  k.  Neben  tvio  dd  (du),  ivgn  dd,  wo  do,  wohin  dd,  wer  dd 
{wön  dd),  ow  dd,  wceil  dd  steht  tvidst,  wgnst,  wost,  ivohinst, 
iverst,  ohst,  tvceilst;^)  z. b,  wgnst  fglst  wenn  du  fällst,  widstpist 
wie  du  bist,  etc.  Es  erscheint  hier  also  ein  s  eingeschoben. 
Das  ausl.  t  kann  auch  fehlen:  wgns  fglst  etc. 

Entweder  haben  wir  es  hier  mit  Übertragung  der  flexionsenduug  auf 
das  bindewort  zu  tun  oder  es  liegt  analogiebildung  nach  fällen  wie  ivgst 
was.  du,  i)ist  bis  du,  dast  dass  du,  vor.  Möglich  ist  auch  noch  eine  dritte 
erklärung.  Die  als  conjunctionen  functionierenden  fragewörter  ivid,  ivgn, 
wo,  wohin,  wer  können  auch  mit  'dass',  ma.  das,  as,  verbunden  werden; 
z.  b.  i  iväs  nit,  icgn  das  (as)  r  khimp,  loia  das  r  p^>fn  is,  wo  das  r  umma- 
ngndr  g^at  ich  weiss  nicht,  wann  er  kommt,  wie  er  beschaffen  ist,  wo  er 
herum  geht,  etc.  ivgnst  khimst  könnte  sich  also  eventuell  auch  aus  tvgn 
(a)st  khimst  u.  s.  w.  entwickelt  haben ;  oiv  und  wa:il  hätten  sich  dann  diesen 
fällen  analogisch  angeschlossen. 

2)    GescMechtige  fürwörter. 

§  152.    Geschlechtiges  pronomen  der  3.  pers. 
Sg.  masc.  nom.  er  (r);  gen.  [sceindr];  dat.  ^am,  %n  (dn,  w); 
acc.  In  (dn,  n). 

')  Die  stadtspr.  macht  von  diesen  formen  viel  häufiger  gebrauch  als  die  ma. 


§  152  MUNDART   VON   PERNEGG.  195 

Neutr.  noni.  acc.  (os,  s),  gen.  dat.  wie  beim  masc. 
Fem.  nom.  acc.  scei,  st  (se),  gen.  irdr,  irr,  dat.  trv. 
PI.  aller  geschlechter:  nom.  acc.  so  {so,  se),  gen.  sönr,  dat.  sön 
(sön). 

Das  im  bair.-österr.  Aveit  verbreitete  ^am  entspricht  dem  schon  im 
mhd.  auftretenden  ieme  (vgl.  Wcinhold,  Mhd.  gr.  §  458).  In  konnte  sich 
nur  unter  dem  schwachton  aus  mhd.  imc  entwickeln;  heute  wird  es  neben 
frtJH  auch  in  der  eniphase  geltraucht.  Ab  und  zu  hört  man  auch  die  form 
wi.  Ob  sie  altes  ime  fortsetzt  oder  durch  ^am  {dorn,  warn)  beeinfiusst  ist, 
oder  ob  sie  aus  der  Schriftsprache  stammt,  lässt  sich  schwer  entscheiden. 
(am  wird  zuweilen  auch  im  acc.  verwendet,  zumal  in  Verbindung  mit  fir: 
fir  §am  statt  fir  in  für  ihn. 

s(g/  beruht  auf  mhd.  st,  es  wird  häufig  substantiviert:  dö  scei  die  haus- 
frau,  bäuerin.  sl  geht  auf  die  mhd.  kurzform  si  zurück.  Der  gen.  irdr,  m^ 
(analogiebildung  nach  mceindr  etc.)  ist  selten.  In  der  regel  sagt  man  wögv 
(wögns)  Irv,  Mgt  Irv,  ngx  Irv  etc.  Formell  kann  das  xrv  hier  sowol  als 
gen.  wie  als  dat.  gefasst  werden.  Das  -n  in  ira  (mhd.  ir)  stammt  aus  der 
schwachen  adjectivtlexion,  vgl.  Schatz  §  139. 

Der  pl.  so  entspricht  dem  mhd.  si%i,  s.  §  75,  2,  anm.  sön  ist  eine  neu- 
bilduug  zum  nom.  acc,  die  das  ui'spr.  *in  völlig  verdi'ängte.  Auf  dieser 
secundären  dativform  basiert  der  gen.  sönr,  gebildet  nach  dem  muster  von 
xins  —  i<rjsT,  evkx  —  eakJir.  Diese  neuschöpf ungen  bilden  ein  charakteristicum 
sämmtlicher  kärntnischen  ma.,  auch  die  stadtsprache  kennt  im  eigentlichen 
pl.  nur  diese  formen  (vgl.  KWb.  s.  232.  Der  lesachtalcrische  gen.  sör  verrät 
noch  deutlich  den  einfluss  des  *ir). 

In  der  ehrenden  anspräche  gebraucht  man  in  der  regel 
die  2.pers.  pl.  dös,  eul-x  etc.  Nach  dem  vorbild  der  stadtsprache 
wird  in  gewissen  fällen  auch  die  3.  pers.  pl.  angewendet:  nom. 
acc.  so,  gen.  inr,  dat.  indn. 

Die  ganze  gebrauchsweise  ist  entlelnit  und  damit  auch  die  formen  des 
gen.  dat.,  vgl.  dazu  bes.  §  IGO,  anm.  3.  Während  also  im  nhd.  das  fem.  sg. 
und  der  i)l.  der  3.  pers.  sowol  in  eigentlicher  als  auch  in  übertragener  bed. 
bis  auf  den  dat.  sg.  fem.  gleichlauten,  werden  sie  in  der  ma.  in  allen  casus 
streng  auseinander  gehalten;  nur  so  bedeutet  sowol  'sie'  (//)  als  'Sie',  nie 
dagegen  wird  es  für  'sie'  (ea)  verwendet. 

Anm.  In  der  anrede  wird  statt  des  reflexivums  durchweg  das  ge- 
schlechtige pronomen  gesetzt,  z.  b.  ^mimdn  stMn  schämen  Sie  sich,  lchß,tiis 
dgs  pdn  tna«  behalten  Sie  das  bei  sich. 

Possessiva. 
Zur  flexion  der  possessiva  mcei{n)  mein,  dcei{n)  dein,  scei{n) 
sein,  ir  ihr  (sg.),  unsr  [insr]  unser,  enkhr  euer,  sönr  ihr  (pl.), 
mr  Ihr.   s.  §  146.     Sie  werden  attributiv   nie  mit  dem  artikel 

13* 


196  LESSIAK  §  153 

verbunden  (vgl.  dag-.  Schatz  §  142).  Die  Weiterbildungen  auf 
-ig-:  clr  mceinige,  dcBiniije,  sceinüje]  unsrigt,  evkhrige  (selten 
sönrige,  inrige)  flectieren  wie  gewöhnliclie  schwache  adj.  Sie 
werden  auch  in  Verbindung  mit  dem  unbestimmten  artikel 
gebraucht. 

§  153.     Mhd.  der,  da^,  diu. 

Sg.  masc.  nom.  der.,   dat.  dorn,  dön,  acc.  dön. 

Neutr.  nom.  acc.  dos,  dat.  =  masc. 

Fem.  nom.  acc.  dö,   dat.  der,  [derr]. 
PI.  aller  geschlechter:  nom.  acc.  da,  ö.s^t.  dön,  dönsn,  [gen.  ^er]. 

Schwachtonig  als  artikel  wird  der  >  dr;  dam,  dön  >  dn,  n; 
dö  >  dö,  di,  dj\  dgs  >  dos,  9s,  s.  'Zu  der'  lautet  ts9  dr  oder 
tsr  ('zur'). 

In  den  meisten  bair.-österr.  ma.  lautet  der  nom.  acc.  neutr. 
dös,  die  Kärntner  ma.  kennen  nur  dos.  Zu  bemerken  ist,  dass 
die  conjunction  'dass'  stets  mit  hellem  a  erscheint:  das  bez.  äs. 
Dies  erklärt  sich  aus  der  starken  nebentonigkeit  dieses  wört- 
chens (s.  §  93). 

Der  dat.  dö7u  wird  nur  in  der  emphase  gebraucht  neben  dön. 

dö  geht  auf  mhd.  diu  zurück  (§  75,  2,  anm.).  Berechtigt  ist  es  von 
haus  aus  natürlich  im  nom.  sg.  fem.  und  nom.  acc.  pl.  neutr.  Die  ührigeu 
fälle  beruhen  auf  Übertragung  (dasselbe  gilt  im  pl.  von  so). 

Die  schwachtonige  form  d/  (mit  oft'euem  i)  entspricht  wol  mhd.  die. 
Während  bei  'sie'  differenzieruug  eintrat,  gelten  hier  für  das  fem.  und  den 
pl.  die  nämlichen  formen. 

Der  dat.  sg.  fem.  lautet  in  der  regel  der  {derr  ist  nicht 
häufig).  Beide  formen  können  sowol  attributivisch  als  auch 
substantivisch  verwendet  werden:  gihs  der  (derr)  gib  es  dieser, 
gibs  der  (derr)  frfm  gib  es  dieser  frau  (derr  ist  erweitert  durch 
-r,  die  endung  der  starken  flexion,  wol  in  anlehnung  an  änr, 
mceinr  einer,  meiner,  etc.). 

Zum  gen.  sg.  masc.  des  artikels  5  vgl.  §  122,  b,  /.  —  Der 
gen.  pl.  ist  wenig  üblich  (vgl.  §  122,  b,  d)  und  erscheint  stets  in 
Verbindung  mit  dem  possessiv,  z.  b.  der  sönr  wggta  der  wagen 
derer.  —  Genetive  sind  ferner  bewahrt  in  döstwögn  (dösttvög'))), 
derwögu  (derwögn,  derivögv)  deshalb,  derwögu  (nur  mit  dieser 
betonung)  bedeutet  auch  'trotzdem'.  Ein  erweiterter  gen. 
findet  sich  in  dernkvögts  deswegen. 


§  151  MUNDART   VON   PERNEGG.  197 

Anm.  Der  gen.  sg.  des  demonstrativs  wird  mit  dem  dat.  +  possessiv 
oder  der  präp.  'von'  umschrieben,  z. b.  äön  scei  haus  das  haus  dieses,  der 
ir  hcuihm  die  haube  dieser  {der  ir  kann  formell  natürlich  auch  als  gen. 
gefasst  werden),  das  gelt  p  dön,  ß  der  das  geld  dieses,  dieser.  Auch  im 
pl.  greift  man  in  der  regel  zur  Umschreibung:  dön  säur  frmixju  das  ver- 
mögen derer  (selten  der  sönr  f.).  Die  Stadtsprache  wendet  die  Umschreibung 
auch  beim  dat.  au:  in  dön  dem,  in  der  der,  in  dönan  denen,  z.  b.  sqIcs  in 
dön  sag  es  dem,  in  dön  s(si  hat(s  dessen  haus.  In  der  ma.  sind  diese  con- 
structionen  zwar  nicht  gerade  unerhört,  aber  doch  verhältnismässig  selten 
(höf.  in  erscheint  in  der  ma.  als  an). 

§  154. 

j\nid.  dirre  {discr)  und  jener  fehlen  der  ma.  Von  diesem 
findet  sich  ein  rest  in  edhl  (ehl)  jenseits,  z.  b.  ehl  sea  jenseits 
des  sees,  eJd  glm  auf  der  anderen  seite  hinab.  Es  ist  das  mhd. 
cnJudp.  Das  selten  gebrauchte  wnig-  (in  dr-,  di-,  dgs-lömge 
der-,  die-,  dasjenige)  ist  ohne  zAveifel  aus  der  stadtsprache 
entlehnt. 

'Dieser'  wird  ersetzt:  1)  durch  der  {du,  dgs)  do  der  da, 
z.  b.  der  {dr)  püd  dg  der  knabe  da.  dg  kann  auch  verdoppelt 
werden:  derdodg,  dödodg.  dgstddg,  sogar  verdreifacht:  dgstddg  dg 
(neben  dgstddg  liijrt  man  auch  dgsioda).  Diese  erweiterten 
formen  werden  nur  substantivisch  verwendet;  —  2)  durch  dr 
{d},  s)  döge,  doige.  döge  {doige)  flectiert  wie  ein  schwaches 
adj.  Entstanden  ist  es  aus  dö-ig,  doi-ig  (mhd.  *diu-ic),  vgl. 
§  75,  2,  anm. 

Der  begriff  'jener'  vnrd  ausgedrückt:  1)  durch  dr  {di,  dos) 
söge  bez.  seivige.  Es  ist  auf  "^selbig  zurückzuführen,  l  ist  aus- 
gefallen wie  in  sehn  'selben',  damals.  Die  contrahierte  form 
sege  ist  weitaus  die  gewöhnlichere.  In  dem  erstarrten  selivr 
selber,  ist  das  l  bewahrt.  In  der  bedeutuug  'selber'  kann 
auch  alcui  allein,  gebraucht  werden,  z.  b.  si  hgts  alän  gmgxt 
sie  hat  es  selbst  gemacht,  i  ivar  alän  durt  ich  war  selbst 
dort.  Hier  liegt  jedesfalls  slaw.  einfiuss  vor  (im  wind,  existiert 
für  'selbst'  und  'allein'  nur  ein  wort:  säm)\  —  2)  durch  dr 
{da,  s)  äne  'der  (die  das)  eine;  z.  b.  afn  an  perg  auf  jenem 
berge,  silst  dn  an  fögl  durt  döhni  siehst  du  jenen  vogel  dort 
oben?,  pd  dr  an  liiün  bei  jener  hütte.  Zur  erklärung  der  be- 
deutungsverschiebung  werden  wir  wol  von  der  correlation  dr 
äne  —  dr  äne  der  eine  —  der  'eine',  andere,  auszugelien  haben 
dr  äne  tudt  dos,    dr  äne  {gndre)  dgs.    Indem   man   das   erste 


198  LESSIAK  §  155 

glied  diu'cli  andere  demonstrativa  ersetzt  (z.  b.  der  tudt  lösn, 
dr  äne  srceibm  der  liest  —  der  eine  [andere]  schreibt)  bez. 
unausgesprochen  sein  lässt  (z,  b.  s  äne  mgl  \%{zi\\m,  [das  andere 
mal.  im  Gegensatz  zu  heute],  afn  an  siinfe  am  'vergangenen' 
Sonntag  [d.h.  vorletzten  sonntag,  im  gegensatz  zum  letzten 
Sonntag  der  sunte]),  wird  dr  äne  gewissermassen  isoliert  und 
kann,  wenn  das  correspondierende  vorderglied  völlig  in  den 
hintergrund  tritt,  schliesslich  in  die  bed.  'jener'  übergehen. 

'Solch',  'so  beschaffen'  heisst:  1)  [a]  solh-r,  -e,  -ds,  pl. 
solhe.  Daneben  finden  sich  auch  formen  mit  ausfall  des  h: 
soldr  {sulr),  söle,  söl{d)s  (vgl.  §  115,4).  Das  erweiterte  a  sol- 
wigr  (pl.  solwige)  verdankt  sein  w  wol  der  analogie  zu  selwigr. 

2)  söttdn  (sötn),  söxtdn;  z.  b.  a  söttdns  givQnt  ein  solches 
gewand,  söttone  sghn  solche  Sachen. 

söxidn  (die  seltenere  form)  dürfte  einem  mhd.  sölchgetän  entsprechen 
(der  Schwund  des  l  findet  seine  parallele  in  dem  oben  erwähnten  sewig-). 
söttdn  ist  wol  nur  eine  uebenform  zu  sixctdn.  *-hg(3)t-  ist  (über  htt)  einer- 
seits zu  xt,  andrerseits  zu  tt  assimiliert  worden.  Es  aus  *sögitän  zu  er- 
klären, scheint  mir  sehr  bedenklich,  vgl.  tooltdn  'sehr'  {mhiS..  icolgetän), 
ohne  umlaut.  Die  bewahrung  der  gemination  in  söttdn  spricht  dafür,^dass 
die  assimilation  hier  jüngeren  datums  ist  (doch  hört  man  daneben  auch  sötdn). 

3)  SU  a  so  ein.  Es  wird  im  sg.  in  der  regel  mit  dem 
'unbestimmten  artikel'  verbunden:  a  so  a  ments  (neben  so  a 
m)  so  ein  mensch.  Flectiert  wird  das  erste  a  gewöhnlich  nur 
im  dat.  acc.  masc.  und  dat.  neutr.:  an  so  an  mentsn  einen 
solchen  menschen,  an  so  an  hhint  einem  solchen  kinde.  Es 
kann  jedoch  auch  'unflectiert'  bleiben:  a-so  an  mentsn  etc.  Der 
dat.  fem.  lautet  in  der  regel  a-so  anr  (selten  anr  so  anr). 

Dieses  schwanken  deutet  darauf  hin,  dass  wir  es  hier  mit  einem  mis- 
verständnis  zu  tiin  haben.  'So'  erscheint  in  der  ma.  in  doppelter  gestalt: 
so  und  (ISO  (mhd.  also).  Dieses  nebeneinander  führte  zu  einer  falschen 
auffassung  des  asö  a  als  a  so  a  'ein  so  ein';  gefördert  wurde  sie  durch 
formen  wie  a  solhr  etc. 

§  155.    Fragepronomina. 

1)  tver  wer,  wqs  was;  dat.  icöm,  u-ün\  acc.  masc.  wön. 
Der  instr.  ist  erhalten  in  der  Verbindung  flrawö  wozu  {*für 
ein  [?]  wiu). 

u'öm  ist  auf  den  dat.  beschränkt.  Die  schwachtonigen 
formen  sind  tver,  ivqs  etc.  mit  kurzem  vocal. 


§  156  MUNDART   VON   PERNEGG.  199 

2)  ivölh-r,  -e,  -os  bez.  wöl-r,  -e,  -{9)s  welcher,  welche,  welches. 
In  Verbindung  mit  dem  bestimmten  artikel:  dr  {dö,  s)  wölhe, 
u-öle  (vgl.  Schatz  §  146).  icölhr  {ivölr)  kann  soavoI  substan- 
tivisch als  attributivisch  verwendet  werden,  dr  tvöle  in  der 
regel  nur  substantivisch.    Zum  schwund  des  h  vgl.  §  115, 4. 

Anm.  1.  'Welcher'  fungiert  in  der  ma.  niemals  als  relativum.  Dafür 
gebraucht  man  entweder  der,  dö,  dos  oder  weit  häufiger  das  untlectierte 
wgs,  sei  es  allein  oder  in  der  Verbindung  mit  dem  demonstrativ;  z.  b.  dr 
mm  ivgs  oder  der  icgs  der  mann,  welcher;  dö  icähm  wgs  oder  dö  icgs  die 
Weibsperson,  welche;  s  khi)it  trgii  (selten  dgs  wgs)  das  kind,  welches.  Neben 
wgs  hört  man  ab  und  zu  auch  wo:  der  tco,  dö  wo  der,  welcher,  die,  welche, 

Q.  S.  W. 

3)  w^jfrandr,  ivQfran'e,  ivgfrans  was  für  einer,  eine,  eines. 
Attributiv  wgfra.  Z.  b.  wofrandr  is  dos  was  für  einer  ist  das? 
icQfra  ivisn  was  für  eine  wiese?  Zur  assimilation  des  s  vgl. 
§  27,  a.  Sind  die  beiden  teile  getrennt,  so  erscheint  natürlich 
wgs:  wgs  is  dgs  fra  ments  was  ist  das  für  ein  mensch? 

Anm.  2.  Das  wind,  kaizadn  (für  kaizaadn)  ist  eine  getreue  copie 
des  deutschen  'was  für  einer'. 

3)  Indefinita. 

§  156. 

1)  'Jemand'  wird  ausgedrückt:  a)  durch  ^amp  (selten), 
negiert  n^anip.  Im  dat.  und  acc.  hört  man  zuweilen  flectierte 
formen:  (^amjmi),  nqampm\  —  b)  durch  wer,  tvgs  oder  atver, 
atvgs;  z.  b.  tiwt  iver  (atver)  wgrtn  es  wartet  jemand,  ivgti  awer 
{wer)  awgs  (wgs)  sg¥  wenn  jemand  etwas  sagt. 

Erstarrt  ist  öjjpos  etwas. 

liceitswer,  hceitaiver;  hceitsicgs,  hceitmvgs  bedeuten  'oft  je- 
mand', 'oft  etwas';  z. b.  is  Icel  hceitsiver  (hceitsivgs)  JchrguJcx  es 
ist  nicht  selten,  es  ereignet  sich  bald  einmal,  dass  jemand 
(etwas)  krank  ist. 

Anm.  niks  bedeutet  sowol  'nichts'  als  'nicht',  daher  auch  niks  wgs 
=  nichts. 

2)  'Irgend  ein'  (adj.  und  subst.)  wird  widergegeben  durch 
andr  einer,  oder  indrt  (indrsi)  andr  (entlehnt  ist  das  seltene 
irgnt-anr);  negiert  Mandr  keiner.  —  Z.  b.  is  andr  drausn  es 
ist  jemand  draussen;  indrtandr  frtsölts  asU  irgend  einer  erzählt 
es  so;  ivgnst  (indrt)  an  drulsn  tuost  wenn  du  (irgend)  einen  er- 


200  LESSIAK  §  156 

wischest;  do  is  Ihandr  da  ist  keiner.  —  Mit  Vorliebe  verwendet 
man  das  neutrale  ans,  Jchans  für  'jemand',  'niemand':  ans  sqIcs 
asö,  s  gndr'e  asö  irgend  einer  sagt  es  so,  jemand  anderer  so; 
Mans  u'äs  nilis  niemand  weiss  etwas.  —  Attributiv  fungiert  a 
als  unbestimmter  artikel,  auch  im  pL:  duhni  sint  noh-ane  fdsoln 
droben  sind  noch  'welche'  fisolen;  dQ  lignlc  ane  fetsnon  da  liegen 
'welche'  fetzen;  sint  ane  sgldgin  Möm  es  sind  'welche'  Soldaten 
gekommen,  etc. 

Anm.  1.  lu  yerbindung  mit  adverbien  wird  'irgend'  ausgedrückt 
1)  durch  a-:  mv^n,  aivö,  awld  irgend  -  wann,  wo,  wie;  —  2)  durch  ats-: 
utsivgn,  atswD,  atsiina;  —  3)  durch  hmts-,  hceita-:  hceitsivgn,  hmtaivgn; 
liceitsich,  ha'itaic/9;  Jueitswo,  hceitmco  'nicht  selten  einmal',  'leicht  irgend- 
wie', 'bald  irgendwo". 

Anm.  2.  Das  a-  in  awSr,  awön  etc.  dürfte  mhd.  ie-  entsprechen,  das 
sich  unter  dem  nebenton  abweichend  entwickelte.  —  hceit-  wird  wol  auf 
mhd.  tt,  eine  nebenform  zu  iht,  zurückgeführt  werden  müssen;  das  anlau- 
tende h  ist  secundär  wie  in  hidtsa  jetzt.  Vgl.  KWh.  s.  81  eichtl  {=  mxü) 
eine  kurze  zeit  {*ihteUn),  s.  141  haitl  in  kurzer  zeit,  bald  (Lexer  stellt  es 
fälschlich  zu  h(e/)it  =  mhd.  h/nt).  —  hceits  ist  der  gen.,  mhd.  ihtes;  formen 
wie  Jueiiaicer  sind  aus  hreü  +  awcr  zusammengesetzt.  —  ats  (in  atswo  etc.) 
ist  entweder  nur  eine  schwachtouige  nebenform  zu  {h)aeüs  oder,  was  mich 
Avahrscheinlicher  dünkt,  es  liegt  mhd.  eies-  zu  gründe. 

3)  'Man'  lautet  vor  vocalischem  anlaut  stets  mdn,  vor 
consonantischem  mdn  und  md\  die  höfische  form  ist  mr\  z.  b. 
ma.  WQS  mdn  (mo)  hat  was  man  hat,  höf.  wqs  mr  hgt. 

4)  Der  begriff 'mancher'  wird  ausgedrückt  durch 'immer, 
oft  +  ein':  imrandr  (mirrandr),  oftandr  etc.  Vgl.  Imrtamgl, 
imramöl  manchmal.  Mhd.  manec  ist  erhalten  in  mgnihsmgl 
manchmal. 

5)  'Jeder'  erscheint  stets  mit  dem  unbestimmten  artikel 
verbunden:  aniddr,  anidde,  anidds  (aniots).  Es  flectiert  durch- 
weg stark:  aniddr  dtm  einer  jeden  magd  (sehr  selten  hört  man 
anr-iddn).  Der  artikel  ist  also  völlig  erstarrt.  Neuerdings 
beginnt  es  durch  schriftdeutsches  iödr,  a-iödr  verdrängt  zu 
werden. 

6)  Zu  erwähnen  sind  ferner  ötlane  (pl.)  etliche;  —  anige 
einige;  —  y>ly-ödr  jeder  von  beiden  (mhd.  iehveder),  mit  ab- 
weichendem vocalis'nus.  —  Selten  ist  antwodr  einer  von  beiden, 
mhd.  eintweder.  Dag.  meist  entwödr  (entwödr)  —  ivödr  entweder 
■ —  oder,     ötwödr,  antwödr  flectieren  wie  nlid.  jediveder. 


§  157  MÜNDART   VON   PERNEGG.  201 

D.    Das  Zahlwort. 

§  157.    Grundzahlen. 

Zur  flexion  des  zablworts  ans  eins,  vgl.  §  146.  —  tsivä 
zwei,  entspricht  dem  nihd.  neutr.  zivei  (masc.  *tsu-^an,  fem. 
*tswQa  sind  verloren  gegangen).  Absolut  wird  es  im  dat.  stets 
flectiert:  i  hgris  tswän  göbm  ich  habe  es  zweien  gegeben; 
attributiv  ist  die  unflectierte  form  gewöhnlicher:  du  tsiva  i^gv, 
daneben  on  tswai}  igga  in  zwei  tagen.  —  Vgl.  das  alte  com- 
positum tsumnl-hirlm  Zweikirchen.  —  drcei  drei,  flectiert  wie 
tsiüä.  Die  neutr.  form  dröl  drei  uhr  (mhd.  drin)  ist  fast  ganz 
ausgestorben.  —  Die  Zahlwörter  von  3 — 19  lauten  in  nicht 
attributiver  Stellung  durchweg  auf  -e  aus:  dräüe,  fite,  fmfe, 
söJise,  slme  {snvdne),  gxte,  nceine,  tsöhne,  andlofe,  tsivölfe, 
drceitsdne,  ßrtsdne,  fuxtsone,  sextsdne,  simtsdne,  gxtsdne,  nceint- 
sdne.  -e  entspricht  der  mhd.  neutralendung  -iu  (bei  drmc  ist 
es  natürlich  analogisch).  Die  'unflectierten'  formen  der  zahlen 
von  13  aufwärts  zeigen  'offenes'  e  im  zweiten  bestandteil: 
drositsen,  firtsen  etc.  Daneben  hört  man,  allerdings  ziemlich 
selten,  die  volleren  formen  drceitsdhn,  firtsohn  u. s.w.  Neben 
tsöhn,  tsöhne  wird  mitunter  höfisches  tsön,  tsöne  gebraucht, 
ebenso  ist  neben  andUfe  das  schrift-  (stadt-)  sprachliche  elfe 
schon  stark  verbreitet. 

.  Die  zahlen  von  4—12  werden  im  dat.  zuweilen  flectiert: 
flr'ß,  finfn,  söJcsn,  Simon,  gxtn,  nceindn,  tsöhnon,  andldfn,  tsivölfn, 
doch  nur  wenn  sie  substantivisch  verwendet  werden. 

Die  zehnzahlen  lauten  tstvantsk,  drceisl;  firisk,  fuxtsk,  scxtsk, 
simtsh,  Qxtsk,  nceintsk. 

In  Zusammensetzungen  mit  einem  verflüchtigt  sich  'und' 
bis  auf  ein  c:  drceicfirtsk  43,  flrenceintsk  94;  nur  vor  anlauten- 
dem vocal  in  Qxtsk  hat  es  sich  als  -e'd  erhalten:  ancdgxtsk  81. 
Nach  tsivä  schwindet  es  ganz:  tswasextsk  62.  Zuweilen  er- 
scheint 'und'  auch  als  n{d):  gxtntsivantsk  28,  süksndgxtsk  86, 
doch  nie  vor  oder  nach  nasalen;  also  nur  flrenceintsk  94,  simc- 
drceisk  37,  nceinetsivanfsk  29.  Der  abfall  des  d  bleibt  ohne 
einfluss  auf  den  folgenden  consonanten,  vgl.  gxiesextsk  68,  nicht 
*-tsextsk. 

Von  100  (hundrt)  an  werden  die  niedrigeren  zahlen  mit 
nt  (unt)  verbunden:  hundrtnians  101,  hundrt njfinf  10b,  hiiudri- 


202  LESSIAK  §  158 

ntgxt  108.  Dass  'und'  liier  als  nt  erscheint,  beweist,  dass  wir 
es  mit  jüngeren  zusamniensetzungen  zu  tun  haben  (vgl.  aned- 
QxtsJc).  Seltener  ist  die  Verknüpfung  ohne  'und':  hundrtsöhse. 
Dasselbe  gilt  für  die  zahlen  von  fmisnt  1000  aufwärts. 

Das  -e  kann  hier  in  nicht  attributiver  Verwendung  auch 
fehlen:  Jmndrt-  {tausnt)-  nt-söls  neben  -sökse  106  bez.  1006. 

§  158.  Andere  zahlarten. 
Die  Ordnungszahlen  dr  erste,  tsivceite,  dritte,  firte,  ßnfte  ... 
nceint'e  . . .  drmtsente  etc.  flectieren  wie  gewöhnliche  adjectiva. 
Sie  können  auch  mit  dem  unbestimmten  artikel  verbunden 
werden:  a  firir  u. s.w.  —  tswceite  ist  directe  entlehnung  aus 
dem  schriftdeutschen.  Ab  und  zu  wird  auch  noch  dr  gndre 
in  der  bedeutung  'der  zweite'  verwendet.  In  gewissen  Wen- 
dungen, zumal  in  Verbindung  mit  Zeitbestimmungen,  bedient 
man  sich  der  form  dr  Qndrte;  z.  b.  on  gndrtn  tgg,  simte  am  (den) 
folgenden  tag,  sonntag,  etc. 

Von  20  an  werden  die  ordinalia  durch  anfügung  von  -st 
an  die  nicht  synkopierte  form  der  grundzahl  gebildet:  dr 
tsivantsiliste,  drceisikste,  fir'efuxtsiliste  etc.  Der  100.,  1000. 
lauten:  dr  hundrtst'e,  tausntste. 

Art  zahlen  existieren  von  2  aufwärts:  tswäfla  zweierlei, 
ftnfrla  fünferlei,  etc.,  werden  jedoch  über  10  hinaus  sehr  selten 
angewendet. 

Die  Vervielfältigungszahlen  sind  mit  -fgx  zusammen- 
gesetzt: anfgx,  tswäfgx  (selten,  dafür  topplt)^  drceifgx  etc.  Von 
3  an  wird  lieber  -fähe  {*-fächi(j)  verwendet:  drceifähe,  firfah'e, 
fm falle  U.S.W,  {-fultiy  nur  in  amifoltc,  auch  winfölte,  einfältig, 
albern). 

Wid  er  hol  ungs  zahlen  werden  gegenwärtig  mit  -mgl 
gebildet:  amgl,  tswämgl  etc.  Die  alte  bildungsweise  scheint 
indes  die  mit  vart  (värte)  gewesen  zu  sein.  In  einigen  Kärntner 
ma.  sind  noch  reste  davon  vorhanden,  in  den  krain.-friaul. 
Sprachinseln  herscht  sie  durchaus;  vgl.  zarzerisch  gän  vgrt  ein- 
mal, drae  vürte  dreimal,  u.s.  w. 

Anm.  Im  wind,  hat  das  entlelinte -^ar<  das  einheimische  *-/iTrti  völlig 
verdrängt:  amrt  (*an-hart)  einmal,  tri-hartd  dreimal,  stio-hartd  hundertmal. 

Eigentliche  distributiva  fehlen.  Einen  ersatz  dafür  bieten 
fügungen  wie  tswa  unt  tswä,  drcei  unt  drwi  etc.    —    andlötse 


§  159.  IfiO  MUNDART    VON   PERNEGG.  203 

(mhd.  einliitzcc)  bedeutet  'vereinzelt'  {ä  ist  unter  dem  nebenton 
zu  ö  geworden,  wie  das  *«  in  Jchränawüt,  mhd.  *k)-än€ivite). 

E.    Das  Zeitwort. 

§  159. 
Von  den  einfachen  Zeiten  und  modi  hat  die  ma.  bewahrt 
den  indicativ,  imperativ  und  zum  teil  auch  den  conjunctiv  des 
praesens,  ferner  den  conjunctiv  des  praeteritums;  von  den 
nominalformen  den  Infinitiv  praesentis  und  das  particip  des 
praesens  und  praeteritums. 

1)    Das  praesens. 

§  160.    Indicativ  und  imperativ. 

Die  starken  und  schwachen  verba  flectieren  im  praesens 
völlig  gleich.  Eine  endung  -71  in  der  1.  pers.  (ind.)  schwacher 
verba  (vgl.  Schatz  §  161.  Nagl,  Eoanad  v.  377,  i)  kennt  die  ma. 
nicht  (ausgenommen  hmi  habe), 

Beispiele:  fgln  fallen,  inghn  machen. 

Ind.  sg.  1.  i  fgl,  mgx 

2.  du  fglst,  moxst 

3.  er  (etc.)  fglt,  mg.rt. 

pl.  1.  tci'r  fgln  (fghnr),  mghn  (mghmr) 

2.  dös  fglts,  mgxts 

3.  so  fghit,  mghnt. 
Imp.  sg.  2.  fgl,  mox 

pl.  2.  fglts,  mgxts. 

In  der  1.  pers.  sg.  ind.  und  im  imp.  sg.  schwacher  verba 
ist  lautgesetzlich  apokope  des  auslautenden  vocals  eingetreten. 
—  In  der  2.  und  3.  sg.  und  2.  pl.  tritt  die  synkope  nicht  ein 
nach  p,  t,  li,  in  der  regel  auch  nicht  nach  (/;  z.  b.  t{>ppdst, 
tgppdt,  tQppdts  zu  tgppm  tappen;  wgrtdst,  tvgrtdt,  ivgrtdts  zu 
wgrtn  warten;  öJd-dst,  ökkdt,  Uktots  zu  ö7i7.w  eggen;  Igdost, 
Igddt,  Igddts  zu  Jgdn  laden.  Nur  bei  rödn  reden,  siKcidn 
schneiden,  värd  der  zwischenvocal  fast  durchweg  ausgestossen: 
rätst,  rät,  röts\  sncmtst,  snceit,  snceits.  sgdn  schaden,  hat  sgtst, 
sgt,  sgts  neben  häufigerem  sgdost,  sgdH,  sgd^ts.  Nach  s,  s  wird 
stets  synkopiert:  rast,  rast,  rasts  zu  räsn  reisen;  wgst,  n-gst, 
wgsts  zu  trgsn  waschen;  gewöhnlich  auch  nach  ts,  ts:  sitst, 
sitst,  sits  zu  sitsn  sitzen;    rätst,  rätst,  rats  zu  ratsn  ratschen; 


204  LESSIAK  §    160 

doch  hört  man  in  der  2.  [sg.  nnd]  pl.  auch  sits9st,  sits9ts  (sits'ts); 
rats9st,  ratsdts  {ratsHs). 

Zur  assimilation  von  auslautendem  -ht  {-ivt)  zu  p,  gt  zu  // 
vgl.  §  27.  c!  Diese  assimilation  ist  fest,  d.  h.  sie  bleibt  auch 
vor  (anlautendem)  sonor  bez.  reibelaut:  ylppr  gibt  er,  gips 
gibt  es,  gippmcgs  gibt  etwas;  lökhr  legt  er,  sglise  sagt  sie, 
sglikandr  sagt  einer. 

Anm.  Aiislaiiteiides  -/.7(/  bleibt  unverändert:  hoklit  hackt,  htöhM 
steckt,  etc. 

Die  1.  pl.  erscheint  in  hauptsätzen  regelmässig  in  Verbin- 
dung mit  dem  enklitischen  pron.  -mr  (s.  §  151):  u- ir  sggmr  v,'ir 
sagen,  tcir  gricotinr  wir  arbeiten,  u.s.  w.  In  nebensätzen  ist 
dagegen  die  enklise  nicht  üblich;  z.  b.  tvir  g^amr,  tvohimr  tvöln 
wir  gehen,  wohin  wir  wollen;  tvön  pdlJnmrtsten,  icgs  mr  mghn 
Aven  (be)kümmert  es  denn,  was  wir  machen;  wgmr  s^an  swgdn, 
ivcrt  uns  Ma  ments  nil's  (tvgs)  sögv  Avenn  wir  schön  singen, 
wird  uns  kein  mensch  etwas  sagen. 

Die  enklise  beschränkte  sich  ursprünglich  natürlich  auf 
die  Inversion:  g^amr  anfn  gehen  wir  hinauf?  bez.  lasset  uns 
hinauf  gehen,  triMimr  ans  trinken  wir  etwas  (?),  tgntsmr  cm 
tanzen  wir  'einen  tanz'  (?),  u.s.w.  Liegt  auf  dem  pronomen 
ein  nachdruck,  so  wird  es  in  der  vollform  widerholt:  khermr 
ivir  ä  drtsüd  gehören  wir  auch  dazu?  lafmr  wir  dg  ume 
laufen  wir  da  hinüber! 

Solche  fälle  gaben  wol  den  anlass  zur  abstraction  der  suffigierten 
formen;  -mr  erschien  dem  Sprachgefühl  geradezu  als  flexionsendung,  und 
man -hängte  es  dem  verbum  auch  da  an,  wo  es  von  haus  aus  nicht  hin- 
gehörte. 

Auch  doppelte  enklise  ist  nicht  selten:  Mermmir  {khernidmr) 
aufn?  gehören  wir  hinauf?  Sogar  dreimal  kann  das  pron.  ge- 
setzt werden:  Idiermdmr  ivir  ä  aufn? 

Anm.  1.  In  nebensätzen  wird  das  -mr  au  die  conjunction  angehängt: 
loidmr,  wgsmr,  dasmr  etc.  mghn  wie  wir,  was  wir,  dass  wir  machen.  Wider- 
holung  ist  auch  hier  nicht  ausgeschlossen:  widmrmr  (wiemdmr)  icöln  bez. 
lüidmr  {tcidmrmr)  tvir  ivöln.  Gelegentlich  hört  man  sätze  wie  wgmdmr  mjhr 
wir  khömr  wenn  (wir,  wir)  dann  wir  kommen  (wir),  also  mit  viermaligem 
'wir',  indem  auch  noch  das  verbum  ein  -mr  angehängt  bekommt. 

Die  2.  pl.  kommt  nur  in  Verbindung  mit  dem  enklitischen 
-s  (*ejj  vor.  Formen  wie  *dös  göU  sind  unerhört.  A^om  ind. 
wurde  das  -5  auch  auf  den  imp.  übertragen.    Dies  konnte  um 


§  161  MÜNDART    VON   PERNEGG,  205 

SO  leichter  vor  sich  gehen,  als  auch  im  imp.  nicht  selten  das 
pron.  gesetzt  wird;  Ygl. 2>lceip(t)s  draiisn  o^^iY pheip{t)s  dösdrausn 
bleibt  draussen! 

Anm.  2.  In  nebeusätzen  wird  -s  an  die  conjunction  angelehnt,  z.  b. 
%cQns  (bez.  wonsdäs)  häm  Jchömts  Avann  ihr  heimkommt. 

In  der  3.  pl.  hat  sich  das  auslautende  -t  erhalten.  Die 
bewahrung  der  urspr.  endung  ist,  soviel  ich  weiss,  gemein- 
kärntnisch: auch  die  Stadtsprache  hat  ösnt,  nünmü  (sie)  essen, 
nehmen,  etc.  Zur  assimilation  von  ^-hnt  (-trnt)  zu  -bmp,  *-gnt 
zu  -yuk'  s.  §  28,  c;  z.  b.  löhmp  (mhd.  Ichcnt),  sgcj^lv  (mlid.  sagenf). 
Es  gelten  hier  dieselben  regeln  wie  für  *-ht,  *-gf,  vgl.  tntthmpü, 
trggvM  treiben  auch,  tragen  auch.  Nur  vor  folgendem  enkli- 
tischen se  (sie),  erscheint  fast  immer  die  nicht  assimilierte  form 
dg  göh{m)titse,  lög{u)ntse  da  geben  sie,  legen  sie,  etc.  Eine 
Verallgemeinerung  bez.  Übertragung  von  formen  mit  enklitischem 
pron.  hat  in  der  3.  pl.  nicht  stattgefunden.  Es  heisst  durchweg 
so  Jgsnt  sie  lassen,  nicht  etwa  so  lösntse. 

Anm.  3.  Daneben  gibt  es  eine  entlehnte  form  der  3.  pl.  ohne  das 
auslautende  t.  Sie  kommt  nur  in  der  anrede  zur  Verwendung:  so  sögv, 
so  rüdn  Sie  sagen,  Sie  reden,  oder  mit  anfügung  des  enklitischen  s  (sie): 
so  sögns,  sä  rödns.  Dass  diese  art  der  anspräche  nicht  nur  in  syntaktischer, 
sondern  auch  in  formeller  hinsieht  entlehnt  ist,  habe  ich  bereits  oben  in 
§  152  gelegentlich  der  besprechuug  der  pron.  Inr,  msn  erwähnt. 

Anm.  4.  Ganz  vereinzelt  linden  sich  seeundärformen  mit  enklitischem 
pfonomen  in  der  l.person:  i  piUe,  i  mäne  ich  bitte,  ich  meine,  für  i  pit, 
i  man  (-e  ist  die  schwachtonige  form  des  pron.  'ich';  2Jittc,  mäne  'bitt'  ich', 
'mein'  ich",  kommen  häufig  in  der  parenthese  vor). 

§  161.  Conjunctiv. 
Eine  besondere  vom  ind.  veischiedene  form  des  conj.  praes. 
hat  sich  nur  in  der  3.  sg.  und  pl.  erhalten.  Sie  ist  auf  gewisse 
redewendungen  beschränkt;  vgl.  formein  wie  gop-pdivQr  gott 
bewahre!,  got  drJqas  in  gott  erl()se  ihn,  got  ir^ast  in  g.  tvöste 
ihn,  got  straf  in  g.  strafe  ihn,  got  sits  in  g.  schütze  ihn,  got 
frtsieihmr  g.  verzeih  mir,  got  Igs  se  riidn  g.  lasse  sie  ruhen, 
got  sögns  g.  segne  es,  got  frgdts,  {frgclts  got)  g.  vergelte  es, 
grids  göt  grüss  g.,  pfidlwt  {pfute  gUt)  'behüte  (dich)  g.\  adieu!, 
helfgot  helf  g.  (wunschformel  beim  niesen),  hols  dr  JcuHc  (toifl) 
hols  der  kuckuck  (teufel),  u.  a.  Ferner  m<^hr,  sggr,  rödr,  tnor 
etc.,  icQsr  {u-ior)  teil  mache  er,  sage  er,  rede  er,  tue  er  etc., 


20Ö  LESSIAK  §  162. 163 

was  (wie)  er  T\ill,  sitsr,  plceiwr,  ivoor  teil  sitze  er,  bleibe  er, 
Avo  er  will,  ugnrs  nit  ivil,  Igsrs  stqan  wenn  er  es  niclit  will, 
lasse  er  es  stelm,  n.  ä.  In  der  3.  pl.  wird  in  derartigen  Wen- 
dungen gewölinlicli  die  form  des  ind.  verwendet:  rödntse,  wid  se 
u'ölnt  sie  mögen  reden,  wie  sie  wollen,  seltener  rödnse  etc. 

Anm.  Bei  verben  der  3.,  4.  und  5.  kl.,  die  im  sg.  i,  im  pl.  e  (ö)  haben, 
wird  in  solchen  fällen  der  conj.  regelmässig  durch  den  imp.  vertreten:  ghvr, 
isr,  nimr,  tcgsr  teil  gebe  er,  esse  er,  nehme  er,  was  er  will.  Vgl.  auch  gokkno 
gott  gebe  (neben  yokköbs  gott  gebe  es),  got  frglwuiis  gott  vergebe  uns  (ent- 
sprechendes findet  sich  im  egerländischen,  vgl.  Schiepek,  Der  satzbau  der 
egerl.  ma.  §  188,  3). 

§  162.    Vocalismiis  der  starken  praesentia. 

Zur  praesensbildung  speciell  der  starken  verba  ist  zu 
bemerken,  dass  fast  sämmtliche  verba  der  3.  4.  und  5.  ablauts- 
reihe  mit  dem  stammvocal  e  (ö)  im  inf.  in  allen  personen  des 
ind.  und  im  imp.  sg.  i  zeigen.  Die  mhd.  Verhältnisse  sind  also 
hier  bewahrt:  i  hilf,  du  hilfst,  er  hilft,  im]^.  hilf  zw  hei fn  \\e\ten\ 
ebenso  i  mm  ich  nehme,  i  yuv  ich  gebe,  etc.  Die  wenigen  aus- 
nahmen s.  unter  den  betreffenden  ablautsreihen. 

Bei  allen  verben  der  zweiten  reihe  ist  das  id  des  pl.  im 
ganzen  praes.  verallgemeinert  worden :  i  fliog,  du  ßijkst,  er  flidk% 
imp.  fliog.    Formen  mit  oi  im  sg.  fehlen  gänzlich.^ 

Ein  Umlaut  kommt  in  der  2.  und  3.  praes.  nirgends  mehr 
vor.  Es  heist  also  shjkst,  sIqU  schlägst,  schlägt;  tr-ghst,  trgU 
trägst,  trägt;  fgrst,  fgrt  fährst,  fährt;  fglst,  fglt  fällst,  fällt; 
hgltdst,  hgltdt  hältst,  hält,  etc. 

§  163.  Nominalformen  des  praesens, 
a)  Der  Infinitiv.  Die  gewöhnliche  endung  ist  -W;  lösn 
lesen,  tsgln  zahlen,  rgtn  raten,  pgdn  baden.  Nach  labialen 
erscheint  -rn:  ^)te«^m  bleiben,  stöppm  steppen;  nach  gutturalen 
(und  meist  auch  nach  r)  -tr.  lögn  legen,  murhj  girren,  soehvr'a 
{soeiwrn)  säubern.  Endigt  der  stamm  auf  nasal  oder  «?(/,  so 
erscheint  vor  dem  n  ein  z wischen vocal :  Idiömdn  kommen,  nönidn 
nehmen,  sceindn  scheinen,  grceindn  'greinen',  schelten,  län9n 
lehnen,  simjDn  singen,  primjdn  bringen.  Die  kurzformen  (mit 
assimilierung  bez.  Vereinfachung  des  mn  zu  m,  nn  zu  n,  ngn 
zu  1^  s.  §  27,  c)  Idiöm,  nöm,  seein,  sw  etc.  werden  in  der  regel 
nur  dann  gebraucht,   wenn   das   verb   schwächer  betont  ist. 


§  163  MÜNDART   VON   PERNEGG.  207 

Dies  gilt  besonders  von  Zusammensetzungen  mit  trennbarem 
adverb:  wökxnüm  wegnehmen,  herlköm  herkommen,  lunmrlän 
{-lan)  herumlelmen,  fors'm  vorsingen. 

Bei  Verben,  deren  'stamm'  auf  einen  vocal  ausgeht,  ist 
offenbar  schon  selir  früh  synkope  des  endungsvocals  ein- 
getreten; vgl.  mild,  formen  Avie  smi,  drchi  etc.  In  folge  ihrer 
einsilbigkeit  nahmen  solche  formen  eine  art  sonderstelluug  ein. 
Diese  Ungleichheit  wurde  beseitigt,  indem  man  eine  zweite 
infinitivendung  anfügte;  z.  b.  pläudn  blähen,  khrändti  krähen, 
drändn  drehen,  mmiDn  mähen,  nän:m  nähen,  pnndn  bähen, 
sündn  säen,  prqandii  brühen,  plqandn  blühen,  pdiui^anon  bemühen, 
l^andti  brüllen  (mhd.  Uiejen),  Min^andn  knien,  srceindn  schreien, 
umklicuindn  umstossen,  Jchwinon  kümmern  (vgl.  lesachtalerisch 
yihmn  und  BWb.  1, 1025;  ist  es  vielleicht  zu  'hauen'  zu  stellen?). 
Hierher  gehören  auch  verba  wie  ploinon  bläuen,  Ihroindn  ge- 
reuen, noinon  stampfen  (mhd.  niniccn),  pnnmn  bauen,  hanuDu 
hauen,  strändn  streuen,  die  ihr  stammauslautendes  tc  verloren 
haben;  ferner  die  athematischen  verba  tQandntxm,  g^andngohw, 
stQandn  stehn.  swinon  sein.  Daneben  kommen  jedoch  auch  die 
einfachen  infinitivformen  vor,  seltener  bei  iilan{9n),  n(ln{on), 
ploin{dn)  etc.,  häufiger  bei  den  verben  der  letzten  gruppe.  Sie 
werden  so  ziemlich  unter  denselben  bedingungen  angewendet 
wie  die  kurzformen  khüm  etc.  Sonst  ist  doppelte  infinitiv- 
endung selten:  glösndn  neben  glösn  glimmen  (mhd.  glosen), 
frmitsndn  neben  frmitsn  vermissen,  gnindn  unbehaglich  vor- 
kommen (ahd.  antön),  hausndn  neben  hausn  schelten,  Icstokhidu 
gerinnen  (vgl.  §  75),  imnidn  heben  (mhd.  härn\  firhmDn  neben 
firbm  reinigen  (mhd.  vürben),  furtlähnDn  fortlocken. 

Das  n  des  inf.  ist  zum  teil  auch  in  die  flectierten  formen 
eingedrungen.  Es  heisst  zwar  regelmässig  drä,  drast,  drCit, 
drats,  gddrät  drehe,  drehst,  dreht,  drehet,  gedreht;  plöi,  jiloist, 
ploit,  ploits,  goploit  schlage  etc.,  aber  in  der  1.  und  3.  pl.  drändn, 
drändnt\  srceinon,  srwinont;  ploinon, ploindnt  xl.s.w.  (mit  enkli- 
tischem -mr  jedoch  drämr,  srceimr,  ploimr,  nicht  *drändmr  etc.). 
Von  verben  der  letztgenannten  gruppe  haben  diejenigen,  bei 
denen  einfacher  inf.  neben  doppeltem  üblich  ist,  auch  in  der 
1.  und  3.  pl.  doppelformen:  ftrhm,  firbnip  neben  firbnidn,  firbnmit. 
Ausnahmsweise  heisst  es  auch  im  part.  praet.  frmitsnt  neben 
frmitst  vermisst,  Miaiisnt  neben  Ichaust  gescholten. 


208  LESSIAK  §  164.  165 

Das  praet.  wird  bei  diesen  verben  in  der  regel  umschrieben; 
doch  hört  man  zuweilen  drCuul  für  drCut,  plomot  für  plUiH  ich 
würde  drehen,  schlagen. 

mirtsnon  brünstig  sein  (von  katzen;  zu  'märz'),  oJcsnon 
dasselbe  (von  der  kuh),  miutiidn  (mhd.  muoten)  nach  dem 
hengste,  poTihndn  nach  dem  bocke  verlangen,  tsrleksndn  in  folge 
hitze  den  festen  verschluss  verlieren,  'leck  werden',  haben  in 
allen  formen  festes  n:  3.  sg.  praes.  mudtnt,  3.  pl.  muDtnDnt;  3.  sg. 
praet.  (conj.)  mudinot,  part.  praet.  gmudtnt  u,  s.  w.  (regelmässig 
ist  p'ibmdn  beben,  pihmp  bebt,  gapihmp  gebebt,  alid.  hihinon; 
lisndn  lauschen,  lisnt  lauscht,  (jlisnt  gelauscht,  mhd.  lüsenen, 
ebenso  rceilsndn  ringen,  raufen,  mhd.  richsenen). 

b)  Das  particip.  Seine  endung  ist  -nt:  Ighnt  lachend, 
sitsnt  sitzend,  llguli  liegend,  rceisnt  reissend,  rernt,  plernt,  ivä- 
ndut  weinend,  stwldint  stinkend,  u.  a.  Es  hat  sich  nur  bei  einer 
beschränkten  anzalil  von  verben  erhalten;  sehr  selten  wird  es 
attributiv  verwendet.    Zur  flexion  vgl.  §  147,  anm. 

2)    Das  praeteritum. 

§  164.    Indicativ  praeteriti. 

Der  ind.  praet.  ist  verloren  gegangen.  Die  indicativform 
ivür.  die  man  ab  und  zu  von  'gebildeteren'  hört,  stammt  aus 
dem  höfischen.  Die  echt  ma.  entsprechung  des  nhd.  tvar  ist 
tvär:  i  war  dg  ich  war  da,  er  ivar  dn  dr  stQt  er  war  in  der  Stadt. 

Dies  war  kann  nur  aus  *ivctre  hervorgegaugeu  sein:  der  conj.  wird 
also-  hier  indicativisch  verwendet.  Solche  Übertragungen  conjunctivischer 
formen  starker  verba  auf  den  ind.  (die  sich  daraus  erklären,  dass  im  conj. 
praet.  der  starken  flexion  der  umlaut  häulig  unterblieb  [vgl.  Paul,  Mhd.  gr.^ 
§  40,  anm.  5]  bez.  nicht  eintreten  konnte,  und  dass  bei  schwachen  verben 
ind.  und  conj.  formell  zusammenfiel),  scheinen  in  einer  früheren  sprach- 
periode  häufiger  gewesen  zu  sein.  Die  so  entstandene  Verwirrung  war  wol 
hauptsächlich  die  Ursache,  dass  man  das  einfache  praet.  zu  gunsten  des  um- 
schriebeneu fallen  Hess  (vgl.  dazu  bes.  Schiepek  a.  a.  o.  §§  167.  168,  und  Nagl, 
Roanad  v.  377,  s.369f.). 

§  165.    Conjunctiv  praeteriti  schwacher  verba. 

Der  einfache  conj.  praet.  blieb  hingegen  erhalten.  Er  wird 
bei  schwachen  verben  auf  -dt  gebildet:  söyot  sagte,  frggdt  fragte, 
petdt  betete,  mghdt  machte,  lögdt  legte,  fädldt  fädelte,  irtsndt 
heilte  (mhd.  erzenen).    7a\  gründe  liegen  die  endungen  der  -en- 


§  166  MUNDART   VON   PERNEGG.  209 

und  -o«-verba  (alid.  -cti,  -öti),  die  analogisch  auch  auf  die  der 
1.  klasse  übertragen  wurden  (vgl.  Schatz  §  162).    Die  flexion 
des  schwachen  conj.  ist  folgende: 
Beispiel:  Tihlggn  klagen. 
Sg.  1.  khlögdt 

2.  khlögdst 

3.  klüögdt. 

PI.  1.  khlggstn  (kJüggdtmr) 

2.  khlögsts 

3.  khlögdtn. 

Beachtenswert  sind  die  formen  der  2.  sg.  und  pl.:  sggdst 
sagtest,  mölidst  machtest,  sgydts  sagtet,  mghdts  machtet,  \.  s.  w., 
für  sggdtst  bez.  sggotdts  etc.  Im  sg.  ist  ist  zu  st  dissimiliert 
worden,  im  pl.  ist  der  z wischen vocal  der  synkope  anheim- 
gefallen. 

Die  1.  pl.  erscheint  hier  im  gegensatz  zum  praes.  in  der 
regel  ohne  das  enklitische  pron.  -mr.  Die  2.  pl.  dagegen  kommt 
wie  dort  nur  in  Verbindung  mit  -5  vor.  Die  3.  pl.  endigt  auf 
-dtn;  es  hat  sich  also  hier  die  regelmässige  conjunctivendung 
ohne  das  auslautende  t  erhalten  (ahd.  Idagötin). 

§  166.    Conjunctiv  praeteriti  starker  verba. 

Die  urspr.  conjunctivformen  starker  verba  wie  Tiliäm  käme, 
Tisäx  geschähe,  plnv  bliebe,  etc.  sind  beinahe  ausgestorben. 
Nur  von  der  älteren  generation  kann  man  sie  noch  ab  und  zu 
hören.  In  der  regel  wii"d  überall  die  endung  des  schAvachen 
praet.  -dt  an  den  abgeläuteten  stamm  angehängt:  Ichänidt,  ksähdt, 
XÜiwdt  u.s.w.  Aber  auch  diese  mischformen  beginnen  durch 
völlig  schwache  bildungen  verdrängt  zu  werden.  Bei  der  melir- 
zahl  der  starken  verba  bevorzugt  die  jüngere  generation  be- 
reits die  nicht  abgeläuteten  praeteritalformen;  z.  b.  göwdt, 
pfceifdt  für  gäivdt,  pftfdt  gäbe,  pfiffe. 

Nicht  üblich  ist  dagegen  die  anfügung  eines  -ot  bei  den 
praet.  von  'sein'  und  'tun':  war,  tat  (bez.  war,  tat).  Sie  mögen 
als  Paradigmen  für  die  flexion  des  starken  conj.  praet.  dienen: 

Sg.  1.  3.  ivär,  tat 

2.  ivarst,  tast  (tä[tpst). 
PI.  1.  tcärv  (warmr),  tätn  {tatmr) 

2.  icarts,  tats  (tät9ts) 

3.  wärv  (icämt),  tätn  (tätnt). 

Ueiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXVUl.  14. 


210  LES8IAK  §  167 

Von  den  einzelnen  endungen  gilt  im  wesentlichen  dasselbe, 
was  oben  bei  der  conjugation  des  schwachen  praet.  gesagt 
wurde.  "Tätest',  'täte'  ersclieinen  in  der  regel  als  tast,  tats. 
tätost,  täföts  sind  ebenso  zu  beurteilen,  wie  etwa  rce'ddt,  raüMs 
reitet,  reitet  (pl).  In  der  3.  pl.  erscheint  auch  -nt,  nach  ana- 
logie  des  praes.:  khamdnt,  nämont  neben  Jchämon,  nämdn. 

Einigermassen  auffallend  ist  es,  dass  das  gedeckte  i  der 
conjunctiveudungen  völlig  geschwunden  ist,  während  es  sich 
sonst  in  der  regel  als  o  («)  erhalten  hat.  Es  dürfte  sich  hier 
jedoch  wol  nur  um  eine  angleichung  an  die  flexion  des  praes. 
handeln. 

Beachtenswert  ist  bei  einigen  verben  der  3.,  4.  und  5.  reihe 
die  Übertragung  des  wechseis  von  i  —  e  (ö)  im  praes.  auf  den 
conj.  praet.,  z.  b.  sg.  1.  3.  stinvot  stürbe,  2.  stirwdst,  pl.  1.  3. 
stencdtn,  2.  stertvots;  ebenso  hilfjt  hülfe  —  helßtn;  frdirwdt 
verdürbe  —  frdenvdtn;  sUldt  stähle  —  steMn;  frspnhdt  ver- 
spräche —  frspröhdtn;  tnfdt  träfe  —  tröfdfn;  frgtsdt  vergässe 
—  frgösdtn.  Bei  anderen  verben  dieser  art  hört  man  solche 
analogiebildungen  seltener.  Daneben  gebraucht  man  natürlich 
auch  formen  wie  sterwdt,  helfot,  tröfot  u.s.w. 

Vereinzelt  finden  sich  auch  beispiele,  wo  der  ablautvocal 
des  part.  praet.  auf  den  conj.  praet.  übertragen  wurde:  goUdt 
gülte  (neben  geltdt,  giltdt),  drsroMidt  erschräke  (neben  drsrölchdt, 
drsrikhdt),  stöldt  stähle  (s.  o.). 

§  167.  Participium  praeteriti. 
Das  part.  praet.  der  starken  verba  endet  auf  -n  (-9n),  das 
der  schwachen  auf  -t,  -dt.  Hinsichtlich  der  sjmkope  und  assi- 
milation  gelten  dieselben  regeln  wie  für  den  inf.  bez.  die  3.  pers. 
sg.  praes.;  vgl.  gotröfn  getreten,  gdtrlbm  getrieben,  glögv  ge- 
legen, gd2)rün9n  gebrannt  (bez.  gdpriin),  gnommdn  genommen 
(hez.  gnom),  Icstwgon  geaimgen  (hez.  ksuia)]  —  ^Zöp  gelebt,  ksgJc' 
gesagt  (ksQkkis  gesagt  ist),  gökldt  geeggt,  ksnQppot  geschnappt, 
gdpittdt  gebeten,  gdpgddt  gebadet  (aber  khröt  geredet,  kstökht 
gesteckt). 

Zur  Vorsilbe  ge-  vgl.  §  29.  Präfixlos  sind  wie  im  mhd. 
khönidn  gekommen,  iv^n)  geworden,  j^^^Ai  gebracht  (dagegen 
stets  kfuntn  gefunden,  ^^^ro/ii  getroffen);  ferner  ^y6m  gegeben, 


§  168.169  MUNDART   VON   PERNEGG.  2ll 

g{»3g9n  j^egangen,  EiridV  bekommen  (dag.  gdlihrbV  gescholten, 
zu  mild,  kriegen),  s.  a.  a.  o. 

Mit  untrennbarer  partikel  zusammengesetzte  verba  ent- 
behren des  präfixes:  glaj)  geglaubt  (mhd.  geloiihef),  pVihm  ge- 
blieben (mlid.  ieZ/6ew).  Ausnahmen:  gdgicent  g^^VCAmt,  gdhUr^tn 
geraten  (=  gediehen),  golhroü  gereut,  goMiert  gehört  (zu  'ge- 
hören'), gdTxhgltn  neben  hligltn  behalten,  {gösn  gegessen,  ent- 
spricht mhd.  ge^^en). ') 

3)   Die  ablautsreihen  der  starken  verba. 

§  168. 

Die  6.  reihe  ist  in  der  ma.  vollständig  mit  der  7.  zusammen- 
gefallen, die  übrigen  lassen  sich  noch  deutlich  unterscheiden. 
Vom  praet.  führe  ich  nur  die  ablautenden  formen  an,  soweit 
sie  überhaupt  vorkommen,  dagegen  nicht  die  schwach  gebil- 
deten, die  ja  kein  besonderes  Interesse  bieten  und  sich  leicht 
construieren  lassen.  Ebenso  übergehe  ich  formen  me  frspnlidt 
etc.  (vgl.  oben). 

§  169.    Erste  klasse. 

I.  klasse:  mhd.  sUgen,  stige;  (stete),  stige\  gestigen.  Hierher 
gehören: 

pceisn  beisseu,    plsdt,    gdplsn 
gddoßihn  gedeihen,    — ,    godlhn 
paflceisn  beileissen,    j93/?is3f,    2^^ß^'>'>' 
grceifn  greifen,    grlfot,    gdgrifn 
pla;ihm  bleiben,    pliw,    pUw9t,    plibm 
keihn  leihen,     lihst,    glihn 
pfceifn  pfeifen,    pfifdt,    gdpfxfn 
rceibm  reiben,    nwdt,    khnbm 
rceitn  reiten,    — ,    khrittn 
roeisn  reissen,    fisdt,    khnsn 
sceihn  seihen,     slh^t,    ksihn 
Mceihn  schleichen,    mithat,    kUlhn 
Mceifn  schleifen,    Mifdt,    kslifn 
SlceisH  schleisseu,    — ,     kMxsn 
hnceisn  schmeissen,    ämis3t,    khn'isn 
Mceibm  schneien,    Snnvdt,    khnlbvi 
hpceibm  speien,    iptwdt,    kSpibm 
Uceigv  steigen,    hügdt,    kUlgo 
Urceitn  streiten,    Urittdt,    kUrittn 


')  Die  fremdwörter  aiif  -ieren  bilden  ihr  part.  in  der  regel  ohne  ge-. 


212  LESSIAK  §  170 

Mra'iJm  streichen,    Mrlh9t,    kUrihn 
hceinsn  scheinen,    ^tMt,    kMndn 
h(Bisn  scheisseu,    Msat,    k^isn 
hrceibm  schreiben,    Mwaf,    kSnbm 
trceihm  treiben,    tnwat,    g9tnbm 
wceihn  weichen,    tvihat,    givllm 
tsceihn  zeihen,    tslJiat,    gatsihn. 

Der  grammatische  Wechsel  hat  sich  erhalten  in 

lan'dn  leiden,    lä,    glittn 
hictidn  schneiden.    Mit,    Mnitin. 

Ein  r  schiebt  sich  ein  in  srcemon  schreien,  srlrot,  lisnrn 
(mild,  schrir,  geschrirn).  —  Bewahrt  ist  das  part.  praet,  von 
mhd.  verkliben:  frklüibm  verkümmert,  im  Wachstum  zurück- 
geblieben. —  Wol  der  Schriftsprache  entlehnt  ist  sceidn  scliei- 
den  (von  der  ehe),  part.  Midn,  vgl.  auch  frsidn  verschieden, 
—  soeibm  'Scheiben',  kegeln,  hat  das  part.  Tisöhm  (nach  analogie 
von  sidhm  schieben).  —  Neben  ksman  geschienen,  hört  man 
auch  hsündn  und  Mceint. 

In  die  schwache  conjugation  sind  übergetreten  pceitn  borgen 
(mhd.  hiten),  grceindn  schelten  (mhd.  grinon),  mceidn  meiden, 
nceidn  neiden,  noeign  neigen,  roeidn  drehen  (selten).  Nur  transitiv 
gebraucht  wird  swmgii  schweigen. 

Der  ma.  fehlen  von  bekannten  verben  bleichen  (=  mhd. 
lUchen),  schreiten,  gleissen,  gleiten,  verweisen. 

Folgende  urspr.  schwache  Zeitwörter  sind  zu  den  starken 
übergegangen:  gmproeisn  anpreisen,  part.  goprisn;  glceihn 
gleichen,  glihdt,  goglihn;  tvoeihn  weihen,  gwihn  (dag.  gwceixts 
geweihtes  osterfleisch),  wceisn  tünchen  (weissigen)  und  weisen, 
gwlsn. 

§  170.    Zweite  klasse. 

II.  klasse:  mhd.  biegen,  biuge\  (bouc),  buge  (obd.  conj.);  ge- 
bogen.   Vgl.  dazu  §  162.    Hierher  gehören: 

piagv  biegen,    püg9t,    gepögv 
pi9tn  bieten,    — ,    gapötn 
frdridsn  verdriessen,    — ,    frdrösn 
fliagv^)  fliegen,    flügat,    kflögv 
flidhn  fliehen,    — ,    kflülm 
flmn  fliessen  (selten),    — ,    kflösn 


1)  fliago  ist  nicht  sehr  gebräuchlich ;  meist  wird  ßi^hn  in  der  bedeutung 
'fliegen'  verwendet:  dr  fogl  flidxt,  is  kflohn. 


§  171  MUNDART   VON   PERNEGG.  213 

giasn  giessen,    güsat,    gsgösn 
khliahm  klieben,    — ,    gdTchlöhm 
Jchridhn  kriechen,    — ,    gMiröhn 
lidgv  lügen,    lUgdt,    glögv 
riahn  riechen,     — ,     khröhn 
Uiafn  schliefen,    llüfdt,    kMöfn 
hliasn  schliessen,    UüS9t,    kMosn 
hnidgv  (wasche  ans-)  schmiegen,  —  ,  khnügv 
hdhm  schieben,    hüii-3t,    ksöhm 
iidsn  schiessen,     — ,    ksösn 
pstridgv  betrügen,    — ,    pdtrögv. 
Ferner      saufn  saufen  (saufst,  sauft),  süßt,  ksüfn. 

Grammatischer  Wechsel  ist  bewahrt  bei 
siadn  sieden,    — ,    ksötn 
friasn  frieren,    frürat,    kfrö^i'v 
frli9sn  verlieren,    frlürdt,    frlöjv 
isidhn  ziehen,  tsügat,  gatsögv  (gatsöhn). 

Schwach  geworden  sind  tii9sn  niesen  (part.  gnidst,  daneben 
gnidsn),  plohidn  bläuen,  Mroindn  gereuen,  JcJioindn  kauen,  noindn 
stampfen  (mhd.  nkiiven). 

Der  ma.  fehlen  nhd.  gemessen,  spriessen,  stielen,  triefen, 
saugen.  —  prceidn  brauen,  ist  entlehnt. 

§  171.    Dritte  klasse. 
III.  klasse:  a)  Mhd.  singen,  singe;  (sanc),  sunge;  gesungen. 
Im.conj.  praet.  erscheint  zum  teil  a  {*(e,  ä),  vgl.  dazu  die  aus- 
führungen  bei  Schatz  §  156.    Dieser  gruppe  gehören  an : 

pintn  binden,    j^anf,    gapuntn 

prindn  brennen  (intr.),    — ,    gdpründn 

dn'vgsn  dringen,    — ,    gddruvgdn 

fintn  finden,    fant,    kfuntn 

klüiugdn  klingen,     — ,    gskhluvgsn 

g{e)Umj3n  gelingen,    — ,    g{e)luüg9n 

riugan  ringen,    — ,    khnwgdn 

nndn  rinnen,    rän,    khründn 

siügon  singen,    siwgdi,    ksnugdn 

s/i;Ä7t>i  sinken,    — ,    ksuukhn 

slnaii  sinnen,  — ,  ksünan  (häufiger  ksint) 

Uivgdn  schlingen    — ,    ksliwgin 

Uintn  schlingen  (mhd.  slinden),  — ,  kUuntn 

hp'indn  spinnen,    — ,    Mpünon 

iprivgdii  springen,  spruug,>t,  iprav(g9t),  kspruugon 

stivkhn  stinken,    kuukhdt,    kMiwkhn 

hvimsn  schwimmen,    — ,    kkvumman 


214  LESSIAK  §  171 

kvivg3n  schwingen,     — ,    kkvuvgan 
friwintn  verschwinden,    — ,    frswuntn 
sinhi  schinden,    — ,    khintn 
trivkJni  trinken,  triwkhst,  iravkx,  gatruvkhn 
gwlMK  gewinnen,    — ,    givünan, 
ivivkhn  winken,    — ,    gwuvkhn 
winin  winden,    — ,    givuntn 
tswivgdn  zwingen,    — ,    gdtswuvgan. 

b)  Mhd. gelten,  gute;  {galt),  gidte\  gegolten.  Hierher  gehören: 

dröM  dreschen,    dräht,    gddruM 
gelin  gelten,    goltat,    gogoltn 
helfn  helfen,    half{dt),    kholfn 
auslöhi  aiislöschen  (trans.  und  intr.),  — ,  ausglöln 
inel{d)hn  melken,    — ,    gmolhn 
hneltsn  schmelzen,    — ,    khmoltsn 
-  ■    Merhni  sterhen,    Mariodt,    kMgrbm 
iseltn  schelten,    — ,    kioltn 
loerfri  werfen,    —    gwgrfn 
werbtii  werben  (pawerlm  'sich',  geschäftig 
sein),    — ,    givgrbtn  (pawgrbm) 
icern  werden,    würat,    ivöjv. 

meldJm  und  seltn  haben  den  Wechsel  von  i  —  e  im  praes. 
aufgegeben  {i  mehx,  seit  u.s.w.),  desgleichen  wem:  i  wer,  du 
wer  st,  er  wert.  Daneben  kommen  (mit  ausnähme  der  1.  pers.) 
schwachtonige  formen  ohne  r  vor:  ivest,  wet,  wemr,  wets,  went. 
Merkwürdig  ist  der  sg.  praet,  wlrdt  {ivirdst)  neben  ivürdt  Ent- 
weder hat  die  Übertragung  des  praesensvocals  bereits  zu  einer 
zeit  stattgefunden,  als  der  Avechsel  im  praesens  noch  erhalten 
war,  oder  die  form  ist  einfach  analogiebildung  nach  Mlfdt  etc. 
Zum  Schwund  des  d  vgl.  §  105,  3.  —  frdirhm  verderben,  swöln 
schwellen,  haben  umlauts-e  und  flectieren  regelmässig  schwach. 
Von  der  starken  flexion  haben  sich  nur  die  part.  erhalten: 
frdQrhm,  hswoln.  —  pdfein  befehlen,  part.  pdfoln  ist  entlehnt; 
es  wird  übrigens  selten  gebraucht,  dafür  s^fn  oder  häsn. 

Folgende  urspr.  verba  der  dritten  klasse  flectieren  in  der 
ma.  schwach:  ^veZw  bellen  (selten,  dafür  MpZim),  smertsn  schmer- 
zen (daneben  smirtsn  für  *smartjan),  fcxtn  betteln,  flextn  flechten 
(dafür  lieber  ivintn,  printn,  tsöpfn;  die  wenig  gebrauchten  starken 
part.  hfoxtn,  hfloxtn  sind  ohne  zweifei  der  Schriftsprache  ab- 
geborgt), hinJchn  hinken.  Der  ma.  fehlen  unter  anderen  nhd. 
schellen,  lergen,  bersten,  heginnen,  glimmen,  Idimmen.    Von  ur- 


§  172.173  MUNDART   VON   PERNEGG.  215 

spr.  schwachen  haben  sich  dieser  klasse  angeschlossen  tsinfn 
zünden,  tsuntdt,  gdtsuntn;  lintn  'sterz  linden',  mehl  dnrch  um- 
rühren in  einer  pfanne  rösten,  — ,  gluntn\  gnslntn  antreiben, 
hetzen  (mhd.  scliünten),  simtdt,  Tisuntn\  ivintsn  wünschen,  — , 
gtvuntsn. 

§  172.    Vierte  klasse. 

IV.  klasse:  mhd.  nemen,  nime\  (nani),  nceme;  genomen. 
Hierher  gehören: 

prölm  brechen,    präx,    prahdt,    g9prdhn 

nöman  nehmen,    näm,    nämot,    gnommdn 

fripröhn  ^)  versprechen,  frspräx  {-hprahdt),  fr$pröhn 

Mohn  stechen,    — ,    JcUöhn 

stein  stehlen,    Mal,    Mdbt,    kMohi 

drlrökhn  erschrecken,    clHroJchdt,    drsroJihn 

tröfn  treffen,    träf(9t),    gdtrüfn. 

Von  mhd.  hern  hat  sich  nur  das  part.  goporv  geboren, 
erhalten,  von  mhd.  {he)semen  die  3.  sg.  in  der  redensart  dos 
pdtsim.ptse  (nit)  das  geziemt  sich  (nicht).  —  kltömon  kommen, 
ist  schon  im  ahd.  zur  5.  reihe  übergegangen:  ]cJmm(df),  khömon 
(praes.  sg.  Mim  etc.).  Die  Stadtsprache  hat  im  praes.  und  part.  u: 
Mum,  Ixlumidn.  —  Schwach  flectiert  seru  scheeren  (part.  ksert, 
seltener  l-sgrn).  —  Nhd.  hehlen  und  rächen  fehlen. 

§  173.    Fünfte  klasse. 

V.  klasse:  mhd.  gehen,  gibe;  (gcij)),  gcebc,  gegeben.  Diese 
reihe  umfasst  folgende  verba: 

ösn  essen,     äs,  (-at),    güsn 

göbm  geben,    gäw,  (-at),    göbm 

frgüsn  vergessen,    frgäs,  (-at),    frgösn 

khnötn  kneten,    — ,    gilclmötn 

lösn  lesen,    — ,    glösn 

mösn  messen,    mäs,    gtnüsn 

SEhn  (seahn)  sehen,    sägdt,    sähdt,    ksEhit 

khehn  (kieahn)  geschehen,    kMx,     kmhat,    kMin 

irötn  treten,     t)-ät,    gjtröUi 

ivötn  einjochen,  -spannen,    — ,    gicötn 

pittn  bitten,    pät,    gdpöin  (meist  gopiUst) 

Ugv  liegen,    lägat,    glöga 

siisn  sitzen,    säs,  {-dt),    ksösn. 


*)  Das  einfache  hpröhn  sprechen,  wird  selten  gebraucht. 


216  LESSIAK  §  174. 175 

Grammatisclier  Wechsel  liat  sich  erhalten  in  tvär  wäre 
(war)  —  gwösn  gewesen  (nie  ytvöst),  und  sehn  —  sägdt.  In 
der  Stadtsprache  ist  bei  'sehen',  'geschehen'  die  form  des  part. 
auch  auf  das  praes.  übertragen  worden:  segi)  sehen,  Jcsegv  ge- 
sehen; lisegu  geschehen  (zwischen vocalisches  *h  bleibt  sonst  im 
höfischen  als  h  erhalten,  vgl.  wceihn  weihen,  loeUm  leihen,  stglil 
stahl,  etc.).  —  ivögn  wägen,  ist  in  die  4.  reihe  übergetreten: 
part.  givögn  neben  schwachem  givö¥;  stets  fnvögii  verwegen. 
Dieses  verbum,  ferner  hhnötn,  ivotn  haben  den  Wechsel  von 
i  —  e  im  praesens  aufgegeben.  —  Zu  hknötn  kann  auch  ein 
schwaches  part.  g9l-]möfDt  gebildet  werden.  —  Völlig  schwach 
geworden  sind  iötn  jäten,  pflögn  pflegen,  —  Es  fehlen  der  ma. 
nhd.  ivehen  (dafür  ivirhhn),  genesen. 

§  174.    Sechste  klasse. 

VI.  klasse:  mhd.  trogen,  trage;  (truoc),  trüege\  getragen. 
Von  starken  praeteritalformen  haben  sich  nur  zwei  erhalten: 
slidgdt  schlüge,  zu  slgg'i3\  tridgdt  trüge,  zu  tr^jg^t.  Part.  Ixslggw, 
gdtrggw.  Von  starken  part.  sind  noch  folgende  bewahrt: 
gdpfilin  gebacken,  Ixffm)  gefahren,  gdgrghm  gegraben,  glgdn 
(ein-  und  auf-)  geladen,  glglin  gelacht,  gmgln  gemahlen,  auch 
gemalt,  hsghm  geschabt,  Tisgfn  geschaffen  (neben  Idgft,  inf.  sgfn), 
givgtn  gewatet  (neben  giügtdt),  gtvghsn  gewachsen,  givgsn  ge- 
waschen; ferner  Mtgntn  gestanden  (inf.  st^an),  Jcswgrv  ge- 
schworen (häufiger  schriftsprachliches  hswurij).  Schwache  part. 
bilden  höbtn  heben  (khöp,  das  seltene  Jchöbm  ist  jedesfalls  ent- 
lehnt), nggn  nagen. 

§  175.    Siebente  klasse. 

VII.  klasse:  ursprünglich  reduplicierende  verba. 

Von  starken  praet.  sind  vorhanden  lidsot  Hesse,  g^augdt 
gienge  (vgl.  §  178,  3),  alle  übrigen  sind  verloren  gegangen.  — 
Von  part.  auf  -n  haben  sich  erhalten  ^3j)Z(>.9w  geblasen,  gdprgtn 
gebraten,  lifgmjdn  gefangen  (inf.  fgngdn;  gnfgwßn  anfangen, 
bildet  das  part.  stets  schwach:  gnkfguU),  Jcfgln  gefallen,  khglsn 
(zu  hglsn  halsen),  Mgltn  gehalten,  hligngon  (zu  ligmjdn  hangen), 
Jilirgtn  (zu  rgin  raten;  daneben  Jchrgtot;  Jchrgtn  geraten,  ent- 
raten,  hat  nur  starkes  part.:  gBlthrgtn,  seltener  khrgtn),  Jcsgltsn 
gesalzen,  Jcsl^fn  geschlafen,  hsmgltsn  geschmalzen,  Jcspgltn  ge- 


§  176  MUNDART   VON   PERNEGG.  217 

spalten,  (jivQlg^)  (zu  n-<}lg})  sich  wälzen;  aucli  trans.  wälzen; 
mhd.  icalgen),  givgllm  (zu  ivQllin  walken);  lihäsn  gelieissen, 
kstgasn  gestossen  (inf ,  stgasn,  stgast  stösst) ;  zu  ggngdn  gegangen, 
vgl.  §  178,  3;  Igsn  lassen,  part.  glösn,  hat  in  der  3.  sg.  und  2.  pl. 
Ind.  praes.  Igt,  Igts  (mhd.  Idt,  lät)  neben  regelmässigem  Igst, 
Igsts.  Von  lafn  laufen,  lautet  das  part.  glöfn  (schon  mhd. 
geloffen).  —  Schwache  part.  werden  gebildet  zu  Spgndn 
spannen,  pgndn  bannen,  fgltn  falten,  frivgltn  verwalten,  sadn 
scheiden  (mhd.  scheiden),  su'äfn  garn  aufwinden  (mhd.  stveifen), 
tsäsn  auseinanderkratzen,  (zer)zausen  (mhd.  zeisen),  haundn 
hauen,  Ihaut,  paiindn  bauen,  gdpaut,  ridfn  rufen  (mhd.  rüefen 
st.  und  schw.). 

4)    Zum  schwachen  verbum. 

§  176.    Flexion. 

Was  die  flexion  anbelangt,  sind,  wie  ich  bereits  oben  be- 
merkte, die  drei  klassen  der  schwachen  verba  vollständig  zu- 
sammengefallen. 

Von  sog.  rückumgelauteten  part.  sind  erhalten  frwgnt  ver- 
Avant,  pdhhgnt  bekannt;  beide  kommen  nur  in  adjectivischer 
Verwendung  vor.  Sonst  ist  der  'rückunilaut'  überall  durch 
analogieformen  verdrängt  worden:  gjdeuMt  gedacht,  gdprent 
gebrannt  (trans.),  goliliönt  gekannt,  gnönt  genannt,  klirent  ge- 
rannt, gwentdt  gewendet. 

Zu  prhMjdn  bringen,  lautet  das  part.  prgxt,  der  conj,  praet. 
praxt\  die  nebenform  prCihdt  steht  unter  dem  einfluss  der 
schwachen  praeteritalendung.  Das  praes.  dcBÜin  'dünken' 
(stets  reflexiv  verwendet:  se  dceihn  sich  gross  dünken,  prahle- 
risch auftreten),  ist  neubildung  zum  praet.  mhd.  diuhte;  pd- 
dtwkhn  erscheint  substantiviert  in  der  redensart  ngx  j^dduMm 
nach  gutdünken,  belieben.  —  firxtn  fürchten,  bildet  ein  starkes 
part.  Ixfurxtn  (vgl.  ahd.  gifurhtit  und  mhd.  gcvorhten). 

hghm  haben  (=  besitzen  und  als  hilfszeitwort)  zeigt  im 
ind.  praes.  zusammengezogene  formen:    sg.  1  ligyi  (mhd.  htm), 

2.  hgst  (mhd.  hast),  3.  hgt  (mhd.  hat);  pl.  1  hgm,  hgmmr  (mhd. 
hän,  hän  wir;  das  m  der  ersten  form  ist  durch  die  zweite  be- 
einflusst;    daneben  uncontrahiert  hghm),    2.  hgts  (auch  hgpts), 

3.  hgmp  (aus  Vighmp,  mhd.  hahent).    Imp.  und  3.  conj.  ist  regel- 


218  LESSIAK  §  177 

massig  Imv.  Der  conj.  praet.  lautet  liidt  (mlid.  hicte)\  hat  (mlid. 
liete)  ist  höfisch.  Part,  liligt  (mhd.  gcMt\  die  stadtsprache  hat 
Jchopt). 

In  der  bed.  '(fest-) halten'  flectiert  hohni  durchwegs  regel- 
mässig: /  ]iinv  ich  halte,  er  hgp  er  hält,  hgtv3t  hielte,  khgp 
gehalten. 

Anm.  In  der  spräche  der  htirtslr  (s.  s.  6,  anm.)  wird  'haben'  im  praesens 
folgendermassen  flectiert:  sg-.  1.  3  M¥,  2.  hökst;  pl.  1.  hökJcv,  2.  Itöks  (hökts), 
3.  hökk3n(t).    Es  sind  dies  alte  conjunctivformeu,  vgl.  mhd.  hebege. 

5)    Unregelmässige. 

§  177.    Praeteritopraesentia. 

1)  tvlsn  wissen:  sg.  1.  3.  tväs,  2.  tvast]  pl.  1.  tvtsn,  wtsmr, 
2.tvists,  2>.w~isn{t)\  3.  conj.  praes.  fehlt  (wie  bei  allen  verben 
dieser  art);  conj.  praet.  ivist,  wlsdt;  part.  gwist. 

Die  formen  sind  regelmässig  entwickelt  mit  ausnähme  der  3.  pl.,  die 
nach  dem  muster  der  übrigen  verba  meist  auf  -nt  endigt.  Diese  Übertragung 
ündet  sich  bei  allen  praet. -praes.  ivist  entspricht  der  mhd.  secundärform 
wiste.    w~iS9t  ist  analogische  neubildung. 

2)  Jihmon  können:  sg.  1.  3.  IcJtgn,  2.  Idignst]  pl.  1.  Milndn, 
khimr,  2.  Mints,  3.  ]cMn9n{t);  conj.  praet.  Jdmnt  (selten),  Miint 
Miindt\  part.  gdlhint. 

khinsii  entspriclit  mhd.  künnen;  klmnt,  mhd.  künde;  khint  ist  wol  nicht 
auf  mhd.  künde  zurückzuführen,  es  scheint  vielmehr  neubildung  zum  inf.  zu 
sein,  ebenso  wie  khlnat  und  gdkhint  (die  höfische  form  ist  khöndn). 

3)  soln  sollen:  sg.  1.  3.  söl,  2.  solst;  pl.  1.  soln,  solmr,  2.  solts, 
3.  soln{t)\  conj.  praet.  solt,  söht;  part.  JcsoU. 

Das  0  des  sg.  ist  über  alle  formen  ausgedehnt  worden,  iolst  ist  natür- 
lich analogiebildung  (mhd.  scholl).  Die  formen  mit  §  (urspr.  sk)  haben  sich 
auch  in  einigen  steir.  ma.  erhalten  (Schmeller,  BWb.  2,  402  führt  scholl  als 
oberpfälzisch  an;  vgl.  auch  Schiepek,  Egerl.  ma.  §  150,7).  Ab  und  zu  hört 
man  auch  schon  die  höfische  form  sol. 

4)  mögii  mögen:  sg.  1.  3.  mog,  2.  tmjlcst  (secundäre  bildung); 
pl.  1.  mögn,  mögmr,  2.  möJc{ty,  3.  mögf)(k);  conj.  praet.  möxt, 
mögdt\  part.  gmöxt,  gmök\ 

mögt)  entspricht  mhd.  megen  mit  umlauts-e.  möxt  kann  nur  auf  mhd. 
mähte  zurückgehen,  denn  mhd.  mehte  (mähte)  würde  *maxt  entsprechen. 
Dieser  form  bedient  man  sich  nur  zur  Umschreibung  des  conj.  praet.,  sonst 
gilt  die  analogieform  mögdt.  gmöxt  ist  nach  dem  praet.,  gmö¥  nach  dem 
praes.  gebildet,  mögn  wird  noch  häufig  in  der  urspr.  bedeutung  'können' 
gebraucht. 


§  178  MUNDART   VON   PERNEGG.  219 

5)  midsn  müssen:  sg.  1.  3.  muds,  2.  tmidst;  pl.  1.  midsn,  midsmr, 

2.  midsts,   midts,   3.  midsn{t)\    conj.  praet,  midst,  midsdt;    part. 
gmidst,  gmidt. 

Der  Schwund  des  s  in  der  2.  pl.  dürfte  von  lots  lasset,  beeinflusst  sein. 
Von  da  wäre  er  dann  auch  auf  das  part.  übertragen  worden. 

mi9sn  hat  neben  der  bed.  'müssen'  auch  noch  die  alte  'gelegenheit 
haben';  z.  b.  i  hon  gmi'jst  heru  ich  hatte  gelegenheit  zu  hören. 

6)  terfn  dürfen,  ist  nur  noch  an  der  3.  sg.  terf  als  urspr. 
praet.-praes.  erkennbar.  Sonst  flectiert  es  ganz  wie  ein  schwaches 
verbum:  conj.  praet.  terfdt  (nie  terft)-,  part.  gdterft. 

Schatz  will  das  e  auf  *e  zurückführen  und  setzt  ein  verbum  d'erfan  (?) 
an,  das  früh  das  praet.-praes.  verdrängt  haben  soll  (I.  ma.  §  165).  Es  ist  aber 
doch  auch  möglich,  dass  dem  e  ein  *o  zu  gründe  liegt,  das  vom  conj.  praet. 
aus  auf  die  übrigen  formen  übertragen  worden  wäre  (dafür  würde  auch  die 
häufige  Schreibung  dörffen  in  älteren  quellen  sprechen,  vgl.  BWb.  1,538). 
Imsterisch  tarf  widerspricht  dieser  annähme  durchaus  nicht,  darffld  dörf- 
lein,  kxarb  körbe  (I.  ma.  §  46),  sind  m.  e.  nicht  analogiebildungen,  sondern 
kurz  gebliebenes  *ö  hat  sich  in  der  Imster  ma.  vor  r  ebenso  regelmässig 
zu  a  entwickelt  wie  *e. 

7)  Völlig  schwach  flectieren  wie  im  nhd.  taugij  taugen, 
{fr)gundn  (ver)gönnen. 

§  178.    Urspr.  verba  auf  -mi. 

1)  sceindn,  swin  sein:  sg.  1.  pin,  2.  pist,  3.  is;  pl.  1.  scein, 
sceimr,  simr,  2.  smits,  3.  sint  (schwachtonig  auch  sönt,  snt,  hnt); 
3. conj.  scei,  pl.  sceln.  Der  imp.  stimmt  zum  nhd.:  sg.  scei,  pl.  sceits. 
Die  3.  pl.  lautet  im  höfischen  nach  analogie  der  übrigen  plural- 
formen sceint,  in  Pernegg  hört  man  diese  form  selten,  wol  aber 
wird  die  1.  pl.  häufig  nach  der  3.  gebildet:  simr  für  sceimr. 
Praet.  und  part.  werden  von  der  wz.  ices  ergänzt:  tcär  Aväre, 
und  war,  gwösn  gewesen. 

2)  tgan{9n),  tgan,  tän{dn)  tun:  sg.  1.  tud,  2.  tudst,  3.  tudt\ 
pl.  1.  (t^an),  t(^amr  (tidmr),  2.  tiots,  tiopts,  3.  tqamp,  igamp 
(schwachtonig  t^mp).    Daneben  pl.  1.  tiidn  [tudmr\  2.  tud(p)fs, 

3.  timnp;  imp.  sg.  und  3.  conj.  tuo,  imp.  i)l.  tid{p)ts,  tudts;  praet. 
tat  (mild,  tcete;  tat  ist  höfisch,  es  entspricht  dem  mhd.  tete); 
part.  gatgn. 

Die  1.  sg.  ist  natürlich  analogisch.  Der  pl.  praes.  zeigt  umlaut  wie 
die  mehrzahl  der  praet.-praes.  (vgl.  auch  Schatz  §  168),  doch  überwiegt  in 
der  3.  pl.  die  umlautlose  form.  ti9mr  (mit  td  für  fa)  ist  von  ti9(p)ts  be- 
einflusst.  —  Die  H3-formen  des  pl.  entstammen  der  stadtsprache.  —  tia})ts 


220  LESSIAK  §  179. 180 

(anch  ihps\  teamp,  tganip  beruhen  auf  einer  formübertragung  (wahrschein- 
lich hat  der  pl.  praes.  von  'haben"  den  anlass  hierzu  gegeben;  vgl.  übrigens 
auch  §  25,  e,  aum.).  —  Die  ältere  generation  bedient  sich  nur  der  regel- 
mässig entwickelten  inf.-form  tgun{dn).  iän{dn)  dringt  von  den  taldialekten 
aus  vor  (sein  a  für  ga  steht  vielleicht  unter  dem  einfluss  des  praet.  tat). 

3)  g^andn,  g^an  gehn:  sg.  1.  g^a,  2.  g^ast,  3.  g^af;  pl.  1. 
g^an,  gQamr,  2.  g^ats,  3.  g^ant;  imp.  sg.  3.  conj.  g§a,  imp.  pl. 
g^ats.  —  Genau  so  wie  g^an{dn)  flectiert  auch  st^andn,  st^an 
stehn.  —  Die  part.  praes.  g(^andnt{r\  st^andnt(r)  sind  neu- 
bildungen  zum  infinitiv  (vgl.  auch  Schatz  §  169);  g^ant{r\ 
st^ant{r)  sind  minder  üblich.  —  Die  praeteritalformen  werden 
von  den  stammen  gang,  stand  gebildet:  g^augdt,  gau  (gangdt) 
gienge;  stunddt,  st^angdt,  stant  (standdt)  stünde;  part.  ggwgdn 
{gQv),  TistQntn. 

g^cwgdi  entspricht,  abgesehen  von  der  secundären  endung,  dem  mhd. 
gienge]  Meavgat  ist  natürlich  eine  analogieform.  Auffällig  ist  Umuht  mit  u 
statt  des  zu  erwartenden  oa  (mhd.  obd.  *stuonde):,  es  handelt  sich  hier  wol 
um  anlehnung  an  die  praet.  der  dritten  ablautsreihe,  wie  snvgdt  u.  s.  w.  — 
Die  formen  gav(g9t),  stant  (Manddt)  sind  gegenwärtig  die  gebräuchlichsten ; 
sie  scheinen  der  stadtsprache  entlehnt  zu  sein.  Ohne  zweifei  stehen  sie 
unter  dem  einÜuss  der  zahlreichen  praet.  mit  a  als  umlautsvocal. 

Neben  stqangdt  hört  man  zuweilen  auch  st^andt  (neubildung 
zum  inf.  nach  dem  muster  der  schwachen  verba).  Praesens- 
formen  von  den  stammen  gang,  stand  kennt  die  ma.  nicht. 

§  179.    Wollen, 
ivöln  wollen:    sg.  1.  3.  wil,    2.  wilst\    pl.  1.  ivöln,  wölmr, 
2.  wöUs,  3.  wüln(t);  conj.  praet.  wolt,  wöldt  (auch  wöldt);  part. 
gwöU.  —  ö  ist  primärer  umlaut  des  ä. 

e)   Umschriebene  formen. 

§  180. 
Das  praes.  wird  häufig  mit  tQan(on)  tun,  umschrieben:  i  tu9 
lösn,  JcJwhn,  Qrwdtn  ich  lese,  koche,  arbeite  [die  zusammen- 
gesetzte form  drückt  in  der  regel  eine  länger  andauernde 
(oder  widerholte)  tätigkeit  aus;  z.  b.  er  sprinh'  er  springt  (ein- 
mal, slow.  5/i067),  er  tuot  spriwgdn  (widerholt,  slow.  s/i;ace)J;  der 
conj.  praet.  mit  tat  oder  möxt  (nie  wUrat):  i  tat  lösn,  i  möxt 
lösn  ich  würde  lesen;  warmr  rext  wgnr  tat  {möxt)  hhömdn  es 
wäre  mir  recht,  wenn  er  käme  (daneben  natürlich  auch  Ichämdt) 


Anhang  MUNDART  VON  PERNEGG.  221 

Zur  Umschreibung  des  iud.  praet.  dient  wie  im  nlid.  'sein'  und 
'haben':  i  pin  glögv,  Jcsösn  ich  bin  (habe)  gelegen,  gesessen 
(vgl.  auch  i  pin  mdrglögn,  -Jxsösn  ich  habe  mich  niedergelegt, 
-gesetzt),  i  hgn  {pin)  Mlgfn  ich  habe  geschlafen. 

Als  conj.  der  Vergangenheit  fungiert  der  conj.  des  plus- 
quamperfectums:  i  ivar  aufkstgntn  ich  wäre  aufgestanden, 
*  hidts  gniQxt  ich  hätte  es  gemacht  (tvar  und  JiiQt  können  in 
diesem  falle  nicht  umschrieben  werden). 

Das  plusquamperfectum  wird  ab  und  zu  durch  die  Um- 
schreibung mit  'bin  gewesen',  'habe  gehabt'  ausgedrückt: 
i  hgn  sg  gösn  khgt,  wid-r  is  Möm  ich  hatte  schon  gegessen, 
als  er  kam;  ivid  r  sg  ivceit  is  firJcfgrn  givösn  ...  als  er  schon 
weit  vorgefahren  war  . . . ;  doch  kommt  es  hier  mehr  auf  den 
zustand  an. 

Das  futurum  wird  mit  'werden'  gebildet:  der  ivert  gwräsn 
der  wird  abreisen  (sterben). 

Zui'  Umschreibung  des  passivs  verwendet  man  'werden' 
und  'kommen',  letzteres  fast  auschliesslich  nur  im  praes.:  dgs 
wert  (wet)  oder  Jchimp  ksötn  das  wird  gesotten,  dgs  lihimp 
(ivet)  asö  Tisribm  das  wird  so  geschrieben  (die  Umschreibung 
mit  'kommen'  kennt  auch  das  it.  und  wind.).  —  Conj.  praet.: 
i  ivürdt  drsösn  ich  würde  erschossen  (werden),  dgs  würdt  (selten 
Tihämdt)  gdlihoxt  das  würde  gekocht  (werden).  —  Ind.  praet.: 
is.  gdtsglt  tvgrn  es  ist  gezahlt  worden  (selten  is  gdtsglt  khünmi). 
—  Ein  eigentliches  plusquamperfectum  passivi  fehlt.  Die  Um- 
schreibung mit  ivar  oder  is  givösn  drückt  den  zustand  in  der 
Vergangenheit  aus:  dgs  ivar  gdlihoxt,  dgs  is  goJchoxt  givösn  be- 
deutet 'das  w^ar  gekocht  (gar)'.  —  Der  conj.  plusqu.  lautet  wie 
im  nhd.:  war  Jcstoln  wgn9  es  wäre  gestohlen  worden.  —  Ebenso 
das  futurum  dgs  ivert  gdtruMin  wem  das  wird  getrunken 
werden  (doch  wird  dafür  lieber  das  einfache  praes.  verwendet). 


Anhang. 

A. 

Ich  stelle  hier  die  wichtigsten  (zum  teil  schon  erwähnten) 
fälle  zusammen,  in  denen  unsere  mundart  von  der  sie  beeinflus- 
senden Stadtsprache  (dem  höfischen,  s.  s.  2)  abweicht. 


222  LESSIAK  Anhang 

1.  Lautlehre. 
Das  hüfisclie  hat:  offeneres  ä  für  nia.  geschlosseneres  g;  durch- 
weg (kehlkopf-)  r  für  ma.  r  und  r  (zungen-r,  vgl.  §  4,  b).  — 
Es  fehlen  ihm  eine  reihe  von  assimilationen  und  übergangs- 
lauten: höf.  pl(Bipt,  sgkt,  ma.  plceip,  sglc';  höf.  Ji<)mt,  lög{t3)nt, 
ma.  hgnq),  lögyU;  höf.  ^Jäwr,  stänr;  hulr^  Mml,  seml,  ma,.  pandr, 
standr-,  holdr;  himhl,  semhl\  höf.  sölni,  wudrm,  ma.  sölhm,  ivurhm; 
höf.  gr  (=  *ge  +  r-:  gntn,  grgstdt),  ma.  Jihr-  {khrittn,  IchrQstdt). 
Vgl.  dazu  §  25  ff.  —  Was  die  vocalquantität  anbelangt,  so  kennt 
die  Stadtsprache  viel  mehr  dehnungen.  In  der  regel  entspricht 
schwach  geschnittenem  vocal  der  ma.  langer  vocal  im  höfischen. 
Die  ma.  regel,  dass  i  {ii)  vor  t  und  g,  o,  u  vor  m  immer  kurz 
sind,  ist  dem  höfischen  fremd;  z.  b.  grltn,  glUn,  pitn,  pütr,  Ittr, 
jjjtr,  tsitr,  tntin:  ferner  sönmi,  prUmon,  Ümr,  tmr  (immer).  — 
Die  geminaten  sind  aufgegeben:  hg-khn,  po-pm,  ma.  hgk-khn, 
pop-pm\  vgl.  §  14.  15. 

2.  Lautgeschichte, 
a)  Yocalismus  starktoniger  silben:  das  höfische  hat:  e  für 
ma.  ^a  (=:  *e  und  ce):  höf.  khle,  sten,  ma.  khlea,  st^an{dn)\  höf. 
he  höhe,  fle  flöhe,  netn  nötigen,  stcsl  stössel,  lesn  lösen,  ma. 
hqa,  fl§a  etc.  (s.  §  59.  65).  —  ö  für  ma.  ga  (=  *o):  höf.  strö,  tot, 
höx,  ostrn,  stösn,  ma.  strga,  tgat  u.  s.  w.  Der  gegensatz  in  der 
behandlung  des  urspr.  o  (>  geschlossenem  ö)  und  ce  (>  offe- 
nerem e)  ist  sehr  auffallend  (s.  §  64.  Nagl,  Eoanad  s.  17,  anm.). 

—  ipr  für  ma.  gr  {=  *ör,  ör):  sudrg,  muorgi),  Icstudrhm,  iidrt 
ort,  ma.  sgrg,  mgrgn,  Jcstgrhm,  grt\  höf.  udr  ohr,  ma.  gra.  — 
idr  für  ma.  er  (*ör):  widrtr  Wörter,  idrtr  örter  (doch  auch  edrtr), 
vgl.  §  62.  63  (Anm.  Die  diphthongierung  des  i,  u,  auch  e  vor  r 
ist  im  höf.  stärker  ausgeprägt).  —  a  für  ma.  au  (=*w)  vor  m: 
frsänidn,  rämdn,  JcJiäm,  ma.  frsaumdn,  raumdn,  kJiaum  (s.  §  68.  69). 

—  cei  für  ma.  oi:  fceidr,  tmidr,  tmifl,  ma.  föir,  töir,  toifl  (s.  §  75). 

—  id  für  ma.  e^a  (=  *ie,  üc)  vor  nasalen:  didnen,  khidn,  widn 
Wien,  hidnr  hühner,  plisn,  ma.  d^andn,  kh^an,  {ts)w^an,  h^andr, 
plqandn  (s.  §  76.  78).  Zu  beachten  ist  höf.  klüidnr,  ma.  kJil^anr 
kleiner.  —  wa  für  ma.  ga  (=  *uo)  vor  nasalen:  griiQnidt,  tudn, 
md^.  grgamdt,  tgan{dn)  (§  77).  —  Zuweilen  au  für  ma.  a  (=*öm): 
tauf  taufe,  stauw  staub,  tsauwrn  zaubern;  doch  auch  khäfn, 
läfn,  räfn  u.  s.  w.  (§  73). 


Anhang  MUNDART   VON  PERNEGG.  223 

b)  Vocalismus  nebentoniger  silben.  Die  stadtspraclie  hat 
diu'chweg  -n  für  ma.  -a  der  scliw.  fem.  (§  81).  —  Es  felilen 
ihr  adj.  auf  -«:  höf.  Unt,  Imrw,  ma.  Ihida,  liariva  (§  83).  —  Im 
höf.  erscheint  -im  für  ma.  -in  (ahd.  -unga):  firmiü),  ma.  firmw; 

7iis  für  ma.  -nus  {-nos); ig  für  ma.  -e:  fidrtig,  msi.  firte 

(fertig); is  für  ma.  -os:  tämis,  ma.  tämds\  —  -lix  für  ma. 

-la:  liamlix,  röglix,  ma.  hamla,  rögla.  —  Zuweilen  -ix  für  ma. 
-dx  (ahd. -a/w):  Mrceiilix,  ma..  Jchrceiflox;  ygl.  ?Lnch.  mtlix  (milch), 
ösix,  rätix,  ma.  mildx,  ösdx,  rätdx.  —  Jtonf,  liidrhst,  ma.  hgndf, 
liiru'dst  etc. 

c)  Consonantismus.    Häufig  anl.  Jüi  (selten  g)  für  ma.  Z:: 

Tilighiids,  Jchceisn,   ma.  Jcglnids,  hceisn;   —   inl.  stets  kh:  slanJM, 

rceinMole,  toMr,  nmJihn,  ma.  slanJcl,  rcPÄnhdle,  tokkr,  mnkh)  (die 

aspiration  des  Ich  ist  im  höf.  im  allgemeinen  schwächer  als  in 

der  ma.). 

3.   Flexionslehre. 

Der  gen.  fehlt  der  Stadtsprache  in  freier  syntaktischer 
Verwendung  vollständig  (fälle  wie  ma.  s  pirgr,  s  mam  etc. 
§  122,  b,  7  sind  im  höf.  unerhört);  ebenso  der  dat.  pl.  (§  122.  d). 
—  Statt  des  ma,  a  hat  die  stadtsprache  e  als  umlautsvocal 
des  pl.  zu  Q,  z.  b.  teg  tage,  swedrm  schwärme,  ekhr  äcker,  fedn 
fäden,  ivegn  wagen,  khestn  kästen,  7negn  magen,  klircg))  kragen, 
next  nachte.  —  Nicht  selten  wird  der  pl.  in  schriftdeutscher 
weise  mit  -e  gebildet:  pele  balle,  plene  plane,  tidre  tiere,  u.s.w. 
(-e  ist  volltönendes,  mittleres  e,  nicht  ein  »-ähnlicher  vocal). 

Abgeläutete  conj.  praet.  sind  in  der  stadtsprache  fast  ganz 
verschwunden.  Beinahe  alle  starken  verba  bilden  den  conj. 
nach  art  der  schwachen:  rceiwot  riebe,  li9gdt  löge,  privgdt 
brächte,  u.s.w. 

B. 

Es  dürfte  nicht  unangebracht  sein,  einiges  über  die  laut- 
verhältnisse  des  wind,  nachbardialektes  zu  sagen,  soweit  ihre 
kenntnis  für  die  erklärung  der  Substitutionserscheinungen  in 
fremdwörtern  von  belang  ist. 

Urspr.  c  und  gelängtes  e,  o  sind  in  gewissen  fällen  (zumal 
unter  dem  hochton)  über  eQ,  oq  zu  id,  lo  geworden;  es  war 
also  möglich,  die  deutschen  ie,  uo  durch  entsprechende  diphthonge 
zu  ersetzen,  —  Urspr.  e"  (?),  o"  («)  sind  durch  offenes  §,  p  ver- 
treten, —  Urspr.  u  (v)  ist  als  reines,  unsilbisches  u  erhalten. 


224  LESSIAK 

—  f  erscheint  nur  in  fremdwörtern.  —  s,  s  sind  fortes;  h,  d 
stimmhafte  verschlusslaute.  —  Stimmhafte  consonanten  bleiben 
auch  im  auslaut  unverändert.  —  Urspr.  spirans  x  ist  an-  und 
inlautend  zu  reinem  hauchlaut  h  geworden;  damit  ist  urspr.  g 
(über^)  zusammengefallen.  —  Urspr.  nicht  palatale  g,  Je,  x 
sind  vor  hellen  vocalen  in  {  (urspr.  j),  ts,  s  übergegangen.  —  Für 
die  zeit  der  entlehnung  der  Ortsnamen  ist  in  allen  diesen  fällen 
noch  der  urspr.  (bez.  ein  diesem  noch  sehr  nahe  stehender) 
lautwert  vorauszusetzen.  —  Die  palatalität  ist  nur  bei  n  er- 
halten. —  *i  ist  zu  l,  *i  vor  dunklen  vocalen  zu  u  geworden 
(also  mit  urspr.  «  zusammengefallen),  i)  —  Zur  zeit,  als  die 
Ortsnamen  übernommen  wurden,  waren  die  palatalen  conso- 
nanten noch  vorhanden,  ebenso  i  vor  velaren. 


Inhaltsübersicht. 

Seite 

Einleitung 1 

Lautlehre 8 

1.  teil:  Lautphysiologisches 8 

A.  Allgemeines  (§1) 8 

B.  Die  einzellaute  (§  2—8) 9 

§  2.  Einfache  vocale,  s.  9.  —  §  3.  Diphthonge,  s.  10.  — 

§  4.  Sonorconsonanten,  s.  12.  —  §  5.  Lippenlaute,  s.  13. 
—  §  6.  Zahnlaute,  s.  li.  —  §  7.  Kehllaute,  s.  14.  — 
§  8.  h,  s.  15. 

C.  Zur  articulaticnsstärke  der  consonanten  (§  9—18)     .    .    15 
§  9—13.  Fortes  und  lenes,  s.  15.  —  §  14.  15.  Gemination, 

s.  18.  —  §  16.  17.  Schwächung;  reduction,  s.  20.  —  §  18. 
Secundäre  stärkeunterschiede,  s.  21. 

D.  Lautverbindungen  (§  19—28) 22 

§  19.  Ein-  und  absatz,  s.  22.  —  §  20.  Berührung  von 
vocalen,  s.  23 ;  —  §  21.  von  vocal  +  consonant,  s.  23.  — 

§  22.  Nasalierung,  s.  24.  —  §  23.  Vocal  -f  r.  Brechung, 
s.  25.  —  §  24.  f  (p)  vor  h,  s.  26.  —  Berührung  von  con- 
sonanten :  1)  §  25.  26.  Entwicklung  von  übergangslauten, 
s.  26.  —  §  27.  28.  Assimilationen,  s.  29. 


^)  Vgl.  die  verschiedene  behandlung  des  deutschen  l  in  bula  fülle,  und 
hu9ua  schule.    Jenes  wurde  als  *Otila,  dieses  als  *Sogla  übernommen. 


MUNDART    VON   PERNEGG.  225 

Seite 

E.  Die  präfixe  gc-  und  he-  (§  29.  30) 31 

F.  Besondere  erscheiuungeu  (§  31—35) 34 

1)  Feruassimilation  und  -dissimilation:  §  31.  Assimila- 
tion, s.  34.  —  §  32.  Dissimilation,  s.  34.  —  2)  Unorga- 
nische t  (§  33),  s.  35.  —  3)  Sandliierscheinungen  (§  34), 

s.  35.  —  4)  Keste  des  mhd.  auslautsgesetzes  (§  35),  s.  38. 

G)  Vocalquantität  und  Silbentrennung  (§  3G— 43)  ....  38 
§  30.  Allgemeines,  s.  38.  —  1)  Starktonige  silben  in  nicht 
oxytonierten  Wörtern:  §  37,  s.  40.  —  §  38.  Offene  silben, 
s.  40.  —  §  39.  Geschlossene  silben,  s.  40.  —  2)  Stark- 
tonige silben  in  oxytouis,  bez.  einsilbige  Wörter:  §40. 
41,  s.  42.  —  3)  Quantität  in  nebentonigen  silben :  §  42, 
s.  43.  —  §  43.  Nachträge,  s.  43. 

H.  Zur  kenntnis  des  accents  (§  44—51) 45 

1)  Dynamischer  accent:  §  44.  45,  s.  45.  —  §  46.  Compo- 
sita,,  s.  47.  —  §  47.  Hauptaccent  auf  nebensilbeu.  Accent- 
umstellung,  s.  50.  —  §  48.  Satzaccent,  s.  52.  —  2)  Toni- 
scher accent :  §  49,  s.  52.  —  §  50.  Satzaccent,  s.  53.  — 
§  51.  Tonischer  wort-  und  silbenaccent,  s.  56. 

2.  teil :  Geschichtliche  entwicklung  der  laute 58 

I.  Der  vocalismus  starktoniger  silben  (§  52—79)  ....      58 
A.  Mhd.  a,  ä,  ü,  (c:    §  52.  53.  Mhd.  a  und  ä  >  o^,  s.  58. 

—  §  54.  55.  Mhd.  (obd.)  ä  und  w  >  ä,  s.  60.  —  B.  Mhd. 
e,  e,e:  §  56.  Mhd.  e,  s.  66.  —  §  57.  58.  Mhd.  e,  s.  68.  — 
§  59.  Mhd.  e,  s.  70.   —   C.  Mhd.  /,  r.  §  GO.  Mhd.  /,  s.  71. 

—  §  61.  Mhd.  /,  s.  71.  —  D.  Mhd.  o,  u  und  deren  umlaut: 
§  62.  Mhd.  0,  s.  72.  —  §  63.  Mhd.  ö,  s.  73.  —  §  64.  Mhd.  ö, 
s.  74.  —  §  65.  Mhd.  ce,  s.  74.  —  E.  Mhd.  u,  ü  und  deren 
umlaut:  §66.  Mhd.  w,  s.  74.  —  §67.  Mhd.  ü,  s.  75.  — 
§  68.  Mhd.  {(,  s.  76.  —  §  69.  Umlaut  des  mhd.  ii,  s.  77. 

F.  Die  mhd.  diphthonge  ei,  ou,  iu:  §  70.  71.  Mhd.  ei,  s.  77. 
§  72.  Umlaut  des  ei,  s.  79.  —  §  73.  Mhd.  ou,  s.  81.  — 
§  74.  Umlaut  des  ou,  s.  82.   —   §  75.  Mhd.  in,  s.  83.  — 

G.  Mhd.  ie,  no,  üe:  §  76.  Mhd.  ie,  s. 85.  —  §  77.  Mhd.  no, 
s.  86.  —  §  78.  Mhd.  üe,  s.  86.  —  §  79.  Uebersicht  der 
entsprechungen  der  ma.  vocale  und  der  vocale  im  mhd., 
s.  87. 

n.  Der  vocalismus  nebentoniger  silben  (§  80—94)      ...    87 

A.  Auslautende  vocale 87 

§  80.  Schwund  von  mhd.  -c,  s.  87.  —  §  81  ff.  Erhaltung 
desselben,  s.  88.  —  §  85.  Dcminutiva,  s.  92.  —  §  86. 
Die  weibliehen  adjectivabstracta,  s.  96.  —  §  87.  Die 
vocalischen  auslautsverhältnisse  in  benachbarten  dia- 
lekten,  s.  96.  —  §  88.  89.  Zur  erläuteruug,  s.  98. 

Beiträge  zur  gcschichte  der  deutschen  spräche.    XXVIII.  j^5 


226  .  LES8IAK 

Seite 

B,  Inlautende  vocale 103 

§  90.  Lebendige  bildnng-ssuffixe,  s.  103.  —  §  91.  Son- 
stiger vocalschwuud  in  nicht  haupttonigen  silben, 
s.  107.  —  §  92.  Abschwächnng  von  vocalen  in  neben- 
tonigen compositionsgliedern,  s.  108.  —  §  93.  Neben- 
tonige vocale  vor  der  starktonsilbe,  s.  109.  —  §  94. 
Vocalismus  miiidertoniger  Wörter,  s.  109. 
III.  Der  consonantismus  (§  95—120) 112 

A.  Lippenlaute 112 

§  95.  Germ,  p,  s.  112.  —    §  9(5.  Germ,  b,  s.  112.    — 

§  97.  Germ.  /;  s.  115.  —  §  98.  Germ.  7v,  s.  115.  — 
§  99.  Germ,  m,  s.  IIG.  —  Entsprechungen  fremder 
labiale:  §  100.  Behandlung  der  labiale  in  fremd- 
wörtern  der  ma.,  s.  117.  —  §  101.  Behandlung  deut- 
scher labiale  in  fremdwörtern  des  wind.,  s.  119.  — 
§  102.  Zur  erläuterung,  s.  120. 

B.  Zahnlaute 126 

§  103.  Germ,  t,  s.  126.  —  §  104.  Germ,  d,  s.  127.  — 

§  105.  Germ,  ß,  s.  129.  —  §  106.  Germ,  s  (ss),  s.  131. 
§  107.  §  aus  germ.  sk  u.  a.,  s.  133.  —  §  108.  ß,  s.  133. 

—  Entsprechungen  fremder  s-  und  §- laute:  §  109. 
Behandlung  wiudischer  Zischlaute,  s.  136.  —  §  110. 
Deutsche  s-  und  s-laute  im  wind.,  s.  137.  —  §  111. 
Zur  erläuterung,  s.  139.  —  §  112.  Germ,  n,  s.  142.  — 
§  113.  Germ,  l,  s.  143.  —  §  114.  Germ,  r,  s.  143. 

C.  Gaumenlaute 144 

§  115.  Germ.  Je,  s.  144.  —  §  116.  Germ,  g,  s.  149.  — 

§  117.  Fremdes  Je,  s.  152.  —  §  118.  Germ,  x,  s.  155. 

—  §  119.  Germ,  j,  s.  158.  —  §  120.  Zur  relativen 
Chronologie  der  lautentwickluug,  s.  158. 

Flexionslehre 159 

A.  Das  Substantiv  (§  121-142) 159 

1)  Das  genus  (§  121),  s.  159.  —  2)  Die  casus  (§  122),  s.  161. 
—  3)  Flexionsklasseu.  Plnralbildung:  a)  Männliche  haupt- 
wörter:  §123.  Allgemeines,  s.  165.  —  §124-127.  Stark 
flectierende  masculina,  s.  166.  —  §  128—132.  Schwach  fiec- 
tierende  masculina,  s.  171.  —  b)  Sächliche  hauptwörter: 
§  133—135.  Starke  flexion,  s.  174.  —  §  136.  Schwache 
fiexion,  s.  176.  —  §  137.  Flexion  der  demiuutiva  auf  -le, 
s.  176.  —  c)  Weibliche  hauptwörter  (§  138—142),  s.  177. 

B.  Das  adjectiv  (§  143—150) 183 

§  143—147.  Flexion,   s.  183.    —    §  148-150.  Steigerung, 

s.  188. 


MUNDART   VON   PERNEGG.  227 

Seite 

C.  Das  pronomen  (§  151—156) 192 

§  151.  Ungeschlecbtig-e  fürwörter,  s.  192.  —  §  152—155. 
Geschlechtige  fürwörter,  s.  19-t.  —  §  156.  Indefiuita,  s.  199 

D.  Das  Zahlwort  (§  157—158)       201 

E.  Das  Zeitwort  (§  159—180) 203 

1)  Das  praesens:  §160—163.  Flexion,  s.  203.  —  §  163. 
Nominalformen,  s.  206.  —  2)  Das  praeteritum :  §  165.  166. 
Flexion,  s.  208.  —  §167.  Particip,  s.210.  —  3)  Die  ab- 
lautsreiheu   der  starken  verba  (§  168 — 175),   s.  211.    — 

4)  Zum  schwachen  verbum  (§  176),  s.  217.  —  5)  Unregel- 
mässige (praeteritopraeseutia,  verba  auf  -mi;  §  177 — 179), 
S.21S.  —  6)  Umschi-iebene  formen  (§  180),  s.220. 
Anhang 

Ä.  Die  Stadtsprache 221 

B.  Das  windische 228 

WIEN.  PEIMUS  LESSIAK. 


15* 


DIALOG  VON  LUTHER  UND  DER  BOTSCHAFT 
AUS  DER  HÖLLE. 

Der  Dialogus  von  Luther  und  der  geschickten  botschaft 
aus  der  hölle  (1523)  verdankt  es  nicht  dem  berühmten  namen 
seines  Verfassers,  dass  er  in  die  Braune'schen  Neudrucke  auf- 
genommen worden  ist,  denn  er  ist  namenlos  überliefert  und 
auch  sein  herausgeber  Ludwig  Enders  behandelt  ihn  als  anonjm, 
er  dankt  es  allein  seinem  interessanten  Inhalt  und  seiner  an- 
mutigen darstellung.  Der  böte  des  teuf  eis,  der  von  Luther 
durch  die  erste  hälfte  des  gesprächs  für  einen  päpstlichen 
gesanten  gehalten  wird,  weil  er  die  päpstliche  saclie  zur  seinen 
macht,  der  reformator,  der  den  gegner  mit  gottes  wort  schlägt 
und  gegen  seine  glänzenden  Versprechungen  unbestechlich 
bleibt,  sie  sind  mit  wenig  zügen  und  ohne  viel  dialektische 
kunst  so  sicher  und  liebevoll  gezeichnet,  dass  man  in  dem 
schriftchen  nicht  das  vereinzelt  gebliebene  werk  eines  un- 
bekannten sehen  möchte,  ausdruck  und  stil  des  Dialogus  sind 
so  unmittelbar  und  kraftvoll,  dass  man  seinen  Verfasser,  wenn 
er  noch  andere  werke  verfasst  hat,  darin  unschwer  widerzu- 
finden  hoffen  dürfte.') 

Den  plan,  Luther  dem  teufel  gegenüberzustellen,  wie  einst 
der  heiland  ihm  gegenüber  gestanden  hatte,  und  ihn  aus  dieser 
Versuchung  siegreich  hervorgehen  zu  lassen,  konnte  nur  ein 
getreuer  anhänger  des  reformators  entwerfen  und  ausführen. 
Wer  es  tat,  musste  zudem  wissen,  dass  Luther  von  solchen 
teuflischen  anfechtungen  heimgesucht  wurde.    Darüber  bleibt 


1)  Im  text  des  neudrucks  lies  4, 6  Tdopfft,  G,  3  du  gnügsam,  20  Pha- 
raonis,  27  griefs  statt  getvifs,  7,  6  vnser  feyndt  vngnediger,  10,  22  dMrb, 
12, 10  merlin  statt  mendüin,  18,  2  serer  statt  seer,  21,  21  seinen,  26  ich 
im,    25,  5  dgeysÜichen,    28,  4  gröblicher  statt  glöblicher,    29, 1  sie. 


DIALOG  VON  LUTHER  CND  DER  BOTSCHAFT  AUS  DER  HÖLLE.   229 

gar  kein  zweifei,  dass  der  Verfasser  Luthers  Schriften  genau 
kennt,  einzelne  führt  er  ausdrücklich  an,  wie  s.  24  den  Sermon 
vom  ablass,  s.  13  das  Büchlein  von  weltlicher  oberkeit;  er  nennt 
]^ck  und  Emser  Geclc  und  hoclc  Emser,  spricht  von  papstesel 
und  plattenträgern,  banumeister  und  Sophisten  ganz  wie  Luther. 
Er  spielt  mit  dem  gedanken,  dass  sich  Luther  mit  dem  papste 
auss()hnen  und  einen  cardinalshut  annehmen  sollte,  wie  Luther 
AVeim.  ausg.  8,  692.  695,  er  verteidigt  Luther  gegen  den  Vorwurf 
der  Streitsucht  wie  dieser  sich  selbst,  Weim.  ausg.  8,  705;  fast 
mit  Luthers  Worten  (Antwort  deutsch.  1522.  F3b)  sagt  Dia- 
logus  4:  ich-  sitz  alliie  vnnd  hemülie  mich,  das  alt  Testament, 
ivelclis  jr  (jeysilichen  ein  verfürung  heyfst,  den  armen  Leyen 
vollend  zu  tcütschen.  Aber  die  bekanntschaft  mit  Luther  ist 
nicht  bloss  literarisch:  das  lässt  sich  für  den,  der  die  Witten- 
berger luft  nicht  spürt,  die  durch  den  Dialogus  weht,  aus 
einzelheiten  beweisen.  Der  besuch  des  teufeis  findet  statt  wäh- 
rend Luther  an  der  Übersetzung  des  Alten  testaments  arbeitet : 
der  Verfasser  musste  also  wissen,  dass  Luther  1523  dieses 
übersetzte,  vielleicht  auch,  dass  er  bei  der  Übersetzungsarbeit 
besonders  unter  teuflischen  anfechtungen  litt.  Luther  trägt 
nach  Dial.  18  eine  kutte:  auch  in  diesem  keineswegs  selbst- 
verständlichen zuge  zeigt  sich  der  Dialogus  gut  unterrichtet. 
Fasst  man  die  zeit  ins  äuge,  in  der  der  Dialogus  verfasst  ist, 
so. ergeben  sich  neue  intime  beziehungen  zu  Luthers  AMtten- 
berger  kreise.  Anfang  märz  1523  erschien  Luthers  schrift 
Vom  mönchskalb  zu  Freiburg,  darin  kommt  das  kalb  von  Lands- 
burg vor  (\\'eim.  ausg.  11,380),  das  auch  Dial.  9  erwähnt  wird; 
am  5.  juni  1523  beendigte  Jörg  Gastel  in  Zwickau  einen  nach- 
druck  des  Dialogus. ')  Innerhalb  der  damit  abgegrenzten  zeit 
lässt  sich  die  entstehung  des  Dialogus  durch  eine  bemerkung 
auf  s.  13  näher  festlegen:  du  hast  yetzund  in  eynem  büchlin 
die  oherJceit  gar  versprochen,  tvürst  dir  die  fürst  feyn  vff  den 
halfs  laden,  es  geet  bereit  crucißge  über  dich.   Luthers  Büchlein 


')  Einen  anderen  naclulruck  wol  Augsbnrg-er  lierkunft,  dessen  titel 
Goedeke  (Gruudriss2-,  269,  no.  22  a)  abdruckt,  besitzt  die  Universitätsbiblio- 
thek zu  Heidelberg.  Sinnesvarianten:  3,19  antzaigung  bryngt,  i,  22  wolle nt, 
5, 15  habst,  17  ivill,  9, 8  verstand,  20  Lantzhurg  ein  ivenig  geschlagen, 
27  geyfern,  10, 21  stäcken,  14, 4  mit  applas,  16, 33  liechtlich,  18, 12  ive- 
rest,    22,  31  verwirff,    26,  23  antzeigug,    27  in  cV  du,    27,  5  schrifft. 


230  GOETZE 

von  weltlicher  oberkeil  ist  vor  dem  21.  märz  1523  erschienen, 
an  diesem  tage  beschwerte  sich  herzog  Georg  bei  Friedrich 
dem  Aveiseii  über  diesen  neuen  angriff  und  bat  gegen  Verfasser 
und  drucker  A'orzugehen  (Luther  Weim.  ausg.  11,  230).  Das  ist 
un^'erkennbar  das  cnicif'Kje,  das  über  Luther  ausgeht:  in  den 
tagen  nach  dem  21.  märz,  noch  ehe  man  in  Luthers  kreise  die 
bedeutungslosigkeit  der  neuen  bedrohung  erkannt  hatte,  werden 
die  Worte  des  Dialogus  geschrieben  sein.  Ist  diese  datierung 
richtig,  so  kann  der  Verfasser  des  Dialogus  den  unterschied 
zwischen  dem  glauben  von  gott  und  dem  glauben  in  gott,  den 
er  s.  15  übereinstimmend  mit  Luther  Weim.  ausg.  11,453  auf- 
stellt, nicht  aus  Luthers  Sendbrief  an  die  böhmischen  brüder 
gelernt  haben,  denn  dieser  wurde  erst  ende  april  1523  gedruckt, 
sondern  nur  aus  Luthers  munde.  Aus  dem  Umgang  mit  Luther 
wird  er  auch  eine  reihe  von  dessen  lieblingsausdrücken  kennen 
gelernt  haben,  durch  die  er  seinem  schriftchen  den  hauch  der 
echtheit  gab,  die  aber  literarisch  von  Luther  erst  in  späterer 
zeit  oder  nur  in  briefen  verwendet  wurden  (vgl.  die  nachweise 
bei  Ph.  Dietz,  Wörterbuch  zu  Luthers  deutschen  Schriften): 
Ey,  fart  schon,  herr  domine  Dialogus  9,  ein  war  erleücldnüfs 
in  Christo  Jesu  4,  wie  man  mir  zu  Wurmhs  dennocht  anmuten 
dorfft  8. 

Gehört  demnach  der  Verfasser  unverkennbar  in  Luthers 
Wittenberger  kreis,  so  ist  ohne  weiteres  wahrscheinlich,  dass 
es  ein  theolog  ist.  Einzelne  züge  des  dialogs  bestätigen  die 
annähme.  Der  Verfasser  kennt  das  Alte  testament  und  führt 
es  an,  ehe  Luthers  Übersetzung  gedruckt  erschien;  er  übersetzt 
sich  die  stellen,  die  er  braucht,  selbständig  aus  der  Vulgata 
und  folgt  nicht  den  vorlutherischen  Übersetzungen:  3. Mos. 26, 36 
übersetzt  Dial.  10:  förcht  sich  vor  eynem  rauschenden  hlat,  die 
Augsburger  bibel  von  1477:  Der  dann  des  fliegenden  lauhs  wirt 
sy  erschreken,^)  Daniel  8,25:  On  handt  wirt  er  gar  zerstört 
werden,  die  Augsburger  bibel:  vnd  wirt  zerknischet  on  hand. 
Der  text  der  Vulgata  blickt  durch  in  den  Wendungen:  Solch 
schrecknüfs  gibt  die  schrifft  jren  feynden:    wolan,  ivas  sol  ich 

')  Dagegeu  z.  b.  in  den  'Fyertzehen  schöner  christlicher  predig  Doctor 
Martin  Luthers,  newlich  des  jars  Christi  .M.D.xxij.  zu  Wittenberg  geprediget' 
A4b  u.  ö.:  das  sich  züuor  vor  einem  rauschenden  hlatt  forcht,  das  förcht 
sich  vor  allen  teüfelen  nit. 


DIALOG  VON  LUTHER   UND   DER  BOTSCHAFT  AUS  DER  HÖLLE.      231 

viel  (Ja  von  sagen?  Es  ivirt  bald  seyn:  expirauit  (Mattli.  27,  50) 
Dialogus  10,  und  das  eben  erwähnte  crwci^^e  (Marc.  15, 14  f.) 
Dialogus  13.  Ein  latinismus  sind  die  worte  s.  16:  ivir  sollen 
lins  Christo  zu  eigen  gehen  'mit  der  lieh  vnd  ivolthüung  vnserm 
nechstcn']  tlieologisches  interesse  verrät  der  Verfasser  aucli, 
wenn  er  auf  den  Jezerliandel  anspielt,  indem  er  den  teufel 
s.  18  f.  sagen  lässt:  Wcgstu  nit,  das  ivir  zu  den  Mimclien  des 
(prediger-)  ordens  ivallen  gegangen  seynd,  vnser  heymliche  ver- 
reterey  durch  sie  zu  ivegen  bracht,  als  zu  Bern,  wie  ander sivo 
vier.  Auch  die  schulausdrücke  der  logik  weiss  er  zu  ge- 
brauchen: Das  liUn  mir  ein  Sophistisch  argument  seyn,  in  den 
du  Schulmeister  bist  s.  26,  sihe,  hye  distinguiret  Christus,  darumh 
distinguier  ich  auclt.  Aher  deine  schüler  vnd  schidhjnder,  die 
Soj^histen,  wollen  nit  distinguiren,  da  die  gesehrifft  distinguiert, 
da  aher  die  schrifft  nit  distinguiert,  da  tvöllen  sie  distinguiren 
s.  27.  AVenn  es  schliesslich  kein  zufall  ist,  dass  der  böte  des 
teufel s  Agaros  lieisst  wie  der  könig  der  Skythen  bei  Diodorus 
Siculus  20, 24,  3,  so  wäre  darin  eine  spur  klassischer  bildung 
zu  sehen. 

"SA'eist  so  der  Inhalt  unsrer  schrift  auf  einen  federgewanten, 
für  Luther  begeisterten  theologen  des  Wittenberger  kreises,  so 
weist  ihre  sprachform  auf  einen  rheinfränkischen  Verfasser. 
Die  einleitenden  verse  s.  3  schliessen: 

Als  vns  Martinus  auzeyg  gnüg  breugt. 
Ewer  scheyiien  ist  zum  Teufel  geseudt. 

Das  damit  gesicherte  e  in  hrengen,  die  reime  thust :  tvüst,  tandt  : 
gepfandt,  Gott :  halt  s.  3  und  der  ausdruck  mit  vollen  geyffeln 
=  'bänden'  s.  9  (ostmd.  fehlt  dieses  wort,  obd.  hat  es  keinen 
Umlaut)  weisen  übereinstimmend  darauf  hin.  Unter  Luthers 
Schülern  und  freunden  vum  beginn  der  zwanziger  jähre,  die 
aus  Kheinfranken  stammten,  ist  aber  nur  einer,  der  so  viel 
formtalent  bewiesen  hat  wie  der  Verfasser  des  Dialogus,  der 
zudem  wie  dieser  mit  der  feder  für  seinen  meister  eingetreten 
ist  und  sich  nicht  auf  gelehrt  theologische  schriftstellerei  be- 
schränkt hat:  der  f abeldichter  Erasmus  Alberus.  Und  auf 
diesen  weist  mit  voller  bestimmtheit  und  unmittelbar  ein  aus- 
druck am  ende  des  Dialogus:  tvie  gefeit  dir  die  Jcreyden,  du 
arglistiger  teufel?  Das  seltene  wort  kreide  aus  it.  grida  = 
'losung'  wird  in  dieser  Verbindung  vom  DWb.  nur  angeführt 


232  GOETZE 

aus  Albers  schrif t  Avider  Witzel  K  7  a ,  aber  liier  stimmt  der 
ausdruck  wörtlich  zu  unserer  stelle:  etver  gehet  ist  erhört, 
Wif^el  ist  hcliert,  ivie  gefeilt  euch  die  hreid?  Es  ist  gewagt, 
Alberus  ein  neues  werk  zuzuschreiben,  nachdem  Franz  Schnorr 
von  Carolsfeld  in  seinem  buclie  über  Alberus  so  sorgfältig 
echtes  von  unechtem  geschieden  und  seitdem  Michels'  urteil 
über  dieses  buch  (Anz.  fda.  23, 174)  zu  recht  bestanden  hat: 
es  wird  nicht  so  leicht  gelingen,  zu  dem  mit  emsigem  fleiss 
in  jahrelanger  arbeit  zusammengetragenen  material  noch  irgend 
ein  neues  bausteinchen  hinzuzutun.  Es  ist  also  pflicht,  unsere 
annähme  durch  vergleichung  des  dialogs  mit  Albers  schritten 
eingehend  zu  begründen. 

Allgemeine  gründe  sprechen  nicht  gegen  die  annähme. 
Alber  ist,  wie  Schnorr  s.  2  annimmt,  eher  vor  als  nach  1500 
in  der  Wetterau  geboren,  bezog  im  juni  1520  die  Universität 
Wittenberg  und  wurde  hier,  nachdem  er  einige  zeit  in  Carl- 
stadts  banne  gestanden  hatte,  der  unbedingte  anhänger  Luthers, 
der  er  zeitlebens  geblieben  ist.  Zur  Verteidigung  Luthers 
schrieb  er  ende  1523  sein  Judicium  de  spongia  Erasmi  Rotero- 
dami,  das  bisher  für  seinen  ersten  schriftstellerischen  versuch 
galt;  als  Luther  starb,  widmete  er  seinem  andenken  ein  grosses 
lied  (Wackernagel  no.  1052);  eine  geschichte  des  schmalkal- 
dischen  krieges,  die  er  1548  zu  schreiben  unternahm  (Strobel, 
BeA^träge  1,  205  ff.),  wurde  unter  seiner  hand  zu  einer  auf- 
zählung  der  Lutherschen  kriegsprophezeiungen  und  -drohungen, 
und  am  ende  seines  letzten  buclies  'Wider  die  verkehrte  lehre 
der  Carlstader'  (Neubrandenburg  1594)  widmete  iVlberus  einen 
längeren  abschnitt,  den  wärmsten  des  ganzen  buches,  der  per- 
sönlichkeit des  verehrten  meisters.  Fast  möchte  man  sagen, 
es  wäre  seltsam,  wenn  an  der  schwelle  dieses  schrif tsteller- 
lebens  ein  werk  stünde,  das  einen  andern  gegenständ  hätte  als 
Lutlier.  Der  grundgedanke  des  Dialogus,  dass  dem  teufel  in 
der  hülle  bang  wird  vor  dem  neuen  gegner,  der  ihm  die  seelen 
abspenstig  macht  und  sie  in  schaaren  zu  gott  führt,  so  dass 
der  teufel  auf  abhilf e  sinnen  muss,  kehrt  in  Albers  Schriften 
oft  genug  wider,  z.  b.  im  Unterscheid  der  evangelischen  und 
papistischen  messe  B4a:  ich  weifs  seer  tvol,  u'a  es  dem  teufel 
ligt,  darumh  er  souil  schivermer  anrieht:  er  fillt  wol  was  jm 
für  ein   abbruch  an  seini  reich  geschieht  diir  D.  M.  Luth.  leer, 


DIALOG  VON  LUTHER  UND  DER  BOTSCHAFT  AUS  DER  HÖLLE.   233 

und  namentlicli  Wider  die  Carlstader  Aa3b:  Idi  Jeans  zwar 
dem  Teufel  nicht  verdenchen,  das  er  D.  Martinum  mit  solchen 
(jifftigen  Worten  angreifft.  Denn  JD.  Martinus  ist  jm  mit  Heeres 
lirafft  in  sein  lleich  gefallen,  dasselbe  geplündert,  vnd  vns  den 
verstandt  vnd  fruclit  der  H.  Sacrament  wider  her  für  bracht, 
vnd  viel  hundert  tausent  seelen  aus  seinem  hellischen  Bachen 
gerissen  hat  . . .  Drumb  {sage  ich)  hm  ich  Juncker  Satanam 
nicht  verdenclcen,  das  er  so  tobet.  Auch  den  Vorwurf,  der  im 
Dialogus  Luther  vor  allem  g-emacht  wird,  kennt  die  schrift 
Wider  die  Carlstader:  Vnd  D.Mart.  Lutli.  hat  auch  offt  müssen 
hören,  er  thete  jhm  zu  viel,  ivere  stoltz,  vnd  allzu  heftig,  tvolt 
niemand  iveichen,  etc.  Solches  sagt  vnd  Jdagt  der  Teuffei  durch 
seine  Werclczeuge,  die  wollen  jr  ding  vngestrafft  haben  E,  1  a, 
und:  {Athanasius)  Ward  derhalben  haistarr icht,  vnd  Philonicus 
(wie  D.  Martinus)  gescholten,  der  allen  der  Kirchen  frieden 
hindert .  .  .  Eben  also  gieng  es  auch  B.  Martino,  Denn  die 
Weltiveisen  vnd  Bauchlcnechte  sagten,  Es  ivcre  ein  geringes, 
darumb  er  mit  dem  Ziüingel  zancMe  R  4  a. 

Dass  sich  Alberus  viel  mit  dem  teufel  beschäftig't  hat, 
wäre,  wenn  es  bei  einem  theologen  des  IG.  jh.'s  des  beweises 
hierfür  bedürfte,  leicht  zu  beweisen.  Sein  teufelsglaube  war 
auch  concret  genug,  um  sich  zur  dramatischen  einführung  des 
fürstlichen  JSlotarius  aufs  der  Helle  (Dialog"  18)  verdichten  zu 
künneu.  Den  besten  beleg  dafür,  bietet  eine  eingäbe  Albers 
vom  4.  sept.  1535,  die  Schnorr  s.  168  mitteilt:  Wietvol  ich  durch 
ördenlichen  beruff  erweit  bin  Gottes  wort  hie  vnd  zu  Oötzcn- 
hain  zu  iiredigen,  so  hat  doch  der  Satan  auch  ein  Cappelan 
neben  mir  auffgestellt,  der  xyrediget  den  baivern  bei  dem  Wein, 
nemlich  den  Schidtlieifsen  . . .  Wann  ich  predige,  so  sitzt  diefser 
des  Teuffels  cappelan  lieber  bei  dem  ivein,  vnd  der  billch  als 
ein  betagter  vnd  darzu  ein  Schidtheis,  dem  volck  soll  gut  exempel 
geben,  ergert  dassclb  mit  Verachtung  des  Euangelij.  Auch  an 
der  stelle,  wo  man  es  am  wenigsten  erwarten  sollte,  in  Albers 
Dictionarium,  erkennt  man  oft,  wie  viel  ihm  der  teufel  zu 
schaffen  gab:  hier  schliesst  die  beschreibung  der  riUnischen 
Floralia:  solche  sjyil  vnd  dergleichen  vnzehlich  ding,  hat  der  Satan 
mit  den  Heyden  getrieben  zz3a,  ferner:  trotzen  accipitur  etiam 
in  bonam  x>artem,  als  gegen  dem  teuffei  vnd  seinem  anhang 
trotzen  KKlb,    Episcopus  dicitur   inspector,  specidator,  dafs 


284  GOETZE 

er  ivol  zusehen  vnd  waciccr  sein  sol,  duniil  er  vom  ieuffel  nit 
ühereilt  iverde  T 1 4  b.  Dabei  ist  sein  teuf el  niclit  das  grinsende 
Scheusal,  wjie  es  Luther  auf  der  Wartburg-  erscheint  und  wie 
])ürer  es  malt,  sondern  er  ist  leidlich  cultiviert,  treibt  politik 
und  nimmt  an  den  theologischen  Streitigkeiten  der  zeit  mit 
dem  interesse  des  nächstbeteiligten  teil,  liest  die  Streitschriften 
namentlich  der  gegner  Luthers  und  sucht  sie  zu  inspirieren. 
Wie  gefeit  dir  der  hochgclerte  Doctor  Teuffei?  Ist  er  niclit  ein 
feiner  Tlieologus?  Wo  mag  er  doch  ivol  promouiert  sein  (Wider 
die  Carlstader  Ff 8b).  Diese  frage  kann  man  auch  an  den 
teufel  des  Dialogus  stellen,  der  sich  als  fürstlichen  notarius 
vorstellt,  mit  der  kutte  des  dominicaners  sich  auch  dessen 
theologische  bildung  zugelegt  hat,  Emser  und  Eck,  die  Leip- 
ziger disi)utation  und  den  reichstag  von  Worms  kennt,  die 
bibel  und  Luthers  schritten  anführt. 

Die  Übereinstimmung  zwischen  Dialogus  und  Albers 
Schriften  erstreckt  sich  auch  auf  einzelne  sätze  und  ausdrücke. 
Bapst  Mit  erht  nit,  heisst  es  Dialogus  13,  IleiligJceit  erht  nicht 
AVider  die  Carlstader  A3a.  Dialogus  24  wird  Christus  der 
Christliche  glitte  ablafs  genannt  im  gegensatz  zu  dem  falschen, 
päpstlichen,  ebenso  Unterscheid  der  evang.  und  papist.  messe 
A2a:  (Luther  predigt)  das  tvir  allein  durch  den  namen  Christi, 
so  ivir  an  jhn  glauhen,  selig  werden  nn'isten:  das  sey  der  rechte 
aplafs.  Emsei'  wird  Dialogus  7  hock  Emser  genannt,  dazu  vgl. 
bei  Alber  Fabeln  8,  88  BocTts  Einser  lieher  Bomine,  Wider  die 
Carlstader  N  n  3  b  Box  Emser.  Der  scheltname  papstesel  findet 
sich  auch  in  Albers  Fabel  33,  in  seinem  Te  deum  bei  Schade, 
Satiren  und  pasquille  1, 46, ')  sowie  in  seiner  Predigt  vom  ehe- 
stand  1546.  B3b  und  E3a.  Der  Dialogus  schliesst  auffällig 
genug  für  eine  protestantische  Streitschrift  mit  einer  'Sequentia 
in  laudem  resurgentis  Christi  per  Lutheranos';  Unterscheid 
Cla  empfiehlt  Alberus:    da  ists  fein,  das  man  die  gute  Latei- 

1)  Schnorr  s.  47  nimmt  nur  dieses  stück  der  'Newen  zeittung  von  Rom, 
Woher  das  Mordbrennen  kome'  für  Alberus  in  anspruch,  doch  dürften  auch 
die  beiden  andern  stücke  (Schade,  Satiren  1,  211 — 214-)  ihm  geliören,  darauf 
weist  der  hass  gegen  Witze! ,  das  abermalige  voikoramen  des  papstesels  s.  214 
und  daselbst  der  hüljsche  ausdruck:  Derhalbcn  möcMs  leicht  geschehen,  das 
ehva  ein  newer  Herr  Georg  von  Fronsberg  gegen  Jiom  kome,  vnd  Bepst- 
licher  Heiligkeit  von  JJeudscher  Nation  tvegen  die  füsse  küssete. 


DIALOG  VON  LUTHER  UND  DER  BOTSCHAFT  AUS  DER  HÖLLE.   235 

nische  gescng  hchelt,  als  die  guten  Introitus,  Kyrie  eleison, 
Älleluia,  die  schöne  Christliche  Seqiient2,  Patrein,  Sanctus, 
Agnus  dci.  etc.  Mit  dem  ausdruck:  vnser  hertzcn  scynd  gar 
lang  mit  Bäpstliclien  vcrgyfftcn  x)feylen  durchschossen  gewcfst 
(Dialogus  12)  vergleiclit  sich:  so  ist  der  Tcüffel  so  zornig  worden, 
das  er  vnder  vns  segne  gifftige  feicrpfeil  seheilfst  Unterscheid 
Alb.  Des  teufels  miitter  spielt  ilire  rolle  Unterscheid  T)3a, 
Alcoran  80.  81.  Wider  die  Carlstader  Hl.  J2a  wie  Dialogus  G. 

Endlich  stimmen  Alberus  und  der  Dialogus  im  g-ebrauch 
einzelner  werte  und  wortformen  überein.  Nach  K.  Fundingers 
dissertation,  Die  darstellung  der  spräche  des  Erasmus  Alberus, 
Freiburg- 1899,  s.  71  f.,  kennt  Alberus  rückumlaut  hauptsächlich 
bei  den  verben  mit  Wechsel  von  e  und  «;  dazu  stimmt  der 
reim  tandt :  gcpfandt  Dialogus  3;  nach  Fundinger  s.  75  ist  bei 
Alberus  die  form  gewesen  ganz  vereinzelt  neben  geivcst,  das- 
selbe Verhältnis  herscht  im  Dialogus.  Die  stimme  der  elster 
heisst  Dialogus  7  gccken,  ebenso  in  Albers  Fabeln  5,  50  die  der 
frösche.  Das  im  16.  jh.  sonst  nicht  häufige  verbum  orgdn 
braucht  Dialogus  12.  17  wie  Alberus  Unterscheid  B3b  (fünf- 
mal). B  4  a  u.  ö.  Wider  die  Carlstader  T  7  a.  Die  auch  Luther- 
sche  Wendung  es  thut  mir  sanft  steht  Dialogus  21  wie  Unter- 
scheid D  2a.  Alcoran  118  b.  Wider  die  Carlstader  0  5  a.  So2^hist 
braucht  Alberus  als  Scheltwort  für  die  päpstlichen  gegner  in 
dem  liede  bei  Liliencron  4,  514  ganz  wie  Dialogus  5.  26.  27. 
Ebenso  sind  lieblingsausdrücke  Albers  und  des  Dialogus  störrig 
Zs.  fdph.  21, 452.  Eyn  gut  buch  von  der  Ehe  Gib.  Wider  die 
Carlstader  Nn5a.  Dialogus  9, 13;  übergehen  =  'verlassen'  (Zs. 
fdw.2,  77)  Fabeln  21,  57.  26,63.  27,53.  Unterscheid  C  4  b.  Al- 
coran 52  b.  Dict.  B  2  a.  rr  2  b.  Eyn  gut  buch  von  der  Ehe  C  4  a. 
F2b.  G4a.  Schnorr  166.  181.  189.  Dialogus  25;  toll  und  thöricht 
Fabeln  23, 129.  30,106.  49,67.  Dict.  Oo2b.  xxlb.  Wider  die 
Carlstader  F4a.  Gib.  M8a.  Z4b.  Kk8a.  Mm6a.  Dialogus  29; 
wallen  laufen  oder  gehen  für  einfaches  'wallen"  Alcoran  Ib. 
6b.  15b.  45b.  66b.  87b.  Dialogus  17.  19.  24;  Wust  Dict.  AA2a. 
Eyn  gut  buch  von  der  Ehe  F  2  a.  Dialogus  3. 

Darf  man  nach  alledem  den  Dialogus  mit  bestimmtheit 
Erasmus  Alberus  zuschreiben,  so  gewinnt  man  damit  zweierlei: 
einmal  wii'd  der  Dialogus  aus  dem  unabsehbaren  meer  der 
flugschriften  jener  tage  gerettet  und  erhält  seine  Stellung  als 


236  GOETZE 

erstlingswerk  eines  evangelisclien  tlieologeii,  der  noch  oft  mit 
gleicher  treue  und  gleichem  geschick  für  Luther  eintreten 
sollte.  AVichtiger  ist  die  andere  seite :  man  erhält  einen  festen 
ausgangspunkt  für  die  lebensarbeit  eines  theologisch  und  lite- 
rarisch bedeutenden  reformators  in  einem  schriftchen,  das 
beiden  Wirkungskreisen  dieses  mannes  gleichmässig  angehört 
und  in  jeder  beziehung  höchst  charakteristisch  und  erfreulich 
ist:  in  der  unbedingten  hingäbe  an  den  grossen  meister,  dem 
schonungslosen  kämpfe  gegen  die  gegner,  der  klarheit  des 
planes,  der  anmut  und  heiterkeit  der  darstellung. 

FEEIBUKG  i.  Br.  ALFEED  GOETZE. 


EINE  VADIANISCHE  FLUGSCHRIFT. 

Anfang  1523  ist,  nach  ausweis  der  typen  bei  Adam  Petri 
in  Basel,  eine  reformatorische  flugschrift  erschienen  unter  dem 
titel:  Der  Schlüssel  Dauid.  |  Ich  schleüfs  auff  die  finsternils 
Egypt  I  Trost  meine  freündt,  nach  dem  sichs  begibt  |  Zu  den 
die  Sonne  ir  krafft  mag  hau  |  Mit  Pharaon  änderst  vmb  gan  | 
Im  sein  narren  kolben  zeygen  |  Doch,  die  f rösch  mag  nyemant 
geschweigen.  |  Am  ende:  M.D.xxiij.  iar  des  dritten  tags  Januarij. 
i  JN  I  Geheiliget  werd  dein  nam,  |  zukump  vns  dein  reich.  | 
Amen  |  3  bogen  4".  Es  ist  eine  trostschrift  an  die  brüder  in 
hoch-  und  niederdeutschem  lande,  die  um  des  evangeliums  willen 
verfolgt  werden.  Das  evangelium  wird  unterdrückt,  weil  gott 
die  torheit  der  Avelt  deutlich  zeigen  will,  wie  einst  an  der  Ver- 
stocktheit Pharaos.  Papst  und  kaiser  gehen  in  der  Verblendung 
voran,  sie  verfolgen  die  frommen  Untertanen  als  rebellen. 
Durch  Verfolgung  wird  gottes  wort  stark.  In  der  hölle  werden 
einst  die  gewaltigen  büssen,  darum  ist  auf  erden  kein  stand 
gefährlicher  als  die  obrigkeit.  Sie  steht  nicht  über,  sondern 
unter  dem  göttlichen  rechte,  das  viel  besser  ist  als  das  kaiser- 
liche oder  gar  das  geistliche  recht  ist.    Nach  ihm  haben  David 


EINE    YADIANISCHE    FLUGSCHRIFT.  237 

u.  a.  grosse  reiche  regiert,  wenn  wir  unser  recht  selbst  machen 
wollen,  so  ist  das  vermessenheit  und  der  Ursprung  aller  finsternis. 
Wir  wollen  der  Verfolgung  mit  gott  entgegengehen:  was  ist 
stärker  als  seine  Wahrheit?  sie  ist  die  feuersäule  zwischen 
Israel  und  Pharao.  Geht  getrost  in  den  bittern  kämpf,  den 
euch  gott  zu  euerm  heile  auflegt,  er  ist  nötig  und  siegreich. 

Aus  einigen  werten  und  Wendungen  der  flugschrift  ergibt 
sich  die  Wahrscheinlichkeit,  dass  nicht  nur  ihr  drucker,  sondern 
auch  ihr  Verfasser  der  Schweiz  angehört,  vgl.  Vom  hapst  vncl 
Iceyser  steigt  die  finsternis  in  alle  stcnd  nid  sich  A4a;  doniit 
oherTieit  vnd  vnderthonen  ^u  hellen  nid  sich  /"arewBSb;  so  ein 
solcher  schivartzer  nchel  vnd  finsternifs  vom  hymel  ahsicli  steigt 
A4a,  ferner  die  worte  gelangen  'zu  teil  werden'  B3a,  üher- 
lengen  'übertreffen'  B4a.  b,  vngchorsami  C 1  a.  Die  Verbindung 
sacJc  vnd  scill  'alles  zusammen'  A3b  belegt  das  DWb.  aus 
Schweizer  autoreu;  der  ausdruck:  es  hraucht  aber  vil  schnüffens 
C2b  findet  sich  wider  bei  Maaler  359c:  ein  arheitsamer  und 
müysäliger  handel,  der  vil  schnauffens  braucht. 

Der  inhalt  der  flugschrift  ergibt  für  die  feststellung  ihres 
Verfassers  wenig.  Das  quaken  der  frösche  wird  Clb  als 
Apollo,  Apollo  gedeutet  und  den  fröschen  die  hauptleute  Bode- 
lardus  und  Croacus  gegeben:  das  deutet  auf  humanistische 
.bildung  des  Verfassers.  In  der  einleitung  wird  die  weit  in 
einem  ausgeführten  bilde  mit  dem  meere  verglichen,  weil  sie 
die  gläubigen  auswirft  wie  das  meer  die  toten,  das  gemilb 
und  die  abreiss  der  bäume.  A^'ahl  und  ausführung  des  bildes 
verraten  des  Verfassers  naturwissenschaftliches  Interesse.  "Wenig 
treten  trotz  dem  geistlichen  Charakter  der  flugschrift  theolo- 
gische kenntnisse  des  Verfassers  hervor,  man  müsste  denn 
hierher  ziehen,  dass  die  bibel  oft  und  sachgemäss  citiert,  der 
heilige  Bernhard  genannt  und  Augustins  lehre  von  der  gnaden- 
wahl,  sowie  sein  determinismus  vertreten  wird.  Unverkennbar 
dagegen  und  für  den  anfang  der  reformationszeit  sehr  auffallend 
ist  das  streben  des  Verfassers,  aus  der  bibel  profangeschicht- 
liche kenntnisse  zu  gemnnen:  die  beiden  haben  die  Weisheit 
bei  Salomo  gesucht,  also  werden  die  gesetzestafeln  der  beiden 
von  den  mosaischen  beeinflusst  sein;  David  u.  a.  haben  nach 
göttlichem  rechte  regiert,  und  zwar  nicht  über  ein  dorf  oder 
Städtlein,  sondern  über  grosse  reiche,  über  hunderttausende  von 


238  GOETZE 

Untertanen:  warum  soll  es  jetzt  unmöglich  sein,  nach  göttlichem 
rechte  zu  regieren? 

Ergibt  §ich  uns  so  als  Verfasser  ein  Schweizer  humanist 
mit  vielseitiger  bildung  und  mehr  historischem  und  natur- 
wissenschaftlichem als  theologischem  Interesse,  so  ist  die  frage 
berechtigt,  ob  das  J.  N.  am  ende  der  flugschrift  in  Judas 
Nazarei,  das  ist  nach  Eduard  Kücks  überzeugender  beweis- 
führung  Joachim  Yadian,  aufgelöst  werden  darf.  Tatsächlich 
ergeben  sich,  wenn  man  die  anonyme  flugschrift  mit  Vadians 
deutschen  historischen  scliriften  vergleicht,  die  Ernst  Götzinger 
in  drei  bänden  1875 — 79  herausgegeben  hat,  mancherlei  an- 
klänge. Yadian  liebt  das  wort  'rauhe',  es  steht  Hist.  schritten 
1,  543:  Dan  ivie  er  in  den  ivald  ruft,  also  endsprach  er  im: 
Und  als  er  mit  räche  an  unser  nachjniren  von  Appenzell  ze 
setzen  understund  und  si  also  zu  paschlicn  vermaint,  zerstiefs 
er  die  Stirnen  an  inen,  ferner  reuche  2, 183,  iuit  vil  rüchinen 
2, 288,  riiche  3, 31,  rüchi  3,  403,  ebenso  Schlüssel  Davids  C  3  a 
tvo  euch  für  ander  menschen  ruchi  vnd  hertikeit  difs  lehens, 
sampt  (jreufslicher  verfolgnntj,  vnd  ivfiterey  zu  haufs  Iwmpt. 
Sehr  gern  gebraucht  Yadian  das  zu  seiner  zeit  nicht  häufige 
wort  rodel  'schriftrolle,  Urkunde',  und  zwar  als  masculinum 
wie  die  Schweizer  auch  sonst,  s.  Hist,  Schriften  1, 264.  338.  439. 
488.  509.  548  u.  ö.,  ferner  closterrödel  1,271.  284,  adelsrödeln 
1, 276,  zeitrödel  1, 439.  Gleichfalls  als  masculinum  steht  das 
wort  im  Schlüssel  Davids  C4a  in  einer  stelle,  die  den  deter- 
minismus  ihres  Verfassers  sehr  glücklich  zum  ausdruck  bringt: 
Oder  sind  ir  hiinstricher  vnd  hxfftiijer  dann  Christus,  das  ir 
die  weit  mögen  vfstilgen,  vnd  yederman  hekeren,  das  yederman 
selig  werd?  Nein,  der  rodel  ist  gemacht,  das  register  ist  be- 
schlossen mit  allen  den  so  selig  icerden  von  anbegin  der  weit. 
Wir  werden  nicht  aufsivischen,  so  werden  tvir  nicht  einschreiben 
in  das  buch  der  lebendigen.  Das  aus  Maaler,  Gengenbach  u.  s.  w. 
belegte  verbum  schwächern  findet  sich  im  Schlüssel  Davids  B4b 
vn.ser  eigner  will  würd  geschwechert;  Hist.  Schriften  2,  245  steht 
das  davon  abgeleitete  substantivum  üf  ivelichs  unser  herrn 
die  antwort  gabend  und  vermaintcnd,  dafs  es  ain  nüwerung 
wer  und  dem  burgrecht  so  si  mit  etlichen  gotzhuslüten  hettend, 
zu  schivecherung  raichen  weit.  Zweimal,  A2bundA4a,  steht 
im  Schlüssel  Davids  Taubsucht  für  'raserei,  tobsucht';  Yadian 


EINE    VADIANISCHE   FLUGSCHRIFT.  239 

hat  1,217  tanhen  für  Svüten'  und  3, 147  tönhsch  für  'wahnsinnig'. 
Ueber  gleichheit  des  wortgebrauchs  hinaus  findet  sich  mehr- 
fach Übereinstimmung  des  gedankens  oder  des  gedankenauf- 
baus.  Yadian  sagt  1, 187  Aufs  ivelchem  darnach  mit  under- 
lafs  der  schtden  und  der  gemeinen  ziichtreyeln  aufs  getreuiven, 
gelerten  vättern  und  äbten  lierren,  aufs  lierren  praelaten,  aufs 
praelaten  fürsten  tvorden  sind;  der  Schlüssel  Davids  A4a  so 
die  zwey  obersten  haupter  blind  sind,  so  steigt  die  finsternifs 
von  jnen  in  die  fürsten,  von  den  fürsten  (geistlich  vnd  weltlich) 
in  die  grafen,  prelaten,  von  den  prelaten  vnd  grafen,  in  die 
freyen,  thümherren,  von  den  freyen  vnd  thnmherren  in  die  edel 
leüt,  gemein  pfaffen.  Viel  beschäftigt  hat  sich  Yadian  mit 
dem  gedauken  des  göttlichen  rechts,  der  ja  durch  seinen  freund 
Schappeler  und  dessen  jünger  im  bauernkrieg  am  schärfsten 
ausgeprägt  wurde;  zwei  ganz  übereinstimmende  äusserungen 
dazu  finden  sich  Hist.  Schriften  3,  330:  Nun  lit  aber  am  tag, 
günstigen  lieben  herrn,  dafs  al  obgcmelt  tuten  ufs  gruntlichen 
Ursachen  und  2Üvor  mit  götlichem  rechten,  das  billich  allen 
rechten  bi  denen,  die  sich  Christen  riicmend,  vorziechcn  sölt, 
ghandlet  und  vohogen  sin,  und  Schlüssel  Davids  B4a:  ich  sag, 
das  Jcein  dapfferer,  verstcndiger,  auffriehtiger  recht  gefunden 
mag  werden,  denn  das  göttlich  recht,  so  in  der  bibel  begriffen 
ist,  gang  bäpstlich  vnd  hey serlich  recht  neben  sich,  ivie  icol 
heyserlich  recht  tveit  in  gute  das  bäpstlicli  übcrlengt. 

Gelegentlich  kommt  der  etwa  1'  ^  Jahr  vor  dem  Schlüssel 
Davids  erschienene  "\\^olf8gesang.  der  ja  wie  die  schrift  Vom 
alten  und  neuen  gott  A'adian  zuzuschreiben  ist,  der  anonymen 
flugschrift  im  ausdruck  näher  als  die  viel  später  liegenden 
historischen  schritten.  Der  Schlüssel  Davids  C4a  citiert  1.  Cor. 
4,9:  uan  ivir  scind  ivic  ein  spilfogcl  der  weit  icorden,  ebenso 
Wolfsgesang  (Satiren  und  pasquille  aus  der  reformationszeit, 
hg.  von  Schade  3,)  29:  icann  wir  sind  tvorden  als  ein  gemein 
zeichen  oder  spilvogcl  der  ivclt,  dagegen  Hist.  schritten  3,  187 
mit  anderer  wendung  des  von  der  jagd  entnommenen  bildes: 
Wie  wol  der  Türghenzug  bim  bapst,  Franzosen  und  Kaiser  der 
schinvogel  ivas,  etwas  bi  ainer  Aidgnoschaft  zu  cncerben. 
Andere  Übereinstimmungen  verbinden  den  Schlüssel  Davids 
mit  den  Hist.  Schriften  wie  mit  dem  Wolfsgesang;  so  Schlüssel 
Davids  Cl  a:  tceist  (du)  auch  nit  das  zivcy  schicerdt  sind  in  der 


240  GOETZE 

Christenheit?  ia  es  sind  nvey  schiverä,  vnd  on  zul  schiverdt, 
do  ein  yeglichs  in  seinen  histcn  schnidt  was  es  an  kompt, 
schneiden  so  scharpff,  das  niemant  vor  jn  gesichert  ist,  der 
nicht  verivundt  iverdt,  icann  sy  suchen  nit  das  CJiristi  ist,  tvol 
tvas  in  der  hjstcn,  wie  Wolfsgesang  11:  uf  dafs  tvir  erlernen 
mögen,  wo  hin  es  lend,  zu  Christo  oder  leisten,  das  ist  dem 
seckel,  und,  freilicli  ohne  das  Wortspiel,  Hist.  Schriften  1,  512: 
Dafs  der  ahlafs  mint  anders  si,  dan  ain  listiger  betrug  des 
gitz  der  römischen  lasten.  Andere  eigentümlichkeiten  teilt  der 
Schlüssel  Davids  nur  mit  dem  Wolfsgesang;  so  steht  Wolfs- 
gesang 3  die  seltene  nebenform  gehörde  für  'gehör'  wie  Schlüssel 
Davids  A 2b  gehördt.  Auch  an  das  thema  des  Wolfsgesangs 
spielt  der  Schlüssel  Davids  an  in  der  glosse  zu  Alb:  Eigen- 
schufft  ist  der  schaff  Christi  das  sy  offt  angerend  iverden  von 
den  tvolffc7i,  und  B2a:  das  hiefs  ein  gesang  von  den  meer- 
thieren.  Die  Übereinstimmungen  häufen  sieh,  wenn  man  end- 
lich zum  vergleich  Vadians  reichste  und  gelungenste  flugschrift 
heranzieht,  die  vom  alten  und  neuen  gott,  glauben  und  lehre. 
Die  seltene  entstellung  des  wortes  richtum  zu  richtung  Alter 
glaube  16  und  20  kehrt  wider  Schlüssel  Davids  B2b;  der 
fügung:  Ist  das  nit  seltzam  ding,  lieber?  durch  wo  probieren 
syfs  AG 65  entspricht:  Mit  tvo  ivolt  gott  sein  hymelisch  ewigs 
reich  besetzen,  so  er  nit  streitter  hctt  in  seinem  namen?  Schlüssel 
Davids  Blb;  gcmelb  steht  AG 2  und  33  für  'unrat'  wie  gemilb 
Schlüssel  Davids  Alb;  an  AG 20:  (die  päpste)  lerneten  die  hoff 
der  Iceyser  zu  begriissen,  ivicldeten  sich  in  ir  Sachen,  erinnert 
Schlüssel  Davids  A2a:  beldagend  die  grimmen  Idnd  des  wüten- 
den meres,  das  es  mit  den  seinen  so  gantz  verwicklet  bleibt  in 
seiner  eygen  iveyfsheyt  vnnd  Idugheyt.  Die  Wendung  einem 
seinen  (narren-)  kolben  zeigen  steht  AG  6Q  wie  im  titel  unserer 
flugschrift ;  wie  diese  mit  einem  vom  meere  genommenen  bilde 
anhel)t,  so  vergleicht  AG  52  und  64  die  guten  und  schlechten 
Christen  mit  äsche,  nass  und  schleie  des  Bodensees.  Beide 
flugschriften  vergleichen  die  selbstsüchtigen,  schmarotzenden 
geistlichen  mit  der  über  Eg3i)ten  verhängten  insectenplage, 
AG  2:  die  mucken  vnd  heivschrecken  vfs  Ägypten  besoldet  mit 
denen  schätzen  werden,  wie  Schlüssel  Davids  B4a:  w'il  ge- 
schweigen  die  stinckenden  glosen  der  mucken  egypti,  die  all 
oberkeit  besudlen.    Schliesslich  erinnert  an  AG  37:  Meinest  das 


EINE   VADIANISCHE   FLUGSCHRIFT.  241 

darnmh  Christus  eyn  Icetzer  sij  gewesen,  Ilieremias,  Esaias,  die 
apostel  all,  darumb  so  vil  tempeJknecht  mit  iren  nüwen  göttern 
wider  sy  geivut  liant?  Nein,  ivarheit  ist  warheit,  vnd  wirdt 
ivarlieit  eivig  hlihen,  Schlüssel  Davids  C2a:  7^^  dann  der  herr 
Christus  ein  lügner  hewisen  von  den  ohristen  priestern  vnd 
regiment  zu  Jherusalem  . . .  oder  ist  die  ivarheit  auch  mit  inen 
gestorben? 

Bedenkt  man  noch,  dass  der  Schlüssel  Davids  von  A.dam 
Petri  in  Basel  gedruckt  ist,  der  gleichfalls,  ohne  sich  zu  nennen, 
die  beiden  mit  Judas  Nazarei  gezeichneten  flugschriften  ge- 
druckt hat,  so  bleibt  kaum  ein  zweifei  darüber,  dass  auch 
unsere  schritt  von  Judas  Nazarei,  das  ist  Vadian,  stammt. 
Wichtig  ist  sie  als  zeugnis  für  Yadian  aus  einer  zeit,  aus  der 
sonst  verhältnismässig  wenig  von  ihm  bekannt  ist;  sie  zeigt 
ihn  zum  ersten  male  als  Seelsorger  und  tröstenden  berater 
einer  grossen  gemeinde.  An  gedankenreichtum  und  Sauberkeit 
der  ausarbeitung  kann  sie  sich  mit  dem  Alten  glauben  nicht 
messen  —  sie  ist  ein  schnell  entworfener  sendbrief,  der  wol 
an  dem  3.  Januar  1523,  von  dem  sein  ende  datiert  ist,  auch 
erst  begonnen  wurde  — :  aber  durch  kraft  der  gesinuung  und 
würde  des  tons  ist  die  schritt  des  mannes  wert,  der  sie  schrieb. 
Es  ist  Vadians  auseinandersetzung  mit  der  dem  evangelium 
widerstrebenden  obrigkeit,  entsprungen  aus  den  kämpfen,  die 
er  im  grossen  rate  zu  St.  Gallen  mit  dem  der  'alten  lehre'  zu- 
getanen kleinen  rate  zu  bestehen  hatte.  Dieser  kämpf  er- 
weitert sich  ihm  sogleich  zur  auseinandersetzung  mit  papst 
und  kaiser;  mit  einer  in  diesen  fi'ühen  jähren  nur  in  der 
Schweiz  erhörten  entschiedenheit  äussert  er  sich  gegen  diese 
obersten  gewalten:  der  keiser  hat  einen  ividerwillen  gegen  dem 
martin  Luther,  so  mufs  auch  all  sein  herschafft  im  ivilforen, 
vnd  auch  den  Luther  hassen,  der  Jcegser  ist  dem  Luther  feind, 
so  müfs  all  sein  land,  stett  vnd  inwoner  auch  feindtschafft  zum 
Luther  tragen,  jn  hassen  vnd  verfolgen,  vnangesehen,  ob  der 
Iceyser  gnügsam  verstants  hab  der  sach  oder  nit  . . .  Dem  Luther 
mag  nit  gemeine  Ordnung  keiserlicher  recht  vergündt  werden, 
das  doch  eim  mörder  zu  gelassen  ist,  und  weiter:  der  Iceyser 
hat  sein  vnderrichtung  vom  bapst,  als  von  seim  oberherrn  der 
krön  halb,  darumb  müfs  gnüg  sein  das  der  bapst  vnd  die  bischoff 
zornig   über   den    Luther   sind,    der   keyser   dar  ff  nicht  iveiter 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXV lU.  \Q 


242  GOETZE,   EINE   VADIANISCHE   FLUGSCHRIFT. 

fragen  (B  3  a).  Wie  glücklich  Vadian  auch  in  dieser  flugschrift 
allgemeinere  gedanken  auf  einen  kurzen  ausdruck  zu  bringen 
weiss,  ergijbt  sich  schon  aus  manchen  der  l)isher  mitgeteilten 
proben;  das  beste  beispiel  ist  B3b:  (unsere  bischöfe  sind)  geist- 
lich im  Meid  vnd  iveltlicli  im  iverclc,  sij  sein  tveltlich  fürsten: 
ivie  kan  ein  ivelt  die  ander  ah  der  ivelt  tveisen,  so  die  selbs 
am  höchsten  k eltlich  ist! 

So  rundet  sich  neben  dem  bilde  Yadians  des  arztes,  des 
Staatsmannes  und  historikers  das  des  reformators  immer  schöner 
ab;  der  reichen  Persönlichkeit  des  St.  Galler  bürgermeisters 
lassen  sich  immer  neue  züge  voller  reiz  und  kraft  abgewinnen. 

FREIBURG  i.  Br.  ALFRED  GOETZE. 


ZUR 

RELATIVEN  CHRONOLOGIE  URGERMANISCHER 

LAUTGESETZE. 

Die  sämmtlichen  erscheinmig-eu  des  generellen  laiit- 
wandels  kann  man  im  anscMuss  an  W.  AVundt,  Yölkerpsyclio- 
logie  1, 1,  388  ff.  in  zwei  grnppen  einteilen:  die  erste,  welche 
Wundt  als  die  des  regulären  stetigen  lautwandels  bezeichnet, 
bildet  das  gebiet  der  sogenannten  laiitgesetze,  die  zweite 
umfasst  die  associativen  contact-  und  fernwirkungen  der  laute. 
Aber  wenn  auch  die  erscheinungen  der  ersten  klasse  denen 
der  zweiten  gegenüber  eine  einheitliche  gruppe  bilden,  so  sind 
sie  doch  unter  einander  von  sehr  verschiedener  natur.  Ausser 
denjenigen  lautgesetzen,  durch  welche  ein  einzelner  laut  ent- 
weder in  allen  fällen  oder  nui'  unter  gewissen  bedingungen 
eine  Veränderung  erfährt,  gibt  es  auch  solche,  von  denen  eine 
ganze  kategorie  von  lauten  betroffen  wird,  und  zwar  in  der 
weise,  dass  alle  diese  laute  nach  derselben  richtung  hin  eine 
Veränderung  erleiden,  so  dass  die  resultierenden  laute  unter 
einander  wider  eine  kategorie  bilden.  In  diesem  falle  hat  man 
es  eigentlich  nicht  mit  einem  gesetze,  sondern  mit  einer  anzahl 
paralleler  gesetze  zu  tun,  die  sämmtlich  auf  einer  und  der- 
selben Ursache  beruhen.  Zu  der  ersten  klasse  von  erscheinungen 
gehört  z.  b.  der  Übergang  von  o  zu  a  im  germ.  und  lit.,  zu 
der  zweiten  der  wandel  der  labialisierten  velare  in  reine  velare 
in  einigen  indog.  sprachen  und  in  labiale  in  anderen,  die  Ver- 
wandlung der  mediae  aspiratae  in  Spiranten  im  urgerm.,  der 
Übergang  der  tenues  in  Spiranten  und  der  der  mediae  in  tenues, 
ebenfalls  im  urgerm., ')  die  Verkürzung  auslautender  gestossener 
längen  im  lit.,  u.s.w. 


')  "Wundt  hat  a.  a.  o.  s.  405  ff.  den  gnmd  sämmtliclier  erscheinungen 

16* 


244  VAN    WIJK 

In  diesem  aufsatz  wünsche  ich  einige  processe  zu  besprechen, 
die  gleichfalls  in  dieser  zweiten  klasse  ihren  platz  haben,  deren 
Zugehörigkeit  zu  derselben  aber  bisher  nicht  auf  genügende 
weise  anerkannt  wurde.  Diese  processe  sind:  1)  die  dissimi- 
lation,  durch  welche  die  langen  vocale  i,  n  u.  s.  w.,  mit  anderen 
Worten  die  engen  hohen  vocale  der  tabelle  bei  Sievers,  Grundz. 
der  phonetik^  s.  103,  zu  den  diphthongen  e(,ou  u. s.w.  werden; 
—  2)  die  regressive  assimilation,  durch  welche  umgekehrt  ei, 
OH  U.S.W,  zu  7,  H  U.S.W,  werden.  Eine  Untersuchung  solcher 
sprachen,  wo  diese  lautübergänge  vorkommen,  berechtigt  zu 
der  aufstellung  folgender  gesetze: 

1)  Wenn  in  irgend  einer  spräche  ein  enger  hoher 
vocal  in  der  weise  diphthongiert  wird,  dass  der  erste 
teil  desselben  allmählich  zu  einem  weiten  niedrigen 
vocal  herabsinkt,  so  bewegen  sich  zu  gleicher  zeit 
allei)  in  dieser  spräche  bestehenden  derartigen  vocale 
in  derselben  richtung. 

2)  Wenn  in  irgend  einer  spräche  ein  diphthong, 
der  aus  einem  weiten  niedrigen  vocal  und  dem  ent- 
sprechenden engen  hohen  vocal  besteht,  in  der  weise 
sich  verändert,  dass  der  erste  component  sich  all- 
mählich dem  zweiten  assimiliert,  so  bewegen  sich  zu 
gleicher  zeit  alle  in  dieser  spräche  bestehenden  der- 
artigen vocale  in  derselben  richtung. 

Die  beispiele  für  die  erste  regel  werden  am  besten  den 
germ.  -sprachen  entnommen: 

In  denjenigen  gegenden  des  deutschen  Sprachgebietes, 
wo  t,  ü  und  ü  sich  zu  diphthongen  entwickelten,  fand  dieser 


der  sog.  germ.  lautverschiebmig  in  einer  allmählichen  beschleunigung  des 
tempos  der  rede  gesucht.  Wenngleich  diese  dentung  alles  weniger  als 
überzeugend  ist,  so  ist  doch  principiell  der  Wuudtsche  Standpunkt  wol  in- 
sofern richtig,  als  er  sämratliche  hierher  gehörige  processe  für  bedingte 
hält.  Wenn  z.  b.  der  Übergang  von  indog.  h,  d,  g  in  germ.  p,  t,  k  ein 
spontaner  verschiebungsact  wäre  (vgl.  Sievers,  Grundzüge  der  phonetik" 
s.  275,  §743),  wie  konnte  mau  dann  den  parallelismus  zwischen  den  Über- 
gängen b — p,  d  —  t  und  ()  —  Ic  erklären  V 

•)  In  den  meisten  sprachen  begegnen  nur  l  bez.  ei  und  ü  bez.  ou,  in 
einigen  ausserdem  ü  und  öü.  Nach  der  tabelle  bei  Sievers  a.  a.  o.  können 
theoretisch  noch  drei  andere  paare  vorkommen. 


ZUR   CHRONOLOGIE   URGERMANISCHER   LAUTGESETZE,       245 

Vorgang  bei  den  drei  vocalen  zn  gleicher  zeit  statt,  und  zwar 
nicht  nur  in  den  mnndarten,  ayo  die  diphthongierung  in  allen 
fällen,  sondern  auch  da,  wo  sie  nur  vor  vocal  eintrat,  vgl. 
Beliaghel,  Pauls  Grundr.  1-,  701  f.,  wo  die  drei  laut  Übergänge 
als  ein  einheitlicher  process  besprochen  werden. 

Für  diejenigen  niederländischen  mundarten,  welche  über- 
haupt die  diphthongierung  kenneu,  gilt  dasselbe,  vgl.  Te  Winkel, 
Pauls  Grundr.  1^,  823  und  825.  ou  begegnet  nur  selten,  weil  in 
den  meisten  fällen,  bevor  die  diphthongierung  eintrat,  n  bereits 
zu  ü  geworden  war,  woraus  sich  nun  weiter  öU  entwickelte. 
Wie  im  deutschen,  so  fand  auch  auf  nl.  boden  die  diphthon- 
gierung am  frühesten  vor  vocal  und  im  auslaut  (vgl.  darüber 
Behaghel,  Pauls  Grundr.  1-,  701)  statt;  in  dieser  Stellung  ist  sie 
älter  als  der  Übergang  von  ü  in  iL  Man  vergleiche  einerseits 
höüs  (geschrieben  huis)  <  ^hüs  <  */<ii5;  töün  (geschr.  tuin)  < 
*tün  <  *tun,  andrerseits  hoinvcn  (as.  ahd.  bnan),  nou.  In  bezug 
auf  das  zuletzt  genannte  wort  bemerke  ich,  dass  man  auch  die 
ausspräche  nü  hört;  die  volkstümliche  ausspräche  in  Holland 
ist  aber  nou;  erstere  form  ist  urspr.  in  den  dialekten  zu  hause^ 
die  keine  diphthongierung  kennen,  u.  a.  im  flämischen.  Man 
schreibt  nu. 

Für  das  englische  vgl.  Kluge,  Pauls  Grundr.  1-,  1032. 
Kaluza,  Hist.  gramni.  der  engl,  spräche  2,  200  f.  223.  234.  Die 
Vermutung  Kluges  a.a.O.,  dass  im  engl,  im  gegensatz  zum 
deutschen  die  diphthongierungen  chronologisch  getrennte  pro- 
cesse  sein  dürften,  wird  durch  nichts  gerechtfertigt.  Die 
'divergenz  der  i-  und  «-diphthongierung  in  geographischer 
bezieh ung',  welche  den  einzigen  grund  für  diese  hypothese 
bildet,  kann  aus  der  gegenseitigen  beeinflussung  der  mundarten 
oder  daraus,  dass  das  lautgesetz  von  anderen  umständen  ge- 
kreuzt wurde,  erklärt  werden. 

Auch  in  einigen  mundarten  des  friesischen  tritt  im  aus- 
laut des  Wortes  und  im  silbenauslaut  vor  vocal  diphthongierung 
sowol  von  X  wie  von  u  ein,  vgl.  Siebs,  Pauls  Grundr.  P,  1220 
und  1225. 

Es  folgen  jetzt  einige  beispiele  für  die  zweite  regel. 

Von  den  griechischen  dialekten  eitlere  ich  bloss  die- 
jenigen, welche  Brugmann,  sowol  wo  er  den  laut  ei,  wie  wo 
er  ou  bespricht  (Griech.  grannn.-^  s.  40  f.  bez.  51  f.),  in  betracht 


246  VAN    WI.IK 

zieht.  Im  ion.-att.  fieugen  beide  im  5.  jli.  an,  sich  zu  t  bez.  ü 
zu  entwickeln,  im  korinth.  fand  der  gleiche  Avandel  schon  ein 
oder  zwei  jli.'e  früher  statt,  im  kypr.  bewahrten  ei  und  ou  ihre 
diphthongische  geltung. ') 

Im  lateinischen  giengen  um  200  v.  Chr.  ei.  in  7  und  uii 
in  r<  über.  vgl.  Sommer,  Handb.  der  lat.  laut-  und  formenlehre 
s.85f.  und  92"  f. 

Im  urslavischen  wurden  gleichfalls  die  beiden  laute 
monophthongiert;  zu  welcher  zeit  dies  geschah,  lässt  sich  be- 
greiflicherweise nicht  genau  bestimmen. 

Die  grosse  Übereinstimmung  in  der  behandlung  der  di- 
phthonge  ei,  ou  u. s.w.  in  allen  in  betracht  kommenden  sprachen 
—  dasselbe  gilt  von  der  behandlung  der  monophthonge  l,  ü 
u.  s.  w.  —  berechtigt  zu  der  annähme,  dass  diese  erscheinungen 
auf  einer  und  derselben  Ursache  beruhen,  dass  sie  die  äusse- 
rungen  eines  und  desselben  gesetzes  sind,  ebensogut  wie  z.  b. 
der  Übergang  von  hh,  dh,  gli  in  5,  et,  $  im  urgerm.,  oder  der 
von  p,  t,  k  je  nach  der  ursprünglichen  wortbetonung  bez.  in 
f,  ]),  X  und  S,  (t,  ^  ebenfalls  im  urgerm.  Sievers  hat  wol  recht, 
wo  er  (Grundz.  der  phon.''  s.  282  §  769)  die  gemeinsame  Ursache 
der  monophthongierimgen,  um  welche  es  sich  hier  handelt,  in 
der  Qualität  des  silbenaccents  sucht.  Genau  zu  bestimmen, 
welche  accentqualität  den  wandel  hervorzurufen  pflegt,  ist  bei 
der  bisher  dürftigen  kenntnis  der  allgemeinsten  betonungs- 
gesetze  wol  kaum  möglich.  Mit  ausdrücken  wie  'ein-,  zwei- 
gipflig, stosston,  schleif  ton',  welche  durchaus  nicht  ausreichen, 
um  den  Charakter  der  betonung  in  einer  spräche  genau  zu 
beschreiben,  darf  man  sich  ebensowenig  begnügen,  wenn  man 
den  einfluss,  den  dieser  Charakter  auf  den  lautbestand  einer 
spräche  geübt  hat,  zu  bestimmen  wünscht.  Es  genügt  aber 
vorläufig,  zu  constatieren,  dass  wir  es  hier  mit  unter  einander 
verwanten  Processen  zu  tun  haben.  Wenn  auch  die  unmittel- 
bare Ursache  der  monophthongierungen  noch  im  dunkeln  liegt, 


')  Oft  lässt  sich  kaum  bestimmen,,  welcheu  wert  man  den  schrift- 
zeichen, die  in  den  denkraälern  einer  so  alten  spräche  auftreten,  beizulegen 
hat.  Dieser  umstand  macht  auch  die  feststellung  der  Chronologie  sehr 
schwierig.  Statt  des  e,  das  Brugmann  a.a.O.  und  andere  forscher  als  eine 
Zwischenstufe  iu  der  entwicklung  von  ei  zu  i  (bez.  von  i  zu  ei,  vgl.  Holt- 
hausen,  Anglia,  Anz.  8, 122)  ansetzen,  nimmt  man  wol  besser  ei  au. 


ZUR  CHRONOLOGIE  UKGERMANISCHEK  LAUTGESETZE.   247 

SO  berechtigt  doch  die  Übereinstimmung-  in  allen  in  betracht 
kommenden  spraclien  zu  der  auf  Stellung-  des  g-esetzes,  dass, 
-wenn  in  einer  spräche,  welche  sowol  ei  -wie  ou  besitzt,  einer 
dieser  laute  monophthongiert  -wird,  der  andere  sich  zu  gleicher 
zeit  auf  entsprechende  weise  verändern  muss. 

Oben  wurde  g-ezeigt,  dass  in  mehreren  indog.  sprachen 
die  aus  der  grundsprache  ererbten  laute  et  und  ou  zu  i  bez.  u 
wurden.  Wie  ist  es  nun  im  germanischen?  Auch  hier  ent- 
stand aus  ei  ein  i,  der  parallele  Vorgang  lässt  sich  aber  nicht 
nachweisen.  Wenn  zu  der  zeit,  wo  aus  ei  ein  i  entstand,  der 
diphthong  ou  im  germ.  vorhanden  gewesen  wäre,  so  hätte  er 
sich  unzweifelhaft  zu  n  entwickelt.  Es  liegt  aber  nicht  ü 
vor,  sondern  au.  Daraus  dürfen  wir  schliessen,  dass  der  Über- 
gang von  ou  in  au  älter  ist  als  der  von  ei  in  l,  oder  (denn 
der  Wandel  von  ou  in  au  ist  ein  specieller  fall  des  o— a-wandels), 
dass  der  Übergang  von  o  zu  «')  älter  ist  als  der  von 
ei  zu  l.-) 

Vielleicht  möchte  jemand  einwenden,  dass  die  germ.  mono- 
l)hthong-ierung  von  ei  ein  besonderer  fall  des  /-umlauts  von  c 
sei,  und  dass  daher  hier  ein  ganz  anderer  process  vorliege  als 
in  den  übrigen  angeführten  sprachen. 

Es  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  die  assimilation  von  e  an 
heterosj'llabisches  /  und  die  monophthongierung  von  ei,  m.  a.  w. 
die  assimilation  von  e  an  tautosyllabisches  i,  verwante  pro- 
cesse  sind.  Ob  wir  es  im  vorliegenden  falle  auch  mit  chrono- 
logisch gleichen  Vorgängen  zu  tun  haben,  entscheide  ich  nicht. 
Sollte  dem  wirklich  so  sein,  so  kann  doch  dieser  umstand  nicht 
als  ein  einwand  gegen  die  von  mir  verfochtene  Chronologie 
geltend  gemacht  werden;  vielmehr  führt  die  heranziehung  des 
i-umlants  zu  einer  allgemeineren  fassung  des  obigen  satzes: 

In  all  den  fällen,   wo  im  urg-erm.  e  in  i  über- 


^)  In  einigen  fällen  unterblieb  der  o— «-wandel  in  nichthaupttonigen 
Silben.    Darüber  s.  \\. 

^)  Im  lit.  tritt  für  iudog.  ei  bald  ei  bald  e  {i  mit  nachfolgendem  e) 
auf,  für  indog.  ou  ausschliesslich  au.  Daraus  dürfen  wir  wol  schliessen, 
dass  der  lit.  wandel  vou  ou  zu  au  älter  ist  als  der  von  ei  zu  e,  sonst  wäre 
neben  au  auch  ü  («  mit  nachfolg,  o)  zu  erwarten.  Auch  aus  einem  anderen 
gründe  ist  für  den  Übergang  von  o  in  a  eine  alte  periode,  und  zwar  die 
urbaltoslavische,  anzunehmen;  s.  u. 


248  VAN   WIJK 

gegangen  ist.  ist  dieser  Übergang  jünger  als 
der  Wandel  von  o  in  a. 

Dieser  satz  ist  die  consequenz  eines  gesetzes,  das  ich 
folgendermassen  formulieren  möchte:  Wenn  in  einer  spräche 
zu  gleicher  zeit  ein  palataler  und  der  entsprechende 
(d.h.  gleich  hohe  und  gleich  geschlossene  bez.  offene)  gerun- 
dete gutturale  vocal  vorhanden  sind,  so  bleibt  trotz 
aller  Veränderungen  dieser  laute  das  gegenseitige 
Verhältnis  derselben  constant,  so  lange  nur  der  eine 
vocal  palatal  und  der  andere  guttural  gerundet 
bleibt,  m.  a.  w.  wenn  in  einer  solchen  spräche  einer  dieser 
vocale  entweder  in  verticaler  richtung  verschoben  wird  oder 
sich  zu  einem  offeneren  oder  geschlosseneren  laut  entwickelt, 
so  erfährt  der  andere  die  entsprechende  Veränderung.  Ich  gebe 
einige  beispiele,  die  ich  hauptsächlich  den  germ.  sprachen 
entnehme: 

Im  gotischen  giengen  germ.  e  und  o  in  i  bez.  u  über, 
ausser  vor  r  und  h,  wo  e  (sowol  das  indog.  e  wie  das  durch 
a-umlaut  aus  i  entstandene)  und  i  als  e  (geschrieben  ai)  und  o 
(aus  u  durch  a-umlaut)  und  u  als  o  (geschr.  au)  auftreten. 

Im  urnordischen  entstanden  aus  /  und  u  bez.  e  und  o 
vor  einem  durch  assimilation  geschwundenen  nasal  und  vor 
heterosyllabischem  ä,  bez.  6  und  6  vor  einem  mit  ersatzdehnung 
geschwundenen  nasal  oder  //,  sowie  vor  tautosyllabischem  r 
(Noreen,  Pauls  Grundr.  l'^,  555f.);  'i  und  ü  wurden  vor  h  zu  e 
bez.  ö  (a.  a.  o.  s.  556  f.). 

Ini  englischen  fanden  vor  yid  folgende  Übergänge  statt: 
i  —  i  —  ei  —  ai,  z.  b.  bind,  gespr.  haind, 
u  —  ü  —  ou  —  au,  z.  b.  hound,  ges\)r.  haund. 

In  derselben  spräche  wurden  im  15.  jh.  geschloss.  e  und  ö 
zu  t  bez.  u  gehoben,  vgl.  Kluge,  Pauls  Grundr.  1^,  1040  und  1044. 

Im  althochdeutschen  wurden  geschloss.  e  und  ö  zu  ie 
und  uo,  und  in  mehreren  dialekten  entwickelten  sich  daraus 
die  monoplithonge  ^  und  u.  *Im  mittelniederdeutschen  wurde 
i  in  offener  silbe  zu  e  gewandelt,  ebenso  in  einem  teile  des 
mitteldeutschen.  Auch  in  geschlossener  silbe  neigt  sich  auf 
diesen  gebieten  ...  das  «  dem  e  zu'  (Behaghel,  Pauls  Grundr. 
1^,  698,  §  47).    'u  und  ü  sind  in  offener  silbe  im  mnd.  in  o  und  ö 


ZUR  CHRONOLOGIE  URGERMANISCHER  LAUTGESETZE.   240 

Übergegangen,  teilweise  aucli  auf  mitteldeutscliem  gebiet.  Auch 
in  geschlossener  silbe  findet  sich  auf  diesen  gebieten  die  neigung 
des  u  gegen  o'  (a.a.O.  §  49). 

Im  niederländischen  werden  urgerm.  i  (f-)  und  ti  (h^) 
bez.  durch  die  zeichen  i  und  o  dargestellt.  Ersteres  bezeichnet 
einen  zwischen  i-  und  c-  gelegenen  laut,  letzteres  liegt  zwischen 
»2  und  o\  Te  Winkel  setzt  Pauls  Grundr.  l*^.  810  nl.  o  <  u 
dem  Sievers'schen  o-  gleich.  Der  nl.  laut  liegt  aber  wol 
etwas  hr)her. 

Im  ionisch-attischen,  im  nordwestgriechischen  und 
in  den  sog.  milderen  dorischen  mundarten  müssen  so  wol  e 
wie  0  zu  geschlossenen  lauten  geworden  sein,  bevor  die  ersatz- 
dehnung  und  die  contrahierung  eintraten,  die  in  i^eig,  öovc, 
qiXüTE,  fitödovfjtv  vorliegen. 

Im  assj'rischen  entwickelten  sich  c  <  ai  und  ö  <  au  zu 
l  und  ü,  z.  b.  bltu  ( :  hebr.  hajit,  stat.  const.  hct)  'haus',  sUru 
( :  hebr.  sur)  'stier';  vgl.  Zimmern,  Vergl.  gramm.  der  semit. 
sprachen  s.  52. 

Bei  der  besprechung  der  ur germanischen  vocale  i,  u, 
e,  0  werde  ich  einige  male  das  lateinische  und  das  keltische 
zur  vergleichung  heranziehen,  welche  sprachen  in  mehreren 
punkten  denselben  weg  wie  das  germ.  gegangen  sind.  Nebenbei 
bemerke  icli,  dass  dieser  umstand  eine  starke  stütze  für  die 
Vermutung  bildet,  dass  die  erscheinungen,  von  denen  hier  die 
rede  ist,  hauptsächlich  auf  der  betonung  beruhen.  Dass  die 
drei  westlichen  sprachgruppen  des  indog.  in  bezug  auf  die  be- 
tonung unter  einander  ähnlichkeit  haben,  ist  allgemein  bekannt. 
Vgl.  darüber  Hirt,  IF.  9,  290  ff. 

Im  urgerm.  wurden  vor  «  und  o  der  folgenden  silbe  i 
und  u  zu  e  und  o  umgelautet,  ausser  wenn  ein  gedeckter  nasal, 
ein  j  oder  tv^)  dazwischen  stand.  Ein  ähnlicher  «-umlaut 
besteht  im  irischen:  sowol  ir.  fer  wie  an.  vcrr,  ahd.  wer  gehen 
auf  indog.  *wiros  zurück,  ebenso  ir.  loim  und  ahd.  hodam  auf 
indog.  *hhudhno-,  *bhtidhmo-  (über  das  Verhältnis  der  m-  zu  den 


*)  Brugmann,  Grundr.  1-,  99  f.  109  f.  spricht  nur  von  i.  Zwar  lassen 
sich  für  den  einfluss  von  ?c  keine  beis^jicle  anführen;  die  häufigste  ?f-ver- 
bindung  nie  gieng  urgerm.  in  nn  über  und  steht  daher  mit  nasal  +  cons. 
in  einer  liuie.  Ideell  ist  aber  ausser  der  Wirkung  von  J  auch  die  von  w 
anzunehmen. 


250  VAN   WIJK 

n-formeii  vgl.  Ulilenbeck,  Et.  wb.  der  altincl.  spräche,  unter 
ludhnds). 

e  vor  nasal  +  cons.  wird  zu  i.  Man  vergleiclie  den  Über- 
gang von  e  in  i,  der  im  lat.  vor  einigen  «-Verbindungen  statt- 
findet. In  dieser  spräche  geht  vor  jenen  selben  Verbindungen 
auch  0  in  u  über.  Vgl.  Sommer,  Handb.  der  lat.  laut-  und 
formenlehre  "s.  72  f.  79  f.  Wenn  im  germ.  in  der  periode, 
wo  dieses  lautgesetz  wirkte,  der  vocal  o  bestanden  hätte,  so 
Avürde  wol  auch  in  dieser  spräche  derselbe  wandel  in  u  nach- 
zuweisen sein.  Conseivierend  wirkten  die  nasalverbindungen 
sowol  auf  n  wie  auf  /.  Sollte  etwa  die  entstehung  des  secun- 
dären  germ.  o  aus  u  älter  sein  als  die  entstehung  von  i  vor 
gedecktem  nasal  (in  eine  ziemlich  junge  periode  wird  dieser 
c — f- wandel  von  Helm,  Beitr.  23, 555ff.  verlegt),  so  ist  in  der 
tat  im  urgerm.  in  dieser  Stellung  n  aus  o  entstanden.  Jeden- 
falls aber  ist  der  Übergang  des  indog.  o  in  a  älter  als  der 
e — ^-wandel  vor  gedecktem  nasal. 

Haupttoniges  e  wurde  durch  den  einfluss  eines  i  der 
nächsten  silbe  zu  i  gehoben.  Gibt  es  nun  innerhalb  der 
gruppe  der  o — «(-vocale  einen  process,  der  der  hebung  von  e 
zu  i  entsprechen  würde?  Gewis,  und  dieser  parallele  process 
ist  die  hebung  von  o  zu  u  durch  folgendes  u.  Ebenso  wie 
die  monophthongierung  von  ei  zu  l,  m.  a.  w.  die  angleichung 
eines  e  an  tautosyllabisches  i,  mit  der  entwicklung  von  ou  zu  u, 
d.  h.  mit  der  angleichung  eines  o  an  tautosj^llabisches  u,  in 
(4ner  Knie  steht,  so  sind  auch  die  hebung  von  c  zu  /  durch 
heterosyllabisches  i  und  die  von  o  zu  u  durch  heterosyllabisches 
?r  parallele  Vorgänge.  Kommt  in  einer  spräche  einer  vor,  so 
muss  auch  der  andere  vorkommen. ')    Es  ist  jedoch  schwierig, 


*)  Eine  scheiubare  ausnähme  von  dieser  regel  bietet  das  slavische. 
Hier  wurde  durch  unmittelbar  folgendes  j  e  zu  i  umgelautet,  vgl.  abulg. 
lüja  :  lit.  rejii,  ai.  väyümi,  abulg.  gostije  :  ai.  a(jnüyas.  Man  würde  nun 
erwarten,  dass  auch  o-w  zu  n-iv  geworden  wäre;  tatsächlich  liegt  aber 
ov  vor,  z.  b.  russ.  zöv  =  ai.  hdvas,  abulg.  zovq,  (urbaltoslav.  aus  *2ev-  ent- 
standen): ai.  havate,  avest.  zavaiii,  abulg.  sijnove  =  ai.  sünävas.  Aus 
diesem  tatbestande  schliesse  ich,  dass  slav.  ö  aus  einem  älteren  a  entstanden 
ist,  in  welchen  laut  in  der  urbaltoslav.  periode  indog.  ä  und  ö  zusammen- 
gefallen waren.  Ebenso  wie  aus  baltoslav.  ä  in  der  Sonderentwicklung  des 
lit.  ö  entstanden  ist,  wurde  im  urslav.  ä  zu  ö.  Zu  der  zeit,  wo  ej  zu  ij 
wurde,  war  a  noch  vorhanden. 


ZUR   CHRONOLOGIE   UHGERMANISCHER    LAUTGESETZE.        251 

beispiele  aus  den  indog-.  sprachen  zu  geben,  weil  diese  sprachen 
nur  sehr  wenige  Wörter  besitzen,  in  denen  auf  eine  silbe  mit  o 
eine  solche  mit  u  folgt.  Ein  solches  wort  ist  indog.  *moghus 
'knabe',  das  im  ir.  mug  und  im  got.  niagiis,  an.  nigyr,  as.  mayu 
fortlebt.  Dieses  beispiel  zeigt,  dass  im  ir,  ebenso  wie  e  durch  i 
zu  /  (z.  b.  lige  'lager'  <  "^legio-)  auch  o  durch  u  zu  u  um- 
gelautet wurde. 

Auch  im  lat.  findet  in  gewissen  fällen  (nach  Sommer,  IF. 
11,327  'wenn  ein  stimmhafter  consonant  oder  der  hauchlaut  h 
dazwischen  steht')  umlautung  von  e  durch  i  statt.  Wenn  zu 
der  zeit,  wo  dieses  lautgesetz  wirkte,  das  lat.  wortformen  be- 
sessen hätte,  in  denen  einer  o-silbe  eine  ^(-silbe  folgte,  so  wäre 
?f-umlaut  eingetreten.  Das  lat.  besass  aber,  soviel  ich  weiss, 
derartige  formen  nicht;  domiis  flectiert  im  älteren  lat.  als  ein 
o-stamm;  später  zeigt  es  nebenformen  nach  der  «-declination; 
probus  war,  auch  wenn  es  im  gründe  mit  ai.  prahlm-  identisch 
sein  sollte,  bereits  im  urit.  ein  o-stamm,  vgl.  osk.  ampruful, 
umbr.  prüfe. ')  Ein  wort  gibt  es  im  lat.,  wo  vor  u  der 
folgenden  silbe  u  auftritt,  während  in  einem  verwanten 
wort  ohne  «-suffix  o  steht,  nämlich  nums  <  *sniisus  gegen- 
über nora.  Hier  ist  das  ii  ursprünglich:  wenn  aber  von  dem 
folgenden  u  nicht  eine  conser vierende  Wirkung  ausgegangen 
wäre,  so  wäre  es  vor  ;•  <  6^  in  o  übergegangen  (vgl.  Sommei', 
IF.  11, 326).  Sollte  dieser  2(— o-wandel  älter  sein  als  die  um- 
lautung von  e  durch  ?,  so  ist  in  nurus  in  der  tat  ein  beispiel 
für  den  n-umlaut  vorhanden,  nurus  ist  von  haus  aus  kein 
w-stamm,  sondern  entweder  —  wie  mir  am  wahrscheinlichsten 
scheint  —  ein  o-stamm  (vgl.  Pedersen,  Bezz.  beitr.  19,  293  ff.), 
oder  wie  Bartholomae,  Studien  2, 31.  J.Schmidt,  Piuralbildungen 
s.  74.  Brugmann,  Grundr.  1-,  1U4-  annehmen,  ein  ä-stamm.  Schon 
früh  aber  ist  es  im  lat.  durch  den  einfluss  von  socriis  (indog. 
*sivehu-)  in  die  «-declination  herübergetreten. 

Im  urgerm.  hatte  sich  das  indog.  wort  "^moglms  erhalten. 


')  Lat.  ti  <io  in  nichtluuipttonigeu  silbeii  entstand  in  einer  jüngeren 
Periode  als  /  «<  e  durch  /-nmlant.  Im  letzteren  falle  lassen  sich  die  nicht 
umgelantetcn  formen  nicht  melir  nachweisen.  Die  unilautung  von  o  durch 
M  muss  in  dieselbe  periode  als  die  von  e  durch  i  gestellt  werden,  also  in 
eine  periode,  wo  nichthaupttoniges  o  noch  o  war  und  keinen  «-umlaut 
bewirken  konnte. 


252  VAN   WIJK 

Wenn  mm  der  /-umlaiit  von  e  älter  wäre  als  der  wandel  von 
0  in  a,  so  niüsste  auch  o  durch  u  umgelautet  worden  sein,  und 
statt  des  o-ot.  magus  wäre  *mugus  zu  erwarten.  Das  Vor- 
handensein der  form  magus  berechtigt  zu  dem  Schlüsse,  dass 
der  Übergang  von  o  zu  a  der  ältere  ist. 

Bisher  .war  nur  von  haupttonigem  o  die  rede.  Das  nicht- 
haupttonige  bewahrte  länger  seinen  lautwert  (vgl.  Streitberg, 
Urgerm.  granim.  s.  46  f.),  gieng  aber  schliesslich  in  den  meisten 
fällen  in  a  über.  In  welchen  Stellungen  dieser  wandel  unter- 
blieben ist,  darüber  sind  die  forscher  nicht  einig.  Jedenfalls 
hat  einfluss  von  labialen  gewirkt,  vgl.  u.  a.  Brugmann,  Grundr. 
!•',  248  f.  Ich  gehe  an  dieser  stelle  nicht  näher  auf  die  frage 
ein,  ich  bemerke  bloss,  dass  man  in  den  fällen,  wo  gewöhnlich 
bewahrt  gebliebenes  o  angenommen  wird,  wol  besser  aus  o 
entstandenes  u  ansetzt.  Die  in  betracht  kommenden  formen, 
z.  b.  an.  dggom,  -um,  ?igs.  dagtwi,  ahd.  tagum;  an.  fgllom,  -um, 
ahd.  faUumes;  ahd.  gomun,  as.  gumun,  gestatten  ebensogut  die 
annähme  eines  vorhistorischen  ti  wie  die  eines  o,  und  für  die 
umfärbung  des  o  zu  u  spricht  der  parallele  Übergang  des  nicht- 
liaupttonigen  c  zu  ?. 

Aus  von  Tacitus  überlieferten  germ.  eigennamen,  wie  Se- 
gimcrus  (vgl.  Streitberg,  Urgerm.  gramm.  s.55)  geht  hervor,  dass 
der  Übergang  von  e  in  i  in  nichthaupttonigen  silben,  und  daher 
auch  der  entsprechende  Übergang  von  o  in  u  einer  älteren 
periode  angehört  als  der  i-umlaut  von  e. 

Im  got.  tritt  auch  in  nichthaupttonigen  silben  für  indog.  o 
ausnahmslos  a  auf.  Der  grund  dafür  liegt  wol  darin,  dass  im 
ostgerm.  entweder  der  o — a-wandel  früher,  oder  der  e — ^■- wandel 
später  vollzogen  wurde  als  im  west-  und  nordgerm.,  so  dass, 
als  nebentoniges  e  im  ostgerm.  zu  i  wurde,  in  dieser  spräche 
kein  einziges  o  vorhanden  war,  das  auf  entsprechende  weise 
zu  u  gehoben  werden  konnte. 

Zum  Schlüsse  fasse  ich  die  für  die  relative  Chronologie  der 
von  mir  besprochenen  lautübergänge  gewonnenen  ergebnisse 
kurz  zusammen: 

Periode  I.    Haupttoniges  o  >  a. 

Periode  IL    Nichthauptt.  o  >  a  ausser  in  einigen  wenigen 
fällen. 


ZUR   CHRONOLOGIE   URGERMANISCHER   LAUTGESETZE.       253 

(    Mclithaupttoniges  e  >  i. 
Periode  III.  <j    Niclitliauptt.  o  >  w  in  den  fällen,  wo  o  in 
Periode  II  seinen  lautwert  bewahrt  hatte. 
Hauptt.  e  >  i  vor  nas.  +  cons. 
Periode  IV.  J    Hauptt.  e  >  i  vor  i  oder  j  der  folg.  silbe. 

I  Hauptt.  ei  >  I. 
Die  überlieferten  formen  stimmen  richtig  zu  diesen  haupt- 
sächlich auf  theoretischer  grundlage  aufgebauten  regeln.  Das 
aus  dem  germ.  entlehnte  finnische  wort  reugas  (an.  hrinyr,  ahd. 
as.  hring)  zeigt,  dass  der  Übergang  von  e  zu  i  vor  nasal  +  cons. 
jünger  ist  als  der  wandel  von  o  in  a  in  nichthaupttonigen 
Silben.  Dass  auch  der  /-umlaut  ein  ziemlich  junger  process 
ist,  geht  aus  finn.  teljo  (an.  Jnlja)  und  aus  den  taciteischen 
formen  Scgimerus  u.s.w.  hervor.  Die  auch  von  Tacitus  er- 
wähnten namen  Segestes  und  Vcnedi  weisen  sogar  auf  eine 
Periode  hin,  bevor  nichthaupttoniges  e  zu  i  wurde.  Für  den 
wandel  des  haupttonigen  o  in  a  darf  man  eine  ziemlich  frühe 
Periode  annehmen.  Sämmtliche  bei  lateinischen  Schriftstellern 
vorkommende  eigennamen  weisen  bereits  a  auf.  Dass  kelt. 
Wörter  wie  3Iosa,  die  Streitberg,  Urgerm.  gramm.  s.  45  ver- 
anlassten, für  den  Übergang  von  o  in  a  eine  verhältnismässig 
junge  Periode  anzunehmen,  für  die  bestimmung  der  Chronologie 
keinen  wert  haben,  hat  Hirt,  Beitr.  23, 317  f.  dargetan. 

LEIPZIG,  im  november  1902.  N.  VAN  WIJK. 


ZUR  SCHEIDUNG  DER  KURZEN  ^-LAUTE  IM 
MITTELHOCHDEUTSCHEN. 

Bekanntlich  gibt  es  im  mlid.  eine  anzahl  Wörter  mit  ge- 
schlossenem e-laut,  obwol  man  ihrer  etymologie  nach  e  zu 
erwarten  hätte.  Dieser  Widerspruch  beruht  auf  secundärer 
lautentwicklung-,  deren  bedingungen  man  in  mehreren  fällen 
schon  erkannt  hat.  Es  bleiben  aber  immer  noch  manche  mhd. 
Wörter  übrig,  deren  e-qualität  zweifelhaft  ist,  namentlich  fälle, 
in  denen  die  neueren  mundarten  nicht  übereinstimmen  (vgl. 
H.  Paul,  Mhd.  gramm.^  §  43,  anm.  3). 

Ein  mhd.  wort,  dessen  stammsilben-e  seiner  qualität  nach 
noch  nicht  festgestellt  worden  ist,  ist  senen  'sehnen'.  Bei 
Graff  6,  239  und  Müller-Zarncke,  Mhd.  wb.  2,  250  wird  alternativ 
ahd.  senßi  oder  scnem  angesetzt.  Kluge  lässt  noch  Wb.^  die 
betreffende  c- qualität  unbezeichnet,  entschliesst  sich  aber  in 
Wb.*^  für  die  lesung  smcn  (mit  geschlossenem  e).  Bei  H.  Paul, 
Mhd.  gramm.'^  und  Y.  Michels,  Mhd.  elementarbuch  findet  man 
dagegen  unser  wort  als  senen  aufgefasst.  Diese  Unsicherheit 
in  der  beurteilung  des  stammvocals  unseres  wortes  rührt  wol 
wesentlich  daher,  dass  es  diesen  autoren  seiner  etymologie 
nach  unklar  gewesen  ist.  Als  et3'mologisch  dunkel  wird  das 
wort  in  der  tat  noch  im  DWb.  sowie  bei  Kluge,  Wb."  be- 
zeichnet. In  meinen  Beiträge  zur  germanischen  wortkunde 
(Memoires  de  la  soc.  neo-phil.  ä  Helsingfors  3,  Helsingf.  1902) 
erörtere  ich  einige  frühere  verfehlte  deutungsvorschläge  und 
mache  einen  neuen  versuch  zur  erklärung  des  wortes.  Ich 
bin  dabei  von  seiner  in  zahlreichen  mhd.  belegen  deutlich  zu 
erkennenden  grundbedeutung,  etwa  '  seelenschmerz  leiden  (sich 
grämen,  härmen,  bekümmert  sein)'  ausgegangen;  vgl.  die  glosse 
sene  'marceo,  langueo'  Ahd.  gl.  3,  417, 27.    Schon  im  mhd.  wird 


J5;- LAUTE  IM   MHD.  255 

das  wort  auf  die  pein  und  das  verlangen  der  liebe  bezogen  und 
mit  seiner  sippe  in  der  minnepoesie  fast  bis  zur  abnutzung 
gebraucht.  Die  ältere  bedeutung  'schmerz  empfinden,  beküm- 
mert sein'  ist  im  nhd.  untergegangen,  lebt  aber  noch  fort  bei 
Luther.  Noch  Campe  in  seinem  AVb.  v.  j.  1807  betont  aus- 
drücklich, dass  sich  unser  verbum  durch  die  oft  hinzutretende 
Vorstellung  des  schmerzlichen  von  Wörtern  wie  verlangen, 
begehren  unterscheide  (vgl.  DWb.  10,  151).  Dieselbe  grund- 
bedeutung  blickt  auch  durch  in  den  westgerm.  parallelen  mnd. 
senentlikcn  'auf  sehnsüchtige  weise,  voll  Sehnsucht  und  schmerz', 
ostfi'ies.  (Doornkaat-Koolman  3, 174)  senen,  schien  "sehnen,  ein 
starkes  oder  schmerzliches  und  fast  krankhaftes  verlangen 
haben,  sehr  verlangend  sein  etc.'  Die  Urbedeutung  dieser 
sippe  scheint  indessen  eine  sinnliche  gewesen  zu  sein.  Nach 
einer  wol  bekannten  art  der  bedeutungsentwicklung  werden 
bezeichnungen  für  rein  sinnliche  begriffe  in  vielen  fällen  auf 
das  Seelenleben  übertragen.  Als  beispiel  von  diesem  Vorgang 
nenne  ich  hier  nur  das  mit  sehnen  synonyme  awn.  l>roijia,  ])ni 
'sich  sehnen',  aschw. 7»"«  'verlangen',  nscliw.  ^r«?^«  "'von  sorgen 
verzehrt  werden',  tränad  'Sehnsucht,  sorge,  leiden  (vor  unglück- 
licher liebe'):  awn.  Uk-J)rdr  'aussätzig';  vgl.  das  hiermit  auch 
etymologisch  verwante  gr.  tqvxso&^cu  'sich  aus  Sehnsucht  ver- 
zehren" :  TQvxco,  TQvco  'reibe  auf,  verzehre,  entkräfte'  (näheres 
über  diese  sippe  in  meinen  Beitr.  zur  germ.  wortk.  s.  3  ff.).  In 
rein  sinnlichen  bedeutungsnuancen  lebt  das  fragliche  verbum, 
mhd.  senen  etc.,  nach  meiner  meinung  noch  fort  im  nord- 
germanischen. Ich  verbinde  nämlich  hiermit  nnorw.  (Aasen, 
Ross)  sma  1)  'eintrocknen,  unträchtig,  güste  werden  (von 
kühen)',  2)  'verschimmeln,  modern,  sauer  werden  und  hin- 
schwinden (von  fisch,  fleisch  etc.)',  3)  'hinschwinden  durch 
brand  (von  getreide)",  nschw.  sina  1)  'zu  milchen  aufhören 
(von  kühen)',  2)  mundartl.  (Eietz,  Dial.-lex.  s.  566)  'aus- 
trocknen', trans.  (von  der  sonne)  und  intrans.:  von  einer  quelle 
u.a.  (auch  in  der  schriftspr.),  3)  'zu  fliessen  aufhören',  z.  b. 
von  einer  flasche  (dial.),  säna  vb.  tr.  und  intr.  (dial.)  ^=  slna; 
vgl.  noch  das  nschw.  subst.  sin  :  sfä,  vara  i  s.  :  von  einer  kuh, 
die  keine  milch  gibt,  sowie  das  dial.  adj.  sein  (=  sänt,  part.) 
'keine  milch  gebend  (von  einer  kuh)'.  Ein  paralleles  subst. 
ist  belegt  schon  aus  altn.  zeit:  awn.  sina,  f.  (mit  den  neunord. 


256  KARSTEN 

entsprecliungeu  nnorw.  sina,  sena,  nscliw.  sena)  'altes  ver- 
welktes gras,  das  über  den  winter  auf  der  wurzel  stehen  ge- 
blieben; vgl.  ausserdem  das  nnorw.  (Ross)  adj.  daud-sen  'nieder- 
geschlagen' '(übertr.).  Die  genannte  nord.  Substantivbildung 
liegt  westgerm.  vielleicht  vor  in  mhd.  scn,  stf.  (?)  'senecio', 
sen-wurz  'senecio,  erigeron';  für  diese  Zusammenstellung  spricht 
einigermassen  die  semasiologische  analogie  mit  dem  entspre- 
chenden gr.  pflanzennamen  erigeron  ^^  agr.  rjQi-yegcov  'früh 
oder  im  fi'ühling  greisend,  ein  kraut,  das  im  frühling  eine 
graue  samenkrone  bekommt'  (Passow,  ^^^b.  d.  gr.  spr.  s.  1359); 
vgl.  lat.  scnccio  (aus  scnex)  'die  auch  gerontea  und  erigeron 
genannte  pflanze,  die  kreuzwurz'  (Georges,  Lat.-d.  wb.  s.  1564), 
sowie  nhd.  haldgreis  'senecio,  die  kreuzwurz'  (DWb.),  wol  nur 
gelehrte  nachbildungen  des  gr.  wortes.  Das  fragliche  verbum 
mhd.  senen,  nord.  sma,  säna  (aus  "^sinön,  ^'senön,  vgl.  awn. 
duina,  diiena  'erschlaffen'  :  ags.  duinan  'schwinden',  awn. 
suina,  siiena  'schwinden'  :  nnorw.  swina,  ahd.  stvinan  id.)  ist 
aussergerm.  erhalten  in  aind.  Isinäti  {ksinöti)  'vernichtet,  lässt 
vergehen',  gr.  ^^/roj  1)  intr.  'abnehmen,  dahinschwinden,  ver- 
gehen, sterben',  2)  trans.  'vernichten',  vgl.  ausserdem  av.  xsyö 
'des  hinschwindens,  elends',  aind.  hmjate  'schwindet  hin',  Iditis 
'das  vergehen,  Untergang',  gr.  q{)iöiq  'das  schwinden,  die  aus- 
zehrung',  lat.  suis  'dürre,  trockenheit,  durst,  heisshunger,  hef- 
tiges verlangen'  etc. 

Nach  dieser  etymologie  wäre  das  betreffende  verbum  zu- 
nächst mit  offenem  stammvocal,  als  senen,  anzusetzen.  Gegen 
meinen  deutungsvorschlag  erheben  sich  jedoch  einige  einwände, 
die  ich  bei  der  abfassung  meiner  genannten  schrift,  Beiträge 
zur  germ.  wortk.,  nicht  zu  berücksichtigen  wusste.  Erstens 
scheint  mein  ergebnis  mit  einigen  mhd.  reimbindungen  in 
Widerspruch  zu  stehen.  So  reimt  unser  verbum  z.  b.  bei 
Wolfram  v.  H  immer  nur  mit  Wörtern,  die  e  haben. 

Es  geboren  hierher  nach  Schulz,  Keimregister  s.  38  folgende  belege: 
sene  ( :  zene)  Wh.  408,  30).  —  sent  ( :  gewent)  P.  443,  15 ;  ( :  verwent)  P. 
291,30.  —  sente  ( :  mente)  P.  90,10.  Wh.  360,23;  {-.wente)  Wb.  287,20. 
—  gesent  ( :  entwent)  Wh.  243,  22;  ( :  gewent)  P.  189, 12.  248,  IG.  Wh.  90, 5. 
193,  80.   —   versent  ( :  gewent)  P.  265, 20. 

Wie  man  sieht,  enthalten  diese  reim  Wörter  {^lene  zu 
jzan,   menen,    wenen,    ent-,   ge-,    ver-)    sämmtlich   geschlossene 


£■- LAUTE   IM   MHD.  257 

e-qualität,  und  hieraus  ergibt  sich  die  z.  b.  bei  Kluge,  Wb.^ 
angesetzte  lautform  sehen,  dem  anscheine  nach  als  die  richtige, 
sofern  unter  e  hier  das  gewöhnliche  umlauts-e  aus  a  verstanden 
werden  soll.  Bei  näherer  prüfung  wird  sich  diese  annähme 
nichtsdestoweniger  als  falsch  erweisen.  Als  sehen  (aus  *sa7ijan) 
aufgefasst,  stände  unser  wort  —  scheint  es  —  ganz  isoliert, 
während  es  als  senen  sich  an  eine  weit  verbreitete  germ.  und 
nichtgerm.,  auch  begrifflich  sehr  nahe  verwante  Wortsippe 
anschliesst.  Auch  die  zahlreichen  mhd,  belege  unseres  verbums 
sprechen  in  der  tat  a  priori  (wenn  man  die  reime  unberück- 
sichtigt lässt)  für  die  form  senen.  AVälirend  verba  der  ersten 
schw.  klasse  wie  denen,  mehen,  icenen,  ze'ln,  wein,  sein  u.  a. 
mit  nebenformen  wie  bez.  dehnen,  temien,  mehnen,  ivehnen, 
Zellen,  ivellen,  seilen  nebst  praeteriten  wie  dante  :  dehete, 
mante  :  mehete,  mente,  salte  :  zelte,  ivalte  :  weite,  salte  :  se'lte 
auftreten,  fehlt  es  dem  verbum  senen  an  jeglicher  spur  einer 
grundform  *sanjan.^)  Die  der  vorgetragenen  et3inologie  wider- 
sprechenden reimbelege  mit  e  erheischen  daher  meines  erachtens 
ihre  besondere  erklärung.  Da  Wolframs  e- reime  sich  sonst 
dui'ch  strenge  genauigkeit  auszeichnen  (s.  Zwierzina,  Zs.  fda. 
44,  249—316),  scheint  jede  rede  von  'ausnahmen'  ausgeschlossen 
zu  sein.  Am  nächsten  liegt  vielleicht  dann  die  Vermutung, 
dass  die  c-qualität  in  sehen  durch  die  einwirkung  der  folgen- 
den nasalis  modificiert  worden  wäre.  In  den  meisten  nhd. 
(fi^änk.,  alem.  und  bair.-österr.)  mundarten  sind  die  e- laute  in 
der  Stellung  vor  nasalen  wie  bekannt  in  einen  laut  zusammen- 
gefallen. Die  wichtige  frage,  wie  weit  eine  derartige  nasal- 
afficierung  sich  schon  im  mhd.  geltend  gemacht  hat,  ist  lange 
völlig  unberücksichtigt  gewesen.  Erst  bei  Zwierzina  a.  a.  o. 
wird  sie  einer  prüfung  unterzogen,  die  sich  jedoch  aus  mangel 
an  genügendem  material  leider  auf  blosse  andeutungen  be- 
schränken musste.    AA'enn  Zwierzina  hier,  auf  grund  der  frag- 

[*)  Diese  argumentation  scheint  mir  nicht  ganz  zuzutreffen.  Bei  salte, 
salte  handelt  es  sich  ja  um  alte  westgerm.  bildungen  ohne  mittelvocal  (as. 
talda,  ags.  tealde  etc.),  während  entsprechende  alte  formen  bei  verbis  mit 
•n-  gar  nicht  belegt  sind.  Auch  mhd.  herschen  ja  (leti(e)te,  vicn{e)te  so  un- 
bedingt vor,  dass  die  paar  späten  belege  für  dante,  mante  sicher  auf  das 
conto  junger  analogiewirkung  zu  setzen  sind  (nach  dem  muster  von  para- 
digmen  wie  brenne  —  hrante  mit  germ.  nn).    E.  S.] 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXVUI.  U 


258  KARSTEN 

liehen  e-reime  bei  "Wolfram,  constatieren  zu  können  glaubte, 
dass  e  und  e  vor  nasalen  (vor  einfachem  wie  vor  gedecktem) 
in  der  spräche  dieses  dichters  noch  auseinander  gehalten 
wurden,  so  ist  diese  annähme  insofern  noch  nicht  genügend 
motiviert,  als  er  für  sencn,  wie  es  scheint,  ohne  jeden  versuch 
ziu'  etymologischen  begründung  seiner  meinung,  geschlossene 
e-qualität  voraussetzt.  Da  Wolframs  ausspräche  der  e- laute 
eine  fränk.  gewesen  zu  sein  scheint  (Zwierzina  a.  a.  o.)  und 
die  e-  und  e-qualitäten  heute  in  den  meisten  fränk.  mundarten 
in  einem  geschlossenen  laut  zusammengefallen  sind  (Zwierzina 
a.a.O.  s.  314),  könnte  diese  ausgleichung  an  und  für  sich  schon 
für  W.  vorausgesetzt  werden,  und  zwar  um  so  lieber,  als  ein 
analoger  zusammenfall  der  c- laute  für  einige  andere,  wenn 
auch  spätere  mhd.  dichter  durch  Zwierzinas  erörterungen  a.a.O. 
(s.  315  f.)  wahrscheinlich  gemacht  worden  ist. 

Hiermit  sind  jedoch  nicht  alle  Schwierigkeiten,  die  sich 
in  den  weg  meiner  etj^mologie  stellen,  erledigt.  A\'ie  mir  herr 
Professor  E.  Sievers  brieflich  gütigst  mitgeteilt  hat,  gilt  im  gut- 
deutschen da  wo  gedehntes  e  und  e  noch  geschieden  werden, 
ausdrücklich  smen  und  lenen  mit  geschlossenem  (/  (wie  ^cner, 
dehnen  etc.  gegenüber  nemen,  dem,  den  etc.).  Auch  dieser  wider- 
sprach ist,  wie  ich  glaube,  jedoch  nur  scheinbar.  Mhd.  senen 
flectierte  im  ahd.  wahrscheinlich  nach  der  t'-conjugation:  *sehen, 
wie  einige  andere  ahd.  t-verba,  die  aus  der  vorgerm.  wä-klasse 
herübergekommen  waren  (z.  b.  ahd.  Minen,  ags.  hlinian,  hleonian : 
gr.  x/.i-voj,  lat.  de-cll-näre,  vgl.  mhd.  senen  :  aind.  Jcsi-nä-ini),  wo- 
rüber s.  meine  Beiträge  zur  geschichte  der  altgerm.  g^-verba 
s.  44  ff.  Bekanntlich  berühren  sich  aber  die  primären  altgerm. 
f-verba  in  vielen  fällen  mit  den  verben  der  j-klasse.  Der  für 
das  urgerm.  vorauszusetzende  Wechsel  zwischen  e-  und  ^-formen 
bei  den  e-verben  wurde  in  den  einzelsprachen  wie  bekannt  in 
verschiedener  weise  ausgeglichen.  Im  ahd.  kam  die  ^-form 
fast  vollständig  zur  herschaft;  nur  einige  wenige  reste  und 
Verallgemeinerungen  der  j-torm.  sind  erhalten  geblieben.  Von 
dem  oben  angeführten  ahd.  hlinen  weisen  sämmtliche  belege 
nur  den  stammvocal  i  auf,  der  eigentlich  nur  den  alten  /-formen 
gebührt.  In  dem  urgerm,  paradigma  müssen  lautgesetzlich  in- 
dessen auch  formen  mit  e-vocal  bestanden  haben,  von  denen 
das  mhd.  in  seinem  Jenen  (neben  Imen)  in  der  tat  einen  reflex 


i?- LAUTE   IM    MHD.  259 

bewahrt.  "Wie  aber  alid.  Minen  durch  contaminatiou  von 
*hlenen  (=  mlid.  lenen)  und  *hUnjan  entstanden  sein  muss,  sind 
andrerseits  auch  compromissformen  wie  z.  b.  2.  und  3.  pers.  sg. 
Vilehis,  Vilenif  denkbar.  In  derartigen  ahd.  neubildungen  mit 
i  in  der  endung  muss  das  ursprünglich  offene  e  der  Stamm- 
silbe durch  eine  art  von  umlaut  in  ein  geschlossenes  verwandelt 
werden.  Dieser  gesichtspunkt  ist  schon  früher  zur  erklärung 
einiger  scheinbaren  ausnahmen  in  den  heutigen  mundarten  ver- 
wendet worden;  vgl.  z.  b.  ahd.  felis  'fels'  und  a\\Ta.  fiall:  gegen 
diese  identificierung  spricht  scheinbar  der  umstand,  dass  nhd. 
fels  in  denjenigen  mundarten,  die  offenes  und  geschlossenes  e 
unterscheiden,  geschlossenes  hat:  fasst  man  aber  ahd.  felis  als 
eine  compromissform  aus  urgerm.  felus- :  flis-  auf,  so  wird  alles 
klar  (s.  Paul,  Beitr.  12,  548  f.  und  Mhd.  gramm."^  §  43,  anm.  3. 
Kauffmann,  Beitr.  13, 393  f.).  Durch  eine  analoge  erklärung 
scheint  mir  der  fragliche  Widerspruch  in  dem  nhd.  sehen  (wie 
in  lenen)  seine  einfachste  lösung  zu  gewinnen.  Die  vorauszu- 
setzende mhd.  analogiebildung  senen  (für  sehen)  dient  dann 
auch  zur  aufkläriing  der  oben  erörterten  Wolfi'amschen  reim- 
bindungen.  Diese  reimbelege  sind  sonach  nicht  als  beweis- 
mittel  für  die  oben  vermutete  lautausgleichung  bei  Wolfi'am 
zu  verwerten. 

HELSIXGFOES.  T.  E.  KARSTEN. 


17* 


MITTELHOCHDEUTSCH  SCHEMEN. 

In  anknüpfimg  an  die  vorstellenden  erörternngen  über 
mhd.  senen  mit  li  als  resultat  eines  secundärumlauts  von  e 
mögen  hier  noch  ein  paar  bemerkungen  über  die  auch  schon 
von  Zwierzina,  Zs.  fda.  44,  312  angeregte  frage  nach  dem  Ur- 
sprung des  e  in  mhd.  Schemen  angefügt  werden.  Bei  diesem 
wort  kann  man,  wie  mir  scheint,  gar  nicht  um  die  annähme 
eines  secundärumlauts  herumkommen.  Die  ganze  sippe  von 
ahd.  scama,  scamhi  hat  ja  in  allen  altgerm.  sprachen  ein- 
schliesslich des  ahd.  nur  a,  und  erst  mhd.  treten  die  neben- 
formen  mit  e  daneben  auf.  Demnach  halte  ich  es  für  aus- 
geschlossen, dass  mhd.  Schemen  altes  e  habe:  vielmehr  muss 
das  e  irgendwie  auf  umlaut  berulien.  Primärumlaut  hätte 
dann  zu  mhd.  *schemen  geführt,  das  denn  auch  nach  Zwierzina 
a.  a.  0.  wenigstens  für  gewisse  bair.-österr.  dichter  mit  grosser 
Avahrscheinlichkeit  anzusetzen  ist.  Umgekehrt  hätte  secundär- 
umlaut  ein  mhd.  ^schämen,  geschrieben  Schemen  ergeben,  das 
ausserhalb  des  bair.-österr.  mit  altem  e  reimen  konnte,  genau 
so  wie  A\'olfram  tatsächlich  reimt.  Dies  ^schämen  ist  aber  nicht 
nur  imaginär  oder  aus  den  reimen  erschlossen,  sondern  dii-ect 
auch  aus  den  mundarten  zu  belegen.  In  diesem  sinne  hat  sich 
bereits  Zwierzina  auf  das  bair.-österr.  sdmdn  mit  'hellem  a' 
berufen.  Ausserdem  ist  "^'schämen  aber  auch  für  das  alem. 
gebiet  zu  erweisen,  wenigstens  für  die  mundarten,  welche  nach 
den  darlegungen  von  A.  Heusler,  Germ.  34,  117  ff.  primäres 
Umlauts- 6;  und  secundäres  umlauts-a  vor  nasalen  nicht  zu- 
sammenfallen lassen.  Dahin  gehören  (nach  Heusler)  das  Toggen- 
burgische  (A\'inte]ers  T)  und  Appenzellerische.  Beispielsweise 
unterscheidet  T  die  beiden  laute  noch  als  e  und  ce.  Für  m 
als  secundärumlaut  sind  z.  b.  aus  "Wintelers  material  sicher  in 
anspruch  zu  nehmen  hrcextce  sprechen  s.  49,  pcetsce  'patschen', 


AIHD,    SCUEMES.  261 

klatsclieu  49  (dazu  ])(.dshü  Beitr.  14,  463),  xcetsi  (K  gatsw)  57, 
kxcerli  kerl  81,  ifit'bmce  einfädeln  117,  ßcedce  pl.  zu  fladce  fladeu 
171,  gcebmdr  pl.  zu  ^a(?(iB  gadem  74.  171;  mit  dehnung  gmr  gar 
79,  cerhdtxß  arbeiten  80,  sbcerce  sparen  78.  157,  t^y  pl.  zu  füg 
tag  (dat.  pl.  fägcc)  83,  bcerg  pl.  zu  härg  schwein.  Andrerseits 
erscheint  c  für  mlid.  e  vor  nasal  in  xlome  klemmen,  swemce 
schwemmen,  fdrgremc  (mhd.  crgremen)  67;  gremplce,  -jy  (zu 
mhd.  grcmpen)  58;  fdrticeme  ('entwöhnen'),  aufziehen,  Tiwence 
gewöhnen  67  (vgl.  pl.  tse  zahne  72),  mence  (mhd.  menen)  67; 
l'xemc  kennen,  /«ew^e  henne,  sbence  spannen  (mhd.  spennen  — 
Spante)  67,  tenn  tenne  68.  70,  prent  gebrannt  136;  swendce 
schwenden  63;  henJcxce  heiiken,  xhnlcxw  {mhd.  MenJcen),  sivenhxoi 
schwenken  61  (vgl.  sleuhe  62),  tcnJixce  denken  149,  menuldpfalt 
blättermagen  74.  Dagegen  steht  w  wider  in  zwei  sicheren 
fällen  des  secundärumlauts,  in  dem  gedehnten  hceni  fasshahn  69, 
und  in  tscencn  weinen  {m\\(\..  zannen,  ahd.  mannen  Graff5,  673); 
als  drittes  beispiel  darf  wol  xrcenfsce  tragkorb,  angezogen 
werden,  angesichts  der  Kerenzer  form  xrcetsce  175  u.  ä.  (wei- 
teres s.  im  Schweiz,  id.  3, 924  ff.,  speciell  926);  dann  braucht 
auch  wol  der  bergname  Sa'mtiss,  Scentiss  138  keine  ausnähme 
zu  sein.')  Schwierigkeiten  bereitet  dagegen  trmndl  66  = 
trcemmdl  K,  wenn  dies  wirklich  direct  =  ahd.  dreniU,  mhd. 
dremel  ist  (natürlich  nicht  dr'emel,  wie  im  Mhd.  wb.  und  bei 
Lexer  angesetzt  wird);  nach  mhd.  drdm,  träm  halte  ich  aber 
eine  alte  dublette  *dmmil  —  *drä))ül  nicht  für  ausgeschlossen"; 
ich  bin  also  geneigt,  jenes  trceuidl  vielmehr  gleich  urspr.  '^drämil 
zu  setzen.'') 


^)  Uebrigens  wird  doch  wol  auch  T  eine  form  wie  iscrnue  'zusammen' 
haben,  nicht  *tsem(e;  aber  so  viel  ich  sehe,  führt  Winteler  die  form  nicht 
speciell  für  T  an. 

")  Für  das  bair.  scheint  allerdings  Schmeller,  BWb.  1,  662  f.  nur  die 
form  tremel,  nicht  Hrämel  zu  kennen  (das  eine  trümel  aus  dem  Cgm.  270 
beweist  nicht  viel).  Aber  gerade  bei  i  -  ableitungen  finden  sich  auch  sonst 
ähnliche  quantitätsschwankungen,  so  bei  zadel  —  mdel  und  dem  fremden 
schamel  schämel,  Mülleuhoff- Scherer,  Denkm.2^,160.  442  (zu  der  erstcitierten 
stelle  bemerke  ich  übrigens,  dass  langvocaliges  *scämil-  durch  north. 
fötscdkinel  [mit  w  als  regulärem  umlaut  von  ö  aus  ä  vor  nasal]  L  erwiesen 
wird;  daneben  wider  seltener  [f6t\scemel  aus  *scamil,  auch  ohne  umlaut 
einmal  -scdnol  L,  ebenso  scömul,  -el  R'*).  —  An  sich  könnte  man  sonst 
auch  bei   tremel  —  trümel  an   einen  auf  suftixablaut  beruhenden  secundär- 


202  SIEVERS 

ImDierliiii  überAviegeii  die  beispiele  flu-  die  regel  so  sehr, 
dass  man  die  form  scenue,  die  auch  T  nach  Winteler  s.  157 
aufweist,  als  sicheren  beleg  für  secundärumlaut  auffassen  darf, 
und  zwar  um  so  sicherer,  als  das  verbum  in  'T  noch  dem  alten 
typus  der  t^-verba  folgt  i^iS.^g. kemot,  zweisilbig:  AMnteler  a.a.O.), 
und  weil  auch  andere  alte  e-verba  in  T  denselben  secundär- 
umlaut zeigen,  nämlich  shceroi  sparen  78  (3.  sg.  sbcerdt  157)  = 
ahd.  siuu-en  und  das  ebenfalls  bereits  erwähnte  tsmnoe  =  ahd. 
sannen.  Diesen  stellt  sich  dann  noch  das  doch  wol  gemein- 
schweiz.  sceycG  sagen  =  ahd.  sagen  zur  seite,  ferner  dialek- 
tisches licehw  neben  liebce  (mit  primärumlaut)  'halten'  =  ahd. 
halm  (so  z.  b.  in  Kerenzen,  3.  sg.  hcehdt,  Winteler  s.  148;  vgl. 
ferner  das  Schweiz,  id.  2.  870  ff.,  speciell  889  ff.);  endlich  auch 
noch  das  zur  schwachen  flexion  übergetretene  trcegce  tragen 
(Winteler  s.  165). 

Der  secundärumlaut  ist  hiernach  bei  alten  e-verbis  dialek- 
tisch so  häufig  belegt,  dass  man  ihn  an  betreffender  stelle 
geradezu  für  eine  normalerscheinung  erklären  muss.  Gaben 
einerseits  formen  wie  ahd.  *scemit  (vgl.  hebit,  lihit)  die  grund- 
lage  ab  für  das  bair.-österr.  Schemen  (oben  s.  261),  so  konnte 
andrerseits  aus  der  parallele  scamet  —  scemit  ein  neues  *scamit 
erwachsen,  das  dann  secundär  zu  *schämet  umgelautet  wurde 
und  so  die  grundlage  für  das  mit  e  reimende  mhd.  Schemen 
lieferte.  Aehnlich  auch  bei  den  übrigen  verbis,  welche  ent- 
sprechenden vocalismus  aufweisen.  Uebrigens  liefert  auch  hier 
das  ags.  wider  genaue  parallelen  bei  der  flexion  der  primären 
e-verba,  vor  allem  bei  scc^an  sagen,  wo  altwestsächs.  i)rimär- 
und  secundärumlaut  noch  im  paradigma  nach  fester  regel 
wechseln:  Lsg.  sec^e,  2.  3.  sg.  siehst,  sce^J  gegen  angl.  sa^ast, 
sagad  (Ags.  gr.  §  416);  denn  diese  soe^st,  scejcT  gehen  nach  mass- 
gabe  der  parallele  westsächs.  1.  sg.  hycge,  2.  3.  sg.  hys{e)st, 
hys{e)d :  angl.  hogast,  hogad  doch  wol  auf  secundär  umlautendes 
*6-ö^ts,  *sagi]),  d.  h.  eine  mischbildung  zu  *segis,  -ip  und  sasas^ 
-ap,  nicht  etwa  dii^ect  auf  urags.  *sases,  -ep  zurück.  Einer 
solchen  annähme  bereiten  aber  die  Schweiz,  formen  wie  3.  sg. 


Umlaut  einer  ausgleichsform  spätahd.  trumil  (mischuug  aus  tramal  —  tremil) 
denken.  Solche  ausgleichsformen  weist  namentlich  das  ags.  auf,  s.  verf., 
Zum  ags.  vocalismus,  Leipzig  1900,  s.  21  ff. 


MHD.    HCUEMES.  263 

JchcebdtK,  3.  sg.  kemdt,  sbärdt  T  (Wiuteler  1-48.  157)  durch  ihre 
zweisilbigkeit  ein  hinderuis  (Wiuteler  157);  man  wird  also  ent- 
Aveder  erneute  anlehnang  an  das  endungssystem  der  glatten 
t'-flexion  annehmen,  oder  doch  an  eine  reine  proportionalbildung 
wie  *sccmit  +  scamet  =  *scämet  denken  müssen. ')  Jedenfalls 
ist  aber  diese  Schwierigkeit  nicht  so  gross,  dass  man  deshalb 
die  gesammthj'pothese  vom  auftreten  von  secuudärumlauten  bei 
t-verbis  aufgeben  müsste. 

Allerdings  kann  es  auffällig  erscheinen,  dass  dieser 
secundärumlaut  gerade  nur  bei  dem  einen  verbum  scamen 
sich  so  früh  und  weit  verbreitet  hat,  dass  er  sogar  literatur- 
fähig geworden  ist,  während  die  übrigen  verba,  abgesehen 
von  einzeldialektischen  Schwankungen,  sonst  bei  unumgelau- 
tetem  a  verblieben  sind;  auch  dass  zu  dem  subst.  ahd.  scania, 
nihd.  scham{e)  die  form  schem{e)  hinzugebildet  ist,  kann  auf 
den  ersten  blick  befremden.  Immerhin  lässt  sich  sagen,  dass 
wenn  einmal  das  verbum  scheinen  irgendwo  die  überhand  ge- 
wonnen hatte,  das  nachrücken  seines  verbalsubstantivums  nicht 
unbegreiflich  ist.  Vielleicht  bietet  aber  gerade  diese  nominal- 
form  noch  einen  weiteren  anhaltspunkt  für  das  Verständnis 
auch  der  weiten  Verbreitung  des  umgelauteten  verbums.  Denn 
gerade  auf  nominalem  gebiete  war  bei  der  wortsii)pe  von 
schämen  sehr  oft  anlass  zum  eintritt  von  secundärumlaut  ge- 
.geben.  So  steht  schon  ahd.  (Graff  6, 492  ff.)  neben  altem  scamcuj 
spätahd.  scaniig  (neben  scamcg)  bei  Notker,  ferner  adj.  scamilm 
neben  scamalin,  scamUih  neben  scamalih,  daher  dann  mhd.  neben 
schamec,  schamelich  auch  scheniec,  schemelich  (vgl.  auch  schumedc 
und  schemede),  und  zwar  die  letztern  auch  bei  dichtem  u.s.w., 
die  sonst  nur  umlautsloses  sc]ia}u(e).  schämen  gebrauchen.  Hier 
treten  denn  die  secundärumlaute  auch  handschriftlich  bezeugt 
auf:  schämec,  schamelich,  schämde  u.s.w.  Ich  halte  es  danach 
auch  nicht  für  unmöglich,  dass  aus  einem  spätahd.  scami-Uh 
unter  der  einwirkung  des  verbums  direct  ein  abstractum 
*scami  (für  *scami)  abstrahiert  wurde,  welches  dann  mhd. 
*schäme,  schem{e)  ergab.     A\'arum  freilich  schem{e)  und  Schemen 


*)  Gegen  solche  proportioualbildungeu  spricht  sich  zwar  Heusler, 
Germ.  34, 113  sehr  entschieden  ans:  man  wird  aber  doch  nicht  ganz  um 
sie  herumkommen.    Vgl.  z.  b.  Ilolthausen,  Soester  muudart  §  69. 


264  SIEVERS,   MHD.  ^cilEMEy.   —   BRAUNE,   NACHTRAG. 

(soweit  das  material  der  wörterbüclier  liier  einen  einblick  er- 
laubt) in  älterer  zeit  nicht  aucli  gelegentlicli  mit  ä  geschrieben 
AN'erden,  wie  schämeltch,  bleibt  noch  zu  untersuchen:  wahr- 
scheinlich wird  aber  diese  Verschiedenheit  der  Orthographie 
doch  mit  der  Verschiedenheit  der  Verbreitungsgebiete  der 
beiden  typen .  zusammenhängen. 

LEIPZIG,  3.  Januar  1903.  E.  SIEVERS. 


NACHTRAG 

(zu  Beiträge  27,  565  ff.). 


Zu  ungenande  ist  die  anm.  auf  s.  568  dahin  zu  ergänzen, 
dass  ich  erst  nachträglich  durch  Leitzmanns  citat  (Wolfram 
1,  xvi)  auf  Lachmaim,  Kl.  sehr.  1,  175  aufmerksam  geworden 
bin.  Daraus  geht  hervor,  dass  in  der  tat  Lachmann  ungenande 
zu  genenden  gezogen  hat.  Ist  somit  Lachmanns  lesung  im 
Parzival  begreiflich,  so  ist  es  desto  schwerer  zu  verstehen, 
wie  seine  nachfolger  —  trotz  richtigeren  Verständnisses  von 
das  ungenante  im  Wh.  —  für  die  Parzivalstellen  bei  Lach- 
manns lesung  bleiben  konnten.  —  Einen  nachtrag  zu  'Das 
Ungenannt'  gibt  Höfler,  Zs.  des  Vereins  f.  Volkskunde  12,  225. 

Zu,  huore  weist  mich  J.  Meier  freundlichst  hin  auf  eine 
von  mir  übersehene  bemerkung  von  S.  Singer,  Die  mlid.  Schrift- 
sprache s.  4.  Daselbst  wird  die  Wolframstelle  in  gleichem  sinne 
verstanden  und  noch  ein  weiterer  beleg  vom  ende  des  13.  jh.'s 
aus  Ottokar  (11439  ff.)  besprochen,  der  ebenfalls  das  wort  huore 
als  literarisch  unmöglich  erweist,  da  Ottokar  es  auch  nur  ver- 
steckt (als  Palindrom  von  reuh  'rauheit')  anzuwenden  wagt. 

HEIDELBERG,  5.  dec.  1902.  W.  BRAUNE. 


ZUR  ALTHOCHD.  INTERLINE  AR  VERSION  DER 
CANTICA;  SUUEIGA. 

(Beitr.  27,  504.) 

Mit  lebhaftem  Interesse  habe  ich  die  yorzüg'liche  ausgäbe 
und  die  abhaudlung  über  die  lautlehre,  datierung  und  locali- 
sierung  der  Pariser  fragmente  von  I.  J.  Steppat  gelesen.  Ich 
freue  mich  sehr,  dass  der  verf.  als  resultat  seiner  von  meiner 
abhandlung,  wie  er  mitteilt,  unabhängigen  forschung.  wie  ich, 
Tijdschr.  voor  nederl.  t.  en  1.  5, 274,  die  annähme  Huets  abweist, 
dass  diese  fragmente  zur  psalmenübersetzung  'connue  sous  le 
nom  de  Psaumes  de  Wachtendonk'  gehören  sollten. 

Aus  den  glossen  des  Lipsius  geht  hervor,  dass  in  dieser 
Sammlung  auch  die  Cantica  gewesen  sind,  'conformement  aux 
habitudes  du  moyen-äge',  wie  Huet  schrieb.  Deshalb,  und  da 
man  nach  mitteilungen  in  einer  niederl.  Wochenschrift  meinte, 
dass  ein  teil  der  sog.  Altnl.  psalmübersetzung  widergefunden 
worden  sei,  wählte  ich  als  titel  'Fragmente  einer  psalmüber- 
setzung'. Ich  wollte  nicht  einen  neuen  abdruck  der  hs.  geben, 
sondern  zeigen,  dass  die  spräche  nicht  nfrk.  ist,  sondern  süd- 
mfrk.  oder  wenigstens  aus  der  Moselgegend  stammend.  Steppat 
meint  (s.  536)  'eine  genaue  localisierung  des  denkmals  ist  nicht 
möglich.  Die  consonanten  weisen  es  dem  rheinfrk.  zu  und 
zwar  nach  süden,  wo  sich  obd.  einflüsse  geltend  machen.'  Das 
werde  ich  ihm  gerne  zugeben;  s.  284  hatte  ich  schon  darauf 
hingewiesen,  dass  p^j,  ph  dem  rheinfrk.  und  südfrk.  eigen  sind; 
die  nd.  wortformen  hielten  mich  aber  zurück,  das  denkmal 
weiter  nach  dem  süden  zu  verlegen.  Ich  glaube  übrigens  nicht, 
dass  Steppat  dem  was  er  s.  538  geschrieben  hat,  eine  ent- 
scheidende bedeutung  zumisst;  es  könnte  aber  sein,  dass  andere 
gewicht  hierauf  legten;  ich  will  deshalb  kurz  die  Unrichtigkeit 


266  GALLEE 

seiner  beliciui)timg  nachweisen.  S,  schreibt:  'Sonderbar  ist  es, 
dass  sowol  die  Gl.  Lips.  wie  unser  denkmal  zu  Abacuc  3, 17 
das  wort  simeiga  für  armentum  bieten.  Dieses  wort  gehört 
speciell  dem'  alem.  und  bair.  au,  wo  es  lieute  noch  als  die 
schivaig  erhalten  ist,  Notker  hat  (50, 21)  rindcr  föne  dero 
sucigo  (Graft  6, 862)  und  die  gl.  Prud.  haben  einen  acc,  pl. 
sueiga.'' 

AVas  S.  hier  über  swciga  schreibt,  ist  oberflächlich  und 
ungenau;  das  DWb.  9, 2422  hätte  ihn  eines  bessern  belehren 
können.  Sweiga  kommt  nicht  bloss  im  süddeutschen  vor. 
Ausser  in  den  Prudentiusglossen  findet  es  sich  in  den  Pariser 
Yergilglossen,  Ahd.gl.  2, 714, 28,  welche  sicher  nicht  süddeutsch 
sind,  in  den  Ahd.  gl.  4, 174,  47  svege  vaccaricia,  in  den  Trierer 
glossen,  Ahd.  gl  4, 196,  7  suega  (mit  i  über  e),  Ahd.  gl.  4,  246,  34 
sueiga]^)   im  Cod.  trad.  Westf.  5,  185,   St.  Georgs  commende  in 


^)  Mehi'ere  glossen,  welche  dem  obd.  und  lid.  angehören,  seien  hier 
verzeichnet  nach  dem  lat.  worte,  das  sie  übersetzen  sollen.  Ob  diese 
materialsammlung  vollständig  ist,  weiss  ich  nicht;  sicher  ist,  dass  ich  der 
freundlichen  mitteiluug  von  Sievers  mehrere  verdanke,  welche  ich  nicht 
verzeichnet  hatte.  Wie  man  bei  Du  Oange  nachschlagen  kann,  ist  urmentaria 
=^  armentum  und  auch  =  stahulum,  oder  bucerna.  Vaecaria  und  vaccaritia 
sind  gleichbedeutend  mit  hucula,  nach  Du  Gange  =  ager  vel  praedium 
vaccarum  numero  alendo  idoneum;  also  dasselbe  Avie  franz.  vachcrie,  hd. 
sennerei. —  armentum:  Ahd.  gl.  1,  620, 14  .sHwe/f/OHO  armentarum;  2,689,3 
sueiga;  3,4A:4:,i-i  swaige,  stveige;  HS,  Si  sueiga,  ■ibOj'iS  svaiga;  669,66 
suaige,  670,37  sueicrlder  (i.e.  sueicrindcr).  —  urmentaria:  Ahd.gl. 
3, 669, 66  SMa?'gfe.  —  armentale:  siieiglih  hiis  2,idb,S7.  —  stahulum: 
Ahd.  gl.-2,  559, 15  SMc/rt.  —  hucula:  Ahd.  gl.  2,  397,  60.  517,12.  579,20 
stieiga.  —  ftncerwa:  Ahd.  gl.  3,  448,  31  sueiga,  (iüQ,  66  suaige.  —  vaecaria 
vel  vaccaritia:  Ahd.  gl.  2,  352,  37  sueigen;  3,78,10  sveiga,  sueiga,  sueiga, 
sweig,  sweinge;  201,9  sueiga;  264,4  sveiga;  356,11  sveige;  367,  b7  jur ig a 
(a.  sueiga);  442,3.  24:  sueiga,  suueiga,  sweig;  445,43.  448,31.  449,21  sueiga; 
450,43  svaiga;  648,2  rinderswaide  (a.  1.  rindersioaige);  669,66  suaige, 
70  suaich;  4,  105,48  suueiga,  sweiga,  sveiga,  swaige;  52  sueichhus,  suueichus, 
swechus,  sivacchvs,  swachus;  172,64  sveige,  54  suechus,  174,47  svege.  — 
(trmentarius:  Ahd.  gl.  1,  671, 16  sueikari,  2,487,61  dero  sueigaro  armen- 
talium;  257,67  suveigari,  swaigaire;  261,29  sueigeri,  302,47  sueiga/ri; 
3, 138, 9  swe/^an',  sueigare,  sueigari,  sweigare;  180,29  suegare,  sueigere, 
426,35  suagcri;  442,1  sveigari;  (444,15  hirtere,  hirtare);  451,29  suaigeri; 
3,  670,  8  suaiger,  4,  36,  5  suueigari,  sivegari,  siveigare,  schivaiger.  — 
hubulcus:  Ahd.  gl.  2,  449, 18  SMe/(/an^  3,  225, 16  SM;emero  {\.  sweigero); 
3,442,1.  4,168,14  sueigari.  Meist  wird  buhulcus  mit  ohsinari  glossiert, 
a.  Ahd.  gl.  2,  137,  67;    3, 185,  24.  267,  C.  312, 1.  426,  2.  448,  28.  450, 22  (vgl. 


ZUR   AHD.    INTERLIN  AR  VERSION    DER   CANTICA.  267 

Münster,  "\V.,  des  greven  erve  itp  den  stvege;  in  den  glossen  aus 
St.  Peter  85  d  sueigeri;  in  Heinr.  Summ.  Ahd.  gl.  3, 185,  29  sue- 
gare,  4,36,5  sicegar,  und  in  der  Freckenli.  lieberolle537  suegeron, 
im  Liber  privil.  Werdin.  maior  f.  60a  Sueclo;  in  dem  alten  register 
der  Werdener  probstei  23b  sueghese.  Die  stelle  lautet:  Ipse 
vülicus  dahit  de  selilande  curtis  IUI  hrac.  siliginis  . . .  LX 
cascos  talcs  qualcs  sunt  stieg l'ese  et  ampJwndam  hutiri.  Es 
handelt  sich  hier  um  eine  abgäbe  aus  der  Betuwe,  wo  früher 
wie  jetzt  ein  guter  viehstand  war;  es  sind  hier  also  wol  rinder- 
käse gemeint;  vgl.  Mhd.wb.  1,791.  Lexer  2, 1353  stvaighesc,  und 
Cod.  trad.  Westf.  4,  138.  140.  148.  150  /  suegeram,  ires  suegere 
in  derselben  bedeutung.  Auch  in  den  Ahd.  gl.  4, 105,52.  172,  54 
Gloss.  Salom.  snechus  vaccaricia.  Westlich  von  Utrecht  (Cartul. 
V.  Utrecht  ed.  S.  Muller,  1892,  s.  39)  Suegon  (für  StvcJisnon,  den 
geburtsort  Ludgers,  findet  sich  hier  auch  Swegion,  Swegsnon 
und  Siccgsna).  Auch  in  Friesland,  wo  ai  in  zweisilbigen  ö-stäm- 
men  und  vor  gutturiüem  Spiranten  zu  ä  und  cä  wird,')  findet 
sich  das  wort;  so  in  Brom,  Bullar.  Trajectin.  2,303  a.  1245  swage, 
bei  F.  Buitenrust  Hettema,  Friese  plaatsnamen  a.  1545  Bexters 
nvacge  (Schwartzenbei'g,  Charterb.  2, 19),  a.  1505  Bons  zwaeghc 
(ib.  2,  26),  und  a.  1444  zwaech  (ib.  1,  526).  Meist  hat  es  die  be- 
deutung 'kuhweide';  Joh.  Winkler,  Fries,  wb.  s.  375:  'siveach, 
zwaag,  eene  krite  van  weiland,  met  gebucht  waar  bijzonderlijk 
de  zuivelbereiding  beoefend  wordt';  also  ungefähr  eine  'sennerei". 
Auch  in  Nordholland  ist  zu-aag  bekannt  in  compositis  in  Orts- 
namen. 

Von  der  Nordsee  bis  an  die  Alpen  findet  sich  also  der 
wortstamm  swaig;  die  bedeutung  in  älterer  und  in  späterer 
zeit  war:  'der  besitz  an  vieh,  die  herde',  und  die  stelle,  wo 
die  herde  sich  aufhielt,  'das  Weideland',  die  'kuh weide'  [vgl. 
Ahd.  gl.  3,  648,  2  rinderswaide  (a.  rinderswaige)],  und  'der  kuh- 
stair,  schliesslich  'das  viehgehöft'. 

Da  das  wort  etymologisch  unerklärt  ist,  erlaube  ich  mir 


rinnirhirie  3,  670,  31,  rinthirdi  3,  G8G,  30,  osseherde  3,  716,  di),  und  so  stehen 
3,225,16  zu  'bubulcus'  siceinero  und  ohsinare. 

Auch  in  älteren  hd.  Ortsnamen  findet  sweig  sich,  z.  b.  Sweig  im  Elsass, 
Sweige  Oesterr.,  Schivaig  bei  Nürnberg,  Sweighofen,  Stveikhoven  (a.  14:76) 
bei  Bergzabern,  vgl.  Oesterley,  Histor.-geogr.  wb.  1883. 

0  Vgl.  van  Helten,  IF.  7,  340. 


268  GALLÄE 

hier  eine  erklärimg  vorzuschlagen;  man  kann  dagegen  zwar 
anführen,  dass  das  wort  sich  in  keiner  anderen  spräche  findet, 
aber  es  spright  doch  auch  m.  e.  etwas  dafür. 

Die  wortform  sivaig-  kann  auf  indog.  swoiq-  zurückgehen; 
es  kann  nämlich  entstanden  sein  durch  anfügung  eines  gd-suf- 
fixes  an  sivoi-,  welche  wortform  sich  vergleichen  lässt  mit  gr. 
/of,  avest.  7y«e-,  inschr.  von  Behistän  uxäipasiyam  (eigentum); 
aind.  svaijam  würde  in  der  bedeutung  mit  lat.  suum  überein- 
kommen. Ein  analogon  meine  ich  zu  sehen  in  aind.  svakas  m. 
der  seinige,  ein  angehöriger,  siaJcam  n.  eigen,  eigentum,  z. b. 
Ind.  Sprüche  ed.Böhtlingk3641  näräjahe  janapade  svalmm  hhavati 
Uasyacit  'in  einem  lande  ohne  fürst  besteht  kein  eigentum';  es 
kommt  zwar  in  vedischen  texten  nicht  vor,  aber  hier  finden 
sich  ähnliche  Wörter,  welche  von  pronominibus  gebildete  adj. 
sind,  so  mdmalca  mein,  z.  b.  Egveda  1,31,11  x>itür  ...  mdma- 
l;asija,  1,  34,  G  mdmalcäya  sundve),  tävalcd  dein  (Rgveda  1,  94, 11 
tävakchhijo  ruihehkyuh),  im  sauskrit  mämakds  und  tävakds,  und 
auch  andere  Wörter  wie  avilid  (ovis),  in  germ.  sprachen  ags. 
tivis,  ahd.  sivig  und  an.  laug  (mit  primärsuffix),  vgl.  Brugmann, 
Grundr.  2,  240.  242. ') 

Die  grundbedeutung  von  sivaiya  würde  dann  sein  'das 
eigen',  'das  eigen  an  vieh',  'die  herde'  u.s. w.  Nicht  analog 
hiermit  ist  die  bedeutungsentwicklung  von  film,  got.  faihu.  Für 
,erbe"  hat  Sievers,  Beitr.  12,  176  nachgewiesen,  dass  es  'in 
germanischer  zeit  nicht  grundbesitz,  sondern  bewegliches  eigen- 
tum bedeutet  haben  muss'.  Grundeigentum  wird  es  ursprüng- 
lich bei  den  Germanen  wol  nicht  gegeben  haben,  und  der 
hauptbesitz  war  fahrendes  eigen,  wie  die  Friesen  sagten  dri- 
vanda  and  dreganda  (Asegab.  278,  u.  a.).'^) 

Auch  Tacitus,  Germ.  5  sagt  deutlich,  dass  das  eigentliche 
besitztum  das  vieh  w^ar:  pecoriim  fecimda  . . .  numero  gaudent, 
eaeque  solae   et  gratissimae  opes  sunt,  und  c.  26   nee  enim  . . . 


')  Die  ind.  wortformen  asmäka(m),  yushmäka(m)  wage  ich  nicht  in 
betracht  zu  ziehen  wegen  der  langen  accentuierten  silben  vor  dem  k;  vgl. 
hierüber  Brugmann,  KZ.  27,  400  und  401,  anm.  3. 

*)  Reminiscenzen  hieran  meine  ich  noch  zu  sehen  ausser  in  den  von 
Sievers  1.  c.  genannten  Wörtern  in  Heliand  3309  thes  wi  egan  endi  erbi  all 
forlietun,  hobos  endi  hiwiski  (mnl.  huus  ende  hof),  und  Otfrid  2,  2,  21  er 
quam  so  er  skolta  in  eigan  ioh  in  erbi,  vgl.  aschw.  arf  ok  urf. 


ZUR   AHD.    INTERLINEARVERSION    DER   CANTICA.  269 

contendunt  ut  pomaria  conserant  et  prata  separent  et  hortos 
rigent. 

Die  begriffe  von  besitz  und  vieh  gehen  ineinander  über, 
wie  aus  fihu  und  er'bi  und  auch  aus  germ.  skatt-  (geld),  aslov. 
sTiotü  (vieh)  erhellt,  ohne  dass  man  bei  erbi  noch  so  weit  zu 
gehen  braucht,  'erbe  ursprünglich  =  vieh'  zu  stellen  (Beitr. 
12,  176). 

Wenn  meine  annähme  richtig  ist,  hat  man  in  swaiga  einen 
dritten  beweis  für  die  von  Sievers  1.  c.  nachgewiesene  enge 
Verbindung  der  begriffe  'besitztum'  und  'vieh'  im  germ.  und 
ein  beispiel  eines  adj.-subst.,  das  durch  go-suffix  aus  einer 
pronominalform  gebildet  ist. 

Steppat  meint  s.  539,  dass  ^uuerhon  »cardines«  in  dieser  be- 
deutung  sonst  nicht  belegt  ist'.  Er  ist  im  Irrtum;  in  den  Strass- 
bui^ger  glossen  13,  c.  1,  8  hätte  er  das  wort  finden  können: 
uueruon  in  ipsis:  zuvor  ist  das  wort  genannt,  nämlich  car- 
dines mundi.  uuerdon  steht  zwar  nicht  in  Heynes  glossar,  aber 
in  Wadsteins  glossar  hätte  Steppat  es  finden  können  und  in 
allen  texten. 

Wenn  Steppat  s.  505  f.  mir  vorwirft,  dass  ich  die  Ortho- 
graphie des  Originals  willkürlich  verändert  habe,  da  ich  w 
statt  des  überlieferten  uu  geschrieben  und  circumflexe  gesetzt 
hätte,  die  die  hs.  nicht  bot  ...  und  conjecturen  eingeschoben 
hätte,  ohne  sie  als  solche  zu  bezeichnen,  so  will  ich  am  liebsten 
annehmen,  dass  er  meine  bemerkung  s.  277  oberflächlich  gelesen 
hat:  "De  gecursiveerde  letters  zijn  door  mij  aangevuld.  Zij 
ontbreken  in  het  origineel.'  "\Me  man  noch  genauer  bezeichnen 
soll,  was  man  als  conjectur  eingefügt  hat,  weiss  ich  wirklich 
nicht.  Dass  ich  nu  in  ic  veränderte  und  längezeichen  setzte, 
geschah,  weil  es  damals  vor  17  jähren  gebräuchlich  war  und 
selbst  von  der  Historisch  genootschap  für  erwünscht  erklärt 
war,  während  es  in  den  von  der  Maatschappij  van  ned.  letterk. 
herausgegebenen  texten  allgemein  üblich  war,  was  das  tv  für 
uu  betrifft.  S.  möge  auch  bedenken,  dass  es  sich  nicht  um 
einen  neuen  abdruck  der  hs.  handelte,  sondern  um  einen  ab- 
druck,  welcher  meinen  lesern  zeigen  sollte,  dass  keine  neuen 
fragmente  der  Nd.  psalmversion  in  Paris  gefunden  worden 
waren,  sondern  fragmente,  die  vom  Mittelrhein  herstammten. 

Dass  meine  arbeit  fehlerfrei  ist,  will  ich  nicht  behaupten, 


270        GALLEE,   ZUR   AHD.   INTERLTNEARVERSION   DER  CANTICA. 

aber  die  von  S.  angeführten  fehler  stehen  nicht  in  meinem 
texte.  Wo  sie  im  alphabetischen  Wörterverzeichnis  vorkommen, 
musste  schoij  das  einsehen  des  textes  und  anderer  stellen  aus- 
reichen zu  zeigen,  dass  es  sich  hier  um  druckfehler  handle. 
Heldendemo  statt  Haldendemo  s.  276  ist  druckfehler,  s.  278  und 
287  steht  es  richtig;  die  lesungen  hegien  statt  hegten,  mih  statt 
mich  U.S.W,  habe  ich  erst  später  sehen  können.  Damals,  wo 
ich  mich  auf  Huet  verlassen  musste,  konnte  ich  keinen  anderen 
text  geben.  Ich  habe  selbst  einige  von  seinen  lesungen  an- 
gezweifelt, ebenso  die  datierung  der  hs.  ins  9.  jh.,  wie  ich  Tijd- 
schr.  s.  277  mitgeteilt  habe.  Huet  hatte  mir  s.  z.  ein  facsimile 
geschickt  und  nähere  auskunft  gegeben,  was  mich  veranlasste, 
meine  meinung  aufzugeben  und  mich  der  ansieht  Huets,  der 
archiviste-palaeographe  ist,  anzuschliessen.  Der  text,  wie  ihn 
Steppat  jetzt  gibt,  scheint  mir  richtig;  das  e  von  uuesta  für 
uuosta  scliien  mir  bedenklich,  i)  aber  auch  H.  Omont  schrieb  mir, 
dass  er  es  in  der  hs.  ganz  deutlich  sehen  könne.  Da  die  form 
drohtin  als  dat.  sg.  mir  im  jähre  1885  nicht  richtig  vorkam, 
habe  ich  s.  28G  als  dat.  sg.  bloss  droJäine  von  2'  verzeichnet. 
Hätte  ich  nicht  selber  gesehen,  dass  die  hs.  aphuon  hat,  so 
würde  ich  fragen,  ob  nicht  vielleicht  cqyhil  on  augtm  (m^spr. 
aj)hil  an  aiigun)  in  der  hs.  stehe,  vgl.  Alfreds  Boethius  de  con- 
sol.  phil.  ed.  Fox  228, 18  sivd  sivd  man  dep  Öone  cejil  on  his 
ea^an,  wofür  sonst  meist  eascBppel,  wie  ahd.  ougaphil  steht. 


[1)  Das  e  in  uuesta  ist  auch  auf  der  von  mir  eingesehenen  Photographie 
Tollkomrnen  deutlich  zu  lesen.    E.  S.] 

UTRECHT,  20.  dec.  1902.  J.  H.  GALLEE. 


ZUM  BEOWULF. 

y.  48  f.  ist  der  überlieferte  text,  Uton  höhn  heran,  gcafon 
on  jdrsec^,  stilistisch  gauz  in  Ordnung,  denn  hier  Avird  eine 
zweigliedrige  formel  nach  ihren  beiden  teilen,  dem  nominalen 
und  dem  verbalen,  variiert,  und  das  ist  stilistisch  gut.  Dagegen 
wird  der  nominale  teil  unnötig  und  auch  unschön  belastet, 
wenn  man  das  verbale  geafon  in  ein  nomen  ändert.  Das  trifft 
sowol  Greins  jcafol  (das  übrigens  auch  der  bedeutuug  nach 
nicht  einmal  passt)  wie,  und  zwar  in  noch  höherem  masse, 
Trautmanns  s^ofon,  das  gar  den  einen  grundbegriff  'meer', 
der  hier  doch  ohne  besonderen  malerischen  zweck  lediglich 
die  richtung  angibt,  so  ziemlich  tautologisch  dreimal  neben 
einander  zwängt. 

Trautmann  scheint  diese  tautologie  selbst  empfunden  zu 
haben,  und  so  versucht  er,  sie  hinwegzuexperimentieren,  indem 
er  (Bonner  beitr.  zur  anglistik  2, 127)  behauptet,  höhn  bedeute 
sowol  'meer'  als  auch  bloss  'flut',  und  dasselbe  gelte  von  ^eo/bw. 
Er  übersetzt  demnach  ^sie  Hessen  [es]  die  flut  tragen,  die 
wogen  aufs  meer'.  Dabei  misachtet  er  aber  den  herschenden 
Sprachgebrauch.  "Wer  nur  einen  blick  in  Greins  Sprachsch. 
2,  94  tut,  wird  sich  überzeugen  können,  dass  höhn  in  der  poesie 
nur  im  plural  mit  der  bedeutuug  'hochgehende  meerwogen' 
auftritt,  nicht  aber  auch  im  sing.  Und  ähnlich  liegt  die 
Sache  auch  bei  scofon.  Seine  normalbedeutung  ist  schlechtweg 
'meer,  see',  wenn  auch  oft  mit  dem  nebenbegriffe  des  erregten; 
^eofon  ist  also  stets  etwas  ganzes,  nicht  teil  eines  grösseren 
ganzen,  wie  es  hier  der  fall  sein  müsste,  wenn  geofon  die 
(richtungsgebenden!)  wogen  des  meeres  andeuten  soll.  Vgl. 
hierzu  aus  dem  as.  het  mi  . . .  gangan  te  thi  odar  tlieson  gebanes 
ström,  drucno  ohar  diop  imater  Hei.  2936,  und  namentlich 
uuirlit  thie  gehanes   ström  egison   mid   is   ütlihm   Hei.  4315. 


272  SIE  VERS,   ZUM   BEOWÜLF. 

Das  ags.  hat  geofones  stced  Ex.  580.  El.  227,  (he)sang  Phün.  118. 
B.  362,  stream  Andr.  854.  El.  1201,  s^'und  1394,  dazu  die  com- 
posita  gcofojiflod  Az.  125  und  geofonlms  'schiff'  Gen.  1321.  Vgl. 
ferner  Sat.  10.  Andr.  498.  Gn.  Ex.  52  (1.  .^e/'riw^ef?  statt  sebringed). 
Rats.  3,  3.  In  der  Ex.  447  bezeichnet  geofon  das  meer,  das  die 
Egypter  ertränkt,  im  B.  1690  die  sündflut  {sydöan  flöd  ofslöh, 
gifeti  geotende  gisanta  cyti),  und  so  ähnlich  auch  Andr.  1533. 
1617.  1626  den  vernichtenden  wasserschwall,  den  das  macht- 
wort  des  Andreas  hervorbrechen  lässt.  Die  volle  Identität 
von  geofon  und  sdrsecg  aber  ergeben  die  beiden  parallelen 
slidon  ofer  .sdrsecg:  geofon  ijdam  tveol  B.  515  (wovon  Tr. 
nur  die  zweite  hälfte  citiert)  und  gdrsecg  hlimmeÖ,  geofon 
seotende  Andr.  392  f.  Nach  allem  dem  aber  ist  ein  geofon 
mit  dem  postulierten  sinne  für  unsere  Beowulfstelle  ganz  un- 
denkbar. 

LEIPZIG -GOHLIS,  Januar  1903.  E.  SIEVERS. 


DIE  SPRACHE  DES  JUNGEN  SCHILLER 
IN  IHREM  VERHÄLTNIS  ZUR  NHD.  SCHRIFT- 
SPRACHE. 

Verzeichnis  von  abkürzungen. 
Adelung:  Versuch  eines  vollständigen  grammat.-krit.  Wörterbuches 
der  hochteutschen  mundart,  Leipzig  1774 — 1786.  —  A.  f.  lit.-gesch.: 
Archiv  für  literaturgeschichte,  hg.  von  Schnorr  v.  Carolsfeld.  —  Bah  der: 
Grundlagen  des  nhd.  lautsystems,  von  Karl  v.  Bahder,  Strassburg  1890.  — 
Bohn. :  K.  Bohnenberger,  Zur  geschichte  der  schwäbischen  mundart  im  15.  Jh., 
allgemeines  und  vocale  der  Stammsilben,  Tübingen  1892.  —  Bojunga:  Kl. 
Bojunga,  Die  entwicklung  der  nhd.  substantivflexion,  Leipzig  1890.  —  Br.: 
Schillers  briefe,  hg.  von  Fr.  Jonas,  krit.  gesammtausg.  —  Ergözlichk.: 
Gelehrte  ergözlichkeiten  und  nachrichten,  Stuttgart  1774  (B.  Hang).  — 
Fischer,  Geogr. :  H.Fischer, Geographie  der  schwäbischen  mundart,  Tübingen 
1895.  —  Gayler:  Die  deutsche  declination  mit  besonderer  rücksicht  auf  den 
schwäbischen  dialekt,  von  prof.  Gayler,  archidiac.  zu  Reutlingen,  Reutlingen, 
in  der  B.  G.  Kurtzschen  Verlagshandlung  1835.  —  GR:  Grundregeln  der 
teutschen  spräche,  von  F.  C.  Fulda,  Stutgart  1778,  bei  J.  B.  Mezler  (sonder- 
abdruck).  —  Haug,Z.:  Zustand  der  Wissenschaften  und  künste  in  Schwaben, 
Augsburg  1781— 82  (B.  Hang).  —  Hey se-Lyon:  Deutsche  sclmlgrammatik, 
von  K.  W.  L.  Heyse,  26.  aufl.  bearb.  von  Otto  Lyon,  Hannover  und  Leipzig 
1900.  —  Jonas,  Erläuter. :  Erläuterungen  der  Jugendgedichte  Schillers, 
von  Fritz  Jonas,  Berlin  1900.  —  Käslin,  Haller:  H.  Käslin,  A.  v.  Hallers 
spräche  in  ihrer  entwicklung  dargestellt,  Brugg  1892.  —  Kauffmann: 
Fr.  Kauff'mann,  Geschichte  der  schwäb.  mundart,  Strassburg  1890.  —  Kehr  ein, 
15. — 17.  Jh.:  J.  Kehrein,  Grammatik  der  deutschen  spräche  des  15. — 17.jh.'s, 
Leipzig  1854.  —  Kehr  ein,  Nhd.gr.:  J.  Kehrein,  Grammatik  der  nhd. 
Sprache,  Leipzig  1852.  —  Kluge,  Et.  wb.:  Kluge,  Et.  Wörterbuch  der  deutscheu 
spräche,**  Strassburg  1899.  —  Längin,  Herder:  Th.  Längin,  Die  spräche 
des  jungen  Herder,  1891.  —  Minor,  Schiller:  Schiller,  sein  leben  und  seine 
werke,  dargestellt  von  J.  Minor,  Berlin  1890.  —  S. :  Schillers  sämmtliche 
Schriften,  hist.-krit.  ausg.  von  K.  Gödeke,  Stuttgart  1871.  —  Sanders: 
Wörterbuch  der  deutschen  spräche,  von  D.Sanders,  1860—65.  —  Schw.  m. : 
Schwäbisches  magazin  von  gelehrten  Sachen,  Stuttgart,  mit  Erhardischen 
Schriften  (1775— 1780;  B.  Hang).  —  SG.:  Schubart,  Sämmtliche  gedichte 
Stuttgart  1785.    —    Si. :    Siegwart,   eine  klostergeschichte,   Frankfurt  und 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXVIll.  j[y 


274  PFLEIDERER 

Leipzig- 1777  (Miller);  1.  und 2. teil.  —  SO.:  Schubart,  Originalieu,  Augsburg- 
1780.  —  Spr.:  Der  teütsclie  Sprachforscher,  Stutgart,  bei  J.B. Mezler;  1.  teil 
1777,  2. teil  1778.  —  ST.:  Schubart,  Todesgesiinge,  Ulm  17G7.  —  Weltrich: 
Friedrich  Schrller,  Geschichte  seines  lebens  und  Charakteristik  seiner  werke, 
von  Eich.  Weltrich,  Stuttgart  1899.  —  Wilmanns,  Gr.:  Deutsche  gramma- 
tik,-  Strassbiu-g  1899.  —  (Württ.)  St.-auzeiger:  Literarische  beilage  des 
Staatsanzeigers  für  Württemberg,  1898,  s.  225  ff. 

An  der  entwicklung-  der  deutschen  literatur  von  der  mitte 
des  17.  bis  in  die  erste  liälfte  des  18.  jli.'s  hat  Schwaben  fast 
keinen  anteil. ')  Im  herzog-tum  Württemberg,  wo  das  geistige 
leben  hauptsächlich  unter  dem  druck  der  politischen  Verhält- 
nisse sehr  darnieder  lag,  und  wo,  wol  im  Zusammenhang  damit, 
die  neue  kirchliche  richtung,  der  pietismus,  schnell  starke 
wurzeln  schlagen  konnte,  war  das  kirchenlied  die  einzige 
poetische  gattimg,  die  boden  und  nahrung  fand.  Und  noch 
zu  einer  zeit,  wo  in  andern  teilen  Deutschlands  der  pietismus 
sich  schon  überlebt  hatte,  stand  er  in  Württemberg  in  schönster 
blute.  So  haben  wir  denn  auch  aus  dieser  zeit  eine  menge 
pietistischer  liederdichter  aufzuweisen.  Aber  nur  in  diesen 
geistlichen  liedern  und  in  etwas  gelegenheitsversmacherei  be- 
wegte sich  die  poesie  in  Schwaben,  und  auch  als  in  norden 
und  Süden  sich  das  geistige  leben  regte  und  männer  wie 
Gottsched,  Klopstock  u. s.w.  die  literatur  in  neue  bahnen 
lenkten,  kümmerte  man  sich  in  Schwaben  wenig  um  diese 
dinge,  sondern  begnügte  sich  im  allgemeinen  mit  stiller  be- 
schäftigung  mit  sich  selber. 

Mit  der  zeit  musste  man  aber  doch  merken,  welche  Stellung 
man  einnahm  in  Deutschland,  und  als  nun  vollends  Adelung 
in  seinen  Schriften  von  1774  an  die  vorherschaft  Obersachsens 
in  Sachen  deutscher  grammatik  und  spräche  verkündigte  und 
die  berücksichtigung  Oberdeutschlands  in  sprachlichen  dingen 
wegen  der  dort  zurückgebliebenen  entwicklung  des  Sprach- 
gefühls und  des  geschmacks  zurückwies,  regte  es  sich  in 
Schwaben  allenthalben.  Und  wie  nun  die  geister  erwachten, 
so  musste  zuerst  das  gefühl  der  inferiorität  und  der  literarischen 
minderwertigkeit  gegenüber  dem  norden  entstehen,  und  zu- 


1)  Zur  einleitung  vgl.  R.  Kraus,  Schwab,  literaturgeschichte,  1897.  — 
.T.  Lautenbacher,   Der  anteil  Württembergs  an  der  schönen  literatur  des 

IS.jh.'s,  1882. 


SPRACHE   DES   JUNGEN    SCHILLER.  275 

gleich  ärgerte  man  sich  über  die  absprechenden  urteile  des 
nordens.  Vorläufig  aber  war  Schwabens  zeit  noch  nicht  ge- 
kommen. Was  an  grossen  Schriftstellern  auftrat,  verliess  das 
enge  heimatland  und  gieng  nach  norden  —  wie  Abbt,  Wie- 
land, Schiller  — ,  oder  aber,  wenn  sie  im  lande  blieben  und 
ihren  ideen  freien  lauf  Hessen,  büssten  sie  diese  keckheit  mit 
dem  Verlust  ihrer  freiheit  —  wie  Moser  und  Schubart. 

Aus  dem  gef ühle  der  Inferiorität  gieng  nun  aber  doch  ein 
auf  Schwung  hervor.  Zunächst  theoretisch:  man  bestrebte  sich, 
seinen  landsleuten  nachzuweisen,  dass  die  Schwaben  dem 
norden  gar  nicht  nachstehen  müssen;  man  erklärte  sich  das 
bisherige  schweigen  aus  dem  schwäbischen  volkscharakter. 
Um  zu  zeigen,  dass  Schwaben  auch  wirklich  etwas  leisten 
könne  und  geleistet  habe,  stellte  man  lange  listen  von  schwä- 
bischen gelehrten,  dichtem  u.s.w.  auf,  so  z.  b.  in  sämmtlichen 
Jahrgängen  des  Schwab,  magazins  von  1775—1780  (vgl.  das 
register  am  schluss  jedes  einzelnen  bandes);  andere  beriefen 
sich  auf  die  Verdienste  der  Schwaben  um  die  spräche  in 
früheren  Zeiten:  'Wir  Schwaben  selbst  müsen  aus  unserm 
schlaf  aufwachen,  und  die  unsrer  provinz  angeborne  Vorzüge  und 
schäze  erkennen  und  geltend  machen.  Von  der  minnesinger  zeit 
kein  wort  zu  gedenken,  welche  provinzen  Teutschlands  haben 
sich  vor  Luthern  und  bis  in  die  mitte  des  sechzehnten  jar- 
hunderts  um  die  spräche  am  verdientesten  gemacht?  Sinds 
nicht  die  südlichen  Teütschen?'  Spr.  1,  vorrede  s.  11. 

Neben  der  abweisung  des  sächsischen  sprachdespotismus 
gieng  nun  das  bestreben  her,  die  eigene  mundart  zu  ansehen 
und  geltung  zu  bringen.  Die  schwäbischen  grammatiker  Fulda 
und  Nast  schreiben  grammatische  abhandlungen,  worin  sie  die 
berechtigung  schwäbischer  dialekteigentümlichkeiten  in  der 
deutschen  Schriftsprache  nachweisen  wollen.  'Wir  haben  auch 
unsere  feler,  aber  es  sind  mehr  nachlässigkeiten  und  ar- 
chaismen,  als  wirkliche  grammatische  Unrichtigkeiten'  Schw.  m. 
1775,  286.  Anstatt  sich  weiter  von  den  'Sachsen'  imponieren 
zu  lassen,  verwirft  man  deren  lehren  (vgl.  Spr.  2,  40:  'Wir 
wollen  keine  autorität,  besonders  keine  Gottschedische'),  ja 
man  erklärt  das  schwäbische  für  das  rechte  hochdeutsch:  'die 
schwäbische  spräche,  welche  (und  warum  soll  man  es  nicht 
üffentlich    sagen    dürfen?)    welche    die    rechte    hochteutsche 

18* 


276  PFLEIDERER 

spräche,  welche  die  regelmäfsigste,  welche  dem  hochteutschen 
geiiius  oder  der  natur  der  höhern  teutschen  spräche  die  an- 
gemessenste ist,  welche  aus  gründen  spricht,  die  den  neue- 
rungen.  ausnahmen,  ab  weichungen ,  die  sich  täglich  häufen, 
und  die  nuiter  beflecken,  widersprechen,  öffentlich  widersprechen 
darf  und  soll'  Ergözl.  (1774)2,77.  Schliesslich  rät  man  sogar 
den  vSachsen,  bei  den  Schwaben  in  die  schule  zu  gehen:  'gut 
wäre  es,  wenn  man  daselbst  (d.  h.  in  hei\)zig)  einmal  begreif fen 
möchte,  dai's  man  von  denen,  die  sie  aus  eigendünkel  Ober- 
teütsche  nennen,  noch  manches  ...  in  der  spräche  zu  lernen 
habe'  Spr.  1, 36.  Kurz  man  will,  wie  Nast  in  seiner  Selbst- 
biographie') zusammenfassend  sagt,  'an  der  ehre  der  Vervoll- 
kommnung unserer  spräche  theil  nehmen'. 

So  geht  nun  Schwaben  seine  eigenen  wege;  es  entsteht 
ein  reges  geistiges  leben,  aber  vorläufig  schreibt  man  immer 
noch  meist  für  Schwaben;  die  bücher,  die  geschrieben  werden, 
sind  noch  auf  'auf  Wirtemberg  eingeschränkt',  und  noch  1782, 
als  Schiller  für  das  grosse  Deutschland  schon  bekannt  war, 
sagt  er  im  vorbericht  zum  A\'irtemberg.  repetitorium,  dieses 
werk  sei  für  das  land  Wirtemberg  'angelegt'  vgl.  S.  2,  339. 

Das  war  der  stand  der  literatur  und  der  literarischen  be- 
wegung  in  Schwaben  beim  ersten  auftreten  Schillers.  Daher 
zeigt  seine  spräche  einmal  viel  altertümliches.  Denn  ein  enger 
Zusammenhang  der  schwäbischen  literatursprache  mit  der 
spräche  der  Bibel  und  Luthers  war  gegeben  durch  die  grosse 
bedeutung,  die  die  geistliche  poesie  in  Schwaben  hatte,  2) 
ausserdem  teilweise  durch  den  altertümlichen  Charakter  der 
Schwab,  mundart  gegenüber  der  nhd.  Schriftsprache,  da  'ausser 
dem  alemannischen  kein  anderer  deutscher  dialekt  der  alten 
deutschen  spräche  noch  so  nahe  steht  wie  das  schwäbische '.3) 
Und  dann  ist  es  in  einer  zeit,  wo  die  führenden  geister  in 
Schwaben  die  bestimmte  tendenz  haben,  dem  mundartlichen 


1)  Kurzgefasster  lebenslauf  des  jubel-greisen,  von  ihm  selbst  aufgesetzt, 
s.  73  (Stuttgart  1800). 

^)  lieber  das  Verhältnis  von  Schillers  spräche  zur  spräche  der  Bibel 
vgl.  J.  Schlurick,  Schiller  und  die  Bibel,  Leipzig  1895.  Boxberger,  Die 
Sprache  der  Bibel  in  Schillers  Räubern,   Erfurt  18G7. 

*)  H.  Fischer,  Ueber  den  schw^äb.  dialekt  und  die  schwäb.  dialekt- 
dichtixng,  Württ.  vierteljahrshefte  für  landesgesch.  1884,  s.  135. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  277 

das  bürgerreclit  in  der  Schriftsprache  zu  verschaffen,  nicht  zu 
verwundern,  dass  viele  dialekteigentümlichkeiten  in  seiner 
spräche  zum  Vorschein  kommen,  sowol  im  lautlichen  und  for- 
mellen, als  auch  im  Wortschatz.  Directe  beeinüussung  Schillers 
durch  die  schwäb.  grammatiker,  etwa  durch  deutschen  Unter- 
richt u.  dgl,  ist  freilich  auszuschliessen,  da  einmal  weder  Fulda 
noch  Nast  zu  Schillers  lehrern  gehörten  —  Fulda  war  pfarrer 
auf  dem  lande,  der  grammatiker  Nast  war  der  vater  von 
Schillers  lehrer  Nast,  vgl.  Weltrich  1,  547  —  und  dann  in  der 
Karlsschule  das  deutsche  in  den  lehrplan  nicht  aufgenommen 
war,  wie  die  Unterrichtspläne  der  Karlsschule  1)  zeigen;  eigent- 
licher deutscher  Unterricht  wurde  erst  nach  Schillers  abgang 
von  der  Karlsschule  erteilt.  -)  Jedenfalls  aber  kannte  Schiller 
die  reformbestrebungen  von  Nast  und  Fulda,  was  schon  aus 
orthographischen  eigentümlichkeiten  ersichtlich  ist.  Ganz  ab- 
gesehen aber  von  der  frage  seiner  abhängigkeit  von  den  beiden 
ist  die  spräche  des  jungen  Schiller  in  directen  zusammenliang 
mit  den  grammatischen  arbeiten  und  den  sprachlichen  ansichten 
Nasts  und  Fuldas  insofern  zu  bringen,  als  die  arbeiten  der  letz- 
teren als  codificierungen  des  Sprachgebrauchs  des  literarischen 
Schwabens  gelten  können,  Schiller  aber  einmal  ihre  arbeiten 
sehr  wol  gelesen  haben  kann,  jedenfalls  aber  Schwabe  ist,  für 
Schwaben  schreibt  (vgl.  s.  276)  und  daher  sich  der  spräche 
bedient,  die  in  Schwaben  als  Schriftsprache  gilt. 

Eine  genaue  zeitliche  abgrenzung  der  spräche  des  jungen 
Schiller  könnte  als  sinnlos  erscheinen.  Es  ist  klar,  dass  die 
specifischen  eigentümlichkeiten  der  spräche  seiner  jugendAverke 
auch  in  spätem  werken  mehr  oder  weniger  häufig  wider  be- 
gegnen: —  das  werden  die  anm.  illustrieren;  aus  ihnen  wird 
ganz  besonders  ersichtlich  sein,  dass  die  spräche  der  werke  in 
S.  3  (Fiesko,  Kabale  und  liebe)  grammatikalisch  noch  vielfach 
denselben  Charakter  haben  wie  die  aus  Schillers  schwäbischer 
zeit.  Trotzdem  ist  es  für  die  vorliegende  untersucliung  nötig 
gewesen,  die  spräche  des  jungen  Schiller  zeitlich  genau  abzu- 
grenzen als  die  spraclie  seiner  schwäbischen  periode,  d.  h.  aller 

')  Vgl.  Hauber,  Lehrpläne  und  lehrfächer  an  der  Karlsschule,  prograinra, 
Stuttgart  1898,  und  J.  Klaiber,  Der  unterriebt  au  der  ehem.  höheren  Karls- 
Bchule  in  Stuttgart,  1873. 

'')  Vgl.  J.  Klaiber  a.  a.  o.  s.  37. 


278  PFLEIDERER 

seiner  Schriften,  die  fertig  vorlagen  bis  zu  dem  nioment,  wo 
er  Schwaben  verlassen  hat,  sept.  1782  (also  Fiesko  nicht  mehr). 
Durch  die  |lucht  aus  Schwaben  wird  Schiller  aus  seiner  schwä- 
bischen Umgebung-  herausgerissen  und  tritt  nun  in  ganz  andre 
Verhältnisse  und  in  eine  ganz  andre  Umgebung  ein,  und  das 
ist  natürlich  auch  von  einfluss  auf  die  spräche  der  nach  diesem 
Zeitpunkt  geschriebenen  —  oder  auch  nur  vollendeten  —  werke. 
Die  folgende  darstellung  der  'spräche  des  jungen  Schiller 
in  ihrem  Verhältnis  zur  nhd.  Schriftsprache'  beschränkt  sich 
auf  rein  grammatikalisches;  eine  Untersuchung  des  stils,  der 
poetischen  spräche  Schillers  ist  unterblieben;  syntaktische 
merk  Würdigkeiten  wurden,  soweit  sie  nicht  als  eigentümlich- 
keiten  des  schwäbischen  notwendig  in  den  rahmen  der  arbeit 
gehörten,  nur  dann  und  wann  anmerkungsweise  erwähnt, 

I.    Zur  Orthographie. 

Obgleich  Gottsched  in  seiner  Deutschen  sprachkunst  1748 
angefangen  hatte,  die  deutsche  Orthographie  zu  regeln  und  zu 
vereinfachen,  dauert  die  willkürlichkeit  und  regellosigkeit  auf 
diesem  gebiet  doch  noch  lange  weiter.  Muss  doch  noch  im 
19.  jh.  Grimm  darüber  klagen,  wie  sehr  es  ihn  schmerze,  'ge- 
funden zu  haben,  dass  kein  volk  heute  seine  spräche  so  bar- 
barisch schreibt,  wie  das  deutsche'  (Kl.  sehr.  1,  348).  Wie 
langsam  es  gieng,  bis  eine  einigermassen  gleichmässige  Ortho- 
graphie für  Deutschland  geschaffen  wurde,  zeigt  Wilmanns  in 
der  einleitung  seines  Kommentars  zur  preuss.  schulorthographie 
(1880). 

Die  oben  genannten  schwäb.  grammatiker  machen  auch 
auf  dem  gebiet  der  rechtschreibung  reformvorschläge  und 
gehen  selbst  in  ihren  schritten  mit  gutem  beispiel  voran. 
Was  sie  damit  wagen,  sagt  Nast:  'Nirgends  erhebt  man  ein 
gröseres  geschrei  und  lermen  als  wenn  man  in  der  Ortho- 
graphie reformiren  . . .  will.  Ist  es  doch  nicht  änderst,  als 
Avenn  man  kindern  ihr  spilwerk  . . .  nemmen  wollte'  Spr.2,vorr. 
s.  9.  Und  dass  diese  behauptung  nicht  ohne  grund  war,  zeigt 
ein  eintrag  eines  Schwaben  im  Schw.  m.  1777,  939,  der  sagt, 
man  könne  niemand  zumuten  ein  s,  f  etc.  zu  setzen,  wenn  er 
zwei  spreche,  'sonst  müfsten  sie  änderst  reden  und  änderst 
schreiben,  und  das  scheint  ebenso  schändlich  zu  sein,  als  änderst 


SPEACHE  DES   JUNGEN   SCHILLER.  279 

reden  und  änderst  denken;  das  kann  nur  ein  Franzos  und  kein 
ächter  Teutscher.'  —  Die  bemühungen  der  sprachreformer  in 
Schwaben  waren  jedenfalls  nicht  ohne  erfolg;  dafür  ist  Schiller 
ein  beweis.  Wenn  auch  in  seiner  Orthographie  viele  Schwan- 
kungen vorkommen,  so  ist  doch  ein  bewusstes  streben  nach 
einheitlicher  Schreibung  nicht  zu  verkennen,  und  vielleicht 
noch  etwas  mehr,  als  man  bisher  glaubte  (Gödeke,  S.  1,  382 
legt  das  schwanken  zwischen  Je  und  ck,  z  und  U  noch  Schiller 
zur  last;  vgl.  dazu  s.  289;  die  vielfachen  Schreibungen  fremder 
namen  mit  buchstaben  des  deutschen  alphabets  erklärt  Welt- 
rich  s,  547  für  versuche  Schillers;  vgl.  dazu  s.  293), 

Um  Schillers  Orthographie  festzusetzen,  ist  es  nötig,  die 
einzelnen  werke  und  Schriftstücke  nach  der  art,  ^^'ie  sie  uns 
überliefert  sind,  zusammenzustellen  und  dann  gesondert  zu 
untersuchen. 

Directe  widergaben  von  Schillers  handschrift  haben 
wir  sehr  wenige:  bei  Gödeke  nur  S.  1,46 — 49,  die  beiden  ge- 
dichte  'Von  der  akademie'  und  'Von  der  ecole  des  demoiselles' 
(in  der  Schreibung  von  A;  vgl.  A.v.  Keller,  Beiträge  zur  Schiller- 
literatur, 1859,  s.  21:  'von  Schillers  band  geschrieben',  s.  25: 
'nach  dem  original');  bei  Jonas  ebenfalls  nur  einen  teil  der 
briefe:  brief  1  ist  facsimile;  handschriftlich  liegen  vor  brief 
4 — 26  und  28 — 32.  Das  ist  alles,  was  für  die  festsetzung  von 
Schillers  eigentlicher  Orthographie  benutzt  werden  kann.  Und 
auch  hier  sind  wir  nicht  immer  ganz  sicher  über  die  echtheit 
der  Orthographie,  s,  Br.  1,  455:  'ich  habe  oft  die  originale  im 
fluge  copieren  müssen  und  bei  der  correctur  habe  ich  sie  nicht 
zur  band';  vgl.  dazu  Weltrich  1,801,  der  den  text  bei  Jonas 
'ungenau  und  fehlerhaft'  nennt  und  einige  besserungen  angibt. 

Nicht  zu  verwenden  ist  der  bericht  'über  mitschüler', 
S.  1,  13  ff,,  der  allerdings  auf  dem  originalmanuscript  von 
Schiller  beruht,  vgl.  Hoffmeister,  Nachlese  zu  Schillers  werken 
(1841),  4,  26:  'die  veralteten  formen,  wo  es  nötig  war,  ab- 
geändert'. 

Nicht  von  Schillers  band  geschrieben  (teilweise 
allerdings  abschriften  von  autographen  Schillers)  sind  folgende 
stücke: 

S.  1,31  ff.  Rede  über  freundschaft  (vgl.  Keller  in  S.  1,  36:  'Ob  die 
rede  von  Sch.'s  eigener  band  geschrieben  vorliegt,  ist  mir  nicht  so  sicher). 


280  PFLEIDERER 

—  S.  1,  61  ff.  Rede  über  gute  und  tugend  (abschrift,  vgl.  S.  1,  70).  —  S.  1, 95  ff 
Rede  über  die  folgen  der  tugend  (in  S.  mit  änderung  der  Orthographie  ge- 
druckt, vgl.  S.  1, 102).  —  S.  1,74  ff.  Philosophie  der  Physiologie  (vgl.  S.  1,94: 
'nicht  einmal, eine  entfernte  ähnlichkeit  mit  der  Sch.'en  band').  —  Ab- 
schriften (von  unbekannter  band)  sind  die  briefe  Br.  no.  2.  3.  27  und  33.  — 
Württ.  Staatsanzeiger,  beilage  zum  8.  nov.  1898,  s.  225  ff. :  Aufsatz  über  den 
einfluss  des  weibs  auf  die  tugend  des  mannes;!)  abschrift,  1800  geschrieben, 
vgl.  ebda.  s.  266). 

Auf  die  Schreibung  dieser  Schriftstücke  werde  ich  nicht 
eingehen.  Im  Mannheimer  theatermanuscript  der  Räuber, 
fassung  M  in  S.  2,  207  ff.  sind  'höchstens  zwei  oder  drei  kleine 
correcturen  von  Schillers  eigener  hand'.  Die  bezeichnung  'M' 
wird  sich  im  folgenden  stets  auf  dieses  manuscript  beziehen. 

Die  drucke. 

Stuttgart,  Cotta,  hof-  und  kanzlei-buchdruker :  Die  dissertation  über 
deu  Zusammenhang  etc.,  S.  1,137  ff. 

Stuttgart,  mit  Erhardischen  schritten:  Der  abend,  S.  1,27 ff.;  Er- 
oberer, S.  1,40  ff.;  Auf  die  ankunft  v.  Falkenstein,  S.  1,50  ff.;  Sturm  auf 
dem  tyrrh.  meer,  S.  1, 120  ff.,  sämmtlich  zuerst  im  Schw.  m.  (bei  Erhard) 
erschienen ;  Todtenfeyer  am  grabe  Riegers,  originaldruck  im  Archiv  f.  lit.- 
gesch.  10,  359. 

Stuttgart,  Metz  1er:  S.  2, 1  ff.,  Die  rauher,  1781.  Dazu  der  bogen  in 
Schnorrs  Archiv  f.  lit.-gesch.  9  (1880),  s.281.  —  S.  1,186  ff.,  Venuswagen 
(vgl.  Hoffmeister,  Nachlese  1,39:  'zuerst  bei  Metzler  in  Stuttg.  gedruckt'). 

—  S.  1, 197  ff.,  Anthologie  (vgl.  S.  1,  198:  bei  Metzler).  —  S.  2,338 ff.,  Wir- 
terab.  repcrtorium  (nach  Heyd,  Bibliographie  1,  302  bei  Metzler  gedruckt). 

Stuttgart,  Mäntler:  S.  1,178 ff.,  Elegie  auf  den  tod  Weckherlins.  — 
S.  1, 185,  Ode  auf  die  Wiederkunft  unsers  . . .  fürsten. 

Mannheim,  in  der  Schwanischen  buchhandlung :  S.  2,  207  ff..  Die 
räuber,  1782. 

Frankfm-t  und  Leipzig,  bei  Tob.  Löffler:  S.  2, 1  ff".,  'B',  Die  räuber, 
2.  aufläge. 

Augsburg,  Stage:  Recension  vonStäudlin,  inHaugs  Zustand  der  Wissen- 
schaften, 1781,  s.  455  ff.  2) 

Tübingen,  Cotta:  S.  1, 223  ff..  Die  seeligen  augenblicke  an  Laura. 

Letztere  drei  drucke  lasse  ich  bei  der  behandlung  der 
Orthographie  ausser  betracht;  ich  führe  sie  hier  nur  der  Voll- 
ständigkeit wegen  an. 


>)  Von  Pressel,  ebda.  s.  265  ff.,  sowie  von  Weltrich  1,  790  ff.  Schiller  zu- 
geschrieben. 

^)  Ist  Schiller  zugesprochen ;  vgl.  Weltrich  s.  496. 


SPRACHE   DES   JUNGEN  SCHILLER.  281 

Orthographie  der  vocale. 

Vocaldehnung:  Dehnung  der  vocale  durch  -li-  wird  von 
Fulda  verworfen:  'der  rechtschreibung  ekelt  daran'  GR.  37; 
ebenso  von  Nast:  'ein  unschiklicher  und  unnötiger  behelf 
Schw.  m.  1775,  549.  'Vor  dem  end  l  darf  man  es  schon  keklich 
weglassen;  vor  wenigen  m  und  n  ist  man  schüchterner:  Ruhm, 
Sohn,  und  noch  mehr  vor  r:  mehr'  Fulda,  GR.  37. 

Schiller  schreibt:  a:  meist  Nähme  Br.  21.  33.  S.  1,  46, 10,  mahlen  Br.28, 
aber  niemals  Br.  13.  17,  Stral  S.  1,  47;  —  ä:  Gemälde  Br.  43.  48,  Gemähide 
Br.  50 :  —  e :  nehmlich  Br.  53 ;  —  o:  verlohren  Br.  12,  verloren  Br.  12.  13, 
gehöhten  Br.  15,  geborn  Br.  12,  4.  Entsprechend  der  schwäb.  kürze  meist 
?oo?  Br.  16.  37.  46,  daneben  u'OÄZ  Br.  30 ;  —  ü:  füle  Br.  52,  fühlen  Br.  IS, 
Gefühl  Br.  14.  S.  1, 46, 4.  48.  —  Dehnung  des  vocals  durch  Verdopplung 
desselben  wird  nach  Fulda,  Spr.  1,  265  und  GR.  38  nur  noch  in  7  Wörtern 
angewendet  (Beer,  Heer,  Meer,  Speer,  Teer,  leer,  Meel).  Bei  Schiller  ist  mir 
kein  fall  von  aa  aufgefallen ;  dagegen  ee  in  Weeg  Br.  19.  23.  30.  43,  seegen- 
voll  S.  1,  47,  seelig  S.  1,49;  e  in  Wesen  Br.  35,  schioer  Br.  16, 13,  erschwert 
Br.  37;  oo  in  Schoofs  Br.48. 

ie  ist  für  Fulda  nur  ein  doppellauter;  ie  als  gedehntes  i 
ist  miskennung  des  doppellauters'  GR.  38,  nach  Nast  'gramma- 
tischer wüst'  Spr.  2, 56. 

Schiller  hat  entsprechend  der  schwäb.  (halbmundartlichen)  kürze  gibt 
Br.  12.  65.  30.  S.  1,47;  ligt  Br.  50  neben  liegt  Br.  19, 12;  für  die  endung 
-ieren  verlangt  Fulda  consequent  -iren  GR.  50;  Schiller  hat  meist  -ieren: 
goutieren,  cujonieren  Br.  62,  studieren  Br.  65.  86  etc.  neben  ediren  Br.  38, 
abstrahiren  Br.  37. 

Die  Schreibung  von  M  (S.  2)  ist  ebenfalls  sehr  unregelmässig: 
Schicksaal  S.  2,  223.  238,  -sal  225,  27,  Name  211,  7,  Stral  307.  246,  Weg 
215.  327.  326,  Weeg  227,  meist  Seegen  322,  armseelig  322,  giebt  271,  8,  liegt 
333, 22,  meist  -iren,  verloren  225.  267,  verlohrn  263.  327.  244,  meist  fülde. 
Mit  der  Schreibung  von  M  stimmt  die  des  drucks  bei  Schwan  so  ziemlich 
überein. 

Cotta,  Dissert:  i\a»)e  S.  1, 145,  20,  Strahl  101,32.  153,16,  Maase  US. 
149, 20.  157,  29,  Glückseeligkeit  142,  Weg  153,  schwehr  176,  nur  -iren,  gibt 
156,31,  ligt  143,  verlohren  144,  verloren  148,  Gefühl  148,36  und  sonst.  — 
Erhardsche  drucke:  Nähme  40,11,  Namen  120,19,  pralen  123,92,  Ehren- 
denkmal (Rieger,  Archiv  f.  lit.-gesch.),  seelig,  seegnend  (Rieger,  Archiv), 
ligt  28,  27,  iciederholt  28,  49,  Schoofs  28,  24,  Gefühl  27, 14.  —  Metzler:  meist 
Name  S.  1, 195.  226.  S.  2, 17.  366,  daneben  Nähme  2, 17,  Strale  1,  209.  244. 
366,  strahle  1,214,  gemalt  2,344,  mahlt  1,192,  Gemälde  2,341.359,  Grab- 
mäler  2,  386, 23,  Glückseligkeit  2,  341,  beseeligen  1,  203,  seelig  1, 215,  hold- 
seelig  1,218,  segne  2,  389,  seegnen2,20,  ir^*/ 2,  394,  TFee^r  2,  21,  schiver2,'SU, 


282  PFLEIDERER 

-iren  und  -ieren  gleichmässig  neben  einander,  liegt  2,  353,  rjiebt  2,  381,  gibt 
2,398,  ivol  2,376.  U,  wohl  2,  U,  Söne  1,187,  Söhne  1,202,  fühle  1,187. 
218,  &?<?m  1,211,  buhlen  1,217.  —  Mäntler:  Stral  1,182,  Pralen  1,178, 
Bahre  1, 178,  'Faradifs  1, 180,  cmsstaffirt  1, 181,  Woogen  1, 179,  Buhle  1, 181. 

Hier  her  seht  also  sowol  bei  Schiller  als  bei  den  drucken 
Ungleichheit  in  der  Schreibung.  Am  consequentesten  ist  die 
Schreibung-  der  dissertation,  d.h.  des  Cottaschen  druckes. 

Zu  -ey:  Fulda  erklärt  y  für  unnötig  GR.  46;  Nast  führt  y 
unter  den  buchstaben  an.  die  in  keinem  ursprünglich  deutschen 
Avorte  sich  finden;  *in  grichischen  und  andern  fremden  Wörtern 
mag  y  bleiben'  Spr.  2, 37.  107  und  Schw.  m.  1777, 158. 

Bei  ScMller  erscheint  -ey  noch  häufig :  serjn  (inf .)  meist,  seyn  :  ent- 
weihn  S.  1,  47, 42,  befreyht  Br.  45, 4,  meynst  Br.  59,  30,  2,  frey  Br.  39,  bey 
Br.  47,  gedeihen  Br.  61,  Polizey  Br.  47,  daneben  zweierlei  Br.  44,  2iceiBT.27 
etc.;  übrigens  ist  das  y  im  inf.  scyn  oft  von  Jonas  eingesetzt;  vgl.  Br.  1,  455. 

—  M  und  Schwans  druck  sclu-eibeu  meist  ey.  sey  2,249,14.  290,20,  seyd 
2,209,13.  248,10,  Eäubercyen  2,210,  daneben  M  Jfrtt2,210.  —  Cotta:  sey 
1,  142,  10.  169,  2,  seyn  1,  142,  18.  150,  19,  Geschrey  1,  152,  22,  Arzneyen 
1,162,25;  sonst  stets  ei:  zweierlei  1,145,23,  Schleier  1,169,32,  Beitrag 
1,143  etc.  —  Erhardische  drucke:  seyn  1,41,80.  42,58,  feyren  1,44,107, 
beym  (Rieger,  Archiv),  daneben  sein  (verbum)  1,  27, 14,  frei  (Eieger,  Archiv), 
docli  überwiegt  ey.  —  Metzler:  Schelmerey  1,202,  Dudelei  1,223,77  etc.: 
e/ und  e(/ durcheinander.  —  Mäntler:  sej/n  1, 180,  feyern  1,180,  sey  —  Phan- 
tasey  1,182:  meist  ey. 

e  —  ä:  Fulda  wünscht  e  in  allen  fällen,  wo  die  etymolo- 
gische Zusammengehörigkeit  mit  einem  wort  mit  a  nicht  zu 
offenkundig  ist  (GR.  44),  so  in  Grenze,  erzelen. 

Von  Schillers  band  findet  sich  nur  Gebehrde  Br.  27, 26,  Erzälumg  Br. 
33,  22,  acht  Br.  35,  27,  Kcnntnifs  Br.  37,   Grunzen  Br.  42,  nehmlich  Br.  10, 1. 

—  M  und  Schwans  druck  (A)  schreiben  fast  durchweg  Grunze,  daneben  Lervi 
2, 227, 10  und  lärmen  2,  255,  9,  erzählen  2,  256, 17 ;  A  dazu  Schedel  2,  226, 28 
neben  Schädel  2,226,20;  M  sehioermend  2,247.  —  Cotta:  nemlich  1,147. 
172,  Kcnntnifs  1, 155,  20  und  Känntnis  1, 147, 1,  nur  Grenze  1, 163, 11.  154,  4, 
Zähen  1, 170, 19  (von  Fulda,  GR.  43  verlangt  zur  Unterscheidung  von  zehen 
=  10;  Zähe  finde  ich  noch  S.  13,  28.  SO.  13).  —  Metzler:  nur  Gränze  1,  207,  30. 
2,28,5.  147,12  etc,  Meze  1,343,77.  2,51,6  neben  ilfä^e  2, 199,  8.  1,187,40, 
Schedel  2, 178, 16.  35,  22  neben  Schädel  2,  35, 19.  351, 10,  Helfte  2, 102,  8 
neben  Hälfte  2,  344,  27.  19,  meist  lernen,  hefslieh  2,  53,  3.  117,  5  neben  Häfs- 
lichkeit  2,  359, 10,  vorerzehlen  2,  32,  2,  Zähen  1,  253,  69  (vgl.  oben  bei  Cotta), 
Erndte  2,64,9  und  Ärndie  2,26,3,  Kartetschc  1,232,38,  geflännt  2,29,5, 
Gebärden  2,346,  ohngefehr  1,193,  ungefähr  2,340,3.  —  Mäntler:  keine 
belege.  —  Erhard:  nur  schtvürmt  1,29. 


SPRACHE   DES   JUNGEN    SCHILLER.  283 

ai  —  ei:  Die  aus  dem  altbairischen  stammende ')  Schrei- 
bung ai  für  mhd.  ei  zum  unterschied  von  ei  ^=  mhd.  i  wird 
von  den  schwäb.  grammatikern  nicht  gerade  verlangt;  aber 
doch  hätten  sie  gern  eine  Unterscheidung  der  beiden  ober- 
deutsch geschiedenen  laute  gewünscht,  vgl.  GR.  46.  Fulda 
sagt  GE.  47:  'Nicht  daff  man  vom  schreibgebrauch  abgehen. 
und,  Äiche,  Aimer  —  schreiben  sollte.  Doch  mus  es  erlaubt 
sein,  wo  man  die  ausspräche  des  eigentlichen  begriff  Unter- 
schiedes bemerken  mus,  es  mit  ai  zu  thun,  als  in  ...  Laih, 
Rain'  etc.  —  Aelmlich  Schw.  m.  1777, 160:  'Das  ei  hat  eben- 
falls eine  gedoppelte  ausspräche,  einmal  mit  dem  ton  auf  dem  e, 
z.  e.  Streich,  hernach  mit  dem  ton  auf  dem  /,  streichen.  In 
Schwaben,  und  fermutlich  auch  in  den  übrigen  landschaften 
Teutschlands,  hat  ci  einerlei  ausspräche  mit  ai,  und  aus  diesem 
grund  ist  sehr  anzm^aten,  an  die  stelle  dieses  ei  überall  ai  zu 
setzen.'  —  AVie  Schiller  hier  schrieb,  lässt  sich  auf  grund  des 
vorhandenen  materials  nicht  mehr  feststellen,  da  von  den  frag- 
lichen Wörtern  nui'  tvaiden  Br.  58, 22  vorkommt.  Doch  ist  auch 
hierin  der  einfluss  der  schwäb.  grammatiker  unverkennbar, 
da  man  als  indirecte  beweismittel  aus  späteren  autographen 
Schillers  folgende  Schreibungen  anführen  kann:  venvakjcrn 
Br.  70,  Krais  Br.  124,  ivaiden  Br.  227,  faig  Br.  220,  Maisei 
Br.  300. 

M  und  A  (Schwan)  kennt  ausser  in  Hayn  2, 225  nur  die  Schreibungen 
mit  ei.  —  Cotta  ebenso  nur  ei:  Kreis  1, 146,  2.  150,  29.  177,  3.  —  Erhard- 
sche  drucke:  Haidc  1,  28,  36,  aber  Heyn  1,  51,  47.  —  Metzler:  Kreis  2,  344,  27. 
362,  Krais  1, 223.  285.  294,  feig  2,  356, 25,  faig  1,  233.  279, 7,  Saife  2, 377, 4, 
saifen  1,  254.  255,  Sail  1,  213,  29,  Waide  1, 188,  laiden  (=  zu  leide  tun)  1,  327, 
Raifen  1,341,  ü:«//' 2,  93, 13,  Schlaife  1,227.307,2)  Haynen  1,106,5,  Ge- 
laise  2,13,2,  Getraide  2,115,4,  wayden  2,114,21,  Staig  2,187,11,  uaiden 
2,353,7.  1,330,507.  258,3,  locidcn  2,70;  vgl.  S.  1, 382.  —  Mäntler:  keine 
belege.  *) 


^)  Vgl.  Kluge,  Von  Luther  bis  Lessing  s.  131 ;  Kluge'spricht  hier^haupt- 
sächlich  von  drucken;  ai  ist  übrigens  'in  denkmälern  schwäb.  herkunft  con- 
stant'  als  Schreibung;  vgl.  Kauffmann  s.  88,  anm.  1  und  2. 

*)  Ich  führe  Schlaife,  dessen  ai  uralaut  von  au  ist  (vgl.  schwäbisch 
Maof)  hier  nur  im  gegensatz  zur  modernen  Schreibung  mit  ei  an. 

3)  ai  findet  sich,  abgesehen  von  den  oben  aus, 'späteren  briefen  an- 
geführten Wörtern,  bei  Schiller  noch  in  faig  S.  3, 509.  4, 73.  5, 27.  36.  71, 
Faigheit  S.  3,  517,  Krais  meistens  in  S.  3,  ivaiden  S.  3,  581.  5, 192,  Sail  S. 
4,  74,  Maisei  S.  3,  579, 8,  schlaifen  S.  5, 43. 


284  PFLEIDERER 

e  —  ö,  i  —  xi,  ei  —  eii.  Die  hierher  gehörigen  Wörter 
könnten  auch  bei  der  lautlehre  beliandelt  werden;  aber  bei 
einem  Sch-vy^ben  sind  diese  Schwankungen  in  der  Schreibung 
rein  orthographischer  natur,  da  die  lautwerte  von  e  und  ö, 
i  und  ü,  ei  und  eu  in  e,  i,  ei  zusammengefallen  sind. 

SchAvanken  zwischen  e  und  ö.  Bei  ergötzen,  löschen,  sclnvören 
etc.  finden  sich  in  Schillers  scliwäb.  periode  keine  Schwankungen; 
drucke  und  handschriften  weisen  die  moderne  Schreibung  auf. 

tT(7Ö^CH  1,  96,  29,  erschüpffen  1,100,14,  löschen  Br.  49, 1  etc.;  er  geizen 
findet  sich  2,271,15  erst  in  der  ausgäbe  von  1802.')  Auch  das  nhd.  öfters 
mit  blöken  in  der  Schreibung  verwechselte  blecken  (mhd.  blecken  =  blicken 
lassen)  wird  nur  mit  e  geschrieben:  blekt  S.  2, 166, 22.  306,21. 

Zu  schrecken:  Zum  subst.  schrecJc,  -en  bemerkt  das  DWb. 
9, 1660,  Schiller  habe  'in  jüngeren  jähren'  wie  Goethe  Schröcl; 
Schröcketi  geschrieben.  Das  trifft  auf  seine  schwäb.  periode 
nicht  zu,  2)  vielmehr  wird  überall  e  geschrieben. 

Schreken  S.  1, 164, 14.  167, 19,  Schrecken  1,  330,  506.  2,  293,  6,  Schreck 
2,  239, 19  u.  a.  Das  verbura  und  die  verschiedenen  adj.  haben  in  hss.  und 
dnicken  überwiegend  ö:  schröcken  1,109,28.  115,26.  2,7,3.  25,15.  355,26 
etc.,  schröcklich  Br.  20.  25.  27.  S.l,  167, 17.  111,2.  301,7.  2,68,14.  183,22, 
schröcklich  1,  374, 17.  2,  248,  3.  388,  24,  er  schröcklich  2,  389,  32,  schröckhaft 
2,293,1,  daneben  schrecken  1,163,5,  schrecklich  1,161,30,  schreckhaft  2, 
363,26,  schrecklich  2,  312,  2. 3) 

Die  Schreibung  der  übrigen  Schwaben :  Fulda,  GR.  76, 104  und  sonst, 
und  Nast,  Spr.  1,52  schreiben  subst.  und  verb.  mit  e;  im  Schw.  m.  findet 
sich  ö:  schröcklich  nib,  So,  schröckend  1776,331,  schrecklich  1776,332.  Bei 
Si.  ist  e  vorhersehend.  —  Adelung  kennt  nur  e.  —  Das  ö  wird  sonst  durch 
anlehnuug  an  Schrock  erklärt  (DWb.) ;  wenn  Schiller  nie  bei  subst.,  wol  aber 
beim  verb.  schröcken  schreibt,  so  darf  man  wol  auch  an  ein  Wirkung  von 
erschrocken  denken;  vgl.  löschen  —  erlosch,  gewöhnen  —  gcivohnt,  Bahder 
s.  177.  Das  einfachste  ist,  ö  als  blosse  Schreibung  für  f  zu  erklären  (wie 
in  verdorben  u.  a.). 


^)  In  späteren  werken  z.  b.  noch  ergetzen  S.  5, 2, 315. 

*)  Auch  sonst  ist  mir  aus  den  Schriften  der  'jüngeren  jähre',  abgesehen 
von  dem  im  DWb.  angeführten  Schröck  S.  3, 117, 22,  nur  noch  Schröcken 
S.  4,  80,  2  aufgefallen. 

=*)  Schon  im  dritten  band  der  Schillerschen  werke  nimmt  die  Schreibung 
mit  ö  merklich  ab.  So  Diderot-Thalia  stets  schrecken;  ausnahmen:  erschröckt 
S.  3,  557, 15.  558,  27,iDon  Carlos  in  S.  5,  l.teil  hat  stets  e,  ausser  in  scÄröc^-- 
lich  S.  5, 16, 280,  erschrocken  5, 28. 110.  171,  schrökken  5, 163.  Im  4.-7.  band 
der  Br.  findet  sich  kein  ö  mehr. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  285 

i  und  ii.  Die  nhd.  Schriftsprache  schwankt  zwischen  hilfe 
und  hülfe. 

Schiller  schreibt  hilflos  Br.  14,29;»)  M  meistens  Hilfe  S.  2,  247,10. 
227,  21.  239, 22.  315,  25,  daneben  Hülfe  2,  240, 3,  während  A  (Schwans  druck) 
stets  Hülfe  an  den  betreffenden  stellen  und  sonst.  Cotta  nur  ü:  Beihülfe 
S.l,  143, 15,  Hülfsbedürftig  1,170,8.  —  Metzler:  Hülfe  2,355,20.  356,34, 
G'eM/'e  2,  358,21,  sonst  vorwiegend  ü:  Hülfe  2,67,21.  93,1.  183,23  etc.  — 
Fulda,  GR.  45  hält  Hülfe  für  etymologisch  richtiger.  —  Erhard  und  Mäntler: 
keine  belege.  —  Bei  Miller  kann  ich  nur  Hülfe  Si.  47  und  180  belegen. 

Die  Schriftsprache  hat  sich  für  i  entschieden  in  tvirhen, 
langwierig,  gehirge,  findig,  schwierig,  spritzen.  Die  betreffenden 
formen  mit  ü,  die  sehr  lange  in  der  Schriftsprache  eingang  ge- 
funden haben,  sind  aus  dem  schweizerischen  und  einigen  mittel- 
deutschen dialekten  zu  erklären,  in  denen  besonders  tvi  :  wü 
sich  entwickelt  hat  (vgl.  Bahder  s.  180):  ivürken  (bei  dem  noch 
in  betracht  kommt,  dass  auch  schon  mhd.  neben  ivirken  ein 
würken  existiert,  zurückgehend  auf  ahd.  wurchen)  schwürig, 
langwürig;  nach  anderen  labialen  consonanten  gehürge,  fündig. 
Sprütsen  ist  die  regelrechte  fortsetzung  des  mhd.  sprüt^en.-) 

Schiller  schreibt  wirlclich  Br.  48,  2.  58, 13,  loirkten  Br.  24,  8,  daneben 
würken '&X.  64,10.  20,1.  —  M  meist  i:  tcirUich  S.  2,  267, 16;  A  (Schwans 
druck)  ivürken  2,  216, 16,  icürklich  2,  256, 16,  wirklich  2,  245.  259.  288.  291. 

—  Cotta  nur  i:  wirkend  1, 146,  2,  wirken  1, 150,  31.  160,  33.  144, 13,  tvirk- 
lich  1, 142,  27.  —  Metzler:  ivürken  2,  4,  wirklich  2,  4. 14,  auswärken  1,  200,  25. 
ivirklich  2,346,14,  wirken  2,341,25.  355,15.  —  Erhard  und  Mäntler:  keine 
belege.  —  Schubart  und  Miller  meist  ü :  ivürken  Si.  159.  216.  ST.  87, 11, 
würklich  Si.  339,  wirken  SO.  166. 

Schiller  schreibt  spitz  fündig  Br.  49,  3;  M  und  A  ausfindig^)  S.  2,  244,  4. 

—  Cotta  i:  spitzfindig  1, 161,  27,  Spizfmdigkeiten  1, 164, 18;  bei  den  übrigen 
finden  sich  keine  belege.  Die  andern  hierher  gehörigen  Mörter  zeigen  nur 
die  Schreibung  der  drucke  bez.  fremder  Schreiber:  stets  schwürig  1,89,34. 


»)  In  Br.  1  finde  ich  3  Hilfe  (Br.  72.  835  und  hilflos  Br.  67)  gegen  1  Hülfe 
(Br.  226). 

*)  Die  annähme  v.  Bahders  (s.  181  f.),  dass  der  wandel  von  ivi  :  wü 
gemeindeutsch  gewesen  und  auch  im  schwäbischen  vor  sich  gegangen  sei, 
dürfte  wol  unrichtig  sein;  die  beispiele,  die  er  angibt,  sind  nicht  beweis- 
kräftig, da  die  entrundung  von  ü  zu  i  im  schwäbischen  dem  13.  jh.  anzu- 
gehören scheint  (vgl.  Kauffraann  s.  170  und  172)  und  von  den  beiden  von 
V.  Bahder  zum  beweis  citierten  autoren  H.  von  Sachsenheim  erst  in  der  mitte 
des  15.,  die  Ilätzlerin  erst  am  ende  des  lö.jh.'s  geschrieben  hat,  zu  einer 
zeit,  wo  ü  nur  noch  Schreibung  war  für  einen  i-laut. 

*)  Nach  Wilmanns,  Gr.  §  347  gehört  übrigens  spizfündig  zu  mhd.  vündec, 
ausfindig  zum  älteren  nhd.  subst.  Ausfund. 


286  PFLEIDERER 

2,357,11;  mir  hei  Cotta  Schwierigkeit  '[,\b2,  2;  —  langimJm'g  1,163,  2i 
(Cotta);  —  Gebirge  bei  M  und  A  nur  in  Gebürge  2,258,7;  bei  Metzler 
z  und  (i:  Gebirge  2,11,11.  179,25.  1,218,2,  Gebürge  1,  2U,  13.  231,  U. 
195.  280.  2, 128,  U.  92, 13;  —  sprizen  2, 143,  7.  52,  6.  —  Bei  Scliubart  finde 
ich  Gebürge  ST.  20, 1.  28,  8.  SO.  193,  Gebirge  SO.  192,  sprützen  SG.  2, 136, 
(msfindig  bei  Miller,  Si.  335. ') 

Die  Schriftsprache  schreibt  mit  anlehnung  an  die  subst. 
Lüge,  Trug,  Luder,  —  lügen,  trügen,  und  öfters  lüderlich  an- 
statt des  historisch  richtigen  ie.  Die  Schreibung-  liegen  kommt 
für  unsere  zeit  nicht  mehr  in  betracht,  da  lügen  sich  seit  der 
zweiten  hälfte  des  17.jh.'s  festgesetzt  hatte. 

Dagegen  schreibt  Schiller  noch  hetriegeii,  Br.  24, 1(3  (auch  Nast,  Spr.  1,45 
schreibt  Betrieger).  Die  stellen  in  S.  1.  2  haben  stets  ü:  betrügen  1, 195. 
2,  343, 17  u.  s.  w.  Bei  Miller  findet  sich  betriegen  Si.  2,  88  neben  Betrüger 
Si.  2, 140.  —  Für  liederlich  bieten  sich  nur  belege  bei  M  und  den  Metzler- 
schen  drucken  dar:  Liederlichkeiten  2,214:,  4- MnnA  A; —  Metzler:  lüderlich 
2,  354, 17.  324, 12,  Lüderlichkeiten  2,  354,  21,  Liederlichkeiten  2,  22, 11,  ver- 
lüderlicht 1,  269, 12.  —  Bei  Miller  finde  ich  nur  die  Schreibung  mit  ie:  lieder- 
lich Si.  78.  145-  169.  —  Auch  bei  verdriefslich  wird  im  18.  jh.  noch  oft  mit 
anlehnung  an  Verdrufs  ü  geschrieben,  entgegen  dem  mhä.  vej'driezen.  Schiller 
nur  ü:  verdrüfslich  Br.  52,  24, 1.  56,28,14.  63,5.  62,5  v.u.;  ebenso  Miller, 
Si.  122  und  Si.2,38.2) 

Dagegen  findet  sich  entsprechend  der  modernen  Schreibweise 
nur  ü  in  würdig  (2,312,21)  und  gültig  1,164,24,  gleichgültig 
1,78,5.  115,17.     Ebenso  Miller  gleichgültig  Si.  177.3) 


^)  Die  Schreibungen  schwanken  auch  in  den  späteren  werken  Schillers. 
Doch  überwiegt  schliesslich  wirken.  So  z.  b.  S.  6  in  den  briefen  über  Don 
Carlos  wirken  fast  ausnahmslos.  Aus  Schillers  briefen  führe  ich  an :  wirklich 
Br.  1,  24.  79.  94  gegen  würken  Br.  1,  79.  Ausfindig  Br.  1,  96.  394,  ausfündig 
Br.  1,324.  2,79;  ausfündig  meist  in  S.3  (51.  218. 244.  519.  542);  ausfindig  meist 
in  S.  4  (167.  322.  325),  nur  ausfindig  z.b.  S.  6  in  den  briefen  über  Don  Carlos. 

—  Schwürig  stets  in  S.  3  (216. 543.  561).  S.  4  (244.  324),  ebenso  noch  Schwürig- 
keit  in  Br.  3,  237  und  im  handschriftl.  nachlass  S.  15',  323,  dagegen  Schwierig- 
keit z.  b.  Br.  1, 176.  —  Langwührig  in  Schillers  autograph  Br.  4,  455,  lang- 
wierig S.  4, 107.  —  Gebürge  S.  3,  372, 1.  4,  91, 10,  Gebirge  S.  4, 107  und  sonst. 

—  Nur  sprützen  in  der  unmittelbar  nachfolgenden  periode :  Sprüze  S.  8, 146, 1, 
sprüzen  S.  3,  75.  259.  393.  34.  S.  4, 4,  85,  und  so  noch  S.  11,  311  und  S.  14, 17. 

*)  S.  2,  244  hat  betriegen  in  der  ausgäbe  von  1802.  —  Betriegen  noch 
S.  4,  277.  275;  Schiller  selbst  schreibt  später  ü;e<m(f/e«,  z.b.  Br.  91.  —  Lüder- 
lich noch  S.  4,  67,  26  und  von  Schillers  band  Br.  3, 105.  —  Verdrüfslich  auch 
später,  z.  b.  Br.  3,  96.  4,72.  5,51,  verdrüfstBx. 4,414,  verdriefstBr. 4,^1;  die 
drucke:  verdrüfslich  S.  3,22.  106.  178.  361.389  etc.  4,324,  verdriefslich  S.3, 150. 

8)  Gültig  S.  3,  371, 18,  Gleichgültigkeit  S.  4, 238.  Br.  1, 104.  118. 147  u.a., 
gleichgültig  Br.  1,  68. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  287 

Württemberg  lautete  im  18.  jh.  gewölmlicli  Wirtemherg.  Erst 
ein  regierungsdecret  von  1802  hat  die  Schreibung  Württemherg 
eingebürgert  (vgl.  Weigand,  Wb.).  Im  Schw.  m.  1775,  789  wird 
das  wort,  offenbar  in  folge  einer  herschenden  Unsicherheit  in 
der  Schreibung,  historisch  untersucht;  der  betr.  Verfasser  ent- 
scheidet für  Wirtenherg  oder  Wirtemherg.  So  schreiben  auch 
Schiller  und  seine  cb-ucke  stets  Br.37.  S.  1,69,26.  2,339,32  etc.') 

Flistern  ist  noch  im  18.  jh.  die  übliche  Schreibung;  sie  ist 
wol  auch  für  den  jungen  Schiller  vorauszusetzen. 

Seme  drucke  wenigstens  haben  ausser  in  Schauernachtgeflüster  1,  217, 3-i 
stets  i:  ßistemS.  1,234,  19.  222,47.  2,6,24.  287,2.  333;  ebenso  seine  sclnväb. 
Zeitgenossen:  flistern  SG.  243.  446.  2,15.  397.  ST.  16,  7.  48,9  (nur  Si.  329 
flüstern).^)  Die  Schreibung  mit  ü  ist  im  18. jh.  aus  dem  niederdeutschen 
in  die  Schriftsprache  eingedrungen  (Kluge,  Et.  wb.). 

Widergabe  des  schwäb.  «-lautes  statt  des  schriftsprach- 
lichen (historisch  richtigen)  ü  liegt  vor  in 

umgestilpet  S.  1,  212, 10,  schlirrfen  2,  285,  8  M  (A  ü),  schlirft  1, 182, 131 
(im  Mäntlerschen  druck  und  in  der  Anthologie),  ebenso  schlirfen  SG.  2,  68,  7. 

Die  form   Küssen  =  mhd.  küssen,    ahd.  husshi    wird   im 

18.  jh.   noch   als   'mustergültig'   betrachtet   (Paul,  Wb.).     Im 

19.  jh.  hat  sich  durch  den  einfluss  ober-  und  mitteldeutscher 
dialekte  die  form  mit  i  in  der  Schriftsprache  festgesetzt.  Das 
wort  kommt  in  den  werken  des  jungen  Schiller  nur  in  den 
Räubern  vor  und  wird  sowol  von  M  als  von  den  drucken  von 
1781  und  1782  ohne  regel  mit  i  und  ü  geschrieben. 

Kissen  2,  217  M  und  A  2,  238, 1  M  (A  «).  2,  249,  3  A.  2,  49, 17.  75,  25, 
Küssen  2, 69, 15.  49,  4.  249,  3  M.  138, 1  A.  Küssen  belege  ich  noch  aus 
Schw.  m.  75,313.  SG.2,233,  Kissen  aus  Si.  2, 35. 168.  Si.  1, 175.  215.3) 

Nhd.  Idtzeln,  mhd.  kitzeln  und  Icützeln  schreibt  Schüler  mit  i. 

Kizeln  Br.  61,32;  M  und  A  schreiben  ü:  küzelt  2,278,19;  Metzler  ü 
und  /:  ÄTMze^f  2, 123,  2,  kizeln  %nb,21,  Kizel  2,22,2.  141,4  (1,90,26  in  der 
Philos.  der  physiol.).  —  Bei  Schubart  nur  ü :  hutzeln  SO.  123.  124.  128.  175, 
auf  küzelt  SO.  7.  Die  Schreibung  mit  ü  ist  bei  Schwaben  bes.  erklärlich,  da 
das  wort  schwäbisch  khutsb  lautet.^) 


*)  Würtemberg  schon  Br.  1, 138;  wärtembergisch  Br.  1, 164,  daneben  noch 
Wirtemherg  Br.  1, 172.  104. 

^)  Flistern  noch  in  S.  3,  213, 30.  215, 9,  dann  aber  nur  ü :  flüstern  S. 
3,49,14.  4,214,10.  246.  5',  12.  162.  173.  5^277.  8,325  u.s.w. 

8)  Küssen  noch  S.  3,  339, 5.  6, 404,  Kissen  5,  96.  12,  554. 

*)  Von  Schillers  band  findet  sich  auch  später  nur  die  Schreibung  kizeln 


288  PFLEIDERER 

ei  —  eil.  In  Reiter,^)  dreist  und  heiraten,  die  etymologisch 
ei  erfordern,  schreibt  das  18.  jh.  sehr  oft  eu. 

Schiller .  und  seine  drucke  kenneu  nur  Meuter:  Br.  21,7,3.  22,  8,  G. 
S.  1,  346,  58.  2,  91,  21.  97,  6.  265,  5  M  und  A.  261,  2  M  und  A.  2,  312,  8  u.s.w., 
Beutknecht  2, 128,9.  Bezeichnend  ist,  dass  im  Wirt,  repert.  S.  1, 132  die  Schrei- 
bung reiten  im  'Brief  eines  schwäbischen  paters'  vorkommt,  wo  Schiller 
sich  bemüht,  möglichst  viele  grammatikalische  Schnitzer  und  Schreibfehler 
anzuhäufen,  um  den  pater  als  ungebildet  erscheinen  zu  lassen.  —  Ebenso 
nur  dreust  Br.  58, 1.  61,10.  S.  1, 155,  6,  BreusUgkeit  Br.  66,  34,  4.  Dagegen 
nur  heiraten  2,  391, 18.  —  Bei  den  Schwaben  finde  ich  Reuter  ST.  88, 10. 
SO.  212.  Si.  2, 103  neben  Reitknecht  Si.  261,  heiraten  SO.  8.  35  und  stets  in 
Si.  —  Fulda,  GR.  45  verlangt  Reiter  und  heuraten.^) 

Neben  gescheit,  mhd.  geschide  schreibt  man  öfters  gescheut 
mit  anlehnung  an  scheuen. 

In  den  drucken  Schillers  findet  sich  beides :  yescheut  S.  2, 177,  27.  316, 2, 
gescheid  (das  -d  ist  im  18.  jh.  noch  sehr  üblich,  vgl.  Paul,  Wb.)  2,231,9. 
25,  20.  57, 16.  Haug,  Z.  467.  Durch  Vermischung  der  lautlich  und  begriff- 
lich ähnlichen  Wörter  Keil  und  Keide  stellt  sich  ein  plur.  Donnerkeulen 
1,  336  ein.  —  Einfache  widergabe  des  schwäb.  lautes  ist  schleidern  2,  332, 15  M 
(A  schleudern). 

Eine  besondere  Schreibung  ist  M  eigen:  heute  2,  223,  8,  Teufel,  Neues, 
Deutschland  etc.,  euch,  geleuchtet  2,247,  Wüise  2,270,8,  Haine  2,227,17; 
ausnahmsweise  im  Metzlerschen  druck  der  Räuber  stäuben  2,  44,  22  (Säule 
2,189,2).  Die  Schreibung  von  euch  etc.,  siäü&en  verdient  beachtung;  denn 
auch  sie  ist  eine  neuerung  der  schwäbischen  grammatiker,  vgl.  zu  eü: 
'Derjenige  fehler  ist  allgemein,  dafs  man  ihn  durchgängig  falsch  schreibt, 
nehmlich  euer,  Feuer.  Mau  hört  ja  kein  u,  sondern  ein  ü'  Scliw.  m.  1770, 
559.  Zu  aü  bez.  äü:  'aus  üu  kommt  aü,  z.  b.  Rauche.  Die  richtige  aus- 
spräche zeiget,  dafs  das  a  unverändert  bleibt  und  nur  das  u  in  ü  sich  ver- 
ändert: Aus  aü  entsteht  üü,  da  beide  vokale  gebogen  oder  verändert 
werden'  Schw.  m.  1776,  559.  Demnach  ist  stäuben  unrichtig,  da  es  zu  stäub 
gehört;  ganz  zu  geschweigen  von  Waise  etc. 


Br.  1, 129.  4, 398  u.  a.  Die  späteren  drucke  kitzeln  S.  3, 507,  3.  4,  70, 33.  5,  40 
etc.,  küzeln  S.  3,  482.  152,  8.  193,  2. 

^)  Bei  Reuter  ist  dies  insofern  unrichtig,  als  frühuhd.  Reuter,  nl.  7-uiter 
aus  rupt{u)arii  (vgl.  Kluge,  Et.  wb.  s.  316)  regelrecht  eu  hat;  allein  bei  einem 
Schwaben  dürfte  das  doch  bloss  Schreibung  sein  für  reiter,  da  ein  bedeutungs- 
unterschied  zwischen  reiter  und  reuter  bei  ihnen  tatsächlich  nicht  existiert. 

'')  Dreustigkeit  Br.  1,  m.  3, 102,  dreust  S.  3, 124.  130,  Dreistigkeit  S. 
4,85,14.266,11.  5'-',284,  dreist  S. 'd,2b3.  o^bb,  erdreisten  S.b^  129;  später  ist 
mir  kein  dreust  mehr  aufgefallen.  —  Reuter  S.  4,  82,  26,  Reuterei  S.  5S  80. 
—  Schiller  mag  wol  heurathen  geschrieben  haben,  denn  in  Br.  1  findet  sich 
nur  heurathen  (Br.  1, 164.  174.  430),  Verheurathung  Br.  1, 174.  Die  späteren 
drucke  schwanken,  vgl.  S.  5  in  Gödekes  glossar  unter  heurathen. 


SPRACHE   DES  JUNGEN   SCHILLER.  289 

Orthographie  der  consonanten. 

Ueber  h—p,  d  —  t  vgl.  s. 317. 

In  beziig-  auf  die  sclireibiing-  des  Maiites  in  seitwerf,  födfen 
u.  s.  w.  lässt  sich  nur  sagen,  dass  hier  allgemeine  Verwilderung 
harscht;  es  lohnt  sich  nicht,  darauf  näher  einzugehen. 

k  statt  nhd.  ek,  ^  statt  nhd.  tz  schreibt  Schiller  offenbar 
meistens;  wenigstens  ist  anzunehmen,  dass  Jonas  nicht  ohne 
grund  'k  statt  el;  z  statt  iz  überall  eingesetzt'  hat  (vgl.  Br. 
1,455);  ek  finde  ich  noch  in  scMeken  Br.  29,  Stück  Br.  43.  — 
Hierin  ist  Schiller  jedenfalls  beeinflusst  von  den  schwäb.  gram- 
matikern,  die  tz  und  ck  in  wort  und  tat  verwerfen;  in  der  tat: 
ihre  artikel  im  Schw.  m.,  sowie  der  Teütsche  Sprachforscher 
haben  diese  neuerung  consequent  durchgeführt;  in  worten: 
Schw.  m.  1775,  557  '■tz  ist  ganz  entbehrlich';  'man  hat  kein  tz 
nötig'  Spr.  2, 109;  'z  ist  schon  ein  ts,  es  braucht  kein  neues  t. 
Es  schärft  schon  als  doppelter  buchstab,  und  bedarf  nirgend 
keiner  Verdopplung'  Fulda,  GR.  58.  Spr.  2, 35  'Diejenige,  welche 
tz  oder  gar  zz  schreiben,  z.  ex.  Selmtz,  tvizzig,  geben  nicht  auf 
die  zusamensezung  des  z  acht.  Dann  was  ist  Schutz  anders, 
als  Schutts,  und  ivizzig  anders,  als:  ivitstsig.  Das  leztere  ist 
offenbar  unteütsch,  und  das  erstere,  Schutts,  kan  zwar  wol  als 
genitiv  von  Schutt  gelten,  aber  als  nominativus  kan  es  nur 
Schuz  {Schuts)  heiffen,  weil  vor  dem  s  ZAvei  t  auszusprechen 
unmöglich  ist . . .  Es  ist  also  das  tz  ein  unnötiger,  und  zz  gar 
ein  sinnloser  buchstab.'  Schw.m.l777, 159:  ^tz  ist  one  sinn,  dann 
z  ist  ts  oder  ds,  also  tz  ist  tts  oder  täs';  einfaches  k  ist  schon 
'zeichen  der  geschärften  silbe'  Fulda,  GR.  54;  ebenso  Spr.  1, 164. 
—  Aus  den  schritten  anderer  Schwaben  führe  ich  an,  dass  z.  b. 
Schubart  in  den  Todesgesängen  (ST.)  regelmässig  ck  und  tz 
schreibt. 

M  und  A  schreiben  regelmässig-  ck,  weniger  oft  tz;  M  hat  ausserdem 
noch  die  Schreibung  zz:  zerplazzen  2,258,18,  stuzzen  2,327,4. 

Cotta:  stets  k  und  z.    Ebenso  Erhard. 

Metzler:  hier  herscht  grosse  Unregelmässigkeit;  zwar  überwiegt  die 
Schreibung  mit  z,  aber  neben  k  findet  sich  gleich  oft  ck. 

Mäntler:  z;  meist  k;  ck  in  zurück  und  Glück  1,185. 

t  —  th,  Fulda  spricht  über  th  'urteil  und  recht'  Spr.  1, 170: 
'Als  minister  mag  es  sterben :  Gehäth . . .   ^lan  schreibe  unsert- 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXVIII,  ^9 


290  PFLETDERER 

wegen:  Ter,  Tor,  Türe;  Träne ;  aiicli  so  gar  —  Tron';  GR.  58:  Hh 
ist  der  angezischte  stärkste  hauch:  tlmn,  Thier;  auser  diesem 
kan  es  gemächlich  unterbleiben'. 

In  Schillers  briefeu  lässt  sich  thr  bez.  tr  nicht  belegen  (ausser  in  nacli- 
schwäb.  zeit:  Träne  Br.  1,77,  brief  vom  6.  nov.  1782);  andere  beispiele: 
nnterthänifi  stets,  nohvendig  Br.  42,  werlh  Br.  43.  45,  Ortho(jrapliie  Br.  44, 
VoriJieil  Br.  45,  Eath  Br.  57  etc.;  th  ist  also  nicht  selten.  In  S.  1  Träne 
46, 17,  fronet  47,  35,  Thaien  47,  39,  theuer  48, 48.  Tränen  48,  68.  49, 72.  — 
M  und  A  schreiben  oft  th:  Thränen  2,  209, 17.  215,  anbethen  2,  236  M  (A  an- 
beten), Thitre  2,  259, 17,  Thurm  2,  259, 11,  Theurung  2,  260, 12  u.  a.  —  Cotta 
schreibt  th:  theilen  1,145,  thieriscli  1,146.148,  mutliig  1,168,  Nothicenäig- 
keü  1, 148,  Theil  1, 147,  wüihend  1, 167,  Eeichthnm  1, 146,  Abentheiter  1, 156, 
Thier  1,146.  —  Erhard:  Thron  Rieger,  Archiv;  1,51,  Tran  1,43,  thronet  1, 121, 
gethimnet  1,121,  Tränen  Rieger,  Archiv,  iverth  Rieger,  Archiv.  —  Metzler: 
Träne  2,15,  Thrüne  1,222.  2,16.341,  Thron  l,23d.  Trow  1, 186  etc.,  Hüthe 
2,349,  Abentheiter  2,365  —  Mäntler:  l'ron  1,185,  tränen  1,186,  Thurm 
1, 178,  Thäler  1, 185. 

Ueber  die  Schreibung  der  «-laute  lässt  sich  auch  nicht 
annähernd  etwas  bestimmtes  aufstellen;  sowol  bei  Schiller  als 
bei  seinen  drucken  herscht  hier  grosse  Verwirrung. 

/ — ff,  Fulda  verlangt  nach  langem  vocal  /"  nach 
kurzem  ff'.  —  ff'  nach  langem  vocal,  nach  r,  l  etc.  schilt  er 
GE.37  'warum  Avollen  wir  Wörter  überfüllen?  Oj^ffer,  Karpff':^  — 
Opfer,  Karpf  —  tliun  eben  diese  dinste'.  Ebenso  Ergözlichk. 
1774,  2,  79. 

Schiller  hat  bis  1780  in  den  briefen  und  den  gedichten  in  S.  1  noch 
massenhaft  ff:  traffen  1,  46,  7,  Dürfftgen  1,  47,  21,  sanfft  1,  47,  32.  48,  50, 
Br.  5  Vorivilrß'e,  offt,  rortheühafft,  schnieichelha/ft,  Strümpffe  (neben  Kräfte, 
beschäftigt):  Br.  6  If  entwcrffen,  häuffig,  Vorinir ff  etc.  neben  Opfer,  schürfte, 
Verziveiflung.  Von  1780  an  ist  daseinfache  /' das  regelmässige :  schmeicliel- 
haftBr.2>i),  schliipfngBr.'SG,  KräfteBr.37,  o// Br.  42,  LeidenschufienBr.bl, 
daneben  noch  häitffte  Br.  51,  loerfj'en  Br.  61.  —  M  hat  noch  einige  male  //" 
nach  langem  vocal:  ersäuffen  2^222,16,  schlaffen  2,2G9, 19.  '622,11  (A  schlafen), 
aufferstunden  2,  328,  4 ;  sonst  meist  einfaches  /'  bei  A  und  M :  erschöpft  2,  239, 
Luft  2,217,  Kraft  2,220,  entlaufen  2,  211,  2  u.s.w.  —  Cotta:  ^'verhältnis- 
mässig oft:  ergreiffen  1,  102,2,  schöpfen  1, 160, 15,  ausschiveiffen  1, 175,  be- 
greiffe  1, 144,  zuiciderlaufj'en  1, 174,  bedürfte  1, 172;  f  in  verivorfen  1, 142, 19, 
im(//e  1,144,  Schöpfnng  1,  lU,  Begrif  1,151,  Kunst gr i f  1,  im,  S/o/' 1,157. 
—  Bei  Erhard  ist  mir  kein  /f  aufgefallen.  —  Metzler:  //"sehr  üblich:  pfeiffen 
2,  340,  lauffen  2,  341,  häuffen  2, 342  (Kraft  2,  358,  loerfen  2,  341),  siumpfft 
1,186,  Gifft  1,187,  helften  1,192,  offt  1,192  (Kraft  1,200,  Kojjf  l,2l'6), 
Würffel  1,  232,  rauff'en  1,  245,  schärffer  2,  5,  ahhelffen  2,  6,  entlauffen  2, 17 
etc.  —  Mäntler:  kein  ff":  schlirft  1,182. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  291 

Zu  Vf  If  ni  ist  mir  bei  Schiller  nichts  aufgefallen;  er- 
wähnenswert ist,  dass  er  stets  erinnern^)  schreibt,  Br.  35.  55.  57. 

Zu  n  in  der  substantivendung-  -in  vgl.  Fulda,  GE.  Gl 
.'dieses  -in  braucht  bei  weiterer  abänderung  keine  Verdopplung 
seines  n\  Nast,  Spr.  1,66  nennt  -inn  beim  Substantiv  'gänz- 
lich unteütsch';  ähnlich  Spr.  1, 185. 

Schiller:  Göttinn  1, 47, 30;  in  den  briefeu  kommt  kein  subst.  auf  -in  vor 
(nur  aus  späterer  zeit  Frenndin  Br.  1,  90).  —  Darin  schreibt  er  darinn  Br.  18 
und  darin  Br.  45.  50  (vgl.  darinn  Br.  1,  87,  darin  Br.  1, 128).  Zu  Schrei- 
bungen wie  Imn  vgl.  s.  305.2)  —  jy;  schreibt  'iuderregel'  (vgl.  S.  2,  241, 17, 
anm.)  errinnert;  unter irrdisch  2,271,5  M  und  A,  ungesiilmm  2,270,15  M  und  A. 
318,22,  verdamt  2,  222, 17,  scher  Träumerin  2,  218,  6  A  und  M.  —  Cotta:  irr- 
disch 1,142,  stets  darinn,  ivorinn.  —  Erbard:  Beherrscher  1,124,120,  un- 
gestümm  1, 122,  m.  123,83,  Königin  1,  28,  3i.  —  Metzler:  G^öttmw  1,  210,21, 
Königinn  1, 219, 36,  Tyranninn  2, 16, 14,  Träumerimi  2, 50, 17,  Äbtissinn  2, 80, 7, 
Verrätherinn  2,  46, 10,  —  Feindin  1, 194,  Fürstin  1,  209.  240 ;  meist  darinn.  — 
tingestmnm  2,121,i.  150,21,  starrrte  1,  225,  bO,  nnierirrdisch  1,201,1.  2,57,8. 
166,20.  167,8.  340,21.  —  Mäutler:  ungestümm  1,181,92. 

Die  Schreibung  ä;  für  modernes  -ths-  findet  sich  in  Mä^el 
1,280,18.  307,1,  rüpelhaft  1,317,22,  enträzelt  1,279,2. 

'V  hat  sich  besonders  fest  erhalten  in  vest. 

So  in  bevcstigcn  2,  22, 11.  214,  4,  vestung  2,  33, 10,  handvest  2,  382,  22, 
vest  1,  348, 13,  daneben  noch  in  Grav  1,  346,  41,  dagegen  neben  dem  üblichen 
Nerv  auch  Nerfen  1, 189,  79.  191, 145. 

Fulda,  GE.  52  führt  fest  nicht  unter  den  Wörtern  an,  die 
'noch  mit  v  geschriben  übrig'  sind;  von  auslautendem  v  sagt 
er:  ^brav,  ist  das  einzige  teutsche  wort,  das  binden  so  ge- 
schriben wird';  'brauchten  wir  die  Partikeln,  va--,  vor  und  vo7i 
nicht  so  oft,  so  wäre  das  v  bald  abgethan'.  Auch  Nast,  Spr. 
2, 107  wünscht,  dass  man  einmal  dem  v  'den  abschid'  gebe, 
da  er  es  für  einen  'feler  unsers  teütschen  alphabeths'  hält, 
'dals  wir  zu  einerlei  ton  zweierlei  zeichen  brauchen'  Spr.  2,  36; 
würde  man  überall  statt  v  ein  /"  setzen,  'wie  vil  gründlicher 
würde  unsre  teutsche  Orthographie  alsdann  werden!'  Si)r.  2,  37. 


*)  Vgl.  dagegen  die  Schreibung  von  M  oben  z.  10  f.,  sowie  die  bemer- 
kuugen  s.  294  oben. 

2)  Zu  -inn  vgl.  Königinn  SG.  217,  Tänzerinn  Si.  2, 210,  Gattinn  SG.  215, 
Zeuginn  SG.  213. 

19* 


292  PFLEIDERER 

Orthographie  der  fremdwörter. 

Die  sclnväb.  gTammatiker  sind  der  ansieht,  dass  bei  fi-emd- 
wörtern  deren  ursprüngliche  Schreibung-  beibehalten  weiden  soll. 
Sie  sprechen  das  zwar  nirgends  direct  aus,  aber  es  lässt  sich 
doch  aus  folgenden  bemerkungen  schliessen:  Schw.  m.  1777, 158: 
'Das  y,  pli  etc.  sind  aus  der  lat,  und  grich.  granimatik  gekommen, 
vor  müssen  sie  aber  gleichwol  zu  Wörtern  aus  der  grich. 
und  lat.  spräche  beibehalten.'  Fulda,  GR.  52:  ^ph  ist  kein 
teutscher  buchstab.  Aber  man  soll  ihn  darum  den  fremden 
Avürtern  im  teutschen  nicht  entziehen.'  GK.  58:  '.r  bleibt  fremd. 
Der  Teutsche  schreibts  nur  in  fremden  Wörtern:  Text'  Spr.2,107: 
'Die  buchstaben  c,  qu,  ph,  th,  v,  y,  finden  sich  in  keinem  ur- 
sprünglich teutschen  wort,  man  braucht  sie  also  nur  in  Wörtern 
aus  fi^emden  sprachen.'  Spr.  2, 37:  'in  grich.  und  andern 
fremden  Wörtern  mag  y  bleiben.'  Spr.  2,  38:  Das  c  'kan  sich 
nirgends  als  in  fremden  Wörtern  erhalten.'') 

Aus  dem  wenigen,  was  wir  in  Schillers  autograph  erhalten 
haben,  glaube  ich  doch  schliessen  zu  können,  dass  er  im  all- 
gemeinen die  fremdartige  Orthographie  bei  fremdwörtern  bei- 
behält. Fremde  namen  kommen  zwar  kaum  vor,  nur  Mac- 
leth  Br.  64;  falls  die  rede  über  die  'tugend  in  ihren  folgen' 
(S.  1,95— 102)  wirklich  ein  'wortgetreuer  abdruck'  (S.  1,102) 
ist,  so  lassen  sich  aus  ihr  noch  folgende  namen  anführen: 

Voltaire  99,  8,  Scncca  101, 10,  Cäsare  101,  9,  Domüiane  101, 19,  Lykurg 
98,32,  die  die  fremden  buchstabeu  genau  beibehalten.  Fremdwörter: 
Melancholie  Br.  28, 12.  19, 18,  Sympathie  Br.  18,  6, 11,  Scene  Br.  43, 20.  60 
u.  a.,  contrastieren  Br.  42,  22,  Philosophie  Br.  52,  Sophistisch  Br.  52,  Journal 
Br.  57,  (joutiercn  Br.  62,  Simplicität  Br.  48,  Chirurgie  Br.  48,  Pieren  Br.  57, 
vietaphysisch  Br.  49,  physisch  Br.  31,  Metaphysilc  Br.  18,  Enthonsiasmus 
Br.  61,  llypochondrist  Br.  31,  mililairisch  Br.  (JO,  MilHairstund  Br.  53,  Chaise, 
jn-aecise,  accordirt  Br.  59,  Academie,  Vocation,  praciicieren  Br.  62,  Censur, 
Legitimation  Br.  46,  Success  Br.  47,  corrigieren,  Orthographie  Br.  44,  Sit^ia- 
tionen  Br.  54,  Lidiscretion  Br.  63,  Propositionen  Br.  38  u.  s.  w.  Daneben 
stehen  allerdings  6Vm/ome  Br.  44, 22,  Delikatesse  Hv.A^  22,  räsonnirend 
Br.  42,  traktieren  Br.  38,  Kolorit  Br.  49;  allein  das  sind  verhältnismässig 
sehr  wenige. 


')  Darin  stehen  die  schwäb.  grammatiker  übrigens  ganz  im  einklang 
mit  Gottsched,  Deutsche  Sprachkunst  s.SO:  'Fremde  namen  und  worter  schreibt 
man  am  liebsten  mit  denselben  oder  ganz  gleichgültigen  oder  doch  ähnlichen 
buchstaben,  damit  ihr  klang  beybehalten  bleibe.' 


SPRACHE    DES  JUNGEN   SCHILLER.  293 

M:  meist  S^ene;  Kristen  2,  2^-i,  23,  Elisiums-S2eHeH2,21i,ii,  Harpicn 
2,  331, 29,  Katilinn  2,  233,  26  (A  und  M),  Kartouche  2,  212,  6  (A  und  M), 
Kavalier 2,  242,  8  (A  und  M),  Zeremonien  2,  258,  22  (A  Cer.)  \\.  s.w.;  daneben 
Plmjne  2,211,27  (A  und  M),  Triumph  2,240,9.  2-42,2  (A  und  M),  Orpheus 
2,233,9  (AundM),  Succefsion  2,233,3  (A  und  M).  —  Cotta:  Philosophen 
1, 142.  143,  l'hünomen  1, 145, 11,  physisch  1, 145,  System  1, 142,  Succefsion 
1, 144,  Kato  1,  142,  Seneca  1, 142,  Epiktet  1,  142,  Konsumtion  1, 144, 
Karalter  1, 145,  Kollision  1, 156,  Kafsius  1, 161,  p>er  Konsensum  1, 162,  21, 
vielankolisch  1, 167, 10,  Kohärenz  1, 168,  9,  Stoizismus  1, 143.  Also  ph  und  y 
sind  bewahrt,  c  oft  in  k  verwandelt  (bez.  z).  —  Metzler:  hier  sind  die 
fremden  naiuen  sehr  willkürlich  behandelt,  teilweise  mit  erhaltung  der 
ursprünglichen  l)uchstaben,  teilweise  sind  diese  ersetzt  durch  solche  des 
deutschen  alphabets;  wenige  beispiele  mögen  genügen:  Orpheus  1, 224, 
Orfeus  1,  241,  Sfare  1,  234,  Sphäre  1,  210.  215,  Sojjhokles  2,  4,  SchakesiJear 
2, 4,  Delphos  2,  341,  7,  Delfos  1, 189,  Sukzession  2,  345, 18,  Fantasie  2,  367,  5 
und  oft,  Tradizion  2,  341,  Beklamazion  2,  387, 14,  Filosofen  1, 186,  9,  Phi- 
losophie 2,  351,  28,  Zervuntes  2,  3(i0,  Korneille  2,  343,  29,  Krusoe  2,  358,  23, 
Zijprial,m,  Kupido  1,186, 10,  Kozytus\,207,Boufscau\,220,Föbusl,2'Si,U. 
—  Erhard:  behandelt  die  fremdwürt er  pietätvoll:  Sphäre  1,30,  SerajMm  1,43, 
89,  Cherubim  1,43;  aber  i7««<;M  1,28,41.  —  Mäntler:  Ph<(Htasey  1,1H2, 129. 

Wenn  man  aus  dem  in  Schillers  briefen  vorhandenen 
material  schliessen  darf,  so  sind  besonders  die  freien  Schrei- 
bungen der  Metzlerschen  g-ruppe  niclit  als  'versuclie  Schillers' 
(Weltrich  1,  547)  anzusehen,  sondern  kommen  auf  rechnung  des 
druckers  oder  setzers. 

Die  gesonderte  betrachtung  der  Orthographie  Schillers  und 
seiner  drucke  bez.  Schreiber  ergibt,  dass  die  ausserordentliche 
Unregelmässigkeit  der  Orthographie  der  werke  des  jungen 
Schiller,  wie  sie  sich  dem  leser  von  S.  1  und  2  darbietet,  zum 
geringsten  teil  Schiller  selbst  zuzuschreiben  ist.  Mcht  zwar 
in  der  Schreibung  der  vocale,  wol  aber  in  der  der  consonanten 
lässt  sich  constatieren,  dass  er  jedenfalls  in  den  späteren 
Jahren  seiner  schwäbischen  zeit  bemüht  war,  das  auf  Ver- 
einfachung der  Schreibung  abzielende  orthographische 
System  der  schwäbischen  grammatiker  sich  zu  eigen 
zu  machen.  Und  das  zeigt  nicht  nur  seine  eigene  Schreibung; 
wir  wissen  zufällig  auch,  dass  er  die  ortliographie  von  M  für 
'uncorrect'  hält;  denn  bei  der  absendung  des  theatermanuscripts 
an  Dalberg  bittet  er  diesen  im  brief  vom  (3.  aug.  1781  (Br.  1,44), 
das  uncorrecte  der  Schreibung  zu  entschuldigen:  'mein  kopist 
hat,  nach  gewohnheit  aller  belserwissenwollender  Schreiber  die 
Orthographie  oft  erbärmlich  mifshandelt';  und  die  eigentümlich- 


294  PFLEIDERER 

keiten  der  Schreibung  von  M:  ck  und  ts  s,  289,  ihr  s.  290  (viel- 
fach //■  nach  länge  s.  290)  —  die  ungleiche  Schreibung  der  frenid- 
AviU'ter  ist  vielleicht  auch  hieherzuziehen  —  sind  gerade  die- 
jenigen, gegen  die  jene  gramniatiker  besonders  ankämpfen  und 
die  Schiller  sichtlich  zu  vermeiden  sucht.  —  Ferner  hat  die 
Untersuchung  gezeigt,  wie  wenig  die  Orthographie  des  Originals 
von  den  druckern  bez.  setzern  berücksichtigt  wurde.  —  Zur 
Illustration  dieses  Verfahrens  der  drucker  und  setzer,  das  teil- 
weise auch  von  den  herausgebern  beobachtet  wii-d,  dient  eine 
anmerkung  im  Schw.  m.  1779, 590:  'Man  hat  dem  Verfasser  seine 
Orthographie  gelassen,  und  um-  da  geändert,  avo'  etc.;  denn 
hier  findet  der  betreffende  es  offenbar  angemessen  zu  bemerken, 
dass  die  Orthographie  nicht  —  wde  gewöhnlicli  —  dem  eigenen 
System  angepasst  worden  ist.  i) 

Ueber  den  gebrauch  von  majuskel  und  minuskel  ist 
wenig  zu  sagen.  Auffallend  ist,  abgesehen  von  Schnitzern  wie 
das  gehurfsfest  Br.  53, 1,  des  Verlornen  Edeln  Br.  17  und  sonst 
noch  öfters,  die  anwendung  der  minuskel  in  fällen  wie  in  su- 
kunft  Br.37, 16,  ivorf  halten  Br.  41, 19,3,  m  befehl  S.  2, 134,9, 
gan£  elf  er  2,  244, 12]\1,  liajcn  strafen  1,60,21.  Das  wird  von 
Fulda  anerkannt:  GR.  59  'ein  hauptname,  der  mit  einem  an- 
dern, dem  er  dient,  zusamenhängt,  verliert  seinen  grosen  buch- 
staben:  zu  ende  hringen\ 

Bezüglich  der  adjectiva  ist  eine  häufige  erscheinung, 
dass  die  majuskel  verwendet  wird 

X)  bei  adj.,  die  von  eigeimameu,  völkeniamen  etc.  abgeleitet  sind :  das 
Bömische  Volk  1,  63,  li,  der  Französische  Gaukler  1,87,6,  die  Argische  Flotte 
1, 120,  9,  im  Nordischen  Klima  2,  377,  20,  eine  Wirtemhcrcjische  Blumenlese 
2,376,9,  eine  Italienische  Iphiyenia  2,342,26,  die  Böhmischen  Wälder 2,262, 16. 
855,3.  360,23;  —  2)  bei  zusammengesetzten  adj.,  deren  erstes  glied  ein  snbst. 
ist:  Heldenkühn  1,  242,  l(i9,  Leichenvoll  2,  52,  23,  Kinderlos  2,  21,  9,  Eiskalt 
2,217,20,  *S7ro?m(;e/s  1,180,72,  liosenrothl,-m,20o,  Väterlich 2,21,20,  Gött- 
lich 1,17,10,  Todtenbleich  2, 10, 11,  Tiujendsam  1,47,49;  daneben  imscJmlds- 
voll  1,357,21,  flammenroth  1,358,40,  stundenweit  2,  9i,  teufelvoll  \,1S1,  90, 
lebenvoll  1,76,21  (LebenvoU  1,76,24). 


*)  Dieses  ergebnis  legt  die  Vermutung  nahe,  dass  auch  vieles,  was  in 
der  laut-  und  formenlehre  zur  spräche  kommen  wird,  auf  die  rechuung  von 
drucker  und  setzer  zu  schreiben  sein  wird.  Inwieweit  dies  der  fall  sein 
mag,  lässt  sich  jedoch  nicht  mehr  eruieren.  Was  aus  dem  theatermanuscript 
anzuführen  sein  wird,  wird  aber  jedenfalls  Schillers  spräche  zugehören,  da 
der  Schreiber  von  M  wol  geschrieben  hat,  was  ihm  dictiert  wurde. 


SPRACHE  DES  JUNGEN   SCHILLER.  295 

II.   Zur  lautlehr e. 

A.    Vocalismus  der  tonsilben. 

Umlaut. 
Im  obd.  unterbleibt  der  uiiilaut  von  mlid.  u  vor  cJc,  pf,  t:r, 
vgl.  Paul,  Mild.  gr.  §  40,  anm.  5.  In  folge  des  einflusses  der  md. 
literatui'spraclie  sind  zwar  auch  in  die  oberdeutsche  Schrift- 
sprache viele  umgelautete  formen  eingedrungen;  aber  daneben 
erscheinen  im  18.  jh.  noch  oft  die  specifisch  obd.  ohne  umlaut. 
So  hat  auch  Schiller  neben  den  unumgelauteten  formen  stets 
die  schriftsprachlichen  um  gelauteten. 

u  vor  cJc  (Schiller  k),  vgl.  Kauf f mann  s.  149.  151. 

Mucken  2, 259,  IG  M;  im  reim  2, 154, 15;  Mächen  2,  95,  8.  1,  202,  25; 
vgl.  Spr.  1,  69  Mücke,  Mucke.  —  rukwürts  1, 172,  8  im  originaldruck,  ebenso 
1,172,15  Ruksicht.'')  Die  beiden  formen  scheinen  von  Gödeke  als  druck- 
fehler  aufgefasst  zu  sein;  das  sind  sie  aber  wol  nicht;  denn  sie  sind  bei 
schwäbischen  Schriftstellern  zu  belegen:  Ruksicht  S'pr.  1,207.  280,  ruckenfrei 
SO.  209;  —  ziu-uckbehendS.  2,  328,7  auflagen  A  und  B,  von  Gödeke  ebenfalls 
als  druckfehler  betrachtet,  hmterrid-^  2,  79, 15,  hinterrücks  2,  277,28.  189,  15. 
292,  21.  —  drucken  (=  drücken)  2,  287,  22  M.  215,  21  M,  zudrücken  2,  821, 18  M, 
cimjcdrukt  1,  208.  78,  zusammendrucken  2,  78,  5,  ausdruken  1,  158,  29  im 
originaldruck;  —  daneben  driiken  1,76,30  etc.;  —  bei  andern  Schwaben: 
drucken  Si.  154,  drukend  Schw.  m.  1778,  975,  ausgedruckt  Schw.  ni.  1776, 
850.  1779,  593,  ausdrucken  Schw.  m.  1780,  86,  unterdrücken  Schw.  m.  1780, 
537,  verdruckt  Schw.  m.  1775,  555,  ausdruken  Schw.  m.  1775.  443.  —  der 
den  Sühcl  zuktc  2,  172,  2.  2,  312,  9  A  und  M,  die  Achsel  zucken  2,  63;  in 
letzterem  fall  hat  auch  die  neuhochdeutsche  Schriftsprache  die  umlautlose, 
dh.  oberdeutsche  form  für  das  transitive  verbum  angenommen,  während  sie 
diese  sonst  auf  die  intransitiven  Verwendungen  des  verbs  beschränkt  und 
für  die  transitive  die  md.  form  zücken  angenommen  hat.  Bei  drücken 
hat  die  Schriftsprache  die  umlautlose  form  auf  eine  besondere  art  des 
drückens  eingeschränkt,  die  von  Oberdeutschlaud  ausgieng.^)  Zu  zucken 
vgl.  der  gezuckte  Dolch  SchAv.  m.  1779,  457.  —  Schw.  ra.  177(),  172:  'man  weifs, 
dafs  Nordteutschland  in  gar  vielen  Wörtern  aus  der  Südteutschen  u  ein  ü 
macht;    Bücken,  Mucke,   Brücke,  Stuck,  Lücke,  drucken  heilst   bei  ihnen 


')  Dieses  aus  Mitteldeutschland  importierte  wort  hat  sich  also  dem  obd. 
lautstand  anbequemt. 

^)  Aus  späterer  zeit :  zurück  S.  3,  311, 15,  gezuckte  Schwerter  S.  7, 175, 18, 
zuckt  das  Schwert  S.  13,  279  (J.  v.  Orl.),  zuckt  den  Dolch  S.  13,  330.  S.  15^  307, 
zuckte  den  Dolch  S.  13,  344  (Tur.),  —  zückte  das  Schn-ert  S.  6, 133.  354.  13,  43, 
Finger,  welche  drucken  S.  6, 30,  79.  Ein  intrans.  zücken  findet  sich  bei 
Schubart:  grab  da,  ivo  die  Wünsehelrulhc  zückt  SO.  20. 


296  PFLEIDERER 

Eiickcn,  Muclr.  Briiclc  etc.'   —  Pagcg-cn  liat  Schiller  nur  Lücke  2,  233,  3, 
Bücken  u.s.w. 

Dagegen  finden  sich  einige  in  der  heutigen  Schriftsprache  nicht  um- 
gelautete  formen  hei  Schiller  mit  umlaut:  jiiken  und  spuken.  Von  diesen 
ist  jiiken  eine  hei  Luther  übliche  form:  Schiller  kann  sie  also  daher  ent- 
lehnt haben,  oder  ist  sie  einfach  durch  den  einfluss  der  Schriftsprache  zu 
erklären,  da  sie  hei  Schriftstellern  des  IS.jh.'s  noch  öfters  vorkommt  (vgl. 
Paul.Wb.):  dagegen  ist  das  aus  dem  niederdeutschen  mit  niederdeutschem 
lautstand  (k  statt  hd.  ch)  entlehnte  spuken  sonst  weniger  häufig  mit  umlaut 
im  18.  jh.  und  hat  jetzt  den  umlaut  ganz  unterdrückt  (vgl.  Heyne,  Wb.) ; 
spukte  1,207,37,  wo's  Ihro  Gnaden  spuke  1,  251, 26,  jüA-i  1,255,14:0. 

u  vor  tz  (s),  vgl.  Kauffmann  s.  149. 

Die  umlautlose  form  nuzen  ist  beim  jungen  Schiller  die  regelmässige : 
benuzen  Br.  43, 14,  heniizte  2,  355, 18.  359,  28,  heniizt  2,  8,  4,  etwas  nuzen  = 
ausnützen  Br.  61 ,  9.  S.  2,  92, 15.  258,  9 ;  daneben  etwas  nuzen  =  ausnützen  Br. 
36,  3. ')  —  Ebenso  bei  den  Schwaben :  henüzen  SO.  98  u.  a.,  Benuzung  SO.  176, 
nuzen  trans.  Si.  125. 

u  vor  pf. 

Schiller  hat  meist  die  umgelauteten  formen:  ühei-hüpft  2, 36i,  12, 
schliipft  2,  364. 15,  geschlüpft  1, 107,  33,  hüpft  1, 107,  35.  2,  284, 1.  1,  46, 16, 
durchhüpfte  2,  297, 1,  aber  auch  üherhupft  2,  233,  2  M,  hupt  (Schreibfehler 
für  hupft)  2,  247,  4  anm.  M. 

Die  nhd.  Schriftsprache  hat  durchgehends  die  miumgelau- 
teteii  formen  angenommen  vor  Id  und  It  (vgl.  Paul,  Mhd.  gr. 
§  40,  anm.  5.  Bahder  s.  199);  z.  b.  schuldig.  Schwankend  ist  ihr 
verhalten  bei  der  Stellung  des  u  vor  nasal  +  cons.,  wo  im 
obd.  das  fehlen  des  umlauts  wenigstens  das  regelmässige  ist. 
Luther  hat  oft  die  umlautformen,  wo  wir  sie  nicht  mehr  haben 
(vgl.  Bahder  s.  208),  und  so  sind  wol  folgende  formen  bei  Schiller 
(bez.  M)  auf  den  einfluss  der  bibelsprache  zurückzuführen : 

unschuldig  2,  228,  3  M,  hungrig  2,  258,  27  M  {khungrig),  tausendpfündig 
2,324,  7  A  und  M,  neben  tausendpfundig  1,  342,  56,  vergüldet^)  1,215,23  h 
(nach  einer  handschrift  von  Schillers  Schwester  Christophine),  Bothgüldenerz 
1,255,145.  Noch  Adelung  führt  gülden  als  besonderes  wort  neben  gülden 
an,  doch  mit  der  bemerkung,  es  sei  'nur  eine  veränderte  ausspräche  von 
gulden\  —  Vergülden  ST.  26.  SG.  2,  281.  Schw.  m.  1775,  432.  Die  form  ver- 
goldet 1,28,29,  die  nur  in  dem  starken  einfluss  von  Haller  verratenden 
gedieht   'Der  abend'    (vgl.  Minor,  Schiller  s.  148.    Boxberger,   Schiller  und 


')  Auch  später  ist  nutzen  das  regelmässige :  benutzen  S.  3,  229,  6.  577, 25. 
4,  80,  5.  6,  53,  32.  252,  27.  7,  5, 12.  33,  6,  stets  in  S.  8.  Br.  1,  78.  370  u.  a., 
etwas  nutzen  zu  S.  6,  47, 10.  53,  28.  9,  401,  3,  nützen  S.  7, 17,  2.  8,  231,  hat 
mir  genuzt  Br.  1, 146,  2,  es  kann  nutzen  wenn  Br.  1,  273. 

^)  Zum  adj.  gülden  —  gülden. 


SPRACHE  DES  JUNGEN   SCHIIJ.ER.  297 

Haller  s.  4)  vorkommt,  ist  direct  aus  Hallers  spräche  eutuommen,  der  dieses 
ö  in  seinen  gedichten  bis  zur  ausgäbe  von  1751  stehen  hat  (vgl.  Käsliu, 
Haller  s.  29  und  41) ,  es  aber  später  in  ü  umändert.  Die  jetzt  üblielien 
formen  golden,  vergolden  sind  im  18.  jh.  in  anlehnnng  an  das  subst.  Gold 
nengebildet  worden,  während  die  lautgesetzlichen  formen  gülden  bez. 
ffi'dden  sind.') 

Der  Umlaut  von  mlid.  ü,  uo,  ou  wird  obd.  durch  folgenden 
labialen  consonanten  verhindert  (vgl.  Paul,  Mhd.  gr.  §  40,  anm.  6). 

Daher  bei  Schiller  die  formen  Etibe  2, 155, 10  (in  allen  ausgaben  bis 
1799),  betäubt  2,  324, 16  M,  gläubig  2,  G3, 17.  243,  23  A,  Ungläubige  1, 108, 13, 
leichtgläubig  2,  291,  29  M  und  A,  Leichtgläubigkeit  2, 163,  2  in  den  ausgaben 
von  1772—1787 ;  daneben  auch  die  aus  Luthers  spräche  und  der  kirchlichen 
spräche  überhaupt  in  Schwaben  halbmundartlich  ebenso  üblich  gewordene 
form  (//äw&/(7  2,  243,  23  M,  Leichigläuhig];cit  2,\m,2.  Fulda  führt  GR.  81 
gläubig  unter  den  adj.  auf  -///  an,  die  'ordentlicher  weise'  ihren  vocal 
nicht  ändern.  Aus  Schubart  uud  Miller  lässt  sich  auch  jede  der  beiden 
formen  belegen,  doch  ist  die  umlautlose  häutiger:  gla  üb  ig  SG.  60.  ST.  53,  6, 
rechtgkmbig  Si.b2,  leicMglaubig  Si.  156.  SO.  98;  ungläubig  Si.  2.  217,  Leicht- 
gläubig SO.  34.  Si.271.'») 

In  einigen  fällen,  in  denen  im  mhd.  formen  mit  und  ohne 
Umlaut  vorlagen,  hat  die  Schriftsprache  durch  dialektische  ein- 
flüsse  sich  für  die  umlautlosen  entschieden,  so  dass  die  um- 
gelauteten  mundartlichen  beigeschmack  haben. 

Schwatzen  (mhd.  sioetzen  und  swatzen)  ist  jetzt  die  schriftsprachliclie 
form,  daneben  schwätzen  nur  noch  dialektisch,  z.  b.  schwäbisch  (vgl.  Kauff- 
mann  s.  148).  Schiller:  schwäz  doch  2,90, 2\,  verschwäzt2,'Sö\,2(S,  schwäzt 
ihr  2, 145, 12,  geschwäzt  2,  73,  5.  251,  23  A  und  M,  beschiväzen  2, 123, 15.  Von 
andern  schwäbischen  autoren  brauche  ich  hier  wol  keine  belege  beizu- 
bringen, da  schivätzen  ganz  allgemein  gebraucht  wird."*)  —  Abzapfen  in  ab- 
gezäpfet  1,251,19;  vgl.  mhd.  zepfen  neben  zapfen,  das  die  grundlage  für 
nhd.  zapfen  bildet. 

Bemerkenswert  ist  auch  der  umlaut  in  Kameradinnen  2, 344, 25,  da 
in  der  Schriftsprache  das  wort  ohne  umlaut  el)enso  gut  möglich  ist,  während 

1)  PI.  Gülden  8.6,290,21,  gülden  S.  13, 165  (Wall.),  gidden  S.  12, 17. 

2)  In  späterer  zeit:  IJnglänbige  ^.  Z,212,n.  4,163,2.  7,  29,  25  u.  a., 
leichtgläubig  S.  4, 132, 13;  —  Ungläubige  S.  4,  259,  anm.,  niiglauhig  S.  9,  396,  2. 
15S  139,  glaubig  S.  11,  294,  51.  384,  65. 

^)  In  den  belegen  von  schwäzen  aus  den  Räubern  1781  (Metzler)  bleibt 
die  form  mit  ü  gewöhnlich  in  allen  ausgaben  bis  1812.  Sonst  sind  die 
belege  für  ä  iu  späterer  zeit  spärlicli:  schwäzt  S.  3, 152,  9,  beschwäzen  S. 
3,  91, 10.  93,  2;  gegen  diese  3  fälle  mit  ä  habe  ich  mir  aus  S.  3  mit  a  14  fälle 
notiert;  geschivazt  z.  b.  auch  Br.  1,361;  später  erscheinen  dann  nur  noch 
o -formen:  schwatzen  S.  12,528,  beschwatzen  S.  12,527,  verschwatzen  S. 
6, 130  etc. 


298  PFLEIDERER 

unsere  muudart  es  uiir  mit  umlaut  kennt.  —  Neben  dem  jetzt  üblichen 
duften  ist  nocli  im  altern  nhd.  däftcn  nicht  nngewöhnlich;  Uz,  Wieland, 
Kleist  u.  a.  (DWb.)  verwenden  es  auch  ausserhalb  des  reims.  Schiller  hat 
neben  dufteten  2, 293,  22  —  duftet  1, 241, 136.  297,  87,  au  letzterer  stelle  im 
reim;  er  mag  die  form  avoI  aus  der  lectüre  von  Uz,  Wieland  und  Kleist 
kennen,  die  er  sehr  hoch  schätzte  (vgl.  S.  2,  386,  5')).  Düften  findet  sich 
übrigens  auch  sonst  bei  Schwaben :  duftete  Si.  2,  357.  1, 15.  104.  SG.  2, 107, 
duften  Si.2i6,'  duftend  SG.2, 110.  Schw.  m.  1779,  393,  neben  duften  Si.  133 
u.  a.  —  Im  mhd.  standen  tuften  und  tüften  neben  einander.  ^) 

Im  obd.  fehlt  der  umlaut  bei  Gequake.  Schiller  hat  Froschgeqiiüke 
2,  377, 27,  Gequäke  belegt  das  DWb.  auch  bei  Wieland  und  Schlegel. 

Den  schwäbischen  umlaut  in  Urehni  A.  f.  lit.-gesch.  9,  282  führt  Kauff- 
mann  s.  1-48  auf  ehemalige  koseform  mit  dem  deminutiv  -i  zurück;  die  form 
ist,  wie  das  auslautende  -/  zeigt,  alemannisch. 

Gegenüber  den  schriftdeutsclieu  Wörtern  mit  umlaut  finden 
sich  bei  Schiller  dann  noch  umlautlos: 

Pachter  2,  228  M  anm.,  Haz  2,95,11.  80,  10;  bei  beiden  ist  die  form 
mit  umlaut  die  jüngere,  die  die  ältere  jetzt  unterdrückt  hat;  Hatz  ist  als 
oberdeutsch  noch  besonders  gekennzeichnet  durch  den  abfall  des  -e  in  hatze. 
Adelung  nennt  hatz  oberdeutsch.  —  Sonstige  belege  sind  für  Pachter  SO. 
231.  181.  Schw.  m.  1780,  402;  stets  bei  Haller,  vgl.  Käslin  s.  53;  auch  vom 
jungen  Goethe  verwendet  s.  ebenda;  für  Haz  Spr.  1,  64.  SO.  73.^) 

Sich  schämen  2, 144,  8  A  ist  wol  druckfehler;  die  umlautlose  form  ist 
specifisch  alemannisch.  ^) 

Dursten  1,228,75  kann  auch  druckfehler  sein;  doch  kommt  die  form 
auch  sonst  im  altern  nhd.  (mhd.  dursten  und  dursten)  noch  vor;  so  bei 
Goethe  (DWb.).  Adelung  hält  dursten  für  'weniger  angemessen  der  höhern 
Schreibart'  als  dürsten.^) 

Hier  lässt  sich  vielleicht  frohnen  noch  behandeln.  Frohnen,  mhd. 
crönen-imä  vrcenen,  ist  in  der  modernen  spräche  neben  frohnen  etwas 
zurückgetreten,  ist  aber  die  schwäb.  form  des  Wortes.  Schiller  hat  nur 
frohnen  1,  207,  31.  278,  23.  298,  96.  314,  30.  2,  349,  31.  Fulda,  GR.  96  spricht 
zwar  nur  von  frönen;  aber  auch  in  der  übrigen  schwäb.  literatur  der  zeit 
finde  ich  meist  frohnen,  z.  b.  ST.  90,  3.  Schw.  m.  1775,  710.  1779,  456. 


1)  Zu  Schillers  Verhältnis  zu  Wielaud  vgl.  noch  speciell  Minor,  Schiller 
s.  169,  sowie  S.  1,  243, 19  komm  linker  mann!  ich  küsse  dich! 

2)  Später  begegnet  noch  duftet  S.  6,  30,  59,  verduftet  S.  11,  376, 22. 

3)  Pac/t/e>- noch  S.  6,  291,  9.  Br.  1,294.  S.  11, 19, 15.  1^,147,3,  Pac/j^enn 
Br.  1, 127,  Haz  S.  3, 144,  5,  Bärenhaz  S.  3,  394,  2. 

*)  Auch  untertlianig  Br.  1,  31, 18  ist  jedenfalls  Schreibfehler.  Das  wort 
kommt  in  den  briefen  an  Dalberg  u.  a.  ziemlich  oft  vor,  lautet  aber  sonst 
stets  unterthäniij,  vgl.  Br.  1,  31.  37  u.  a. 

'■>)  Ohne  umlaut  finde  ich  später  nur  noch  durslend  S.  13, 261. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  299 

II  —  0. 

Neben  Trotz  (iroz  2,  242, 16,  Eiesenfroz  2,  183,  17)  findet  sich  bei 
Schiller  die  anf  mlid.  trutz  beruhende,  von  den  dichtem  bis  in  die  neueste 
zeit  herein  gebrauchte  form  Trutz  2,  50,  24:,  truz2,tö,2.  62,5.  133,12;  vgl. 
trtitzen  Schw.  m.  1775,  432.  1775,  710,  Trutz  Schw.  m.  1780,  428. 

In  luker  2, 144, 15  haben  wir  wol  eine  contaniiuation  des  erst  uhd.  auf- 
tretenden locker  und  des  dasselbe  ersetzenden  oberdeutschen  lucke,  luck  (vgl. 
Kauffniann  s.  149).    Ebenso  lucker  SO.  131. 

ScJmiarozen  2,  351, 24  weist  erst  in  späteren  auflagen  (von  1S12  an) 
schmaruzen  auf,  fällt  daher  ausser  betracht.^) 

Grosse  Verwirrung*  herscht  bei  oJm.  Olmgefähr  ist  zu- 
sammengewachsen aus  mild,  äne  gevcere;  Ohnmacht  ist  ent- 
standen aus  mild,  ämaht  mit  secundärer  anlelmung-  an  ohne; 
durcli  anlehnung  an  ohne  sind  auch  Schreibungen  wie  ohn- 
möglich,  ohnstreitig  u.s.w.  zu  erklären,  was  bei  Schwaben  be- 
sonders entschuldbar  ist,  da  die  laute  un  und  on  scliwäb.  zu- 
sammengefallen sind,  vgl.  s.  303, 3. 

Bei  Schiller  bez.  seinen  drucken  ist  in  allen  fällen  bald  ohn-,  bald 
MH- geschrieben:  okngefähr  1,87,3.  158,19. 146.  2,354,13,  o/t» r/f/V/«;- 1,193,198. 
2,3,20,  —  ungefähr  2,  V3Ö, 21,  ungefehr  2,287, 21  AundM,  von  ungefehr  2,95,23. 
259,23;  0/mwae/jf  2,  310,  21.  1, 170, 17,  —  Unmacht  2,170,7,  ohnmächtig 
2,  332,  7.  308,  25.  315, 17,  —  unmächtig  2, 168,  6.  177,  5;  unmöglich  1, 171,  31. 
Br.  63,  Unmöglichkeit  1,170,3-1,  —  ohnmöglich  B.a,ng,  Z.  i(33;  ohnerachtet 
2,  375, 14.  ohnstreitig  1, 113,  33.  Br.  54,  29.  25,  21. 

Formen  von  dürfen. 
Die  Schwab,  form  dieses  verbs  ist  cl^rfo  (vgl.  Kauffniann 
s.  148).  Die  form  wird  von  den  Schwaben  oft  mit  dürfen 
transcribiert,  so  Fulda,  Spr.  1, 188  und  meistens;  auch  Antesperg 
(Socin  s.  433)  hatte  i.  j.  1747  du  darfst  in  seine  grammatik  auf- 
genommen. Schiller  verwendet  nie  ä,  aber  neben  dem  der 
Schriftsprache  durch  Luthers  vorbild  eigen  gewordenen  dürfen 
schreibt  er  meist  dörfen.  Diese  form  ist  in  der  schwäb.  lite- 
ratur  jener  zeit  die  regelmässige;  vgl.  Fulda,  GR.  93  tvir  dörfen, 
imp.  durfte,  conj.  ich  dörfe,  imp.  ich  dürfte,  dörfte;  dörfen,  ge- 
dörft.  —  Spr,  1, 108  'Einige  sagen  dörfen,  ...  dörfte.' 

Schiller:  dörfen  Br.  39,  5.  48,4.  S.  1,  357, 10.  2, 139, 11.  94  etc.,  dörffen 
2, 155, 11.  1, 166,  27.  139,  7,  dörfte  1,  91.  167.  172.  2,  274.  Br.  37, 14  etc., 
dörffte  1, 114,  27,  dörften  2,  371,  24.  1,  270,  83.  Haug,  Z.  467,  dörffe  1, 112,  27, 


1)   Ausserdem  noch   schmarutzen  S.  2,351,24  in  K  (1812),   k  (1819), 
V  (1835)  und  q  (1840);  sonst  nur  in  Schmarutzer  S.  12,  71.  15»,  264. 


300  PFLEIDERER 

ihr  dörft  2,15,24:  —  diirfcu  2,43,8,  dio-ftc  1,169,13,  hedarifen  1,172,27. 
—  In  der  dissertation  stehen  6  formen  mit  ö  gegen  3  mit  ü  (durfte  1, 152). 
Die  briefe  an  Dalberg  haben  3  dörfen  (Br.  39.  45.  65)  nnd  3  dörfte  (Br.  37. 
37.  43),  dagegen  kein  it.  Ueber  das  Verhältnis  dieser  formen  znm  schrift- 
sprachlichen gebrauch  vgl.  Adelung,  "\Vb. :  'In  den  meisten  oberdeutschen 
gegeuden  —  dörfen  etc.  . . .  Ein  seltsamer  einfall  war  es  wohl,  als  sich 
jemand  einfallen  liel's,  diese  abwandelung  auch  in  das  hochdeutsche  einzu- 
führen. ' 

Zu  den  reimen. 

Wie  die  spräche  des  jungen  Schiller  überhaupt  nach  ge- 
sichtsi)unkten  der  schwäb.  grammatik  beurteilt  werden  muss, 
so  besonders  in  bezug  auf  seine  reime,  (iodeke  hat  S.  1,384  ff. 
ein  grosses  Sündenregister  von  'unreinen  reimen'  aufgestellt; 
auch  anderwärts  hat  Schiller  sich  noch  viel  wegen  dieser 
'Unregelmässigkeiten'  gefallen  lassen  müssen  (vgl.  Belling,  Die 
nietrik  Schillers  1883,  s.  30  ff.).  Weltrich  1,  551  ff.  behandelt 
die  reime  eingehender  und  weist  darauf  hin,  wie  auch  andere 
dichter,  'deren  lautsinn  oder  poetisches  gehör  die  empfindlichste 
besaitung  zeigt',  nicht  immer  ganz  rein  reimen,  andererseits 
Scliillers  reimbehandlung  vom  Standpunkt  des  schwäb.  aus  be- 
urteilt werden  muss.i) 

Tun  wir  das  (und  das  müssen  wir,  wie  diese  ganze  ab- 
handlung  zeigen  will),  so  bleibt  von  Gödekes  Sündenregister 
nicht  mehr  viel  übrig.  2) 

Die  qualität  der  vocale. 
Schwäbisch  rein  sind  sämmtliche  reime  von  ö  :  e,  ü  :  i,  da 
ö  und  ü  im  schwäbischen  durchaus  zu  e  und  -/  entrundet  sind 
(ö  :  e  vgl.  Bohn.  §  52;  ü  :  i  vgl.  Bohn.  §  68).  Also  sind  die  fälle 
von  e  :  ö,  e  :  ce,  i  :  ü,  i  :  ü  S.  1,  385  f.  schwäbisch  correct,  ebenso 
y  -.i,  y  :  ü  (über  einige  unreine  reime  e  :  ö  vgl.  s.  305).  Hierher 
gehört  auch  die  Schreibung  adie  2, 244, 9  M.  Abgesehen  von 
diesen  finden  sich  die  meisten  'unreinen  reime'  in  der  Stellung 
der  vocale  vor  nasal.    Besonders  diese  reime  pflegen  falsch 

')  Dassell)e  gilt  auch  noch  von  Jlörikes  reimen;  man  vergleiche  darüber 
Ed.  Mörike,  sein  leben  und  dichten,  von  Harry  Maync,  .Stuttgart  und  Berlin 
1902,  s.  254,  wo  nachgewiesen  wird,  dass  reime  wie  verzeihe  :  Treue,  Borde 
:  Pforte,  Felsen  :  tväUen  'in  ziemliclier  menge'  l)ei  Mörike  sich  finden. 

'■")  Bezüglicli  der  scliwäbischen  reime  Schillers  in  seiner  nachschwä- 
bischen zeit  verweise  ich  auf  den  'Anhang'  am  Schlüsse  der  lautlehre. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  3Ö1 

beuiteilt  zu  werden;  man  hat  ihnen  sogar  den  Charakter  von 
reimen  schon  abgesprochen  und  sie  als  assonanzen  erklären 
wollen  (vgl.  Belling,  Metrik  Schillers  s.  35.  anm.). 

Es  sind  dreierlei  fälle  zu  unterscheiden: 

1)  Die  ausspräche  e  (und  zwar  in  allen  fällen  geschlossen, 
da  es  im  schwäbischen  vor  nasalen  nur  geschlossene  e- laute 
gibt)  liegt  gemäss  den  lautgesetzen  des  schwäbischen  zu  gründe 
in  folgenden  hd.  lautgruppen  (näheres  darüber  s.  in  den  in 
klammern  beigefügten  §§  aus  Bohnenbergers  behandlung  des 
Schwab,  vocalismus):  a"*«-  =  f  (§  28),  e'^''«-  =  e  (§  24),  /"='«•  =  S 
(§  36),  ie""^'-  =  e  (§  84),  ö"^^-  =  S  (§  ^2  und  24),  «P^^-  =  f  (§  68 
und  36),  we"*«-  =  e  (§  104). 

Darnach  sind  hinsichtlich  der  qualität  der  vocale  schwäbisch 
rein  folgende  reime: 

an  :  en:  Gängeln  :  Engeln  1,  223.  —  (in  :  nn:  Gränze  :  Münze  1,  343, 
Thräne  :  Bühne  4, 237.  —  an  :  in:  geringe  :  Gesänge  1, 27,  Springer  :  Sänger 
1,  245,  hlinzen  :  scharwänzen  1, 188,  hinken  :  Bänken  1,255  etc.,  vgl.  S.  1, 387 
unter  in  :  an.  —  an  :  ien:  Miene  :  Thräne  1, 186  (Gödeke  citiert  noch  zwei 
beispiele  aus  Stäudlins  Musenalm.).  —  um:  im:  schimmert :  dämmert  1,28, 
wimmert  :  dämmert  1,295.  —  an  :  ön:  Thräne  :  Söhne  1,222,  Thräne  :  Ge- 
tane 1,46,  Thränen  :  Tonen  1,262. 

Dazu  beispiele  aus  Scbubartu.a. >):  an  :  in:  überwinden  :  Händen 

ST.  50,  9,  empfinden  :  Händen  SG.  283,  glänzen  :  Provinzen  SG.  2, 227, 

hängt  :  ringt  ST.  34,   Todesängsten  :  Geringsten  ST.  125, 10,   Sänger  : 

Finger  SG.  2, 113.  206,  Sänger  :  Vollbringer  Schw.  m.  1777,  56,  finden  : 

Händen  Schw.  m.  1775,  711,  verschwinden  :  Händen  Scbw.m.  1779,  455. 

—    ä)i  :  ien:    Mienen  :  Thränen  :  ilinen  ST.  57,  4,    Mienen  :  Thränen 

Schw.  ra.  1779,  458.   —   an  :  ön:   Thränen  :  Schönen  SG.  226.  419, 

Thräne  :  Töne  SG.  2,234,  Söhne  :  Thräne  SG.  293,  König  :  unterthänig 

Schw.  m.  1776,  336. 

en  :  ün:  Menschen  :  Wünschen  1,107,  Scene  :  Bühne  1,250.  298 (Gödeke 

dazu:  Schw.  m.  1780,  367).  —  ewi  :  am:  Diademen  :  rühmen  1,  341,  nehmen  : 

>v//(Wie>i  1,  213.     —    em  :  am:    schwemmt  :  strömt  i,öO,    Systemen  :  strömen 

1,285.  —  en  :  ön:  Scene  :  Schöne  1,308,  gehn  :  schön  1,271,  Scene  :  Söhne 

1,  51,  ivenig  :  König  1,  207.  —  en  :  in:  Kind  :  brennt  1,  259,  sind  :  Begiment 

1,  354,  Wind  :  brennt  1,  224,  finden  :  wenden  1,  305  etc.;  vgl.  S.  1,  387  unter 

in:en.    —    en  :  in:    Fürstin  :  dürsten  1,  239,    Göttin  :  hätten  1,2^6,   hin: 

Seufzergen  1,  293.  294.  —  'in  :  en:  Königin  :  gehn  1,  219. 

')  Belling-,  Metrik  s.  36  sagt,  derartige  'fehlerhafte"  reime  kommen 
weniger  bei  Schubart  vor.  Dalier  füge  ich  bei  den  meisten  erscheiuungeu 
beispiele  aus  Schubart  hinzu,  um  zu  zeigen,  dass  tatsächlich  dieser,  der 
bedeutendste  dichter  in  Schwaben  neben  Schiller,  ebenso  reimte. 


302  PFLEIDERER 

Beispiele  ans  Sohnbart  u.a.:   en:  ün:   liihn  :  Tj/h?en  ST.  62,  4, 

Sccne  :  Bühne  oft  im  Sehw.  m.,  nennt :  angezmidt  Schw.  m.  1775,  709.  — 

en  :  in:  dringt :  vermengt  ST.  34,  5,  schenken  :  trinken  ST.  22,7,  sind  : 

brennt  ST.  104,  7,  sind  :  nennt  ST.  135,  5,  verschwindet :  blendet  Schw. 

m.  1779,453,  denken  :  versinken  Schw.m.  1775,  707,  blendet: verschwindet 

Schw.  m.  1775,  709,  brennt :  sind  Schw.m.  1777,55,  denkt :  trinkt  Schw. 

m.  1780,  367. 

in  :  ö  n:  empfinden  :  könnten  1,48,  Seraphinen  :  Tönen  1,359.  —  in :  ün, 

im  :  um,   in  :  ühn   fallen  ausserdem  unter  /:  ü;   vgl.  s.  300.  —  ien  :  ön: 

Miene  :  Schöne,    Mienen  :  Schönen    1,  249.     —    im  :  am:     sclnvimnien  : 

strömen  1,  29. 

Beispiele  ans  Schubart  u.a.:  in  :  ön:  Minen  :  versöhnen  ST.  88, 2, 
verdient :  versöhnt  SG.  167,  Söhne  :  diene  Schw.  m.  1775,  889,  tönen  : 
Katharinen Schw.  m.  1777, 55 ;  weitere  beispiele  in  S.  1, 387  unter  icfi :  oen. 

Vgl.  dazu  Nast,  Spr.  2, 47:  'meine  landsleüte  sprechen'  * 
'  vor  dem  m  und  n  zu  nachläsig  aus,  so  das  es  mer  einem  e  als  * 
gleicht:  schivimmen,  sinnen^  singen  wie  schioemmen,  sennen, 
sengen!  Schillers  mutter  schreibt  in  briefen  nach  dem  gehör : 
ich  ben  (=  hin,  vg^l.  S.  1, 382)  und  Fene  (=  Christophine,  vg"l.  Welt- 
rich  1,  555).  Nast  verlangt  Spr.  1,  43  die  Schreibungen  FenseU) 
und  Lämmel  'alii  LiimmeV  entsprechend  den  schwäb.  lauten. 

Von  Schiller  bez.  seinen  drucken  und  Schreibern  gehören  hierher  die 
Schreibungen:  Erennys  1,  222,  54  im  originaldi'uck,  gegen  Erinnys  1,  227,  99, 
Eiibins  1,  35,  2  =  Eubens,  2.  pl.  imp.  nimmt  2,  144,  15.  177,  15.  203, 6,  ■') 
schminkt  2,  268, 18  M  (A  sclmenkt),  Moor  in  den  Anblick  verschwimmt  2,116,1, 
gegen  iierschtvemmt  2,  272,  Stünkereyen  2,  226,  6  M,  Stinkereyen  A,  rennt 
2,  231,  13  M,  rinnt  A,  o  dafs  sie  verblendeten,  diese  Augen  2,  295,  26  M, 
rcrblindeten  A.  Ebenso  ich  versenk'  intr.  SG.  221,  Mennesinger  in  Haus- 
leutners  Schwäb.  archiv  1793,  250. 

Dass  diese  ausspräche  e  der  genannten  gTuppen  auch  in 
der  halbmundart  gebildeter  Schwaben  nichts  ungewohntes  ist, 
hat  Weltrich  1, 555  mit  einem  beispiel  aus  seiner  eigenen  er- 
fahrung  illustriert.  Vgl.  ausserdem  Vischer^'):  'für  richtige 
ausspräche  gilt  die  regel,  der  Versuchung  zum  näseln  zu  wider- 
stehen bei  den  vocalen  i  und  u\  der  Schwabe  aber  widersteht 
ihr  niclit  und  so  spricht  er  (eben  also  auch,  wo  er  hochdeutsch 
sprechen  will)  hen  für  hin^  etc. 


*)  Damit  trifft  er  zufällig  die  etymologisch  richtige  form,  vgl.  mhd. 
pensei,  bensei  aus  penicillus. 

■■')  Vgl.  dazu  J.Meyer,  Neue  beitrage  zur  feststellung,  Verbesserung 
und  Vermehrung  des  Schillerschen  textes,  1860,  s.  10  f. 

*)  Fr.  Th.  Vischer,  Nicht  la,  anm.  zur  spräche  s.  95. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  303 

2)  Die  ausspräche  ne  liegt  zu  gründe  in  folgenden  laut- 
gruppen:  ««""^  e«""^-  (Bohn.  §  40;  «?""«•  entwickelt  sich  in  der 
mundart  zu  ö^,  öä  §  76,  geht  aber  in  der  halbmundart  mit  e2'"'- 
zusammen),  eu,  a«<°^«-  (Bohn.  §  90). 

Also  sind  schwäbisch  reine  reime: 

ain  :  ein:  Haine  :  kleine  1,294,  Hainen  :  ficheineu  1,  lOG.  —  ein  :  etm: 
weint  :  Fretind  1,  öO.SiG,  kleine  :  Äeitne  l,2ii:.  —  dum  :  eim:  Schäume: 
Keime  1,  297,  Träume  :  Keime  1,  22G,  träumen  :  reimen  1,  182,  träumet  : 
reimet  1,  221. 

So  in  Scliubart:  Freund  :  geiveint  SG.2,218,  Freund :  Feind  SG.  40, 
Hain  :  drein  SG.  28  etc. 

Diese  reime  sind  bezüglicli  des  lauts  selbst  für  gramma- 
tiker  in  Schwaben  rein,  vgl.  Schw.  m.  1777,  577 :  Weint :  Freund 
reimt  wohl  im  ohr,  aber  sonst  nicht.' 

3)  Eine  weitere  dem  scliwäb.  eigentümliche  Wirkung  des 
nasals  ist  der  wandel  von  u""''^-  zu  o  (Bohn.  §  60).  So  wird 
im  Schwab,  schon  seit  alters  gereimt,  vgl.  Bohn.  §  59  und  62. 
Ebenso  wird  mhd.  uo'"'-'-  (nhd.  ä)  im  schwäb.  ö  gesprochen. 
Daher  sind  schwäb.  correct  die  reime: 

om  :  um:  Strom  :  Elysitim  1,  28.  255,  kommen  :  hrummen  1,  270,  Fan- 
tomen :  Blumen  1,259,  ko7nm:  herum  1,353.  —  on:un:  Ton  :  nun  1,217, 
davon:  nun  1,257,  Mond  :  rund  1,353,  Monde  :  Sekunde  1,225,  Monde  : 
Bunde  1,  181,  umsonst  :  Brunst  1,  278,  Lohn  :  nun  1,  130,  Willkomm  : 
herum  1, 353. 

Beispiele  aus  sclnvlib.  autoreii  der  zeit  s.  S.  1,388:  dazu  uocli  um- 
sonst :  Dunst  Schw.  in.  1775,  790. 

Ausserhalb  der  Stellung  vor  nasalen  reimen  im 
schwäb.  ei{ai)  :  eu  (äu)  in  folgenden  fällen:  nhd.  ci :  eu,  im  = 
mhd.  t :  ia,  da  mhd.  i  und  iu  im  schwäb.  zusammenfallen  (Bohn. 
§  72)  in  3/;  ferner  nhd.  ei  {ai)  :  eu  ^  mhd.  ei  :  öu,  da  mhd.  ei 
und  üu  (in  folge  der  entrundung,  wie  bei  i  und  in)  im  schwäb. 
zusammenfallen  (Bohn.  §  96)  in  ae. 

Abgesehen  von  fällen  wie  Gemäuer  :  Geheuer  1,  222,  deren 
aufnähme  in  Gödekes  liste  unreiner  reime  jeglichen  grundes 
entbehrt,  sind  daher  schwäb.  correcte  reime: 

licichen  :  Seuchen  1,221  (mhd.  /  :  iu);  Leier  :  Feuer  1,246,  Buhle- 
reien :  getreuen  1,  278,  verziceifeln  :  beteuf  ein  1,  270,  steigt  :  fleugt  1, 179, 
schweigen  :  zeugen  1,  48,  sehiceigen  :  beugen  1,  328  etc.;  vgl.  S.  1,  38G  obeu. 
—  Serail:  Heil  1,188,  Waise  :  Beise  1,131  und  ähnliche  reimen  selbstver- 
ständlich, da  mhd  ei  :  ei.   —  Waide  :  Freude  1,4  (mhd.  ei :  öu),   Kleid  : 


304  PFLEIDEREK 

streut  1,  227,    Kleide  :  Freude  1, 180,     Zärtlichkeiten  :  Freuden  1,  262.  264, 

geleite  :  Freude  1, 182,  Eingeweide  :  Freude  1,  278. 

Dazu  aus  Schubart:  Pfeil :  Geheul  SG.  28,  greift :  ersäuft  Sü.  20, 
steigt :  Veugt  SG.  208  u.  a.;  —  streift :  heträuft  SG.  51,  Saite  :  Freude 
SG.  2, 199,  läuft :  streift  ST.  27,  3,  freut :  EinsamJceit  SG.  51;  W-^a/tZe«  : 
Freuden  Schw.  m.  1778,  544,  Freuden  :  Saiten  Sclnv.  m.  1775,  714  u.  a. 

Der  reim  mir  :  (?a7<er  1,  218  ist  falsch. 

In  bezug'  auf  die  (lualität  der  vocale  sind  schwäbisch 
unreine  reime  <?/(«/)  :  eu{äu),  wenn  gleich  mhd.  e/  :  iu  oder 
mhd.  i :  öu,  also  in  folgenden  fällen: 

=  inhd.  e(" :  iu:  Kraise  :  Mäuse  1,  223,  Schmeichlern  :  Heuchlern  1,308, 
Geifsel  :  Gesäusel  1,  237,  Geist  :  fleii/st  1, 182.  —  =  mhd.  i  :  öu:  Schreiber  : 
Räuber  1,208,  treiben  :  stäuhoi  1,183,  neiden  :  Freuden  1,30-1. 

Als  beispiele  aus  andern  schwäb.  dichtem  mögen  die  in 
S.  1,  386  f.  angeführten  genügen. 

Ferner  sind  schwäbisch  unrein  die  reime  von  ai :  ei,  wenn 
mhd.  ei  :  i,  wie  Saiten  :  Zeiten  1,  283,  aber  ebenso  säinmtliche 
von  ei :  ei,  wenn  =  mhd.  ei  :  i,  und  au  :  au,  wenn  =  mhd.  ou  :  ü; 
diese  fälle  führt  Gödeke  gar  nicht  an. 

Beisinele:  mhd.  ei :  t:  May  :  herbe]/  1,309, 15,  Raifen  : greifen  1,341,13, 
saifen  :  begreifen  1,  255, 135,  Kaiser  :  weiser  1, 256,  theilet :  eilet  1,  29,  Geist : 
reißt  1,209,  Lüsternheit  :  Neid  1,211  ti. s.w.  —  mhd.  om  :  m:  Laitf :  auf 
1, 191.  226.  284,  haun  :  baun  1, 222,  Augen  :  saugen  1,  260.  286.  224  u.  a. 

Bezüglich  der  reinheit  der  reime  von  c  :  e,  ä,  ö  ist  es 
nötig,  die  natur  des  e- laut  es  genau  zu  untersuchen.  1)  e  (a) 
hat  im  schwäb.  den  lautwert  von  e,  wenn  es  älterer  umlaut 
von  ö  ist,  s.  Bolm.  §  16.  —  2)  e  hat  den  lautwert  von  ^:  a)  wenn 
es  jüngerer  umlaut  von  a  ist  (abgesehen  stets  von  der  Stellung 
vor  nasalen),  s.  Bohn.  §  20;  —  b)  wenn  es  =  germ.  e  ist,  s. 
Bohn.  §  24  (vgl.  Paul,  Mhd.  gr.  §  42  und  43);  davon  sind  einige 
fälle  auszunehmen,  wie  fels,  jjeb  etc.  (vgl.  Bohn.  §  24,  Paul,  Mhd. 
gr.  §  43,  anm.  3).  —  3)  e  hat  den  lautwert  von  e,  wenn  =  mhd.  ce, 
s.  Bohn.  §  28. 

Demnach  sind  von  den  'unreinen'  reimen  Gödekes  weiter 
auszunehmen  die  fälle,  wo 

I)  ä,  e  alter  umlaut  ist,  also  =  e,  und  daher  mit  ö  =  e 
reimen  kann: 

Beispiele:  e,  ü  :  ö:  Gewälze  :  Gehölze  1,  249  (da  Gewälz  von  mhd.  ahd. 
wälzen  abgeleitet  ist),  hätten:  Göttin  1,246  (vgl.  mhd.  h(tte),  Erretter  : 
Götter  1, 127  (ahd.  retten,  germ.  got.  *kradja)i  Kluge,  Et.  wb.),  Stelle  :  Hölle 


SPRACHE    DES   JUNGEN   SCHILLER.  305 

1,  227  (zu  mbd.  stal  oder  alid.  stfUdit),  reden  :  nötJien  1,  226  (ahd.  r^dön, 
zu  got.  rapjö),  ScIixcelU  :  Hölle  1,  283  (ahd.  sic^Ui),  Wette  :  Spröde  1,  352 
(ahd.  tcftti,  vgl.  got.  wadi),  nährt  :  gehört  1,  289  (zu  mrjan,  vgl.  Nahrung). 
—  Dazu  noch  «  :  e  iu  tvülzen  :  Felsen,  ^^  f  :  ^  (zu  f^ls  vgl.  Bohn.  §  24). 

II)  ä,  e  =  germ.  e,  also  =  ?,  kann  demnacli  reimen  mit  ä, 
wenn  dieses  später  umlaut  ist. 

Beispiele:  Fehlem:  Wäldern  1,219  (ahd.  feld),  Wetter:  Vätter  (mhd. 
weter,  ahd.  ivetar),  Gebete  :  'Toilette  1,  23i  (mhd.  6e7e>i  zu  bäten),  schwärzt  : 
herzt  1,  228  (mhd.  herze,  ahd.  herza,  got.  hairto). 

III)  ä,  e  =  mhd.  ce,  also  ?. 

Beispiele:  iväre  :  Ehre  1,51  (mhd.  tücere,  zu  Ehre,  mhd.  ere,  das  im 
Protest.  Schwaben  aber  trotzdem  den  laut  e  aufweist,  s.  Fischer,  Genn.  36, 
416;  daher  reimt  auch  Altären  :  ehren  1,329. 

Dagegen  bleiben  unrein:  Heer  :  Bär  1,245,  18  (ahd.  h^rl  :  bero), 
Presser  :  Schlösser  1,  344  (frz.  2Jresse  mit  f),  Quelle  :  Hölle  1,  228.  283 
{Quelle  zu  quellen),  ivcrt  :  angehört  1,  255  (mhd.  ivcrt,  got.  wairßs),  höher  : 
Seher  1,  287  (mhd.  sehen),  spähte  :  Morgenröthe  1,  282  (mhd.  spehen,  vgl.  lat. 
spec-  in  specidum),  selber  :  Gewölber  1,  343  (mhd.  s'elp,  got.  silba),  leerer  : 
Zerstöhrer  1,  291  (mhd.  kere),  Höhen  :  tvehen  1,  219,  31  (mhd.  tvatjen),  Seele  : 
Hole  1, 182, 112  (schwäb.  sei,  vgl.  Fischer,  Germania  36,  416),  füllt  :  Welt 
1,  270  =  f  :  f  (da  füllt  schwäb.  feit  lautet,  s.  Kauffmann  §  65, 1,  icelt  aber 
germ.  e  hat,  also  schwäb.  H'f^O)  Schätze  :  Netze  1,359  (mhä.  )i(tze,  got.nati, 
ä  in  Schätze  dagegen  junger  umlaut),  Veste  :  Paläste  1,  295,  geschöpfet  : 
gezäpfet  1,  251  u.  a. 

Quantität  der  vocale. 
•     Auch  in  beziig  auf  die  quantität  der  vocale  lassen  sich  von 
Gödekes  'unreinen'  reimen  einige   als   schwäbisch  rein   aus- 
scheiden.   Im  übrigen  gilt  auch  hier,  was  Weltrich  1,  555  sagt, 
vgl.  oben  s,  300. 

Rein  sind  an  :  Zahn  1, 207,  hin  :  ziehn  1,  207,  da  die  be- 
tonten formen  von  an  und  hin  und  ähnlichen  im  schwäb.  halb- 
dialekt  längen  {an,  hm,  Mn)  aufweisen.  Im  dialekt  schwindet 
hier  das  auslautende  n,  dafür  aber  tritt  nasalierung  und  deh- 
nung  des  vocals  ein  (s.  Kauffmann  §  59, 4). 

Daher  sind  auch  reime  wie  man  :  Kahn  1,206  entschuldbar,  wenn  sie 
auch  in  der  halbmundart  nicht  rein  sind.  —  Hierher  gehört  die  Schreibung 
von  kan  3.  sg.  praes.,  die  gewöhnliche  Schreibart  bei  M  (vgl.  S.  2,  218,  19, 
anm.:  kan  M,  'und  so  fort'),  die  auch  sonst  vorkommt:  kan  1,51,25. 
2, 101,  29.  Br.  17, 19,  zurückgehend  auf  schwäb.  kä  (vgl.  Kauffmann  §  133,  3); 
diese  Schreibung  wiid  von  den  grammatikern  verlangt :  Fulda,  GR.  93  ich 
kan,  du  kanst,  er  kan;  ebenso  Nast,  Spr.  1, 108  (mit  der  anmerkung:  'Wer 
scharf  spricht,  schreibt  kann^):  ebenso  Hauptman  2,2SßA9  M  und  'so  in 

Beiträge  ziir  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXVUl.  20 


o06  PFLElDEUEß 

der  regel'  (vgl.  Gödekes  anm.).  Andere  fälle  von  länge  vor  nasal  sind  die 
iniperf.  der  starken  verba  der  3.  und  i.  aUautsreilie :  schiramm  :  Schacim 
1,  24:9,  fdncl :  mahnt  1,  344,  schwamen  :  kamen  1,  218,  20,  sowie  Schreibungen 
wie  schwamen  1,218,20,  ranen  l,3b8,58;  ihnen  sollten  sich  den  regeln  der 
Schwab,  grammatiker  gemäss  sämmtliche  imperf.  formen  der  starken  verba 
anschliesseu;  vgl.  Fulda,  GR.  98,  der  sagt,  dass  die  imperf.  der  starken 
verba  durchaus  gedehnt  seien,  und  dann  fortfährt:  'und  wenn  die  sächs. 
imperf.,  litt,  riti,  schnitt,  —  spann,  samt  —  erscholl . ..  ganz  Teutschland  i\ber- 
schwemmten,  so  gäben  sie  blos  ein  beispil,  wie  sprachwidrigkeiten  sich 
verbreiten,  und  die  oberhand  gewinnen  können'.  Aehnlich  Nast,  Spr.  1, 193 
und  199.  Demgemäss  ist  etwa  der  reim  rifs  :  süfs  1,  180,  52  (rifs  :  stiefs 
1,  300, 19),  sowie  die  Schreibung  grief  2, 215, 15,  zerris  2, 76, 1  zu  beurteilen. 

Schwab,  längen  können  ferner  zu  gründe  liegen  bei 
dem  reim 

Mutter  :  Bruder  1, 178  =  Schwab,  mudclr  :  hnmlr,  jedenfalls  bei  der 
Schreibung  Muter  1,130,09  (vgl.  dazu  unten  bei  Yatter),  schnadern  2,156. 
300,  gewis  1,77,25,  2,  205,  6  M.  1,88,30.  82,20  (schwäb.  kuns;  vgl.  Kauff- 
mann  §  74,  2.  Scliw.  m.  1776. 177:  'Der  Schwab  schreibt  getvis').  Zu  müssen, 
das  im  schwäb.  den  diphthongen  beibehalten  hat,  bemerkt  Nast,  Spr.  1, 108: 
'Ich  mus,  must,  mus,  miisen  etc.  muste,  mäste,  gemnst.  Wer  scharf  spricht, 
verdoppelt  das  s.'  Fulda,  GR.  93  erwähnt  die  formen  mit  doppeltem  s 
gar  nicht. 

So  haben  wir  auf  grund  der  schwäb.  länge:  mtis  2,88,10.  1,76,8. 
77, 16.  89,  27.  84, 10.  100, 11.  2,  38, 10.  81, 10.  129,  22,  must  2,  293,  9  M. 
185, 10.  28, 11.  1,  78,  32,  müste  ich  1,  89,  14.  90,  7,  müstet  2,  213,  12  M, 
müsten  1,  81,18.  84,9.  Daneben  oft  die  formen  mit  fs:  mufs  1,85,2. 
77,  20  etc. 

Wenn  neben  zusamen  2,  41, 4  ein  reim  zusammen  :  Heldennammen 
1,50,4  vorkommt,  so  ist  das  beides  wol  als  fehlerhaft  zu  betrachten;  doch 
kann  daran  erinnert  werden,  dass  ersteres  in  der  dialektform  bei  ver- 
ändertem vocal  länge  aufweist:  tsrmd  (vgl.  dazu  noch  das  citat  Spr.  2, 101 
auf  dieser  seite),  bei  Namen  aber  kürze  vorkommt  (vgl.  Kauffmann  §  58,  2 : 
'  bei  folgendem  nasal  entsteht  kurzer  nasalvocal :  nämd '),  wenn  auch  jeden- 
falls nicht  in  Schillers  heimat:  auch  die  schwäb.  grammatiker  sprechen  nur 
von  langem  vocal  bei  Name. 

Erhaltung  von  mhd.  kürze  findet  im  schwäb.  hauptsäch- 
lich vor  t  statt  (vgl.  Bahder  s.  88.  Fischer,  Gecgr.  s.  13).  Die 
Schwaben  versuchen  zur  bezeichnung  dieser  kürzen  die  Schrei- 
bung tt  in  den  betreffenden  fällen  einzuführen. 

Einzelne  beispiele  davon  finden  sich  bei  Schiller:  trettet  1,186,20, 
Botte  2,13,  Bottschaft  2,108,16.  308,25,  Vätter  1, 119, 4:8;  schwäb.  reine 
reime  sind  daher  Jlöllenrolt :  Flügelbot  1,  250, 150,  Vätter  :  Wetter  1, 179,  48, 
Gebete  :  Toillette  1,  234. 

Vgl.  dazu  Spr.  2, 101:  'So  dent  Sachsen  die  Wörter:  Vater, 
treten,  beten,  nemen,  samt  noch  gar  vilen  andern;  Schwaben  hin- 


Sprache  des  jungen  schiller.  307 

gegen  schärft  sie:  Vatter,  treuen,  heften,  nemmen.  Hingeg-en 
schärft  Sachsen:  Mutter,  Busse,  müssen,  lamn,  zusammen  etc. 
in  Schwaben  aber  werden  sie  gedent:  Muter,  Buse,  müsen,  Imn, 
zusamen.  Wer  hat  recht?  Alle  beide,  dann  alle  beide  folgen 
der  tonregel,  aber  jedes  nach  seiner  ausspräche . . .  Das  ganze 
altertum  sagt  z.  ex.  Fader  ...,  Moder,  Muter  . . .  mit  dem  gedenten 
ton.  Disemnach  selten  die  Schwaben  mit  den  Sachsen  Vater, 
und  dise  mit  jenen  Muter  schreiben.'  Ebenso  Schw.  m.  1777, 
176.  —  Schw.  m.  1777, 158  will  ein  schwäb.  purist  sogar  Fätter 
geschrieben  wissen. 

Auch  der  reim  Geivinnst :  Dienst  1, 193  ist  in  der  halb- 
mundart  rein,  vgl.  Spr.  1,290:  ^ Licht  und  Binst  der  herren- 
sprache  folgen  der  regel . . .  zusamenkommender  endconsonanten, 
welche  schärfen.    Der  schwäb.  pübel  spricht  . . .  Dienst.' 

Zu  Stvffe  1, 287,  46  T.  2,  303, 17  A  und  M  vgl.  S.  1,  402  unter  Stuffe: 
'Das  Scliw.  m.  1777, 167  unterscheidet  Stufe  scrobs,  Shiff'e  gradus.  Schiller 
benutzt  nur  das  letztere  wort  und  schrieb  wohl  immer  Stuffe.'  Stufen 
findet  sich  1,287,46  (originaldruck).  392.  2,  I6I.1) 

Von  der  form  Senne  sagt  Adelung,  sie  komme  nur  in  einigen  ge- 
meinen mundarten  vor.  In  der  literatursprache  des  18.  und  19.  jh.'s  ist 
Senne  häufig  bezeugt  (DWb.),  der  neuere  Sprachgebrauch  hat  für  Sehne 
entschieden.  Bei  Schiller:  *S'e«>t  1,  249,  27,  Sennen  l,2l0,2d.  179,42.  2,306,1. 
822, 10  anm.  M,  Sehne  1, 299,  6 ;  so  auch  Sehnen  SO.  99.^) 

B.   Vocalismus  der  nebensilben. 

Es  handelt  sich  hier  hauptsächlich  um  die  behandlung  des  e 
der  nebensilben  beim  subst.,  adj.  und  adv.,  und  beim  verbum. 
lieber  die  Vorgeschichte  desselben  hauptsächlich  in  Oberdeutsch- 
land vgl.  Kluge,  Von  Luther  bis  Lessing  (insbes.  cap.  9:  Ober- 
deutschland und  die  katholiken),  und  Jellinek,  Ein  capitel  aus 
der  geschichte  der  deutschen  grammatik,  Abhandlungen  zur 
germ.  philol.  1898.  Ich  gehe  gleich  zum  verhalten  Nasts  und 
Fuldas  zum  'lutherischen  c'  (vgl.  Kluge  a. a. 0.  s.  144). 

Nast  verwirft  das  nicht  flexi vische  e  bei  allen  masc.  und 
neutr.  Das  'sächsische  e'  nennt  er  eigenmächtig  und  willkür- 
lich; von  den  neutris  mit  ge-,  gemäld,  getreid  etc.  sagt  er  Spr. 


1)  Stuffe  findet  sich  noch  S.  4,  23, 11.  öS  53.  62  und  von  Schillers  band 
Br.  5,  5.  134. 

»)  Die  Senne  des  Bogens  S.  11,  88, 128,  Senne  S.  13,  39  (Mach.),  sennigt 
S.  12, 24  (Wall,  lager). 

20* 


308  PFLEIDERER 

1,28:  'Allen  diesen  neutris  g-eliört  am  ende  kein  e!  Spr.  1,  56 
lieisst  er  das  e  in  aß'e,  hiahe  ein  in  Sachsen  'wider  die  natur 
der  sprachß'  angeflicktes  weibliches  e;  'dies  ist  eine  von  den 
bösen  gewonheiten  eines  landes,  das  uns  je  und  je  mit  der- 
gleichen neüerungen  beschenkt.'  In  den  Verzeichnissen  der 
subst.  sind  alle  masc.  und  neutr.  ohne  -e  angesetzt.  'Erlaubt 
man  ...  dem  nördlichen  Teütschen  eine  apocope,  wenn  er  sagt: 
der  Gedanke  ....  so  mus  es  auch  dem  südlichen  Teütschen  er- 
laubt sein,  die  apocope  noch  weiter  zu  treiben  und  Gedanh  . . . 
zu  sagen'  Spr.  1,  40. 

Die  fem.  zerfallen  in  drei  gruppen:  in  solche  die  1)  von 
beiwörtern,  2)  von  Zeitwörtern  abgeleitet  sind;  bei  diesen  darf 
das  -e  nicht  weggelassen  werden,  'ungeachtet  dils  in  Süd- 
teütschland  häufig  geschiht.  Dise  gränze  mögen  auch  unsere 
sächsische  herren  sprachmeister  merken,  die  uns  one  unterschid 
wegen  des  ausgelassenen  e  tadeln,  one  in  manchem  fall  zu 
wissen,  ob  sie  mit  recht  tadeln  oder  nicht'  Spr.  1, 73.  Die 
dritte  gruppe  bilden  fem.,  'die  das  weibliche  e  angenommen 
haben';  sie  können  es  apokopieren;  Aue,  Base  sind  erlaubt, 
aber  Au,  Bas  soll  niemand  als  Sprachfehler  angerechnet  werden, 
Spr.  1,  66. 

Das  flexivische  e  im  gen.  dat.  ist  blosses  e  euphonicum, 
'und  hat  nur  im  rednerstyl  plaz,  oder  es  ist  der  Willkür  der 
dichter  überlassen'  Spr.  1, 15. 

Das  -e  der  unflectierten  adj.  ist  ein  'sprachfeler'  der  Nord- 
deutschen; 'es  ist  zum  lachen,  wenn  man  in  sächs.  Sprachlehren 
list,  wie  sie  sich  mühe  geben,  diseni  bastart,  der  sich  unter 
keine  regel  beugen  will  ['ihrem  weichliiig'  Schw.  m.  1775,  382], 
regeln  vorzuschreiben'  Spr.  1,  89. 

Im  verbum  gestattet  Nast  geh  und  gehe  im  imp.;  die  praes.- 
formen:  du  lobest,  er  lohet  sind  'nur  in  seitnern  fällen  dem 
redner  und  dichter  erlaubt'  Spr.  1,106;  für  das  praet.  gibt  er 
lobte  und  lobete,  part.  gelobet  und  gelobt  an  Spr.  1, 107. 

Der  tolerantere  Fulda  sagt  GR.  78,  auch  einige  weibliche 
Wurzelwörter,  wie  Ende,  Thüre,  brauchen  das  e.  Bei  den 
obl.  casus  des  masc.  und  fem.  ist  e  'keine  notwendigkeit,  son- 
dern eine  erlaubnis  für  den  flui'i"  der  rede',  ebenso  bei  andern 
'weiblichen  wurzel Wörtern'  im  nom.  acc,  sg.  Auch  das  -e  der 
unflectierten  adj.  wird  erlaubt,  GR.  84.  Ueber  das  -e  im  verbum 


SPRACHE    DES   JUNGEN   SCHILLER,  309 

äussert  er  sich  nicht.  Zu  fällen  wie  das  Geschlechte  vgl.  noch 
Fulda  in  Hangs  Ergözlichk.  1774,  2,79:  'Die  Schwaben  wissen 
unter  ihren  weiblichen  end  e  und  dem  sächs.  und  branden- 
burgischen Aveichen  e,  welches  durchaus  keine  regel  leidet: 
Gewichte,  Gcschlcchte,  Sachse,  den  unterschied  sehr  wohl.  Und 
sie  sind  nicht  eigensinnig,  allentlialben  auch  das  lezte  anzu- 
nehmen, Avo  ihnen  der  flufs  der  rede  gebietet;  aber  weiter  nicht.' 

Schillers  verhalten  zum  -c  ist  in  seiner  prosa  im 
allgemeinen  das  der  modernen  Schriftsprache. 

Das  auslautende  e  der  subst.:  am  ehesten  fällt  das 
flexivische  e  nach  nebenton  aus. 

In  den  briefen  no.  17 — 19  habe  ich  6  formen  vom  typus  Eigensinn  im 
dat.  sg.  gegen  0  Eigensinne  gefunden,  in  S.  1, 142 — 147  ebenso  8  gegen  0; 
in  S.  2,  4 — 7  und  14 — 19  gegen  1  Schauplaze  6  nach  dem  typus  SchoAiplaiz, 
S.  2, 101 — 104  0  Günstlinge  gegen  6  Günstling. ') 

Für  die  folgenden  aufstellungen  habe  ich  natürlich  nur 
die  formen  in  betracht  gezogen,  die  für  das  nlid.  von  interesse 
sind  (also  nicht  her^,  lehrers  etc.) 

Für  Schillers  verhalten  sprechen  am  besten  zahlen;  die 
folgende  Statistik  ist  entnommen:  I)  aus  brief  no.  17 — 19  (Br. 
1,36—44);  —  II)  aus  S.  1,  142—147;  —  III)  aus  S.  2,  4—7 
und  S.  2, 14—19;  —  IT)  aus  S.  2, 101—104  und  S.  2, 183—184. 

Die  zahlen  zeigen  ziemliche  Übereinstimmung  mit  dem  jetzt 
herschenden  gebrauch;  nur  der  dat.  sg.  m.  n.  lässt  das  flexi- 
vische e  verhältnismässig  oft  fallen. 

kein  -e 
Typus  I      II     in    IV 


-e 
I       II      III     IV 


2  0  5  7 

30  25  38  20 

1  1  12  8 

9  15  11  10 


nom.  masc.  nam  —  name       \ 

+  neutr.  aug  —  äuge     |     0      0        0      0 

fem.  sg.  seel  —  seele  0  0  10 

dat.  sg.  m.  n.  tag  -  tage  \ 

(aug  —  äuge)  /  ^"  "^  ^"      *^ 

n.  acc.  pl.  freund  —  freunde  0  0  0      0 

Das  ist  der  zustand  in  der  prosa.  In  den  ge dichten 
treibt  die  versnot  der  dichter  oft  dazu,  sich  der  mundartlichen 
apokopierten  formen  zu  bedienen,  die  die  grammatiker  auch 
gestatten. 

•)  Die  betreffenden  seilen  sind  ganz  beliebig  aiisgewählt, 


310  PB^LEIDERER 

Hier  fiudeu  sich  sehr  häufig  formen  wie  Ercl  1, 248, 14,  Tmnlc  1, 245, 10, 
Fried  vnd  Buh  1,220,4,  pl.  Gestirn  l,224,2ß,  Nam  1,256,  174,  Beicht 
1,257,83,  pl.  SpnicÄ  1,  257, 207,  Adler (jeäank  \,2S2,%'>\  daneben  auch 
formen  mit  -e^  die  im  modernen  Sprachgebrauch  kein  e  haben :  das  Geheule, 
G^esitc/te  1,349,26,  ««/s  Ferf?e/.-e  1,282,  82,  rfas  öt'&/e/e  1,  282,  84,  Geimde 
1,285,4,  lfe«e  1,  325,  348,  r^esc/iira^e  1,  352,45,  Gesc/<osse  1,  239,  87.  In 
der  prosa  finden  sich  formen  wie  Bette  acc.  sg.  Br.  1,16  höchst  selten; 
dagegen  ziemlich  häufig  apokopierte  formen:  nach  3Iaasgab  2,37^,16,  das 
Äug  2,  353, 6,  die  Ursach  1, 168, 26,  im  Geleit  1, 155, 31,  der  SJclav  2, 392,  33, 
das  Triumphgetön  2,  392, 14. 

Hier  ist  der  ortj  um  auch  die  schon  viel  besprochene  stelle  auf  Vor- 
manns Bumpfe  springt  der  Hintermann  zu  behandeln.  Gödeke,  A.  f.  lit.- 
gesch.  8, 109  fasst  die  form  als  acc.  pl.  auf,  wobei  er  genötigt  ist,  Vormann 
coUectiv  zu  nehmen;  Düntzer')  als  dat.  sg.,  ebenso  Meyer,  Beiträge  1858, 10 
und  Weltrich  1, 550;  Jonas,  Erläuterungen  s.  77  wünscht  annehmen  zu 
können,  dass  Schiller  neben  der  Bumpf  auch  eine  form  die  Bumpfe  oder 
das  Bumpfe  gekannt  habe.  Letzteres  ist  nicht  der  fall;  dagegen  lautet 
der  pl.  von  Bumpf  stets  Bumpfe  (vgl.  Fulda,  GR.  67.  Spr.  1, 18,  Bumpfe 
Si.  33;  vgl.  Strumpfe  S.  2,  241,  28).  Die  form  ist  ganz  einfach  ein  falscher 
acc.  sg.  Schiller  braucht  für  den  betreffenden  vers  noch  eine  silbe;  in  der 
mundart  kennt  er  fast  keine  subst.  auf  -e,  daher  fügt  er  im  uotfall  ein  -e 
an,  wo  er  es  braucht,  und  so  gut  er  es  wagen  kann,  das  VerdcJic  1,  282,  82, 
die  Fronte  2, 19,  5  (so  noch  S.  8, 285.  10, 197,  6,  ebenso  noch  Br.  5,  60  die  Be- 
forme), der  Christe  2, 139, 12,  in  Allarme  kommen  1, 206, 19  zu  bilden,  ebenso 
bildet  er  der  Bumpfe,  wenn  der  vers  es  verlangt.*) 

Das  nicht  auslautende  flexions-e  des  gen.  sg.  unterliegt 
auch  heute  noch  keiner  bestimmten  regel.  Schillers  verhalten 
(I  =  S.  1, 137—172;  II  =  Br.  36—52;  III  =  S.  2,  4—7  und  14 
—19;  IV  =  2, 101—104.  183—184): 


kein  -e 
I     II    III   IV 

nach  hochton :  plans  —  planes         30    12      4      1 

nach  nebenton :  Schicksals  — sales     7      5      6      3 


-e 

I    II  m  IV 

12      0      2  1 

0      0      0  0 


Im  ganzen  ühermegen  also  die  formen  mit  synkopierung  des  -e. 
Ein   besonderer  fall  ist  der  pl.   von  subst.,    die  auf   -ie 
endigen.    Fulda,  Spr.  1,  287  erklärt  einen  plural  wie  Kniee  für 
'unzuläsig'  und  verlangt  Knie. 


>)  Düntzer,  Schiller  als  lyrischer  dichter,  1864,  1—2,  s.  77. 
")  Vgl.  dazu  das  ])iblisclie  citat:   trug  Leide  um  2,76,2;   ferner  den 
acc.  sg.  Lohne  in :  Liebchen  nicht  um  Goldes  Lohne,  W.  Müller. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  311 

Schiller  bildet  im  vers,  wenn  es  nötig  ist,  Harmonieen  1,  216, 15, 
sonst  aber  die  PhilosojMen  1, 142, 18,  die  Knie  2,  200,  7.  331, 15,  Idiosyn- 
krasien  1, 169, 17,  Melankolien  1, 163,  29,  Harmonien  1, 159,  23. 

Im  wortinnern  stösst  der  moderne  Sprachgebrauch  ein  e 
nach  hochton  vor  tief  ton  meist  aus;  nur  vor  r  bleibt  es  ge- 
wöhnlich.   Dieselben  Verhältnisse  zeigt  Schiller. 

In  der  prosa  hat  er  stets  FemejrZim/jf  62, 7,  EniioiTclumjA^liA^.  150  u.a., 
Verzweiflung  lAVA.  IQl.  Br.  51,  Vervolllcomnmung  l.^^i^^o  (daneben  freilich 
die  ungewöhnlichen  Grähehnuj  1,109,26,  Heuchelung  Br.  10,  23),  Verzärt- 
hmg2,  22;  Verbesserung  1, 142,  Verfinsterung  1, 167,  21,  Aufmunterung  Br.37, 
Verbesserer  Br.  43,  Bereicherung  1, 153,  Veränderung  Br.  47.  Im  vers  kommt 
erhaltung  des  e  auch  vor  l  vor:  Verzioeifelung  1,229,80.*) 

Das  unflectierte  adj.  und  das  adv.  wird  meist  ohne  e 
gebildet,  entsprechend  der  mundart. 

Einzelne  fälle,  in  denen  e  hinzugefügt  ist,  sind  im  vers  oder  reim: 
holde  1,  268,  26,  aUeine  2,  255,  8,  geringe  1,  28, 17,  bei  auf  lange  2,  292,  14 
ist  wol  an  ellipse  von  zeit  zu  denken,  oder  ist  lange  adv.?  In  prosa  ist 
mir  nur  noch  nüze  aufgefallen  2,  29, 15,  das  übrigens  schon  durch  den  uiu- 
laut  gegenüber  oberdeutsch  nutz  als  fremdwort  aus  dem  mitteldeutschen 
gekennzeichnet  ist. 

Häufiger  ist  die  erhaltung  des  adverbiellen  -e:  milde  1,36,7,  süße 
1,226,7,  so  teHi/e  2, 230, 3  M  (Mang),  lange  %22i,i 'SL  (A^lang),  ferne 
2, 302  M.  355, 21,  neben  fern  1, 28, 36.  2, 389, 21.  26.  1, 66, 9,  vorn  1, 299, 7, 
beinah  und  beinahe  sind  gleich  üblich,  eng  1, 158, 16  etc.,  eh  1,  66,24.  166,25. 
158,4,  neben  e/te  1, 144.  158,3.  Besonders  fest  ist  e  in  feste  stehn  2, 183, 11. 
184,9  u.a.,  stille  steht  2,129,20  (SO.  89),  stille,  stille!  2,51,  stille,  o  stille! 
2,-20  (seid  still  2,  61).  —  Zurück,  mhd.  zerücke,  nimmt  das  e  gern  dem  vers 
zulieb  au:  zurücke  l,'o2,h'd.  280,32.  308,36.  187,31;  in  prosa  nur  2,  332,  29 
M.*)  —  Ohne,  das  in  der  mundart  merkwürdigerweise  sein  -e  stets  behält, 
kommt  in  prosa  und  im  vers  auch  synkopiert  vor:  ohn  1,251,24,  ohn  Er- 
barmen 2, 168,  21. 

Für  all  und  manch  bestimmt  Nast,  Spr.  1,  99  (und  8cliw.  m.  1775,  386): 
^ aller  vor'  dem  pron.  pers.  'und  mancher  vor  einem  andern  beiwort  . . .  leiden 
bede  eine  apocope.'  Schiller  apokopiert  jedenfalls  auffällig  häufig:  all  unsere 
Vorstellungen  1,76,33,  all  meine  Schlösser  2,111,4,  bei  all  ihren  Greueln 
2, 11, 12,  all  unsere  Thätigkeit,  all  unser  Vergnügen  1,  32, 15,  in  all  ihre 
innerste  Seiten  1,  34, 1;  ohne  pron.  pers.:  all  die  Henker  2,  59,  2,  all  die  ver- 
tvorrnen  Schauer  2,  9, 11 ;  in  prädicativer  Stellung:  der  Wein  ist  all  2, 115,  3, 
daneben  aller  ihrer  Handlungen  1,23,9,  über  alle  ihre  Begriffe  1,168,12, 
aüe  meine  Ideen  1,78,13,  alle  diese  1,79,5;  —   manch  gutes  liebes  2,174,6. 


')  Ebenso  ist  dem  vers  zulieb  gebildet  Ludewig  1,187,48. 
^)  Später  ist  zurücke  auch   in  jirosa  ziemlich  häufig;  so  begegnet  es 
sehr  oft  in  S.  4,  dann  in  S.  6, 304,  U.  9, 234, 21.  Br.  1, 447. 


312  PFLEIDERER 

Im  iimern  des  worts  erhält  Schiller  das  e  meist  nach  dem 
hochton;  so 

eificner  1,  66,  7,  zauberisch  1, 100,  in  S.  1,  95—102  finde  ich  U  fälle 
mit  erhalnin<]f  des  e  gegen  0  ohne  c;  S.  1, 151—161  finde  ich:  ancienommemn 
151,  offene  Iho,  (fewagterer  Ibö,  goldenen  Ibl,  gegen  dunkle  ib9.  16i;  in 
Bi'.  44 — 48  nur  worte  mit  e:  verstümmele  BrAi,  verlorenen  Ab,  erinnere  46, 
getroffenen  47,-  angeborenen  48,  Friderich  48. 

Wenn  auf  dieses  'innere'  e  ein  r  -\-  nicht  auslautendem 
iiexions-c  folgt,  so  sind  drei  fälle  möglich:  z.  b.  anders,  andres 
und  anderes.    Schiller  stösst  meistens  das  flexions-e  aus. 

So  kommen  z.  b.  S.  1, 151—161  auf  9  formen  vom  typus  anders  (unsers 
151,  anders  151,  bessern  153,  vorirefflichers  153,  iinserm  156,  feinern  156, 
andern  157,  erstem  158,  letztern  158)  3  vom  typus  anderes  {kühneren  157, 
grösseren  188,  hageres  161)  und  2  vom  typus  andres  {verlornen  161, 
schärfren  161). 

Auffallend  ist  die  erhaltung  des  e  in  teufelisch  2, 341, 29  in  prosa, 
während,  wie  erwähnt,  Vcrzweifehing  nur  im  vers  vorkommt.  ^) 

Der  Superlativ  der  adj.  wird  nhd.i"  durch  5^  gebildet, 
nur  nach  dentalen  durch  -est.    Ebenso  bei  Schiller. 

Ausnahmen  sind  nur:  helleste  1,  150,  3,  volleste  1,  153,  6,'0  steileste 
2,  223,  8  anm.  M,  stumxifeste  2,^A\,b,  {zartfühlendeste  %ZbS,  12),  theuresten 
Br.  12,  4,  2.  55,  24,  theuriste  Br.  1, 1.  13.  Der  sup.  von  grofs,  mhd.  groezeste 
neben  groeste,  weist  schon  im  16.  jh.  überwiegend  die  zusammengezogene 
form  gröst  auf.  Auch  die  schwäb.  grammatiker  halten  sie  für  richtiger: 
Seh w.  m.  1779,  597 :  es  ist  zu  schreiben  der  gröfsste  {nnü  nicht  gröfs' st e); 
'  denn  da  ist  die  auswerffung  des  e  nun  gewöhnlicher,  als  gröfseste.'  Schiller 
hat  wol  überwiegend  graste  1,  68,  15.  97, 13.  161,  3.  163,  4.  164,  5  etc., 
aber  daneben  noch  sehr  oft  gröfseste  {grosseste,  gröseste)  1,  324, 28.  Br.  49, 5. 
2,  357, 13.  363,  31.  345,  28.  346,  6  u.  a.' 

Bei  den  verbalformen  kommen  für  das  auslautende  e 
in  betracht  die  Lsg.  praes.,  1.3.  sg.  praet.  der  schwachen,  1.  3.sg. 
conj.  praes.  und  praet,  und  die  2.  sg.  imp.  der  schw.  Für  die 
Lsg.  praes.  ist  zu  sagen,  dass  die  formen  mit  synkope  des  e 
hauptsächlich  vorkommen,  wenn  das  pron.  nachgesetzt  ist: 
heifs  ich,  hah  ich.'-'')  Doch  kommen  gerade  so  gut  habe  ich, 
ivcrde  ich  vor  Avie  andererseits  ich  hah,  ich  iverd.  Die  nicht 
synkopierten  formen  überwiegen  zwar,  wie  die  zahlen  unten 


1)  Das  kann  kein  druckfehler  oder  versehen  sein ;  denn  teufelisch  kommt 
in  prosa  noch  vor  S.  .3, 115, 13.  7,74,19.  10,211,24. 

'0  volleste  noch  S.  4,  265.  6,  50.  79, 29. 

^)  Von  den  15  fällen  von  synkope  in  den  Dalbergschen  briefen  sind 
13  vom  typus  hah  ich. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER. 


31^ 


zeigen  werden;  aber  sie  sind  doch  sicherlich  in  manchen  fällen 
nur  ein  mittel  der  feinern  ansdrucksweise.  Es  ist  z.  b,  gewis 
nicht  Zufall,  dass  immer  im  schlusssatz  der  briefe  an  Dalberg, 
wo  die  ungezwungene  Schreibweise  der  mehr  förmlichen  weichen 
muss,  die  nicht  synkopierten  formen  allein  ziu'  Verwendung 
kommen. 

Brief  no.  17  verharre  ich,  uo.  18  wünsche  ich,  no.  19  empfehle  ich,  uo.  20 
utüeru-erfe  ich  etc.,  und  Avähreud  z.  b.  Brief  uo.  22  noch  im  vorletzten  satz 
find  ich  vorkommt,  heisst  es  im  letzten  habe  ich  die  Ehre.  Im  Brief  uo.  23 
zeigt  Br.  52,  zeile  9  hör  ich  und  zeile  16  dank  ich,  dagegen  im  schlusssatz 
habe  ich  die  Ehre. 

Auch  im  praet.  der  schwachen  verba  ünden  sich  die  syn- 
kopierten formen  besonders,  wenn  das  pron.  der  1.  pers.  nach- 
gestellt ist:  tvollt  ich. 

Bei  der  Zusammenstellung  der  Zahlenverhältnisse  nehme 
ich  die  praes.  formen  des  ind.  und  conj.  einerseits,  und  anderer- 
seits die  praet.  beider  modi  zusammen  (I  =  S.  2, 4 — 7  und  14 
19;  II  =  S.  2, 101—104  und  183—184;  III  ==  sämmtliche  briefe 
an  Dalberg). 

I 

1.  sg.  praes.  ind.  +  1.3.  sg.  praes.  conj.       3 
1. 3.  praet.  ind.  und  couj.  {sagt  —  sagte)      i 

2.  sg.  imp.  der  schw.  (sag  —  sage)  2 

Andere  beispiele:  ich  dacht,  es  2,322,13,  sagt  ich  2,249,15,  Jconnt 
ich  1,86,11,  entbrannt  er  1,124,108,  sagt  er  2,37,6.  2,86,25,  rmifafst  ich 
2, 309,  5,  schimmert  diese  herfür  und  verkündete  1,  214, 10,  gabs  ein  Fressen, 
das  tcährt  bis  2, 33, 7,  geboren  tcurd  Br.  2, 2,  9. 

Für  nicht  auslautendes  e  beim  verb  kommen  in  be- 
tracht  die  2.  3.  sg.  praes.,  2.  pl.  praes.  ind.  und  imp.,  und  das  part. 
praet.  der  schw.  (I  =  S.  2, 4—7  und  14—19;  II  =  S.  2, 101—104 
und  183—184;  III  =  S.  1, 137—172), 

mit  e  (-et)  ohne  e  (-t) 

I    II    III       I    n     m 


ohne  e 

mit  c 

II     ni 

I 

II    m 

2      10 

9 

10     100 

0        5 

25 

12       74 

1—1 

1 

2       - 

2. 3.  sg.  praes.  (lobet  —  lobt)  6      1 

2.  pl.  praes.  ind.  und  imp.  (lobet  —  lobt)      2      2 
part.  praet.  der  schw.  (gelobet  -  gelobt)       0      0 


19 


34     43 


98 


21      15     ) 
10      13       42 


314  PFLEIDERER 

lu  den  briefeu  an  Dalberg  koninit  kein  einziges  part.  praet.  auf  -et 
vor  (genötiget  Br.  53, 13  ist  in  einem  brief  an  Schwan). 

Beispiele  von  -e/  aus  andern  partieu:  erfüllet  2,  301,  23  M,  erstarret 
1,846.49,    aWjeztipfet  l,2ö\,\d,    irciuet  2,  198,22,   schrei't  1,2-lb,  18,   ras't 

1,  347,  74  u.  a. 

Praet.  auf  -ete  kommen  so  selten  vor,  dass  ich  sie  nicht  in  die  Statistik 
aufnehmen  konnte.  Beispiele:  lebete  2,11  A.,1,  imlmete  2,202,10,  iveinete 
2, 144,  22,  verjilngetr  2, 148, 16,  stärmetc  1, 249, 25,  hlühete  2,  93, 11.  392,  9. 
Ebenso  verhält  es  sich  mit  den  formen  der  2.  sg.  praet.  der  starken  verba. 
Beispiele:  gäbest  1,27,19,  crsch/oiest  1,214, -i,  iiuterschiedcst  l,o7,l,  batest 
1,59,4. 

Ein  besonderer  fall  von  sjmkope  ist  eine  eigentümlichkeit 
der  mundart,  die  in  der  Schriftsprache  nicht  anerkannt  worden 
ist:  die  Synkope  des  e  in  der  3.  sg.  praes.  ind.  nnd  dem  part. 
praet.  der  schw.  verba,  deren  stamm  auf  d  oder  t  ausgeht. 

Bei  Schiller  finden  wir:  3.  sg.  praes.  redt  1,35,24.  354,37.  2,95,23; 
part.  verabredt  2, 32, 19,  angezündt  2,  98, 3,  hingemordt  1, 260,  33,  angericht 
1, 191, 158,  ausgericht  1,  58,  8,  vergoldte  1,  284, 144.  Vielleicht  gehört  hieher 
auch  ihr  möcld  1, 203, 2,  falls  das  nicht  falsche  Schreibung  für  mögt  ist, 
sowie  wart!  1,  345,  26,   das  dem  Zusammenhang  nach  {ihr  Schurken  wart!) 

2.  pl.  imp.  ist.  Auch  Goethe  hat  sich  z.  b.  im  Götz  von  Berlichingen  öfters 
dieser  synkopierten  formen  bedient;  Haller  hat  sie  in  der  aufläge  von  1748 
aus  seinen  gedichten  gestrichen  (vgl.  Käslin,  Ilaller  s.  36).  Bei  den  Schwaben 
linden  sich  viele  belege  für  diese  erscheinung:  er  redte  SG.  2,  357,  getrost 
SG.  98  (im  reim),  er  schneidt  SO.  83.  105,  gekleidt  ST.  32,  8  (im  reim);  3.  sg. 
bedetit  SO. 5.  185,  vencumlt  ST.  21,  er  mäst  ST. 32,7  (im  reim);  im  Schw.  m. 
gcgründt  1775,  708,  angezündt,  überredt,  findt  1775,  708,  empfindt  1775,  470, 
bindt  1775,888,  findt  1775,206  u.a.  In  späteren  zeiten  legt  Schiller  diese 
synkopierten  formen  besonders  leuten  aus  dem  volk  in  den  mund,  so  in 
"Wallensteins  Jäger.') 

Bezüglich  der  verba  auf  -ern  und  -ein  sei  bemerkt,  dass 
sie  behandelt  sind  wie  in  der  modernen  spräche,  falls  ihnen 
nicht  ein  vocal  (mhd.  i,  ü,  iu)  vorangeht  (über  letztere  s.  s.  316). 

Versichern  Br.  42,  erinnern  Br.  57,  schildern  Br.  62,  bevmndernd  S. 
1,148,  donnern  1,210,19,  modernd  1,295,  verfeinern  2,9,  verlängern  2,20 
U.S.  w. ;  —  tvurzeln  Br.  42,  enttoikeln  1,  1ö2,  lö,  lächelnd  1,124:,  129,  tändeln 
1,248,  versammeln  1,222,65,  Sammeln  1,154,7  (ein  citat  aus  Garve,  wo 
bei  diesem  im  original  Sammlen  steht),  rütteln  1,  286,  wandeln  2, 12,  ver- 
ztceiffeln  2,73  etc.  Nur  der  Schreiber  von  M  hat  die  eigenheit,  dass  er 
fast  regelmässig  (vgl.  S.  2, 222, 1,  anm.)  statt  des  modernen  -ein  bei  verben 


1)  Das  furcht  sich  S.  12,21,  bin  verpßicht  S.  12,27,  ihr  redt  S.  12,41, 
findt  8.12,125.  14,333,  part.  beredt  S.  12,287,  befreundte  S.  11,240, 19,  die 
übergokUen  Zinnen  S.  6,  368,  624  (im  vers). 


SPRACHE   DES   JUNGEN    SCHILLER.  315 

wie  bei  subst.  -len  schreibt ,  d.  h.  dass  er,  wie  die  mundart,  nicht  das 
endungs-c,  sondern  das  stanimhafte  e  unmittelbar  nach  dem  hochton  syn- 
kopiert: 7/<cWph  2,  224, 15  M.  235,  8  M,  HvVWeu  2,  2(57,  22  M,  verziveiflen 
2,  252,  5  M  und  A,  Kugicn  2,  249,  7  M.  277,  22  M,  wandlen  2,  293, 24  M, 
erdrofslen  2,287,13  M:  dat.  pl.  EngUn  2,325,  1  M,  prüglen  2,278,18  M; 
ebenso  3.sg.  bettlet  2,222,1  M,  Spieglen  2,  240,  5  M;  —  mit  erhaltung  des 
'inneren'  e:  Trommelen  2, 231, 28  M. 

Die  Vorsilbe  ge-. 
Im  Schwab,  findet  in  den  Vorsilben  ge-,  he-,  ze-  durchans 
Synkope  statt;  vgl.  Kauffmann  §  120.  Schiller  macht  nur  bei 
gt-  gebrauch  von  dieser  dialektischen  eigenlieit,  und  auch  da 
nicht  besonders  häufig,  sondern  nur  dann  und  wann,  wenn  ihm 
die  bequemlichkeit  es  rät.  Bei  den  adj.,  die  liieher  gehören, 
ist  es  freilich  nicht  sicher,  ob  Schiller  selbst  oder  sein  'copist' 
sich  ihrer  in  der  dialektiscli  gekürzten  form  bediente,  da  sie 
(ausser  graä  1,  353,  2  im  vers)  nur  im  theatermanuscript  der 
Käuber  vorkommen: 

grade  Finger  2,  226, 15  M,  gnug  2, 262,  7  M.  231, 2  M,  gringer  Sold 
2,  262, 10  anm.  M ;  A  schreibt  in  allen  diesen  fällen  ge-.  Altertümlich  bez. 
aus  versnot  entstanden  ist  die  form  genade  dich  1,187,46.')  Durch  den 
rhythmus  genötigt,  hat  Schiller  folgende  Schwab,  formen  verwendet :  G'nik- 
f(nig  1,202.23,  's  g'wittert  1, 'Si9,  6,  todg' schlagcii  l,2Vi  im  'gespräch', 
hocJig'studiert  1,261,35,2,  ein  wort,  bei  dem  ausserdem  noch  in  betracht 
kommt,  dass  wie  im  mhd.  (vgl.  Paul,  Mhd.  gr.  §  308),  so  im  schwäb.  noch 
heute  das  part.  praet.  auch  der  fremdwörter  mit  unbetonter  erster  silbe 
mit  ge-  gebildet  wird.*) 

Die  Partikel  ge-  fällt  im  schwäb.  ganz,  wenn  in  folge  der 
synkopierung  des  vocals  g-  vor  einem  folgenden  explosivlaut 
zu  stehen  kommt. 

Die  darauf  zurückführenden  formen  finden  sich  teils  in  versen:  part. 
durchkommen  1,  270,  104,  part.  überblieben  1,  220,  7  (so  noch  3,  268,  5. 
7,260,31),  teils  im  brief  an  Scharffenstein :  part.  gleichkommen  S.  1,  60,  3, 
zurückblieben  ist  56, '6ö,  bin  blieben  öG,  20;  nur  das  ])aTt.  kommen,  das  schon 
mhd.  ohne  gc-  erscheint  und  in  der  literatursprache  nicht  ungewöhnlich 
war,  findet  sich  auch  sonst:  2,90,22.  154,18.  159,1.  191,26.  249,20.  256,22. 
301,20;  und  noch  öfter  worden,  ebenfalls  schon  mhd.  ohne  gc-  üblich:  bin 
das  Haupt  worc/t'/i  2,  326,  7,  «.'«c/t /co;Y?eu  2,  310, 11  {^geworden);  ähnliche 


')  So  noch  genad  uns  Gott  S.  13,  47,  grad  S.  12,  580,  gnug  S.  12, 117. 
191.  197.  476.  479.  S.  13,  22.  88. 

-')  Die  form  steht  in  dem  gedieht:  Der  einfältige  bauer,  wo  die  Ver- 
wendung der  dialektischen  form  dem  Charakter  des  gedichtchens  entsprach. 


316  PFLEIDEREK 

fälle  1, 56, 19.  58,19-  151,21.  2,36,6.  23,6.203.  211,25.  227,6.  288,24. 
169,22.  288,24.  392,24.  334,9  n.  a.  -  fimden  2,75,21,  das  nur  in  einem 
teil  des  schwäbischen  fnnäcn  lautet,  ist  citat  aus  der  Bibel. 

Fulda,  (tR.  93  verlangt  übrigens  für  das  part.  von  tcerden  =  fieri  gc- 
irordcii.  Eine  freiheit,  die  sich  Schiller  genommen  hat  und  die  nicht  auf 
dialekteigentüinliclikeit  zurückgeht,  ist  die  weglassung  von  ge-  in  rißnc 
Saiten  1,190,132  (im  vers;  dazu  führt  Bellermann  in  seiner  Schillerausgabe 
9,  36  von  Goethe  flohene  frcndcn  an). 

Hier  mögen  noch  'vaus  1, 254, 102,  'nein  1,  255, 129,  'raus  1,  345,  25 
ihre  stelle  finden,  da  auch  sie  specifisch  schwäb.  sind,  insofern  das  schwäb. 
in  den  zusammengesetzten  präpositionaladv.  hinab,  hinauf  etc.  stets  syn- 
kopierung der  Vorsilbe  eintreten  lässt  (vgl.  Kauffmann  §  120,  2).  Formen 
wie  r7;Y(»/"  2,  210, 14,  r/ran  2,  225,  20  etc.,  die  ebenfalls  aiif  schwäb.  syn- 
kopierungen zurückzuführen  wären,  brauche  ich  nicht  zu  nennen,  da  sie 
in  der  Schriftsprache  längst  gang  und  gäbe  sind. 

Svarabhakti-e. 
Bei  der  diphthoiig-ierung  von  mlid.  ü,  i,  iu  hat  sich  im 
nlid.  vor  r  in  folge  der  halbvocalischen  natur  dieses  lauts  ein 
furtiver  vocal  entwickelt.  In  die  schritt  findet  dieser  vocal 
erst  spät  eingang.  So  schreibt  Haller  noch  Säur,  Feur,  pl. 
Bauren  (vgl.  Käslin,  Haller  s.  57).  Auch  die  schwäb.  gramma- 
tiker  verwerfen  die  einführnng  des  furtiven  vocals  in  die  schritt; 
vgl.  Schw.  m.  1776,35:  ^ Des  Bauers  ist  ein  saxonismus,  der  wider 
die  regeln  der  spräche  anstölst,'  und  Schw.  m.  1775,  319:  'Aus 
unkunde  der  wurzeln  entstehen  auch  feler,  in  den  inf.  dauern, 
trauern,  ...  in  den  pl.,  Mauern,  Steuern  etc.  anstatt  dauren, 
etc.;  dann  die  wurzeln  sind:  dtir,  trur  etc.';  —  ebenda  s.  318: 
•Die, Sachsen  wollen:  des  Bauern,  ...  die  Bauern.  Wir  aber 
decliniren:  des,  dem  . . .  Bauren.  .  .  Wer  hat  recht?  Kann  man 
zw^eifeln,  ob  wir  recht  haben?  Sollen  wir  nachbetten  um  mit 
den  Sachsen  zu  feien?'  —  Schiller  hat  jedenfalls  so  geschrieben, 
wie  die  Schwaben  es  verlangen. 

In  dem  handschriftlich  von  ihm  vorhandenen  kommt  zufällig  kein 
beispiel  (für  oder  wider)  vor;  dagegen  in  den  drucken-  die  dissertation 
(Cotta,  in  S.  1)  hat  trauren  1, 166,  5,  dauren  171,  22,  allerdings  daneben 
dauernd  171,9.  174,33;  in  den  Erhardschen  Schriften:  traurt  1,42,  feyren 
1,  44,  Mauren  1, 122,  73,  traurenden  Arch.  f.  lit.-gesch.  (S.  1,  359,  83  trauern- 
den); Mäntlersche  drucke:  ausdatiren  1,  11^,25,  »S'/cwr  1,  179, 47,  neben 
dauert  1,  183,  feye.rn  1, 180,  65;  Metzler:  hedauren  2,  6.  50,  Bauren  2, 25,  21, 
Zawren  2,  93,7.  112,2,  Mauren  2,  HG,  25.  132,20,  dauren  1,210,16,  lawren 
1,316,67,  —  mauren  1,250,48,  Thearen  :  feyren  1,352,62,  Leyr  1,261,45, 
Feu'r  :  theur  1,  253,  83 ;  —  daneben  Schauern  1,  214,  Ungeheuern  1,  215, 13, 


SPRACHE   DES  JUNGEN  SCfliLLEK.  317 

steuern  1,297,  schauernd  \,  302,  1r((i(rnHl  \,S1\:  die  bühnenbearbeitung  der 
Räuber:  hedauren  2,  217,  23  A  und  M,  du  bedaurest  2,  217,  24r  A  und  M, 
laurend  2,  258,  25  A  und  M,  Mauren  2,  270,  25.  330,  22  A  und  M,  lauren 
2,  271,  -4  A  und  M,  Stadtmauren  2,227,23  A,  her ahf euren  2,20,2,12  A,  Mauren 
2,  285,  UA,  während  M  in  den  3  letzten  stets  -ern  bat;  Z«Me>H 2,  297,11  A, 
lauren  M. ') 

C.    Consonantismiis. 

Im  Schwab,  haben  wir  Spiranten  und  explosivlaute  nur  in 
stimmloser  form;  ausserdem  existiert  bei  h  und  j),  d  und  t  kein 
unterschied  von  fortis  und  lenis;  daher  haben  h  und  jj,  d  und  t 
denselben  lautwert  (vgl.  Fischer,  Geogr.  §  51  ff.;  von  fällen  wie 
hell- :  hh  etc.  und  p  in  fremdwörtern  ist  abgesehen). 

Die  Schwab,  grammatiker  bemühen  sich  vergeblich,  zur 
Unterscheidung  von  h  und  p,  d  und  t  schreibregeln  aufzustellen. 
Fulda  sagt  schliesslich  GR.  (56  über  d  und  t  bez.  ebenda)  s.  51 
über  h  und  jk  'Uebrigens  ist  weiter  nichts  zu  thun,  als  dalf  man 
das  umständliche  h''  ...  vor  andern  consonanten  mit  demjenigen 
blaslaut  fortschreibe,  den  die  gewonheit  einmal  festgesezet  hat, 
denn  kein  innerlicher  Charakter  ist  nicht  da,  warum  man  bald  h, 
bald  p  schreibt  in  hlau,  plaudern'  Als  beispiele  dafür,  dass 
man  'sogar  vor  vokalen'  ohne  allen  grund  bald  fortis,  bald  lenis 
schreibe,  führt  er  s.  56  toll,  Dolch,  Tod,  Dote,  tunlen,  dünhen 
an.  Ebenso  sagt  Nast,  Spr.  2,  64:  Gnoch,  Glage,  Bsalm,  Bfund 
etc.:  'Wäre  der  gebrauch  nicht  wider  dise  Schreibart,  so  würde 
ich  sie  allemal  vorziehen,  weil  sie  vernünftiger  und  warer  ist,  als 
das  gewönliche  P^aw(:?erw.  etc.'  Und  ebenda  s.  65:  'Ganz  Teutsch- 
land schreibt:  Tay  . . .  und  in  ganz  Schwaben,  wie  auch  in 
der  Pfalz  . . . ,  spricht  man  alle  dise  Wörter  mit  d.  Ist  die  aus- 
spräche richtig,  ...  so  mus  die  Schreibart  geändert  werden,  so 
änderst  die  etymologie  nichts  darwider  einzuwenden  hat.'  Diese 
bemerkungen  zeigen  uns,  dass  selbst  die  gebildeten  des  dama- 
ligen Schwabens  auch  in  der  gesprochenen  Schriftsprache  keinen 
unterschied  von  h  und  p,  d  und  t  kennen.  Die  Unterscheidung 
in  der  schritt  ist  für  sie  ohne  'innerlichen  Charakter'. 

Daher  sind  die  massenhaften  reime  von  d  und  t,  z.  b. 
baden  :  braten  S.  1,  270,  I'faden  :  T/iatcn  1,  47  etc.  (vgl.  S.  1,  385) 


')  Von  Schillers  band  findet  sich  noch  dauren  Br.  5,  315,  Mauren  Er. 
5,  351,  dauren  Br.  6,  253.  Aus  den  drucken  führe  ich  noch  an  Blauren  S. 
14, 16,  Jaurend  S.  14, 105. 


318  PFLEIDEUER 

für  das  scinväb.  olir  durchaus  rein,  und  das  wai'en  sie  vor 
120  jaln-en  offenbar,  selbst  wenn  der  leser  sich  bemühte,  'hoch- 
deutscli',  d.  h.  dem  Schriftbild  gemäss  zu  lesen. 

Ans  Scliubart  führe  icli  nur  eine  answahl  von  beispielen  an:  Laby- 
rinthen :  finden  ST.  l),  5,  Weile  :  Kleide  ST.  14,  3,  iräten  :  Frieden  ST.  115, 10, 
Boden  :  Todien  SG.  135.  22,  Fropheten  :  Beden  SGr.  2, 114,  Wunder  :  herunter 
SG.  190,  'weidet :  leitet  SG.  2,  22,  breitet :  gekleidet  SG.2,58;  aus  dem  Schw. 
m. :  Wunder  :  herunter  1775, 473,  unten  :  Wimden  Yilb,  713,  hörten  :  Heerden 
1776,332.  Für  b — p  ist  zufällig  aus  Schiller  kein  reim  belegt;  aus  Schu- 
bart z.  b.:  Pompe  •.  Katakombe  SG.  2,  5ü.  Diese  art  des  'unreinen'  reims 
ist  (neben  solchen  von  i :  ü,  ei :  eii)  diejenige,  die  in  den  späteren  dichtungeu 
Schillers  am  häutigsten  vorkommt. 

Aus  dem  Charakter  dieser  explosivlaute  im  schwäb.  er- 
klären sich  auch  folgende  unterschiedliche  Schreibungen: 

Hauht  1,87,1.  83,22,  Haupt  1,103,3  u.  sonst,  Budel  2,85,8  in  der 
aufläge  von  1781  gegenüber  Fudel  der  übrigen  auflagen,  vgl.  Budel  SO.  34 ; 
Bursche  2,  32, 10  gegen  Bursche  2,  78, 15,  vgl.  Bursche  Si.  lOG.  Ergözlichk. 
1774,  1,389,  2^«r.sc/t  Schw.  m.  1775,  500,  gegen  Barsche,  die  ständige  Schrei- 
bung von  Fulda  und  Nast  (vgl.  ausserdem  Bahder  s.  236),  prüllen  2,  258,  7  M, 
^niWejt  1,  131,  87  u.  a. ;  Tummheit  l,i-i%,'ib,  Dammlcopf  2.illb  {Tummheit 
Ergözlichk.  1774,  1,  334),  Bunden  2,  92, 1.  342, 19.  257,  23  A,  Lunten  2,  257, 
23  M;  bund2,in,6.  311,21  M,  bunt  1,217,23.  2,311,  21  A;  Borden 2,94:,12. 
31,17.  86,13,  gegen  Borten  in  spätem  auflagen;  gescheid  2,231,9  u.a., 
gescheiiter^)  2,  m, 27  n.fi.;  siebende 2,  320,18  M,  siebenter  2,  328,1;  gemiltert 
2,  308,  19  M,  mildern  1,  211,  41 ;  Tinte  2,  28,  7,  Dinte  1,  208,  67.  245,  5. 
2,224,15  anm.  384,10;  ungedidtig2.,o7-l,8,  Gedult 2,301,1,  unschuldig 2,228,3. 
—  Ueber  das  verhalten  der  vv^örterbücher  bis  ins  18.  jh.  hinein  vgl.  Bahder 
cap.  11  und  12.2) 

Teutsch  ist  die  durchgehende  Schreibung  der  schwäb. 
grammatiker  im  Spr.,  (iß.  und  Schw.  m.;  sie  verlangen  diese 
Schreibung  ausdrücklich  Schw.  m.  1775,  786.  Ergözlichk.  1774, 
1,348.  GR.  56;  verdeutschen  lässt  Fulda  gelten,  aber  nur  weil 
es  bedeute  deutlich  machen;  dagegen  'teutsch  von  Tuisco,  und 
Teutones!  Sicherlich  hat  der  junge  Schiller  nur  teutsch  und 
Teutschland  geschrieben. 


^)  Bei  letzterem  kommt  allerdings  noch  in  betracht,  dass  man  das 
wort  als  part.  praet.  gescheut  zu  scheuen  auff'asste;  vgl.  s.  288. 

'■')  Von  späteren  Schreibungen  erwähne  ich:  überhaubt  Br.  1,88.  101. 
117,  behaubtenBr. 1,129,  Haubtsache Br. 1,14:7,  Fursch S.  11,314,  purschikos 
S.  12,  33,  Jügerpurscli  S.  4,  65,  31  (vgl.  auch  unbäj'slich  4, 150),  Binte  Br.  1,97. 
S.  12, 158,  dausend  Br.  1,  410.  Im  übrigen  verweise  ich  auf  Gödekes  glossar 
in  S.  5. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  319 

Deutschland  kommt  vor  2,  248, 17  A  und  M.  Br.  65,  28,  rleuisch  2,280, 5. 
231,12.  155,12;  die  stelle  Br.  65,  28  ist  einem  brief  entnommen,  bei  dem 
nicht  die  Schillersche  handschrift  dem  druck  als  vorläge  diente,  will  also 
nicht  viel  sagen.  Alle  übrigen  stellen  in  liandschriften  und  drucken 
haben  t:  teutsch  Br.  57, 10.  50,16.  8.1,248,10.  208,55.  353,56.  2,344,12. 
372,  7.  390,  21.  Haug,  Z.  455  etc.,  Teutschland  Br.  54, 13.  S.  1,  202,  22.  166, 11. 
51, 34.  2,  3, 20,  389, 20.  236, 18  M.  224, 12  M.  etc.i) 

Nach  dem  oben  über  t  —  d  gesagten  reimt  auch  ^  und  ds 
ebenso  gut  wie  s  und  ts;  so  betrachten  auch  die  grammatiker 
den  Sachverhalt:  Schw.m.  1777,159:  '^  ist  ts  oder  ds';  Spr. 2, 35: 
^z  gilt  izo  für  die  zwen  buchstaben  ds  und  ^5.' 

Reime:  Stolz  :  Golds  1,  185,  Tanz  :  Lands  1,  208  {herz  :  icürts  1,  46. 
128.  231).    Ueber  die  Schreibung  z  für  ts  s.  s.  291. 

g  und  h  kommen  für  uns  hier  nur  an-  und  auslautend  in 
betracht.  Inlautend  fallen  sie  lautlicli  zusammen,  da  im  inlaut 
h  als  lenis  erscheint  und  also  mit  (dem  stimmlosen,  vgl.  s.  317) 
g  gleichwertig  ist  (vgl.  Fischer,  Geogr.  §  58);  tritt  dagegen  g 
in  den  auslaut,  so  erhält  es  aspiration  imd  fällt  lautlich  mit  k 
zusammen  (vgl.  Kauffmann  §156,3;  ausnähme:  -ig,  s,  sofort 
nachher). 

So  erklärt  sich  die  Schreibung  iceggaugelst  2,  277,  20  M  neben  gaukelst 
1,273,5  u.a.  aus  dem  lautwert  des  inlautenden  k.  Folgende  reime  sind 
daher  rein  für  den  Schwaben:  Werke  :  Zu-erge  1,  221,  Bergen  :  Werken  1, 179, 
lügt :  rückt  1, 191  (abgesehen  von  der  quantität  des  vocals);  weg  :  kek  1,  352, 
weg  :  Spek  1,  212,  hegt :  nekt  1, 178;  vgl.  Zweck  :  iceg  SG.  59,  deckt :  fragt 
Schw.  m.  1775,  708  u.  a. 

g  wird  auslautend  zu  palataler  spirans  in  der  silbe  -ig,  ein 
Wandel,  der  nicht  genuinschwäb.  ist,  sondern  aus  dem  fränk. 
herübergekommen  zu  sein  scheint,'^)  trotzdem  aber  in  einem 

1)  Ich  weiss  nicht,  wie  Minor  (Zeitschrift  für  die  Österreich,  gj-mnasien 
1888,  s.  1065)  dazu  kommt,  zu  sagen:  'Schiller  blieb  trotz  aller  Propaganda 
(Haugs  Schw.  m.  1774  und  1776)  meistens  bei  deutsch.'  Vielmehr  schreibt 
er  nachweislich  stets  /fid.sr/<  bis  1784:  to(/«7t  Br.  1,  78, 16.  108,13.  138.  162 
unten.  204.  Deutsch  ist  widerum  nur  in  briefen  aus  dieser  zeit  zu  finden, 
die  nicht  im  original  dem  druck  bei  Jonas  als  vorläge  dienten:  deutsch 
Br.  1, 170.  187.  65.  206  (sämmtlich  nicht  handschriftlich!).  Das  erste 
deutsch  in  einem  Originalbrief  finde  ich  Br.  1.  223,  9,  brief  vom  7.  dec.  1784, 
dann  Deutschland  handschriftlich  Br.  1,304.  360;  darunter  hinein  auch  wider 
teutsch  Br.  1,  319,  4.  405:  später  dann  nur  noch  deidsch,  z.  b.  Br.  2,  80.  4,  429. 

[-)  Für  echt  schwäb.  abkunft  des  wandeis  spricht  aber  der  analoge 
Übergang  von  unbetontem  -ik  in  -ich  in  Wörtern  wie  chrönik,  mäsik 
etc.    E.  S.] 


320  ITLEIDERER 

grossen  teil  des  sclnväb.  statt  liat.  Da  -ig  besonders  gern 
adj.-endung-  ist,  denkt  man  ancli  an  einwirkung  der  adj.  auf 
-lieh  (vgl.  Fischer,  Geogr.  §  54.  Fischer,  Germ.  36, 428.  Fischer, 
Württ.  Vierteljahrshefte  1884,  s.  133). 

Seiner  ausspräche  gemäss  schreibt  daher  Schiller  -ich  statt  -ig  in 
gesprächich  J,  111,10  {mhd.  gesprcechec),  mann/chfaU/g  Br.  11,19,  Mannich- 
faltigkeä  Hang,  Z.iöS  neben  munnig-  1,112,2  (mM.  inunec),  auf  der  andern 
Seite  aber  auch  -lig  statt  urspr.  lieh  in  allmählig  1,  225,  4:1.  St.-anzeiger  229 
(mhd.  almechlich);  vgl.  Schubart:  schäbich  SG.  2,  310. 

Nast,  Spr.  2,  62  nennt  -ich  fehlerhaft:  'Am  ende  einiger 
Wörter  sprechen  ...  die  Schvi^aben ,  wenn  sie  nachläsig  reden, 
ein  ich  aus :  traurich  . . .  statt  iraurig.  . .  Allein  dise  ausspräche 
ist  tadelhaft.'  Fulda,  GE.  83  scheidet  genau  zwischen -%  und 
-lieh:  'Gehört  das  l  zur  wurzel,  so  schreibt  man  das  bei  wort 
mit  -ig.  . .  Kho  ölig,  unsälig.  .  .  Gehört  das  l  nicht  zur  wurzel, 
so  ists  die  eigene  partikel  -lieh,  frölich,  ...  allmählich.'^)  — 
Aus  dieser  ausspräche  von  -ig  als  -ich  erklärt  sich  auch  die 
Schreibung  -igt  neben  -icht  in  den  betreffenden  adj.  und  subst. 
(vgl.  darüber  unten  'Wortbildung  A'). 

Vielleicht  gehört  hieher  auch  die  Schreibung  Siegbett  2,  307,  27  A 
(M  Siechbett).'^)  Dagegen  ist  mögte,  die  charakteristische  Schreibung  des 
copisten  von  M  (vgl.  2,  215,  4,  anm.  von  Gödeke),  wol  als  etymologische  an- 
zusehen (dieselbe  Schreibung  findet  sich  später  von  Schillers  band:  mögte 
Br.6,344.  7,154;  dazu  mogte  S.  9, 142). 

Es  reimt  -ig  auf  -ich  nur  in  Ludeioig  :  dich  1, 187. 

Anlautend  g  —  gegenüber  nhd.  j  —  hat  das  schwäb.  in 
gäh  erhalten  aus  mhd.  gcehe.  Die  nhd.  form  jähe  ist  durch 
dialektische  einflüsse  zu  erklären  (vgl.  Wilmanns,  Gr.  2,  §  318, 7). 

Bei  Schiller  findet  sich  einmal  jach  1,342,33,  das  er  wol  aus  der 
spräche  der  Bibel  herübergenommen  hat  (Spr.  Sal.  21, 5.  Sirach  28, 13) ;  sonst 
^ä/te  1,  170, 24.  260,34.  283,122.  2,346,7.  346,21,  ^äWm^/s  1,  335,  649. 
2,136.  389,20  (ebenso  gühe  ST.  76,  2).») 


1)  -ich  für  -ig  auch  später  noch  oft:  (/es^räc/wcÄ  S.  4,  316,  8,  mannich- 
f altig  S.  3,  519,  22  u.  a.,  MannichfaUiykeit  Br.  1, 107  u.  a.,  vollzählich  S.9, 93, 12, 
untadelich  S.  6,  298, 13,  udelich  (historisch  richtig,  da  mhd.  adellich)  S.  3,  367. 
4, 101.  Br.  1,  383  (ebenso  Si.  210.  229),  umgekehrt  ullmühlig  S.  6,  42, 1.  7,250. 
9,  37.  112.  12,  549.  13, 174.  14,  70  etc. 

'■')  Ist  wol  eher  einfach  als  zufälliger  Schreibfehler  zu  beurteilen. 

■")  Später  noch  gühe  S.  3,  80,  8.  5',  31.  5'-',  158.  6,  367,  643.  11,  85,  51 
(Spaziergang;.  11,  222,  64  (Taucher),  gühlings  ii.b\14:,22ö.  11,84,32.  14,374 
(Teil),  gühstotzig  S.  14, 372,  daneben  jäh  S.  6,  82,  jählings  S.  6,  407  u.  a. 


SPRACHE    DES   JUNGEN   SCHILLER.  321 

Anlautend  y,  g-egenüber  älterem  j,  zeigt  das  nhd.  in  Gauner 
Das  wort  stammt  aus  dem  hebr.  nr  und  beg-egnet  in  der  jetzigen 
form  und  bedeutung  zuerst  bei  Lessing  1753  und  dann  in  den 
Räubern;  das  anlautende  y  hat  noch  keine  erklärung  gefunden.') 

Schiller  hat  entsprechend  der  schwäb.  raundart  meist  Juuner  1,  209,  86. 
2.  44, 15  M.  Jmincrliorden  2,  858,  20;  dazu  Jrnwer  2.  82,  12  in  den  ausgaben 
von  1782 — 99;  ebenso  SO.  131;  daneben  in  den  Käubern  Gauner  2,82,12. 
231, 17  A  und  M.  233, 17  A.  40.  101. 2) 

Da  es  im  obd.,  wie  erwähnt  (vgl.  ausserdem  Paul,  Mhd. 
gr.  §  95),  überhaupt  keine  stimmhaften  consonanten  gibt,  so  ist 
auch  an  einem  reim  wie  Sldaven  :  schlafen  1,  341  nichts  aus- 
zusetzen, ebensowenig  am  reim  s  :  ss  (falls  es  mit  der  vocal- 
([uautität  seine  richtigkeit  hat): 

J?o.se  :  Schoofse  1, 190.  228,  Bo^e  :  schlofse  1,  29,  Gemusel :  Geifsel 
1,  237,  Eisen  :  entreifsen  1, 127,  {Bösen  :  gegoßen  1,  28). 

Auch  Felsen  :  tvälzen  1,217  ist  zu  entschuldigen,  da  sich  zwischen 
dentalen  consonanten  {l  —  s)  gern  ein  übergangslaut  d  entwickelt. 

Dass  ks,  chs  mit  x  gleichbedeutend  ist,  erhellt  aus  s.  319; 
es  reimt  daher  schwäbisch  rein:  Füchse  :  Styxe  1,208,  Büchse  : 
Crucifixe  1, 192. 

Vom  mhd.  zum  nhd.  liat  sich  s  vor  l,  m,  n,  tv  zu  seh  ent- 
wickelt. Ein  anlautendes  nd.  siv-  wird  daher  im  mund  eines 
Schwaben  leicht  zu  schiv-;  so  macht  z.  b.  Schiller  aus  einem 
Sivanmierdam  einen  Schirammerdani  1,  157, 16  (vgl.  Weltrich 
1, 557).  Die  alem.  mimdarten  haben  diese  entwicklung  des 
5-lauts  weitergeführt  und  st,  sp  im  anlaut  ausnahmslos  zu  st, 
sp  verschoben;  auch  im  in-  und  auslaut  beherscht  diese  Ver- 
schiebung das  ganze  gebiet  der  schwäb.  mundart  (vgl.  Fischer, 
Geogr.  s.  61).  Daher  reimt:  ist  :  enttvischt  1,  179  schwäbiscli 
rein.  Vgl.  dazu  Fulda  in  Haugs  P^rgözlichk.  1774,  2,  69  ff.: 
'Entweder  mus  der  Hochteutsche  überhaupt  wieder  aufhören: 
sehleim  .  .  .  zu  schreiben  und  zu  reden,  oder  er  mus  den  Schwa- 
ben entschuldigen,  wenn  er  fast  allein  noch  fortfährt:  schpecht, 
schtolz,  und  folglich  auch  am  ende  Imoschp,  und  für  jedes  st, 
wenn  es  änderst  nicht  aus  -sct  zusammen  gezogen  ist ... ,  ein 
seht  {du  bischt,  er  Ischt)  zu  sprechen.  Denn  der  grund  von 
beiden  ist  völlig  einerle}-.  Und  es  bleibt  gewaltsamkeit  und 
partheyisches  unrecht,  dem  p  und  t  zu  veisagen,  und  vormals 


»)  Vgl.  Kluge,  Et.  wb.  Wilmauns,  Gr.  2\  §  226. 
3)  Jauner  noch  S.  8, 194, 16.  211, 15. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXVUl.  21 


322  PFLEIDERER 

versagt  zu  haben,   was  den  andern  allen  billig  und  rec-ht  ge- 
achtet worden.' 

Altes  h  ist  im  inlaut  im  grössten  teil  des  schwäb.  gebiets 
durchaus  verschwunden  (vgl.  Kauffmann  v<  158,  3.  Fischer. 
Geogr.  s.  62). 

Hierher  .mag  die  Schreibung  (ßüen  1,284,12.  231.  302  u.a.  gegenüber 
dem  jetzt  üblichen  filüheu  gezogen  werden,  insofern  das  nhd.  secundäre  // 
(flliihen  aus  mhd.  (ßüejen)  im  schwäb.  hier  dasselbe  Schicksal  erleidet  wie 
das  alte  h-,  ferner  die  reime  i^prühen  :  knieen  1,353,  Fee  :  höhe  1,  189,  wo- 
bei freilich  Fee  zweisilbig  zu  lesen  ist.  —  Aehnlich  reimt  Schubart:  Weihe 
:  Treue  SG.  2,  58. 

Auslautendes  h  fällt  im  schwäb.  meist,  wegen  der  daneben 
stehenden  formen  mit  inlautendem  //.  Bleibt  es  erhalten  — 
so  im  Süden  und  osten  der  mundart  — ,  so  wird  es  zu  rh  (vgl. 
Fischer.  Geogr.  s.  62). 

Schiller  hat  neben  rauh  2,  49,  5.  1,  332  auch  nwch  1,  351,  28,  nach  zu 
=  nahe  zu  2,  41,  9 ;  letzteres  findet  sich  auch  bei  Haller,  vgl.  Käslin  s.  14.  ^) 

Für  das  auslautende  tv  gibt  es  im  schwäb.  kein  lautgesetz 
(vgl.  Fischer,  Geogr.  s.  40);  soweit  es  erhalten  ist,  erscheint 
es  als  b. 

Hierher  gehört  nur  falb  1,28,33,  das  auch  von  Goethe  öfters  ver- 
wendet wird :  Schiller  kann  es  übrigens  auch  aus  Haller  übernommen  haben, 
da  das  wort  nur  im  gedieht  Der  abend  vorkommt  und  folb  ein  lieblings- 
wort  Hallers  war  (vgl.  Jonas,  Erläuter.  s.  5). 

Auslautendes  m  des  mhd.  ist  nhd.  -n  in  Boden;  die  alte 
form  findet  sich  noch  in  Bodem  2,  258,  8  M. 

Auslautend  -n  gegenüber  nhd.  üblichem  -m  zeigt  lohesan  1,  303, 8, 
eine  form,  die  auch  sonst  in  dichterischer  spräche  gern  verwendet  wird,  — 
und  T/mr/(  2,  254, 19  anm.,  Fulverthvrn  2,93,22  {-thnrni  hier  erst  von  1812 
an),  tichuldihiirn  2,  40, 17  in  den  ausgaben  C  1782  und  Ch  1782,  Fulverthurn 
2,  101,  17  ausgäbe  F.  Die  übrigen  stellen  liaben  -w:  Thnrm  2,  8H,  iö.  95,3. 
259, 110  A  und  M.  254, 19  M,  Pulvert hvrm  2,  259,  3  A  und  M,  Schuldthwm  2, 
231, 21  A  und  M.  Die  form  auf  -n  ist  die  oberdeutsch  mundartliche,  die  auf 
-wi  herscht  in  Thüringen  und  Obersachsen  (vgl.  Kluge,  Et.  wb.).  Luther  hat 
türm  und  turn ;  bei  Goethe  wird  -n  aus  Göz  v.  Berl.  V:  Gürtchen  am  Turn 
angeführt. 

Entgegen  dem  nhd.  üblichen  lautstand  hat  Schiller  Eatze  2,  Gl,  17. 
242, 1  (neben  Hatte  2, 157, 13)  und  rtlamn  (--=  Flaum)  2,  238, 2.  49,  5.  Batze 
ist  die  obd.  form  2)  mit  regelrechter  lautverschiebung,  während  die  schrift- 


1)  rauch  findet  sich  bei  Schiller  nur  noch  S.  15^  327, 10  (im  Demetrius) 
in  einer  sentenz,  wo  das  wort  an  reich  anklingen  muss. 

'■')  Neben  der  aucli  im  oberdeutschen  munda)-t]iclien  form  Jiati. 


SPRACHE    DES   JUNGEN   SCHILLER.  323 

sprachliche  form  aus  dem  nd.  stammt:  Pflaum,  nhd.  pfluma,  mhi.  2>hlüme 
zeigt  el)enfalls  die  in  der  schwäb.  mundart  im  anlaut  durchgehende  Ver- 
schiebung von  germ.  2^  '•  pf  (vgl-  Fischer,  Germ.  30,  430).  Eatze  kann  ich 
aus  Spr.  1,59  {' Jxatt,  Eaz,  sächsisch  die  Hatte''),  Fflamn  aus  Fulda,  GR.  05 
und  Spr.  1,23  belegen.») 

Nach  s-lauten  entsteht  oft  ein  sog.  parasitisches  t,  das  be- 
sonders in  den  mundarten  wuchert. 

Ausser  den  von  der  Schriftsprache  angenommenen  sonst 
etc.  führe  ich  aus  Schiller  an: 

amlcrst  Adv.  2,123,10.  278.  27  A  C^tL  anders),  amlerslwo  2,  25G,  18  M 
(A  anderswo),  nichts  änderst  2,  287, 18  M;  die  form  Hesse  sich  aus  der  gleich- 
zeitigen schwäb.  literatur  unzählige  mal  belegen;  ich  führe  nur  an  SG.  2, 
vorr.O.  Schw.  m.  1775,  4.  444.  50L  Fulda,  GE.  92.  Fulda  sagt  GR.  87  f.: 
'Daraus  (sc.  aus  adv.  auf  -ens)  ist,  um  einen  unterschid  vom  bei  wort  zu 
machen,  eine  eigene  nebenwörtliche  endung  in  -.s(  entstanden,  einst,  änderst, 
mittelst.  Ob  man  wol  so  recht  thut,  dals  man  sie  wieder  abgehen  lassen 
will?'  und  derselbe  in  Hangs  Ergözlichk.  1774,  2,  74  bemerkt,  es  stehe 
noch  'zu  fürchten  oder  zu  hoffen,  ob'  das  schwäb.  adv.  änderst  erhalten 
bleiben  oder  von  dem  gebrauch  vertilgt  werden  werde.  —  Ferner  hat 
Schiller  Erzl  =  Erz  2,  40,  5  A  neben  Erz  2,  235,  5  A  und  M.  —  Änderst  und 
Erzt  linden  sich  auch  ])ei  Haller,  vgl.  Käslin,  Haller  s.  53. 

Der  in  der  Schriftsprache  übliche  übergangslaut  fehlt  in  einsmals  2, 172, 1. 
312,8;  dagegen  findet  er  sich  entgegen  dem  schriftgebrauch  in  Geheimde 
Roth  (das  d  zu  erklären  uns  der  zusammengezogenen  form  Gehcimrath) 
Br.  1,39,9,  auch  bei  Haller  belegt,  s.  Käslin,  Haller  s.  53:  weiter  in  ver- 
irorrendste  2,  337,21.-) 

-  Ueber  das  Verhältnis  von  ahnden  zu  ahnen  scheint  man 
noch  nicht  ganz  klar  zu  sein.  Die  form  ahnen  erscheint  erst 
spät  mild.;  Kluge,  Et.  wb.  erklärt  es  als  ableitung  von  der  prä- 
position  an:  die  ableitung  von  ahnden  (so  in  den  Wörterbüchern 
von  Paul  und  Heyne)  als  neubildung  zu  der  3.  sg.  mir  ant  ist 
aber  fast  einleuchtender.  Die  classiker  des  18.  jh.'s  haben  in 
ihren  älteren  Schriften  immer  ahnden. 

So  auch  Schiller:  ahnden  1,179,34  2,17,11.  221,5.  394,  11  u, s.w.; 
ebenso  stets  in  den  brieten;  Ahndiimj  1,107.2.  2,14,18  etc.;  Ahnumj 
1,294,34  ist  wol  auf  rechnung  des  setzers  zu  schreiben;  es  ist  die  einzige 
stelle  beim  jungen  Schiller,  die  den  ausfall  des  d  aufweist.    Auch  Schubart 


*)  Ratze  findet  sich  nie  mehr  in  Schiller:  dagegen  Fflamn  in  pflanmen- 
roeich  S.  13,  56  (Macbeth). 

*)  Änderst  begegnet  nie  mehr  bei  Schiller;  dagegen  Erzt  S.  0,190. 
200.215.  7,241,32.  11,296,125,  erstbeschh((jenS.6,310,GQ8U:  einsmals  \g]. 
Gödekes  glossar  S,  5;  Geheimderäthe  S.  7,93,11. 

21* 


324  PFLEIDERER 

und  IVIiller-Siegwart  haben  stets  (thnden.^)     Ahnden  =  strafen  u\2,21\,\\. 
112,  10.''') 

r. 

Während  Schiller  nur  fördeni  (2,44,5)  und  befördern  (1,157,30) 
schreibt,  hat  er  in  seiner  jugeudperiode  fast  ausschliesslich  die  form  fodern 
Br.  43, 14.  58,  24.  S.  1,  7G,  14.  147,  1.  2, 185,3.  380,2  u.a.;  daneben  ganz  ver- 
einzelt fordern  Haugs  Z.  457.  S.  1,  216,  6,  erfordern  Br.  37,  21,  Forderung 
2.  4.  6.  Schiller  hat  zeitlebens  die  form  ohjie  r  vorgezog'en.  Miller-Siegwart 
hat  nur  fodern,  Schubart,  SG.  und  SO.  vorwiegend  fodern.  Die  form  fodern, 
die  aus  fordern  durch  dissimilation  entstanden  ist  (vgl.  Behaghel,  Germ. 
23,32),  gehört  der  literatursprache  des  IS.jh.'s  an  (Kauffmann,  Deutsche 
gr.  §  45,  2),  kommt  aber  auch  schon  früher  vor,  so  bei  Luther,  lieber  die 
Verwendung  beider  formen  bei  den  Schlesien!,  Haller,  Klopstock,  Lessing, 
Herder,  Kant  u.  a.  vgl.  die  Zusammenstellung  bei  Käslin,  Haller  s.  21.  *) 

In  der  composition  von  hie  und  da  bleibt  das  sonst  nacli 
dem  langen  vocal  der  einsilbigen  Wörter  fallende  r  erhalten, 
wenn  ein  vocal  folgt.  Das  lautlich  correcte  hie  galt  bis  an- 
fang  des  IS.jh.'s  allgemein,  wurde  dann  aber  von  seinen  Ver- 
bindungen hierinn  etc.  aus  durch  hier  ersetzt. 

Schiller  bedient  sich  im  reim  der  formen  je  nach  bedürfnis:  hier 
1,275,20,  hie  1.275,30.  In  prosa  ist  hier  das  übliche:  2,217,2-  222,10. 
1,174,11;  ebenso  sonst  ausserhalb  des  reims  1,311,12.15;  daneben  auch 
hie  1, 174,  5.  Dagegen  stets  hie  und  da  2,  379,  25.  384, 15.  25.  385,  29. 
Haug,  Z.  460.  Br.  46  u.  a.  Die  compositionen  sind  regelrecht  hiehei  1, 131, 1. 
2.  376. 18.  382,  25.  1, 145,  26.  233,  56,  hieher  2,  249,  20,  hiezu  2,  355, 13  etc. 

Aus  den  Verbindungen  darum,  worauf  etc.  ist  dann  das  r 


^)  Das  erste  handschriftliche  Ahnung  linde  ich  Br.  3,  117;  daneben 
aber  wider  Ahndung  Br.  3, 138  und  später;  der  handschriftliche  nachlass  in 
S.  15-*  hat  noch  meist  ahnden  und  Ahndung.  In  den  drucken  finde  ich 
zum  ersten  mal  ahnen  S.  9,  386, 13;  in  S.  9  sonst  stets  ahnden;  S.  10  hat 
wider  nur  ahnden  (S.  10,70.  223.  533,  Ahndung  S.  10,27),  dagegen  S.  11 
hat  ahnden  nur  in  S.  11, 176,  sonst  stets  ahnen:  in  8.12  begegnet  kein 
ahnden  mehr  (ahnen  S.  12.154.  184.  197). 

^)  Düntzer,  Schiller  als  lyrischer  dichter  1.  2,  43  bemerkt:  ^Ahnden  und 
ahnen  braucht  Schiller  in  der  bedeutung  von  dunl-el  rorempfinden,  nur 
letzteres  als  strafen.'    Die  bemerkung  ist  unrichtig. 

^)  Aus  der  nachschwäb.  zeit  habe  ich  in  Br.  1 .  band  nur  16  fodern 
gegen  12  fordern  notiert.  Das  kann  zufall  sein;  jedenfalls  sind  die  drucke 
später  stets  mehr  für  die  formen  ohne  r:  z.  b.  S.  7,  s.  1—200  finde  ich  20 
fodern  gegen  11  fordern;  S.  12  Maria  Stuart  hat  17  fodern  und  3  fordern; 
AVallenstein  16  fodern,  2  fordern.  In  einem  teil  des  handschriftlichen  nach- 
lasses  in  S.  15',  den  ich  genauer  auf  unsere  formen  hin  durchgesehen  habe, 
stehen  immer  noch  18  fodern  gegen  4  fordern ;  ebenso  S.  lo'^  in  Demetrius 
18  fodern,  2  fordern. 


SPRACH?:    DES   JUNGEN    SCHILLER.  325 

auch  in  solche  mit  cousonaiitisch  anlautenden  adv.  übertragen 
worden,  so  dass,  besonders  im  älteren  nhd.  bis  ins  18.  jh.,  viel- 
fach formen  wie  iconlurch  entstehen.  Die  formen  sind  beson- 
ders bei  Sclnvaben  leicht  begreiflich,  da  im  schwill»,  formen  mit 
r  sehr  üblich  sind:  drdnr,  drneohj,  vgl.  Kauffmann  §120, 2 e. 
Fulda  äussert  sich  folgendermassen  zu  diesen  formen  GR.  89: 
^Da,  ICO  und  hie  nemmen,  wolklangs  lialber  ein  r  zwischen  sich, 
wenn  zwen  vokale  zusamenkämen.  Aber  sonst  nicht.  Ausser 
Avo  man  gleiclisam  deutet,  und  man  dieses  r  für  ein  ver- 
schluktes,  lier,  ansehen  kau,  wo  und  wohin  zu  bezeichnen,  dar- 
durch{daherdurcli),  tvorfür (zvolierfür),  Jiiernehen (hieherneben)  — .' 
Dieser  erklärungsversuch  ist  natüi'lich  nur  ein  notbehelf  gegen- 
über den  vielfach  auftretenden  formen  mit  r. 

Bei  Schiller  sind  die  mit  r  sehr  häufig:  darzn  2,  243,  22.  363,2.  259,23. 
129,11.  95,t(;.  99,7.  (;3,1().  1,51,33.  148,30,  darduirh  Br.  \  AI.  \ö.  S.  2,27,9. 
1, 153,  33  (im  original  bei  Garve  dadurch),  ^)  darzioischeu  2,  332, 1,  darwiedcr 
ßr.  1,26.  5,  loordurch  1,157,1.  154,22  (im  original  bei  Garve  ebenfalls  ?ro- 
durch),'^)  irornach  1,  357,  26.  daneben  bei  allen  diesen  Wörtern  formen  ohne  r: 
dazu  2,27,20.  263,14,  dadurch  2,340,11,  rfanac/t  1, 115,  29.  Br.  1,  27,  icozu 
2.  226,  3.  Der  copist  von  M  hat  anffallenderweiso  eine  teudenz  zu  formen 
ohne  /•,  während  A  dann  meist  die  mit  /•  eingesetzt  hat:  f/a.iit  2,  215,  20  AI, 
ii-ozu  2,  226,  3  M.  —  Auch  das  veraltete  isolierte  dar  verwendet  Schiller 
noch  in  auf  mich  dar  2,  34. 14.  —  Die  schwäb.  Schriftsteller  der  zeit  schreiben 
gerne  darzn  Schw.  m.  1175,  7.  992,  darzwischen  Schw.  m.  1775,  446,  dardurch 
Sehw.  ra.  1776,  96,  darhinter  Si.  175,  icordurch  Schw.  m.  1775,  148,  icorzu 
Schw.  m.  1775,  446  u.a.  Auch  für  dar  finde  ich  belege:  hier  und  dar  ST. 
10,14,  von  dar  Si.  2, 137. 3) 

Wie  in  wo,  da  das  alle  ;■  geschwunden  ist.  so  entstand 
aus  ahd.  er  mhd.  e.  Für  e  ist  md.  ehe  eingetreten;  die  obd. 
form  lautet  eh.  Aus  ]\ritteldentscliland  kommt  dann  auch  die 
vom  adjeeti vischen  comparativ  alid.  h-iro,  mhd.  erer,  erre 
herübergenonnnene  form  des  adv.  rJur  in  die  Schriftsprache, 
die  jetzt  das  alte  ehe  in  gewissen  functionen  ganz  verdrängt 
hat.  Eh  als  Rdv.  =  früher,  vorher,  'eher'  findet  sich  im  18.  jh. 
noch  häufig,  selbst  bei  Klopstock,  hauptsächlich  aber  bei  den 
Oberdeutschen.    So  bei  Haller,  vgl.  Käslin,  Haller  s.  67.    Der 


•)  Garve,  Anmerkungen  zu  Fergusons  Moralphilosophie,  Leipzig  1772, 
s.  319  ff. 

0  Ebenda  s.321. 

■')  Die  formen  war-,  dar-  '•«>"«•  etc.  werden  spätei'  selten;  einzelne  be- 
lebe s.  in  Gödekes  glossar  S.  5. 


326  PFLEIDERER 

junge  Schiller   verwendet   für  die  bedeutung   ^•on  früher  etc. 
nur  die  oberdeutsche  form: 

eh  soll  —  bis  2,  311,  25,  che  Mit'  er  geschrieben  2,  221,  18.  55,  U, 
ich  habe  loofd  ehe  —  iceggeschossen  2,99,21,  eh  nannlest  du  mich  so 
1,317,109,    eh  —  als  1,152,20.') 

Anhang. 

Die  schwäbischen  reime  Schillers  in  nachschwäbischer  zeit. 

(Reime  wie  i-.ü,  ei-.en  etc.  lasse  ich  ausser  betracht,  da  solche  sich 
wol  bei  jedem  deutschen  dichter  finden  werden.) 

c:  ö  =  {'.:  e:  Götter  :  Retter  S.  4,29,53,  gegönnt  :  brennt  S.  4,29,57, 
Höhn  :  stehn  S.  6,  387,  Höhn  :  Seen  S.  6,  397,  Sarazenen  :  Söhnen  S.  6,  5, 
gehen  :  Höhen  S.  11,  402,  See  :  Höh  S.  11,  220,  9,  kehrt  :  gehört  S.  11,  222,  45, 
gewehrt :  zerstört  S.  6, 349. 

an  :  in:  Finger  :  Sänger  S.  4, 17, 10,  hängt  :  zicingt  S.  4, 181. 

an:  ön:  unter thänig  :  König  S.  11,230,6  (Ring  des  Polykrates). 

en  :  in:  enden  :  schwinden  S.  4, 13, 130,  Verdienst  :  kennst  S.  4, 181,  38. 

cn  :  ün:  Menschen  :  Wünschen  S.  4,20, 1. 

Zu  ä  :  ö  ist  zu  bemerken,  dass  Schiller  selbst  S.  fJ,  325,  25  blähn  :  schön 
einen  unechten  reim  nennt.  —  Bei  den  nasalvocalen  {an  :  ///,  an  :  ön,  cn  :  in, 
cn :  ün)  habe  ich  mich  bemüht,  vollständig  zu  sein ;  es  gelang  mir  aber  nicht, 
mehr  belege  zu  finden.  Der  von  Gödeke  in  S.  1,384  unter  an  :  ün  an- 
geführte reim  bändigen  :  sündigen  S.  4,  23,  8  ist  zu  streichen.  Die  beiden 
verse  müssen  nicht  reimen,  dem  Zusammenhang  nach. 

an  :  ahn:  Wahn  :  an  S.  4,  26,  76,  -bahn  :  an  S.  4,  28,  27,  Unterthan  : 
voran  S.  6,  269, 161. 

d  :  t:  vorgeladen  :  entrathen  S.  4,  25,  andern  :  Panthern  S.  G,  5,  sollte  : 
Golde  S.  6,  7,  5,  Moden  :  geboten  S.  6,  28,  Freuden  :  zweiten  S.  6, 177,  ein- 
gekleixlet  :  verbreitet  S.  6.  190,  Boden  :  Todten  S.  11,  391,  22,  Zauberworten  : 
Morden  S.  13,  98,  Ffaden  :  entrathen  S.  14,  55,  befehden  :  tödien  S.  14,  22 ; 
Heerd  :  kehrt  S.  6,  392,  209,  Lied  :  flieht  S.  11,  394,  Lied  :  glüht  8.  6,  7,  Wort  : 
Mord  S.  13,  5,  Boot :  Tod  S.  14, 106. 

-h-  :  — :  entweye  :  Reue  S.  11,  56,  52. 

Weitere  consonantisch  unreine  reime  finde  ich  nicht.  Auf  eine  Zu- 
sammenstellung der  reime,  die  hinsichtlich  der  Quantität  der  vocale  unrein 
sind,  habe  ich  verzichtet.  —  Obige  Sammlung  zeigt,  wie  rasch  Schiller  von 
seinen  schwäbischen  'Untugenden'  gelassen  hat,  und  wie  bald  er  sich  den 
anderswo  geltenden  ansi(;hten  über  reinheit  des  reiras  anzupassen  wusste, 
wenn  ihm  auch  mitunter  noch  spät  ein  reim  wie  König  :  unterthänig 
(S.  11,  230,  6)  entschlüpfte. 


')  Später  noch  eh  zum  Tod!  S.  5",  57,  1223;   ähnlich  in  S.  3,  359,  19. 
12,506.  18,70. 


SPRACHE    DES   JUNGEN    SCHILLER.  327 

UI.    Zur  formenlehre. 

A.   Zur  flexion  des  Substantivs.') 

Umlaut. 
In  folge  der  verinischung  der  declinationsklassen  finden  sich 
schon  in  mhd.  zeit  umlautformen  bei  pluralen.  die  ursprünglich 
kein  /,  also  kein  umlaut  bewirkendes  element  im  pluralsuffix 
hatten.  Die  neuen  formen  mit  umlaut  erklären  sicli  aus  dem 
bedürfnis  der  differenzierung-  der  sg.-  und  pl. -formen.  Das  ist 
besonders  der  fall  bei  subst..  die  in  folge  des  nhd.  auslaut- 
gesetzes  das  kennzeichen  des  pl.,  das  auslautende  -e  verloren 
liaben,  wie  wagen.  —  Noch  jetzt  herscht  im  nhd.  schwanken 
bezüglich  des  umlauts  in  wagen  —  u-ägen,  luden  —  lüden,  graben 
—  graben  u.a..  Wörtern,  bei  denen  der  umlaut  in  der  feder  eines 
Schwaben  der  eigentlich  volkstümlichen  form  angehört,  das 
fehlen  des  umlauts  mehr  die  gewählte,  archaische  form 
charakterisiert. 

Schiller  benutzt  in  unserer  periode  nur  den  i)l.  Wafim  2, 104. 10.  da- 
i-egen  nur  Fäden  2,359,31.  die  Le1>e>isfäden  2,303,19,  Gräben  2,18,11; 
zum  sg.  Haufe  bez.  Haufen  rindet  sich  pl.  die  Steinhaufen  Haug,  Z.  458;  der 
]d.  Bugen  ist  das  übliche;  daneben  aber  auch  Bögen  und  zwar  in  fällen, 
in  denen  ein  zahlwort  vorangeht,  was  doch  sonst  meist  bevorzugung  der  sg.- 
f'orm  (oder  sg.- ähnlichen  form)  zur  folge  hat:  -i  Bügen  Papier  Br.  47,1, 
IS  Bögen  Papier  2.  385,  27. 

•  Nach  Fulda,  GR.  74  haben  Faden,  (rrahcn,  Bogen.  Laden,  Wageti  um- 
laut; auch  Schw.ra. 1775.314  verlangt  Wägen.  Nast  stimmt  damit  nicht  ganz 
iiberein:  8pr.  1,  47  f.  führt  er  unter  denen  mit  umlaut  Faden,  Graben,  Laden, 
Bogen  arcus  an;  mit  imd  ohne  umlaut:  Wagen;  ohne  umlaut:  Bogen Papirs, 
Hanffen.  Auch  bei  Schubart  ist  mir  aufgefallen,  dass  er  nur  den  \)\.  Wagen 
hat.  z.  b.  ST.  110.(3.  SG.  200.-') 

Bezüglicli  des  umlauts  geht  die  mundart  noch  weiter:  die 
ubd.  mundarten  haben  sämmtliche  ungedeckte  -e  verloren, 
daher  dehnt  sicli  das  bedürfnis  nach  differenzierung  der  numeri 
noch  über  die  erwähnten  fälle  aus;  vgl.  Gayler  s.  51:  'Der  um- 
laut ist  für  den  Schw^aben  die  einzige  pluralbezeichnung,  welche 

')  Vgl.  (rrundr.  1,753 ff.  (.'.Bojunga,  IMe  entwickluiiir  der  niid.  snbstantiv- 
riexion,  1890. 

*)  In  Klöstern  2, 270,  26  M  sind  die  striche  über  dem  u  mit  rotstift 
getilgt,  vgl.  Gödekes  anra.;  der  ])1.  Kloxler  ist  auffällig,  da  Nast,  Sjir.  1,53 
und  Fulda,  GR.  75  den  umlaut  verlangen. 


328  PFLEIDERER 

er  aber  aucli  sorgfältig-  beobaclitet   und  weiter  als  das  hoch- 
deutsche ausdehnt.' 

Der  pl.  vou  Tag  hat  im  alem.  stets  umlaut.  Fulda,  GR.  fi7  gibt  nur 
die  form  Tag»  an,  während  Nast,  Spr.  1, 19  bez.  21  scheidet  zwischen  distributiv 
(Tage)  und  collectiv  (Tage).  Schiller  hat  meist  Tage  2,  Hb,  19.  118,6  etc.; 
aber  auch  lieclitstäge  2,88,7.  2,25-1,11,  Sonimertdge  2,201,19;  vgl.  Schu- 
bart: Galutüg  SO.  2B^) 

Das  schon  in  mhd.  zeit  aus  dem  frauzös.  entlehnte,  nach  art  der 
r<-stämme  (tac)  flectierte  Plan  zeigt  bei  Schiller  noch  keinen  umlaut:  Plane 
u.  acc.  pl.  1, 104, 12.  2,  35,  21.  226,  87  etc.,  gen.  pl.  Plane  2, 107,  5.  162,  3  etc., 
dat.  pl.  Planen  2,  20, 1.  Auch  Fulda,  GE.  65  und  Nast,  Spr.  1,  20  kennt  hier 
keinen  umlaut  (dagegen  Gayler  [1835]  s.  56:  'Pläne,  auch  Plane').^) 

General  bildet  den  pl.  ohne  umlaut:  Generale  1,157,23.  Auch  Ade- 
lung kennt  in  seinem  Wörterbuch  nur  diese  form.') 

Endungen  des  Substantivs. 
Ueber  die  apokopierung  dei-  auslautenden  -c  vgl.  s.  307  ff. 
Eine  mundartliche  eigentümlichkeit,  die  das  schwäb.  mit  dem 
alem.,  rheinfränk.,  hess.  und  teilweise  dem  mittelfränk.  teilt 
(vgl.  Pauls  Grundr.  1,  758),  ist  der  verlust  einer  besonderen 
form  für  den  dat.  pl.;  in  all  diesen  mundarten  ist  er  dem 
nom.  acc.  pl.  angeglichen  worden. 

Einzelne  formen  bei  Schiller  lassen  sich  so  erklären:  zu  Trümmer 
werfen  1,298,92;  unbedingt  gehört  hierher  mit  Jnhel  1,222,43,  da  im  fol- 
genden rel.-satze  das  sich  auf  Jnhel  beziehende  verb  im  pl.  steht.*)  Auch 
die  form  Füsse  in  zu  Fasse  fallen  2,  225,  6  M  könnte  als  schwäb.  dat.  pl. 
aufgefasst  werden,  in  dem  -e  beliebig  angefügt  wäre,  allerdings  fälschlich, 
—  aber  auch  nicht  mehr  falsch,  als  im  acc.  sg.  Bimipfe,  vgl.  s.  310.  Natür- 
lich kann  Füsse  auch  Schreibfehler  von  M  sein. 

Zweierlei  auffassungen  lässt  zu  die  stelle  mit  beiden  Faust 
und  Ballen  1,248,19;    Faust  kann    auf   obige  weise    erklärt 


1)  PI.  Wagen  S.  6,  24,  92.  7, 118, 11,  POgen  Papier  nur  noch  S.  3,390,2, 
sonst  stets  Bogen:  3  Bogen  Br.  1,273.318.  S.  3,533  etc.;  —  Tage  Br. 
1,  96,  9,  Geburtstage  S.  3,  184,  5,  Namenstage  S.  3,  184,  5,  Landtage  S. 
15^  338,  36. 

2)  Der  umlaut  bei  Pläne  lindet  sich  in  sämmtlichen  Schriften  Schillers 
zweimal:  Plänen  Br.  4,  358  und  (i,  283;  —  letztere  stelle  ist  wider  in  einem 
]>rief,  der  uns  nicht  im  original  überliefert  ist. 

3)  Generale  herscht  bei  Schiller  stets  vor:  S.  4, 109.  7,  64.  156.  8,  73.  90. 
12,  48.  110,  Generäle  zuerst  S.  1, 2, 16.  Gayler  s.  60  gibt  Generale  als  regel  an 
und  fügt  -äle  in  klammern  bei. 

^)  Im  Schw.  m.  1775,706  finde  ich  nocli:  Durst  nach  Güter, 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  329 

werden,  indem  der  rhytlimns  den  dichter  veranlasste,  sich  der 
mundartlichen  form  des  dat.  pl.  zu  bedienen.  Eher  aber  ist 
Fäüst  und  Ballen  als  zusammengehöriger  ausdruck  zu  nehmen, 
in  dem  durch  die  enge  Verbindung  der  beiden  begriffe  die 
flexionsfähigkeit  des  ersten  glieds  beeinträchtigt  wurde  (vgl. 
AVilmanns,  Gr.  2,  §  394,  anm.  Paul,  Prinzipien  s.  307  f.). 

Für  letztere  sprachliche  erscheiuung  sind  weitere  beispiele:  mit  Leih- 
nnd  Lehensgefahr  2,  223  M  anm.,  von  grofs  und  kleinen  2,  232, 15  A  und  M; 
ebenso  bei  Schubart:  vu't  eigenen  Kidseh-  inid  Fferden  SO.  lG2f. 

In  andern  fällen  fiel  der  mundartliche  Verlust  des  dat.  pl. 
formell  zusammen  mit  einer  allgemein  deutschen  erscheinung, 
der  erhaltung  alter  pl. -formen  bei  der  A^erbindung  mit  zahlen 
(vgl.  Grundr.  1,  764)  in  allen  casus.  Vgl.  Fulda,  GE.  86:  'Auch 
declinirt  man  die  namen  der  mase,  ßis,  grad,  mann,  mos,  .  .  . 
stund  . . .  nicht. ' 

Beispiele:  in  acht  Stund  2,  32,  8,  drei  Monath  drauf  2,  79, 10,  21  Jahr 
«ZfBr.  14, 18,  e/a/ir  Za)i// 2,  58, 14;  letztere  drei  formen  können  freilich  auch 
pl.  sein  mit  schwäb.  apokopiertem  -e.  Daneben  20  Stunden  2, 309, 13,  in 
S  Tagen  2, 127,  7. 0 

Hinsichtlich  der  flexionsweise  herscht  bei  Schiller  und 
seiner  Umgebung  bei  vielen  Wörtern  grosse  uiu'egelmässigkeit. 
Der  schwäb.  dialekt,  oft  auch  die  schwäb.  literatursprache, 
bedient  sich  eben  vielfach  noch  der  alten  formen;  die  vorher- 
schaft  der  md.  Schriftsprache  bringt  aber  auch  in  Schwabens 
Schriftsprache  eine  menge  neuer,  nicht  mundartlicher  formen 
lierein,  die  mit  der  zeit  die  älteren  verdrängen.  In  anderen 
fällen  ist  auch  die  Schriftsprache  conservativ.  während  die 
mundart  neue  formen  geschaffen  hat,  die  nun  auch  eingang 
in  die  Schriftsprache  suchen.  Ich  behandle  im  folgenden  die 
verschiedenen  erscheinungen  nach  den  geschlechtern  getrennt ; 
nur  die  pl.  auf  -s  werde  ich  besonders  zusammennehmen. 

Masculina. 
Hier  handelt  es  sich  hauptsächlich  um  die  Vermischung 
der  st.  und  schw.  declination. 


')  Später  so  noch:  die  Thür  in  Trünnner  dat.pl.  S.  3,  56,  20.  dat.  Kcr- 
schiedencn  Theater  Br.  1,369,4,  dat.  unter  Engel  S.  3,500,25;  —  einige 
lOOO  Stxind  weit  Br.  1,91,14,  4  /«/tr  Br.  5, 425,  dreisfundhing  8.3,63,13, 
fünfzehn  Jahr  S.  3,144,20,  Tag'  und  Nächten  S.  13,30. 


330  PFLEIDERER 

Die  mild.  schw.  subst.  auf  -e  konnten  zweierlei  wege  ein- 
schlagen: entweder  sie  verlieren  im  nom.  sg.  das  -e  und  fallen 
damit  in  der  form  des  nom.  sg.  mit  dem  nom.  der  a-decl.  zu- 
sammen, oder  sie  bilden  nach  analogie  der  übrigen  casus  den 
nom.  auf  -en.  Die  mehrzahl  von  ilmen  hat  sich  so  entwickelt, 
dass  sie  in  der  nhd.  Schriftsprache  das  -n  im  nom.  angenommen 
haben  (vgl.  Paul,  Mhd.  gr.  §  130,  anm.  2)  und  zusammen  mit  den 
->ia-stämmen  (wayen)  eine  neue  klasse  mit  st.  gen.  bilden. 

Von  den  bei  Paul  a.  a.  o.  genannten  subst.  ist  nun  in  den 
werken  des  jungen  Schiller  -n  noch  nicht  in  den  nom.  ein- 
gedrungen bei  folgendem: 

Gaumcir.  ds.  seinem  Gaurn  2,3-11,  14.  ilnii  Gaume  1,284,  138  im 
reim,  Gaumen  1,208,71  ist  dp.  --  D(fuiHe)i:  &.s.  J)aum  1,  209,  84  im  i'eim. 
—  Knoch  2,32,8.  —  Tropfen:  neben  kein  Tropfen  (Wassers)  1,207,105. 
2.231,125.  40,9  steht  jeder  Tropfe  Zeit  2,  ;353,  27,  der  schöne  Tropfe  thaut 
1,295,6;  fisfürlich  wie  nhd.  Tropf :  mi'</'ste  ein  1'ropf  sein  2,  230,  23,  dummer 
Tropf  1,202,29.  — Von  7*7 er Ä-  kann  u:h  sinafulare  formen  erst  aus  späterer 
zeit  belegen;  der  pl.  kommt  nur  scliw.  vor:  Flecken  2,7,  \i.  104,3.  — 
Andere,  wie  Galffen,  Mafien,  Kolben  zeigen  die  moderne  form. 

Zu  diesen  Wörtern  sagt  Nast,  S))r.  1,  39:  'In  Schwaben  ... 
bellst  man  fast  allen  Wörtern  diser  deklination,  die  auf  eu 
ausgehen,  dise  silbe  ab.  und  macht  das  wort  einsilbig  , .  .  Mir 
deucht,  wenn  der  Schwab  .  .  .  sagt:  der  Daum,  Gaurn,  .  .  .  des 
Daumen,  Gaumen  .. .;  so  sei  nichts  darwider  einzuwenden.'  Er 
stellt  sodann  ebda.  s.  56 ')  der  Daum,  des  Daumen,  dem  Daumen 
als  paradigma  auf,  aber  abgesehen  vom  nom.  sg.  gehen  alle 
formen  auf  -cn  aus;  Nast  kennt  also  keine  st.  decl.  dieser  Wörter. 
Ferner  setzt  er  Spr.  1, 57  ein  Verzeichnis  der  subst.  auf,  die 
'besser'  wie  J^/f' gehen,  d.h.  im  nom.  sg.  einsilbig  sind,  sonst 
aber  schwach  flectieren.  Unter  ihnen  sind  Daum,  Gaum,  Knoch, 
Tropf.  Ebenso  Fulda,  GR.  77  nur  mit  dem  unterschied,  dass 
er  'Tropfen  gutta'  wünscht. 

Beispiele  für  die  st.  flexion  von  Gaurn  gibt  Kelirein,  Nlid.gr.  1,95: 
auch  in  der  scliwäb.  niundart  kommt  st.  tiexion  von  Gaum  vor.*)  Dagegen 
ist  der  acf.  Daum  bei  Schiller  wol  nur  aus  reimnot  entstanden.  —  Tropfe 
finde  ich  noch  SCI.  2,  421.  Mel)ereinstimmend  iriit  Fulda  und  Nast  (an  den 
obigen  stellen)  lautet  der  ns.  Lerm  2,91,22;  oblique  casus  kommen  von 
diesem  wort  in  unserer  periode  nicht  vor :  dagegen  <kr  Stumpen  1,  208,  77, 


')  Ebenso  im  Schw.  m.  1775,  378  ff. 

*)  Vgl.  auch  GaumOuchslab  Schw.  m.  1775,  550. 


SPRACHE   DES   JUNGEN    SCHILLER.  331 

während  Fulda.  GE.  IG  und  Xast,  Spr.  1,  59  Stump  für  correcter  ansehen. 
Ferner  setzen  sie  Schatt  an:  ans  Schillers  jungen  jähren  lässt  sich  nur 
Schatten  1,  229,  90.  2,  293,  4  helegen;  dagegen  hat  er  später  noch  einige  male 
Schauet) 

Bei  einigen  subst.,  die  im  nhd.  in  die  neue  «a-klasse  über- 
getreten sind,  darunter  der  alte  rj-stamm  Friede,  ist  heute  der 
kämpf  zwischen  -e  und  -en  noch  nicht  zu  ende  geführt  (s.  Bo- 
junga  s.  70):  Friede,  Name,  Schade,  FiinJce,  Gkmhe,  Same,  Wille. 

Von  diesen  lassen  sich  beim  jungen  Schiller  keine  formen  belegen 
von  Same,  Schade,  Glatihe.'^)  Friede  findet  sich  als  Fried  1,220,4, 
i-V/efZe  2, 223, 12  anm.  Dass  F«»!-^  bloss  als  Funken  2,  \1^,2^.  279,13 
erscheint,  ist  wol  zufall :  denn  in  späteren  jähren  verwendet  Schiller  beide 
formen,  und  wie  Funlccn  S\.r)\,  so  kommt  Funke  ST.  117,  2  bei  Schwaben 
vor  (vgl.  ausserdem  die  bemerkuugen  Xasts  und  Fuldas  unten).  Name 
ist  die  regelmässige  form:  daneben  Nam  1,256,174,  Äamen  Br.  33,26. 
S.  1,124, 112.  Wille  2,244,12.  1,152,8.  150.29:  Willen  vermag  ich  nicht 
zu  belegen  (ebensowenig  Gödeke  im  glossar,  S.  5). ") 

Hierher  nehme  ich  noch  das  ursprünglich  starke  subst.  Gedanke, 
das  ebenfalls  auf  dem  wege  ist,  sich  mit  der  >irt-klasse  zu  vermischen.  Der 
junge  Schiller  hat  nur  Gedanke  1,322,267.  62,4.  9(i,  IUI.  101,22.  2.270,5, 
gen.  Gedankens  2,385,15.*) 

Die  Stellung  der  schwäb.  gramniatiker  zu  diesen  formen: 
Schw.  m,  1775,  378  verlangt  Fimk,  Gedank,  Glaub,  Nam,  Will, 
ebenso  Frid  1775,  316;  Fulda,  GR.  74, 11:  Fride,  Glaube,  Name, 
Same,  Wille  und  s.  77  Funk,  Schaden  s.  74,  10,  Gedank  s.  7G; 
dagegen  zieht  Nast  die  formen  mit  -en  vor:  Spr.  1,48:  Friden, 
Gedanken,  Glauben,  Namen,  Samen,  Willeti,  'doch  leiden  vile 
unter  ihnen  im  nominativ  der  einheit  die  sächs.  und  schwäb. 
apocope';  ferner  Funken  und  Funk  s.  49,  Schatten  und  Schatt 


•)  Dazu  belege  aus  späteren  werken:  ein  Tropfe  Haß  S.  13,260;  — 
/»/  flairwirothen  Fleck  S.  3,  190, 10.  9,  18,  acc.  Fleck  S.  7,  47, 5.  12,  240, 
den  Brandflecken  S.  3,384,22.  diesen  Flecken  S.  3,38,16.  13,132:  —  Lervi 
ist  .später  st.  und  schw.  flectiert.  z.  b.  den  Lermen  S.  5',  171.  Lärmen  schlaffen 
S.  3.320,20.  137,11,  Lerm  schlagen  8.  :197, 14.  Schubart  hat  meist  schw. 
Lermen  blasen  SO.  98,  —  scldacjen  SO.  115,  im  Hochicitlermen  SG.  2,127. 
—  Schatten  S.  6,25.  15',  347, 155,  Schatte  S.  12,208.  10,404,15.  13,149. 

'-)  Saamen  S.  4,52.  14,93;  —  der  Schade  S.  9,6,4,  ebenso  Schw.  m. 
1777.944:  —  Glaube  S.  4,30,  Glauben  S.  5S85, 13:  auffällig  ist  der  alte 
gen.  nach  der  schw.  declination  in  des  Abercßaiiben  Schw.  ra.  1775, 489. 

3)  Friede  S.  3,19-  90.372  u.a.,  Frieden  S.  11,36.  14,50;  —  Funke  S. 
3,  538.  6,  53,  29.  13,  119,  Funken  S.  7,  271,  4. 

*)  Xs.  Gedanken  linde  ich  nur  Br.  1, 152,  29  (sept.  1783). 


332  PFLEIDERER 

s.  51.  Interessant  ist  die  schlussbemerkung  Nasts  s.  52:  ^Es 
steht  nun  zu  erwarten,  was  Teutschland  über  dise  worte  aus- 
sprechen wird.'  Betreffs  der  beiden  letzteren  formen  nimmt 
er  selbst  tlanu  noch  eine  kleine  abänderung  vor.  indem  er  sie 
unter  denjenigen  subst.  aufführt,  die  nach  seinem  ohr  und  der 
gewohnheit  seiner  'pi'ovinz'  in  der  einsilbigen  gestalt  besser 
seien,  Spr.  1, 57. 

Das  mM.  schw.  flectierte  subst.  schrecke  hat  sich  im  ulid.  in  zwei 
formen  gespalten,  schreck  nnd  schrecken.  Schiller  hat  beide  neben- 
einander ohne  bedeutnngsunterschied:  nom.  der  Schreck  2,239,10.  258,8, 
der  Schrecken  1,163,24,  ein  Schrecken  1,122,70.  233,  (i5,  Schrecken  und 
Furcht  1,170,15;  im  dat.  vor  Schreck  2,80,13,  mit  dein  leeren  Schrecken 
2,182,20.  Fulda,  GR.  77  stellt  schrecken  als  die  bessere  form  hin,  ohne 
entscheiden  zu  wollen;  das  Schw.  m.  1775,  378  lässt  es  ebenfalls  unent- 
schieden, führt  aber  1775,  380  Schreck  unter  denen  an,  die  in  der  einsilbigen 
gestalt  besser  zu  sein  scheinen,  ebenso  Nast,  Spr.  1,  52.  57.') 

Mhd.  smerze  hat  sich  der  neuen  ««-klasse  angeschlossen  und  zunächst 
den  gen.  auf  -ens  gebildet.  Später  ist  es  dann  im  sg.  ganz  zur  st.  decli- 
nation  übergegangen.  Nast,  Spr.  1,  49  gibt  der  Schmerzen,  des  -ens  an, 
Fulda,  GR.  74  Schmerz,  Schmerzens.  Von  einem  gen.  Schmerzes  wissen  sie 
also  noch  nichts;  ebensowenig  Schiller:  Schmerzens  1,174,14.  148,24.  Br. 
9,4.  S.  2,123,15.  279,5  u.a.;  der  nom.  und  acc.  ist  nur  einsilbig:  Schmerz 
uom.2.22;  acc.  1, 164,  26.  174,18.  148,10.  2,217,8;  ebenso  SG.  145 :  dat.  ist 
schw.  und  st.:  von  Schmerz  1,152,7,  mit  Schmerz  2,272,20,  von  dem 
Schmerzen  2; 'SSO,  2,  mit  Schmerzen  (pl.'O  2,131,21,  am  Steinschmerzen 
1,148,9.  Bei  Schubart  u.a.  ist  mir  keine  schw.  form  aiifgefallen :  vom 
Schmerz  Si.  2,  49,  vom  Schmerze  ST.  20,  nach  dem  Schmerze  ST.  46,  den 
Schmerz  ST.  28.^) 

Herz  wird  flectiert  wie  in  der  modernen  spräche;  einen  dat.  dem 
Herz,  wie  ihn  Schubai-t,  SO.  42  verwendet,  kennt  Schiller  nicht. 

'Das  im  nhd.  meist  sclnv.  Üectierte  subst.  Haufe  geht  zurück  auf  mhd. 
hüfe,  schw.,  neben  dem  hitf  st.  stand.  Scbillei-  hat  noch  die  st.  formen:  zu 
//rt«/"  1, 182, 187,  mit  hellem  Hai<l  i,Mö,iyd,  daneben  auf  einen  Haufen 
2,24,21,  übern  Haufen  Br.  42,30.  Fulda,  GR.  65  verlangt  starke  fiexiou, 
und  zwar  führt  er  Häuf  nicht  unter  den  subst.  an,  die  st.  oder  schw.  sein 
können. 


•)  Zu  Schreck  (S.  3,  295,  6.  1 17)  und  Schrecken  masc.  (S.  3,  294,  9.  117,2. 
5',  6, 23)  kommt  später  noch  das  neutr.  Schrecken  (S.  4,  218  und  sehr  häufig 
im  Dreissigjähr.  krieg). 

'^)  Ein  ns.  Schmerzen  findet  sich  nicht  in  S.  1  und  2  (vgl.  Gödekes 
notiz  S.  1 , 4(X)  unter  Schmerzen).  Später  ist  das  wort  stets  stark  flectiert, 
soviel  ich  bemerkte:  dat.  ,S'c/tJ»er^  S.  5^  290,  Schmerze  W,-^^,  gen.  Schmer- 
zens S.  3,  570.  5',  25.  10,  7,  gen.  Schmerzes  S.  5',  124,  2612.  5^  413,  15",  371 
(ebenso  Schmerzes  Si.  113);  ns.  der  Schmerzen  nur  Br.  2,120. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  833 

Erwähnenswert  ist  auch  der  dat.  dem  Bnppen  2,20,  3:  acc.  äfn  Ttappen 
2,256,0  zum  uom.  der  Kopp  1,253,63;  —  ebenso  der  gen.  des  Trillinys- 
dmchen  1, 223,  73. 

Geck,  im  mhd.  st.  und  scliw.,  ist  bei  Schiller  nur  schw.:  den  Gecken 
belachen  2,290.18.  die  Gecken  1,263,3;  ebenso  bei  Nast,  Spr.  1,58.  Fulda, 
GK.76.  In  der  modernen  spräche  wird  es  jedenfalls  im  .sg.  auch  schw. 
flectiert.  Auch  die  schon  mhd.  entlehnten  und  schw.  flectierten  fremdwörter 
Tyrann  und  Planet  weisen  bei  Schiller  nur  schw.  formen  auf:  des  Ty- 
rannen 2,29;  dem,  den  Tyrannen  2, 198.  183;  ~  den  Planeten  1,149,4;  — 
ebenso  doi  Vasallen  2,  324, 13. 

Neben  dem  ursprünglich  substantivierten  inf.  Mitleiden  1,  75, 26 
Hudet  sich  iiuch  das  erst  im  17.  jh.  neben  jenes  getretene  kürzere  Mitleid 
2,  200, 21. 

Mhd.  und  nhd.  ist  schw.:  Löwe.  Schiller  hat  im  vers  1,228,52  tvas 
Low'  und  Tiger  milden  kann,  also  eine  st.  form.  Die  Wörterbücher  geben 
hiezu  keine  belege;  auch  Adelung  kennt  es  nur  schw.  Schiller  verwendet 
später  nur  die  schw.  formen:  die  Löwen  S.  3,59,22,  dem  Löwen  Picc.  1,2; 
aber  neben  zwischen  den  Löwen  und  den  Leun  (im  Handschuh)  sagt  er  (in 
der  Glocke  374):  gefährlich  ist's,  den  Leu  zu  tvecken. 

Schon  mhd.  schwankt  zwischen  beiden  Üexionsweisen,  wie  auch  nhd., 
Nachbar.  Schiller  hat  starke  sg.  formen:  des  Nachbars  2, 103, 14.  350,29, 
den  Nachbar  2,184,15;  dagegen  im  pl.  die  Nachbarn  2,376,11.  Die  be- 
treffenden formen  von  Lauer  (an  das  sich  Nachbar  angelehnt  hat),  lassen 
sich  nicht  belegen.  Fulda,  GE.  76  bringt  offenbar  etwas  neues,  wenn  er 
sagt:  ^ Banr  .  . .  die  Bauren,  und  hievon  die  Nachbarn,  also  auch  des 
Nachbarn. ' ') 

Das  ebenso  in  mhd.  zeit  schwankende  Mond  mensis  zeigt  beiderlei 
formen:  acc.  drei  Monden  2, 107,  17,  vgl.  10  Monden  lang  SG.  2,  74  (Ahasver), 
und  Monde  2, 107,  3.  Nast,  Spr.  1,  59  und  Fulda,  GR.  70  verlangen,  offenbar 
zum  unterschied  von  Mond  luna.  ilie  schw.  Hexion. 

Besonders  zu  beachten  sind  einige  subst.,  die  nilid.  mir 
schwach  flectiert  werden: 

Sternen  in  Sternen  an  1,  41,  43  dürfte  schw.  pl.-form  sein,  wie  Gödeke 
annimmt.  Die  schw.  form  ist  besonders  bei  Luther  noch  häufig,  vgl.  Kehrein, 
15.— 17.jh.  1,  192.  Auch  Ilaller  hat  noch  die  schw.,  vgl.  Käslin,  Haller  s.  30. 
Stern  wird  übrigens  von  Fulda,  (tK.  05  in  die  st.  klasse  verwiesen  und  aus 
der  gleiclizeitigen  sciiwäb.  literatur  kann  ich  keinen  beleg  für  die  schw. 
form  finden.  Auch  Schiller  hat  sonst  nur  die  st.  form:  gp.  Sterne  1,  229,  93; 
Gödekes  bemerkung  S.  1, 41,  93  anm.,  die  schw.  form  komme  auch  sonst  bei 
Schiller  vor,  kann  sich  nur  auf  compos.  wie  Sternenmeer  u.s.w.  beziehen; 
ich  habe  auch  später  nie  schw.  formen  gefunden. 

Pfau  flectiert  schw.:  vp.  Pfauen  1,313.  11  (np.  Pfauen  Br.  2,09),  wie 
ahd.,  mhd.,  und   wie   auch   Fulda,  (iR.  70   und  Nast,  Spr.  1, 59   verlangen, 


>)  Gp.  der  Nachbar  Br.  1,118;  ds.  Nachbar  S.  7,231,22.  8,12,17. 


334  PFLETDERER 

wälireiul  es  sonst  im  iihd.  nicht  selten  st.  gehranrht  wird  (PWb.  belogt 
st.  formen  aus  Goethe,  Wieland,  Lessing-  u.  a.). 

Schelm  wird  bei  Schiller  noch  wie  im  schwiib.  fast  axisschliesslich 
schw.  fleetiert:  gs.  Schelmen  1,'22S,  62:  ih.  Schelmen  2,  \62,b;  \va\).  Schelmen 
2,171.  311,21;  g\).  Schelmen  2,  \0\.  201.  159.  302,4;  ^^.  ihr  Schelmen 
2, 100,  U;  St.  formen  nur:  as.  Schehn  2,204,  1.  335,  14  M;  gp.  Schelme 
2,302,4m  ('das  -n  mit  tinte  getilgt",  vgl.  anm.  von  Gödeke).  —  Adelung 
bemerkt  zu  diesem  Avort:  gen.  -es,  pl.  -c.  'Die  abänderung  des  Schelmen  ist 
in  der  oberdeutschen  mundart  üblicher,  als  in  der  hochdeutschen.'  Fulda, 
GR.  76  und  Nast,  Spr.  1 ,  59  verlangen  noch  beide  schw.  tlexion.  *) 

Graf,  Fürst  mii  Frinz  werden  stets  schw.  gebildet:  des  Reichs- 
(irufen  2,  264, 19,  as.  den  Grafen  2,  276, 16.  326, 12;  acc.  den  Prinzen  1,  52,56; 
acc.  den  Fürsten  1,34, 12:  gen.  des  Fürsten  1,31, 11.  Einen  gen.  auf  -ens, 
wie  ihn  Gottsched  zu  rügen  hat  (Deutsche  sprachkunst  s.  234)  kennt  Schiller 
nicht.  Die  schw.  acc.-formen  sind  besonders  erwähnenswert,  weil  Schiller 
selbst  später  .st.  sg.  bildet:  den  Frinz  S.  15^331,6,  dem  Fürst  S.  15'^494.2) 

Unterthun  ist  seiner  natur  nach  ursprünglich  schwach; 
in  der  neueren  spraclie  haben  auch  st.  formen  eingang  ge- 
funden. Die  Schwab,  g-rammatiker  sprechen  nur  von  schw. 
formen:  Fulda,  GR.  77.  Nast,  Spr.  1,  60;  —  Schw.  m.  1775,  47 
zeigt  den  acc.  sg.  Unterthunen. 

Auch  der  junge  Schiller  kennt  nur  die  schw.  formen:  eines  Unter- 
thanen  Br.  68,35,1:  np.  Unterthanen  i,B6,  i.    Später  zieht  er  die  st.  vor.-') 

Greis,  mhd.  grlse  schw.,  das  ursprünglich  substantiviertes  adj.  war, 
kommt  nur  schw.  vor:  gs.  Greisen  1, 123, 102:  ds.  Greisen  1,  357, 23.  2,  392,15; 
as.  Greisen  1,191,141.  2,326.21.  Damit  belindet  sich  Schiller  in  grossem 
gegensatz  zu  seiner  späteren  spräche,  aber  in  Übereinstimmung  mit  seinen 
landsleuteu:  Greisen  Ergözlichk.  1774,  1,340,  eines  Greisen  ST.  14,5,  dem 
Greisen  ST.  27,  6.  SG.  2,  319,  des  Greisen  ST.  28,  7.  Die  Schwab,  gram- 
matiker  schreiben  durchweg  schw.  flexion  vor:  GR.  76.  Schw.  m.  1776,  92. 
Spr.  1,58,  und  Gayler  hält  noch  1835  schwäbisch  des  Greisen  für  das  rich- 
tige, da  es  ursprünglich  adj.  sei  und  nur  'durch  die  hochdeutsche  declina- 
tion  seinem  stamm  entfremdet  wurde'  (s.  111). *) 


')  Ebenso  später  meist  schw. :  as.  Schelmen  S.  3,  451,  9.  121, 14.  298,  22. 
14,239;  ds.  Schelmen  S.  3,374,23.  11,100,20;  nap.  Schelmen  S.  3,30.  Br. 
1,224.  S.  7,340,17.  12.40.  287:  —  starke  formen:  as.  Schelm  S.  12,40:  ds. 
Schelm  S.  8,  346, 13. 

«)  Dagegen  dem  Greifen  S.  3,  196,  20,  acc.  den  Grafen  S.  3,  201, 17, 
dem  Prinzen  S.  4,  204,  9. 

")  Schw.  noch  in  dem  UnteHhanen  S.  14, 18;  st.  des  Unterthans  S. 
4,118,29.  7,174.18,  dem  Unterthan  S.  7, 174,  22.  176,7.  191,16.  252,2;  acc. 
den  Unterthan  S.  7, '274,  2:  stets  st.  in  S.  13  ('20,3.  115,33.  48,14  etc.). 

*)  Einen  st.  gen.  finde  ich  später  nur  in  Greises  S.  5*,  178;  sonst  wird 
der  gen.,  wol  aus  euphonischen  gründen,  stets  schw.  gebildet:  des  Greisen 


SPRACHE    DES   JUNGEN    SCHILLER.  335 

Aus  mhd.  Osten,  norden  etc..  ebenfalls  ursprünglich  sub- 
stantivierten adj.,  sind  im  nhd.  gekürzte  formen  Ost,  Nord 
etc.  neben  Osten  etc.  hervorgegangen.  Die  gekürzten  foinien 
werden  als  namen  der  winde  benützt;  nur  die  dichterische 
spräche  vermengt  die  bezeichnungen  und  damit  die  flexionsarten. 

Schiller  sagt:  in  Osten  und  \Vesten  2,  227,  13.  aber  ebenso  auch:  in 
Ost  und  in  West  1,156.13,  und  im  nom.:  der  Ost,  der  West  1,156,13  für 
die  weltgegenden.  So  bei  Schubart:  der  ^'ord  ST.  11,4:  eben.so  bei  Klop- 
.stock  und  (ioethe  (Paul,  Wb.). ') 

Erwähnenswert  ist  auch  der  pl.  Leoparde  2,2iii),6  A  xmdM.  2.i6A) 
(in  allen  ausgaben,  ausgenommen  der  von  1860).  Im  mhd.  sehwankt  das 
wort:  jetzt  ist  wol  die  schw.  form  die  übliche,  die  auch  Schiller  später 
verwendet  (so  im  Handschuh:  zicei  Leoparden). 

Von  Wörtern,  die  im  mhd.  stark  flectiert  wurden  und  im 
nhd.  änderungen  erlitten  haben,  kommen  in  betracht  (abgesehen 
von  Gedanle,  Friede,  Schatten  s.oben)  einmal  solche,  die  im  nhd. 
jetzt  schwach  geworden  sind. 

Held  findet  sich  st.  und  schw  (2,211.22.  1,27,1);  auft'ällig  sind  nur 
die  St.  formen:  manchen  Held  l.a-4-1.  3,  einen  icürdigen  Held  Hang,  Z.  465: 
von  den  beiden  stellen  befindet  sich  die  erste  im  reim,  die  zweite  in  prosa. 
Die  Schwab,  gramniatiker  freilich  verlangen  schw.  flexion,  vgl.  P'ulda,  (tR.76. 
Nast,  Spr.  1,58:  allein  die  st.  formen  sind  nicht  alleinstehend.  Bei  Schubart 
finde  ich  acc.  Held  ST.  12,  8.  Schiller  gebraucht  die  st.  form  auch  später 
noch  und  zwar  auch  in  prosa.  Aus  den  vorhergehenden  jh.'en  bringt  Kehreiu, 
15.— 17.jh.  .s.  194  belege.-) 

Der  acc.  Hirt  1,28.46  steht  im  reim.  Das  betreffende  gedieht  (Der 
abend)  ist  zuerst  im  Schw.  m.  1776,  715—19  abgedruckt,  und  dort  heisst  es: 
Hiri{en).  Diese  schulmeistorische  correctur  stammt  vom  herausgeber  her 
(wie  bei  schlos(e),  s.  beim  parag.  e),  dessen  gewohnheit  es  war,  'Sprachfehler' 
zu  verbessern,  vgl.  Schw.  m.  1775. 147.  anm.  Nicht  nur  der  herausgeber  des 
Schw.  m..  Hang,  sondern  auch  die  andern  grammatiker  halten  die  form  für 
falsch:  Fulda.  CiR.  76.  Nast,  Spr.  1,  58.  Im  nhd.  ist  die  st.  form  allerdings 
•so  gut  wie  ausgestorben"  (DWb.);  Kehrein,  15.— 17.  jh.  hat  s.  194  nur  einen 
beleg  für  st.  form:   aber  in  der  schwäb.  mundart   ist  sie  noch  üblich,   und 

8.  5',  10, 144.  40,845.  5M09.  2.  6.397.371.  8,75,23.  12,536,  ds.  Greisen  S. 
6,178:  —  St.  formen:  d.s.  Greis  S.  6, 18.  214.  4,284.28:  acc.  Gms  S.  6. 157. 
372.  7,234,10;  np.  Greise  S.  6,12;  acc.  S.  5'.  172;  gp.  Greise  S.  6,168,19. 

')  nach  West  S.  11,46,4,  die  von  dem  frierenden  Nord  bringen  den 
Bernstein  S.  11,  45. 

*)  Acc.  Held  Br.  5,  120  (prosa).  S.  15',  37  (vers).  10,533,4  (prosa):  dat. 
Held  S.  3.55,  26  (prosa).  Vgl.  dazu  noch  T'hland.  Taillefer:  ron  Roland  sany 
er  nnd  mandtem  frommen  Held. 


336  PFLEIDERER 

Schiller  verwemlot  sie  auch  später  noch  einmal:   dm  Snith/'rt  S.  10,445,13 
in  prosa.    Adelung  kennt  nur  die  sclnv.  formen. 

Von  Fels  sind  die  st.  formen  jetzt  nur  noch  im  hohem  stil  üblich. 
Schiller  hat.  meist  die  schw.:  des  Felsen  2,  180,  (i.  317,5.  1,121,2G;  acc. 
Felsen  1,  41,  31 ;  dat.  1.  28,  44.  121,  28.  2.386.25:  daneben  den  Feh  1, 273, 13; 
und  nom.  der  Zackenfels  1,  273, 2.  Die  grammatiker  wollen  Fels  —  Felsen 
wie  Daum  —  Daumen  etc.  behandelt  wissen  (Spr.  1 ,  49  etc.).  Bei  Schubart 
sind  die  st.  formen  aber  ganz  gewöhnlich :  den  Fels  hinan  ST.  47,  2,  dem 
Fels  SG.  170,  von  Fels  zu  Fels  SG.  2,  73,  vom  Fels  SG.  2,  85;  daneben  seines 
Felsen  SG.  2.  70,  den  Grabfelsen  SG.  449. ') 

Raif  (2,93,13)  bildet  eine  schw.  gp.  Maifen  1,341,13,  was  im  nhd. 
öfters  vorkommt  (Paul,  Wb.).  Fulda,  GR.  65  rechnet  das  wort  zu  den 
St.  masc. 

Andere  subst..  die  mhd.  stark  waren  und  im  nhd.  teilweise 
schwach  geworden  sind,  sind  Halm,  Thron,  Sinn.  Diese  drei 
werden  im  älteren  nhd.  öfters  schwach  flectiert  (beispiele  zu 
Halm  und  Thron  s.  Kehrein,  Nhd.  gr.  s.  74,  zu  Sinn  s.  Kehrein, 
15. — 17.  jh.  s.  192  und  Längin,  Herder  s.  36). 

Schiller  hat  st.  und  schw.  formen  nebeneinander:  Halmen  ap.  1, 312,  22. 
331,  539:  vgl.  Halmen^Q.lH%  neben  Hahne  SG.120,  —  alle  Thronen  1,215,  35 
neben  Throne  ap.  1,239,77;  np.  1,101,19.  296,31;  vgl.  Thronen  ST.  124,4, 
Königsthronen  ST. 101,  ö.  —  alle  meine  Sinnen  2,280,10.  1,332,573,  5  Sinnen 
2,  274,  26  neben  gp.  Sinne  2,  284,  1.  168,  13;  ap.  Sinne  2,  118,  20,  ebenso 
.')  Sinnen  Si.  328-  —  Das  verhalten  der  grammatiker  ist  verschieden  bei  den 
drei  subst.:  Fulda,  GR.  78  verlangt  Sinnen  und  Thronen,  fügt  aber  hinzu: 
'doch  auch  dise  entziehen  sich  hie  und  da  bereits  und  gehen  nach  der 
1.  dekl.';  (parad.  Weg  —  Wege);  für  Halm  verlangt  Fulda,  GR.  64  st.  flexion. 
Vgl.  noch  Schw. m.  1776,26:  'in  ganz  Schwaben  sagt  mau:  die  Sinnen':  ebenso 
Nast,  Spr.  1,  79.  —  Thronen  und  Sinne)i  bei  Haller,  vgl.  Kcäslin,  Haller  s.  58; 
Thronen  auch  bei  Goethe,  vgl.  Bojunga  s.  131 ;  Halmen  bei  Sanders,  Wb. 
oft  belegt.  Adelung  gibt  für  Thron  nur  den  pl.  -en  an;  von  Sinnen  sagt 
er:  'bei  einigen  Sinnen,  besonders  in  den  figürlichen  bedeutungen;  im  hoch- 
deutschen ist  diese  form  veraltet,  aufser  dafs  die  dichter  sie  um  der  be- 
quemlichkeit  des  reims  willen  zuweilen  beibehalten.'  Der  pl.  Halmen  kommt 
nach  Adelung  'dem  gemeinen  leben,  nicht  aber  der  anständigen  sprech- 
art'  zu.*) 

Specifisch  oberdeutsch  ist  die  schw.  sg. -form  (vgl.  Paul,  Wb.:  'ober- 
deutsch auch  schw.';  von  Fuchs  in:  den  Schiveisfnchseniicc.2,lib,4.    Auch 


•)  den  Fels  S.  11,279, 183,  vom  Fels  S.  6,  254, 14.  6,  392,221.  14,49. 
von  Fels  zu  Fels  14,  391. 

*)  die  Halmen  S.  6,295,21.  11,352  (im  reim);  —  nom.  Thronen  S. 
5^5,11.  9,90,19;  g\}.  Thronen  o',  31.  15^450;  pl.  r/«rowe  S.  7,84,8.  13,191. 
8,55  u.a.;  —  fünf  Sinnen  S.  11,  387,  15,  deine  Sinnen  15',  12,  201 ;  vgl.  Sirmen- 
organ  Br.  5,  352,  Sinnenglück  S.  11,  54,  8. 


SPRACHE    DES   JUNGEN   SCHILLER.  337 

Adelung  erklärt  das  für  obd.  Fulda,  GR.  7G  verlangt  scliw.  flexion  bei 
Fudis,  Pferd. 

St.  und  schw.  formen  benutzt  Schiller  bei  Zwerg  (mhd.  st.  neutr.): 
Zum  Zicerge  1,  259,  4  (reim);  np.  Ziverge  1,221,7;  dagegen  Ztvergen  Welt- 
lich. 1, 385  (Haugs  Z.).  Fulda,  GE.  G5  tritt  für  die  st.  flexion  ein.  Die 
schw.  formen  sind  bei  Schubart  das  regelmässige:  die  Zwergen  SO.  126;  np. 
Modezicergen  SO.  IC;  vgl.  Zwergen- gestalt  SO.  120.  Adelung  kennt  nur 
die  st.  formen. 

Filz,  bei  Lexer  nur  als  st.  masc.  belegt,  ist  auch  im  nhd.  meist  stark. 
Fulda,  GR.  64  und  Adelung  kennen  nur  die  st.  formen.  Grimm,  DWb.  hat 
st.  formen  von  Luther,  Weckherlin  u.  a.  Schiller  hat :  den  alten  Filzen 
2, 33,  li.  225, 15  A  neben  den  alten  Filz  2,  225, 15  M.  Das  scheint  eine 
eigentümlichkeit  Schillers  zu  sein.  Die  wbb.  (Grimm,  Sanders,  Heyne,  Paul) 
belegen  wenigstens  die  schw.  formen  nur  aus  Schiller. 

Der  pl.  die  Stücken  hat  sich  (nach  Heyne,  Wb.)  namentlich  ein- 
gestellt, wenn  der  begriff  des  zerbrechens  hervortritt;  es  wäre  also  vielleicht 
eine  Verbindung  wie  in  Stücken  reifsen  zu  erklären:  etwas  so  zerreissen, 
dass  es  in  stücken  ist.  Von  da  aus  müsste  sich  die  form  dann  verbreitet 
haben.  Auch  Adelung  kennt  den  schw.  pl.,  verwirft  ihn  aber  als  'provin- 
ziell'. Nast,  Spr.  1, 35  erklärt  Stücken  für  falsch  und  für  einen  pl.  der 
Sachsen.  Schiller  hat:  in  Stücken  reissen  2,172,19.  312,26.  Später  macht 
er  von  diesem  falschen  pl.  in  ausgedehnterer  weise  gebrauch,  wenn  auch 
nur  spärlich.!) 

Ds.  Vätern  Zeus  1,252,56:  ein  ds.  nach  der  n-declination  kommt  bei 
vater  schon  im  ahd.  vor  (vgl.  Braune  §  235,  anm.  3) ;  für  das  alemannische 
belegt  Weinhold,  Alem.  gr.  s.  446  ein  vatern  in  mhd.  zeit;  im  nhd.  sind 
nur  noch  kümmerliche  reste  dieser  bildung  übrig  geblieben  (vgl.  Bojunga 
s.  23-25). 

Die  form  Böseivichter  werde  ich  bei  den  iieutris  behandeln. 
—  In  SU  standen  bringen  1,  50,  2  hat  sich  wol  das  schwäb. 
verbum  standen  an  stelle  des  subst.  eingeschlichen. 

Neutra. 
Der  pl.  auf  -er,  dem  im  mhd.  nur  eine  geringe  anzahl 
von  neutris  regelmässig  unterlag  (vgl.  Paul,  Mhd.  gr.  §  123), 
gewinnt  im  verlauf  des  mhd.  und  besonders  im  nhd.  sehr  an 
boden.  In  der  nhd.  Schriftsprache  ist  das  schwanken  zwischen 
alter  und  neuer  pluralbildung  bei  den  meisten  Wörtern  zu 
gunsten  von  -er  beseitigt  (Grundr.  1,  764).  Die  mundarten 
gehen  in  bildung  von  e>--pluralen  vielfach  noch  weiter  als  die 


')  in  Stücken  reißen  S.  3, 195,  11.  4,  52, 10,  6,  414,  in  Stücken  zerren 
S,  3,16,12,  in  Stücken  mit  — .'  S.  3,  227, 1,  in  Stüken  mit  — .'  In  tauseiid 
Stük  den  — /  S.  58,7,  die  zwei  andern  Stücken  Br.  5,  435. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXVIII,  22 


338  PFLEIDERER 

Schriftsprache,  besonders  die  oberdeutsclien,  ^die  statte  der 
iippigsten  Verbreitung  der  .9-plurale'  (Bojunga  s.  144).  Das 
olinehin  wegen  seiner  deutlichkeit  lebenskräftige  suffix  er  war 
ein  willkommenes  mittel  der  numeraldifferenzierung. 

Von  derartigen,  besonders  mundartlichen  plur.  auf  -er,  die 
die  Schriftsprache  nicht  angenommen  hat,  benutzt  Schiller 
folgende: 

Geivölber  1,  843,  68  (reim,  später  auch  ausserhalb  des  reims) ;  Hemder 
Br.  60,  2  iu  einem  hrief  an  seinen  freund  Hoven ;  Menscher  2,  84, 12,  ebenso 
Si.  2, 106,  als  pl.  zu  dem  hauptsächlich  in  Oberdeutschland  als  Schimpfwort 
üblichen  neutr.  das  Mensch.  —  Fulda,  GR.  70  führt  diese  drei  subst.  unter 
denjenigen  an,  die  im  pl.  nur  -er  haben,  gemäss  der  mundart,  ebenso 
Nast.  Spr.  1,34:  ^Geicölb,  Hemd,  Mensch  von  weibsleuten  gebraucht'.')  — 
Andere  pl.  auf  -er  sind:  Gespenster  2,169:  ohne  nebenform  auf  -e:  hunds- 
vocUer  2, 157, 17;  von  Schtccrt  lautet  der  \}\.  stets  Schwerd{t)er,  während 
z.  b.  Goethe  auch  Schwerte  bildet.  —  Zweierlei  pl.,  von  denen  die  bildung 
auf  -er  die  eigentlich  lebendige  und  volkstümliche  ist,  die  auf  -e  dagegen 
archäischen  Charakter  an  sich  trägt  (Grundr.  1,  764),  treten  auf  in:  Länder 
—  Lande,  letztere  form  nur  in:  deiner  Mutter  Lande  1,220,2  im  reim,  und 
die  Lande  1.  155,12,  aus  fernen  Landen  2,296,25.  Die  form  findet  sich 
später  hauptsächlich  häufig  iu  der  Gesch.  des  abfalls  der  Niederlande  und 
der  Gesch.  des  dreissigjähr.  krieges.  Die  deutschen  Lande  bei  Schubart.  SG. 
2,  226;  —  ThäJer  1, 185,  5.  2, 118,  7.  274, 11,  —  Thale  1,218,7.  Letztere  form 
findet  sich  in  den  älteren  ausgaben  der  Bibel  öfters,  worauf  Jonas,  Erläuter. 
s.  52  hinweist ;  sie  könnte  also  aus  der  spräche  der  Bibel  herübergenommen 
sein;  Schubart:  die  Thale  SG.  2, 104.  Fulda,  GR.  70.  Nast,  Spr.  1,34 f.  führen 
die  beiden  Wörter  unter  denen  auf,  die  im  pl.  nur  -er  haben.  —  Male  — 
Maler:  an  Maulen  =  mahlzeiten  (das  simplex  ist  jetzt  veraltet)  2,  56,  5. 
222,6,  Grahmähleri,69,2ö.  2,377,11.  386,23;  Fulda  scheidet  GR.  69  Male 
epulae  und  Maler  Stigmata;  Nast,  Spr.  1,  28  gibt  einfach  an  Male  und 
Maler;  1,34  verlangt  er  »h&v  Grahmuler;  Adehmg:  'das  3Iahl,  die  3Iähler; 
im  oberdeutschen  und  in  der  höhern  Schreibart  der  hochdeutschen  die  Mahle, 
Grabmale,  im  gemeinen  leben  -mäler.'  Ebenso  sagt  Gayler  s.  52:  'in  der 
l)edeutung  das  essen  ist  die  enduug -e  hochdeutsch,  -er  in  den  dialekten. '  — 
Orte  —  Örter,  Worte  —  Wörter,  Gesichte  —  Gesichter  sind  I)eliandelt  wie  in 
der  modernen  spräche.  Fulda  scheidet  sie  folgendennassen  (iR.  70:  'Die 
von  der  ersten  decl.  [parad.  \\'e(j  —  We(jc\  werden  für  die  sache,  die  handlung 
und  collective  genommen,  die  von  der  zweiten  decl.  [Feld  —  Felder]  werden 
für  Werkzeuge,  das  gethane,  und  distributive  gebraucht.' 

Hier  füge  ich  noch  bei  das  masc.  liöstvicht.  Schiller  hat  Bösivichter 
1,  82, 12.  76,  32,  Bösewichter  2,  5,  27.  1,  362, 24.  Br.  9,  9.    Die  schwäb.  gram- 


1)  Auch  später  noch  Geivölber  S.  3,  288,  7  nicht  im  reim,  S.  4,  203  in 
prosa;  daneben  in  den  Lauhgewölbcn  S.  4,  337;  —  llemder  Br.  1,153,16, 
Hemderwaschen  8. 4, 18, 36;  Hemden  Br.  6, 251. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  SS9 

niatiker  ziehen  den  pl.  auf  -e  vor:  Schw.  ni.  1775,374:.  Fulda.  GR.  71  ('Man 
sollte  diese  classe  [d.  h.  die  ueutr.  auf  -er\,  besonders  die  männlichen  . . .  nicht 
vermehren,  mit  ...  BöswichV.).  Nast,  Spr.  1,35  ('Einige  provinzen  ziehen 
noch  hieher  [pl.  auf  -er] :  Böswicht  .  .  .  Sie  gehen  aber  besser  nach  der 
1.  decl. ').  Hinsichtlich  des  gehrauchs  der  formen  widersprechen  sie  sich : 
Nast,  Spr.  1,  37:  'in  Sachsen  spriciit  man  . . .  Bösirichter,  ...  in  Südteütsch- 
land  kehrt  mans  um,  und  sagt  . . .  Böstoichte. '  Dagegen  heisst  es  Schw.  m. 
1770,  35:  'in  Schwaben  spricht  man  Böswicht  und  im  pl.  Bösic/chter.'  — 
Vielleicht  gehört  hierher  auch  der  pl.  Grenaih'crer  2,  876,  22,  falls  er  nicht 
zu  einem  sg.  Grenadierer  gehört.') 

Feminina. 
Von  fem.,  die  mlid.  schwach  waren  und  nhd.  im  sg.  stark 
geworden  sind,  sind  bei  Schiller  noch  vereinzelte  formen  nacli 
der  alten  im  übrigen  mundartlich  noch  üblichen  declinations- 
weise  erhalten: 

Sonne:  der  Sonnen  Pracht  1,  296,  38,  von  der  Sonnen  Strahle  1,  218,  8 
sind  wol  sg.  Auffallenderweise  steht  über  der  Sonnen  2,  74,  6  von  ausgäbe 
C  1782  an  (bis  1799).  Aus  den  belegen  bei  Kehrein,  15.— 17.  jh.  s.  199  ist 
ersichtlich,  dass  schon  im  16.  und  17.  jh.  die  schw.  formen  des  sg.  in  der 
Schriftsprache  selten  sind.-) 

Scheibe,  mhd.  scJube  schw.:  nach  der  Scheiben  i,  220,124:;  bei  Scliu- 
bart  nur  st.  (an  deiner  Scheibe  SG.  2, 101.  104-);  aber  vgl.  Hausleutners  Schw. 
Archiv  1793,  Idiotikon  der  Baar,  s.  251 :  Scheibe  =  Schiba  (d.  h.  iibd,  was 
einem  nhd.  Scheiben  entspricht).  Kehrein,  15. — 17.  jh.  s.  199  führt  ein  bei- 
spiel  aus  H.Sachs  an:  auff  der  Scheiben;  Kehrein,  Nhd.  gr.  s.  96  noch  eines 
von  Opitz. 

Erde  war  mhd.  st.  und  schw.  Schiller  hat:  stoischen  Himmel  und 
Erden  2,19,9,  zur  Erden  1,215,17.  Bei  den  Schwaben  findet  sich  öfters 
noch  schw.  flexion:  zur  Erden  Si.  2,  86.  ST.  35.  20,5;  gs.  der  Erden  ST.  22,5. 
49, 1.  Schw.m.  1776,  719.  In  altertümlicher  weise  verwendet  Schiller  sie  auch 
später  noch.'*)  Frühere  belege  bei  Kehrein,  15.— 17.jh.  s.  200.  Kehrein,  Nhd. 
gr.  8. 96  aus  Goethe. 


')  Lande  S.  6, 179.  8,  43.  56.  76.  29  u.  a.  —  die  GastmaMe  S.  7, 186, 10. 
lö'\  334,  Gastmähler  S.  7,  199,  20.  289.  —  Böstvichter  noch  in  S.  3,  442,  8  in 
prosa.  —  Aus  späterer  zeit  führe  ich  noch  einige  -er-bildungen  an,  die  zu- 
fällig nicht  in  den  jugendwerken  Schillers  vorkommen:  Feuerbränder  (im 
reim)  S.  6,  370,  P/-äse«f er  S.  3,  359, 17,  ifo.sjj/M/e?-  S.  4,  61,  5,  Diebesklüfter, 
Elender  S.  12,  35  (in  der  Kapnzinerpredigt),  Gewänder  S.  14.  9  neben  Gewände 
S.  10,  268,  25.  14,  92. 

-)  bei  der  Sonnen  (im  reim)  S.  13,  387,  unter  der  Sonnen  (im  roim)  S. 
14,51.  15^  413,  in  der  Sonnen  S.  12, 18;  andere  fälle  sind  zweifelhaft  (im 
Glanz  der  Sonnen  J.  v.  Orl.,  Kinder  unsrer  Sonnen  Br.  v.  Mess.). 

3)  nach  der  Erden  (reim)  S.  3, 173, 12,  auf  der  Erden  S.  12, 167.  14,  25; 

22* 


340  PFLEIDERER 

3Iittc  und  Fe  nie  kommen  sclnv.  vor  in:  in  der  il//7ff »  2,  325, 15  M, 
in  der  Fernen  2, 268,  5  A  (M  fehlt  hier).  Zu  letzterem  weiss  ich  keine  be- 
lege. 3Iitte  wird  auch  sonst  zuweilen  bei  dichtem  schw.  flectiert,  wol 
unter  einllyss  von  mitten  (nach  Paul,  Wb.):  vgl.  Kehrein,  15. — 17.  jh.  s.  201. 
Kehrein,  Nhd.  gr.  s.97  mit  beispielen  ausEückert;  sonst  z.b.  in  Mörike,  Gebet. 

Doppelte  flexion  zeigt  bei  Schiller  die  Hechte.  Heute  gilt  als  regel : 
mit  artikel:  zur  Fechten  Gottes,  ohne  artikcl:  zu  Gottes  Hechte,  mit  dur- 
gereichter Hechte.  Doch  findet  sich  auch  schwanken.  Klopstock  hat  (nach 
Sanders,  Wb.)  vorwiegend  die  st.  formen  im  sg.  Schiller:  bei  dieser  männ- 
lichen Hechte  2,  237,  21  A.  48, 18  (in  allen  auflagen),  von  deiner  gewaltigen 
Hechte  1, 123,  78.  Daneben  bei  dieser  meiner  Hechten  2,  237,  21  M.  Auch 
Schubart  hat  mit  verliebe  die  st.  form:  Hechte  SG.  1,  96.  20.  102.  2,  68.  Da- 
neben linde  ich  einmal  die  schw. :  Hechten  SG.  2, 13-i. ') 

Soweit  die  scliwäb.  grammatiker  diese  fem.  zur  rede  bringen, 
verlangen  sie,  wie  die  moderne  spräche,  im  sg.  st.,  im  pl.  scliw. 
formen:  Fulda,  GR.  78.  Nast,  Spr.  1,  08  ff. 

Tinte,  schon  in  alid.  zeit  entlehnt,  weist  bei  Schiller  st.  und  schw. 
formen  auf:  7Hit  ihrer  Dinte  2,384,10  und  öfters;  daneben  nach  Dinten 
1,208,67;  die  schw.  form  ist  altertümlich  und  kommt  in  der  biblischen 
spräche  öfters  vor. 

Den  pl.  viele  Heise  Br.  37, 24  möchte  ich  nicht  für  einen  Schreibfehler 
erklären.  Die  form  findet  sich  im  1.  brief  an  Dalberg,  wo  Schiller  noch 
sehr  förmlich  mit  Dalberg  verkehrt,  da  er  sich  bei  diesem  erst  einzuführen 
hat,  und  wo  Schiller  ausserdem  allen  grund  hatte,  correct  zu  schreiben. 
Zwar  kommt  das  subst.  mhd.  reise  st.  im  nhd.  nur  noch  spärlich  st.  flectiert 
vor;  Kehrein,  15. — 17.  jh.  s.  168  belegt  aus  Luther:  dreier  tagereise  weit 
1.  Mos.  30,  36;  aber  als  altertümliche  form  kennt  Schiller  sie  vielleicht  doch 
noch.  Als  analogon  möchte  ich  anführen,  dass  Miller  sagt:  tausend  Freude 
Si.  91,  also  auch  noch  die  mhd.  st.  form  verwendet,  falls  hier  nicht  das 
Zahlwort  einwirkte,  so  dass  Freude  einfach  sg.  wäre. 

Eher  möchte  ich  die  pl.  -ung  für  Schreibfehler  halten.  Die  fem.  auf 
-ung  sind  mhd.  stark,  und  noch  im  15.  und  16.  jh.  finden  sich  st.  pl.  (vgl. 
Kehrein,  15.— 17.  jh.  s.  167f.).  Schiller  schreibt:  zehen  entgegengesetzte  Em- 
2jfindnng  Br.  8,  3, 11,  meine  Überzeugung  sind  unnöthig  Br.  9,  20;  ausserdem 
gp.  Himceglassung  Haug,  Z.  460.'-*) 

Bei  den  grammatikern  bilden  Heise  und  die  subst.  auf  -ung  ihre  pl. 
schwach,  vgl.  Nast,  Spr.  1,  70.  (^(). 


vgl.  ausserdem  aus  seiner  Kassen  S.  12,  26,  aiif  der  Messen  S.  12, 19.  — 
Den  Schwab,  grammatikern  ist  übrigens,  wie  es  scheint,  die  schw.  flexion 
des  sg.  bei  Frde  fremd;  denn  Schw.  m.  1775,  322  wird  auf  Erden  mit  'in 
terris'  übersetzt. 

>)  Später  dat.  der  Hechte  S.  3, 175,  2.  479,  9.  6, 199,  der  Hechten  S.  6,  380 
und  oft. 

''')  Jedenfalls  sind  die  späteren  pl.  -ung  nachlässigkeiten :  1000  Empfeh- 
lung Br.  1,  79,  9,  meine  Vorlesung  np.  Br.2,425,  einige  Zeichnung  smrfBr.3,128. 


SPRACHE    DES   JUNGEN   SCHILLER.  341 

Plural  auf  -s. 

Ueber  den  \)\.  auf  -s,  der  schon  im  nnid.  im  15.  jli.  ziem- 
lich verbreitet  war  und  aus  dem  franz.,  vielleicht  durch  Ver- 
mittlung des  nl.  herübergekommen  war,')  haben  die  schwäb, 
grammatiker  keine  bemerkung;  nur  einmal  wird  er  von  Nast, 
Spr.  1,  39  bei  gelegenheit  des  pl.  von  Koi  gestreift:  'das  fran- 
zösische die  Kerls  wird  hoffentlich  kein  Tentscher  verteidigen 
wollen.'  In  der  schwäb.  literatur  jener  zeit  habe  ich  auch 
merkwürdig  wenig  beispiele  von  5-pl.  finden  können  (abgesehen 
von  Schiller);  beides  spricht  dafür,  dass  dieses  mittel  der  plural- 
bildung  in  Schwabens  literatursprache  noch  nicht  sehr  um  sich 
gegriffen  hatte. 

Das  plural-s  verwendet  Schiller:  1)  bei  eigennamen  zum 
zweck  der  Verallgemeinerung: 

die  Hannes,  Memlelsohns,  Sioiffts  1,  92,  35,  die  Sidlys  2, 36,  die  Tartüffes 
2,341,16,  viele  Don  Quixotes  2,341,15,")  vgl.  die  beiden  Siegtvarts  Si.  95; 

2)  bei  fremdwörtern,  wo  es  auch  in  der  heutigen  spräche 
noch  öfters  angewendet  wird,  wenn  der  pl.  nach  anderer  weise 
sich  schlecht  bilden  lassen  würde  (vgl.  Grundr.  1,  758): 

die  Dokters  2,36,8.  42,18,  die  Doktors  2,227,8,  russarjiers  2,87,25. 
254,  3,  Rubels  1,  203,  3;  ebenso  andere  Schwaben:  die  Offiziers  Si.  183  (Schiller 
in  S.  3,  388.  Br.  1,  419),  die  Konsids  SO.  169,  die  Professors  Si.  2, 151  (Schiller 
in  Br.  3, 106),  Seraphims  und  Cherubi7ns  SO.  12,  während  Schiller  sagt:  die 
Serafim  1,216,18  und  an  Seraphinen  1,359,85; 

3)  bei  deutschen  Avörtern: 

die  Jumjens  1,246,53,  Fräideins  2,270,7.  111,2,  3Icidels  2,34,  Ulms 
2, 167, 10  neben  UJme  2,  307, 10.  Bei  den  andern  Schwaben  finde  ich :  Mädels 
Si.  169.  SG.  2, 123;  dagegen  die  ScJmhu  SG.  2, 124.») 


')  Vgl.  Weise,  Unsere  muttersprache  s.  172.  Grundr.  1,  758. 

2)  Freilich  bildet  er  solche  Verallgemeinerungen  ebenso  nach  der  a-klasse: 
die  Cäsare  1, 101,  9,  die  F(dlstaffe  2,  341, 17,  Neue  Sohne,  Piatone  1,  99,  24; 
nie  aber  nach  der  n-klasse,  während  z.  b.  Nast,  Spr.  1,  84  die  Ciccronen 
verlangt. 

^)  Die  s-pl.  bei  eigennamen  sind  allem  auschein  nach  später  nicht  mehr 
so  häufig;  es  heisst  z.  b.  bloss  die  Alba  S.  5^^,  30.  108  u.  a.,  die  Doria  S.  3,  57,  7 
u.a.,  die  Stolberfje  BrA,  327.  —  Dagegen  fremdwörter:  AlmanachsBv.b,75, 
Visionürs  S.  4,  344, 12,  Koffers  S.  4, 160,  2,  Officiers  S.  3,  388,  8.  Br.  1,  419. 
S.  9,  6,  Kantons  S.  4,  99,  8,  Generals  S.  12, 119,  Kavaliers  S.  4,  270, 16,  Passa- 
giers S.  3,  255,  21.  4,333,4.  —  Deutsche  Wörter:  Jungens  Br.  5, 11.  7,147, 
Fräideins  Br.  7, 175,  Mädels  S.  12,  25,  Weibleins  Br.  1,  341,  unsre  Frauens 
Br.  2,  90. 


342  PFLEIDERER 

KcrJ,  dieses  lieblingswort  der  stunii-  und  drangperiode, 
bietet  dreierlei  pl.  bei  Schiller: 

die  Kerl  2,  91, 24,  Kerls  2,  30,  21.  33, 1.  222, 13.  223, 1.  224, 15.  81,  6.  9 
etc.,  Kerles'  ein  Corps  Kerles  2,  78, 14  ^)  (der  weitere  pl.  Kerle  kommt  erst 
in  Schillers  uachlass  vor,  S.  15^530).  Vgl.  Fulda,  GR.  71:  'mau  darf  also 
im  plural  uiclit  sagen:  die  Kerle,  . . .  sondern  die  Kerl  ...  ';  ebenso  Spr.'l,39 
(vgl.  ausserdem  Nasts  bemerkung  s.  341,  z.  5). 

Flexion  der  fremdwörter. 

In  der  beliandlung  eines  teils  der  fremdwörter  zeigt  sich 
noch  der  altertümliche  Charakter,  der,  Avie  bemerkt,  der  schwäb. 
literatur  der  zweiten  hälfte  des  18.  jh.'s  anhaftet. 

In  der  zeit  des  hnmanismus  war  es  üblicli  und  ein  zeichen 
der  bildung,  dass  man  die  fremden  Wörter  nach  den  declinations- 
gesetzen  der  fremden  sprachen  behandelte,  eine  sitte,  die  sich 
bis  ins  vorige  jh.  eiiialten  hat  (vgl.  Weise,  Unsere  muttersprache 
s.  183  ff.).  Zur  zeit,  da  Schiller  anfieng  zu  schreiben,  war  diese 
sucht  im  allgemeinen  vorüber.  Zwar  Lessing  behandelt  seine 
fi-emdwörter  noch  gerne  so,  wie  seine  ganze  spräche  für  uns 
überhaupt  'geradezu  veraltet'  ist. 2)  Aber  man  vergleiche  z.  b. 
die  art,  wie  der  junge  Herder  die  fremdwörter  behandelt;  er 
ist  zwar  noch  nicht  ganz  so  frei  ihnen  gegenüber  wie  die 
spräche  des  19.  jh.'s,  aber  'er  wendet  gern  die  deutsche  flexion 
an,  besonders  bei  fremdwörtern ,  die  er  häufiger  gebraucht' 
(Längin,  Herder  s.  42).  Zu  dieser  freiheit  den  fremden  ele- 
menten  gegenüber  hat  sich  Schiller  erst  später  durchgerungen, 
und  Avörter  wie  Bespotism,  Idealism,  die  beim  jungen  Herder 
sehr  üblich  zu  sein  scheinen,  gebraucht  Schiller  erst,  wie  er 
aus  dem  engen  Schwaben  draussen  ist.  In  seiner  jugend- 
periode  dagegen  wimmelt  es  von  fremdwörtern,  die  noch  nicht 
in  deutscher  nationalt  rächt  erscheinen  und  deshalb  auch  ausser- 
halb des  gebiets  der  deutschen  declination  liegen. 

Beibehaltung  fremder  endung  (ich  sehe  ab  von  fällen 


')  Kerles  ist  im  pl.  unveränderte  sg.-form:  vgl.  dazu  H.Fischer  zu 
G.  R.  Weckherlins  Gedichten  (Tübingen  1894-95),  2,499,  no.  326:  'Kerlis 
noch  jetzt  schwäbisch  üblich  {^Kerles')  als  komische  bezeichnung;  die  endung 
ist  wohl  nichts  als  komische  Verwendung  des  lat.  -t<s.' 

'^)  Vgl.  die  ausführungen  von  Behaghel,  Sprachgebrauch  und  sprach- 
richtigkeit,  im  6.  Beiheft  der  Zs.  d.  allg.  deutsch.  Sprachvereins  s.  25  f. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  343 

wie  Krisis  1, 168,  9,  Mechanismus  1, 168,  Organismus  1, 167,32, 
Publicum  Br.  35, 21  etc.): 

Requisiium  2,  4,  -t,  ÄppJausus  2,  7, 11,  Konsensus  1, 169, 17,  E.ctremum 
1.  U2,  27,  .4Af»,<t  2,  27, 13.  Kollega  2,  252,  22,  rccia  vom  Galgen  2,  90,  Gesius 
2,37,19,  Jnnius  Br.  27,  Kondlium  2,32,16,  Judicium  2,82,6,  Prindpium 
1, 145, 19  u.  a.  (vgl.  Weltricli  1,  550). 

Beibehaltung:  der  fremden  casusendungen: 

die  Organismi  1,145,5,  zum  Hauptstudio  1,23,17,  zum  Principio  1,90,15, 
zur  Exstasi  hinaufsteigt  1, 163, 12,  die  Herrn  vom  Kollegio  2,32,5,  zu  Ex- 
tremis 1 ,  166, 21,  den  Statum  (hier,  im  gedieht,  mit  komischer  absieht)  1 ,  193, 202, 
aus  meiner  Praxi  2,84,16,  den  Gradum  eines  Doktors  Br.  56,28,10,  von 
meinen  otiis  poetieis  Br.  42.  3,  Doktores  2,  32, 16,  den  Deum  ex  machina 
1.80,15,  in  einen  gewissen  Xisum  1,145,21,  Pfirases  2,29,3.') 

Aehnliche  fälle  bei  aiuleru  Schwaben:  Europam  80.94,  durch  Praxin 
SO.  177,  die  Krisin  Si.  2,  70,  diesen  Suevismum  Sehw.  m.  1776,  91,  des  Publici, 
des  Privilegii  Schw.  ra.  1780,360  etc.;  aus  den  grammat.  abhaudlungen  der 
Schwaben  Hessen  sich  noch  viele  beispiele  anführen. 

Manchmal  begegnen  auch  fehlerhafte  en düngen: 

von  Epidaurum  1,  317,  103,  die  Weiber  Epidaurum  1,  337,  737,  von 
Titijon  1, 241, 124,  in  Elysen  1,  217,  40  (wol  des  reims  wegen,  statt  -ien). 

An  fremdwörtern,  die  in  deutschem  gewand  erscheinen  und 
nach  deutscher  art  flectiert  werden,  Aveist  Schiller  eine 
anzahl  auf,  die  von  der  jetzt  üblichen  Üexionsweise  abweichen. 

Masculina. 
.  Bursche:  das  bis  ins  17.  jh.  als  collectives  fem.  fungierende 
harsche  wurde  im  17.  jh.  als  pl.  anfgefasst;  dasselbe  wort  wurde 
aber  daneben  auch  für  einen  sg.- begriff  ==  nhd.  Bursche  be- 
nützt, und  zu  diesem  mm  ein  neuer  schw.  pl.  gebildet.  In 
unsrer  mundart  herscht  der  st.  pl.  noch  durclnveg. 

So  auch  Schiller:  \A.  Bursche  %19,^lh,  wir  Pursche  2,'S2,  10;  vgl.  Pursche 
Si.2, 106.  Fulda,  GK.  64  und  Nast,  Spr.  1,  20  verlangen  die  st.  flexion.  — 
Auch  Goetbe  hat  noch  die  st.  formen,  vgl.  Bojunga  s.  04."'') 

Ganz  vereinzelt  dürfte  der  pl.  die  Frofessore  2,  4,  28 
dastehen. 

Die  Wörterbücher  erwähnen  ihn  nicht.   Er  ist  fehlerhaft,  aber  vielleicht 


')  "Wenn  in  spätem  perioden  gelegentlich  derartige  formen  noch  vor- 
kommen, wie  bei  unserm  Commercio  Br.  5,22b,  so  ist  das  wol  beabsichtigt 
altertümelnd. 

*)  pl.  Bursche  noch  Br.  1,  420,  7,  etliche  Bursch'  S.  3,  393, 13,  ap.  Bursche 
S.  14, 195.  Br.  2, 31. 


344  PFLEIDERER 

nur  boziig-lich  des  -c.  Frofesi^ore  kaim  erklärt  werden  als  die  schwäbische 
pl.  form  Frofesser  +  angehängtem  e  als  pluralzeichen  (ich  verweise  auf 
die  übrigen  incorrecten  Verwendungen  dieses  dem  Schwaben  fremden  auslauts 
-e  s.  318  uu'4  später  beim  parag.  -e).  Für  diese  auffassung  spricht  eine  anraer- 
kung  Xasts  im  Spr.  1,  55,  wo  er  Professor  mit  Wörtern  wie  Schweizer,  i\IüU^r, 
HoUändcr,  Apostel  zusammennimmt,  Avelche,  'da'  sie  den  ton  nicht  auf  der 
endsilbe  haben,  im  pl.  dieselbe  form  haben  wie  im  sg. :  die  Müller-,  also 
verlangt  er  auch  die  Professor.  In  der  folgenden  anmerkung  verhöhnt  er 
dann  die  pl.-formen  eben  dieser  Wörter  auf  -rn:  'vile  machen  den  plural: 
die  Bniern  . . . ' 

Schwache  formen  ent gegen  dem  heutigen  gebrauch 
finden  sich  bei'): 

Nerv.  schw.  sg.  den  Nerven  1,145,10.  81,1,  /»(  Nerven  1,80,4.25, 
des  Nerven  1,80,3."^)  Auch  Adelung  verlangt  schw.  sg.;  ebenso  beim  sg.: 
dett  Brillanten2,2d8,9  (nher  den  Demant  2,298,10):,  Sanders  citiert  noch 
einen  schw.  sg.  Brillanten  von  Schiller  (daneben  diesen  Brillant  von  einer 
Frau  S.  6,  30,  83). 

Zum  nom.  der  Vialoge  Br.  48, 17  wird  der  dat.  im  Dialo(fenBr.  52,  3 
gebildet  (Sanders:  schw.  noch  bei  Tieck),  ebenso  in  einem  J/o>iO?0(/e>i2,363,12 
(Sanders:  Goethe,  Gutzkow  u.a.).") 

Nul'  schw.  pluralformen  sind  zu  belegen  bei: 

Roman,  das  im  17.  jh.  aus  dem  französ.  entlehnt,  im  deutschen  zuerst 
den  pl.  aiif  -s,  dann  auf  -en,  und  erst  im  spätem  18.  jh.  auf  -e  bildet  (Heyne, 
\Vb.).  Schiller:  n-p.  Jiomanen  2,  388,  3.  Adelung  verlangt  J^omane ;  Gayler 
s.  110  sagt  noch:  'hochdeutsch  pl.  Romane,  bei  uns  die  Romanen.^  Vgl. 
Ergözlichk.  1774,  2,13  Romanen;  ebenso  SO.  105.  119.  134;  die  Original- 
romanen Schw.  m.  1775,  31 ;  vgl.  Romanenheldin  SO.  76,  Romanenschreiber 
SO.  104,  romanenhaft  SO.  122.  —  Im  sg.  sagt  Schiller  den  Roman  2,  379, 16, 
ebenso  Schubart  einen  Roman  80.116.*) 

Spion,  ebenfalls  im  17.  jh.  aus  dem  französ.  übernommen  und  bis  ins 
ende  des  18.  jh.'s  hinein  schw.  flectiert.  Der  junge  Schiller  hat  nur  den 
schw.  pl.:  Spionen  1,207,29.  2,91,9.  155,4.  Die  schw.  formen  belegt  San- 
ders noch  aus  Wieland.    Adelung  verlangt  für  den  gs.  -s,  für  den  pl.  -e.  *) 


')  Da  diese  fremdwörter,  so  viel  ich  sehe,  noch  nirgends  eine  zusammen- 
hängende behandlung  erfahren  haben,  so  bin  ich  genötigt,  stets  auf  die 
Wörterbücher  zu  verweisen. 

^)  Einen  schw.  sg.  finde  ich  nur  noch  im  sg.  den  Nerven  S.  8, 143,  4. 

3)  Später:  im  Dialogen  Br.  2,  77;  pl.  Dialogen  S.  11, 112.  116.  Br.  4,  34. 
5, 173;  —  pl.  Monologen  S.  11, 106,  66;  vgl.  dazu  den  ap.  Prolögen,  Epilogen 
Br.  1, 116,  66;  gs.  des  Catalogen  Br.  3, 166. 

*)  ap.  Romanen  S.  10,  478,  25;  vgl.  dazu  Romanenlektüre  Br.  4,  340, 
Romanenheld  S.  15^  254. 

'■)  pl.  Spionen  S.  3,  79.  212.  429.  4, 105.  106;  Spione  S.  4, 166, 6. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  345 

Baronen,  np.  1.3S8, 1.9.  Die  sclnv.  form  üliorwiegt  bei  Schiller  zeit- 
lebens.   Adelung  sagt  Barone.^) 

Affekten  1,175,18  neben  Affekte  1,235,37.  Auch  Herder  bedient 
sieh  der  schw.  form,  vgl.  Längin,  Herder  s.  43.   Adelung:  Affekten.'^) 

Die  Atomen  1,28G,23,  zum  ns.  der  Atome  2,349,31.  Sanders  führt 
schw.  formen  aus  Wieland  und  Forster  an.^) 

Kolüfs,  im  18. jh.  entlehnt,  ist  im  pl.  stets  st.:  KoJofse  2,30,17. 
224, 13  A  und  M ;  erst  ausgaben  nach  1799  bringen  die  schw.  fonnen  (ebenso 
ap.  Kolossen  S.  4, 111,  32). 

Feminina. 

Perücke  zeigt  schw.  sg.  im  dat.  Pm<c/ie«  1,  354,  43  im  reim;  daneben 
st.  dat.  Perücke  1,251,23;  obige  stelle  mit  schAv.  form  ist  die  einzige,  die 
das  D\Y\).  anzuführen  weiss.     Sie  ist  im  schwäb.  nicht  ungewöhnlich. 

Fiber  (die  muskeif aser)  tritt  nach  den  belegen  im  DWb.  und  Sanders 
im  pl.  sonst  nur  in  schw.  form  auf;  Schiller  hat  beiderlei  formen:  np.  Fibern 
1,  88, 26.  28,  33.  8G,  28;  gp.  Fibern  1,  86,  20;  np.  Fiber  1,  89, 11. 

Die  Hüft  1,345,20  kann,  wie  Gödeke  im  glossar  S.  1,  394  meint,  pl.- 
form  sein,  da  im  schwäb.  der  sg.  Hnft  noch  üblich  ist;  doch  ist  kein 
zwingender  grund  vorhanden,  die  form  pluralisch  aufzufassen  {'die  Reut- 
linger  gürteten  die  Hüft'). 

Silhouette  bildet  aiiffallend  st.  pl.:  Silhouette  1,243,19.  Im  DWb. 
ist  das  wort  nicht  verzeichnet;  Sanders  führt  nur  die  schw.  pl. -formen  an. 

Pistole,  fem.,  das  früher  auch  im  sg.  schwachformig  war  (DWb.), 
weist  bei  Schiller  beiderlei  formen  im  sg.  auf:  er  setzte  die  Pistolen  (sg.)  an 
2, 162.  303  in  den  meisten  ausgaben.     Adelung  will  nur  im  pl.  schw.  form. 

Uebereinstimmend  mit  dem  üblichen  gebrauch  ist  np.  Geu-issensmartern 
101, 12,  während  Schiller  später  auch  ap.  die  ^Harter  S.  4,  241,  8  bildet  (doch 
wider  Martern  S.  10,  36,  27). 

Neutra. 
Parterre  findet  sich  im  gen.  undecliniert:  des  Parterre  Br.  42,  wie 
Schiller  später  und  mit  ihm  das  18.  jh.  oft  des  Interesse  (z.  b.  S.  10, 211, 27)  sagt. 

Schwache  pluralformen,  teilweise  neben  den  Jetzt  üb- 
lichen starken,  finden  sich  in 

Fantomen  ap.  2,392,2  neben  Phantome  i,  77,  7;  ehmso  Phantotnen 
SO.  35;  ebenso  bei  Wieland  und  Zachariä  (DWb.  Sanders)  und  bei  Schiller 
in  spätem  werken.*) 

Epigrammen  np.  2,378,1  neben  Epigramme  Br.-^Q,  21,  8;  schwache 


')  dem  Bcichsbaron  S.  6,  30,  59;  pl.  Barone  S.  8, 144.  13,  25;  dagegen  pl. 
Baronm  S.  7, 180, 13.  8,  62,  4.  79,  34.  9,  234,  3.  14.  235,  31. 

')  gp-  Affekte  S.  4,  61,  15. 

')  auf  jedem  Atomen  S.  2,  353,  3  t  in  den  ausgaben  von  1812  und  1819; 
pl.  Atotnen  S.  3, 531, 25. 

*)  pl.  Fantomen  S.  3,  80, 2.  5»,  139.  5^  251. 


346  PFLEIDERER 

formen  sind  belegt  aus  Lessing  und  "Wielaud  (Sanders);  Adelung  ver- 
langt sie.  >)    Vgl.  np.  Idealen  SO.  38. 

Produliten  1,  l.')n.  1  neben  Produkte  i,\b6,  ib.  Adelung:  Produkte. 
Neben  der  uhd.  gewöhnliclicn  form  Insekten  (gp.)  1, 155,  2-i,  die^auch  Ade- 
lung verlangt,  erscheint  Insekte  ni).  2,353,24.  Sanders  bietet  für  diese 
form  keine  belege.  Nast,  Spr.  1,  78  sagt:  Insekt  —  Insekten.  —  ^D&s  Insekt 
geht  auch  richtig  nach  der  ].  declination'  {u-eyc).  Fulda  führt  nur  den  pl. 
Insekte  an  GR.  04. 

Das  direct  aus  dem  lat.  entlehnte  Exemplar  bildet  Exemplare  Br. 
34,7,  und  daneben  in  anlehiiung  an  die  lat.  j)!. -form  auf  -ia:  Exemplarien 
2, 205, 2.  Die  beiden  formen  gehen  bei  Schiller  auch  später  stets  neben- 
einander her. 

Der  pl.  von  Möbel  schwankt  im  18. jh.  )ioch.  Adelung  \\&t  Meuhles 
und  Meublen,  ebenso  Goethe  (vgl.  Heyne,  Wb.).  Beim  jungen  Schiller  kommt 
das  wort  nur  einmal  vor:  2,378,28.  Später  verwendet  er  auch  die  form 
auf  -en.') 

Declination  der  eigennamen. 
Die  eigennamen  werden  vor  ende  des  18.  jli.'s  meist  noch 
flectiert.    Spnren  von  unflectierten  namen  finden  sich  schon, 
werden  aber  von  den  Scliwaben  energisch  getadelt. 

Ueber  das  verhalten  gegenüber  eigennamen  geben  die 
Schwab,  grammatiker  ansführliche  regeln.  Vorauszuschicken 
ist,  dass  sie  die  anwendung  des  artikels  vor  eigennamen  als 
ganz  selbstverständlich  ansehen  (wie  nocli  heute  in  der  schwäb. 
mimdart  der  artikel  nie  felilt).  und  demnacli  bei  ihren  regeln 
stets  untersclieiden  zwisclien  fällen  mit  und  solchen  ohne 
artikel,  oline  indessen  darüber  etwas  vorzuschreiben,  in  wel- 
chen fällen  der  aitikel  zu  setzen  ist  und  in  welchen  nicht;  das 
ist  der  willküi-  überlassen;  demgegenüber  hatten  die  gram- 
matiker des  nordens  den  artikel  bei  allen  deutschen  namen 
verboten  und  bei  fi-emden  namen  nur  gestattet,  wenn  sie  keine 
flexion  annehmen,  also  der  deutlichkeit  halber. 

Fulda,  GK.  79  fasst  seine  regeln  kurz:  'Eigenen  namen 
wird  der  artikel  binden  angefügt.  Die  declination  ist  concret, 
mit  dem  s  im  gen.  Der  ordentliche  gen.  ist  also  -ens:  Wolfens ... 
Nur  die  in  -d,  -er,  und  die  den  accent  nicht  auf  der  lezten 
.<ilbe  haben,  besonders  fVeuide  unteutsche  endungen,  und  die 


*)  pl.  Epigrammen  Br.  4,  40fi  neben  Epigramme  Br.  4,  416;   vgl.  ähn- 
liche pl.-formen:  ap.  Stjnibulen  8.3,10.522.  5',  97;  Symptomen  S.  15',  lOG. 
'')  Jleubles  noch  Br.  4,  405,  Meublen  ap.  S.  4, 213, 27.  Br.  2, 258. 


SPRÄCHE    DES   JUNGETSr    SCHIIJ^ER.  347 

Vornamen,  haben  ein  bloses  -s.    Selbst  die  weiblichen  können 
das  -s  und  ms  nicht  entberen:  . . .  Louisens.' 

Ausführlicher  ist  Xast,  Spr.  1,  82  ff.:  er  weist  seiner  3.  decl. 
(parad.:  Äpfel,  Bruder)  alle  eigennamen  auf  -cl,  -er,  -en  und 
s.  55  dazu  noch  die  auf  -or  zu.  In  praxi  flectiert  er  auch 
Karl  so,  s.  86.  Darnach  sagt  er  s.  85:  mit  artikel  der  Beugel, 
des  Bengels,  dem,  den  Bengel,  ohne  artikel  Bengel,  Bengels, 
Bengeln,  Bengeln. 

Dieser  regel  entspricht  im  allgemeinen  der  gebrauch  bei  Schiller:  gen. 
meines  Karls  2,74,20.  65,19  n.  s.  w.,  des  geopferten  Rollers  2,199,10,  des 
Herrn  Schillers  2,  374, 14,  rZfs  Prof.  Abels  Br.  29,  24,  des  Eobhis  2, 122,25; 
des  Eleven  von  Hovens  Br.  29,  25,  (des  Hannihals  2,  29,  2;  bei  Nast  s.  86  auch 
hieher  gezogen),  des  Herrn  von  Hcdlers  1,  89,  27  etc.  —  dat.  Karin  2,  20,  20. 
66,23.  213,18u.a.,  ronAmorn\,'6b\,^b:  mit  artikel:  seinem  Karl 2,211. 20.  — 
acc.  Karin  1,69,22.  2,20,2  etc.,  Moorn  den  liüuber  1,302,56,  Ajmlln  1,252,56, 
Schweizern  2,318,20,  Kollern  2,236,24;  mit  artikel:  diesen  Karl  2,  21b,  29 
(vgl.  dat.  Xavern  Si.  108,  acc.  Xavcrn  Si.  110,  Luther n  SG.  2, 116:  gen.  eines 
Bürgers  SO.  160  etc.). 

Ferner  sagt  Nast,  Spr.  1.  82,  in  beziehung  auf  die  übrigen 
bestehe  in  Deutschland  Unsicherheit,  da  Xorddeutschland  noch 
viele  namen,  die  in  Süddeutschland  (schwach)  flectiei-t  werden, 
nach  der  ersten  d.  h.  gar  nicht  ausser  im  gen.  sg.  flectiere. 
Er  rügt  darauf  den  gen.  seines  eigenen  namens  in  der  form 
Nasts:  'Das  ist  nach  der  g-ewonheit  meines  landes,  wo  doch 
mein  name  zu  haus  ist,  ein  doppelter  feler.  Dann  mit  dem 
artikel  mus  es  heiffen  des  Kasten,  und  ohne  denselben  Kastens.' 
Er  verlangt  dann  schwache  tlexiun  für  alle  auf  einen  -5 -laut 
oder  auf  -st  ausgehenden  namen,  sowie  für  ursprüngliche 
appellativa  wie  Wolf,  soweit  sie  nicht  auf  er,  et  u.s.w.  endigen; 
paradigma:  mit  artikel  der  Hans,  des  -en,  dem  -en,  den  -en; 
ohne  artikel  Hans,  Hansens,  Hansen,  Hansen  (s.  87). 

Schiller:  meines  Kränzen  2,  321,4  M.  323,9,  {Mitie  des  Amiusts  Br.64,3); 
dat.  in  Kränzen  2,  9,  11,  mit  Goethen  Br.  57,  14  (gehört  nach  Spr.  1,  83,  4  auch 
hieher);  acc.  Fr« »^m  2,  370,  20.  73,8. 

Ferner  Spr.  1,83:  'Die  meiste  eigne  namen  der  Teütschen 
gehen  nach  der  1.  declination.'  Paradigma:  der  Ahraham,  des  -s, 
dem  -  etc.;  ohne  artikel  Abraham,  gen.  -s,  dat.  -en,  acc.  -en. 
'Ebenso  sind  auch  die,  so  auf  ein  kurzes  r/.s-,  es,  is,  os,  us  aus- 
gehen, ...  nur  dal's  sie  im  gen.  kein  s  annemmen.' 

So  hat  Schiller:  eines  Howards  2.19,2,  des  J*luios2,\)0,7,  der  Speer 
Achilles  1, 123,  79,  eines  Schwammerdams  1, 157,  IG,  des  Klutarchs  Br.  22, 


348  PFLEIDERER 

Kinder  Frofnctheus  1,  18(>,  4,  eines  Avrch  1,1-42,25,  3Iathias  Siegeszug 
2,2-18,26,  Ihoneus  Sc/i///"  1, 123, 101,  Licias  Streiter  -[,123,  9b,  Aeolus  Burg 
1,121,23;  dat.  Klopstocken  Hang,  Z.  458,  m  Eh/sen  1,217,40;  acc.  Pom- 
pejen  1,  268, 45  (=  Poiiipeium). 

Von  "weiblichen  eigennamen  kommen  bei  Schiller  nur  solche 
vor,  die  auf  einen  vocal  endigen.  Sie  flectieren  nach  Nast, 
Spr.  1,  88  die  Flora,  der  -  etc.;  Flora,  Floras,  Floren,  Floren. 

Ebenso  bei  Schiller:  ylw/ «Z/ens  2,  284.  20,  -4nar7?/owe«ews  1,341,  8;  dat. 
irt?/mi  1,282,  87;  acc.  yl»m7/('»  2,  221,  5  M,  Laioru  1,  282,  90;  vgl.  T/teresm 
Si.  1,  97.  2, 10. 

Nach  diesen  regeln  sind  also  für  die  anschauung  der  da- 
maligen Schwaben  falsch: 

seines  Franzens  2,50,1.  217,2t  M.  370,18,  seines Frnnzes2,2Vl, 11  k, 
des  Franzens  Er.  35,  6.  Ferner  die  nnflectierten:  zu  Boiler  2,  256,  7,  zu  Franz 
2,  324,  31,  an  Goethe  Er.  55,  27, 15,  nach  Klopstock  Hang,  Z.  459;  acc.  Frans 
und  Amalia  2,  72, 11,  Avialia  2,  352,  7,  von  Amalia  2,  329, 1  M,  den  Schwarz 
2,37,6  etc. 

Tgl.  dazu  Spr.  1,  83:  des  Herrn  Wolfs  ist  ^unschicklich  und 
unerlaubt';  Schw.  m.  1779,607:  'Und  wenn  es  in  noch  so  vil  an- 
dern titteln  oder  Überschriften  der  bücher  heilst:  . . .  von  G.Lüdke 
, . .  statt  Lüdken  etc.,  so  sind  das  eben  sovil  Sprachfehler,  die 
sich  blols  dadurch  entschuldigen  lassen,  weil  diese  leute  fürchten, 
man  möchte  ihren  namen  unrichtig  verstehn.' 

Ueber  das  genus  der  substantiva. 
Nach  Schwab,  gebrauch  finden  sich  masculine  formen 
entgegen  der  nhd.  üblichen: 

im  Chokolade  2, 135, 15.  287, 15;  später  gebraucht  Schiller  das  wort 
als  fem.')  —  Angel  als  ms.  ist  für  den  np.  die  Angel  1,108,57  zu  sub- 
stituieren :  vgl.  Fulda,  (IE.  72 :  der  Angel  —  die  Angel ;  so  auch  der  Angel  SO.  51 
(ebenso  Schiller  S.  5S81,30.  12,185.  10,124,5).  Adelung:  'Bei  den  meisten 
Oberdeutschen  ist  es  männl.  geschlechts. '  Masc.  ist  das  Avort  'noch  meist 
im  18.  jh.'  (Paul,Wb.).  —  liiz  1,  88, 15  das  jetzt  meist  durch  die  fem.  neben- 
form  Eitze  in  der  Schriftsprache  verdrängt  ist.  Es  ist  als  masc.  angeführt 
Fulda,  GR.  65  und  Nast,  Spr.  1, 23.  —  Schlepp  2, 349, 13;  auch  von  Goethe 
verwendet;  nebenform  zu  fem.  Schleppe  S.  3,  36. 

Andere  nicht  mit  dem  gewöhnlichen  nhd.  genus  überein- 
stimmende Wörter  sind: 

Labyrinth  masc.  1,89,23;  so  Spr.  1,  23  und  Fulda,  Ergözlichk.  1774, 
2,80.    In  Sanders  ist  das  masc.  noch  aus  Wieland  belegt.    —    Tribunal 


»)  fem.  Chokolade  S.  3, 12.  44.  272  u.  a. 


SPRACHE   DES  JUNGEN  SCHILLER.  349 

inasc.  2,184,3;  so  SO.  llfi:  ucutr.  (lag-egon  Ergözlichk.  1774.  1,  323  iiud  bei 
Schiller  später;  ebenso  bei  Adehnig-.  Sanders  hat  ansser  der  genannten 
stelle  aus  Schiller  keine  belege  für  masc.  *) 

Beim  Lesung  Klopstocks  1,  58, 16  ist  ein  versehen,  entstanden  durch 
rontamination  von  lehn  Lesen  und  bei  der  Lesimg  (letzteres  ein  im  18.  jh. 
und  bei  Schiller  sehr  beliebtes  subst.;  vgl.  'Wortbildung',  subst.  aiif  -ung. 

Neutra. 

Das  Kurzweil  2,  BBO,  6,   entgegen  dem  nhd.  gebrauch  (Paiil,  "WT).: 

'erscheint  zuweilen  auch  als  neutr.:  Schiller').    Das  DWb.  führt  noch  je  ein 

beispiel  aus  Simplic.  und  Goethe  an  für  das  neutr.  —  Auch  die  bei  Schiller 

vorkommenden  obl.  casusformen  im  Kurzioeil  S.  3,  38,  5,  luirziceils  gewohnt 

S.  14, 358  (Teil)  sind  wol  neutral  zu  fassen  (Sanders  fasst  sie  als  masc).  — 

Moment  =  augenblick  2, 1G1,20  gebraucht  Schiller  noch  lange  als  neutr. 

Sonstige  belege  finde  ich  keine  für  das  neutr.  in  dieser  bedeutung.    Sanders 

kennt  es  so  nur  als  masc.'^)  —  Anker  neutr.  1,275,30,  im  DWb.  nur  als 

masc.  verzeichnet;    Sanders  hat  einige  belege  für  neutralen  gebrauch.   — 

Kloak,  im  nhd.  durch  die  dem  lat.  cloaca  entsprechende  fem.  form  Kloake 

ersetzt,  findet  sich  als  neutr.  (masc.?):   /m  Kloak  2,98,13.    Die  form  ist 

sonst  in  den  Wörterbüchern  nicht  belegt;  bei  Schubart  finde  ich  noch:  zum 

Kloak  SO.  98. 

Feminina. 

Ungevi'öhnlich  ist  die  Eetour  2,  253,  3,  wol  zu  erklären  als  ersetzung 
von  die  liückkehr  durch  das  fremde  wort,  mit  beibehaltung  des  geuus  von 
Hiickkehr. 

Masculina  und  feminina. 

Quell  masc.  1,  225,  39  und  Quelle  fem.  1,  228, 75.  283, 108,  wie  nhd. 
—  der  Waifs  1,42,59  neben  Waise  fem.  2,111,3.  160,12;  das  masc.  ist 
jetzt  in  der  Schriftsprache  weniger  üblich  (wird  aber  z.  b.  von  Grimm  noch 
gebraucht;  vgl.  Bojunga  s.  88);  in  der  scliwäb.  mundart  ist  es  ganz  gewöhn- 
lich; die  grammatiker  verlangen  masc:  GR.  76.  Spr.  1,  277.  60.  Auch  Luther 
und  Geliert  (nach  Heyne),  sowie  Klopstock  (Sanders)  verwenden  das  masc. 
Adelung:  'die  Waise  oder  der  Waise.'  —  Neben  dem  schriftsprachlich  üb- 
lichen fem.  Prise  2,79,11.  257,3  A  steht  das  masc.  um'n  Prise  2,91,5, 
um'n  Prifs  2,  257,  31  M.  Das  masc.  ist  schwäb. ;  Adelung  kennt  nur  das  fem.; 
Sanders  und  das  DWb.  führen  keine  masc.  an,   auch  obige  stellen  nicht. 

Masculina  und  neutra. 
Zum  masc.  Kc  rl  existiert  noch  ein  collect,  neutr.  das  ganze  Kerl  2, 78, 9. 
Neutrales  Kerl  findet  sich  noch  bei  Ayrer  (DWb.  Sanders). 

Zum  masc.  Mensch  bildet  man  fast  in  allen  obd.  dialekten  ein  neutr. 
mit  pejorativem  sinn:   1,349,1    (hier  nicht  gerade  in  verächtlichem  sinn 


*)  Tribunal  neutr.  S.  7,  47,  25.  8,  46,  31. 

*)  neutr.  Moment  =  augenblick  8.  7,  17,  27.  23,  21.  179,  28.  8,  95,  8; 
masc.  zuerst  S.  8,  250,  32  (vom  jähr  1791!),  dann  S.  9,370, 11  u.a.;  vgl.  das 
glossar  in  S.  5. 


350  PFLEIDEREK 

gebraucht,  aber  doch  als  ansdruck  einer  ärgerlichen  Stimmung),     lieber  den 
pl.  Minscher  vgl.  s.  338:  das  Mensch  auch  in  SO.  84.  Si.  2, 10.  37.  105. 

Feminina  und  ueutra. 
Neben' dem  jetzt  allein  noch  üblichen  neutr.  das  Revier  2,  275,  25  A 
(2, 119,  21  in  den  ausgaben  von  1812  an  eingesetzt)  findet  sich  das  fem.  noch 
in  r7/e  i?a'w- 2, 275,  25  M.  119,21.  Letztere  form  ist  die  ältere  und  etymo- 
logisch richtige,  da  das  wort  aus  dem  frz.  mve»-e  stammt;  doch  weist  schon 
das  mhd.  neutralen  gebrauch  auf  (vgl.  Lexer),  während  im  bairischeu  das 
fem.  noch  herscht  (vgl.  Schmeller- Frommann,  Bair.  wb.  2,  191).  Adelung 
gibt  das  neutr.  an,  fügt  aber  hinzu:  'in  einigen,  besonders  obd.  gegenden 
ist  es  weiblichen  geschlechts,  welches  geschlecht  der  abstammung  freilich 
gemäfser  ist.'  Die  Wörterbücher  geben  ausser  der  Schillerschen  stelle  keine 
so  späten  belege  von  fem.  mehr  an. 

Wörter  auf  -niss. 

Die  subst.  auf  -niss  sind  im  verlauf  des  nhd.  meist  neutr. 
gewoi'den.  Bei  einigen,  wo  das  geschlecht  schwankt,  ist  eine 
neigung-  vorhanden,  das  neutr.  für  concreta,  das  fem.  für  ab- 
stracta  zu  verwenden  (vgl.  Wilmanns,  Gr.  §  272,  3.  Bojunga 
s.  163).  In  den  fällen  bei  Schiller  lässt  sich  das  nicht  con- 
statieren: 

ein  unenvarietes  Begegnis  ihrer  Empfindungen  2, 889, 1,  gilt  diese  Be- 
gegnis  deinem  Herrn':'  2,290,13,  Karl  im  grossesten  Bedrängnis  2,357,13, 
3Ioor  in  der  entsetzlichsten  Bedrängnis  2,  308, 15.  Adelung  erklärt  Begegnis 
und  Bedrängnis  für  fem.,  ohne  bemerkung.  In  Übereinstimmung  mit  dem 
moderneu  gebrauch  ist  Verderhnifs  fem.  2, 361, 32  und  Bedürfnifs  neutr. 
2,302,13,  während  Adelung  diese  beide  für  ueutr.  erklärt  mit  dem  be- 
merken, sie  seien  oberdeutsch  'weiblichen  geschlechts,  wieviele  andere  auf 
->»■/*•'.  Bei  Nast,  Spr.  1,77  ist  Bediirfnifs  noch  fem.;  die  übrigen  der  an- 
geführten subst.  nennt  er  nicht.  —  >>ein  ganzes  Kennini fs  1, 152, 27  ist  citat 
aus  Garve.  *) 


1)  Später  noch:  Bedrängnifs  neutr.  S.  4,  326,  23.  8,  36, 1.  64,  25.  317,  35. 
7,23,6.  248,1,  fem.  9,66,23;  —  Verderhnilsnmiv.S,.Q,Ti,A.  9,91,3.  Br.1,125; 
—  Bedürfnis  fem.  Br.  1,  210,  während  in  der  schwäb.  periode  neutr.  (mit 
nhd.  19.  Jh.):  das  Bedürfnis  2,  362, 13;  —  die  Hindernifs  Br.  1, 130, 13  (Schw. 
m.  1776,  172);  —  Bedingnifs  ueutr.  Br.  1,  219.  —  Im  folgenden  gebe  ich  eine 
Sammlung  von  Wörtern,  die  in  Schillers  jngendschriften  das  jetzt  übliche 
genus  aufweisen,  später  aber  teilweise  davon  abweichen:  Geifseliem.  2,  63,2. 
77,14.  4,263,  masc.  3,522,12;  —  Gift  neutr.  2,49.  62,10.  3,34.433  etc., 
vgl.  Gödekes  glossar  S.  5,  masc.  3,520.503.  11,65,24;  so  auch  bei  Haller, 
vgl.  Käslin,  Hallers.  59  und  noch  in  Autespergs  grammatik,  vgl.  Socin  a.a.O. 
8.  433,  während  Fulda  und  Nast  es  als  neutr.  behandeln;  —  Locke  fem.  2, 171, 
317,3.  3,155,7,  neutr.  3,71.  256,5;  —  Nerve  masc.  s.  s.  344,  fem.  3,502, 
ebenso  SG.  149;  -  Scheitel  masc.  2, 119.  4, 215.  229,  fem.  6, 357, 296;  -  Echo 


SPEACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  351 

B.   Zu  den  adjectiven. 
Zur   fiexion    des    adjectivs. 

Die  starke  oder  schwache  behandlungsweise  des  adj.  ist 
zwar  ein  capitel,  das  in  die  syntax  geliört,  allein  da  eben  das 
Schwab,  in  diesem  pnnkte  dem  nlid.  spraclig-ebrauch  entgegen- 
gesetzt verfährt  nnd  ein  befolgen  der  für  das  scliwäb.  giltigen 
regeln  eben  den  Schwaben  kennzeichnet,  so  behandle  ich  diese 
frage  hier  anch. 

Die  alem.  mundarten  kennen  im  nom.  acc,  pl.  eine  schw. 
flexion  des  mit  artikel  (oder  an  dessen  stelle  mit  adj.  pro- 
nomen)  versehenen  adj.  nicht,  sei  es  nun.  dass  dieses  adj. 
vor  einem  subst.  steht  oder  selbst  substantiviert  ist.  Das 
scliwäb.  hat  in  diesen  fällen  die  form  auf  -e,  die  aber  im  m. 
und  f.  nicht  die  fortsetzung  der  mlid.  starken  pl.-endung  ist; 
denn  sämmtliche  ungedeckten  -e  sind  im  schwäb.  ja  gefallen; 
vielmehr  wird  diese  starke  form  erklärt  als  Übertragung  der 
neutralform  mhd.  -in  :  nlid.  -e  auf  sämmtliche  geschlechter;  vgl. 
Kauft'mann  §  107,  anm.  Jellinek  a.  a,  o.  s.  32. 

Zu  Schillers  zeit  waren  aber  die  schw.  formen  der  adj. 
in  der  süddeutschen  literatursiirache  schon  die  vorhersehenden, 
in  folge  der  herschaft  der  md.  Schriftsprache,  und  so  war  der 
kämpf  der  grammatiker,  so  energisch  er  auch  geführt  wurde, 
auch  in  diesem  punkte  erfolglos.  Immerhin  mögen  ihre  aus- 
einandersetzungen  bewirkt  haben,  dass  mancher  zu  jener  zeit 
sich  weniger  davor  hütete,  die  schwäb.  formen  aufs  papier 
zu  bringen. 

Sie  bezeichnen  die  schwachen  formen  als  fehlerhaft:  Fulda, 
GR.  85  ''seine  guten  Freunde  ...  ist  also  feierhaft';  Fulda, 
Ergözlichk.  1774,  2,  80  'seine  liehen  Freunde  zu  schreiben,  wird 
sich  gewissens  halber  kein  Schwab  entschliessen,  der  die  regel, 
das  gesetz  der  teutschen  spräche  kennt.'  Nast,  Spr.  1,94  'im 
nördlichen  Teutschland  henkt  man  dem  nom.  und  acc.  der  mer- 
heit  ein  n  an,  wovon  der  gebrauch  im  südlichen  l'eütschland 
nichts  weist.' 

Auf  grund  dieses  schwäb.  gebrauchs,  den  *die  Schwaben 

neutr.  2,54.  111.  3,414,  fem.  (3,303,3.  —  Ich  weise  ausserdem  darauf  hiu, 
dass  Fracht  stets  fem.  ist  (1,  28,  37.  287.  2,  33,  3),  währeud  es  im  Spr.  1,  Gö 
noch  masc.  ist  uud  ebenso  bei  Schubart  ST.  111  (uebeu  fem.  ST.  125). 


352  PFLEIDERER 

mit  dem  altertum  behaupten'  GR.  83,  stellt  nun  Nast  ein  de- 
clinationssj^stem  auf,  einmal  für  die  adj.  'mit  dem  vortretten- 
den  artikel'  8pr.  1,93,  das  im  sg-.  sich  nicht  von  dem  nhd. 
üblichen  unterscheidet,  im  pl.  aber  als  'schwäb.  form'  den  n. 
acc.  voc.  lue  gute  — ,  der  'sächsischen  form'  als  gleichberech- 
tigt gegenüberstellt.  Nur  den  substantivierten  adj.  lässt  er 
Spr.  l,G2"die  'sächsische'  form  die  Teilt  sehen  neben  unsere 
Teütsche.  Diese  Scheidung  wird  aber  in  praxi  nicht  durch- 
geführt. 

So  bat  Scliiller:  die  goldne  Majcnjuhre  2,129,5,  diese  unmoralische 
Karaktere  2, 10,  26,  deine  hochfliegende  Plane  2,  202,  7,  die  Beleidigte  2, 17, 5; 
np.  diejenige  1, 145, 10  (vgl.  Nast,  Spr.  1,  9G:  '■derselbe, . . .  derjenige,  verstehen 
sich  von  selbst:  dann  sie  haben  ja  den  artikel  ansdrücklich  vor  sich').') 

Es  ist  vielleicht  nicht  zufall,  dass  nach  alle  stets  die 
starke  form  des  adj.  (wie  im  mhd.)  steht,  falls  ich  richtig 
beobachtet  habe: 

alle  schwäbische  Scenen  Br.  60,  31,9,  alle  andere  mannigfaltige  sinnliche 
und  geistige  Vorstellungen  1,  86,  29,  alle  rothe  Farben  1,  88, 16,  alle  erwiesene 
Wohlthaten  Br.  1,  alle  Gefangene  2,  187,  14,  vor  alle  lebend/ige  Geschöpfe 
1,  32,  27,  alle  kleine  Dienste  1,  33,  22. 

Sonst  aber  überwiegen  trotz  allem  die  schwachen  formen: 

In  Brief  no.  2—23  sind  19  -en  gegen  4  -e.  Die  reden  von  der  Karls- 
schule —  falls  die  abschriften  die  ursprünglichen  wortforraeu  widergeben 
—  zeigen  auffallend  viele  schwäb.  formen:  S.  1,31 — 36  (ßede  über  freund- 
schaft)  hat  1  -en  gegen  6  -e;  S.  1,  61 — 69  (Rede  über  gute  und  tagend)  3  -en 
gegen  2  -e;  ähnlich  die  abhandlung  über  Philos.  der  physiol.  S.  1,  71 — 93 
7  -en  gegen  8  -e.  Auch  sonst  ist  der  procentsatz  der  st.  formen  kein  kleiner: 
die  Dissertation  S.  1, 139—177  hat  25  -en  gegen  8  -e,  also  24  proc.  st.  formen. 
Die  Räuber  1782,  S.  2, 207  ff.  haben  im  Schwanschen  druck  (A):  adj.  vor 
subst.  18  -en  :  14  -e,  substantivierte  adj.:  10  -en  :  5  -e,  beide  zusammen- 
genommen 28  -en  gegen  19  -e,  d.h.  40'/2  proc.  st.  formen;  anders  bei  M: 
adj.  vor  subst.:  26  -en  :  4  -e,  substantivierte  adj.:  12  -en  :  2  -e,  zusammen- 
genommen 38  -en  :  6  -e,  d.  h.  nur  13,6  proc.  st.  formen. 

Die  Räuber  1781  zeigen  S.  2,4 — 108:  adj.  vor  subst.:  18  -en  :  11  -e, 
substantivierte  adj.:  B  -en  :  '6  -e;  S.  2,  109 — 204  (dritter  bis  fünfter  act): 
adj.  vor  subst.:  19  -en  :  10 -e,  substantivierte  adj.:  12  -en  :  2  -e,  alles  zu- 
sammen also  52  -en  :  26  -e,  d.  h.  33  proc.  st.  formen. 

Anm.  Auch  diese  zahlen  legen  vielleicht  wider  zeugnis  ab 
von  dem  freien  verhalten  der  drucker  und  setzer  gegenüber  ihrem 
original:   nimmt  man  an,  dass  M  geschrieben  hat,   was  ihm  dictiert 


*)  Auffällige  schw.  formen:    Gelehrten  zankten  sich  1,  263,  2,    blonde 
Schönen  1, 186, 8,  (Jür  Koketten  2, 18, 19);  vgl.  fremde  Gesandten  S.  7, 83, 2. 


SPEACHE   DES   JUNGEN    SCHILLER.  353 

wurde,  so  stehen  —  abg-eselien  von  den  reden  der  Karlsschnle  — 
13,6  proc.  von  M  und  17.  4  proc.  in  den  Briefen  auf  der  einen  seite, 
dagegen  24  proc.  der  Dissertation,  40\  2  pi'oc.  der  Räuber  A,  33  proc. 
der  Räuber  1781  auf  der  andern  seite. 

Die  übrigen  casus  der  adj.  mit  dem  artikel  bieten  nichts 
auffallendes ; 

denn  folgende  formen  sind  wol  für  druck-  bez.  Schreibfehler  anzusehen : 
an  deinem  tvoUiistheifscm  Munde  1,  24,  11,  an  einem  voUlcommenerem  Ge- 
nüsse Br.  58, 11,  dieser  bohrender  Spitze  2,  820, 11  M. 

Nasts  2.  declination  'mit  dem  naclitrettenden  artikel', 
Spr.  1,97,  hat  zum  paradigma  süser  Wein,  süses  Weins, 
süsem  Wein,  süsen  Wein;  der  pl.  wie  im  nhd.  Im  folgenden 
abschnitt  bespricht  er  die  form  des  gen.  sg.  noch  besonders, 
aber  ohne  zu  entscheiden,  ob  die  st.  oder  schw.  form  vorzu- 
ziehen ist.  Der  moderne  Sprachgebrauch  bedient  sich  der 
schw.  formen,  während  Goethe  z.  b.  noch  oft  bei  masc.  und 
neutr.  die  starken  anwendet. 

Schiller  sagt:  mich  einitjes  Verdiensts  rühmen  1,116,27,  thrünenden 
Äucjs  2,  352,  24;  beide  formen  nebeneinander:  böses  Herzens  xmd  kleinen 
Herzens  Br.  7, 17,  (jeradenicegs  2, 126,  7.  256,25  M.  243, 17  A.  281,16,  geraden 
Wegs  2,  243, 17  M,  —  gerades  Wegs  2,  85,  5.  91, 1,  gradesweg  2,  256,  25  M, 
einestheils  1, 165,  30,  allenfalls  Br.  60,  2.  S.  2,  289, 16,  einerseits  —  andernseits 
Br.  49,  23,  stets  mehrenteils  (wie  die  comparative  in  der  alten  spräche  nur 
schwach  flectiert  werden)  1,  1G5,  31.  164,  25.  2, 140,  7.  Hang,  Z.  465  (SO.  97. 
81.  6.  9.  13  etc.). ') 

Für  den  gen.  pl.  verlangt  Nast,  Spr.  1,99  gtiter  süser  Weine. 

So  auch  Schiller:  anderer  stockfinsterer  Hcydcn  2,  17,  18,  voll  herz- 
licher süsser  Empfndungen  2,  382, 12. 

dat.:  Nast,  Spr.  1,99  (jutem  süsem  Wein. 

Schiller:  unter  hohem  bestirntem  Himmel  1,  62,  12,  mit  süssem  köst- 
lichem Wein  2,  49,  16  A,  mit  mildem  freundlichem  Blicke  1,  216,  41,  auf 
Telhis  ganzem  grofsem  Bund  1,322,  2Gß;  daneben  kommt  aber  beim  zweiten 
adj.  auch  die  schw.  form  vor:  in  bangem  süfsen  Krais  i,2{)4:,'Sl,  mit  süssem 
köstlichot  Wein  2,49, 16  M,  was  beachtenswert  ist,  da  dies  auch  später  noch 
vorkommt:  mit  scliurfem  prüfenden  Blick  S.  7,  343,  5,  mit  stillem  bebenden 
Ton  S.  3,  411, 17,  atif  gleichem  guten  Fufs  Br.  2,  35,  mit  reinem  offnen  Herzen 
S.  5',  195,  4077  neben  in  süfsem  friedlichem  Schlummer  S.  3,  319,  3  u.  a.  — 
Druckfehler  werden  sein :  Keine  Spur  von  . . .  korrosinischen  Gift  2, 59,  20. 
mit  der  Gröse  kindischkleinen  Stolz  Arch.  f.  lit.-gesch.  10,  396. 

^)  Später  starker  gen.  noch  in  gutes  Muts  Br.  6,  210,  untadeliches  Rufs 
S.  15*,  448,  reines  Herzens  S.  5',  14,  214,  volles  Herzens  S.  12, 103,  solches 
Preises  ivert  S.  13, 266,  trotz  alles  Geschwätzes  Br.  5, 112,  geradesicegs  S.  4.  83, 
gerades  Wegs  S.  13, 135  {geradenwegs  S.  5',  9.  15',  226.  7,230,2). 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXVlll.  23 


354  PFLEIDEHER 

Uebereinstimmend  mit  dem  nlid.'"  verlangt  Nast  dann  Spr. 
1, 99,  §  44  nach  den  pron.  dem.,  manche);  aller  u.a.  die  nach  dem 
artikel  übliche  flexion,  'weil  jene  adj.  ...  die  stelle  des  artikels 
vertretten,  der  nicht  zweimal  plaz  hat,  wie  es  doch  sein  würde, 
wenn  man  sagen  wollte:  diser  groser  Held. 

Ebenso  Schiller:  manchem  lästigen  Kostgänger  2,  42,  17,  manchem 
breiten  Bengel  1,  3ö2,  43,  aller  denkenden  Naturen  1,  97,  32,  aller  moralischen 
Ilandhingen  1,  96, 15,  einiger  rauMlingcnden  Apostrophen  Haiig,  Z.  460,  von 
sämmtlicher  Herzoglich  TT  irtemhergischen  Generalität  Arch.  f.  lit.-gesch.  10, 394 ; 
—  daneben  freilich  mancher  mifskan)iter  That  1,  66, 18,  aller  besserwissen- 
wollender  Schreiber  Br.  44,  28. ') 

Ein  besonderer  fall  ist  wol  aller  andrer  Br.  13, 17.  S.  1,103,30,  da  ander, 
auch  in  Verbindung  mit  dem  artikel,  ursprünglich  nur  in  st.  form  gebraucht 
wird,  und  so  noch  bis  ins  18.  jh.  (Heyne,  Wb.);  vgl.  alle  andere  1,  55, 16,  die 
andere  1,  88, 17,  keine  andere  1,  88,  33. 

Betreffs  des  nentr.  sg.  nom.  und  acc.  gestattet  Nast,  Spr. 
1,  99  das  unflectierte  attributive  adj.  ein  schön  Kind,  das  den 
alemannischen  mundarten  unbekannt  ist  (vgl.  Käslin,  Haller 
s.  37).  Für  Schiller  ist  das  unflectierte  neutr.  ein  stilistisches 
mittel,  wie  folgende  zahlen  zeigen: 

neutr. 
Gedichte:  Leichenfant, 
S.  1,  106-108 
Eroberer  S.  1,  40—44 
Sturm  auf  d.  Tyrrh.  nieer 
S.  1,  120-125 
Räuberlieder  S.  1,127-132 
Melauchol.S.  1,295 -298 
Anthologie  S.  1,  206-233    8      5 
Semele  S.  1, 313—340         4      8 

*)  Nach  vieler  etc.  (gp.)  steht  auch  später  meist  das  schw.  adj.:  so 
vieler  königlichen  Ahnen  S.  5\  44,  943,  mehrerer  europäischen  Nationen  8. 
4,  95,  26,  einiger  auswärtigen  berühmten  Schriftsteller  S.  3,  592,  15,  vieler 
mühevollen  Jahre  S.  7,  60, 10,  vieler  folgenden  Scenen  Br.  1, 346,  6,  mehrerer 
kleinen  iSationen  S.  6,  87,  2,  mehrerer  einzelnen  Handlungen  S.  6,  81,  25, 
einiger  loenigen  Bürger  S.  7;  246, 16,  so  vieler  wichtigen  Menschen  S.  7,  279, 18, 
so  vieler  deutschen  Fürsten  S.  8, 155,21,  einiger  ausivärligen  Prinzen  S.  8,51, 15, 
mehrerer  X)rotestantischen  3Iitglteder  S.  8,  45, 16,  so  vieler  vorlreflichen  .  .  . 
Männer  S.  9,  79,  9,  einiger  geschickten  Bechtsgelehrten  S.  9, 19,  27 ;  —  daneben 
mehrerer  europäischer  Höfe  S.  8,  52, 1. 


auf 

ohne 

neutr. 

-es 

-es 

Prosa:  Briefe 2— 33 

21 

0 

Dissertation 

13 

1 

Räuber  1781 

S.  2,  4-108 

20 

1 

S.  2,  128-204 

26 

4 

S.  1,  74-93 

6 

1 

Räuber  1782 

A 

22 

7 

M 

22 

8 

auf 

ohne 

-es 

-es 

1 

2 

1 

1 

1 

2 

5 

2 

3 

2 

SPRACHE    DES   JUNGEN   SCHILLER.  355 

Die  unflectierten  neutr.  sind  also  in  den  gedickten  weit 
häufiger  als  in  prosa;  dass  daran  die  versnot  auch  oft  schuld 
war,  ist  ausser  allem  zweifei. 

Ueber  die  unflectierten  formen  von  all  und  manch  s.  s.  311. 

Steigei'ung. 
Ueber  die  Steigerung  der  adj.  ist  wenig  zu  sagen.  Im 
ersten  brief  (Br.  1,  zeile  3  und  13)  findet  sich  noch  eine  form 
auf  -ist:  thcurist,  die  ganz  zu  dem  altertümlichen  Charakter 
des  briefes  mit  seinen  vielen  anlehnungen  an  biblische  aus- 
drücke und  seinen  formen  auf  -o  stimmt. 

In  Sachen  des  umlauts  sind  nur  zwei  formen  erwähnenswert: 

grosser  2, 384,  G ;  Bellermaun  iu  seiner  Schillerausgabe  hat  wol  recht, 
wenn  er  das  für  einen  druckfehler  erklärt;  der  comiJ.  von  grofs  hat  seit 
dem  mhd.  stets  den  uinlaut;  Sanders  weiss  nur  ein  beispiel  ohne  umlaut; 
Fulda,  GR.  84  verlaugt  den  umlaut,  ebenso  bei  gesund  :  gesioider  Br.  32, 13,  5. 
Die  mundart  setzt  in  diesen  beiden  fallen  umlaut,  während  in  der  Schrift- 
sprache bei  letzterem  der  gebrauch  schwankt  (vgl.  Wilmanns  §  331, 2). 
Ebenso  gesünder  Si.  129  und  später  bei  Schiller  (neben  gesunder).  V 

Zu  gern  werden  im  nhd.  in  gewählter  spräche  die  Steige- 
rungsformen nicht  mehr  zugelassen;  schon  im  früheren  nhd. 
sind  sie  wenig  gebraucht,  dagegen  existieren  sie  alid.  und  mhd. 
Die  Schwab,  mundart  weiss  von  der  ersetzung  der  betreffenden 
formen  durch  die  von  lieh  nichts. 

"  Ebenso  Schiller:  gerner  1,  244, 19.  116, 11.  153, 14,  am  gernsten  2, 144,  2. 
Später  ist  mir  nur  noch  nngerner  S.  3,  590,9  aufgefallen:  auch  Gödeke  im 
glossar  S.  5  führt  keine  anderen  stellen  mehr  an.  —  Uebrigens  haben  auch  die 
Schwab,  grammatiker  ein  gefühl  davon,  dass  die  Steigerung  hier  ungewöhn- 
lich ist;  vgl.  Fulda,  GR.  87 :  'gern,  provinzial  gerner,  am  gernsten'. 

Auch  die  Steigerungsformen  von  bald  werden  jetzt  ver- 
mieden. 

Nicht  SO  bei  Schiller:  bälder  2,355,30.  2U5,  3.  344,3.  Der  Superlativ 
büldist  aus  späterer  zeit  {büldest  S.  3, 178)  ist  schon  erwähnt ;  vgl.  dazu 
Schmid,  Schwab.  Wörterbuch:  ^ bälder:  es  ist  kein  grund  vorhanden,  diesen 
richtig  gebildeten  comp,  aufzugeben  und  veralten  zu  lassen.' 

1)  gesünder  Br.  2,  250.  325.  3, 150,  gesunder  S.  7, 152.  32.  Br.  3,  415  in 
einem  nicht  handschriftlich  vorliegenden  brief.  —  Als  Superlativ  auf  -ist 
ist  später  sehr  üblich:  mit  dem  bäldisten  Br.  1,  88,  1.  102.  117.  347  u.a.  — 
Spätere  Superlative  mit  auffallendem  umlaut  sind:  Müreste  S.  12, 184,  zarteste 
S.  9, 129, 15.  158, 18.  Br.  2,  329,  dazu  die  comparative  schmäler  S.  9, 192, 19, 
klarer  Br.  3, 102.  5, 121.  189. 

23* 


356  PFLEIDERER 

Auch  der  comp.  (j]cicher  2,371,24:  (ebenso  Br.  3, 194.  4,307)  ist  er- 
wähneuswert. 

Zum  alid.  nicro  wurde  schon  alid.  eine  nebenform  meriro, 
meröro  geschaffen,  nihd.  merer,  die  noch  im  älteren  nhd.  adjee- 
tivisch  gebraucht  wird,  jetzt  aber  veraltet  ist. 

Schiller  bedient  sich  dieser  form  noch  sehr  oft:  mehreres  Licht  wcrffen 
m(fBr.  54,  24,  die  mehrere  oder  mindere  Spannung  1,  86,  22,  in  der  mehreren 
oder  minderen  Blosstelhing  1,81,6,^)  viele  ...  und  noch  mehrere  =  noch 
mehr  2,  224, 15  anm.,  Begierde  nach  mehrerem  =  nach  noch  mehr  1,  65, 19; 
zufällig  sind  aus  der  jugendperiode  Schillers  nur  diese  paar  stellen  zu  be- 
legen; aus  spätem  perioden  lassen  sich  viele  beispiele  finden,  so  noch  zu 
))U'hrerer  Sicherheit  S.  9,  241,  5,  der  mehrere  Umgang  Br.  6,  12.  "Vgl.  der 
mehrere  Teil  Schw.  m.  1775,  551;  mit  mehrerer  oder  minderer  'Eröffnung  ebda. 
445  etc.  Ebenso  verwendet  er  die  zu  mer  neugebildete,  schon  mhd.  ver- 
einzelt als  merst  auftretende  superl.-form  mehrst,  mehrest,  die  die  jetzige 
Schriftsprache  wider  fallen  gelassen  hat:  die  mehresten  2,377,28.  347,13, 
am  mehrsten  1,  142,  21  neben  meiste  2,  385,  17.  42,  4.  140,  6.  ^)  —  Ueber  die 
auswerfung  des  einen  e  beim  superl.  (steileste  etc.)  s.  s.  312. 

C.   Zu  den  Zahlwörtern. 

Die  Scheidung-  der  geschlechter  der  cardinalzahl  zwei  weicht 
in  der  Schriftsprache  des  18.  jh.'s  der  Übertragung  der  neutralen 
formen  auf  alle  geschlechter.  Während  Gottsched  noch  die 
drei  geschlechter  scheidet  (allerdings  schon  mit  dem  bemerken, 
ztveen,  zwo,  zwnj  könne  vielleicht  manchem  fremd  vorkommen, 
aber  man  solle  bedenken,  *dass  unsere  alten,  und  selbst  die 
deutsche  Bibel  dies  genau  beobachtet  haben ',^)  erklärt  sie  Ade- 
lung für  verwerflich.  Anders  die  Schwaben.  In  der  schwäb. 
mundart  ist  die  Scheidung  der  geschlechter  bis  heute  noch  im 
ganzen  schwäb.  gebiet  in  der  hauptsache  gewahrt  (näheres  bei 
Fischer,  Geogr.  §  67).  Daher  verlangen  auch  die  schwäb.  gram- 
matiker  sie  für  die  Schriftsprache.  Fulda,  GR.  86:  'den  ge- 
geschlechtsunterschied  der  zalen  .ziven,  sivo,  zwei  wissen  schwä- 

')  Die  beispiele  zeigen  auch  noch  den  jetzt  veralteten  attributiven  und 
adject.  gebrauch  von  minder. 

'^)  zu  mehrerer  Sicherheit  S.  7,240.  9,241,5,  ein  mehreres  Br.  4,279, 
5,  82.  144,  der  mehrere  Umgang  Br.  6, 12  etc.;  —  die  mehresten  Skribenten  S. 
7,  4,  5,  die  mehresten  Nationen  S.  7, 26, 16,  die  mehresten  Glieder  S.  8,  57, 
die  mehresten  Menschen  S.  8,  311,  33,  die  m.  Schriften  S.  9,  401, 13,  in  den 
m.  Fällen  S.  10,  22d,  5.  243,23.  246,10.  507,9,  die  m.  BeisendenS.  10,2G2,25, 
die  m.  Stimmen  S.  14,412  u.s.  w. 

3)  Gottsched,  Deutsche  sprachk.'-  (1762)  s.  269. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHTI.LER.  357 

bische  baiiren  besser  als  alle  gelehrten.'  Fulda,  Ergözlichk. 
1774,2,80:  'Sachsen  dürfte  sich  nicht  schämen:  mvecfi,  ztvo, 
sivei  ...  durchaus  von  den  Schwaben  anzunemmen.'') 

Schiller  beobachtet  in  seiner  jugeudperiode  meist  den  geschlechts- 
imterschied.  Es  kommen  fälle  von  Übertragung-  der  neutr.  form  auf  die 
andern  geschlechter  vor:  zwei  Steigungen  1,  61, 19,  zwei  Standpunkte  1,  97, 19, 
2icey  Männer  1, 100,  6,  zwei  Hauptklassen  1, 145, 10,  zwey  Gottheiten  2, 14:9, 13, 
zxi-ey  Knechte  2,87,7,  zwey  Sackuhren  2,94:,  2\;  die  überwiegende  melirzahl 
der  fälle  unterscheidet  aber.  Nie  dagegen  wird  die  masc.  form  auf  ein  fem. 
oder  neutr.,  oder  die  fem.  form  auf  ein  masc.  oder  neutr.  übertragen;  das 
kommt  erst  in  nachschwäb.  zeit  vor. 

masc.  zween:  icir  zween  1,200,14,  von  zween  Söhnen  2,354,14,  von 
zween  Teutschen  2,  388, 14,  ihrer  zween  2,  49,  20,  zween  Letise  1,  289,  99,  von 
zween  Patrioten  1,202,17.  —  fem.  zioo:  zioo  Stunden  1,349,2,  von  zwo 
Scenen  1,  313,  2,  auf  zwo  Seiten  2,  387,  7,  ztvo  Sünden  2, 186,  8,  zwo  Flammen 
1,129,36.  —  neutr.  zioei:  zwei  Systeme  1,145,2,  zwei  Enden  2,  S8S,  12  etc. 

Die  declination  des  Zahlworts  in  den  obl.  casus  unterbleibt 
meist;  vgl.  Fulda,  GR.  86:  ']\ran  decliniere  sie  aber  nicht:  zwen 
Herren  dienen  ...,  oder  wo  es  sein  mus,  nur:  siveier,  siveien 
durch  alle  geschlechter:  aus  siveier  Zeugen,  zweier  Frauen  Mund.' 

Beim  masc.  und  fem.  decliniert  Schiller  nicht,  vgl.  die  obigen  beispiele; 
beim  neutr.  selten:  zweien  Saiteninstrumenten  1, 165, 10,  zweyen  Schauspielen 
Br.  58,  27. 

In  der  Zusammensetzung  mit  -fach  kommt  neben  dem 
jüngeren  ziveifach  1, 147,  27  auch  das  ältere  ziviefach  2,  298, 18. 
222, 17  (ebenso  noch  S.  4, 68, 10)  vor. 

Das  bis  ins  15.  jh.  als  Ordinalzahl  zu  zivei  allein  übliche 
ander  findet  sich  nur  in  ein  andrer  Orpheus  2,  44,  10.  Im  16., 
hauptsächlich  aber  im  17.  jh.  tritt  an  seine  stelle,  analog  den 
übrigen  Ordinalzahlen  auf  -te  (superl.-bildungen),  ziveite,  dem 
man  im  18.  jh.  verschiedene  formen  für  die  geschlechter  gab, 
nach  dem  Vorbild  von  zivei;  P\ilda,  GK.  86  tadelt  dies:  'zivete, 
zivote  . . .  haben  keinen  grund  und  wollen  erst  werden.' 

Schiller  benutzt  nur  die  neue  fem. -form:  die  zwote  Veränderung  Br. 
49, 17,  zur  z waten  Auflage  2,205, 1,  bis  zur  zwoten  Überschwemmung  1,323,298, 
eine  zwote  2,  205,  4,  in  der  zwoten  1,  79,  24,  die  zwote  Klafse  1,  79,  28.  145,  25; 
—  zweite  wird  nie  beim  fem.  verwendet,  wol  aber  beim  masc. :  zweyten  Sohn 
Br.  17, 13,  zweyten  Gebrauch  2, 106, 17.'') 

')  Jlei'kwürdigerweise  spricht  Nast,  der  doch  sonst  noch  mehr  verhängt 
als  Fulda,  Spr.  1,  100 f.  nur  von  der  form  zwei:  zn-ci  luichse  etc. 

*)  Falsche  anwendung  des  genus  kommt  schon  sehr  bald  vor:  zwo 


358  PFLEIDERER 

Die  form  heede  kommt  hauptsäclilicli  in  den  frühesten 
denkmälern  von  Schiller  vor: 

dieser  beeilen  S.  1, 17,  9,  Beedes  1,  69,  21,  uns  beeden  Br.  11,  6,  von  beden 
St.-aiizeiger.l898,  s.  226,  beede  1,  77,  21  (von  1779),  später  nur  noch  beede 
2,  330,  18  A,  AväLrend  M  beijde  schreibt.  Sonst  heisst  es  stets  beide.  Fulda, 
GE.  86  tadelt  bcdc  und  hode  als  'keinen  grund'  habend. 

Bezüglich  der  zahlen  von  2—20  verlangt  Nast,  Spr.  1, 100 
declination  auch  der  obl.  casus:  dreien  Häusern. 

Schiller:  dreyen  ...  Sehicesiern  1, 105, 1,  ebenso  zu  dreysigen  2,  93, 10, 
zu  dreifsigen  2,  258,  28,  auf  vieren  1, 188,  71,  mit  allen  Vieren  2,  7,  5,  dagegen 
im  Kreis  seiner  eilfe  2, 75, 16,  entgegen  den  Nastschen  regeln.  Ebenso  binnen 
drei  Stunden  2, 8, 8.  •) 

Formen  einzelner  zahlen. 

/m«/ 2,86,25,  fünfzig  2,98,1,  daneben  fünfzig  2,94,20;  die  unilaut- 
lose  form  ist  Schiller  später  sehr  geläufig  bei  fünfzig  und  fünfzehn.'^) 

sieben:  siebende  2,  320, 18  M,  siebenzig  2,102,21.  265,25,  siebenzehn- 
h lindert  2, 103, 1  neben  siebzehn  2,  32, 11.  Adelung  sagt:  'die  heutigen  Ober- 
deutschen sprechen  noch  siebenzig  und  schreiben  daher  auch  so.'  Schwäbisch 
ist  sieben  auch  in  seinen  Zusammensetzungen  stets  zweisilbig.  Zu  siebende 
ist  zu  bemerken,  dass  die  gekürzte  form  siebte  in  der  literatur  erst  im  19. jh. 
nachzuweisen  ist  (DWb.). 

zehn  2,89,20.  255, 19  M,  sonst  überwiegend  zehen  1,171,32.  159,32. 
2,  98,  4.  85, 17.  216,  5.  355,  36.  307, 16  etc.,  zehenmal  1,  56, 15.  2,  361,  31 
(zehnmal 2,bi,d),  zehente2,8ä,  Jahrzehend 2,S7S,1S.  340,10,  zehnte  1, 222, bb. 
Das  wort  wird  auch  sonst  im  18.  jh.  oft  noch  zwei-  (bez.  drei-)  silbig  ge- 
schrieben (vgl.  Heyne,  Wl).);  doch  hat  z.  b.  Gottsched  nur  ^e/m,  und  Herder 
'häufiger'  zeh)t  (vgl.  Längin,  Herder  s.  57).  Schillers  zweisilbige  Schreibung 
hat  ihren  grund  darin,  dass  im  schwäb.  das  wort  stets  zweisilbig  ist.  Auch 
Schmid,  Schwäb.  wb.  gibt  zehen  an  und  nicht  zehn. 


bei  einem  masc.  S.  3, 289,  sogar  die  gen.-form  fälschlicherweise  bei  einem 
neutr. :  zicoer  Herzen  S.  3,  371, 15 ;  sonst  zico  beim  neutr.  S.  3,  549,  32.  553,27. 
552,20;  ziveen  beim  fem.:  zween  Stunden  S.  13,  68;  dat.  zicoen  beim  masc: 
zwoen  Knechten  im  Gang  zum  eisenhammer.  —  Im  übrigen  werden  die 
formen  noch  lange  beibehalten:  zween  beim  masc.  S.  3,  49.  116.  114.  216.  291. 
461.  4, 112.  5',  23.  30.  63.  5-,  153;  zwo  beim  fem.  S.  3, 125.  413.  4'24.  521.  545. 
4,  49.  78.  80.  206.  5',  17.  28.  5^,  80,  25.  82, 16.  332.  334.  337.  388,  zwoer  Na- 
tionen S.  7,  45,  5,  zivo  Hände  noch  vereinzelt  S.  9,300,8,  zwo  Nächte  S.  13, 130; 
—  zwote  beim  fem. :  S.  3,  243.  535.  4,  53.  77.  82.  216.  218.  229.  230.  5',  32.  46. 
50.  8, 149,  31. 

')  Später  unter  sechsen  Br.  1,  339.  193,  3,  unter  dreien  S.  5S  70, 13,  unser 
Neune  S.  4, 211, 15. 

2)  fünfzig  S.  3,  383.  4,  309  und  oft;  dann  aber  auch  fünfzehnter  S.  3,  70, 4, 
fünfzehn  S.  3, 144, 20,  fmifzig  S.  3, 25.  Br.  1, 163.  S.  4, 122, 12.  200.  211.  231. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  359 

eilf  ist  die  ausschliesslicbe  form  bei  Schiller:  f///' 2,  62, 12.  242,23. 
204,  2.  335, 15,  eilfe  2,  75, 16.  Die  form  ist  die  gewölmliche  in  der  gleich- 
zeitigen Schwab,  literatur;  in  der  deutschen  Schriftsprache  ist  sie,  die  eigent- 
lich hochdeutsche  form,  erst  am  ende  des  18.  jh.'s  durch  die  ud.  c//' verdrängt 
worden  (Weigaud,  Wb.).  Adelung  sagt,  im  gemeinen  leben  werde  von  den 
hochdeutschen  elf  gesprochen,  aber  man  schreibe  eilf.  —  Schiller  bedient 
sich  der  form  eilf  noch  lange.  ^) 

D.   Zum  pronomen.2) 

P  r  0  n  0  m  e  n  personale. 
Im  gen.  sg.  sind  in  früher  zeit  schon  durch  association  an 
syntaktisch  damit  verbundene  Wörter  neben  der  alten  form 
neue  formen  entstanden.  So  bei  Otfrid  mlnes  selbes.  Neben 
diesem  erscheint  niiner  selbes,  vermutlich  zuerst  bei  fem.  ent- 
standen, gestützt  durch  die  daneben  stehenden  unser,  iuwer. 
In  der  modernen  spräche  ist  die  verlängerte  form  der  sg.  die 
üblichere,  die  kürzere,  mein  etc.  'kommt  nur  noch  bei  dichtem 
und  in  einzelnen  herk()mmlich  gebliebenen  ausdrücken  vor'. 
Aber  noch  Grimm  sagt  Gr.  1,705:  'neben  mein  u.s.w.,  jedoch 
unedler,  meiner'. 

Schiller  hat  beide  formen  nebeneinander:  schone  mein  2,248,6  M.  68,17, 
mein  vergessen  1,  227,  34,  —  bedarf  meiner  2,  331,  7,  (jedachte  meiner  2,  71, 11, 
250,15,  erbarme  sich  meiner  1,331,26.  2,315,21,  bedarf  meiner  2,331,7,  in 
Ansehung  meiner  Br.  47,  8;  —  bin  ich  dein  wert  2,56,7,  denh  ich  deiner 
2,  390,  26,  dein  ists  zu  ersinnen  1, 122,  51 ;  —  tco  icir  sein  bedürfen  1, 172, 26, 
als.  er  sein  harrte  2,  75, 15,  tun  sein  selbst  loillen  1,  34,  4,  mich  jammerte  sein 
2, 165, 17;  —  der  seiner  icürdig  ist  2, 13, 1. 

Im  pl.  gilt  noch  jetzt  die  alte  form  als  die  correcte;  vgl. 
Heyse-Lyon  s.  231:  'Man  verwechsle  nicht  die  gen.  unser,  euer 
der  pers.  fürwörter  tcir,  ihr  mit  den  gen.  unsrer,  eurer  von  den 
zueignenden  fürwörtern  ttnser,  euer.  Man  sage  also  nicht:  er 
spottet  unsrer.' 

Die  längere  form  kommt  bei  Schiller  verhältnismässig  schon  sehr  häufig 
vor:  unser  sind  achtzig  2,97,  unser  aller  Freundin  1,69,10,  unser  fünfzig 
2,94,20,  unsereins  2,372,  erbarme  sich  unser  2,1'6,\2;  —  unserer  acht  und 
siebenzig  2,  78, 12,  tcie  viel  sind  unserer  2,  86,  22,  unserer  viele  2,  224, 15  anm., 
—  ich  schone  eurer  2,  17,4.  211,5;  —  das  euer  icar  2,201,10.") 


0  eilf  S.  3,122,  U.  4,200,4.  6,291,27.  7,28,5.  90,18;  eilf  ist  die  all- 
einige form  des  worts  in  S.  12  und  Br.  6;  —  eilfte  S.  4,  251.  5S  130.  Br.  3, 116. 
4,  341.  406.        —        2)  Vgl.  Grundr.  1, 775  ff.  Heyse-Lyon  1,230  ff. 

")  Später  nur  noch  unser  und  eMC?-:  schämte  sich  unser  S.i,27i,  unser 


360  PFLEIDERER 

Der  alte  gen.  sg.  des  neutr.  des  geschlechtigen  pron.,  mlid. 
es,  findet  sich  erhalten  in  seid  ihr's  zufrieden  2,  48, 25.  237,  25. 
Für  den  dat.  sg.  des  pron.  refl.  der  3.  person  hat  das  schwäb. 
noch  die  mlid.  regelmässige  form  des  pron.  pers.  der  3.  person. 
Bei  Schiller  finde  ich  eine  stelle  mit  diesem  pron.:  über  ihm 
=  über  sich  2,  298, 14. 

Pronomen  demonstrativum. 
Im  nlid.  sind  die  mhd.  formen  des  gen.  sg.  des  m.  n,,  der 
fem.,  und  gen.  pl.  der,  dat.  pl.  den  bei  siibst.  Verwendung  in 
anlehnung  an  die  nominale  flexion  zu  dessen,  deren  gelängt 
Avorden.  Daneben  haben  Avir  die  kürzeren  älteren  formen  nur 
noch  in  dichterischer  spräche  oder  in  sprichAvörtern,  ausserdem 
in  Verbindung  mit  präpositionen  {mdefs  neben  indessen).  — 
Luther  hat  stets  noch  die  form  des;  \g\.  DWb.  Adelung  gibt 
dessen  als  die  regelmässige  form  an  und  fügt  des  nur  in 
klammern  bei. 

Schiller:  in  Gegenwart  dcfs,  der  (im  vers)  1.330,500,  auch  tvürd  er 
defs  nicht  toeiser  (vers)  1,256,180;  ferner  als  rel.  verwendet:  ein  Jüngling, 
defs  Herz  (prosa)  1, 103, 17,  deß  Lied  (vers)  1,  28,  48,  Styx,  defs  . . .  Macht 
(vers)  1,  338,  7-tl;  daneben  defscn  Seelenleiden  Br.  13,  25,  dessen  Geistes  Kraft 
Br.  13,1.1) 

In  composition:  indessen  2,  392,  8,  indefs  1,  36, 14.  2,385,25,  unterdessen 
2,  300, 14  M.  394,  8.  355,  24,  unterdefs  2,  354, 18.  356,  26. 

Für  das  adjectivische  pronomen  demonstrativum 
verAvendet  das  nhd.  die  verlängerten  formen  nicht,  da  es  dafür 
andere  pron.  besitzt  {dieser,  jener).  Die  mundart  kennt  die 
letztern  nicht  und  bedient  sich  daher  des  einfachen  dem.  pron. 
(vgl.DWb.  unter  fZ/e6er).  Die  eigentlich  demonstrativen  Charakter 
habenden  vollen  formen  Averden  dann  in  der  mundart  auch 
oft  verAvendet  in  einer  Stellung,  avo  sie  fast  nur  den  wert  eines 
betonten  artikels  haben.  Zu  erwähnen  ist  noch,  dass  auch  für 
den  dat.  sg.  fem.  eine  volle  form  deren  gebildet  wird.  —  In 
der  schwäb.  literatur  jener  zeit  ist  die  adj.  Verwendung  der 
gelängten  form  nichts  ungewöhnliches. 

Beispiele:  denen  dahineinschlagenden  Wissenschaften  Si.  281,  von  denen 

einer  S.  3, 170,  er  ist  unser  S.  3,  205,  27,  ich  hin  euer  S.  3,  213,  21,  euer  aller 
Rollen  S.  3, 122, 1,  tvartet  euer  S.  12, 132. 

')  Ebenso  defs  Zeuge  ist  S.  5^  17, 15;  älinlich  S.  7, 185,12.  11,251;  pron. 
rel.  defs  S.  12, 276.  13,  72. 


SPRACHE    DES   JUNGEN   SCHILLER.  361 

dahin  gehör/gen  Verhis  Schw.  m.  1776,  708  u.  s.  w.  Fulda  mag-  diesen  gebrauch 
nicht  leiden;  GE.  8G  erklärt  er  diese  'Vermischung  des  fürworts  mit  dem 
artikel'  für  unerträglich. 

Schiller:  denen  drei  Letztern  1, 17,  2-t,  denen  3Ieinigen  Br.  1,  vor  denen 
Augen  1,  59, 17,  denenselhen  1, 115,  22.  116, 1-t,  Hochdenenselben  Br.  66,  Si,  4, 
Höchstdeneiiselhen  Br.  67, 16,  denen  ä  la  mode  Kopien  von  Weisse  2,  7, 17, 
zu  edlen  denen  abscJieidicJien  Grundsätzen  2,  362,  12;  als  rel.:  an  deren  1, 15,16. 
Auch  später  finden  sich  diese  schwäb.  formen  noch  dann  und  wann.*) 

Beim  dem.  dieser  ist  besonders  auffallend  der  subst.  ge- 
brauch des  gen.;  im  nhd. '''  ist  dieser  im  gen.  nur  in  attributiver 
Stellung  vor  einem  subst.,  niclit  in  isolierter  Stellung  üblich. 

Schiller:  mit  dieses  Gesinnungen  1,66,6,  sich  dieses  erkühnen  1,1^,\2^ 
der  Materie,  dieser  nemlich,  deren  1,  77,  27. 

Ebenso  bei  jener,  einer,  keiner: 

in  die  Arme  jenes  Br.  50, 20,  zum  Vortheil  jenes  2,  345, 16,  Hauptabsicht, 
jenes  ist  die  Bildhauerei,  dieses  die  Malerei  1, 15,  7,  icenn  man  eines  Freund 
ist  1,57,7,  keines  Aug  1,30,93;  auch  .später  finden  sich  vereinzelt  noch 
belege  für  diesen  gebrauch.  2) 

Als  subst.  dem.  benützt  Schiller  noch  sehr  oft  solch  ohne 
artikel,  das  seiner  natur  nach  (ahd.  soUh  =  'so  beschaffen')  adj. 
ist.  Der  subst.  gebrauch  des  sg.  stammt  aus  der  kanzlei- 
sprache;  Adelung  verweist  ihn:  'ein  fehler  des  gemeinen  lebens 
ist  es,  dieses  fürwort  statt  des  persönlichen  er,  sie,  es  zu  setzen.' 

Schiller :  Amalia,  loie  solche  gespielt  ivird  Br.  52,  i,  u-irft  solchen  2, 291, 1, 
wenn  ich  solche  . . .  ansehen  könnte  Br.  37,  2;  ähnlich  S.  1, 16,  5.  17,  33.  18, 2. 
4.  12.  20, 26.  57, 14.  142, 10.  Hang,  Z.  455. 

Aus  der  süddeutschen  kanzleisprache  stammen  auch  die 
altertümlichen  formen  dero  und  ihro,  zurückgehend  auf  ahd. 
dero  und  iro: 

Dero  unterthäniger  Diener  1, 118, 34,  Dero  gehorsamster  Sohn  1,105,34, 
Dero  Gewogenheit  Br.  1, 14,  Ihro  Gnaden  2,29,33;  vgl.  Spr.  1, 189:  'Dero, 
Ihro  ist  fusküsserei.' 3) 

Pronomen  interrogativum. 
Die  ältere  kürzere  form  ives  findet  sich  in 


')  in  denenVersammlungen  S. 3, 593, 30,  denen  besten  SchriftenS.S,b93,S2, 
auf  denen  Bühnen  S.  3,  594,  33,  denen  zwei  Mit  Arbeitern  Br.  3,  442  im  con- 
tract  mit  Cotta,  an  denen  Orten,  ^oo  S.  7,  263,  1 7 ;  die  späteste  stelle  ist : 
denen  in  Frankreich  zurückgebliebenen  S.  9,  381,19. 

^)  jenes  Trübsinn  S.  6,  283,  23,  jenes  Karakter  S.  6,  39, 1,  jedes  Sklave 
S.  7,  256,  4. 

')  Uiro  Majestät  noch  in  S.  12,  514. 


362  PFLEIDERER 

wefs  i$t  r7r(s  iVW  2, 131,  26,  irefs  ist  das  Getöfse  2,  322,2i\  adjectivisch 
verwendet  in  Wcfs  Handiverks?  2,  208,  54,  direct  neben  jcelchcs  Lands? 
2,  208,  54. ') 

Pronomen  relativum. 
Bei  der  sich  so  selir  an  das  volkstümliche  haltenden 
Schreibart  Schillers  ist  es  kein  Avunder,  dass  zur  bildung  des 
rel.  das  ursprüngliche  dem.  der  etc.  viel  häufiger  gebraucht 
mrd  als  tv  eich  er.  Dagegen  wird  welches  entgegen  dem 
jetzigen  gebrauch  stets  verwendet  als  rel.  bezügl.  auf  einen 
ganzen  satz,  wofür  wir  jetzt  tvas  setzen. 

So  in  ich  sah  ihn  ...  klemmen,  welches  er  nur  thiit,  wenn  2,86,24; 
ähnlich  1, 113, 33.  Br.  57, 20.  37, 13.  S.  1, 169, 17  u.  a.  —  Im  Brief  no.  10  ist 
(las  rel.  7  mal  der,  4  mal  icelcher,  und  von  diesen  4  beziehen  sich  2  ivelcher 
auf  einen  ganzen  satz:  Brief  no.  22  hat  9  der  nnd  1  welcher;  die  Diss.  S. 
1, 139—177  hat  96  der,  10  tcelcher,  nnd  von  diesen  3  bez.  auf  einen  ganzen 
satz:  die  Eäuber  1781  vorreden:  27  der,  1  welcher;  in  einem  teil  der  Räuber 
1781,  den  ich  durchgesehen  habe,  finde  ich  61  der  gegen  0  ivelcher,  dabei 
fälle  wie  den,  der  2,  51,  22,  der,  den  2,  26,  9.  —  Ueber  Schillers  späteres 
verhalten  zu  diesen  wörtchen,  sowie  über  das  verhalten  anderer  schriftsteiler 
zu  denselben  vgl.  Minor,  Der  gebrauch  von  der  und  ivelcher  in  relativsätzen, 
Beitr.  16,  477  ff. 

Altertümlich  ist  die  Verwendung  von  60  als  rel.,  das,  im 
mild,  erst  in  den  anfangen,  im  altern  nhd.  sich  sehr  ausgebreitet 
hat,  aber  in  der  neueren  spräche  dann  wider  seltener  wurde. 
Schiller  hat  es  wol  aus  der  bibelsprache.  Adelimg  verteidigt 
es:  'Dieses  relativum  so  hat  in  der  neueren  zeit  viele  sehr 
harte  feinde  bekommen,  welche  es  schlechterdings  aus  der 
deutschen  spräche  verbannt  wissen  wollen.  Ich  sehe  indessen 
keinen  grund  dazu,  indem  es  von  allen,  auch  den  besten 
Schriftstellern,  unzählige  male  gebraucht  wird.' 

Beispiele:  die,  so  1,88,32,  das  Netz,  so  1,53,9;  ähnlich  1,76,15. 
69,  20  u.  a.  •'') 

Von  der  modernen  grammatik  verpönt,  aber  volkstümlich 
ist  der  rel.  gebrauch  der  Verbindungen  von  wo,  da  mit  prä- 
positionalen  adver bien  zum  ersatz  eines  pronominalcasus. 
Schiller  und  seinen  landsleuten  ist  das  sehr  geläufig. 


')  Dazu:  Wefs  Tochter  S.  6,  213;  adj.  vgl.  wessen  Stands  er  sein  mag 
S.  4, 129. 

2)  So  noch  Allianzen,  so  S.  3,  290, 26,  das  Gröste,  so  S.  3, 166, 106,  das- 
jenige Postament,  so  S.  3,  533,  32,  Geschenk,  so  S.  3,  561,  22,  der  Tag,  so 
S.  5',  17, 307.    Spätere  beispiele  sind  mir  nicht  aufgefallen. 


SPRACHE   DES  JUNGEN   SCHILLER.  363 

worinn  =  iu  dem  2,  356, 32.  365, 11.  366, 13.  380, 19.  1,  324,330,  ivovor 
=  vor  der  1,  234, 6,  tcoraus  =  ans  dem  1,  297,  87.  267,  7.  150, 6,  davon  = 
von  der  2,304,22.  164,19.  27,9,  u-oran  =  an  der  1,155,21.  2,347,13.  Er. 
57,6,  worinn  =  in  der  1,  32G,  377.  21,6.  155,31,  f?öu-/(7er  1, 114,  7,  dadurch 
2,27,9,  (/;•«»  =  an  dem  2,  94,  23,  irow/f  Br.  56,  28, 1,  uonmc/i  1,  327,26, 
u-o  hinein  2,  356, 1,  ivorauf  1, 112,  22. 

Bei  Zeitbestimmungen  wird  die  relative  beziehung  in  briefen  auch  au.s- 
gedrückt  durch  als:  in  dem  Aiujenhliek,  als  ...  gefallen  ist  Br.  44,  2;  loo: 
Jahre,  wo  Br.  12,  8;   woin:  auf  diejenige  Zeit,  icenn  Br.  57, 19. 

Ungeschickte  ausdrücke,  teilweise  aus  der  spräche  des  täglichen  lebens 
hervorgeholt,  sind :  dadurch,  icenn  man  1, 118,  20,  derjenige,  wann  er  1, 13, 20, 
mein  Selbst,  das  erst  dadurch  entstehen  sollte,  davon  es  Voraussetzung  ist 
S.  2,  27,  9. 

Zum  artikel. 
Zusammeiizieliung  des  bestimmten  artikels  mit  präpos.  ist 
sehr  häufig.  Diese  aphäresis  ist  mundartlich  sehr  g-ewöhnlich 
und  üblicli;  in  der  Schriftsprache  wird  sie  jetzt  als  schlecht 
angesehen  in  fällen,  die  gar  zu  gewühnlich  sind  oder  wegen 
der  dadurch  entstehenden  cousonantenhäufung  übel  klingen. 
Adelung  gestattet  ins  und  im,  nicht  aber  in  Streit  ziehen, 
ebenso  übers  und  übern,  aber  'überm  beleidigt  das  ohr  zu  sehr, 
als  dals  es  sich  entschuldigen  Heise.' 

Von  fällen  wie  zum,  im,  beim,  aufs  (aufs  äusserste  2,  34,  23)  kann  ich 
füglich  absehen. 

Volkstümlich  sind  znsammenziehungen  Avie  vorm  Sturme  1,  178,  4, 
unterm  Boden  2,62,1,  unterm  Monde  1,188,61,  vorm  Thor  2,  80,  2,  in  Händen 
haben  2,  62,  25.  243, 1,  bis  in  Tod  2,  251,  7  A  (M  in  den),  bis  in  Himmel 
1,  58,29,  in  Fachen  fliegen  1,201,23;  so  oft  bei  den  Schwaben:  in  Spiegel 
SO.  60,  in  Tag  hinein  SO.  44,  in  Sack  schieben  SO.  12,  in  Ocean  ST.  19, 1, 
in  Himmel  Si.  104. 

In  Schwaben  nicht  volkstümlicli  und  in  der  Schriftsprache  längst  ver- 
altet (vgl.  Heyne,  Wb.  bei  zu:  'zun  früher  und  noch  bei  Schiller'):  bis  zun 
Füssen  2,  78,  21.  2.53, 12,  übern  Acheron  2,  44,  5,  übern  Haufen  Br.  42,  30, 
übern  Nacken  2,  143,  7,  über'n  Haufen  2,  64, 1,  untern  Füssen  1,  239,  80, 
sich  vor'n  Kopf  sclüagend  2,  ^,22;  so  auch  Schubart:  übern  Kopf  SO.  iö.^) 
Zu  zun  vgl.  das  glossar  in  S.  5. 

n  ist  volkstümliche  aphärese  des  unbestimmten  artikels:  'n  Augenblick 

1,  255, 143,  um  'n  Prise  2,  91,  5,  um  'n  Pri/'s  2,  257,  3  M;  fürn  Narren  halten 

2,  181,  17. 

cin'm  1,262,11  ist  Avidergabe  der  schwäb.  halbmundartlichen  dat.-form 
(lern  (dialektisch  'öem,  vgl.  Kauffmanu  §  92, 2),  wie  ein  die  acc.-form  reprä- 


')  in  Garten  Br.  5,  405,   in  Grund  gebohrt  S.  8, 130, 18,  übern  Haufen 
S.  3, 15,  9,  über'n  Kelch  S.  12, 166,  zun  Waffen  greift  S.  15-,  489. 


364  PFLEIDERER 

sentiert  in  l-ciii  Fiißhre/t  riichcfirfs  zog  er  sich  1,  345,  l-l  (vielleicht  sind 
so  auch  zu  erklären  viein  Lebens-Tag  2, 143,  9,  mein  Lebtag  2,  382,  6,  wobei 
Tag  collectiv  zu  fassen  wäre).  Vgl.  kein  warmen  Brief  Br.  1, 148;  mit  eisern 
Fäusten  Sa:".  34,  9,  mit  eisern  Lippen  ST.  109,3.  i) 

Ueber  die  sclnväb.  yerweiidimg  des  artikels  voreigen- 
namen  s.  s.  346;  beispiele  dafür  s.  347. 

Dazu  noch:  die  Amalia  Br.  45, 19,  an  den  Plutarch  2,  357, 22,  den  Jakob 
Boiisseau  %  383,  22,  vom  Barbarossa  2, 130, 16,  im  Klopstock  lesen  2,  371, 30 
{beim  Halhr  Schw.  m.  1780,  655). 2) 

A  u  m.  Syntaktisch  merkwürdig  sind  eine  anzahl  von  fällen  von 
weglassung  und  Setzung  des  artikels. 

1)  Weglassung  des  artikels  bei  vergleichungen  mit 
wie  (die  fälle  kommen  nur  im  vers  vor):  wie  üeieor  1,  40,  26,  stark 
tvie  Eiche  1,  297,  75,  ivie  Heerschaar  1, 122,  58,  wie  Sonnenblick  1, 47, 25, 
icie  Göttin  witer  Blenschen  1,  47,  30,  frisch  wie  Bofs  1, 179,  28,  wie 
Lebens  Konterfei!  1,179,27,  wie  Fri'ihlingstug  l^iOT,  48;  beim  verb. 
s\ibst.:  meine  Glückseligkeit  istTraum  1,77,7,  dasWinseln  ist  Sehmaus 
(vers,  1,130,71,  die  Erde  ist  Grabeshügel  1,215,37,  Schrecken  zittern- 
der Welt  zu  sein  1,  41,  40  (vers),  er  war  Kleinod  des  Himmels  2,  72, 23, 
es  ist  Kreis  der  Wirkung  da  1, 150,  29,  ist  Grundgesez  der  Seele  1, 152,  7, 
hier  war  Fülle  . . .  vorhanden  2,  8, 13,  tvird  ihm  Jubellied,  Stimme  des 
Vaters  sein  1, 101,  24  f.;  nach  präpositionen:  zu  Nachtzeit  1,244,12, 
ZK  Hohne  1,  335,  658,  zu  Legitimation  Br.  46,  4,  zu  Grabe  gehen  2, 19,8, 
zu  Verfeinerung  unsrer  Empfindungen  1, 139,  8,  in  Mitte  einer  Jugend 
1,95,25,  in  sterblich  Getcand  1,316,72  (=  in  ein?),  gegen  Riesen 
Boufseau  1,  221, 17,  gegen  Waisenthrüne  1,  222,  70,  für  Franzosen- 
hirn 1,  221,  27  (letztere  4  fälle  im  vers),  das  deinem  Vater  zu  Grabe 
hallt  2,  110, 11,  zertritt  ihn  mit  Füfsen  2,  216,  22  A,  in  Hoffnung  einer 
Gelegenheil  Br.  52,  21;  fälle  von  einer  art  personification  des  be- 
treffenden subst. :  WeUenbrand  wird  Hochzeitfakel  iverden,  ivenn  mit 
Ewigkeit  die  Zeit  sich  traut  1,  211,  64,  Sonne  scheint  lächelnd  nieder 
1,124,128,  Liquisitin  1,193,197;  apposition  ohne  artikel :  ^m  f?emew 
Brüdern  Engeln  1,  223,  83,  das  Wesentliche  der  Freundschaft,  volles 
Herz  1, 58, 14;  andere  fälle:  vw  heif'ser  Ruhmsucht  furchtbare  Schranke 
steigt  1,  301,  21,  Körper  will  in  Körper  überstürzen  1,  210,  31,  Ge- 
schichtevoriger Zeiten  1,  69, 1,  tiefere  Wurzel  haben  1, 110, 17,  Himmel 
donnert  tind  Himmel  flammt  1, 122,  67,  Geisterreich  und  Körperwelt- 


*)  Vielleicht  ist  auch  der  acc.  sein  Botenlohn  S.  4,  294  so  als  masc.  zu 
erklären  (Gödeke  im  glossar  S.  5  nimmt  es  als  neutr.). 

2)  Spätere  Verwendung  des  artikels  bei  eigennamen:  die  Millerin  S. 
3,  467, 15,  der  Julia  3,  197,  11,  zum  Gianettino  3,  282,  4,  ztim  Verrina  3,290,6, 
vom  Katiliua  3, 1, 11,  der  Bertha  3,  39,  22,  zum  Kalkagno  3, 117, 16.  294,  25. 
—  (seit  dem  Januar  3,  414, 10),  von  der  Ang.  Kaufmann  6,  80, 5,  vor  dem 
Achilles  6, 235, 22. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  365 

geicühle  1,285,4,  so  Icann  Wonne  dct  Freundes  jmichzen  1,9^,19,  bei 
Vaterlandes  Namen  1,260,50,  Lipiien  schveirjen  und  das  Äuge  1, 108,69, 
um  Erdballs  Schätze  1,  108,  79,  Menschen  Göttern  gleich  1,  236,  2, 
stimmen  Dichter  ein  (=  alle  dichter)  1,  23G,  8,    Schöner  Preifs  . . .! 

2,  29,  6,  Kostbarer  Ersatz  ...!  2,  29,  8. 

Weniger  auffällig  ist  die  auslassung  des  deui.-pron.,  dasein 
vorangegangenes  subst.  wider  aufzunehmen  hätte:  die  Klage .  ..  als 
aller  andrer  1, 103,  30,  Wollust  war  tcie  der  Unsterblichen  2,  298,  7,  ein 
Encachen  wie  des  lebendig  Begrabenen  2, 18-4,  5,  jeder  andere  als  der 
es  versteht  2,  379,  9. 

2)  Der  bestimmteartikel  steht  entgegen  dem  heutigen  ge- 
brauchin: zum  Grttnde  legen,  liegen  1,  IG,  7.  87,7.  169,30.  St.-anzeiger 
1898,228,3  (zu  Grunde  liegen  Br.  67,  7).  So  noch  in:  zum  Grunde 
liegen  8.  6,  64,  6.  7,  73,  23.  Br.  1,  300.  5, 13.  S.  10, 189.  190  u.a.  -  Ztim 
Kreuze  kriechen  2,  265, 12.  102,  5,  bleich  wie  die  Leiche  2,  38,  4,  möge 
das  treffen  tcie  der  Donnerschlag  1,  57,  9.  Der  'demonstrative'  ge- 
brauch von  ein  findet  sich  in:  und  das  sprach  er  mit  einer  Stimme! 
S.  2, 148, 15. 

In  der  erste  beste  und  derartigen  fügungen  fehlt  modern  der 
artikel  vor  dem  zweiten  superl.;  im  18.  jh.  hatte  er  noch  lange  statt; 
Lessing  setzt  ihn  stets;  "Wicland  bietet  beispiele  mit  und  ohne  artikel; 
Goethe  nur  solche  ohne  artikel  (DWb.).  Beim  jungen  Schiller  steht 
er  noch:  dem  nächsten  dem  besten  2,  347,  4,  dem  ersten  dem  besten 
Bettler  2,  17,15    (ebenso  noch:    dem  Ersten  dem  Besten  S.  3,  157,9. 

3,  341,  20). 

Pronomen  indefinitum. 
An  stelle  des  scliriftsprachliclien  etwas  verwendet  Schiller 
öfters   das  mundartliche   tvas   und   zwar   bezeichnenderweise 
hauptsächlich  in  den  Räubern,   wo  volkstümliche  ausdrucks- 
weise am  platze  war: 

so  ?r«s  2,  41,  6.   223,  8  M.    107,14.    1,58,4,    was  Gutes  2,  S2,  \9,   was 
Magnetisches  2,  81, 16. 

Niemand  ist  meist  unflectiert; 

nur  dat.  niemanden  Br.  29,  31  (neben  dat.  niemand  Br.  28, 17). 

Anm.  Der  pl.  von  jeder,  der  sich  eigentlich  nicht  mit  dem 
sinn  des  worts  verträgt,  und  auch  gegen  den  sprachgel)rauch  ist, 
tritt  in  der  literatursprache  in  folge  der  berührung  mit  all  öfters 
auf;  so  bei  Schiller:  dat.pl.  auf  jeden  Atomen  2,353,30;  ebenso  bei 
Schubart:  jerZe  Schritte  SG.  243  (und  Schiller  später:  jet/e  Träume  S. 
3, 166,  82,  jede  Stralen  Br.  1,  88).  Aehnlich  findet  sich  ein  pl.  von  ein 
in  der  Verbindung  ein  und  derselbe,  wobei  die  beiden  glieder  zu- 
zammen  einen  begriff  ausmachen,  der  einen  pl.  zulässt:  eine  und  die- 
selbe Ideen  Hang,  Z.  467. 


366  PFLEIDERER 

E.   Zur  flexion  des  verbums. ') 

Auf  dem  gebiet  der  verbalüexion  weiclit  die  spräche  des 
jungen  iSl'liiller  in  manchen  punkten  von  dem  modernen  ge- 
brauch ab.  Auch  hier  lässt  sich  viel  aus  eigentümlichkeiten 
seines  heimatlichen  dialekts  erklären.  —  Lieber  apokope  und 
Synkope  von  -e  bez.  -e-  vgl.  s.  312  ff. 

I.    Vocalveränderungen  innerhalb  der  starken  flexion. 

1)  Die  vocale  der  präteritalformen. 

Das  oberdeutsche  (und  das  rheinfränk.)  hat  im  verlauf 
der  nhd.  periode  die  form  des  ind.  praet.  eingebüsst.  Weinhold, 
Alem.  gr.  §  330,  anm.  setzt  diesen  verlust  in  den  alem.  mund- 
arten  vom  17.  jh.  an;  die  erscheinung  geht  aber  bis  ins  15.  jh. 
zurück  (vgl.  Grundr.  1,  733).  Jedenfalls  aber  kann  man  diesen 
Verlust  an  formen  mit  dem  aufhören  des  schwäb.  dialekts  als 
literatursprache  in  Zusammenhang  bringen  (vgl.  Socin,  Schrift- 
sprache und  dialekte  im  deutschen,  1888,  s.  321). 

Die  folge  dieser  erscheinung  für  einen  Schwaben  des 
18.  jh.'s  ist  naturgemäss,  dass  er  die  indicativformen  des  praet. 
nur  aus  der  literatursprache  kennt.  Da  nun  das  ältere  nhd. 
eben  die  zeit  ist,  in  welcher  auf  dem  gebiet  der  präterital- 
formen eine  grosse  Wandlung  vor  sich  geht,  indem  die  spräche 
darauf  ausgeht,  zu  vereinfachen  und  den  mhd.  unterschied 
zwischen  dem  zweiten  und  dritten  vocal  auszugleichen,  was 
nicht  ohne  starke  Schwankungen  geschehen  konnte,  so  musste 
es  für  einen  Schwaben  besonders  schwierig  sein,  immer  die 
richtige  form  zu  treffen:  in  der  Schriftsprache  fand  er,  auch 
noch  in  der  zweiten  hälfte  des  18.  jh.'s,  verschiedene  formen 
vor,  und  an  seiner  mundart  hatte  er  keinen  anhält.  So  er- 
klären sich  denn  auch  die  vielen,  nach  dem  Standpunkt  der 
modernen  spräche  unriclitigen  präteritalformen  bei  Schiller  im 
grund  eben  daraus,  dass  er  ein  Schwabe  war. 

A.    Uebertritt  des  singularvocals  in  den  plural. 

Es  kommen  hier  nur  die  verba  der  3.  ablautsreihe  in  be- 
ti-acht.    Die  der  4.  und  5.  reihe,  die  im  mhd.  nur  in  der  quan- 


1)  Vgl.  Grundr.  1, 733  ff. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  367 

tität  Verschiedenheit  der  vocale  aufweisen,  sind  s.  306  schon 
besprochen  worden,  soweit  das  nötig  war. 

In  der  3.  ablantsreihe  hat  in  den  meisten  fällen  der  vocal 
des  sg.  praet.  im  nhd.  den  sieg  davongetragen  über  den  des 
pl.;  im  15. — 17.  jh.  kommen  aber  die  alten  vocale  immer  noch 
vor,  wie  andrerseits  der  vocal  des  pl.  sich  oft  in  die  sg.-formen 
eingang  verschafft  hat. ')  Die  obd.  grammatiker  des  18.  jh.'s 
sind  noch  sehr  unentschieden:  Antesperg^)  (vgl.  Socin  a.a.O. 
S.434)  gibt  nebeneinander  an  Idang — klung,  scJnvang — schivung, 
sprang  —  sprung,  starb  —  sturh  u.  s.  w.  Etwas  bestimmter  sind 
die  Schwaben  der  zeit  Schillers.  Scliw.  m.  1775, 214  wird  sank 
etc.  verlangt;  'doch  findet  man  auch  bei  guten  Schriftstellern 
sprunk,  scläimg,  schivund  etc.';  daneben  gibt  aber  derselbe  Ver- 
fasser s,  210  als  einziges  imperf.  zu  schicingen:  schivung  an,  und 
Schw\  m.  1777,  172  wird  als  gleichberechtigt  neben  drang  das 
praet.  schivung  gestellt,  das  durch  seine  länge  vom  subst.  Schivung 
genügend  unterschieden  sei  ('da  es  eine  generalregel  giebt, 
dafs  alle  imperf.  der  2.  konjugation  [d.  h.  der  starken  verba] 
gedent  sind').  Fulda,  GR.  102  sagt,  diese  verba  haben  sich  alle 
'zum  a  gestimmt',  ausser  schund,  hunk,  bedung,  während  Ade- 
lung nui*  schund  ausnimmt  und  die  übrigen  alle  bildet  wie  der 
moderne  gebrauch.  Nast  verlangt  Spr.  1, 126  klang  etc.,  aber 
Spr.  1, 129  schwang  und  sclavung. 

Schiller  hat  im  allgemeinen  die  modernen  formen ;  daneben  finden  sich 
alte  »-formen  im  pl. :  Idnngen  1,62,22  H  (abschrift  einer  handschrift,  die 
Schiller  seinem  niitschüler  Boigeol  geschenkt  haben  sollte,  vgl.  S.  1,70), 
dazu  der  sg.  khnuj  1, 190,  IIG,^)  stürben  2,171,8  (starben  erst  in  den  aus- 
gaben von  1800  an).  2,  311,24  M;  sonst  starben  1,221,  :iS.  22(5,15,  starb 
Br.  13,  31. 

Die  M- formen  im  sg.,  die  sprachgeschichtlich  betrachtet  nicht  mehr 
'falsch'  sind,  als  die  nhd.  üblichen  a-formen  des  pl.,  finden  sich  im  reim: 
s^)n<«^  1, 179,  31  neben  sprang  1,229,98.  236,9  u.a.;  aixsserhalb  des  reims: 
sunk  1,  346,  -47  {sank  1,  237,  27),  schivung  1, 346,  42,  ebenso  schivung  SG.  2,305, 
Schwüngen  SG:.  2,  02;  schwutaj  wird  auch  von  Haller  verwendet,  vgl.  Käslin 
s.  33;  KJopstock  (Längin,  Herder  s.58)  gebraucht  schu-ung,  sung,  sunk,  sprung. 
—  Neben  begann  1, 120,  4.  2Ü6, 12  steht  begann  2, 178, 15.  179,  20  {o  der 
md.  Vertreter  des  alten  u).    —    Bei  Miller  finde  ich  noch:   sie  trunken  Si. 

1)  Vgl.  die  belege  bei  Kehi-ein,  15.— 17.jh.  1,227—236. 
^)  Seine  grammatik  erschien  1747. 

^)  Später  nur  klangen  S.  3, 142, 1,  aber  noch  fortklung  S.  14,  70  (Braut 
V.  Mess.). 


368  PFLEIDERER 

2,  201.  —  Tu  (Ion  conj.  formen  des  praet.  hat  sicli  im  nlul.  der  alte  vocal  des 
pl.  im  Umlaut  erhalten.  Bei  Schiller  ist  auffallend  nur  gewönne  2,  43, 18 
neben  getniniien  2,  373, 20. 

Das  praet.  A^on  iv erden  hat  im  nlid.  den  vocal  des  \)\. 
auf  den  sg\  übertrag-en  und  in  verkennung-  des  auslautenden 
stamniliaften  dentallauts  die  endung-  der  scliw.  verba  -e  an- 
gefügt. Fulda  sucht  tvard  und  wurde  so  zu  unterscheiden, 
dass  irurde  die  form  des  hilfszeitworts  ist;  'wenn  es  kein  hilfs- 
zeitwort  ist,  sondern  /io  heilst:  so  ist  sein  imperfect  ich  tvard' 
SE.93:  eine  regel,  die  nicht  von  praktischem  belang  ist. 

^i•ar(l  mifyclJian  2,  308,  29,  ward  gestofsen  2,  309,  8  A,  wurd  er  gestofscn 
2,  309,  8  M.  Schiller  verwendet  ward  sehr  oft,  hauptsächlich  im  gehobenen 
Stil.  In  seinen  briefen  begegnet  kein  ward;  in  der  Diss.  steht  1  loard 
(1,144,31)  2  wurde  (1,157,35.  166,26)  gegenüber;  die  Räuber  1782  zeigen 
folgendes  Verhältnis :  ward  :  wurde  =  7:1  (bei  Miller  habe  ich  in  Si.  2,  1 — 
200  ward  69  und  umrde  9  mal  gezählt). 

B.   Der  vocal  des  part.  praet. 

Dieser  ist  im  nhd.  in  das  praet.  gedrungen  in  schivören, 
mild,  swuor  —  gesivarn  und  gesivorn.  Adelung  entscheidet  schon 
für  schwor;  schwur  'im  gemeinen  leben'.  Die  schwäb.  gram- 
matiker  differieren  in  ihren  angaben:  Schw.  m.  1775,216  gibt 
nur  schwöre  —  schivur  an;  Fulda,  (tR.  101  dagegen  schwören 
—  schwor,  und  dazu  GR.  102:  ^schwor,  alt  schwur'' \  Spr.  1,  126 
nur  schicur. 

Der  junge  Schiller  hat  nur  «-formen:  schwurest  2,199,6,  schwurst 
2,  330,  23.  312, 13.  172,  6,  schtvuhren  Br.  4, 15,  schwuren  S.  1,  56,  36,  schwur 
1, 179,  37,  heschumr  2,  55,  7.  221, 12.  Auch  bei  Miller  und  Schubart  habe 
ich  nur  «-formen  finden  können;  z.  b.  schunir  8(1.2,385.  Si.  179,  schwurst 
SG.  2,  46  u.a.  —  Dazu  der  conj.  schivüren  2,  224Manm. ') 

Für  die  formen  von  pflegen  bieten  sich  keine  belege. 
Fulda,  GR.  101  verlangt  praet.  pjlag. 

C.    Beeinflussung  durch  verba  anderer  reihen. 
heben  bildet  mhd.  huop  —  gehaben.    Letztere   form,   die 
im  18.  jh.  noch   bei  Wieland  vorkommt  und   noch  im  adj.  er- 


^)  schwur  überwiegt  bei  Schiller  zeitlebens:  schwur  S.  3,  414, 18.  330,23. 
Br.  1,397.  S.  12,  419.  420.  13,121.37.  14,417.  15',  24.  15'^  461,  sc/jwtre«  S. 
13,314.  14,319.387.408,  abschwur  l,m,2i,  beschivur  9,5ii,'62.  12,285;  conj. 
schwüren  7,204,26;  —  dagegen  schwor  S.  6, 139  (die  erste  stelle  mit  o), 
beschwor  6, 141.  12, 15,  schworen  8,  243, 15.  —  Ich  habe  dieses  wort  beson- 
ders beobachtet  und  glaube  richtig  constatiert  zu  haben. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  369 

haben  erhalten  ist,  wurde  aus  der  Schriftsprache  verdrängt 
durch  eine  schon  im  16.  jh.  vorhandene  nebenform  gehohen, 
gebildet  nach  analogie  von  ivehen,  das  selbst  von  pflegen  und 
tvegen  beeinllusst  war  (vgl.  Grundr.  1,  736).  Diese  form  mag 
wol,  zusammen  mit  dem  md.  wandel  von  uo :  6  (Paul,  Mhd.  gr. 
§  100),  die  schriftsprachliche  form  höh  herausgebildet  haben 
(im  17.  Jh.),  eine  form,  die  im  18.  jh.  so  sehr  für  die  regel- 
mässige gilt,  dass  Adelung  hub  für  die  oberdeutsche  d.  h.  fehler- 
hafte form  erklärt.  Schw.  m.  1775,  215  gibt  höh  als  die  regel- 
rechte form  an;  Spr.  1, 125  höh  und  hub;  Fulda,  GR.  101  nur 
huh.    Trotzdem  überwiegt  bei  den  schwäb.  Schriftstellern  hub. 

In  Miller,  Si.  1  finden  sich  13  u-  gegen  3  o-formen,  in  Si.  2  10  «-formen. 
Bei  Schiller  hob  nur  in  erhob  2,371,22,  anhob  2,300,9  A;  sonst  stets  hub: 
hub  1, 189,  99.  2,  330,  22.  199,  5,  hüben  1,  236, 19.  2,  266, 10.  103, 14,  erhub 
1,121,22.  63,18,  anhitb  2,  loG,2i.  300,  9  M:  dazu  der  conj.  erhüben  l,6i, 6.') 

Ebenso  hat  sich,  wie  man  annimmt,  an  verba  einer  andern 
reihe  angeschlossen  und  von  diesen  einen  neuen  vocal  an- 
genommen: stehen.  Mhd.  stuont,  stuonden  lehnte  sich  an 
Wörter  wie  fant  —  funüen,  bant  —  bunden  an  und  bildete  zu- 
nächst stand  —  stunden  und  dann  ausgleichend  stand  —  standen. 
Adelung  zieht  stand  vor  und  weist  stimd  dem  'gemeinen  leben' 
zu.  Schw.  m.  1775,  215  stellt  stund  und  stand  zur  auswahl. 
Fulda,  GR.  100  verlangt  stund,  wie  lud,  buch,  da  es  von  standen 
abzuleiten  sei  und  'niemal  haben  praesens  und  imperfectum 
einerlei  vokal'.    Ebenso  Spr.  1, 130:  ^stund,  nicht  stand\ 

Schiller  hat  in  seinen  hriefen  nie  stund,  sondern  2  mal  stand,  2  mal 
gestund  und  1  mal  standen.  Die  Diss.:  standen  1,166,9;  Räuber  1782  A 
und  M  haben  meist  stand  (2,  218.  249, 1.  281.  288, 13.  308,  29.  309,  2),  nie 
stund,  aber  stunden  (2,330,22.  316,22)  und  standen  2,249.  Andere  fälle: 
verstund  1,  68, 18,  stund  1,  87,  34,  entstund  2,  25, 1.  27, 11,  stunden  2, 179, 16, 
entgegenstund  2,374,26,    dagegen  stand  2,150.  168.  69.  178.   1,42.59.214. 


*)  hub:  im  allgemeinen  überwiegt  hub  auch  später.  Beispiele:  S.  7: 
hob  13,4,  gegen  erhub  12,23.  162,28,  erhüben  64,3,  hub  an  246,15.  — 
S.  8:  e/7t«6  179,  27,  erhuben223,2i;  sonst  aber  stets  o:  erhob  233,  Ib.  308,4. 
329,28.  353,5.  357.  386,  hob  277.  —  S.9:  erhub  278.  5.  61.  160,  hub  an  344, 
gegen  erhob  302.  308.  6.  32,  hob  61.  —  S.ll:  hub  an  248.  394.  395,  erhub 
275.  25,63,  erhüben  366,  gegen  erhob  248  im  reim.  —  S.  12:  erhub  325, 
erhübe  208,  gegen  hob  325,  erhob  "böi,  erhobot  375.  —  S.  13  meist  o:  hob 
193,  erhob  201,303.  130,  hoben  250,  nur  erhub  202,212.  —  S.  14:  erhub 
283.405.  —  S.  15'^  Demetrius:  hub  399.451.486,  erhub  421.  441.  467,  er- 
huhen  424. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXV 111.  24 


370  PFLEIDERER 

253.    332,    stamlen  2,G9,13,    aufstand  2,  8G,  23,    gestand  \,  BSG,  IM.    Die 
modernere  form  überwiegt  bei  weitem. 

Zu  betonen  ist,  dass  gestehen  nnr  die  form  mit  a  zeigt;  in  sämmt- 
licbeu  werken  Scbillers  wie  aucb  in  säniuit lieben  briefen  ist  mir  gestund 
nie  vorgekommen. 

Der  später  bei  Scbiller  so  üblicbe  conj.  stände  lindet  sieb  in  den  jugend- 
werken nocli  nicbt;  der  conj.  lautet  stünde  (1,  286, 37  u.  a.).  Aucb  bei  Miller 
überwiegt  stand;  Si.  1, 1—158  bat  17  a-  gegen  7  ««-formen;  Si.  2, 1— 200  bat 
38  a-  gegen  10  it-formen.>) 

Vielleicht  ist  durch  anlehnung  an  saufen  —  gesoffen  die 
form  geloffen  zu  erklären  (Grundr.  1,  737),  die  sich  schon  mhd. 
findet  und  im  schwäb.  die  allgemein  übliche  ist.  Für  geloffen, 
das  Adelung  als  den  'niedrigen  sprecharten'  angehörig  tadelt, 
wehren  sich  die  grammatiker  Schwabens  gewaltig.  Im  SchAv.  m. 
1775,210  heisst  es  kurz  und  bündig:  ^ geloffen,  mc\\i  gelauffen\ 
Der  Spr.  1,  12G  sagt:  'Man  will  geloffen  verdächtig  machen, 
blos  weil  man  in  Sachsen  gelmifen  sagt,  da  doch  jenes  so 
regelmäsig  ist  als  gesoffen,  gesogen.'  Fulda,  GR.  99  stellt  es 
mit  hauen  zusammen,  will  also  wol  gelaufen. 

Scbiller:  (/eZai</'en  2,300,19.  157, 11,  r/eZo^en  1,  2G2,  8  im  reim;  1,270,10 
ausserhalb  des  reims;  später  finde  icb  die  form  nur  noch  Br.  1, 123,  zeile2 
von  unten:  eingeloffen  (22.  mai  1783,  an  Reiuwald);  Scbubart:  durchgelofj'en 
SO.  225,  geloffen  SG.  96  im  reim  eines  geistlichen  lieds. 

2)  Vocalverschiedenheiten  in  den  präsensformen. 
Für  die  2. 3.  pers.  ind.  praes.  sg.  gilt  die  nlid.  regel,  dass 
Umlaut  eintritt  bei  den  starken  verben  mit  umlautfähigem 
stammvocal,  mit  einigen  wenigen  ausnahmen,  darunter  kommen, 
das  ja  ursprünglich  keinen  umlautfähigen  vocal  hatte,  während 
das  schwache  verbum  nicht  umlautet.  Die  mundarten  stimmen 
hier  nicht  ganz  mit  der  Schriftsprache  überein.  Das  ober- 
deutsche unterlässt  den  umlaut  vielfach,  weniger  aus  laut- 
gesetzlichen gründen,  als  in  folge  von  ausgleichung  der  präsens- 
formen unter  sich,  —  Die  grammatiker  des  nordens,  Gottsched 
und  Adelung,  stehen  im  ganzen  auf  dem  Standpunkt  der  heutigen 


')  Die  form  stund  ist  in  S.  3  und  4  noch  sehr  häufig;  in  S.  7  kommen 
aucb  noch  ziemlich  viele  n  vor;  in  S.  8  Jtein  einziges;  in  S.9  habe  icb  mir 
noch  4  fälle  mit  u  notiert  (.siwncZ  369.  384,  stunden '67G,  verstund  310);  da- 
gegen ist  mir  in  S.  11.  12.  13.  15^  nie  eine  u-torm  aufgefallen.  —  Conj. 
stünde:  S.  3,  357,  14.  Br.  3,  187.  S.  3,  500.  8,407,21.  256,23.  10,12,18. 
12, 440  u.  a. 


SPRACHE   DES   JUNGEN  SCHILLER.  371 

Schriftsprache,  nicht  so  die  schwäbischen.  Sie  wollen  auch  hier 
teilweise  (nicht  immer;  die  niundart  bildet  z.  b.  ohne  umlaut 
jQt  =  'lässt',  während  die  grammatiker  nie  das  entsprechende 
Jafst  verlangen)  ihren  dialekteigentiimlichkeiten  zum  recht  ver- 
helfen. So  führt  Scliw.  m.  1775, 211  zuerst  eine  anzahl  von 
umlautenden  an,  darunter  schlägt,  lädt,  läfst,  gräbt;  dann  wird 
bemerkt:  'In  Sachsen  sezt  man  noch  folgende  hinzu:  häJct, 
schläft,  fängt,  bläst,  hängt,  brät,  räth,  läuft,  säuft,  Jcönimt,  stöst, 
die  aber  bei  uns  affectirt  klingen.  Zu  geschweigen,  dafs  das 
wort  hängt,  wann  es  von  hangen  kommt,  hangt  heissen  mus.' 
Der  Spr.  1,117  constatiert  einfach:  in  Schwaben  haben  keinen 
umlaut:  blast,  bratet,  fangt,  grabt,  hangt,  kommt,  ladet,  lauft, 
ratet,  sauft,  schlaft.  Fulda,  wie  immer  sehr  gerecht,  sagt 
GR.  98,  das  praes.  biege  die  vocale  a,  o,  m  in  der  2.  3.  pers. 
durchaus;  'also  ist  die  sächsische  Verfeinerung,  lauft,  hömmt, 
sauft  —  sehr  sprachrichtig',  wobei  jedoch  der  lierausgeber, 
Nast,  nicht  umhin  kann  anzumerken:  'nicht  durchaus',  und  auf 
die  obige  notiz  im  Spr,  hinzuweisen. 

Schiller  hat  im  allgemeinen  die  umgelauteten  formen  der  heutigen 
spräche:  räth  1,325,344,  gerüth  1,163,14,  läfst  2,212,7,  schläft  1,180,75, 
untergräbt  1, 147,  22,  beyräbt  1, 176, 18,  sehlägt  2, 164,  fängt  an  Br.  14,  30. 
1, 187,  8,  stufst  2, 190.  198,  beschläft  Arch.  f.  lit.-gesch.  9,  286,  lädt  2, 163, 18. 
303,21,  W«/s<  1,  297,  60,  läuft  2,  2^5,  2.  305,17.  166,1,  zuiculerlänft  1,US,2, 
Br.  27, 18;  daneben  steht  aber  eine  nicht  geringe  anzahl  von  nicht  um- 
gelauteten, d.  h.  Schwab,  formen:  bratet  2, 162, 18.  Haug,  Z.  467.  2,  302,  24  A, 
fangt  2,  85, 12,  fangt  an  2,  144,  21,  ladet  ein  1,  170,  7, ')  lauft  1,  335,  661, 
lauft  Gefahr  Württ.  st.-anz.  1898,  227,  8,  saufst  2, 101,  5  (zu  jukt — jükt  s. 
s.  296);  aus  der  schwäb.  literatur  jener  zeit  führe  ich  noch  an:  schlaft  Schw. 
m.  1779,690,  fangt  an  Schw.  m.  1775,  380,  lauft  Ergözlichk.  1774,  2,21,  durch- 
lauft Schw.  m.  1775,  707,  /a?</(  Schw.  m.  1780,  359.  SO.  93.  Si.  146,  ladt  Schw. 
m.  1775, 712.  —  Auch  Haller  wendet  in  den  früheren  auflagen  seiner  ge- 
wichte die  umlautlose  form  öfters  an;  später  verbessert  er  zu  läufft  etc., 
vgl.  Käslin,  HaUer  s.  19.  —  Von  hangen  bildet  Schiller  meist  hängt  (=  ist 
gehenkt)  2, 157, 18.  300,  25  u.  a.,  aber  daneben  zusammenhangt  1,  93,  2,  hangt 
er  2,79,10.  79,13;  —  du  hängst  2,89,10  lautet  in  dem  sonderabdruck  Z 
der  'Gesänge  aus  dem  Schauspiel  Die  räuber'  hängst,  obgleich  Schiller  selbst 
im  correcturabzug  die  correcte  form  hängst  corrigiert  hatte,  vgl.  S.  2,  89, 10, 
anm.  —  Schubart:  er  hangt  SO.  19,  abhangt  SO.  192. 

Die  uuschwäb.  form  kömmt  ist  sehr  häutig:  Br.  45,22.  S.  1,  223,  be- 
kömmt 2,10,2;  kömmt  ist  die  regelmässige  form  des  verbs  bei  M,  vgl.  S. 
2, 214, 26,  anra.    Beispiele:  2,  216, 15  M.  318,  8  anm.  294, 16  M.  295, 10.  305. 

•)  Bei  ladet  kann  die  alte  schw.  form  noch  hereinspielen. 

24* 


372  PPLETBERER 

Bei  Schnbart  und  Miller  ist  sie  selten;  bei  Miller  ist  sie  mir  Si.  98.  163.  338 
und  Si.  2,  72  aufgefallen;  bei  Schubart  nur  SO.  113. 

Auf  der  andern  seile  findet  sich  umlaut  auch  bei  dem 
schwachefi  verb  fragen,  das  allerdings  nhd.  auch  stark  flec- 
tiert  wird: 

fragt  2,  368,  2.  372, 2G,  vgl.  frcUß  Schw.  ra.  1775,  708,  fragst  SG.  2, 205, 
SG.  83.») 

Abgesehen  vom  umlaut  kommt  noch  der  Wechsel  zwischen 
e-  und  ?-formen  im  praes.  in  betracht. 

Bei  Schiller  ist  er  in  einzelnen  fällen  unterblieben:  die  Sonne  löscht 
aus  intr.  1,232, -42;  —  dir  schtvellet  mein  Busen  auf  1,40,1;  sonst  stets 
mir.  schwillt  1, '61b,  il.  260,57.  311,11.  27,9.  2,81,15.391,24;  tr&ns.  schioillt 
kommt  nie  vor,  wie  z.  b.  ST.  92,  4.  104,  7.  —  Bei  schmelzen  ist  correet  ge- 
schieden: sc/jwe?^  trans.  2, 18, 10.  332,  schmilzt  intr.  2, 11, 10,  während  Schu- 
bart schmelzt  intr.  SO.  178  bildet  und  Schiller  später  schmilzt  trans.:  den 
Kummer  schmilzt  kein  Schlummer  8.6,4:11,  770  (Diäo).  —  ver derbst  trans. 
2,  84, 16,  verderbt  trans.  1, 18, 11.  2,  224, 11  A,  verdirbst  trans.  2, 100,20;  ver- 
darben und  verdp-ben  werden  Schw.  m.  1775,  448  sogar  im  inf.  auseinander  ge- 
halten; Nast,Spr.  2, 46  sagt,  es  sei  ihm  unfasslich,  dass  \\\?iü.verdcrben  in  Sachsen 
nicht  auf  zweierlei  arten  ausspreche;  'kaum  hätte  ich  dil's  geglaubt,  wenn 
ich  dise  Unwissenheit  nicht  gedruckt  gelesen  hätte';  in  Schwaben,  fügt  er 
hinzu,  mache  kein  schulknabe  einen  fehler  bei  verderbst  und  verdirbst.  — 
ficht  1,307,6  in  die  mit  dem  Fächer  ficht  wird  wol  die  correcte  form  zu 
fechten  sein  und  nicht  facht,  fächert  lauten  sollen  (vgl.  Düutzer,  Schiller 
als  lyrischer  dichter  1,  2, 102).  In  einigen  fällen  lässt  Schiller  noch  Wechsel 
des  vocals  eintreten,  in  denen  die  moderne  spräche  es  unterlässt:  zerbirstet 
2,352,21  —  dagegen  Fulda,  GR.  98  berstet.  —  stikt  2,  27, 10  und  12,  wo 
stikst  du?  2,147,9  neben  dem  häufigeren  intr.  st^kt  1,202,3.  2,165,18. 
285, 18.  133,  5.  Auch  Goethe  hat  noch  wo  stickst  du?  es,  sie  stickt  etc.,  vgl. 
Weigand,  Wb.  2^  795.  Miller  hat  steckt  intr.  Si.  185.  —  Die  form  gebührt 
findet  sich  nie  in  Schillers  werken,  sondern  nur  gebiert  1,166,10;  ebenso 
Schw.  m.  1775,  948.  217.  1780,366.  Fulda,  GR.  lOl  verlangt  gebiert;  Nast, 
Spr.  1, 133:  'Herr  Hemmer  sezt  es  unter  die,  so  nach  dem  1.  Vorbild  der 
2.  conj.  gehen  [d.h.  gebärt].  Wir  aber  sagen,  du  gebirst,  sie  gcbirt,  gebir.'  — 
scheren  bildet  bei  Miller  schiert  Si.  49.  205.  231;  bei  Schiller  später  imp. 
schier  dich  S.  3,  359, 19 ;  in  unsrer  periode  geht  er  noch  weiter  und  bildet 
den  conj.  praes.  mit  dem  vocal  des  imp.:  schier'  er  sich  1,253,76;  schier 
dich  ist  auch  bei  Goethe  und  J.  Paul  noch  üblich.  '■*)    —    Der  vocal  der 


J)  Spätere  umlautlose  formen:  ladet  ein  S.  3,  279,  8.  7, 188,  24.  10, 15,  9. 
11,252.  Br.  5,  728,  ladet  auf  S.  3,  biil,b.  12,308,  fangt  an  Br.  7,  221,  man 
schlagt  S.  3,  358, 12,  sie  lafst  Br.  7,  92,  durchlaufst  Br.  3,  67, 1 ;  —  mit  um- 
laut: kömmt  ist  in  S.  4  und  5  noch  sehr  häufig,  dann  wird  es  seltener,  be- 
gegnet aber  noch  S.  10,213.  458.  12,36.  262.  286;  in  briefen  Br.  3,222; 
—  fragt  Br.  2,  293.  3,  317.  S.  6, 29,  49.  Br.  5,  238.  365.  15^.  513,  27. 

')  Aus  späteren  werken :  das  Gedächtnis  löscht  aus  S.  3,36,21,  die  Lampe 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  373 

2.  3.  sg.  iud.  praes.  ist  iu  das  part.  piaes.  gedrungen  in  quillcnd  1,333,592 
(so  auch  bei  Goethe). 

Im  obd..  abgesehen  vom  südfränk.,  steht  der  uiigebrocliene 
vocal  der  e-reihe  auch  noch  in  der  1.  sg.  praes. 

So  bildet  Schubart  ich  lies  =  lese  SG.  2,  360;  Schiller  hat  nur  die 
schriftsprachlichen  formen,  z.  b.  ich  les  2, 353, 31. 

Der  im^.geb!  2, 301, 22  M  ist  eine  imperativbildung  nach 
dem  muster  der  schw.  verba,  die  halbmundartlicli  üblich  ist. 
Fulda  rechnet  mit  diesem  imp.  als  etwas  vorhandenem:  GR.  99: 
'neben  dem  uralten  einsilbigen  imperativ  fall,  gib  . . .  besteht 
immer  auch  der  zweisilbige  neue,  falle,  . . .  gehe  . . . ,  ohne  grad 
der  subjunctiv  zu  sein.'  Dafür  wird  er  aber  in  einer  anmer- 
kung  vom  lierausgeber  Nast  getadelt. 

Bei  Schubart  ist  diese  form  htäufiger:  imp.  lese  SO.  59,  les  SO.  82,  geh 
SO.  145,  sterbe  SG.  2,  77  (im  Ahasver).  Schiller  bildet  später  den  imp.  trete 
S.  3, 319, 10. 

Die  verba  der  zweiten  ablautsreihe  haben  im  mhd.  in  folge 
der  brechungsgesetze  im  praes.  Wechsel  von  in  und  ie:  hiute  — 
hieten.  Die  aus  den  erstem  entstehenden  nhd.  formen  beut, 
gciissf  etc.  gelten  nur  noch  als  poetisch  und  altertümlich,  und 
sind  in  der  gewöhnlichen  spräche  durch  solche  ersetzt  worden, 
die  den  übrigen  präsensformen  angeglichen  sind.  Im  18.  jli.  sind 
die  formen  mit  eu  noch  teilweise  üblich,  werden  aber  auch 
schon  als  archaisch  empfunden,  ^^'enn  sie  in  der  Schriftsprache 
der  Schwaben  noch  so  vielfach  Verwendung  finden,  so  ist  daran 
schuld  einerseits  der  umstand,  dass  im  schwäb.  der  mhd.  di- 
phthong  in  als  iii  weiterlebt  (getrennt  vom  umlaut  in)  und 
die  alten  /tt-fornien  also  von  den  /e-f ornien  unterschieden  sind ; 
andererseits  verdanken  sie  ihr  bestehen  namentlich  dem  einfluss 
der  bibelsprache.  Die  schwäb.  grammatiker  nennen  die  e?<-formen 
'nach  der  art  der  alten  abgewandelt'  Schw.  m.  1775, 215,  oder 
einen  noch  nicht  abgestorbenen  archaismus  GR.  101;  Spr.  1,121: 
'dise  alte  abwandlungsweise  wii'd  heut  zu  tage  nur  noch  den 
dichtem  überlassen.' 


löscht  aus  S.  3, 328, 8,  verderbest  uiis  S.  12, 178.  262,  verderbt  trans.  Br.  2, 105. 
S.  10,  252,  25,  man  verdirbt  es  Br.  3,  430,  er  verdirbt  es  mit  S.  15',  87;  dazu 
der  imp.  verdirb  uns  S.  6,  263,  5  (gegen  verderbe  sie  1,340,809);  —  gebiert 
S.6,200.  329,23.  11,87,119.  13,123;  —  ficht  S.  8,  288,  211.  12,48,  —  steckt 
intr.  S.  3,  69,  20.  12,156.  15",  207.  15^  375.  Br.5,323;  —  bis  du  berstest  S. 
14, 355  (Teil). 


374  PFLEIDERER 

Schiller  macht  in  seiner  jugentlperiode  ausgiebigen  gebrauch  von  diesen 
archaischen  formen,  aber  nur  in  der  gehobenen  spräche:  fleufst  1,  182,  133 
(im  reim).  1,  66,  6,  ergeufst  1,  299,  8,  gev/stA,  2\0,  26  (im  reim),  fleugt  1,231,25. 
179,  21  (im  reim),  beut  1, 125, 136,  gebeiä  Br.  11, 12,  imp.  gebetd!  1,  331, 545. 
335,649.(550.  171,19.  172,12;  //euc/j.'  1, 331, 550.  334,618.  271,25.  113,2. 
41,28.  2, 271,25  A,  Kreuch!  1,132,110,  verzeuch l,dSl,b33,  zeuch2,200,4:.  15. 
—  Auch  bei  Schubart  und  Miller  wimmelt  es  von  diesen  formen:  fleufst 
SG.  90.  164.  196.  2,  271,  genfst  SG.  288.  2,  78,  vcrschMifs  Si.  2,  80,  beschleufst 
SG.  295,  fleugt  SG.  2, 270,  beut  SG.  2,  66.  ST.  103,  9.  SG.  194,  verbeut  ST.  135. 
SG.  2, 163,  anbeut  Si.  253,  gebeut  ST.  100,  fleuch!  ST.  117.  SG.  2,  324,  fleufst 
ST.  30.  95,  übergeufst  Schw.  m.  1777,  50. ') 

Die  form  deucJit,  däuclit  ist  entstanden  als  analogiebildung 
zum  conj.  praet.  deuchte,  dessen  ind.  dauchte  dann  nach  dem 
vocal  der  präsensformen  in  deuchte  gewandelt  wurde  (Paul, 
Wb.).    Luther  verwendet  das  praes.  deucht  schon. 

Schiller  hat  neben  wenigen  dnnJit  (2,  357,  24)  meist  deucht  1, 142, 16. 
169,21.  2,131,26.  156,10.  299,23.  Haiig,  Z.  456.  465,  däucht  Br.  43,  3i. 
S.  2,340,21.  374,6,  ebenso  deucht  Si.  65.  257.  265,  dmicht  Si.  103;  Schubart 
dagegen  meist  dünJct  ST.  25  und  stets  in  SO. 

Das  alte  unumgelautete  praet.  mir  dauchte  findet  sich  2, 178,  4  neben 
däuchte  2,  316,  6  A  und  M;  vgl.  es  dauchte  ihm  Si.  2, 217,  mich  deuchte  SG.  219. 
Si.  226.») 

Anm.  dünken  wird  ursprünglich  mit  dem  acc.  construiert;  da- 
neben erscheint  schon  frühe  der  dat. ;  bei  Schiller  überwiegt  der  acc. 
bei  weitem ;  die  praet.  formen  dauchte  und  däuchte  haben  auffallender- 
weise beide  den  dat.  nach  sich,  ■während  sämmtliche  angeführten 
stellen  der  präsensformeu  den  acc.  zeigen. 

Hier  seien  noch  einige  formen  des  in  f.  praes.  erwähnt: 

Der  laut  eu,  äu  findet  sich  altertümlich  noch  in  dräun  1,190,119, 
das  dem  mhd.  dröuwen  genau  entspricht,  im  uhd.  aber  jetzt  durch  drohen, 
nach  dem  subst.  drohe,  mhd.  drö  gebildet,  verdrängt  ist  ausser  in  poetischer 
spräche.  —  Neben  em^) fangen  1,257,17.  282,90  steht  im  reim  das  ur- 
sprüngliche empfahen  1,  207,  47,  fahn  1, 240, 102  (fahen  S.  12,365),  mhd.  vähen, 
das  bis  ins  16.  jh.  allgemein  üblich  war. 

Anm.  Die  Umschreibung  des  praet.  durch  thät  1,  269,  58.  347,  66. 
257,  198.  226.  243,  thaeten  1,269,61,  entsprechend  mhd.  tele,  bei  Luther 
regelrechtes  praet.  neben  that  (vgl.  Socin  a.a.O.  s.  206)  ist  bei  Schiller 


1)  Später  ist  besonders  häufig:  gebeut  S.  5^,  159.  6,  267.  355.  375  (im 
reim).  11, 122.  249  (im  reim).  12, 124,  beut  S.  15',  234,  fleugt  S.  6, 374,  was  da 
fleugt  und  kreucht  S.  11,  397, 15. 

*)  deucht,  däucht  sind  stets  sehr  häufig;  belege  sind  unnötig;  praet. 
mich  däuchte  S.  3,  34, 13,  däuchten  ihm  S.  3,  568,  9,  daucht  es  ihn  S.  öS  100, 
mir  dauchte  S.  13, 150,  dazu  ein  inf.  däuchten  S.  14, 349  (Teil)  neben  dünken 
S.  3, 533, 12. 


SPRACHE  DES  JUNGEN   SCHILLER.  375 

nicht  mundartliche  form,  als  was  sie  Düntzer  s.  125  erklärt,  sondern 
nur  ein  rhetorisches  mittel  wie  sonst  oft  bei  dichtem. 

IL  Consonantische  einzelheiten. 
Eine  scliwäb,  form,  die  auch  in  andern  dialekten  gebildet 
wird  (vgl.  Grundr.  1,  751)  ist  die  3.  sg.  iveifst.  Die  form  ist 
in  der  zeit  vom  15. — 17.  jli.  öfters  belegt,  vgl.  Kelirein,  15. — 
17.  jh.  1,283.  Sie  entsteht  durch  anbildung  an  die  3.  sg.  praes. 
ind.  aller  verben,  die  nicht  praeteritopraesentia  sind.  Fulda, 
GR.  94  erwähnt  die  form  gar  nicht;  dagegen  Spr.  1,  109:  er 
iveis  und  iveist.  'Vilen  provinzen  Teutschlands  kommt  das 
Schwab,  iveist  in  der  dritten  person  ganz  fremd  vor;  wir  ver- 
sichern sie,  dals  uns  ihr  weis  nicht  weniger  fremd  ist.  Wir 
Avollen  aber  auch  hierin  toleranz  gegen  einander  üben,' 

Schiller:  er  iceißt  1,240,102.  354,40.  100,16.  139,30.  167,5.  267,15. 
2, 146, 1.  342, 28.  346, 15.  363, 19.  371, 4.  Hang,  Z.  458,  weist  1, 160, 16  A. 
132, 121  neben  er  loeifs  2, 388,  9.  1, 168, 32,  iceis  2, 18, 5.  1, 255, 120.  In  der 
Schwab,  literatur:  weifst  SG.2, 192.  Schw.  ra.  1777, 158.  438.  1780,427.  Spr. 
2,11.266.279.  1,36.  1.  vorr.,  weitere  belege  sind  neben  obiger  bemerkung 
Nasts  unnötig.  *) 

M  hat  die  eigentümlichkeit,  dass  er  die  2.  sg.  du  weifs  bildet:  2,  210,  20 
anm.  275, 19  M.  312,  7  M;  loeifs  du  2, 225, 14  M,  wie  er  bei  nachgestelltem 
pronomen  der  2.  sg.  in  altertümlicherweise  schreibt:  *S7(?/j,s<w  2,  223,  8  M, 
sagstu  2, 224, 15  anm.  213,  23  M,  hisiu  2,  256, 10  anm.  228,  3  M,  bleibstu, 
wärstu  2,228,3  anm.,  träumsiu  2,229,13  M.  Kehrein,  15.— 17.jh.  1,269, 
§  378  und  1, 223,  §  341  bringt  auch  für  diese  Schreibung  eine  anzahl  von 
belegen. 

Im  höchsten  pathos,  in  anlehnung  an  die  biblische  spräche, 
erscheint  noch  die  alte  form  der  2.  sg.  du  ivilt. 

sei  ivie  du  wilt,  namenloses  Jeuseits  2, 163, 4  in  allen  auflagen  bis 
1806,  mit  ausnähme  von  B  1782  und  D  1787;  die  form  ist  nicht  etwa  ver- 
sehen; Kehrein  a.a.O.  1,282  gibt  wenige  belege;  aber  Fulda,  GR.  94  bez.  93 
gibt  du  icilt  und  du  soll  als  archaische  nebenform  zu  den  üblichen  auf  -st 
an,  und  Schiller  selbst  schreibt  noch  (7m  sollt  S.  12,  36. 

III.  Berührung  zwiselien  starker  und  schwacher  conjugation. 

Vermischungen  der  beiden  conjugationen  haben  in  allen 
Perioden  der  spräche  stattgefunden,  und  zwar  w'ar  stets  die 
zahl  der  st,  die  in  die  schw.  conjugation  übertraten,  grösser 
als  die  der  schwachen,  die  stark  wurden. 


')  Es  ist  erwähnenswert,  dass  noch  IJhland  in  einem  seiner  vaterländ. 
gedichte  sich  im  reim  der  form  weifst  bedient  (no.  11,  Den  landständen  z.  16). 


376  PFLEIDERER 

A.   üebertritt  scliwaclier  verba  in  die  starke  flexion. 

Schon  in  mlid.  zeit  stellten  sich  st.  formen  neben  die  üblichen  schw. 
in  preisen;  die  st.  überwiegen  seit  dem  17.  jh.  Schiller  hat  nur  starke: 
pries  Br.  2,2,6. 

Bei  gleichen  kommen  die  st.  nebenformen  erst  im  17. jh.  auf.  und 
sind  dann  im  18.  jh.  durchgedrungen.  Auch  hier  hat  Schiller  nur  st.  formen: 
glichen  Br.  3;  23,  conj.  gliche  1,  262,  2  (glichen  S.  8,  20,  28).  In  beiden  verben 
kenneu  die  schwäb.  grammatiker  nur  die  st.  flexion,  vgl.  Fulda,  GR.  100 : 
gleichen,  preisen  nach  fallen,  fiel. 

Aus  noch  späterer  zeit  stammen  die  st.  formen  bei  fragen.  Diese 
dringen  erst  im  18.  jh.  von  Niederdeutschland  her  in  die  Schriftsprache, 
ohne  indes  die  schw.  verdrängen  zu  können.  Auch  bei  Schiller  findet  sich 
neben  fragte  2,  87,  3  frug  2,  86,  22.  Die  starken  formen  sind  später  sehr 
häufig  bei  ihm.  Auch  Miller  hat  frug  Si.  61.  293.  2, 286.  359.  399  neben 
fragte  Si.  312.  314.  304.  2,  20.  126.  155.  Die  schwäb.  grammatiker  haben 
keine  bemerkung  über  das  wort,  offenbar  weil  sie  es  nach  der  schw.  flexion 
conjugiert  wünschen,  deren  verba  sie  nicht  besonders  behandeln.  Adelung 
rügt  die  st.  formen. 

Aus  differenzierungsbedürfnis  wurden  schon  im  15.  jh.  vielleicht  nach 
dem  Vorbild  von  steche,  stach  zu  den  schw.  formen  steckte,  gesteckt,  die  sowol 
für  das  trans.  als  für  das  intr.  stecken  galten  und  noch  jetzt  gelten,  auch 
st.  gebildet,  die  noch  im  18.  jh.  vorkommen.  Die  st.  präseusformeu  wurden 
s.  372  schon  erwähnt.  Starke  praet.  hat  Schiller  in  stak  2,  87, 15  (so  noch 
S.  4,  7-±,  15.  Br.  4,  353),  staket  ihr  beisammen  2, 135,  6.  287, 1  M  (aus  späterer 
zeit  noch  staken  S.  9,  61,  8,  stäke  Br.  5,  422). ') 

dingen,  bedingen  ist  urspr.  schwach;  seit  dem  17. jh.  kommen  starke 
formen  vor,  von  denen  sich  das  st.  part.  praet.  erhalten  hat.  Nast,  Spr.  1, 122 
bemerkt:   'dingen,  düng,  gedungen;  difs  wort  geht  eben  so  gut  nach  der 

1.  [d.  h.  schw.]  conjugation.'    Der  junge  Schiller  hat  nur  st.  part.;  gedungen 

2,  355,  20.  309,  4  M,  imgedungen  2,  361,  33. 2) 

icill fahren  wurde  (nach  Paul,  Wb.)  zu  einem  gekürzten  praet.  loill- 
fahrte,  das  seinerseits  auf  das  subst.  Willfahrt  zurückgieng,  neugebildet. 
Zu  diesem  verb  geben  die  wbb.  von  Paul,  Heyne  und  Sanders  nur  schw. 
formen  au;  der  junge  Schiller  bildet  tvillfuhr  1,59,7,  später  allerdings  nur 
noch  schw.  ^)    Nast  flectiert  es  schw.  Spr.  1, 123. 

B.   Üebertritt  von  st.  verben  in  die  schw.  flexion. 
Der  junge  Schiller  bildet  eine  anzahl  von  praet.  nach  der 
schw.  conj.,  die  in  der  schriftspraclie  nur  st.  geduldet  werden 

')  Die  schwäb.  grammatiker  übergehen  das  wort;  nur  Fulda,  GE.  104 
scheidet  steken  figere  und  steken  haerere,  und  weist  jenes  der  schw.,  dieses 
der  st.  conj.  zu. 

'^)  Später  meist  st.:  einbedungen  S.  5',  162,  herausbedungen  Br.  1, 151, 
gedungen  S.  3,  210,  22,  aber  gedingt  in  Tur.,  praet.  ausbedingte  S.  4,  242,  7. 

3)  loillfahrte  S.  4, 159, 12.  11, 276, 101. 


SPRACHE   DES  JUNGEN   SCHILLER.  377 

und  die  sich  bei  keinem  der  grossen  autoren  des  18.  jh.'s  in 
solcher  anzahl  finden  wie  bei  ihm  (abgesehen  von  rufte,  s.  dieses). 

1)   Schwache  praet.,  die  nicht  schriftsprachlich  sind. 

Aus  purer  reimuot  ist  spinntest  (  :  trenntest)  1, 235, 29  entstanden. 
Ebenfalls  dem  reim  zulieb  steht  lügten  conj.  2, 160,  8.  —  scheinten  1, 115,  5. 
Br.  27,  3  ist  für  einen  Schwaben  kein  fehler,  da  in  der  muudart  wie  auch 
anderswo,  z.  b.  in  Heidelberg,  J)  von  scheinen  nach  analogie  zu  andern  praet. 
auf  -eint,  wie  geiceint,  gemeint  etc.  ein  schw.  praet.  gescheint  gebildet  wird. 
Als  beispiel  dafür  möge  dienen  das  Volkslied  'Zu  dir  zieht's  mi  hin',  wo  es 
heisst:  's  hat  der  Mond  so  scho)i  gscheint. 

saufte  2,  84,  9  wird  auch  sonst  schw.  flectiert,  vgl.  DWb. ;  zuwiderläufte 
conj.  1,115,20. 

Neben  rief  1,  348, 1.  Br.  42,  3  findet  sich  rufte  288, 27,  ruftest  2,  52, 13. 
219,20.  Die  jetzige  Schriftsprache  kennt  dies  praet.  jetzt  nicht  mehr;  es 
existierte  schon  mhd.  und  ist  noch  im  18.  jh.  bei  Klopstock  häufig,  verein- 
zelt bei  Goethe,  Voss  u.  a.  zu  finden  (Paul,  Wb.).  Auch  Schiller  gebraucht 
die  form  spcäter  noch  öfters,  ^j  Bei  einem  Schwaben  wird  die  form  dadurch 
gestützt,  dass  die  muudart  ein  part.  gridft^)  bildet.  Nast,  Spr.  1, 128  hält 
offenbar  rufte  für  die  ältere  form:  'r/e/' — rufte  kommt  ab.'  Bei  Schwaben 
finde  ich  rufte  ST.  45,  3.  SG.  236.  SO.  174.  Si.  2,  91. 

Das  part.  eingesaugt  1, 161,  32  (neben  eingesogen  1,  82,  2)  kommt  'selbst 
bei  unsern  besten  Schriftstellern'  vor  (Heyne,  Wb.);  vgl.  dazu  die  massen- 
haften belege  bei  Sanders,  Wb.  Die  form  ist  bei  uns  gang  und  gäbe. 
Schiller  hat  die  form  auch  später.^)  Vgl.  noch  Scheffel  im  Perkeolied: 
klang's  ausgesaugt  und  leer. 

durchhauten  2,  224,  4  A  und  M ;  dieses  praet.  ist  der  Schriftsprache  nicht 
iiiebj"  fremd  (später  niederhieben  S.  8, 182, 24). 

hratete  1, 155,  22  hat  sich  in  der  Schriftsprache  nicht  gehalten.  Sanders 
bringt  je  einen  beleg  aus  Forster  und  Stilling  bei.  Von  gleiten  bildet 
Schiller  gleitete  Br.  12,3  und  dahinglitten  1, 155,32;  die  schAV.  form  ist  auch 
bei  Goethe  nicht  selten  (Paul,  Wb.).  Zu  glimmen  hat  Schiller  nur  schw. 
formen:  conj.  glimmte  2,224,14  {verglimmte  S.  9,  281, 19). 

Die  Schwab,  grammatiker  verlangen  bei  allen  diesen  verben 
die  nhd.  üblichen  formen.  Schw.  m.  1775,  210  ff.  Spr.  1,  122. 
126  ff.  und  GR.  99  ff.  verlangen  spann,  schien,  log,  soff  (GR.  101 
sof),  lief,  rief,  sog,  fiel  (vgl.  Spr.  1,115:  ^ hauen  ist  das  einzige 


*)  Vgl.  Osthoff,  Schriftsprache  und  volksmundart,  in  der  Sammlung 
gemeinverständlicher  vortrage  (Virchow  und  Holtzendorff)  28.  serie  (Berlin 
1883)  s.  22. 

2)  rufte  (ind.  und  conj.)  S.  3, 195, 16.  16, 18.  555, 19.  4,  74,  Jierbeiruften 
S.  7,  228, 11,  ruft'  S.  12,  440,  980  (M.  Stuart). 

^)  Vgl.  mhd.  rüefen,  rüefte. 

*)  saugte  S.  5',  15.  8,176,8.  12,70;  auch  pfeiftc  findet  sich  S.  4, 68, 12. 


378  PFLEIDERER 

verbum,  so  dem  inip.  das  b  anlieiikt:  hieb'),  briet,  glit  (Fulda, 
GR.  100:  gliet),  glom. 

2)   Verba,  die  früher  nur  stark,  jetzt  teilweise  schwach  sind. 

Nur  st.  formen  finden  sich  wie  meist  nhd.  bei  bersten  :  geborsten 
2,258,3.  92,9;  dagegen  hat  Schiibart  berstete  (im  Ahasver). 

erscholl  2,178,14,  schollen  1,351,15,  ebenso  scholl  SO.  76.  Sfl.  2, 106. 
SG.  91;  Schiller  noch  S.  12,489;  die  formen  gehören  ursprünglich  zum  verbum 
schellen,  das  nhd.  durch  schallen  (vom  subst.  schall)  und  dessen  schw.  praet. 
schallte  ersetzt  wird.  Letztere  form  findet  sich  bei  Schiller  erst  in  späterer 
zeit :  schallten  S.  9,  375,  22,  erschallte  S.  7, 195,  26.  Fulda  verlangt  scJioll 
GE.  101,  ebenso  Schw.  m.  1775, 215;  dagegen  Nast,  Spr.  1, 122:  'erschallen  — 
erschol,  erschollen  increbescere.  Hemmer  sagt:  dils  wort  könne  auch  nach 
der  ersten  conjugation  gehen.  Die  anmerkuug  ist  richtig:  aber  nur  alsdeuu, 
wenn  es  personare  heilst.    Schallen  ist  allein  1.  conj.'  (d.  h.  schw.). 

rächen  ist  nhd.  meist  schw.,  selbst  im  part.  praet.  Schiller  liat  nur 
gerochen  2,70,11.  249,25,  ungerochen  1,358,44,  ebenso  SG.  2,65.^)  Die 
Schwab,  grammatiker  erwähnen  das  wort  nicht. 

Bei  verhehlen  ist  die  st.  form  nur  noch  im  part.  praet.  und  hauptsäch- 
lich als  adj.  üblich.  Schiller:  hast  mir  verhehlt  Br.  4,  27,  die  verhohlenste 
Quelle  1,172,31,  der  verhohlenste  Winkel  1,157,13;  die  grammatiker  aber 
verlangen  durchweg  starke  flexion :  Schw.  m.  1775,  215,  Fulda,  GR.  101 :  ver- 
hohl —  verhohlen. 

Auch  für  verwirren  verlangt  Fulda  noch  st.  formen  GR.  101 ;  Nast, 
Spr.  1,  131  sagt:  'verwirren,  verwor,  verworren.  Ist  besser  nach  der  ersten 
[schw.]  conjugation.'  Schiller  hat  im  praet.  part.  noch  beide  formen  neben 
einander:  ein  verioirHes  Getöse  2,322,14,  verivorrenste  Intriguen  2,341,2, 
allzu  vertvorren  1,162,1,  verworren  1,175,28. 

weben  ist  jetzt  meist  schwach;  die  starken  ursprünglichen  formen  sind 
hauptsächlich  noch  in  liöherem  stil  üblich.  Spr.  1,135:  '^oob,  geivoben.  In 
einigen  landschaften  geht  diis  wort  nach  der  ersten  conjug.'  Fulda  ver- 
langt zwar  GR.  101  geivoben,  gibt  aber  GE.  106  auch  getvebt  zu.  Schiller 
hat  st.  und  schw.  formen:  durchgeivoben  1,320,205,  goldgeivebt  1,226,13. 
316,  84;  aus  Thon  geivoben  1,  314,  19.  In  der  zeitgenössischen  schwäb. 
literatur  finde  ich  nur  schw.  formen:  durchwebte  Zeuge  SO.  30,  gewebt 
SO.  85.  SG.2,53.  Schw.  m.  1775,  447.  SG.  2, 134,  webten  81.2,226.^) 

falten  und  sx)alten  haben  in  der  modernen  spräche  nur  noch  im  praet. 
part.  ihre  ursprünglichen  st.  formen  erhalten,  neben  welchen  aber  auch 
schw.  part.  verwendet  werden.  Ebenso  bei  Schiller:  gefallen  2, 19,  23.  323, 1, 
gefaltet  1,  122,71,  entfaltet  2,359,9;  von  spalten  lässt  sich  nur  das  praet. 
spaltetest  2,312,8  belegen.    Schubart:   gefallen  SG.  2,  290.  380  (Schiller  S. 


1)  gerochen  S.  4, 174.  3, 325, 7.  6, 68, 27.  412,  ungerochen  S.  8, 142, 21, 
doch  daneben  später  auch  gerächt  S.  6,  374,  803.  15',  56. 

*)  loob  S.  11,315.  12,414,  webte  S.  6,  251, 15,  verwebt  S.  4, 39, 13;  — 
während  übrigens  Schiller  mit  der  nlid.  Schriftsprache  gehoben  S.  5',  89 
bildet,  sagt  Schubart  mit  dem  schwäb.  aufgehebt  ST.  42,  7, 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER,  379 

13,  176  weiUjefalM).  Fulda,  (il\.  lOG  und  Nast,  Spr.  1,  lOü  geben  au:  fjefnltet 
und  gefallen;  Spr.  1, 110 :  'das  mittelwort  gespalten  ist  auch  nicht  verwerflich.' 

Zu  backen  verlangen  die  schwäb.  gramraatiker  durchweg  st.  flexion: 
Fulda,  GE.  100.  Nast,  Spr.  1, 120.  Schw.  m.  1775,  212.  Schiller  hat  gebacken 
2,  24,  22  (aber  backte  S.  3, 471,  23). 

Vermischung  von  st.  und  schw.  flexionsweise  findet  sich 
besonders  in  solchen  fällen,  in  denen  st.  und  schw.  verba  des- 
selben Stamms,  nur  mit  bedeutungsverschiedenheit  neben- 
einander standen.  Derartige  fälle  begegnen  in  der  modernen 
spräche  wol  so  häufig  als  vor  hundert  jähren. 

schwellen :  schwoll  Br.  2, 2, 13.  S.  1,  351,13,  dagegen  welche  anschwellten 
S.  9,  310, 20. 

schmelzen  ist  urspr.  als  intr.  stark,  als  trans.  schw.  Im  praes.  hält 
der  junge  Schiller  die  beiden  genera  genau  auseinander,  s.  s.  372 ;  praet. : 
schmelzte  hinweg  trans.  2,280,5;  das  part.  praet.  geschmelzt  ist  schon  im  18.  jh. 
in  den  meisten  fällen  durch  geschmolzen  ersetzt  worden:  hat  geschmolzen 
trans.  1,  163,  27,  geschmolzen  zu  tcerclen  2,  350,  25,  die  umgeschmolzenen 
Räuber  Br.  41, 19,  2,  Amalia  müfste  umgeschmolzcn  iverden  Br.  48,  31. 

Bei  verderben  herscht  grosse  confusion.  Ueber  die  präsensforraen  vgl. 
8.372;  praet.  verdarben  sein  Herz  Br.  50  unten,  hat  verdorben  1,149,21, 
2, 30, 15.  110,  8.  269,  7,  er  ist  verdorben  durch  den  Dichter  2,  375, 12,  das 
Herz  kann  grundverderbt  iverden  2,  362,  24. ') 

In  laden  wurden  schon  mhd.  zwei  verschiedene  verba  vereinigt,  ahd. 
hladan  st.  =  'eine  last  laden',  ahd.  ladön  'einladen',  und  schon  mhd.  wurden 
sie  ohne  unterschied  st.  und  schw.  flectiert;  jetzt  ist  die  st.  flexion  durch- 
gedrungen ausser  im  praes.,  wo  wir  noch  beides  bilden,  vgl.  s.  371.  Bei 
Schiller  begegnet  das  praet.  nur  einmal,  aber  zufälligerweise  ist  das  gerade 
ein  beispiel  für  den  übergriff  der  st.  flexion:  lüden  viich  zum  Feste  1,  241, 149 
(vgl.  dazu  dahin  lud  sie  die  beiden  S.  3,  543,  23). 

dringen  —  drängen.  Eine  Unterscheidung  dieser  worte  ist  für  den 
Schwaben  aus  lautlichen  gründen  besonders  schwierig,  vgl.  s.  301.  Dazu 
kommt  noch,  dass  die  intr.  liedeutung  von  dringen  erst  im  nhd.  geschaffen 
worden  ist,  indem  das  trans.  mhd.  dringen  durch  drängen  ersetzt  wurde. 
Belege  lassen  sich  nicht  viele  geben:  der  ihn  zwang  und  drang  1,  64,  15 
(wobei  wol  auch  an  lautliche  einwirkung  von  zwang  zu  denken  ist),  ist 
verdrängen  worden  1, 17, 13.  53, 28,  ineinandergedrungene  Bealitäten  2,  8, 13, 
wo  der  sinn  passiv  ist  {jemand  etwas  aufdringen  2,  290,  29,  dagegen  correct: 
sich  aufdrängen  1, 168, 15).  Aus  der  sclnväb.  literatur  der  zeit  führe  ich  au: 
dringen  sich  herbey  Ergözlichk.  1774,  1,  323,  dringen  sich  SO.  18.  Si.  298. 
Si.  2, 160,  verdräng  trans.  Si.  77  {einem  etwas  aufdringen  Si.  341),  die  Unruhe 
verdräng  das  Bild  Si.  2, 128.  *) 

')  verdarb  mir  allen  Genufs  Br.  1,145.  146,  verdarb  trans.  sonst  noch 

S.  7,  88, 19.  182,  9.  8,  237,  hat  etwas  verdorben  Br.  1,  329.  2,  53.  337.  3, 196. 
311.  S.  7, 133, 26,  verdorben  pass.  S.  6, 234, 4. 

*)  verdrungen  von  einer  Nebenbuhlerin  S.  5*,  51, 11,  drang  sich  in  S. 


380  PFLEIDERER 

haufjoi,  hängen,  henken.  Bei  ihnen  herscht  im  18.  jh.  noch  grössere 
Verwirrung  als  heutzutage.  Schiller  hat,  wie  die  moderne  spräche,  hangen 
und/unif/euheideintr.:  /mnr/eu  1, 123,  87.  170,30.  2,211,23.  346,16.  324,24. 
270,  28  etc.,  hängen  2, 162, 14.  302,21  Ä  (M  hangen),  hängen  bleiben  2,24, 13; 
beispiele  für  das  intr.  hängt  s.  s.  371,  abhängen  1,  24,  28,  aneinander  hangend 
1, 144,  22,  herhangen  2,  77,  9,  links  hangende  Schale  2, 179, 21;  —  einer  Sache 
nachhängen  1,90,24;  praet.  hieng  intr.:  sie  hingen  2,93,10,  hieng  —  nach 
1,111,5,  aber  auch  hängte  intr.:  hängte  —  nach  1,  112,  i,  correct  trans.: 
hängte  mich  an  2,  84,  8;  gehangen  intr.:  seid  an  mir  gehangen  2,  334,  7;  traus. 
(bez.  pass.):  iverden  aufgehangen  1,203,2,  Möller  ist  gehangen  =  gehenkt 
2,88,4,  tvird  gehangen  iverden  2,100,3;  neben  hängen  —  henken:  henken 
keinen  2,89,16,  sich  erhenken  1,2^1,  15.  Ebenso  bei  Schubart  und  Miller: 
hat  etwas  gehangen  SO.  24,  aufgehangen  SO.  211  (einer  Sache  nachgehangen 
Si.  15),  hieng  sie  auf  Si.  2, 121,  hieng  sich  an  Si.  2,  9.  79.  *) 

Die  Stellung  der  schwäb.  grammatiker  zu  den  letztern 
verben:  Fulda,  GR.  103  ff.  scheidet  bei  all  diesen  verben  genau 
die  activa  verderben  perdere,  henken  hängen,  drengen,  schmelzen 
liquefacere,  die  nach  der  schw.  conj.  gehen,  von  den  'neutris' 
verderhen  perdi,  hangen,  dringen,  schmelzen  liquefieri,  die  nach 
der  starken  gehen.  Schw.m.  1775, 448  hält  sogar  die  inf.-formen 
verderhen  und  verdarben  auseinander;  Fulda,  GR.  105  sagt:  ^Er 
verdarb  ihm  das  Spil.  Es  verdirbt  die  Sitten  ...  —  sind  sehr  ge- 
meine feler,  welche  an  den  besten  Schriftstellern  nicht  zu  ent- 
schuldigen sind.'  Nast  behandelt  eines  nach  dem  andern: 
schmelzen  Spr.  1, 134:  'Das  activum  schmelzen,  liquefacere,  wel- 
ches das  hohe  e  hat,  geht  nach  der  ersten  conjugation  (=  schw.). 
Man  mus  also  nicht  sagen:  ich  habe  das  Blei  geschmolzen  . . . ,  son- 
dern: ich  habe  geschuelzt,  —  ist  geschmelzt  ivorden!  —  verderben 
Spr.  1, 135:  '■Verderben  (mit  dem  hohen  e),  zu  grund  richten,  geht 

7, 323,  3.  9, 163,  2,  hatte  sich  eingedrungen  S.  8,  31, 15.  99, 24,  verdrungen 
iverden  Br.  2, 128.  S.  5',  151.  127,  dringen  trans.  S.  4,  345,  23,  die  Post  dringt 
mich  Br.  5,  37  (jemand  ctivas  aufdringen  S.  3,  533,  5.  Br.  1,  299,  die  sich  auf- 
drangen S.  3,  262, 10,  der  sich  aufdrang  S.  4,  26G,  11,  hat  sich  aufgedrungen 
S.  3, 510,  2.  6,18,19,  dem  er  sich  aufdringt  S.  6,  34,  2.  Br.  3,268;  —  drängt 
sich  zivischen  S.  6,  41,  4,  hat  verdrängt  S.  4, 287,  verdrängt  wird  S.  4,  305, 23, 
ich  drängte  mich  S.  4,  349,  20). 

')  Ebenso  später:  ich  hange  an  S.  6,  301, 25;  —  ich  hänge  ^.Z,  211, 2b, 
herunterhängen  an  S.  4,  293,  5,  zusammenhangen  S.  4,  332,  3,  an  denen  sein 
Herz  gehangen  S.  4,  270,  8;  —  etwas  ivird  umgehangen  S.  6,  380,  961,  behangen 
mit  S.  4,  203, 16.  6,371,  woran  Zeus  den  Hing  aufgehangen  S.  11,  65,  6,  den 
er  aufgehangen  S.  13, 184,  wurden  aufgehangen  S.  7,  259,  5,  ein  Zeichen  ist 
ansgehangen  S.  13,  206,  den  Hut  aufgehangen  S.  14,  356;  —  aushängen  S. 
3, 445, 16,  aufhenken  S.  3, 147, 20. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  381 

nach  der  ersten  conjugation.  Eine  veräorhene  und  vcrderhte 
Sache  drückt  also  zweierlei  begriffe  aus,  die  man  in  Sachsen 
selten  richtig  unterscheidet.'  —  dringen  Spr.  1,122:  ^Bringen, 
drung  und  drang,  gedrungen.  Drängen  oder  drengen,  premere, 
ist  der  ersten  conjugation.'  —  hangen  Spr.  1,125:  ^Ilieng,  gehangen 
sein,  pendere.  Das  activum  henken,  suspendere,  welches  in 
Sachsen  hängen  heilst,  ist  l.conj.  Das  neutrum  hangen  braucht 
man  in  Sachsen  als  ein  activum,  eben  so  falsch  wie  faren! 
Die  grammatiker  sind  also  viel  correcter  als  der  tatsächliche 
Sprachgebrauch. 

wiegen  —  wägen.  Die  beiden  verbeu  sind  entstanden  aus  mhd.  u-egen, 
dessen  präseusformen  nach  den  brechimgsgesetzen  verschiedenen  vocal  hatten; 
später  wurde  entweder  i  oder  e  durch  alle  formen  durchgeführt,  und  das 
ergab  die  Spaltung  von  iciegen  und  wägen.  Schiller  hat  ä  statt  /:  einer, 
der  Räuber  niederwägt  2,  358, 19,  Menschen  wägen  auf  deinem  Dolch  keine 
Luftblase  auf  2, 101,  6.  Die  schwäb.  grammatik  wendete  dagegen  nichts  ein; 
denn  Nast  sagt  Spr.  1, 135:  'Mir  deucht,  die  subtilen  unterschide,  die  mau 
bei  disem  wort  in  ansehung  der  Schreibart  und  der  conjug.  macht,  seien 
unnötig;  in  Schwaben  sind  sie's  wenigstens.  Ist  difs  wort  ein  neutrum,  und 
heilst:  auf  der  wage  schwer  sein,  so  conjugirt  man  es  in  Sachsen:  Ich  ivige, 
du  wigst  ...  etc.  Heilst  es,  auf  der  wage  untersuchen,  wie  schwer  etAvas 
sei,  und  ist  mithin  ein  activum,  so  conjugirt  man  es,  ich  icäge,  du  wägst . . . 
Die  wahre  und  kurze  lehre  difs  wortes  ist  die:  wegen,  es  sei  activum  oder 
neutrum,  wird  nur  ...  abgewandelt:  Ich  wege  (nicht  wige  oder  tviege),  du 
ivigst . . .  Das  sächsische  Wigen,  oder  gar  Wiegen,  wie  sie  es  schreiben,  be- 
leidigt unsre  obren,  und  ist  uns  obendrein  unverständlich.' 

C.   Das  'paragogische'  e. 

Eine  weitere  beeinflussung  der  st.  verba  durch  die  schw. 
flndet  schon  in  mhd.  zeit  zuweilen  statt  (vgl.  Paul,  Mhd.  gr. 
§  155,  aiim.  C),  die  Übernahme  des  i)räteritalen  -e  der  schw.  in 
der  1.  und  3.  sg.  praet.  Das  nhd.  hat  dies  -e,  das  früher  fälsch- 
licherweise sehr  oft  angefügt  wurde,  beibehalten  allein  bei 
tvio'de  (dagegen  nur  icard).  Die  beifügung  dieses  -e  an  formen, 
denen  es  nicht  zukam,  war  am  ehesten  möglich  in  den  teilen 
Deutschlands,  wo  die  auslautenden  -e  alle  gefallen  waren  und 
somit  Unsicherheit  herschte  darüber,  an  welchen  stellen  man 
in  der  schritt  ein  -e  anzubringen  hatte.  Ausserdem  kommt 
für  die  nachlutherische  literatur  in  betracht,  dass  Luther  diese 
-e  auch  anwendet,  und  er  ist  für  die  spätere  Schriftsprache, 
insbesondere  die  schwäbische  (vgl.  die  einleitung),  hauptquelle. 


382  PFLEIDEREß 

Auch  Gottsched  liat  nocli  g'eg-en  dieses  -e,  anzukämpfen  in  seiner 
Grammatik;  Adelung  gibt  in  seinem  Wb.  z.  b.  als  praet.  von 
seilen  noch  sähe,  ohne  nebenform,  an;  in  seiner  Sprachlelire 
geht  er  auf  die  erscheinung  nicht  ein.  Wie  die  beispiele  aus 
Schiller  und  andern  Schwaben  zeigen  werden,  hatten  auch  die 
Schwab,  grammatiker  grund,  sich  über  diese  -e  auszulassen. 
Fulda,  GR.  98  sagt,  kh  <jube,  sähe  sei  wider  die  natur,  und 
GR.  92:  'Schnizer  sind:  . . .  ich  ivare  . . .'  Nast,  Spr.  1, 115:  'es  ist 
also  ein  feler,  wenn  man  ein  e  anhenkt:  hate,  bliese  etc.'  Im 
Schw.  m.  1775,  94G  vollends  heisst  es  von  denen,  die  tvare,  harne 
für  recht  halten:  sie  'verstehen  ihre  muttersprache  so  gar  nicht'. 
Aber  trotzdem  konnte  Schw.  m.  1779,  596  ein  Nichtschwabe  es 
noch  wagen,  hielt'  er  zu  verlangen;  'denn  in  der  ersten  ver- 
gangenen zeit  der  bindeweise  der  ungleichfliessenden  Zeitwörter 
muss  das  e  nie  weggeworffen  werden.' 

Die  fälle  bei  Schiller  sind,  soweit  sie  nicht  im  vers  oder 
gar  im  reim  stehen,  meist  durch  ein  gewisses  pathos  der  rede 
hervorgerufen. 

Er  hat  f/eif^are  1,  222,  56  (reim),  scWose  1,  29,  57  (im  reim;  der  heraus- 
geber  des  Schw.  m.,  in  dem  das  betreffende  gedieht  erschien,  lässt,  um  etwas 
grammatikalisch  correcter  zu  sein,  die  form  schlos  in  klammern  beidrucken!), 
hielte  1, 190, 111  (im  vers).  2,  299,  21  A,  flöhe  2, 178,  21,  gediehe  2,  391, 17, 
ich  sähe  1,  57,  4.  110, 19.  Br.  19,  26,  verliehe  1,  36, 18,  lüde  68,  23  (ein  citat 
aus  Denis,  Ossian,  Wien  1768,  wo  es  im  original  1,14,4  lud  heisst),  riss' 
1,  281,  46,  schmiss'  1,  346,  29,  dazu  noch  verspräche  Württ.  repert.  132  im 
brief  des  paters.  Das  'paragogische'  e  findet  sich  dann  auch  noch  im  conj. 
seye  1, 173,  23  (wie  noch  seie  S.  15'^  553,  22  in  prosa).  —  Bei  andern  Schwaben: 
sähe  ST.  48  (vers),  aushielte  SO.  61,  läse  Schw.  m.  1777, 539,  flöhe  Schw.  m.  1775, 
706,  er/«e/<eSchw.m.  1775,  34,  /weZte  Schw.  m.  1777,  445,  sittmie  Schw.  m.  1776, 
331,  stand'  imd  sah'  SG.  2, 112,  scholl'  SG.  2, 111,  sang'  SG.  2, 111.  Bei 
Schiller  ist  später  hauptsächlich  sähe  noch  sehr  üblich,  i) 

IV.    Der  rüekumlaut. 
Die  langsilbigen  verba  der  1.  schw.  klasse  haben  im  praes. 
formen  mit  umgelautetem  vocal,  im  praet.  solche  ohne  umlaut ; 


^)  sähe  S.S,  810,18 1  173,113.  164,28.  560,12.  4,95.  35,11.  219,7. 
95,24.  5^389.  6,111,10.  7,145,18.  168,24.  327,12.  67,24.  73,25.  115,9. 
130,2.  210,15.  136,9.  222,17.  8,115,31.  145,18.  168,24.  232,5.  327,12. 
9,  340,  28.  12, 180.  14,  70.  Br.  3,  86.  4, 18.  5,  273,  hielte  ich  Br.  1,  201,  23,  ge- 
schähe S.  7, 154, 11,  es  stritte  Br.  1, 116, 11,  flöhe  S.  3,  401,  7.  5',  134,  2805. 
ö'-*,  247.  7, 98, 21,  zuschriebe  S.  10, 415, 10  (könnte  auch  conj.  sein),  dazu  noch 
hub'  2, 213, 14  ausgäbe  von  1802. 


SPRACHE   DES  JUNGEN   SCHILLER.  3S3 

im  pari,  praet.  stellt  in  der  ganz  alten  spräche  die  unflectierte 
form  mit  umlaut  neben  der  flectierten  ohne  umlaut.  Die 
Schriftsprache  hat  in  folge  des  einflusses  der  ausgleichenden 
mundarten  einige  beispiele  des  alten  Avechsels  beibehalten, 
während  sie  in  andern  fällen  beide  formen  neben  einander 
duldet.  Während  im  18.  jh.,  wie  in  den  vorhergehenden  (vgl. 
Kehrein,  15. — 17.  jh.  1,279)  allgemein  noch  doppelformen  vor- 
kommen, steht  der  junge  Schiller  ganz  auf  dem  modernen 
Standpunkt,  und  zwar  hat  er  die  formen,  die  von  den  scliwäb. 
grammatikern  vorgezogen  werden  (s.  unten). 

Er  schreibt  bmnnte  2,  297,6.  24G,  21,  verbrannte  Br.  S3, 27,  nannte 
1, 160,  24,  sandte  1,  319, 173,  tvandte  2,  317,  2.  87, 16.  1, 122, 53,  verkannt  Br. 
tu,  10,  gekannt  1,166,24,  entivandt  2,101,15,  gewandt  2,  K)i,Xö;  daneben 
das  auch  jetzt  übliche  angeivendet  1,  25,  19,  Kleider  gewandt  2,  349, 13,  ab- 
gewandt Br.  9,  28,  gesandt  2,  268,  22.  Sehr  merkwürdig  ist,  damit  verglichen, 
dass  Schiller,  sobald  er  Schwaben  verlassen  hat,  die  formen  anwendet,  die 
die  Schriftsprache  nicht  beibehalten  hat,  zumal  da  das  Schwab.  (ge)brcnnt  etc. 
sagt:  brennte  S.  3,321,2,  berennte  S.  8,332,27,  we/m/e  S.  4,  96,  6.  115,20 
neben  nannte  4,  96  etc.,  dazu  die  umgelauteten  formen  von  senden  :  gesendet 
S.5^120, 18.  6,131,402,  zugesendet G,37i,S0i.  7,172,6,  versendetBr.  1,289,3 
neben  sandtest  S.  5^,  150,  sandten  6, 13.  Schubart,  der  volksdichter,  hat :  ver- 
brennt SO.  115,  genennt  SG.  2,  30;  Miller:  icendete  Si.  2,  209.  76  neben  wandte 
Si.  2,  11. 

Die  grammatiker  Schwabens  gestatten  beiderlei  formen, 
da  in  der  mundart  der  umgelautete  vocal  verallgemeinert  ist 
(vgl.  Grundr.  1,  740),  aber  sie  ziehen  doch  die  unumgelauteten 
formen  vor.  Fulda,  GR.  105  erklärt  die  Verschiedenheit  des 
vocals  im  praet.  aus  der  mischung  der  st.  und  schw.  conj.:  'Ur- 
alt sind  schon  die  imperfecte,  die  aus  beiden  conjugationen  zu- 
sammengesezt  worden  sind,  in  nachstehenden  Zeitwörtern:  bren- 
nen, hrennete  und  bran,  aus  beiden  brannte,''  so  nennen,  kennen 
etc.,  doch  zieht  er  offenbar  die  unumgelauteten  formen  vor,  da 
er  bei  den  übrigen  nur  noch  senden  —  sandte,  wenden  —  nandte 
angibt.  Schw.  m.  1775, 209:  brennen  —  brannte  —  gebrannt  etc.: 
'doch  sagt  man  auch:  Jcennete,  sendete,  gesendet.'  Ebenso  Spr. 
1,108:  'doch  kann  man  für  brannte  —  ivandte,  auch  sagen: 
brennete  —  ivendete,  und  für  gebrannt  . . .  auch  gebrennet.'  — 
iVIan  sieht,  dass  sie  die  formen  ohne  umlaut  bevorzugen,  wie 
die  moderne  Schriftsprache. 


384  PFLEIDERER 

V.  Bildung  des  part.  praet.  durch  die  vorsilbe  f/6-. 
Vgl.  darüber  s.  315  f.  Ich  führe  hier  nur  noch  einige  fälle 
an,  in  denen  Schiller  entgegen  dem  jetzigen  Sprachgebrauch 
ge-  noch  setzt;  der  beispiele  sind  sehr  wenige.  Es  handelt  sich 
um  bildung  des  part.  praet.  nach  art  trennbarer  oder  untrenn- 
barer composita. 

Schiller  sclireibt :  mit  Rosenroth  durchgeioohen  1,  320,  205,  umgesegeUes 
2,  303,  3  M ;  doch  ist  in  letzterem  fall  das  -ge-  in  der  haudschrift  mit  rot- 
stift  gestrichen,  entweder  von  Schiller  oder  von  einem  regisseur  in  Mann- 
heim; ferner  l/cbgekoßt  1,312,31,  das  auch  von  Wieland,  Goethe  u.a.  in 
dieser  weise  gebildet  wird,  jetzt  aber  wie  eine  ableitung  aus  einer  substan- 
tivischen Zusammensetzung  behandelt  wird,  so  von  Schiller  später:  gelieb- 
kofst  S.  15^  371. 

Es  sei  mir  gestattet,  hier  noch  einige  infinitivbildungen 
von  verben  mit  untrennbarem  präfix  beizufügen,  die  Schiller 
teilweise  behandelt  wie  solche  mit  trennbarem: 

durchzulaufen  1, 14, 24  in  einem  fall ,  wo  wir  jetzt  das  untrennbare 
(zu  durchlaufen)  setzen  würden:  die  Bahn  der  Tugend  durchzulaufen,  den 
Abgrund  durchzuschaun  1,183,139,  ebenso  liebzukosen  1,293,14.') 

F.   Zu  den  flexionslosen  Wortarten. 

Formen  und  Verwendung. 2) 

jetzt. 
Für  das  moderne  jetzt  weist  Schiller  fünferlei  formen  auf. 
Zweisilbig  sind  izo  und  jetziind.  Davon  geht  das  erstere  zurück 
auf  mhd.  iezuo  (mhd.  ie  +  der  betonten  form  zuo)\  die  form  jezo 
kommt  beim  jungen  Schiller  nicht  vor;  jetzund  (mhd.  iezunt) 
scheint  noch  keine  genügende  erklärung  gefunden  zu  haben. 
Die  formen  itz,  izt,  jetzt  gehen  zurück  auf  die  zusammenrückung 
von  mhd.  ie  und  der  unbetonten  form  ze\  Uz  wird  zu  itzt  durch 
die  nach  5-lauten  öfters  übliche  anfügung  dos  parasitischen  t 
Durch  Verschiebung  des  silbenaccents  entstehen  die  formen  mit 
je-,  wie  mhd.  ie  zu  nhd.  je  wird. 


^)  Später  noch:  untergeschoben  ^.Z/6oQ,\S.  4,287.  8,257,17,  durch- 
gewandert S.  5',54,  1103,  ist  ins  Englische  übergetragen  Br.  6,  39;  —  hand- 
zuhaben Tur.28,  überzutragen  S.  8,261,32;  dagegen  habe  durchlesen  Br.  5,298. 
6,323,  sich  zu  einfinden  Br.  6,  208;  gegenüber  Schubartschem:  mifsgehandelt 
ST.  93,  3  sagt  Schiller:   gemifshandelt  S.  8,180, 1,  gcmi fsbraucht  S.  7,259,  6. 

■■')  In  diesem  capitel  werde  ich  auch  syntaktisches  beiziehen  müssen. 


SPRACHE   DES   JUNGEN    SCHILLER.  385 

Schiller  verwendet  am  häufigsten  die  form  izt,  die,  nächst  iz,  dem 
Schwab,  (tz  (alem.  itz)  am  nächsten  steht.  Sie  ist  auch  in  der  gleich- 
zeitigen Schwab,  literatur  noch  die  häufigste.  Auch  jezt  ist  nicht  selten, 
aber  wie  dies  gesprochen  wurde,  ob  nicht  ebenfalls  wie  izt,  ist  mir  zweifel- 
haft; bei  Schiller  kommt  jetzt  nie  im  reime  vor;  aber  die  einzige  stelle,  wo 
jetzt  bei  Schubart  (der  sehr  oft  jetzt  schreibt)  im  reime  steht,  ist  im  reim 
jetzt  (so  geschrieben)  :  erhitzt  ST.  53,  6. 

Die  nächsthäufige  form  ist  izo;  dagegen  scheint  er  jetzo  überhaupt 
nicht  zu  kennen  (oder  ist  das  fehlen  der  Schreibung  jV^o  auch  ein  iudirectes 
beweismittel  für  die  ausspräche  \ou  jezt  als  izfi).  So  ist  auffallend,  dass 
er  bei  einem  citat  aus  Garve  für  dessen  jetzo  sein  izo  S.  1, 154,4:3  einsetzt. 
jetzo  erscheint  zuerst  S.  3,  529,  4.  —  itz  findet  sich  nur  2,  244, 13  M ;  es  ist 
sonst  aus  dem  18.  jh.  im  DWb.  nur  bei  Wieland  belegt.  —  jetzund  1,26,2. 
16, 28  ist  altertümlich. 

In  den  Räubern  1782  A  und  M  (S.  2,  209—335)  kommt  izt  38  mal,  jezt 
(jetzt)  7 mal  und  itz  1  mal  vor.  Einige  stellen  für  izo:  1,103,18.  113,24. 
176, 1.  261,  72.  2, 10, 15.  184,  4.  350, 1. 

Mit  der  form  itzt  sind  die  Schwaben  etwas  hinten  dran,  verglichen 
mit  der  sonst  üblichen  deutschen  redeweise.  Haller  und  Lessiug  haben 
meist  itzt  neben  den  andern  formen.  Dagegen  hat  der  junge  Herder  'meist 
jetzt,  seltener  jetzo '  (Längin,  Herder  s.  100).  Klopstock  hat  in  den  spätem 
ausgaben,  wo  ihn  nicht  die  verstechnik  zur  beibehaltung  bestimmte,  sein 
früheres  itzt  stets  durch  jetzt  ersetzt.  Adelung  sagt,  es  seien  im  hoch- 
deutschen noch  jetzt,  jetzo,  itzo,  itzt,  jetzund  gangbar,  'obgleich  jetzt  bei 
den  meisten  und  besten  Schriftstellern  den  Vorzug  hat'.  Schiller  selbst 
ändert  sich  in  der  folgezeit  sehr  rasch  in  diesem  punkt:  im  Fiesko  ist  izt 
noch  sehr  häufig;  in  Kabale  und  liebe  dagegen  habe  ich  kein  einziges  izt 
mehr  gefunden,  sondern  nur  jetzt.  In  S.  4  steht  izt  nur  s.  94,  5,  sonst  stets 
jetzt  oder  iezt;  ebenso  S.  5'  stets  die  letzteren;  ausnähme  ^>f  S.  5',  113,  2337; 
in  den  spätem  werken  kommt  izt  z.  b.  S.  13,  294  vor,  aber  es  ist  dem  laud- 
niann  Bertrand  in  den  muud  gelegt. 

Adv.  auf  -en  und  ihre  Varianten. 
Die  liielier  geliürigen  formen  sind  für  uns  sämmtlicli  ver- 
altet, und  waren  es  auch  schon  vor  hundert  jähren,  selbst  in 
Schwaben,  vgl.  Fulda,  GR.  87:  'unser  reichsstil  sezt  noch  einen 
archaismus  aus  der  mittlem  zeit  fort,'  wobei  er  allerdings  nur 
von  -en  bei  adv.  zu  adj.  auf  -lieh  spricht;  aber  Ergözlichk. 
1774,2,201  nennt  er  die  -en  überhaupt:  '-ew  des  reichsstils'. 

Die  formen  sind  verschieden  zu  erklären:  in  -malen  haben  wir  urspr. 
gen.pl.  von  mCd  zu  sehen:  mehrmalen  1,168,26,  eine  form,  die  im  18.  jh. 
noch  öfters  vorkommt  (bei  Schiller  auch  später  noch :  Br.  1,  365.  S.  7,  260, 17. 
8, 18'2,23),  niemalen  1,47,44.  Br.64,15.  S.  1, 148, 10.  152,18.  Br.  37,  21.  S.  1, 
16,32.  17,4;  neben  ihm  steht  das  auch  bei  Goethe  häufige  niemul  1,1b,  oi. 
171,19.  119,5.  2,287,23.  Br.  19,9,   wol  als  verkürzter  geu.pl.  aufzufassen, 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXVIU.  25 


386  PFLEIDEEER 

«/ewrt/ auch  Si)!'.  2,  268.  Seh w.  ni.  1775,  206,  »ie»mZcnSchw.m.  1778,  971;  der- 
malen kommt  erst  später  vor  (8.4,312,28.  12,6!));  an  seiner  stelle  wendet 
der  junge  Schiller  dermalems  S.  2, 181,  20  au,  sowie  dereinst  2, 185,  3,  das 
seit  dem  18.  jh.  für  dermaleins  auftritt. ') 

In  folgenden  formen  auf  -en  erblickt  man  eine  durch  misverständnis 
entstandene  Verschmelzung  mit  der  verueinungsimrtikel  rabd.  en  (Paul,  Wb.): 
d orten,  seit  dem  16. jb.  existierend,  von  dicbtern  gerne  verwendet,  bei 
Schiller  nur"  im  vers:  1,194,237.  359,93.94.  214,1;  in  Schubarts  liederu 
sehr  häufig:  80.217.  ST.  27,  6.  30,9.  70,8  u.a.  —  so  «sien:  diese  sehr  ver- 
altete form  kommt  nur  im  'Bericht  über  die  mitschüler'  vor:  S.  1, 13,  20. 
15,18.  17,16.  20,21.21,22,  dann  noch  2,  376, 10.  —  ciwstcw  1,211,61  f. 
107, 53  neben  dem  daraus  entstandenen  einstens  1,  236, 7,  vgl.  dereinsten 
ST.  44,10.'') 

Die  formen  von  hinn  en  1, 178, 13,  von  loannen  1, 131,  98.  2, 160,  von 
dannen  1,123,82.  124,120,  die  auch  schon  veraltet  waren,  sind  wol  aus 
der  spräche  der  Bibel  genommen.  Vgl.  Adelung:  'nur  noch  am  häuUgsten 
im  oberdeutschen  und  in  der  dichterischen  Schreibart  der  Hochdeutschen'. 

Selbsten  ist  wol  ursprünglich  eine  cas.-obl.-form  nach  dem  muster 
von  selben,  indem  -st  als  superl.  gef asst  wurde ,  was  J.  Grimm  in  der  tat 
getan  hat;  es  ist  im  17.  und  18.  jh.  sehr  üblich,  so  bei  Goethe  u.  a.  im  DWb. 
belegt.  Schiller:  von  selbsten  Br.  ^8,  31,  Selbsten  Br.  4b,  6.  55,27.  48,31. 
S.  1, 144, 9.  81, 1.  78, 6.  79, 1.  216, 44.  112,  8.  Ebenso  SO.  178.  Spr.  2,  vor- 
rede s.  6.  Schw.  m.  1777,  437  u.  a.») 

gleichbald  1,17,8  (=  'sofort,  gleichzeitig')  hat  ein  gleichbalden 
1, 208,  57  neben  sich.    Das  wort  ist  nicht  in  den  Wörterbüchern. 

Verschiedenes. 
Die  meisten  dieser  -ew- formen  dürften  aus  der  kanzlei- 
sprache.  die  derartige  lange  formen  gern  festhält,  in  die  Schrift- 
sprache herübergekommen  sein,  wie  jedenfalls  die  nach  dem 
muster  von  dero,  ihro  gebildeten: 

nunmehro  Br.  1,1.  38,1.  S.  1, 169, 1,  seitheroBr.l,  bisheroBr.Gb,!!, 
vorhero  S.  1, 109,  25.  Hang,  Z.  465.  Vgl.  nunmehro  Schw.  m.  1775,  383,  dahero 
Schw.  m.  1776,  96 ;  Spr.  1,188:  'Wir  sollten  endlich  des  ...  hinfüro,  bishero, 
jezo  . . .  nicht  mehr  gedenken  därfen.'  *) 


>)  niemalenBx. 1,10b,  11.  174. 192,  niemul^.Z,  22,112. 136.  204.  317.  Br.l, 
112.  248,  dazu  mehrmul  Br.  1, 112.  248.  S.  4,250.  Br.  7,39,  dermaleins  S.  3,416. 
5',  21.  62,  dereinst  S.  5',  22,  später  auch  noch  damalen  S.  12,  69.  —  damals 
auf  etwas  zukünftiges  bezogen ,  findet  sich  in  damals  tvenn  sie  . . .  unter- 
graben S.l,  166,33;  das  DWb.  kennt  diese  Verwendung  nicht;  Heyne,  Wb. 
führt  nur  diese  stelle  an. 

'^)  dorten  S.  6,  372,  717.  11,  86,  98  (beide  im  vers).  11,  373.  380.  251. 
12,20.  365.  14,69;  —  sonsten  S.  5^436.  12,125.  14,86,  alle  drei  stellen  im  vers. 

8)  ich  Selbsten  Br.  1,95, 12,  selbsieu  noch  S.  12,49,860  im  vers. 

*)  nwimehro  Br.  1,  272,  7,  vorhero  Br.  1,  287,  8. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  387 

Schwanken  des  vocals  findet  sich  bei  dn7i7i  —  denn 
und  wann  —  ivenn.  Bei  ersterem  werden  die  beiden  formen 
bis  in  den  anfang-  des  18.  jh.'s  von  den  Schriftstellern  ohne  unter- 
schied gebraucht  (Paul,  Wb.),  erst  im  lauf  des  18.  jh.'s  verteilen 
sich  die  formen  in  der  heutigen  weise  auf  verschiedene  func- 
tionen.  Auch  Haller  macht  noch  keinen  unterschied,  vgl.  Käslin, 
Haller  s.  23.  Dagegen  scheidet  Fulda  die  beiden  genau  nach 
den  bedeutungen  GR.  90:  'tvenn,  denn,  (des  beweggrunds,  der 
Ursache,  bediugung),  ivann,  dann,  (der  zeit).'  Aber  in  praxi 
werden  auch  von  den  schwäb.  grammatikern  beide  gleich  ge- 
braucht: dann  =  'nam'  Scliw.  m.  1775,  211.  443.  Spr.  2,  70,  sie 
miifste  dann  Seh w.  m.  1775,  7;  andererseits  alsdenn  Scliw.  m. 
1775,  552  u.  a. 

Bei  Schiller  ist  dann  und  ^oarm  die  regelmässige  form  im  Bericht 
über  die  raitschüler  S.  1, 13 — 2G  {dann  17,25,  dann  icann  =  'denn  wenn', 
namsi25,  21,  ?fOH«  condicionol  S.  1, 13,30.  42,2.  19,15.  U,23.  19,32.  20,20. 
21,17).  Später  wird  dann  hauptsächlich  noch  gebraucht  in  der  frage :  redet 
. . .  dann?  S.  2,  327,  4  M.  168, 11.  110, 12.  98,  7,  was  dann?  2,  88,  3,  ivoßr 
dann?  2,191,11;  oder  cohortativ:  nun  dann...!  2,390,11,  so  . . .  dann! 
2,329,  9  A.  197,1  (andere  beispiele  für  dann  =  'denn'  1,305,5.  182,134. 
51,  52.  75, 13.  154, 19  [hier  im  original  bei  Garve  denn].  A.  f.  lit.-gesch.  9,  28G). 
Ferner  in  corapos.:  dannoch  =  'dennoch'  1,  77,  30.  78,  20.  82,  21.  34,  6  neben 
sodenn  =  'sodann'  2,355,22. 

Aus  der  schwäb.  literatur  der  zeit  erwähne  ich  noch:  dann  =  'denn' 
Si.  97.  110.  SG.  25,7.  47,  so  höre  . . .  dann!  ST.  54,6.  77,6,  stirbt  man  dann ...? 
ST.  2;  ähnlich  ST.  104, 11,  nun  dann!  ST.  51,  5,  dannoch  =  'dennoch'  ST. 
11,  i.  18,  5.  49,  3,  sodenn  Schw.  m.  1777,  156,  alsdenn  Schw.  m.  1775,  552. 
Veraltet  ist  denn  nach  einem  compar.,  wol  gemäss  der  spräche  der  Bibel: 
(jröfser  . . .  denn  2,  4, 17.  1,  200,  lö,  mehr  dann  2,  81,  7.  329,  27  M. «) 

Altertümlich  sind  die  Verstärkungen  einiger  adv.: 

a)  durch  composition  mit  «Z-:  allhier  2,  iG,  23;  uUdort2,3bb,2i,  alhvo 
2,129,20,  allda  1,121,24  (ebenso  1,  300,  2  bei  Haug),  also  =  'so'  1,59,11. 
121,  39.  158,  29.  172, 15  u.  a.,  wol  anlehuuug  an  die  bibelsprache,  da  Luther 
also  noch  ganz  im  sinne  des  einfachen  so  gebraucht;  —  b)  durch  andere 
Partikeln:  annoch  =  'bisher'  2,183,11,  wol  aus  der  kanzleisprache;  vgl. 
anheut  ST.  51,  6,  anjetzt  ST.  67,  8,  jedennoch  2,361,15  (und  noch  12,220), 
im  17.  und  18. jh.  gebräuchlich.  Nach  Adelung  wird  dies  'besonders  in  der 
langweiligen  kanzloysitrache'  gebraucht. 

Aus  der  bibelsprache  wird  das  condicionale  s  o  stammen,  in 


•)  dann  für  denn  kommt  noch  in  den  spätesten  werken  Schillers  vor: 
nun  dann  —  .'  S.  12,  455.  13,236,  dannoch  S.  9,  384,  31;  ulsdom  ände  ich 
nur  noch  S.  4, 141,  34.  156, 25. 

25* 


388  PFLEIDERER 

SO  tvir  glauhen  1,  77, 1;  ebenso  wo  =  'wenn'  1, 19,  33.  In  pleo- 
nastischer  weise  nimmt  so  ein  beliebiges,  den  satz  eröffnendes 
glied  nocli  einmal  auf  in  endlich  so  l-ommt  2,  87,  5,  ein  g-ebraucli, 
der  ahd.  mlid.  sehr  allgemein  ist,  im  nlid.  aber  immer  seltener 
wird.  —  so  als  synonymon  von  desto  (entwickelt  aus  um  so  viel) 
und  je  findet  sich  in  so  —  so  S.  2,  5, 17;  das  einfache  so  anstatt 
des  verstärkten  sotvohl  in  so  —  als  1, 159, 16. 

dass. 

dass  wird  noch  oft  verwendet  in  einer  weise,  die  uns  altertümlich 
anmutet:  irährend  dafs,  entstanden  aus  während  dem  da fs  (8.3,494,25. 
7,177,22),  sagt  Schiller  zeitlebens:  2, 126,  17.  281,  26.  17, 15;  so  auch  Si.  1,  77 
und  Si.  2, 177 ;  unterdessen  dafs  2,  79, 13,  darum  dafs  er  mich  liebt  2,  27, 16 
(wie  in  Luthers  spräche  häufig).  *) 

da. 

Zur  conjunction  da  ist  zu  bemerken,  dass  sie,  wie  noch  oft  im  18.  Jh., 
den  gegensatz  ausdrückt,  an  stelle  des  modernen  während  (diese  function 
von  da  ist  noch  erhalten  in  da  doch),  besonders  gern  in  der  Verbindung 
da  im  Gegenteil,  da  indessen  1, 17,  34.  22,  3.  23,  23.  34,  25.  57, 13.  105, 16. 
103,  32.  2, 15, 12.  210,  5.  299,  7  {da  indessen  Si.  118  und  oft).  2) 

als. 

In  ivo  als  einer  dem  andern  stihlt  2,  78, 15  (ebenso  nur  noch  3,  359,  3. 
357, 11.  358,  9)  ist  als  =  mhd.  allez,  acc.  sg.  ueutr.  erhalten  im  obd.  und 
westlichen  md.;  'in  der  literatur  erscheint  es  seit  dem  18. jh.  nur  bei  ab- 
sichtlicher nachahmung  der  Volkssprache'  (Paul,  Wb.). 

cds  bei  der  vergleichung,  statt  des  modernen  an  seine  stelle  getretenen 
wie,  findet  sich  noch  in  tvo  hättest  du  eitlen  finden  können  als  deinen  Seh. 
1,  56,  10  (ähnlich  als  von  ohngeführ  3,  432,  16),  als  tcenn  =  '  wie  wenn, 
als  ob'  2,27,11.  Auf  der  andern  seite  findet  sich  auch  das  von  der  nordd. 
Umgangssprache  ausgegangene,  durch  Klopstock  in  die  Schriftsprache  ein- 
geführte wie  statt  als  nach  einem  comparativ :  milder  ivie  1,  225,  33,  so  in 
Miller:  mehr  gelb  wie  Si.  40. 

Eine  specifisch  schwäb.  Verwendung  von  als  begegnet  in  das  7var  als 
heut  2,  257,  9,  wo  als  die  Zeitbestimmung  heut  zum  redenden  in  beziehung 
setzt,  um  einem  misverstäudnis  vorzubeugen.  Vgl.  dazu  Fischer,  Schwäb. 
wb.  1901, 1, 150:  'Wenn  die  angäbe  einer  nach  zeit,  ort,  person  fremden 
rede  auf  zeit,  ort,  person  des  redenden  bezogen  werden  soll,  so  geschieht 
dies  durch  den  Vorsatz  als.' 


0  tüährend  dafs  S.  3,  173.  349.  450.  576.  4,  158.  172.  270  etc.  6,  106. 
Br.  1,  264.  S.  7, 12.  17.  177,  in  S.  8  unzählige  male,  S.  13,  303  u.  a.;  —  unter- 
dessen dafs  S.  3,  426.  573,  umsonst  dafs  S.  7,  57, 11. 

^)  da  im  Gegenteü  S.  7, 148,11.  245,2.  9,346,23,  da  hingegen  S.  10,211,2. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  389 

Präpositionen. 
vor  und  für.  Die  beiden  hatten  ursprünglicli  die  gleiche 
locale  bedeutung,  nur  mit  dem  unterschied,  dass  für  die  rich- 
tung  bezeichnete  und  den  acc.  nach  sich  hatte,  vor  die  ruhe- 
lage  bezeichnete  und  den  dat.  regierte.  Im  nd.  und  einem  teil 
des  md.  fielen  beide  präp.  zusammen  in  der  form  vor,  und  da 
diese  erscheinung  natürlich  auch  in  der  Schriftsprache  eingang 
fand,  so  ergab  sich  im  altern  nhd.  grosse  Unsicherheit  im  ge- 
brauch der  beiden,  eine  Unsicherheit,  die  erst  Adelung  durch 
seine  regeln  beseitigte.  Die  Schwankungen  waren  im  18.  jh. 
noch  stark,  und  noch  in  der  classischen  periode  der  literatur 
finden  sich  vielfache  anwendungen,  die  für  unser  ohr  falsch 
sind.  Die  schwäb.  grammatiker  unterscheiden,  obgleich  das 
Schwab,  noch  heute  wie  die  alte  spräche  vor  und  für  scheidet, 
in  der  modernen  weise:  für  hat  stets  acc,  vor  regiert  dat. 
oder  acc.  'nach  Verschiedenheit  der  frage,  wo  und  wohin?' 
GK.88;  ^vor,  ante,  coram,  prae.  für,  pro'  GR.  88. 

Schiller  zeigt  zeitlebens  grosse  Unsicherheit.  Das  alte  für  statt  des 
modernen  vor  hat  er  correcterweise  in  etwas  fürs  Haus  legen  1,  252,  56, 
führt  ihm  etivas  für  Augen  1,14,16,  stelle  mir  ...  für  Augen  1,24,21;  in 
compos.:  fürtrefflich  1,U,  16.  16,1.  20,17.  21,25.  Br.  49, 27.  50,23.  S.  2, 
283,5.  380,31;  daneben  vortreflich  Br.  50,15.  55,4;  fürnehm  S.  1,262,13. 
276,  7.  2, 144, 14,  Füriciz  1,  24,  26,  herfür  1,  214, 10.  264,6.  287,8.  2,  SOii,  7  M, 
Fürsicht  2,306,5.  341,3;  vor  ist,  wol  zufällig,  historisch  richtig  in  'Tag  vor 
Tag  1, 116, 22;  verniengnng  von  vor  und  für  liegt  vor  in  für  Furcht  2, 163, 18. 
303,  22,  für  Entsetzen  2,  357,  9,  für  mir  sehen  1,  26,  3,  für  Lust  2,  394,  2, 
für  seinen  BlicJcen  Württ.  st.-anz.  1898,  228,  43,  hielten  mich  vor  Br.  10,  7, 
danken  vor  1,  26,  23.  25,  Gefühl  vor  1,  32, 24.  35,  6,  davor  =  'dafür'  1,  22, 19. 
209,  87,  dafür  =  'davor'  1,  245,  26,  Fürbild  1,  216,  41,  fürkommen  Br.  45, 11 
neben  vorkommen  Br.  45,  22. 

Aus  der  schwäb.  literatur  jener  zeit  Hessen  sich  für  diese  Unsicherheit 
massenhafte  belege  beibringen:  Dank  vor  Schw.  ra.  1777,  134;  vor  etwas 
halten  1777,  440,  für  Angst  SO.  100,  sorgen  vor  Si.  293,  ein  Bild  vor  mich 
ST.  26,  vor  Sünder  ST.  34,  vorist  Si.  56, 124,  vorjest  Si.  2,  33,  spricht  dir 
für  SG.143,  für  Wonne  SCt.2,195  u.s.w.') 


>)  Noch  in  seinen  spätesten  werken  ist  Schiller  nicht  immer  ganz 
sicher  im  gebrauch  von  vor  und  für;  es  genügt  daher  wol,  aus  den  spätesten 
werken  beispiele  anzuführen,  um  Schillers  verhalten  zu  den  beiden  formen 
in  nachschwäbischer  zeit  zu  illustrieren:  S.  1'2,  Wall.:  für  Hunger  14,  für- 
nehm 15,  für  Ungeduld  26,  für  Kummer  31,  da  sei  Gott  für  125,  grau  für 
Alter  217,  fürtrefflich  248;  M.Stuart  S.  12:  für  Erstaunen  458,  für  Zorn 
502,    für  Schrecken  513,    für  Erstaxinen  521,    sterbend  für  ScJiaam  523; 


390  PFLEIDERER 

ausser  wird  in  der  altern  spräche  auch  local  verwendet, 
=  modern  ausserhalb.  So  bei  Luther:  atifser  dem  Lager  sein 
3.  Mos.  13.46;  nach  A  dehing,  Wb.  ist  diese  Verwendung  noch 
ganz  gewölinlich. 

Schiller:  auf  einem  Hügel  ausser  dem  KircMiof  2,  dS7,2S.^) 

durch  Avird  jetzt  räumlich  nicht  mehr  in  so  ausgedehnter 
weise  gebraucht  wie  früher  (Luther:  durch  den  Weg  =  'über 
den  weg  hin'). 

Schiller  sagt  im  vers:  Sympathie  loaltet  durch  des  Übels  Reiche  1,211,45 
—  'dnrchhin,  in  den  reichen'. 

gegen  regierte  ehedem  und  so  noch  im  17.  jh.  in  der 
Schriftsprache  den  dat.;  auch  bei  Lessing,  und  bei  Goethe  im 
GcUz  V.  Berl.  3.  act  (ihr  werdet  gegen  der  Menge  ivenig  sein)"^) 
kommen  noch  vereinzelte  fälle  mit  dat.  vor;  das  schwäb.  hat 
den  dat.  noch,  und.  Fulda  nennt  gegen  unter  den  präp.,  die 
nach  Verschiedenheit  der  frage  wo  und  wohin?  dat.  oder  acc. 
regieren,  GE.  88.  Adelung:  'Im  oberdeutschen  fast  jederzeit 
mit  der  3,  endung.  Doch  nun  mehr  ist  es  wohl  entschieden, 
dal s  dieses  vorwort  im  hochdeutschen  die  vierte  endung  erfordert.' 

Schiller:  (jcycn  meinem  Degen  2,100,22;  die  ...  lliat  hat  ...  Werth 
gegen  derjenigen  1,  65, 14.  Ebenso  gegen  mit  dat.  SO.  22.  SG.  2,  274.  Spr.  1, 159. 

hinein,  als  nachgestellte  präp,  mit  dem  acc: 

das  Judlende  Gebirg  hinein  verschollen  l,2iS,  2;  gebildet  wie  den  Berg 
herauf  1,  348,  5  und  ähnliche.  Die  Wörterbücher  verzeichnen  keine  derartige 
Verwendung  von  hinein;  vgl.  rvirnmelts  den  Hof  herein  S.  3, 224, 17. 

jenseits,  m'hö..jensit  mit  gen.,  später  auch  mit  dat.  (jen- 
seit  dem  Jordan  1.  Mos.  50, 10,  jenseit  dem  Grabe  Lessing,  Dram.l). 

Schiller:  jenseits  dem  Kozytus  1,  259,  16.  Adelung  heisst  den  gen, 
einen  fehler. 

Bei  den  präp.,  die  in  der  Schriftsprache  gen.  regieren,  kann 
es  einem  Schwaben  leicht  passieren,  dass  er  einen  nicht  der 


S.  13:  für  Schaum  409,  für  Schmerz  vergehen  444.  456,  für  Thränen  451, 
für  Ungedtdd  476 ;  S.  14 :  rasend  für  Zorn  169,  herfürbrach  374,  herfür  ziehen 
327,  für  Furcht  375,  für  Marter  tot  393,  für  Schrecken  417,  wir  stehen  vor 
unser  Land  329;  S.  15' :  für  Wut  80,  für  Zorn  350,36,1,  herfürzog  2ö8.  — 
Diese  Sammlung  zeigt,  dass  viel  häufiger  für  statt  des  modernen  vor  an- 
gewendet wird  als  umgekehrt.  Nur  in  vor  jetzt  ist  dies  falsche  vor  sehr 
häufig  verwendet:  Br.  5,  99.  6,20  u.a. 

1)  So  noch  local  =  'ausserhalb'  in  S.  3, 578, 25.  7, 240,  6.  239.  Br.  3,  32. 

2)  Andere  beispiele,  aus  Goethe,  vgl.  im  glossar  S.  5  unter  gegen. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER,  391 

schriftsprachlichen  norm  entsprechenden  casus  wählt,  da  das 
Schwab,  ja  (abgesehen  vom  subst.  in  der  Stellung  vor  einem 
es  regierenden  subst.)  keinen  gen.  mehr  hat.  Daher  regieren 
jene  präp.  jenseits,  trotz,  statt,  ivährend,  ivegen  im  Schwab, 
den  dat. 

Für  nächst  an  mit  dat  S.  2, 9, 24  setzt  Schiller  später  zu- 
nächst an  S.  3,  578,  11. 

oh  mit  dat.  ist  in  älterer  spräche  häufiger  als  in  neuerer; 
jetzt  wird  es  meist  nur  noch  in  gehobener  rede  verwendet. 

Schiller:  oh  dem  Frevel  von  1, 120, 11 ;  ob  dem  Beten  ertapijen  2, 187,21, 
hängt  oh  den  Thoren  1,  235,  55. 

statt  hat  sich  erst  seit  dem  18.  jh.  anstelle  von  anstatt 
verbreitet. 

Wie  auch  bei  Lessing,  Goethe  u.  a.  steht  der  dat.  in  statt  rufsischen 
Bubels  1,203,3;  —  gen.  statt  seiner  Br.  14, 17.i) 

trotz  regiert  urspr.  den  dat.,  später  auch  den  gen.;  Ade- 
lung hat  beides  neben  einander. 

Schiller:  troz  dem  Teufel  2,2\2^\&,  truz  dem  Teufel  2,(^2,  b,  truz Sturm 
und  Wind  2,-13,2;  vgl.  trotz  dem  Wetter  Si.2,370;  ähnlich  SO.  182. 2) 

Bei  um  —  tvillen  lässt  Schiller  gern  das  zweite  glied, 
u'illen,  fallen: 

tvie  lieb  ich  dich  um  dieser  unerschütterlichen  Treue  2,  53,  25.  220,  21, 
ich  habe  ihn  um  alles  gebeten  flicht  zu  ...  Br.  30, 19. 

Über  mit  dat.  zur  bezeichnung  einer  tätigkeit,  verbunden 
mit  der  Vorstellung  eines  causalen  Verhältnisses,  wird  in  der 
älteren  spräche  verwendet  wie  oh: 

crröthen  über  der  Bosheit  2,  125,  3,  einen  zu  Rathe  ziehen  über  dem 
ivas  2,  20,6,  icir  entsetzen  uns  über  den  ...  Sophismen 2,SQd,G;  vgl.  die  Haare 
stehen  zu  Berg  über  der  Vergleichimg  S.  3,  442, 19,  ivenn  wir  über  dem  Ge- 
mälde vernachlässigen  S.  3,  367, 13. 

unter  zur  bezeichnung  der  begleitenden  umstände: 

unter  dem  Traum  1, 161,  33,  unter  dem  Schlaf  1, 175, 30,  unter  goldnem 
Nektarschaum  fliehn  der  Götter  Tage  1,  238,  69. 

ivährend,  als  präp.  zuerst  von  Adelung  erwähnt,  wird  in 
Süddeutschland  mit  dem  dat.  verbunden  (so  auch  bei  Goethe). 


•)  Dazu  später:  statt  Bonnern  des  Geioissens  S.  5',  46,  statt  dem.  Unter- 
kleid S.  6,  8,  39. 

2)  truz  allen  Teufeln  S.  3,  20,  6,  trotz  mit  dat.  S.  4, 102.  5',  74.  6,  368. 
10, 182, 20.  11, 300, 28.  12, 399, 6.  15',  158.  Br.  2, 159. 


392  PFLEIDERER 

Schiller:  ivährend  den  Vrüfumjcn  1,137,9,  während  den  Geschäften 
1,163,32,  daneben  gen.:  während  des  Durcheinanders  2,94,11;  vgl.  wäh- 
rend dem  Essen  Si.  45.  Si.  2, 121,  während  dem  Tanzen  Si.  208.  Adelung 
sagt,  fehlerhaft  sei  die  Verbindung  mit  dem  dat.,  welche  im  oberdeutschen 
häufig  sei. 

ivegen,  ebenfalls  in  Süddentscliland  mit  dem  dat.  ver- 
bunden, was  Adelung  wider  tadelt,  werfen  mit  dat.  kommt 
auch  bei  Goethe  vor,  vgl.  Heyne,  Wb. 

Schiller :  icegen  den  Carmen  1, 184,  6,  wegen  dem  Göz  Br.  55,  27, 14, 
und  oft  später. ')  Vgl.  wegen  dem  Bcimcn  Schw.  m.  Ylll,  hll,  tvegen  stets 
mit  dat.  in  Si.  15.  28.  93.  94.  255.  Si.  2,  41.  50.  95,  wegen  Theresen  Si.  2,  55  etc. 

Eine  ungenaue  Verwendung  findet  sich  bei  sivi sehen  in 

ztvischen  meine  Hoffnung  Br.  52,  24, 1,  zivischen  mein  Vaterland  1, 26, 25 ; 
vgl.  zivischen  jede  Wirkung  wird  sich  einschieben  S.  4,  299,  1,  und  etwas 
anders :  Abends  zwischen  Licht  S.  3,  473, 2. 

£u  ist  mundartliche  eigentümlichkeit  in 

ist  Vater  zu  2,  213, 16  (und  noch  S.  3, 383.  Br.  3,  356.  S.  13, 186),  Lieb- 
haber zu  dem  Stück  2,205,2;  ähnliche  Verwendungen:  Sucht  zum  grofsen 
Mann  2,  278,  19,  die  Losung  zur  Freiheit  2,  93,  12,  gleiches  Recht  zum 
Grasten  und  Kleinsten  2,25,7,  Hoffnung  zur  Wieder genesung  Br.  20,'')  mis- 
mutig  zu  allem  Br.  22 ;  dagegen  würden  wir  heute  zu  erwarten  in  meine 
Verhältnisse  mit  ihm  Br.  38, 12. 

Andere  auffällige  Verwendungen  von  präp.: 

Aussicht  in  ctw.  1,  95,  15,  auf  loelcher  Walhing  mufs  ich  Ihnen  be- 
gegnen? 2,295, 14,  Fflichten  sind  gegen  die  Demut  beschtooren  icordeni,2i,  19,') 
(Tesinnungen  von  Gott  1,  23,  8,  vorteilhafte  Denkungsart  von  jd.  (=  über) 
1,  23,  9,  Gesinnungen  hegen  von  jd.  1, 19,  25.*) 


')  wegen  mit  dat.  Br.  1, 104.  116.  133.  150.  160.  2,  112.  177.  219.  245. 
3, 39.  43.  57  etc.  S.  3,  287, 8.  4, 158, 17.  161, 10.  130.  Dann  selten,  aber  noch 
tvegen  leidenschaftlichem  rastlosem  Wesen  S.  15'',  399, 19. 

^)  Vgl.  Hoffnung  dazu  S.  7,  223, 33.  8, 149, 12,  ein  Talent  zu  der  Tugend 
S.  4,  43,  26,  Fertigkeit  zu  Empfängnis  S.  4,  55, 15,  Hoffnung  zu  einem  Pardon 
S.  4,  82,  27. 

•'')  Aehulich  das  Herz  erleichtern;  . . .  gegen  iven  sollte  ich  das  thun 
Br.  12,  4,  4. 

*)  Hierher  stelle  ich  noch  eine  anzahl  von  verben,  die,  verglichen  mit 
der  modernen  spräche,  teils  dieselbe  präp.,  aber  mit  anderem  casus  re- 
gieren, teils  eine  andere  präp.  eingesetzt  haben:  die  Welt  ivirft  ihr  Bild 
in  der  Seele  zurück  1,  83, 13,  jem.  an  schroffen  Klippen  spiefsen  1, 120, 16, 
verweilen  über  einen  grofsen  Gedanken  2,  326,  11,  Bewunderung  an  sich 
ziehen  1,16,12,  etwas  auslegen  für  (=  'als')  1,202,28,  etwas  für  ein  Glück 
schäzen  Br.  39,  2,  ich  rechne  es  für  einen  Verlust  1, 196, 14,  mifsstimmen  mit 
2,  364, 10  (vgl.  abstechen  mit  SO.  94),  sie  verzehrt  mit  dem  Abtrag  2,  349, 15, 
auf  mehr  raffiniert  dein  Gehirn  nicht  2,  39,  7,    liebäugeln  zu  jd.  1,  214,  17, 


SPRACHE    DES   JUNGEN   SCHILLER.  393 

ohne  findet  sich  adverbiell  gebrauclit  in 
Hochlässifj  ohne  leichtsinnig  Br.  44,20  (iu  deu  Wörterbüchern  ist  der- 
artiges nicht  verzeichnet). 

Anhang. 

lieber  wortbildnug  und  Wortschatz, 

Im  folgenden  ist,  abgeselien  vom  capitel  über  suevismen, 
keine  Vollständigkeit  beabsichtigt.  Die  zusaninienstellimg  will 
hanptsächlich  einen  überblick  über  Schillers  Sprachmaterial 
bieten,  indem  sie  einmal  zeigt,  welcher  mittel  sich  der  junge 
Schiller,  oder  allgemeiner  ein  dichter  der  zweiten  hälfte  des 
18.  jh.'s,  bediente,  um  seinen  Sprachschatz  zu  bereichern  und 
seine  spräche  poetischer,  oft  auch  origineller  zu  gestalten,  — 
und  dann  dasjenige  in  seinem  Wortschatz  hervorhebt,  was 
Schiller  als  Schwaben  charakterisiert. 

A.    Bildung  von  Wörtern  durch  ableitung. 
Ableitung  von  nominibus  aus  verbis  und  nominibus. 

Substantivum. 
Substantiva  auf  -er.  Während  in  früheren  spracli- 
perioden  ableitungen  mit  diesem  suffix,  got.  -arcis,  ahd.  -an, 
mhd.  -oerc  und  -er,  wie  es  scheint,  nur  von  subst.  gebildet 
wurden  (vgl.  AMlmanns,  Gr.  2,  §  222  ff.),  trat  mit  dem  mhd. 
eine  änderung  ein,  indem  nun  die  verbalen  ableitungen  das 
übergewicht  bekamen.  Besonders  im  nhd.  treten  die  nominalen 
ableitungen  ganz  zurück;  desto  häufiger  werden  aber  noniina 
actoris  mit  -er  gebildet. 

Auflaurer  2, 305, 5  (DWb. :  Fichte  u.  a.),  Auflauscher  2,  294, 19  (DWb. 
nur  Tieck),  Bcuikeroiirer  2,  25, 17,  Barbicrer  2,  32, 12,  der  ältere  ansdruck 
für  Barbier  2,31,6  (nach  DWb.),  Beginner  (Sanders:  Voss),  Ender  (schon 
in  Stieler)  1,301,0,  Behorcher2,^A^,2d  (Sanders:  Lessing),  ßc/Zf-r  1,  240, 116 
(DWb.:  Logan,  Vos.s),  Beiitehrhneider  2,  355,27  (DWb.:  Gryphins,  Weckher- 
lin,  Wieland  u.a.),  Denker  2,'S12,2ii,  Halbdenker  2,  372,  2-i  (nicht  in  Sanders; 
DWb.:  Fichte),  Dintenklecker  2,  224  anni.  M  (Stieler),  Donnerer  1,315,42 
(DWb.:  Klopstock,  Goethe,  Stolberg),  Epochmacher  2,378,16,  Erderschüt- 
terer 2,  349,  27  (Sanders:  Voss),  Flamvicnschlci(derer'[,  315,  43  (nicht  in  DWb. 
und  Sanders),   Grenadierer  2,  376, 22  (falls  dies  nicht  eine  pl.-form  ist,  vgl. 

ich  that  Wünsche  an  Gott  1,55,24,     ich  nehme  etw.  über  wich  2,39,16. 
230,  31  (ebenso  S.  5',  142),  ihren  Spott  treiben  aus  jem.  2, 189, 16. 


394  PFLEl DERER 

s.  339).  Lacher  \,  167,7  (seit  dem  16.  jh.  belegt),  Mordbrenner  2,  Sb^,d2  (in 
Stieler;  DWb.:  Lessing,  Voss),  Ohrcnhläser  1,117,31  (seit  15. Jh.),  Schkkh- 
händlcr  des  Geschmacks  2,  34-i,  3  (bei  Adelung  verzeichnet;  figürlich  nur  bei 
Schiller,  nach  dem  DWb.),  Tadler  und  Lober  2,  375,  22  (Stieler),  lieber- 
icältiger  2,25  (Sanders:  nur  in  Schiller),  Verbesserer  Br.  43  (Adelung:  nur 
selten),  Verkünder  1,  185,  11  (DWb.:  Zwingli,  Voss),  Verlierer  2,  358,  11 
(Stieler;  sonst  nichts  im  DWb.),  Volkbeherrscher  l,lSS,6i  (nicht  in  den  wbb.), 
Waller  (in  Sanders  nicht  vor  Chamisso;  Adelung:  'von  einigen  neueren  ohne 
noth  gewagtes  wort'),  Wesenlenker  1,285,1,  Wiedergeber  1,185,4  (nicht 
in  den  wbb.). 

Dem  Suffix  -er  kann  noch  eine  andere  ableitungssübe 
vorausgehen: 

-Her  in  Menschenbildner  1,99,26  (schon  mhd.  bildoutre,  vgl.  der  Bildner 
S.  9,  87, 124.  269,10,  Bildnergeist  S.  12,418,  während  Schubart  sagt  Menschen- 
bilder SG.  2,  273),  -Icr  in  StüdÜcr  1,  345,  30.  346,  59  ohne  verächtlichen  sinn. 

Zu  den  ableitungen  auf  -er  werden  nun  auch  feminina 
gebildet: 

Bnhlcrin  2,  218, 19,  Ericecker  in  2,  343,  3,  Hörerin  1, 100,  3,  Herzver- 
giftcrin  1,226,8,  Gelegcnheitsmachcrin  2,  Si3,li  (DWb.:  Börne  und  Weber), 
Nachahmerin  1,62,24  ('tugend  ist  n."),  Schöpferinnen,  Erhaltcrinnen  und 
Beförderinnen  Württ.  st.-anz.  1898,  228,  14,  Schwäzer  und  Schwäzerinnen 
2,  386, 12,  Stümperin  2,  66,  7  (nicht  in  den  wbb.),  Wegweiserin  1,  64, 26  (San- 
ders: noch  in  Mendelssohn),  Mäklerin  2,351,23  (DWb.:  nur  Schiller). 

Femininbildungen  auf  -in  allein: 

Bidin  —  angesicJit  1, 194,  238  (für  Buhlin  seltene  beispiele  in  Sanders 
und  DWb.),  Lüstlingin  1, 194,  230  (nicht  in  den  wbb.),  Tyrannin  1,  91,  28 
(Wieland). 

Diese  bildung  ist  im  18.  jh.  wie  noch  heute  im  schAväb. 
gäng  und  gäbe  bei  fem.  von  bürgerlichen  eigennamen: 

die  Frau  Bamlerin  1,  244,  21, 1,  Frau  Hauptmann  Vischerin  Br.J59,30,3, 
sogar  Frau  riutonin  1,257,206;  ebenso  bei  titeln:  die  Frau  Ämtmännin 
1, 193,  208;  vgl.  dazu  Jungfer  Fischer  in  Si.  2,200,  die  Kornfeldin  Si.  2, 105.») 

Ein  sehr  beliebtes  mittel  der  ableitung  ist  im  18.  jh.  das 


')  Spätere  fem.  auf  -in:  Bübin  S.  3,  573,  Bewahrerin  S.  10,  127,  21, 
Nachahmerin  S.  10,  231,  5,  Buhlcrin  S.  3,  20,  24,  Herzenfefslerin  S.  6,31,  Fm- 
pfindlerin  S.  3,  20,  Beterin  S.  3,  201, 20  etc.  Die  bezeichnung  des  weiblichen 
geschlechts  bei  eigennamen  kommt  bei  Schiller  noch  .spät  dann  und  wann 
in  briefen  vor:  liebe  Kunzin!  Br.  1,283,  die  Humboldtin  Br.b,ii7  (brief  an 
Cioethe),  die  Schioenkin  Br.  6, 115.  —  Das  aufgeben  dieser  bildungen  in  der 
Schriftsprache  will  den  Schwaben  offenbar  noch  im  19. jh.  nicht  'hinunter', 
vgl.  Gayler,  s.  75  (geschrieben  1835):  'Die  nora.  propr.  können  auch  so  ge- 
bildet werden:  Jungfer  Schwarzinn,  wiewohl  man  angefangen  hat,  diese 
bezeichnung  zu  unterlassen.' 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  395 

feminiiisuffix  -uurj.  Die  so  gebildeten  fem.  sind  überwiegend 
verbalabstracta.  Ich  führe  von  Schiller  nur  die  etwas  un- 
gewöhnlichen bildungen  an: 

Anuerhung  ums  Fräulein 2,  243, 11.  63,  5  (DWb. :  Lessiiig;  bei  Adelung 
Terzeichnet),  Abstechtuff  1,84,33  (Lessiug,  Kant;  nach  Adelung  nur  im 
eigentlich  trans.  sinn  erlaubt),  hedaurungswimh'g  St.-anz.  1898,  227,  31  (nicht 
im  DWb. ;  Adelung:  'das  haupt wort  Beffoinvrjif/  ist  im  hochdeutschen  nicht 
sehr  gewöhnlich'),  Einrednngcnl,  112, 14  (Lohenstein;  Adelung),  Entzukung 
2,238,20.  1,16,9.  24,29  (Klopstock,  Goethe  u.  a.),  Erg/efsung  (=  'ergnss'), 
Hang,  Z.  466  (S.  7,  57, 15,  Lessing,  Goethe,  Herder),  erstaunungsvoll  1,  58,  31 
(Lessing,  Klinger),  Fäuhoig  2,  182,  2C)  (S.  3, 576,  Lessiug;  Adelung:  'von 
einigen  für  fäulnifs  gebraucht'),  Fi'iJihingcn  1, 168, 14.  149,17.  148,30.  149,10 
(nicht  bei  Adelung,  DWb.,  Herder,  Goethe  u.  a.),  Heuchdung  Br.  10,  23  (Ade- 
lung: 'ungewöhnlich';  bei  Steinbach  erwähnt;  bei  Sanders  und  DWb.  keine 
belege),  Grübelung  1, 109,  26  (nicht  in  den  wbb.),  die  tierische  Haushaltung, 
Kochung  und  Scheidung  2,  362,  7  {Kochung  in  dieser  bedeutung  ist  sonst  im 
DWb.  nicht  belegt),  Lesung  1,  58,  16  (Lessing,  Wieland,  Herder,  Goethe, 
Klinger  u.a.),  Rundung  =  'runde,  gegend'  2.32,9  (S.  3,  91, 15;  das  DWb. 
hat  aus  der  gesamraten  literatur  noch  zwei  belege  für  diese  bedeutung), 
Scheidungen  1, 160,  32,  Segnungen  1, 182,111,  Tröstung  1,103,9,  Teilnehmung 
2,21.  1,99,34  (am  ende  des  18.  jh.'s  sehr  üblich,  vgl.  DWb.;  Adelung  kennt 
kein  Teilnahme,  sondern  nur  Teilnehmung),  Vergehung  1,  25,  5.  104,  21,  Ueber- 
schauung  1,10,34:.  76,3  (nicht  in  den  wbb.,  aiisser  in  Adelung),  Versieglung 

1.62.7  (nicht  in  den  wbb.),  Verblümung  2,372,1  (DWb.  nur  iu  Schiller), 
Uebernchmung  St.-anz.  1898,  227,27  (in  Adelung),  Verfälschung  =  'verirrung' 

2.11.8  (bei  Stieler;  DWb.:  Kant,  Schiller),  Verfassungen,  ökonomische,  = 
'Verhältnisse' Br.  37, 23  (ähnlich  oft  am  ende  des  18. jh.'s,  vgl.  DWb.),  Zei- 
tigung Br.  37, 17,  Zierung  Br.  44  (nicht  iu  Adelung;  Sanders  hat  einen  beleg 
für  das  wort),  llieatrcdisierung  Br.  38,  Skeletisirung  1, 161, 19,  Viehmaskirung 
1,1K8,73.>) 

Die  feminina  auf  -kcit  gehen  zurück  auf  bildungen  von 
adj.  auf  -ec  mit  -heit,  das  früher  selbständiges  subst.,  in  den  west- 
germ.  sprachen  zu  einem  mittel  der  abstractbildimg  geworden  ist. 


*)  Die  Sammlung  von  fem.  auf  -ung  Hesse  sich  besonders  aus  der  nächst- 
folgenden zeit  noch  sehr  vergrössern;  z.  b.  Anhörung  S.  4,43,  Auflouschung 
y.  3, 180,  20,  Entwischung  S.  4,  75,  Erbietung  S.  3,  56,  Erblassung  S.  3,  497, 
Erblickung  S.  4,  52,  Bedaurung  S.  4,  68,  Beschliefsung  Br.  1,  205,  Verschwin- 
dung ^.4,  2U,  Zielung  S.  3,-010,  Teilnehmimg  S.  Q,  18.  Br.  1,162.  S.  4,  328 
u,  a.;  besonders  ist  zu  erwähnen  Lesung  S.  5',  4, 13.  6,18,23.  Br.  1,346. 
4, 129.  5, 187.  7,  72,  Durchlesung  Br.  6,  271 ;  aus  späterer  zeit  etwa  noch 
Annchmung  S.  8, 148,  5,  Besitznehmung  S.  7,  83, 19,  Durcheinanderwerfung 
Br.  5, 188,  Erblickung  Br.  6,  38,  Entschliefsung  Br.  8,  50,  8,  Ergiefsung  Br. 
2,  223,  Hinderung  Br.  7,  92.  2,  82,  Ucbergcbung  S.  7,  203,  8,  Teilnchmung  S. 
8,5,2.  Br. 5, 421  U.S.W. 


396  PFLEIDERER 

Ueblif/keit  1,  113, 19.  112,2  (in  den  wbb.,  sowie  bei  Adelung  nur  Uebel- 
keit),  Farte/lichkeiten  2,  202, 14  (Stieler;  Goethe,  Wieland,  Lessing,  Klopstock), 
Fnhmredigkcit  2,386,2  (S.  7,  86;  DWb.  bat  noch  einen  beleg  aus  Kirchhof), 
Eauigkeit  1,  83, 6  (öfters  im  DWb.),  Geschäftigkeit  1, 22,6,  Blödigkeit  2,  381,8. 
344, 17,  u.  a. 

Feminina  auf  -ci  =  fi'z.  -ic,  mlid.  -te: 

Einsiedelei  2,  848,  20  (erst  im  18.  jh.  aufgekommen ;  DWb. :  Goethe, 
J.Paul),  Gaukeleyen  2,  10-i,  n  (in  den  wbb.  seit  17.  18.jh.),  Lappereyen 
2, 122, 12  (schon  bei  Stieler  im  sinn  von  'nichtswürdige  kleinigkeiten'),  Liverei/ 
2,77,18,  jetzt  durch  livree  verdrängt,  JahnHarktsdiidelci  1,223,78  (nicht 
im  DWb.),  rJiantaseij  1, 182,  29  im  reim,  2, 163, 1  und  1,  57,  30  in  prosa  (das 
19.  jh.  sagt  Fhantasie  mit  erneuter  entlehnung  des  frz.  suffixes  -ie),  Schilderei 
2,  369,  9.  Hang,  Z.  456  neben  dem  jetzt  üblichen  Schilderung  2,  235,  25  (-ei 
im  17.  und  18.  jh.  sehr  häufig).  Völlereil, 201,  Douqnixoterei  Arch..tlit.-gesc]i. 
9,286.') 

•niss. 

Die  eigentliche  oberdeutsche  form  dieses  suffixes,  -nuss,  findet  sich  bei 
Schiller  nur  zweimal,  in  poesie,  davon  einmal  im  reim:  das  Verhängnufs 
1,122,75,  ausserhalb  des  reimes :  Finsternufs  1,217,21;  während  bei  Haller 
bis  1748  -nuss  das  gewöhnliche  ist  (vgl.  Käslin,  Haller  s.  30),  Verzeichnus 
finde  ich  noch  Schw.  m.  1775,  317.  1776, 34,  beidemal  in  prosa.  Die  schwäb, 
grammatiker  verzichten  nach  längerm  überlegen  auf  das  schwäb.  -nuss  zu 
gunsten  von  -niss.  So  berichtet  Nast  im  Schw.  m.  1776,  171,  dass  er  sich 
gedanken  über  die  beiden  endungen  gemacht  und  sich  für  -nuss  entschieden 
habe,  weil  dies  das  ältere  sei  und  das  nordd.  -niss  nur  umgelautetes  -nuss 
sei;  aber  er  füge  sich  seinem  freunde  Fulda,  der  'für  Nordteutschland  den 
aussprach'  tue  (s.  172)  und  der  ebenda  s.  175  schreibt:  'nis  hat  den  vorzug 
vor  unserni  gemeinen  ni(s\  Subst.  auf  -nis  vgl.  s.  350;  dazu  noch  Bedauernifs 
2,  370, 28  (S.  6, 1 12, 17;  DWb. :  Goethe,  Musäus,  Schiller),  Empfindnisse  2,  58, 18 
(DWb.:  Nicolai  u.a.). 

Audi  das  romanische  suffix  -ist  wird  im  18,  jh,  gern  zu 
Wortbildungen  verwendet. 

So  hat  Schiller:  Hypochondrist  Br.  26.  27,  Anthologist  2,384,10,  885,  28, 
Karikaturist  2,361,12,  Hexametrist  Hang,  Z.  459. 

-igt  ist  verschiedenen  Ursprungs  in  Käfigt,  Bickigt  und 
Geschwistrigt. 

Käfigt  1,  213,  32.  44,  daneben  Kcficht  2,  237,  6.  48,  6,  aus  mhd.  kf.vje, 
lat.  cavea;  mit  wandel  von  j  :  g  wird  daraus  Kefig  und  aus  diesem,  nach 
Verschiebung  von  -ig  zu  -ich  (vgl.  s.  319)  mit  secundärem  t:  Käficht,  auch 
Käfigt  geschrieben  (wie  die  folgenden  -igt  auch  nur  Schreibungen  tür-icht  sind). 
Die  form  Käficht  wird  auch  von  Goethe  und  Wieland  gebraucht.  Vickigt 
2,  263, 16  M  (und  S.  4,  74,  4)  ist  mit  dem  hochdeutsch  sehr  productiven  suffix 

1)  Vgl.  dazu  Schilderei  Schw.  m.  1780,  582,  Höllentäuscherei  SG.  2, 162, 
Zu-cydeuteley  S.  5',326,  Feerey  S.  4,18,  I'edanterey  Bt.  1,356.  6,33.  S.  9,296,4. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  397 

-rt7(/*)  mit  angefügtem  secniulärem  t  gebildet.  Gescliwistrigt  Br.  2,  2,  nur  im 
ersten  erhalteneu  brief  Schillers  begegnend,  ist  die  schwäb.  form,  entstanden 
aus  geschivistrigit  <  mhd.  (jesivisterfiü;  vgl.  DWb.  und  Kaiiffmaun  s.  111. 

Ungewöhnliche  adjectivabstracta  auf  -i,  in  der  mo- 
dernen spräche  meist  durch  andere  ableitungen  verdrängt,  sind: 

die  Wilde  2,  164,  3,  die  Schöne  1,  218,  i.  298, 114.  351, 10,  die  Grüne 
1,215,23  (Sanders:  Goethe,  Hölderlin  u.a.),  die  Finstere  2,  80, 11  (nicht  be- 
legt aus  dem  18. 19.  Jh.),  die  Festen  des  KuraJcters  2,  53,  7,  die  Runde  1, 171,  26 
(Haller,  Herder,  Goethe,  Voss),  die  Kund  2,  96, 1-4.  ^) 

Von  der  diminutivbildung  mit  -lein  und  -chen  kann 
ich  füglich  absehen. 

Das  zu  -el  apokopierte  oberdeutsche  dirain.-suffix  -ili,  das  aus  den 
bair.  mundarten  herübergeuonuneu  ist,  soweit  es  in  der  Schriftsprache  auf- 
tritt, findet  sich  in  3Iädels  2,  34,  6.  17,  11,  Liedel  1,  351,  9,  Dingel  1,  352,  41. 
44,  Bissei  2,  301,  8  M. 

Sehr  oft  findet  sich  die  rad.  Schreibung  -gen  für  das  (ursprünglich  md.) 
Suffix  -chen,  aber  nie  von  Schillers  eigener  band  geschrieben ;  M  hat  es  einige 
male:  Lüftgen  2,  307,  9  M,  Mädgen  2,277,21;  meistens  aber  schreibt  auch 
M  -chen,  während  A  -gen  schreibt:  Müdgen  2,  241,  9  A,  -chen  M,  Thiergen 
2,  259,  27  A,  -chen  M,  Bisgen  2,  231, 15  A,  -chen  M,  Miittcrgcn  2,  259, 16  A, 
-chen  M;  die  übrigen  fälle  von  -gen  stehen  sämmtlich  in  Metzlerschen 
drucken:  TTör^^en 2,366,3,  6%eH 2, 144, 15.  40,12,  il/öf/^ren 2, 149, 14.  60,20. 
65,  21  etc.,  Fläschgen  2,  28, 19.  107, 18,  Thiergen  2,  80, 11.  96,  4,  Gesichtgen 

1,  315,  21.  307,  26.  309,  42,  Titelgen  2,  19, 18,  Häusgen  2,  144,  9,  Dinten- 
füfsgen  1,207,39,  Seufzergenl,293,lb.27,  Pülvergen2,4A,4i  etc.  Anfügung 
des  dimin. -Suffixes  an   einen  -er-plural  hat  stattgefunden  in  Büderchen  pl. 

2,  8,  9,  wie  dies  im  nhd.  nicht  selten  ist,  vgl.  Wilmauns,  Gr.  2,  §  248,  anm.  2. 

Adjectivum. 
Adjectiva  auf  -ig.    lieber  die  Schreibungen  -ig  und  -ich 
vgl.  s.  320 ;  über  umlaut  bez.  fehlen  desselben  in  der  Stamm- 
silbe vgl.  s.  296  f.    Im  folgenden  gebe  ich  eine  anzahl  von  adj. 
auf  -ig,  die  im  nhd.  nicht  zu  häutig  sind. 

dämmerig  2,352,29  (DWb.:  Goethe,  Klinger;  Sanders  dazu:  Auerbach 
und  spätere),  dumpfig  l,yo8,^l.  108,66  (DWb.:  Wieland,  Goethe  u.  a.), 
(/»>»jj//5f//e/l,284,  3(nichtimDWb.),  durchgängig  2,  312,  Ib.  347,32.  253, 3  A 

>)  Vgl.  Kluge,  Nom.  stammbildungslehre  §  67. 

'■')  Substantivierte  neutra  sind  nicht  sehr  häufig,  abgesehen  von  ganz 
gewöhnlichen  wie  das  Gute  etc.;  nennenswert  sind  das  schweigende  Leere 
S.  2, 203, 14  (erst  in  der  zweiten  hälfte  des  IS.jh.'s  wider  zu  häufigerer  Ver- 
wendung gelangt;  vgl.  ähnlich  bei  ^Miller:  ein  gewisses  Leere  Si.  1,  118), 
in  dem  Finsamen  S.  1,  219,  42,  Ktdt  und  Graufs  1,  350,  35,  das  Gelb  1,  27,  26, 
das  geliehne  Both  {=  'dasgeld')  1,296,44,  ein  verschämtes  Both  1,188,12. 


398  PFLEIDERER 

(seit  aiifang  des  IS.jh.'s),  cipenliehifj  2,  375,  18  (DWb.:  Fichte,  Kant  und 
spätere),  goldig  2, 144,  ll:.  1,  200,  28  uebeu  dem  luäutigeren  golden  1, 107,  29. 
180, 54.  209,  9  u.  a.,  feucldohrig  2,  29,  3  (nur  bei  Schiller  belegt,  nach  DWb. 
imd  Sanders),  gläubig  (= 'glaubhaft',  in  glaubig  machen)  1,62,17  (ein  bei- 
spiel  in  Lexer;  nicht  in  Sanders,  Heyne),  lausig  2,30,12,  ebenso  Si.  227, 
Fulda,  GR.  81  (PWb.:  Luther,  H.Sachs  u.a.),  mihsüchtig  2,40,23  (Frisch; 
DWb.:  Wicland,  Gellort  u.a.),  scharfsichtige  Furcht  2,356,20  (noch  nicht 
in  Adelung;"  DWb.:  Wieland,  Kant;  Sanders:  Goethe),  schicarslebrig2,i8b,6 
(DWb.  und  Sanders :  nur  Schiller),  siedigheifs  2, 143, 3,  ^mtig  2, 147, 18,  wüthig 
2,  34, 17  (Si.  49.  S.  14,  340):  die  beiden  sind  im  schvväb.  dialekt  sehr  geläutig; 
in  der  Schriftsprache  werden  sie  meist  durch  die  part.  praes.  der  entsprechen- 
den verba  ersetzt,  wie  siedendwarm  2,  253, 1 ;  Adelung  schon  kennt  bloss 
siedend  heifs;  siedig  belegt  Sanders  noch  aus  Auerbach;  störrig  2,77,12. 
1,302,42  (Sanders:  Luther  und  Goethe),  vorig  Br.  9,  34.  11,17.  S.  1,  69, 1 
(Goethe,  Herder),  vorgängig  (=  'vorhergehend')  1,168,29.  147,10  (Goethe 
u.a.;  Adelung  kennt  das  wort  nur  in  der  hedeutung  'vorläufig'  und  weist 
auch  diesen  gebrauch  den  'Oberdeutschen'  und  den  'hochdeutschen  kanz- 
leyen'  zu),  schwur  ig  {=^  'unzufrieden,  widerstrebend',  die  gewöhnliche  he- 
deutung im  altern  uhd.)  2,  357, 11  (in  eine  schwur  ige  Bande;  Adelung:  schiv. 
=  'unzufrieden  mit  etwas;  'für  schiver  ist  es  im  hochdeutschen  un- 
gewöhnlich').') 

Adj.  auf  -isch.  Das  siiffix  bezeichnete  ursprünglich  ganz 
allgemein  die  Zugehörigkeit,  speciell  herkunft  und  abstammung 
von  etwas.  In  der  Jüngern  spräche  wird  aber  die  endung  -isch 
besonders  gern  solchen  adj.  gegeben,  die  moralische  eigen- 
schaften,  und  zwar  schlechte  bezeichnen  sollen. 

So  hat  Schiller:  murrköpfiscli  2,347,7,  keingeistisch  2,12,8,  klein- 
meisterisch  1,  285,  2  neu  geschaffen  (wenigstens  geben  die  wbb.  keine  belege 
aus  andern  autoren  bis  tief  ins  19.jh.  hinein),  einbildisch  2,111,19.  270,24 
ist  im  DWb.  auch  bei  Wieland  und  Goethe  (W.  Meisters  lehrjahre)  belegt. 
Aus  dem  franz.  stammt  die  hedeutung  von  gothisch  in  gothisch  und  burlesk 
2,379,21.'-')  'Die  Franzosen  brauchten  gothique  im  17.  jh.  im  sinn  des 
mittelalterlichen  mit  dem  beisinn  des  barbarischen,  rohen,  geschmacklosen, 
was  bei  den  Deutscheu  des  IS.jh.'s  nachahmung  fand'  (Heyne,  Wb.).  Sanders 
führt  stellen  aus  Kabener,  Wieland  an. 


*)  schwürig  hat  diese  hedeutung  noch  lange :  machten  den  Papst  schivü- 
riger,  es  anzunehmen  S.  7, 149, 18,  die  Truppen  sind  schwürig  S.  7, 180, 25, 
schioürig  wegen  S.  8,  372,  24.  !J,  327, 12,  schivürige  Armee  S.  8,  318,  7,  machte 
die  Gemüter  schwürig  S.  9,  304,  24,  alle  Stünde  schivürig  S.  12,  80,  324. 

*)  So  noch :  gothische  Vermischung  von  leomisch  und  tragisch  Br.  1, 107, 
wechselt  das  Lächerliche  nicht  zu  gothisch  mit  dem  Rührenden  und  Schreck- 
lichen ab  S.  3,  585,  5,  das  Schwere  imd  Gothische  darin  simplificieren  Br. 
1, 414,  eine  so  schwankende,  unbiegsame,  breite,  gothische,  rauhklingende 
Sprache  S.  6,  346,  5. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  399 

Ohne  pejorativen  sinn  sind: 

gichl lisch,  cjichtcrmli  2,  58,  3.  1, 162,  32.  208,  80.  299,6  (erst  aus  Schiller 
belegt),*)  edehnännisch  2,33,18  (vgl.  mänm'sch  S.  13, 13  im  Macbeth;  Sanders 
belegt  es  nur  aus  Schiller;  es  ist  eine  bildung,  wie  Fulda,  Ergözlichk.  1774, 

1,  281  herrisch  und  fein  als  gegensatz  zu  bäurisch  und  rauh  bildet),  Jau- 
nisch  =  'launig'  2,385,11;  so  bei  Lessing,  Wielaud,  Goethe;  noch  Gayler 
1835  (s.  97)  erklärt  die  differenzieruug  von  launig  und  launisch  für  'nur 
neuem  Sprachgebrauch',-)  englisch  =  'engelgleich'  2,71,12  (DWb. :  Kant, 
Goethe  und  frühere;  jetzt  vermeidet  man  dies  wort). 

Folgende  und  ähnliche,  dem  18.  jh.  eigentümliche,  im  19. 
veraltete  bildungen  wendet  Schiller  zeitlebens  an: 

meteorisch  1,  221,  27,  mavortisch  1,  221,  29,  spekulativisch  Br.  49,  2, 
aywnymisch  2,  381, 17,  kolossalisch  2,  372,  30,  idealisch  1, 142,  29.  2,  388, 10 
u.  a.,  sokermentalisch  2,  93,  3,  monotonisch  2,  347, 12. 

-isch  wird  besonders  verwendet,  um  adj.  zu  namen  zu  bilden: 

zu  Ortsnamen:  mannheimisch  Br.  37,  26  (ländernamen:  unschiväbisch 
2,377,15);  zu  eigennamen:  Shakespearisch  2,360,3,  Neictonisch  1,158,5, 
Moorische  2,  49,  10.  14,  4,  Aso2)isch  2,  53,  3,  Schwanische  Buchhandlung 
2, 207, 10,    Maximilianisch  Br.  48, 22,    Stäudlinisch  2,  378, 13,     Garrikisch 

2,  342,  22. 

Die  moderne  spräche  weicht  hierin  insofern  ab,  als  sie  selbst  bei 
harten  consonantenverbindungen  den  suflixvocal  synkopiert  bei  allen  von 
modernen  eigennamen  abgeleiteten  adj.  Bei  Schiller  kommen  derartige 
synkopierte  formen  sehr  selten  vor:  O.ssmHsc/«'«  Br.  46,  21,  7,  im  vers  ache- 
rontsche Flut  1,22b,  B6;  vielmehr  schreibt  er  noch  in  S.  10,  470,  4  Ilallerisch, 
10,  237,  33  Matthisonisch,  10,  257,  5  Hirschfeldisch.^)  Fulda,  GR.  84  äussert 
sich  folgeudermassen :  '  In  Sachsen  erlaubt  man  sich  hier  eine  harte  elision : 
Weygand'sche  Handlung,  statt  Weygandische  etc.  dieser  Provinzialismus 
des  sächsischen  pöbeis  sollte  nicht  schriftraäsig  werden.' 

Eine  menge  von  adj.,  die  im  nlid.  auf  -ig  lauten,  bildet 
Schiller  seiner  mundart  gemäss  auf  -iclit,  teilweise  -igt  ge- 
schrieben, mhd.  -eht  (das  i  des  nhd.  -icht  ist  durch  einwirkung 
des  suffixvocals  der  adj.  auf  -ig  zu  erklären),  geschwächte  form 
von  -olit,  ahd. -o/i^  (vgl.  Kluge,  Nom.  Stammbildungslehre  §  218). 
Das  Suffix  verband  sich  ursprünglich  nur  mit  subst.,  während 
-ig  mit  allen  Wortarten;  ferner  wurde  -ig  vorzugsweise  ab- 
stracten,  -ht  nur  concreten  angefügt.  Es  bezeichnet  das  ver- 
sehensein mit  etwas,  weiterhin  aucli  eine  Übereinstimmung  in 

')  gichterisch  noch  in  S.  3, 38, 25.  325, 4. 

•■')  Vgl.  dazu  kindische  (=  'kindliche')  Unschuld  S.  10,  444, 10. 
')  Im  grossen  und  ganzen  lässt  sich  sagen,  dass  Schiller  von  Br.  5  an, 
also  von  1796,  1797  an  die  blossen  -sehe  häufiger  anwendet  als  -ische. 


400  PFLEI  DERER 

einer  wesentliclien  eigeiischaft  (vgl.  Wilmanns,  Gr.  2,  §  353, 3). 
Während  diese  adj.  auf  -icld  im  18.  jli.  schriftsprachlich  noch 
anerkannt  waren,  hat  die  jetzige  Schriftsprache  nur  noch  ge- 
ringe reste  von  ihnen  beibehalten,  wie  iöncht. 

Es  ist  erwähnenswert,  dass  von  den  folgenden,  bei  Schiller 
vorkommenden  Wörtern  nur  eines  nicht  mit  einem  concretum 
zusammengesetzt  ist:  laimicht. 

blumujt  1,  296, 50.  2,  371, 28,  bmchicht  2,  133, 9.  286, 7  M,  buschüjt 
2, 286,  7  A,  dreyheinifft  2,  43, 19.  232,  25  M,  -icM  2,  232,  25  A,  eüricht  2,  52,  7, 
/■«rZ^/^f  2,351,6,  rcrfcnho(fetifarb/()t  1,297,62,  flo},/f)t  l,350,5()i,  yrasigt  2,129,3, 
k)iotifjt  1.  251,  23,  krampfifit  1,208,78,  krampficht  1,175,32,  launicht  1,171,33, 
hmpiclit  1,267,24,  mblicht  1,166,10.  215,15.  275,15,  rosi(jt  1,190,127. 
107,  34.  rosicMgoldcn  1,  219,  37,  rothwangi()t  2,  349,  9,  runzlicht  2,  81,  1, 
141,  6,  sündigt  2,  150,  23.  359, 15,  schleimicht  1,  164,  9,  staubigt  2, 151,  2, 
sumpfichtl,  166, 11,  tausendr achigt  1,222,67,  tausendrörigt  l,280,i2,  waldigt 
1,166,11,  tceifslockigt  i,liö,  6.  2,64,19,  tveicharmigt  1,  330,  bOb,  wogicht 
1, 120, 10.  125, 140,  weisser/cht  1, 164,  9,  wolkicht  1,  313, 12,  tvolkigt  1, 107,  43. 
301,9.  232,32.  43,81,  zackicht  2,77,13,  zottigt  2,81,1. 

Aus  den  werken  der  Schwaben  jener  zeit  Hessen  sich  noch  eine  grosse 
menge  ähnlicher  adj.  zusammenstellen,  z.  b.  lockigt  ST.  62,  regnicht  Si.  229, 
lausicht  Si.  217,  schutticht  Si.  86,  körnicht  SO.  109,  wanstigt  SO.  26,  eckigt 
SO.  188,  sonnigt  SO.  192,  wuslicht  SO.  27,  droUigt  SO.  126,  dickleibigt  SO.  13 
u.  s.  w. 

Die  Schwab,  grammatiker  halten  die  adj.  auf  -ig  und  -icht 
noch  sehr  genau  auseinander;  Fulda,  GR.  83:  ^-icht  und  -licht . . . 
dienen  nur  da,  wo  eine  Verminderung  oder  kleine  änlichkeit 
angedeutet  wird,  öli'g,  was  öl  ist,  ölicht,  was  dem  öl  gleicht, 
oder  von  öl  beschmuzt  ist.'  Auch  die  nordd.  grammatiker 
suchen  noch  zu  unterscheiden;  nach  Adelung  bezeichnet  -icht 
die  ähnlichkeit,  -ig  den  besitz;  doch  will  er  daran  nicht  fest- 
halten. Uebrigens  hatte  schon  Frisch  die  vermengung  von 
-icht  und  -ig  beklagt. 

Schiller  unterscheidet  noch  genau.  Das  zeigt  sich  deutlich  in  der 
Verwendung  von  rosig  und  rosicht;  man  vergleiche  z.  b.  1,  214,  7  (An  die 
sonne):  liebevoll  stiegst  du  aus  dem  rosigen  Schoose  deiner  Wolken  empor, 
mit  1, 190,  27:  fliehet  vor  der  rosichten  Charybde;  der  bedeutungsunterschied 
der  beiden  fällt  in  die  äugen. 

Ein  ähnliches  Schicksal  wie  die  adj.  auf  -icht  hatten  im 
19.  jh.  die  auf  -licht  Die  endung  -licht  wird  von  anfang  an 
auch  an  adj.,  nicht  nur  subst.,  angefügt  und  diese  ableitungen 
bezeichnen  eine  ähnlichkeit  in  gestalt,  färbe,  geschmack.  Im 
19.  jh.  sind  diese  adj.  auf  -licht  zu  -lieh  geworden,  während 


SPRACHE    DES   JUNGEN    SCHILLER.  40l 

solche,  bei  denen  das  l  von  -Jiclit  zum  voransg-ehenden  subst. 
gehörte,  wie  runzel-icht,  den  übrigen  von  subst.  abgeleiteten 
folgten  und  -ig  annahmen. 

Beim  jungen  Schiller  kommen  mir  weifslicht  1. 227, 22  und  gelblicht 
1,  53,  7.  U.  25  vor;  dazu  bei  Scbubart:  grüulicht  SG.  2,  347,  bläulicht  SG.2,7.') 

Die  adjectivbildungen  mit  -icht  und  -licht  verwendet  Schiller 
sein  leben  lang.-)  Dass  er  in  den  spätem  ausgaben  seiner 
Jugendgedichte  diese  endungen  in  -ig  bez.  -lieh  abgeändert  habe 
( rgl.  Längin,  Herder  s.  96)  ist  unrichtig.  Alle  oben  erwähnten 
fälle  bleiben  vielmehr  in  allen  ausgaben  bis  1805  (gedicht- 
und  theaterausgaben);  erst  nach  dieser  zeit  werden  sie  ver- 
ändert; nui'  iveifslicht  1,  227, 22  wurde  schon  1803  in  iveifslich 
geändert;  aber  das  ist  ohne  zweifei  zufall. 

Ableitung  der  verba. 

Einfache  neubildung  von  schwachen  verben  aus  subst,, 
ohne  weitere  ableitungssilbe,  ist  im  18.  jh.  sehr  häufig.  Auch 
Schiller  hat  einige  neubildungen: 

mayen  =  'maiig  machen'  1,  295, 12,  ebenso  lichten,  golden  1, 295, 14. 16 
(lichten  so  noch  S.  11,  311, 194),  sich  lichten  im  Himmelmaienglanz  1,  223,  2 
(im  Stäudlinischeu  Musenalmanach,  wo  das  gedieht  auch  erschien,  ersetzt 
durch  sich  sonnen),  waisen  in  waisende  Äonen  1,  51,  46  (das  wort  ist  nicht 
in  den  wbb.;   es  ist  übrigens  nicht  von  Schiller  neu  geschaffen;   es  findet 


1)  Dazu  bei  Schiller  später:  laidicht  S.  6,49,30.  Br.  6,133,  röthlicht 
S.  11",  83, 17,  gninlicht  11,  84,  33,  Uäidicht  11,  87, 102,  sdmärzlicht  11,246.340, 
gnndicht  11,240,  länglicht  9,43,26,  süfslicht  14,239,  röthlicht  Br.  7,  26. 

*)  Da  es  zu  weit  führen  würde,  wenn  ich  aus  sämmtlichen  werken 
Schillers  beispiele  für  -icht  geben  wollte,  so  werde  ich  zur  Illustration  des 
gesagten  nur  die  belege  aus  einigen  der  späteren  bände  anführen.  S.  9: 
sundigt  ö,  28,  seh att igt  203,  schwindlicht '600,20,  stachlicht  331,33;  —  S.  11: 
modrigtG8,li,  icollcigtGd,  32,  schwindlicht  12.  397.  399,  nebl igt  72,  laubigt  ^, 
felsigt  85,  nötigt  87,  rosigt  174.  223,  schaudrigt  193,  enghalsigt  190,  blu- 
migt 193,  stachlicht  224,  lockigt  269,  schuppicht  276,  stachelicht  276,  neblicht 
397,  n-äfsrigt  109.  146,  felsigt  224;  dazu  noch  obige  6  beispiele  für  -licht 
(vgl.  anm.  1),  gibt  zusammen  für  diesen  band  28  belege;  —  8.12:  bergigt  iS9, 
sennigt  2-i,  kitdicht  39,  modrigi  So  (Ihörigt  28ö);  —  S.  13:  milchlebrigt  li3, 
schleimigt  101,  rosigt  335,  felsigt  3U,  stacheligt  (thörigt  87.  352.  404.  429); 

—  S.  14:  süfslicht  239,  schlangenhaarigt  21,  sonnigt  i8,  hohläugigt  62  (thö- 
rigt 3iS.ß9.  93);  —  S.ib^:  launigt  299,  felsigt  137,  kitzlicht  190  (thörigt  23b); 

—  Br.  5:  farbigt  65,  icirbeligt  94,  heikeligt  207,  rosicht  233,  ßcckigt  267 
(thörigt  i66);  —  Br.  6:  heiklicht  226,  böslicht -112,  ziceischenklicht  9ß,  glcich- 
namigt  384;  —  Br.  7:  wirblicht  75. 

V!eiträge  zur  geschichtc  der  deutschen  spräche.     XXV lll.  26 


402  PFLEIDERER 

sich  schon  Schw.  m.  1775,  469:  der  stille  Wunsch  fleht  wayseml  um  sein  Glüh), 
tiefsiiuieud  2,  239, 19  (DWb.:  Schiller,  Goethe,  Klinger);  vgl.  noch  hellen  = 
'  hell  machen,  beleuchten'  SG.  43;  —  die  Gesetze  (acc.)  falschmünsen  2,  86, 14, 
vgl.  Falschmünzer  der  Wahrheit  2, 104, 14. 

Auffallende  bildungen  mit  dem  suffix  -ehi  sind  etwa: 

bübeln  1,  344, 105  (=  'sich  bübisch  benehmen';  DWb.:  Logau,  Bürger), 
dudeln  1,  268,  40.  350,  46,  einen  hudeln  2,  29,  23-  1,  350,  43  (Lessing,  Wieland, 
Goethe),  unirzeln  1,22-i.  2,125.280.12.296.323,  «mrarMn  2, 149, 11  (Haller, 
Klopstock,  Herder,  Goethe  u.  a.),  brettein  (=  '  brett  spielen ')  2,  86,  22  (nicht 
im  DWb.;   Sanders  und  Heyne   eitleren  nur  diese  stelle  Schillers),   düfseln 

1,  50.  343  (s.  bei  den  suevismen  s.  418). 

Solche  auf  -ern: 

schollern  1, 108,  78  (DWb.  hat  je  noch  einen  beleg  aus  Goethe,  Heine, 
Immermann,  Tieck),  trümmernS.  1,210,  IS.  (4,28,44;  die  wbb.  geben  keine 
belege  vor  Schiller). 

Sehr  fi'uchtbar  ist  im  nhd.  das  aus  dem  französ.  (aus  der 
inf.-form)  entnommene  suffix  -ieren;  besonders  fremdwürter 
werden  gerne  damit  gebildet; 

z.  b.  traktieren  Br.  38,  contrastieren  Br.  42,  practicieren  Br.  62,  accor- 
diren  Br.  59,  ediren  Br.  38,  ahstrahiren  Br.  37,  goutieren,  cujonieren  Br.  62, 
räsonnieren  Br.  42,  dediziren  1,  200,  exuliren  1, 147, 11,  formiren  1, 151, 10, 
determiniren  1, 151,  20,  obsorpiren  1, 161,  32,  amalgamiren  2,  360,  4.  371,  4, 
^mjiercn  2,381,23,  usurpieren  2,362,11,  retirieren  2,347,2  u.a.;  besonders 
erwähnenswert  sind:  participieren  =  'ein  part.  setzen'  Hang,  Z.  460,  schiva- 
clronieren  =  'herumstreichen'  2,97.  261  (DWb.  hat  noch  eine  späte  stelle 
aus  Goethe  und  Blumauer),  bramarbasieren  2,  36, 3  (einziger  beleg  im  DWb.) 
hasselieren  =  'Lärm  machen'  2,  80,  8  (schwäbisch;  vgl.  Schmid,  Schwab,  wb. 
s.  264);  -ieren  an  einen  deutschen  stamm  antretend:  prmikieren  1,244,17. 
186, 15  (DWb.  hat  nur  diese  beiden  belege). 

Nur  aus  Schiller  belegt  ist  die  Verwendung  des  suffixes 
-igen  in  narrentheidigen  1,259,9. 

Ein  beliebtes  stilistisches  mittel,  um  in  der  spräche  mög- 
lichst anschaulich  zu  sein,  ist  im  18.  jh.  die  ersetzung  der 
Suffixe  -ern,  -ein,  -igen,  -ieren  u.s.w.  durch  die  einfachen 
bildungen  mit  -en.  Diese  einfachen  bildungen  sind  meistens 
widerbelebungen  der  alten  verba  ohne  suffix. 

So  hat  Schiller  -en  statt  -ern:  flmmen  1,223,3.  2,352,19.  1,282,98, 
ebenso  Schubart  (SG.  2,  209),   Bürger,   Goethe,   Matthison  u.  a. ;    verwilden 

2,  235, 11.  46, 11  (Sanders:  Moscherosch,  Schiller,  Rückert),  milden  1, 121,  29. 
228,  52.  240, 119  (S.  3, 168, 148.  6,  7, 13;  'in  der  neueren  spräche  dichterisch 
nicht  selten  wider  erscheinend  bei  Goethe  und  Schiller'  DWb.)  neben  mil- 
dern 1,211,41,  verfeinen  1,35,14  (DWb.:  Wieland,  sich  verfeinen  Goethe, 
Wieland)   neben   häufigerem   verfeinern  1, 98, 11.    144, 5.   166, 17  etc.,    sich 


SPRACHE   DES  JUNGEN   SCHILLER.  403 

verschönen  2,297,3   (DWb.:   Klopstock,  Goethe,  Wieland  u.a.)   neben  ver- 
schönem 1, 170,  3.  2, 150. 

-en  statt  mod.  -ein:  hlinzen  1,188,49.  296,38  (SG.  2,30.  106;  DWb.: 
Klopstock,  Wieland,  Goetlie,  Voss),  zublinzen%i)2,\%  89,9.  255,7.  219,20; 
dieses  -en  statt  -ein  ist  nicht  altertümelnd  oder  neuernd,  sondern  ist  im 
18.  jh.  noch  das  übliche;  hlinzeln  ist  erst  später  entstanden. 

-en  statt  -i<jen:  angeJcündet  2,366,2.  SO.  82  (Klopstock,  Goethe  u.a.) 
verl-iinden  1,214,11  (vgl.  dazu  die  comp. -form  Icniidcr  1,280,18),  verkosten 
2, 291,  G  (das  DWb.  hat  keine  belege  aus  Schillers  zeit,  sondern  nur  aus 
dem  17.  jh.  und  aus  Gotthelf),  sich  befle/'/'sen  1,  18,  26  (Wieland,  Goethe, 
Bürger  u.  a.);  sich  erniedern  1, 150,  5  (Klopstock,  Zachariä,  Goethe),  vgl.  der 
Stauberniedrer  Schw.m.  im,  bO;  übermachtet  1,120,6  (Sanders  belegt  eine 
stelle  aus  Tschudi),  nöten  1,245,13  (in  der  Schriftsprache  seit  dem  17.  jh. 
ausgestorben,  aber  noch  schwäbisch,  vgl.  Schmidt  Schwab,  wb.  s.  408),  ver- 
unreinen  2,  295,  26.   Vgl.  dazu  noch  Besclwnumf  SO.  191,  sich  vereinen  Si.  97. 

-en  statt  -ieren:  durchbahamet  1,316,82  (Wieland,  Voss),  triumpß'en 
1,186,12.  189,103  (Sanders:  Voss,  Goethe). 

Aehnlich  noch  Beformant  1,222,63  {Beformutor  gieug  nicht  in  den  vers). 

B.    Bildung  von  Wörtern  durch  composition. 

Substautivum. 
Ungewölmliche  Zusammensetzungen  von  subst.  mit  prä- 
figierten  partikeln  sind: 

Auf  er  Ziehung  1,11,^  (DWb.:  Sirapl.,  Weise,  Rabener),  Hervorkunft 
1,  214,  11  (nicht  in  den  wbb.),  Hieherkunft  Br.  60,  31,  2  (nicht  im  DWb.; 
Sanders:  Schiller,  Schlegel),  Hinreise  zu  Br.  63,328  (DWb.:  Simpl.),  Dahin- 
reise  Br.  53,11  (nicht  im  DWb.  und  Sanders;  ähnlich  bildet  Lohenstein 
Dahinkunft),  Überschwung  1,210,38  (Sanders:  Mendelssohn  u.a.  spätere); 
vgl.  Zurückkunft  Si.  100.  Si.2, 143,  Nachhaiisekunft  Si.2,22.») 

Durch  naclistellung  der  präpos.  entstehen  adv,  wie: 

himmelum  1, 107,  42,  himmelan  1,  27, 13.  42,  62.  46,  3.  253,  76  (himmel- 
^^äWs  1,46,18),  himmelaufschimmernd  \,2ib,3b,  Sternen  ««1,41,43  (ähnlich 
hochan  1,  230, 111). 

Anm.  Simplex  statt  des  modernen  compos.  findet  sich  in 
Alter  =  'Zeitalter'  Br.  48,  22.  S.  1,64,3.  157,2  (so  noch  S.  5^  151. 
7,43,19.  11,329,2),  Ender  =  'beendiger,  Vollender'  1,301,6  (Endi- 
gung S.  4, 215),  Forschung  =  'erforschung'  1,75,34.  76,3,  Schritte 
machen  =  '  fortschritte  m.'  1,19,34.  22,21.  172,27.  —  Aehnlich  bei 
adv.:  über  sej»i ^ ' vorüber  sein'  1, 244, 14,  rük  =  'zurück'  1, 283,  HO, 
rükgesunken  1, 106, 15,  rükgestralt  2, 109,  7.  1, 128, 30  (mit  rükgehender 


1)  Später  sind  derartige  l)ildungen  noch  häufig:  Wiederkunft  S.  7,  92, 15, 
Überkunft  S.  7, 242,  4.  114,  8  und  öfters,  Zurükkunft  Br.  1,  326  u.  a.,  Hieher- 
hinft  Br.  2, 382,  Hieherreise  Br.  3, 72,  Hinunter  stürz  S.  3,  80,  8  u.  a. 

26* 


404  tPLEIDERER 

Post  Br.  1,307.  2,  83.  130  n.  a.).   —  Dagegen  Bestreben  nach  Tugend 
=  'streben'  1,33,34. 

An  neutralen  Verbalsubstantiven  mit  der  partikel 
ge-  sind  erwähnenswert: 

das  Geschwanke  1, 108,  66  (DWb.  hat  nur  diese  stelle),  Gelese  1,261,85,2 
(im  18. jh.  noch  üblich  für  'lectüre',  so  bei  Wieland);  —  das  DWb.  führt 
keine  sonstigen  belege  an  für  Gesehüume  1,  297,  62,  FroschgeqttäJce  2,  377,  27, 
TamcnägcUize  1,122,67,  Harfe mjezitter  1,812,21,  KmicJgepfettfe  2,69,25; 
—  nicht  im  DWb.  und  bei  Sanders :  Gcwälze  1,  2id,  23,  GeJcrähe  2,  258,  27  M, 
Leibesfjehände  (=  '  leibesbau ',  vgl.  bei  Nervcngebättde  nnten) ;  —  Gekrächz 
2,  93,  9.  258,  27  A  ist  auch  sonst  belegt;  —  Gezetter  2,  80, 17.  96,  bei  Sanders 
nicht  vor  Schiller  belegt,  Nervengebäude  1, 168  (Lessing;  diese  Verwendung 
von  gebäude  von  naturdingen,  die  man  als  bauwerk  betrachtet,  kennt  das 
18. jh.  noch;  vgl.  Adelung:  Gebäude:  'in  weiterer  bedeutung  führt  diesen 
namen  jeder  körper  in  ansebung  der  Verbindung  oder  auch  des  Verhältnisses 
seiner  teile'). 

Dazu  noch  ableitungeu  von  subst. :  Gevögel  coli.  1,215,28,  aus  der 
biblischen  spräche  (vgl.  Jonas,  Erläuterungen  s.  46,  23),  Gezeuge  2, 178,  23  M. 
316, 17  (S.  3, 359,  7,  wol  ebenfalls  aus  der  bibelsprache,  vgl.  Heyne,  Wb.). 

Composition  von  Substantiv  mit  Substantiv. 

Eine  ausgedehntere  anwendung  dieser  composition  findet 
erst  seit  dem  18.  jh.  statt.  Haller,  Klopstock,  Herder  etc.  haben 
hier  grosses  geleistet.  In  ihren  spuren  wandeln  dann  die 
Originalgenies,  unter  ihnen  Schiller,  Er  hat  nie  mehr  so  viele 
compositionen  gebildet  wie  in  seiner  Jugendzeit.  In  seinen 
jugendwerken  wimmelt  es  von  ihnen;  besonders  beliebt  sind 
die  Zusammensetzungen  mit  Silber-,  Biesen-,  Götter-,  Himmel-, 
Hosen-,  Purpur-,  Schauer-,  Erden-,  Lichc{s)-,  Schmers{en)-, 
Sonnen-,  Wollust-,  Toten-.  Ich  werde  im  folgenden  nur  die- 
jenigen composita  in  betracht  ziehen,  die  grammatisch  inter- 
essant sind.') 

Man  unterscheidet  die  eigentliclien  und  uneigentlichen 
compositionen;  erstere  verlangen  das  nomen  des  ersten  glieds 
in  reiner  Stammform;  letztere  verlangen  für  das  erste  glied 
die  form,  welche  seinem  syntaktischen  Verhältnis  zum  zweiten 
glied  entspricht.  Eigentliche  compositionen  werden  höchst 
selten  noch  gebildet,  höchstens  nocli  in  analogie  zu  schon  vor- 
handenen; wol  aber  konnten  sich  die  uneigentlichen  in  folge 
der  gegenseitigen  beeinflussung  der  beiden  gruppen  und  der 


•)  Vgl.  zum  folgenden  Wilmanns,  Gramm.  2,  §  388  ff. 


SPRACHE    DES   JUNGEN   SCHILLER.  405 

geringen  Widerstandsfähigkeit  der  mittel vocale  von  ihrem  Ur- 
sprung lösen  und  formen  annehmen,  die  denen  der  eigentlichen 
sehr  ähnlich  waren.  Die  form  eigentlicher  composita 
haben  bei  Schiller  einige  Wörter  im  vers  erhalten: 

Nervgewehe  1,216,5,  Ohrgcbrümmel  1,  213,  3-i,  Freudgelage  1,207,35; 
sie  sind  anderweitig  nicht  belegt;  andere  beispiele:  Todhett  2, 278,  12 
(Luther,  Lessing,  Klinger),  Aughrauen  1,  81,  22  (neben  Augenbrauen  2, 133,9. 
286,  7),  Sonne-Untergang  2,  335, 17  anm.  M,  Grahgcdankc  i,  180,  60  (ST.  22, 6), 
Grabnacht  1,106,13.  299, -i,  Grahgefährten  1,226,4,  Sturmgeheid  1,40,10, 
Himmclbild  1,  47,  36  (nicht  im  DWb.),  Kirchhofthüre  1, 108,  56,  Sturmvater- 
land (=  '  V.  der  stürme')  1,  217,  34,  Engelharfe  1,  30,  97  (DWb.  nur  Matthison), 
Himmelmaienglanz  1,223,7,  Krokodilgehcule  1,222,50,  .l(ZcZ&m7'2,  241,  27, 
Meergrund  1, 123,  88  (im  vers),  Brillantring  2,  298,  4  A,  Adlerflug  2,  30, 15, 
AdlerfJügel  1, 211, 51,  Himmelstrich  2, 389, 21,  Lichtgeivand  1, 320, 21  (Herder, 
Schubart,  Klinger). 

Diese  formen  haben  besonders  ursprüngliche  acc.-composita 
(vgl.  Wilmanns  2.  §  393. 2),  in  denen  das  Verhältnis  des  ersten 
zum  zweiten  glied  dasselbe  ist  wie  das  des  objects  zum  regie- 
renden verbum,  da  ein  solches  dem  zweiten  glied  der  betreffen- 
den Wörter  zu  gründe  liegt: 

Erderschütterer  1,124,116,  Volkbeherrscher  1,18S,61  {\g\. Meerbeherrscher 
S.3,54),  Siegfrohlocken  1,339,773,  Volkregierung  1,188,75,  Dankgefilhl  1,46,4 
(im  PWb.  nur  bei  Gotter),  Schmerzcmpßndung  1, 161,  6.  162, 19,  Schmerz- 
gefühl 1,  IßT ,  li.  229,78,  Grofs-Mann-Sucht  2,203,22  (vielleicht  gehört  daher 
auch  Grabgedanke),  Schmerzerinnerung  2,  74, 12. 

Von  den  gen.-compositis  kann  ich  solche  wie  Sonnen- 
höhe 1,  259,  6,  überhaupt  alle  Sonnen-,  Toden-,  Maien-  etc.  ausser 
acht  lassen;  sie  sind  gebildet  wie  heutzutage.  Auffallend  sind 
einige  gen.-compos.,  die  heute  pl.-compos.  sind,  wie: 

Otterbrut  2,236,11  (DWb.:  nur  Schiller),  l'athin-Stelle  Br.  1,  Pistol- 
schufs  2, 169, 19.  310,  6.  300,  27  (neben  Pistolenschüfse  2,  322,  20),  Uhnverk 
1,189,87.  210,17  (S.  4,36,  vgl.  Uhrtasche  S.  4,204);  dazu  Jungferschaft 
2,  42  (Logau,  Wieland);  einige  zeigen  im  ersten  glied  noch  eine  ältere  form 
des  sg.  gen.:  Erdenscholle  1,181,108  (nicht  im  DWl).),  Erdenrund  1,275,1 
(Wieland,  Gotter),  Erdensohn  1,  239,  78  (Wieland,  Goethe  u.  a.)  gegenüber 
Erdball  1,108,19  (Wieland,  Goethe  u.a.);  MondenlicM  1,241,147  (Goethe, 
Schiller  u.  a.),  Mondenstral  1,  288,  16  (DWb.  nicht  vor  Uhlaud  belegt), 
Jfö«cÄe/i/i2s<o/7e  Württ.  repert.  1, 133  (nicht  im  DWb.;  vgl.  dazu  Mönchen- 
alter Schw.  m.  1777,  158,  einem  3Iönchen  SG.  2, 12,  des  Mönchen  SG.  2,  48); 
andere  gen. -composita  mit  auifallender  form  des  ersten  glieds  sind:  das 
Mittagssjjcisen  Br.  21,7,  Prulats-Batich  2,  Hl,  15,  Xarrenspossen  1,214,64 
(S.  3,  431, 12.  12,94,  ebenso  Lessing,  Goethe,  Lenz),  Wassersnoth  1,206,18 
(=  modern  wassernot:  wir  verschmachten  in  wassernot);  dagegen  erscheinen 


406  PFLEIDERER 

in  der  form  eigentlicher  eonipositioueii  subst.  auf  -er:  Ackermann  \,\hb,%, 
Baueru'cibcr  2,21\A^;  ersteres  ist  mir  ebenso  noch  S.  11, 63  begegnet; 
letzteres  scheint  bei  Schiller  stets  die  regelmässige  form  zn  sein  (vgl.  Bauer- 
karren S.  Ij  i2, 19,  Bauetiracht  13,  34-1,  Bauergesindel  16"^,  468,  Bauerhöfe 
15-,  469,  Bancrshihe  4,296,6);  ebenso  Miller:  Bauerkerl  Si.  2, 1. 

Auffallende  pluralcomposita  sind 

JagdenfeiCr  1,  842,  63  (im  vers),  Gemsenjagden  2, 223  M. 

Es  bleibt  noch  übrig,  über  das  5  der  compositionsfiig-e 
bei  fem.  etwas  zu  bemerken.')  Beim  jungen  Schiller  finden 
sich  aber  zu  wenig  beispiele  derart,  als  dass  sich  viel  darüber 
sagen  liesse. 

Es  lässt  sich  nur  constatiereu,  dass  Schiller  MiüernacMsscIiauer  1,122,66 
neben  Schauernachtgeflüster  1,  217,  34  bildet,  liebestrunken  1,  325,  53  neben 
liehetrunken  1,  294, 33,  aber  nur  Hochzeitmusik  2,  329, 20,  Hochzeitfackel 
1,211,63  (vgl.  Wilmanns,  Gr.  2,  §  396,4a:  'noch  im  18.  jh.  HochzeitfesVy) 
Aus  Schubart  ist  mir  nur  Weihnachtlied  SG.  129  aufgefallen. 

Für  composition  von  substantivis  mit  adjectivis  als 
erstem  glied  sind  nur  drei  Wörter  interessant:  Bösewicht, 
Brandivein  und  Langeiveü. 

Bösetvicht  weist  zweierlei  formen  auf;  in  beiden  ist  die  erstarrte 
flectierte  form  des  adj.  fest  mit  dem  subst.  verwachsen,  nur  diese  form  das 
eine  mal  mit  oberdeutschem  abfall  des  -e,  das  andere  mal  nicht:  Bösivicht 
2, 102,  5.  1,  32, 12.  76,  32,  Böseivicht  1, 167, 17.  2,5,27.  265,12.  In  den  beiden 
andern  Wörtern  ist  die  adj. -form  noch  nicht  ganz  erstarrt  und  weist  daher 
teilweise  noch  die  endung  des  flectierten  adj.  auf:  acc.  sg.  Brandtcnivein 
2,  90, 17.  19.  24.  256, 17  A;  daneben  Brandeivein  2,  256, 17  M,  Brandeivein- 
flasche  2, 262, 17  anm.  M ;  gen.  sg.  der  Langemveile  1,203,10;  daneben  vor 
Langeiceile  1,  255, 120. 

Adjectiva. 
Zusammensetzungen  von  adjectivis: 


1)  Vgl.  Wilmanns,  Gr.  2,  §  396 ;  ferner  die  abhandlungen  über  den  's-unfug' 
iu  den  beiheften  der  Zs.  d.  allg.  deutsch.  Sprachvereins  von  Trautmann,  Tobler, 
Scheffler. 

*)  Dagegen  lässt  sich  aus  den  beispielen  der  späteren  werke  bestätigen, 
was  Trautwein  a.  a.  o.  und  nach  ihm  Weise ,  Unsre  muttersprache  s.  172 
aufgestellt  haben,  dass  nämlich  die  oberdeutschen  Schriftsteller  sich  von  der 
's-seuche'  verhältnismässig  freigehalten  haben:  Hochzeitgedicht  S.S,16S,  2, 
Hochzeitgrufs  S.B,  163,1,  HochzeitgelüuteS.  3,  3B1,  3;  ebenso  -fackel  S.ß,  188. 
12,  448,  -schmuck  S.  3,  331, 11,  -hett  S.  6, 133,  317,  -gesang  S.  6,  205,  -reigen 
S.6,206,  -jähr  Br.3,m,  -fest  S.  6,207.  15^586,  -geschenk  S.14:,li7,  Geschicht- 
schreiher S.  7, 113,  9,  Geschichtfach  Br.  2, 190,  Landschaftmaler  S.  10,  236,  9, 
VoUmuchtbrief  SA,  27, 13,  Gesellschuftsaal  S.  10,224,4;  dagegen  allerdings 
Heirathsprozesse  S.  3, 228, 13,  Heurathsprozesse  S.  3, 59,  21. 


SPRACHE    DES   JUNGEN    SCHILLER.  407 

mit  snbst.:  spiegclhell  1,28,44,  ironHetn(nleni,l'A, iO,  rosenfn'sch\,\86,5, 
woUusUnoiken  1,278,9,  sorgenschirer  1,287,  h'cbeirarvi  1,294,  heldenkühn 
1,242,  Idmienrekh  1,242,  todensmi\,\m,  süberheU  i,2\7,  silberklar  i,  295, 
silberfarb  1,304,  schmerzenfrei  1,109);  —  mit  adj.:  rosicJitfjolden  1,219, 
tödlichlieblich  1,  22S,  kindischstoh  1,  343,  kothifjuaß  1,  350,  frendifimidig 
1,285,  fiinkelndlicht  1,218,  neidischbleich  1,280,  dumpßfftief  l,28i,  klein- 
meisterisch  1,285,  jt(ge)idlichschön  1,304,  kindischklein  1,358,  hocherhaben 
1,29.  Sie  bieten  grammatisch  nichts  interessantes;  nur  dass  sich  unter 
den  adj.  auf  -voll  (himmelvoll  1,47.321,  wonnevoll  1,31,  seelenvoll  1,216, 
jubelvoll  1,  359,  lorbeervoll  1,  358,  gnadenvoll  1,  49,  fenervoll  1,  49,  lebcnvoll 
1,76,  grausenvoll  1,219,  gefühlvoll  2,  SSö,  grauenvoll  1,288)  auch  einige 
feminin-s  linden:   nnschiddsvoll  1,289,41,  bosheitsvoll  1,181,96,  demutsvoll 

1,  328,  450,   erstaunungsvoll  1,  58,  31   (vgl.  beneidwigsicürdig  S.  3, 196,  20). ') 

Adj.,  bei  denen  das  zweite  glied  suffix  geworden  ist. 
Hielier  gehören  die  adj.  auf  -bar,  -haß,  -sam,  -lieh. 

Zusammensetzungen  mit  -bar,  dem  ursprünglichen  verbaladjectiv  zu 
heran,  tragen:  bemerkenswert  sind  nur:  umcirthbar  1,203,15  (Goethe,  Wie- 
land, Hebel  u.  a.),  nnabsehbar  1,210,33  neben  unabsehlich  1,231,  5,  ruchtbar 

2,  355, 25  (8. 13, 132  in  Macbeth,  mit  dem  in  anlehnuug  an  Wörter  wie  Ge- 
rücht, berüchtigt  eingeführten  t.  Die  form  mit  t  findet  sich  bei  Luther, 
Klopstock,  Goethe,  Wiehind). 

-haft,  altes  part.,  entsprechend  lat.  captus;  die  anzahl  der  nhd.  adj. 
auf  -haft  ist  ziemlich  beschränkt,  leckcrhaft  1,  202, 18  (DWb.:  Aj-rer,  Logau, 
Kant),  tadelhaft  1,59,1  (Sanders:  Goethe,  Hagedorn),  schröckhaft  2,293,1. 
363,26  (Adelung:  'Aveuig  gebraucht  und  nur  in  einigen  gemeinen  sprech- 
arteu  gehört";  in  der  neueren  literatiir  wird  es  öfter  verwendet,  vgl.  DWb. ; 
Schiller  gebraucht  es  mit  Vorliebe-)),  leibhaft  1,  79, 4  (S.  3,  491,  2.  Br.  5,  360) 
neben  dem  jetzt  liiiuligeren  leibhaftig  2,90,11.  142,13.  39,  tcaschhaft  2,  351,23 
(Herder,  Schiller,  Lessing,  Wieland),  schmerzhaft  1, 147, 23,  mannhaft  2, 52, 6. 

-sam  (vgl.  got.sama,  Ahii.samo  pron.  und  sama  adv.):  genügsam  1,285,1. 
2,  392,2  (Frisch;  H.  Sachs,  Klinger,  Hölderlin  im  DWb.),  empfindsame  Witte- 
rung 2,376,8  (1768  von  Lessing  geprägt),  lobcsan  1,303,8,  vgl.  s.  322. 

-lieh.  Diese  adj.  sind  ursprünglich  entweder  mit  dem  subst.  got. /c/A;, 
ahd.  l/h,  oder  mit  einem  neben  diesem  subst.  existierenden  gleichlautenden 
stamm  mit  der  bedeutung  gleich  zusammengesetzt  (vgl.  Wilmanus,  Gr.  2, 
§  361, 1).  Die  compositionen  der  art  sind  sehr  zahlreich  und  wui-den  be- 
sonders eine  zeit  lang  gern  zur  bildung  von  adv.  verwendet,  was  uns  jetzt 
etwas  altertümlich  anmutet.  —  AAjecti\&:jedermänniglich2,38ß,9  (DAVb.: 
meist  nur  in  der  älteren  spräche),  jeglich  1,  97,  5.  100, 15  etc.  (bei  Luther 
noch  sehr  häufig;  jetzt  nur  noch  in  der  gehobenen  spräche),   betrügliche 


*)  Dagegen  später  entgegen  dem  moderneu  gebrauch:  schmersenvoll 
12,  547,  glaubenreich  4,  266, 16,  absichtlos  10,  230,  33,  glaubenvoll  12,  418 
(grofsmuthsvoll  4,  24.  6,  222). 

»)  schrökhaft  S.  3,  328.  150,  schreckhaft  S.  6,  126.  42.  8,  219.  326. 
10,137.  12,272. 


408  PFLEIDERER 

Sferne  2,352,18,  io/fo  2,  353,  26  (Liüher,  Lessiug:,  Goethe  u.a.;  bei  Ade- 
lung noch  ganz  gewöhnlich),  vcrd auunl ich  2,  21,  S  (Luther,  Goethe,  Schiller 
11.  a.;  Adelung:  nur  noch  iu  der  biblischen  spräche;  Schiller  hat  das  wort 
stets  gern  verwendet  ^) ),  zärtliche  Empfindungen  2,378,6  (vgl.  Zärtliclikeit 
unsrer  Sitten  2,0,  Ib;  zärtlich  =  'zart'  auch  noch  S.  3,  444,  22),  traulich  Br. 
11,22,  ersinnlich  2,  213,  27  (DWb.:  Weise,  Wieland,  Winkelmann),  sichtbar- 
lich  1,  327,  407  (so  noch  des  Himmels  sichtbarliche  Fiuiung  S.  12,  81 ;  ist  nach 
Adelung  veraltet),  nnverhesserlich  2,375,4  =  'unübertrefflich'  oder  nach 
Adelungs  erklärung:  'so  gut,  dal's  es  nicht  besser  gemacht  werden  kann', 
also  noch  ohne  tadelnden  beigeschmack,  lezlich  1, 191, 152  (die  einzige  stelle 
für  adjectivische  Verwendung  im  DWb.),  parteylich  2, 25,  2  im  sinne  von 
parteiisch  (Br.  55, 1);  so  noch  bei  Lessing  und  Wieland.-)  —  Adverbia: 
leichtlich  1, 81,  2  (USSPo. :  häufig  namentlich  im  16.  17.  Jh.,  während  es  in  der 
zweiten  hälfte  des  18. jh. 's  seltener  zu  werden  beginnt),  ()etreidich2,3^Q,\, 
schweini(ßich  1,  269,  71  (nur  diese  stelle  im  DWb.),  festiglich  1,  258,  32  (früher 
häufig;  DWl).  hat  noch  je  ein  beispiel  aus  Wieland  und  Kant),  (jemeiniijlich 
1,  84, 14  und  öfters  (ist  bei  Adelung  noch  sehr  üblich),  meisterlich  2,  233,  8, 
sündiglich  1,269,69  (Sanders:  noch  in  Goethe  und  Tieck),  höchlich  BrA4:,G 
(oft  in  Wieland,  Goethe  u.  a.),  tcunderbarlich  2,  310, 1  (oft  in  der  bibelsprache; 
Adehmg  nennt  es  oberdeutsch  und  'eine  unnütze  Verlängerung'),  endlich 
=  'schliesslich,  am  ende'  2,  41,  4,  kürzlich  —  'in  kurzem'  2,  38,  9  (Adelung: 
'in  welcher  bedeutung  es  im  hochdeutschen  veraltet  ist'),  gclegenheitlich 
2,369,5.  376,27  (S.  6,  53,  Wieland  u.a.). 

Dagegen  ledig  ein  Traum  2,  176,  6,  wofür  wir  heute  -lieh  sagen  würden ; 
DWb.  und  Sanders  führen  für  das  adv.  ledig  noch  beispiele  aus  Lessing  au. 

Yerbalcomposition. 
Composition  von  v  erb  um  mit   subst.  oder  adj.  findet 
meist  nur  beim  part.  statt.    Schiller  hat  vereinzelte  derartige 
compositionen  auch  im  ind.  praes.: 

Gott,  der  feuerflammt  2, 170,  23.  311, 13,  die  Imtheratisclit  1, 226, 12  (so 
nicht  im  DWb.).  Diese  compositionen  sind  hervorgegangen  aus  der  Verbin- 
dung von  verben  mit  dem  acc.  des  Innern  objects,  wie  auch  folgende  part. : 
sieg  frohlockend  1,332,560,  siegjauchzend  1,329,494,  hungerglühend  1,  222,  66, 
verderbengeifernd  1,  222,  53,  thatenlechzend  1,  302,  52,  stralenquillend 
1,333,592.3) 


1)  verdammlich  S.  3,258,13.  4,267,4.  5^116,18.  6,55,82.  7,230,1.  15',  58. 

*)  parteilich  gab  sie  S.  5",  181,  771.  —  Statt  -lieh  setzen  wir  heute  -ig 
bei  den  adj.  bedüchtlich  S.  3, 26.  37.  208.  441.  7,100,22,  zeitlich  nach  Hause 
gehen  S.  3,  536, 29. 

')  Solche  Verwendungen  finden  sich  ausserhalb  der  composition  öfters: 
Philosophie  denken  1,22,19,  Genesung  lügen  1,169,3,  ein  Gefühl  empfinden 
1,  26,  9,  die  Freude  weinen  1,  50,  21,  Kuhm  dürsten  1,  42,  55,  einen  Namen 
schallen  1,  40, 10,  Eache  hineinwirken  1,  43,  86,  jauchzen  den  Tag  1,  44, 106, 
Zärtlichkeiten  girren  1,  262, 11,  Zernichtung  stöhnen  1,  278,  32,  Triumf  flöten 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  409 

Von  andern  compositis  führe  ich  an: 

part.  praes.  mit  subst.:  ohrzerfezcnd  1,  203,  ü,  Landerbeschattend 
l,  219, 26,  himmeUtnrmend  1,  222,  66,  tcoUustschtvellend  1,  331,  552,  iceltum- 
ivandelnd  1,219,40,  halsbrechend  2,39,13; 

part.  praes.  mit  adj.  niid  adv.:  ivciterumfassend  1,61, 23,  neuauflebend 
1,87,32,  mächti(ßcirkend\,  157,12,  sioJztraciendl,2\S,\Q,  stolz  auf thimnend 
1.295,21,  traurigmahnend  1,282,99,  schräcJdichmahnend  1,227,44,  himmel- 
aiifschimmerad  1,215,135,  schaamrothmachend  1,69,5,  tiefdenkend,  tief- 
empfindend 1,109,16,  tiefsinnend  2,59; 

part.  praet.  mit  subst.:  sonnverbrannt  2,132,  sonrigepfiastert  1,262,5, 
gottgebohren  1,336,  700,  gramgeschmolzen  1,106,21,  gramentbunden  1,108,63, 
geheidergofsen  1, 182, 134,  Machtunipanzert  1,188,62,  erziimpanzert  1,  222,70, 
kraftgeriistet  1, 179,  26,  thurmumrammeU  1,  222,  71,  goldgeweht  1,  226, 13. 
316,84,  quahrprcfst  1,284,4  etc.; 

part.  praet.  mit  adj.  und  adv. :  stummgetragen  1, 106, 18,  tiefdurchdrungen 
1, 140,  9,  höchstzusammengesetzt  1, 159,  23,  scharfgejagt  1,  249,  26,  spizgeöhrt 
1,350,8,  iveichgeschaffen,  sanftempört  1,288,  hochentzükt  1,182,131,  Jioch- 
veraltet  1,178,14,  hochgefüIU  1,353,17  u.a.») 


1,249,36,  Sommerpracht  Straten  1,211,44,  Leben  fächeln  1,224,20,  Arien 
schwirren  1,234,23,  Liebe  singen  1,241,128,  einen  Wirbel  fliegen  1,248,128, 
Adlerpfade  fliegen  1,  259, 13,  Hohn  reden  1, 296,  47,  Liebe  zvinken  1,  260,  29, 
Gott  orgeln  1,  273, 11,  Seelen  träumen  in  etw.  1,  286,  38,  Minnelieder  flöten 
1,277,11,  schlieft  einen  Schlummer  2,65,14;  dazu  folgende  Verwendungen 
der  figura  etymologica:  fluchen  den  Fluch  1,40,3,  den  Gang  gehen  1,40,5, 
den  Gedanken  denken  1,  95,  20  (3, 192,  5),  Thaten  thun  1, 149, 14,  flog  den 
Siegesflug  2,  69, 10,  ein  Leben  leben  1, 146,  dein  Knabcnlcben  leben  2, 129, 10, 
Sturm  stürmen  machen  1,  42,  70  (vgl.  ein  Leben  lebt  1,  29, 81,  Schauer  schauern 
1 .  1Ö6,  20.  2,  74,  9,  wie  näher  mufsten  icir  uns  nähern  Br.  1, 11, 16) ;  dazu  noch 
einige  Verwendungen  von  intr.  verbis  mit  dem  acc.  der  person:  sich  müde 
stehen  1, 203, 11,  sich  ins  Elend  strudeln  1, 190, 113,  ich  denke  dich  1,  273,  6, 
hinweggeschaut  1,  41,  36. 

1)  Zum  part.  überhaupt:  Einzelne  part.  praes.  sind  bemerkenswert, 
für  die  wir  heute  adj.  setzen:  tiefsinnend  2,59,  anschaueml  Br.  46,  6,  aus- 
schliefsend 2,380,9.  Hang,  Z.  458.  SO.  232;  so  später  noch:  nachdenkende 
Stellung  S.  5^,170,  tiefsinnend  noch  sehr  oft;  —  der  morgende  Tag  S.  3,  b44. 
4,  34,  nachdenkende  Pause  1,  261,  29,  Verrina  ist  nachdenkend  3,  261,  29,  vgl. 
unschadend  SO.  118,  unermüdet  Si.  193  (unermüdet  S.  7, 155, 13);  andere  sind 
auffallend  in  ihrer  activen  form,  während  sie  passive  bedeutung  haben:  bei 
meinem  unter  handcn  habenden  Werk  Er.  1,58, 13,  mein  vorhabender  All- 
manach S.  1,196,5,  so:  vorhabende  Spazierfahrt  S.  4,225,15,  zu  dem  in 
Petto  habenden  Gedicht  Br.  5,  24,  meines  vorhabenden  Baues  Br.  5,  203.  442; 
—  vorhabende  Eeise  Si.  2,246;  —  dann:  eine  schlecht  schlafende  Nacht 
Br.  6.  2  und  sehr  oft  in  den  briefen  aus  späterer  zeit;  —  ein  Mittel,  kühn  und 
verzweifelnd  S.  5",  128,6;  Schubart:  schriftliche  und  redende  Erklärungen 
SO.  vorr.  —  Diese  part.  praes.  sind  im  18.  jh.  noch  häufig;  mau  denke  nur 


410  PFLEIDERER 

Aus  der  gTOssen  menge  der  verbalcompositionen  mit 
präfixen,  die  für  eine  Untersuchung  der  poetischen  spräche 
des  jungen  Schiller  stoff  genug  bieten  würden,  greife  ich  nur 
die  mit  'untrennbaren  präfixen  heraus.  Die  bildungen 
mit  hc-,  er-,  cnt-,  zer-,  ver-  sind  im  18.  jh.  ganz  besonders  beliebt. 

he-:  hc  fassen  (den  Zusummenhaiuj  =  'begreifen')  2,6,6  (DWb.  hat 
ähiiliclie  beispiele  aus  Kaut  und  J.  Paul),  hcftnden  =  'finden'  1,20,8,  be- 
lebend igen  1,  55,  29  (DWb.:  Abele;  nicht  in  Sanders),  berülpcn  1, 212,  9  (nicht 
in  den  wbb.),  beschiff'en  1,121,42,  bescJnceben  1,311,8  (DWb.:  Ayrer  und 
Schiller),  beschw/mmen  1,28,30  (DWb.  nur:  Goethe),  beseufzen  1,288,15, 
bestaunen  1,286,27.  320,187  (DWb.:  Schiller),  besirömen  1,304,21  (oft  in 
Klopstock),  heleufeln  1,270,106  (nicht  im  DWb.  und  Sanders),  bewehen  1,29,56. 
SG.  56  (öfters  bei  Klopstock). ') 

er-:  erborgen  1, 191,  84  (DWb. :  Lessing) ;  erdichten  1, 92, 5,  sich  erhärten 
-??*  2,  355, 18,  c?7tflsc/te«  2, 123, 19,  erklimmen  IjS^il,!,  erknarren  1,S05, 2b 
(DWb.:  Schiller),  ermauscheln  1,189,84  (nicht  in  den  wbb.),  erschaffener 
Gedanke  1,  62,  4,  erschivingen  1,  281,  60,  anerschaffen  1,  97,  13,  ersterben 
1,106,4.  97,34.  98,15  (6,284,26),  er ivachsen  2,19,3,  etw.  crweinenl,208,10i 
(in  Klopstock  häutig),  etw.  erwimmern  2,  38, 13  (DWb. :  Schiller),  erstaunens- 
icerth  2,360,21  (DWb.:  Schiller),  vgl.  erlustigen  SO.  196. 2) 

ent-:  entathmen  1,39,58  (DWb.:  Bürger, Goethe, Voss),  entfallen  1,36,16, 
enigeistern  1,216,2  (oft  bei  AVieland),  entglühen  1,234,8  (häufig  bei  Klop- 
stock), entkörpern  1,  216,  3  (oft  bei  Wieland),  entleiden  1,  326,  entnachten 
1,  125, 142  (keine  belege  im  DWb.),  sich  erdringen  1,  264, 16  (DWb.  nur: 
Matthison),  entsinken  1, 180,  59.  190, 105,  entsprühen  1,107,38  (DWb.:  Thüm- 
luel,  Schiller,  Voss),  sich  entstehlen  1,101,20  (Spee,  Bürger,  Herder),  ent- 
rinnen 1,  217, 19,  entwischen  1,  179,  49,  entzittern  1,  29,  68  (nur  Klopstock 
vor  Schiller). 

ser-:  zerfasern  1, 173,  30  (=  'in  fasern  zerlegen'),  zerscherben  1,  214,  62 
(Sanders:  H.Kleist,  Voss,  Herder),  zernichten  1,  im,  21.  163,6.  2,22,24.  25,9. 
107,16.  300,22  U.S.W,  (aiich  später  noch  in  S.  7,95,17.  8,8,8.  100,25. 
9,385,24);  auch  Haller  schreibt  gern  zernichten;  besonders  aber  ist  es 
üblich  bei  den  Originalgenies,  da  zer-  kräftiger  als  ver-  lautet. 

Anra.  Da  im  schwäb.  kein  zer-  mehr  existiert,  sondern  nur  ver-, 
so  wendet  Schiller  gelegentlich  zer-  auch  an  in  verschieden:  zerschieden 
2,205, 10.  Br.  43, 17.  Br.  1, 107,  62,  9;  ebenso  andere  Schwaben  schon 


an  die  vorhabende  Heise  in  Goethes  Werther.  Andere  beispiele  s.  in  Gödekes 
glossar  S.  5.  —  Auf  der  andern  seite  kommen  auch  part.  praet.  mit  activem 
sinn  vor:  tnein  vergessen  1,227,34,  der  Endlichkeit  vergessen  1,225,84. 

1)  Dazu  später:   beblümen  S.  6,  217,  befeuern  S.  7, 17,  6.  9,384,31,   be- 
krönen S.  13,  27,  bepurpurn  S.  13,  49,  behexen  3, 198, 12. 

2)  ergrübelu  S.  5',  145,  3063,  ersiegen  oft  in  S.  6,  errufen  S.  4,  278,  er- 
sättigen S.  3, 41.  247,  ersterben  S.  6, 284, 26,  ermangeln  S.  6, 387. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  411 

vor  Scliiller:  Sclnv.  m.  1775,  560.  1777,  543  (vgl.  Beliaghcl,  Schrift- 
sprache und  miuidart,  189G,  s.  15:  'Der  SchAvabe  enthehrt  der  vorsilbe 
zer-,  hei  ihm  werden  die  kleider  rcrn'sscn.  Dadurch  ist  kein  geringerer 
als  der  junge  Schiller  verführt  worden,  von  zcrschiedenen  sceuen, 
zersckiedenen  eigenschaften  zu  sprechen.'). 

ver-:  verblenden  1,63,9  =  'blenden',  verhüpfen  1,107,51  =  'weg- 
hüpfen' (Heinsius,  J.  Paul,  Gögkingk,  Schiller),  verseufzt  ihr  Lehen  2, 126, 16, 
es  verlohnt  s/eh  die  Mühe  1,34,16,  nehen  es  lohnt  sieh  der  Mi'ihe  2,95,22 
(so:  es  verlohnt  sich  ein  Gaufj  S.  3,  451),  sich  vertrauen  mit  1,  31,  25  =  'sich 
einem  anvertrauen',  verstatten  1,24,17.  Br.  54, 8,  verv ortheilen  2, 13S,  IS  = 
'übervorteilen'  (vgl.  Adelung:  vervorth.,  'w^elches  nur  im  gemeinen  leben 
einiger  gegendeu  für  das  anständige  hevortheilen  üblich  ist').') 

"Wie  Schiller  zum  schmuck  seiner  spräche  gern  die  ein- 
fachen verben  den  abgeleiteten  auf  -cm,  -igen  etc.  vorzog,  vgl. 
s.  402,  wie  er  ferner  auch  beim  subst.  manchmal  das  simplex 
dem  compos.  vorzog,  vgl.  s.  403,  so  ist  es  auch  bei  den  verben 
ein  charakteristicum  seiner  Jugendsprache,  dass  er  die  ein- 
fachen verben  gerne  an  stelle  der  jetzt  üblichen,  mit 
präfix  zusammengesetzten  gebraucht,  besonders  in  poesie. 
Dieser  zug  seiner  spräche  mag  wol  auf  das  Studium  Klopstocks 
zurückzuführen  sein;  denn  gerade  Klopstock  macht  von  diesem 
Stilmittel  ausgedehnten  gebrauch.'-) 

So  sagt  Schiller:  &f rr/CH  (=  ver-)  Br.  9,  27,  ^/rtssen  (er-)  1,  42,  52,  hrhten 
(ans-)  1, 221,  28,  einem  Feuer  blasen  (ein-)  1,  221, 18,  dorren  (ver-)  1, 189,  77, 
doppeln  (ver-)  1, 158, 14.  164,27  (Si.58  (jedoppelt  lieb),  denken  (nach-)  1, 118,27. 
90,6.  Br.  38,2,  ^e&Z/t>6e>i  (zurück-)  1, 233,  71,  fte<ern  (aus-)  1,  131,  99.  210,16, 
jd.  fachen  in  (anfachen  zu)  2, 101,  3.  1,  229,  79,  fördern  (be-)  2, 189, 18,  fidlen 
(er-)  1,47,27,  (jiefsen  (ver-)  1,48,68,  gürten  (xim-)  1,345,20,  (jründen  (l)e-) 
Br.  48, 1  (Si.  2, 174  unyeciründet),  haschen  (er-)  2,  115,  24,  gewöhnen  (au-) 
1, 156, 14,  forschen  (er-)  1,25, 14,  vgl.  Forschung  s.403,  löschen  (ver-)  1,296,39, 
liefern  (ein-)  2,  204,  4,  wohl  kommen  (be-)  2,  268, 12.  139,  22.  107, 19,  merken 
(be-)  1,  329, 483.  Br.38, 10.  Haug,  Z.464.  Br.85,8,  mummen  in  {ein-)  1,186,18, 
niedern  (er-)  1,239,18,  nuzen,nüzen  (ans-)  By.3G,B.  61,9.  S.  2,  92, 15,  reichen 
(er-)  1,  301,  26,  ruhen  auf  (be-)  1, 173,  12.  90,  33,  reißen  (zer-)  1,  234,  4. 
349,18.  190.232.  194,234,  m/seu  (fort-)  1,  233,  65,  reuen  (he-)  1,  U,  9ö, 
ri(fcn{he-)  1,  34, 12,  rufen  (zu-)  1,  302,  38,  schlingen  (ver-)  1,  301, 11.  284, 134. 
227.  38  (SG.  2,  68),  schweigen  (ver-)  1,  321,  225.  229.  354,  43,  si)ähen  (er-) 
1,282,91,  scheinen  (er-)  1,32,2,  sehen  mit  einem  adj.  (aus-)  1,161,15.  2,246,14. 


1)  verstatten  S.  3,566,5.  4,196,11.  Br.  1,  194.  3,332.  S.  7,248.  74. 
S.  8,  254.  10, 276,  vervortheilen  Br.  5,  374,  —  hevortheilen  S.  4, 160,  verblassen 
=  'erblassen'  S.  5',  101.  14,341,  verstarren  S.  5',  134,  2800. 

-)  Vgl.  Fr.  Petri,  Kritische  beitrage  zur  geschichte  der  dichtersprache 
Klopstocks.   Greifswald  1894,  s.  9—12. 


412  PFLEIDERER 

134,  7.  14,  (1.  65,  26.  Si.  2, 134,  sonjen  (be-)  2, 32, 17,  nehmen  (ein-)  1, 227,  24, 
schrckcn  (er-)  Br.  27,25,  Jcerkei-n  (ein-)  1,  121,123,  mir  cjef allen  durch  das 
ioos  (zu-)  1, 124, 123,  sfeWen  (dar-)  2,  4, 14,  .^reZ/cn  (er-)  2, 142, 1,  soyinen 
(durch-)  1, 240, 109,  spornen  (an-)  1, 164,  31.  191, 148,  schlizen  (auf-)  2,  99, 1, 
süssen  (ver-)  1,  263,  35,  starren  (er-)  1,  210,  40,  schrumpfen  (einschrumpfen 
machen)  1, 189,  101  (vgl.  etwas  zusammenschrumpfen  2, 150,  sonst  ist  sehr. 
trans.  nur  noch  hei  Voss  belegt  im  DWl).),  splittern  (zer-)  1,208,  65,  schlagen 
(zu-)  1,  225,  53,  sich  schwingen  (auf-)  1, 281,45.  30,95,  stumpfen  (ab-)  1, 186,10, 
steigen  (auf-,  er-)  1,  43,  92,  schauen  (hin-)  1,  42,  64,  schluken  (ver-)  1, 40, 18, 
tischen  (auf-)  2,  46,  7.  1,  235,  7,  thürmen  (auf-)  1,  297,  82.  ST.  82.  120,  teilen 
(ver-)  1,  27,  20,  teilen  (zer-)  1,  29, 76,  tauschen  (ver-)  1, 181, 107,  weinen  (be-) 
1,210,20.  284,141,  wehten  mich  (um-)  1,218,18,  tvandeln  (ver-)  1,323,301. 
2, 12,  20.  6,  21,  treichen  (er-)  1, 125, 139,  weisen  (unter-)  2,  47, 18,  tvenden 
(ver-)  1,16,14.  15,16,  winskn  (nach-)  1,218,  21,  zeugen  (he-)  i,b7,3-i,  zeugen 
(er-)  1,156,4,  zahlen  (be-)  1,253,61,  ^/e/jen  (aus-)  1,345,32.  Dazu  noch: 
mifskennen  (misver-)  Hang,  Z.  465.  S.  1,  68,  auflegen  (aufer-)  1,  25, 19,  sich 
vertrauen  (anver-)  1,31, 25  (vgl.  gegentrozend  =  entgegentr.  1, 67, 1),  erstanden 
=  auferstanden  2,  328,  4. ') 

C.   Wortschatz. 

Es  ist  nicht  zu  verwundern,  wenn  in  einer  spräche,  die 
in  formen  und  lauten  so  viel  altertümliches  und  dialektisches 
aufweist  wie  die  spräche  des  jungen  Schiller,  auch  bezüglich 
des  Wortschatzes  eine  menge  archaismen  und  Provinzialismen 
zu  finden  ist.  Aber  gegenüber  der  spräche  eines  Herder,  Klop- 
stock  u.  a.,  die  auch  viele  altertümlichkeiten  und  mundartliche 
ausdrücke  aufweist,  ist  zu  betonen,  dass  bei  diesen  die  be- 
wusste  absieht  vorhanden  war,  ihren  Sprachschatz  durch  wider- 
aufnahme  von  material  zu  bereichern,  das  in  der  Schriftsprache 
ausser  gebrauch  gekommen  war.  Nicht  so  bei  Schiller:  in  der 
einleitung  habe  ich  versucht,  aus  dem  Charakter  der  schwäb. 
literatursprache  des  17.  und  18.  jh.'s  erklärlich  zu  machen,  dass 
vom  Standpunkt  der  nhd.  Schriftsprache  des  18.  und  19.  jh.'s  aus 
die  Schriftsprache  eines  Schwaben  jener  zeit  vieles  altertüm- 
liche an  sich  haben  muss,  auch  ohne  alle  darauf  gerichtete 


')  blassen  (=  erbl.)  S.  6, 374, 777.  11,  209,  43,  doppeln  (verd.)  S.  4, 125. 
144.  7, 135.  289.  8, 175,  fehlen  (verf.)  S.  5',  91,  merken  (bera.)  6,  29,  sich  finden 
(hei.)  3,  388,  sich  nehmen  (ben.)  5\  101,  dekcn  (verd.)  4,  29,  61,  engen  (bee.) 
4,21,10,  /■cHc/j^cn  (bef.)  6,  8,  33,  reZ/se«  (zerr.)  3,  321,  3,  mten  (ber.)  15',  122, 
jd.  etwas  vertrauen  (anv.)  6,  186,  tragen  zu  (beitr.)  4,  55,  zeichnen  (bez.) 
6,352,  ziehen  zu  (evL.) 'd,  i')ü,  ^ewf/oi  (bez.)  14, 278,  ewdt^ren  (bee.)  3, 518.  4,261, 
wandeln  (verw.)  11,  292,  thürmen  (auft.)  11,  358. 


SPRACHE   DES  JUNGEN   SCHILLER.  413 

absieht  seitens  des  betr.  scliriftstellers.  "Was  das  dialektische 
betrifft,  hat  sich  ausserdem  noch  gezeigt,  dass  in  Schwaben 
noch  mehr  als  bei  den  oben  genannten  eine  tendenz  vorhanden 
war,  dem  dialektischen  das  bürgerrecht  in  der  Schriftsprache 
zu  verschaffen. 

So  lässt  sich  denn  auch  aus  den  werken  des  jungen  Schiller 
eine  menge  von  archaismen  und  Provinzialismen  zusammenstellen. 

Archaismen. 

FAtenmter  1,  317, 118  {Älierraier  5»,  68),  —  Holz  =  'wald'  2,  97,  6  (so 
uocli  im  Gang  nach  dem  eiseuhammer),  —  Unraih  =  ' Unglück'  1,115,28 
{mhä.  iinrät  'not'),  —  Prinz  =  'landesherr'  1,50,22.  52,56,  —  Trieb  = 
'schar'  1,346,48.  2,78,7,  ebenso  Schw.  m.  1775,  471,  —  einen  einer  Sache 
schelten  ^'zeihen'  1,280,33,  das  Schelten  des  Ewigen  1,216,43  (biblisch), 

—  tvintern  =  'winter  sein'  1,353,5  (mhd.  ebenso,  vgl.  14,336  im  Teil),  — 
üherley  1,  247  (mhd.  leie  'art',  ebenso  üherlei  Br.  1, 116,  66,  7.  S.  3, 176  anm.), 

—  Zo/</e«  =  'zuleid  tun'  1,327,430  (ahd.  mhd.),  —  dti  spazierest  2,349,22, 
ebenso  SO.  19.  S.  3,  401,  21  (Adelung:  'am  häufigsten  braucht  man  es  mit 
dem  Zeitwort  gehen'),  —  Hamen  2,  84,  5  (öfters  in  der  Bibel;  auch  bei 
Haller,  Käslin  s.  62),  —  die  Mark  seiner  Bestimmung  2, 115, 15  {die  Mark 
der  Tugend  S.  3,  80,  8;  Adelung:  'ein  sehr  altes  und  weit  ausgebreitetes 
wort'),  —  Tei<foH/eH  1,  51,  48,  2a<fo»?eH  Hang,  Z.  457,  —  noch  kurz  =  ^'kxirz 
vorher,  kürzlich'  1,229,98  (Zinkgref,  Klopstock),  —  kurzweilen  2,  29Q>,  9 
(DWb.:  'ein  seit  dem  18. jh.  abgekommenes  schönes  wort'),  —  schmälen 
((»/■1,247,4.  Si.59.  Si.2,214,')  -  Seiger  des  Geivissens\,\d\,im.  ^T.<d4,l\ 
(mhd.;  DWb.:  lebendig  erhalten  hauptsächlich  md.),  —  i/««.sjHfm»i  =  *haus- 
vater'  2,26,15,  —  anmahnen  Br.  62, 15  (Adelung:  'bereits  veraltet'),  — 
geilen  1,221,23.  S.  3,  30, 25,  —  das  Geschioister  1,234,17,  ebenso  Schw.  m. 
1775,  313,  vgl.  Spr.  1,  81:  'einige  sagen  im  sg.  das  Geschwister''  (weitere  bei- 
.^piele  für  die  sg.  Verwendung  s.  Jonas,  Erläuter.  s.  81),  —  deutet  ihr  Esels- 
ohren 2,79,14  (Adelung  erklärt  es  für  im  hd.  veraltet,  im  o1)erdeutschen 
gang  und  gäbe),  —  sichs  versehen  =  'es  nicht  merken'  2,34,7  (Adelung: 
'für  nlierschen,  eine  bedeutung,  welche  sparsamer  vorkommt  als  die  übrigen'; 
die  moderne  bedeutung  in  eh  sie  sichs  versahen  1,  207,  45),  —  beide  Liebe 
und  Verlust  2,390,17,  so  bei  Miller  Si.  98  (seit  dem  17.  jh.  wird  beide,  so- 
weit es  noch  verwendet  wird,  durch  beides  ersetzt),'^)  —  raunen  2,169,5. 
309,17  (Adelung:  'leise  reden,  meist  veraltet';  schon  Leibnitz  bezeichnet 
es  als  'verblichen'),  ^)  —  mit  Ihr  Gestreng  1,  252,  37,  —  Fulreru-ecke  1, 282,  81 
(=  'das  aufwecken  durch  geschützdonner',  einziger  beleg  im  DWb.,  wol 
gehiUlet  yfie  mhi.  tageivecke,  Lexer  2, 1394),  —  Heldenthaten  begehen  l,\d,li 


')  schmälen  S.  3, 113.  290.  363.  4,  39.  Br.  6,  400. 

*)  Vgl.  dazu  so  —  so  =  'je  —  desto'  S.  2,  5, 17;  noch  —  noch  =  'weder 
noch'  S.5S142.  9,339. 

^)  in  die  Ohren  raunen  S.  13,  135,2971. 


414  PFLETHERER 

(Adehiiiii':  ■' ehedem  wurde  dieses  zeit  wort  auch  in  gutem  verstand  gebraucht; 
im  oberdeutschen  ist  dieser  im  lid.  veraltete  gebrauch  noch  hin  und  wieder 
üblich,  weil  man  daselbst  auch  herrliche  thaten  begehet'),  —  stäuben  =  *zu 
staub  werden'  1, 183, 142  (mhd.  slöuben:  in  Adelung  nicht  mehr  verzeichnet), 

—  ihrünen  =  'weinen'  1,284,10.  277,24  (Adelung  kennt  nur  noch  das 
thränende  Auge),  —  Nerven  meines  Geistes  1,139,25  (DWb.:  'wobei  noch 
oft  die  ältere  Vorstellung  [=  'sehne']  zu  gründe  liegt,  bei  Schiller'),  —  vo-- 
hotfe)itlich2','6S-i,  14  (mhd.  nicht  nachgewiesen,  im  frühesten  nhd.  vorhanden]; 
Adelung:  'der  edleren  Schreibart  fremd'),  —  aufwarmen  intr.  1,191,153 
(im  DWb.  noch  ein  beispiel  aus  Wielaud),  —  Witz  =  'verstand'  2,305,30 
(Paul,  Wb.:  'bis  ins  18. jh.  ist  die  alte  bedeutung  nicht  vergessen'),  —  falsch 
=  'heimtückisch'  1,16,24  (Adelung:  'im  hd.  unbekannter  gebrauch,  der 
indessen  doch  oft  in  der  deutschen  bibel  vorkommt'),  —  ein  Haar  kränken 
2,312,28  (DWb.:  'ein  rest  des  sinnlichen  kränkens;  das  hat  sich  nur  er- 
halten, weil  die  ganze  redensart  uns  nur  ein  fahles  bild  ist  für  das  kränken 
des  mannes  selber  in  unserm  sinn'),  —  Augenblick  =  'blick  der  äugen' 
1, 59,  IG  (so  noch  bei  Luther),  -    Sympathie  =  'harmonie'  1, 16G,  '29.  165, 17, 

—  vorstellen  =  'darstellen'  2,  387,  3,  —  eine  Strafe  fühlen  =  'erleiden' 
1, 26, 16  (vgl.  wer  nicht  hören  will,  tmiss  fühlen),  —  vergeben  =  'falsch 
geben' 2, 135, 15,  —  wem's  gebühr'  1,220,11  =  'wer  dürfe',  —  Ansicht  = 
'aussieht'  1, 218, 15  (Frisch:  'ist  nicht  gebräuchlich';  Adelung:  'ziemlich 
ungewöhnlich';  das  wort  ist  im  18.  jh.  wider  aufgekommen),  —  Dampf  des 
Unraths  1,  159,  33,  Dampf  des  Weins  2,  33,  20,  —  leeyland  2, 26,  —  mählig 
1,124,109,  —  alsobald  1,124,112,  —  verneinen  =  'versagen'  1,284,138. 
277,  19,  9.  298,  103  (Stieler:  verneinte  Gerechtigkeit  =  'just,  denegata'; 
DWb.  führt  noch  eine  stelle  aus  Goethe  an),  —  fürbafs  1,  269,  58,  —  bafs 
=  'besser'  1,359,39,40  (12,32),  —  ferner  = 'weiter'  1,64,12.  2,31,12,  — 
schivank  '[,  181,  8S.  186,11,  —  geivohnen  =  'gewohnt  werden'  1,244,7 
(S.  13, 21),  ebenso  Schw.  m.  1776, 161,  —  feiern  =  'ferien  machen'  1, 180,  65, 

—  fehlen  =  'fehler  machen'  1,  55, 15,  —  tveben  =  'leben'  1,  29,  84.  168, 10, 

—  Born  1,  208,  66,  —  Auszug  =  'das  ausgezogene'  2, 115,  25,  —  der  Nach- 
lafs  =  'das  nachlassen'  1,172,9,21.  175,2.  176,5,  —  Fersi o/s  =  'der 
verstossene'  1,  301,  8,  —  Verfolg  der  Geschichte  2,  9,  21,  —  Behtdf2,  382,  28. 
369,2,  —  Ungrund  ^  'unbegründetheit'  1,89,19  (12,430),  —  Riesenspanne 
1, 190, 109,  —  harren  1,  '225,  49  und  öfters,  —  liebensivärdig  passiv  1,  21,  33. 
103, 15,  —  empfindlich  pass.  {der  Vorivurf  ist  mir  empfindlich)  1, 117,  25,  — 
jedweder  1,\}%,H\.  Br.  49, 10.  S.  1, 76, 29.  311,3.  256,165  (Adelung:  'ein 
altes  bei  wort,  in  der  edleren  und  höheren  sprechart  seltener'),  —  jeglich 
1,97,5.  100,15  nnd  oft  in  M,  —  einig  =  'einzig'  Br.  49, 14.  S.  1,55,20. 
56, 12.  95,  20.  2, 203, 18  u.  a.  (ahd.  einag ;  häufig  in  der  Bibel,  und  noch  im 
18.jii.  nicht  ganz  selten),  —  man  besorgte  für  sein  Leben  '2,390,  18  (er 
besorgt,  ich  iverde  ...  3,  279,  20),  —  minnen  1,  308,  29,  —  der  Arge  2, 174, 15, 

—  reimen  =  'in  einklang  bringen,  zusammenreimen'  2,187,19  (4,256),  — 
nicht  dürfen  =  'nicht  brauchen'  1,55,7.  2,10,12,  —  fechten  =  'kämpfen' 
2,98,4,  —  streiten  =  'wetteifern'  1,51,55,  —  mochte  =  'vermochte  zu' 
1,120,9.  12  (Paul:  'im  16.  17. jh.  noch  ganz  üblich'),  —  Ungefähr  =  'zu- 
fair  1, 150, 11.  146  anm.  (9,  308,  22),  —  ich  wurde  gesprengt  2,  290, 1  (Heyne: 


SPRACHE   DES   JUKGEN   SCHILLER.  415 

'älter  in  bezug  auflebende  wesen';  ebenso  im  Kampf  mit  dem  dracben  141: 
das  Pferd  auf  den  Drachen  lossprengen;  so  noch  schwäb.  allgemein  üblich: 
das  Pferd  ansprengen),  —  mehr  als  vorhin  =  'vordem'  1,115,11  (Luther, 
Haller),  —  verbunden  1,281,49.  2,295,20  (Adelung:  'wofür  doch  erblinden 
üblicher  ist';  mhd.  verbunden,  Stärkung  des  einfachen  blinden),  —  äufsern 
=  'nach  aussen  zeigen'  1,17,4.  23,31.  24,2  (Adelung:  'grüfstenteils  nur  im 
gemeinen  leben  und  in  den  kanzlej-eu'),  —  e rschröckl ich  2,  (i89,S2.  SO.  120. 
Si.  286  (S.  10, 212,  31),  —  Dritteil  2,  86.  347  (5S  66),  —  drittheilcn  2,  842,  25 
(DWb.  und  Heyne  haben  nur  dies  beispiel),  —  Vierteil  2,  352, 17,  —  gevier- 
theilt 2,  dl  (Adelung  hat  nur  Drittel,  Vierthel,  'von  einigen  Vierteil  ge- 
schrieben'), —  Bezeigen,  Bezeugen  =  'benehmen'  1,21,16.  22,15  (7,162. 
163.  10,86.  15^558),  —  drob  =  'darüber'  1,124,108,  —  iveil  =  'dieweil, 
so  lange'  2,31,15,  —  frommen  1, '257,  209  (12,84),  —  einem  hart  anliegen 
mit  2,  62, 16,  —  tvenns  nicht  an  dem  ist  =  'so  ist'  1,55,26  (7,166.  10,14. 
Br.  3, 139),  vgl.  ist  es  das  ==  'so'  2,15, 14,  —  Jcumlig  einer  Sache  =  'der 
um  etw.  weiss'  Br.  53, 13,  —  Unterricht  =  'einzelne  Unterweisung'  Br.  51, 19 
(vgl.  einem  Unterricht  geben  von  =  'nachricht'  8, 138,  22),  —  dies  soll  meinem 
Bruder  =  'ist  bestimmt  für'  2,  250, 2.  70,  22  (soll  dem  Tollkühnen  4,  84,  23), 

—  steh!  =  'bleib  stehen'  2,305,1.  275,25  (13,138),  —  sein  Geist  verzog,  zu  . . . 
2,  72, 11  (bibl.),  —  eine  Urkund  von  sich  geben  2, 177, 14.  315, 19,  —  Schande 
'Schändlichkeit'  1,  64, 22,  —  Entzücken  =  'Verzückung'  1,  288,  23,  —  funkend 
1, 217,  21,  —  tüähnenzH  1, 161, 22.  2,  '202.  298,  27,  —  zuvörderst  Hang,  Z.  456, 

—  vorzüglich  =  'in  erster  linie'  Hang,  Z.  465.  Br.  62, 19,  —  sie  icirkten  in 
ihm  die  Melancholie  1, 112,  25;  ähnlich  1, 162,  34  (8, 197;  im  mhd.  wird  wirken 
auf  jedes  beliebige  erzeugnis  bezogen),  —  vergyiügt  mit  =  'sich  begnügend' 
1,16,15.  23,31  u.a. 

Dahin  gehören  auch  folgende  rectionen  von  verben:  verben  mit 
dem  gen.,  die  jetzt  eine  präp.  nach  sich  haben:  vergessen  1, 332,  384: 
und  .oft,  —  lachen  2,  298, 15,  —  tvarten  1, 169, 14,  —  spotten  2, 104,  23,  — 
harren  2,75.  Verba  mit  gen.,  die  heute  den  acc.  regieren:  braucht 
keiner  Hexereien  2,  82,  5,  —  schonen  2,  68.  17.  289, 17  (acc.  2, 136),  —  brauchen 
2,  63,  26.  244,  2,  —  jjßegen  2,  49, 16.  217, 13,  —  einer  Sache  los  sein  1, 169,  5 
(Br.  5,  400.  6,20).  Verba  mit  dat.:  einem  liebkosen  1,293,14  (noch  bei 
Wieland),  —  schmeicheln  2, 154.  106.  104  (5,  39.  167),  —  es  einem  entgelten 
lassen  2,  248,  8  M,  —  wurmt  ihm  1,  345,  26,  —  einem  heruntermachen  2,  365, 29, 

—  einem  aufbieten  2,  359, 19  (im  nhd.  19.  jh.  nur  noch  bei  allem  aufbieten 
aco.  2,  91, 16),  —  korrespondieren  1, 144, 10,  —  nachahmen  1,  68,  8.  SG.  2,  9 
(so  noch  S.  10, 135, 24). 

Im  18.  jh.  noch  üblich,  jetzt  aber  veraltet,  sind: 

Schelm  = 'schurke'  1,228,62.  2,302,4  (8,340,17.  12,254),  —  sclncä- 
bische  Provinzen  =  'das  schwäbische  land'  1,50,23  (Schw.  m.  1775,  474),  — 
äugeln  =  'blicken'  1, '238,  60,  —  den  Aussjjruch  thun  =  'endgültig  ent- 
scheiden' 1,  61,22.  Schw.  m.  1776,172,  —|;o/s/emt /Vir  =  'gelten  für' 2,10,17, 

—  s/c/t/ierrn<s/a.ssc»M7;e/-  = 'gestehen' 1,111,  7  (8,328,5.  12,131.  Br.6,50), 

—  6e</m/'e«  = -umfassen'  1,145,25,  —  bestimmen  =  'eine  bestimmte  rich- 
tung  geben'  1,21,9  (Br.  1,  216),  —    in  Absicht  m</'Br.44, 11.  S.  1,174, 18. 


416  PFLETDERER 

Br.52,2  etc.  Si.  96.  361,  —  erwarmen  1,210,39  (3,282  u.a.),  —  erfahren 
=  'beobachten'  1,81,24.  82,8,  —  gemnie  Symjiaihie  i,i0d,14,  —  genaues 
Band  1,109,17,  —  genauer  Zusammenhang  1,143,5.  145,29  etc.  {genaue 
Freundschaft  Br.  1,431,  genauer  Zusammenhang  S.  7,214,15),  —  eine  Freund- 
schaft erriöhten  1,  56,  5,  —  in  Bücksicht  auf  Br.  37, 15.  47, 22, 1  (noch  S. 
7,220.  10,482),  —  zwei  Tage  vorher  ehe  1,  115,24  (S.  9, 191.  15S  353),  — 
7t7V?er  =- 'gegen'  2,59,5.  Br.46,21,6.  S.  2, 235, 19.  236,3  etc.  —  die  ich 
für  die  schicerste  erkenne  Br.  55,  3  (bei  Adelung  noch  sehr  üblich),  —  heischer 
=  'heiser'  1,232,55.  ST.  58, 1,  —  zuschreiben  =  'dedicieren'  1,199,  — 
Zuschrift  =  'dedication'  Br.  36, 17,  3.  38,6,  —  der  Verspruch  =  'das  ver- 
sprechen' 1,13,19.  48,67.  Br.  01,20,  vgl.  der  Verderb  SO.  170,  —  der  Ver- 
stand eines  tcortes  Br.  43, 11.  S.  1,  79, 19.  171, 15.  Br.  9,  31.  S.  1,  61, 11.  SO.  43 
u.  a.  (so  noch  9, 169, 16.  10,  23,  20),  —  Zeitung  =  'nachricht'  2, 15, 1.  67, 19. 
2, 145, 14  u.  s.  Vf.  (Zeitung  modern  2, 78, 18 ;  dafür  öffentliche  Briefe  2, 253, 9 M), ») 
—  3Ienschheit  =  'menschlichkeit'  2,293,11.  48,9.  1,149,11;  so  bei  Haller, 
Tgl.  Käslin,  Haller  s.  62  (S.  9,  374,  28),  —  Parthie  =  'partei':  sich  auf  die 
parthie  schlagen  von  jd.  2,358,10  (so  bei  Wielaud;  Adelung:  ^Partey  üb- 
licher'),-) —  Malerei  =  'gemälde'  2,246,12  (öfters  im  Fiesko),  —  Nymfe 
=  'junges  mädchen'  1,248,9.  270,93,  —  schimrig  vgl.  s.  398,  —  gothisch 
vgl.  s.  398. 

Noch  sehr  üblich  ist  im  18.  jh.  eine  Verbindung  wie  geht's  Mädchen 
mir  vorüber  1,  267,  11,  f^oh  ihm  vorüber  1,  107,  49;  vgl.  ging  der  Tugend 
^Steige  vorbei  SG.  386,  als  er  die  Kirche  vorbeikam  Si.  2,  257,  sein  Haus 
vorbeigehen  Si.  5.^) 

Diese  Sammlung  zeigt,  was  Behagliel,  Sprachgebrauch  und 
Sprachrichtigkeit  s.  25  bemerkt:  'Der  lauf  eines  Jahrhunderts 
ist  lange  genug,  um  in  der  spräche  recht  erhebliche  Verände- 
rungen hervorzurufen.' 

Suevismen. 

Zu  dem  bereits  über  dieses  capitel  gesagtem  füge  ich  noch 

folgende  äusserungen  Fuldas  hinzu:  'Es  ist  kein  schwäbisches 

wort  in   dem  munde  des  obersten  lanclmanns  so  verzerrt  und 

rauh,   welches  nicht  eines  hochteutschen  feinen  anzugs  fähig 


1)  Zeitu/ng  =  'n&chrichV  noch  S.  5-,  175.  4,  232,23.  7,188,21.  8, 167,33. 
191,15.  9,61,34.  12,194. 

'■')  So  noch:  an  der  Spritze  einer  jiarthie  prangte  S.  4, 281, 19,  icli  habe 
seine  Barthie  gegen  . . .  genommen  Br.  1,  99,  83,  Herder  hat  meine  Barthie 
genoynmcn  Br.  1,  384, 20,  ähnlich  in  S.  7,  52,  4,  Barthie  nehmen  S.  9,  382,  10 
und  öfters. 

*)  Vgl.  ich  fliege  etw.  vorüber  S.  3, 164, 40,  dich  geht  man  vorüber 
S.  11  ,162,  8,  ging  den  Nachbar  vorüber  S.  7,  29,  12,  die  er  vorüberging 
S.  7, 320, 15,  er  war  D.  vorbei  S.  8, 123, 10,  die  Instanz  vorbeigehen  S.  10, 108, 30. 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  4l7 

wäre  .  . .  Ist  es  an  sich  edel,  das  ist,  anpassend,  kräftig,  von 
wichtiger  nötiger  bedeutung:  was  sollte  hindern,  dasselbe  des 
anzugs  und  der  weit  zu  würdigen?  . . .  Dann  das  provinciale 
an  sich  ist  noch  nicht  das  pöbelhafte  . .  .  Wir  wollen  in  ge- 
meinschaft  die  hochteutsche  oder  schriftmäsige  spräche  be- 
reichern' Ergözlichk.  1774,  2,  81  ff. 

Zu  den  Provinzialismen  gehört  einmal  der  häufige  gebrauch 
des  verbums  thun. 

Die  Verwendung-  von  tliim  ist  dialektiscli  eine  viel  häufigere  und  weitere 
als  in  der  modernen  Schriftsprache;  Schiller  sagt:  Widerstand  ihim  2,  218, 19. 
51,6,  einen  Schivur  tlmn  2,332,25,  einen  Vistolsdmfs  thun  2,169,18.  310,5, 
M^uiulerkuren  thun  1, 163, 10,  Wünsche  an  Gott  thun  1,  55,  24,  einen  Fang 
thun  2, 155,  einen  Tanz  thun  2,  333, 13,  Thaten  thun  2, 133,  eine  Wallfahrt 
thun  2,19,9,  eine  Reise  thun  1,261,35,4,  Vorschlüge  thun  Br.  39,  Meldung 
thun  Br.  49,  97. ') 

Auf  dem  gebiet  des  Wortschatzes  sind  specifisch  schwä- 
bisch: nmimer  =  -nicht  mehr'  S.  1,200,46.  281,56.  341,28. 
2,55,2.  221,7.  321,15;  so  im  Schw.  m.  1780,  536.  Spr.  2,  37. 
ST.  17.  83.  SG.  25, 14  ;0  —  Öhrn  2, 143,  4  (mhd.  em;  Paul,  Wb.: 
'südwestdeutsch  mundartlich');  —  Misipantscher  2,6,8;  —  ge- 
pantscM  1,  345,  22  (vgl.  Schmid,  Schwab,  wb.  s.  41:  hantschen  = 
'schlagen');  —  einem  ahMppen  2,  145,  19  (vgl.  Schmid  s.  302. 
Fischer,  Schwab,  wb.  1,  33);  —  Schmaz  1, 352,  54  (Kluge:  'ober- 
deutsch'; Schmid  470:  =  'derber  kuss');  —  strumpfen  1,  233,  60. 
305, 23.  253,  63  (Paul,  Wb.:  'auch  noch  bei  neueren  süddeutschen 
Schriftstellern';  Schmid  512);^')  —  mast  1, 130,60  (Schmid  376); 
—  liompen  1,  341,  4  (Schmid  85:  'mit  zitterndem  lautem  ge- 
räusch  fallen');  —  schellen  2, 134,  9  (Adelung:  'im  oberdeutschen 
braucht  man  es  auch  von  kleinen  glocken ');•*)  —  besprengen 
2,  80, 15    (Schmid  504);    —    Schlamp  2,  6,  31.  30, 4  (DWb.:  'in 


1)  Widerstand  thun  S.  6,  363,  470.  8, 104, 14,  Ehrerbietung  thun  4, 275,  9, 
Seereisen  thun  4,238,16,  eine  Heise  thun  6,  113,28.  7,  122,4.  Br.  1,70,3, 
Vorstellungen  thun  4,  327, 19,  einen  Antrug  thun  4,  97,  30,  einoi  Wurf  thun 
S.3, 158,  Vorschlüge  thun  i,12'i.  Si.2,154,  Nachfrage  thun  S.i,2V6,  Meldung 
thun  4,  29.  Br.  1, 145,  einen  Gang  thim  S.  3,  24.  207,  ein  Gestündnis  thun 
S.  3,  405,  eine  Frage  thun  4,  215,  3,  Versieht  thun  6,  82,  8,  Anzeige  thun 
Br.  5,  85,  Entschiddigimg  thttn  Br.  1, 106,  einem  Vorstellungen  thun  S.  7, 159. 
-!G2,  Vorschlag  thun  Br.  4, 156,  Antrüge  thun  Br.  6,  93. 

*0  nimmer  =  'nicht  mehr'  Br.  1, 199,  5.  S.  11, 222,  50.  Br.  3, 175. 

*)  strumpfen  nur  noch  S.  3,  85, 1. 

*)  schellen  noch  im  üang  zum  eisenhammer  S.  11,203. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXVIll.  27 


418  t^FLETDERER 

AVürtteiiibei'g  ist  der  Schi  die  weite  schleppe  des  frauenrocks; 
Selimid  464);  —  platschiafs  1,  349,  8  (im  DWb.  das  einzige  bei- 
spiel;  daß  eigentliche  schwäb.  wort  lautet  jp/?-  an;  Schmid62); 

—  hermislangen  (etwas  aus  der  tasclie)  2,  4,  21 ;  —  lern  mich 
die  Pfiffe  2,  84,  24  (Schmid  354:  'lernen,  lehren');')  —  heben  = 
,halten'  2, 84, 6  (Schmid  267;  vgl.  Spr.  1, 125:  'das  schwäb.  pro- 
vinzialwort  hehen  heisst  =  halten,  festhalten');  —  heben  = 
'aushalten,  langen'  2,  84,  24;  —  wenn  halt ...  1, 244, 14  (Schmid 
256);  —  seid  halt ...  2, 144;  —  so  haben  wir  halt  2, 154;''^)  — 
Hochseiter  1, 188,  6.  2,  318,  22  M;  —  haudern  1,  213,  54  (Schmid 
307);  —  verivettcrn  2, 142,  25  (Schmid  524);  —  Idechen  1,  349, 2 
(Schmid  317);  —  heuer  1,  306,  33  (Paul,  Wb.:  'süddeutsch  volks- 
tümlich, sonst  veraltet');  —  erschlappen  2, 162,24  (in  Schwaben 
mundartliche,  für  -schlaffen  eingedrungene  form); 3)  —  ausreuten 
Hang,  Z.461  (Paul,  Wb.:  'süddeutsch');  —  Spinnetvebe  f.  1,234,28. 
2,  341,  22.  SG.  2,  235;  —  Spi^imveben  2, 183;  —  angehen  =  'an- 
brennen' 2,  96,3  (Fischer,  Schw.wb.  1,204);  —  der  Gelüst  1,251,7. 
187,  35.  Si.  2,  98.  GR.  67 ;^)  —  unstrittiy  2,  379, 12  =  'unstreitig'. 
Schw.  m.  1775, 380.  1776,705.  1777,541.  1778, 976;-')  —  aus- 
spreiten 2,  6,  31.  36, 15.  227, 15.  286.  133,  9  (Schmid  504);  e)  — 
spreifst  1,354,38  (Schmid  504);  —  ein  Eimer  zivanzig  Wein 
2, 144, 11;  vgl.  so  ein  drei  Wochen  Si.  238;"')  —  difseln  1,  58,33; 

—  düfseln  2,32,10.  1,343,70  (Schmid  122);  —  verträtschen 
2,261,5  M.  97,7.  —  vcrkrätscht  2,261,5  A  (Schmid  421);«)  — 
zwirbeln  1,  213,  29  (Paul,  Wb.:  'südwestdeutsch';  Kluge,  Et.  wb.: 
'fränk.-elsäss.');  —  Weidenstosen  %  82,  S  (Schmid  512;  Schiller 
hat  das  wort  von  1782  an  in  -Stumpen  geändert);  —  glosten 
2,62,28.  1,284,131  (Schmid  234);  —  //of?em  1,  230, 111  (Sclimil 
196);   —   greinen  2, 199,  8    (Schmid:  =  'verdrüfslich  weinen'; 

•)  ehien  etw.  lernen  Br.  2,  267. 

2)  halt  S.  3, 147, 16.  362.  364. 

')  Erschlappung  S.  3,  578,  6,  Schlappheit  Br.  1, 399, 2.  3,  81,  vgl.  schlapp 
SO.  99. 

*)  der  Gelüst  S.  3,  20.  31.  89.  389.  565.  5',  9,  88,  das  Gelüsten  s.  S.  5  im 
glüssar. 

"•)  strittig  S.  3,  379.  Br.  2, 187.  4,  70. 

«)  spreiten  S.  3,  77.  261.  569. 

')  ein  zivanzig  Pfund  S.  11, 19, 19,  ein  8  Tage  Br.  7,  39,  ein  14  Tage 
Br.  5,  359,  ein  20  Louis  S.  3, 553,  ein  4  oder  6  Wochen  Br.  7,  93. 

«)  Getratsch  S.  3,  366,  8,  getratscht  S.  13,  424  (Tur.). 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  419 

Frisch:  'wird  in  Oberdeutschland,  sonderlich  im  alem.  dialekt, 
vom  weinen  der  weiber  und  kinder  gebraucht');  —  grieseln 
2,  293,  61  (Schmid  241);  —  laufen  =  'gehen'  2, 166, 1.  305, 17. 
Si.  166.  2,13;  —  ^i^rm^/ew  =  'laufen'  2, 180, 15.  143,4;  — 
schmollen  =  'lachen'  2, 129, 11.  284, 21  anm.  M.  32,7.  1, 284, 145. 
240,  112  (Schmid  472).  Schw.  m.  1775,  206;')  —  ivirJclich  = 
'gegenwärtig'  2,391, 15.   41,7.   1,21,30.   Br.58, 13.  SO.  201;  2) 

—  Narr,  einen  Spafs  2,118,16.  79,18  (vgl.  Birlinger,  So  sprechen 
die  Schwaben  s.  97:  '(?«  Narr!  in  der  rede  nicht  beleidigend; 
Narr  wird  als  partikel  betrachtet');  —  auf  des  alten  Herrn 
seinem  Sclnveisfuclisen  2,  144,  3  (eigentlich  schwäbisch  wäre: 
auf  dem  . . .  Herrn  seinem  Sclm-.);  vgl.  des  Lateiners  seines  Spr. 
2,279;  der  Welt  ihr  Bruder  Schw.  m.  1775,  711;  3)  —  einen  ab- 
//Mm2, 94, 6  (Adelung:  'oberdeutsch';  vgl.  Fischer,  Schwab,  wb. 
1,80);  —  zumal  =  'gleichzeitig'  1,124,130.  144,30.  159,24. 
2,92.  184.  63.  243,30.  257,  22;^);  —  Trillen,  Triller  1,212  ff. 
351  (Schmid  140);  —  sich  brennen  2,155  (Schmid  96);  —  da- 
zumal 2,  312, 10;  —  in  Grunds-Boden  geschlagen  2, 142,  24;^)  — 
in  aller  Jast  2,126,3  (Sclimid296);  —  hasselieren  2,80  (bei  Haus- 
leu tner,  Schwab,  archiv  1790  im  Schwab.  Idiotikon  s.  330  ver- 
zeichnet); —  durchivamsen  =  'prügeln'  1,  251,  5  (ebenso  als 
Schwab,  angeführt  ebda.  s.  338);  —  Kunkel  2, 155, 18  (vgl.  Br. 
2,66:  'wie  der  Schv>'?ibe  ssigt,  ander  Kunkel  haben^);  —  pflumpf 
2,34,3  (Schmid  63);    —    das  Schief sen  zu  Hornberg  2,32,15; 

—  ich  bin  gestanden  1,200,17.  2,66,9.  247,  4  M;«')  —  bröUen 
2,159,23  in  B  und  0  (Schmid  95);  —  schottein  Haug,  Z.  458 
(Schmid  476);  —  Aufstreich,  Aufstrich  2,241,27.  30,1.  44,14 
(vgl.  Fischer,  Schw.  wb.  1,426);  —  Urehni  Arch.  f.  lit.-gesch. 
9,282  (Schmid  23);')  —  zündeln  1,255,122  (Schmid  552);  — 
zündet  hieher  2,190,7   (Paul,  Wb.:  'oberdeutsch';  Schmid  552); 

»)  schmollen  S.  3,  84, 17.  106.  285, 18.  7, 183,  7  (vom  jähr  1788). 

»)  tvirklich  =  'gegenwärtig'  S.  3,  75,  3.  Br.  3,  432.  7,97. 

^)  hinter  des  Chinesen  seinem  Baisonnement  Br.  5,323,  anf  der  Fortuna 
ihrem  Schiff  S.  12,  3t,  des  Teufels  sein  Angesicht  S.  12,  45,  an  des  lllo  seinem 
Stuhl  S.  12, 1G9. 

*)  zumal  S.  3, 199, 18.  127,  9.  Br.  1,  331,  3. 

^)  m  Grnnds-Boden  schlagen  Br.  4,  427. 

^)  ich  bin  gestanden  S.  9, 191.  10,12,13  (aber  hatte  gestanden  schon  in 
S.  3, 541,  25). 

')  Ehni  S.  14,  370  (Teil). 

27* 


420  PFLEIl^ERER 

—  Tfennhui  2.17,44  in  den  auflagen  von  1782—1799;  Ffen- 
ning  bei  Fulda,  GK.  66;')  —  Btihe  =  'knabe':  da  ich  noch  ein 
Buhe  ivar  2,272,19;  Buhenlehen  2,284,19;  Buben  1,269,74; 
Buh  1,299,65,1;  Buhcntage  1,353,13  (Sclimidl03);2)  —  ahe, 
ahe!  2, 144,  22;  vgl.  Spr.  2,  236,  anm.  2:  ^Jcomm  ahe,  sagen  unsere 
bauren,  für:  komm  herab'. 

Hielier  gehört  auch  das  fremdwort  exponieren  2,  29,  4,  das 
der  württembergischen  schulsprache  angehört;  vgl.  darüber 
H.Fischer,  Sprachliche  einzelheiten  zu  Schillers  dramen,  Viertel- 
jahrsschrift  für  lit.-gesch.  1893,  s.  306. 


Ich  bin  am  ende  meiner  ausführungen.  Dass  das  thema 
nicht  nach  allen  selten  erschöpfend  behandelt  ist,  ist  mir  wol 
bewusst.  Aber  da,  wo  mir  am  meisten  zu  mangeln  scheint, 
dürfte  am  ehesten  eine  besondere  arbeit  die  lücke  ausfüllen: 
eine  eingehende  Untersuchung  der  Schriftsprache  in  SchAvaben 
um  1780,  vielleicht  bis  lang  nach  1800  (vgl.  die  citate  aus 
Gaylers  Deutscher  declination,  von  1835).  Das  Studium  der 
spräche  des  jungen  Schiller  und  der  gleichzeitigen  literarischen 
bewegung  in  Schwaben  hat  uns  gezeigt,  dass  die  deutsche 
gemeinsprache  in  Schwaben  vorläufig  noch  weit  entfernt  war, 
die  herschende  literärspraclie  zu  sein.  Wie  sehr  dies  der  fall 
war,  das  wird  erst  die  sprachliche  Untersuchung  von  möglichst 
vielen  schwäbischen  Schriften  jener  zeit  aus  allen  möglichen 
gebieten  des  geisteslebens  lehren.  Wie  lang  es  noch  dauerte 
bis  zum  vollständigen  'sprachlichen  anschluss  des  Südens  an 
den  norden',^)  darüber  gibt  die  vorstehende  abhandlung  noch 
keinen  aufschluss.  —  Ueber  die  Provinzialismen  in  Schillers 
späteren  werken  gaben  die  anm.  andeutungen,  aber  nur  wenige; 
denn  aus  der  menge  der  suevismen,  die  in  Schillers  späterer 
spräche  begegnen,  kamen  für  uns  nur  diejenigen  in  betracht, 
die  schon  in  S.  1  und  2  vorkommen. 

Es  erübrigt  noch  auf  eine  abhandlung  hinzuweisen,  von 
der  ich  erst  durch  die  redaction  der  Beiträge  erfuhr,  als  meine 


1)  Pfenning  S.  7,6,6.    9,41,1.    Br.  5,429,    Noth2)fenning  S.  3,488,15, 
Geusenpfenning  S.  7,  201,  20.  210,  6. 

*)  Bube  =  'knabe'  S.  12,21.  13,312. 

^)  Vgl.  Kluge,  Von  Luther  bis  Les.sing  s.  144. 


SPRACHE   DES   JUNGEN  SCHILLER.  421 

arbeit  bis  auf  den  scliluss  fertig  gedruckt  war.  Es  ist  die 
in  den  Jahresbericliten  für  neuere  deutsche  literaturgeschichte 
9,1,6  angezeigte  dissertation  von  F.  M.  E.  Kascli,  Mundart- 
liches in  der  spräche  des  jungen  Schiller,  Greifswald 
1900  (78  s.).  Es  ist  klar,  dass  die  beiden  jetzt  vorliegenden 
bearbeitungen  der  Schillerschen  spräche  sich  in  vielem  be- 
rühren: das  konnte  nicht  anders  sein.  Aber  sie  decken  sich 
nicht.  Kasch  hat  das  material  für  seine  darstellung  den  fünf 
ersten  bänden  der  Gödekeschen  ausgäbe  entnommen,  sowie 
den  vollständigen  ersten  band  der  kritischen  brief ausgäbe; 
seine  arbeit  umfasst  also  einen  viel  grösseren  Zeitraum  als  die 
meinige.  Demnach  ist  auch  der  inlialt  der  Untersuchungen 
ein  verschiedener.  Kasch  zeigt,  dass  Schiller  mundartliches 
in  seiner  spräche  benützt  hat,  und  was  an  mundartlichem 
bei  ihm  zu  eruieren  ist;  was  er  aus  andern  schwäbischen 
dichtem  —  "SVeckherlin,  Schubart,  Hang,  Uhland,  also  dichtem 
verschiedener  zeiten  —  beigezogen  hat,  sollte,  wie  er  selbst 
sagt,  seinen  blick  'für  alles,  was  in  betracht  kam,  schärfen', 
d.  h.  wol,  davon  überzeugen,  dass  die  betreffenden  formen  und 
ausdrücke  mundartliche  eigentümlichkeiten  sind.  Ich  hatte 
nicht  bloss  auf  das  mundartliche  zu  achten,  sondern  hatte  den- 
selben nachdruck  auf  andere  eigentümlichkeiten  von  Schillers 
spräche  zu  legen,  wie  archaismen,  charakteristica  der  spräche 
des.  ausgehenden  18.  jli.'s  u.  a.  Bezüglich  des  mundartlichen 
wollte  ich  zeigen,  dass  Schiller  nicht  etAva  mundartliches  'be- 
nutzt' hat,  sondern  dass  er  als  Schwabe  in  seiner  zeit  nicht 
anders  schreiben  konnte  als  er  tat,  dass  er,  so  lange  er  in 
Schwaben  lebte  und  schrieb,  nicht  der  deutschen  gemein- 
sprache,  sondern  einer  ganz  specifisch  schwäbischen 
Schriftsprache  sich  bediente  (vgl.  s.  277).  Für  mich  kam 
Schiller  meistens  weniger  als  selbständiger  Schriftsteller,  denn 
als  repräsentant  der  damaligen  schwäbischen  Schriftsprache  in 
betracht.  Deshalb  habe  ich  auch  in  den  belegen,  abgesehen 
von  kleinigkeiten,  nur  gleichzeitige  Schwaben  citiert:  Schubart, 
Haug,  Miller,  Nast,  Fulda,  sowie  die  verschiedenen  Verfasser 
von  artikeln  in  Haugs  Schw.  m. 

Es  ist  hier  nicht  der  ort,  Kasch's  arbeit  eingehender  zu 
besprechen.  Ich  möchte  nur  noch  auf  einzelne  punkte  hin- 
weisen, in  denen  unsere  resultate  differieren.    Kasch  teilt  ein 


422  PFLEIDEREK 

in  wortgebraucli,  laute,  formen.  Dem  mundartlichen  wort- 
gebraueh  sind  volle  31  selten  gewidmet.  Das  rührt  einmal 
daher,  da.ss  aus  S.  3  ff.  noch  sehr  viel  entnommen  werden 
konnte,  wol  besonders  aus  Kabale  und  liebe.  Dann  aber  hat 
Kasch  zu  viel  würter  als  'mundartlichen  wortg-ebrauch'  an- 
geführt. Ich  setze  voraus,  dass  'mundartlich'  beim  jungen 
Schiller  mit  'schwäbisch'  zu  identifi eieren  ist,  abgesehen  von 
einzelnen  fällen,  in  denen  Kasch  selbst  die  attribute  'sächsische' 
U.S.W,  mundart  beifügt.  Er  bringt  sehr  viele  citate  aus  S.  1 
und  2,  die  in  meiner  Sammlung  von  suevismen  nicht  zu  lesen 
sind.  Kasch  hat  nun  ja  wol  recht,  w^enn  er  in  den  Vor- 
bemerkungen sagt,  dass  ein  Norddeutscher  viel  unbefangener 
der  spräche  und  dem  wortgebrauch  Schillers  gegenüber  stehe 
als  ein  Schwabe,  und  zwar  wol  ganz  besonders  hinsichtlich 
des  Wortgebrauchs.  Nicht  viele  werden  sich  ganz  genau 
daiiiber  rechenschaft  geben  können,  was  in  ihrem  Wortschatz 
dialektisch  ist,  nicht  dem  Wortschatz  der  Schriftsprache  an- 
gehört. Zur  feststellung  des  mundartlichen  d.  h.  schwäbischen 
materials  hat  Kasch  die  verschiedenen  idiotica  Oberdeutsch- 
lands benützt  (schwäbisch,  schweizerisch,  elsässisch,  bairisch), 
und  dann  offenbar  angenommen,  dass,  was  in  einem  dieser 
Wörterbücher  für  das  betreffende  Sprachgebiet  als  mundartlich 
aufgezeichnet  war,  auch  für  Schwaben  mundartlich  sei.  Diese 
methode  ist  nicht  zu  billigen,  und  Kasch  führt  daher  auch 
manches  unter  obiger  rubrik  an,  was  Schiller  nicht  aus  seiner 
mundart  kannte,  Ich  habe  die  bei  Kasch  verzeichneten  citate 
aus  S.lund2,  die  ich  nicht  angeführt  habe  unter  den  'suevismen', 
nach  dem  bis  jetzt  vorliegenden  teil  von  H.  Fischers  Schwä- 
bischem Wörterbuch  (5  lieferungen,  von  Ä  bis  Sein)  nach- 
geprüft; darnach  ist  mir  entgangen  ausgemergelt  S.  2, 166.  306 
{bäumen  S.  1,  41.  200),  heJmlf  2,  369.  382;  dagegen  sind  bei 
Fischer  teilweise  überhaupt  nicht  angeführt,  teilweise  als 
'nicht  populär'  u.  ä.  bezeichnet  (vgl.  die  betr.  citate  bei  Kasch 
s.  3 — 7):  abgelegt,  all  {der  Wein  ist  all  2,115,  was  bei  Fischer 
ausdrücklich  'norddeutsche  ausdrucks weise'  genannt  wird), 
angaffen,  anrufen,  Aniverbung,  Auflauscher,  aus  {Spott  treiben 
aus),  ausreichen  =  'zureichen',  ausivitschen,  aufsen  {ihr  dort 
aufsen;  vgl.  Fischer:  'modern  nur  noch  von  der  aussenseite 
eines  dinges;   für  etwas  ausserhalb  [getrennt  davon]  befind- 


SPRACHE   DES   JUNGEN   SCHILLER.  423 

liches  vielmelir  ...  ihmss[cn]  imd  Jiausscn'),  J^alg,  begaßen.  — 
Ferner  hat  Kasch  manches  unter  der  riibrik  •  wort  gebrauch', 
was  ich  bei  der  lautlehre,  formenlehre,  archaismen  u.s.w. 
bringen  zu  müssen  glaubte  (z.  b.  dar,  ch,  als,  hälder,  gerner \ 
heede,  zween,  zwo,  Bissei;  denn  —  dann,  rauch  etc.;  subst.  von 
auffallendem  genus,  wie  Anker,  Angel,  ChoJcolade,  Gift  u.  a.). 

Zum  capitel  'laute'  Hesse  sich  im  einzelnen  manches 
sagen,  wo  dem  Verfasser  eben  die  genauere  kenntnis  der  ge- 
sprochenen mundart  nicht  zur  Verfügung  stand.  Bei  h  — p, 
d  —  t  nimmt  er  s.  51 — 53  (wol  nach  dem  Vorgang  von  AVagner 
u.  a.)  einen  unterschied  in  'stärke  und  dauer  der  verschluss- 
bildung'  an;  das  ist  zurückzuweisen;  vgl.  s.  317.  Auf  die 
5-laute,  in  bezug  auf  die  ich  mich  mit  einer  kurzen  bemerkung 
s.  290  begnügt  habe,  hat  sich  Kasch  s.  53  in  dankenswerter 
weise  etwas  näher  eingelassen;  Ordnung  bringt  man  übrigens 
auch  auf  dem  von  ihm  eingeschlagenen  weg  nicht  in  die 
Schreibung  der  5 -laute;  doch  hat  er,  was  ich  (ausser  s.  317) 
ausdrücklich  zu  bemerken  versäumt  habe,  deutlich  darauf 
hingewiesen,  dass  diese  Verwirrung  davon  herrührt,  dass  "vnr 
Süddeutsche  nur  stimmlosen  5- laut  kennen.  —  Ueber  das 
svarabhakti-e  (s.  316),  sowie  über  manches  andere  aus  der 
laut-  und  formenlehre  ist  K.  stillschweigend  weggegangen;  und 
doch  sind  diese  dinge  wichtig  für  die  geschichte  unserer 
Schriftsprache.  Bezüglich  der  attributiven  adj.  olme  flexion 
(Kasch  s.  67)  und  des  rückumlauts  (Kasch  s.  69)  verweise  ich 
auf  meine  bemerkungen  s.  354  und  382  f.,  in  denen  ich  zu 
zeigen  suchte,  dass  Schillers  Sprachgebrauch  in  diesen  punkten 
auffallenderweise  tatsächlich  gerade  den  mundartlichen  formen 
entgegengesetzt  ist.  Beim  verbum  tun  führt  K.  sowol  Ver- 
wendungen wie  jener  thät  haben  etc.  als  auch  die  häufige  Ver- 
bindung von  tun  mit  einem  subst.  zur  Umschreibung  eines 
verbalbegriff s  als  mundartlich  an  s.  27  und  anm.;  das  letztere 
ist  richtig,  vgl.  s.  417,  allein  das  andere  ist  nur  ein  archaismus, 
vgl.  s.  375,  absolut  kein  suevismus,  da  wir  ja  gar  kein  praet. 
in  der  mundart  haben. 

TÜBINGEN.  W.  PFLEIDERER. 


424  PFLEIDERER,   SPRACHE  DES   JUNGEN  SCHILLER. 

Inhalt. 

Seite 

Einleitung 274 

I.  Zur  Orthographie 278 

Orthographie  der  vocale  s.  281 ;  —  der  consonanten  s.  289 ; 
—  der  frenidwörter  s.  292;  —  resultat  s.  293;  —  über 
majuskel  uud  minuskel  s.  294 
n.  Zur  lautlehre 295 

A.  Vocalismus  der  tousilben 295 

Umlauts.  295;  —  u—o  s.  299;  —  dürfen  s.  299;  —  zu 

den  reimen  s.  300;  —  qualität  der  vocale  s.  300;  — 
quantität  der  vocale  s.  305 

B.  Vocalismus  der  nehensilben 307 

Das  -e  der  nachtonsilben  s.  307;  —  vorsilbe  ge-  s.  315; 

svarabhakti-e  s.  316 

C.  Consonantismus 317 

Anhang:  Die  schwäb.  reime  in  nachschwäb.  zeit.    .    .    326 

III.  Zur  formenlehre 327 

A.  Zur  flexion  des  subst 327 

Umlaut  s.  327;   —   endungen  der  subst.  s.  328;  —  dat. 

plur.  s.  328;  —  masc.  s.329;  —  ueutr.  s.  337;  — 
fem.  s.  339;  —  plur.  auf  -s  s.  341;  —  flexion  der 
fremdwörter  8.342;  —  declination  der  eigennamen 
s.  346;  —  gen.  der  subst.  s.  348 

B.  Zu  den  adjectiven 351 

Zur  flexion  des  adj.  s.  351 ;  —  Steigerung  s.  355 

C.  Zu  den  Zahlwörtern 356 

D.  Zum  prouomen 359 

E.  Zur  flexion  des  verbums 366 

I.  Vocalveränderungen  innerhalb  der  st.  flexion  .     .     .    366 

1.  Vocale  der  präteritalformen 366 

2.  Vocalverschiedenheiten  in  den  präsensformen .    .    370 
IL  Consonantische  einzelheiten 375 

ni.  Berührung  zwischen  starker  uud  schwacher  conj.    .  375 

IV.  Rückumlaut 382 

V.  Bildung  des  part.  praet.  durch  die  vorsilbe  ge-    .    .  384 

F.  Zu  den  flexionslosen  Wortarten 384 

Präpositionen 389 

Anhang:  Ueber  Wortbildung  und  wertschätz 393 

A.  Bildung  von  Wörtern  durch  ableitung 393 

B.  Bildung  von  Wörtern  durch  composition 403 

C.  Wortschatz 412 

Archaismen  s.  413;  —  suevismen  s.  416. 


ZUM  REIMGEBRAUCH  RUDOLFS  VON  EMS. 

V.  Junk  hat  in  diesen  Beitr.  27, 446 — 503  'Untersuchungen 
zum  reimgebrauch  Rudolfs  von  Ems'  vorgelegt,  an  deren  füh- 
rung  und  an  deren  ergebnisse  ich  einige  bemerkungen  an- 
schliessen  will.  Die  arbeit  Junks  baut  sich  auf  ein  vollständiges 
reimwörterbuch  des  gGerh.  und  des  Bari,  auf  in  richtiger 
erkenntnis,  dass  die  Untersuchung  nur  so  im  stände  ist,  soavoI 
ihr  thema  auszuschöpfen,  als  auch  reimmöglichkeit  und  sprach- 
möglichkeit  gegeneinander  abwägend  und  aneinander  beleuch- 
tend resultate  zu  gewinnen,  die  nach  dem  grade  ihrer  Sicher- 
heit oder  Wahrscheinlichkeit  genau  umgrenzt  sind  und  vor  aller 
misachtung  oder  nichtbeachtung  geschützt  bleiben.  Man  kann 
nun  solche  Untersuchungen  über  spräche  und  technik  mhd, 
dichter  am  vollständigen  reimmaterial  nach  zwei  richtungen 
hin  vornehmen.  Entweder  man  untersucht  einzelne  erscheinungen 
an  einer  möglichst  grossen  reihe  oder  einer  organisch  begrenzten 
gruppe  von  autoreu,  wie  z.  b.  meine  Mhd.  Studien  (Zs.  fda.  44 
und  45)  dies  getan  haben.  Oder  aber  man  untersucht  die 
sprach-  und  reimeigentümlichkeiten  eines  einzelnen  autors.  In 
diesem  letzten  falle  aber  muss  man  m.  e.  die  eigentümlichkeiten 
des  einen  autors,  auf  den  man  sich  beschränkt,  soweit  sie  eben 
aus  den  reimen  erkennbar  sind,  vollständig  alle  dem  material 
abzuringen  trachten.  Und  dann  dürfen  in  der  Untersuchung 
auch  niemals  die  so  wichtigen  Schlüsse  ex  absentia  fehlen:  denn 
nicht  nur  was  der  dichter  reimt  ist  sprachlich  bemerkenswert, 
noch  viel  mehr  interessiert  oft  was  er  nicht  reimt,  was  aber 
andere  Zeitgenossen  oder  landsleute  zu  reimen  nicht  ver- 
schmähen. Geht  man  bei  einer  arbeit  über  spräche  und  reim- 
technik  eines  einzelnen  dichters  nicht  auf  möglichst  genaue 
Vollständigkeit  wenigstens  der  grammatischen  ergebnisse  aus, 
so  hat  man  eigentlich  die  grosse  arbeit  des  reimwörterbuchs 


426  ZWIERZINA 

umsonst  auf  sich  genommen  und  legt  schliesslich  ein  durchaus 
lückenhaftes  bild  von  des  behandelten  dichters  spräche  vor. 
Das  haben  so  viele  einleitungen  zu  nachlachmannischen  mhd. 
ausgaben  in  ihren  sprachlich-metrischen  partien,  so  unglaublich 
oberflächlich  diese  auch  oft  waren,  am  ende  auch  noch  zu  wege 
gebracht.  •  Gerade  Junk  sagt  uns  an  der  spitze  seines  auf- 
satzes,  dass  er  durch  seine  arbeit  den  künftigen  herausgebern 
der  noch  unedierten  werke  Rudolfs  die  sprachliche  grundlage 
für  die  textkritik  schaffen  wolle.  Da  er  aber  nun  die  dem 
reimwb.  zu  entnehmenden  Spracheigentümlichkeiten  des  gGerh. 
und  des  Bari,  auch  nicht  annähernd  erschöpft,  so  muss  ein 
zukünftiger  herausgeber  Rudolfischer  werke,  falls  seine  gründ- 
lichkeit  ihm  derlei  überhaupt  gebietet,  spräche  und  reime  auch 
dieser  älteren  gedieh te  doch  noch  einmal  untersuchen;  und  da 
auch  die  von  Junk  unterlassenen  beobachtungen  nur  am  ge- 
sammten  reimmaterial  zu  machen  sind,  sich  auch  für  diese 
gedichte  wider  ein  reimwb.  anlegen  und  so  eigentlich  die 
ganze  arbeit  von  neuem  machen.  Junk  jedoch  hätte  bei 
genauerer  er  wägung  alles  dessen,  was  not  tut,  und  weiserer 
ausnützung  des  raumes  mit  durchaus  gleichem  und  nicht 
grösserem  arbeitsaufwand  auf  gleichem  räum  abschliessendes 
bieten  können. 

Weite  des  gesichtsfelds  der  beobachtung  ist  aber  nicht 
das  einzige,  was  ich  an  Junks  arbeit  vermisse.  Da  man  nun 
erwarten  darf,  dass  dieser  arbeit  andere  ähnlicher  richtung 
folgen  werden,  so  sei  es  mir  erlaubt,  die  methodischen  an- 
forderungen,  die  ich  an  solche  reimuntersuchungen  über  die 
spräche  eines  einzelnen  mhd.  dichters  stellen  möclite,  hier  zu 
specificieren.  Ich  werde  diese  anforderungen  dabei  exemplifi- 
cieren  an  Rud.  v.  Ems  und  Junks  Untersuchung.  Die  letztere 
wird  dadurch  in  eine  ungünstige  position  gedrängt.  Deshalb 
erkläre  ich  hier  ausdrücklich,  dass  ich  den  grossen  fleiss,  die 
trefflichen  einzelerwägungen,  das  ehrliche  streben,  die  relative 
Zuverlässigkeit  der  angaben  Junks  wol  zu  schätzen  weiss  und 
vor  allem  zu  schätzen  weiss  die  tatsache,  dass  Junk  hier  zu- 
erst die  Untersuchung  von  spräche  und  reim  eines  einzelnen 
hd.  dichters  des  13.  jh.'s  wider  auf  jene  wege  leitet,  auf  die 
uns  zuerst  Steinmeyers  Pleierrecensionen  (GGA.  1887,  21. 
1893,  3),  ferner  Steinmeyers  rectoratsrede  über  die  mhd.  epi- 


ZUM   REIMGEBRAÜCH   RUDOLFS    VON   EMS.  427 

theta  vom  jähre  1889  und  sein  kurzer  aufsatz  Zs.  fda.  34, 282  f., 
dann  aber  auch  —  nicht  zu  vergessen  —  Fischers  Tübinger 
Universitätsprogramm  Zur  geschichte  des  mhd.  vom  jähre  1889 
gewiesen  haben,  wege,  die  Kraus  und  ich  dann  gegangen  sind. 
Z.  t.  waren  das  auch  die  bahnen  Lachmanns  und  Haupts,  denen 
unter  ihren  schillern  eigentlich  nur  Sommer  gefolgt  ist.  Aber 
für  Lachmaun  und  Haupt  begrenzte  sich  dialektisches  und 
schriftsprachliches,  sprachliches  und  technisches  doch  vielfach 
anders  als  heute  für  uns. 

Vollständige  Sammlung  des  ganzen  reimmaterials  also  ist 
natürlich  Vorbedingung  einer  Untersuchung,  wie  Junk  sie  an- 
stellt; und  aufgrund  dieses  Überblicks  über  das  gesammte  mate- 
rial  die  sorgfältige  abwägung  des  für  den  dichter  überhaupt 
reimbaren,  des  leicht  oder  nur  schwer  oder  gar  nicht  im  reim 
verwertbaren.  Diese  Vorbedingungen  hat  Junks  aufsatz 
erfüllt. 

Dann  aber  müssen  erstens  sämmtliche  grammatisch  inter- 
essanten bindungen  verzeichnet  und  verwertet  werden.  Junk 
hat  eigentlich  nichts  getan,  als  die  von  Kraus  und  mir  in 
unsern  beitragen  zur  Heinzelfestschrift  1898  angeschnittenen 
fragen  auch  für  Eud.  zu  beantworten  versucht.  Hätte  Junk 
nur  dies  als  ziel  seiner  arbeit  angegeben,  so  hätte  man  diese 
enge  begrenzung  der  ausnützung  eines  reichen  materials  be- 
dauern, aber  hätte  sie  noch  hinnehmen  können.  Aber  die 
'sprachliche  grundlage'  für  die  kritische  herstellung  Eudol- 
fischer  texte  wird  so  nicht  geboten  und  von  einem  'gramma- 
tischen compendium  zu  Rudolfs  Sprachgebrauch'  darf  man  mit 
bezugnahme  auf  solche  forschung  nicht  sprechen,  denn  Kraus 
und  ich  haben  in  den  beiden  oben  genannten  aufsätzen  unser 
material  nur  zur  beleuchtung  der  fragen  nach  der  autorschaft 
des  2. Büchleins  und  nach  der  existenz  einer  mhd.  dichtersprache 
verwertet.  Um  nun  die  f orderung  nach  Vollständigkeit  der 
beobachtung  zu  erfüllen,  ist  zunächst  notwendig  eine  genaue 
kenntnis  der  details  der  mhd.  grammatik:  wofür  existieren 
doppelformen,  wofür  nicht?  Ueberall  dort,  wo  die  reimform 
nicht  fürs  gesammte  mhd.  feststeht,  ist  das  verhalten  des  be- 
handelten autors,  also  sagen  wir  immer  Rudolfs,  festzustellen. 

AVir  wissen  z.b.   also,  dass  sclioz  'iaculura'  und  sloz  'claustrum, 
castellum'  im  mhd.  bald  uiit  kurzem,  bald  mit  langem  o  gebraucht  werden. 


428  ZWIERZINA 

schöz  und  slöz  sind  nun  sehr  leicht  reimbar,  sei  es  auf  die  nomina  blöz, 
gröz,  genöz,  stöz,  döz,  schöz  'gremium',  sei  es  auf  die  praeterita  göz,  döz, 
schöz,  slöz,  genöz  u.s.  w.  Dagegen  findet  man  für  sloz  kaum  ein  anderes 
reiniwort  als  schoz  und  für  schoz  kaum  ein  anderes  als  sloz.  Verwendet  also 
ein  dichter  z.  b.  das  wort  sloz,  setzt  es  aber  immer  ins  zeileninnere,  so  hat 
er  wahrscheinlich  slöz  gesprochen,  für  das  sich  schwer  der  reim  fand,  und 
nicht  slöz,  das  er  so  bequem  hätte  binden  können.  So  war  slöz  also  etwa 
Hartm.'s  form,  eben  weil  bei  ihm  kein  beweisender  reim  für  slöz  vorhanden 
ist  (s.  Lachmann  zu  Iw.  505  und  dazu  Iw.  505.  5545).  Noch  sicherer  dürfen 
wir  schliessen  bei  dichtem,  die  weder  schoz  noch  sloz  je  auf  bequemes  -öz 
reimen,  wol  aber  schoz  und  sloz  selbst  miteinander  binden.  Zu  diesen 
dichtem  gehört  Rudolf,  der  Bari.  2,  25  Din  tcort  ist  aller  (lingc  sloz  reimt 
zu  hlicschoz  und  sonst  kein  sloz  oder  schoz  je  zn  gröz,  blöz  u.s.  w.  Pfeiffer 
druckt  slöz  :  hlicschoz  mit  längezeichen,  was  also  falsch  ist.  Der  citierte 
reim  war  daher  zu  verzeichnen.  Aehnlich  hatte  schon  Haupt  für  Konrad 
V.  Würzb.  geschlossen  zu  Engelh.475:  'sloz  habe  ich  ohne  circumflex  gelassen, 
weil  ich  bei  Konr.  dieses  wort  nur  auf  schoz  (iaculum)  gereimt  finde,  Trojkr. 
38649  (s.  ferner  Parton.  1653),  beide  worte  aber  nicht  auf  ein  entschiedenes 
-öz\  Auch  für  Wolfr.  vermute  ich  kurzes  o  in  diesen  worten.  Nur  einmal 
reimt  Wolfr.  sloz  'claustrum'  Parz.  440, 15  und  da  zum  subst.  vloz,  das 
ja  auch  ebensogut  o  als  ö  haben  kann.  Und  dieses  vloz  reimt  sonst  nur 
einmal  in  zweisilbigem  casus  vloze  zu  geschoze  (dat.)  Wh.  431, 9.  Dem 
widerspricht  freilich  die  bindung  dieses  geschoz  'iaculum'  mit  gröz  Wh. 
324,3.  Aber  ich  meine,  dass  wir  nach  der  Sachlage  in  dem  letzten  fall 
einen  der  bei  Wolfr.  ausser  vor  t  (und  rt)  auch  vor  c?i  nicht  seltenen  un- 
reinen reime  von  o  zu  ö  anzunehmen  haben  und  geschoz  mit  kürze  anzu- 
setzen ist.  Bei  Rud.  und  Hartm.  hat  freilich  subst.  vlöz  langen  vocal  (s. 
die  belege  im  Mhd.  wb.  3, 349  b)  im  gegensatz  zu  sloz  (und  schoz).  Und 
auch  klöz  sagt  Rud.,  nicht  kloz,  wie  die  bindung  göz  :  ein  erde  klöz  beweist; 
denn  so  ist  Bari.  321,  32  zu  lesen  und  Pfeiffers  ein  erde  blöz  ist  wol  nur 
ein  aus  Köpkes  ausgäbe  (319,8)  übernommener  druckfehler.  Auf  kurzes 
-oz  lässt  auch  für  Ulr.  v.  Zatzikh.  die  bindung  tvolkenschoz  :  geboz  'schlag' 
Lanz.  1483  als  die  einzige  ihrer  art  schliessen,  s.  Lachmann  zu  Nib.  1823,  2. 
sloz  und  schoz  in  der  Mart.  107,  91.  158,23.  205,25;  dagegen  sZö^  bei  Wirnt 
288,  30.  So  oder  so  jedoch,  ein  im  reim  stehendes  sloz  oder  slöz,  schoz  oder 
schöz  ist  stets  zu  verzeichnen. 

Da  die  dichter  zcmt  zende,  zun  zende  oder  zan  zene  reimen,  so  ist  zu 
constatieren,  dass  Rud.  nur  ^-aw  (Bari.  32, 15)  ^-ewe  (Bari.  88,  33)  reimt:  auch 
nicht  zäne,  sondern  zene. 

Ferner  gehört  Rud.  zu  den  Alemannen  des  13.  jh.'s,  denen,  wie  Ulr.  v. 
Zatzikh.,  inlautend  t  und  tt  nach  kurzem  vocal  zusammenfallen:  Rud.  reimt 
enmitten  :  siten  Bari.  68,  27.  340,  5,  spotte  :  gote  Bari.  184, 13.  206,  21  u.  ö., 
spotten  :  goten  247,  31  u.  ö.  Das  ist  durchaus  nicht  allgemeiner  gebrauch, 
nicht  einmal  der  gebrauch  aller  Alemannen;  eine  solche  bindung  wäre  bei 
Hartm.,  Gottfr.,  Ulr.  v.  Türh.,  Konr.  v.  Würzb.  unerhört,  s.  Zs.  fda.  45, 46,  anm.2. 
111,  anm.2.  Die  bindungen  von  Uten  sind  für  Rud.  indifferent,  Hartm.  und 
Gottfr.  sagen  nur  biien,  Ulr.  v.  Türh.  widerum  auch  bitten.  Kein  wunder  nun, 


ZUM    REIMGEBRAÜCH    RUDOLFS   VON   EMS.  42Ö 

dass  Rud.  auch  ges^preiiie,  praet.  :  (jereite,  adv.  gGerh.  4933,  verleiite,  praet.  : 
arbeite,  suhst.  Earl.  227,  9  reimt  iiiul  auch  nach  länge  /(  von  t  nicht  scheidet, 
was  Stricker,  Wolfr.  und  Keinbot  entschieden  tun,  s.  Zs.  fda.  45,  8(i,  anm. 

Für  sohle,  tcolde  Eudulfs  statt  der  ausschliesslich  gereimten  solie,  ivolte 
anderer,  z.  b.  Flecks,  werden  von  Juuk  s.  482  die  beweisenden  biudungen 
zusammengestellt.  Ebenso  interessant  ist  aber  auch  Rudolfs  die  schilde 
:  gevilde  gGerh.  5927.  Denn  die  reimform  schilde  kennen  dichter,  die  nicht, 
wie  etwa  Ulr.  v.  Zatzikh.,  allgemein  erweichung  jedes  t  nach  liquida  be- 
legen, also  auch  milde  (a.  iiiilte  :  bcvilte,  praet.  Bari.  12,  25,  vilten,  praet.  zu 
rillen  :  spilten,  praet.  Bari.  72,  21;  aber  natürlich  i/We  :  «f/We  Bari.  54,  13 
U.S.W.),  halden,  manicvalde,  der  aide,  gen.  pl.  gezclde,  von  arde,  er  gerde 
u.  dgl.  m.  reimen,  in  der  regel  nicht.  So  sagt  Hartm.,  dessen  spräche  mit 
der  Rudolfs,  wie  Junk  freilich  nur  etwas  zu  stark  betont,  so  manche  be- 
rührungspunkte  aufweist,  nur  schilte  sowie  viilte  und  reimt  beide  getrennt 
von  wilde,  bilde,  gevilde;  dagegen  durchaus  dulden  (s.  Anz.  fda.  22, 187,  anm.), 
sowie  auch  Rud.  "(s.  Bari.  88,25.  213.1.  275,23.  382,27).  Noch  Konr.  v.  Würzb., 
ja  noch  dem  Verfasser  des  Reinfr.  bleibt  schilde  oder  milde  ganz  fremd. 

Sehr  zu  loben  ist  es,  dass  Junk  in  einer  besonderen  folge  von  §§  die 
praeteritcipraeseutia  und  athematischen  verba  der  reihe  nach  bespricht. 
Aber  auch  hier  sind  doch  sämmtliche  sprachlich  interessanten  formen,  die 
der  reim  festlegt,  vorzuführen.  Also  auch  du  mäht  Bari.  18, 3.  Bekannt- 
lich hat  Lachmann  u.  a.  auch  wegen  eines  solchen  du  mäht  im  reim  das 
lied  Wolfram  s.  xii,  vorr.  dem  dichter  abgesprochen,  Behaghel,  (ierm.  34,  489 
aber  do gegen  remonstriert  und  darauf  hingewiesen,  dass  da  mäht  z.  b.  auch 
in  Hartm. 's  reimen  felile,  dabei  aber  den  beleg  1.  Büchl.  675  übersehen. 

reellen  fehlt  bei  Junk  ganz,  und  doch  war  nicht  nur  darauf  hinzu- 
Aveisen,  dass  Rud.  zu  ivellen  die  2.  pl.  als  ir  weit  reimt  (gGerh.  1393.  Bari. 
69, 23),  nicht  aber  stelt  neben  stellen  setzt  oder  stilt  neben  stillen  u.  dgl.  m., 
sondern  vor  allem  auch  darauf,  dass  Rud.  die  2.  sg.  constant  als  du  wilt 
reimt  (gGerh.  1509.  2781.  6255.  Bari.  233,23.  247,5),  sowie  Wolfr.  (s.  Parz. 
304,  29.  Wh.  149,  25),  nicht  etwa  als  du  wil,  sowie  z.  b.  Wirnt  (s.  Wig.  6850. 
10230),  und  auch  nicht  wil  (Büchl.  45.  1173)  neben  wilt  (Er.  7182.  8812)  setzt, 
wie  Hartm.,  für  den  es  dann  charakteristisch  ist,  dass  er  die  form,  deren 
'richtige'  reimgestalt  ihm  schwankt,  seit  dem  Greg,  zu  reimen  meidet. 

Und  warum  erwähnt  Juuk  im  anschluss  an  s.  484  f.  nichts  darüber,  dass 
Rud.  zwar  den  iuf.  lau  (prägnantes  W^e«,  inf.  oder  part.,  z.  b.  gGerh.  2759. 
3669.  6385,  conj.  hhe  Bari.  127,  17)  zu  giin  und  stän  stellt,  aber  nur  zu 
ersterem  ein  part.  praet.  erhhi,  rerlän  (s.  z.  b.  gGerh.  4951.  5329.  6197  u.  ö. 
Bari.  2, 15.  9,3.  101,7  u.  ü.)  bildet  und  kein  yeyun  oder  gesteint 

Ueber  noch  viel  erheblichere  ausfälle  hier  und  in  bezug  auf  die  Hexion 
des  verbum  subst.  werden  wir  noch  zu  sprechen  haben.  Aber  bleiljen  wir 
bei  der  flexion,  so  ist  nicht  abzusehen,  warum  Junk  kein  wort  über  das 
vorkommen  der  2.  pl.  praes.  auf -e/;<  (bez. -nf)  bei  Rud.  verliert.  Rud. 
belegt  ir  jehent  gGerh.  31,  ir  sigent  Bari.  226,  3  neben  ir  gert  gGerh.  1427, 
saget,  imp.  gGerh.  1359.  5299  u.dgl.m.  Aber  er  belegt  nicht /;•  <«ü>i<  (etwa 
im  reim  zu  stuont),  sondern  nur  ir  tuot  gGerh.  2122.  5591.  6899  u.  ö.,  tuot, 
imp.  3819,   es  findet  sich   auch  kein  //•  gänt,  stünt,  hihtt  und   kein   //•  sint, 


430  ZWIERZINA 

auch  nur  />  weit  (s.  oben).    Rud.   verhält  sich  also  ähnlich  wie  Hartm.,  s, 
Lachm.  zu  Iw.  836. 

Dann,  vielleicht  im  anschluss  an  gesät  —  gesetzet,  wäre  zu  besprechen 
gewesen,  dass  Rud.  zwar  das  part.  bedaht  des  öfteren  reimt  (gGerh.  1815. 
5045.  Barl.'48, 15.  54,  29.  75,  35.  91, 19.  210,  7.  311, 33.  391,  3),  aber  keinen 
beweisenden  reim  für  hedahte  u.a.  (:  ahte,  trahte n. s.w.,  stn'hte  :  rihte, phlihte 
U.S.W.)  aufweist,  sondern  nur  die  indifferenten  erschracte  :  erwacte  Bari. 
204,9  bindet,  nun  wider  im  gegensatz  zu  Hartm.  (s.  Anz.  fda.  22,  187). 
Das  part.  gegast  gGerh.  5741  zu  int',  gesten  Bari.  217, 5  ist  ebenfalls 
interessant. 

Das  nebeneinander  der  praet.  säte  Bari.  41,11.  352,35,  hluote  65,15, 
auch  des  conj.  praet.  sat-e  162, 13  und  andrerseits  des  ind.  praet.  erglüete 
Bari.  215.  25.  300, 13  ist  nicht  ohne  interesse.  vmoten  :  luoten  Bari.  378,  23 
bleibt  indifterent.  Im  part.  hiess  es  wol  gedrcet :  gencet  Bari.  163, 17,  nicht, 
wie  Pfeiffer  druckt,  gedmt  :  gendt. 

Auch  zum  capitel  über  die  declinatiou  wäre  manches  nachzutragen: 
in  mittes  tages  schin  (dat.)  :  daz  lümheUn  Bari.  278,5,  der  abgot  (geu.pl.) 
:  gebot  (acc.  sg.)  Bari.  342, 5  u.dgl. m.  boten  bei  einem  dichter,  der  nicht 
apokopiert,  immerhin  bemerkenswertes.  Ebenso  der  flectierte  pl.  genöze 
gGerh.  5711.  Bari.  200, 18  neben  älterm  genöz.  Ueberhaupt  wäre  bei  jedem 
dichter  die  durch  den  reim  bezeugte  Hexion  von  man,  im  gegebenen  fall 
auch  vriioit,  vater  u. s.w.,  ferner  von  fuoz  (zefuoz,  fuoze  fi'teze),  sie  sige, 
hüs  (zehus),  site  (ze  beider  s/t),  icise  w/s,  slahte  sJaht  u. s.w.  stets  festzu- 
legen, ferner  auskunft  zu  geben  über  schw.  oder  st.  llexion  von  erde  (stets 
st.  bei  Rud.),  bare  und  ähnlichen  femininen.  Auch  ztvö,  wie  Riid.  für  das 
femininum  des  uumerale  ausschliesslich  sagt  und  reimt  (gGerh.  2665.  2679. 
3937.  Bari.  119, 21),  ist  im  mhd.  nicht  alleiugültige  form,  andere  'gute' 
dichter  reimen  zivä  (z.  b.  Stricker)  oder  zinio  (z.  b.  Wolfram,  Ulr.  v.  Türh.). 
Wenn  ein  dichter  den  dat.  pl.  des  pronomens  der  zweiten  person  im 
reim  belegt,  wie  Rud.  (an  iu  :  in  drin  Bari.  232,35),  so  ist  auch  dies 
nicht  zu  übersehen.  Denn  es  ist  gar  nicht  so  ausgemachte  sache,  dass  die 
Scheidung  von  iu  und  itieh  in  der  ersten  hälfte  des  13.jh.'s  noch  allgemein 
war.  Ich  kenne  hd.  hss.  aus  dem  anfang  des  jh.'s,  die  auch  für  den  dat. 
nur  iuch  schreiben.  Freilich  lässt  sich  ein  iuch,  sei  es  dat.,  sei  es  acc, 
durch  reime  nicht  leicht  feststellen. 

Sind  Schliesslich  bindungen  wie  umt  <iumbet  :  samt  <C.  saviet  Bari. 
386,3.19  nicht  sprachlich  bedeutungsvoll?  zwir,  nicht  ztcirent,  ist  im 
reim  belegt  gGerh.  1831.  3533  und  ,s  Ci  reimt  unzählige  male,  steht  auch  oft 
genug  im  versinnern  so  überliefert  (und  nicht  nur  in  sd  zehant  und  sä 
zestunt),  niemals  aber  reimt  sän  und  niemals  auch  iesu,  so  dass  sich  Rud. 
da  ähnlich  wie  Hartm.,  ganz  anders  als  Wolfr.  einerseits,  Gottfr.  und  etwa 
Stricker  andrerseits  verhält. 

Zweitens  sind  aber  nun  auch  Schlüsse  ex  absentia  nie 
zu  verabsäumen.  Darin  ruht  ja  hauptsäclilich  der  grosse  vor- 
teil des  Yoll>^tändigen  reimwb.,  dass  wir  aus  ihm  jeden  augen- 
blick  mit  Sicherheit  constatieren  können,  was  beim  dichter  an 


ZUM   REIMGEBRATTTI   RUDOLFS   VON   EMS.  431 

mhd.  formen  nicht  vorkommt,  aber  nach  den  Verhältnissen 
des  Wortschatzes,  des  inhalts,  der  S3'utax  und  der  reimbarkeit 
eigentlicli  zu  erwarten  wäre.  Die  blosse  durchsieht  des  textes 
lehrt  uns  hingeg-en  auch  bei  geschärfter  aufmerksamkeit  doch 
nur,  was  vorkommt.  Hier  kann  freilich  Vollständigkeit  nicht 
angestrebt  werden  und  die  auswahl  des  anzuführenden  bleibt 
dem  philologischen  und  grammatischen  blick  des  sammelnden 
überlassen.  Denn  es  hätte  natürlich  gar  keinen  sinn,  darzu- 
legen dass  Eudolf  die  reim  formen  Veldekes  oder  Herborts  oder 
Heinrichs  v.  Türlein  nicht  kennt.  Aber  wenn  z.  b.  auch  Junk 
auf  die  ähnlichkeiten  und  Übereinstimmungen  der  spräche 
Rud.'s  und  Hartm.'s  insistiert,  warum  hat  er  nicht  wenigstens 
die  discrepanzen  zwischen  diesen  beiden  alle  hervorgehoben, 
auch  wo  für  Rud.  nur  die  negierung  der  Hartm.'schen  form 
zu  nennen  war. 

Wo  sind  die  hö  {hoch  gGerb.  26i5  u.  ö.)  und  nd  (nähen  und  nach 
häufig)  bei  Rud.?  Wo  ein  reim  von  auslaut.  c  :  ch,  wo  ein  meneghi,  wo 
die  weste  und  muoste,  wo  die  mege  und  mähte,  wo  birn,  begarwe,  genären, 
wo  die  kurzen  han  und  hast,  u.  s.  w.  noch  vieles?  Und  auch  sonst  sollte 
da  immer  nalieliegeudes  ins  äuge  gefasst  werden.  Es  gibt  uns  eine  ge- 
wisse beruhigung  über  die  gründlicbkeit  und  aufmerksamkeit  des  Verfassers, 
dessen  Untersuchung  wir  uns  anvertrauen,  wenn  wir  nicht  nur  aus  der 
uichtanführung  der  beispiele  entnehmen  (da  könnte  ja  ein  übersehen  statt 
gehabt  haben),  sondern  dessen  auch  ausdrücklich  versichert  werden,  dass 
so  weit  verbreitete  formen,  wie  es  die  nuo  duo  neben  nu  nü,  du  du,  die 
suon  neben  sun  etwa  Konr.'s  v.  Heimesf.  (der  ferner  liegenden  Wolfr.  und 
Nib.  ganz  zu  geschweigen)  sind,  bei  Rud.  fehlen,  oder  die  duo  Gottfr.'s 
neben  dö,  oder  die  gemäht  neben  gemachet,  die  slun  und  niet  Ulr.'sv.  Zatzikh. 
neben  den  sluhen  und  niht.  Und  reimt  nlht  wirklich  mit  /«/?  Ist  nicht 
nur  der  indifl'erente  reim  gesucht  zu  siht  (siet)  <  sihet,  geschiht  (geschiet) 
<;  geschihet,  weil  der  dichter  sich  nicht  entscheiden  wollte,  sondern  sind 
wirklich  und  in  welchem  häufigkeitsverhältuis  vorhanden  binduugen  von 
niht  (Partikel  oder  noch  prägnantes  subst.?)  mit  den  subst.  gesiht,  geschiht, 
phltht  U.S.W.?  s.  Bari,  niht  :  su)uJerphh'ht  2G6,  25,  :  geschiht  74, 19  u.dgl. m., 
berihte,  praet.  :  von  nihte  51,  12. 

Hartm.,  Gottfr.  und  Wolfr.  verhalten  sich  verschieden  in  bezug  auf 
die  bildung  des  nomens  gebar,  geba^re,  gebcerde  (synonj'mou:  geläz,  gelceze): 
es  ist  bemerkenswert,  dass  Rud.  keines  von  diesen  reimt,  sondern  nur  den 
substantivierten  inf.  daz  gebären  gGerh.  6071.  Bari.  360, 7. 

Aber  Junk  scheint  auf  derartige  Schlüsse  ex  absentia  überhaupt  nicht 
viel  zu  geben.  S.  486  wagt  er  aus  dem  fehlen  einer  präteritalform  von 
wizzen  im  reim  nicht  einmal  mit  mir  (s.  Heinzelfestschi-.  s.  444.  448.  Zs.  fda. 
45,  95  f.)  die  folgeruug  zu  ziehen ,  dass  nur  wisse  oder  icesse,  sicher  nicht 
wisle  oder  weste,   Rudolfs  form  ist.     Aber   wenn    wir   die  häufigkeit    und 


432  ZWIEPiZINA 

mannigfaltigkeit  der  reim  typen  -cfifc(n)  (:  fieate^n),  beste{n),  veste(n),  firunt- 
veste  s.  g-Gerh.  659.  1441.  3421.  4979.  5759.  Bari.  18,31.  81,7.  101,37. 
114,9.  162,35.  217,5.  244,17.  372,27)  und -/s^eCu)  (:  kristen,  liste(n),  vriste(:n) 
s.  Bari.  50, 15.  202, 1.  215, 13.  218, 15.  223, 25.  248, 3.  274, 3.  278, 11)  einer- 
seits und  die  \mentbehrlichkeit  der  in  frage  stehenden  wortform  andrerseits 
in  betracht  ziehen,  so  müssen  wir  den  schluss  ex  absentia  auf  tcisse  oder 
wesse  als  zwingend  erkennen.  Die  hss.  überliefern  solche  ivesse  auch  fürs 
versinnere,  z".  b.  Bari.  280, 13  u.  ö.  und  an  der  bekannten  literarischen  stelle 
des  "Wilh.  reimt  wesse :  meistcr  Hesse  HMS.  4, 869.  Wer  ferner  ivesse  (wisse)  und 
nicht  die  jüngere  form  tvesle  (tvisie)  sprach,  der  sprach  wol  auch  noch  muose, 
nicht  muoste.  Hier  sind  ja  beide  formen  fast  gleich  schwer  zu  binden.  Aber 
Ulr.  V.  Zatzikh.,  dem  tviste  und  weste  neben  wesse  gemäss  ist  (s.  Zs.  fda.  44, 
107,  anm.),  reimt  auch  muosten  :  verwuosten,  praet.  Lanz.  7409.  Bei  Rud. 
fehlt  das  praet.  von  müezen  im  reim,  selbst  den  leichter  reimbaren  conj. 
müeste{n)  (bez.  müese)  scheint  er  nicht  reimen  zu  können.  Wenn  wir  be- 
denken, dass  der  gebrauch  von  tvileste,  adj.  und  subst.,  gerade  vom  Inhalt 
des  Bari,  oft  gefordert  Avird  und  diese  beiden  worte  im  Innern  der  zeile 
auch  nicht  selten  sind  (s.  Köpkes  Glossar  s.  v.  und  das  Mhd.  wb.  s.  v.),  so 
muss  uns  irrnose,  müese  als  Rud.'s  einzige  form  wahrscheinlich  werden. 
Vgl.  dagegen  wider  müeste  :  wüeste  Lanz.  2G09,  ferner  müeste  :  wüeste  im 
Greg.  2585.  2787.  3049  bei  Hartm.,  dem  widerum  auch  weste  gemäss  ist. 
Wolfr.  sagt  nur  wesse  (s.  Heinzelfestschr.  s.  444).  Er  reimt  auch  kein 
müeste^n),  obwol  auch  er  das  adj.  ivüeste  und  das  verbum  wüesten  im  Wort- 
schatz führt.  Merkwürdig  bleibt  mir  die  bindung  muosten  auf  ein  singuläres 
mit  hüstinen  buosten  Parz.  137, 10.  Martins  commentar  s.  137  vermutet  in 
buosle  ein  zu  hüezen  *  ausbessern,  flicken '  gehöriges  subst.  Also  eine  dental- 
ableitung  zu  buoz-,  wie  muos{t)e  eine  solche  zu  muoz-  ist.  Sollte  es  da  nicht 
besser  muosen  :  biiosen  heissenV  s.  einbdesehi  bei  Schmeller  1-,  296,  der  auch 
auf  das  etymologisch  schwierige  {wilit  (jinutes  nah)  <jibosotes  'inconsutilis' 
Otfr.  4,  28,  7  verweist.  Freilich  bleibt  der  schluss  auf  muose  aus  der  reim- 
absenz  von  muoste  lange  nicht  so  sicher  wie  der  auf  ivesse  (wisse)  aus  der 
reimabsenz  von  toeste  (wiste). 

Anch  dass  die  in  den  meisten  Schweizer  gegenden  üblichsten  conjunctiv- 
formen  mhd.  gange,  stunde  neben  ste,  ge  bei  Rud.,  wie  bei  Hartm.  und  Ulr. 
V.  Zatzikh.  (im  gegensatz  zu  Fleck  und  Ulr.  v.  Türh.),  fehlen,  war  im  an- 
schluss  an  s.  485,  die  die  gän  —  j/t'/t  -  formen  behandelt,  wol  ausdrücklich 
hervorzuheben.  Warum  übrigens  a.a.O.  die  formen  von  stän  —  sten  ausser 
discussiou  gestellt  blieben,  begreife  ich  niclit.  Dadurch  lassen  Junks  Zu- 
sammenstellungen z.  b.  den  mit  hinsieht  auf  Kraus'  einschlägige  ausführungen 
in  der  Heinzelfestschr.  s.  153 f.  wichtigen  beleg  für  -an  in  der  Lsg.  praes. 
ind.  vermissen:  ich  verstän  Bari.  211,  9. 

Die  bloss  theoretische  detailkenntnis  der  mlid.  grammatik 
wird  uns  alle  einzelheiten,  auf  die  es  aiikuirmit,  bei  der  arbeit 
nun  kaum  gegenwärtig  halten,  wenn  wir  nicht  den  gebrauch 
des  in  Untersuchung  stehenden  di('hters  mit  dem  gebrauch 
anderer   dichter    praktisch    vergleichen.     Hier    ist    natürlich 


ZUM   REIMGEBEAÜCII    RUDOLFS    VON   EMS.  433 

eine  aiiswalil  aus  der  mlid.  literatur  iiiclit  nur  gestattet,  son- 
dern auch  geboten.  Die  reinige wohnlieiten  der  liauptklassiker : 
Hartm.'s,  ^^'olfr.'s,  Gottfr.'s,  allenfalls  noch  der  Nib.  und  Walth.'s 
werden  aber  immer,  mehr  zu  eigener  information  als  zur  be- 
lehrung  des  publicums,  vom  Verfasser  in  vergleich  gezogen 
werden  müssen.  Dann  aber  jedesfalls  auch  die  reime  der  un- 
gefähr gleichzeitigen  autoren  benachbarter  gegend,  für  Rud. 
also  etwa  Ulr.  v.  Zatzikh.'s,  Flecks,  des  Türheimers  (Trist.),  der 
gFrau,  der  Schweizer  minnesinger  (ed.  Bartsch).  Diese  heran- 
ziehung  des  gebrauch s  verwanter  autoren  aber  wird  besonders 
wichtig  eben  zur  schärfung  des  blicks  für  Schlüsse  aus  dem 
fehlen  oder  der  Seltenheit  gewisser  bindungen  und  zur  illustra- 
tion  der  negativen  resultate. ')  Dass  dabei  immer  die  er  wägung 
im  äuge  behalten  werden  muss,  dass  dieses  fehlen  von  wort- 
fornien  und  Worten  im  reim  hie  und  da  gründe  haben  kann, 
die  mit  technik  und  spräche  nichts  zu  tun  haben,  liegt  auf 
der  hand.  Worte,  die  am  inhalt  des  gedieh tes  haften,  sind 
nicht  in  eins  zu  werfen  mit  solchen  allgemeiner  Verwendbar- 
keit; dem  im  reim  scheinbar  gemiedenen  wort  kann  in  der 
spräche  des  dichters  eben  nur  sein  kuppelwort  fehlen,  mit  dem 
es  andere  stets  binden:  wie  selten  wird  nam  in  den  reimen 
des  Iw.,  nicht  weil  Hartm.  nicht  mehr  nam,  sondern  weil  er 
nicht  mehr  kam  zulässt!  Der  gebrauch  der  epiker  und  der 
lyriker  ist  schon  an  und  für  sich  gegenseitig  abgegrenzt,  u.dgl. m. 
Weitere  beispiele  hier  zu  geben,  ist  kaum  nötig.  Junk  kam 
nicht  in  die  läge,  hier  zu  fehlen. 

Drittens  nun  darf  man  das  Verhältnis  der  heutigen  ma. 
zur  Sprache  des  dichters  nicht  ausser  acht  lassen.  Bei  Junk 
finden  wir  darüber  kein  Sterbenswörtchen.  Es  wäre  ja  gut, 
wenn  der  bearbeiter  von  eines  dichters  spräche  auch  ein 
kenner  der  in  der  heimat  seines  autors  heute  gesprochenen 
ma.  wäre.  Doch  gienge  eine  dahinzielende  forderung  viel  zu 
weit.    Schon  deshalb,  weil  wir  ja  über  die  engere  begrenzung 

')  Die  hier  geforderte  arbeitsleistung  ist  so  gross  nicht.  Für  Wolfr., 
Nib.,  Walth.  gibt  es  reimwbb.  Die  reimverzeichiiisse  für  Hartm.  und  Gottfr. 
hat  uns  \'os  ver.'fprochen  und  sie  werden  hoH'eutlich  nicht  mehr  allzulauge 
auf  sich  warten  lassen.  Für  die  andern  wird  aufmerksame  leclüre  genügen, 
wenn  mau  sich  einmal  mit  dem  vom  behandelten  autor  gebotenen  reim- 
material  vertraut  gemacht  hat. 

Beiträge  ?ur  geschichte  der  ileutscheii  spräche.     XXVIII.  28 


434  zwiEuzmA 

der  lieimat  der  mlid.  autoren  nur  selten  genau  unterrichtet 
sind.  Aber  einer  allgemeinen  kenntnisnalime  heutiger  alem., 
bez.  bair.-i)sterr.,  ostfränk.  u.  s.  w.  Sprachbesonderheit  wird  sich 
der  Verfasser  einer  reimuntersuchung  heute  nicht  mehr  ent- 
ziehen dürfen,  weder  der,  der  den  dialekt  eines  dichters  erst 
bestimmen  will,  noch  der,  der  über  den  reimgebrauch  eines  in 
weiterem  bezirk  schon  localisierten  dichters,  wie  Rud.  es  ist, 
zu  handeln  unternimmt. 

Hätte  Junk  z.  b.  bedacht,  dass  die  form  des  part.  praet.  von  sin  (bez. 
icesen)  heute  iu  weiten  bezirken  alem.  g-ebiets  auf  mhd.  gestn,  nicht  auf 
mhd.  gewesen  zurückgeht,  hätte  er  bedacht,  dass  eine  der  wichtigsten 
Sprachgrenzen,  die  alem.  gebiet  durchfurchen,  die  zwischen  g{e)sl{n)  und 
g{e)icese{n)  ist  (s.  z.  b.  Fischers  Sprachatlas  der  schwäb.  maa.  karte  24),  so 
hätte  er  es  wol  nicht  verabsäumt,  im  anschluss  an  sein  capitel  über  die 
formen  der  praeteritopraesentia  bei  Rud.  uns  auch  mitzuteilen,  dass  dieser 
dichter  geshi  neben  gewesen  reimt,  und  zwar  beide  ungefähr  gleich  häufig: 
</e67H  gGerh.  4073.  Bari.  158, 13.  1G3, 1.  280,35.  287,33,  ^ciüesm  gGerh.  3985. 
Bari.  34, 11.  157,  33.  311,  9.  315,  7.  357,  5.  Im  reimtypus  -esen  erscheint  bei 
ihm  39  mal  der  inf.  icesen  (entwesen),  nur  6  mal  das  part.  gewesen.  Ulr.  v. 
Zatzikh.  nun  reimt  so  gut  wie  ausschliesslich  gestn  als  part.,  und  zwar 
reimt  er  es  Lanz.  1325.  2789.  4307.  4925.  5791.  6821;  nur  Lanz.  9155  folgt 
diesen  gesui  ein  vereinzeltes  gewesen.  Der  inf.  wesen  steht  auch  bei  ihm 
häufig  im  reim:  Lanz.  1047.  2167.  2225.  3311.  4019.  6783.  7181.  7201.  9441. 
Merkwürdig  ist  nun,  dass  Hartm.,  der  m.  e.  sicher  nicht  aus  dem  no. 
schwäb.  (/e?re,sen-gebiet  stammt,  kein  gesi>i  reimt.  Merkwürdig  ist  aber  auch 
die  Verteilung  seiner  gewesen.  Im  Büchl.  reimt  keines,  im  Er.  nur  zwei, 
und  zwar  das  erste  Er.  5358,  das  zweite  6558.  Diesen  2  gewesen  stehen  im 
Büchl.  und  Er.  freilich  auch  nur  6  inf.  wesen  (entivesen)  gegenüber.  Auch 
im  Greg,  und  aH.  ist  gewesen  noch  selten,  es  reimt  nur  Greg.  145  einl.  1585. 
aH.  1213,  viel  seltener  als  tvesen  inf.,  das  im  Greg,  und  aH.  zusammen 
14  mal  reimt.  Ganz  anders  verhält  sich  der  Iw.  Hier  erscheint  das  part. 
gewesen  8  mal  zu  lesen  oder  genesen  gebunden:  Iw.  53.  997.  1951.  1969.  2047. 
3485.  4351.  5177,  fast  ebenso  häufig  als  der  inf.  ivesen  (8:10).  In  den  ca. 
8000  versen  des  Iw.  erscheint  gewesen  also  fast  doppelt  so  oft  im  reim  als 
in  den  ca.  18000  versen  der  übrigen  werke  Hartra.'s.  Hat  Hartm.  seine  form, 
gesin,  als  dialektisch  gemieden  und  sich  an  ein  literarisches  gewesen  erst 
später  gewöhnt?  Es  drängt  sich  die  frage  auf,  ob  auch  die  gewesen  Rud. 's 
literarische  reime  sein  müssen.  Die  notwendigkeit  dieser  annähme  (nicht 
deren  möglichkeit)  leugne  ich.  Denn  wenn  Rud. 's  heimat  auch  in  einer 
gegend  ist,  die  heute  nur  das  correlat  zu  mhd.  gesln  spricht,  so  mag  da- 
mals noch  getvesen  neben  gesin  gestanden  Imben,  wie  ja  sicher  der  inf. 
wesen,  der  heute  im  siraplex  wie  in  der  Schriftsprache  so  auch  in  der 
Schweizer  ma.  aufgegeben  ist,  auch  bei  Rud.  und  Ulr.,  wie  bei  Hartm.  und 
iu  mhd.  zeit  allgemein  in  unbestrittenem  gebrauch  neben  sin  steht.  In 
Ulr.  V.  Türh.'s  Trist,  widerum  reimt  ein  gesin  560, 15,  während  Augsburg 


ZüM   REIMGEBRAUCII   RUDOLFS   VON  EMS.  4B5 

lieute  zum  geireseii  (geirest)  -g-ebiet  gebort.  Hier  bat  also  aucb  erst  später 
die  andere  der  beiden  doppelformen  gesiegt. 

Ein  reim  von  seht  auf  st,  der  die  beutige  alem.  ausspracbe  von  in- 
laut.  st  als  seilt  scbon  fürs  13. jb.  festlegt,  darf  nicbt  übergangen  werden. 
Rud.  reimt  erlaschte,  praet.  :  glaste,  subst.  Bari.  323,  25,  sowie  scbon  Hartm. 
niht  enlaschte  3Iit  shiem  Hellten  glaste  zu  anfang  des  Erec,  v.  1780.  ULr.  v. 
Zatzikb.  bat  viel  mebr  dergleicben,  aber  alle  seine  bindungen  von  seht  :  st 
in  V.  1000— 1-ÜOO  des  Lanz.:  rleischte  :  volleiste  1173,  hiuschte  :  viuste  1927, 
nider  tuschte  :  vaste  1931,  unischte  :  geliiste  2207,  wünschte(n)  :  Icünsten  3151, 
:  brünste  3697.  Ulr.  v.  Türb.  mischten  :  kusten  Trist.  536,  35 ;  daneben  aber 
auch  2vas  :  gast  Trist.  505, 17.  521,  39,  :  zehrast  Reunew.  Adelungs  Magaz. 
2, 1, 57.  Haben  wir  es  da  mit  einem  analogisch  zu  ist  gebildeten  toast  (bez. 
wascht)  zu  tun?  Bern,  die  is  und  isch  neben  ischt,  Fischers  Sprachatlas, 
karte  20. 

Auf  s.  -181  stellt  Junk  die  reime  zusammen,  die  beweisen,  dass  Rud., 
sowie  ja  doch  fast  alle  mlid.  dichter  des  13.  jb.'s,  reizen  mit  spirans  sprach, 
während  wir  die  form  mit  aftricata  heute  in  der  Schriftsprache  fülireu. 
Lexer  belegt  reitzen  fürs  13.  jb.  nur  aus  Ulr.  v.  Liebtenstein.  Ich  habe 
natürlich  durchaus  nichts  dagegen,  dass  man  bei  einer  sprachlichen  Unter- 
suchung eines  autors  für  ihn  die  form  reizen,  mit  spirans  oder  affricata, 
immer  feststelle.  Ist  doch  reitzen  für  inf.,  ind.  praes.  1.  sg.  und  1. — 3.  pl., 
conj.  praes.  die  ältere  form,  die  in  mhd.  zeit  neben  reizen  immer  einher- 
laufen musste,  wo  sie  in  nhd.  zeit  wider  auftaucht.  Aber  warum  con- 
statiert  dann  Junk  nicht  auch  die  spirans  für  büezen  und  grüezen  bei 
Rud.,  in  welchen  worten  viele  gegenden  der  Schweiz  und  namentlich  der 
Ostschweiz  teils  ausschliesslich,  teils  neben  der  spirans  beute  ebenfalls  die 
affricata  sprechen  (s.  Idiotikon  2,  812.  4, 2032),  während  allerdings  unsere 
Schriftsprache  hier  zum  'mhd.'  stimmt.  Zum  mindesten  ebenso  erwälniens- 
wert  wie  das  feststehen  der  spirans  in  reizen  sind  für  des  Alemannen  Ru- 
dolf Sprache  die  bindungen  von  {ge)biiezen  :  süezen,  adj.  gGerli.  561.  6731. 
Bari.  17, 15.  348,  33  u.  ö.,  grüezen  :  süezen  gGerh.  741.  5679.  Bindungen 
wie  büezen  :  grüezen  Bari.  274, 15.  296,  7  sind  indifferent.  Auch  der  reim 
beizet  'beizt'  :  heizet  'beisst'  Bari.  255,  35  dürfte  in  diesem  Zusammenhang 
interessieren.  Hat  überhaupt  ein  alem.  dichter  des  13.jh.'s  büetzen  und 
grüetzen  gesprochen?  Ich  glaube  Ulr.  v.  Zatzikb. ,  dessen  spräche  wir  ja 
jetzt  schon  öfter  als  der  heutigen  ma.  zunächst  stehend  erkannten.  Ulr. 
reimt  nämlich  büezen  oder  grüezen  nie  mit  süezen  oder  müczen,  sondern 
nur  einmal,  und  zwar  das  part.  gebüezet :  gegrüezet,  in  sich  (Lanz.  8581). 
Da  es  positiv  beweisende  reime  für  -üetzen  nicht  gibt,  so  meine  ich,  dass 
Ulr.  zum  mindesten  die  praesentia  büezen  und  grüezen  mit  aÄricata  sprach. 
Lexer  belegt  bützen  erst  aus  des  Teufels  netz  und  Nachtr.  s.  103  büetzende 
aus  Waltb.  v.  Rheinau  (Marienl.  14,  42  im  Innern  des  verses).  Auch  die  subst. 
mhd.  bnoz,  gruoz,  hiz  erscheinen  heute  in  der  Schweiz  als  huetz,  gruetz, 
bitz.  Auch  die  qualität  des  z  dieser  substantiva  ist  für  Schweizer  dichter 
mhd.  zeit  also  unter  umständen  interessant.  Hier  belegt  freilich  Ulr.  so 
gut  wie  Rud.  die  spirans.  weizc  'weizen'  hat  auch  in  nhd.  Schriftsprache 
affricata.  hirz  bat  spii-aus  bei  Rud.  (s.  Bari.  256, 19,  vgl.  etwa  hirtz  bei  Konr. 

28* 


436  IZWIEKZINA 

V.  Wüizb.  Troj.  10797.  gSchm.  1303),  dao-cgeu  widersaiz  affricata  (s.  Bari. 
104,  28). 

S.  458  stellt  Jimk  Rud.'s  biiuluiigen  in  den  reimtypen  -ege(n)  und  -ege(n) 
zusammen. ,  Dass  der  Aleniaune  die  beiden  e  auch  in  der  Stellung  vor  muta 
auseinanderhält,  ist  selbstverständlich  (s.  Zs.  fda.  44,  249  ff.).  Aber  fiel  es 
Juuk  nicht  auf,  dass  der  typus  -€(ie{n)  bei  Rud.  so  exorbitant  selten  ist? 
Nur  ein  beispiel,  wegen  'agitare'  :  n'^c« 'er igcre' Bari.  240,19  in  ca.  23,000 
Versen  I  Der  typus  gehört  ja  nicht  zu  den  dem  mhd.  dichter  sich  leicht 
und  häufig  anbietenden,  wie  ich  a.  a.  o.  s.  254  ausgeführt  habe.  Aber  Hartra. 
zeigt  ihn  in  seinen  ca.  26,000  versen  doch  10  mal,  Wolfr.  in  seinen  ca.  39,000 
Versen  12  mal,  Ulr.  v.  Zatzikh.  in  seinen  ca.  9000  versen  7  mal.  Dazu  kommt, 
dass  die  beiden  in  dem  einzigen  bei  Rud.  erscheinenden  reimpaar  gebundenen 
Worte  in  -egcn  (wegen  und  regen)  nicht  zu  den  häufigeren  ihres  typus  ge- 
hören, viege  und  megen  kommen  für  Rud.,  der  nur  müge  und  mügen  zu- 
lässt,  allerdings  nicht  in  betracht;  aber  slege(n),  {en)gegen  und  lege{n)  sollten 
wir  doch  auch  bei  ihm  eher  erwarten  als  wegen  und  regen.  slege{n)  zu 
reimen  hätten  auch  die  friedlichen  legenden  anlass  gegeben,  reimt  der  sg. 
slac  doch  häufig  genug,  s.  Bari.  31,36.  84,17.  188,27.  213,35.  381,3  u.  ö. 
Aber  fehlte  zu  siegeln)  etwa  die  bequeme  bindung,  d.  h.  konnte  Rud.  etwa 
(en)gegen  und  lege{n)  nicht  zu  slege(n)  reimen?  Das  adv.  gegen e  könnte 
er  etwa  nur  dreisilbig  gesprochen  haben.  Ich  halte  das  aber  nicht  für 
wahrscheinlich,  denn  die  gleichzeitigen  Alemannen  reimen  zweisilbiges 
gegen  (s.  z.  b.  Ulr.  v.  Zatzikh.  Lanz.  2543.  8951  u.  a.  m.)  und  Rud.  selbst 
reimt  nider  und  wider  (gGerh.  6589.  Bari.  380, 23  u.s.f.).  Zs.  fda.  44,  302.  360. 
45,  401  habe  ich  nun  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  viele  mhd.  dichter, 
darunter  in  Übereinstimmung  mit  der  heutigen  ma.  auch  Alemannen,  nur 
gügenie)  und  nicht  gegen{e)  oder  gägen{e)  neben  gegen(e)  brauchen.  Rud., 
dem  e  noch  ein  einfach  offener  laut  ist  und  nicht  mit  überoffenem  ä  zu- 
sammenfällt, hätte  ein  gügen{e)  nicht  reimen  können.  Ulr.  v.  Zatzikh. 
spricht  gegene,  aber  Hartm.'s  form,  in  dessen  reimen  ein  gegen(e)  wie  in 
denen  Rud.'s  fehlt,  war  vielleicht  auch  gügen(e).  Nun  aber  lege{n)\  Inf. 
und  1.  sg.  dieses  verbums  erscheinen  naturgemäss  am  allerersten  unter  den 
kuppelworten  des  reimbands  -ege(n),  s.  Er.  374.  888  (Bech.).  Iw.  1637.  Parz. 
111,25.  124,7.  674,11.  Wh.  137, 11.  246,35.  396,15.  427,27.  Lanz.  2585. 
6033.  7015.  Sie  fehlen  bei  Rud.  Auf  hochalem.  Sprachgebiet  heisst  es  nun 
heute  so  gut  wie  durchaus  nur  hggei^n).  Die  form  mit  geminata  muss  in 
ahd.  zeit  zurückreichen  und  ist  auch  fürs  mhd.  des  öfteren  belegt,  die  mit 
einfachem  g  ist  jüngere  analogiebildung.  War  Rud.'s  spräche  nur  legge{n), 
nicht  lege(n)  gemäss,  während  Hartm.  z.  b.  zwischen  legge{n)  und  lege(n) 
seiner  heimatlichen  ma.  wählend  dem  weiter  verbreiteten  und  leichter 
reimbaren  lege(n)  den  vorzug  gab?  Ich  verhehle  mir  nicht,  dass  ein  dahin- 
zielender  absenzschluss  auf  der  schwachen  basis  weniger  präsenzfälle  bei 
andern  dichtem  aufgebaut  wäre.  Ich  fasse  meine  antwort  also  vorsichtig 
hypothetisch:  wenn,  sowie  im  gGerh.  und  I^arl.,  auch  in  den  übrigen  werken 
Rud.'s,  in  Alex.,  Wilh.  und  Weltchr.,  also  in  zusammen  fast  90,000  versen 
dieses  dichters  kein  lege{n)  gebunden  wird,  dann  ist  die  grösste  Wahrschein- 
lichkeit dafür  vorhanden,   dass  Rud.  bloss  das  alte,   später  auf  hd.  gebiet 


ZUM   REIMGEBRAüCH   RUDOLFS   VON   EMS.  437 

hauptsächlich  aleman.  le(i(je(n)  sprach.  Der  günstigste  fall  wäre  es,  wenn 
neben  der  absenz  von  le(ie(n)  sich  in  Rud.'s  nngedruckten  werken  allenfalls 
ein  leggen  :  eggen  aufspüren  Hesse.  Den  ältesten  reimbeleg  für  mhd.  leggen 
bringt  Lexer,  Hwb.  1, 1857  aus  dem  nach  rührenden  und  florierten  reimen 
fahndenden  jTit.  bei  und  dann  Nachtr.  291  für  alem.  gegend  aus  Reinfr. 
V.  Braunschw.  20757.  Es  wird  auf  legen  im  reim  also  wenigstens  bei  alem. 
dichtem  immer  zu  achten  sein,  ligen,  wofür  Schweiz,  ebenfalls  ligge{n) 
erscheint,  reimt  Rud.  nun  freilich  ungescheut:  Bari.  117,  21.  226,  3.  7.  228,15. 
229,  37.  242,  37.  250,  23.  254,  33.  35.  288, 1.  30-t,  27.  Aber  auch  der  dichter 
des  Reinfr.  reimt  ligen,  obwol  er  doch  sicher  leggen  sprach. 

Auf  s.  449  spricht  Junk  über  die  genaue  Scheidung  von  langen 
und  kurzen  vocalen  in  den  reimen  Rudolfs.  Aber  er  macht  dabei  den- 
selben gnindfehler,  der  allen  ähnlichen  Zusammenstellungen  älterer  arbeiten 
über  den  Sprachgebrauch  einzelner  dichter,  sowie  den  einschlägigen  capiteln 
unserer  mhd.  gramraatikeu  anhaftet.  Er  zieht  nämlich  nicht  in  erwägung, 
dass  das  fehlen  der  bindungen  ungleicher  quautitäteu  im  stumpfem  reim 
für  einen  dichter  weder  von  vornherein  eine  besondere  feiuhürigkeit  für 
den  unterschied  von  laug  und  kurz  noch  die  stricte  erhaltuug  alter  kürze 
gegenüber  späterer  längung  eo  ipso  erweisen  muss.  In  vielen  gegenden 
waren  gewisse  quantitativ  verschiedene  vocale  auch  qualitativ  verschieden. 
Mit  dieser  möglichkeit,  dass  die  genaiie  Scheidung  quantitativ  verschiedener 
laute  im  reim  unter  umständen  zugleich  oder  vorwiegend  oder  vielleicht 
auch  ausschliesslich  Scheidung  qualitativ  verschiedener  laute  sein  kann,  muss 
stets  gerechnet  werden.  Was  beweist  es  also  für  die  erhaltung  mhd. 
kürzen  bei  einem  dichter,  dass  er  a  nie  mit  «  bindet,  wenn  in  seiner  ma. 
auch  heute  das  gelängte  a  nicht  mit  ä  zusammenfällt?  Auf  weiten  ge- 
bieten der  Ostschweiz  geht  mhd.  ä  und  gelängtes  mhd.  a  ganz  getrennte 
wege;  jenes  gibt  heute  etwa  o,  dieses  ä;  mhd.  gän  gibt  also  etwa  (^ö,  mhd. 
Aan- aber  chä,  mhd.  stnt  'steht'  gibt  W^t,  mhd.  rat  'rad'  aber  räd.  Wenn 
also  Rud.  oder  ein  anderer  Schweizer  a  mit  ä  nicht  bindet,  so  bedeutet 
das  für  ihn  in  allererster  linie  die  Unterscheidung  zweier  qualitäten,  die 
von  einander  mindestens  so  verschieden  waren  als  etwa  die  beiden  kurzen 
e,  e  und  e.  Ich  habe  die  Wichtigkeit  solcher  erwägungen  in  meinen  Mhd. 
Studien  passim  betont  und  verweise  hier  auch  energisch  auf  Bohnenbergers 
aufsatz  Beitr.  20,  535  ff.  Auch  gelängtes  i  und  mhd.  /,  gelängtes  u  («)  und 
mhd.  ü  (in)  fallen  in  den  meisten  Schweizer  maa.  nicht  in  eins:  jene  er- 
scheinen als  offene,  diese  als  geschlossene  längen  und  auch  diese  Unter- 
scheidung spiegelt  sich  im  gebrauch  alter  alem.  dichter,  s.  etwa  S.  Singer, 
Zs.  f.  hd.  ma.  2,  9.  H.  Haldimann,  ebda.  3,  286.  Kein  wunder,  dass  auch  hier 
die  quantitäten  von  Rud.  geschieden  werden.  Aber  kein  wunder  auch, 
dass  diese  laute,  vor  allem  i  und  i,  von  Rud.  und  andern  alem.  dichtem 
der  mhd.  zeit  nicht  mehr  so  genau  gescliieden  werden,  als  a  und  ä,  deren 
qualitäten  eben  noch  viel  stärker  differieren.  Dass  bei  altem  Alemannen 
sich  zunächst  reime  von  -in  auf  -in  eher  finden,  als  solche  von  -an  auf  -an 
habe  ich  Zs.  fda.  44, 10  ff  ausgeführt.  Flecks  einschlägige  bindungen  (Flore 
189.319,  also  nur  zu  anfang  des  gedichtes!)  sind  dort  versehentlich  über- 
gangen worden.    Auch  für  Rud.  wurden  a.  a.  o.  zwei  reime  von  -in  :  -in 


438  ZWIEKZINA 

beigebracht,  hi)i :  sch/n  gGerh.  4931  und  keisenn  :  under  in  gGerh.  161.  Den 
letzteren  reihte  ich  hier  ein,  weil  die  feminina  auf  -in  von  Rud.  sonst 
eben  coustant  mit  länge  gebunden  wurden  (s.  Zs.  fda.  45, 72  f.)  und  Rud. 
sich  durch  ^ine  gewisse  Stetigkeit  seiner  reimformen  auszeichnet,  wie  aucli 
Junk  öfters  hervorhebt.  .Tunk  plaidiert  aber  nun  s.  44i)  und  475  dafür,  im 
gGerh.  161  Icciserin  mit  kürze  anzusetzen.  Während  er  jedoch  seinem 
keiseriii  kein  paralleles  -In  bei  Rud.  an  die  seite  stellen  kann  (denn  Lach- 
manns besserung  von  gGerh.  5107  ist  zweifellos  und  wird  auch  von  Junk 
ohne  rückhalt  acceptiert),  konnte  ich  die  bindung  von  keisenn  :  in  im  gGerh. 
161  eben  an  das  hin-.schinv.Wdi  desselben  gedichts  anknüpfen.  Die  vage  Ver- 
mutung Haupts,  di«  4931  die  eliminierung  der  rcimungenauigkeit  bezweckte 
und  die  Junk  nun  wider  aufnimmt,  kann  man  auf  sich  beruhen  lassen.*) 
Aber  ich  bin  heute  selbst  der  ansieht,  dass  an  der  angegebenen  stelle  Rud. 
aus  ganz  bestimmten  rücksichten  von  seiner  spracliform  keisenn  abgewichen 
ist:  er  sucht  nämlich  gGerh.  161  eine  art  grammatischen  reims,  den  er  so 
sehr  liebt,  und  diesem  zuliebe  reimt  er  dies  eine  mal  keiserin  :  in  und  lässt 
dem  paar  das  paar  minne  :  keiserinne  folgen.  —  Dagegen  beweist  für  Rud. 
die  strenge  Scheidung  von  e  und  e  {-erte  und  -erte  u.  dgl.)  und  o  und  ö  {-ot 
und  -öt,  -an  und  -an  u.  dgl.)  noch  am  ehesten  Scheidung  nach  blosser  Quan- 
tität und  erhaltung  alter  kürze.  Nur  einmal  bindet  er  hurten  :  ivorten  Bari. 
253, 17,  was  mit  Zs.  fda.  44,  292  und  Junk  s.  451  f.  darauf  zu  deuten  ist, 
dass  die  dehnung  der  kürze  vielfach  vor  r  +  cons.  einsetzte.  ^) 

Im  allgemeinen  möchte  ich  behaiipten,  dass  bei  den  mhd.  dichtem, 
die  ungleiche  quantitäten  nicht  binden,   die  ungleiche  qrialität  dieser  un- 

')  Junks  einwurf  'ist  für  Rud.  wirklich  (wenn  auch  nur  in  seinem 
erstlingswerk)  ungenaue  Quantität  des  vocals  im  reim  zulässig,  so  ist  nicht 
einzusehen,  warum  er  bei  einem  so  reichen  reimtypus  . . .  nicht  öfter  kürze 
mit  länge  bindet'  zeigt,  dass  Junk  die  Sachlage  nicht  richtig  auffasst. 
Erstens  sind  die  sicheren  -in  :  -in  bei  Fleck  u.  a.  ebenso  selten  wie  die  bei 
Rud.  Zweitens:  waren  dem  dichter  i  und  i  sprachlich  zusammen- 
gefallen, so  müssten  wir  allerdings  häufigere  bindungen  von  -in  :  -m  er- 
warten. Das  aber  ist  ja  grade  das  charakteristische  merkmal  dafür,  ob 
wir  sprachlichen  zusaramenfall  oder  unreine  bindung  zweier  etymologisch 
verschiedener  laute  für  einen  dichter  vorauszusetzen  haben,  dass  wir  in 
einem  fall  vollkommene  veimischung  der  typen,  im  andern  im  allgemeinen 
festgehaltene  Scheidung  derselben  neben  sporadischer  Untermischung  beob- 
achten. Es  gelten  dafür  die  Zs.  fda.  44, 10  f.  20  f.  250.  253.  285  f.  288.  293. 
404,  anm.  2  vorgetragenen  methodischen  erwägungen. 

')  Dass  in  Rud.'s  spräche,  des  dichters  feinhörigkeit  in  bezug  auf  Quan- 
tität vorausgesetzt,  die  heutigen  dehnungen  seiner  ma.  noch  nicht  hervor- 
getreten waren,  zeigt  besser  als  die  absenz  der  bindung  von  a  :  ä  u.dgl. 
bei  ihm  die  präsenz  der  bindungen  von  -ut  (-ade-)  :  -at  (-ate-),  -ac  (-age-) 
:  -ac  (-acke-).  Also  reime  wie  ^j/tat :  stat  Ijarl.  78, 15.  139, 33,  smac  :  mac 
238,  27,  erschrac  :  tac  384,  21  u.  dgl.  m.  S.  auch  vlec  :  uicc  subst.  70,  5  u.  ö. 
Denn  hier  dehnt  die  ma.  auf  der  einen  seite  und  auf  der  andern  dehnt 
sie  nicht. 


ZUM    REIMGEBRAUCH    RUDOLFS    VON   EMS.  439 

gleichen  quantitäten  meist  eine  grössere  rolle  und  meist  eher  eine  rolle 
spielte  als  der  quantitätsiinterschied  an  sich.  Ich  schliesse  das  daraus,  dass 
in  gegenden,  wo  heute  z.  b.  gelängtes  a  und  mhd.  ä  oder  gelängtes  e  und 
mhd.  i  (bez.  fe)  gebietsweise  zusammenfallen,  auch  die  mhd.  dichter,  die 
sonst  vocalisch  genau  reimen  und  zu  den  besten  ihrer  guten  zeit  gehören, 
reime  von  o  auf  «,  von  e  auf  e  u.dgl. m.  zulassen.  Zunächst  in  bestimmten 
Stellungen,  vor  allem  vor  n  und  /•.  Es  sind  das  die  Baiern,  Oesterreicher 
und  Ostfranken,  die  dichter  der  Nib.,  der  Gudr.,  Wolfr.,  Wirnt  u.a.m. 
Und  dieselben  dichter  trennen  nun  i  und  ^  (m  und  ü,  ü  und  tu)  noch  viel 
genauer  als  die  Alemannen,  weil  in  ihrem  dialekt  heute  eben  gelängtes  i 
und  mhd.  <  >  ei  einander  ganz  fern  stehen  und  sich  schon  im  13.  jh.  quali- 
tativ stai'k  unterschieden  haben  müssen.  Das  wird  gelegentlich  auch  um- 
gekehrt für  die  heimatsbestimmung  wichtig  sein.  Eeinbots  heiraat  z.  b., 
der  für  den  bairischen  herzog  dichtet,  in  seinem  werk  des  öftern  bairisches 
local  erwähnt  und  dessen  reime  die  bairische  gunierung  des  ü  erweisen, 
werden  wir  geneigt  sein,  zunächst  in  Baiem  zu  suchen.  Wir  müssten  uns 
da  aber  um  eine  solche  gegend  Baierns  umsehen,  die  gelängtes  a  und  mhd.  ä 
heute  qualitativ  scheidet,  denn  Reinb.  reimt  nie  a  :  ä ;  sie  müssen  von  ihm 
nicht  nur  mit  verschiedener  quantität,  sondern  auch  mit  verschiedener  qua- 
lität  gesprochen  worden  sein.  Denn  wie  hätte  dieser  Spätling,  dessen  muster, 
Wolfr.,  a  und  ä  ganz  unterschiedslos  bindet,  sonst  diese  beiden  laute  so 
streng  geschieden? 

Auch  die  reime  von  aus  laut,  g  zu  aus  laut,  ck  müssen  bei  einem 
Alemannen  stets  beachtet  werden.  Also  binduugen  wie  smac,  nac,  crschrae 
zu  tac,  phlac,  mac  u.s.f. ;  vlec  zu  icec\  {ge)danc,  kranc,  ivanc  zu  lanc,  twanc, 
spranc,  anevanc  u.s.f.;  starc  zu  karc,  bare  u.s.f.;  icerc  :  berc  u.s.f.  Dass 
die  altern  dichter,  auch  Rud.,  fast  alle  die  beiden  laute  reimen,  wissen  wir 
ja  aus  Lachmanns  anm.  zur  Klage  941.  Aber  bei  den  spätem  alem.  dichtem 
mhd.  zeit  ist  das  nicht  melir  der  fall.  Nur  beobachtung  in  einzelunter- 
suchungen  wird  uns  lehren,  wann  die  neue,  zur  heutigen  ma.  stimmende 
Übung  einsetzt.  Wichtige  fragen  spielen  hier  ein ;  wie  die,  ob  der  Übergang 
der  ausl.  media  znr  tenuis  (bez.  affricata  oder  spirans)  und  ihr  zusammeu- 
fall  mit  ausl.  etjinologischer  tenuis  bei  den  alem.  dichtem  aus  der  blütezeit 
literarischer  reim  ist,  oder  ob  die  Unterscheidung  von  ausl.  g  und  k,  d  und  t 
erst  später  wider  aus  den  flectierten  formen,  in  denen  g  und  d  im  inlaut 
standen,  in  die  ma.  getragen  wurde. 

Viertens  ist  ferner  auch  der  Wortschatz  des  reimvorrats 
in  betracht  zu  ziehen.  Die  auswahl,  die  der  dichter  hier  aus 
den  zum  reim  geeigneten  synonymen  des  mhd.  Wörterbuchs 
oder  aus  den  verschieden  gebildeten  Worten  gleichen  Stammes 
trifft,  wird  auch  da  häufig  genug  widerum  auf  mundartliche 
differenz  zurückweisen.  Hie  und  da  werden  aber  wol  auch 
technik  und  tradition  dabei  in  fi-age  kommen. 

Reimt  Rud.  subst.  siege  (Bari.  37, 27)  oder  auch  stiege,  s\\\)st.  werde 
(Bari.  26, 11  u.s.f.)  oder  aucli  icirde,  subst.  ^ er  (Bari.  21, 37  u.ö.)  oder  auch 


440  ZWIERZINA 

g ir  (Bari.  43,  23  u.  ö.)?  Ist  ihm  fiewalt  nur  masc.  oder  beweisen  reime  auf 
den  dat.  gcwalt  auch  für  ihn.  Avie  für  Hartni.,  das  fem.  neben  dem  masc? 
u.  dgl.  m. 

Fünftens  ist  besonders  sorgsam  darauf  zu  achten,  ob  sich 
ein  Wechsel  im  reimgebrauch  des  dicliters  im  verlauf  eines  und 
desselben  werkes  oder  beim  Übergang"  von  einem  werk  zum 
andern  bemerkbar  macht.  Junk  weist  nur  dreimal  auf  solche 
Wandlungen  der  technik  hin,  immer  nur  meinen  andeutungen 
folgend:  für  häte  hcete  s.  488  fs.  Zs.  fda.  44, 10),  für  vienc  vie 
s.  484  (s.  Zs.  fda.  45,  50),  für  die  bindung  von  ruom  :  -uon  s.  479 
(s.  Zs.  fda.  45, 72,  anm.).  Anderes,  das  meine  Mhd.  Studien  bereits 
beobachtet  hatten,  leugnet  Junk  (wir  werden  sehen  zu  unrecht), 
wie  meine  auf  Rud.'s  rührende  reime  bezüglichen  feststellungen 
(s.  s.  470),  oder  er  ignoriert  es.  Dennoch  war  auch  hier  aus 
dem  vollständigen  reimwb.  wol  mehr  herauszuholen.  Solche 
beobachtungen  werden  unter  umständen  wichtig  für  die  frage 
nach  sprachlicher  oder  literarischer  wertung  der  reimform, 
meist  entscheidend  für  die  frage  nach  der  Chronologie  der 
einzelnen  gedichte.  Und  da  diese  Chronologie  für  Rudolfs 
Wilh.  und  Alex,  durchaus  noch  nicht  feststeht,  so  muss  gerade 
bei  Eud.  auf  Veränderungen  im  reimgebrauch  frühzeitig  geachtet 
werden. 

Um  auch  hier  nicht  ohne  belege  zu  sprechen,  Aveise  ich  noch  darauf 
hin,  dass  im  gGerh.  das  part.  (je dran  reimt  (3745),  sowie  im  Er.  und  öfter 
im  Lanz.  und  andern  alem.  gedichten  (s.  Pfeiffer  zur  Miunelehre  654).  Der 
Bari,  aber  reimt  nur  das  part.  <jeärad  (163, 17).  Oder  man  wird  finden, 
dass  äne  loanc,  einer  der  bösesten  behelfe,  den  reim  zuflicken,  im  gGerh. 
sehr  häufig  vorkommt,  während  Rud.  sich  im  Bari,  bemüht,  möglichst  ohne 
denselben  auszukommen. 

Sechste ns  dürfen  nicht  alle  auf  die  technik  und  nicht  direct 
auf  die  spräche  blickenden  beobachtungen  unterlassen  werden. 
Man  kann  sich  ja  hier  sein  arbeitsfeld  einengen  und  nur  die 
si)rachliche  ausbeute  des  reimmaterials  einheimsen.  Aber  ohne  ab- 
grenzung  zwischen  teclniik  und  ma.,  tradition  und  neuem  erwerb, 
literarischem  und  sprachlichem  reim  wird  man  auch  das  auf  den 
Sprachgebrauch  eingeschränkte  thema  nicht  auszuschöpfen  ver- 
mögen. Ausserdem  werden  dem,  der  das  ganze  reimmaterial 
ohnedies  durcharbeiten  muss,  die  beobachtungen  fast  von  selbst 
herausspringen  über  den  rührenden  reim  (Rud.  meidet  ihn  in 
seinen  zwei  Jugend  werken  so  gut  wie  ganz,  s.  Zs.  fda.  45, 294),  den 


ZUM    REIMGEBRAUCH    RUDOLFS    VON   EMS.  441 

grammatischen  reim  (Rud.  liebt  iliii  immer  mehr  von  werk  zu 
werk),  den  vierreim  (auch  dieser  wird  von  Eud.  in  bewusster 
Stilabsicht  verwendet),  den  erweiterten  reim,  über  die  enklise 
(Rud.,  der  seine  reime  gern  entlastet,  meidet  sie  bis  auf  wenige 
fälle  traditionellster  art:  vater  :  bat  er  Bari.  28,  27.  87,15,  hirz 
:  ir  ez  256,  20),  über  das  häufigkeitsverhältnis  der  klingenden 
zu  den  stumpfen  reimen,  über  die  aus  wähl  der  reim  wort  e  je 
nach  den  Wortklassen  (subst.,  adj.,  verb.,  adv.,  pron.,  auxil.  u.s.w.), 
über  tlickreime.  Wandlungen  des  reimgebrauchs  werden  sich 
gerade  in  technischen  dingen  eher  zeigen  als  in  sprachlichen, 
dahinzielende  Observationen  also  ganz  besonders  für  chrono- 
logische fragen  wichtig  werden.  Dass  man  die  reimsauimlung 
auch  nur  als  Sprungbrett  benützen  kann,  um  von  da  aus  in 
die  tiefe  literarischen  Schaffens  zu  tauchen,  dass  uns  die 
Schwankungen  der  teclmik  den  dichter  vielfach  gleichsam  an 
seinem  arbeitstisch  beobachten  helfen,  dass  man  vom  reim 
aufwärts  klimmend  zu  einer  beschreibung  des  mlid.  verses  nach 
rhythmus,  technik,  stil  und  S3'ntax  aufsteigen  könnte,  das  habe 
ich  in  den  Verhandlungen  der  44.  Versammlung  deutscher  phi- 
lologen  zu  Dresden,  1897,  s.  124  ausgeführt.  Aber  das  sind 
schwierige  aufgaben,  die  man  andern  nicht  stellen  darf,  ehe 
man  selbst  eine  von  ihnen  gelöst. 

Siebentens  noch  eine  äusserlichkeit.  Eine  Untersuchung, 
wie  Junk  sie  vorlegt,  wird  notwendig  eine  reihe  von  Zählungen 
bringen  und  eine  masse  von  citatenreihen.  Man  darf  da  wol 
die  f orderung  stellen,  dass  diese  Zählungen  richtig,  die  citate 
auffindbar  sind.  Nun  ist's  ja  im  allgemeinen  oft  recht  gleich- 
giltig,  ob  irgend  eine  form  50  mal  oder  51  mal  durch  den  reim 
gesichert  wird,  wenn  nur  von  den  beispielen,  die  der  regel 
entgegenstehen,  keines  vergessen  ist.  3Ian  führt  zum  belege 
beim  dichter  immer  widerkehrender  reimformen  die  hohe 
summe  der  beispiele  doch  nur  an,  \\\\\  die  absolute  häufigkeit 
gleichsam  ad  oculos  zu  demonstrieren,  drastisch  vorzuführen, 
oder  um  die  relation  zur  Seltenheit  zahlenmässig  aufstellen 
zu  können.  In  beiden  fällen  kommt  es  auf  ein,  zwei  beispiele 
mehr  oder  weniger  gar  niclit  an.  Aber  man  darf  wol  fordern: 
wenn  sclion  zahlen,  dann  die  richtigen.  Leider  wird  es,  soAvie 
es  keinen  menschen  gibt,  der  sich  noch  nie  verzählt  hat, 
auch  keinen  germanisten  geben,  dem  bei  statistischen  reim- 


442  ZWIEllZINA 

untersuclmngeii  nicht  ein  oder  das  andere  beispiel  unter  den 
sclireibtisch  fällt.  So  hat  Junk  auch  meinen  Mhd.  Studien 
zwei  solche  Omissionen  von  mit  vielen  andern  beispielen  die 
regel  bele'genden  fällen  nachgewiesen:  s.  482,  anm.  2  ein  vähen 
:  nähen  gGerh.  4071  und  s.  479,  anm.  ein  ruom  :  erzchistuom 
gGerh.  173.  Dass  dort,  wo  Junk  zwischen  seiner  Zählung  und 
der  meiner  Mhd.  Studien  eine  grössere  differenz  constatiert, 
woraus  er  dann  s.  4G7,  'da  es  hierin  sehr  auf  das  numerische 
Verhältnis  ankonmit',  für  sich  die  berecht igung  ableitet,  meine 
ergebnisse  'etwas  übersichtlicher'  zu  'grui)pieren',  dass  gerade 
dort  gar  keine  differenz  existiert,  sondern  Junk  nur  kunterbunt 
zählt,  wo  ich  reinlich  schied,  werden  wir  unten  noch  sehen.') 
Junks  übersichtlichere  gruppierung  bedarf  sechs  selten  dazu, 
wofür  meine  Studien  21  zeilen  benötigten  (Zs.  fda.  45,  84  und  92): 
'das  ergebnis  ist  dasselbe'. 

Junks  eigene  Zählungen  sind  ziemlich  zuverlässig,  seine 
citate  ziemlich  genau.  Wenn  ich  im  folgenden  einige  correc- 
turen  mitteile,  so  tue  ich  das  nicht,  um  etwa  die  ungenauig- 
keiten  aufzuzeigen,  sondern  weil  ich  gerade  an  der  arbeit  bin 
und  einem  andern  diese  correcturen  vielleicht  nicht  so  leicht 
fielen  wie  mir.  Ich  weiss  wol  am  besten,  wie  leicht  ein  falsches 
citat  sich  einschleicht,  wo  man  hunderte  und  tausende  mitzu- 
teilen hat.  Junk  selbst  weist  mir  s.  489,  anm.  drei  zahlenfehler 
nach,  die  sich  bei  mir  in  einer  langen  reihe  von  citaten  finden. 
Und  er  corrigiert:  'in  den  citaten  Zwierzinas  muss  es  heissen 
. . .  331, 48  statt . . .  331,  48'.  331, 18  muss  es  heissen;  hoffent- 
lich wird's  jetzt  nicht  wider  verdruckt."^) 


')  Ebenso  habe  ich  Zs.  fda.  45,45  den  reim  auf  gesetsct  gGerh.  4051  nicht 
übersehen,  wie  Junk  s.  481,  anm.  1  meint;  sondern  habe  ihn  nicht  angeführt. 
Denn  nur  rfcsat  war  a.a.O.  von  mir  vollständig  zu  belegen;  für  das  vor- 
kommen des  allen  dichtem  genehmen  (/cfietzet  genügte  ein  beleg.  Und  den 
habe  ich  gegeben. 

*)  Ein  ganzer  schwärm  falscher  citate  hat  sich  in  meine  ausführungen 
über  Wolfr.'s  rührende  reime  Zs.  fda.  45  eingenistet.  Ich  ergreife  die  ge- 
legenheit  und  bitte  zu  bessern:  s.  290  z.  8  oben  670,19  für  670,29;  s.291 
z.  13  0.  450,5  für  550,5;  z.  21  o.  Parz.  284, 11.  Wh.  421,  7  für  Parz.  284, 11. 
421,7;  z.  2  unten  532,  27  für  522,27;  s.  292  z.  1  o.  GGO,  13  für  ()G(5,3;  s.  295 
0.  fiel  aus  (jienge  :  hefjienße  Parz.  447, 17  und  ein  verweis  auf  die  la.  von 
(ig  dazu.  [Der  ol)en  gerügte  zahlenfehler  fällt  mir  als  reviscr  der  druck- 
bogen  zur  last:  der  verf.  hatte  richtig  corrigiert.    E.  S.J 


ZUM   KEIMGEBRAUCH   RUDOLFS   VON   EMS.  443 

Junk  zählt  also  s.  478  bei  Rud.  lfi+  geseit,  es  sind,  man  kann  sich 
darauf  verlassen,  167.  Ebenda  zählt  er  72  ireit,  es  sind  deren  75.')  In 
den  belegen  zn  diesem  §  7  fehlt  ferner  s.  477,  anm.  1  ein  er  seit,  nämlich 
gGerh.619;  s.  478,  anm.  1  der  reim  sayeie  :  hehmjcic  Bari.  294,  7;  anm.  4  der 
reim  behaget  :  unverzaget  gGerh.  861.  Ferner  ist  zu  bessern  s.  479  gesigt 
:  irigt  gGerh.  6689  für"  6609;  s.  481  gesät  :  bat  Bari.  339,  5  für  339, 15;  s.  486 
fehlt  kumt :  vrumt  Bari.  135,  31 ;  s.  487  1.  kam  :  stam  Bari.  353, 11  für  253, 11. 
Endlich  hat  sich  unter  die  beispiele  für  viere  (:  sere)  auf  s.  495  das  citat 
Bari.  254,  9  eingeschlichen,  das  nicht  ntere,  sondern  u)tere  belegt. 

Ausserdem  bieten  sich  der  abfassung  einer  reimuntersuchung 
noch  eine  anzalil  technisclier  behelfe  an,  kunstmittel ,  die  die 
beweisführung  klarer  machen  und  uns  auch  räum  sparen,  die 
aber  nicht  in  kategorien  zu  bringen  sind  und  sehr  oft  an  die 
besonderheit  des  uns  vom  dichter  gebotenen  materials  gebunden 
bleiben.  Einiges  davon  möge  besprochen  werden,  wenn  wir 
nun  Junks  arbeit  im  einzelnen  kritisch  begleiten. 

§  1.  Es  ist  durchaus  nicht  notwendig,  mit  den  belegen 
für  die  bindung  daz  :  ivaz  :  has  :  saz  u.  s.  w.  eine  halbe  seile  zu 
füllen  (s.  Junk  s.  448).  Dass  die  zahl  der  reime  in  -az  legion, 
die  der  reime  in  -äz  niu'  klein  ist,  weiss  jeder.  Es  hätte  also 
jedesfalls  genügt,  die  im  typus  -as  vorkommenden  reimworte 
aufzuzählen  und  die  summe  der  reimbänder  dieses  typus  zu 
nennen.  Das  praet.  äz  belegt  Rud.  ausserdem  noch  Wehr.  Germ. 
30, 180, 19.  —  Dass  quantitäts-  und  qualitätsunterschied  bei  be- 
sprechung  der  bindungen  von  a  :  ä,  i :  i  u.  s,  f.  gegeneinander 
abzuwägen  wäre,  wurde  schon  oben  s.  437  hervorgehoben. 

§  2.  In  einem  capitel  über  die  von  einem  bestimmten 
dichter  durchgeführte  Scheidung  von  e  und  e  sind  nach  den 
ausführungen  meiner  Mhd.  Studien  no.  8  im  typus  -ehe-,  -egc-, 
-etc-  nur  die  belege  für  die  selteneren  typen  mit  umlauts-e  zu 
geben,  die  belege  für  -ehe-,  -eye-,  -ete-  kann  man  sich  sparen; 
höchstens  dort,  wo  e  und  e  in  diesen  Stellungen  gemischt 
werden,  die  einzelnen  reimworte  der  tj-pen  -ehe-  u.s.w.  und 
die  totalsumme  der  belege  in  relation  stellen.  Doch  ist  dabei 
darauf,  ob  und  wie  ehen  (adv.  oder  adj.)  gebunden  wird,  stets 
zu  achten.    Dass  Rud.  eben  gar  nicht  bindet,  weist  eher  nach 


*)  Ich  vermute,  .hink  luvt  hier  und  dort  die  drei  bindungen  von  treit 
:  geseit  Bari.  79,  37.  80,  19.  24(!,  31  nicht  zu  den  für  -eit  beweisenden  reimen 
gerechnet.  Aber  'er  tregt  :  gesagt  reimt  doch  ebensowenig  wie  *geleyt 
:  gesagt. 


444  ZWIEKZINA 

eben  als  nach  eben  (ebene?).  Ferner  kann  man  es  sich  wol 
sparen,  sämmtliche  belege  für  die  Scheidung  des  e  und  e  vor 
;■  und  l  zu  bringen  bei  einem  dichter,  der  die  beiden  laute 
überhaupt' nie  bindet.  Höchstens  die  vorkommenden  reimworte 
der  typen  (ohne  citate)  wären  anzuführen.  Anders,  wenn  in 
gewissen  Stellungen  e  mit  e  in  eins  fiele  oder  wenn  sog.  'un- 
reine' bindungen  vorkämen.  Hier  wäre  dann  die  antwort  auf 
die  frage,  ob  wir  es  wirklich  mit  unreinen  reimen  oder  mit 
sprachlichem  zusammenfall  zu  tun  haben,  nur  aus  der  kenntnis 
der  gesammtzahlen  und  der  einzelverhältnissse  zu  entnehmen. 
—  Scheidung  oder  mengung  der  beiden  c  vor  nasal  bez.  nasal 
+  cons.  ist  stets  festzustellen;  ebenso,  wie  dies  Junk  s.  456.  457 
auch  tut,  die  qualität  des  e  in  jene{r)  und  die  behandlung  der 
reimenden  -er  in  fremden  namen.  —  Dass  Rud.  ä  und  e  noch 
nicht  bindet  (s.  Junk  s.  455),  ist  nicht  nur  aus  dem  fehlen  eines 
reims  von  gesiähte  :  -ehte  {rehte,  Inehtc)  für  ihn  zu  entnehmen. 
Abgesehen  davon,  dass  diesem  fehlen  in  andern  werken  positiv 
bindungen  gegenüberstehen,  wie  gesiähte  :  ähte  (octo)  Wehr.  Zs. 
fdpli.  21,  270, 137,  hätte  sich  Eud.  auch  leicht  u-älde  :  velde  ge- 
boten, da  wald  und  wildnis  in  Rud.s  Bari,  oft  und  oft  genannt 
wird  und  auch  der  pl.  wälde  im  versinnern  (z.  b.  Bari.  255, 15 
u.  ö.)  vorkommt.  Auch  einen  pl.  trähen  ( :  sehen,  jehen)  könnten 
wir  vielleicht  erwarten  oder  einen  inf.  gewähen  <  gewähenen, 
denn  praet.  gewuoc  reimt  oft.  Jedenfalls  werden  erst  die  reime 
der  kriegerischen  epen  Eud.'s,  Alex,  und  Wilh.,  lehren,  dass  Eud. 
auch  ])härt :  tvert  und  gert,  j)härcU  :  erde  und  iverde  nicht  zu 
reimen  vermag. 

§  3,  Ich  glaube,  dass  auch  hier  bei  der  behandlung  der 
frage  nach  dem  um  laut  des  u  in  der  Vorführung  des  ge- 
sammten  materials  viel  zu  viel  getan  ist.  Kraus  musste  in 
seiner  behandlung  der  einschlägigen  Verhältnisse  bei  Hartm., 
AVolfr.  und  Gottfr.  (Heinzelfestschr.  s.  112  ff.)  zu  ausführlichen 
darlegungen  ausholen,  um  die  Wichtigkeit  seines  arguments 
für  die  frage  der  autorschaft  des  2.  l^üchleins  ins  licht  zu  setzen 
und  die  Stetigkeit  im  verhalten  des  einzelnen  dichters  einer- 
seits, die  unterschiede  im  verhalten  verschiedener  dichter  ander- 
seits hier  klar  zu  legen.  Aber  durch  Kraus  sind  die  grund- 
linien  der  argumentation  jetzt  gezogen  und  wir  dürfen  uns 
von  nun  an  kürzer  fassen,   —   Wunderlich  bleibt  mir,  dass 


ZUM   REIMGEBRAtTCII    RUDOLFS   VON   EMS.  445 

Junk,  der  die  einscliläo-igen  reime  in  diesem  §  s.  iCh)  zusammen- 
stellt, dabei  nicht  aufgefallen  ist,  dass  Rud.  noch  nach  alter 
weise  auf  der  einen  seite  ebenso  constant  sigenunft  als  auf  der 
andern  vernnnst  sagt  und  bindet.  —  Einige  Sonderbarkeiten 
dieses  §  in  bezug  auf  die  auffassung  des  grammatischen  materials 
werden  die  leser  wol  alle  mit  mir  stillschweigend  richtig  stellen. 
§  4  bespricht  u.a.  Rud.'s  reimgebrauch  der  adj.  auf  -lieh 
und  der  adv.  auf  -liehe.  Auf  s.  470  fällt  die  bemerkung: 
'zu  den  fällen  für  das  adv.  kommen  dann  noch  die  s.  469,  anm.  1 
verzeichneten  9  fälle  (8  in  G.,  1  in  B.)  indifferenter  (!)  bindung 
von  -liehe  auf  -liehe.  Wenn  Zwierzina  bemerkt:  im  Bari,  fehlen 
diese  rührenden  reime,  so  ist  dies  also,  wie  Bari.  121,  21  ge- 
walteeliche  :  geliehe  (!)  zeigt,  nicht  richtig.  Es  kommt  dies 
daher,  dass  Zwierzina  die  gelieh  an  anderer  stelle,  nämlich 
unter  den  adj.  (s.  84  f.)  abtut ,  dann  aber  auf  die  adv.  geliche 
nicht  mehr  zu  sprechen  kommt,  wie  denn  überhaupt  die  treu- 
nung  der  beobachtungen  für  adj.  und  adv.  der  Übersichtlichkeit 
sehr  eintrag  tut'.  Ich  musste  lächeln.  Denn  die  sache  liegt 
so :  man  hat  bei  behandlung  der  frage  nach  der  reimform  der 
adj.  auf  -lieh  stets  von  vornherein  von  diesen  die  gelieh  wol 
zu  unterscheiden.  Dass  die  adjectivableitung  -lieh  mit  dem 
Vollwort  gelieh  etymologisch  verwant  ist,  wusste  damals 
ebensowenig  jemand,  wie  sich  heute  der  sprechende  der  Zu- 
sammengehörigkeit von  'gleich'  und  der  bildungssilbe  von  z.  b. 
*  oberflächlich'  bewusst  ist.  Ich  habe  das  Zs.  fda.  45,  291  ff. 
auseinandergesetzt  und  fürs  mhd.  direct  bewiesen.  Man  hat 
also  für  Rud.  etwa  zu  sagen:  gelich  reimt  immer  nur  zu  rieh, 
hatte  also  constante  länge.  Die  adjectivableitung  -lieh  aber 
reimt  weder  zu  gelieh  noch  zu  rieh,  sondern  in  so  und  so  vielen 
fällen  stets  zu  sieh,  dieh,  mich  u.s.f.,  hatte  also  constante 
kürze.  Und  man  darf  nicht  den  bindungen  von  -lieh  :  -ieh 
unterschiedslos  die  bindungen  von  -lieh  :  -ieh  folgen  lassen,  um 
dann  die  überraschende  entdeckung  zu  machen,  dass  hier  -lieh 
immer  gelich  ist,  dort  -lieh  immer  die  ableitungssilbe.  Dass 
gelieh  und -lieh  im  mhd.  des  13.  jh.'s  bereits  vielfach  getrennte 
wege  gehen  und  die  reimgewohnheit  eines  dichters  in  bezug 
auf  das  eine  nicht,  wie  das  bislang  meist  üblich  war,  mit  der 
reimgewohnheit  in  bezug  auf  das  andere  alle  augenblicke  con- 
fundiert  werden  darf,  sollte  durch  meine  ausführungen  Zs.  fda. 


446  ZWIEIIZINA 

45,  81  ff.  hauptsächlich  erwiesen  werden  und  ist,  hoffe  ich,  durch 
sie  auch  erwiesen  worden.  No.  12  der  Mhd.  Studien,  a.a.O. 
s.  291  ff.,  stützte  dann  dieses  resultat  auch  noch  von  anderer 
Seite  durch  die  beobaclitung-,  dass  (){(')Uch{e)  :  -Uch{e)  vielen 
autoren  gar  nicht  mehr  als  riihrender  reim  gilt.  Von  der 
adjectivableitung  auf  -lieh  oder  -lieh  ist  nun  aber  auch  wol 
zu  scheiden  die  Zusammensetzung  eines  substantivischen  {i)e)Ueh 
mit  dem  gen.  eines  noniens,  also  männeglich,  jceregltch,  sühte- 
glich,  UigeMch  u.  dgl.  m.  Schon  deshalb  sind  diese  von  jenen  zu 
scheiden,  weil  die  composita  mit  gclicJt  bei  mhd.  dichtem  des 
13.  jh.'s  hie  und  da  noch  mit  gelich,  nicht  mit  -lieh  in  der 
Quantität  ihres  i  zusammengehen;  z.  b.  bei  Ulr.  v.  Zatzikh.  (s. 
Zs.  fda.  45,  85),  der  zwar  die  adj.  auf  -lieh  stets  kurz  reimt,  die 
componierten  tägelich,  männeglieh  u.  s.  av.  aber  bald  kurz  bald 
lang,  d.  h.  lang  wie  das  stammhafte  gelich.  Und  aus  ähnlichen 
rücksichten  ist  ferner  abzutrennen  ieslich  und  ieglich,  diese  wide- 
rum  u.  a.  schon  deshalb,  weil  die  meisten  autoren  nicht  ieslieh, 
ieglich,  me  vrnmtlieh  u.s.w.,  accentuierten,  sondern  ieslich, 
ieglich,  die  reimsilbe  hier  also  haupttonig  blieb,  s.  Zs.  fda.  44, 
45,  anm.  1.  Und  so  habe  ich  in  meinen  Zusammenstellungen 
über  die  reimformen  von  -lieh  nicht  nur  gelich  immer  von  den 
mit  -lieh  abgeleiteten  adj.  ordnungsgemäss  auseinandergehalten, 
sondern  auch  männeglich  u.s.w.,  ieglich  u.s.w.  von  diesen  ge- 
trennt behandelt.  Junk  hat  das  gar  nicht  bemerkt.  Er  gibt 
uns  auf  s.  468  eine  kunterbunte  reihe  aller  bindungen  von  -lieh 
:  -ich,  erhält  so  deren  29  für  den  gGerh.  und  69  für  den  Bari, 
und  constatiert  dann  zweimal  mit  hoher  befriedigung,  dass  ich 
deren  nur  28  im  gGerh.  und  63  im  Bari,  zusammengebracht 
hätte.  Dann  auf  der  folgenden  seite  469  stellt  er  selbst  die 
jcereglich  und  tägelich  heraus.  Ich  aber  hatte  a.  a.  o.  s.  84  con- 
statiert 'Rud.  V.  Ems  reimt  die  adjectivableitung  (also  doch 
nicht  tägelich  und  jcereglich?)  nur  kurz,  und  zwar  ohne  aus- 
nähme 28  mal  im  gGerh.  und  63  mal  im  Bari.'  Und  ganze  drei 
Zeilen  später  heisst  es  dann  bei  mir:  Hägelich  und  jcereclich  stellt 
Rud.  zu  -lieh,  nicht  zu  gelich.  Sie  reimen  nur  kurz:  gGerh.  1371. 
Bari.  127,27.  338,39.  341,21.  344,23.  386,21.  Unflectiertes 
iegelich  kommt  im  reim  nicht  vor.'  Da  hätte  Junk  also  schon 
das  beispiel  aus  dem  gGerh.  und  5  von  den  6  des  Bari.,  die 
bei  mir  fehlen  sollen,   auftreiben  können.    Die  differenz  von 


ZUM    REIMGEBRAüCil    RUDOLFS   VON  EMS.  447 

68  -lieh  bei  mir  und  69  bei  Junk,  die  nun  noch  bleibt,  kann 
ich  zum  überfluss  auch  noch  aufklären.  Junk  rechnet  die 
bindung  zweier  -lieh,  die  in  dem  siebenreim  am  schluss  des 
Bari,  vorkommen,  als  zwei  beweisende  reime  für  -lieh;  ich,  da 
beide  -lieh  in  einem  reimband  stehn,  auch  nur  als  einen  beleg- 
für  kürze  des  ?.  Ich  glaube,  meine  art  zu  zählen  ist  auch 
liier  richtig-er.  Doch  gebe  ich  zu,  dass  sich  hier  streiten  Hesse. 
—  Von  den  unflectierten  adjectiven  auf  -lieh  widerum  streng 
getrennt  sind  dann  die  reimformen  der  adv.  und  obliquen  casus 
der  Z/cÄ-ableitungen  zusammenzustellen.  Dabei  ist  abermals 
das  adv.  von  (jelich  und  das  adv.  der  adj.  auf  -lieh  genau 
auseinanderzuhalten.  Denn  es  gibt  in  der  poetischen  literatur 
des  13.  jh.'s  erstens  zwar  ein  adj.  geliche  neben  gelieh,  aber 
nicht  ein  flexionsloses  adj.  auf  -liehe  —  was  Junk,  wie  seine 
bemerkung  auf  s.  471,  alinea  2  zeigt,  ausser  acht  lässt  —  und 
zweitens  zwar  adv.  auf  -liehen  und  -liehen  neben  adv.  auf  -liehe 
und  -liehe,  aber  nur  ein  adv.  geliehe,  kein  adv.  geliehen.  Junk 
ist  wider  anderer  ansieht  und  rechnet  die  bindungen  von  ge- 
liehe :  -liehe  für  in  bezug  auf  den  reimgebrauch  -liehe  oder  -liehen 
indifferente,  sowol  s.  469,  anm.  1  als  an  der  oben  ausgehobenen 
stelle  auf  s.470.  Aber  er  möge  uns  erst  in  der  poetischen  lite- 
ratur des  13.  jh.'s  ein  adv.  geliehen  nachweisen!  Bindungen  von 
geliche  zu  -liehe  sind  also  nicht  indifferente,  sondern  für  -liehe 
gegen  -liehen  beweisende;  als  solche  wurden  sie  von  mir  auch 
Zs.  fda.  45, 92  aufgeführt.  So  steht  164  beweisenden  reimen 
des  adv.  -liehe  und  5  indifferenten  in  sich  gebundenen  -liehe 
(diese  nur  im  gGerh.,  wie  ich  Junk  noclimals  versichern  Avill) 
ein  einziges  nminecliehen  gGerh.  3189  gegenüber.  Aber  auch 
dieses  nur  scheinbar.  Denn  dieses  minneeliehe{n)  reimt  a.a.O. 
auf  attributiv  und  fälschlich  flectiert  nachgestelltes  (noeh  lip 
so)  sceldenriehen.  Dass  hier  statt  minneeliehen  :  noeh  lip  so 
sceklenriehen  zu  lesen  ist  mimieeliehe  :  noeh  lip  so  soßldenriehe^ 
darüber  kann  nach  der  eben  angegebenen  Sachlage  und  in 
anbetracht  des  umstandes,  dass  Rud.'s  reimformen,  wie  Junk 
selbst  passim  hervorhebt,  höchst  constante  sind,  kein  zweifei 
sein.  Das  ist  keine  bloss  wahrscheinliche  conjectur,  das  ist 
einfach  eine  notwendige  correctur  der  Schreibergrammatik. 
Junk  ist  anderer  ansieht  und  er  bemüht  sich  in  seiner  anm. 
zu  s.  471   für  Rud.  schüchtern  die  regel  zu  begründen,  dass 


448  ZWIEUZINA 

das  mit  so  oder  vil  verstärkte  attribut  von  diesem  dichter  nur 
flectiert  nacligestellt  werde.  Er  sammelt  die  einschlägig-en 
beispiele  /lus  dem  gGerli.  und  er  findet  3  solche  flectierte 
attribut e  und  1  unflectiertes  mit  also.  Von  den  3  zu  seiner 
'reger  stimmenden  beispielen  ist  eines  zu  streichen:  gGerh.  906 
an  mich  vil  armen,  denn  das  vil  tut  hier  nichts  zur  sache. 
an  mich  arm  wäre  nicht  deutsch.  Zwei  mit  so  bez.  vil  ver- 
stärkten nachgestellten  und  flectierten  attributen  steht  im  gGerh. 
also  ein  unflectiertes  gegenüber,  das  Junk  nicht  hätte  hinaus- 
zuinterpretieren  versuchen  sollen,  schon  weil  ihm  ein  zweites 
ganz  gleichartiges  beispiel  im  gGerh.  zur  Seite  steht,  das  Junk 
mit  andern  ähnlichen  übersehen  hat:  gGerh.  4627  nach  dem 
yriiose  ivart  ir  himt  von  liehe  ein  jämer  also  gröz.  Aus  dem 
Bari,  kann  ich  Junk  folgende  fälle  durch  vil  verstärkter  und 
dennoch  unflectiert  nachgestellter  attribute  zur  Verfügung 
stellen:  10,31.  63,17.  73,11.  126,35.  172,19.  286,33.  299,1. 
310, 29.  315, 39,  ferner  noch  gGerh.  5941  mit  werden  rittern 
vil  gemeit.  —  Was  schliesslich  Junks  bemerkung  angeht,  dass 
mein  hinweis  auf  das  fehlen  der  rührenden  reime  von  -liehe 
:  -liehe  im  Bari,  nicht  richtig  sei,  weil  Bari.  121,  21  gewaltee- 
liche  auf  geliehe  reimt,  so  ist  sie  durch  das  bisher  gesagte 
auch  schon  erledigt.  Hier  reimt  geliche  auf  -liehe  und  nur 
Junk,  der  geliehe  und  -liehe  in  einem  topf  kocht,  ist  diese 
bindung  den  reimen  von  -liehe  auf  -liehe  im  gGerh.,  von  denen 
bei  mir  allein  die  rede  ist,  gleichartig.  Ich  habe  doch  selbst 
auf  das  beisjjiel  von  -liehe  :  geliehe  im  Bari,  neun  zeilen  vor 
meinem  von  Junk  gerügten  hinweis  aufmerksam  gemacht  und 
in  no.  12  meiner  Studien  über  den  rührenden  reim,  in  der  ich 
auf  die  sache  zurückkam,  Zs.  fda.  45,  309  nochmals  hervor- 
gehoben 'Rud.  V.  Ems  bindet  -liehe  in  sich  nur  im  gGerh.  .  .  . 
im  Bari,  fehlen  diese  reime'  und  hier  liab  ich  nun  hinzugesetzt 
^geliche  bindet  er  aber  natürlich  auch  dort  mit  -liehe  s.  oben 
s.  294'.  Auch  diese  no.  meiner  Studien  war  wol  längst  er- 
schienen (juli  1901),  als  Junk  seinen  aufsatz  zum  druck  be- 
förderte. 

Ich  erwähne  ferner,  dass  in  einem  §,  der  der  frage  nach 
kurz  oder  lang-/  in  den  reimformen  eines  dichters  nachgeht, 
auch  immer  den  drin  oder  drin  (num.),  den  in  oder  in 
nachzuforschen  ist.    Junk  konnte  das  ja  fortlassen,  da  no.  10 


ZUM    REIMGEBRAUCII    RUDOLFS   VON   EMS.  449 

meiner  Studien  auch  diese  frage  sclion  beantwortet  hatte. 
Freilich  war  er  sonst  nicht  so  enthaltsam  und  gruppiert,  an- 
statt neues  zu  bringen,  dessen  so  vieles  noch  zu  beobachten 
war,  meine  ergebnisse  an  allen  ecken  und  enden,  ohne  irgendwo 
einen  hahnenschritt  über  mich  hinauszukommen. 

§  5  würde  ich  das  ä  (nicht  ce)  im  transitiven  ver5wm/<e« 
(neben  adj.  smcehe,  conj.  praet.  scehe  u.  s.  f.)  nicht  so  erklären 
wie  Juuk.  Nicht  das  h  hat  hier  den  umlaut  des  ä  gehindert, 
sondern  das  ä  des  intransitiven  verbs  versmähen  wirkte  ana- 
logisch, sowie  es  heute  etwa  umgekehrt  ein  intrans.  brennen 
gibt  neben  älterm  Irinnen,  trans.  brennen.  —  Dass  Rud.  neben 
dem  im  reim  allein  belegten  Jierrc  wol  auch  das  schwer  reim- 
bare herre  sprach,  scheint  auch  mir  wahrscheinlich,  freilich 
nicht  aus  dem  von  Junk  angeführten  gründe.  Ich  habe  Zs.  fda. 
45, 26  f.  meinen  Standpunkt  in  dieser  fi'age  ja  bereits  fest- 
gesetzt. —  S.  474  wird  von  Junk  gut  hervorgehoben,  dass  die 
bindung  von  nlemen  zu  iemen  gGerh.  5313  für  Rud.  die 
Schwächung  der  schlusssilbe  dieses  Wortes  neben  nleman,  ieman 
(:  an)  erweist.  Nicht  alle  dichter  kennen  diese  Schwächung. 
Beweisende  reime  sind  ausser  reimen  von  niemen  :  iemen  in 
sich  auch  die  beliebten  bindungen  von  iemeti  {niemen)  mit 
(schüt)riemen,  die  Rud.'s  legenden  freilich  fernliegen  müssen. 
Dagegen  kennt  widerum  z.  b.  der  Stricker  kein  nieman  oder 
ieman.  Aber  so  interessant  das  vorkommen  von  niemen  {iemen) 
ist,  ebenso  interessant  ist  das  fehlen  der  bindung  von  niemer 
:  iemer.  Hier  war  also  die  zweite  silbe  noch  nicht  zum  ton- 
losen e  abgeschwächt.  Darauf  weist  auch  die  Schreibung  in 
hss.  des  13.  jh.'s,  wovon  ich  an  anderer  stelle  zu  sprechen  haben 
werde,  nie  :  ie  reimt  oft  (Bari.  1, 13.  121, 13.  308,  39.  318,  25. 
348,  37  u.  s.  w.),  ebenso  iender  :  niender  gGerh.  5615.  Daneben 
muss  das  fehlen  von  niemer  :  iemer  auffallen.  Auch  A\'olfr. 
setzt  kein  niemer  :  iemer  neben  sein  (freilich  seltenes,  vielleicht 
als  eine  art  identischen  reims  gemiedenes)  7iie  :  ie  Wh.  3,  29. 
20,  5.  146,  29  und  niemen  :  riemen  Parz.  37, 1. 

§  6  handelt  über  die  contractionen  von  -eget  zu  -eit 
u.  s.  w.  Eine  bemerkung  über  die  reimformen  von  reden  dürfte 
in  einem  solchen  §  nicht  fehlen.  Es  ist  bemerkenswert,  dass 
Rud.  (sowie  Hartm.)  weder  reite  —  gereit  noch  rette  ( :  bette, 
emvette  oder  auch  pl.  stete,  da  Rud.   t  mit  tt  bindet)  reimt, 

Heiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXVIII.  29 


450  ZWIEKZINA 

also  wol  nur  redete  —  geredet  sagte.  —  Ich  habe  Zs.  fda.  44, 346 
hervorgehoben,  dass  alle  Alemannen  nur  leit,  leist,  leite,  geleit, 
nur  treu,  .treist  sagen,  ihrem  dialekt  gemäss,  der  hier  auch 
nur  die  contrahierten  formen  mehr  spricht,  aber  stets  auch 
saget,  sagest,  sagcte,  gesaget  neben  seit  u.s.w.  Die  sache  hat 
principielle  Wichtigkeit.  Denn  die  ma.  in  contrahierenden 
gegenden  kennt  auch  für  2.  3.  sg.  ind.  praes.  und  fürs  praet. 
von  sagen  (bez.  sqgge''  mit  offenem  (^)  nur  die  ei -formen.  Es 
müssen  also  die  von  sagen  (nicht  seggen)  gebildeten  formen 
neben  den  e?'- formen  früher  in  diesen  gegenden  sesshaft  ge- 
wesen sein  und  erst  später  per  analogiam  zu  ileggen)  leit  u.  s.  f., 
das  natürlich  keine  ^-formen  zur  seite  haben  kann  und  auch 
in  alem.  mhd.  zeit  nicht  zur  seite  hat,  verdrängt  worden  sein. 
Junk  meint,  dass  Eud.  zwar  sagete  und  gesaget  neben  seite  und 
geseit  sprach  und  im  richtigen  Verhältnis  zur  reimbarkeit  der 
formen  beides  reimt,  aber  nur  er  seit,  nicht  er  saget  gebrauche. 
Und  er  weist  nach,  dass  er  saget  im  gGerh.  und  Bari,  tatsächlich 
nie  im  reim  erscheint.  Nun,  sagete  und  gesaget  könnte  mir  ja 
genügen.  Aber  dürfen  wir  aus  dem  fehlen  von  er  saget  im  reim 
auf  ein  fehlen  von  er  saget  in  Rud.'s  formenschatz  schliessen, 
da  er  doch  sagete  und  gesaget  kennt?  Ich  glaube  nicht.  Die 
Proportion  der  zahlen  wird  dies  sofort  deutlich  machen,  geseit 
reimt  167  mal  bei  Rud.  (s.  oben  s.  442),  gesaget,  weil  es  viel 
schwerer  zu  binden  ist,  nur  16  mal.  Es  kommt  also  auf  mehr 
als  10  geseit  bloss  ein  gesaget.  In  denselben  gedichten  belegt 
Rud.  15  er  seit  (s.  die  belege  bei  Junk  s.  477,  anm.  und  oben 
s,  443).  Neben  15  er  seit  sollten  wir  also  wenigstens  ein  er 
saget  finden.  Dieses  eine  er  saget  fehlt.  Auf  das  fehlen  des 
einen  beispiels  wird  niemand  eine  regel  gründen  wollen.  Zu 
allem  überliuss  verweise  ich  auf  er  saget  im  reim  Wehr.  Zs. 
fda.  33, 387, 26.  Zs.  fdph.  21, 271, 165.  Wilh.  H.  Germ.  10, 110. 

Ein  eigenes  alinea  widme  ich  folgender  bemerkung.  Junk 
weist  zu  anfang  seiner  ausführungen  über  das  contractions-ei 
bei  Rud.  auf  no.  9  meiner  Mhd.  Studien  hin.  Wer  hier  aber 
literatur  angibt,  muss  H.  Fischers  schrift  vor  jeder  andern 
eitleren.  Es  wäre  undankbar,  wollten  wir  nun  des  glänzenden 
Universitätsprogramms  von  H.  Fischer,  Zur  geschichte  des  mhd., 
Tübingen  1889,  nicht  mehr  gedenken,  das  uns  hier  zuerst  die 
wege  gewiesen  und  die  grundlinien  gezogen  hat. 


ZUM  REIMGEBRAUCH   RUDOLFS   VON   EMS.  451 

In  §  8,  der  u,  a,  die  bindungen  von  m :  n  bespricht,  bemerke 
ich  im  gegensatz  zu  Jimk,  dass  man  die  reime  von  -am  :  -an 
ebenso,  d.  h.  aus  der  spräche,  nicht  aus  der  technik  zu  erklären 
hat,  wie  die  von  -iiom  :  -uon  und  -eim  :  -ein.  Wir  werden  die 
reime  von  Tiatn,  nam  :  man,  an,  geivan  u.  s,  f.  bei  Walth,,  K.  v. 
Fussesbr.  und  in  den  Nib.  doch  nicht  als  sprachlich  unreine 
reime  fassen,  ebensowenig  wie  die  gleichen  reime  im  Lanz.,  in 
der  Urst.,  Minnelehre  u.  a.  m.,  s.  Zs.  fda.  45,  72,  anm.  —  Die  form 
ivelt  für  iverlt  reimt  im  13.  jh.  hauptsächlich  bei  Ostalemannen; 
ausser  bei  Rud.  etwa  auch  bei  Ulr.  v.  Zatzikh.  und  Ulr.  v.  Türh. 
Nur  Hartm.  kennt  sie  noch  nicht.  Der  flectierte  gen.  und  dat. 
heisst  meist  weite,  nicht  ivelde. 

Zu  §  10  kann  ich  nur  betonen,  dass  ich  bei  meiner  auf- 
fassung  des  vereinzelten  vervät  in  Rudolfs  werken  verbleibe. 
Junk  hat  meine  argumentation  hier,  wie  auch  sonst  so  oft, 
nicht  verstanden.  Ich  vermisse  durchaus  kein  verväliet,  eher 
schon  ein  vervähen.  Und  ich  urgiere  Zs.  fda.  45,  49,  anm.  die 
Seltenheit  des  Wortes  vcrvän  nur  um  einem  einwurf  vorzu- 
beugen, der  sich  in  ganz  anderer  richtung  bewegt  als  die  aus- 
führungen  Junks.  Man  könnte  nämlich  sagen:  dass  välien  und 
enphähen  bei  Rud.  selten  reimen  und  vähet  und  enphähet  sogar 
nie,  das  wird  durch  die  Schwierigkeit  der  bindung  vollauf  er- 
klärt. Hat  aber  Rud.  nicht  vervähen,  verväliet,  sondern  nur 
vervän,  vervät  gesagt  (wofür  ich  a.  a.  o.  plaidiere),  warum  reimt 
er  es  nur  einmal,  da  für  vervän,  vervät  sich  doch  hundert 
reimmöglichkeiten  bieten?  Darauf  antwortete  ich:  das  wort 
vervän  ist  bei  Rud.  überhaupt  selten,  auch  vervie  reimt  nur 
zweimal.  Junk  verstand  die  antAvort  nicht,  weil  er  nicht 
gefragt  hat.  Er  verweist  auf  die  hs.liche  Schreibung  vervähen 
im  versinnern  des  Bari.  y\"w.  die  hss.  im  versinnern  schreiben, 
ist,  wo  des  dichters  reimgebrauch  entgegenstellt,  von  geringem 
gewicht,  d.  h.  eher  für  die  grammatik  des  Schreibers,  als  für  die 
des  dichters  von  wert. 

§  11 — 13  sind  dann,  sagen  wir,  den  anomalen  zeit- 
Avörtern  gewidmet.  Diese  Zusammenstellungen  sollten  nur  etwas 
vollständiger  sein  (s.  s.  429.  432.  434).  Die  formen  von  hän, 
län,  stän,  gän,  vän,  tuon  (nicht  nur  conj.  ich  tuo,  auch  er  tuo 
z.  b.,  also  nicht  er  tüeje,  ist  interessant),  sämmtlicher  praeterito- 
praesentia,  ferner  tvellen  und  sin  und  einiger  anderer  einzelner 

29* 


452  ZVVIEKZINA 

verba  (Jwnicn,  heginnen  u.s.  w.)  sollten  hier  immer  vollständig 
beigebracht  Averden.  Die  häufig  und  ausschliesslich  gebrauchten 
formen  bl,oss  mit  der  summenzahl  der  belege  und  ihren  bin- 
dungsworten,  die  selteneren  oder  Avechselnden  formen  mit  den 
citaten.  —  Ich  habe  Zs.  fda.  45,  30  darauf  hingewiesen,  dass 
Eud.  besonders  häufig  und  gerne  heyan  reimt,  vor  dem  be- 
gunde  fast  ganz  zurücktritt.  Dann  fahre  ich  fort:  'dem  ent- 
sprechend finden  wir  bei  Rud.  auch  hegan  im  versinnern  (vor 
dem  inf.!)  genau  so  häufig  wie  hegunde  ...  (folgen  citate)  in 
den  hss.  überliefert  im  stricten  gegensatz  zu  Hartm.  und  Gottfr. 
(s.  nur  Trist.  23G5)  und  den  Nib.'  Dem  entsprechend  also,  dass 
Eud.  auch  im  reim  hegan  häufiger  neben  hegunde  setzt  als 
andere  dichter,  findet  sich  bei  ihm  hegan  sogar  im  versinnern 
und  vor  dem  Inf.,  und  zwar  fast  so  häufig  wie  hegunde,  wel- 
ches hegunde  die  andern  dichter,  wenn  sie  auch  hegan  reimen, 
in  dieser  Stellung  bekanntlich  so  gut  wie  ausnahmslos  zu  setzen 
pflegen.  Dieses  auffällige  hegan  war  zu  belegen  und  wurde 
durch  meine  citate  a.  a.  o.  auch  belegt.  Das  ist  doch  klar? 
Aber  Junk  versteht  mich  nun  wider  gar  nicht.  Er  sagt: 
'Wie  Zwierzina  a.a.O.  diesem  gebrauche  entspi-echend  hegan 
im  versinnern  genau  so  häufig  wie  hegunde  finden  kann,  ist 
mir  aus  seinen  citaten  nicht  klar.  Alle  von  ihm  angeführten  fälle 
bringen  hegan,  kein  einziger  hegunde.''  Ja  glaubte  denn  Junk 
wirklich,  dass  ich  belegen  wollte,  was  keines  beleges  bedarf, 
nämlich  hegunde  fürs  versinnere?  Davor  hätte  ihn,  wenn  schon 
nicht  die  kenntnis  mhd.  Sprachgebrauchs,  so  doch  wenigstens 
mein  hinweis  auf  Hartm.,  Gottfr.  und  die  Nib.  bewahren  sollen. 
§  14  behandelt  als  einzige  eigentümlichkeit  von  Rud.'s 
declination  der  subst.  die  frage,  ob  die  feminina  der  ^-decli- 
nation  ihren  gen.  und  dat.  sg.  mit  flexions-e  und  umlaut  oder 
unflectiert  bilden.  Junk  lehnt  sich  dabei  an  meine  darlegungen 
in  der  Heinzelfestschrift  s.  486  ff.  an.  Aber  aucli  hiezu  Ijemerke 
ich,  wie  oben  s.  444  zu  Junks  ausführungen  über  den  umlaut 
des  u,  dass  man  heute,  seitdem  einmal  die  aufmerksamkeit  auf 
die  differenzen  im  einschlägigen  gebrauch  der  verschiedenen 
dichter  gelenkt  ist,  nicht  mehr  so  umständlich  vorzugehen 
braucht,  wie  ich  a.a.O.  vorgegangen  bin  und  Junk  es  mir 
nachmacht.  Interessant  ist  es  immerhin,  dass  Rud.  die  zwei- 
silbigen formen  im  gen.  und  dat.  dieser  feminina  so  gut  wie 


ZUM   REIMGEBRAUCII    RUDOLFS   VON   EMS.  453 

gar  nicht  reimt  (es  findet  sich  eigentlich  nur  einmal  der  dat. 
arbeite  gGerh.  2733  und  zweimal  diete  Bari.  95,  25.  278,  23), 
dann  aber  als  dat.  zu  nom.  hluot  (Bari.  310, 27,  s.  acc.  hluot 
gGerh.  6327  und  nom.  —  doch  wol  pl.?  —  blüete  Bari.  20,  20) 
nur  zweisilbiges  hlüete  bildet,  das  nun  9  mal  reimt,  ohne  dass 
diesem  hlüete  ein  dat.  hluot  gegenüberstünde.  Dat.  hehniiete 
Bari.  109, 17  neben  lieimuot  stelle  ich  lieber  zu  einem  nom. 
heimüete,  der  aus  falsclier  analogie  zu  nom.  acc.  clienmete  (Bari. 
273, 29  u.  ö.)  neben  nom.  acc.  diemuot  (Bari.  46,  29  u.  ö.)  hervor- 
gieng.  Mit  seiner  Sparsamkeit  in  der  Verwendung  dieser  zwei- 
silbigen formen  tritt  Rud.  wider  ganz  nahe  an  Hartm.  heran 
und  stellt  sich  in  gegensatz  zu  Gottfr.  und  Ulr.  v.  Zatzikh. 

§  15  behandelt  das  vorkommen  von  unflectiertem  here 
neben  her.  Warum  nicht  auch  von  riche  neben  rieh  u.  dgl.  m.  ? 
Freilich  hatte  Kraus  damals  erst  auf  here  hingewiesen  (Heinzel- 
festschr.  s.  129  f.),  s.  jetzt  aber  auch  Zs.  fda.  45, 93,  anm.  1.  — 
lieber  die  declination  der  pronomina  (sie  si,  iu  iuch,  diser  dirre, 
diz  ditze  u.s.  w.)  erfahren  wir  gar  nichts. 

Junk  bringt  die  dem  reimmaterial  entnommenen  sprach- 
lichen beobachtungen  unter  das  Schema  der  mhd.  grammatik. 
Diese  form  der  darlegung,  welche  auch  H.  Haldimanns  Unter- 
suchung über  die  spräche  Rudolf  Manuels  Zs.  f.  lid.  ma.  3,  285  ff. 
wählte,  möchte  ich  allen  derartigen  Untersuchungen  auf  das 
dringendste  empfehlen.  Und  so  schliesse  ich  denn,  indem  ich 
nochmals  Junks  aufsatz  als  die  erste  einer  hoffentlich  bald 
recht  langen  reihe  ähnlicher  arbeiten  begrüsse,  von  denen  ich 
nur  wünschte,  dass  sie  die  von  mir  oben  gestellten  i)Ostulate 
besser  befolgten  als  Junks  aufsatz  dies  getan  hat.  Ich  möchte 
solche  arbeiten  freilich  nicht  gerne  als  bequemen  herausgebern 
eigene  mühe  sparende  Untersuchungen  aufgefasst  wissen,  son- 
dern lieber  als  vorarbeiten  zu  einer  umfassenden  grammatik 
der  mhd.  dichtersprache  des  13.  jh.'s  oder  als  vorarbeiten  zu 
einer  geschichte  der  epischen  technik  der  blüteperiode.  Als 
ergänzend  müssten  für  den  erstgenannten  zweck  aber  auch  noch 
arbeiten  über  spräche  und  Orthographie  gleichzeitiger  ronian- 
hss.  hinzukommen. 

FREIBURG,  Schweiz,  dec.  1902. 

KONRAD  ZWIERZINA. 


DAS  IWEINFRAGMENT  C. 

Im  folgenden  bringe  ich  das  Iweinpergamentfragment  0 
(Cgm.  191  =  fr.  e")  zum  abdruck,  das  mir  von  der  Verwaltung 
der  k.  bairischen  hof-  und  Staatsbibliothek  gütigst  zur  benutzung 
überlassen  worden  ist.  Lachmann  hat  es  seinerzeit  nach  Be- 
neckes abschrift  benutzt,  Henrici  es  wol  selbst  collationiert. 
Vorher  hat  es  Docen,  Mise.  2, 112  ff.  behandelt,  der  angibt, 
dass  das  fragment  von  einem  bnchumschlag  losgelöst  worden 
sei;  Docens  angaben  über  die  lesarten  sind  nicht  ganz  genau. 
Das  fragment  stammt  aus  dem  13.  jh.  Es  besteht  leider  nur 
aus  einem  blatt  (höhe  14.5  cm.,  breite  11,  5  cm.).  Die  verse  sind 
unabgesetzt  geschrieben  und  durch  punkte  von  einander  ge- 
trennt. V.  5891.  5931.  5971  haben  rot  gemalte  initialen.  Die 
anfangsbuchstaben  der  verse  5883.  5884.  5944.  5948.  5949.  5952 
sind  senkrecht  rot  durchstrichen,  v.  5926  ende  bis  28  und  ent- 
sprechend auf  der  andern  seite  v.  5973 — 5976  sind  teilweise 
durch  ein  anscheinend  von  würmern  gefressenes  loch  zerstört. 

lieber  die  Stellung  des  fragments  zu  den  anderen  hss.  lässt 
sich  nichts  sicheres  sagen:  es  steht  zu  keiner  andern  hs.  in 
enger  beziehung  (für  ABEJabcfr  stütze  ich  mich  auf  eigene 
collationen,  für  Ddlpz  auf  Henricis  angaben). 

Das  fragment  hat  eine  verhältnismässig  grosse  anzahl 
ab  weichungen  gegenüber  den  andern  hss.,  aber  fast  alle  stellen 
sich  als  durch  versehen  entstanden  heraus,  seien  es  weg- 
lassungen, Umstellungen  oder  (selten)  zusätze.  Oefters  sind 
dadurch  die  verse  in  ihrem  rhythmus  gestört.  Schon  Lachmann 
bemerkt:  *C  ist  fast  so  frei  geschrieben  wie  aus  dem  gedächtnis.' 

5861  fliv  gesagen. 

durh  die  e''  sie  hete  e^slagen. 
Si  spa  I  sait  wer  div  si. 
Sie  spachen  si  ist  hie  bi. 
5    ein  ivncfrowe  |  heizet  Ivnet. 
vn  stet  an  ir  gibet. 


DAS   IWEINFRAGMENT  C.  455 

in  (l*-  kapelle  |  hie. 
ritet  dar  vraget  sie. 

8 

swes  iv  niht  gesagen  |  kan. 
90    des  berihtet  ivch  hie  nieinan. 
Do  sie  si  I  vraginde  wart, 
ob  sie  weste  sine  vart. 
do  hiez  |  ir  frow  Lvuet. 
div  gerne  hovesclichen  tet. 
90    ir  I  pfert  gewinnen. 

si  spa  ih  wil  mit  ivch  hinneu.  | 
riten  rehte  an  die  stat. 
dar  e''  mich  mit  im  riten  |  bat. 
do  er  hie  vur  mich  gistreit. 
5900    vn  uz  disem  |  lande  reit. 
Schiere  brahte  si  sie  dar. 
si  spa  frowe  |  nemit  war. 
an  dirre  stat  liez  ih  in. 
war  ab''  stvnde  sin  sin. 
5    des  enwolte  e^  mir  niht  sagen.  | 
wan  ein  dinc  wil  ih  gote  clagen. 
e*»  TU  sin  Lew  |  sint  sere  wnt. 
so  daz  er  ze  d^  stvnt. 
mohte  I  gevarn  verre. 
10    got  vnsir  herre. 

uor  dem  |  tode  in  bewar. 
ez  ist  an  sine  übe  gar. 
daz  I  ein  ritt''  haben  sol. 
deiswar  ih  gan  iv  beiden  |  wol. 
15    daz  ir  in  gesvnden  vindet. 
wand  ir  den  |  ne  üb-  windet, 
weizgot  alle  uwer  not. 
entru|wen  frowe  ih  were  tot. 
were  e^  mir  niht  ze  |  helfe  kom. 
20    also  wrde  ouch  iv  benom. 
alliv  I  uwer  swere. 
vn  swaz  ich  guf  mere. 
uon  iv  I  vernim  d''  frov  ih  mich, 
hie  mite  schiedin  sie  |  sich. 
25    div  da  suhte  d-  was  gach. 
d^  rehten  .stra|ze  reit  sie  nach, 
vnz  (od.  biz)  daz  sie  die  bvrc  sach. 
da  im  michel  gemach, 
uffe  giscehin  was. 
30    wand  e""  da  lac  vnz  e""  genas.  Seite  2 
kSus  reit  sie  vur  |  daz  bvrgitor. 
da  niohte  sie  uor. 


456  NIEMEYER,   DAS   IWEINFRAGMENT   C. 

uon  rittern  vi!  |  non  frowen 
ein  solh  gesiude  scoweii. 

35  daz  wol  |  den  wirt  erte. 

36  zu  dem  sie  da  kerte. 

■il     d^  wirt  in  |  gegin  ir  gie. 
42     vil  niinuecliche  e"'  sie  enpüe. 

vil  I  bot  sie  die  b^berge  an. 

Sie  sp«  ich  svche  einen  man.  | 
45    die  wile  ich  den  niht  vunden  han. 

so  mvz  ich  |  gnade  vii  rüwe  lan. 

nah  dem  wart  mir  gizeiget  |  her. 

Wie  ist  des  name  sp»  ab''  er. 

Si  spa  ich  bin  nah  |  im  gesant. 
50    Tii  ist  mir  anders  niht  genant. 

wan  I  daz  ein  Lew  mit  im  ist. 

Er  spa  d^  hat  an  dirre  |  vrist. 

uon  vns  liie  urlop  genoiTi. 

ine  mohte  |  in  nie  des  üb*"  kern. 
55    deir  hie  iht  langer  wolte  |  wesin. 

e''  vii  sin  Lew  sint  wol  ginesin. 

die  I  lagen  hie  beide  sere  wnt. 

nv  varnt  sie  vro  |  va  gesvnt. 

vn  wolt  ir  in  irriten. 
60    son  sult  ir  |  niht  biten. 

setzet  ivch  uf  sine  sla. 

geratet  |  ir  im  rehte  na. 

so  habet  ir  in  schiere  irriten.  | 

nvn  wart  niht  langir  da  gebiten. 
65    sine  |  mohte  zeltis  niht  gehabin. 

sie  begonde  |  scüflen  vii  traben. 

biz  daz  si  in  an  sach. 

so  I  libe  als  ir  do  gescach. 

so  mvze  vns  allen  noh  |  giscehin 
70    daz  wir  vns  als  liebe  sehin. 

Si  I  gedahte  in  ir  mvte. 

richer  got  d^  gvte. 

nv 

wie  I  sol  ez  mir  ergan. 

n man  wnden  |  han. 

75    nv  han  ich  michel  arbeit, 
an  diz  suchen 

LEIPZIG.  WOLFGANG  NIEMEYER. 


DIE  RHYTHMIK  DES  HANS  SACHS. 

§1. 

Die  beschäftigimg  mit  der  g"eschidite  der  altdeutschen 
metrik  hat  sich  in  den  letzten  jähren  wider  der  längere  zeit 
beiseite  gelassenen  erforschung  der  verskunst  des  16.  jh.'s  zu- 
gewant.  Das  ist  schon  darum  erfreulich,  weil  durch  die  be- 
arbeitung  der  hier  noch  der  lösung  harrenden  probleme  zugleich 
neues  licht  auf  das  literarhistorische  bild  dieser  periode  fällt. 
Für  wichtiger  halte  ich,  dass  uns  so  für  die  beurteilung  der 
späteren  kunst  trotz  Opitz'  reform  neue  gesichtspunkte  ge- 
geben werden.  Wären  wir  uns  nur  erst  über  das  rhythmische 
princip  in  der  metrik  des  16.  jh.'s  einig!  Es  festzulegen,  wüsste 
ich  keinen  sichereren  weg,  als  zunächst  metrische  beobachtungen 
bei  den  dichtem  anzustellen,  bei  denen  wir  uns  in  der  seltenen 
läge  befinden,  den  reinsten  text  in  der  originalhs.  benutzen  zu 
können.  Bevor  wir  also  das  schwierigere  problem  in  angriff 
nehmen,  aus  den  durch  den  druck  gerade  in  metrischer  hinsieht 
so  entstellten  texten  eines  Brandt,  Murn er,  Fischart  einen 
einblick  in  die  verskunst  dieser  dichter  zu  tun,  ist  es  gut, 
die  frage  nach  dem  wesen  des  rhythmus  bei  Hans  Sachs  zu 
entscheiden,  dessen  kunst  sich  nach  seinen  originalhss.  sicherer 
beobachten  lässt,  bei  dem  zugleich  durch  vergleichung  von 
druck  und  manuscript  ein  einblick  in  die  art  der  Umgestaltung 
der  vorläge  unter  den  bänden  der  setzer  möglich  ist,  der  end- 
lich auch  nach  seiner  ganzen  bedeutung  für  die  literatur  des 
16.  jh.'s  eine  darstelluug  seiner  kunst  wol  verdient  hätte.  Die 
einzige  arbeit  der  art  kann  heutigen  anforderungen  nicht  mehr 
genügen.  Es  wird  also  keine  überflüssige  bemühung  sein,  die 
frage  wider  aufzunehmen. 

Zwei  ansichten  sind  es,  die  sich  seit  einer  reihe  von  jähren 
bekämpfen,  freilich  mit  Vorliebe  in  gestalt  von  fussnoten  und 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXVIU.  30 


458  MAYER 

iiebenbenieikuiigen.  Seit  E.  Höpfners  bekannter  programm- 
schrift:  Eeformbestrebimg-en  auf  dem  gebiete  der  deutschen 
dichtimg  des  16.  und  17.  jli.'s,  Berlin  1866.  streitet  sich  die  ge- 
lehrte weit,  ob  in  den  deutschen  reimpaaren  des  16.  jh.'s  alt- 
deutsche reimverse  mit  ihrer  freien  behandlung  von  auftakt 
und  Senkung  widerzuerkennen  sind,  oder  ob  ihr  rhythmisches 
princip  die  *arrh3"thmie'  war,  d.  h.  die  regellose  Verletzung 
von  wort-  und  satzaccent,  wenn  nur  ein  scheinbar  iambischer 
vers  von  8  oder  9  silben  erreicht  war. 

Für  H.  S.  hatte  schon  Hopf  n er  diese  arrhythmie  behauptet. 
Dem  widersprach  Goedeke,  Dichtungen  des  Hans  Sachs  1^ 
(1883),  s.  XVI  f.  G.  gibt  zu,  dass  die  Sachsischen  verse  iambi- 
schen  gang,  eine  bestimmte  silbenzalil  und  eine  gewisse  zahl 
von  hebungen  haben,  aber  ohne  strengen  Wechsel  von  hebung 
und  Senkung,  da  die  unbetonten  silben  auch  freiere  Stellung 
haben  könnten,  'nur  dass  nicht  mehr  als  zwei  betonte  silben 
und  zwei  unbetonte  unmittelbar  aufeinander  folgen  konnten'. 
Und  wenn  noch  1888  Sievers,  Beitr.  13, 134  fn.  G.'s  gründe  für 
unwiderlegt  erklärt,')  so  mag  das  verbo  tenus  gefasst  richtig 
sein:  unwiderleglich  sind  sie  keineswegs.  Zudem  hat  G.  selbst 
seine  ansieht  nicht  sonderlich  scharf  gefasst;  lässt  doch  seine 
erklärung,  ein  Sachsischer  vers  wie 

Eulenspigel 
nam  ein  semel 

habe  nur  scheinbar  trochäischen  gang,  in  Wahrheit 
iam bischen  wegen  der  hebungsfähigkeit  der  tonlosen  end- 
silben  -el,  -er,  -em,  -en  u.a.,  sich  doch  nur  dahin  deuten,  dass 
zu  lesen  sei:  EulmspigÜ  nam  ein  semel.  Also  tatsächlich  die 
verpönte  arrhythmie! 

Den  ersten  versuch  einer  ausführlichen  behandlung  der 
metrik  des  H.  S.  machte  im  sinne  Höpfners  W.Sommer,  Die 
metrik  des  Hans  Sachs,  Halle  1882,  ein  buch,  das  nach  Pauls 
harter  recension,  Lit.-bl.  1883,  165  ff.,  über  gebühr  unbeachtet 
geblieben  ist  trotz  des  rettungsversuches,  den  der  geistige 
vater  der  schrift,  R.  Bechstein  gegen  Paul  unternahm,  Germ. 
28  (1883),  375  ff.:  freilich  eine  rettung,  die  selbst  anerkannte, 


[»)  Von  der  angeführten  auffassung  bin  ich  schon  seit  geraumer  zeit 
selbst  zurückgekommen.    B.  S.] 


DIE   RHYTHMIK    DES   HANS   vSACHS.  459 

dass  die  frage  im  princip  nicht  gelöst  sei;  vgl.  noch  E.  Goetze, 
Arch.  f.  lit.-gesch.  7  (1884),  304  ff.  Keinesfalls  aber  hatte  S.  die 
abfertigung  Heuslers  verdient,  der  (Zur  gesch.  d.  ad.  verskunst, 
Breslau  1891)  in  seinem  'Excurs  gegen  die  schwebende  betonung' 
S.'s  betonungen  "wahre  monstra'  nennt  und  es  als  ein  glück 
betrachtet,  'dass  das  metrum  des  Hans  Sachs  und  diese  »metrik 
des  Hans  Sachs«  zwei  sehr  verschiedene  dinge  sind'  (s.  83). 
Beweis:  weil  H.  an  'die  schwebende  betonung  als  vor- Opitzi- 
sches Phänomen'  nicht  glaubt!  (s.  89). 

S.'s  behauptung  ist  richtig;  freilich  sind  seine  beweise 
nicht  stichhaltig.  S.  begeht  den  grundfehler,  das  material 
nicht  consequent  genug  verarbeitet  zu  haben.  Mit  einem 
dutzend  zusammengeraffter  belege  für  irgend  eine  metrische 
erscheinung  ist  bei  einem  dichter,  dessen  verse  nach  zehn- 
tausenden  zählen,  wenig  erreicht.  Zweitens  legt  S.  die  druck- 
ausgabe  zu  gründe  statt  der  für  beobachtungen  über  apokope, 
Synkope,  Verkürzung,  zerdehnung  der  worte  u.a.  allein  mass- 
gebenden hs.  des  dichters.  Drittens  erschwert  sich  S.  die 
arbeit  dadurch,  dass  er  von  vornherein  den  massstab  mhd. 
technik  an  die  verse  des  H.  S.  legt,  statt  zunächst  durch  Wider- 
legung der  these  Goedekes  sich  das  feld  für  seine  beobach- 
tungen über  den  metrischen  gebrauch  der  einzelnen  kategorien 
frei  zu  machen. 

Seitdem  ist  von  verschiedenen  selten  versucht  worden, 
durch  anführung  und  nachweisung  einzelner  punkte  diese  oder 
jene  these  zu  stützen.  Für  arrhythmie  hat  sich  namentlich 
Drescher  ausgesprochen,  der  auf  die  Wortverkürzungen,  die 
endsilbenreime,  die  Veränderungen  des  textes  im  druck  gegen- 
über der  hs.  hinweist.  (Stud.  zu  H.  S.,  n.f.,  Marburg  1891,  48  f. 
Stiefels  Nürnberger  festschrift  246  ff.  Gemerkbüchlein  d.  H.  S., 
Braunes  Neudrucke  no.  149 — 152,  s.  vi  f.  Deutsche  lit.-ztg.  1900, 
2597  f.  Zs.  fda.  45  (1901),  Anz.  333  ff.).  Gegen  ihn  schrieb 
Michels,  der  in  manchen  versen  des  H.  8.  bewusste  tonabstu- 
fungen  zum  zwecke  der  Versinnbildlichung  des  Inhaltes  wie  in 
mhd.  gedichten  widerfindet  (Zs.  fda.  38  [1892],  Anz.  353  ff.).  Auf 
seiner  seite  stehen  Brenner.  Lit.-bl.  1897,  364  fussn.  2.  Jel- 
linek,  Paul  Schede  (Braunes  Neudrucke  144-148,  s.lxiv,  fussn.2), 
und  Kauffmann,  Deutsche  metr.  130 ff.,  während  Helm,  Die 
rhythmik  der  kurzen  reimpaare  des  16.  jh.'s,  Karlsruhe  1895, 

30* 


400  MAYER 

und  ]\[iiior,  Nlid.  metr.-  333-3  IG.  537  naditrag,  zu  den  arrhytli- 
misten  halten,  dieser  indessen  in  einer  form,  die  mir  bedenk- 
lich scheint.  M.  gibt  eine  klare  entwicklung-  des  problems, 
erkennt  auch  die  bedeutung  der  argumente  Dreschers  und 
Plelms  an,  steht  aber  der  möglichkeit,  das  problem  aus  sich 
heraus  zu  .lösen,  zu  skeptisch  gegenüber,  und  zwar  aus  gründen, 
die  ich  hier  schon  für  unzureichend  erklären  muss.  Auf  die 
einzelheiten  seiner  ausführungen  wird  diese  Untersuchung  an 
den  entsprechenden  stellen  das  rechte  licht  werfen. 

Wie  man  sieht,  ist  eine  einigung  bisher  nicht  erzielt: 
hoffentlich  kann  diese  arbeit  zur  klärung  der  frage  beitragen. 

Ganz  beiseite  gelassen  habe  ich  bisher  die  dritte  these 
über  die  rhythmik  des  H.  S.,  die  im  anschlus  au  Minor,  Nhd. 
metr.'  Rubensohn,  Griech.  epigramme  u. s.  w.  (=  Sauers  Bibl. 
älterer  deutsch.  Übersetzungen  2 — 5)  s.  cxx  aufstellt,  dass  für 
H.  S.  der  romanische  reimvers  vorbildlich  gewesen  sei:  sie 
kann  heute  als  erledigt  gelten  nach  den  bemerkungen  von 
Drescher,  Deutsche  lit.-ztg.l900,2597f.,  und  Minor,  Nlid.metr.2 
346.  R.  verfällt  wider  in  Sommers  fehler,  aus  102G  versen 
die  metrik  des  dichters  erkennen  zu  wollen. 

§2. 
Zu  welcher  partei  ich  mich  selbst  bekenne,  ist  schon  an- 
gedeutet.   Ich  halte  Sommers  these  für  richtig,  will  jedoch 
den  beweis  auf  anderem  wege  bringen. 

1)  Als  grundlage  der  Untersuchung  betrachte  ich 
die  originalhs.  des  dichters  und  ziehe  den  druok  nur  da 
heran,  wo  das  material  der  erreichbaren  hss.  zu  gering  er- 
schien, jedocli  nur  dann,  wenn  schon  aus  der  lis.  ein  beleg  für 
eine  metrische  erscheinung  gebracht  werden  konnte.  Ich 
möchte  auf  dieses  material  nicht  verzichten,  weil  es  nicht 
darauf  ankonmit,  ein  paar  dutzend  stellen  aus  dem  Zusammen- 
hang gerissen  hinzuwerfen,  sondern  ein  bestimmtes  material 
von  massig  starkem  umfang  consequent  durchzu- 
arbeiten und  an  grösseren,  in  sich  abgeschlossenen 
stücken  Sachsischer  dichtung  zu  zeigen,  gegebenen 
falls  zahlenmässig,  wie  die  Verhältnisse  liegen. 

2)  Es  ist  genau  zu  scheiden  zwischen  spruch- 
gedichten   und  meistergesängen.     Dass  für  beide  arten 


DIE   RHYTHMIK   DES    HANS   SACHS.  461 

die  rhj'thmisclieii  formen  die  gleichen  seien,  ist  möglich,  aber 
noch  nicht  erwiesen.  Ich  gehe  von  den  spruchgedichten 
aus,  weil  hier  klar  ist,  wie  viel  hebimgeu  jedem  vers  zu- 
kommen, und  es  sich  nur  darum  handelt,  wie  hebung  und 
Senkung  im  einzelnen  zu  verteilen  sind.  Für  die  Mgg.  steht 
die  zahl  der  hebungen  nicht  fest,  sondern  muss  erst  auf  grund 
der  gefundenen  gesetze  über  den  metrischen  bau  der  verse 
erschlossen  werden.  Wo  von  diesem  grundsatze  abge^^ichen 
ist,  ist  es  im  einzelnen  begründet.  Im  verlauf  der  Unter- 
suchung wird  dann  darzulegen  sein,  dass  spruch- 
gedichte  und  meistergesänge  denselben  rhj'thmischen 
gesetzen  folgen. 

3)  Ich  halte  es  für  verfehlt,  mit  Untersuchungen  über 
apokope  und  sj^nkope,  Verkürzung  und  zerdehnung  der  worte 
u.a.  zu  beginnen,  weil  schon  Sommers  arbeit  zeigt,  dass 
diese  methode  nicht  zum  ziele  führt.  "Was  so  gewonnen  wird, 
hat  erst  wert,  wenn  der  rhythmische  bau  des  spruchverses 
klar  ist.  Es  ergibt  sich  dann  zugleich,  dass  diesen  erschei- 
nungen  nur  eine  untergeordnete  bedeutung  für  die  vers- 
länge  zukommt.  Mit  andern  werten,  ich  suche  zunächst 
die  frage  zu  beantworten,  ob  sich  aus  dem  gegebenen 
material  beweise  dafür  finden  lassen,  dass  H.  S.  die 
rhythmische  technik  des  altdeutschen  reimverses 
nicht  gekannt  haben  kann,  oder  zum  mindesten  bewusst 
dagegen  Verstössen  haben  würde.  Erst  wenn  sich  ergeben 
hat,  dass  diese  technik  ihm  fremd  war,  wol  aber  seine  verse 
sich  dem  von  Michels  spöttisch  so  genannten  'klipp -klapp' 
fügen,  kann  aus  der  inneren  structur  des  verses  durch  beob- 
achtungen  über  die  wechselnde  wortlänge  bei  gleichen  kate- 
gorien  der  beweis  für  den  klipp-klapp  gegeben  werden. 

§3. 

Quellen:  Grundlage  bildet  die  Tragödie  vom  hürnen 
Sewfrid  (h.  S.),  herausg.  von  Goetze  (==  Braunes  Neudrucke 
29),  in  zweiter  linie  die  Fastnacht  spiele  (Fsp.),  herausg.  von 
Goetze  (=  Braunes  Neudrucke  26  f.  31  f.  391  421  511  601 
631),  und  zwar  besonders  die  der  jähre  1553 — 1560,  Goelzes 
no.  58 — 85,  d.  h.  die  nach  der  hs.  gedruckten;  weiter  die  nach 
der  hs.  gedruckten  Fabeln  und  schwanke  (FS.),  herausg. 


462  MAYER 

von  Goetze  {=  Braunes  Neudrucke  110—117.  126—184),  end- 
lich bd.  1 — 5  der  von  Keller  und  Goetze  veranstalteten 
grossen  Hans-Sachs-ausgabe  des  Stuttgarter  literarischen 
Vereins  no.  101—105  (W.),  jedoch  nur  für  solche  stücke,  bei 
denen  eine  vergleichung  mit  der  noch  vorhandenen  hs.  des 
dichters  möglich  war.  Diese  vergleichung  hat  1894  Drescher 
vorgenommen  (vgl.  Stiefels  Nürnberger  festschrift  a.a.O.),  der 
mir  in  bereitwilligster  weise  sein  handexemplar  von  W.  zum 
unausgesetzten  gebrauch  überliess.  Alle  aus  diesen  quellen 
benutzten  texte  sind  Spruchgedichte  (=spr.).  Für  die 
meistergesänge  (=  mg.)  benutze  ich  Dreschers  abschrift 
von  MG.  2,  bes.  no.  1—12  (bl.  x— 28),  von  mir  nach  verglichen, 
für  geistliche,  FS.  3,  herausg.  von  Goetze  und  Drescher 
(r=r  Braunes  Neudrucke  164— 169)  für  weltliche  lieder.  Citiert 
wird  nach  band-,  selten-  und  verszahl,  bei  MG.  2  nach  der 
blattziffer. 

An  dieser  stelle  möchte  ich  endlich  herrn  prof.  Drescher 
für  das  unausgesetzte  Interesse  danken,  mit  dem  er  dem  werden 
meiner  arbeit  seit  langem  gefolgt  ist.  Wenn  bei  all  den  ab- 
lenkungen,  die  das  schulamt  wissenschaftlichen  bestrebungen 
bringt,  die  arbeit  endlich  doch  fertig  geworden  ist,  so  möchte 
ich  seiner  steten  aufmunterung  und  Unterstützung  mit  rat  und 
tat  das  wesentlichste  verdienst  daran  zuschreiben. 

I.    Altdeutsche  reimverse? 

§4. 

a)  Nimmt  man  an,  dass  die  verse  in  den  Spr.  des  H.  S. 
nach  den  für  die  mhd.  dichtung  geltenden  gesetzen  gebaut  sind, 
so  ist  man  genötigt,  an  bestimmten  stellen  des  verses  unmittel- 
bare aufeinanderfolge  von  zwei  hebungen  anzusetzen.  Das 
trifft  besonders  für  das  versende  zu,  und  daher  lesen  auch 
Kauff  mann,  Michels  u.  a.  den  vers  FS.  1,  441, 1  weil  noch  auf 
erden  ging  Cristüs  (:  Fetrus)  oder  W.  2, 196,21  mit  schröcklich 
brausendem  dhfal  ( :  schal). 

1)  Sehen  wir  von  Worten  wie  Cristus  als  fremdländischem 
eigennamen  ab,  so  handelt  es  sich  in  den  versen,  wo  am  ende 
zwei  hebungen  ohne  Senkung  auftreten,  zunächst  um  nominal- 
composita,  seltener  verbalcomposita  vom  typus  xx- 


DIE    RHYTHMIK    DES   HANS   SACHS.  463 

Meistens  macht  ihre  lesung  keine  Schwierigkeiten  für  die  Ver- 
teilung der  icten;  in  den  Fsp.  58 — 85  begegnen  unter  rund 
10000  versen  ca.  450  derartige  versschlüsse.  Fast  420  dieser 
verse  lassen  sich  nach  mhd.  technik  glatt  lesen,  z.  b.  Fsp.  5, 
87,87  vnd  pfiffen  auf  einer  sdclqjfeiffen  {:ergreiffen),  6, 1,  7  tiöch 
kans  der  dewffel  nit  hahnfüren  ( :  gepilren),  7,  2,  41  den  ich  möcht 
pringen  zv  vrkünd  ( :  fimd). 

Es  lässt  sich  aber  schon  hier  die  beobachtung  machen, 
dass  oft  der  ausgang  xx(x)  ^'^st  durch  Synkope  aus 
XXX  (x)  gewonnen  ist. 

Welchen  grund  sollte  der  dichter  gehabt  haben,  da  den 
betr.  Worten  doch  zwei  icten  zukamen,  eine  sjaikopierung  vor- 
zunehmen, die  den  vers  metrisch  nur  schwerer  macht?  Der 
silbenzahl  im  sinne  Brenners  zu  liebe,  d.h.  nur  um  die  von 
der  mode  geforderte  silbenzahl  zu  erreichen,  ohne  dass  dadurch 
der  rhjlhmische  bau  des  verses  beeinflusst  wurde,  auf  keinen 
fall:  denn  die  hätte  sich  mit  einer  metrisch  leichteren  apokope 
oder  s3'nkope  erreichen  lassen,  ohne  dass  damit  zwei  hebungen 
ohne  Senkung  aufeinander  gefolgt  wären.  Durch  Synkope  eines 
-e  hätten  sich  verändern  lassen  5, 101, 63  vnd  heften  derweil 
2um  halsghricht:  vnd  hettn  dertveil  zum  zum  halsgericht,  5,110,33 
ich  main,  die  pawren  habn  ahkert:  ich  main,  die  pawrn  hahn 
abgekert,  5,12,350  des  haushaltens  dich  pas  angnumen:  des  haus- 
haüns  dich  pas  angenumeu;  desgl.  6,  50,  191.  70, 158.  73,  235. 
84,93.  130,279.  151,39.  7,7,183.  12,329.  34,390.  108,210. 
145,80.  —  Durch  tilgung  eines  flickwortes  oder  einer 
nachsilbe:  5,146,284  hat  sichs  leycht  pey  vir  wochn  an- 
gnumen: hat  sichs  pey  vir  wochn  angenumen,  6, 17,  85  dein  vatr 
tvar  erstlich  auch  vnghraten:  dein  vatr  war  erst  auch  vngeraten, 
6,133,354  secht,  ivie  heslich  vnd  gar  ungschaffen:  secht,  wie 
heslich  vnd  ungeschaffen;  desgl.  6,140,118.  7,91,172.  119,183. 
151,241.  —  Durch  tilgung  oder  anschleif ung  eines 
pronomens:  5, 128,  147  so  went  sie  von  mir  ir  angsicht:  so 
ivents  von  mir  ir  angesicld,  6, 4, 101  icli  ivil  gen  nein,  is  noch 
vngschlacht:  ivil  gen  nein,  is  noch  vngeschlacht,  6, 32, 137  so 
muss  er  in  den  p fingst feirtageti:  so  mus  er  inn  pfingstf eier- 
tagen; desgl.  7, 14, 372.  51,45.  114,25.  117,126.  140,448.  Der- 
artige änderimgen  widersprächen  nicht  dem  gebrauch  des  H.  S. 
(s.  teil  II),    Der  dichter  hätte  also  bequem  mit  Währung 


464  MAYER 

der  silbenzalil  die  synkope  gerade  an  der  exponierten 
stelle  vor  dem  reim  vermeiden  können,  wenn  er  über- 
haupt wollte.  Dass  er  es  nicht  tat,  beweist  jedenfalls,  dass 
er  mit  den  gesetzen  des  altdeutschen  reimverses,  wie  ihn  die 
fortgeschrittenere  kunst  des  13.  jli.'s  baute,  nicht  besonders 
vertraut  war. 

2)  Zum  gleichen  ergebnis  führt  die  betrachtung  der  folgen- 
den verse  aus  Fsp.: 

5,  96,  313  es  kumbt  allein  kein  vngelück  ( :  rück), 

6, 1,  22  des  mues  sie  oft  güet  sträicli  einemen  ( :  Schemen), 

6,  9,  257  mein  fräw  wil  morgen  frwe  änfsten  ( :  gen), 

6. 13,  376  ein  raön,  der  ällergröst  stockndrr  ( :  pfarr), 

6,  21,  243  sind  güet  gselen  vnd  pös  kindsfeter  ( :  Vertreter), 

6,  30,  51  mein  lieber  nächtpawr,  Üel  Pirnmöst  ( :  drost), 

6,  60,  233  erst  merck  ich,  pald  got  hänt  äbzewcht  ( :  flewcht), 

6,64,347  erseüft  in  woluest,  geiz,  höffärt  (:  widerpart), 

6,  72, 187  die  gab  des  güeten  glüecks  aüschütest  ( :  wüetest), 

6,  95, 19  ich  pin  hewt  läng  im  wäld  vmdreten  ( :  petten), 

6,  96,  32  häb  mich  gleich  mued  im  wäld  vmbgängen  ( :  verlangen), 
6,146,296  habt  vbern  senät  cläg  vürijrächt  (:  gedacht), 

7,  3,  87  zehen  schlick  vnd  auch  neun  mäulfül  ( :  wol), 
7,10,276  zweu  zen  mit  meinem  kölbn  äusgschlägen  (:  sagen), 

7. 14,  374  Neidharcz  weib  mues  das  päd  aüsgiesen  ( :  peschliesen), 
7,  48,  320  mein  weib  mir  die  9  pfünd  äbstäl  ( :  vnfall), 

7,  73,  4  der  mir  sünst  oft  die  thüer  äufstüst  ( :  most), 
7,  97,  314  kürabt  mir  zv  hilff,  den  schälck  aüfhäldt  ( :  waldt), 
7, 142, 10  in  schimpf  anzeigt,  künst  vnd  Weisheit  ( :  zeit). 
Vgl.  W.  1,  438,  34.  2,  344,  39.  3,  205,  5.  362, 13.  5,  27, 1. 

Ich  will  nicht  behaupten,  dass  jeder  dieser  verse  mit  fünf 
bez.  sechs  icten  gelesen  werden  müsse. 
Notwendig  ist  das  aber  in  Fsp.: 

6, 13,  377  so  dölpisch,  grob,  wild  vnd  vngfug  ( :  schlug), 
6,  68,  75  kewsch,  züchtig,  schamhaft  vnd  demütig  ( :  guetig), 
6,  68,  91  in  wolluest,  er,  gewalt,  reichtum  ( :  kum), 
6,  69,  99  in  armuet,  schaut,  kranckheit,  elleut  ( :  ent), 
6,146,313  iren  trucz,  stolcz,  poch  vnd  hoffart  (:  art), 
7,51,33  adel,  pfaff,  betler  vnd  lanczknecht  (:  rechtj. 

Verse  dieser  art  sind  gar  nicht  so  selten,  wie  es  nach 
Fsp.  58 — 85  scheinen  könnte.    Man  vergleiche  W.  1 — 5: 

1 ,  50,  26  in  hoffart,  geicz,  eebruch,  dielistal  ( :  zal), 
1,178,23  die  wasser,  bech,  see  vnd  quclbrunnen  (:  besunnen), 
1,  420, 1  räuber,  morder,  dieb  vnd  schnapplianen  ( :  tyrannen), 
1,476,17  im  zv  schücz,  hilif,  trost  vud  züfiücht  (:  sucht), 


DIE    RHYTHMIK   DES   HANS   SACHS.  465 

3,  206,  fi  kewscb,  züchtig-,  schamhaft  vnd  demütig  (:  gütig), 
3,  393,  27  lüg.  vntrew,  vnzucht  vnd  vnkeAvsch  ( :  gereüsch), 
3,  543,  32  durch  brandt,  raord,  raübung  vnd  brandscbetzen  ( :  setzen), 
3,  556,  4  kein  zol,  mant.  zehend  noch  frondienst  ( :  zinst), 
4,67,23  durch  krieg,  prunst,  thewrung  vnd  vnfall  (:  zal), 
4,109,18  züchtig,  messig,  still  vnd  senftmütig  (:güetig), 
4,114,26  henckt,  kopifet,  trencket  vnd  radbrecht  (:  recht), 
4,115,32  ZV  sorgen,  angst,  müh  vnd  arbeyt  (:geyt). 

Desgl.    2,351,35.    3,503,25.    4,115,35.    264,17.    340,15.    341,18.35. 

342,  29.  407,  37.  434, 1.  5,  46, 19  (hs.).  —  Vgl.  noch  1, 128,  32.  136,  9.  229,  21. 

2,14,9.  17,18.  80,21.  81,7.  3,5,19.  87,13.  153,25.  215,32.  218,25.  230,33. 

288,  30.  294, 14.  347, 19.   358,  28.   445,  28.   499, 12.   583,  26.   4,  36,  23.  43,  23. 

24.  90,22.  249,30.  257,31.  286,17.  303,6.  353,11.5,79,1.12.  125, 16  (druck). 

'Dreihebige  verse.' 
4,419,10  vnzucht,  spil  vnd  totschleg  (:  beweg). 
Vgl.  noch  3,  277, 2.  278, 1.  279,  5.  314,  29  (druck). 

Schon  hier  sei  darauf  hingewiesen,  dass  es  sich  in  den 
angeführten  versen  durchaus  nicht  immer  um  Zusammenstellung 
einsilbiger  worte  handelt  (s.  unten  s.  476  f.).  Jedenfalls  ver- 
langt der  satzaccent  5  bez.  4  icten  von  jedem  der  verse.  Dabei 
beweist  die  zahl  der  citate,  dass  es  sich  nicht  um  zufällige 
Unachtsamkeiten  des  dichters  handelt.  Die  angeführten  stellen 
bilden  so  ein  unwiderlegliches  argument  gegen  die  annähme, 
dass  H.  S.  seine  verse  nach  mhd.  technik  gebaut  habe.  Sie 
fügen  sich  aber  sämmtlich  dem  berüchtigten  klippklapp, 

§6- 
3)  Handelte  es  sich  bisher  um  tonversetzungen  und  accent- 
verletzungen  bei  nominal-  und  verbalcomposita  im  reime,  so 
lässt  sich  die  gleiche  ersch einung  bei  nomina  mit  ab- 
leitungssilbe  feststellen.  Auch  hier  nötigt  der  reim  dazu, 
für  Worte  wie  tveisheit,  selig,  scliamhaft  u.  dgl.,  die  metrisch 
XX  im  reime  ergeben  würden,  v  e  r  1  e  t  z  u  n  g  d  e r  g r  a  m  m  a  tische  n 
betonuug  anzunehmen,  wenn  ausser  dem  reimwort 
noch  drei  oder  mehr  betonte  begriffe  vorhanden  sind. 
Dass  beispiele  dieser  art  seltener  sind  als  die  unter  2)  an- 
geführten, ist  kein  grund  zum  anstoss,  weil  worte  dieser  art 
an  sich  schon  nicht  gerade  häufig  sind.  Die  folgenden  belege 
aus  W.  1—5: 

5,70,10  getrewe  freund,  still  und  wärhäfft  ( :  gsellschaft), 
1,328,17  der  sterck,  räths,  Verstands  vnd  weisheit(:  zeit), 


466  MAYER 

1,  -475,  8  ilcin  ziilliioht,  hilff,  räth  vud  Weisheit  ( :  gerechtickeit), 
2, 150, 17  schänd,  schaden,  ärrauet  vnd  kräiickheyt  ( :  widerwertickeyt), 
3,  97,  2  höffart,  geicz,  vukewsch  vnd  trägheit  ( :  unraessickeit), 
4,178,30  i)\i\io,  nini  dein  reichthnnib  (:  sumb)  dreihcbiff. 

Vgl.  noch  auf  -haß  2,371,21; heil  2,290,3.  4, 80, 13.  121,39;  — 

-isch  4,3,5; ling  4,286,21; sal  5,102,38.  158,7.  223,10; tum 

1,434,25.  3,151,18.  200,23.  494,31.  4,161,26;  —  -ut  3,190,32  (druck). 

Sollen  den  angeführten  versen  nur  vier  icten  zu- 
kommen, so  muss,  da  die  ableitungssilbe  als  trägerin 
des  reimes  den  vierten  ictus  für  sich  in  anspruch 
nimmt,  eine  der  Stammsilben  tonlos  sein;  sie  muss 
ihren  grammatischen  accent  dem  metrischen  einer 
nebensilbe  unterordnen.  Damit  ist  im  princip  ton- 
verletzung  aus  metrischen  gründen  erwiesen.  Dass 
zudem  die  silbenzahl  der  betr.  verse  sich  auf  8  bez.  9  fest- 
stellt, mag  ein  neuer  fingerzeig  sein,  in  welcher  richtung  die 
lösung  der  Schwierigkeit  zu  suchen  ist. 

§  V. 
4)  YAu  schritt  weiter  auf  derselben  bahn  der  Zerstörung 
des  natürlichen  rh3ihmus  ist  es,  wenn  neben  den  ableitungs- 
silben  die  endsilben,  flexious-  u.dgl.  silben,  als  alleinige 
träger  des  reimes  auftreten.  Der  folgenden  Zusammen- 
stellung ist  MG.  2  zu  gründe  gelegt,  ein  grösstenteils  un- 
gedruckter text,  was  sich  jedoch  nicht  vermeiden  Hess.  Die 
bisher  gedruckten  mg.  hätten  ein  falsches  bild  ergeben,  da 
sie  meistens  weltliche  mg.  in  der  art  der  fabeln  und  schwanke 
sind;  z.  b.  FS.  3  enthält  endsilbenreime  nur  sehr  sparsam  und 
fast  nur  die  häufigeren  auf  -er  und  -en.  Der  grund  dafür  ist 
wol  der,  dass  der  dichter  stoff  und  spräche  des  schwankes 
besser  beherscht  als  des  geistlichen  liedes.  In  diesen  sind  die 
töne  grösser,  die  reimstellungen  künstlicher.  Daher  ist  manches 
lied  in  ]\rG.  2  nichts  weiter  als  der  prosaische  bibeltext  auf 
ein  bestimmtes  silbenmass  und  reimschema  zugeschnitten.  — 
Ich  stelle  die  belege  aus  MG.  2  voran;  zur  ergänzung  sind  eine 
auswahl  aus  W.  mitgeteilt,  die  häufigeren  nach  1.— 3.,  die  auf- 
fälligeren möglichst  sämmtlich. 

1)  Reime  auf  -e. 

wurme  :  (je  MG.  2.  24,  vile  :  se  FS.  3,  414,  51  f.  (Drescher).  Die  in  W. 
hegegnenden  belege  sind  sämmtlich  unsicher,    mjmphe  :  see  3,  318, 1,  muse 


DIE   RHYTHMIK   DES   HANS   SACHS.  467 

:  sfc  3,  893, 19.  432,  39.  6,  24,  7,  :  ee  7,  219, 11.  Es  handelt  sich  nra  fremd- 
wörter,  deren  -e  ^=  lat.  -ae  (pl.)  oder  griech.  -;/  ist.  Drescher  gibt  D.  lit.- 
ztg.  19(X),  2597  noch  Xohc  (Niobe?)  :  aUe.  Weitere  belege  sind  nicht  be- 
kannt. Es  muss  eine  besondere  bewantnis  mit  diesen  reimen  haben,  s. 
unten  s.  488. 

2)  Reime  auf  -cl. 

MG.  2  esel :  cnmel  60,  himel :  schnell  66 ',  iempcl :  seel  67,  aposlcl :  schnell 
70,  capittel :  hell  123,  emjel :  hell  195',  jubel :  hell  214;  —  W.  enrjel :  Ra- 
phael  1,159,4,  :  hell  11,403,14,  mantel  :  seckel  15,178,8,  zimbel  :  hell 
19,  557, 19. 

3)  Eeime  auf  -er. 
a)  ]\Ilid.  -cere. 

Typus  der  betonung  xx- 
Im  reime  auf  selbständiges  wort. 

MG.  2  munier  :  ser  1,  Heuchler  :  ler  10'.  11,  :  mer  11 ',  :  seer  12,  mörder 
:  schwer  42,  reiter  :  mer  97',  midianitter  :  schwer  100,  fjndarener  :  mer  133, 
heuchler  :  mer  146,  römer  :  wer  156,  fjleissner  :  er  157',  Schnitter  :  her  160, 
richter  :  hör  175,  schöpffer  :  wer  224',  teter  :  er  215',  Sünder  :  ler  258;  — 
reitere  :  here  176'.  77.  —  W.  Mmer  :  her  2,  319, 1. 

Im  reime  auf  mhd.  -cere. 

MG.  2  mittler  :  mrsprechcr  :  erlösser  28,  Schneider  :  schmeicheler  149', 
—  mittlere  :  riirsprecliere  182'.  —  W.  Phariseer  :  Saduceer  1,348,29,  Ale- 
fantzer  :  ebrecher  1,  447,  7,  keuffer  :  Wucherer  3,  483, 13. 

Im  reime  auf  mhd.  -er. 

MG.  2  Sünder  :  diser  146',  philister  :  schweher  153.  —  W.  Travcrsiner 
:  tochter  2,  248,  23. 

Typus  >::xx(X)- 
Im  reime  auf  selbständiges  wort. 

MG.  2  kamerer  :  her  26,  Ebreer  :  her  45',  gartener  :  her  47',  prediger 
:  ler  83,  gartener  :  beger  116,  anbetter  :  ler  120;  —  marterere  :  here  14', 
gartenere  :  here  101.  102',  kanczelere  :  here  136,  phariseere  :  dere  145',  kame- 
rere  :  here  177.  178',  g<uienere  :  here  201'.  202,  waldenere  :  schwere  216', 
arbeitere  :  here  244'.  —  W.  Schumacher  :  gefer  1,184,33,  lesterer  :  teer 
1,190,32,  sabnter  :  her  1,316,14,  prediger  :  her  1,318,11,  zeloter  :  tver 
1,319,25,  tvticherer  :  her  1,418,15,  handwercker  :  her  2,387,18,  chbrecher 
:  her  2,  295,  8,  Schumacher  :  schioer  2,  203,  7,  :  ivcr  2, 191, 15,  arbeiter  :  her 
3,  344,  40,  handwercker  :  ehr  3,  473,  25. 

Im  reime  auf  mlid.  -ccrc. 
MG.  2  priefmaler  :  holczmesser  126',    peteler  :  handtvercker  149.    — 
W.  Vitellier  :  Aquilier  2,  312,  27. 


468  MAYER 

ß)  Mhd.  -er. 

Typus  ^>^. 

Im  reime  auf  selbständiges  wort. 

MG.  2  vater  :  her  2,  :  mer  6'.  21.  30',  :  schwer  47'.  118,  :  j^ewer  229', 
ser  245,  mutier  :  ser  157',  prüder  :  her  66,  dochter  :  ser  44',  :  her  134', 
152',  emer  :  (r  4,  untker  :  mer  7',  oj)/'ej' :  wier  29',  kinder  :  mer  32.  230, 
:  her  212,  wunder  :  her  40,  jünger  :  /«er  53',  afcer  :  ser  54',  :  her  152,  /ceZter 
:  her  82,  heitser  :  /ter  70,  «nasser  :  rerr  71',  zeher  :  wer  99'.  100,  disser  :  her 
121',  mer  :  her  124.  251,  panczer  :  ^er  128',  junger  :  mer  147,  /«/V-'"  =  ^*^''  161) 
jünger  :  her  161,  meisler  :  her  165,  jünger  :  her  192',  finger  :  /ic/-  206,  /teWer 
:  »Her  239,  jamer  :  schwer  251',  zepter :  schwer  253;  —  eme?-e  :  /*ere  52, 
opfere  :  /«ere  58',  :  ««ere  196,  jüngere  :  sere  64,  :  here  140',  :  mere  142'.  143, 
wiere  :  dere  214;  —  tvanderen  :  heren  13'.  14.  —  W.  unser  :  her  1,  78,  28, 
imer  :  ehr  1, 131,  5,  tcclcher  :  f7er  1, 274, 14,  selber  :  schwer  1,  294,  21,  meister 
:  er  2,  322,  9,  lacht  er  :  er  2,  498,  8,  imer  :  s^er  3,  9,  35,  toeiter  :  cÄr  3,  285,  35. 

Im  reime  auf  mhd.  -cere. 
W.  1 ,  447,  5  zeher  :  wücherer. 

Im  reime  auf  mhd.  -er. 

MG.  2  rafer  :  hunger  30,  :  a?*er  132',  dochter  :  mechiiger  60,  oj)/er 
:  ivasser  153',  :  rafer  256,  tinther  :  welicher  163,  meister  :  etlicher  165,  :  «wer 
165',  einer  :  meister  175'.  —  W.  aber  :  Opfer  1,186,22,  vater  :  Schwager 
3,  499,  25. 

Typus  ^xx- 
Im  reime  auf  selbständiges  wort. 

MG.  2  demütiger  :  her  248'.  —  W.  tvclicher  :  wer  2,  232,  35. 

Im  reime  auf  mhd.  -er. 
MG.  2   verschnittener  :  geioeltiger  70'.    —   W.  geiveltiger  :  gcnedigster 
1,135,18. 

4)  Reime  auf  -cm. 

MG.  2  einem  :  zem  3',  :  dem  81.  —  W.  iveliehem  :  Daphnistem  13, 158,  8, 
einem  :  Xerxem  23, 193,  33,  welichem  :  Jerusalem  23,  387,  7. 

5)  Reime  auf  -en. 

Im  reime  auf  selbständiges  wort. 

MG.  2  gerechten  :  wen  6',  menschen  :  den  13,  Jcameren  :  schön  22' 
inseien  :  gen  39',  anregen  :  den  44,  jüngeren  :  zwcn  54',  geschriben  :  sten  55', 
zeichen  :  gen  69',  zweinzigißten  :  hen{d)  79,  fünffzehenden  :  sten  116,  :  ^cn 
153,  sibenczehenden:  genl'SO,  hunderten  :  sten  217 ' ,  weissen  :  den  23b,  zwein- 
zigen  :  nenn  249'.  —  W.  commissarien  :  gen  2,406,5,  sihenden  :  sen{d) 
6,  379, 18,  schulen  :  den  6,  384,  21,  Armondien  :  gen  8,  342, 4,  gotlosen  :  rZeww 
10,  25, 17,  sibenden  :  erkenn  10,  466, 13,  kreuzigen  :  cZen  11,  297, 11,  gerechten 


DIE  RHYTHMIK  DES  HANS  SACHS.  469 

:  zen  18, 159,  30,  nachhawen  :  gen  18,  350,  38,  msxilen  :  sten  18,  379, 20,  hin- 
cke)ideH  :  sten  18,  151,  1,  schrecklichen  :  gen  18,  298,  21,  traurigen  :  gen 
19,  29, 37,  ziveinzigisten  :  gen  19,  115,  3,  dreifsigisten  :  sten  19, 147,  3,  vier- 
tzigsten  :  sten  19, 186,  3,  icelichen  :  denn  19,  364,  5,  gotlosen  :  sten  19,  472,  7, 
hoffertigen  :  sten  19,  479, 2,  anderen  :  nenn  22, 132,  22. 

Im  reime  auf  -en. 

MG.  2  gehenden  :  Cesarien  72,  dreifsigen  :  psalmen  118,  ziveinzigen 
•.jüngeren  192.  —  W.  gotlosen  :  fürsichtigen  18,74,8,  ieclichen  :  nechsten 
19,  69, 32,  viyrrhen  :  cinanen  19,  252,  24,  hundersten  :  zweinzigisten  19,  473,  5, 
psalmen  :  fünfzigsten  19,  557,  5,  leiden  :  erlitten  23,  504, 1,  landen  :  stenden 
28,  502,  37  (?). 

6)  Reime  auf  -ent. 

MG.  2  tceident  :  ent  173,  lebent :  ürstent  195,  jugent  :  pekennt  212.  212'. 
—  W.  e//e»rf  :  2  arent  2, 130,  5. 

7)  Reime  auf  -et. 

MG.  2  laugnet  :  det  5.  5 ',  prediget :  stet  17,  72,  :  Nazaret  73,  geheilliget 
:  s/e(  36,  gekreuziget :  rett  48',  kümet :  bet  120,  fünffzehet :  stet  194,  züchtiget 
:  ret  215'.  —  W.  ver^'eret  :  /tei  13,  2,  9,  fehet  :  het  23,  451, 13. 

8)  Reime  auf  -es. 

MG.  2  fehlt.  —  W.  goties  :  gefüfs  1,  22G,  37,  welches  :  Palawedes 
20, 283,  29. 

9)  Reime  auf  -est. 

MG.  2  drittest :  verpirgest  233'.  —  W.  fehlt. 

Diese  liste  wird  lioffentlicli  genügen.  Sie  zeigt  zugleich, 
dass  in  dem  behandelten  falle  mg.  und  spr.  den  gleichen  ge- 
brauch haben.  —  Bei  den  reimen  auf  -er  habe  ich  die  beiden 
betonungsschemata  xx  ^^^^  xxx  geschieden,  um  der  Ver- 
mutung vorzubeugen,  als  ob  reime  wie  prediyer  :  ler  = 
mhä.  brediycere  :  leere  das  Vorbild  solcher  wie  tochter  :  her 
gewesen  seien.  Unsere  liste  zeigt  für  beide  typen  die  folgen- 
den zahlen:  xx  81  mal,  xxx  18 mal  in  MG. 2.  Entsprechend 
in  W.  1 — 23  XX  ca.  140  mal,  xxx  ca.  35  mal. 

§8. 

Das  angeführte  material  lässt  uns  endlich  einen  blick  in 
die  geschichte  der  ganzen  erscheinung  tun.  Es  überwiegen 
durchaus  die  endsilbenreime  auf  -er:  in  MG.  2  ca.  110  :  41, 
in  W.  1 — 23  ca.  250  :  40.  Man  wird  nicht  fehl  gehen,  wenn  man 
diese  reime  auch  als  ausgangspunkt  der  ganzen  erschei- 


470 


MAYER 


niiiig  auffasst.  Darauf  führen  mich  beobachtimgeii,  die  ich  an 
einem  verwanten  gebiete,  den  (Nürnberger)  fastnachtspielen 
des  15./16.  jh.'s  über  diesen  punkt  angestellt  habe.  Ich  teile 
die  resultate  in  einer  tabelle  mit.  Die  folgende  einteilung  nach 
V.  Mich  eis  j  Studien  über  die  ältesten  deutschen  fastnachtspiele, 
Strassburg  1896  (=  QF.  77). 

3^ 


3a 

3ß 

3« 

Rosenplüt                3 

— 

Nürnb.  i.  hs.  M 

2 

Rosenplüt?               5 

1 

Oesterreichische 

12 

Folz                          8 

— 

Schweitzer 

5 

Nüruberger               3 

1 

130 

3 

Nürnberger?             1 

— 

129 

2 

Nürnb.  i.  hs.  Gi3      1 

— 

Sterzinger 

44 

Die  formen  1.  2.  4 — 9  fehlen  vollständig.  3  ist  also  der 
ausgangspunkt  der  erscheinung.  Aber  auch  hier  sind  nicht 
alle  fälle  gleich  zu  beurteilen.  Es  scheiden  sich  beispiele  wie 
schmaichler  :  gewär  und  tochter  :  wer,  d.  h.  mlid.  -cere  :  -er  und 
mild,  -er  :  er.  In  den  (Nürnberger)  fastnachtsj)ielen  zeigt  sich 
im  einzelnen  folgender  gebrauch: 


3« 


-cere 

-er 

Rosenplüt 

1 

2 

Eoseuplüt? 

4 

1 

Folz 

5 

3 

Nürnberger 

3 

— 

Nürnberger? 

— 

— 

Nürnb.  i.  hs. 

Gö 

1 

— 

Nürnb.  i.  hs. 

M 

2 

— 

Oestei-reichische 

10 

— 

Schweitzer 

1 

4 

130 

2 

1 

129 

1 

1 

Sterzinger 

31 

13 

3/? 
-(Bre      -er 


-         1 


1  1 


Es  lässt  sich  demnach  etwa  folgendes  über  die  geschichte 
der  endsilbenreime  erschliessen :  die  in  der  mhd.  dichtung  üb- 
lichen reime  auf  die  schwere  ableitungssilbe  -mre  gaben  zu 
einer  zeit,  als  sprachlich  -mr  und  -er  zusammengefallen  waren. 


DIE    RHYTHMIK    DES   HANS   SACHS.  471 

aber  mhd.  leimteclinik  nocli  bekannt  war,  veranlassung-,  reimen 
wie  helfcüre  :  u-ctrc  solche  wie  fochter  :  tver  an  die  seite  zu  stellen. 
Je  unbekannter  die  alte  technik  wurde,  desto  eher  gieng  man 
dazu  über,  in  diesen  -er  nur  eine  endung-  zu  erblicken,  und 
bald  wurden  offenkundige  flexionssilben  zu  trägern  des  reimes 
gemacht.  Die  endsilbenreime  sind  also  an  sich  kein  aus- 
fluss  der  rhythmik  jener  zeit,  sondern  der  reimtechnik. 
Dass  aber  bei  H.  Sachs  so  sehr  der  typus  x  x  vorherseht,  zeigt, 
wie  wenig  Verständnis  für  die  technik  der  alten  dichtung  bei 
unserem  dichter  vorhanden  ist  und  wie  sehr  ihm  die  silbe  nur 
als  silbe  gilt.  So  erhält  auch  von  dieser  seite  her  die  an- 
nähme, dass  H.Sachs  seine  verse  nicht  silbenmessend  baute, 
eine  neue  stütze. 

§9- 
b)  1)  Ich  habe  oben  die  belege  zusammengestellt  für  ton- 
losigkeit  der  Stammsilbe  unmittelbar  vor  einer  ableitungssilbe. 
Der  gleichen  rhythmischen  erscheinung  stehen  wir  gegenüber 
bei  reimworten  vom  typus  xxx-  Kin  vers  wie  W.  4,  340,  9 
pfannholcz,  löffl,  deller,  Mipferling  ( :  ring)  lässt  sich  nicht  anders 
als  fünfhebig  oder  mit  accentverletzung  lesen.  Ebenso  W.  2, 
359,30.  437,36.  3,8,2.  89,39.  131,14  (dr.). 

§  10. 
2)  Bereitet  schon  in  diesen  versen  die  Verteilung  der 
vier  icten  Schwierigkeiten,  so  wird  sie  vollständig  unmög- 
lich in  einer  weit  grösseren  anzahl  von  versen,  die 
fünf,  sechs  und  mehr  coordinierte  Satzglieder  ent- 
halten. Für  die  folgende  Zusammenstellung  ist  FS.  1  und  2. 
Fsp.  1 — 7.  W.  1 — 4  zu  gi'unde  gelegt. 

a)  Fünf  substantiva  bilden  den  vers. 
Asyndetisch  nebeneinander : 

FS.  1,  513, 11  zw  prim,  tercz,  non,  vesper,  corapletteu, 
W.  3,  499, 14  im  keller,  gwelb,  kram,  laden,  marck, 

3,  499, 18  vogt,  amptman,  zulner,  richter,  scherg, 

3, 513, 16  mit  Long,  saiffn,  wax,  paumwoll,  gematen, 

4,  325, 9  iu  angst,  not,  kummer,  trübsal,  laid. 

Das  letzte  glied  durch  vnd  angeschlossen: 

FS.  1, 179, 89  schult,  armüt,  kranckheit,  sünd  und  schand, 
1,  467,  33  wolf,  fuchs,  per(e)n,  geyern  vnd  hiind, 


472  MAYER 

FS.  2,  519,  3G  schaff,  rinder,  pock,  gais  vnd  die  schweiu, 
Fsp.  6,  63,  312  der  krig,  gfencknüs,  luort,  rawb  vnd  praut, 
6,  72,  215  liegen,  triegen,  raub,  neid  vnd  hals, 

6,  79, 4-13  als  er,  gewalt,  gunst,  kunst  vnd  guet, 

7,  38,  So    kes,  milch,  putter,  krawt  vnd  salat, 
7,  51,  35    wolf,  fuchs,  marder,  kraen  vnd  raben, 

W.  1, 178,  7    luft,  fewer,  reg-en,  thaw  vnd  schnee, 
1,  239,'23  diircli  mittel,  weg,  weifs,  mafs  vnd  statt, 
1,  303,  32  vol  trübsal,  angst,  forcht,  pein  vnd  schrecken, 
1,  323, 1    hoffart,  nachred,  neid,  zorn  vnd  hals. 
Desgl.  1,470,11—13.  2,64,12.  238,17.  3,97,10.  98,29.  163,29.  360,19. 
394,  9.  428, 16.   466,  27.  30.  544, 14.  572,  3.  4,  69, 17.   115, 10.   341,  7.   342,  6. 
343,  4. 

Vgl.  noch  FS.  1,  358,  92.  2,  248,  6;  Fsp.  1, 117,  89.  2, 109, 136.  114,  287. 
3,102,116.  4,85,211.  119,199;  W.  1,  153, 32.  407,7.  2,178,26.  185,8. 
283,  21.  292, 15.  437,  34.  3,  7, 1.  39,  23.  87, 15.  151, 19.  152, 14.  336,  2.  349,9. 
498, 33.  499,  9.  513, 18.  4, 121,  37.  190,  36.  197, 15.  27  (dr.). 

Das  letzte  glied  durch  oder  u.  ä.  angesclilossen: 

W.  4,  294,  2  reichthumb,  ehr,  gwalt,  kunst  oder  gunst. 
Vgl.  noch  FS.  1,  30,  32.  97, 11  (dr.). 

Mehrere  glieder  verbunden: 

W.  2,  44,  5      speiis  vnd  trauck,  kleidung,  schmück  vnd  zier, 
3,  398,  7    gepejn  vnd  marck,  seel,  hertz  vnd  gmüt, 

3,  576,  28  lieb  vnd  neid,  forcht,  pratick  vnd  renck. 
Vgl.  noch  Fsp.  2, 138,  239.  W.  3, 442, 13.  4,  79,  23  (dr.). 

ß)  Fünf  adjectiva  bilden  den  vers. 
Das  letzte  glied  durch  vnd  angesclilossen: 

FS.  1,  305,  29    pücklet,  hincket,  lang,  dick  vnd  krumb, 

1,  435, 104  rot,  praun,  grab,  gestraimet  vnd  schecket, 
Fsp.  5, 125,  29    durch  trew,  frumb,  züchtig,  kewsch  vnd  rein, 
6,  68,  68      holawget,  phiich,  dünn,  dürr  vnd  mager, 
6,  74,  250    trüczig,  stolcz,  vppig,  schwind  vnd  gech, 
"VV.  2,  229, 18    verschmacht,  schwarcz,  bleich,  dürr  vnde  mager, 
3, 181, 13.  14  still,  trew,  parmherczig,  milt  vnd  sitsam, 

ghrecht,  warhaft,  gütig,  seufft  vnd  fridsam, 
4, 115,  20    fein,  munter,  nüchter,  frisch  vnd  gsund, 

4,  274,  30    sein  färb  schwarcz,  gel,  braun,  fal  vnd  weifs, 
4,  442,  30    schon,  wolgfarb,  frisch,  jung  vnd  gesund. 

Vgl.  noch  FS.  1,127,50.  2,558,64.  W.  1, 428, 4.  449,29.  2,360,11. 
3,  449,  31.  4,  35, 13.  53, 13.  239,  25.  257, 15  (dr.). 

Mehrere  glieder  durch  vnd  verbunden: 
FS.  2,  370,  66  weifs,  grün  vnd  rot,  praun  vnd  plitschplab. 
Vgl.  noch  FS.  1, 127,  49.  W.  4,  52,  21  (dr.). 


DIE    RHYTHMIK   DES   HANS   SACHS.  473 

7)  Fünf  verba  bilden  den  vers. 
Das  letzte  glied  durch  oder  angeschlossen: 
W.  3,  29G,  5  vennan,  lehr,  straif,  warn  oder  treyb  (ilr.). 

Mehrere  glieder  verbunden: 

W.  1,  358,  26  negt,  grempt  vud  frist,  trauert  vnd  gemert  (dr.). 

d)  Fünf  (adverbia)  bilden  den  vers. 
Mehrere  glieder  verbunden: 
W.  2, 278,  37  wie,  wo  und  wenu,  wer  vud  warum  (dr.). 

f)  Sechs  substantiva  bilden  den  vers. 
Asjiidetisch  nebeneinander : 

FS.  1, 301, 29  würst,  hirs,  krebs,  bering,  erbeis,  speck, 
W.  4r,  151,  9    geicz,  frafs,  vnkewsch,  neid,  zoreu,  hafs, 
■i,  196, 18  kaiser,  kong,  fürst,  graf,  ritter,  knecbt. 

Das  letzte  glied  durch  vnd  angeschlossen: 

FS.  1, 153,  44  jung,  alt,  knecbt,  maid.  frawen  vnd  kind, 

W.  4,  438,  29  von  gwalt,  schon,  sterck,  krafft,  frewd  vnd  müt. 

Vgl.  noch  FS.  1, 22,  48.   W.  1, 361, 18.  452, 1.   3, 8,  21.  299,  34.  336, 29. 
495,  7.  4, 120,  30.  377,  20  (dr.). 

7j)  Sechs  adjectiva  bilden  den  vers. 
Asyndetisch  nebeneinander: 

FS.  1,  305, 30  murret,  muncket,  prait,  pluntscb,  kurcz,  rumb. 

Das  letzte  glied  durch  vnd  angeschlossen: 
W.  3,  503,  28  rechts,  vnrechts,  bofs,  guts,  grol's  vud  klein. 
Vgl.  noch  W.  1,  435,  9.  10.  3,  344,  27  (dr.). 

g)  Sechs  verba  bilden  den  vers. 

Das  letzte  glied  durch  vnd  angeschlossen: 
W.  4,  371,18  sie  kocht,  spült,  keert,  wescht,  neet  vnd  spinnt  (dr.). 

d-)   Sieben  substantiva  bilden  den  vers. 
As3'ndetisch  nebeneinander: 

W.  4, 193,  2  wein,  koru,  ops,  saltz,  schnialtz,  kraut  (vnd)  ruhen  (dr.). 

Das  letzte  glied  durch  vnd  angeschlossen: 

W.  1,  371, 10  milch,  woln,  haut,  fleisch,  pein,  derm  vnd  raist, 
3,538,30  leib,  seel,  krafft,  macht,  lob,  ehr  vnd  gut. 

i)  Acht  interjectionen  bilden  den  vers. 
Asyndetisch  nebeneinander: 

W.  2,  391, 14  puff,  platz,  puff,  platz,  zinck,  zinck,  puff,  platz. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXVHI.  31 


474  MAYER 

§    11. 

Ebenso  finden  sich  in  den  'dreihebigen'  versen  vier,  fünf 
und  sechs. coordinierte  glieder. 

x)  Vier  substantiva  bilden  den  vers. 

Asyndetisch  nebeneinander: 
W.  3,  277, 1  mort,  krieg,  gwalt,  rawberey  (dr.). 

Das  letzte  glied  durch  vnd  angeschlossen: 

W.  1,409, 10  gsundheit,  lüst,  freufl  vnd  müt, 
3,  322,  27  frafs  blut,  flaisch,  bain  vnd  marck, 
3,  384,  27  an  leib,  seel,  glück  vnd  gut, 
3,  458,  34  falsch,  betrug,  lug  vnd  list, 
3,  471,  9    würtze,  kraut,  laub  vnd  gras, 
3,  479,  4    sein  art,  frücht,  Ion  vnd  pev^^t, 

3,  479,  30  kraft,  macht,  gwalt  vnde  gut, 

4, 174,  4    sein  gmuet.  Heisch,  bein  vnd  marck, 
4, 183, 11  des  gwalts,  prachts,  ehr  vnd  guts, 

4,  309, 10  an  seel,  leib,  gmuet  vnd  hab. 

Vgl.  noch  FS.  2,  352,  68.    W.  1,  351,  29.   3, 195,  18.   196,  31.    243,  35. 
278,  35.  310, 23.  4, 137, 8.  9.  155, 10  (dr.). 

X)  Vier  adjectiva  bilden  den  vers. 

Asyndetisch  nebeneinander: 

W.  3,  279,  6    messig,  still,  fridsam,  gütig  (dr.). 

Das  letzte  glied  durch  V7id  angeschlossen: 

W.  3,  321,3  gancz  plaich,  schwarcz,  dürr  vnd  mager. 
Vgl.  noch  W.  3, 194, 19.  21.  4, 137,  7  (dr.). 

(U)   Vier  verba  bilden  den  vers. 
Asyndetisch  nebeneinander: 

\V.  3,  459, 1  schmehen,  kriegn,  hawen,  stechen. 

Das  letzte  glied  durch  vnd  angeschlossen: 
W.  3,  318, 15  mich  hayl,  salb,  bad  vnd  sterck  (dr.). 

v)  Fünf  verba  bilden  den  vers. 

Das  letzte  glied  durch  vnd  angeschlossen: 
W.  4, 136,  30  drück,  fach,  press,  zwick  vnd  dreng  (dr.). 

I)  Sechs  interjectionen  bilden  den  vers. 
Asyndetisch  nebeneinander : 
W.  4,  200,  21  zinck,  platz,  puff,  ziuck,  platz,  puff. 

§  12. 
3)  Das  material  wird  hoffentlich  ausreichen,  um  endgiltig 
die  annähme  von  Goedeke,  »Sievers,  Michels  und  Kauff- 


DIE   RHYTHMIK    DES   HANS    SACHS.  475 

mann  zu  widerlegen.  Ueberall  zeigt  sich  die  Unmöglichkeit, 
die  altdeutsche  reimverstechnik  im  spruchverse  des  H.  Sachs 
widerzufinden,  dagegen  ist  die  silbenzahl  8,  9  bez.  6,  7  streng 
festgehalten.  Die  gegebenen  stellen  lassen  sich  beliebig  ver- 
mehren. Hier  will  ich  nur  noch  auf  eine  noch  grössere  zahl 
von  Versen  hinweisen,  die  ebenso  sehr  jener  annähme  wider- 
sprechen, aber  widerum  die  bestimmte  silbenzahl  aufweisen, 
die  verse,  in  denen  eine  anzahl  von  begriffen,  und  zwar  mehr 
als  vier,  in  anderer  gruppierung  als  oben  auftreten.  Ich  be- 
schränke mich  darauf,  die  belege  aus  FS.  1  und  2  anzuführen. 
Für  Fsp.  und  W.  1 — 4  gebe  ich  nur  die  citate.  Wer  dann  noch 
zweifelt,  mag  sich  selbst  an  der  hand  meiner  belege  ein  bild. 
von  der  sache  machen. 

a)  Vier  substantiva  und  ein  adjectiv  bilden  den  vers. 

FS.  1,  439,  88  in  sorg,  forcht,  angst  vud  vnruh  grol's, 

1, 451, 22  küe,  kelber,  schaff  vud  seh  wein,  die  frechen. 
Vgl.  noch  1,31,81  (dr.). 

ß)  Vier  substantiva  und  ein  verbum  bilden  den  vers. 

FS.  2,  69,  7      litt  darbei  hicz,  frost,  hungr  vud  kiunmer, 
2,  418,  74  thuets  milch,  schmalcz,  kes  vud  wollen  geben. 
Vgl.  noch  2,  499,  58  (dr.). 

7)  Vier  adjectiva  und  ein  Substantiv  bilden  den  vers. 
FS.  2, 483, 5G  grofs,  starck,  grob  vud  rüssen  von  leib. 

d)  Drei  substantiva  und  zwei  adjectiva  bilden  den  vers. 

FS.  1, 459, 46  storch,  staren,  schnepffen,  gros  vud  klein. 
Vgl.  noch  1, 125, 100  (dr.). 

e)  Drei  adjectiva  und  zwei  verba  bilden  den  vers. 
FS.  1, 19,  98  roch,  wilt  vud  wüst,  schilt  vnde  flucht  (dr.). 

7j)  Zwei  substantiva  und  drei  adjectiva  bilden  den  vers. 

FS.  1, 154, 12  kraut,  pairisch,  gelb  vnd  weilse  rüben, 
1,  308,  8    kraut,  pairisch,  gelb  vud  weilse  rüben. 

Dazu  vgl.  aus  Fsp,: 

hs.:  1,148,72.  151,148.  2,32,177.  86,124.  5,132,265.  6,2,34.  23,278. 
61,252.  153,113.  7,2,27.  51,31.  52,85.  62,111.  122,276;  —  druck:  1,7,233. 
23,38.  27,169.  32,348.  58,154.  68,494.  93,360.  104,167.  117,85.  2,55,203. 
3,58,77.  119,174.  123,282.299.  132,224.  135,312.  4,6,138.  86,263.  5,28,380. 
5,  68,  348. 

Bedeutend  grösser  ist  die  zahl  der  belege  aus  W.  1 — 4: 

31* 


476  MAYER 

hs.:  1, 20, 10.  22,  3.  26, 1.  48, 10.  49,  9.  10.  50,  27.  108, 11.  13.  174,  8.  9. 
198,11.  233,23.  437,6.  439,36.  441,2.  476,1.4.  2,101,32.  156,7.  161,9. 
204,5.  258,15.  342,7.  385,4.  402,27.  3,160,5.  340,15.  362,26.  393,30. 
401,1.  434,42.  468,16.  503,12.24.  520,12.  559,25.  569,25.  4,61,15.  64,33. 
66,14.  131,2.  181,20.  214,1.  222,1.  229,3.  230,5.33.  249,32.  275,23. 
276,16.  341,8.  407,31.  413,33;  —  druck:  1,66,3.  86,29.  111,4.  120,13. 
132,22.  22946.17.  230,8.  249,15.  289,20.  323,2.  325,4.  334,21.  365,28. 
378,28.  381,27.  389,15.  396,16.  427,33.  446,27.  2,4,13.  17,18.  19,32. 
87, 26.  175, 24.  292, 14.  300,  4.  310, 1.  3, 7, 35.  58, 17.  81,  34.  132, 16.  134, 7. 
153,3.  213,11.  223,4  229,26.  247,17.  313,7.  319,26.  358,28.  488,36.  499,8. 
580,  35.  4, 8, 26.  37, 17.  48, 3.  53,  31.  79, 24.  90, 23.  91, 20.  160, 9.  237, 10. 
247, 13.  286, 18. 

Ich  glaube,  es  ist  zwecklos,  die  Sammlung  noch  weiter 
auszudehnen.  Was  ich  mitgeteilt  habe,  ist  eine  aus  wähl,  die 
sich  reichlich  vermehren  Hesse.  Berücksichtigt  man  aber  die 
zahl  der  mitgeteilten  belege,  so  scheint  es  mir  nicht  über- 
trieben, wenn  ich  behaupte,  dass  die  zahl  der  Sachsischen 
verse,  die  der  vierhebungstheorie  widersprechen, 
nicht  nach  hunderten,  sondern  nach  tausenden  zählt. 

§  13. 

Ich  habe  oben  darauf  hingewiesen,  dass  es  sich  in  dieser 
liste  nicht  stets  um  einsilbige  worte  handelt.  Der  mhd. 
reimvers  kennt  ja  auch  derartige  über  das  mass  von  vier 
gliedern  hinausgehende  begriffshäufungen  in  einem  vers.  Aber 
wie  selten  sind  dergleichen  verse,  und  stets  sind  es  dort  ein- 
silbige Worte,  die  ihren  satzaccent  zu  gunsten  des  versaccentes 
verlieren,  und  nie  mehr  als  fünf  begriffe. 

Kauf f mann,  D.  metr.  114  führt  an: 

Freidank  93,  0  ros,  schilt,  sper,  hübe  unde  swert. 
Walther  8, 31  velt,  walt,  loup,  rör  unde  gras. 
Tristan  665  gel,  brün,  röt,  grüen  unde  blä. 

Ich  füge  noch  hinzu: 

Meier  Helmbrecht  (herausg.  von  Piper,  Deutsche  uat.-lit.  4S  2)  408,  201  gel, 

blä,  grüeue,  brlin,  rot. 
Freidank  (herausg.  von  Hildebrand,  ebda.  9)  302,  8  der  Tseu,  ros,  man,  burc 

und  laut. 
334, 13  dan  got,  iTp,  sele  und  ere. 
Winsbecke  (herausg.  von  Hildebrand,  ebda.  9)   171,  483  guot,  milte,  zuht, 

so  iTt  sTn  spil  ( :  sün,  swer  daz  hus  wol  haben  wil). 

Welch  anderen  eindruck  machen  dagegen  verse  des  Hans 
Sachs  wie 


DIE    RHYTHMIK    DES   HANS   SACHS.  477 

vogt,  ainptmanii.  zolner,  richter.  sohcrg, 
mit  hong,  saiffn,  wax,  panmwoll,  gematen, 
hoffart,  nachred,  neid,  zorn  vnd  hals, 
kaiser,  köug,  fürstn,  graf,  ritter,  kiiecht. 
leib,  sei,  kraft,  macht,  lob,  ehr  und  gut. 

u.  dg'l.  Also  ein-  und  zweisilbige  ■v\;orte  in  buntem  Wechsel. 
^Vie  oft  ist  ein  zweisilbiges  wort  durch  apokope  oder  sj'nkope 
künstlich  einsilbig-  gemacht!  Daher  kann  es  kein  wunder 
nehmen,  wenn  bei  H.  S.  die  worte  äusserlich  um  so  kürzer 
werden,  je  mehr  begriffe  den  vei's  bilden.  Jedenfalls  aber 
findet  diese  eigenart  des  Sachsischen  verses  nichts  ihr  ähnliches 
im  altdeutschen  reimvers. 

§  14. 
c)  Noch  einen  punkt  möchte  ich  hier  kurz  berühren,  der 
so  recht  geeignet  ist,  zu  zeigen,  wie  wenig  unserem  dichter 
der  grammatisch-logische  wert  des  Wortes  galt,  Avie 
sehr  ihm  jede  silbe  gleichwertig  war  für  seine  metrik:  das 
enjambement.  Genaueres  gehört  in  eine  reimteclmik  des 
H.  S.  Nur  die  frage  sei  aufgeworfen,  ob  jemand  wirklich 
Verständnis  für  natürlichen  rhythmus  hat,  der  sich  folgende 
verse  erlaubt: 

1)  Adjectiv  und  Substantiv  getrennt. 

FS.  1,202,  389  ich  sprach,  wo  sind  denn  die  verkerten  || 

münch,  pfaffen  vnd  falsche  gelerten. 
1,216,11     ein  drünckenpolcz,  voll  aller  groben  || 

laster,  das  er  in  nit  künt  loben. 
1,271,64    der  sprach,  du  pist  ein  küng  ob  allen  || 

thieren  und  thust  dein  ding  mit  gwalt. 
1,289,41     (nichs  phielt)  wie  mocht  den  graben  || 

rock  ich  denn  phalten  haben. 

1,316,53    (als  dem  gröbsten)  den  plaben  || 
hiiet  mocht  zv  dragen  haben. 

1,466,4      durch  den  finsteru  vnd  vugehewrn  || 

walt,  der  rechten  lantstrassen  nach. 
1,469,120  vnd  der  gleich  auch  an  allen  frechen  || 

dieren,  so  vns  im  gauczeu  laut. 
1,515,108  sprang  drauff  mit  füessen  vnd  mit  herben  || 

Worten  schalt  er  den  wasserkrug. 
1,546,87    (die  fraw  autwort:)  den  alten  || 

han  wollen  wir  pehalten. 


478  MAYER 

FS.  1,591,8      er  sprach,  du  fragest  mich  eins  schlechten  || 
(lings,  das  schier  alle  pawren  wissen. 

1,  592,  -1:8    im  rat  drat  herfür  ein  vralter  || 

hünd  vnd  sprach,  ich  rat  entlich  das. 

2,59,86      daranff  man  den  heyligen  fruraen  || 
Laurencium  gepraten  liat. 

2, 404;  52    derhalb  sein  kacz  wirt  pald  das  pest  || 
fiech  werden  durch  sein  füUerey. 

2)  Präposition  und  Substantiv  getrennt. 

FS.  1,236,  83    und  saget  wunder  von  || 

der  kranckheit  idennon. 
1,405, 170  so  sagt  man  auch,  nimant  kum  von  || 

dem  dancz  so  gut,  als  er  dran  ging. 
1,421,50    maint  ein  mensch  sol  sich  richten  nach  || 

der  Weisheit  in  all  seinem  leben. 
1,556,39    der  glaser  ging,  nam  sein  al  aus  |1 

dem  fischphalter,  hilt  in  zu  haus. 
1,577,89    kuecht  Haincz  seczet  sein  messer  on  || 

laib,  wolt  ein  grofs  stuck  schneiden  thon. 
1,579,154  das  ich  den  Hainczen  schrecket  von  || 

den  krapffen?  vnd  legt  an  dem  end. 
2,61,28      den  das  sich  müfst  legen  ein  || 

das  grab  zum  dotten  Stauadio. 

3)  Und  am  ende  des  ersten  verses. 

FS.  1, 162,  39    der  pfaff  sich  segnet  vnde  || 
recht  wie  ein  pfeiffer  stunde. 
2,200,63    sein  kunst  war  nur  fantasey  vnd  || 
maint  wen  ainer  in  offen  stund. 

4)  Hilfsverbum  und  infinitiv  getrennt, 

FS.  1,293,  9      der  schwab  ein  sack  mit  nüssen  wolt  || 
Stelen,  aber  der  mercker  solt. 

1,460,83    durch  sein  anschleg,  die  er  verheln  || 
thut,  maint,  sie  küm  im  gwis  nit  fein. 

1,555,109  das  nimant  durch  sein  schimpf  i)eladen  || 

werd  mit  schand,  schmach,  nachtail  vnd  schaden. 

5)  Artikel  und  Substantiv  getrennt. 

FS.  1,296,  44    das  er  iras  abhawt.    da  Hoch  der  || 

thumprobst,  stiefs  etlich  pild  darnider. 
1,453,72    ich  wart  ein  teil,  zu  sehen  den  || 

vrbring,  als  ich  zusach  dem  kegeln. 


DIE   RHYTHMIK   DES   HANS   SACHS.  479 

FS.  1,  510,  88    sie  stund  da  vnd  sach  gar  wol  das  || 

flaisch  war  hin,  die  suppen  da  schwara. 
1,587,119  dolpet,  vngschickt,  so  spricht  man  der  || 

mensch  ist  ein  rechter  Fünsinger. 
2,242,14    die  ich  auch  selb  hab  pracht  aus  dem  || 

heiligen  lant  Jerusalem. 
2,59,89      als  nun  der  künig  las  an  dem  || 

prief  die  klag  vnd  haimlichen  ding. 
2,288,122  da  müst  von  herczen  lachen  der  || 

Centelon,  lis  gutwillig  nach. 
W.  2,  90,  7        der  jung  vermaint  nit  änderst  der  || 

hirt  sein  leiblicher  vater  wer. 
2,374,11     am  sibenden  tag  sagtens  der  || 

kranck  kaiser  gar  verschieden  wer. 
3,426,32    ich  sprach,  wen  man  braucht  müfsig  den  || 

Wollust,  wie  kan  er  pringen  schaden. 
4,201,29    und  ein  scheflein,  doch  das  || 

eisen  nur  hülczin  was. 
2,221,7      vnd  aiich  mit  rosenwasser;  das  || 

kraut  Avüchs  und  wudlet  also  sehr  (dr). 
4,45,35      bist  stillschweigend  geleichsam  der  || 

Hipocrates  dein  meister  wer. 

6)  Einzelnes. 

FS.  1,  408,  96    dardurch  er  kreüczweis  ging  vnd  nom  || 

war,  wie  da  in  dem  keller  sein. 
1,429,36    als  der  edelman  huret,  das  || 

der  Schneider  diseni  paurenknecht. 
2,237,1      im  puch  der  alten  weisen  las  || 

ich,  wie  das  ein  ainsidel  was. 
2,201,  115  zum  leczten  schrier  doch  einer  dw  || 

sack,  deck  die  paczet  maunczen  zu. 
2,238,42    als  ich  also  von  meiner  schar  || 

schaf,  wen  ichs  zehen  jar  ausdrib. 
W.  3,  576, 16    auf  den  reichstegn  sucht  ich  des  reichs  || 

wolfart,  da  fund  ich  vil  ungleichs. 

§  15. 

Ich  fasse  nocli  einmal  die  behandelten  punkte  zusammen. 

Dass  H.  S.  die  verse  seiner  spr.  nach  den  für  mhd.  dichtung 
geltenden  rhythmisrlieii  gesetzen  gebaut  habe,  ist  unbeweisbar. 
Vielmehr  ist  anzunehmen,  dass  er  diese  technik  nicht  kannte. 


480  MAYER 

1)  In  verseil  mit  nominal-  oder  verbalcompositum  am  ende 
ist  der  sclnvere  ausgang  x  X  oft  erst  kiinstlicli  aus  x  x  X  ^her- 
gestellt, der  silbenzahl  wegen,  obwol  diese  auch  auf  anderem 
wege  erreicht  werden  konnte, 

2)  Zahlreiche  verse  enthalten  ausser  der  den  vierten,  den 
reimictus  tragenden  silbe  nach  mhd.  technik  noch  mindestens 
vier  zu  betonende  Stammsilben  coordinierter  begriffe.  Ent- 
sprechend bei  'dreihebigen'  versen. 

3)  Steht  eine  ableitungssilbe  im  reim,  so  begegnen  in 
einer  anzalil  von  versen  mit  dem  ausgang  x  x  ausser  der  reim- 
silbe  noch  vier  betonte  Stammsilben, 

4)  Zahlreich  sind  die  fälle,  in  denen  eine  tonlose  flexions- 
silbe  alleinige  trägerin  des  reinies  ist. 

5)  Auch  Worte  mit  ableitungssilbe  im  versende  vom  typus 
XXX  bilden  mit  noch  drei  und  mehr  coordinierten  begriffen 
einen  vers. 

6)  In  zahlreichen  fällen  wird  ein  vers  gebildet  durch  fünf, 
sechs,  sieben  und  acht  verbundene  und  unverbundene  ein-  und 
mehrsilbige  begriffe. 

7)  Noch  häufiger  sind  verse  zu  treffen,  in  denen  fünf, 
sechs  und  mehr  über-  und  untergeordnete  begriffe  die  vers- 
einheit  bilden, 

8)  Schwere  enjambements,  wie  zerreissung  von  artikel  und 
Substantiv  durch  den  reim  kommen  vor. 

Die  angeführten  punkte  lassen  sich  mit  für  mhd, 
rhythmik  geltenden  gesetzen  nicht  vereinigen.  H,  S, 
kannte  diese  technik  also  nicht.  In  sämmtlichen 
fällen  fügen  sich  aber  die  verse  der  silbenzahl;  also 
war  diese  das  den  vers  beherschende  princip,  und  da 
häufig  der  reim  die  Überordnung  einer  grammatisch 
minder  betonten  oder  gar  unbetonten  silbe  über  eine 
stark  betonte  verlangt,  so  war  die  silbenzahl  mit  der 
accentverletzung  verbunden.  Die  dichtungen  des  H,  S. 
'bieten  meist  nichts  anderes  als  eine  mit  den  rohesten  gewalt- 
mitteln  in  das  metrische  Schema  gezwängte  prosa.  Rücksichtslos 
zählt  er  seine  vielfach  sprachwidrig  gereckten  und  verstüm- 
melten Silben  in  die  verse  und  Strophen  hinein,  nicht  allein 
unter  Vernachlässigung  der  natürlichen  betonung,  sondern  auch 


DIE   RHYTHMIK    DES   HANS   SACHS.  481 

ohne  alles  g-efülil  für  liarmonie  zwischen  satzban  und  metri- 
scher gliederung''  (Vogt.  Pauls  Grundr.  2-,  299),  d.h.  den  vers 
des  Hans  Sachs  beherscht  als  rhythmisches  princip 
die  arrhythmie. 

II.    Die  klippklapptechnik. 

§  16. 

Welche  mittel  wendet  der  dichter  nun  an.  um  einen  vers 
von  vorgeschriebener  länge  zu  bilden?  Ich  beschränke  mich 
bei  der  beantwortung  der  frage  wider  auf  die  si)ruchgedichte. 
Für  die  meistergesänge  ist  in  manchen  punkten  wie  auftakt, 
silbenzahl  u.  a.  ohne  kennt nis  der  nielodie  keine  sichere  ent- 
scheidung  zu  treffen.  Ich  ziehe  deshalb  die  mg.  nur  bei 
solchen  erscheinungen  heran,  die  sich  als  grammatische  pro- 
cesse  beurteilen  lassen,  also  besonders  bei  wortverstümmelungen 
oder  zerdehnungen.  Eingehendere  Untersuchungen  über  den 
bau  der  mg.  stehen  von  anderer  seite  bevor. 

Es  sei  erlaubt,  das  ergebnis  meiner  Untersuchung  voran- 
zuschicken. 

1)  Die  silbenzahl  stellt  sich  in  den  spr.  ganz  über- 
wiegend auf  8  fest,  so  dass  iambischen  rhythmus  an- 
zunehmen nahe  liegt.  Neuusilbige  verse  mit  klingendem 
ausgang  werden  vom  dichter  sichtlich  gemieden,  und  oft  wird 
der  achtzahl  der  silben  zu  liebe  grammatisch  klingender  aus- 
gang rein  äusserlich  durch  sprachwidrige  synkope  in  stumpfen 
verwandelt.  Verse,  die  das  mass  von  8  silben  nicht  erreichen 
oder  bei  stumpfem  ausgang  über  das  von  8,  bei  klingendem 
über  das  von  9  hinausgehen,  sind  verschwindend  selten  und 
lassen  sich  stets  gemäss  der  technik  des  dichters  auf  das 
richtige  mass  bringen. 

2)  Der  dichter  bevorzugt  entschieden  am  anfang 
des  verses  ein  logisch  unbetontes  einsilbiges  wort 
oder  eine  vorsilbe  (iambischer  eingang). 

3)  Für  die  erscheinungen  der  Wortverkürzung  und 
-zerdehnung,  apokope,  synkope,  epithese  lassen  sich 
grammatische  regeln  nicht  aufstellen.  Sie  zeigen  sich 
in  jeder  grammatischen  kategorie  und  jeder  lautlichen  Um- 
gebung und  jeder  metrischen  Stellung. 


482  MAYER 

4)  Entspreclieiid  dieser  willkür  in  der  wortbehand- 
lung  zeigt  sich  auch  in  der  accentuierung  der  silben 
gesetzlosigkeit.  Die  accentverletzungen  treten  bei  jeder 
silbengattung  und  an  jeder  versstelle  auf. 

§  17. 
a)  Silbenzahl  in  spr. 

Die  meisten  spr.  haben  für  den  vers  8  silben  bei  stumpfem, 
9  bei  klingendem  ausgang.  Gedichte  von  6  bez.  7  silbigen 
versen  sind  selten,  z.  b.  in  FS.  1  und  2  nur  no.  48.  52.  53.  56. 
57.  59.  60.  71.  77.  79.  85.  87.  92.  97.  98.  110.  111.  112.  119. 
120.  125.  126.  156.  303.  343.  386,  im  ganzen  1914  verse. 
Metrische  oder  stilistische  unterschiede  von  den  andern  sind 
nicht  vorhanden.  —  Die  silbenzahl  8,  9  bez.  6,  7  ist  in  der 
hs.  genau  eingehalten.  Abweichungen  sind  selten.  Im  h.  S. 
sind  unter  1142  versen  17  zu  kurz,  11  zu  lang.  Die  notwendigen 
änderungen  sind  schon  von  Goetze  getroffen  worden. 

320  hs.  mein  ernholt,  thtv  pald  ansafjen  :  mein  erenholt,  thw  palä  an- 
sagen, 606  hs.  das  wil  ich  ivillig  gern  thon  :  das  wil  ich  tvillig  geren  ihon, 
64-8  hs.  drümb  flicht,  sagt  vater  vnd  niüeter  mein  :  drümh  flicht,  sagt  vatr 
vnd  müeter  mein.  So  noch  80.  114.  231.  482.  511.  580.  655.  759.  766.  790. 
816.  867.  871.  948.  953.  959.  1003.  1006.  1026.  1113. 

In  mehreren  versen  würde  ich  anders  als  Goetze  lesen: 

449  hs.  zaig  mir  den  wege  oder  ich  wil,  G.  iveg  oder;  wahrscheinlicher 
ist  mir  wegen  des  epithetischen  e:  ivege  odr,  470  hs.  ich  sach  nie  Jcain  er- 
schrecklichem wurm,  (y.  schrecJclichern;  wahrscheinlicher  ersc/w*ecM^c7^rn,  683 
hs.  der  halben  ich  euch  hieher  pracht  hab,  G.  derhalb ;  statt  dessen  derhalbn, 
684  hs.  kreftig  confect,  damit  thtit  euch  laben,  G.  kreftig  confect  mit  . . . ; 
statt  dessen  kreftg  confect  damit  . . . ,  823  hs.  gegen  riesen,  lielden  vnd  den 
imermen,  G.  (den):  statt  dessen  mit  erhaltung  des  artikels  gegn. 

Das  sind  aber  belanglose  kleinigkeiten.  Für  den  h.  S. 
zeigt  sich  jedenfalls,  dass  gewöhnlich  ein  -e-  oder  -i-  zu  viel 
oder  zu  wenig  geschrieben  ist.  Ein  wörtchen  ist  einzusetzen 
in  114  noch,  655  hie,  947  er,  1006  dem,  1113  gar. 

In  den  Fsp.  58 — 85  fallen  auf  ca.  10000  verse  ca.  30  zu 
kurze,  ca.  200  zu  lange,  also  2, 3proc.  unvollkommener  verse. 
Die  änderungen  ergeben  sich  leicht. 

Zu  kurz  sind  in  der  hs.  z.  h.: 

o,  85,  40  zern,  vnd  list  mich  darnach  kochen  :  zeren, 

5,  95, 297  ich  mag  dich  nicht  mer  ansehen  :  anesehen, 

6, 8, 233  diesen  heilling,  krefting  segen  :  heilligen, 


DIE   RHYTHMIK   DES   HANS    SACHS. 


483 


6, 129,  232  (larnadi  igliche  haimlawff  :  haime, 

6, 151,  48    mit  lauten,  singn  vnd  hoffirn  :  singen, 

6, 156, 199  ich  glaub,  wer  mich  gestochn  het  :  gestochen. 

Zu  lang  z.  b.: 
5, 85, 25  an  pfarer  von  Rissenpurg  pegert  :  pfarr, 
5,  86, 55  so  hab  ich  den  winter  futr  vnd  mal  :  wintr, 
5,  86,  61  ja,  werlich  es  sint  dem  pader  worn  :  padr, 
5, 86,  62  zwo  entn  auf  der  obern  pank  erfrorn  :  obrn, 
5,  86,  71  die  wil  ich  halb  sieden  vnd  halb  pachen  :  siedn, 
5,  87,  96  mein  Ewlenspiegel,  darzw  ich  pin  :  Ewlenspiegl. 

§  18. 
b)  Reimlänge. 

Zum  beweise  meiner  behauptung,  dass  H.  S.  für  die  spr. 
stumpfen  ausgang  entschieden  bevorzugt,  gebe  ich  eine  tabelle 
über  das  Zahlenverhältnis  der  verschiedenen  ausgangsarten 
des  verses  nach  Fsp.  58 — 85.  Unter  a)  ist  die  zahl  der  in 
spräche  und  schrift  einsilbigen  reime  angegeben  wie  pest:fest; 
unter  b)  solcher  wie  sagn  :  tagn,  d.  h.  in  der  schrift  einsilbig, 
mhd.  zweisilbiger,  stumpfer  reim,  oder  wie  crdn  :  iverdn,  d.h. 
mhd.  zweisilbig  klingender  reim;  unter  c)  solcher  wie  liahcn 
:  hiaben,  d. h.  mhd.  zweisilbiger,  stumpfer  reim,  oder  wie  iv'mden 
:  binden,  d.  h.  mhd.  zweisilbig  klingender  reim. 


no. 

verszahl 

a 

b 

c 

no. 

verszah 

a 

b 

c 

58 

362 

228 

2 

128 

72 

400 

260 

— 

140 

59 

366 

218 

4 

144 

73 

399') 

277 

— 

122 

60 

336 

222 

— 

114 

74 

414 

298 

2 

114 

61 

386 

290 

4 

92 

75 

492  2) 

315 

34 

143 

62 

432 

296 

12 

124 

76 

430 

302 

16 

112 

63 

380 

268 

— 

112 

77 

330 

244 

2 

84 

64 

380 

252 

4 

124 

78 

286 

174 

10 

102 

65 

350 

238 

6 

106 

79 

354 

244 

6 

104 

66 

328 

178 

2 

148 

80 

352 

234 

8 

110 

67 

380 

254 

— 

126 

81 

398 

170 

— 

228 

68 

456 

330 

— 

126 

82 

324 

220 

— 

104 

69 

372 

254 

— 

118 

83 

340 

250 

— 

90 

70 

326 

212 

6 

108 

84 

468 

359 

— 

109 

71 

400 

280 

— 

120 

85 

640 

470 

4 

166 

[m  ganzen  74,  6 

proc. 

einsilbig 

e  reime. 

')  In  Goetzes  Zählung  scheint  der  dreireim  6, 136, 21.  22.  23  übersehen 
zu  sein. 

2)  Die  beiden  lieder  7,  5, 134—139.  9, 249—258  abgerechnet. 


484 


MAYER 


Absolute  riclitigkeit  der  zahlangaben  wurde  nicht  erstrebt, 
aber  es  kann  kein  zweifei  sein,  dass  der  dichter  einsilbigen 
ausgang  des  verses  wollte,  selbst  wenn  auch  nur  äusserlich 
für  das  aüge  einsilbigkeit  des  reimes  erzielt  wird. 

Interessant  ist  es,  auf  diesen  punkt  hin  hs.  und  druck  zu 
vergleichen.  Nach  Dreschers  handexemplar  von  W.  1 — 5  ist 
sehr  häufig  durch  apokope  oder  sj^nkope  ein  zweisilbiger  reim 
der  hs.  im  druck  einsilbig  geworden: 

z.  b.  4,  244, 11  dr.  fantasey  :  melancholei/,  hs.  fantaseye  :  melancholeye ; 
4,442,35  dr.  fürwar  :  jar,  hs.  fürware  :  jare;  2,288,9  thür  :  für,  hs.  thürc 
:  füre;  oder  1,  411,  3  zaln  :  schaln,  hs.  zalen  :  schalen;  2,  342,  26  jarn  :  erfarn, 
hs.jare»  :  erfaren;  5,  2,96,  B5nari-n:verharrn,  hs.  narren-.verharren;  5,274,8 
erhabn  :  labn,  hs.  erhaben  :  Iahen ;  3, 118,  b  scfiadn-.ladn,  hs.  schaden -.laden; 
1, 109, 15  jafjn  :  fracjn,  hs.  jagen  :  fragen. 

Bedeutend  seltener  entspricht  klingender  reim  im  druck 
stumpfem  der  hs.: 

z.  b.  4,343,5  kindel :  umidel,  hs.  Mndl :  tvindl;  4,233,25  feiver  :  vn- 
gehewer,  hs.  feivr  :  vngeheicr;  4, 100,26  fraget :  saget,  hs.  fragt :  sagt. 

Vgl.  tab.  IIa  und  IIb. 

IIa. 


Hs. 

klingend 

er 

reim 

wird 

stumpf 

in  dr 

• 

-e 

-el 

-er 

-em 

-en 

-CS 

-et 

-est 

Sa. 

nach  vocal 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

2 

n 

l 

— 

— 

— 

— 

6 

— 

1 

— 

7 

» 

r 

2 

— 

— 

— 

51 

— 

1 

— 

54 

» 

m 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

3 

— 

3 

n 

n 

f 
s 

1 

— 

— 

— 

5 
4 

— 

1 

— 

2 
5 

8 

3 



— 

. — 

— 

1 

— 

)? 

(c)h 

— 

— 

— 

— 

4 

— 

1 

1 

6 

H 

b 

— 

— 

— 

— 

18 

— 

2 

— 

20 

)) 

d 

3 

— 

— 

— 

6 

2 

— 

— 

11 

» 

9 

1 

— 

— 

— 

14 

— 

8 

1 

24 

« 

P 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

n 

t 

2 

—  ■ 

— 

— 

4 

— 

— 

— 

6 

)) 

k 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

6 

— 

7 

Sa. 

13 

— 

— 

— 

113 

2 

25 

2 

155 

DIE   RHYTHMIK    DES   HANS   SACHS. 


48^ 


IIb. 


Hs. 

stumpfer  reim  wird 

klingend 

in  dr 

-e 

-el     -er     -em     -en 

-es 

-et 

-est 

Sa. 

nach  vocal 

— 

-      13      -      — 

— 

— 

— 

13 

)) 

l 

— 

_      _      _        4 

— 

— 

— 

4 

» 

r 

— 

-      -      —      22 

— 

4 

— 

26 

in 

— 

—      —      —      — 

— 

— 

— 

— 

n 

— 

—      —      —      — 

— 

— 

— 

— 

f 

— 

—      —      —      — 

— 

— 

— 

— 

s 

— 

_      _      _      _ 

— 

— 

1 

1 

ic)h 

— 

-      -      -        1 

— 

— 

— 

1 

n 

h 

— 

—      —      —        2 

— 

1 

— 

3 

n 

d 

— 

1      -      —      — 

— 

— 

— 

1 

n 

9 

— 

—      —      —      — 

— 

2 

— 

2 

« 

P 

— 

—      —      —      — 

— 

— 

— 

— 

n 

t 

— 

—      —      —      — 

— 

1 

— 

1 

)i 

k 

— 

_      _      _        1 

— 

3 

— 

4 

Sa. 

— 

1       13      —      30 

— 

11 

1 

56 

Sichere  ergebnisse  liefert  die  Zusammenstellung  nicht; 
aber  es  scheint  doch,  dass  der  dichter,  mag  er  nun  für 
den  ersten  band  seiner  gesammelten  werke  die  'correctur'  in 
unserem  sinne  gelesen  haben  oder  nicht,  in  seinem  bestreben, 
einsilbigen  versschluss  zu  erreichen,  nachträglich 
über  sein  manuscript  hinausgegangen  ist.  Das  zeigen 
besonders  die  dieser  marotte  zu  liebe  vorgenommenen  sprach- 
widrigen Synkopen  nach  h,  d,  g,  t,  Je,  auch  f,  s,  {c)h,  dem  gegen- 
über das  entgegengesetzte  bemühen,  im  druck  dem  text  durch 
hinzufügung  von  -e  ein  mehr  schriftgemässes  aussehen  zu  geben, 
entschieden  zurücktritt.  Das  ergebnis  bleibt  bestehen,  selbst 
wenn  H.  S.  nicht  der  urheber  der  änderungen  ist,  sondern  wenn 
sie  dem  drucker  zufallen. 


§  19. 
c)   Auftakt. 
Im  h.  S.  finde  ich  folgende  Verhältnisse: 
1)  Ein  einsilbiges,  logisch  tonloses  wort  steht  vor 
einem  logisch  betonten  am  versanfang:  ca.  650mal;  z.  b. 


486  MAYER 

1,  3    den  erberu  lierrn  vnd  zuchting  frawen, 

1. 4  vnd  all,  so  wollen  hörn  vnd  schaweu, 

1. 5  ain  wunderwirdige  history, 

^  1, 8    der  künig  Sigmund  wart  genant, 
1, 11  an  siten,  tugent  vnd  verstant, 
1, 14  in  wildem  wald  vnd  in  verprennt  u.  a. 

2)  Eine  unbetonte  vorsilbe  steht  am  anfang  des 
verses:  60  mal;  z.  b. 

1, 13    erschlug  ein  trachen  mit  der  hent, 

2,  34    geladen  in  den  rosengarten, 

2,  44    erstachen  schlaffent  pey  aim  prunnen, 
4, 104  pelaitten  soln  auf  hundert  man, 

12,  333  eretten  sie  von  dem  verderben. 

13,  369  genug  zv  essn  vnd  drincken  pringen  u.  a. 

3)  Ein  einsilbiges  betontes  wort  steht  am  anfang 
des  verses  vor  einem  unbetonten:  ca.  330  mal;  z.  b. 

1, 1    hail  vnd  glück  sey  den  erenfesten, 

1,  6    wol  zu  pehalten  in  memory, 

1, 16  flos  aus  dem  fewer  wie  ain  j)ach, 

2,  53  got  mir  ein  sun  pescheret  hat, 

2,  55  der  sich  darzv  nicht  schicket  wol, 

3,  81  solt  jr  in  dem  im  folgen  thun  u.  a. 

4)  Ein  zweisilbiges  auf  der  ersten  silbe  betontes 
wort  steht  am  anfang  des  verses. 

a)  Namen:  15  mal;  z.  b. 

2,  42    Dietrich  von  Fern  pegüting  thet, 

4, 100  Sewfrid,  mein  allerliebster  sun, 

7, 176  Sewfrid,  kum  rein,  mein  lieber  knecht  u.  a. 

ß)  Nominalcomposita:  7  mal;  z.  b. 

4,  99    ernholt,  Sewfriden  pringen  thw, 

8,  220  hofizucht  leren  mit  allem  fleifs, 

9,  231  grosmechtger  küng,  eurn  künglich  hoff  u.  a. 

/)  Stammsilbe  +  nachsilbe:  10  mal;  z.  b. 

1, 20    künig  Gibich  het  ain  dochtr  zart, 

2,  312  sitlich,  ganz  hoflich  vnd  gemach, 

31,846  küenheit  vnd  hochmüt  thut  in  treiben  u.a. 

d)  vn-  unbetont:  3  mal; 

3,  71     vngenietet  vnd  vnerfaren, 
18,  508  vnrwig  vnd  munter  gemacht, 
24,  671  vngessen  pis  au  virden  tag. 

t)  Stammsilbe  +  (flexions)silbe:  67  mal;  z.  b. 
1, 10    welcher  all  hüfflickait  vermeit, 


DIE   RHYTHMIK    DES   HANS   SACHS.  487 

4, 105    alle  vou  adel  wolgetan, 

2,  45      ireu  schwager  SeAvfrid  darnach, 

4, 109    aiideru  kunier  sün  gleich  nid  eben. 
11.  295    lebent  secht  ir  mich  iiimer  mer. 
40, 1097  schaffet  das  vurecht  gros  vnd  klain  n.  a. 

Von  den  1142  versen  des  h.  S.  haben  ca.  650  +  60  =  62,1 
proc.  iambischen  eingang;  bei  ca.  330  =  28,9  proc.  ist  er  wenig- 
stens nicht  ausgeschlossen;  nur  15  +  7  +  10  +  3  +  67  = 
weniger  als  9  proc.  haben  ihrem  grammatischem  accent  zufolge 
trochäischen  beginn,  immerhin  eine  so  kleine  zahl,  dass  der 
gedanke  an  absichtliche  häufung  der  verse  mit  iainbischem 
eingang  nicht  abzuweisen  ist. 

§  20. 
d)  Apokope. 
Es  beschäftigt  uns  hier  nur  die  frage,  inwieweit  die  apo- 
kope ein   mittel  zur  versbildung  ist ,  d.  h.  in  welcher  gestalt 
werte  der  gleichen  grammatischen  kategorie  mit  ursprünglich 
auslautendem  -e  im  verse  der  spr.  erscheinen. 

Ich  beschränke  mich  auf  nachweisungen  für  die  1.  3.  sg. 
ind.  conj.  praet.  sw.  v.  und  den  nom.  sg.  sw.  adj.  nach  FS.  1, 153 
— 186,  einem  material  von  1122  versen. 

Die  1.  3.  sg.  ind.  conj.  praet.  sw.  v.  endigt  stets  auf  t,  im 
ganzen  ca.  140: 

z.  b.  (ich)  Mnt  das  157,  7,  (ich)  het  mit  159,  53,  (ich)  fragt  was  159,  68, 
hört  ich  157,12,  (ich)  sagt  im  158,48,  (ich)  ilachi  an  160,115;  —  (er)  het 
wider  154,4,  (er)  wolt  der  156,99,  (er)  fült  nach  161,21,  schickt  er  154,9, 
(er)  rieht  an  155,  57,  (er)  zünt  an  155,  69.  Wo  die  silbeuzahl  zweisilbige 
form  verlangt,  ist  e  vor  t  gestellt:  (ich)  erhöret  153,2,  (er)  u-eret  155,74, 
(er)  erquicket  157, 116,  (er)  droet  157, 119,  (er)  nehet  158, 17,  (er)  strewet 
161,  23,  (ich)  warnet  162,  48,  (er)  schlemet  163,  34,  (er)  machet  164,  39,  (er) 
verprasset  164,  48,  (ich)  ergrimet  166,  32,  (er)  riieffet  167, 72. 

Bei  dem  nom.  sg.  sw.  adj.  schwankt  der  gebrauch: 

dieser  karge  alter  164,  41,  der  schwechste  werckzeivg  167, 103,  der  drite 
schmack  170, 38,  der  virde  gschmack  170, 50,  der  fünfte  gschmack  170,  64, 
difs  eilende  ...  heer  158,51;  —  der  siies  geschmack  169,9,  der  sechst 
gschmack  171,  80,  der  gros  kaiser  181, 1,  die  iceis  ameis  157, 126,  die  stick- 
finster  nacht  157,  8,  die  gantz  weit  184,  56,  das  frostig  heer  156,  79,  dies 
ivütent  heer  158,  51,  das  alt  Sprichwort  186,  59. 

Die  erhaltung  des  -e  ist  nur  an  die  silbeuzahl  gebunden; 
die  lautliche  Umgebung  ist  ohne  \\irkung. 


488  MAYER 

Vgl.  nach  h.  S.  vor  vocal:  mt'cde  vnd  26,  lOi.  Weitere  belege  fehlen 
in  h.  S.,  vgl.  noch  FS.  2  müelle  vnd  618,  3,  arme  vberall  607, 20,  korbe  vnd 
607,21,  paide  vnd  622,56,  j^egirde  vnd  606,119,  vnde  alt  621,28;  —  vor 
Vorsilbe:  seine  glieder  1,17;  vgl.  noch  FS.  2  u-olgestalte  glieder  605,68; 
—  vor  consonant:  diese  zeit  14,381,  grabe  tragen  35,958,  trewe  that 
41,1134,  alle  rast  12,340,  schwere  räch  2,46,  seine  Hengst  b,lB4:,  weyse  ret 
41, 1134,  kurze  zeit  13,  367,  künicliche  magt  13,  347,  liebe  dochter  28,  764, 
vierde  jar  23,  639,  gepirge  hoch  12,  338,  rotte  pluet  19, 539. 

Im  ganzen  findet  sich  auslautendes  unbetontes  -e  im  h.  S., 
dazu  in  MG.  2,  bl.  x— 28  und  FS.  2,  601—626  (im  ganzen  in 
ca.  3350  versen)  nur  ca.  163  mal  und  zwar  vor  vocal  nach 
kurzer  silbe  3  mal,  vor  vocal  nach  langer  silbe  22  mal,  vor 
cons.  nach  kurzer  silbe  13  mal,  vor  cons.  nach  langer  silbe 
125  mal,  ein  beweis,  wie  stark  bei  unserem  dichter  die 
neigung  zur  apokopierung  ist. 

Noch  stärker  zeigt  sich  die  abneigung  des  dichters  gegen 
auslautendes  -e  im  reim.  Ich  habe  schon  darauf  hingewiesen, 
dass  die  endsilbenreime  auf  ungedeckte  -e  ausserordentlich 
selten  sind.  H.  S.  meidet  überhaupt  reime  mit  -e  in  den  spruch- 
gedichten:  h.  S.  so  wenig  wie  FS.  1  und  2  haben  irgend  einen 
reim  mit  ausl.  ungedecktem  -e.     Stets  wird  apokopiert: 

z.  b.  h.  S.  2,  46  {die)  räch,  4, 117  (er)  pelaid,  7, 175  {ich)  hob,  7, 181 
{dem)  geheivs,   8,  202  {dem)  ent,   8,  219  {der)  tveis,  \\.  s.  w. 

Ausnahmen  begegnen  in  den  'dreihebigen'  versen; 

z.  b.  FS.  1,161,2  {dem)  tage,  161,26  {er)  were,  162,45  {die)  stende; 
oft  nur  epithetisch:  161,1  {er)  läge,  161,19  {er)  abschiede,  162,28  {er) 
läge,  162,  35  {er)  peschisse,  162,  40  {er)  stunde,  162,  40  (er)  duete,  163, 1  {er) 
wase,  163,  5  (er)  hübe,  163,  21  (er)  pesone,  163,  22  {den)  mone,  163,  25  (er) 
fünde,  163,  27  (er)  pate,  u.  s.  w.  Es  sind  in  FS.  1  und  2  no.  52.  53.  79.  85. 
92.  97.  98.  110.  112.  119.  125.  126.  156.  303.  386  im  ganzen  1006  verse.  In 
diesen  stehen  stehen  142  reime  mit  -e,  davon  50  mit  epithetischem  -e. 

Wenn  also  die  endsilbenreime  auf  -e  bei  H.  S.  so  selten 
begegnen,  so  ist  daraus  kein  schluss  auf  die  metrische  kunst 
des  dichters  zu  ziehen,  etwa  dass  ein  richtiges  gefühl  ihn  vor 
dieser  stärksten  aller  accentverletzungen  gewarnt  habe;  ich 
glaube  eher,  dass  die  apokope  seiner  spräche  gemäss  war. 
Dann  wären  die  im  verse  und  reime  vorkommenden  -e  als 
epithetisch  zu  fassen,  wie  für  den  reim  die  spr.  es  nahe 
legen.  Entscheiden  lässt  sich  freilich  im  einzelnen  falle  die 
Sache  nicht. 


DIE   RHYTHMIK    DES   HANS   SACHS.  489 

§21. 

e)   S  y  n  k  0  p  e. 

1)  Am  ende  des  Wortes. 

Ich  behandle  hier  nur  solche  fälle,  wo  die  synkope  zwischen 

verschlusslaut  oder  spirant  und  l,  r,  m,  n  stattfindet,  also  von 

der  mundartlichen  deutung  des  Schriftbildes  abgesehen,  als 

sprachwidrig  bezeichnet  werden  niuss.    Die  folgende  Sammlung 

nach  Fsp.  58—85. 

a)  Kurze  Stammsilbe  +  synkopierter  nebensilbe 

in  der  hebung. 

Vor  vocal: 

hosn  vnd  6, 160,  313,  üebl  erschreckt  5,  93,  243,  abr  ein  6,  112, 149,  stadl 
ah-  6,  59, 191,  fidl  vnd  5, 141, 132,  hedr  vnd  6, 18, 143,  fogl  vnd  7, 124,  310, 
schwigr  euer  6, 151,  23,  legn  ein  7,  4, 104,  gscgn  euch  7, 116,  95,  erlogn  ins 
5,93,232,  vatr  ain  6,23,274;  im  ganzen  ca.  60  mal. 

Vor  consonantisch  beginnender  vorsilbe: 

habn  pegert  5, 104, 171,  hahn  gelesen  6,  47, 180,  edl  gejporn  6, 144,  244; 
im  ganzen  ca.  20  mal. 

Vor  consonantisch  beginnender  Stammsilbe: 

esl  (lud  5, 147,  323,  gelesn  die  6,  42,  22,  abr  so  5, 118, 186,  habn  zv 
5, 140, 94,  habns  die  5, 118, 188,  padr  dem  5, 110,  345,  tragn  so  6, 43, 65, 
gesotn  wie  6,132,321;  im  ganzen  ca.  75  mal. 

ß)   Kurze  Stammsilbe  +  nebensilbe  in  der  Senkung. 

Vor  vocal: 
hosn  vnd  7,  94, 243,  habn  ab  6, 127, 183,  obn  vnd  6, 157, 228;  im  ganzen 
ca.  20  mal. 

Vor  consonantisch  beginnender  Stammsilbe: 

vbl  lest  7,  57,  282,  abr  mein  7, 128,  72,  habn  dragn  6,  50, 275,  fidl  pogen 
5, 141, 135,  widr  machen  6, 127, 185,  redn  dich  6,  2,  45,  gsegn  dich  5, 124, 18; 
im  ganzen  ca.  30  mal. 

7)  Kurze  Stammsilbe  +  nebensilbe  im  auftakt. 
Vor  vocal: 

vbr  ee  6,  31,  91,  habn  ob  6, 1, 18,  odr  ich  6, 1G2,  357 ;  im  ganzen  ca.  lOmal. 

Vor  consonantisch  beginnender  Stammsilbe: 

vbr  vier  5, 101,  55,  habn  judn  7,  35,  409,  odr  mit  6, 145,  274. 

6)  Zahlreicher  noch  sind  die  beispiele  für  synkope  nach 
langer  Stammsilbe. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXVlll,  32 


490  MAYER 

In  der  hebung: 

«  ngl  auf  7, 149, 205,  handl  verscJmigen  6, 138, 72,  schlaffn  gelegt  7,91, 163, 
löffl  sambt  7,  84,  301,  pfaffn  lieber  6,  89,  243,  liebr  was  6,  30,  65,  abnt  rüest 
5, 146, 267,  •  achzg  claler  7,  85,  338,  ilreissg  daler  7,  32,  323,  dreissg  dalern 
7, 34,  375,  zwainzg  dalern  5,  85,  43,  zivainzg  jaren  7, 148, 169 ;  im  ganzen 
ca.  200  mal. 

In  der  Senkung: 

tvurczl  aller  6, 105,  319,  eeprechr  vnd  6, 31, 91,  prenckn  gumnshv  7, 103, 63, 
Ewlenspigl  hat  5,85,23,  Fünsingr  loern  5,111,362,  pfaffn  füllen  6,34,175; 
im  ganzen  ca.  125  mal. 

Im  auftakt: 

satl  vnd  7,  90, 148,  sünder  ain  6, 161,  319,  morgn  opfer  6,  89,  240,  Künczl 
3Iayers  7,61,13,  senftr  setj  5,102,106,  iverffn  pis  0,1-18,329 ;  im  ganzen 
ca.  30  mal. 

s)  Synkopierung  findet  sich  also  in  allen  Stellungen,  nach 
kurzer  und  langer  silbe,  vor  vocal  und  consonant,  in  der  hebung, 
Senkung  und  im  auftakt.  Auffällig  ist  sie  nach  kurzer  silbe 
in  der  hebung.  Wäre  dem  dichter  die  ältere  technik  bekannt 
gewesen,  so  niüsste  man  erwarten,  dass  er  von  der  rein  ortho- 
graphischen Verstümmelung  des  wortes  absah  und  sich  die 
verschleifung  in  der  hebung  erlaubte.  Oder  ist  diese  Ver- 
stümmelung doch  nicht  rein  orthographisch,  sondern  etwa  der 
ausgleich  zwischen  der  dem  dichter  eignen  Sprechweise  solcher 
Worte  wie  haben,  ledig,  ligen  und  der  vorbildlichen  Orthographie? 
Möglich  ist  jedenfalls,  dass  derartige  worte  in  der  mundart 
des  dichters  einsilbig  waren,  und  die  in  den  Nürnberger  fast- 
nachtspielen des  15.  jh.'s  so  häufigen  reime  wie  haben  :  laden, 
geben  :  degen,  schaden  :  tragen  u.  a.  könnten  darauf  hinweisen. 
Keinesfalls  aber  waren  in  dieser  art  einsilbig  worte  wie 
sauffen,  salczen,  dencken,  und  wenn  im  vers  so  oft  sauff'n, 
salczn,  denckn  begegnet,  so  ist  darin  eine  orthographische 
Willkür  aus  metrischen  rücksichten  zu  erblicken. 

Um  so  auffälliger  ist  die  gegenteilige  beobachtung,  dass 
worte  wie  haben,  ledig,  ligen  auch  als  ganzer  fuss  gemessen 
werden.    Die  folgende  Zusammenstellung  nach  h.  S. 

1)  Mhd.  vLx  =  nhd.  .^x- 

6, 175    sprecht,  darin  halt  ein  koler  haüs, 
28,757    also  hab  ichs  verloren  paid, 

5, 125    was  wöl  wir  nemen  vnter  banden, 
24,656    so  müstw  nemen  jenes  schwert, 
41,1125  nur  fert  mit  freffel  vnd  gewalt, 


DIE  RHYTHMIK   DES  HANS   SACHS.  49l 

18,  507  der  trach  der  hat  mich  diese  nacht, 
2,49    hören  vnd  sehen  in  dem  spiel, 
35,958  dem  wil  man  icz  zv  grabe  tragen, 
29,796  mit  allem  adel  an  dem  Rein, 
3,87    mit  jagen,  heczen  vnd  hoffieren, 
10,253  herczliebster  herr  vnd  vater  mein. 
Im  ganzen  steht  kurzer  vocal  +  nachsilbe  als  ganzer  fuss  bei  -ler  3  m., 
-len  3  m.,   -rer  1  m.,   -ren  2  m.,  -rent  1  m.,  -men  3  m.,    -ner  2  m.,   -net  2  m., 
-nig  3  m.,  -nigs  2  m.,  -nigin  3  m.,  -niglich  3  m.,  -fei  1  m.,  -se  3  m.,  -sei  1  m., 
-ser  6  m.,    -sem  5  m.,    -sen  8  m.,    -hei  7  m.,    -hen  3  m.,    -be  1  m.,    -bei  1  m., 
-her  6  m.,    -bert  1  m.,     -ben  19  m.,     -bent  2  m.,    -bent/'g  1  m.,     -bens  3  m., 
-bet  5  m.,  -bich  4  m.,  -bichs  1  m.,  -del  3  m.,  -der  16  m.,  -den  3  m.,   -dig  3  m., 
-ge  2  m.,   -(/er  1  m.,   -gen  20  m.,   -r/enf  3  m.,    -gest  1  m.,    -get  8  m.,    -<er  5  m., 
-tern  1  m.,  -ie>i  2  m. 

2)   Mhd.  s^x  =  nlid.  v::x. 
13,346  got,  dir  sey  es  im  himel  clagt, 
1,11    an  siten,  tugeut  vnd  verstant. 
Im  ganzen  -mel  1  m.,  -tner  1  m.,  -men  6  m.,  -met  2  m.,  -inest  2  m.,  -ten  1  m. 

In  allen  anderen  fällen,  wo  mhd.  v^  x  =  ''^^^^-  -  x  ^^2.  ^  x 
auftritt,  liegt  entweder  tonversetzung-  oder  synkope  vor, 

C)  Hierher  gehören  auch  die  zahlreich  begegnenden 
kurz  formen  sol  wir,  peger  wi?;  hob  wir.  Sind  sie  auch  an 
und  für  sich  ein  rest  älterer  technik,  so  geht  doch  H.  S. 
weit  über  den  mhd.  gebrauch  hinaus,  indem  er  von 
Stämmen  aller  art  solche  verkürzte  formen  bildet. 
Material  Fsp.  58— 85. 

Nach  kurzer  silbe: 

sol  ivir  5,  85,  23,  peger  wir  7, 19,  508,  kumb  tvir  6,  34, 195,  hab  icir 
6,20,212,  dag  ivir  6,145,278;  im  ganzen  30  mal. 

Nach  langer  silbe: 

sey  u-ir  5, 104, 168,  tcöll  ivir  5,  97,  349,  wer  wir  5, 107,  251,  Mm  tvir 
6,101,191,  ktm  wir  6,61,260,  /<o//"  zmr  7,  35,  413,  as  wir6,bSAT2,  sech  wir 
6,  45, 134,  Verderb  ivir  6,  20,  211,  find  wir  6, 102,  232,  trüg  wir  7, 14,  383, 
het  ivir  5,99,11,  drünck  wir  6,57,124;  im  ganzen  ca.  120  mal. 

/;)  Aehnlich  steht  es  um  die  zusammenziehung  von 
-igen  zu  -ing,  -liehen  zu  -Vmy.  Mag  sie  auch  der  mundart  des 
dichters  eigentümlich  sein,  so  dient  sie  doch  nur  metri- 
schen zwecken,    Material  Fsp.  58— 85. 

im  staicbing  w'eter  5,  87,  83,  vom  Imcsing  pfaffen  5,  94,  251,  V07n  heilling 
lunt  b,  125,  4Q,  vgl.  5, 126,  59.  5,151,429.  6,53,1.  6,88,220,  den  lawsing 
pfaffen  5,  84, 16,  den  heilling  segen  6,  8, 223,  ein  glückseling  gang  6, 11,  312, 
vgl.  6,23,274.  24,306.  162,364.  140,127.  7,114,52.  127,46,  in  der  vnseling 

32* 


492  MAYER 

l'rancl-Jtcit  5, 128, 125,  die  laivsing  pfaffen  5, 118, 188,  ?V  poshafting  herrn 
6,145,271,  von  heilling  dingen  5,180,189,  den  vnparmherczing  iveiben 
5, 134,  325,  mit  vbring  zechen  6,  44, 111,  vgl.  6, 161,  329.  163,  329.  7,  37, 19. 
105,139,  (yie)  peining  die  6,125,117;  —  des  schentling  knechcz  7,160,462, 
dem  eling  stant  6, 13,  380.  6, 119,  360.  365.  120,  399.  7, 167,  640,  kain  sched- 
ling  man  6,  36,  244,  ain  haimling  schacz  7,  24, 116,  in  haimling  retten  6,  83,  78. 

§  22. 

2)  Am  anfang  des  Wortes. 

Ich  berücksichtige  nur  die  synkopierung  von  e   in  den 

Vorsilben  he-  und  r/e-,  die  am  häufigsten  ist.     Die  von  Minor, 

Nhd.  metr."^  s.  173   erwälmte  Verstümmelung  von  ver-  zu  v-  ist 

mir  aus  handschriftlichen  texten  nicht  bekannt. 

a)  Die  Vorsilbe  ist  als  Senkung  erhalten. 

be-:  h.  S.  1,  6  ivol  zvpehalten  in  memory,  2,  27  den  er pestrit  zum  vierden 
mal,  2,  42  Dietrich  von  Fern  pegüting  thet,  2,  53  got  mir  ain  sun  pescheret 
hat,  S,  79  ja,  weil  Scivfrid,  das  thut  pegern,  4:,  111  kain  hoffgesind,  das  mich 
pelaid.  —  MGr.  2  der  leo  sich  piecläget  X,  die  nuch{t)  pedetvt  die  sünde  X ', 
der  leb  den  Bäbst  pedcwtte  1,  in  vctterlich  pehüetle  2',  da  würden  sie  pe- 
trtibet  äl  3',  Johannes  vns  peschreiben  düt  5. 

ge-:  h.  S.  1,8  der  künig  Sigmund  wart  genant,  1,23  auf  ein  gepirg 
vnmenschlich  hoch,  3,  89  das  wird  im  den  aiich  wolgefallen,  3,  91  wii-t  den 
auch  ertig  vnd  geschlacht,  3,  92  als  den  gepürt  ains  künigs  sun,  4, 105  alle 
von  adel  tvol  getan.  —  MG.  2  in  der  schrift  vngegründe  X',  kein  mensch- 
geivält  sunder  nur  göt  1,  er  hat  gehandelt  nimer  2,  mit  straff  gegrünt  2, 
vnd  sein  gerechtikeitte  2',  damit  vns  däüit  hat  gespeist  3'. 

ß)  Die  Vorsilbe  ist  synkopiert. 

be-:  vor  s:  doch  ir  pjruder  aus  neid  inipsünen  h.  S.  2,  43;  —  vor  st: 
des  ist  mein  handl  vnpstendig  gancz  FS.  2,  612, 21;  —  vor  seh:  die  reder 
mit  sehineisen  bschlagen  h.  S.  5, 127,  zumb  pschlufs  so  icil  ich  euch  ver- 
monen  h.  S.  40, 1109,  das  pschaut  Momos  aüsen  vnd  inen  FS.  2,  604,  40;  — 
vor  h:  tml  phalten  mich  in  holen  stain  h.  S.  25,697,  vnd  phelt  ein  güet 
sicher  gewissen  FS.  2,  623,  95.  —  In  MG.  2  bl.  X— 28  fehlen  belege;  nur 
pleiben  steht  regelmässig. 

ge-:  vor  iv:  h.  S.  wil  mit  der  hant  mir  giv inen  gmrng  4,115,  in  gwalt 
vnd  künklich  herschaft  seczen  14,  383,  den  kämpf  er  dardurch  givinen  Ican 
34,936.  —  MG.  2  sprecht,  wer  wir  gwessen  zv  der  zeit  12',  von  mein  wegen 
euch  das  vngvntter  diitte  16;  —  vor  i:  h.  S.  das  glaid  uwl  wir  dir  geben 
naus  4, 122,  Seiofrid,  ich  wil  das  glaid  euch  geben  27,  726,  wir  ivollen  euch 
das  glaid  naus  geben  36, 1000.  —  MG.  2  wee  euch  schriftgiert  j)hariseer  11, 
wee  euch  schriftgiert  phariseer  entwicht  12,  wee  euch  schriftgiert  phariseer 
unrein  12';  —  vor  r:  h.  8.  eltren  so  ain  vnghraten  sum,  40, 1112,  desgl.  FS. 
2,  616,  49.  70.  620,  90.  93.  MG.  2  — ;  —  vor  m:  h.  S.  darnach  elicher  gmahel 
sem  12,  326,  desgl.  28,755.  29,799.  32,878.  33,911.  —  MG.  2—;  —  vor  n: 


DIE   RHYTHMIK   DES   HANS   SACHS.  493 

h.  S.  ivil  mit  der  hant  mir  gwinen  gnung  4, 115,  desgl.  6, 161.  —  MG.  2  — ;  — 
vor  f:  h.  S.  die  von  eim  icurm  hingßrt  ist  ivorn  28,753,  desgl.  31,848.  — 
MG.  2  vür  ir  räthewser  nntworten  mit  gferden,  desgl.  25.  26;  —  vor  s:  h.  S. 
vater  vnd  viuter  gsegn  euch  got  11,  293,  desgl.  40, 1107.  —  MG.  2  das  ir  wandet 
im  gsecz pelih  verpfUchte  2,  desgl.  9'.  10'.  12.  19';  —  vor  st:  h.  S.  die  iceil  dw 
hast  des  gstiren  kunst  27,  734,  desgl.  FS.  2,  605,  77.  616,  55.  618, 19.  619,  42. 

—  MG.  2  —  ;  —  vor  h:  h.  S.  pein  schtvenczen  übert  maiver  ghangen  17,483.  — 
MG.  2  — ;  —  vor  j)  (=h):  h.  S.  vnter  dem  pirg  in  seim  gehews  7, 181,  desgl. 
15,  404.  22, 615.  622.  24,  663.  664.  —  MG.  2  — ;  —  vor  r/:  h.  S.  hab  auch  nit 
gessen  noch  getruncken  14,398,  desgl.  25, 681.  27,742.  —  MG.  2  denn  es  sol  euch 
ZV  der  stunt  icerden  geben  13';  —  vor  p:  h.  S.  — -.  —  MG.  2  iverden  verfolget, 
peiniget,  verhönet  2,  desgl.  11,19;  —  vor  ^:  FS.  het  ain  suntag  vor  fas- 
nacht  zecht  2,  615, 14.  —  MG.  2  icas  ir  hant  thän  einem  vnter  7,  desgl.  14'. 
16;  —  vor  Ä:  h.  S.  got,  dir  sey  es  im  himel  clagt  13,346,  desgl.  39,1079. 

—  MG.  2  so  wirt  die  stät  vmkeret  17. 

Die  liste  zeigt  deutlich,  dass  die  natur  des  folgenden 
lautes  ohne  einfluss  auf  die  s3"nkopierung'  im  verse 
ist;  diese  regelt  sich  vielmehr  nach  der  silbenzahl. 

§  23. 
3)  Anschleifung  des  pronomens  u.a. 
Material  Fsp.  58-85. 

die  =  t:  mir  tlewt  5, 100,  21,  ir  tnasen  5, 148,  333,  vürt  lucken  6, 15,  49, 
dir  tfawst  6,  48, 230,  vbert  gamillen  6,  25,  335,  mirt  icürcz  7,  63, 135 ;  im  ganzen 
ca.  50  ra;  —  es  ^  s:  ivis  im  7,  51,  55,  dus  getroffen  7, 118, 138,  pewars  dester 
6,72,196,  dirs  selbert  6,73,241,  mirs  nit  6,125,139,  mirs  die  7,51,46;  im 
ganzen  ca.  36  m.;  —  sie  =  s:  ers  zvm  6,50,265,  ers  so  7,165,594,  sams 
ein  6,  20, 193,  mans  in  7,  8, 227,  reckens  iren  7,  9,  251,  habens  vns  7, 167,  633 ; 
im  ganzen  15  m.;  —  das  =  s:  ers  maicl  7,149,205;  vbers  feit  7,96,295, 
ins  haivs  6, 139, 113,  ans  hosduech  7,  41, 145,  ins  wirczhatvs  7,  74,  45,  geben 
sglait  7,32,327;  im  ganzen  15  m.;  —  des  =  s:  ztisjuden  {haits)7,33,S-iß; 

—  du  =^  t:  ivilt  also  6,26,357,  ivilt  vm  6,99,138,  kumbst  vngeschlagen 
6, 10,  298,  darfst  den  5, 110,  324,  sagst  mein  5, 138,  24;  im  ganzen  ca.  30  m.; 

—  ir  =^  r:  maintr  das  5,104,165;  —  in  =  n:  iviltun  nit  6,43,65,  wiln 
entpfahen  7, 16,  425,  dirn  in  6,  51,  300,  fürn  auf  7, 143,  49,  icini  ewidich 
7,146,120,  dirn  ich  7,157,388,  habn  im  5,107,257,  soltn  dem  5,148,328; 

—  zu=^z:  dürfzessen  5,99, 11^  lustig  zessen  7, 6H,2il,  nit  zwegenb,13b, 3G9, 
morgen  znacht  6,21,231.  7,26,164,  mit  zfressen  5,\Q\,h2  mich  zfriden 
7,  98,  353,  leichter  zhoicken  5, 100,  49,  crewczer  zton  5, 103, 140.  —  Ganz 
geläufig  sind  die  leichtesten  verschleifungen  von  {d)em  zu  m,  (d)en  zu  n, 
z.  b.  aim  kind  7, 119, 181,  aim  tceib  7, 166,  604,  meim  knecht  7,  99,  383,  zum 
nasenküng  7,118,144,  vorm  stat  7,41,139,  aufm  tveg  7, 135,  290,  ausm  scherm 
7,77,120;  —  pein  pf er  den  7,90,147,  zun  fleischpencken  7,102,38,  peyn 
fieischpencken  1,103,  GS,  woZ«  /m/s  7, 136,  304,  dirn  korb  6,  bl,  313,  vbern 
icald  5,  87,  84,  hintern  siadel  7,  83,  284,  ausn  äugen  6, 15,  27. 


494  MAYER 

§  24. 
f)  Epithese  von  -e. 
Ein  .letztes  mittel  zur  versbildung  ist  die  anhängung  des 
unorganischen  -e  an  das  fertige  wort.  Grammatische  unter- 
schiede sind  auch  hier  nicht  vorhanden.  Es  ist  gleich- 
giltig,  ob-  das  nächste  wort  mit  vocal  oder  consonant  beginnt; 
der  hiatus  spielt  bei  H.  S.  keine  rolle.    Material  Fsp.  58 — 85. 

{(las)  lohe  jehen  6, 109,  60.  7, 16,  435,  (das)  weihe  mein  6,  29,  20,  (das) 
hawse  mein  6,  81,  7.  85, 135,  (das)  jare  hewer  6,  -15, 141,  (das)  lande  oder 
7, 152,  267,  (die)  hulde  soweit  5, 129, 165,  (die)  zeite  hah  5, 126, 60,  vnde  nacht 
5, 144,  214.  6,  74,  274,  vnde  det  6, 107,  7,  hereine  ffcn  6, 108,  42,  nichte  thon 
7,  61,  71,  pringe  vns  6, 101, 181,  peschaide  mich  6,  99, 143.  7, 152, 274,  kimbe 
herein  5,  92,  219. 

§  25. 
g)  Die  accentverletzung. 
Es  erübrigt  noch,  die  handhabung  der  von  den  angeführten 
argumenten  erwiesenen  accentverletzung  zu  zeigen.  Ist  es 
richtig,  dass  die  grammatische  kategorie  für  die  metrische 
behandlung  des  wortes  bedeutungslos  ist,  so  steht  zu  er- 
warten, dass  sich  die  accentverletzung  bei  jeder  end- 
silbe  und  an  jeder  stelle  im  verse  zeigt.  Ich  lege  die 
beispiele  aus  h.  S.  vor.  Die  zahlen  1.  2.  3.  4  vor  den  citaten 
bedeuten  die  tonstelle  im  verse. 

1)  Das  zweite  glied  eines  compositums  mit  anf angs- 
betonung  hat  den  ictus. 

«)  Namen. 

1)  9,  224  Crimhilt,  ganz  holt  seliger  art,  desgl.  2,  42.  38, 1058.  35,  955. 
7,126.  15,420;  im  ganzen  14  mal;  —  2)  2,41  den  doch  Crimhilt  vom  dot 
eret,  desgl.  34,  940.  3,  79;  im  ganzen  17  mal;  —  3)  2,  33  nach  dem  wart  von 
Crimhilt,  der  zarten,  desgl.  2,  35.  35,  972.  2,  45 ;  im  ganzen  8  mal ;  —  4)  1,  21 
ZV  Wurms  am  Bein,  die  hies  Crimhilt,  desgl.  2, 39. 1, 9. 15, 418 ;  im  ganzen  10  mal. 

Vgl.  noch  32,873  von  Frähant  den  herzögen  her;  31,850  zv  im  den 
hersog  aus  Frabändt  ( :  hant),  desgl.  31,  859. 

ß)  Substantiva  und  adjectiva. 

1)  12,'S10durchleuchtigerküng,peymemr  er,  desgl.  4,99.  9,231.10,253; 
im  ganzen  6  mal ;  —  2)  5, 145  vnd  nit  farlessig,  noch  fawl  sein,  desgl.  29,  799. 
39,1080.  12,332;  im  ganzen  8 mal;  —  3)  9,227  fierolt,  ge  ins  fraw(e)nzimer 
nein,  desgl.  19,520.  32,873.  41,1132;  im  ganzen  13  mal;  —  4)  26,704  vor 
müede  vnd  groser  amacht,  desgl.  3,82.  13,353.  40, 1114j  im  ganzen  15  mal. 


DIE  RHYTHMIK  DES  HANS  SACHS.  495 

y)  Verbalcomposita  mit  der  betonung  xx. 

1)  8,  219  u-il  mich  ahton  ineinr  yroben  weii^,  desgl.  6, 154.  19, 537. 
29,786;  im  ganzen  6  mal;  —  2)  11,  305  als  ichs  im  luft  hinfuren  sach;  desgl. 
37,1029.  41,1130.  1132;  im  ganzen  13  mal;  —  4)  6,160  wie  wöll  wir  dieses 
knechz  abkümen,  desgl.  16,439.  19,536.  21,592;  im  ganzen  15  mal. 

ö)  Andere  composita  mit  anfangsbetonung. 

1)  24, 663  dreymal  liastw  lirochen  dein  eid,  desgl.  33, 919.  36, 998. 
37,1017;  im  ganzen  12  mal;  —  2)  33,907  den  ich  izund  kunib  sv  volenden. 

s)  vn-,  vr-. 

1)  24,671  imgessen  pis  an  virden  tag,  desgl.  18,  508;  —  2)  3,77  das 
sie  vnaH  vnd  lasier  fliehen,  desgl.  19,  534.  27,  746;  —  3)  1,  23  anff  ein  gepirg 
rnmensclüich  hoch,  desgl.  15,404.  24,661.  40,1102;  im  ganzen  6  mal;  — 
4)  14,380  drumb  mein  Crimhilt,  las  dein  vnmüet,  desgl.  2, 43, 59 ;  — 
3)  34,935  ich  habs  nit  on  vrsach  gethon. 

Q  Composita  mit  der  betonung  xx- 

11, 284  dem  ihürnier  allein  schäwen  sv,  desgl.  6, 168.  22,  604.  25,  689; 
im  ganzen  7  mal. 

2)  Eine  ableitungssilbe  hat  den  ictus. 

1)  31,846  küenheit  vnd  hochmuet  thuet  in  treiben;  —  2)  20,553  dir 
ZV  ewigem  hon  vnd  spot;  —  3)  10,276  schaff'  ich  dir  ros,  hämisch  vnd  sper; 

—  4)  21,  577  darein  gel  ein  st  igen  warlich  (  :  sich);  —  haf't:  41, 1120  (2);  — 
heit  31,846  (1).  30,811  (4);  —  ig:  25,684  (1).  20,553,2;  im  ganzen  5mal; 
40,1104  (3);  im  ganzen  12 mal;  —  ling:  9,235  (2).  14,373  (4);  —  isch 
10,276  (3);  im  ganzen  2  mal;  —  lieh  2,28  (1);  im  ganzen  7  mal;  12,326 
(2);  im  ganzen  6  mal;  37,1002  (3);  im  ganzen  9  mal;  21,574  (4);  —  lich- 
kait:  3,60  (2).  3,85(3);  —  sam:  11,285  (3);  im  ganzen  4  mal;  —  schaft: 
41,1140  (2);  im  ganzen  2 mal;  —  tum:  11,296  (3).  41,1129  (4);  —  gibich 
4,103  (2).  27.724  (4);  —  herölt  9,227.  35,951  (1). 

3)  Das  erste  glied  eines  verbalcompositums  hat 
den  ictus. 

1)  22,  622  vyid  entschleus  vns  des  pirges  pforten,  desgl.  9,  226.  3,  71- 
26,717.  17,469.  24,666;  im  ganzen  12  mal;  —  2)  26,715  auch  habt  ir  er- 
lost gleicher  loeis,  desgl.  14,395.  28,769.  40,1110;  im  ganzen  8  mal;  — 
3)  12,  318  tvert  man  sie  frisch  vnd  gesftnt  (innen,  desgl.  5, 147.  34,  925. 

4)  Eine  flexionssilbe  hat  den  ictus. 

-e:  1)  an  erster  stelle:  4,105  alle  von  adel  wol  getan,  desgl.  13,364. 
28,  769.  31,  857;  —  2)  an  zweiter  stelle:  9,  241  das  mus  alle  gfar  sein  gewagt, 
desgl.  18,503;  —  3)  an  dritter  stelle:  4,123  vür  das  kunigliche  hoff  haus, 
desgl.  28,  770. el:  2)  10,  265  wie  der  adel  thurnieren  thw,  desgl.  41, 1122; 

—  3)  10.  267  thtv  mit  anderm  adel  thurnieren,  desgl.  18,  503.  28,  755.  — 
-elt:  3)  2,59  starck,  ruedisch  vnd  handelt  vnpillig.  —  -er:  1)  2,54  ivelcher 


496  MAYER,   DIE   KIIYTIIMIK   DES   HANS   SACHS. 

nach  mir  regieren  sol,  desgl.  5,130.  131.  133.  139.  6,152.  163;  im  ganzen 
29  mal:  —  2)  5. 133  vnser  pfleger  hat  raus  entpoten,  desgl.  5, 140.  149.  9,  247. 
12,310.  321.  16,458;  im  ganzen  24  mal;  —  3)  3,68  die  laut  hin  vnd  ivider 
peschau-e»,  •desgl.  10,  269.  14,  387.  15,412.  18,504.  508.  21,590;  im  ganzen 
16  mal.   —  -ern:  1)  A,  100  andern  kfinig  sioi  f/leich  vnd  eben,  Aesgl.  40,1112; 

—  2)  3,  88  von  den  ritern  vnd  edlen  allen,  desgl.  10,  267.  39, 1072.  40, 1092. 
1100.   —  -ers:  3)  3,84  da  er  auch  sieht  ander fs  hoff  halten,  desgl.  7,  184. 

—  -em:  3)  8,199  sol  ich  nit  von  fjrofsem  glück  sagen,  desgl.  18,515.  — 
-en:  1)  3,  6ö  eben  gleich  aitn  lantfarer  wandern,  desgl.  5, 126.  7,173.  10,261. 
13,356.  14,397.  22,603;  im  ganzen  23  mal;  —  2)  4,118  möcht  wol  sehen 
drey  fraidig  mon,  desgl.  5,138.  8,220.  9,233.  236.  242.  10,250;  im  ganzen 
42  mal ;  —  3)  3,  69  das  elent  versiiechen  vnd  paicen,  desgl.  8, 203.  213. 
9,239.  10,258.  13,353.  17,485;  im  ganzen  27  mal.  —  -ens:  1)  19,518 
schlagens  peger  ich  nicht  von  dir.  —  -ent:  1)  11,295  lebent  secht  ir  mich 
nimer  mer,  desgl.  12,324;  —  3)  3,73  die  frembd  lert  guet  tugent  vndsiten, 
desgl.  35,965.  —  -et:  1)  40,1097  straffet  das  vnrecht  gros  vnd  Main;  — 
2)  3,  71  vngenietet  vnd  vnerfaren,  desgl.  19,  533.  25,693.  700.  35,963.  41,1141; 

—  3)  27,  741  das  stiren,  das  zaiget  auf  dich,  desgl.  28,758. es:  3)  25,675 

vnd  gebt  euch  in  dodes  gefer;  —  -est:  2)  5, 143  Ja,  dw  kumest  mir  recht 
vnd  eben. 

Ich  breche  damit  ab.  Die  aufgäbe  dieses  zweiten  teiles 
der  Untersuchung  war  es,  zu  zeigen,  wie  die  mundartlich  so 
weit  verbreiteten  erscheiuungen  der  apokope,  synkope  und 
epithese  bei  H.  Sachs  sich  nur  nach  der  silbenzahl  der 
verse  richten,  wie  in  den  gleichen  grammatischen  kategorien 
verschiedener  gebrauch  herscht  je  nach  dem  bedürfnis,  die  vor- 
geschriebene silbenzahl  zu  erreichen.  Der  grammatische 
wert  der  erscheiuungen,  bes.  der  epithese,  ist  eine  frage,  die 
nur  im  Zusammenhang  mit  den  gleichen  erscheiuungen  bei 
Zeitgenossen  unseres  dichters  auf  grund  seiner  prosa  richtig 
gewürdigt  werden  kann.  Für  unsere  zwecke  war  die  sonder- 
betrachtung  erlaubt  und  durch  die  fülle  des  materials  geboten, 
hoffentlich  nicht  zum  nachteil  der  beweiskraft  der  für  die  hier 
vorgetragene  these  angeführten  momente. 

Nicht  alle  fragen  sind  erledigt,  und  manches  konnte  nur 
gestreift  werden.  Eine  fortsetzung  dieser  Studien,  die  reim- 
technik  des  HansSachs  in  Zusammenhang  mit  der  seiner 
Zeitgenossen,  wird  seit  längerem  von  mir  vorbereitet  und  kann 
hoffentlich  in  nicht  allzu  ferner  zeit  erscheinen. 

CÖLN  a.  Rh.  CHR.  AUG.  MAYER. 


GRAMMATISCHES. 

LH.   Zu  der  auf  schleif-  bez.  stosstoniger  smsspraclie  der 
eudsilben  basierten  aiislauttheorie. ') 

A. 
Dass  besagte  theorie  sich  der  älteren  aiislauttheorie  gegen- 
über in  gewissen  hinsichten  empfiehlt,  wird  von  keinem  un- 
befangenen geleugnet  werden:  sie  lässt  sich  für  das  got.  glatt 
durchführen  und  erklärt  auch  manche  westgerm.  und  nord. 
erscheinung  einfacher  als  die  alte  fassung.  Andrerseits  aber 
stellen  sich  einer  annähme  der  jüngeren  hypothese,  wenigstens 
in  ihrer  bisherigen  formulierung,  auf  westgerm.  und  nord.  ge- 
biete nicht  zu  unterschätzende  hindernisse  in  den  Aveg,  die 
hier  ein  skeptisches  und  abwartendes  oder  sogar  ein  ablehnen- 
des verhalten  rechtfertigen  dürften.  Eben  diese  anstösse  ver- 
anlassten mich  vor  einigen  jähren  zu  einer  neuen  prüfung  der 
alten  theorie,  d.h.  zu  dem  versuch,  ohne  die  annähme  von 
einwirkung  der  beiderlei  betonungen  auf  die  entwickelung 
der  endsilben,  den  auslautgesetzen  beizukommen  (s.  diese  Beitr. 
21, 480  ff.).  Doch  führte  dieser  versuch,  wie  ich  eingestehen 
muss,  nicht  zu  einer  in  allen  stücken  befriedigenden  lösung 
der  frage.  Und  so  behielt  ich  in  der  folge  die  schwierige 
controverse  fortwährend  im  äuge,  bis  es  mir  schliesslich,  wie 
ich  glaube,  gelang,  mit  dem  problem  ins  reine  zu  kommen, 
indem  es  mir  klar  wurde,  dass  die  alte  theorie  als  nicht  zum 
ziele  führend  aufzugeben  und  die  accenthypothese  zu  acceptieren, 


')  Die  für  den  sachverständigen  leser  meistens  überflüssige  besternte 
bezeichnung  der  angesetzten  formen  ist  in  diesem  und  den  folgenden  artikelu 
unterlassen,  mit  ausnähme  einiger  fälle,  wo  einer  möglichen  falschen  auf- 
fassung  des  gesagten  vorzubeugen  war. 


498  VAN   HELTEN 

jedoch  unter  aufstellung  einer  in  mehreren  punkten 
von  der  bis  jetzt  vertretenen  fassung  abweichenden 
formulierung. 

Nach  gedachter  fassung  wären  für  die  deutung  der  west- 
germ.  und  nord.  endsilben  zwei  kürzungsacte  anzunehmen: 
ein  älterer,  der  (nach  dem  verklingen  von  -t,  -Ö,  -^')  bez. 
der  Umwandlung  von  voc.  +  nasal  in  nasalierten  laut  und 
vor  der  Wirkung  der  vocalapokope)  einen  zweimorigen  (=  ge- 
stossenen)  endungslaut,  ausser  vor  -s  und  -z,  zum  einmorigen 
machte,  einen  dreimorigen  (=  geschleiften),  nicht  vor  -s  oder 
-2  stehenden  laut  zum  zweimorigen  kürzte-);  und  ein  jüngerer 
act,  der  die  nach  der  ersten  kürzung  noch  vorhandenen  zwei- 
morigen laute  zu  einmorigen,  die  noch  vorhandenen  dreimorigen 
(also  die  noch  vor  -5  und  die  einstmals  vor  -z  stehenden)  zu 
zweimorigen  werden  liess. 

Hiernach  wäre  also  für  die  3.  sg.  praet.  ind.  nach  schwacher 
flexion  (mit  altem  stosstonigen  -ep  bez.  -ö^^)  oder  für  -e  aus 
-ep  eingetretenem  -ö,  vgl.  unten  B  zu  7.  8.  10«;  stosstonige 
länge  bezeichne  ich  mit  dem  längezeichen,  schleiftonige  nach 
dem  herschenden  gebrauch  mit  '  )  und  die  3.  sg.  praet.  opt. 
starker  und  schwacher  conjugation  (mit  altem  -tp  oder  nach 
art  von  -iz  der  2.  sg.  durch  einfluss  der  endung  des  praes.  opt., 
vgl.  unten  LV,  umgebildetem  -id)  sowie  für  die  bildungen  mit 
altem  -ön  (des  acc.  sg.  der  ö-stämme,  des  nom.  sg.  der  öw-stämme, 
der  1.  sg.  des  schwachen  praet.  ind.  etc.)  und  -in  (des  nom.  sg. 
der  ?w-stämme)  bei  regelrechter  entwickelung  westgerm.  und 
nord.  Schwund  des  endungsvocals  zu  erwarten.  Für  die  dem- 
gemäss  regelwidrige  erhaltung  des  vocals  in  der  3.  sg.  des 
schwachen  praet.  ind.  (westgerm.  -a,  -e,  an.  -e  bez.  -i)  wäre  nun 
allerdings  zur  not  mit  Streitberg  (Urgerm.  gr.  §  219, 3)  an  die 
möglichkeit  eines  systemzwangs  zu  denken,  durch  den  der  form 


1)  Oder  von  nicht  verschobenen  -d,  -t  (vgl.  Streitberg,  Urgerm.  gr. 
§  129,  7;  doch  wird  in  §  219,  3  dieser  gramm.  -^p  bez.  -ed  für  die  3.sg.  praet. 
ind.  des  schwachen  verbs  angesetzt). 

')  Ob  die  (im  gegensatz  zur  zweigipfligen  =  geschleiften  und  ein- 
gipfligen  =  gestossenen  ausspräche)  durch  keinerlei  tatsache  zu  begründende 
annähme  von  drei-  und  zweimoriger  quantität  aufrecht  zu  halten,  mag 
indirect  aus  in  diesem  artikel  ausgeführtem  hervorgehen. 

3)  Für  ursprünglich  starktonige  endung  spricht  das  -s  der  2.  sg.  {■?$, 
-öS,  -es,  -OS). 


GRAMMATISCHES.  499 

die  gleiche  silbenzahl  garantiert  ward  wie  bei  den  anderen 
personen  des  Singulars.  Für  das  westgerm.  -i,  -e  bez.  -l  (in 
Isidors  und  Notkers  -dii,  -ti)  der  3.  sg.  des  praet.  opt.  könnte 
man  ebenfalls  zur  not  auskommen  bei  der  annähme  von  durch 
die  uniformität  der  für  die  1.  und  3.  sg.  praes.  opt.  verwanten 
endungen  veranlasster  anlehnung  der  3.  sg.  des  praet.  an  die 
1.  sg.  (das  an.  nimmt  hier  bekanntlich  eine  neutrale  Stellung 
ein).  Misslich  aber  steht  es  bei  besagter  theorie  um  die  deu- 
tung  der  entsprechungen  von  -ön  und  -m,  nämlich  ahd.  as. 
altostnfrk.  an.  -a,  ags.  -e,  afries.  -e')  und  ahd.  -/  {-i),  as.  -i, 
aonfrk.  -i,  -e,  an.  -e,  -i,  ags.  -e,  afries.  -e,  denn  die  hypothese, 
dass  hier  durch  nasalierung  erwirkte  quantitätssteigerung  des 
vocals  vorliege  (s.  Streitberg.  Urgerm.  gr.  §  152,  6,  anm.),  m.a.w. 
dass  aus  durch  den  ersten  kürzungsact  entstandenen  -a",  -i" 
gedehnte  -ä",  -i"  hervorgegangen  seien,  woraus  durch  den 
zweiten  kürzungsact  -a,  -i,  befriedigt  gar  wenig:  erstens  ent- 
behrt die  these,  dass  sich  aus  endungsvocal  -f  nasal  im  germ. 
nasalierter  laut  hätte  entwickeln  müssen,  eines  jeglichen  an- 
halts;  und  zweitens  kann  die  postulierte  quantitätssteigerung 
nur  gelten  als  eine  annähme  ad  hoc,  die  ausserdem,  angesichts 
des  Schwunds  von  auf  alte  -on,  -in,  -un  zurückgehenden 
endungen,  die  gleichfalls  nicht  begründete  annähme  nötig 
machen  dürfte,  dass  der  von  haus  aus  kurze,  nasalierte  laut 
vor  besagter  quantitätssteigerung  seine  nasale  qualität  ein- 
gebüsst  hätte.  Dass  ferner  auch  die  von  Walde  (Die  germ. 
auslautsgesetze  28)  vorgebrachten  möglichkeiten,  nämlich  deh- 
nung  von  nasalierter  kürze  mit  verlust  der  nasalierung  zu  -ä, 
-l,  woraus  überlieferte  -a,  -i,  oder  aber  nichtapokopierung  von 
nasaliertem  vocal,  die  hypothese  von  zunächst  aus  -ön,  -in  ent- 
standenen -a",  -i"  nicht  zu  retten  vermag,  liegt  auf  der  hand. 
Auf  grund  von  Notkers  -ä  des  nom.  acc.  pl.  der  substan- 
tivischen ö- Stämme  und  von  (einmal  belegtem)  fridoo  gen.  sg. 
der  Benedict.-regel  setzt  Streitberg  (IF.  G,  145  f.)  neben  durch 


')  Die  afries.  auf  -e"  (aus  -/,  -T,  -ä,  -e«  etc.)  zurückgehende  endung,  die 
in  den  jüngeren  und  jüngsten  deukraälern  als  -3,  nur  für  die  Rüstringer 
dialekte  wegen  des  unter  bestimmten  bedingungen  (vgl.  einstweilen  Axel 
Kock  im  Ark.  f.  nord.  filol.  19,251,  anm.)  daneben  erscheinenden  -i  als  -e<» 
zu  fassen  ist,  bezeichne  ich  hier  und  im  folgenden  durch  die  überlieferte 
Schreibung  -e. 


500  VAN  HELTEN 

den  jüngeren  kürzungsact  hervorgerufener  entstehung  einmoriger 
endungsvocale  aus  zweimorigen  kürzung  zu  zweimorigem  laut 
an  von  altem,  ursprünglich  vor  -z  stehendem  dreimorigen 
endungslaut  (-«  aus  -öz,  -oo  aus  -aüz).  Diesen  -ä  und  -oo  stehen 
jedoch  gegenüber  ahd,  -o  des  nom.  (acc.)  pl.  fem.  nach  pronomi- 
naler declination  1)  (aus  -öz)  und  ahd.  -i  (bei  Notker  -e)  im 
nom.  (acc.)  pl.  und  dat.  {g^n)  sg.  der  i-stämme  (aus  -iz  für 
-iies  bez.  aus  -t  für  -eii,  vgl.  unten  LVII,  1.  2),  die  zum  zweifei 
an  der  richtigkeit  der  beregten  Schlussfolgerung  berechtigen 
und  zu  dem  gedanken  an  die  möglichkeit  auffordern,  dass  für 
diese  -ä  und  -oo  eine  andere  fassung  geltend  zu  machen  sei, 
zumal  sich  auch  bei  Notker  und  Isidor  für  die  3.  sg.  praet.  opt. 
schwacher  conjugation  ein  -*  findet,  das  auf  mit  stosston  an- 
zusetzendes -ip  oder  -W  (vgl.  oben  s.  498)  zurückzuführen  ist. 
M.  a.  w.  es  erhebt  sich  hier  die  frage,  ob  nicht  dem  ehemals 
vor  -z  stehenden,  schleif  tonigen  endungsvocal  ebenso  gut  wie 
dem  ehemals  im  absoluten  auslaut  oder  vor  -t,  -d,  -p,  -n  stehen- 
den in  den  ahd.  quellen  als  norm  kürze  entspricht  und  für  die 
quantität  von  Notkers  -d  ein  anderer  factor  als  der  alte  schleif- 
ton in  anspruch  zu  nehmen  (wegen  des  -oo  von  fridoo  s.  unten 
s.  514). 

Bei  der  bisherigen  fassung  der  accenttheorie'^)  bleibt  ausser- 
dem eine  wichtige  tatsache  unerklärt,  d.h.  die  im  westgerm. 
zu  beobachtende  verschiedene  qualität  der  aus  ursprünglich 
monophthongischen  -ö(-)  und  -ö-  bez.  -e-  und  -e-  hervorgegangenen 

^)  Jellinek  hält  hier  -ö  für  möglich  (s.  Zs.  fda.  Anz.  39, 148,  anm.  und  Zs. 
f.  östr.  gymn.  für  1901,  s.  1083),  weil  die  in  den  eudsilben  doppelschreibung 
gewährenden  denkmäler  für  besagte  casus  zwar  nie  -oo,  aber  auch  nie  -aa 
haben  und  mit  rücksicht  auf  -a  als  Schreibung  für  -ä  auch  -o  als  Schreibung 
für  -5  denkbar  wäre.  Doch  möchte  man  hier  die  frage  stellen,  ob  nicht 
grade  aus  dem  umstand,  dass  in  diesen  quellen  (vgl.  Eeitr.  1,433  f.  2, 138  f.) 
neben  sonstigen  doppelschreibungen  für  unsere  casusendungen  ausnahmslos 
-0  und  -a  begegnen,  auf  kürze  der  endungen  für  den  nem.  acc.  pl.  fem. 
zu  schliessen ;  dass  Notker  -ä  oder  halblanges  -a  sprach,  kann  eben  schwer- 
lich ein  Zeugnis  abgeben  für  auch  in  anderen  ahd.  dialekten  noch  nicht  er- 
folgte radicale  kürzung. 

*)  Den  Beitr.  21,  482  auf  grund  von  germ.  abfall  von  -i  =  lit.  -h  des 
nom.  sg.  erhobenen  einwand  möchte  ich  jetzt  nicht  mehr  erheben,  nachdem 
mir  durch  Hirts  beraerkung  (Beitr.  22,  227)  und  eine  erläuternde  briefliche 
mitteilung  Leskiens  der  Charakter  der  stoss-  und  der  schleiftonigen  aus- 
spräche auch  schwächst  betonter  (sogen,  tonloser)  vocale  klar  geworden. 


GRAMMATISCHES.  501 

endiingslaute:  -o  (ahd.  as.  aonfrk.),  -a  (ags.  afries.)  und  -a  (ahd. 
as.  aonfrk.),  -c  (-«)  (ags.),  -e  (afries.,  vgl.  oben  s.  499,  anm.), 
z.  b.  in  tago,  dago,  dasa,  daga  gen.  pl,  neben  geba,  geba,  s^efe, 
ieve  acc.  sg.,  simga,  tunga,  tunse,  hinge  nom.  sg.;  ahd.  as.  aonfrk. 
^a  des  dat.  sg.  masc.  ntr.  substantivischer  und  adjectivischer 
o-stämme  (aus  -U)  neben  as.  -e  der  3.  sg.  des  schwachen  praet. 
ind.  (aus  -ep)\  weiteres  s.  unten  B  zu  7.  8.  10«  und  ß. 

B. 

Alle  die  hier  in  bezug  auf  die  westgerm.  entwickelung 
hervorgehobenen  anstösse  aber  schwinden  bei  der  annähme 
folgender  für  die  accenttheorie  vorzuschlagender  formulierung, 
die  ich,  wenngleich  selbstverständlich  das  ergebnis  von  deduc- 
tiver  musteruug  der  einschlägigen  fälle,  der  Übersichtlichkeit 
halber  der  begründung  meiner  fassung  vorausschicken  möchte. 

1.  Kürzung  (primäre  kürzung)  stosstoniger,  von  haus  aus 
im  absoluten  auslaut  stehender  längen  (wobei  -ö  zu  -u  wird). 

2.  Gleichzeitig  mit  oder  nach  1  erfolgter  abfall  von  -t, 
-d,  -]j,  -n. 

3.  Qualitative  Schwächung  von  durch  2  in  den  auslaut 
getretenem  -ü  (d.  h.  -ö")  zu  -ä. 

4.  Nach  Vorgang  2  erfolgter  abfall  von  -s. 

5.  Qualitative  Schwächung  von  durch  4  in  den  auslaut 
getretenem  -ö  (d.  h.  -o")  zu  -ä  (der  Vorgang  ist  älteren  datums 
als  der  unter  8  verzeichnete). 

G,  Contraction  von  kurzdiphthong,  d.  h.  von  altem  oder  aus 
langdiphthong  gekürztem  bez.  von  durch  relativ  junge  con- 
traction zweier  endsilben  entstandenem,  also:  von  -ai  zu  -e"; 
von  (nach  IF.  14,  85  ff.  durch  analogiebildung  entstandenen) 
-e''i{-)  zu  -^''(-);  von  (auf  -au  für  -öii  zurückgehendem)  -o'^u  zu 
-ö";  von  (aus  -uX  für  -oi,  äX,  -öl  bez.  aus  -ol-  hervorgegangenen 
bez.  nach  IF.  14,  85  ff.  durch  synaeresis  zweier  längen  ent- 
standenen) -e'7(-)  und  -e"r(-)  zu  -e''(-)  und  -e''(-);  von  (auf  -oüz 
zurückgehendem)  -o"ü  zu  -ö"  oder  von  o''üz  zu  -Ö"^;  (die  con- 
traction ist  älteren  datums  als  der  unter  8  verzeichnete  Vorgang; 
einen  terminus  post  quem  zu  fixieren  vermag  ich  nichts))- 


^)  Die  inschriftlichen  Nchalcn{n)iac  bez.  -e,  Bede,  FimmUenic  (s.  Beitr. 
27, 144.  146)  weisen  nicht  unbedingt  auf  germ.  -ßa  oder  -e<»  des  dat.  sg.  fem. 
hin;  es  wäre  auch  lat.  -ae,  -e  als  Substitut  für  -e^i  denkbar. 


502  VAN   HRLTEN 

7.  Sclnvund  der  geschleiften  (zweigipfligen)  betonung,  die 
durch  die  gestossene  (eingipflige)  ersetzt  wird. 

8.  Kürzung  (secundäre  kürzung)  absolut  auslautender 
längen,  d.  li.  der  ursprünglich  eingipfligen,  durch  consonant- 
apokope  in  den  auslaut  getretenen  sowie  der  durch  7  ein- 
gipflig  gewordenen,  von  haus  aus  absolut  auslautenden  oder 
durch  consonantabfall  oder  consonantabfall  und  vocalschwund 
in  den  auslaut  getretenen;  die  kürzung  erfolgte  später  in  neben- 
toniger als  in  schwachtoniger  endsilbe,  sodass  in  gewissen 
flexionssj'stemen  einstweilen  formen  mit  gekürztem  und  nicht 
gekürztem  endungslaut  neben  einander  herliefen,  von  denen  in 
vereinzelten  fällen  durch  ausgleichung  die  mit  langem  endungs- 
vocal  solche  mit  kurzem  verdrängten;  die  fortsetzung  von  aus 
diphthong  entstandenen  -e,  -e  (d.  h.  -e",  -e")  und  von  ursprüng- 
lich monophthongischem  -e  (d.  h.  -e«)  erscheint  als  -e  (d.  h.  -e»), 
die  von  ursprünglich  monophthongischem  -e  (d.  h.  -e")  hingegen 
als  -a  (was  auf  eine  bei  noch  zweigipfliger  ausspräche  statt- 
gefundene qualitative  Schwächung  des  -e"  zu  -ä'  hinweist);  sonst 
erleidet  die  alte  qualität  bei  der  kürzung  keine  änderung 
(also  z.  b.  -0"  aus  -W'  für  -o«,  -a  aus  -ä,  das  nach  3.  5  aus  -ö" 
entstand). 

9.  Kürzung  (tertiäre  kürzung)  von  während  des  Vorgangs 
8  vor  nicht  apokopiertem  bez.  durch  neubildung  (vgl.  unten 
LY)  angetretenem  conson.  erhaltener  länge  (zugleich  mit  der 
hier  nicht  zu  erörternden,  nämlichen  reduction  von  durch  vocal- 
abfall  in  die  ultima  getretener,  ursprünglich  in  der  paenultima 
stehender  länge).  Aus  -e''-  gekürzter  laut  erscheint  als  -a-, 
nicht  als  -e"-  oder  -a'-  (vgl.  unten  s.  514). 

10.  Durch  qualitative  Schwächung  veranlasster  eintritt  von 
ags.  -e  (-ce),  vorfries.  -e«  (woraus  historisches  -e,  vgl.  oben  s.  499, 
anm.)  für  (im  ahd.  as.  aonfrk.  amfrk.  erscheinendes)  -a  (aus  -ä 
bez.  -ä',  vgl.  oben  3.  5.  8);  von  ags.  afries.  -a  für  -o  (d.h.  -o" 
aus  durch  contraction  entstandenem  bez.  für  -ö"  eingetretenem 
-ö*,  vgl.  oben  6.  7.  8;  die  Schwächung  bildet  eine  parallele  zu 
und  fällt  wol  auch  zeitlich  zusammen  mit  der  entstehung  von 
ags.  -as,  aofries.  -ar  nom.  acc.  pl.  aus  -os,  -or,  vgl.  unten  s.  515, 
ags.  -as{t),  -ad,  afries.  -ast,  -ath  der  2.  3.  sg.  praes.  ind.  aus  -os, 
-op  mit  ursprünglich  in  der  paenultima  stehendem  vocal,  der 
durch  den  in  9  beregten  process  aus  alter  länge  entstanden 


GRAMMATISCHES.  503 

war);  A''on  ags.  -e  (iu  den  ältesten  quellen  noch  -i,  vgl.  Beitr. 
8, 326  ff.),  afries.  -e  für  -i  (aus  durch  consonantapokope  in  den 
auslaut  getretenem  bez.  für  -i  eingetretenem  -i,  vgl.  oben  7.  8 
und  beachte  die  parallele  entwickelung  in  ags.  -es,  -est,  -eth,  -ed 
etc.,  in  den  ältesten  quellen  -ith,  -id  etc.,  afries.  -est,  -eth,  -ed 
etc.  aus  -is,  -ith,  -id  etc.). 

Zu  1.  Belege  sind  die  durch  ältere  oder  jüngere  vocal- 
apokope  (vgl.  unten  LIII)  ihrer  endung  verlustig  gewordenen 
bez.  die  unter  bestimmten  bedingungen  mit  -i  und  -u  (bez.  -o) 
erscheinenden  bildungen: 

die  unten  LXIII 7. 12  zu  deutenden  partikeln  auf  -n  aus  -ne; 

ahd.  -in,  -im,  as.  -in  des  nom.  sg.  der  feminina  auf  -em,  -um, 
as.  -i  in  thhvi  nom.  sg.,  ags.  sihb,  ^ierd,  syden  etc.  nom.  sg.  mit 
altem  -i  (wegen  dieser  auch  für  die  kurzsilbigen  formen  an- 
zusetzenden endung  vgl.  Beitr.  21,  474); 

die  auf  prototj'pen  mit  -ü  zurückgehenden  formen  ohne  -u 
bez.  mit  -u  (-o)  für  den  instr.  sg.  masc.  ntr.  des  o- Substantivs 
und  der  pronominalen  flexion  (ahd.  as.  -u,  -o,  aonfrk.  -u  in  thiu, 
some  -o'),  afi'ies.  thiii,  thio,  dio'^);  für  den  nom.  acc.  pl.  ntr.  der 
o-declination  (ahd.  beim  subst.  und  beim  praedicativ  verwanten 
adj.,  as.  aonfi^k.:*)  ags.  afries.^))  und  des  schwachen  neutrums 
(ahd.  as.  -un,  -on,  aonfrk.  -o"n ^),  aof ries.  -on  ^)  aus  -önö,  vgl.  unten 
S.508);  für  den  nom.sg.  des  ö-substantivs  (ags.  ahd.  as.  aofries.«)) 
und  des  ö-adjectivs  (ahd.  as.  aonfrk.  6)  ags.  aofries.^));  für  den 
dat.  sg.  des  ö-substantivs  (ahd.  as.  aonfrk. ') )  und  den  hiernach 
umgebildeten  dat.  sg.  fem.  pronominaler  flexion  (ahd,  as.  -ru,  -ro, 
aonfrk.  -ro  *>)  mit  altem  -ö  oder  mit  -u  für  den  ultimavocal  von 
den  ags.  -re,  afries.  -re  zu  gründe  liegendem,  für  -siaT  stehen- 
dem -zcü  oder  von  einer  dessen  fortsetzungen);  für  den  dat.  sg. 
masc.  ntr.  pronominaler  flexion  (ahd.  imu,  -emu  etc.,  as.  imu,  -emu, 


1)  S.  Altostnfrk.  gr.  §  86.  75  b- 
-)  S.  V.  Richth.'s  gloss.  1070  b  iiud  Aof  ries.  gr.  §  247. 
=•)  Aonfrk.gr.  §  56  y.  85/9. 

*)  Aofries.  gr.  §  156. 157.  233  y  und  (?)  216,  anm.;  wegen  des  wfries.  be- 
achte die  nom.  acc.  pl.  dier,  poml,  riücht  etc. 
^)  Aonfr.  gr.  §  69.  Aofries.  gr.  §  192/?. 
«)  Aonfrk.  gr.  §  75«.  Aofries.  gr.  §  167.  208. 
')  Aonfrk.  gr.  §  59  /. 
«)  Aonfrk.  gr.§  75  r/.  8b ß. 


504  VAN   HELTEN 

■umu-  etc.,  aonfrk.  imo,  themo?^)  und  as.  them,  im,  -um,  -un,  -om, 
-on,  aonfrk. -0"« 2)^  vgl.  Beitr.  17, 296.  21,462  und  IF.  14,82); 
für  die  1.  sg.  praes.  ind.  (ahd.  as.  ags.-'));  sowie  die  als  urspr. 
nom.  acc.  dual,  zu  fassenden  ags.  dum,  nosu. 

Die  ausnähme  ahd.  as.  aonfrk.'')  -o,  ags.  aofries.^)  -a  des 
imp.  sg.  2.  schwacher  conjugation  aus  -ö  begreift  sich  als  die 
folge  von  systemzwang,  d.  h.  erhaltung  des  vocals  während  der 
ersten  kürzung  und  der  qualitativen  Schwächung  von  eingipf- 
ligem  -ö  zu  -a. 

Zu  2  und  3.  Die  verschiedene  behandlung  einerseits  des 
von  haus  aus  auslautenden  -ö,  andrerseits  des  ursprünglich  vor 
P  oder  (f  (vgl.  unten  s.  512,  anm.)  stehenden  oder  für  -e  aus 
-e])  eingetretenen  und  des  vor  w  stehenden  -ö  (apokopiertes 
oder  erhaltenes  -u  aus  ersterem  endungslaut;  erhaltenes  -a 
der  ahd.  as.  aonfrk.  3.  sg.  des  schwachen  praet.  ind.  aus  -öj) 
oder  -ö  und  die  zahlreichen,  ebenfalls  nicht  verklungenen  -a 
aus  -ön,  vgl.  unten  zu  7.  8.  10a;  alte  bildungen  mit  -öt  gab  es 
nicht)  steht  offenbar  in  Zusammenhang  mit  der  einstmaligen 
verschiedenen  Stellung  des  endungsvocals.  Die  annähme  von 
vor  der  kürzung  des  absolut  auslautenden  vocals  erfolgter 
])-  und  (T-apokope  bez.  nasalierung  sowie  von  nach  solcher 
kürzung  (neben  regelrecht  entwickeltem,  auf  -ö  zurückgehen- 
dem -u)  durch  systemzwang  erhaltenem  -a  (aus  -öJ)  oder  aus  -ö 
für  -e)  bez.  von  dui'ch  vermittelnde  dehnung  oder  nichtsynko- 
pierung  nasalierter  kürze  nicht  geschwundenem  -a  (aus  -ön) 


1)  Aonfrk.  gr.  §  266.  ^)  Aonfrk.  gr.  §  756. 

')  Das  für  und  neben  -u,  -o  erscheinende  ags.  -e  wird  von  Sievers 
(Gramm.  §  355)  als  entlelmung  aus  dem  opt.  gedeutet;  doch  ist  hier  an 
einfache  entlehnung  kaum  zu  denken,  sondern  vielmehr  folgender  Vorgang 
ins  äuge  zu  fassen:  durch  regelrechte  entwickelung,  d.  h.  apokope  des  -u 
nach  langer  silbe  und  Schwächung  von  -i  zu  -e  bez.  ausfall  von  j  (im  opt.), 
fielen  in  den  kurzsilbigen  verba  (mit  vor  altem  i  geminierter  consonanz) 
die  endungen  des  ind.  und  opt.  zusammen;  nach  fremme  1.  sg.  praes.  ind. 
und  opt.  aber  entstanden  indicativische  sece,  binde  etc.  für  secu  (aus  seciu), 
hindu  etc.  Die  entstehung  afriesischer  -e  besagter  person  ist  nicht  zu  er- 
mitteln: belege  für  die  Lsg.  praes.  ind.  begegnen  nur  in  den  jüngeren  und 
jüngsten  texten,  wo  -e  (vgl.  oben  s.  499,  anm.)  sowol  altem  -u  als  altem  -e 
(d.  h.  -ea)  entspricht. 

Wegen  aonfrk.  -on  der  1.  sg.  praes.  ind.  für  -o  vgl.  Gramm.  §  91«. 

*)  Aonfrk.  gr.  §  105.  Aofries.  gr.  §  301*. 


GRAMMATISCHES. 


SOS 


empfielilt  sicli  nicht  (s.  oben  A).  Es  können  demnach  die  ent- 
wickeluug-  von  -u  und  die  entstehung  von  -a  nicht  als  gleich- 
zeitige erscheinungen  gelten.  Ausgeschlossen  ist  selbstverständ- 
lich die  annähme  von  nach  der  entstehung  des  -u  vor  oder 
nach  der  consonantapokope  aus  eventuellen  -öJj,  -öÖ  und  aus 
-ön  hervorgegangenen  -oj),  -od,  -on  oder  -o  bez.  von  aus  -ö 
für  -e  (aus  -ep)  entstandenem  -o,  denn  im  einen  wie  im  andern 
fall  hätte  der  mit  ursprünglich  kurzem  -o-  bez.  -o  der  endung 
zusammengefallene  vocal  durch  die  ■«irkung  der  zweiten  vocal- 
apokope  schwinden  müssen  (vgl.  unten  LIII,  2).  An  ent- 
stehung von  -äj),  -an  wäre  hier  ebenso  wenig  zu  denken,  da 
erfahrungsgemäss  auf  langen  endungs vocal  die  auslautende 
consonanz  qualitativ  conservierend  einwirkte:  man  beachte 
got.  -öS  der  2.  sg.  praet.  ind.  schwacher  conjugation  mit  altem 
stosston  gegenüber  den  -a  dieses  dialekts  aus  von  jeher  aus- 
lautendem und  aus  durch  consonantapokope  in  den  auslaut 
getretenem  -u  sowie  Notkers  -öst  der  2.  person  gegenüber  -en, 
-et,  -ent,  -ez  aus  -ati,  -in,  -im,  -at,  -it,  -mit,  -az  und  vgl.  auch 
das  unten  s.  512  über  die  behandlung  von  -ön  und  -ö  bemerkte. 
Es  bleibt  mithin  nur  die  m()glichkeit  von  nach  entstehung  des 
-u  und  (hiermit  gleichzeitiger  oder  derselben  nachfolgender) 
consonantapokope  quantitativ  erhalten  gebliebenem  endungs- 
vocal,  aus  dem  weiterhin  durch  qualitative  sclnvächung  über 
-ä"  historischem  -a  zu  gründe  liegendes  -a  hervorgehen  konnte. 
Dass  aber  dieses  -a  oder  doch  ein  ihm  qualitativ  sehr  nahe 
liegender  laut  zu  anfang  der  zeit  der  beeinfiussung  des  west- 
gerni.  Sprachschatzes  durch  das  Vulgärlatein  bereits  in  schwang 
war,  ergibt  sich  aus  der  nahezu  constanten  aufnähme  von  lat. 
a-nomina  in  die  westgerm.  fem.  starke  oder  schwache  flexion 
(vgl.  Franz,  Die  latein.-röm.  elemente  im  ahd.  s.  60  und  Po- 
gatscher,  QF.  64,  157,  ff.):  ähnlichkeit  der  lat.  -a  und  -am 
(d.  h.  -a  -f  schwach  articuliertem  nasal)  mit  westgerm.  -ä  des 
acc.  sg.  femininer  starker  und  des  nom.  sg.  femininer  schwacher 
declination. 

Für  die  Verschiedenheit  der  klangfarbe  von  auf  altes  -ö 
und  von  auf  alte  -öj>  (bez.  -ö  für  -e  aus  -cj)),  -öö,  -ön  zurück- 
gehenden endungslauten  ist  natürlicli  der  kürzung  voran- 
gegangene verdumpfung  von  altem  -ö  (d.  h.  wol  -ö")  zu  -ö"  oder 
-ü  verantwortlich  zu  machen. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXVH1.  33 


506  VAN    riELTEN 

Aus  der  einstweiligen  quantitativen  erhaltuug  von  ehemals 
vor  consonant  stellendem  endungslaut  ö"  ist  die  nämliche  be- 
handlung  zu  entnehmen  von  historischen  -i,  -e  zu  gründe  liegen- 
den -i  (aus  -m,  -ijj  bez.  -lö?  vgl.  oben  s.  498),  -e  (aus  -ep).  Ausser- 
dem beachte  man  die  unten  (s.  509  f.)  zu  besprechende,  teil- 
weise erlmltung  von  auf  -m,  -ip  oder  -id  zurückgehenden  -t 
bis  in  die  historische  periode. 

Die  für  das  verklingen  von  -p,  -d,  -n  zu  erschliessende  Chro- 
nologie ist  auch  für  den  abfall  von  -t  (nicht  aber  von  -^,  vgl. 
unten  zu  4  und  5)  anzusetzen.  Aus  der  tatsache,  dass  diese 
consonantapokope  frühestens  zur  zeit  der  kürzung  von  ur- 
sprünglich absolut  auslautender  länge,  somit  sicher  erst  nach 
entstehung  der  germanischen  anfangsbetonung,  stattgefunden, 
ergibt  sich,  dass  -p,  -Ö  (nicht  deren  prototyp  -t)  abgefallen 
sind.  Ein  zeugnis  für  durch  apokope  geschwundenes  -t  (aus  -d) 
gewährt  das  aslov.  lehnwort  huhj  'buchstabe',  'buche',  insofern 
es  auf  westgerm.  hulxö"  oder  hökü  hinweist  (vgl.  wegen  der 
starken  form  got.  hölca)  mit  aus  media  verschobener  tenuis 
und  noch  nicht  gekürzter,  ursprünglich  absolut  auslautender 
nominativendung. 

Für  die  annähme  von  der  w- apokope  vorangegangener 
nasalierung  des  endungsvocals  fehlt,  wie  schon  oben  in  A  be- 
merkt wurde,  jeglicher  anhält.  Es  spricht  dagegen  vielmehr 
die  erwägung:  erstens  dass  aus  dem  Übergang  von  indog.  -m 
in  -n  (durch  aufhebung  des  mundcanalverschlusses  veranlasste) 
Schwächung  der  articulierung  dieses  nasalconsonanten  zu  fol- 
gern ist  (die  articulierung  bestand  nur  noch  in  der  erweite- 
rung  der  Öffnung  des  nasencanals);  zweitens  dass  aus  dieser 
reducierung  des  labiallautes  ähnliche  reducierung  des  dental- 
nasals  zu  folgern  (also  auch  hier  durch  aufhebung  ses  ver- 
schlusses auf  die  vorstülpung  des  velums  beschränkte  energie 
der  mundcanalorgane) ;  drittens  dass  nicht  einzusehen  ist,  wes- 
halb dem  mit  so  schwacher  energie  gesprochenen  nasallaut 
eine  zähere  natur  beizumessen  wäre  als  den  mit  mundcanal- 
verschluss  bez.  bildung  von  reibungsöffnung  plus  hebung  des 
gaumensegels  gesprochenen  -t,  -p,  -ö. 

Zu  4  und  5.  Da  aus  dem  unten  LIII,  1  für  die  Chrono- 
logie von  nach  kurzem  vocal  erfolgter  consonantapokope  er- 
mittelten {-z  verklingt  später  als  -p,  -d,  -n)  auch  für  den  abfall 


GRAMMATISCHES.  507 

von  conson.  nach  langem  laut  auf  die  -p  etc.  überdauerndes  -z  zu 
schliessen  ist,  ist  für  die  auf  -ös  (d.  h.  -ö"^)  zurückgehenden  -ö", 
-ä",  -ä  jüngere  entstehung  geltend  zu  machen  als  für  die  -ä 
etc.  aus  -ön,  -ö]),  -öd  (zur  annähme  der  priorität  von  -ö"  aus 
-ö"^  nötigt  das  oben  über  die  qualitativ  conservierende  Wirkung 
von  folgendem  conson.  bemerkte).  Dass  auch  dieser  endungs- 
vocal  sich  zunächst  als  -ä  behauptete  und  zur  zeit  der  zweiten 
vocalapokope  (vgl.  unten  LIII,  2)  noch  keine  kürzung  erlitten 
hatte,  ergibt  sich  sowol  aus  der  nichtapokope  der  endung 
(wegen  der  belege  unten  s.  508.  513),  als  aus  der  in  Notkers 
spräche  geltenden  endung  -ä  des  nom.  acc.  pl.  der  ö-substantive 
(s.  unten  zu  7.  8.  10  a  am  schluss). 

Zu  6.  Zusammenfall  alter  lang-  und  kurzdiphthonge  in 
folge  von  uralter  kürzung  ersterer  ist  zu  erschliessen  aus  der 
uniformität  der  historischen  fortsetzungen  beider  kategorien 
(s.  unten  zu  7.  8.  10«.  ß). 

Zu  7.  8.  10.  a.  Fortsetzungen  von  durch  consonantapokope 
in  den  absoluten  auslaut  getretenen  bez.  durch  contraction  eines 
im  absoluten  auslaut  stehenden  diplith.  entstandenen,  ursprüng- 
lich stosstonigen  längen: 

ahd.  as.  aonfrk. ')  -a,  ags.  -e,  afries.  -e  der  Lsg.  des  schAvachen 
praet.  ind.  aus  -ön  (im  Mon.  neben  -a  begegnendes  -e,  s.  Schlüters 
Untersuch,  s.  194,  stammt  aus  der  3.  person,  vgl.  unten  zu  as.  -e) 
—  as.  aonfrk.  -a  des  pronominalen  acc.  sg.  masc.  (vgl.  as.  -ana,  -na, 
aonfrk.  thana'^)),  ags.  -e,  afries.  -e  (in  -ene,  -ne)  und  aofries.  -e 
des  pronominalen  nom.  acc.  sg,  ntr.  (in  hivete'^))  aus  -ön  (vgl. 
IF.  14,  82)  —  ahd.  ihha  mit  -a  aus  -ön  (vgl.  t/roj'*);  das  /  für  e 
durch  anlehnung  an  die  enklitische  form  mit  unursprünglichem 
i  vor  Ic,  vgl.  das  zuvor  citierte  aofries.  hivete  mit  e  durch  an- 
lehnung an  hivet)  —  ahd.  as.  aonfrk.  ^)  -a,  ags.  -e,  afries.  -e  des 
acc.  sg.  der  ö-stämme,  des  nom.  sg.  der  schwachen  feminina  und 
des  nom.  acc.  sg.  der  schwachen  neutra  aus  -ön  (das  in  den 
zwei  letztgenannten  casus  für  altes,  indog.  -n  entsprechendes 

1)  Aonfrk.gr.  §100«.  107/?. 
»)  Aonfrk.  gr.  §  88. 
3)  Aofries.  gr.  §  252. 

^)  Beachte  hingegen  um.  -ka  (in  hätfka,  haiiP^a  etc.,  s.  Noreen,  Aisl. 
gr.  §  394,  anm.  2)  mit  -a  aus  -on  (=  -am  in  aiud.  aham). 
5)  Aonfrk.  gr.  §  59  J.  75.'>.  83.  88.  59«.  69. 

33* 


508  VAN   WELTEN 

-KU  eintrat  diircli  eiuwirkung-  des  nom.  acc.  pl.  auf  -Um,  d.  li. 
avestiscliem  -an  entsprecliendes  -ön  mit  aus  der  vocalischen 
declination  entlelmtem  -u)  —  das  -a  von  alid.  tvilla  1.  sg.  ind. 
(vgl.  Beitr.  4,  880,  wo  auch  eine  nebenform  mit  -e  aus  -ja  her- 
vorgehoben wird)  und  vielleicht  das  -e  von  ags.  aofries.  tvüle 
aus  -ön  (vgl.  unten  LX;  für  die  ags.  aofries.  form  wäre  indessen 
im  hinblick  auf  das  -e  der  1.  sg.  praes.  ind.  normaler  flexion 
auch  durch  analogiebildung  für  -ii  aus  -in  eingetretenes  -e  denk- 
bar) —  die  endung  von  ahd.  tcela,  wola,  wala,  as.  wela  (den 
lat.  palam,  perperam  zu  vergleichendem  fem.  instrum.,  vgl. 
wegen  des  fem.  genus  ahd.  tvola  acc.  pl.  fem.)  aus  -ön  (für  -am, 
beachte  lit.  ranhä  mit  -ä  aus  -am  nach  Brugmanns  Grundr. 
2,  630  f.)  —  ahd.  as.  aonfrk.  i)  -a,  ags.  -e,  afries.  -e  des  gen.  sg. 
der  ö-substantiva  und  der  fem.  starken  adjectivischen  declination 
(in  -era,  -ere,  -re  etc.)  aus  durch  analogiebildung  für  -ös  ein- 
getretenem -öz  (vgl.  unten  s.  513)  —  ahd.  as.  aonfrk."^)  -a,  ags.  -e 
(vgl.  Sievers,  Gr.  §  252,  anm.3)  des  nom.  acc.  pl.  der  ö-substantiva 
und  as.  aonfrk.  2)  -a  des  nom.  acc.  pl.  der  fem.  starken  adjec- 
tivischen declination  aus  -ös  des  acc.  (s.  unten  s.  509;  wegen  ahd. 
aonfrk.  -a  des  nom.  acc.  pl.  masc.  vgl.  unten  LVI)  —  ahd.  aonfrk.'^) 
(nicht  mit  -e  wechselndes)  -a  der  3.  sg.  des  schwachen  praet. 
ind.  aus  -öj)  oder  -ö  (durch  das  eindringen  von  -ö-  oder  -0  der 
1.  in  die  anderen  singularsufiixe  für  altes  -ej)  oder  -e  eingetretener 
neubildung;  vgl.  auch  ahd.  -ös,  -öst,  as.  aonfrk.  3)  -os  der  2.  sg. 
aus  -öS  für  -es*)  und  beachte  weiterhin  das  gleich  unten  über 
as.  -e,  -a  der  3.  sg.  zu  bemerkende); 

as.  -c  der  3.  sg.  des  schwachen  praet.  ind.  (woneben  -a,  s. 
Schlüter  in  dessen  Untersuch,  s.  195  f.  und  in  der  Laut-  und 
formenlehre  der  altgerm.dialekte  s.478  sowie  Holthausens  Gramm. 
§  413)  aus  -cj)  (im  Mon.  und  in  den  Oxf.  Vergilgll.  neben  im 
Mon.  constant  begegnendem  und  auf  altes  -es  hinweisendem  -es 


')  Aonfrk.  gr.  §  59/.  75»/. 

2)  Aonfrk.  gr.  §  59f.  75/. 

3)  Aonfrk.  gr.  §  100«.  107/?. 

*)  Auf  ursprüngliche  -ön,  -ss,  -i'p  des  sg.  weisen  an.  -a,  -er  (-ir),  -e  (-«), 
um.  -5  der  1.,  -e  der  3.  hin  (vgl.  auch  Streitherg,  Urgenn.  gr.  §  219).  Dass 
der  neue  vocal  als  länge  in  die  8.  eingedrungen,  ergibt  sich  aus  ahd.  -ös, 
-öst;  ob  aber  die  neubildung  vor  oder  nach  der  consonantapokope  statt- 
gefunden, ist  nicht  zu  entscheiden. 


GRAMMATISCHES,  509 

der  2,  »g.  überwiegendes  -e  neben  -a,  das  hier  offenbar  aus  der 
Lsg.  herrührt,  wie  [vgl.  oben  zu  -a  aus  -ön]  im  Mon.  neben 
regelrechtem  -a  der  1.  sg.  stehendes  -e  aus  der  3.  stammt;  Cott. 
und  Vat.  haben  neben  -os  der  2.  sg.  für  die  3.  sg.  normales, 
dem  ahd.  aonfrk.  -a  entsprechendes  -a,  hierneben  aber  seltneres 
-e  als  residuum  der  ursprünglichen  suffixform;  aus  den  kleineren 
denkmälern  ist  nur  ein  -a  3.  sg.  zu  belegen  i))  —  ags.  -e,  afries.  -e 
der  nämlichen  person  (beachte  ags.  -es,  -est  der  2.  sg.,  wonach 
auch  für  das  vorfries.  wol  -es  anzusetzen); 

ahd.  as.  -/,  aonfrk.  -/*'-),  ags.  -e,  afries.  -e  der  3.  sg.  des 
starken  praet.  opt.  und  die  endung  der  3.  sg.  ahd.  as.  tvilt,  ags. 
wile,  aofries.  wili,  ivele  aus  -t])  oder  (vgl.  oben  s.  498)  -id  (wegen 
der  endung  für  die  3.  sg.  praet.  opt.  nach  schwacher  conjugation 
s.  weiter  unten)  —  das  suffix  von  ahd.  as.  tvili  2.  pers.,  ahd.  curi 
sowie  ahd.  as.  -i,  aonfrk.  -i''^\  ags.  -c  der  2.  sg.  praet.  ind.  und 
ags.  -e,  afries.  *-e')  der  2.  sg.  praet.  opt.  aus  -is  (s.  unten  LV 
und  LIX); 

-e  der  partikeln  ahd.  üzse,  üf(f)e,  föne,  as.  Ute  aus  -ai  (s, 
unten  LXIII,  1)  —  der  endungsvocal  von  ags,  hafte  (=  got. 
*haitada  mit  -a  aus  -ai,  vgl.  Streitberg,  Urg.  gr.  §  152  B  4  a) 
—  -e  des  alid.  imp.  sg.  der  3,  schwachen  klasse  und  in  as. 
habe  aus  -cH  (vgl.  IF.  14,87); 

-0  in  ahd.  as.  aJito,  ags.  eahta,  afries.  achta  aus  -au  (für  -öu). 

Für  zAvei  vereinzelte  fälle  ist  hemmung  der  kürzung  zu 
constatieren:  für  Notkers  -ä  des  nom.  acc.  pl.  der  ö-substantive 
(die  Benedictinerregel  gewährt  hier  bekanntlich  keine  doppel- 
schreibung)  aus  -o^  des  acc.  (=  lit.  auf  -ös  hinweisendem  -äs 
des  acc.  pl.,  vgl.  Sievers,  Beitr.  17, 274,  anm.  2  und  beachte  das 
unten  LVI  zu  erörternde),  sowie  für  Notkers  und  Isidors  (s. 
Beitr.  2, 139)  -t,  -ii  der  3.  sg.  praet.  opt.  schAvacher  flexion  aus 
-ip  oder  (vgl.  oben  s.498)  -lö.  Mit  rücksicht  auf  die  verschiedene 
betonung  der  endsilben  der  einschlägigen  flexionsformen  sind 


>)  Nämlich  Greg.  gll.  (Wadst.  65,  20).  Aus  He  sendte  (oder  sendti)  üt 
(zu  'Missis  uero  exercitibus")  Greg.  gll.  (W.  63,  t7f.)  und  ftcnndc  (zu  'cum 
. . .  suggereret')  Lamspr.  gU.  (W.  67, 11)  ist  nicht  ohne  weiteres  auf  einen 
ind.  auf  -e  zu  schliessen. 

2)  Aonfrk.  gr.  §  98. 

")  Aonfrk.  gr.  §  97«. 

*)  Aofries.  gr.  §  283.  297.  305*. 


510  VAN    HELTEN 

für  eine  gewisse  periode  hrei-  oder  hrainitliä,  sundiä  oder  -tiä 
etc.  neben  fräga,  lucjina  etc.,  liöridt  oder  -ii,  hangidl  oder  -tl 
etc.  neben  hrähti,  naruli  oder  -//,  korodi  oder  -ti  etc.  anzusetzen. 
Dass  hier. aber  nicht  der  norm  gemäss  auch  in  der  neben- 
tonigen Silbe  in  der  folge  kürzung  eingetreten,  im  gegenteil 
sogar  die  länge  in  die  schwach  betonte  endsilbe  eindrang, 
begreift  sieh  beim  subst.  als  die  folge  der  neigung,  die  plural- 
bildungen  für  den  nom.  acc.  formell  von  den  für  den  nom.  acc. 
sg.  verwanten  zu  unterscheiden,  beim  verb  als  das  resultat 
der  beeinflussung  des  betreffenden  endvocals  durch  das  -l-  der 
anderen  bildungen  für  den  opt.  praet.')  (hingegen  im  ind.  -ta 
der  1.  3.  sg.,  nicht  -ta,  indem  hier  ein  ähnlich  einwirkender 
factor  fehlte).  Ob  anderen  ahd.  sowie  as.  mundarten  solche 
-ä  und  -ii,  -dl  ebenfalls  oder  nicht  zukamen,  ist  nur  ausnahms- 
weise zu  entscheiden:  zu  gunsten  dialektischer  erhaltung  der 
langen  oder  halblangen  quantität  im  as.  nom.  acc.  pl.  fem, 
spricht  das  fehlen  im  Mon.  von  -c  für  -«  des  nom.  acc.  pl. 
(mit  ausnähme  des  einmaligen,  wol  als  Schreibfehler  zu  fassen- 
den hellie)  gegenüber  nicht  grade  seltenen  -e  neben  -a  des 
nom.  und  acc.  sg.  (s.  Schlüter,  Untersuch,  s.  196 — 202;  doch  geht 
kürze  der  pluralendung  hervor  aus  -e  der  Lamspr.  und  Oxf, 
gll.,  Wadst.  67,  5.  110,  5.  6.  34.  112,22  etc.);  hingegen  weist  das 
in  der  Benedictinerregel  erscheinende  -a  (nicht  -aa,  vgl.  Beitr. 
1,  434)  auf  kurze  endung  des  nom.  acc.  pl.  fem.  hin  (vgl.  noch 
oben  s.  500,  anm.  1);  as.  kürze  des  Suffixes  für  die  3.  sg.  des 
schwachen  praet.  opt.  ist  wahrscheinlich  wegen  gidorste  (s. 
Schlüter  in  Dieters  Laut-  und  formenlehre  s.  478;  vgl.  auch 
aonfrk.  -de,  -di,  -ti  Gramm.  §  101.  107/). 

Wegen  des  durch  -i,  -n  belegten  -i  des  nom.  sg.  schwacher 
declination  aus  -m  (das  mit  rücksicht  auf  roöig,  cDölvog  etc. 
sowie  nach  -ön  des  nom.  sg.  fem.  schwacher  flexion,  s.  oben 
s.  507,  mit  stosston  anzusetzen  ist)  beachte  Beitr.  2,  137.  139. 
12,  380  ff.;  as.  erscheint  -i  (einmal  -e  nach  Schlüter  in  Dieters 
Laut-  und  formenlehre  s.  702),  aonfrk.  -?«  (Gramm.  §  60). 

Angesichts  der  nichtapokopierung  von  auf  gedeckte  länge 


')  Dass  indessen  für  die  überlieferte  periode  die  -ä,  -i,  -ii  als  bezeich- 
nuiigen  von  halblangem  voc.  (nicht  von  intacter  länge)  zu  gelten  haben, 
dürfte  sich  ergeben  aus  der  spärlichen  Verwendung  des  circumflexes  bez. 
der  doppelschreibung  (vgl.  Beitr.  2,  137.  139). 


GRAMMATISCHES.  511 

zurückgehendem  endungslaut  ist  für  ahd.  swigar,  -er  socrus  und 
ahd.  quirn,  ags,  cweorn  (aind.  svasrüs,  aslov.  znny)  die  annähme 
von  vor  der  kürzung  des  langen,  ehemals  gedeckten  vocals 
und  vor  der  «-apokope  erfolgtem,  durch  die  isolierte  Stellung 
der  beiden  ü-stämme  veranlasstem  übertritt  in  die  M-declination 
geboten.  [Die  annähme  von  durch  zusammenfall  des  acc. 
sivigri/  (oder  -u)  mit  sunt/  (oder  -u)  veranlasstem  metaplasmus 
(IF.  5, 381)  ist  unstatthaft:  solcher  zusammenfall  hätte,  indem 
die  kürzung  einstmals  gedeckter  länge  nach  oder  frühestens 
gleichzeitig  mit  der  zweiten  (u.  a.  das  -u  tilgenden)  vocal- 
apokope  stattfand  (s.  unten  LUX,  3),  eintritt  von  sivigru  in  die 
flexion  von  sunu  zur  folge  haben  müssen.  Die  lat.  Übersied- 
lung der  «7-stämme  in  die  »-declination  ist  nicht  mit  der  germ. 
in  eine  linie  zu  stellen,  weil  eben  die  im  lat.  tätigen  factoren 
(s.  Brugmanns  Grundr.  2, 534)  nicht  für  das  germ.  geltend  zu 
machen  sind.] 

ß.  Fortsetzungen  der  von  jeher  absolut  auslautenden,  der 
durch  consonantapokope  oder  consonantabfall  und  vocalschwund 
in  den  auslaut  getretenen  und  der  durch  contraction  von  aus- 
lautendem diphthong  entstandenen,  ursprünglich  schleif- 
tonigen  längen: 

ahd,  as.  aonfi'k.  altwestnfrk.  -/,  ags.  -e  (-«),  afiies.  -e  des 
loc.-dat.  sg.  (Beitr.  14, 121.  15, 487.  26,  559.  27, 152.  8,  324  ff. 
Aofries.  gr.  §  152,  anm.)  aus  -l  (vgl.  Streitberg,  Urgerm.  gr. 
§  138.  152  A  6)  —  die  nämliche  in  den  partikeln  aofries.  hivende 
etc.,  ahd.  ivenni,  ags.  hivwnne  etc.  erscheinende  endung  (s.  unten 
LXIII,  11)  —  ahd.  as.  -/,  aonfrk.  -i'  (s.  Gramm.  §  93)  des  imp.  sg. 
der  langsilber  aus  -T  (für  -i\i  aus  -e\i,  vgl.  got.  clömei)  —  ahd. 
as.  -i,  aonfrk.  -i'^),  ags.  -e  (-/),  afries.  -e  des  dat.  (und  gen.)  sg. 
nom.  (acc.)  pl.  der  /-declination  aus  -i  (für  -i\i  aus  -tu)  bez.  -iz 
(aus  -iiez  für  -eiez)  (vgl.  unten  LVIl,  1.  2); 

ahd.  (auch  amfrk.)  as.  aonfrk.  -a  des  dat.  sg.  masc.  ntr. 
substantivischer  bez.  adjectivischer  o- stamme  (Beitr.  14, 109. 
21,488.  Aonfrk.  gr.§  75  ().  Altsüdmfrk.gr.  §  61 7)  aus  ablativ- 
suffix  -et  (schleift on,  wie  in  -öt,  vgl.  unten;  wegen  der  in  bair. 
quellen  für  diese  casus  begegnenden  -a  vgl.  unten  LVI,  anm.) 
—   die  nämliche,  in  den  partikeln  ahd.  hina,   ags.  hine  etc., 


1)  Aonfr.  gr.  §  &lß.  y. 


512  VAN    HELTEN 

ahd.  ufana,  as.  forana  etc.,  ahd.  dana,  tana  der  Verbindungen 
ncG  dana  halt,  ne  idna  mer  erscheinende  endung  (s.  unten 
LXIII,  8  und  12  am  sclilussj  —  die  nämliche,  für  das  adverbium 
verwante,'über  -e",  -ä",  -ä  entstandene  endung  ags.  -e,  afries.  -e 
(vgl.  das  adverbiale   -o  der  anderen  dialekte  aus  ablat.  -5t) 

—  das  -ra  (aus  -reu  oder  -rH)  in  ahd.  hera  etc.  und  die  -a,  -e 
(aus  -eil  oder  -^t)  in  ahd.  as.  danta,  wanta,  hwanda,  aofries. 
Invande  etc.,  as.  ahd.  thanna  etc.  (s.  unten  LXIII,  10.  11); 

ahd.  as.  aonfrk.  i)  -o,  ags.  afries.  -a  des  schwachen  nom.  sg. 
raasc.  aus  -5  (=  lit.  -ü)-)  —  ahd.  as.  -o  der  1.  3.  sg.  praes.  opt. 
2.  schwacher  flexion  aus  -ön,  -öd  (vgl.  IF.  14,  85)  —  ahd.  as. 
aonfrk. ')  -o,  ags.  afries.  -a  des  gen.  pl.  aus  -5n  (IF.  1,  4,  259  ff.) 

—  ahd.  as.  aonfrk.  i)  -o  der  adverbia  aus  altem  ablativsuffix 
-öt  (vgl.  Mahlow,  Die  langen  voc.  s.  130  ff.  Streitberg,  Urgerm. 
gr.  §  152  AI.  IF.  6,  70)  —  ahd.  as.  aonfrk.  (P^))  -o  aus  -öt  im 
dativsuffix  -mo  (vgl.  Beitr.  21, 486,  anm.  2)  —  ahd.  -o,  ags. 
afries.  -a  des  nom.  acc.  pl.  fem.  der  adjectivischen  flexion  (die 
endung  drang  in  einigen  ahd.  und  ags.  mundarten,  im  afries. 
durchaus  in  die  substantivische  flexion  ein,  vgl.  Braune,  Ahd. 
gr.  §  207,  anm.  6.  Sievers,  Ags.  gr.  §  252,  anm,  3.  Aofries.  gr. 
§  166)  aus  -5z  (=  lit.  -5s)  des  nom.  [vgl.  hierneben  die  zuvor 
unter  a  besprochenen,  aus  -5s  des  acc.  durch  die  mittelstufe 
-ä  stammenden  ahd.  as.  aonfrk.  -ä  bez.  -a,  ags.  -e  der  substantiv- 
flexion;  vertauschung  des  -ös  mit  -5z  und  umgekehrt,  nach  art 
des  eintritts  von  -5s  des  gen.  sg.  fem.  für  -5z  durch  einwirkung 
von  -5  und  -on  oder  -5m  des  nom.  bez.  acc,  vgl.  das  sofort 
unten  zu  erörternde;  die  aus  ahd.  -o,  ags.  afries.  -a  hervor- 


1)  Aonfrk.  gr.  §  267. 

2)  Dass  es  neben  diesem  -0  auch  ein  vorwestgerm.  -ön  (=  got.  -a, 
gr.  -wv)  gegeben,  ist  zu  folgern:  erstens  aus  der  einreihung  von  ahd.  nevo, 
ags.  nefa  (aus  nefoÖ)  und  ahd.  as.  mäno,  ags.  möna,  afries.  möna  (aus 
mä'nöp)  in  die  schwache  declination  (-0  bez.  -ä  aus  -öö,  -öp  konnte  nur  mit 
-ö  bez.  -ä  aus  -ön  zusammenfallen,  nicht  mit  -ö);  zweitens  aus  der  nur 
durch  die  annähme  von  formeller  Übereinstimmung  der  nominativsuffixe 
begreiflichen  berührung  von  schwachen  masculinen  mit  schwachen  femininen 
oder  neutren  (vgl.  z.  b.  as.  sunno  und  -a,  ags.  gealla,  ahd.  galla,  ahd.  hluomo, 
-a,  scDzo,  -a,  scincJio,  -a,  scollo,  -a,  ahd.  nioro,  an.  nyra  ntr.,  ahd.  sämo,  lat. 
ssmen,  as.  Homo,  lat.  lümen  und  s.  noch  Pauls  Grundr.  1*,  459  f.),  für  deren 
nominativendung  altes  -dn  feststeht  (s.  oben  im  text  s.  507). 

3)  Aonfrk.  gr.  §26rf. 


GRAMMATISCHES.  513 

g-ehende  bevorziigung-  von  -ö  für  die  adjectiv.  flexion,  gegen- 
über dem  -ä  der  substantivischen,  schreibt  sich  her  aus  der 
einwirkung  der  pronominalen  declination,  wo  in  einer  be- 
stimmten Periode  die  ö-form  die  häufigere  war');  im  as.  und 
aonfrk.  liess  sich  dem  für  beide  flexionen  überlieferten  -a 
(as.  -ä?)  gemäss  diese  einwirkung  nicht  gelten,  es  siegte  hier 
die  aus  dem  acc.  herrührende  endung^)]  —  die  auf  genitiv- 
suffix  -ÖS  {=  lit.  -äs)  zurückgehende  endung  von  zu  Substan- 
tiven auf  -ngö  gebildeten  adverbien  as.  farungo,  tvissungo, 
darnungo,  ags.  dearnun^a,  eorrunga,  tveninga  (vgl.  auch  got. 
-weniggö  und  beachte  wegen  der  Verwendung  des  gen.  als 
modalcasus  Delbrück  in  Brugmanns  Grundr.  3,  593)  [für  die  zum 
paradigma  gehörende  genitivendung  der  subst.,  adject.  und 
pronomin.  declination  finden  sich  hingegen  statt  -o  bez.  -a  die 
endungen  ahd.  as.  aonfrk.  -a,  ags.  -e,  afries.  -e,  die  auf  beim 
subst.  durch  einfluss  von  -ö  und  -on  bez.  -öm  des  nom.  und  acc. 
sg.  für  -ö2  eingetretene,  uralte  neubildung  -öz  hinweisen,  welche 
in  der  folge  (in  der  alten  oder  in  einer  jüngeren  form)  beim 
adject.  und  pron.  durch  analogiebildung  nach  der  substaut. 
flexion  in  schwang  kam;  einen  rest  des  alten  -öz  düi'fte  man 
indessen  vielleicht  erblicken  im  ags.  (ws.  und  kent.)  gen.  sg. 
der  mit  -ngö  gebildeten  Substantive,  nämlich  leornim^a  etc. 
(vgl.  Sievers,  Gramm.  §  255, 1),  deren  endung  von  hier  aus  in 
den  dat.  und  acc.  drang]; 

ahd.  as.  -c,  aonfrk.  -c'^)  ags.  -e,  afries.  -e  des  nom.  acc.  pl. 
masc.  der  starken  adject.  flexion  aus  -al  (für  -o7,  vgl.  IF.  14,  81) 
—  die  endung  der  partikeln  ahd.  as.  inne  etc.,  ahd.  as.  hivanne, 
ags.  hwonne  etc.  aus  -ai  (für  -o7.  s.  unten  LXIII,  6. 11)  —  ags.  -c, 
afries.  -e*)  des  dat.  sg.  der  subst.,  adj.  und  pronom.  ö- stamme 
aus    -ai    (für  -äi  =  lit.  -ai,  gr.  -ä)    —    ahd.  as.  -e,    aonfrk. 


')  D.h.  l)ö  ans  orthotoniertem  und  proklitischem  pö  des  nom.;  pö  = 
orthotoniertem  pö,  pä  aus  proklitischem  jjö  des  acc. 

2)  Für  die  ags.  und  afries.  neben  -a  im  nom.  acc.  pl.  fem.  der  adjectiva 
erscheinenden  -e  ist,  wie  für  die  as.  -c  (neben  -a),  ahd.  -e  (neben  -o) 
der  nämlichen  casus,  natürlich  becinflussung  des  fem.  durch  das  masc.  in 
anschlag  zu  bringen;  als  älterer,  diese  Vermischung  der  fem.  imd  masc. 
formen  unterstützender  factor  wäre  aber  ausserdem  ags.  und  fries.  analogie- 
bildung nach  in  der  substant.  fem. -declination  unter  sich  wechselnden  alten 
-c  und  neuen  -a  denkbar.  ^)  Aonfrk.  gr.  §  75  /. 

*)  Aofries.  auch  -i  (vgl.  Gramm.  §  168  f.  242  und  oben  s.  499,  anm.). 


514  VAN   HELTEN 

-e' ')  des  dat.  sg.  der  o-substantiva  aus  -al  (für  -öl  =  -m ;  mehr- 
deutig ist  ags.  -e  dieser  casus:  aus  -e"  für  -m  etc.  oder  aus 
-ä^  für  -e  aus  -et,  also  der  oben  hervorgehobenen  ahd.  amfrk. 
as.  aonfrk.  dativendung  -a  entsprechend?  für  das  afries.  -e  ist 
sogar  die  möglichkeit  dreier  prototypen,  auch  eines  mit  locativem 
-i  aus  -I,  in  betracht  zu  ziehen'^))  —  ahd.  as.  -e,  aonfrk.  -e'3) 
ags.  -e,  afries.  -e  der  3.  sg.  praes.  opt.  nach  starker  und  1.  schwacher 
flexion  aus  -ai{ö)  (für  -olJ,  vgl.  IF.  1,  4  und  Streitberg,  Urgerm. 
gr.  §  152  A5)  —  ahd.  -e  der  1.3.sg.  praes.  opt.  nach  3.  schwacher 
flexion  aus  -e«l(w),  -e"r(^)  (für  -e^-ln,  -e''-id,  vgl.  IF.  14,  85  ff.); 
ahd.  as.  -o,  ags.  afries.  -a  des  gen.  sg.  der  zt- stamme  aus 
-oHi{z)  (=  lit.  -ans  aus  -oüs)-^  der  hier  angesetzten  kürze  scheint 
das  einmal  in  der  Bened.-regel  überlieferte  fridoo  zu  wider- 
sprechen, doch  hat  dieses  -oo,  wie  das  -oo  in  anoo  51, 11  (vgl. 
auch  Mensel  im  Journ.  of  germ.  philol.  4,  33)  als  Schreibfehler 
zu  gelten,  da  der  satz:  schleif  tonigem ,  ursprünglich  vor  -z 
stehendem  laut  entspricht  ahd.  länge,  sich  als  unhaltbar  heraus- 
stellt (s.  oben  s.  499  f.)  und  ein  factor,  der  hier  conservierend 
eingewirkt  hätte,  nicht  ersichtlich  ist. 

Zu  9.  Die  erhaltung  von  anteconsonantischem  langen 
endungsvocal  in  primärer  und  secundärer  ultima  ist  bekannt- 
lich für  Notkers  spräche  und  die  mundart  der  Benedictinerregel 
durch  zahlreiche,  für  die  in  einigen  anderen  denkmälern  (Isid., 
Bamberger  glaube  und  beichte,  Voc.  s.  Galli,  Rb.  etc.)  durch  ver- 
einzelte längezeichen  bez.  durch  doppelschreibungen  (s.  Beitr. 
2,138.  139.  141)  gesichert;  für  die  durch  andere  quellen  reprä- 
sentierten ahd.  mundarten  sind  solche  längen  allerdings  für 
möglich  zu  halten,  keineswegs  aber  als  feststehend  geltend  zu 
machen.  Für  das  as.  und  aonfi'k.  weisen  auf  kürzung  die 
-as,  -an,  -ad,  -at  aus  -e"s,  -e"n,  -e"d  (s.  Beitr.  21,  478.  22,  472. 
510.  516.  Altsüdmittelfrk.  gr.  §  21^)  und  -07t  aus  -fm  (s.  Holt- 
hausens  As.  gr.  §  314,  2.  Beitr.  22,  473.  Altsüdmfrk.  gr.  §  210- 
Wegen  der  gekürzten  aonfrk.  laute  s.  Gramm.  §  27  t.  g. 

Nebenher  erwähnt  seien  hier  noch  as.  -os  (woneben  auch 


')  Aonfrk.gr.  §  56«. 

2)  Beachte  aofries.  (Rüstr.)  godi,  hovi  etc.  und  vgl.  Gramm.  §  152  anm. 
und  154,  sowie  oben  s.  499,  anm. 
»)  Aonfrk.  gr.  §  92«. 


GRAMMATISCHES.  515 

jüngeres,  auf  gekürztes  -o-  hinweisendes  -as),  ags.  -as  des  nom. 
(acc.)  pl.  der  subst.  o-stämrae  aus  (eig-.  den  oxytonierten  formen 
zukommendem  -ös  (die  nicht  im  lit.  oder  griech.  begegnende 
endung  ist  auf  grund  der  contraction  aus  -o  +  es  als  schleif- 
tonig  anzusetzen)  oder  aus  einer  dem  ved.  -äsas  zu  vergleichen- 
den, durch  anhängung  der  endung  der  anderen  declinations- 
klassen  entstandenen  neubildung  -ösez;  hierneben  zu  postu- 
lierendes (eig.  den  paroxytonierten  formen  zukommendes)  -özez 
ergab  bekanntlich  aofries.  -ar. 

C. 
Auch  für  die  nordische  auslautsgeschichte  lassen  sich  die 
oben  in  A  betonten,  der  bisherigen  fassung  der  accenttheorie 
anhaftenden  mängel  heben,  und  zwar  durch  die  annähme  des 
folgenden  (in  einigen  stücken  von  dem  westgerm.  abweichenden) 
entwickelungsgangs. 

1.  Kürzung  (wie  im  westgerm.,  s.  oben  s.  501, 1)  stoss- 
toniger,  von  haus  aus  im  absoluten  auslaut  stehender  länge 
(wobei  -ö  zu  -u). 

2.  Gleichzeitig  mit  oder  nach  1  erfolgter  abfall  von  -t,  -ö, 
-J),  -n  (wie  im  westgerm.,  s.  a.  a.  o.  2). 

3.  Contraction  von  gestossenem  und  geschleiftem  diphthong 
(vgl.  oben  a.a.  o.  6). 

4-.  Schwund  der  geschleiften  (zweigipfligen)  betonung  (vgl. 
a.a.O.  7),  ein  Vorgang,  dessen  Chronologie  sich  nur  insofern 
fixieren  lässt,  dass  er  vor  die  in  5  erwähnte  kürzung  zu  ver- 
legen ist;  dass  die  im  secundär  absoluten  auslaut  und  vor  con- 
son.  stehenden  alten  längen  (fälle  mit  primär  absolut  auslauten- 
den -e,  -7,  -ö  fehlen  oder  sind  nicht  gesichert)  in  urn.  periode 
quantitativ  erhalten  geblieben,  unterliegt  keinem  zweifei  (man 
beachte  die  an.  erhaltung  der  betreffenden  endungsvocale  als 
kürzen  gegenüber  dem  durch  secundären  vocalschwund  [s.  unten 
LIII,  2]  erwirkten  verlust  von  noch  im  urn.  vorhandener  kürze); 
für  die  annähme  aber  von  in  besagter  zeit  erhaltenem  oder 
geschwundenem  schleifton  fehlt  jeglicher  anhält. 

5.  Küi'zung  aller  längen,  auch  der  vor  -r  (=  urn.  -B)  (und 
der  in  gedeckter  secundärer  ultima)  stehenden  (ob  die  quan- 
titative reduction  vor  consonant,  wie  im  westgerm.,  vgl.  a.  a.  o. 
8  und  9,  späteren  datums  ist,  lässt  sich  nicht  ermitteln).    Be- 


516  VAN   HELTEN 

sonders  zu  beachten  ist  hier  die  behandlmig  der  ö- laute:  der 
verschiedenen  westgerm.  entwickelung  derselben  (vgl.  a.a.O.  3. 
5.  8)  steht  im  nord.  uniforme  entwickelung  gegenüber,  d.h. 
jedes  -ö"{')  bez.  -ö"(-)  erscheint  urn.  als  -o(-),  d.  h.  -ö"(-)  bez. 
-ö"  (?),  an.  als  -«(-).  Ob  dem  westgerra.  aus  -^*'  entwickelten 
-a  (vgl.  a.  a.  o.  8)  ein  gleiches  -a  entsprach  oder  aber  dieses  -e" 
wie  die  ursprünglich  monophthongischen  -e"  und  die  -e",  -e'* 
(aus  diphthong)  behandelt  war,  ist  kaum  zu  entscheiden:  in 
den  adverbien  auf  -a  und  in  he^m,  dadra  könnte  solches  -a, 
ebensogut  aber  ein  auf  -ö  zurückgehendes  vorliegen  (s.  unten 
s.  518  in  /5  und  LXIII,  10);  für  die  endung  des  nom.  sg.  masc. 
schwacher  decl.  aber  ist  keinesfalls  -e  (woraus  dann  urn.  -a) 
anzusetzen,  erstens  indem  die  Übersiedlung  von  auf  neföd,  mä^nö]) 
zurückgehenden  nefö,  ma^nö  oder  mänö  (woraus  nefe,  -i,  mäne,  -i, 
s.  unten  zu  2.  3.  4.  5  a  am  schluss)  in  die  schwache  declination 
auf  altes  -ö  aus  -ön  des  besagten  schwachen  casus  hinweist, 
zweitens  weil  aus  dem  übertritt  ursprünglich  neutraler  schwacher 
nomina  in  die  masc.  declination  (vgl.  an.  sime,  -i,  Marse,  -i,  vange, 
-i  neben  sima  ntr.,  aind.  sirsan,  ahd.  tvanga  ntr.)  auf  mit 
der  ntr.  nominativendung  übereinstimmendes  masc.  -ö(w)  zu 
schliessen  ist. 

Zu  1.  Belege  sind  die  an.  durch  vocalapokope  ihrer  aus 
-e,  -i,  -ö  entstandenen  kurzen  endung  verlustig  gewordenen 
formen  (im  urn.  erscheint  noch  das  -u,  urn.  formen  mit  -e,  -i 
sind  nicht  überliefert): 

die  unten  LXIII,  7  gedeuteten  partikeln  auf  -n  aus  -we; 

die  vocalsuffixlosen  nominative  der  sogen,  iö-  und  vielleicht 
auch  der  sogen,  ^ö-stämme  {hddr  etc.  und  hen  etc.)  mit  altem  -l 
(doch  könnten  hen  etc.  auch  auf  den  got.  sihja  etc.  entsprechende 
Prototypen  zurückgehen  mit  -iö,  woraus  -m,  woraus  -i,  das  in 
der  folge  schwand);  der  suffixlose  dat.  sg.  der  «-stamme  mit 
altem  -ei  (s.  unten  LVII,  1); 

die  den  oben  s.  503  zu  1  zusammengestellten  westgerm., 
mit  und  ohne  -u  verwanten  flexionsbildungen  entsprechenden 
formen,  die  den  apokopegesetzen  gemäss  an.  in  der  regel  ohne, 
ausnahmsweise  (in  folge  der  Wirkung  des  einen  oder  des  anderen 
hier  nicht  zu  erörternden  factors)  mit  -o,  -u  auftreten,  urn. 
noch  das  alte  -u  aufweisen,  also  spgko,  spaku,  g^mlo,  gamlu 
etc.  dat.  sg,  ntr,   (eig,  instr,);    hgrn,  sumor,   spgk   etc,   higrto, 


GRAMMATISCHES.  517 

liiartu  etc.  nom.  acc.  pl.  ntr.  der  o-  und  der  scliwaclieu  declination 
(vgl.  auch  unten  LXI);  sog,  lierlituj,  siiqIc  etc.  nom.  sg.  der  ö-stämme 
(urn.  s'iTjii,  minu  etc.);  sq(j,  Ixerlinyu,  Jccerlingii  etc.  dat.  sg.  des 
ö-substantivs;  hind,  sicef  (mittelstufe  stvefi)  etc.  Lsg.  praes.  ind. 
nach  starker  und  nach  schwacher  io-conjugation;  hiödem,  fdrem 
etc.,  hiode,  fdere  etc.  bez.  hiüdim,  forem  etc.,  hiüdin,  förin  etc. 
(vgl.  unten  LXI)  1.  3.  pl.  praes.  und  praet.  opt. 

Auch  hier  bildet  der  sg.  imp.  nach  der  ö-tlexion  {safna 
etc.)  eine  ausnähme  (vgl.  oben  s.  504). 

Zu  2.  3.  4.  5.  a.  Fortsetzungen  von  durch  consonantapokope 
in  den  absoluten  auslaut  getretenen  bez.  vor  -r  stehenden,  ur- 
sprünglich stoss tonigen  längen  (vgl.  dazu  die  oben  s.  511  ff. 
aufgeführten  westgerm.  bildungen): 

urn.  -ü  (späturn.  -«),  an.  -a  der  1.  sg.  des  schwachen  praet. 
ind.  —  urn.  -ö  im  acc.  sg.  masc.  mminö  (wegen  der  an.  formen 
auf  -an  s.  unten  LXI)  —  an.  -«  des  acc.  sg.  der  adject.  ö-stämme 
—  urn.  -ö,  an.  -a  des  nom.  sg.  der  schwachen  feminina  (doch 
könnte  hier  auch  ein  eventuellem  vorgot.  -ön  [vgl.  unten  D]  zu 
vergleichendes  prototyp  zu  gründe  liegen)  —  an.  -a  des  nom. 
acc.  sg.  der  schwachen  neutra  —  an.  -a  der  1.  sg.  praet.  (und 
praes.)  opt.  (weiteres  s.  unten  LX)  —  an.  -ar  (urn.  -öi^?  s. 
Noreen,  Gr.  §  308,  anm.  2)  des  gen.  sg.  der  ö-substantiva  und 
der  fem.  starken  adjectivischen  declination  (=  westgerm.  -a 
bez.  -e  aus  neugebildetem  -02'^  doch  könnte  die  endung  hier 
auch  altem  -öz  entsprechen)  —  an.  -ar  des  acc.  pl.  der  ö-sub- 
stantiva  (urn.  -öli)  und  der  fem.  starken  adjectivischen  decli- 
nation [im  hinblick  auf  die  für  den  westgerm.  und  got.  schwachen 
nom.  sg.  masc.  anzusetzenden  prototypen  -ön  und  -ö  (s.  oben 
s.  512,  anm.  2  und  unten  D)  wäre  neben  dem  oben  s.  516  in  5 
für  diesen  casus  eruierten  vornord.  -ün  auch  -ö  denkbar;  dem 
einen  wie  dem  anderen  prototyp  niüsste  urn.  -0  bez.  -ö  (?) 
entsprechen  (vgl.  die  finn.  bei  Thomsen,  Einfluss  der  germ. 
sprachen  auf  die  finn. -läpp.  s.  153.  155  erwähnten  lehnwörter 
mato,  niaJio);  demnach  ist  das  statt  dessen  überlieferte  urn.  -a 
als  durch  anlehnung  an  die  endungen  des  gen.  dat.  sg.  -an  ent- 
standene neubildung  (also  als  kurzer  voc.)  zu  fassen;  für  das 
an.  -e  (späturn.  -e?  vgl.  Noreen,  Gr.  §  332,  anm.  1),  -/  aber  (das 
nach  dem  oben  s.  516  erörterten  keinesfalls  auf  -en  oder  -S 
zurückzuführen)  ergibt  sich  mithin  entstehung  aus  -a,  also  eine 


518  VAN   HKLTEN 

entwickelung-,  die  sich  dem  ags.  und  vorfries.  -e  (d.h.  -e°)  aus 
-a  (vgl.  oben  s.  502  in  10)  vergleicht]; 

urn.  -e,  an.  -e,  -i  der  3.  und  an.  -er,  -ir  der  2.  sg.  des 
schwachen  praet.  ind.; 

an.  -e,  -i  und  -er,  -ir  der  3.  und  2.  sg-.  des  starken  praet. 
opt.  (urn.  -jB  in  -iviliB  2.  sg.  auf  dem  hobel  von  Vi?);  an.  -e, 
-i  des  nom.  sg.  der  fem.  adjectivabstracta  {vg].  oben  s.  510); 

an.  -e,  -i  der  partikel  üte,  -l  (s.  unten  LXIII,  3)  und  des 
inip.  sg.  {üaJ;e,  -i  etc.)  der  sogen.  4.  schwachen  klasse; 

an.  dtta  (=  ahd.  ahto  etc.). 

ß.  Fortsetzungen  von  durch  consonantapokope  in  den 
absoluten  auslaut  getretenen  bez.  vor  -r  stehenden,  ursprüng- 
lich schleift onigen  längen  (vgl.  dazu  die  oben  s.  511  ff.  auf- 
geführten westgerm.  bildungen;  formen  mit  altem  -e,  -T  fehlen; 
wegen  eines  möglichen  -U  des  schwachen  nom.  sg.  masc.  s. 
oben  «); 

an.  heöra,  öaöra  mit  -a  aus  -et  oder  -en  (?  vgl.  oben  s.  516); 

an.  -a  der  1.  sg.  praes.  opt.  der  o-flexion  (daneben  -er,  -ir, 
-e,  -i  der  2.  3.  durch  analogiebildung  nach  der  starken  und  der 
«o-flexion)  —  urn.  -u  (?,  vgl.  Noreen,  Gr.  §  308,  anm.  6),  an.  -a  des 
gen.  pl.  —  an.  -a  der  adverbia  {gigrva,  illa,  die  bildungen  auf 
-liga  etc.;  doch  könnte  hier  auch  eine  dem  ags.  adv.  -e  aus 
-et,  vgl.  oben  s.  516  und  512,  entsprechende  endung  vorliegen) 

—  urn.  -ö,  an.  -a  des  nom.  sg.  der  schwachen  feminina  (?  vgl. 
oben  a)  —  an.  -ar  des  nom.  pl.  der  o-substantiva  und  der  fem. 
starken  adjectivischen  declination  —  an.  -ar  des  gen.  sg.  der 
ö-substantiva  etc.  (?  vgl.  oben  a)  —  an.  -ar  des  nom.  pl.  der 
o-substantiva  aus  -5s  (oder  -öses?  vgl.  oben  s.  519  zu  9); 

urn.  -e,  an.  -e,  -i  der  passiven  1.  sg.  haite,  hcite  etc.  (s. 
Noreen,  Gr.  §  469,  anm.  2)  aus  -al  für  -ol  (mit  schleiften  anzu- 
setzen mit  rücksicht  auf  die  gebotene  annähme  einer  durch 
contraction  von  stamm-  und  personalsuffix  entstandenen  endung) 

—  an.  -er,  -ir  mit  angetretenem  -r  (oder  -li?  vgl.  wegen  urn. 
-eB?  Noreen,  Gr.  §  354,  anm.  1)  des  nom.  pl.  masc.  der  starken 
adj.  flexion  —  die  endung  der  partikeln  inne,  -i  etc.  (s.  unten 
LXIII,  6)  —  an.  -e,  -i  des  dat.  sg.  der  adject.  und  pron.  ö-stämme) 

—  urn.  -e,  an.  -e,  -i  des  dat.  sg.  masc.  ntr.  der  o-substantiva  — 
an.  -er,  -ir,  -e,  -i  der  2.  3.  sg.  praes.  opt.  nach  starker  und  der 
schwachen  io- flexion  (das  -a  der  Lsg.  durch  analogiebildung 


GRAMMATISCHES.  519 

nach  der  1.  sg-.  praet,  opt.,  vgl.  unten  LX)  —  an.  -er,  -ir,  -e,  -i 
der  2.  3.  sg.  praes.  opt.  nach  der  sogen.  4.  schwachen  flexion 
{vdker,  -e  etc.;  auch  hier  -a  der  1.  sg.  durch  analogiebildung); 
an.  -ar  des  gen.  sg.  der  «-stamme. 

D. 

Für  das  got.  ist  die  "behandhing  langer  endsilbenlaute  durch 
Haussen  (in  Kuhns  Zs.  27,  612  ff.)  und  Sievers  (in  Pauls  Grundr. 
11,413)  festgestellt: 

erhaltung  der  von  jeher  absolut  auslautenden  bez.  durch 
consonantapokope  auslautend  gewordenen  geschleiften  sowie 
der  durch  conson.  geschützten  stosstonigen  und  geschleiften 
länge  (wegen  -ai,  -ai-,  -au,  -aus  aus  schleiftonigem  diphthong 
s.  IF.  14,  67  und  85); 

kürzung  der  von  haus  aus  absolut  auslautenden  bez.  durch 
consonantapokope  in  den  absoluten  auslaut  getretenen,  ge- 
stossenen  länge  (auch  der  durch  contraction  aus  diphthong  ent- 
standenen). 

Als  belege  kommen  ausser  den  allgemein  bekannten  noch 
in  betracht: 

-öS,  -ü  und  -ais,  -ai  des  praes.  opt.  nach  2.  und  3.  schwacher 
flexion  (vgl.  IF.  14,  85)  —  die  partikeln  auf  -Inö,  -dre  sowie 
pande,  nute  etc.  (s.  unten  LXIII,  10.  11)  —  das  für  den  schwachen 
nom.  sg.  masc.  neben  -a  (für  -ön  =  -c6v)  aus  ostgot.  nomina 
sajo,  Banto,  Bojo,  Riggo,  Taffo  (s.  IF.  68,  73.  111.  147.  154)  zu 
folgernde  -ö  (für  -ö  =  lit.  -?<;  vgl.  die  oben  s.  512,  anm.  2  für  das 
westgerni.  erschlossenen  zweierlei  prototypen  des  besagten  casus) 
—  vielleicht  auch  als  durch  anlehnung  an  -önez,  -i  etc.,  -Tnez, 
-i  etc.  (vgl.  dydJvog,  -i  etc.,  atdlvoc,  -i  etc.)  für  -ön,  -In  (vgl. 
(lyojv,  cudlg)  im  nom.  sg.  fem.  eingetretene  neubildungen  -ön, 
-%n,  woraus  -ö,  -ei  (doch  könnten  hier  auch  durch  anlehnung  an 
die  nach  dem  schwund  der  zweigipfligen  betonung  entstandenen 
-ö-  und  -l-  der  flectierten  casus  nicht  gekürzte  endungen  vor- 
liegen)'); 

dem  -a  von  ahd.  wela  etc.  (s.  oben  s.  508)  entsprechendes  -a 
von  waila a  bez.  -na  der  1.  sg.  praes.  ind.  nach  3.  schwacher 

')  Auf  -ö(u)  des  fem.  und  masc.  beruht  die  eutstehung  von  neben  dem 
Prototyp  des  fem.  sunm  (=  ahd.  as.  aonfrk.  sunna,  ags.  afries.  sunne,  au. 
sunna)  aiif gekommenen  masc.  oder  ntr.  form  (vgl.  sunnin  dat.  sg.). 


620  VAN   TIKLTEN 

flexion  und  der  wö-verba  aus  -c",  -nö"  (für  -t'";»,  -nö^m,  vgl. 
IF.  14,  85.  88)   —   der  ultimavocal  von  iupana  etc.  und  pana 

(in  Jxtna  mais  etc.,  s.  unten  LXITI,  7.  12) ma  der  1.  pl.  opt. 

aus  -mü  (s.  unten  LXI). 

Als  ausnahmen  sind  zu  erwähnen:  die  auf  anlehnung  be- 
ruhenden -ö  und  -ai  des  imp.  sg.  nach  2.  und  3.  klasse  (vgl. 
IF.  14, 85)  —  auf  anlehnung  an  den  voc.  von  -ös,  -öJj  beruhen- 
des -ö  der  1.  sg.  praes.  ind.  nach  2.  klasse  (beachte  hiergegen- 
über  stehendes,  zuvor  beregtes  -na  der  wö-verba)  —  durch 
einwirkung  von  -ö-  der  endung  -önö  des  nom.  acc.  pl.  erhaltenes 
-ö  (aus  -ön,  vgl.  wegen  dieses  prototyps  oben  s.  507)  des  schwachen 
nom.  acc.  sg.  ntr.  (wegen  durch  uniformität  von  neutraler  und 
masculiner  endung  des  nom.  sg.  veranlasster  Übersiedelung  von 
neutris  in  die  masc.-decl.  beachte  got.  lüiimia,  hiu{li)ma,  stmna  mit 
-ma  statt  eines  mit  -,«a,  lat.  -men,  aslov.  -m^  =  indog.  -mn  in- 
direct  correspondierenden,  über  -mun,  -mön  entstandenen  -mön. 

Im  gegensatz  zur  westgerm.  und  nord.  behandlung  fand 
hier  also  nur  eine  kürzung  statt  und  zwar  nach  dem  eben- 
falls nur  einmal  wirkenden  vocalabf all  (vgl.  IF.  14, 68  f. 
und  beachte  auch  unten  LIII,  4)  und  nach  der  dem  vocalschwund 
vorangegangenen  consonantapokope. 

Hervorzuheben  ist  es  ferner,  dass,  da  bei  der  kürzung 
bekanntlich  jedes  -c"  (alter  monophthong  sowie  aus  diphthong 
entstandener  laut)  durch  -u'  zu  -a  geworden,  für  -ö"  (altes 
monophthongisches  sowie  contrahiertes)  verschiedene  behand- 
lung zu  beobachten  ist: 

entwickelung  zu  -a  des  ursprünglich  absolut  auslautenden 
im  nom.  sg.  der  ö-stämme,  im  nom.  acc.  pl.  der  ntr.  o -stamme, 
in  der  1.  sg.  praes.  ind.  starker  und  1.  schwacher  flexion; 

entwickelung  zu  -a  des  durch  consonantapokope  auslautend 
gewordenen  in  -ana,  -ata  von  pronominal  flectierten  acc.  sg. 
masc.  und  nom.  acc.  sg.  ntr.  (-«  aus  -ön,  vgl.  IF.  14, 82),  im 
acc.  sg.  der  ä-stämme,  im  nom.  sg.  masc.  schwacher  declination, 
in  der  1.  sg.  des  schwachen  praet.  ind.  und  in  der  1.  sg.  praes. 
ind.  nach  2.  schwacher  flexion  auf  -na  (vgl.  oben); 

entwickelung  zu  durch  -au  bezeichnetem  -o"  des  durch 
consonantapokope  auslautend  gewordenen  in  der  1.  sg.  praet. 
opt.  {-jau  aus  -iun,  s.  unten  LX)  und  der  3.  sg.  und  pl.  imper. 
{-adau,  -anäau  aus  -ecföt,  -onöut,  s.  unten  LXII); 


GRAMMATISCHES.  521 

entwickelung  zu  durch  -au  bezeichnetem  -o"  des  auf  di- 
phthongisches -OK  zurückgehenden  lautes  in  ahtaii  (vgl. IF.  14,67). 

Die  discrepanz  begreift  sich  bei  folgender  fassung: 

aus  -ou  (d.h.  -o"«)  contrahiertes  -ö"  wird  zu  -o"; 

von  jeher  auslautendes  -ö"  wird  durch  -ä"  zu  -a; 

ursprünglich  vor  consonant  stehender  laut  wird  zu  -o" 
durch  kürzung  von  -ö'',  das  zu  der  zeit,  wo  absolut  auslauten- 
des, monophthongisches  in  -ä"  übergieng,  durch  den  folgenden 
conson.  vor  dieser  qualitativen  Schwächung  geschützt  wurde'); 

letzteres  -o"  bleibt  zum  teil  erhalten,  wird  jedoch  durch 
-a  ersetzt,  wenn  es  der  beeinflussung  durch  -a  oder  -a-  einer 
oder  mehrerer  flexionsformen  des  paradigmas  oder  sonstiger 
analogisierender  einwirkung  ausgesetzt  ist,  d.h.  in  -ano"  acc. 
sg.  masc,  -ato "  nom.  acc.  sg.  ntr.,  woraus  -ana,  -ata  durch  an- 
lehnung  an  das  -a  (aus  -e")  von  -amma  dat.  —  in  -o"  acc.  sg. 
fem.,  woraus  -a  durch  einwirkung  von  -a  (aus  -ö")  des  nom. 
sg.  —  in  -0"  nom.  sg.  masc.  schwacher  declination,  woraus  -a 
durch  anlehnung  an  -an  des  acc.  sg.  —  in  -o"  1.  sg.  des 
schwachen  praet.  ind.,  woraus  -a  durch  einwirkung  von  -a 
(aus  -e")  der  3.  sg.  —  in  -«o"  (aus  -nö"  für  -nWn)  1.  sg.  praes. 
ind.  der  >«ö-verba,  woraus  -na  durch  analogiebildung  nach  der 
endung  für  die  1.  sg.  praes.  ind.  starker  und  1.  schwacher 
fiexion. 

Dem  erörterten  gemäss  muss  durch  das  -au  von  -aidau, 
-aizau,  -aindau  des  passiven  opt.  repräsentierter  laut  entweder 
als  -0"  auf  -ou  mit  oder  ohne  conson.  oder  auf  -ö"  mit  conson. 
oder  aber  als  -ö"  bez.  -o"u  auf  -oü  mit  oder  ohne  conson. 
zurückgehen.  Auf  einen  versuch  zur  lixierung  des  betreffenden 
Prototyps  möchte  ich  mich  indessen  einstweilen  nicht  einlassen 
(die  annähme  einiger  forscher,  s.  Bezzenberger,  Beitr.  26,  153, 
dieses  -dau  beruhe  auf  anzusetzendem  -tau,  das  sich  dem  aind. 
-tu  des  activen  Imperativs  gegenüber  verhalte  wie  medio- 
passivisches -tat  gegenüber  act.  -ti,  ist  zu  problematisch). 


•)  Nach  dieser  fassung  ist  das  IF.  14,  G7,  anni.  über  die  behaudlung  von 
-o«  bemerkte  zu  berichtigen. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXV III,  34 


522  VAN   HELTEN 

LTII.    Zur  westi^eriii.  apo-  boz.  Synkope  vou  kurzem 
voeal  der  eudsilbe. 

1. 

Auf  grund  von  ags.  -aö,  afiies.  -adi  3,  pl.  praes.  ind.  aus 
-onln,  von  ags.  -ot  der  neutra  siveofot,  Öeowot,  preowot  'das 
blinzeln  der  äugen'  aus  -läin  (für  -utini),  von  ags.  afries.  -um 
des  dat.  pl.  der  o  -  substantiva  aus  -omis  neben  ags.  dat.  sg. 
fet,  Uö,  men{n),  hec  etc.  ist  für  das  von  jeher  absolut  aus- 
lautende -i  Schwund  in  dritter  silbe  vor,  in  zweiter  silbe 
nach  der  umlauts Wirkung  zu  fixieren. 

Aus  ahd.  aonfrk.  (s.  Gramm.  §  91)  -'is{t),  -H,  as.  -is,  -id  (-it), 
ags.  und  afries.  wegen  der  umlautung  des  wurzelsilbenvocals 
bez.  -diphthongs  auf  -is,  -i])  zurückzuführenden  -cs(t),  -eö  bez. 
-est,  -etil  der  2.  und  3.  sg.  praes.  ind.  (beachte  übrigens  auch 
die  Beitr.  8,  327  aus  den  ältesten  ags.  quellen  citierten  -ith  der 
3.  sg.)  aus  -ezi,  -eöi  bez.  -esi,  -ejii  neben  ahd.  -et  der  2.  pl.  praes. 
ind.  aus  -cdc  ist  der  apokope  des  in  dritter  silbe  stehenden  -i 
vorangegangene  assimilierende  ein  Wirkung  von  -i  der  ultima 
auf  -e-  der  paenultima  sowie  abfall  von  nicht  zu  -/  gewordenem 
-e  dritter  silbe  zu  erschliessen  (der  gedanke  an  die  möglich- 
keit  von  nach  der  «-assimilierung  und  vor  der  vocalapokope 
entstandenem  -eöi  ist  ausgeschlossen  mit  rücksicht  auf  das  in 
zweiter  silbe,  also  jedenfalls  nicht  vor  abfall  der  auslautenden 
küi'ze  dritter  silbe  verklungene  -e,  worüber  gleich  unten). 

In  ahd.  (fränk.)  as.  -en  und  ahd.  (oberd.  und  Isidorischem) 
aonfrk.  (s.  Gramm.  §  68)  -in  des  gen.  und  dat.  sg.  masc,  ntr. 
schwacher  flexion  liegen  demnach  teilweise  auf  ausgleichung 
beruhende  endungen  vor:  -in  aus  -eni  kam  eig.  dem  dat.,  -en 
aus  -enez  eig.  dem  gen.  zu.  Für  die  zeitliche  fixierung  des 
v'-schwunds  ist  auf  die  inschriftl.  Ne]ialen{n)iae,  -c,  Nchalen{n)i 
(s.  Beitr.  10,  211  ff.)  zu  achten,  deren  constantes  -e-  auf  im  an- 
fang  der  römerzeit  noch  nicht  durcli  -?(-)  oder  -j-  der  ultima 
hervorgerufene  entwickelung  von  vorangehendem  -e-  zu  -/-, 
also  auch  auf  damals  noch  nicht  erfolgte  apokope  von  -i  in 
dritter  silbe  hinweist.  Aus  der  zwischen  dieser  -i-ent Wickelung 
und  der  apokope  von  -i  liegenden  periode  stammt  der  über- 
lieferte dat.  Ilannini  (worüber  Zs.  fdph.  24,  146  ff.  und  Beitr. 
27, 144  nachzusehen  ist). 


GRAMMATISCHES.  523 

Aus  ags.  -an,  aofries,  -a  (für  -an)  des  uom.  (acc.)  pl.  masc. 
und  fem.  nacli  schwacher  flexioii  für  -onez  bez.  -önez  (wegen 
des  schleif tons  der  paenultima  vgl.  oben  s.  519)  und  ags.  monaö, 
aofries.  mönatli  nom.  (acc.)  pl.  neben  ags.  fet,  Ud,  men(n),  bec, 
brec,  mys,  cy  etc.,  aofries.  fet,  teth,  tesch  etc.  nom.  (acc.)  pl.  und 
ags.  bec,  byr^,  fyrh  etc.  gen.  sg.  ergibt  sich  priorität  des  aus- 
falls  von  hellem  voc.  in  dritter  silbe  gegenüber  erst  nach  der 
Umlautswirkung  erfolgtem  schwund  in  zweiter  silbe  von  aus 
-ez  entstandenem  -i. 

Nach  ags.  -an,  aofi^es.  -a  des  schwachen  nom.  (acc.)  pl. 
masc.  fem.  und  nach  ags.  -ad,  afries.  -ath  der  3.  pl.  praes.  ind. 
sind  auch  ags.  -an,  afries.  -a  des  schwachen  gen.  dat.  sg.  masc. 
ntr.  und  fem.  als  regelrecht  auf  -ones,  -oni,  -önez,  -öni  zurück- 
gehende endungen  verständlich. 

Dass  der  ausfall  von  hellem  voc.  in  dritter  silbe  dem  ab- 
fall  von  -z  vorangegangen,  ergibt  sich  aus  den  bekannten  in- 
schriftlichen belegen  für  den  dat.  pl.  Aflims,  Watwims,  Sait- 
chamims  mit  -ms  aus  -miz  (nicht  -moz,  s.  unten  3). 

Ob  die  apokope  der  anderen  dentale  und  des  nasals  zu 
gleicher  zeit  nach  kurzem  und  nach  langem  laut  oder  etwa 
früher  nach  langem  als  nach  kurzem  stattfand,  ist  nicht  zu 
ermitteln.  Im  ersteren  fall  hätte  das  oben  s.  504  ff.  anlässlich 
des  -ä  aus  -ön  und  -öp,  -od  bemerkte  überhaupt  zu  gelten; 
aber  auch  im  anderen  dürfte  posteriorität  der  apokope  besagter 
consonanten  ausgeschlossen  sein,  da  aus  -aö,  -ath  der  3.,  -et 
der  2.  pl.  praes.  ind.  und  -it,  -kl,  -etil  etc.  der  3.  sg.  (s.  oben)  zu 
entnehmen  ist,  dass  der  abfall  von  -7>,  -<?  spätestens  zugleich 
mit  dem  schwund  von  -/  und  -e  stattfand,  und  aus  sweofot 
etc.  (s.  oben)  auf  schwund  von  -n  (aus  -m)  vor  dem  verklingen 
von  -/  dritter  silbe  zu  schliessen.  Für  nach  kurzem  voc.  die 
-J)  etc.  überdauerndes  -z  sind  Aflims  etc.  zu  beachten. 

Dass  die  erst  in  der  römerzeit  erfolgte  apokope  von 
hellem  vocal  in  dritter  silbe  jünger  ist  als  die  kürzung  des 
von  haus  aus  im  absoluten  auslaut  stehenden  vocals,  mithin  die 
in  rede  stehende  primäre  vocalapokope  regelrecht  auch  das  aus 
-i  entstandene  -/  dritter  silbe  hätte  treffen  müssen,  lehrt  das 
oben  s.  504  ff.  über  die  Chronologie  dieser  kürzung  ermittelte 
(dieselbe  erfolgte  spätestens  zur  zeit  der  apokope  von  -J)  etc. 
nach  langem  voc,  war  demnach  vor  der  römerzeit,  worin  be- 

34* 


524  VAN   HELTEN 

reits  -ä  für  -öj)  etc.  in  schwang  "war,  perfect  geworden).  Doch 
wäre  hier  auch  durch  anlehiiuug-  an  die  zweisilbigen  formen 
mit  -'/  (aus  -i)  des  nom.  sg.  veranlasste  erhaltung  des  nominativ- 
sufüxes  dankbar.  Wegen  -w  der  partikeln  üff'an,  innan,  tlian, 
don  etc.  aus  -ne  für  -ne  s.  unten  LXIII,  7.  12. 

Aus  neben  ags.  dat.  sg.  fet,  UÖ,  tnen(n),  hec  etc.  stehen- 
den för,  Jiealp,  tdh  etc.  der  3.  sg.  praet.  ind.  resultiert,  dass 
altes  -i  in  zweiter  silbe  erst  nach  der  umlautwirkung  schwand, 
das  -e  zweiter  silbe  aber  nicht  durch  Übergang  zu  -i  mit  diesem 
-i  zusammenfiel,  sondern  vor  der  entwickelung  von  unbetontem 
-e  zu  -i  verklang;  im  hinblick  auf  das  absolute  fehlen  be- 
treffender praeteritalbildungen  mit  umgelautetem  wurzellaut 
wäre  ja  Verdrängung  \o\\  aus  fori  etc.  hervorgegangenen  fder 
etc.  durch  auf  föra  etc.  zurückgehende  för  etc.  kaum  denkbar 
(vgl.  Beitr.  5,  120  und  Jellineks  Beitr.  zur  germ.  flex.  s.  43). ') 
Man  beachte  auch  mit  Walde  (Die  germ.  auslautsgesetze  s.  118) 
ags.  mec,  as.  mik,  nicht  mikl,  aus  rnehe  =  {8)(itye. 

Zusammengefasst  sind  also  als  fälle  von  primärem  schwund 
des  endungsvocals  festzulegen: 

ausfall  von  (durch  -z)  gedecktem  und  von  ungedecktem 


1)  Demzufolge  ist  für  die  aofries.  neben  hon,  gong,  sconde,  stonda  etc. 
stehenden  praeterita  wem,  bant,  sang  etc.  und  für  das  praeterito-praes.  kan 
eine  andre  deutung  geltend  zu  machen  als  die  Beitr.  14,  283.  17,  567  f.  vor- 
geschlagene {wan  3.  sg.  aus  wanni,  ivan  1.  sg.  durch  anlehnung  an  die  3.) 
und  zwar  zu  erinnern  an  das  northumbr.,  das  sonst  q  vor  nasalen  durch- 
führt, doch  ausnahmslos  band,  dranc,  ^elamp  etc.  gewährt  durch  anlehnung 
an  praeterita  wie  halp  etc.  (s.  Sievers,  Ags.  gr.  §  386,  anm.  3  und  vgl.  auch 
Franck,  Zs.  fda.  Anz.  28,  51,  sowie,  mit  berücksichtigung  des  gleich  unten 
zu  bemerkenden,  Siebs  in  Pauls  Grundr.  l'-*,  1182;  wegen  aofries.  gald  und 
hiernach  anzusetzender  bcdg,  halp  etc.  vgl.  Aofries.  gr.  §  1«;  eine  gleich- 
artige analogiebildung  begegnet  im  prt.  star{f)  für  regelrechtes  ster{f). 
[Das  neben  normalen  nom,  com  oder  nöm,  com  (vgl.  Aofries.  gr.  §  271,  anm.  1) 
einmal,  in  E'  33, 5,  begegnende  nam  wäre  demnach  als  Schreibfehler  zu 
fassen  (in  v.  R.'s  Wb.  aus  F.  307, 15  citiertes  nam  ist  lesefehler  für  im  Fivelg. 
ms.  stehendes  nom;  awfries.  nam  ist  wie  quayn  dieser  dialektgruppe  na«h 
IF.  7,  328  ff.  zu  beurteilen);  wegen  der  jiraeteri talformen  ?;erf,  sjjre/c  etc.  und 
tvas,  loarth  (das  im  verein  mit  gald  etc.  analogisierend  einwirkte)  s.  Aofries. 
gr.  §  2  und  Iß.  d;  für  die  erhaltung  des  alten  vocals  in  quaih  v.  E.  Rechts- 
qu.  255,  3  ist  die  aus  quäd  (s.  Aofries.  gr.  §  15/?)  zu  erschliessende ,  vor 
palatalisierung  des  folgenden  vocals  schützende  funcüon  der  g-M-consonanz 
in  anschlag  zu  bringen.] 


GRAMMATISCHES.  525 

hellem  vocal  (auch  von  durch  «-apokope  in  den  auslaut  ge- 
tretenem und  von  aus  alter  länge  entstandenem  kiu'zen)  in 
dritter  silbe; 

ausfall  von  ungedecktem  -e  (nicht  von  -i,  -ez  bez.  -iz)  in 
zweiter  silbe. 

Die  erscheinungen  stimmen  überein  mit  den  aus  um. 
gestumB,  borumR  dat.  pl.,  hariutip  3.  sg.,  prawman,  -halaidan 
schwachem  gen.  dat.  sg.  masc,  Ljiuön  schwachem  gen.  sg.  fem., 
was,  gaf  3.  sg.  praet.  sowie  aus  an.  imperat.  hift,  gal-Jc  (vgl. 
Beitr.  5, 120)  für  das  vornord.  zu  folgernden.  Auf  grund  dieser 
Übereinstimmung  aber  dürften  für  das  westgerm.  durch  pri- 
märe apokope  entstandene  -es  gen.  sg.  (aus  -cso  oder  etwa 
-esso?^))  und  halp,  ivas  Lsg.  als  parallelen  zu  urn.  -as  gen. 
sg.  (aus  -OSO  oder  etwa  -osso?^))  und  unnam,  aih-eJi,  falah-ak 
1.  sg.  zu  gelten  haben  (demnach  auch  an  etc.  füi'  ana  etc.,  s. 
unten  LXIII,  1,  durch  solchen  abfall  entstanden  sein). 

2. 

Dass  im  vorwestgerm.  der  voc.  von  -oz  und  das  -o  (aus 
-on)  der  primären  syn-  und  apokopewirkung  in  dritter  silbe 
nicht  erlagen,  ergibt  sich  aus  ahd.  hirti,  rlchi,  as.  hirdi,  rlki, 
ags.  ende,  rice  etc.  des  nom.  acc.  sg.  mit  -i,  -e  aus  -io£!,  -ion 
(vgl.  auch  die  auf  -oz,  -on  zurückgehenden  -aR,  -a  in  urn, 
IwlfiuaR,  haitinaR  etc.  nom.,  llahaisla  acc).  Da  aber  die 
erhaltung  dieses  -o(-),  d.h.  -o\-),  offenbar  mit  der  dunklen 
färbung  des  vocals  in  Zusammenhang  steht^  ist  auch  für  das 
-/((-)  dritter  silbe  erhaltung  in  der  periode  des  primären  vocal- 
schwunds  anzunehmen. 

Es  ist  demnach  der  ausfall  dieser  vocale  sowie  der  Schwund 
von  in  zweiter  silbe  stehender  kürze,  mit  ausnähme  des  -e, 
als  die  folge  der  Wirkung  eines  jüngeren,  secundären  auslauts- 
gesetzes  geltend  zu  machen. 


')  Wegen  solcher  prototypen  mit  ss  hoffe  ich  später  bei  anderer  ge- 
legenheit  zu  handeln. 

Der  apokope  von  ultimavocal  gieng  vermutlich  qualitative  Schwächung 
von  -00  zu  -a  voran  (vgl.  das  gleich  im  text  in  2  zum  Avestgerm.  -o  aus 
-oz,  -on  zu  bemerkende),  und  es  dürfte  die  erhaltung  von  -aR,  -a  dritter 
silbe  im  urn.  nom.  acc.  sg.  masc.  ntr.  auf  dem  umstand  beruhen,  dass  die 
vocale  dieser  enduugen  zur  zeit  des  primären  vocalschwunds  ihre  dunkle 
qualität  noch  nicht  eingebüsst  hatten. 


526  VAN    HELTEN 

Aus  der  tatsaclie,  dass  mitunter  masc.  bez.  ntr.  nach  der 
o-fiexion  gehende  lehnwörter  als  entsprecliungen  von  lat.  fe- 
mininen auf  -a  begegnen  (vgl.  alid.  ziagal,  miiniz,  ags.  simm, 
ancor  etc.*  masc,  ahd.  zabal,  fcnstar,  saf,  ags.  mynet  ntr.  aus 
tcgula,  moneta  etc.)  ist  ferner  zu  entnehmen,  dass  auf  -o\-) 
zurückgehende  endung  als  -a  verklang;  dass  indessen  im  anfang 
der  römerzeit  noch  -o''(-)  gesprochen  wurde,  lehrt  der  umstand, 
dass  die  überwiegende  mehrzahl  der  nach  der  o-flexion  gehenden 
masc.  und  ntr.  lehnwörter  einer  lat.  form  auf  -om  des  acc.  bez. 
des  nom.  acc.  sg.  (mit  schwach  articuliertem  m)  entstammen. i) 

Dem  in  (durch  -z)  gedeckter,  dritter  silbe  erfolgten  pri- 
mären vocalschwund  gemäss  könnte  auch  für  den  jüngeren 
vocalschwund  nichtbeschränkung  auf  den  absolut  auslautenden 
vocal  möglich  erscheinen  (natürlich  mit  ausschluss  von  nicht 
zwischen  zwei  n  stehendem  antenasalischen  vocal,  für  den  nach 
massgabe  des  im  nord.  in  der  Stellung  vor  n  und  m  nicht 
synkopierten  vocals  ebenfalls  im  vorwestgerm.  durch  nasal 
erwirkte  erhaltung  zu  erwarten-)).  Aus  den  bildungen  mit 
alten  -os,  -ez  (oder  -?>?'')),   -iz,  -uz  ist  für  solche  fi-age  kein 


^)  Mit  dieser  folgerung  stehen  nicht  in  Widerspruch  die  von  Bremer 
(TF.  14,  365  f.)  nachgewiesenen,  frühzeitig  für  altes  -ü"  eingetretenen  -a-  der 
niittelsilbe  nnd  der  compositionsfnge  (zu  Bremers  belegen  füge  ich  noch 
hinzu  Nehalenniae  etc.,  s.  Beitr.  16,  211  f.,  mit  -enl  bez.  -eni-  als  altem  suffix 
aus  neliol-):  hier  liegen  eben  nicht  schwächst  betonte,  sondern  nebentonige, 
mit  stärkerem  oder  schwächerem  mittelton  gesprochene  silben  yor. 

2)  Als  die  entsprechungen  der  got.  durch  synkope  von  zwischen  zwei 
n  stehendem  vocal  (aus  -ommz  oder  -aniinz,  -onimz)  entstandenen  -ans,  -uns 
des  schwachen  acc.  pl.  masc.  fem.  (vgl.  IF.  14,  80)  wären  westgerm.  und 
um.  -un,  -ün  zu  erwarten  (aus  -ununz,  -ümmz  inr  -onunz,  -onunz;  schvvund 
des  -u-  wol  gleichzeitig  mit  der  apokope  von  -u).  Dieselben  liegen  in  der 
tat  vor  in  ahd.  -?<«,  -ün  dieser  casus  und  daran  angelehnter  nominative. 
Wegen  für  -un  erscheinender  ahd.  as.  aonfrk.  -on  und  wegen  für  -ün  auf- 
tretender ahd.  -on  (-un?),  as.  -un,  -on,  aonfrk.  -on  s.  Beitr.  21,  462  ff.  und 
Aonfrk.gr.  §  68 f.  59 £.  Im  ags.  aofries.  herschen  die  aus  dem  nom.  pl.  ein- 
gedrungenen -an,  -a.  Wegen  der  an.  neubildungen  -«,  -ü,  -or,  -ur  s.  unten 
LXI  am  schluss. 

8)  Ob  in  auf  -ez  zurückgehender  endung  (des  gen.  sg.  und  nom.  pl. 
der  consonantstämrae)  der  Übergang  zu  i  vor  oder  erst  nach  dem  abfall  des 
conson.  stattgefunden,  ist  fraglich,  denn,  wenn  auch  aus  ahd.  -et  der  2.  pl. 
l)raes.  ind.  für  -ede  und  aus  -en  für  -enez  (s.  oben  s.  522j  erhaltung  der  alten 
f^ualität  vor  d,  n  hervorgeht,  so  ist  doch  die  möglichkeit  von  vor  -z  ent- 


GRAMMATISCHES.  527 

kriteriiim  zu  entnehmen,  weil  -z  früher  als  der  vocal  verklungen 
sein  kann.  Ebensowenig  aber  aus  ahd.  -et,  -ut,  aonfrk.  -it  {-et, 
vgl.  Gramm.  §  91  f.  93^)  der  2.  pl.  praes.  ind.,  imper.  und  praet. 
ind.:  auch  das  {-t  nom.  acc.  sg.  ntr.  des  starken  adjectivs  für 
um.  *-at,  -r  nom.  sg.  für  urn.  -iJR,  -uR  und  -s  gen.  sg.  für  urn. 
-as  gewährende)  an.  hat  in  diesen  flexionsformen  -eO,  -id  {-et, 
-it),  -od,  -uÖ  {-ot,  -ut),  und  zwar  augenscheinlich  als  die  folge 
des  bestrebeus,  der  2.  pl.  dieselbe  silbenzahl  zu  erhalten,  die 
der  1.  und  3.  pl.  von  rechtswegen  zukam  (für  das  praesenssuffix 
der  lang-  und  mehrsilbigen  schwachen  verba  1.  klasse  wäre 
möglicherweise  mit  herkunft  aus  dem  got.  -ei})  entsprechender 
endung  zu  rechnen;  hierüber  jedoch  später  bei  einer  erörterung 
der  flexionsbildungen  1.  schwacher  conjugation:  einstweilen  sei 
nur  hingewiesen  auf  ahd.  as.  -i,  aonfrk.  -i«  des  imper.  sg.  der 
langsilber  =  got.  -ei  als  das  eigentlich  der  conjugation  dei' 
denominativa  und  causativa  zukommende,  auf  -i  aus  '-e\i  zurück- 
gehende Suffix,  vgl.  oben  s.  511).  Als  beweis  aber  gegen  die 
secundäre  synkope  von  gedecktem  endvocal  ist  die  genitiv- 
endung  -es  hervorzuheben.  A^^egen  der  demnach  als  auf  ana- 
logischem wege  gekürzte  bildungen  zu  fassenden  ags.  hilpst, 


standenem  i  nicht  ohne  weiteres  iu  abrede  zu  stellen  (vgl.  an.  fetr,  tennr 
etc.  nom.  pl..  nci^lr  gen.  sg.  mit  -r  aus  -in  für  -ez). 

Wegen  des  neben  ahd.  -et  der  2.  pl.  praes.  ind.  und  des  imper.  in  den 
Monseefragmenten  und  den  gll.  Ker.  belegten  -it  (s.  Hench,  The  Monsee 
fragments  s.  133—135  und  Beitr.  9, 326)  und  wegen  des  aonfrk.  -it  dieser 
person  (s.  Gramm.  §91  f.  93p?)  sei  bemerkt,  dass  die  Beitr.  17, 569  vor- 
geschlagene deutung  derselben  als  in  folge  von  ersetzung  eines  isolierten 
Prototyps  -etii  durch  -ibi  der  3.  sg.  entstandener  neubildung  mit  rücksicht 
auf  das  nicht  bereclitigte  einer  ansetzung  von  -eöi  (s.  oben  s.  522)  abzu- 
lehnen. Eher  empliehlt  sich  Jelliueks  fassung  dieses  -it  (s.  IF.  11, 199)  als 
analogiebildung  nach  der  3.  sg.,  und  zwar  nicht  so  sehr  mit  rücksicht  auf 
österreichisches  ihr  führt  (s.  a.  a.  o.),  als  wol  im  hinblick  auf  den  umstand, 
dass  nicht  nur  in  der  2.  und  3.  schwachen  conjugation  -öt  bez.  -H  sowol  für 
die  3.  sg.  als  für  die  2.  pl.  praes.  ind.  gelten,  sondern  auch  für  die  1.  schwache 
flexion  neben  -it  der  3.  sg.  dieses  tempus  altes  -it  der  2.  pl.  (deren  in  den 
kurzsilbigen  stehende  geminata  also  auf  analogiebildung  beruht)  anzusetzen 
ist:  die  uniformität  der  beiden  personalendungen  in  der  ganzen  schwachen 
conjugation  konnte  das  muster  abgeben  für  die  entstehung  von  -/(  in  der 
starken  flexion  (beachte  das  umgekehrt  durch  einwirkung  von  -et  der 
starken  flexion  für  -it  der  schwachen  eingetretene  -et,  das  sich  im  ahd. 
neben  analogisch  entstandenem  -at  als  norm  vorfindet). 


528  VAN   HELTEN 

hÜ2jS,  demst,  demÖ,  fcerst,  fcerd,  seid  etc.  (s.  Sievers,  Gr.  §  358,  2), 
aofries.  halst,  stcrfth,  sext,  tösprelcst,  hcrth  etc.,  vgl.  Beitr.  17, 
556  f.  •) 

3. 

Als  consequenzen  des  in  1  und  2  ermittelten  sind  ferner 
noch  geltend  zu  machen: 

entwickelung  von  altem  -eies  des  nom.  pl.  der  ^-declination 
über  -iiez,  -iz  (mit  zweigipfligem,  durch  die  contraction  hetero- 
syllabischer  laute  entstandenem  voc),  -i,  -%  (vgl.  oben  s.  511)  zu 
historischem  -i\ 

entwickelung  von  altem  -encz  des  nom.  pl.  der  M-decli- 
nation  über  -c\uz,  -\\uz  (/-färbung  von  e  durch  in  der  folge- 
silbe  stehendes  u)  zu  historischem  -i  der  kurzsilbigen,  ahd. 
siü,  suni,  as.  sidi,  suni  (abfall  von  -u  durch  secundären  vocal- 
schwund)2); 


')  Abzuweisen  ist  Waldes  raeinung  (Germ,  auslautsges.  s.  125,  fussnote), 
(lass  die  kürzeren  formen  der  2.  3.  sg.  praes.  ind.  ursprünglich  nur  in  der 
Stellung  vor  dem  enklitisch  antretenden  pronomen  berechtigt  seien  und 
die  Synkope  als  synkope  eines  mittelvocals  begreiflich  sei:  wenn  auch  aus 
gelegentlich  für  die  2.  sg.  praes.  ind.  neben  cömcdu,  druncebu  etc.  erschei- 
nenden cumdu,  druHcdu  etc.  (s.  Sievers,  Ags.  gr.  §3(54,  anm.  1)  zu  entnehmen, 
dass  bereits  zur  zeit  der  synkope  von  paenultima  das  subjectspronomen  en- 
klitisch mit  dem  verbum  verbunden  wurde  (und  durch  die  zweite  kürzung, 
vgl.  oben  s.  503,  8,  entstandener  endungsvocal,  d.  h.  hier  -i  aus  -l  für  -iz,  vgl. 
unten  LIX,  vorhanden  war),  so  fehlte  in  den  Verbindungen  -istii  (aus  -is  du), 
-idhe  (aus  -id  he)  eine  der  für  die  vocalsynkope  in  vorletzter  silbe  erforder- 
lichen bedingungen,  nämlich  die  Stellung  des  vocals  in  offener  silbe. 

Da  die  annähme  der  entstehung  von  ie  in  sliehd,  siehd  etc.  aus  e,  i 
(s.  Beitr.  a.  a.  0.)  abzuweisen  (als  aus  e,  i  durch  brechung  entstandene  laute 
wären  eo,  io  zu  erwarten)  und  für  die  brechung  ein  höheres  alter  als  für 
den  ^■-umlaut  anzuerkennen  ist  (vgl.  Sievers,  Gr.  §  78),  ist  in  diesem  ie  wol 
die  folge  von  systemzwang  zu  erblicken  (die  2.  3.  sg.  praes.  ind  mit  zu 
dem  wurzellaut  der  anderen  flexionsbildungen  im  Umlautsverhältnis  stehen- 
dem laut,  hier  ie,  ie  zu  ea,  eo). 

2)  Für  die  pluralbildungen  der  langsilbigen  M-stämme,  ahd.  scilti,  wi- 
diri  etc.,  as.  hm,  *skildi  (nach  slcildion)  etc.,  statt  deren  bei  regelrechter 
behandlung  nach  Beitr.  17, 288  ff.  scilliu  etc.  zu  erwarten  wären,  ist  die 
annähme  von  analogiebildung  nach  siti  etc.  ausgeschlossen :  siti :  situ,  suni 
:  sunu  etc.  hätten  kaum  das  muster  abgeben  können  für  die  neubildung 
von  zu  seilt,  slcild  etc.  stehenden  scilti,  '*sJcildi  etc.  (ahd.  neben  sunu  be- 
gegnendes sun  ist  hier  selbstredend  nicht  als  factor  in  anschlag  zu  bringen). 
Plausibler  wäre  die  fassung,  dass  in  der  alten  i-declination  zu  gast,  anst, 


GRAMMATISCHES.  529 

entstehung'  von  -m  des  dat.  pl.  aus  auf  -mi.-,  nicht  auf  -nio£; 
zurückgehendem  m^  (vgl.  übrigens  auch  auf  /  der  ultima  hin- 
weisendes ags.  dcem,  twcem  dat.  pl.)'); 

entstehung  von  i  der  impei-ative  ahd.  hilf,  sih  etc.,  as.  sih, 
wis  etc.,  aonfrk.  (s.  Gramm.  §  113.  115)  farfiht,  ejif  etc.  durch 
analogiebildung  (vgl.  Beitr.  17, 567). 

Weiteres  s.  noch  unten  LVII.  Wegen  -özez  als  basis  von 
aofries.  -ar  und  -özes,  -öses  als  möglicher  protot3'pen  von  an. 
-ar,  as.  -os,  ags.  -as  s.  oben  s.  515  und  518.  Ob  ahd.  -um,  aonfrk. 
-o"w  (s.  Gramm.  §  97/9.  100/9)  der  1.  pl.  praet.  ind.  auf  -iime  oder 
-umo  beruhen,  ist  nicht  zu  entscheiden. 

Für  die  Chronologie  des  secundären  vocalschwunds  sei  be- 
merkt, dass  dieser  Vorgang  spätestens  zugleich  mit  der  secun- 
dären kürzung  des  endungslautes  (vgl.  oben  s.  503)  erfolgte. 

4. 

Den  im  vorangehenden  für  das  westgerm.  ermittelten  und 
für  das  nord.  beregten  primären  vocalschwund  hat  Sievers, 
Beitr.  5, 120  ff.  als  urgermanische  erscheinung  aufgefasst.  Hier- 
gegen spricht  indessen  folgendes: 

erstens  der  auf  nur  einmaligen  vocalschwund  hinweisende 
got.  nom.  pl.  sunjus  (aus  stincues  wäre  durch  zweimaligen 
vocalschwund  siini  hervorgegangen,  indem  durch  ausfall  von 


brüd  etc.  stehende  gesti,  cnsti,  hrüdi  etc.  die  ersetzuiig  von  zn  seilt,  sküd 
etc.,  ?iant,  hand  als  regelrechten  bi klangen  gehörenden  scütiü,  sküdiü  etc., 
hent/'u,  hcndiü  durch  scüti,  *skildi  etc.,  henti,  liendi  veranlasst  habe;  vgl. 
auch  die  auf  demselben  wege  entstandenen  aonfrk.  nom.  (acc.)  pl.  fuoli, 
tende,  heinde  (Gramm.  §  64.  65). 

')  Ob  im  ags.  dd;s(t),  dest,  ^d;s(t)  und  dtcd,  ded,  ^leö,  afries.  deth,  (ßth, 
sMh  regelrechte  entsprechungen  von  rfös*  oder  Öös/  etc.  vorliegen  (woneben 
dann  dorn,  dö  etc.  der  1.  sg.  und  döö  etc.  des  pl.  als  neubildungen),  muss 
unentschieden  bleiben.  Denkbar  wäre  hier  ja  auch:  analogisch  (nach  dem 
rauster  des  in  mehrsilbigen  formen  lautgesetzlich  statttindeuder  apokope) 
erfolgter  -/-abfall  (der  dann  auch  für  die  Lsg.  und  die  3.  pl.  zu  gelten 
hätte,  vgl.  auch  Michels,  Zs.  fdph.  34, 116  und  Franck,  Zs.  fda.  Anz.  28,  52; 
trotz  der  überlieferten  -ige,  -ie  etc.  sind  ja  den  in  den  anderen  west- 
germ. dialekten  begegnenden  fiexionsforraen,  ahd.  -öw,  -ö»i,  as.  aonfrk.  -on 
zufolge  auch  für  das  vorags.  und  vorfries.  verbalformen  auf  -dmi  anzu- 
nehmen) und  analogische  neubildung  (vgl.  Sievers,  Beitr.  5,  109,  anm.)  von 
d<kst  etc. 


530  VAN   HEI.TEN 

-e-  in  dritter  silbe  stehendes  u  nach  Beitr.  15, 455  f.  21, 429  ff. 
22, 223 ff.  hätte  schwinden  müssen'}); 

zweitens  der  umstand,  dasc  primärer  vocalschwund  für 
das  westgerm.  in  eine  nach  dem  anfang  der  römerzeit  liegen- 
den Periode  zu  verlegen  ist  (s.  oben  s.  523),  also  in  eine  zeit, 
wofür,  wenn  man  überhaupt  zur  annalime  einer  einheitlichen 
urgermanischen  spräche  berechtigt  sein  sollte,  die  existenz  einer 
solchen  einheitlichkeit  doch  gewis  ausgeschlossen  ist. 

LIV.    Zur  westgerni.  dehuuug  von  consonant  und  hiilb- 
vocal  u  vor  i. 

1. 
Beitr.  21,  437  f.  wurde  betont,  dass  die  westgerm.  deh- 
nung  von  conson.  vor  palatalem  halbvocal  vor  dem  abfall  von 
-/  in  zweiter  silbe  und  vor  der  «-apokope  erfolgte,  mithin 
älteren  datums  ist  als  der  secundäre  vocalschwund  (vgl.  oben 
LXIII,  2  und  s.  auch  jetzt  Brugmann,  Kurze  vergleich,  gramm. 
der  indog.  spr.  §  315).  Der  geminationsprocess  dürfte  indessen 
noch  weiter  zurückzudatieren  sein,  und  zwar  mit  rücksicht 
auf  das  inschriftlich  aus  der  römerzeit  überlieferte  Nehalenniae 
(vgl.  Beitr.  16,  211  f.)  in  eine  periode,  die  weder  entwickelung 
von  -c-  zu  -i-  vor  i  oder  i  der  endsilbe,  noch  auch  den  nach 
dieser  vocalaffection  erfolgten  primären  vocalschwund  (vgl. 
oben  LUX,  1)  kannte.  Für  die  datierung  der  Nehalenniae- 
inschriften,  somit  auch  für  die  entscheidung,  ob  die  dehnung 
im  anfang  der  römerzeit  bereits  oder  noch  nicht  stattgefunden, 
fehlt  uns  jede  angäbe  (dass  ausserdem  das  n  von  vereinzelt 
begegnenden  Nehaleniac  nicht  notwendig  einen  vor  *  noch 
nicht  gedehnten  conson.  repräsentiert,  liegt  auf  der  band:  es 
kann  darin  eine  durch  den  regelrechtes  ti  vor  i  enthaltenden 


>)  Zu  der  IF.  14,  69  in  bezng  aiif  got.  -is,  -ip  der  2.  3.  sg.  praes. 
ind.  als  beweise  gegen  die  annähme  von  vorgot.  zweimaligem  vocalschwund 
gemachten  concession  möchte  ich  noch  diese  hinzufügen:  denkbar  wäre  es 
zur  not  auch,  dass  in  aus  (jr'ipisi,  -ipi  entstandenen  yripis,  -ip  das  -i-  nach 
langer  silbe  erhalten  wäre  durch  einwirkung  von  hairis,  -ip  und  (über- 
lieferten nasjis,  -jip)  zu  gründe  liegenden  ncms,  -ip  mit  regelrechtem,  nach 
kurzer  silbe  erhaltenem  -/-  (vgl.  Beitr.  21, 476  f.,  wo  durch  lapsus  ein- 
geschlichenes fahs  A\\s*fahis  zu  streichen:  got.  (jafähs  'fang'  ist  entweder 
mit  altem  -s  oder  mit  altem  -is  gebildetes  derivatuni). 


GRAMMATISCHES.  531 

nominativ  Nehalcni  beeinflusste  form  vorlieg-en,  die  sich  als 
neubildung  der  neben  Nehaleni  begegnenden  Nehalenni  ver- 
gleicht). Andrerseits  aber  berechtigen  ahd.  epfi,  ecchil,  as. 
mtiddi,  ags.  syll  i\.  dgl.  (aus  ap/'o,  aciale,  modio,  solio  etc.,  s.  noch 
Beitr.  16,  264  f.  und  Pauls  Grundr.  12,426  §  157)  nicht  zu  dem 
schluss,  dass  diese  Wörter  zunächst  mit  einfachem  conson.  ent- 
nommen sind  und  erst  nachher  durch  die  Wirkung  des  west- 
germ.  gesetzes  ihre  geminata  erhalten  haben:  ist  doch  eben 
die  für  das  junge,  durch  die  kirchensprache  eingeführte  ahd. 
lehnwort  fiU(e)ol  (aus  filiolo)  unumgängliche  annähme,  dass 
lat.  einfacher  conson.  +  i  auf  dem  wege  der  lautsubstitution 
durch  dem  westgerm.  mund  und  ohr  geläufige  geminata  -f-  / 
ersetzt  wm^de,  für  die  in  älterer  zeit  dem  vulgärlat.  entstam- 
menden lehnwörter  keineswegs  undenkbar  (wegen  ähnlicher 
lautsubstituierung  vgl.  z.  b.  die  ht,  ft  für  lat.  c^^  i>^  in  -ds.  fniht, 
ahd.  tihtön,  gnift  etc.). 

2. 

Mit  rücksicht  auf  die  ahd.  ou\w  aus  a\ui  (in  houue,  -gi- 
strouui,  touuan  etc.,  s.  Beitr.  9,  528  ff.)  und  hi\iv  aus  e\m  bez.  i\id 
(in  niuutia,  -az,  -en,  diiiuua,  cldmuiia,  simment  etc.,  s.  Beitr. 
9, 538  f.)  liegt  füi'  das  hd.  die  annähme  von  gleichzeitig  mit 
der  consonantengemination  erfolgte  dehnung  der  halbvocale 
auf  der  band.  Auf  eine  ganz  andere  behandlung  dieser  laut- 
verbindungen  im  ags.  nd.  und  nfrk.  ist  aber  zu  schliessen  aus 
ags.  ieg,  nd.  nfrk.  ö^H  (woraus  WiH)  in  ags.  Me^  'heu',  ie^  'insel', 
as.  döian  'sterben',  *strökm  'streuen',  liögias  'heus',  Telgöia, 
aonfrk.  Vpgöie,  Bredenöia,  mnd.  düle7i  'auftauen',  hög,  mnl. 
döyen  liquefieri,  döyen  mori,  strUyen  'streuen'  etc.  (s.  Beitr.  16, 
297  ff.),  die  auf  vor  der  dehnung  von  u  vor  i  durch  einwirkung 
von  diphthong  au  aus  a\Hi  entstandenes  au\i  hinweisen.  Als 
gegenstück  zu  diesem  au\^  hätte  man.  wenn  neben  e\ui  zur 
zeit  der  einwirkung  von  diphthong  diphthong  en  ge- 
standen hätte.  eu\i  aus  e\ul  zu  erwarten.  Aus  dem  fehlen 
jedoch  von  auf  eu\i  zurückgehenden  ags.  ie\s,  nd.  nfrk.  ü\i 
(vgl.  Beitr.  20,  507)  resultiert  das  unzulässige  eventueller  an- 
nähme einer  entstehung  von  au\l  zu  der  zeit,  wo  diphth.  cu 
neben  noch  nicht  durch  umlautung  von  c  (zu  /)  der  paenultima 
berührtem  e\ui  hervorgieng  (erfolgt  also  auch  im  hinblick  auf 


532  VAN   HELTEN 

das  oben  ausg-eführte  nichtentstehimg  dieses  mt\i  vor  der  con- 
sonantendelinung).  Gegen  die  annähme  von  nach  entstehung- 
von  i\m  und  in  entwickeltem  au\i  spricht  die  verschiedene 
behandluiig  der  beiden  lautverbindungen.  Es  bleibt  somit  nur 
die  folgende  möglichkeit:  entstehung  von  au\i  nach  der  ent- 
wickelung  von  i\ui  und  vor  der  entwickelung  von  in  (wegen 
der  relativ  späten  genesis  von  m  aus  eu  vgl.  Braunes  Ahd. 
gr.  §  47,  anm.  1  und  Beitr.  25, 297);  darauf  dehnung  des  labialen 
halbvocals  vor  i  in  i\ui  (aus  e\ui)  sowie  in  altem  i\ui,  also  ent- 
stehung  von  ni\ui,  das  die  überlieferten  i(e)\w,  io\iv,  ü\w  ergab 
in  ags.  nieive,  niwe,  nioivc  etc.,  mnd.  nüivc,  aonfrk.  nmmi, 
thiuimon,  tlmime,  -on  (d.  h.  nüwi  etc.,  vgl.  Gramm.  §  25),  monfrk. 
nüivc,  mnl.  nüivc,  lüive  (s.  Beitr.  20,  507  >) ).  Dass  diese  dehnung 
von  labialem  halbvocal  vor  i  als  das  resultat  von  analogie- 
bildung  zu  fassen  {niu\uiu  neben  ni\ui,  spiu\uiu  neben  spi\uis, 
-id  etc.  nach  dem  muster  von  nut\tiu  bez.  nyt\tiu  neben  nu\ti 
bez.  ny\ti,  tal\Im  bez.  tcl\UH  neben  ta\lis,  -id  bez.  te\lis,  -id  etc.), 
ist  aus  nd.  nfrk.  neben  den  bildungen  mit  o"|i  {öH\i)  begeg- 
nenden formen  mit  keinenfalls  auf  au\i  oder  a\ai  zurückgehen- 
dem ou\w  (mnd.  doiiwen,  döien  'auftauen',  stromven,  Strogen 
'streuen',  mnl.  douiven,  döyen  'tauen',  vervromven,  vcrvröyen 
'erfreuen'  etc.,  s.  Beitr.  16,  297  ff.)  zu  ersehen:  neben  phonetisch 
entstandenem  strau\iu  auch  als  neubildung  styau\uiu  zu  stra\uis, 
-id  nach  dem  muster  von  tal\liu  zu  ta\lis,  -id.-) 

Wegen  der  afries.  fortsetzungen  von  a\ui  vgl.  Beitr.  16, 305  f. 
19, 378.  430  (reflexe  von  i\ui  fehlen).  Dass  den  ahd.  iu\iü  und 
ou\w  nicht  analogiebildung  zu  gründe  liegt,  lehrt  uns  fromva 
aus  fra\uiö{ti):  analogische  entstehung  von  ou\w  wäre  hier  nur 
denkbar  als  die  folge  von  nachbildung  nach  einstmals  während 
der  analogiebildungsperiode  neben  ursprünglichem  a\m  stehen- 
dem cm\ui,  und  es  müsste  so  auffallen,  dass  neben  frouwa  etc. 


')  Die  as.  belege  nnma,  -on  Cott.  5536.  5553,  thiuua,  thiuun  Cott.  285. 
5027  sind  nicht  stricte  beweisend,  weil  hier  zur  not  i\yf  für  durch  anlehnung 
an  altes  i\ui  der  unflectierten  formen  entstandenes  i\ui  vorliegen  könnte. 

^)  Die  am  a.a.O.  vorgeschlagene  deutnng  des  ou\w  aus  durch  anlehnung 
an  au  der  bildungen  mit  regelrechtem  aii\i  für  «|n  eingetretenem  «mI« 
{strau\mH,  -id  für  stra\uifi,  -id  durch  eiiiwirkung  von  strau\iu  etc.)  ist  ab- 
zuweisen :  als  die  folgen  einer  beeiuflussung  von  selten  der  sfra^l  w-bildungen 
wären  ja  strau\is,  -id,  nicht  strau\uis,  -id  zu  erwarten. 


GRAMMATISCHES.  533 

sich  gar  kein  beleg-  mit  auf  altes  a\ui  zurückgehendem  etv 
vorfindet,  mithin  die  neubildung  die  alte  form  völlig  verdrängt 
hätte,  während  sich  sonst  in  den  Wörtern,  denen  altes  mit  a-iii 
wechselndes  a-ni  zukam,  formen  mit  eiv  neben  denen  mit  ouw 
finden  (vgl.  Beitr.  9,  528  fl). 

8. 

Sievers  hat  in  diesen  Beitr.  16, 262  ff.  Kauffmanns  theorie, 
dass  die  dehnung  von  consonant  vor  i  nur  da  eintrat,  wo  in 
einem  formensystem  w^ortformen  mit  -i  und  -i-  abwechselten, 
unter  hinweisung  auf  ahd.  ellan,  as.  ellian,  ags.  eilen  (^=  got. 
aljan)  und  ags.  smidöe,  ahd.  smitta  (aus  smilnün)  beanstandet 
und  die  auf  diese  Voraussetzung  gegründete  erklärung  von 
tal\lia  als  contaminationsproduct  aus  ta\li  und  tal\xa  abgelehnt 
(wegen  der  a.  a.  o.  s.  264  f.  hervorgehobenen  lehnwörter  epfi, 
mutti  etc.  und  ßleol  vgl.  jetzt  oben  1).  Er  erblickt  ferner  in 
der  dehnung  {tal\lia  aus  ta\lia)  die  folge  von  durch  quantitäts- 
steigerung  veranlasster  Verschiebung  der  silbengrenze.  Doch 
dürfte  zu  erwägen  sein,  ob  in  dieser  Verschiebung  oder  wol 
besser  in  diesem  übertritt  von  vor  i  stehender  consonanz  in 
die  vorangehende  silbe  nicht  "\delmehr  ein  spontaner,  von 
etwaiger  quantitätssteigerung  gänzlich  unabhängiger  act  vor- 
läge: die  dehnung  erfolgte  bekanntlich  auch  in  nebentoniger 
(sonst  der  quantitativen  Steigerung  nicht  ausgesetzter)  silbe 
und  bei  gedachter  Steigerung  in  starktoniger  silbe  müsste  man 
ausserdem  neben  tul\lla  aus  ta\lia  auch  tal\li  aus  ta\li  erwarten. 
Bei  besagtem  übertritt  aber  wäre  zweierlei  Vorgang  denkbar: 
der  consonant  verteilte  sich  über  die  beiden  silben,  was  deh- 
nung desselben  involvierte,  oder  er  trat  ganz  aus  der  folge- 
silbe  in  die  vorsilbe  ein;  letzteres  geschah  im  nord.,  wie  zu 
folgern  aus  an.  niö\jar,  hen\jar,  svef\jom,  svef\ja  etc.  gegenüber 
Mrdar,  -a,  heidar,  -a,  stijrem,  -um,  -a  etc.  (durch  ausfall  von 
tautosyllabisch  zwischen  cons.  und  voc.  stehendem  i  aus  hir  \  - 
diar  etc.).') 

^)  Ob  auch  im  got.  nas\jan,  har\jös,  kun\ja  etc.  galten  oder  noch  mit 
alter  Silbenverteilung  na\sjan  etc.  gesprochen  wurden,  ist  nicht  zu  ermitteln, 
weil  aus  niujans,  yaujis,  haitja,  maujüs  u.  dgl.  mit  rücksicht  auf  das  oben 
im  text  in  2  erörterte  kein  s\j  etc.  zu  erschliessen  ist,  da  hier  die  eutstehung 
von  au,  iu  auf  eiuwirkung  von  selten  der  diphthonge  beruhen  könnte. 


534  VAN   HELTEN 

LV.    Zur  behaudhiiig  von  -z  und  -s  im  west- 
germanischen. 

Beitr.  18,  527  f.  hat  Hirt  die  vulgatansicht,  dass  von 
den  urgerni.  -s  und  -z  im  westgerm.  ersteres  erhalten  bleibe, 
beanstandet  und  den  versuch  gemacht,  auch  für  -s  die  apokope 
zu  erweisen.  Er  begründet  seine  theorie  durch  hinweis  auf 
ahd.  zwo,  dio  (für  Jw)  sowie  die  2.  sg.  des  praet.  opt.  ags,  h(^re 
etc.,  ahd.  as.  tvili  und  des  praet.  ind.  ahd.  zugi,  as.  dridi,  ags. 
hunde  etc.  mit  -/,  -e  aus  -is  bez.  -es.  Doch  ist  hierzu  zu  be- 
merken: dass  zwö,J)ö  auf  proklitisclie  prototypen  mit  -z  zurück- 
gehen können ;  dass  ein  -z  in  der  2.  sg.  praet.  opt,  sich  ganz 
gut  begreift  als  das  product  von  analogiebildung  (s.  gleich 
unten);  und  dass  zurückführung  von  zugi  etc.  auf  tuges  wich- 
tigen bedenken  unterliegt  (s.  unten  LIX).  Andrerseits  aber  ist 
der  beweis  für  erhaltenes  -s  unschwer  zu  erbringen  auf  grund 
von  ahd.  -nies  der  1.  pl.  und  westgerm.  -tos,  -dos,  -des  (as.  dagos, 
ags.  dasos  müssen  als  zweideutige  formen,  s.  oben  s.  514  f.,  aus 
dem  spiel  bleiben;  für  die  erhaltung  von  -s  in  ahd.  nicJms,  aclms, 
liazus,  fiziis,  as.  akus  wäre  zur  not  mit  Hirt  die  einwirkung 
der  obliquen  casus  verantwortlich  zu  machen).  Für  -mes  beruft 
sich  Hirt  zwar  im  anschluss  an  J.  Sclimidt,  Kugel  und  v.  Fier- 
linger  (s.  Kuhns  Zs.  27, 189)  auf  ved.  -masi,  doch  dürfte  die  für 
den  fall  anzunehmende  i-epenthese  wol  zu  problematischer 
natur  erscheinen,  um  hier  mit  fug  für  die  deutung  der  endung  in 
betracht  zu  kommen.  Einen  versuch,  die  -tos,  -dos  etc.  der  2.sg. 
des  scliw.  praet.  mit  der  hypothese  von  s-abfall  zu  vereinigen, 
vermisst  man  überhaupt  in  Hirts  aufsatz.  Für  die  flxierung  des 
alten  accents  dieser  endungen  fehlt  uns  allerdings  ein  directer 
anhält;  da  aber  deutung  des  -s  derselben  als  parallele  zur 
secundär  auslautenden  sibilans  von  dages,  hindis  ausgeschlossen 
ist  und  der  Schwund  von  -z  bez.  die  gelegentliche  erhaltung 
von  dai'aus  entstandenem  -r  (in  ahd.  wir,  ir,  mir,  dir,  er,  afries. 
-er  nom.  sg.  niasc.  des  Personalpronomens)  feststeht,  muss  das  -s 
unserer  gesetze  als  eine  nicht  durch  Verners  gesetz  getroffene 
consonanz  gelten  und  seine  erhaltung  eben  mit  dieser  stimm- 
losen Qualität  in  Verbindung  gebracht  werden.') 


')  Auf  eine  deutung  dieses  -mis  möchte  ich  mich  einstweilen  nicht 
einlassen.    Zurückführung-  der  endung  auf  etwaiges,   eigentlich  der  athe- 


GRAMMATISCHES.  535 

Keine  Schwierigkeit  macht  hierbei  das  in  der  2.  sg.  praet. 
opt.  ahd.  curi,  ahd.  as.  tvüi,  ags.  beere,  bunde  etc.,  afries.  *Jmlpe 
etc.  (die  unbelegte  form  ist  aus  -e  der  2.  sg.  praes.  opt.  zu  er- 
schliessen)  fehlende  -s,  da  es  gar  leicht  begreiflich  ist,  dass 
die  alte,  auf  grund  der  ursprünglichen  betonung  des  modal- 
suffixes  mit  voller  Sicherheit  als  -ies  anzusetzende  praeterital- 
endung  oder  die  dafür  eingetretene  neubildung  -is  durch  ein- 
wirkung  von  selten  des  -^  der  2.  sg.  praes.  opt.  (vgl.  Beitr. 
17, 5551 1))  ihr  -s  mit  -^  vertauschte  (vgl.  auch  got.  ivileizu 
Joh.  9, 54  sowie  an.  shjter,  -ir  und  beachte  wegen  der  um- 
gekehrten beeinflussung  einer  anderen  endung  des  praes.  opt. 
durch  die  correspondierende  des  praet.  opt.  unten  LX;  wegen 
der  angelsächsischem  -e  und  altfriesischem  -c  [d.  h.  -a]  der  2.  sg. 
praes.  und  praet.  opt.  gegenüber  stellenden,  durch  neubildung 
entstandenen  endungen  ahd.  -es,  -is,  as.  -as  [-es],  -is,  amfrk.  -as 
vgl.  Beitr.  17,  556). 

Der  ansetzung  von  altem  -.9  für  die  endung  der  2.  sg.  des 
schwachen  praet.  ind.  widerspricht  keineswegs  im  an.  -der,  -dir 
erscheinendes  -r,  das  sich  anstandslos  als  die  aus  den  sonst 
(mit  ausnähme  des  starken  praet.  ind.)  für  die  2.  sg.  verwanten 
personalendungen  entlehnte  endungsconsonanz  begreift. 

Waldes  ohnehin  in  manchen  stücken  zu  beanstandende 
annähme  (vgl.  dessen  German.  auslautsgesetze  s.  130  und  Jelli- 
neks  recension  dieses  buches  Zs.  f.  öst.  gymn.  1901,  s.  1087),  der- 
zufolge  -s  nach  gestossener  länge  erhalten  geblieben,  -^  nach 
kurzem  oder  geschleiftem  langen  vocale  gesell  wunden  wäre, 
fordert  zu  der  kaum   befriedigend  zu  beantwortenden   frage 


matischen  flexion  zukommendes,  starktoniges  -mPs  (vgl.  Kuhns  Zs.  27, 189  f.) 
hat  ihren  haken,  insofern  es  kaum  begreitlich  wäre,  ilass  eine  verhältnis- 
mässig selten  verwante  endung  sich  über  die  ganze  conjugation  verbreitet 
hätte.  Begreiflich  wäre  der  einfluss,  den  ein  litauiscliem  mca  'wir'  ent- 
sprechendes pronomen  auf  die  endung  -iiiez  ausgeübt  hätte;  doch  fehlt  leider 
ein  anhält  für  die  annähme  eines  solchen  einstmals  im  germ.  (vorhd.)  ver- 
wanten pronomens. 

Ehemalige  existenz  von  regelrecht  auf  -omee  zurückgehendem  -um  ist 
aus  ahd.  -iimes  zu  erschliessen,  dessen  -ii-  nur  als  die  folge  von  anlehnung 
au  solches  -um  verständlich  ist. 

*)  Wo  indessen  die  schwachen  verba  2.  und  3.  klasse  mit  alten  disylla- 
bischen  -0<'\'iz,  -ä\iz,  -ca\iz  (woraus  -ö<^z,  -e^'lz  bez.  -?%  vgl.  IF.  14,  85  f.)  über- 
sehen wurden. 


536  VAN  HELTEN 

heraus,  wie  solche  gestossene  qiialität  des  langen  vocals,  im 
gegensatz  zum  gestossenen  ton  des  kurzen  und  dem  schleifton 
des  langen  lautes,  für  die  conservierung  der  consonanz  verant- 
wortlich 2U  machen  w'äre. 

Ob  in  den  durch  ausfall  von  vocal  vor  -s  in  dritter  silbe 
entstandenen  Verbindungen  -yiz,  -mz  (vgl.  oben  s.523.  529)  das  -z 
zu  gleicher  zeit  mit  dem  nach  voc.  stehenden  -z  durch  apokope 
oder  etwa  noch  vor  dieser  apokope  durch  assimilierung  ge- 
schwunden sei  (nach  art  von  urn.  -n  des  gen.  sg.  masc.  fem. 
und  *-w  des  nom.  pl.  masc.  fem.  schwacher  declination  aus  -nz 
oder  -nB  für  -nez  bez.  von  an.  -m  des  dat.  pl.  aus  urn.  -mB 
für  -miz),  ist  kaum  zu  entscheiden.  Mit  rücksicht  auf  got.  -7is 
des  gen.  sg.  und  nom.  pl.  schwacher  declination  neben  durch 
assirailierung  entstandenem  -m  des  dat.  pl.  aus  -mz  für  -miz 
wäre  für  das  westgerm.  sogar  noch  ein  drittes  denkbar:  assi- 
milierung in  -mz,  abfall  in  -nz. 

LYI.  Noch  eiumal  zu  der  frage  'gab  es  westgerm.  reflexe 
von  got.  -anSf  -vtis,  -uns  des  acc.  pl.  ?' 

Diese  bereits  Beitr.  20,  516  f.  verneinte  frage  möchte  ich 
jetzt  nach  nochmaliger  prüfung  noch  entschiedener  verneinen, 
und  zwar  auf  grund  folgender  erwägung.  Entwickelung  von 
langem  vocal  aus  vor  nasal  +  spirans  stehender  kürze  ist 
physiologisch  nur  so  denkbar:  durch  einfluss  des  fricativlautes 
wurde  der  normale  (mit  verschluss  des  mundcanals  gesprochene) 
nasalconsonant  zunächst  zu  nur  mit  vorstülpung  des  velums 
gesprochenem  nasalconson.  reduciert;  aus  diesem  entstand  so- 
dann durch  anlass  des  vorangehenden  vocals  nasaliert  gespro- 
chener vocal,  der  durch  contraction  mit  dem  vorangehenden 
laut  schleiftonig  (zweigipflig)  gesprochenen  nasalvocal  ergeben 
musste,  woraus  in  der  folge  schleif  tonige,  unnasalierte  länge 
(vgl.  auch  lit.  -ü,  urgerm.  oben  s.  512  hervorgehobenes  -ö  für 
stosstoniges  -ön  =  -mv).  Da  nun  eine  vor  der  ^-apokope 
stattgefundene  reducierung  des  nasals  spätestens  (nach  Aflims 
etc.,  vgl.  oben  s.  523)  in  den  anfang  der  römerzeit  zu  verlegen 
wäre,  worin  (vgl.  oben  s.  526)  aus  altem  -on  hervorgegangener 
laut  noch  nicht  zu  -a  geworden  war,  mithin  auch  vor  tauto- 
syllabischem  nasal  stehendes  endungs-o"  sich  nicht  zu  a  ent- 
wickelt haben  könnte,  wäre  als  durch  nasalschwund  aus  -onz 


GRAMMATISCHES,  537 

(=  iudog.  -ons)  über  -ö''z,  -d",  -ö"  liervorg-egang-eiie  endung  ahd. 
as.  aonfrk.  -o  {-o")  zu  erwarten  (vgl.  oben  s.  512),  nicht  das 
wirklich  überlieferte,  von  den  Vertretern  der  in  rede  stehenden 
theorie  auf  -o)iz  zurückgeführte  -a. 

Hieraus  resultiert  also  zunächst  die  uotwendigkeit,  ahd. 
aonfi'k.  -a  des  nom.  acc.  pl.  der  o-substantiva  nicht  aus  accu- 
sativsuffix  herzuleiten.  Eine  entsprechung  von  vorauszusetzen- 
dem -02  (für  -ÖS  aus  -o  -j-  es)  des  nom.  kann  in  unserer  endung 
allerdings  ebensowenig  vorliegen;  doch  wäre  auf  analogiebildung 
beruhende  entstehung  der  endung  ganz  gut  denkbar:  die  für 
den  nom.  pl.  fem.  verwanten  doppelformen  mit  eig.  dem  nom. 
zukommendem  -d(ß)  und  durch  einwirkung  der  accusativendung 
in  schwang  gekommenem  -ö(s)  (vgl.  oben  s.  512)  veranlassten 
füi'  den  nom.  masc.  zuerst  die  Verwendung  von  -ö(^)  neben 
-ö(^),  und  die  so  eingeschleppte  endung  gelangte  in  der  folge 
zur  alleinherschaft.  [Die  folge  einer  jüngeren  widerholung 
solcher  beeiuflussung  des  masc.  durch  das  fem.  gewährt  das  -ä, 
welches  auf  gi'und  der  vereinzelt  bei  Notker  auftretenden  -ä 
des  nom.  acc.  pl.  masc.  (s.  Beitr.  2, 135)  als  gelegentlich  statt  -a 
dieser  casus  verwante  und  nach  dem  muster  der  ehemals  für 
den  nom.  acc.  pl.  fem.  (vgl.  oben  s.  509  f.)  verwanten  -«  und  -a 
in  schwang  gekommene  endung  geltend  zu  machen  ist;  ob 
auch  in  dem  -a  der  im  Alagna-dialekt  begegnenden  pluralformen 
toga  'tage',  vatra  'väter'  die  fortsetzung  eines  solchen  -ä  steckt, 
ist  fraglich,  weil  nach  Zs.  fda.  21, 28  in  besagter  mundart  -a 
auch  als  entsprechung  von  altem  -a  erscheint.] 

Wegen  der  aus  dem  nominativsuffix  stammenden  ahd.  as.  -i, 
aonfrk,  -f  (s.  Gramm.  §  62/),  ags,  -e  (-i),  afries.  -e  des  nom. 
acc.  pl.  der  2-substantiva  und  wegen  der  endung  von  ags.  nom. 
acc.  pl.  simu,  ivialn,  diiru,  tvintru,  sculdru,  hroÖru  s.  unten 
LVU,  2  und  Beitr.  20, 515  f.  In  ahd.  neben  normalem  siti  und 
sunt  nom.  acc.  pl.  erscheinendem  situ  acc.  pl.  (s.  Braune,  Gramm. 
§  230,  anm.  3)  ist  der  rest  zu  erblicken  von  durch  anlehnung 
an  die  langsilbigen  pluralia  auf  regelrechtes  -iü  (vgl.  oben 
s.528,  anm.  2)  entstandenem  und  vor  apokope  des  -u  geschütztem 
situ  (Zwischenstufen  sitiu,  sitni). 

Die  in  den  kleineren  as.  denkmälern  neben  -os  oder  auch 
ausschliesslich  begegnenden  -a  und  -e  des  nom,  acc.  pl.  der 
o-substantiva  begreifen  sich  als  neubildungen  nach  analogie 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXVIII.  3ö 


538  VAN   HELTEN 

einerseits  der  adjectivisclien  masc,  andrerseits  der  substan- 
tivischen fem.-decliuation  (vgl.  Sclilüter,  Unters,  s.  102  f.  und 
Holthausen,  As.  gr.  §  265,  5). 

Für  die  as.  und  aonfrk.  (s.  Gramm.  §  75  f)  -a  des  nom.  acc. 
pl.  masc.  der  starken  adjectiva  ist  anstandslos  entlelinung  aus 
dem  fem.  geltend  zu  machen. 

Für  das  mitunter  im  ahd.  nom.  acc.  pl.  masc,  der  adjectiva 
neben  und  statt  -e  erscheinende  -a  (in  K.  Is.  Tat.  und  einigen 
bair.  gll.,  s.  Braune,  Ahd.  gr.  §  248,  anm.  9  sowie  Beitr.  15,  415 
und  Zs.  fda.  Anz.  19,  37 1) )  wurde  von  Dietrich,  Hist.  decl,  theot. 
s.  22  und  in  Beitr,  17, 274,  anm,  1  beeinflussung  von  Seiten  der 
Substantivflexion  angenommen;  Jellinek  beanstandet  (Zs.  fda. 
Anz.  20, 23)  diese  auffassung  mit  der  benierkung,  dass  so  nicht 
abzusehen  wäre,  warum  nicht  auch  der  dat.  der  adjectiva, 
dessen  -cn  dem  -im  der  substantiva  ebenso  ähnlich  war  wie 
-e  dem  -a,  die  endung  der  substantiva  angenommen  hätte; 
hierzu  aber  sei  bemerkt,  dass  aus  dem  im  1,  Merseb,  zauberspr, 
und  im  Tat,  für  den  nom,  acc,  pl,  fem.  der  adjectiva  statt  und 
neben  -o  erscheinenden  -a  (oder  -«?)  beeinflussung  der  adjec- 
tivischen  flexion  durch  die  substantivische  als  tatsache  hervor- 
geht und  demnach  auch  die  möglichkeit  einer  gleichen,  den  nom. 
acc.  pl.  masc.  treffenden  beeinflussung  nicht  zu  leugnen  ist, 

LAU.    Zu  den  altgerni.  endungen  des  gen.  und  dat.  sg. 
der  i-  und  te-stänime  und  verwantes. 

1, 

Da  zurückführung  der  altgerm,  endungen  für  den  dat,  sg, 
der  i-  und  der  w-declination  auf  alte  dativendungen  -eiai  bez. 


1)  Zwar  küaute  in  diesen  bair.  quellen,  die  auch  im  opt.  praes.  und 
im  imper.  der  3.  schwachen  conjugation  seltneres  -a  neben  häufigerem  -e 
zur  bezeichnung  von  aus  -e«  entstandenem,  qualitativ  dem  -a  nahe  liegen- 
den laut  gewähren,  das  -a  der  belege  für  den  nom.  acc.  pl.  zum  teil  einen 
solchen  voc.  repräsentieren;  doch  berechtigt  der  umstand,  dass  letztere 
«-belege  die  mit  -e  bedeutend  überwiegen,  zu  dem  schluss,  dass  in  der  mehr- 
zahl  dieser  -a  eine  bezeichnung  für  reines  -a  vorliegt. 

In  diesen  bair.  quellen  auch  für  den  dat.  sg.  masc.  ntr.  neben  häufigerem 
-c  auftretendes  -a  ist  selbstredend  mit  dem  -a  des  opt.  und  imper.  in  eine 
linie  zu  stellen,  nicht  als  bezeichnung  von  oben  s.  511  hervorgehobenem 
reinen  (altes  ablativsuffix  repräsentierenden)  -a  zu  fassen. 


GRAMMATISCHES,  539 

-euai  oder  -iai,  -uui  lautgesetzliclier  gründe  wegen  ausgeschlossen 
ist,  sind  für  die  deutung  der  casussuffixe  alte  locativ-  bez.  in- 
strumentalendungen  ins  äuge  zu  fassen. 

Alid.  as.  -i,  aonfi'k.  -f  (s.  Gramm.  §  61*.  62),  ags.  -e,  afries.  -e 
für  den  dat.  der  /-stamme  wären  an  sich  formell  mit  altem 
locat.  -ei  zu  vereinbaren:  über  -ei  und  -l  durch  primäre  kürzung 
(vgl.  oben  s.  503)  entstandenes  -i  dürfte  sich  bei  den  kurz- 
sübern  als  lautgesetzliche,  bei  den  mehrsilbern  als  durch  be- 
einflussung  von  Seiten  ersterer  regelwidrig  erhaltene  endung 
erklären.  Doch  stiesse  man  bei  der  gleichung,  ahd.  -in  und 
-u  des  locat.  (in  -furfiu,  Waldiu,  Feldiu,  -furtu,  Waldu,  s.  Beitr. 
14, 119  f.),  -in  des  dat.-instr.  (vgl.  die  in  den  ältesten  quellen 
begegnenden  sunin,  Jiugiu,  sigiu,  sitiu,  fridiu,  s.  Zs.fda.  28,112  f.), 
as.  für  den  dat.  verwante  (aus  -in  entstandene)  -u,  -o  (in  sunu 
Mon.  2815,  suno  Cott.  5946,  frethu  im  Psalmencomm.,  s.  Wad- 
stein, Kl.  denkm.  12, 12;  ob  sunies,  -ie  gen.  dat.  als  neubildungen 
auf  altem  *siiniu  oder  auf  regelrecht  entstandenem  suni,  s. unten, 
beruhen,  ist  nicht  zu  entscheiden)  =  altem  -cu,  auf  nicht  zu 
beseitigende  hindernisse:  -eu  hätte  über  -eu,  -iu  durch  diphthong- 
kürzung  -i  ergeben  müssen ;  und  dass  hier  überhaupt  nicht  von 
diphthong  in  der  endung  die  rede  sein  kann  (mithin  auch  et- 
waige annähme  von  nicht  gekürztem  -in  abzuweisen  ist),  ist  zu 
ersehen:  erstens  aus  den  oben  citierten  (auf  -iu  aus  -i\ii)  hin- 
weisenden) -u,  -o;  zweitens  vielleicht  aus  den  auf  -/|«,  -ru  hin- 
weisenden as.  analogiebildungen  -ie,  -ies;  drittens  aus  nur  bei 
annähme  von  -i\ii  begreiflicher,  gelegentlicher  Verwendung  be- 
sagter formen  als  instrumentalcasus  (vgl.  wegen  eines  solchen 
gebrauchs  Zs.  fda.  28, 112f.  und  beachte  auch  SiS.  feJio  instr. 
Mon.  1847).  Aus  dem  disj'llabischem  suffix  nun  ergibt  sich  die 
not  wendigkeit  der  ansetzung  von  altem  -iui  (aus  -eui),  woraus 
durch  primären  vocalschwund  (vgl.  oben  LUX,  1)  -i\u,  das  bei 
regelrechter  erhaltung  von  u  (in  dritter  silbe  nach  kurzer  paen- 
ultima  und  langer  antepaenultima,  vgl.  Beitr.  17, 288  ff.)  das  -(i)u 
der  locative  -fiirtin,  -u  etc.  (s.  oben)  ergab');  in  suniu,  hiujiu  etc. 
aber  (statt  deren  bei  regelrechter  entwickelung  suni  etc.  zu 


1)  Neben  diesen  -iu  und  -i*  {\xiWaldi,Weldi,  Fwii,  s.  Beitr.  14, 119  f.) 
erscheinendes  -t  ist  oft'enbar  die  aus  den  locativbildungen  von  /-  und  o-stämmen 
{-suuenti,  -huci,  Tühhi  etc.,  s.  Beitr.  14, 121)  entlehnte  endung. 

35* 


540  VAN    IIELTEN 

envarten  wären)  liegt  -m  aus  -i\u  vor,  das  durch  einwirkung 
des  -i\ü  der  laugsilber  (vgl.  die  nach  instr.  fuazsiu  Murb.  H.  19, 2 
anzusetzenden  instr.-dat.  fözziu,  sMtin,  feldiu,  wirtiu,  ivirdiu 
etc.)  vor '  eintritt  des  secundären  vocalschwunds  (vgl.  oben 
LIII,  2)  aus  -/|«  zu  -i\u  wurde  und  so  vor  synkope  der  ultima 
geschützt  ward  (ob  in  suni  tsid.  IV,  G  und  Mon.  1998  die  regel- 
rechte fortsetzung  von  sunm  oder  etwa  nur  Schreibfehler  vor- 
liegt, möchte  ich  unentschieden  lassen).  Wenn  aber  für  die 
«-declination  altes  -eui  feststeht,  so  ist  auch  für  die  /-klasse 
annähme  von  übereinstimmender  basis,  d.  h.  von  -eli,  geboten: 
durch  absorption  von  vor  i  stehendem  i  zunächst  -e\i,  dann  in 
folge  von  Umlaut  des  e  der  paenultima  durch  i  der  ultima  -i\i, 
woraus  -7,  woraus  überliefertes  -/,  -e  (vgl.  oben  s.  512). ') 

An.  (endungsloser)  dat.  sg.  der  i-stämme  wäre  formell  auf 
altes  instrumentales  -l  oder  auf  -ei  zurückzuführen  (die  laut- 
gesetzliche fortsetzung  beider  sufflxe,  nämlich  -i,  hätte  bekannt- 
lich regelrecht  apokope  erleiden  müssen);  urn.  -iu  (in  Kuni- 
muöiu),  an.  -e,  -i  des  dat.  sg.  der  m- stamme  könnte  formell 
sowol  auf  altem  -eu  als  auf  altem  -eui  beruhen;  alte  -eii  und 
-ü  sind  aus  phonetischen  gründen  ausgeschlossen.  Hiernach 
empfiehlt  es  sich,  weil  gleichartigkeit  der  flexionssufflxe  für 
die  beiden  klassen  wahrscheinlich,  vornord.  -t  (aus  -ei\  -iu 
(aus  -eu)  anzusetzen. 

Wegen  got.  -ai,  -au  des  dat.  sg.  als  für  -%,  -iu  eingetretener 
neubildungen  s.  IF.  14,  77  f. 

2. 

In  betreff  der  behandlung  des  gen.  sg.  gehen  im  ahd.  und 
as.  die  i-  und  die  w-klasse  auseinander:  erhaltung  der  alten 
endung  in  letzterer  (ahd.  frido,  tvito,  as.  suno  Cott.  5788  mit 
-0  aus  -oüB,  vgl.  oben  s.  514;  daneben  auf  analogischem  wege 
entstandene  formen  frides,  sites  etc.  2),  die  sich  als  solche  dem 


1)  Wegen  hierneben  begegnender  ahd.  locative  Bachiu,  Wangni  und 
dativ- instrumentale  falliii,  lougiu,  $ew(i)u,  slegiu  (zu  durch  analogische 
«■-apokope  entstandenem  slag)  sowie  wegen  der  fem.  dative  ahd.  kiwaltiu, 
steteo,  as.  wädiu,  hrUdiu,  idisiu  und  imMiu  (Mon.  1420.  1810,  neben  normalem 
tcihti  Cott.  1420.  Mon.  Cott.  220.  299.  935.  2823.  4429)  vgl.  Beitr.  17,  296,  anm. 
Durch  instrumentales  -u  hervorgerufene  suffixerweiterung  liegt  vor  in  as. 
hugiu,  mägscepiu  (vgl.  Beitr.  8,  333). 

2)  Sowie  das  zweimal  (in  Pa.  und  gl.  K.,  s.  Kögel,  lieber  das  Ker.  gloss. 


GRAMMATISCHES.  541 

aonfrk.  frithis,  s.  Gramm.  §  66,  vergleichen,  sowie  das  as.  oben 
in  1  besprochene  smiies),  doch  neiibildung  in  ersterer  (ahd.  as. 
-i  der  feminina,  nicht  nach  altem  -o/^  zu  erwartendes  -e,  d.h. 
-6",  Vgl.  oben  s.  513;  dem  ahd.  as.  -i  entspricht  aonfrk.  -i%  vgl. 
Gramm.  §  62/^;  für  den  aonfrk.  gen.  der  it-flexion  ist  nur  die 
oben  erwähnte  analogiebildung  belegt).  Diese  verschiedene 
behandlung  kann  nicht  auf  zufall  beruhen;  und  es  hält  nicht 
schwer,  den  derselben  zu  gründe  liegenden  factor  zu  ersehen, 
wenn  man  die  neubildung  in  die  nach  dem  primären  vocal- 
schwund  liegende  periode  verlegt,  also  in  die  zeit,  wo  dem 
oben  LIII,  1  ausgeführten  gemäss  auch  durch  -i  der  ultima 
erwirkte  -f-entwickelung  von  -e-  der  paenultima  bereits  erfolgt 
war:  in  besagter  periode  standen  in  der  «-declination  neben 
einander  -aüz  oder  eine  fortsetzung  desselben  für  den  gen.  sg., 
-i\ii  (aus  -eiM,  s.  oben  1)  für  den  dat.  sg.,  -e\u2  oder  -e\u  (aus 
-eues,  vgl.  oben  LIII,  3)  für  den  nom.pl.;  in  der  /-flexion  -at^ 
oder  eine  fortsetzung  desselben  für  den  gen.  sg.,  -7  (aus  -cii, 
s,  oben  1)  für  den  dat.  sg.,  -Tz  oder  -t  (aus  -eies,  vgl.  oben  LIII,  3) 
für  den  nom.  pl.  (sonst  suffixe  mit  -u,  -u-  oder  -u-  bez.  -i,  -i- 
oder  -i-)\  während  nun  in  der  «-declination  die  majorität  der 
-r(-)  das  vereinsamte  -alz  oder  eine  fortsetzung  desselben  er- 
drückte, fehlte  in  der  «-flexion  ein  solcher  majoritätsfactor. 

Im  gegensatz  zum  ahd.  und  as.  (vermutlich  auch  zum  aonfrk.) 
gewähren  das  ags.  und  afries.  als  regel  uniformität  der  en- 
dungen  für  den  gen.  dat.  sg.  und  nom.  (acc.)  pl.  sowol  in  der 
«(-declination  (wegen  des  aofries.,  wofür  indessen  kein  -a  des 
gen.  sg.  belegt  ist,  s.  Gramm.  §  179*.  180;  in  den  awfries.  quellen 
begegnen  noch  einige  genitive  und  dative  auf  -a,  ferda,  freda, 
ivalda,  fielda,  s.  v.  Richthofen,  Wb.  i.  v.,  der  pl.  hat  hier  analogie- 
bildung -an  bez.  -cn  für  -a)  als  in  der  /-klasse  (man  beachte, 
dass  die  ags.  -e,  afries.  -e  dieser  casus  mit  rücksicht  auf  den 
Beitr.  8,  828  hervorgehobenen  ags.  gen.  uyrdi  und  auf  §  175. 
179  der  Aofries.  gr.  als  fortsetzungen  von  -/  zu  gelten  haben). 
Entwickelung  dieser  gleichförmigkeit  in  der  tt-declination  nach 
dem  muster  von  in  der  <-klasse  entstandeneu  wäre  mit  rück- 


s.  164)  belegte  ivitu,  d.  h.  ivitu  gen.  :  wän  nom.  acc.  nach  dem  muster  von 
für  die  kurzsilbige  /-klasse  als  alte  formen  anzusetzenden  quiti  gen. :  quiti 
nom.  acc. 


542  VAN   HELTEN 

siclit  auf  das  vorhersehen  von  ursprünglich  nur  dem  genit. 
zukommenden  endungslaut  schwerlich  denkbar:  warum  bei 
solcher  nachbildung  eventuell  in  einer  periode,  -o«(^)  etc.,  -i\ii 
und  -c\H{s)f  grade  die  erste  endung  die  überhand  bekommen 
hätte,  ist  nicht  einzusehen,  und  bei  gedachter  analogiebildung 
in  einer  periode,  -«i7(^)  etc.,  -i\u  und  -/|«<(^)  (aus  -c\u{z),  vgl. 
oben  LIII,  3)  hätte  eben  -i\ii  obsiegen  müssen.  Es  dürfte  sich 
demnach  eher  die  folgende  annähme  empfehlen:  vor  der  ent- 
wickelung  von  -i\u  des  pl.  entstand  nach  dem  muster  von  -1(2) 
gen.  sg.  und  -7  dat.  sg.  und  durch  beeinflussung  von  selten  des 
-««(^)  (d.  h.  -o"üz  bez.  -oTi)  oder  -ö''(^)  des  gen.  im  dat.  eine 
neubildung  -an  (d.  h.  -o"il)  oder  -ö";  nach  dem  muster  von  für 
den  dat.  verwanteu  doppelformen  -aü  etc.  und  -i\u  kam  dann 
neben  für  -e\u(2)  des  nom.  pl.  eingetretenem  -i\u  die  nämliche 
doppelform  in  schwang,  die  in  der  folge,  wie  im  dat.  sg.,  vor- 
lierschend  wurde,  sodass  im  liistorischen  ags.  nur  noch  aus- 
nahmsweise «-endungen  als  reste  älterer  -i\u  begegnen  (-u 
über  -xit  aus  -i\u,  das  bei  den  langsilbern  nach  Beitr.  17, 288  ff. 
als  lautgesetzliche,  bei  den  kurzsilbern  als  durch  analogie- 
bildung für  lautgesetzliches  -i\ti  eingetretene  endung  zu  gelten 
hat):  dat.  siinu,  meodii,  dum  (neben  suna  etc.)^),  nom.  (acc.) 
pl.  wintru,  sculdrit,  hrödru,  sunii,  ivudu,  dum  (vgl.  auch  Beitr. 
20,515;  auf  altes  -i\u  hinweisende  endungen  fehlen  in  den 
afries.  quellen  gänzlich). 

An.  -ar  des  gen.  sg.  der  /-stamme  findet  sich  statt  -er  (aus 
-alz\  wegen  spuren  der  alten  endung  vgl.  Noreen,  Aisl.  gr. 
§  325, 2)  bei  den  masculinen  durch  einwirkung  von  -ar  des 
gen.  sg.  der  it-stämme,  bei  den  femininen  durch  beeinflussung 
von  selten  des  -ar  des  nämlichen  casus  nach  der  ö-flexion. 

LYIII.  Zur  analogischeu  apokope  der  endung  im  dat.  sg. 
masculiner  und  neutraler  substautiva. 

Beitr.  15, 488  wurden  as,  an  day,  (an)  morgan,  aonfrk. 
an  dag,  an  morgan,  -en,  an  ävont,  ags.  to  dmg,  io  morgen,  to 
mergen,  to  cefen  als  adverbiale,  nach  dem  muster  von  an  naht. 


*)  Dass  hier  im  gegensatz  zur  laugsilbigen  klasse,  die  nur  felda  u.  dgl. 
kenut,  das  -u  erhalten  blieb,  begreift  sich  als  die  folge  einer  beeinflussung 
durch  das  -u  des  nom.  acc.  sg. 


GRAMMATISCHES.  543 

to  niht  (oder  einer  Vorstufe  dieser  form)  entstandene  ausdrücke 
hervorgehoben.  Hierzu  vergleiche  noch  an.  d  mergun,  i  dag 
nach  i  ngtt  oder  nott. 

Als  gleichartige  bildungen  sind  auch  geltend  zu  machen: 

die  mit  localer  präposition  verbundeneu  dative  ahd.  thorf 
(dorf),  hüs,  liols  (s.  Braune,  Gr.  §  193,  anm.  7),  as.  aofries.  hus 
(s.  Beitr.  20,  521  bez.  Schlüter  in  der  Laut-  und  formenlehre  der 
agerm.  dial.  s.  695,  und  Aofries.  gr.  §  198)  als  analogiebildungen 
nach  dem  dat.  hurg\ 

as.  an  (them)  eo,  eu  Mon.  (s.  Beitr.  20,  521  und  Schlüter 
a.  a.  0.  s.  697)  als  analogiebildung  nach  dem  dat.  des  fem.  con- 
sonantstammes  *böc  (vgl.  ena  hoc,  buoJc  acc.  sg.  Mon.  Cott.  232 ') ); 

ags.  to  hdm  domum  durch  einwirkung  von  adverbial  ver- 
wantem  acc.  hdm  domum;  in,  on,  to  dam  bez.  öissum  hdm  (zur 
bezeichnung  der  ruhe),  of  ödm  hdm  durch  einwirkung  von  to 
hdm  domum. 

Herleitung  dieser  suffixlosen  bildungen  aus  einem  prototyp 
mit  locativem  -l  (vgl.  Beitr.  15, 487)  ist  wegen  des  oben  in 
LH  erörterten  unzulässig.  Die  deutung  derselben  aus  instru- 
mentalen grundformen  mit  -u  aus  -ö  (vgl.  Beitr.  12,  553)  ist 
abzuweisen,  weil,  mit  ausnähme  uralter,  pronominaler  partikel- 
formen (s.  LXIII,  4.  5.  7),  für  das  germ.  nur  temporale  verwen- 


*)  Nicht  beweisend  sind  lüh  nom.  pl.  Mou.  530,  das  auch  ntr.  sein 
könnte  (vgl.  thiu  hole  acc.  pl.  Mon.  235),  und  thia  huoh  Cott.  235,  an  bttok 
Cott.  8.  14,  thca  buk  Mon.  3402  acc.  sg.  fem.  oder  pl.  ntr. 

Das  von  Schlüter  a.  a.  o.  als  dat.  citierte  duÖscn  Gen.  324  ist  acc. :  auf 
eine  kritik  der  verschiedenen  versuche,  den  lückenhaft  überlieferten  text  ge- 
dachter stelle  zu  ergänzen  (s.  Zs.  fdph.  33,  435  ff.),  möchte  ich  mich  hier  nicht 
einlassen ;  nur  sei  bemerkt,  dass  in  dem  sich  auf  Sodomnnki  beziehenden 

ac  sü  bidödit 
an  düdssu,  so  it  noh  te  daga  stendit 
fliiodas  gifiälit. 
das  auffallende  bidödit  zu  beseitigen  und  der  reim  zu  *thegan  (für  thcg  der  hs.) 
ni  genas  (hs.  nigönas)  des  vorangehenden  halbverses  herzustellen  ist,  wenn 
man  das  zu  mnl.  doycn  'schmelzen'  (=  nind.  douiven,  doicn,  ahd.  doiiwcn, 
dewis,  -it  etc.,  an.  deyja  liquefieri)  gehörende,  in  den  (mittelostnfrk.)  Limb, 
sermonen  begegnende  bedöyen  'benetzen'  (s.  Mnl.  wb.  1,648  und  vgl.  wegen 
des  öy  aus  a]i\i  für  ajyi  Beitr.  16,  297  ff.  und  oben  s.  532)  heranzieht  und 
hiernach   as.  biöüian  'überschwemmen',    'versenken'    ansetzt;    bidöit  ward 
(oder  ward)  an  döösm  'versenkt  Avurde  in  das  tote  meer'. 


544  VAN  HELTEN 

dung  dieses  casus  (vgl.  as.  hnidti,  ahd.  hndu,  hiurn)  zu  belegen 
ist.  AValdes  annähme  (Die  germ.  auslautsgesetze  s.  7  ff.),  dass 
unseren  formen  ein  prototyp  mit  locativendung  -e  zu  gründe 
liege,  stellt:  auf  zu  schwachen  füssen,  geschweige  noch,  dass  bei 
solcher  fassung  die  beschränkung  der  endungslosen  dative  auf 
die  erwähnten  fälle  unaufgeklärt  bliebe.  Dass  wir  nämlich 
für  die  deiitung  der  an.  (von  Walde  zu  gunsten  seiner  theorie 
berufenen)  endungslosen  dative,  d.h.  der  zu  masc.  o-stämmen 
stehenden  (bei  den  kurzsilbigen,  vgl.  Walde  a.  a.  o.  s.  4  ff.,  ver- 
hältnismässig überwiegenden),  der  zu  masc.  ^{;o-stämmen  neben 
hQrve,  -i,  sncefe,  -i  etc.  begegnenden  hgr,  snce  etc.  und  der  fast 
immer  bei  masc.  vö- stammen  erscheinenden  (vgl.  Noreen  in 
Pauls  Grundr.  P,  609),  der  annähme  von  alter  locativendung  -c. 
entraten  können,  liegt  auf  der  band:  die  i-declination  (der  eben 
eine  beträchtliche  anzahl  von  kurzsilbern  angehört)  gab  mit 
ihrem  zum  (masc.)  nom.  auf  -r  stehenden,  regelrecht  entwickelten, 
endungslosen  dativ  (aus  prototyp  mit  -ei,  s.  oben  LVII,  1)  das 
muster  ab,  wonach  sich  in  den  besagten  declinationsklassen 
mit  -r  im  nom.  sg.  ein  dativ  ohne  suffix  bilden  konnte. 

Mit  rücksicht  auf  den  as.  als  simplex  verwanten  dat.  1ms 
begreifen  sich  auch  hiermit  gebildete  van  Vehüs,  van  Nianlius 
Essen,  heb.  (Wadstein  21,  3.  16),  to  then  vehüs,  io  themo  ästcron- 
1ms,  van  iliemo  DeddessconJms,  van  themo  LiicMssconhüs  Freck. 
heb.  (Wadstein  43, 23.  24, 16.  27.  28,  8.  34,  23),  wonach  durch 
analogiebildung  van  Mottonheni,  van  Kükonhem,  van  Saldinhem, 
van  Berghein,  te  Folisheni,  van  Ilullüinhem  Freck.  heb.  (Wad- 
stein 27,  21.  24.  28.  32.  28,  34.  37.  29,  29.  32,  6.  35,  6).  In  van 
Sciphurst,  van  Scndinhurst  und  anderen  dergleichen  dativen 
mit  -hurst  Freck.  heb.  (AVadstein  27,  3.  38.  28,  8.  15.  36.  29, 26. 
30, 14.  16.  36.  31,  34.  32, 19.  20.  34, 1.  37, 1.  10.  41,  28.  43, 17. 
44,33.  45,1)  liegt  der  consonan tischen  declination  nachgebildete, 
suffixlose  dativform  eines  fem.  /-Stammes  vor  (vgl.  Beitr.  15, 487. 
20,  522);  ebenso  in  van  Westenvlh,  van  PänetvtJc  Freck.  heb. 
(Wadstein  30, 10.  34,  9,  vgl.  Beitr.  15,  487,  anm.  3;  daselbst  für 
möglich  gehaltenes  -tviJc  aus  masc.  oder  neutr.  -ivlM  für  -tvlkt 
ist  unzulässig).  Aus  in  lat.  quellen  vorkommenden  in  Wüis- 
horst,  in  Mihilonhurst,  in  Herdenesheim,  in  Clölbcim  (s.  Beitr. 
15,487)  ist  nicht  auf  endungslosen  dativ  zu  schliessen:  die 
belege  können  nominative  repräsentieren   und  in  einer  linie 


GBAMMATISCHES.  545 

stehen   mit    den   Beitr.  14,  lOG  ff.   citierten   in  W>::inwanc,    in 
Swarstinpac  etc. 

LIX.   Zum  westg:erni.  -i^  -e  der  2.  sg.  praet.  ind, 

Beitr.  17,  554  f.  wurde  von  Fierlingers  deutung  von  -i  der 
westgerm.  2.  sg.  praet.  ind.  aus  altem  -es  eines  thematischen 
aoristes  beanstandet  im  hinblick  auf  die  beschränkte  zahl  dieser 
(übrigens  nur  im  aind.  und  griech.  erscheinenden)  aoriste.  Zu 
diesem  einwand  möchte  ich  jetzt  noch  zwei  andere  hinzufügen. 
"Wenn  ursprünglich  nur  in  beschränkter  anzahl  ins  germ. 
hineingekommene  aoristbildungen,  wie  hiti,  tuyi,  hulpi  etc.  (aus 
hitez  etc.),  durch  den  umstand,  dass  solche  2.  sg.  laut- 
lich mit  der  2.  sg.  des  praet.  opt.  zusammenfiel,  Aveitere 
Verbreitung  gefunden  hätten,  d.  h.  sich  zunächst  bei  den  starken 
Verben  1.  2.  3.  klasse  festgesetzt  hätten,  deren  präteritaler,  auf 
der  tiefstufe  stehender  Avurzelvocal  mit  dem  wurzellaut  besagter 
aoriste  übereinstimmte  (und  von  da  aus  in  die  ganze  starke 
conjugation  eingedrungen  wären),  so  müssten  die  gedachten 
aoriste  (und  zwar  nicht  nur  in  der  2.  sg.  ind.)  sich  als  lebende 
demente  der  spräche  in  einer  sehr  jungen  periode  behauptet 
haben,  nämlich  in  der  zeit,  wo  bereits  die  secundäre  kürzung 
(vgl.  oben  s.  503)  erfolgt  war,  welche  die  entstehung  von  -i  aus 
-i  (für  -iz)  der  2.  sg.  praet.  opt.  bewii'kte;  wäre  es  nun  für 
wahrscheinlich  zu  halten,  einerseits  dass  besagter,  den  völligen 
sieg  des  -i  im  perf.  veranlassender  process  sich  in  relativ  so 
kurzer  zeit  vollzogen  hätte,  andrerseits  dass  ein  so  lange  er- 
halten gebliebenes  aoristtempus,  ausser  der  von  v.  Fierlinger 
angenommenen,  keine  einzige  spur  in  den  überlieferten  alten 
mundarten  hinterlassen  hätte?  Das  andere  bedenken  aber 
betrifft  das  unmögliche  einer  entstehung  von  aoristformen  hiti 
etc.,  deren  protot3^pus  mit  suffixbetonung  anzusetzen:  aus  -vs 
hätte  sich  kein  -/  ent^Aickeln  k(»nnen  (vgl.  oben  LV)  und  ein 
factor,  der  die  ersetzung  von  regelrechtem  -es  durch  -ez  ver- 
anlasst hätte,  wäre  schwerlich  nachweisbar. 

Bezüglich  der  in  den  Beitr.  a.a.o.  befürworteten  deutung 
von  -i  des  ind.  praet.  als  aus  dem  opt.  stammender  endung  (für 
-t  substituiertes  -iz,  woraus  -i,  -i)  sei  daselbst  bemerktes  hier 
nochmals  ausdrücklich  betont,  nämlich  dass  solchem  Vorgang, 
der  entlehnung  von  für  das  alte  isolierte  suffix  des  indic.  ein- 


546  VAN   HELTEN 

tretender  personalendimg  des  opt.  ei n schliesslich  des  modal- 
siif fixes,  eine  genaue  parallele  und  gewissermassen  vor 
unseren  äugen  sich  vollziehender  Vorgang  zur  seite  steht:  die 
entlehnung  von  alid.  -em,  -en  der  1.  pl.  praes.  opt.  in  den  ind. 
in  einer  periode,  worin  die  isolierte  endung  -mcs  (in  -ames  etc.) 
auf  den  aussterbeetat  zu  stehen  kam. 

Wegen  der  entwickelung  von  haiti  (oder  -i  oder  -is)  zu 
biti  (oder  -i,  -ts)  s.  Beitr.  a.  a.  o. 

LX.   Zu  got.  -au,  -Jaiif  an.  -a  etc.  für  die  1.  sg. 
praes.  und  praet.  opt.  und  verwantes. 

Bei  den  verschiedenen,  sich  mit  diesen  endungen  befassen 
den  deutungsversuchen  ist  bis  jetzt  lautliche  entwickelung  des 
präsentialen  sufflxes,  analogische  entstehung  von  -au  etc.  des 
praeteritums  geltend  gemacht.  Es  sollte  ersteren  -au,  -a  eine 
Optativendung  zu  gründe  liegen,  d.h.  entweder  -oim  (s.  Mali- 
low,  Die  langen  vocale  s.  107)  bez.  -ohu  (s.  Paul  in  diesen  Beitr. 
4,  378.  Osthoff,  Morph,  unt.  4, 202.  Brugmann  in  dessen  Grundr. 
2, 1294.  Kluge  in  Pauls  Grundr.  1-,  448)  oder  eine  coujunctiv- 
endung  -öm  {=  am  von  lat.  feram,  s.  Hirt,  IF.  1,  206.  6,  58  ff. 
Bojunga,  IF.  2,  186  ff.)  bez.  -e//  (aus  -cm,  s.  Chadwick,  IF. 
11, 176).  Bei  der  einen  sowie  bei  der  anderen  fassung  stösst 
man  auf  unüberwindliche  lautliche  bedenken.  Wegen  Mahlows 
-ohii,  woraus  -öm,  vgl.  Jellineks  Beitr.  zur  erklärung  der  germ. 
flexion  s.  95.  Für  -oim,  woraus  -oium,  woraus  -ou,  -au  ist 
eine  annähme  ad  hoc  von  synkope  des  intervocalischen  i  er- 
forderlich, also  eine  hypothese,  deren  berechtigung  durch  kein 
analogon  gestützt  wird,  mit  rücksicht  auf  ags.  sealßge,  -ad 
etc.  aber  sogar  recht  fraglich  erscheinen  könnte.  Die  be- 
rufung  von  fut.  (conjunct.)  feram  mit  feres  etc.  würde  die 
gleichung  hairais  =  feres,  hairai  =  feret  etc.  bedingen;  doch 
müssten  alten  bildungen  auf  -es,  -et  etc.  haires,  -a  etc.  ent- 
sprechen, nicht  die  überlieferten  formen,  die  auf  optativische 
-oiz,  -otd  etc.  hinweisen.  Chadwicks  -e//  (und  -je//  des  praet.) 
hätte  (nach  IF.  14,  77)  über  -eü  (-jcü)  ein  -ni  (-jiu),  nicht  -au 
(-jau)  ergeben. 

Der  mit  t<-affix  operierende  deutungsversuch  entbehrt  einer 
grundlage.  Kögels  gleichung  (Zs.  f.  öst.  gymn.  34,  406)  hairau 
=  (piQca  conjunctiv  lässt  sich  demnach  auch  nicht  duixh  die 


GRAMMATISCHES.  547 

in  Bezz.  Beitr.  26, 152  f.  vorgeschlagene  ansetznng  eines  proto- 
typs  hheröii  plausibel  machen. 

Angesichts  der  aus  diesen  vergeblichen  versuchen  zu  ent- 
nehmenden Wahrscheinlichkeit  des  mislichen  einer  lautlichen 
deutung  von  präsentialen  -mi,  -a  möchte  man  sich  die  frage 
stellen,  ob  nicht  etwa  auf  anderem  wege,  diu'ch  die  annähme 
von  lautlich  entwickeltem  -jau,  die  entstehung  gedachter 
endungen  klarzulegen  sei.  Dass  hierbei  nicht  von  -km  aus- 
zugehen, liegt  auf  der  hand:  solcher  prototypus  hätte  got.  -ja, 
an.  -e,  -i  ergeben.  Doch  ist  folgendes  ins  äuge  zu  fassen:  nach 
dem  muster  von  für  den  sg.  des  schwachen  praet.  ind.  anzu- 
setzenden -des,  -dcp  2.  3.  neben  -dum  oder  -Öün  1.  (vgl  oben 
s.  508,  anm.  4)  konnte  sich  im  praet.  opt.  zu  -dies,  -dlcp  ein  für 
-diem  oder  -dien  eintretendes  -öiüm  oder  -diöri  entmckeln,  das 
wider  die  entstehung  im  starken  praet.  opt.  von  -iöm  oder  -tön 
für  -iem  oder  -icn  neben  -ies,  -icp  hervorrufen  konnte.  Als 
die  regelrechten  fortsetzungen  aber  solcher  -diön,  -Ion  wären 
got.  -djau,  -jau  (mit  -au  =  -o*,  vgl.  oben  s.  520),  an.  -da,  -a  zu 
erwarten. 

Einwirkung  dieses  -iöm  oder  -mi,  dessen  ö-laut  in  der 
weise  charakteristisch  für  die  1.  sg.  wurde,  ermöglichte  die  er- 
setzung  von  -oT-  oder  -al-  durch  -ö-  (d.  h.  -ö"-)  in  der  endung 
für  die  1.  sg.  praes.  opt.  starker  flexion  und  zwar  in  einer 
Periode,  worin  das  -/c-  der  2.  3.  sg.  praet.  opt.  noch  nicht  durch 
-i-  verdrängt  war,  denn  neben  -is,  -tp  (oder  -12,  -id)  stehendes 
-iöm  oder  -iön  hätte  wol  neben  -alz,  -ald  oder  -oJs,  -old  'fi\\\ 
-iöm  bez.  -iön,  nicht  -öm  bez.  -ön  (woraus  got.  -an)  hervor- 
gerufen.') Nach  dem  muster  der  starken  flexion  drang  die 
neubildung  auch  (in  der  alten  oder  einer  jüngeren  form)  in  die 
1.  schwache  und  die  3.  schwache  conjugation  ein.  Ob  in  dem 
an.  -a  des  praes.  opt.  gotischem  -au  entsprechende  endung  oder 
ein  jüngerer,  in  folge  des  formellen  zusammenfalls  der  anderen 
endungen  des  praes.  und  des  praet.  opt.  entstandener  laut  vor- 
liegt, lässt  sich  nicht  entscheiden. 

Die  existenz  von  vorwestgerm.  dem  vorgotischen  -om  oder 


^)  Berücksichtigung  dieses  -ö-charakteristikous  macht  es  auch  begreif- 
lich, dass  aus  dem  pl.  in  den  sg.  eindringendes  -1-  die  endung  der  1.  in- 

tact  Hess. 


548  VAN   HELTEN 

-ön  entsprechender  neubilclung  ergibt  sich  aus  der  ahd.  1.  sg. 
Wille  (vgl.  Beitr.  i,  380  und  IF.  1,  206)  mit  -e  aus  -ja  für  -iön 
(vgl.  oben  s.  507).  Aus  daneben  erscheinendem  (im  Tat.  und  im 
Freis.  Otfv.  überliefertem)  u-illa  aber  mit  -a  für  -ja  ist  sowol 
auf  in  das  praes.  opt.  eingedrungene  neubildung  als  auf  relativ 
späten  Schwund  von  auf  -wn  und  -ön  zurückgehenden  -ja  und 
-«  zu  schliessen:  da  erhaltung  der  lautverbindung  -ja  neben 
lautgesetzlich  entstandenem  -e  nur  begreiflich  ist  als  die  folge 
der  einwirkung  von  neben  solchem  -ja  vorhandenem  -a,  ist 
wegen  der  conservierung  von  aus  icillja  zu  folgernder  1.  sg. 
praet.  opt.  hiindja  notwendig  eine  1.  sg.  praes.  opt.  hinda  an- 
zusetzen. (Als  die  endung  der  1.  sg.  des  schwachen  praet.  opt. 
ist  dem  oben  s.  509  f.  ausgeführten  gemäss,  wenigstens  für  die 
Notkerische  und  die  Isidorische  mundart,  altes,  durch  einfluss 
von  -ja  der  starken  tlexion  erhaltenes  -ja  bez.  lautgesetzlich 
entstandenes  -e  anzunehmen,  wofür  in  der  historischen  periode 
auftretendes,  analogisch  entstandenes  -t.)  Für  die  erhaltung 
der  alten  endungen  in  willa,  -e  (die,  im  verein  mit  den  eben 
erwähnten  -ja  bez.  -«?  und  -c,  der  Überlieferung  zufolge  in 
der  normalen  conjugation  in  historischer  periode  durch  aus- 
gleichung  geschwunden  waren)  ist  natürlich  die  isolierte  Stel- 
lung des  besagten  verbs  verantwortlich  zu  machen  (wegen  ags. 
aofries.  iville  vgl.  oben  s.  508).  Für  die  anderen  westgerm.  dia- 
lekte  mag  in  ermangelung  positiver  beweise  die  für  das  hd. 
erwiesene  entwickelungsgeschichte  wahrscheinlich  erscheinen. 

LXI.    Zum  Prototyp  von  got.  -ma  der  1.  pl.  praes. 
und  praet.  opt.  und  verwantes. 

Für  got.  -ma  der  1.  pl.  praes.  und  praet.  opt.  postuliert 
AViedemann  (Lit.  handb.  s,  109)  ein  prototyp  -me  (=  aus  -mos 
und  -me  zu  erschliessendem  vorlit.  -me);  es  könnte  dieses  -ma 
jedoch  ebenso  gut  auf  altes  -mö  zurückgehen.  Dass  aber  der 
ansetzung  des  letzteren  der  vorzug  gebührt,  dürfte  sich  daraus 
ergeben,  dass  dem  mit  der  got.  neubildung  -na  oder  -nö  (für 
-n  aus  -nJ)  der  3.  pl.  opt.  in  eine  linie  zu  stellenden  aschwed. 
-71  der  3.  pl.  praes.  und  praet.  opt.  eine  Vorstufe  mit  nach 
-mu  (aus  -mö)  der  1.  pl.  gebildetem  -nu  zu  gründe  zu  legen  ist. 

Das  im  nord.  in  der  vikingerzeit  regulär  verklingende  -n 
hat  sich  in  einigen  ausnahmefällen  behauptet,  und  zwar  all- 


GRAINmATISCHES.  549 

gemein  oder  nahezu  allgemein  in  formen,  wofür  durch  associa- 
tion  veranlasste  ei-haltung  des  nasals  zu  erwarten,  wie  im  nom. 
acc,  sg.  der  verbalabstracta  laöon  etc.,  in  den  partikeln  ütan, 
ofan,  vestan  etc.  (s.  unten  LXIII,  7  und  8),  im  acc.  sg.  masc. 
spakan  (durch  anlehnung  an  pronominales  *Pan^),  wie  dem 
nom.  acc.  sg.  ntr.  spaJct  zu  gründe  liegendes  *spahat  durch 
anlehnung  an  pat).  Ausserdem  aber  begegnet  erhaltenes  -n 
in  anorw.  nom.  acc.  pl.  ntr.  augiin,  hiortitn,  eyrim,  liian,  aisl. 
Mün,  hiön  (neben  anorw.  auiju,  liiortu,  eyrii,  liiü,  aisl.  Mü  und 
daselbst  durchstehenden  augo,  -u,  hiorto,  -u,  eyro,  -u,  vgl.  Pauls 
Grundr.  P,  G13)  sowie  in  aschwed.  eglwn,  eron  und  hiüdin,  forin 
etc.  3.  pl.  praes.  bez.  praet.  opt.  (wegen  vereinzelt  in  ostuord. 
quellen  erscheinender  bildungen  ohne  -n  vgl.  Beitr.  15,  244),  die 
Kock  (in  den  Beitr.  a.a.O.  ff.)  zur  folgerung  von  im  aschwed. 
nach  langer  unbetonter  silbe  nicht  verklungenem  -n  veranlassten, 
schwerlich  aber  durch  solche  annähme  ihre  erklärung  finden 
dürften,  erstens  wegen  der  auch  im  anorw.  auftretenden  augun 
etc.,  zweitens  wegen  der  gemeinnord.  w-losen  bildungen  für  den 
gen.  dat.  acc.  sg,  und  nom.  acc.  pl.  der  ön-  und  der  7»-stämme. 
Dass  ferner  auch  Kocks  (a.a.O.  vorgeschlagene)  annähme  von 
im  aisl.,  im  gegensatz  zur  apokope  in  augo,  biöÖe,  fdre  (der 
3.  pl.),  nach  kurzem  vocal  erhaltenem  -n  (in  spaJcan,  ütan  etc.) 
nicht  zulässig  ist,  erfolgt  aus  Uta  inf.,  -a  des  schwachen  gen. 
dat.  sg.  masc.  ntr.  und  des  schwachen  acc.  sg.  masc;  denn  die 
h3Tpothese  (s.  Beitr.  a.a.O.  s.246),  dass  das  -n  der  nord.  sprachen 
in  verschiedenen  Stellungen  während  sehr  verschiedener  perioden 
eingebüsst  worden  sei,  Hesse  sich  schwerlich  begründen. 

Die  müglichkeit  aber,  unter  Vermeidung  beregter  oder 
ähnlicher  anstösse  der  entstehungsgeschichte  der  überlieferten 
formen  mit  und  ohne  -n  beizukommen,  liegt  m.  e.  nicht  allzu 
fern:  durch  die  annähme  von  vor  oder  während  der  (bekannt- 


')  Ob  die  (nicht,  wie  auf  dem  steiu  vou  By  überliefertes  pat,  in  den 
um.  quellen  begegnende)  form  noch  im  an.  öan  vorliegt,  ist  zweifelhaft, 
da  dieses  Mn  auch  nach  Noreen  (Gramm.  §  225, 1)  auf  daneben  stehendes, 
eig.  orthotouicrtes  dmtti  zurückgehen  könnte,  dessen  -nn  wol  (wie  in  hann, 
hinu)  auf  (den  ahd.  accusativen  in-an,  icen-an  zu  vergleichendem)  durch 
afligierung  des  accusativsuftixes  erweitertem  -uan  beruht  (synkope  von 
schwachtonigem  voc.  zwischen  zwei  n,  vgl.  oben  s.  520,  anm.  2;  beachte  auch 
diese  Beitr.  4, 53G,  anm.  1). 


550  VAN   HELTEN 

licli  nach  dem  verkling-en  der  anderen  auslautenden  kürzen  er- 
folgten) i<-apokope  verklungenem  -n  wird  alles  klar.  Erhaltung- 
von  nasal  in  anorw.  amjun  etc.,  aschwed.  eglion  etc.  mit  -un, 
-on  aus  -nn  für  -unn  (aus  -unu  für  -önö)^)  sowie  in  aschwed. 
hiudin,  forin  etc.  mit  auf  -nn  (für  -nü)  hinweisender  endung. 
Die  diesen  augun  etc.  zur  seite  stehenden  anorw.  aiigu  etc. 
und  die  aisl.  atigo  etc.  begreifen  sich  als  analogiebildungen 
nach  dem  femin.:  -u  für  -un  neben  -na,  -um  nach  fem.  -u,  -na, 
-um  oder  -u  für  -un  neben  -nö,  -um  nach  fem.  -li,  -nö,  -um. 
Die  aisl.  und  anorw.  w-losen  3.  pl.  praes.  und  praet.  opt.  sind 
verständlich  als  auf  nicht  nach  dem  muster  der  1.  pl.  erweiterte 
Prototypen  zurückgehende  bildungen.  Für  den  gemeinnord. 
schwachen  acc.  sg.  masc.  und  fem.  könnte  man  nach  dem  auf- 
gestellten satz  zwar  formen  mit  -n  (aus  -nu  für  -nun)  er- 
warten; doch  hätte  durch  ein  Wirkung  von  regelrecht  ihres  -n 
verlustig  gegangenen  endungen  des  gen.  und  dat.  sg.  ent- 
standener w-loser  acc.  gewis  nichts  auffälliges  angesichts  der 
sonstigen  berührung  zwischen  diesen  casus  (man  beachte  das 
aus  dem  gen.  dat.  stammende  -a  des  acc.  sg.  masc,  dem  eigent- 
lich durch  -u  für  -un  der  ultima  hervorgerufenes  -un  zukam, 
und  das  -u  des  gen.  dat.  fem.  aus  -u  für  -un,  vgl.  Noreen  in 
Pauls  Grundr.  1-,  614,  das  aus  auf  -önu,  -önun  zurückgehendem 
-ünu  des  acc.  herrührt).  Dass  ferner  der  schwache  acc.  pl. 
masc.  und  fem.  -a  bez.  -ü,  -or,  -ur  hat,  ist  beim  masc.  die  ein- 
fache consequenz  des  im  nom.  pl.  durch  einfiuss  der  starken 
flexion  für  regelrechtes  -a  (vgl.  Pauls  Grundr.  1'-,  613)  ein- 
getretenen -ar,  welches  die  Verdrängung  von  altem  -un  (aus 
-unn  für  -unun  aus  -onunz)  veranlasste;  beim  femin.  die  be- 
greifliche folge  von  analogiebildung  nach  in  der  ö-declination 
herschender  uniformität  der  für  den  nom.  und  acc.  pl.  ver- 
wanten  endungen  (urn.  *-o-R  bez.  an.  -ar  des  nom.  aus  -öz  und 
urn.  -Uli  bez.  an.  -ar  des  acc.  aus  -öz,  vgl.  oben  LH  C  zu  2.  3. 
4.  5  a  und /3):  -u  oder  -u  des  acc.  (in  dem  sehr  alten  ascliw. 
beleg  -müprM,  vgl.  Noreen,  Gramm.  §  339,  anm.  4)  für  -ün  oder 
-un  (aus  -Unn  für  -unun  aus  -dnunz\  wegen  des  in  dieser  und 
der  oben  erwähnten  masc.  accusativendung  synkopierten  -u- 


')  In  aisl.  nel)en  hiü  (aus  hi-un)  begegnenden  hmn,  hiön  ist  das  -n 
offenbar  wider  hergestellt  durch  anlehuung  an  den  gen.  auf  -na. 


GRAMMATISCHES.  551 

Vgl.  oben  s.  526,  anm.  2)  durch  entleliniing-  der  nominativendung- 
-ü  oder  -u,  die,  auf  -öii  aus  -önez  zurückgehend,  ihren  vocal 
der  anlehnung-  an  das  accusativsuffix  verdankte,  durch  regel- 
rechte nasalapokope  aber  ohne  -n  gesprochen  wurde;  an.  -or, 
-iir  des  acc.  und  nom.  mit  auf  analogischem  wege  affigiertem  -r. 
Ob  auch  die  -m  und  -n  von  ahd.  nemem,  nämwi,  nemen, 
nämm  etc.,  aonfrk.  mitkennan,  antfangin,  heJielin  etc.  (s.  Gramm. 
§  92 ß.  98.  104),  as.  ändern,  -en,  dridin  etc.,  ags.  binden,  hiinden 
etc.,  afries.  lielpe,  hiilpe  etc.  (mit  durch  w-abfall  apokopierter 
endung)  auf  den  für  das  got.  und  nord.  aufgedeckten  proto- 
tj^pen  entsprechende  Vorstufen  zurückgehen  oder  etwa  einfach 
-m  aus  secundärem  -mo  oder  -nie,  -n  aus  -w/>  repräsentieren, 
ist  natürlich  nicht  zu  ermitteln. 

LXII.   Zum  got.  imperat.  auf  -dau^  -ndau. 

Für  die  deutung  von  got.  atsteigadau  xaraßdrco,  lausjadau 
{fvOaöd^co,  Imgandau  jaf/ijodzwoav  ist  von  mehreren  forschern 
(Bopp,  Schleicher,  Scherer,  Joh.  Schmidt,  Paul,  Jellinek,  Hirt, 
s.  Jellinek,  Beiträge  zur  erklär,  der  germ.  flexion  s.  98  f.  und  IF. 
6,  61)  das  -am  von  aind.  med.  imperat.  hharcdäm,  -antäm  ange- 
zogen worden.  Schon  das  von  Brugmann  (Grundr.  2, 1328)  über 
die  Wahrscheinlichkeit  des  einzelsprachlichen  Charakters  dieser 
-{n)tam  bemerkte  stellt  diese  gleichung  in  frage.  Entschei- 
dend aber  ist  hier  der  umstand,  dass  die  berechtigung  einer 
einreihung  der  got.  formen  in  die  medio-passive  flexion  gänz- 
lich fehlt:  zu  atsteigadau  ist  die  sonstige  active  Verwendung 
des  verbs  zu  beachten;  liugandau  übersetzt  ein  griech.  activuni; 
und  die  fassung  von  lausjadau  als  durch  die  medialform  des 
Originals  veranlasster  falscher  Übersetzung  (vgl.  Jellinek  a.a.o. 
s.  100)  ist  nur  ein  notbehelf.  Andere  forscher,  wie  Malilow 
(Die  langen  vocale  s.  107  f.)  und  Osthoff  (Morph,  unt.  4,  256  f.), 
haben  zwar  den  activen  Charakter  der  in  rede  stehenden 
formen  mit  mehr  oder  weniger  entschiedenheit  anerkannt,  die 
endung  jedoch  nicht  befinedigend  gedeutet,  weder  durch  die 
fassung  derselben  als  zu  aind.  -tu  der  3.  sg.  imp.  act.  im  ab- 
lautsverhältnis  stehender  bildung  (mit  altem  -au  oder  -oti)  noch 
durch  Zerlegung  des  suffixes  in  -o  (aus  -öt  =  aind.  -ad  des  act. 
imp.)  und  eine  partikel  u. 

Ob  aber  in  der  tat  die  den  beregten  deutungsversuchen 


552  VAN   HELTEN 

ZU  gründe  liegende  meinung-,  dass  die  eigentlicli  am  nächsten 
lieg-eude  und  bereits  ft-üli  aufgestellte  g'leicliung  -dau  =  aind. 
-fäd,  gr.  -xo),  lat.  -tüd,  -tö  des  imperativs  aus  lautlichen  gründen 
abzuweisen,  noch  aufrecht  zu  halten  sein  dürfte?  Ein  directer 
beweis  für  oder  geg-en  stosstonige  ausspräche  des  vocals  der 
endung-  ist  mir  nicht  ersichtlich.  Bei  der  beachtung-  jedoch 
einerseits  •  der  Verbreitung  von  altem  -töd  des  imperativs, 
andrerseits  des  aus  got.  -jau  der  1.  sg.  praet.  opt.  =  -iöm  her- 
vorgehenden Schlusses,  dass  durch  consonantapokope  in  den 
auslaut  getretenes  -u  (d.  h.  -O"),  insofern  kein  associativer  eiu- 
fluss  im  spiel  war,  im  got.  als  -au  (d.  h.  -o")  begegnet  (s.  oben 
LUD),  kann  eine  gleichung  -dau  =  -öö{t)  (mit  stosstonigem 
voc),  -ndau  =  -ndo{t)  (wegen  der  basis  -ntüd  vgl.  Brugmann, 
Grundr.  2, 1326)  nicht  als  mllkürliche  annähme  erscheinen. 

Nach  dyttm,  agitod  etc.  als  ursprünglicher  stammsuffix- 
vocal  zu  fassendes  -a-  von  -adau  begreift  sich  als  die  folge  von 
beeinflussung  durch  das  -a-  (oder  älteres  -o"-)  der  pluralform. 

LXIIl.   Zur  entwickeluug  einiger  altgerni.  partikoln. 

1. 

Mehrere  als  präposition  bez.  als  adverb  verwante  Par- 
tikeln gewähren  im  germ.  nicht  apokopiertes  -a  {=  indog.  -a 
oder  -o)  bez.  -e  (ags.),  -o  (afries.;  die  -e,  -9  durch  qualitative 
Schwächung,  wie  -e,  -9  für  -a  aus  -Un,  -öp,  -et,  \g\.  oben  s.  507  ff.): 
ahd.  aha^),  aonfrk.  uva,  aofries.  ove  (s.  Gramm.  §  4/),  mnd,  mnl. 
ave  (vgl.  äjio^  djio)  neben  got.  af  {ab  in  ahu),  ahd.  ah,  as,  af, 
ags.  afiies.  of,  af  —  got.  ahd.  ana,  as.  ana  (s.  Wadstein,  Klein, 
denkm.  53,  28),  aofries.  one  (s.  Gramm.  §  4/)  (vgl.  dvd,  avest, 
ana)  neben  ahd.  as.  aonfrk.  an,  ags.  afries.  on,  an  —  ahd. 
fana,  fona  neben  ahd.  fon,  as.  fon,  fan,  aonfrk.  fan,  afries. 
fon,  fan  —  afries.  ande'^)  (beachte  got.  anda-  und  vgl.  ävra. 


1)  Das  hier  und  im  folgenden  verzeichnete  belegniaterial  findet  sich 
zum  teil  in  Job.  Schmidts  abhandlung  Die  germ.  präpositiouen  und  das  aus- 
lautsgesetz  (Kuhns  Zs.  2G,  20  ff.)-  Bei  der  aufführung  des  materials  habe  ich 
eine  (für  unseren  zweck  nicht  notwendige)  Vollständigkeit  nicht  angestrebt. 

'^)  Wegen  des  neben  aride  begegnenden  anäa  und  der  parallelen  ana, 
anna  (für  nach  art  von  ahd.  neben  fona  fon  begegnendem  forma  und  von 
Willirams  neben  ane  und  an  stehendem  anne  durch  compromiss  entstandenes 
*anne  aus  an  und  *ane),  enda  (für  ende,  worüber  unten  im  text  2),  vgl. 
Aofries.  gr.  §  55. 


GRABniATISCHES.  553' 

lit.  anta)  und  got.  ags.  afi'ies.  and,  as.  ant  —  got,  faura,  ahd. 
as.  fora,  afries.  fori  (im  dial.  der  Hriostringar),  fore,  ags.  fore 
(grundform  altes  pura,  das  einerseits  nacli  aind.  instr.  pura, 
gen.  abl.  pmras,  andrerseits  hinsiclitlicli  der  endung  nach  dem 
neben  jrapoc,  dat.  jcaQcd  stehenden  instr.  jinga  anzusetzen  ist; 
wegen  des  afries.  -i  aus  -e«  für  -a  vgl.  die  in  den  Rüstringer 
(juellen  belegten  dagi  gen.  acc.  sg.,  hin  gen.  sg.,  hini  acc.  sg. 
und  beachte  Arkiv  f.  nord.  filol.  19.  251,  anm.)  neben  got.  faur, 
as.  ags.  afi'ies.  for  —  got.  iupa,  ahd.  uffa  neben  got.  iup,  ahd. 
nf  —  got.  rda,  ags.  (de,  aofries.  Ute  (wegen  des  mit  -a  =  indog. 
-a  anzusetzenden  prototypus  vgl.  die  unten  in  7.  8  erwähnten 
iitatia,  Titan  etc.  sowie  ahd.  üzar,  as.  fdar  mit  r-suffix,  me  got. 
aljar,  jainar,  Imr  etc.;  doch  kann  ags.  -e,  afries.  -e  auch  auf 
dativsuffix  -ai  zurückgehen)  und  got.  as.  afries.  rd,  ahd.  üz, 
ags.  üt  —  ahd.  oha  'oberhalb'  (vgl.  ags.  ufeiveard  'aufwärts') 
und  ahd.  oh,  op  (s.  Graff  1,  78  und  vgl.  auch  of-  in  ofsittean 
'besitzen',  oßges  'Obliegenheit'  und  ofstuop  'erstieg'  Cott.  985). 
Bei  Verwendung  der  partikel  als  adv.  bez.  als  anastrophisch 
verwanter  präposition  (als  postponierter  part.)  musste  apokope 
des  auslautenden  vocals  erfolgen;  demnach  kann  das  erhaltene 
-a  ursprünglich  nur  der  proklitischen  präposition  zugekommen 
sein,  die,  mit  ihrem  nomen  bez.  prouomen  eng  verbunden,  ge- 
wissermassen  als  compositionselement  behandelt  wurde. ')  Im 
hinblick  auf  diese  westgerm.  -a  liefft  also  kein  zwingender 


^)  Nach  J.  Schmidt  (a.  a.  o.)  wäre  die  der  uomiualcompositioii  zukom- 
mende intacte  form  verantAvortlich  zu  macheu  für  analogische  erhaltuug 
von  ausser  dieser  compositiou  verwanter  form  auf  -a.  Doch  stand  die  Ver- 
wendung der  Partikel  als  bildungselemeut  solcher  composita,  gegenüber  der 
Verwendung  derselben  in  adverbialer  sowie  in  (proklitischer  und  postponierter) 
präpositionaler  function,  zu  sehr  im  bintergrund,  um  den  gedankeu  au  einen 
derartigen  eintluss  plausibel  erscheinen  zu  lassen. 

Die  hier  und  im  folgenden  vorgeschlagene  deutung  der  partikelformeu 
stimmt  durchgehends  nicht  überein  mit  den  in  diesen  Beitr.  4,  385  f.  470  ft". 
6, 124  ff.  und  in  Bezzenbergers  Beitr.  16, 144  ff.  vorgetragenen.  Mit  rück- 
sicht  auf  die  Verschiedenheit  der  daselbst  und  in  diesem  artikel  vertretenen 
fassung  der  auslautsgesetze  wäre  hier  indessen  eine  polemik  gegen  Pauls 
und  Johanssons  ausführungen  zwecklos. 

Die  Beitr.  4,  121  geäusserte  Vermutung,  dass  über  die  kritische  Pe- 
riode der  vocalsynkopierungen  hinaus  bewahrte  oxytonierung  das  -a  von 
aha,  ana  etc.  gerettet  hätte,  dürfte  in  dem  Urheber  derselben  wol  keinen 
anwalt  mehr  finden. 

Beiträge  ziir  geschichte  der  deutschen  Sprache.     XXVIII.  36 


554  VAN   HELTEN 

griind  vor,  die  enduiig  von  got.  ana,  faura,  Uta  unter  beruf ung 
von  jraQai  (Bezz.  Beitr.  17, 17,  mit  dativsufflx)  auf  -ai  zurück- 
zuiüliren;  nur  möchte  man  wegen  der  neben  alid.  nffa,  fona, 
as.  Uta  beg-egnenden  alid.  nf(f)e,  föne  (deren  -c  übrigens  in  den 
aus  jüngeren  quellen  herrührenden  belegen  auf  -i,  vgl.  unten 
(3  am  schluss,  zurückgehen  kann),  as.  nfc.  ahd.  ns^e,  an.  üte,  -i 
und  mit  rücksicht  auf  die  doppeldeutigkeit  von  ags.  ütc,  aofries. 
Ute  (s.  oben)  für  got.  iu23a,  üta  (wie  für  ags.  nte,  aofries.  Ute) 
die  möglichkeit  eines  Zusammenfalls  von  alten  e^qiai,  utai  und 
eujHf,  Uta  entsprechenden  formen  anerkennen. 

Bei  einigen  partikeln  ist  nur  die  apokopierte  form  erhalten 
geblieben :  got.  mi]),  alid.  mit,  amf rk.  mith,  mit  (Beitr.  22, 458), 
as.  micl  miö  (s.  Braune,  Gloss.  zu  den  Vat.  frgm.),  met  Cott.  185. 
2453.  2461.  2476.  2797.  2944.  3017  etc.,  med  (wegen  der  letzten 
form  s.  Wadstein,  Klein,  denkm.  28,  22.  35,  38),  aonfrk.  mit,  sal- 
frk.  mitU  (Beitr.  25, 415  f.),  ags.  mid,  afries.  mith,  mit,  met  (Aofries. 
gr.  §  lOs  und  v.  Eichthofen,  Gloss.  s.  930)  (=  nsxä,  (itxa;  das  i 
für  e  durch  anlehnung  an  aus  den  unten  in  2  zu  erwähnenden 
nebenformen  zu  erschliessende  alte  midi  und  mij)i)  —  as.  far 
'bei',  'in  gegenwart  von',  'mit  rücksicht  auf  Hei.  Mon.  1632. 
1802.  1836.  1976.  1977.  2027.  2036.  2049.  2057  etc.  und  1561. 
1880  (=  jiaQct)  —  got.  uf  {^=  aind.  upa  'unten';  vgl.  auch  sal- 
frk.  of-  in  ofhrit,  oftheofo,  ofdü,  ofdüpli,  ofgräfio,  Beitr.  25,  362. 
394.  396.  441.  471)  —  ags.  od,  got.  und,  as.  und  (unt)  (vgl. 
got.  unpa-).  Im  an.  herscht  überhaupt  nur  die  gekürzte  form 
(af,  d  =  urn.  an,  for,  üt,  of  'über',  medf),  was  indessen  mit 
rücksicht  auf  das  gleich  in  2  zu  besprechende  fyri  nicht  zur 
folgerung  von  nord.  auch  nach  schwachtoniger  vorsilbe  statt- 
gefundener Synkope  berechtigt. 

2. 

Wie  das  -a  von  aha  etc.  ist  das  -i  (ags.  -e,  afries.  -e)  zu 
beurteilen  in:  ahd.  as.  umhi,  ags.  ymhe  (=  aind.  ahhi,  a[i(p'i) 
neben  ags.  ymh  (nicht  umgelautetes  ahd.  as.  tt  durch  anlehnung 
an  einstmals  vorhandenes  umh,  zum  teil  auch  etwa  durch  ein- 
wirkung  von  aus  ahd.  imiba  zu  erschliessendem  alten  umha, 
das  sich  als  durch  instrumentalsuffix  -a  gebildete  form  zu  mit 
locativsuffix  -i  versehenem  umhi  verhält,  wie  aus  fora  etc., 
furi  etc.,  ande,  ende,  s.  oben  1  und  gleich  unten  in  diesem  ab- 


GRAMMATISCHES.  555 

schnitt,  zu  folgernde  alte  fura  :  furi,  anda  :  andi\  für  afries. 
umhe,  umme,  onime  ist,  da  mit  rücksicht  auf  die  fries,  Zeit- 
folge von  älterem  umlaut  und  jüngerem  secundären  vocal- 
schwund  die  annähme  von  n7nh  ausgeschlossen,  dem  ahd.  v77iha 
entsprechendes  prototyp  geltend  zu  machen),  an.  (ebenfalls  auf 
U7nha  zurückzuführendem)  twib,  imi  —  aofries.  e7ide  'an',  'zu' 
{=  «Vr/;  vgl.  auch  salfrk.  a7ithi-,  altbair.  e7idi-,  Beitr.  25,  332) 
neben  e7id  mit  gleicher  bedeutung  —  ahd.  tihiri  (aus  altem 
uderi,  vgl.  aind.  upari,  gv.  vjrsiQ  und  lat.  s-nper.  gr,  vjttQ), 
iilari  (mit  -a-  durch  anlehnung  an  nhar)  neben  ahd.  iihir.  olm- 
aonfrk.  ovi7'  (mit  entlehntem  -?V  für  ohar,  "^ovai-),  an.  yfer,  -ir 
(nichtSynkope  von  bei  proklitischer  Verwendung  der  partikel 
nach  schwachtoniger  silbe  stehendem  -/-,  vgl.  U7ide7;  -ir  und 
fyri\  nach  auf  orthotoniertes  ohai-  hinweisendem  ofr  nimis  als 
die  fortsetzung  von  starktonigem  *ufir  zu  erwartendes  ufr 
fehlt)*)  —  ahd.  (bei  K.)  mitiri,  -ari  (vgl.  ahd.  idnri,  -a7i  und 
beachte  avest.  acfairi  sub)  neben  ahd.  t(nti7;  imdir  (nicht  um- 
gelautetes  u  durch  anlehnung  an  nnte7;  -ar^)),  aonfi-k.  imdh- 
(s.  unten  s.  557,  anm.  2). 

In  allen  Stellungen  lautgesetzlich  erhaltenes  -i  gewähren 
ahd.  as.  aonfrk.  furi  (aus  locativem  *puri,  vgl.  das  oben  1  zu 
faura  etc.  bemerkte  und  beachte  Kuhns  Zs.  26, 30;  auf  ein- 
wirkung  von  furi  weisen  hin  ahd.  as.  aonfrk.  für  für  for,  s. 
oben  1,  und  ahd.  fori,  aonfrk.  fore,  s.  Aonfrk.  gr.  §  26«)  und 
ahd.  miti,  as.  midi,  salfi'k.  Tiiithi  (Beitr.  25,  417.  500),  afries. 
mithi,  -e,  7mde  (wegen  der  endungen  vgl.  Aofries.  gr.  §  56  und 
Arkiv  f.  nord.  filol.  19,  251,  anm.).    An.  für  und  fyri,  -e   reprä- 


^)  Danehen  ahd.  iiber,  as.  over,  aonfrk.  over  (-e-  =  -e>-,  s.  Gramm.  §  27)') 
etc.  mit  altem  -er  (=  lat.  griech.  -er)  und  ahd.  ohar,  nhar  (mit  entlehntem 
-ar  für  über  oder  -ir),  as.  obar,  nrn.  uhar  (auf  dem  stein  von  Järsbärg  oder 
Varnum),  an.  ofr  (s.  oben  im  text)  mit  durch  eiuwirkung  der  form  auf  -a 
(s.  ohen  1)  für  -er  eingetretener  endung. 

*)  Ahd.  unter,  as.  linder,  aonfrk.  under  (-e-  =  -e'-,  s.  Gramm.  §  27/^) 
etc.  mit  altem  -er  (vgl.  lat.  inferi  und  inter;  wegen  der  ursprünglich  ver- 
schiedenen, im  germ.  zusammengeflossenen  partikeln  indog.  mlher  und  »j^c/- 
beachte  u.a.  auch  aind.  adharas  'der  untere'  und  antar  'zwischen'  und  s. 
Nederl.  \vb.  10,  1195  sowie  Behaghels  Hcliandsyntax  s.  152),  an.  under,  -ir 
(mit  in  der  proklise  nicht  sj'ukopiertem  enduugsvocal ,  vgl.  das  oben  im 
text  zu  yfer  bemerkte)  und  ahd.  untar,  as.  U7idar  mit  -ar  für  -er  nach 
analogie  von  ahd.  ohar,  as.  ohar. 

36* 


556  VAU   HELTEif 

sentieren  die  regelrechten  fortsetzungen  von  altem  ortliotonierten 
bez.  schwach  betonten  furi  (beachte  auch  die  nebenformen 
furi,  compromissbildung  aus  für  und  fyri,  und  fijrer,  -ir,  furcr, 
-ir  mit  angehängtem  -r  durch  analogiebildung  nach  epter). 

3. 

Das  oben  in  1  über  die  Stellung  und  betonnng  der  partikeln 
bemerkte  macht  die  erhaltung  von  auslautendem  conson.  be- 
greiflich in  (griechischem  Iv  und  lat.  m  entsprechendem)  got. 
westgerm.  in  (beachte  auch  an.  i,  das,  wie  d  =  urn.  an,  in  der 
proklise  entstand  und  als  solches  mit  den  präflxen  6-,  u-,  si- 
für  un-,  sin-,  vgl.  Noreen,  Gramm.  §  239,  anm.,  in  eine  Knie  zu 
stellen),  got.  as.  salfrk.  (Beitr.  25,  310  f.)  an.  at,  ahd.  a^,  ags.  cet 
(=  lat.  ad)  und  hierzu  im  ablaut  stehendem  afries.  et,  it  (s. 
Aofries.  gr.  §  lOg  und  v.  Eichthofen,  Wb.  s.  717),  ahd.  es,  is: 
nichtapokopiernng  von  -n,  -t  des  orthotonierten  adverbs  und 
der  ebenfalls  orthotonierten,  anastrophisch  verwanten  präpo- 
sition;  desgleichen  erhaltung  des  conson.  in  der  proklitisch  mit 
seinem  nomen  bez.  pronomen  eng  verbundenen  präposition. 
Ursprünglich  auslautender  conson.  könnte  auch  vorliegen  in 
den  oben  in  1  erwähnten  an  etc.  (=  aslov.  vü  für  *öw),  lä  etc. 
(aus  unverschobenem  *rid,  vgl.  aind.  ud),  m/J)  etc.  (=  avest.  tna/), 
far  (=  jcdo),  sodass  diese  formen  mit  an,  üt,  mip,  mid,  far  aus 
instrumentalen  ana,  Uta,  mej)a,  mcöa,  fara  zusammengefallen 
wären  (vgl.  auch  ahd.  nach  1  und  4  auf  öp«  sowie  auf  üp 
zurückgehendes  uf). 

4. 

Wie  Tita  'draussen'  zu  rd  'hinaus',  verhält  sich  got.  inna 
'innerhalb'  zu  inn  'hinein'  (differenzierung  zwischen  aus  einem 
typus  hervorgegangenen  bildungen,  wie  bei  Uta  und  lä;  hin- 
gegen iup  'nach  oben',  doch  iupa  sowol  'nach  oben'  als  'oben'), 
beides  =  älterem  inna,  dessen  letzte  silbe  zu  dem  'wo'  oder 
'wohin'  bezeichnenden  instrumentalsuffix  von  \2ii.superne  'oben', 
'herauf,  inferne  'unten',  pöne  'hinten',  'hinterwärts'  zu  halten 
(wegen  dieser  casusendung  und  wegen  des  instrumentals  der 
raumerstreckung  s.  Brugmann,(Trundr.2,782.  3, 482  ff.),  mit  rück- 
sicht  auf  seinen  vocal  aber  auf  zu  -ne  im  ablautsverhältnis 
stehendem  -no  zurückzuführen  ist  (also  prototyp  cnno).  Den 
got.  bildungen  entsprechen  ahd.  as.  inna,  ags. afries. «Vme  'innen', 


GRAlMiM  ATISCHES.  557 

'in'  und  ags.  asJ)  an.  hm  'hinein'  (neben  ahd.  afries.  in  adv. 
begegnet  keine  Schreibung  hm),  sodass  es  zweifelhaft  sein 
könnte,  ob  in  der  überlieferten  form  die  entsprechung  von  en 
oder  von  enno  vorliegt  oder  etwa  die  fortsetzungen  beider 
Prototypen  durch  in  der  proklisis  erfolgte  consonantenkürzung 
zusammengeflossen  sind;  man  beachte  indessen  aus  dem  unten 
6  hervorgehobenen  in7ii  zu  erschliessendes  inn).  Als  parallelen 
aber  zu  inna,  inn  erscheinen  as.  ujn^a,  ags.  ti2)2>ß,  afries.  nju^e, 
oppe  und  ags.  an.  upp,  as,  up,  afries,  up,  op  (mit  p  für  pp) 
aus  uppo  für  ubho  aus  ubno  (wegen  dieses  üb-  neben  üh,  der 
Vorstufe  von  ahd.  üf  zu  gründe  liegendem  Up,  vgl.  aind,  tul 
neben  germ,  Ut,  üz)  —  got,  fairra  adv.  und  praep.,  ahd.  as.  fer, 
ags.  feor{r),  afries.  flr,  ferr  (die  qualitative  änderung  durch 
einwirkung  von  im  comparativ  lautgesetzlich  entstandenem  i 
für  e;  Avegen  der  vocaldelmung  vgl,  Aofries.  gr.  §  43),  an.  fiar 
adv.  aus  zu  jttQcc  'weiter',  aind,  ^;am5  'fern'  etc,  zu  haltender 
grundform  ferno). 

5. 
Wie  vorgerm.  -no  zu  lat,  -ne  konnte  sich  zu  der  lit.  locativ- 
partikel  tc  'da'  vorgerm.  -po  {-to)  verhalten;  auf  die  möglich- 
keit  von  in  gleicher  function  verwantem  -J)ra  (-tra)  weist  das 
bekannte  aind.  -tra  hin  (mit  -«,  vgl.  lat.  exträd,  siqrrad,  citrä, 
ultra  etc.  Als  die  eutsprechungen  bez.  fortsetzungen  solcher 
bildungen  erscheinen  in  folge  der  in  1  und  4  erörterten  be- 
handlung  von  agerm.  formen  mit  und  ohne  -a:  got.  afta,  aftra 
(vgl.  got.  afar  'nach')  und  an.  apt,  ags.  mft,  ahd.  *aft  (beachte 
aftwart  Ahd.  gll.  4,  3,  34),  ahd.  aftar.  -er,  -ir  {-a-  als  irrationaler 
vocal,  -e-,  -i-  durch  analogiebildung  nach  über,  -ir  und  -ar, 
tmter,  -ir  und  -ar,  vgl.  oben  s.  555  und  anm.  1.  2),  as.  aftar,  -er, 
aonfrk,  after,  -ir-),   ags.  wfter,   urn.   (auf  dem  stein  von  Tune 

»)  Vgl.  inn  Hei.  C.  3340.  Gen.  320;  sonst  begegnet  nur  in. 

'*)  Aus  den  belegen  after,  -ir  und  undcr,  -ir  (beachte  auch  im  Aonfrk. 
index  aiifgeführte  after-,  louhr-,  intdir-)  wurde  im  §  27 ,V  der  Aonfrk.  gramm. 
auf  -er,  -ir  als  Schreibungen  für  -c>r  geschlossen.  Doch  ist  mit  riicksicht 
auf  ahd.  aftir,  iintir  (s.  oben  im  text  2)  die  möglichkeit  von  mit  -ir  ge- 
sprochenen aonfrk.  formen  ins  äuge  zu  fassen  {-ir  in  aftir  nach  imdir,  ovir). 

Nach  dem  oben  im  text  erörterten  ist  ferner  die  a.  a.  o.  besagter  gramm. 
begegnende  fassung  des  enduugsvocals  von  after  als  nicht  anorganischem 
laut  zu  berichtigen. 


558  VAN   HELTEN 

stehendes)  after  (mit  -er  für  regelrechtes  -r  durch  einwirkung 
von  aus  an.  under,  -ir  zu  folgerndem  urn.  under),  an.  aptr  — 
as.  ags.  eft  (afries.  cft  kann  ==  eft  oder  aß  sein;  wegen  der 
formen  mit  e  vgl.  got.  iftuma,  das  zu  nicht  belegtem  oder 
verloren  gegangenem  ifta  oder  efta  steht  wie  aftuma,  innuma 
zu  afta,  inna),  an.  cpt,  epter,  -ir  (mit  aus  under,  -ir,  yfer,  -ir 
entlehnter  endung  für  regelrechtes  eptr  oder  eftr  oder,  wenn 
die  regelwidrige  form  bereits  im  urn.  vorhanden  war,  aus  altem 
efter  als  der  parallele  von  after;  in  letzterem  fall  wären  für 
die  erhaltung  des  ultimavocals  yfer,  -ir,  under,  -ir,  s.  oben 
s.  555,  zu  vergleichen)  —  ahd.  nida  praep.  Ahd.  gll.  2,  300,  5 
(vgl.  auch  aonfrk.  nithe-,  Gramm.  §  29«)  und  nidar,  -ir  (vgl. 
oben  aftir),  as.  niöar,  nither,  nider  {-er  für  -ar  nach  dem  muster 
von  under,  -ar,  s.  oben  s.  555,  anm.  2),  ags.  nider  (auch  nidor, 
niodor  mit  comparativsuffix  für  -er),  an.  nidr,  beides  zu  nl  = 
aind.  ni-  'nieder'  —  aofries.  ivitlie  v.  Richthof en  152,  7  (auch  in 
ivithe  drlva,  hima,  mahia,  reJca)  und  as.  ags.  wiö,  afries.  with, 
an.  vid,  got.  tvi^ra  und  ahd.  ividar,  -er,  -ir  (vgl.  oben  aftar  etc.), 
as.  tüithar,  -der,  -der  (vgl.  oben  7iiJar  etc.),  ags.  wider,  afries. 
wither,  an.  (mit  verben  verbundenes)  vidr,  das  eine  und  das 
andere  zu  zvi  'gegen',  das  sich  mit  abgeleiteter  bedeutung  als 
=  4n  entgegengesetzter  richtung',  'auseinander'  etc.  in  aind. 
vi-  findet)  —  ags.  geond  {sind,  ^iend)  per,  got.jaind  'dorthin' 
(keine  form  mit  -a  etc.). 

Von  ausschliesslich  adverbial  verwanten  partikeln  erscheint 
nui-  die  synkopierte  form:  as.  afries.  forth,  ags.  forö  (ver- 
want  mit  fora  etc.;  prototyp  furjw)^)  —  got.  hwa])  {mit  ])is- 
Jvadnh),  aljaj),  dalap,  *pap  (wozu  ])adei  'wohin')  —  ahd.  heröt, 
daröt,  Juvarut,  as.  herod,  tharod,  Invarod  mit  altem  -rUd  aus  -rö 
((J.  h.  r  -\-  ö  für  den  instrumental  der  raumerstreckung,  vgl.  Del- 
brück, Brugmanns  Grundr.  8,  242  ff.)  -i-  do  —  ags.  Jiider,  dider, 
hwider. 

G. 

Durch  afflgierung  von  locativem  -i  entstanden  gelegentlich 
neben  in  4  und  5  hervorgehobenen  prototypen  auf  -o,  -a  auch 
solche  mit  -ot,  -at,  woraus  (vgl.  oben  s.  513.  518)  westgerm.  -e, 

')  Das  in  Kluges  Et.  wb.  fragend  verglichene  got.  fanrpis  'ehedem' 
gehört  nicht  hierher;  vgl.  ahd.  foredes,  edes,  unterdes  etc.,  aonfrk.  untes 
donec  (Gramm.  §  86;,  die  auf  got.  faur  4-  gen.pis  hinweisen. 


GRAMMATISCHES.  559 

an.  -e,  -/:  alid.  inne,  nidare,  as.  inne,  uppe,  nithare  Cott.  2421 
(hiernebeii  nidara  Mon.  2421  mit  -a  für  -e  nach  dem  muster 
der  partikelformen  mit  wechselndem  -a  und  -e,  wie  inna,  -e, 
uppa,  -e  etc.),  an.  inne,  -i,  uppe,  -i,  nidre,  -i  Ags.  afries.  inne, 
uppe,  ags.  nidre  sind  zweideutig-  (wie  ags.  ide,  afries.  Ute,  vgl. 
die  oben  in  1  erwähnten  prototypen  räai  und  fita),  weil  ihre 
endung  sowol  auf  -c'"  als  auf  -a  zurückgehen  kann  (vermutlich 
fielen  hier  die  beiden  formen  zusammen). 

Mit  analogisch  entstandenem  -i  erscheinen  ahd.  nidiri, 
widiri,  -ari  (neben  nidir,  ividir,  -ar  nach  ubir,  -iri,  imtir,  -ar, 
-iri,  -ari,  s.  oben  s.  555  und  anm.  1.  2)  sowie  (nach  denselben 
mustern)  üzsi  Isid.  5  §  10,  uffi,  voni,  inni  (neben  üs,  uf,  von 
und  altem  inn,  woraus  überliefertes  in),  kagaiii  (neben  higan 
'gegen").  1)  Aus  auf  ivithiri  zurückgehendem  aonfrk.  tvithere 
(s.  Gramm.  §  26  ß)  ist  auf  die  muster  utiri,  undiri  (=  ahd.  ubiri, 
uniiri)  zu  schliessen. 

7. 

Als  die  fortsetzung  von  nach  dem  muster  eines  instru- 
mentalsuffixes  aus  -ne  (vgl.  oben  4)  gebildetem  -ne  l)egegnet 
got.  -na-),  westgerm.  an.  -n  in  den  meistens  'wo',  mitunter 
auch  'wohin',  seltener  'woher'  bezeichnenden,  zu  oben  in  1.  4 
und  5  aufgeführten  partikeln  stehenden  adverbien  bez.  Präpo- 
sitionen (das  den  alten  -a,  -o,  -no,  -to,  -Jw  angehängte  -ne 
diente  also  lediglich  zur  erweiterung  der  form;  die  eigentlich 
solchen  bildungen  nicht  zukommende  function  der  bezeichnung 
des  'woher'  entwickelte  sich  durch  ein  Wirkung  von  neben  den 
instrumentalformen  stehenden,  ablativischen  bildungen  mit  -na 
aus  -net,  vgl.  unten  8;  nicht  ohne  einfluss  aber  war  hier  gewis 
auch  der  umstand,  dass  dem  'woher'  das  'wo'  als  anfang  der 
bewegung  gleichgestellt  werden  konnte):  got.  iupana,  ütana, 
innana,  aftanu,  ahd.  ü.f{f)an,  nz{z)an,  innan,  as.  foran,  ütan, 
biodan,  innan,  uppan,  ferran,  aftan,  ags.  foran,  ütan,  ufan, 
innan,  uppan,  feorran,  ceftan,  nioöan,  bc^eondan  'jenseits', 
afries.  fora,  Uta,  ova,  fara  coram  (vgl.  das  oben  in  1  erwähnte 

')  Wegen  ähnlicher  neubildungen  beachte  ausser  dem  oben  im  text 
erwähnten  as.  nidara  auch  ags.  neben  hider,  ofcr  begegnende  hidere,  ofcrc 
(Sievers,  (xr.  ij  B21,  anm.  3)  nach  iipi)e,  upp,  ide,  id,  inne,  inn. 

*)  Vgl.  hierzu  die  bereits  in  Kuhns  Zs.  27, 219  vorgeschlagene  gleichuug 
-nä  (in  aiud.  vinä)  =  got.  -na  (in  aftana  etc.). 


560  YAN  HELTEN 

as.  far  'in  gegen  wart  von')'),  «'wwa  (woneben  einzeln  aofries. 
ina  y.  Riclitliofen  42, 10.  48, 13.  14.  163,  26  durch  anlelmung  an 
in),  uppa,  efta,  hmitlia,  -netha  (mit  -a  aus  -an,  s.  Aofries.  gr, 
§  107«),  an.  ütan,  ofan,  innan,  aptan,  neÖan,  hvadan,  daÖan, 
hedan  (weiteres  zu  diesen  an.  bildungen  unten  in  8).  Beachte 
ausserdem  got.  hindana,  as.  hikindan,  ags.  hindan  zu  Jiinda,  das 
in  ahd.  hintpaclio  protergum  Ahd.  gll,  4, 14,  32  und  (mit  suffix 
-r)  in  got.  hindar,  ahd.  h'mtar,  ags.  hinder  steckt,  [An.  undan 
steht  als  neubildung  zu  under,  -ir  nach  dem  muster  von  ofan,  ofr]. 

Aus  -ne  hervorgegangenes  -n  liegt  auch  vor  in  zu  den 
stammen  ivesto-  (vgl.  die  ahd.  substantiva  tvest,  öst,  nord,  sund 
und  die  ags.  adverbial  verwanten  acc.  sg.  ivest,  east,  yiorö,  süÖ 
'nach  Westen'  etc.)  gebildeten  und  häufig  'von  . . .  her'  bezeich- 
nenden as.  ivestan,  osfan,  ags.  tvcstan,  eastan,  nordan,  süöan, 
afries.  ästa,  tvesta,  an.  vestan,  austan,  nordan,  sunnan. 

Die  angesetzte  e-qualität  der  endung  ist  zu  erschliessen 
aus  dem  -a(-)  von  -a{n):  prototypen  mit  -nö  hätten  westgerm. 
und  an.  durch  den  vocal  von  aus  solchem  -nö  entstandenem 
-nii  hervorgerufene  -un,  -on  ergeben. 


Als  die  fortsetzung  eines  nach  dem  muster  eines  ablativ- 
suffixs  aus  -ne  gebildeten  -nct  (unverschoben  -ned),  woraus  -nS, 
erscheint  westgerm.  -na  bez.  -ne  (wegen  des  vocals  vgl.  oben 
s.  512)  in  ahd.  hina,  ags.  hine  hinc,  ahd.  dana  illinc-),  sowie 
in  den  meistens  ihrer  ursprünglichen  function  gemäss  'woher', 
manchmal  aber  auch  (sowol  durch  einwirkung  von  nebenher- 
gehenden instrumentalbildungen  mit  -n,  s.  oben  7,  als  durch 
auch  sonst  zu  beobachtende  semantische  entwickelung  von 
*wo'  aus  ' woher ''^))   das  'wo'  bezeichnenden  bildungen  ahd. 


1)  Die  Partikel  galt  ausserdem  (auch  in  den  Verbindungen  und  com- 
positis  a-,  hi-,  he-,  tofara,  faradel,  -häfd  etc.)  für  räumliches  und  zeitliches 
<vor'  und  zwar  durch  einwirkung  von  sowol  'coram'  als  'pro',  'ante'  be- 
zeichnendem fore. 

*)  Die  entstehung  dieses  -na  aus  ablativsuffix  wurde  bereits  Vorjahren 
(Taalkundige  bijdragen  1, 182  ff.)  von  Kern  betont,  indem  er  die  apers.  in 
Behistun  1,23  und  den  Persepolis-inschriften  1,20  überlieferten  tyanä,  aniyanä 
als  ablative  mit  -nä  aus  -näd  fasste. 

^)  Vgl.  Delbrück  in  Brugmanns  Grundr.  3,  558  und  beachte  die  unten 
10  erwähnten  got.  aftarö  etc. 


GRAMMATISCHES.  561 

üfana,  üszana,  innana,  obana,  Mntana,  nidana,  ferrana,  wcstana, 
östana,   nordana,   sundana    (woneben   üzsena,    uzina,    innena, 
obena,  nidina  durch  anlelmimg  an   die  oben  in  6  erwähnten 
formen  uze,  -i,  inne  bez.  durch  neubildung  nach  dem  muster 
von  mit  -ana,  -ina  begegnenden  formen),    as.  forana,   utana, 
obana,  nidana,  östana  (auch  obane,  östane,  -ene,  westane,  ferrane, 
-ene  Mon.  986.  2131.  4241.  4938.  3752  mit  aus  -a  geschwächtem 
-e),  ags.  tifane,  -ene,  feorrane,  neodane,  zvestane  und  in  nach 
diesen  formen  auf  -ana  aus  Mna  etc.  gebildeten  ahd.  as.  hinana, 
thanana,  {h)wanana,  ags.  Jiconane,  öanone,  öonone,  hwanone^) 
(also   mit   doppelsuffix;   aus   den   as.  formen  ergibt   sich  die 
frühere  existenz  von  as.  ""hina  etc.  2);  neben  hinana  erscheinende 
ahd.  Mnna,  danna,  wanna  entstanden  durch  Synkope  von  schwach 
betontem  voc.  zwischen  zwei  n,  vgl.  IF.  14,  79).    Auf  die  ehe- 
malige existenz  von  urn.  ablativbildung  weist  die  erhaltung 
des  -n  der  oben  in  7  aufgeführten  bildungen  läan,  ofan  etc. 
hin:  dem  an.  inf.  bitida  gemäss  als  fortsetzung  von  bindan  aus 
bindana  (man  beachte  urn.  -a  aus  -on)  hätte  für  das  urn.  an- 
zusetzendes Utane   (aus  utone)  durch  utan  als  mittelstufe  üta 
ergeben  müssen »);  die  nichtapokopierung  des  n  begreift  sich 
nur  als  die  folge  der  conservativen  einwirkung  von  zui'  zeit 
der  nord.  w-apokope  neben  aus  utane  entstandenem  ntan  noch 
vorhandenem  utane  (mit  -e"  oder  -iV?  vgl.  oben  s.  516),  oder 
(wenn  der  schwund  des  -n  erst  nach  der  kürzung  von  urn. 
langem  endungsvocal  stattfand)  utane,  -i  oder  -a  (s.  noch  oben 

LXI). 

9. 
Neben  in  8  verzeichneten  ahd.  hina  etc.  und  den  bildungen 
mit  -ana,  -ena,  -ina,  -na  begegnen  noch  ahd.  hinan,  danän, 
wanän,  Uzenän,  innenän,  oimnän,  obenan,  hindenän,  nidanän, 
-enän,  -inän,  ferrenän,  nordcnän,  sundenän,  hinnän,  dannän, 
wannän  (die  länge  ergibt  sich  aus  den  mitunter  erscheinenden 


»)  Die  formen  mit  -0-  iu  der  paenultima  durch  anlelniuii)^^  an  danou, 
Öonon,  htoanon  (s.  unten  [)). 

2)  Ob  in  den  Werd.  Prud.-gll.  (s.  Wadstein  101,  36)  überliefertes  fÄana 
eine  as.  oder  etwa  eine  ahd.  form  repräsentiert,  ist  natürlich  nicht  zu  ent- 
scheiden. 

«)  Die  regelrechten  formen  (iitta  etc.)  liegen  in  der  tat  im  aschwed. 
vor  (vgl.  Arkiv  n.  f.  2,  32,  anm.). 


^"2  VAN  HELTEN 


schreibuiig-en  ohenän,  uzendn,  hinnän,  danndn,  wanndn,dannaan), 
in  deren  -mi  die  contraction  von  -a  und  der  angehängten  Par- 
tikel der  ruhe  und  bewegung  an  zu  erblicken  ist  (vgl.  die  ags. 
durch  vorgefügtes  on  erweiterten  adverbien  on  imian,  onuppan, 
as.  an  innan  sowie  ahd.  arian  =  an  +  an). »)  Auch  beachte 
man  der  an.  neubildung  undan  (s.  oben  7)  zu  vergleichendes 
undenan  ( :  undar)  nach  ohenän  ( :  ohar).  Neben  üzzenän,  Uzena 
entstand  zu  ""iiza  (s.  oben  1)  die  form  uzcm  (vgl.  die  schreibun«- 
uzaan  Beitr.  1,  434.  2, 139),  die  im  verein  mit  azan,  -ana  (s.  oben 
7.  8)  das  alte  uza  verdrängte;  angesichts  dieses  uzCm  aber  ist 
trotz  der  fehlenden  belege  mit  -an  oder  -aan  die  möglichkeit  von 
ebenfalls  gelegentlich  verwanten  nfän,  innän  ins  äuge  zu  fassen. 

Die  nämliche  formerweiterung  liegt  vor  in  SLS.hman,  liwanan, 
thanan,  ags.  heonan,  hwanan,  hwonan,  danan,  donan,  zu  Viina 
etc.  (=  ahd.  hina  etc.,  vgl.  oben  8)  und  ags.  ufenan  (wol  mit 
aus  -an  gekürztem  -an)  sowie  in  afries.  hwana  unde,  tliana, 
dana  inde  mit  -a  aus  -an  für  -an. 

Eine  andere  fassung  erfordert  die  endung  von  ags.  neben 
heonan  etc.  begegnenden  heonon,  hwanon,  hwonon,  öanon,  öonon: 
dieselbe  entstand  (wie  auch  in  ufon  neben  ufan)  durch  analogie- 
bildung  nach  neben  uppan,  ütan  (vgl.  oben  7)  stehenden,  nahezu 
ausnahmslos  das  'wo'  bezeichnenden  und  aus  upp,  üt  +  on  com- 
ponierten  uppon,  ilton  (=  an.  uppd,  ütd)."^) 

10. 
Dem  -tia,  -ne  aus  -net  (s.  oben  8)  vergleicht  sich  got.  -ßrö 
(aus  -pöt  =  lat.  -träd  in  exiräd,  supräd,  d.  h.  durch  die  ablativ- 
endung  erweitertes  locativsuffix  -tra,  s.  IF.  1,  24.  200.  6,  68  f.) 
in  hajirö  jtod-sv,  ])aprü  tVTsvdsv,  jalnprö  exsWtv,  innaprö 
too)&tv,  fairrajyrö  duio  fmx()6lh.r,  ütaprö  t^md-tv  etc.;  wegen  der 
neben  ablativisclier  function  mitunter  begegnender  bezeichnung 
eines  'wo'  (iupajjrö  avcoOev  und  avm,  dalaJmJ  xäzco)  ist  das 
oben  in  8  bemerkte  zu  beachten  und  die  bedeutung  zu  ver- 

1)  Die  Priorität  dieser  fassung  gebührt  Mahlow  (s.  dessen  Die  langen 
vocale  A  E  0  s.  67,  anm.). 

*)  Mitunter  für  das  -non  von  heonon,  hwanon,  danon  eintretendes 
-mm  beruht  wol  in  heonun  auf  anlehnung  des  verhältnismässig  oft  als 
zeitpartikel  verwanten  Avortes  an  nu,  in  hwanun,  Öamm  auf  analogiebildung 
nach  heonun.  ^ 


GRAMMATISCHES. 


563 


gleichen  von  ebenfalls  -o  aus  ablat.  -öt  (s.  IF.  6,  68  f.)  gewäh- 
renden got.  aftarö  ojiioco  (und  ojciod-tv),  ufaro  'sjtI,  sjxävm, 
vJiSQavco,  undarö  vjcoxcctco. 

Für  -drc  in  got.  kid)-c,  hadre,  jaindre  beruft  Hirt  (IF.  6, 69), 
was  die  consonanz  der  ultima  betrifft,  die  aind.  orthotonierte 
locativendung  -trä.     Nach  Streitberg  (Urgerm.  gr.  §152A2) 
sollte  dem  endungsvocal  ein  in  betreff  der  function  des  In- 
strumentals als  casus  der  raumerstreckung,  dem  instrumentalen 
-ö  von  \sitcitrö,retrö,intrö  'hierher',  'rückwärts',  'hinein'  etc. 
zu  vergleichendes  suffix  zu  gründe  liegen,  das  durch  indog. 
Verlust  von  m  aus  instrumentalem  (gestossene  länge  enthalten- 
dem) -em  als  -S  hervorgegangen  war.    Doch  ist  hierzu  zu  be- 
merken: erstens  dass  zwar  die  ent Wickelung  von  -ön  (=  -cor 
des  nom.  sg.  der  ji-stämme)  zu  -ö  (=  lit.  -ü  des  nom.  sg.  der 
w-stämme)  keinem  zweifei  unterliegt,  ein  solcher  process  aber 
für  altes  -öm  keineswegs  zu  erweisen  ist;  zweitens  dass  die 
entstehung  des  von  Streitberg   postulierten  -km   kaum   für 
denkbar  zu  gelten  hat,   da   instrumentales   -am   bekanntlich 
nur  für  das  «-Substantiv  anzunehmen  ist  und  schwerlich  das 
muster  für  die  bildung  von  -trem  hat  abgeben  können.    Viel- 
leicht aber  dürften  uns  hier  das  oben  in  9  beobachtete  (in 
nach  der  entstehung  von  -a  aus  -et  liegender  periode)  einigen 
partikelformen  angehängte  an  sowie  die  durch  antritt  von  an 
bez.  a2  entstandenen  ahd.  unzan  donec,  usque  ad,  imsaz  donec 
(mit  unz  =  unt-  in  got.  unte),   imtaz  usque  ad,   undas  donec 
{mit  unt-,  und-  =  goi.  &s.  und)  einen  lingerzeig  gewähren:  mit 
rücksicht  auf  lateinischen  extremus,postremus  zu  gründe  hegende 
*extre,  *pöstre  für  das  vorgot.  anzusetzendes  -örv  entwickelte 
sich  vor  der  consonantapokope  durch  affigierung  von  an  oder 
at  zu  -drm  oder  -<)rct,  woraus  regelrechtes  got.  -dre.    Diesem 
■dre  könnte  das  -Ora  von  an.  Jiedra  hiic,   daOra  illuc  mit  aus 
-^entstandenem  -a  (vgl.  oben  s.  516)  entsprechen;  doch  wäre 
hier  auch  ein  prototypus  mit  -dröt  bez.  -drön  aus  -drö  +  at 
oder  an  denkbar. 

Bei  der  annähme  von  analoger  entstehung  begreifen  sich 
ferner  ahd.  hera  huc,  dara  illuc,  hwara  quo  aus  hircn  oder  -St 
etc.  (wegen  des  -a  aus  -c  für  -en  oder  -et  s.  oben  s.512)  mit 
zu  -rö-  von  heröt,  daröt  etc.  (s.  oben  in  5)  im  ablaut  stehendem 
-re  +  an  oder  at,  woraus  -ren  oder  -ret. 


^Ö4  VAN   HELTEN 

11. 

Ein  gegenstück  zu  dem  in  10  ausgeführten,  frühzeitigen 
antritt  von  an  oder  at  bieten  die  zeit-  (und  causal-)  partikeln 
got.  },andß,    ahd.  danta,  wanta,    as.  Invanda,    aonfrk.  ivanda, 
aofries.  Invcmde,  got.  unte  (mit  unt-  =  ahd.  unz  donec,  usque 
ad),  5/w?(7^ einst',  as.  sim{h)la,  ags.  5m?e  'immer'  (vgl.  lat.  sem-el 
sem-per  'in  einem  fort'  etc.):  da  as.  Imand,  afries.  tvand,  hivant 
auf  die  möglichkeit  hinweisen  eines  zu  lat.  quandö  zu  halten- 
den, ebenfalls  als  instrumental  der  zeiterstreckung  (vgl.  Del- 
brück in  Brugmanns  Grundr.3,245)  fungierenden  germ.  prototyps 
hwandö  oder  (mit  ablautendem  endungsvocal)  hwande,   lässt 
sich  für  Imnde  etc.  ein  nach  art  von  unsan,  imzas,  midas  donec 
(s.  oben  10)   aus  -(^  und  an  oder  at  gebildetes  -Sn  oder  -Bt  an- 
setzen, dem  got.  -e,  ahd.  as.  aonfrk.  -a,  ags.  -e,  afries.  -e  ent- 
sprechen mussten  (vgl.  oben  s.  519.  512;  aus  -ö  +  an  oder  at 
wäre  -dn  oder  -Ot  hervorgegangen,  das  got.  -ö,  ahd.  as.  aonfrk. 
-0,  ags.  afries.  -a  ergeben  hätte,  vgl.  oben  a.a.O.;  das  -Bn  oder 
-St  macht  7«tY/«cre  als  prototyp  von  as.  hwand,  afries.  (;^)M;aw^ 
Avahrscheinlich). 

Auf  neben  diesen  instrumentalformen  stehende,  alte  locativ- 
bildungen  mit  -a  ist  zu  schliessen  aus  aofries.  luvende  quia  (mit 
htvente  als  mischbildung  aus  hivende  und  durch  vocalapokope 
entstandenem  hwent,  vgl.  hivante  aus  Imandc  und  /«<;aw^  und 
s.  Aofries.gr.  §  122d,  anm.)  und  aus  ags.  denden  interea,  quamdiu, 
dum  (für  mit  ahd.  uns-in  usque,  donec  zu  vergleichendes  dendm 
mit  angehängtem  m;  daneben  auch  gelegentlich  öendan  bez.  -on 
mit  für  -in  aus  -m  substituiertem  -«"w  [-pn],  vgl. ahd.  uman  donec). 
Der    nicht    zu    verkennende    Zusammenhang    von    ahd. 
hivanne,  danne,  denni  etc.,   as.  thann,  thanna  etc.,  ags.  donne 
etc.  mit  pande  etc.  und  Ä^<;aMö(  etc.  wird  verständlich  durch 
die   annähme   von    alten   hwand,  Jmnö,    wozu    durch   antritt 
von  oben  in  5  hervorgehobenen  instrumentalsuffixen  -ne  bez. 
-no  entstandene  bildungen  mit  -mic,  -nno  (wegen  des  Schwunds 
von  dental  zwischen  zwei  n  beachte  Brugmanns  Grundr.  V,  707. 
Bezz.  Beitr.  21, 107  ff.  Uppsalastudier  s.  94  f.  Kuhns  Zs.  36  349 
sowie  Beitr.  25,  260.  298.  513),   bez.  durch  erweiterung  dieser 
endungen  vermittelst  des  locativsuffixes  oder  eines  nach  dem 
muster  von  hwandet  oder  -en  für  -e  substituierten  -et  oder  -en 
formen  mit  -nnei,  -nnoi,  -nnBt  oder  -nnen:  auf  htvand,  ])anä  oder 


GRAMMATISCHES.  565 

liwand,  Jmnd  gehen  zurück  got.  Iran,  pan,  as.  hivan,  ihan,  ags. 
(nur  noch  selten  =  'tum,  tunc'  begegnendes)  cfon  (belege  s. 
Grein  und  Bosw.- Toller  s.  1034b),  afries.  tha?  (bez.  mit  in 
orthotonierter  Stellung  gedehntem  vocal  tha)^),  dan  (westfries., 
s.  V.  Richthof en,  AVb.  s.  1068),  Iman  Fivelg.  s.  12  (erhaltung  des 
-n  durch  anlehnung  an  alte,  aus  in  der  historischen  periode 
nur  noch  selten  auftretenden  ostfries.  liwanna  Fivelg.  s.  46, 
westfiies.  danne  S  489,2,  danna  W  71,23  zu  erschliessende 
Imanne,  tJianne),  an.  öä? ')  —  auf  hivanne  oder  -o,  panne  oder 
-0,  as.  Jm-ann  (s.  Cott.  4289.  4293.  4299.  4307.  4345.  4402  etc.), 
thmm  (s.  Gen.  119.  140.  142.  Cott.  283.  453.  944.  1507.  1729. 
4494  etc.),  an.  -dann  in  siöann  (vgl.  unten  s.  566,  anm.  3)  — 
auf  hivannJ,  2>cmnl  ahd,  ivenni,  demii,  ags.  hivcenne,  öcenne, 
aofries.  Imenne,  thenne  (woneben  auch  hwenna,  thenna  mit 
nach  dem  muster  von  hwana  unde,  tliana  inde,  s.  oben  9,  für 
•ne  substituiertem  -na'^))  —  a.\\f  IncannaT,  Jjannai  -edid.  htvanne, 
thanne,  danne  (woneben  liicenne,  denne,  insofern  die  formen 
nicht  in  jüngeren  denkmälern  auf  eine  Vorstufe  mit  -/  zurück- 
gehen, durch  compromiss  aus  Jnvenni  und  hivanne  etc.),  as. 
Azfawwe  Cott.  1142,  tcanne  Petri-gll.  (Wadstein  77,  3),  thanne 
Gen.  19.  Mon.  3404,  aonfrk.  nohicanne,  ags.  hivonne,  öonne 
{danne,  vgl.  Sievers,  Gr.  §  65,  anm.  2),  afries.  hwanna,  danne, 
danna  (s.  oben  und  vgl.  wegen  des  -na  für  -ne  das  zuvor  über 
hicenna,  thenna  bemerkte)  —  auf  panne  aber  as.  thanna  Ess. 
gll.  (Wadstein  57,  24),  Gen.  184.  204.  209.  213.  215.  221.  233 
etc.,  ahd.  thanna,  danna  (s.  Graft  5,  44)  [für  die  selten  er- 
scheinenden as.  htvanna  Mon.  1142,  nohivanna  Ess.  gll.  (Wad- 
stein 52,  25),  eogatvatma  Freis.  pn.  20,  ahd.  siianna  Will.  109,  8 
ist  wol,  insofern  nicht  etwa  Schreibfehler  oder  nach  Braune, 
Ahd.  gr.  §  58,  anm.  3  zu  beurteilendes  -a  vorliegt,  analogie- 
bildung  nach  thanna  anzunehmen;  ob  dem  ags.  ponne  nicht 
nur  pannal  sondern  auch  Imme  zu  gründe  liegt,  ist  natürlich 
nicht  zu  ermitteln]. 


')  Für  diese  tM,  da  sind  indessen  noch  zwei  andere  miiglichkeiten 
ins  äuge  zu  fassen:  die  formen  könnten  auch  dem  ags.  öä  tum,  tunc  (d.h. 
zu  pö  =  ahd.  dito,  as.  tltü  im  abhvut  stehendem  y>«)  entsprechen  oder  beides, 
sowol  altes  Jxin(d)  als  altes  pa  retlectieren. 

*)  Vgl.  Aofries.  gr.  §  üG,  anm.,  wo  jedoch  unrichtig  für  die  ueugebildete 
endung  einwirkung  von  tha  angenommen  wurde. 


566  VAN   HELTEN 

12. 

Gegen  die  gleicliung  von  in  11  auf  hivand,  J)and  zurück- 
geführten Iran,  Jtan  etc.  =:  lat.  qtiiim,  tum  (s.  Paul,  Beitr.  4,  385 
und  Streitberg,  Urgerm.  gr.  §  129,  7)  spricht  der  umstand,  dass 
sich  hier  (mit  ausnähme  etwa  der  durch  einzelsprachliclie  und 
jüngere  apokope  entstandenen  afries.  thä,  an.  öä,  vgl.  oben  s.  565 
und  anm.  1  daselbst)  nur  formen  mit  -w  finden,  im  gegensatz 
zu  den  sonst  (insofern  keine  anlelinung  im  spiel  war^))  als 
entsprechungen  von  abwechselnd  mit  starker  und  schwacher 
betonung  gesprochenen  monosyllaben  begegnenden  doppel- 
formen. Die  herleitung  von  han,  Pan  aus  prototypen  mit 
Instrument  alsuf fix  -ne  oder  -ne  (s.  Brugmanns  Grundr.  2,  782) 
steht  der  Vereinigung  dieser  kan  etc.  mit  hivann,  tvemii  etc. 
(s.  oben  11)  im  wege.^)  Hingegen  sind  aus  mit  -we  gebildetem 
prototypus  hervorgegangene  Partikeln  nicht  zu  verkennen  in 
den  in  verschiedener  function  verwanten  (meistens  mit  einem 
comparativ  verbundenen)  got.  Jjcma,  as.  than,  ags.  ^on,  hwon 
(hwan),  aofries.  tha,  die  sich  formell  sowie  semantisch  mit  sol- 
chen pone,  hivone  vereinigen  lassen  (beachte  auch  Johansson, 
Bezz.  Beitr.  16, 159). 

Ags.  Öon,  hwon  (hwan)  in  foröon,  hidon,  cefterdon  etc., 
tolnvon,  forhwon,  forhwan  etc.  3) 

Ags.  Jon,  as.  than  in  ne  don  md,  ni  than  mer  'darum  nicht 
mehr',  'trotzdem'  (wegen  der  ags.  belege  s.  Zs.  fda.  11,  404; 
wegen  des  as.  thu  säiclos  hluttar  com . . . ,  nü  ni  (jisihit  enig 
erlo  than  mer  iveodes  wahsan  Hei.  2551  •!),  mit  dem  adverb  mer 


*)  Nämlich  im  acc.  sg.  masc.  vorhd.  pun  (woraus  ahd.  den),  as.  than 
(then),  woneben  einstmals  nebenformen  mit  ->iö«  (aus  -nön)  =  as.  -na,  ags.  -ne, 
afries.  -ne  (s.  oben  s.  507). 

^)  Als  instrumental  mit  altem  -ne  oder  -no  ist  aber  got.  vor  comparativ 
stehendes  han  'um  wie  viel'  und  modales  Ivan  'wie'  zu  fassen. 

*)  Von  diesen  aus  präpos.  und  instrumental  gebildeten  Verbindungen 
sind  zu  trennen  ags.  sioddun  (seodöan  etc.,  s.  Sievers,  Gramm.  §  107,  anm.  5), 
an.  HiÖan,  siöan,  meöan  (mit  Ö  für  dö  in  schwachtoniger  silbe,  s.  Noreen, 
Gramm.  §  186),  deren  zweiter  teil  mit  rücksicht  auf  got.  mippan  (nicht 
mippana)  als  die  starktonige  (mit  adverb  verbundene)  zeitpartikel  pan  zu 
gelten  hat.  Neben  siÖan  beachte  auch  in  alten  hss.  begegnendes  siöann 
(vgl.  Noreen,  Gramm.  §  354,  anm.  4)  mit  -dann  =  as.  thann  (s.  oben  11). 

*)  Aus  diesem  beleg  geht  hervor,  dass  die  beregten  ausdrücke  nicht 
auf  die  prosa  (vgl.  Zs.  fda.  37, 23  f.)  beschränkt  waren. 


GRAMMATISCHES.  5G7 

zugeseiltem  gen.  iveoäes  statt  iveoä  durch  falsche  analogiehildung 
nach  cum  genit,  partit.  construiertem  substantivischen  mer). 

Got.Jjana  'in  bezug  auf  einen  bestimmten  moment'  mpana 
mais,  Jiana  seips  f/7]X8Ti,  ovxtrt]  as.  than,  ags.  don  mit  gleicher 
bedeutung  in:  that  hie  ni  sprüJä  iJicro  ivordo  than  mer  Hei. 
974;  noes  Öd  ivordlatu  (zögerung  in  ausführung  des  befehls) 
wihte  don  mdre,  öiet  se  stau  togdn^)\  nahte  ic  dinre  ncefre  mlltse 
don  mdran  öearfe\  öwt  we  ...  d  bütan  ende  scnlon  crniÖu 
dreo^an,  hiitan  du  usic  don  ofostlicor  (fi^üher,  zuvor),  ece 
dryhten,  . . .  hreddan  iville. 

As.  than,  ags.  don  'in  bezug  auf  eine  bestimmte  person, 
eine  bestimmte  personenzahl,  einen  bestimmten  gegenständ'  in: 
thär  (in  der  wüste)  ni  ivas  tverodes  than  mer,  hrdan  that  he 
(Johannes)  thär  encora  aloivaldon  gode  thegan  tkionoda  Hei. 
860;  sia  (die  evangelisten)  u-urdun  gicorona  te  thio,  that  sie 
. . .  scoldun  an  huoh  scr'idan  . . .  manag  gibod  godes,  helag  hi- 
milisc  tvord]  sia  ne  muosta  helitho  than  mer  . . .  frummian, 
neivan  that  si  fiori  te  thio  ...  gecorana  ivurdun  Hei.  15;  qnat 
hie  (der  herr)  im  (zu  den  arbeitern)  ni  hahdi  gihetan  than 
mer  iverthes  (dass  er  nicht  mehr  lohn  im  vergleich  mit  dem 
gezahlten,  d.h.  als  den  gezahlten  versprochen  hätte)  tvid  iro 
werJce  Hei.  3441 2);  (efre  ic  ne  hyrde  don  cymlicor  ceol  ^ehla- 
denne\  ncefre  mon  ealra  lifi^endra  lytle  iverede  don  ivurdlicor 
ivissid  dteah. 

Die  nämlichen,  auf  im  voranstehenden  satz  besagtes  hin- 
weisenden Partikeln  in  mit  negation  verbundenen  than  hald, 
than  mer,  don  md,  don  der  =  'nicht  eher,  nicht  mehr  iu  bezug 
auf  das  vorher  gesagte',  d.h.  'ebenso  wenig '.3) 

Die  nämlichen,  auf  im  folgenden  (mit  Mtan  so,  botan,  neivan 


0  Diese  und  die  folgenden,  ohne  quell enangabe  citierten  ags.  beleg- 
stelleu  bei  Bosw.-Toll.  1034  b. 

')  Dass  in  diesen  Verbindungen  than  übrigens  für  das  Sprachgefühl 
bereits  zur  blossen  formel  herabgesunken  war,  ergibt  sich  aus  der  Verwen- 
dung des  Wortes  iu  that  sia  an  iro  r/isithic  than  mir  garoes  ni  hahdin 
nowatt  gerstin  bruod  flvi  Ilel.  2843. 

^)  Wegen  der  belege  s.  Kögel,  Zs.  fda.  37,  20  ff.  (wo  im  auschluss  an 
Riegers,  Greins,  Sievers'  und  Behaghels  benierkungen  zu  than  die  erwähnte 
bedeutung  klargelegt  ist)  sowie  Bosw.-ToUer  a.a.O.,  wo  eine  reihe  angel- 
sächsischer, dieselben  ausdrücke  enthaltender  stellen  zusammengestellt, 
jedoch  unrichtig  gedeutet  sind. 


568  VAN  HELTEN 

SO,  tJian,  also,  tliie  =  'als'  bez.  de,  donne  =  'als'  eingeführten) 
nebensatz  oder  satzteil  gesagtes  hinweisenden  partikeln:  su  it 
gio  märi  ni  ivard  than  tvidor  an  thesaro  wcroldi,  hutan  so  is 
ivilleo  geng  Hei.  536;  siu  ni  hahdtm  tlmo  noh  Jcindo  than  mer 
. . .  hotan  thana  enna  Gen.  91 ;  He  ni  habda  tliär  Jiis  hadalias 
than  mer  hotan  is  dohtar  tivä  ib.  295;  JV?"  sculun  gi  giivädes 
than  mer  erlös  egan,  neivan  so  gi  than  anhchhean  Hei.  1855; 
ni  mag  im  enig  mann  than  swidor  tvero  farwiriJcian  .  .  . 
than  thu  an  thmum  hruodar  hahas  firimvereJc  gifremid  Gen. 
52;  nihahda  liudeo  than  mer  . . .  te  gisUhon,  allso  hie  im  seVbo 
gicös  Hei.  1028;  nu  ni  gihis  thu  Us  scattes  than  mer,  thie  thu 
them  ödron  duos  Hei.  3438;  ic  tvdt,  du  tvilt  hisian  Öon  der,  Öe 
du  hine  onsitest\  gif  Mo  hearn  gestriene,  ncehhe  öcet  dies  ierfes 
öon  mdre,  de  sio  mödor  (d.  h.  hcehbe);  on  öÖrum  osrne  Öost  ncehhe 
öon  md  dura,  Öonne  sio  cirice;  ne  eart  öu  Öon  leofre,  Öonne 
se  sivearta  hrefn;  ncefre  hlisan  ah  meoiud  Öon  mdran,  öonne 
he  wiÖ  manna  hearn  wyrceÖ  tveldcedum;  u. s.  w. 

As.  than,  aofries.  tha  als  einen  comparativen  nebensatz 
einführende  partikeln  (d.  h.  einen  satz,  der  dasjenige  ausdrückt, 
in  betreff  dessen  der  vorangehende  comparativ  zu  gelten  hat). 

AVegen  des  in  Verbindung  mit  comparativ  verwanten  In- 
strumentals vgl.  die  von  Delbrück  in  Brugmanns  Grundr.  3, 272  f. 
hervorgehobene  function  dieses  falls  als  casus  der  beziehung. 

An  stelle  von  zu  erwartenden  than,  dan,  öon  erscheinen 
als  die  einen  von  comparativ  abhängenden  nebensatz  einführen- 
den Partikeln  ahd.  dcnne,  danne,  thanna,  ags.  Öonne,  öcenne 
(sehr  selten),  die  sich  schwerlich  in  formeller  hinsieht  mit  as. 
than,  aofries.  tha  vereinigen  Hessen,  vielmehr  die  besagte 
function  indirect  einer  Verwechslung  der  aus  ])one  und  panö 
(vgl.  oben  11)  entstandenen  than,  öon  verdanken:  da  der  (für 
das  vorhistorische  ahd.  nach  den  anderen  dialekten  anzusetzen- 
den) zeitpartikel  than  und  Öon  {*öan)  als  nebenformen  thenni 
(woraus  überliefertes  denni),  thanne,  thanna  bez.  Öonne,  öwnne 
zur  Seite  standen,  konnten  diese  auf  analogischem  wege  auch 
für  die  den  comparativsatz  einleitende  instrumentalpartikel 
eintreten  und  in  der  folge  sogar  dieselbe  gänzlich  verdrängen. 
Als  spuren  von  so  entstandenen,  unursprünglichen  comparativ- 
partikeln  begegnen  auch  as.  thann  (Jott.  4498,  thanne  Cott.  1728, 
thanna  Mon.  1728   (neben  normalem  than).    Auf  conservative 


GRAMMATISCHES.  569 

ein'W'irkung  solcher  nebenformen  mit  -nn-  (vgl.  oben  11)  aber 
ist  zu  schliessen  aus  dem  für  'quam'  nach  compar.  verwanten 
aofries.  than  Fivelg.  (s.  Gramm.  §  107/3),  awfries,  dan. 

In  dem  semantisch  mit  as.  ni  tlian  mer,  ags.  7ie  Öon  md 
'ebensowenig'  übereinstimmenden  Notkerischen  ne  tdna  md- 
sowie  in  dem  mit  as.  than  Jiald  ni  zu  vergleichendem  neo  dana 
halt  des  Hildebrandsliedes  (vgl.  Zs.  fda.  37,  22.  24)  liegt  eine 
selbstverständlich  formell  nicht  mit  than,  don  zu  identificierende, 
auf  ablativisches  7J0»t'^  zurückgehende  partikel  vor;  wegen  der 
verw^endung  dieses  casus  beim  comparativ  vgl.  Delbrück  in 
Brugmanns  Grundr.  3, 216  f. 

GRONINGEN.  W.  VAN  HELTEN. 


Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXVIII.  37 


ZUR  ALTHOCHDEUTSCHEN  LITERATUR. 

1.    Otfrid  ad  liUdowicuni. 

Zs.  fda.  39,  371 — 375  hat  Scliönbacli  gezeigt,  in  welcher 
weise  der  inhalt  dieses  Sendschreibens  aus  gemeinplätzen  der 
gleichzeitigen  lateinischen  literatur  zusammengesetzt  ist.  Einen 
wesentlichen  einfluss  hat  aber  auch  die  sog.  Lndwigslitanei 
darauf  gehabt,  ja  Otfrid  hat  bei  ausarbeitung  der  lobrede 
offenbar  diese  bis  zu  einem  gewissen  grade  zum  muster  ge- 
nommen. Seine  Avidmung  zerfällt  deutlich  in  zweierlei  bestand- 
teile,  insofern  in  den  erzählenden  stoff,  welcher  den  hauptteil 
ausmacht,  mehrfach  Segenswünsche  eingestreut  sind,  nämlich 
V.5— 8.  28.  31—36.  74b— 86b  (mit  ausschluss  von  78b— 81b). 
92 — 96.  Beide  arten  unterscheiden  sich  auch  in  der  darstellung 
schon  äusserlich  dadurch,  dass  dort  der  modus  der  einfachen 
mitteilung,  der  indicativ,  steht,  hier  aber,  als  in  Wunschsätzen, 
der  Optativ  oder  der  imperativ. 

Jene  heilswünsche  nun  sind  der  Ludwigslitanei  entnommen 
(diese  ist  abgedruckt  u.  a.  bei  Goldast,  Eerum  Alemann,  script. 
2, 136  f.,  übersetzt  bei  Schubiger,  Die  sängerschule  St.  Gallens 
s.  29 — 32).  Die  für  den  kaiser  und  sein  haus  ausgesprochenen 
bitten  lauten  hier  folgendermassen: 

Hludowico  a  Deo  coronato  magno  et  xmci^co  Begi  vita  et 
Victoria.  Redemptor  mundi  —  Tu  ülmn  adjuva.  Sande  Michael 
U.S.W.  —  Tu  illum  adjuva. 

Hemmae  Beginae  nostrae  vita.  Sancta  Felicitas  u.s.w.  — 
Tu  illam  adjuva. 

Nohilissimae  proli  regali  vita.  Sande  Silvester  u.s.w.  — 
Tu  illam  adjuva  (die  darauf  folgende  fürbitte  für  die  richter 
und  das  beer  der  Franken  und  Alemannen  kommt  für  Otfi-ids 
Widmung  nicht  in  betracht). 


ZUR   ALTHOCHDEUTSCHEN   LITERATUR.  571 

FelicHer  (drei  mal)  —  Tempora  hona  lidbeas  (drei  mal)  — 
Midtos  annos  (drei  mal). 

Memor  sit  Dominus  Domini  nostri  Hludewid. 

Hunc  diem  —  Multos  annos  —  Dommim  Hludoivicum 
Hegern  —  Dens  conservet.  Salvator  miindi  —  Tu  illum  adjuva. 
Sancte  Petre  u.s.  w.  —  Tu  illum  adjuva. 

Feliciter  (drei  mal)  —  Tempora  hona  habcat  (drei  mal)  — 
Multos  annos. 

Darauf  folgt  die  Oratio  mit  dem  abscliluss  Dona  Ulis  (i.  e. 
Principes  nostri)  regnum,  uhi  nee  vita  concluditur  nee  laetitia 
term,inatur. 

Fasst  man  diese  abgerissenen  bittrufe  in  Stichwörter  zu- 
sammen, so  ergeben  sicli  für  den  könig  folgende  wünsche: 
1)  vita  et  victoria;  —  2)  er  lebe  glücklich  (feliciter  —  tempora 
hona  haheat)]  —  3)  er  lebe  lange  {multos  annos)-,  —  4)  gott 
schütze  ihn  {Tu  illum  adjuva  ■ —  memor  sit  Dominus  Domini 
nostri  —  Dens  conservet)]  dazu  kommen  dann  noch  die  wünsche 
für  die  königin  {vita),  für  die  nachkommen  {proli  regali  vita), 
und  im  schlussgebet  ebensolche  für  das  königliche  haus  (Dona 
Ulis  regnum,  uhi  nee  vita  concluditur  nee  laetitia  determinatur). 

Auf  dieselben  vier  punkte,  in  welche  sich  die  bitten  der 
litanei  für  Ludwig  zusammenfassen  lassen,  sind  auch  die  in 
den  25  langzeilen  bei  Otfrid  ausgesprochenen  wünsche  ein- 
geschränkt: 

V.  5  Ihemo  si  iamer  heili  joh  salida  gimeini  entspricht 
dem  lat.  vita  et  victoria  (punkt  1),  nur  sind  mit  heil  und  swlde 
die  deutschen  heilrufe  an  stelle  der  lateinischen  dem  hofcere- 
mouiell  entnommenen  gesetzt. 

V.  6 — 8  =  er  lebe  glücklich  (punkt  2),  [alle]  siti  guato 
ist  wörtlich  =  tempora  hona. 

V.  28  tlien  spar  er  nu  si  lihe  =  Dens  conservet  [Ludoivicum], 
gott  schütze  ihn  (punkt  4). 

y.  31 — 36  allo  siti  guato  so  leh  er  io  gimuato  —  suas  imo 
sin  Hb  al  =  er  lebe  glücklich  (punkt  2);  [muasi]  wesan  lango 
gisunt  —  lango,  Hoho  druhtin  min,  las  imo  thie  daga  sin  = 
er  lebe  lange  (punkt  3);  fon  got  er  muasi  haben  munt  —  joh 
himide  io  sala  . . .  =  gott  schütze  ihn  (punkt  4). 

V,  74b — 78a  allo  siti,  thio  the  sin,  krist  loho  mo  thas  muat 
sin  —  got  frewe  sela  sina  =  er  lebe  glücklich  (punkt  2);  lango 

37* 


572         EHRISMANN,  ZUR   ALTHOCHDEUTSCHEN  LITERATUR. 

nias  er  lihes  —  lang  sin  daga  sine  =  er  lebe  lange  (punkt  3); 
himüle  ouh  cdlo  pina  —  himide  ouh  zalono  fal  =  gott  schütze 
ihn  (punkt  4). 

V.  78b— 81b  bilden  Zwischensätze,  in  82—86  wird  zunächst 
dem  könig  die  süssigkeit  des  ewigen  lebens  erbeten  (82),  dann 
folgt  die  fürsprache  für  die  königin  und  die  kinder,  die  widerum 
in  dem  wünsche  gipfelt,  sie  möchten  zusammen  mit  Ludwig  das 
himmelreich  erwerben. 

y  92—96.  Den  abschluss  der  ganzen  widmung  bildet  dann 
nochmals  die  erflehung  des  ewigen  gutes  für  den  könig,  aus- 
klingend wie  das  schlussgebet  der  litanei  uhi  nee  vita  conchi- 
ditnr  nee  laetüia  terminatur  in  einen  preis  der  unvergänglichen 
wonne  inliuhte  imo  io  thar,  ivunna,  thiu  etciniga  sunna. 

Wenn  man  also  die  einzelnen  begriff scentren  der  lateinischen 
und  der  in  Otfrids  widmung  ausgesprochenen  bitten  losschält 
und  mit  einander  vergleicht,  so  findet  man,  dass  sich  der  ge- 
sammtinhalt  gerade  deckt  und  dass  Otfiid  eigentlich  gar  keine 
neuen  gedanken  hinzugefügt,  sondern  nur  die  gegebenen  variiert 
hat.  Die  widerholung  gehört  zum  aufbau  der  litanei,  und  diesen 
gebrauch  hat  Otfrid  nachgeahmt.  Wie  dort  an  zwei  stellen 
je  drei  mal  tempora  hona  haheas  {haheat),  so  wird  hier  das  ent- 
sprechende allo  zdi  guato  mehrfach  gesetzt:  v.  7.  33.  95  (viel- 
leicht ist  die  auffallende  wendung  eben  als  wörtliche  Übersetzung 
des  lat.  tempora  hona  zu  erklären);  oder  es  treten  Variationen 
ein:  lango,  Hoho  druhtin  niin,  las  imo  fhie  daga  sin  35  —  lang 
sin  daga  sine  77;  himide  io  sala  34  —  himide  auch  zalono 
fal  IS  —  himide  ouh  allo  pina  76;  joh  frewe  mo  emmizen 
thaz  muat  6  —  er  allo  stimta  freive  sih  8  —  'krist  loJco  mo 
thaz  muat  sin  75  —  got  freice  sela  sina  76. 

Zweimal  wird  das  publicum  aufgefordert,  seine  bitten  für 
Ludwig  zu  erheben:  tlies  th'tgge  io  mannogiUh  v.  8  und  thes 
mannilih  nu  gerno  ginada  sina  fergo  v.  31.  Möglicherweise 
liegt  hierin  geradezu. eine  hindeutung  auf  die  sitte,  in  der  litanei 
öffentlich  für  das  wol  des  königs  Ludwig  zu  beten. 

HEIDELBERG.  G.  EHRISMANN. 


Druck  von  Ehrhardt  Karrai,  HaUe  a.  S. 


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3003       deutschen  Sprache  und 
gc         Literatur 

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