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BEITRÄGE
ZUR
GESCHICHTE PER DEUTSCHEN SPRACHE
UND LITERATUR
UNTER MITWIRKUNG VON
HERMANN PAUL UND WILHELM BRAUNE
HERAUSGEC4EBEN
VON
EDUARD SIEVERS.
XXXI. BAND.
HALLE A. S.
MAX NIEMEYER
77/78 GR. STEINSTRASSE
1906
-PF
3^
■|
INHALT.
Seite
Das Kärntner scbuaderhüpfel. Von E. K. Blümml l
Beiträge zur westgermanischen grammatik. Von H. Weyhe . . 43
(D. Zur Synkope nach kurzer tousilbe im altenglischen : II. Zu
den formen des wortes für milch, s. 43. — E. Zur üexion der
s-stämme im altenglischen, s. 78).
Die alliteration im eddischen fornyröislag. Von H. Wenck . . 91
Zur lehre von den actionsarten. Von Hj. Lindroth . . . , 239
Ivens saga und Bevis saga in cod. Holm, chart. 46, fol. Von A.
Tr. Bödtker 261
Zu Beitr. 29, 457 ff. Von Ph. Strauch 271
Zum nom. und acc. plur. der ä-stämme im ags. Von J. H. Kern 272
Die Substantivflexion seit mittelhochdeutscher zeit. II. Neutra.
Von H. Molz 277
Auslautend g im oberdeutschen. Von K. Bohnenberger . . . 393
Die germanischen elemente der ungarischen liunuensage. Von
J. Bleyer 429
Ein gotisches lehnwort im altpreussischen. Von E. Li den . . 600
DAS KÄRNTNER SCHNADERHUPFEL.
Eine metrische studie.
Eine veröffentliclnmg kärntnerisclier sclmaderhüpfel er-
folgte durch Karl Liebleitner (Dreissig echte Kärntnerlieder.
Flugschriften hg. von dem Deutschen volksgesangverein in
Wien, Wien 1903), der nicht weniger als 125 solcher Vierzeiler
sammt den dazu gehörigen melodien bringt. Wenn hier von
einem Kärntner schnaderhüpfel gesprochen wird, so ist das
nicht so zu verstehen, als ob diese vierzeiligen, die hier be-
trachtet werden sollen, mir in Kärnten allein vorkämen, viele
sind ja auch in anderen alpengegenden nachweisbar, sondern
es ist das so zu verstehen, dass aus allen den Vierzeilern,
die in Kärnten gesammelt wurden, ohne rücksicht darauf, ob
dieses oder ein anderes land ihre heimat ist, das facit gezogen
wurde, um so allmählich zu allgemeinen und differenzierenden
gesichtspunkten in betreff des Volksliedes zu gelangen. Die
eingehende statistische Untersuchung der texte und melodien
ergab nun folgendes:
A) Reim und strophenbau.
I. Taktarten.
Ausnahmslos herscht der ungerade und zwar der 3/,-takt,
wobei in bezug auf die Zeilen folgende einteilung zu machen ist:
a) Zweihebig monopodische kurzzeile (die eingeklammerten
zahlen bezeichnen die strophenzahl der betr. lieder): no. 1 (4).
2 (3). 3a (4). b (2). 4a (2). b (2). 5a (3). b (2). 6 (3). 7, 1, 2 (2).
8 (3). 9a (3). b (3). 10a (3). b (4). 11 (4). 12 (3). 13a (3).
b (2). 14 (3). 15 (5). 17 (1). 18 (2). 19a (4). b (2). 20a (4).
b (3). 21a (3). b (2). 22 a (2). b (3). 23 (4). 24 (1). 26 a (4).
b (2). 27 (3). 28 (4). 29 (4). 30 a (3). b (2); — zusammen
116 Strophen.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. ^
"l BLUMML
ß) ZAVeiliebig moiiopodisclie kiirzzeile und dieiliebig mono-
podisclie laiigzeile: 25 (3); — zusammen 3 Strophen.
y) Zweihebig monopodische kurzzeile und vierliebig dipo-
dische langzeile: 7,3 (1) [eventuell auch 24 (1), s. unten l)ei
II, b, 1, «].
S) Dreihebig monopodische langzeile: 16 (5); — zusammen
5 Strophen.
II. Reimarten.
a) Yierzeilige Strophe. 1) Eeini aaaa: a) zweihebig
monopodische kurzzeile: 3a, 3, 29,3; — zusammen 2 Strophen.
s geat scho tagalat her unt mei püa kimp nix raclir,
unt mei püa kimp uix mehr, o du mein got unt her! 3a, 3
2) Keim aaba : a) zweihebig monopodische kurzzeile : 2, 2. 3.
10b, 4. 20a, 3. 22a, 1. 26a, 3; — zusammen 6 Strophen.
Fiihr ur hin, fahr nr hin s wert di wöl amal kroin,
in dein närischu sin, wan i dein neanir pinl 2,2
3) Reim aabb: a) zweihebig monopodische kurzzeile: 1,2.
2,1. 3a, 1. 3b, 1. 9a, 1,3. 9b, 2. 12,1.3. 13a, 1,2. 13b (2). 14,1.
18(2). 20a, 1. 20b, 1,3. 21a, 2, 3. 22b, 3. 26a, 4. 27,3. 28,3.
29,1,2; — zusammen 27 Strophen.
Awr diarndle, was mänst, schau i ä wol in di
wän du herschaust unt wänst, unt wan dena nit i. 1,2
4) Reim abab: a) zweihebig monopodische kurzzeile: 6,3.
12,2. 15,3,5. 30 b, 1; — zusammen 5 Strophen.
Unt s diarndl, das i gern hän, hat a hilzans kitle an,
is in keler tiaf drüntn, is mit räflan puntn. G, 3
5) Reim abcb: a) zweihebig monopodische kurzzeile: 1,1,3.4.
3a, 2, 4. 3b, 2. 5a (3). 5b (2). 6,1,2. 7,1,2 (2). 8 (3). 9a, 2.
9b,l,3. 10a (3). 10b,l-3. 11 (4). 13a,3. 14,2,3. 15,1,2.4.
19a (4). 19b (2). 20a, 2, 4. 20b, 2. 21a, 1. 21b (2). 22a, 2.
22b, 1,2. 23(4). 26a, 1,2. 26b (2). 27,1,2. 28,1,2.4. 29,4.
30 a (8). 30 b, 2; — zusammen 70 Strophen.
Unt hiaz müass i weit äufe, denk nr ämal af mi,
weit abewändrü, wan du liawst an andn'i. 1, 1
ß) Zweihebig monopodische kurzzeile (z. 1—3) und vier-
hebig dipodisclie langzeile: 7, 3 (1 Strophe).
DAS KÄRNTNER SCHNADERHUPFEL. 3
Wä mr jüug sein, sei mr hägglig, hagglig,
schan mr uit an iade, nit au iacle an;
wä mr alt warn, wer mr froa sein,
wa mr a weanig a tüdl wem liäbm.
y) Dreiliebig- monopodische langzeile: 16 (5 stroplien).
Unt wan is meine diarndlan, pauandr hiat,
stölat is äiif nach dr zeil;
so glangätn dö Sünnseitn aufe
unt dö schattseitn a no a weil. 16, 1
b) Fünfzeilige stroplie: 1) Reim abcdb: a) zweiliebig
monopodische kiirzzeile: 24 (1 stroplie).
Ja klanvrdraht is mrs gangän aussn seint se nit gang,
pän Prentlhüttufeustär; dö vrflixtn meutschar! 24
eine pin is nit körn,
Z. 3 und 4 könnten auch zu einer zeile : eine pin is nit Mm, aussn
seint se nit gäng, zusammeugefasst werden, dann hätten wir einen Vier-
zeiler der form abcb (z. 1, 2, 4 wären zweihebige monopodische kurzzeilen,
z. 3 vierhebige dipodische langzeile).
c) Aclitzeilige stroplie: 1) Reim aabbcdcd: a) zwei-
liebig monopodische kiirzzeile 4b, 2 (1 strophe).
Ja, dei liaw unt dei treu Tuast me allweil foppn,
unt dei einschmeichlärei, von dir nimm is an,
unt dei klöanverdrahts herz werst me lei so lang foppn,
afu düughaufn kherts. pis is selwr guat kan. 4b, 2
2) Reim aabbcded: a) zweihebig monopodische kiirzzeile:
17 (1 Strophe).
A diarndle hau i z Pässring, fünfe in dr Herrngässn,
zwä af dr Fölling, söchse in dr Lö'liug drin,
dreie in Öwrpach, •■ ja weil i a lüstigr
viere in Öwrdach, Krapfeldr pin! 17
3) Reim ababcded: a) zweihebig monopodische kiirzzeile
(z. 5 — 8) und dreihebig monopodische langzeile (z. 1 — 4): 25, 2, 3
(2 Strophen).
Dr äne steat dröbm af dr lätr,
der andre steat hintr dr tür;
dr dritte ligg drin äs a pratr,
rödtn diarudlan vu heirätn fiir.
zerscht müasst de hält a weaiii schleichu,
unt di tückn pan zäun,
unt uachr muasst a weani pfeifn,
wer wol äussngean schäun ! 25, 2
1*
1 BLUMML
4) Reim abcbddee: a) zweiliebig monopodisclie kurzzeile:
4 a, 1 (1 Strophe).
Deine stöanbaitn lödu, awr diarudle, das sag i dir:
deine eiskaltu wört für alls kau i nit drfür,
wernt de wöl amal kröinan, an toal pist wol sehvr schult,
scliaxi, du, dlarndle, wärt, wiirtl gea, leids mit gedult. 4a, 1
5) Reim abcbdefe: a) zweihebig mouopodische kurzzeile:
4a, 2. 4b, 1 (2 Strophen).
Stiaglsteigu und Pergkräuiau uut liiaz wer i mir selwr
is iä weitr wol schwär, an ähvle einzäün,
wän nar i amal dröbn unt i mag ja nit allweil
afn Kiegälau war! so a züaf ährer sein. 4a, 2
ß) Zweihebig monopodische kurzzeile (z. 5 — 8) und drei-
hebig monopodische langzeile (z. 1 — 4): 25, 1 (1 Strophe).
Pän lätrlan da steig is niamr äufe,
dr gänkpam dr is mr zhoach dröbm;
gea liawr durch dö lähm schean leisa,
kirn wol ä amal äufe afn pödu.
zerscht müasst de halt a weani schleichn,
unt di tückn pan zäun,
unt nachr muasst a weani pfeifn,
wer wol äussngean schäun ! 25, 1
m. Reim.
1) Binnenreim, a) no. 5b. Schnaderhüpfel 2 hat die form:
a(«a)bc(77)b:
Zwögn meinr, zwögn deinr,
du mei liawr pua,
spirt dr vatr, dö muatr
das kömatle zua. 5 b, 2
b) no. 23. Schnaderhüpfel 2 und 3 zeigen: a(rta)bcb:
Mi z ä 1 e , Moi z ä 1 e ,
herst me nix rüafn? ... 23,2
Mi z ä 1 e , Moi z a 1 e ,
sei nit so zwidr ! . . . 23, 3
c) no. 27. Schnaderhüpfel 1 weist: a(a«)bcb auf:
Pei dr wischpank, pei dr waschpank,
ja pän üwrstiegl, ... 27, 1
d) no. 28. Schnaderhüpfel 1 hat: a(«(01j^*^-
Awr Wigrle, Walgrle,
gea walg zä mir her, . . .
DAS KÄRNTNER SCHNADERHUPFEL. 5
2) Identischer reim. Derselbe findet sich 11 mal:
a : a 10a, 1,2. 13a, 3, auf: «?</' '22 a, 2, einarg sehr iebm : aussn-
gschriebm 15, 5, foj^pji : fopim -Ib, 2, liähm : häbm 16, 3, nix : nix 15, 3,
wilst : tviht 9 a, 2, tcol : toi : ivol 26 a, 3, loundrn : tvundrn 15,3.
3) Unreiner reim. Es sind 23 fälle, meist assonanzen,
nur einiges weist auf andere dialekte (s. unten 5).
an : häbm 7,3, danöbm : segn 6,2, denn : bänändrstean 13a, 1,2,
drobm : 2^odn 25, 1, frägn : häbm 12, 3, glia^) : gäJcriagg 12, 3, ^/^/«iJ :
Jcriagg 29,2, gräbm : schlägn 14,1, i^oif/s : frumms 28,3, /cZans : mons«
20 b, 3, «/i : schriat 5 b, 1, 7mf2 : vrpufzt 21a, 3, pägräbm : «%« 30b, 1,
pist : is 3b, 2, pleip : Ze/«/*/ 9 a, 3, re//" : schneips 12,1, rosnkränzJcrettz :
wetfs 9b, 2, s%n : 7ifl&jn 29,2, schianr : »/f<mr 19b, 1, staut : hamp (lies
hämp) 11, 3, sr«m : flfsztn^/ : um 10b, 4, weitKm : gsung 20 a, 2, zitrschlägn :
/«rt&m 18, 2.
4) Eeimkünste. Diese bestehen a) darin, dass in zwei
fällen (uo. 3 a, 3 und 29, 8), wo das schema aaaa ist, die beiden
mittleren a gleich sind: 3a, 3 s. oben unter II, a, 1, a, und 29, 3:
s diarndle bat weisse knia,
weiss wia dö kerschnplüa,
weiss wia dö kerschnplüa,
äwr trägn tuant se nia.
5) Textkritisches aus den reimen. Hier ist nur
weniges zu bemerken:
5b, 1 weist nit : schriat auf niat : schriat.
13a, 1,2 das denn : bänändrstean deutet auf ursprüngliches -stehn.
IV. Refrain.
Kommt nur ein einziges mal vor und zwar in no. 25, wo
er drei schnaderhüpfel zusammenhält, von denen 1 abcb, 2 und 3
abab zum Schema haben und dreihebig dipodische langzeilen
sind, während der refrain defe zum Schema hat und aus zwei-
hebig dipodischen kurzzeilen besteht: s. II, c, 3, a und II, c, 5, ß.
V. Tabellarische Zusammenfassung von I und II.
a) Reimarten.
Es herscht beinahe durchgehends die zweihebig raonopo-
dische kurzzeile (116 fälle), während die dreihebig monopodische
langzeile nur in 5 fällen vorhanden ist. Von den reimarten
steht abcb mit 76 fällen an der spitze, dann folgt in ziemlich
6
BLLMML
weitem abstände aabb mit 27 fällen, alle anderen möglichkeiten
sind nur durch verschwindend kleine zahlen vertreten; hervor-
zuheben wäre noch aaba mit 6 fällen und abab mit 5 fällen.
Reimaiteii
2 heb.
mon. kz.
2 heb.
mon. kz.
4 heb.
dip. Iz.
3 heb.
mon. Iz.
3 heb.
mon. Iz.
2 heb.
mou. kz.
Summe
aaaa
2
—
—
2 (VI)
aaba
6
—
—
n(m)
aabb
27
—
—
27 (n>
abab
5
—
—
—
öilY)
abcb
70
1')
5
—
7(1 (I)
ahcdb
V)
—
—
—
1 (Yll)
aabbcdcd
1
—
—
1 (TH)
aabbcded
1
—
—
—
1 (VH)
ababcded
—
—
—
2
2 (VI)
abcbddee
1
—
—
—
l(VII)
abcbdefe
2
—
—
1
S(V)
Summe
116(1)
1^)(IV)
5ai)
3 (in)
125
b) Häufigkeit der Strophen.
Vierzeiler 116 (I)
Füufzeiler 1") (EI)
Achtzeiler 8 (II)
Die Vierzeiler nehmen mit 116 fällen eine beherschende
Stellung ein, sodass die achtzeiler mit 8 fällen davon bedeutend
abstechen.
c) Taktarten.
Es herscht durchweg der ^,4-takt, über dessen Verteilung
man unter I das nähere erfährt.
•) Gilt die zweite auffassuug von 11, b, 1, «, so haben wir zwei fivlle.
") Vgl. aber auch das unter II, b, 1, a gesagte.
8
) Vgl. dazu aber das unter II, b, 1, a gesagte.
DAS KÄRNTNEE SCHNADERHÜPFEL. 7
VI. Ergebnisse.
Das Kärntner schnaderhüpfel ist durchwegs 3/4 -taktig und
weist vorwiegend zweihebig monopodische kurzzeilen auf
(116 fälle). Als Strophe überwiegt der Vierzeiler (116 fälle),
als reimart steht abcb oben an (76 fälle), weiter ab steht aabb
(27 fälle). Binnenreim ist ziemlich selten (5 fälle); identischer
reim, obwol im allgemeinen gemieden, findet sich doch 11 mal,
und auch unreiner reim, meist durch assonauzen wirkend,
tritt 23 mal auf. Sehr selten (1 fall) ist der refrain und ebenso
selten sind die auf dem princip der widerholung beruhenden
reimkünste (2 fälle).
B) Rhythmus.
I. Untersuchung der einzelnen texte.
Da durchwegs der ^ 4-takt herscht, so kann die besprechung
der texte der reihe nach, wie sie im buche gegeben ist, erfolgen.
1) Hiaz niiiass i iveit aufe.
1 ;;! j'. ;j j^;, ji
Str. 1 Unt hiaz | müass i weit äufe, weit
2 JJ. J^^J,^JJ
äbewandrü, denk nr
3 J. J^ J j' , ; J I
ämrtl af mi, wän du
4 J . ; J J I
liawst an ändrü.
Abweichungen :
Str.2,1 ^ J^IJ'. ; J j. ,; Jl
Awr I diarndle, was mänst, wän du | herschaust ,
3, 1 J I j. ; J J. ; J I
ja I griass di got, griass di got 1 is a scheans . . . .
3 I J. ; J j'. ; J I
äwr I pflat di got, neamr körn | das säg ...
4,1 Jlj' ; J J. J^^^, J I
mei piawl is gwändrt, kimp | neamr ....
8
BLLMML
3 j. j^j j. ;^,ji
uut warn | täusent no kommen, is | käur
2) Utit i pitt di.
1 .NM J J J J , J. .^ I
1 Unt i I pitt di ums ph'iat, gea, mei |
2 JJj'^.N,;. ;i
dianulle, sei mr guat, schau ka |
3 JJJJN. J^l^
tierle frisst s gras, was von |
Abweichungen:
J J J J
d äiglan wert nass!
Str.2,2 J J J J, J. «T I
in dein | närischn sin, swert di | w61 ..
3,1 ji jj ji; J., JM
ja I dirndlan gibts üwräll, äwr | ...
2 JJJ>;J.,J\I
meins is in Lafnttäl; wan |
du amal übrekimst, so |
3. ab) Ter f st nit aufrhlicJcn!
1 ;. .^ I j'j J j'. J J I
a 1 Terfst nit | äufrblickn, terfst nit |
2 j. ; j j, ;. .M
griasslan schicki'i, khalt dö |
3 jjjj,JJ
cäiglan in zäm unt dö |
4 J. ; J j
griasslan drliäml
Abweichungen :
a Str. 2,1 J I J J J J J, J I
AVrum I scholt is nit träum, wäns |
DAS KÄRNTNER SCHNADERHÜPFEL. * 9
3 jjJj'j,JI
traiirt | s ständle aufn ran dl an, wäus 1
4.1 Jl jj J J3 J Jl
mei I lierzl is klän wia a |
b Str. 1,1 J I j'j J j', J J I
das I diaudle is klän, kau uit |
4, ab) Deine stoanhärtn rödn.
1 jl;-/ I j j. ^i^*-, :j' J" I,
a 1 Deine | stoanhärtn rödn, •/ , deine |
2 J J. j^ j', JL;. .M
eiskältn wort wernt de |
wol amäl kröinan, •? , schau, du |
diarndle, wart, wärt! äwr |
5 j j. J^i. -h j.,yj
diarndle, das säg i dir: für |
6 j j. ;/. i^ j.,;^i
alls kän i nit drfür, an |
toal pist wol selwr schult, gea |
8 j J. -; J.
leids mit gedültl
Abweichungen :
a Str. 2, 2 j. J^ J J. , J^_^. ^ |
Is ja I weitr wol schwär, wan nar |
5 j J. ; jj.,;i
imt hiaz | wer i mir selwr an |
6 j J J j, j^;i
älwle ein zäun, unt i |
mag ja nit ällweil so a |
10 ' BLÜiMML
b Str. 1,1 ;;. / I j J. J^>;'',.^^/ I
a pissl I falsch sein is lüsti, a ])issl |
2 = a Str. 2, 2 falsch sein is feiu, awr |
3 j. J^ J J % iL/. .M
so falsch wia du, * , möcht i |
4 j. J^ J J, J I
deua uit sein. i |
6 = a Str. 2 : 6 sis | alas drlooii, deine |
Str. 2,1 ^J..^ I J J. ; J7,,r>,M
ja dei | liaw unt dei treu uut dei 1
2 ^ a Str. 2, 2 einschmeichlarei, unt dei |
3^1) Str. 1, 3 kloanverdrahts herz afn |
5 = a Str. 2, 5 tuast | me ällweil föppn, von |
6 = a Str. 2,6 d i r n i m m i s a n , w e r s t m e |
7 = a Str. 2, 7 lei so lang föppn, pis is |
5, ab) Dr wint vrträgg s laiv.
1 ; ; 1 j j j J, j^ ; I
a 1 Unt dr | wint vrtragg s law, unt dr |
reif vrprennt s gras, jii wan dö |
3 JJJJ.,;JI
fälscliheit uit war, a scheans |
4 J. ; J j. -7 I
diarudle war das!
Abweichungen :
a str.2,1 J I jj J> J'^i, J I
Di\ I steig is nit äufn i das |
2 JJJJ.,J. I
is uit mei schätz, das |
3 jj;;>J^hJ^;i
is lei s sege diarudle, i, der da |
Str.3,1 J I jj J^ J^ J^}i,;^ J^ I
gea I diarndle, tua de scharaman } , hast lei
DAS KÄRNTNER SCHNADERHÜPFEL. 11
2 jjj j.,jy 1^
striklan pän pöt, dass dö |
3 J J J j, JJ
piiabm magst drhabm, sist |
b Str. 1, 1 = a Str. 2 : 1 mei | piawle muass gröass sein i , an |
3 j J J J, ; ; I
drweil a | klänr a stunt geat, mächt dr|
Str.2,1 ; J^ I j Ji^ J^>;h J
zwögn I meinr z w ö g n d e i u r } , du |
2 = a Str. 3 : 2 mei liawr püa, s p i r t d r |
3jjji;^ji
vätr, dö müatr i, das |
6) Wäns pergle nit war.
1 Unt wäns | pergle nit war, unt dö |
2 j'j. J^J,JJ1
säggrische hea, unt so |
8 JJ. ;jJ.,-h^l
kömat mei piawle um a |
4 ■ j. ; j j
halwe stunt ea.
Abweichungen:
Str. 2, 2 J J. J^ i J^ , J J I
unt das | gstäid nit drnöbm, ja, da |
3 JJ. ;j'j.,j^
kint i mein diarndlan, ins |
Str.3,1 J li; J. J^ j J., J^ J^ I
unt I s diarndl, das i gern hau, is in |
2 jj. ;jj,;;i
keler tiaf drüntn, hat a |
3 }^J. ;j,J. ^
hilzans kitle an, is mit |
4 j J J i
räflan puntn.
12 BLÜM ML
7) Dianulh', du niiiaiist ntr s z uissn mächn.
1 j I j ; ; j^ ; ; .N^ j\ ; j^ I
l Gea I diarndle, du muasst nirs zwissu luachn, Avia dr |
vigl vogl schian siiigg in wält; gea, |
3 JJ. J^i/Jl
diarndle mäch s fenstrl auf,
4 In j. " I
mir is scho kalt.
Abweichungen :
str.2,1 j I j;;;;;;; j^, j I
gea I piawle, log di nr eiur, einr, u ii t |
3 j J. J^ J J I
dass I ünsare kindr |
■ Str.3,1 : n J j;;;^;.N.^.M"
wä mr I jung sein, sei mr hägglig, hagglig, schau mr |
nit an lade, nit an lade an; wämr |
3 (== Str. 2,3) alt wern, wer mr fr 6a sein |
4 j. .r^j j. ; j I j' ; J i I
wä mr a weäuig a tüdl wem habm.
8) Biarnäle, du Jungs.
1 ;.M J'J J J. J Jl
1 Awr I diarndle, du ji'iugs, und äs |
2 JJJJ, JJI
war dr vrgünnt, jft, i |
3 JJJJJ,;;i
gäw dr mei herzle, wäu is |
4 J J J j
änssrnöhm künnt!
Abweichungen :
Str.2,1 ;;i j J J j J, J I
ja du I herzig scheans diarndle, pei |
DAS KÄENTNER SCHNADEßHÜPFEL. 13
2 J J J i, J ; J^ I
dir steat dö wähl, schau! känst an |
3.1 ;;i j'j j j j,;^i
pfiat di I got, mei liaws diarndle, gschiedn |
9, ab) Bö Klägnfurtnr Jierrn.
1 ;^. ^i J. J^J J'.,;;. -h I
a 1 Unt dö | Khagnfurtnr herrn, segu mei |
diarndle so gern, nnt dr |
3 J. ^ J J, J I
gruf von Obutul, der |
4 j'. ; J j.
kriaggs nit aiuäl.
Abweichungen :
a Str. 2, 1 J'J. .h I j. j^ J } j^ •?, J^^cT. ^ I
klane | kiaglan muasst giassn, *f , wänst an |
3 j. ;jJhJI
klane | diarndlan muasst liahm l, wanst |
3,3 j. ;j>,r;i
wännr | s pötstatle pleip, wo mei 1
b Str. 1,1 ;> j^ 1 j. : j^j" :^, :j- j^ i
unt hiaz | hau i ka diarndle "f, unt i |
3 j. ■;j;;^i,ji
unt zän | Ferlachr kirchtigi, da |
2, 3 = a Str. 3, 3 unt mei | rosukränzkreuz unt mei |
3, 1 = a Str. 2, 1 häw an | kläuzrissnän jäuggr 7 , unt ka |
3 = b Str. 1,3 äwr | simedreissg diarndlan, i, wia |
10, ab) Fist a lugnerle du!
1 J ^ i j J J J, J- -ri
a 1 Pist a I lugnerle du uut a |
2 JJJJ.,J. I
schlanggrle ä, sägst |
14 BLÜM ML
3 Jjjjj,,rj^i
mi tast dns liahiii, lial)st an |
4 JJJ^J.
audrn puabin a.
AbweiLliungen:
a str.oi j;i j'jj j'j.,;i
So viel I gelt as wia dii hast, so |
2 j'jJj'.,JJ^I ^
viel hau i ä; gfir a |
3 Jj,r;j'j,Ji
scbäfl hast du ä nit, uut |
3, 1 = a Str. 2, 1 hat me | s diarndle vrlassn, wia |
2 = a Str. 2, 2 lädig pin i ; w e r a |
b Str. 1, 1 = a Str. 2, 1 piawle | wanst lui wilst liabm, so |
2 = a Str. 2, 2 liaw i di ä und wän |
3 J J J j J J I
du mr a püssle gibst |
2, 1 = a Str. 2, 1 dr her | pf arr af dr k ä n z 1 h a t |
2 = a str. 2, 2 dreimal vrkiudt: pei an |
3, 1 = a Str. 2, 1 steig uar | äufr, schloif einr, pei |
2 = a Str. 2, 2 mir is guat liegu, h ä t a u |
3 jjjj, ;^l
iadr pua gsagg, der da |
4, 1 = a Str. 2, 1 suni sum | sura unt sum sümsum häts|
11) W(hi is hanigca von dkirndlan.
1 .f^ J^l J J-; J J, Jl
1 Wän is I hämgea von diarudlau, da |
2 JJ. .^J, Jl
Icichtet das uiöos, scheau |
3 j'j. ;^jj,ji^
grüasslaitn hört nia von |
4 J J. J^ I j
Weruwergr gschloss.
DAS KÄRNTNER SCHNADERHÜPFEL. 15
Abweichungen :
Str.2,1 ^.^I j'j. ; j, J JI
üwrs I raoos, üwrs moos, üwrs |
2 J J. ^ j, ; ; I
moos schleicht dr pna, d a s s das |
3, 1 = str. 2, 1 unt dö | gamslan in gwänt hämp an |
2 = Str. 2, 2 gfährlichn stänt; segn |
3 J J. ;;. ^ J, J I
diarndlan geats j ü s t a s o , dö |
4,1 J I J J. J^j, J J i
gea I diarndle, mach äf, läss mi |
2 = str. 2, 2 eine zä dir, pin an |
3 j J. i^ J , J J I
ärmr kapluu, wer wohl |
12) In Althof n da fällt a reif.
1 In Alt- I höfn, da fallt a reif; in Sunct Do- |
uät, da schneips; in Maria |
3 j. ;;j^j., j^;;^!
Sääl, da geat a wiut, in Klägn-
fürt d?i gips ka sint.
Abweichungen :
Str. 2,1 J I J. J^ J^ J^ j J^ J^, J^ J^ I
mei I püa der hat a liabstraukl, odr |
2 j. J^JJ.^J. 1^
wia as denn mächt? bei |
tag säg i: pist a häuptschlanggl, und i |
3,1 j I jjy ; j,;^;^!
häw I zwä zwa diarndlan gliap, hat dö |
16 BLÜMML
2 J. J^jJ,J^J^I
ninatr gakriagg. piu in |
3 j. ;j^J^J,JI
VJitr gäugUn fragn, liiit |
4 J. J^ J i
ä gwüllt ans habm.
13, ab) Diarnäle, icäs dcnlxst clr denn?
1 I I I s fei]
a 1 Dianulle, was denkst dr denn.
2 J J J ;. 0^ J I
wä mr bäuandrstean?
3 J J J j' J^ J I ^
i denk uir allezeit:
4 j. ; j j i
du pist mei freid!
14) In LöHnyer grähni.
1 j I j. ;ji/, j- J^j
1 lu Lulinger gnibiu, tuat a |
2 j. ; j i j^, j. : I
wiiclitäle scblägn, wan is |
3 j. j^ j j, j. j; I
wächtäle hör, pin is |
4 .'. 0^ J i
scbläfrig nix uiebr.
Abweicbuugeu :
Str. 2,1 : :\ j'j. j^ j'j. ;i
meine | scbüacb sein aus füchslödr
2 j j. j^ j , j. : i
füchslödr gmacbt, uut sie |
DAS KÄRNTNER SCHNADERHÜPFEL. 17
3, 1 j^ ^ I j. ; j j', j. j'^ I
uut i I h;in (Irs sclio gstigg, wia mas |
2 J. j^ J j', J. J^ I
turle aufmacht, dass dö |
15) s is iveitr wohl ivälir.
1 ji jj j j, j. ;i
1 s is I weitr wohl wahr, bei dr |
2 j. ; J J, ^^ ^^\
liaw is dr sögn; wau dr |
3 j J J J, J. i^ I
äne pua geat, kimp dr |
4 j. J^ J j
andäre zwögu.
AbweichiTDgen:
Str. 3,1 Jl jj J j J., J^l
dö I leit toamp se wüudru, i |
3 >J^JJJJ.,;i
imt se I werdn se erst wündrn, hiaz |
5, 1 J I j J J }. ^ J. ; I
dr I käisr hat einargschriebm |
2 J. J^ J j, J I
um dö scheau leit, dö |
16) Wän is meine diarniUan pänändr hiat.
1 J I j. J^ ; ;^j J J i- J^ J I
Und I Avan is meine diarudlau pänändr hiat |
2 j. j;j j. j^j j, Ji
stölat is auf nach dr zeil; so |
3 J. J^j/j Jij^i, Jl
glängätu d sunnseitu äufe i uut |
4 j J. J^ J. ; J j
d schättseitü ä no a weil.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. 2
18 BLÜM. ML
Abweichungen:
Str. 2,2 j. .f^ J J. j^ J ji I
stül i niirs her nach dr zeil i |
3 j. i^ J J J J >. w^ J I
sötz i mci hiatl niicli dr st'-itn auf |
4 j. j^ J j. ; J j
trutz mit anr iadn a weil. |
3, 1 J. ; J j' J J i. .^ J I
ä diarudle zwa diarndh\n niug i nit |
2 = Str. 2, 2 drei und vier niiiass i lei h ;i b m l \
3 ^ Str. 2, 3 liiuf und söchs kinänts ja ä no sein
4 = Str. 2, 4 da SS i an wecLsl kan häbni. |
•i, 1 = Str. 3, 1 wan is a zrissn und zlüniiut pin |
2 = Str. 2, 2 wuu i nr tanzn schean k a n / |
3 j. i^ J J J J i J^ i i I
liiss mr dö fetzn ur flatrn i i |
4 = str. 2, 4 was geats denn andre leit ;in. |
5. 1 J I j- J^ J J J J i. .^ J I
iint I liiiitr mein vätr sein städahm |
3 = Str. 2, 3 da | hat r a grüslat khms järazle |
4 = Str. 2, 4 huckt dr uiir alleweil drän. 1
-')
17) A diarndle liän i z Fassring.
1 j I ;. jN j j j I
A I diarudle hau i z Pässring, |
2 j J. J^ J J I
zwä af dr Fölling, |
3 j J. ; i ; J I ^
dreie in öwrpacb, |
4 j J. j^ i ; j 1 ^
viere in Öwrdach, |
5 jj.^yjj. ;i
fünfe in dr Hörrngassu, |
DAS KÄRNTNER SCHNADERHÜPFEL. lO
6 j J. ^^ .h ;. ^ J.; j^ 1
söchse in dr Löliug driu, ja |
7 j J. J^ J. ^ J I
weil i a lüstigr |
8 j j. ; j
Kräpfeldr piu!
18) Af dr Zigulln.
1 Af dr Zi- I giillu, da häw is meine feldr, 7 in Pücbsu- |
stän, da häw is meine wäldr, 7 von Klägn- 1
fürt nnt Maria Saal khernt äle |
4 '^ ^ ^ ^ ^ ^ l
mädlan mein pis Obmtal.
Abweichungen :
Str. 2,1 ;;^;i jj^^; j-r, j^ j^;i
wögn mein | w i s c h p 1 n , wögn m e i n s i n g , 7 , wögn mein |
2 ^ J J^,h; J7, j^j^j^l
tänzn, wögn mein spring •/, wögn mein |
schean fein zitrschlagn wil me |
19, ab) I pin a Idans päiierle.
1 j I j j. ;,r. .h j, j I
a 1 I 1 pin a klans päuerle, hän |
2 j. ;jj,j^;i
nix wia a gäss, unt zä |
3 j J J^ J^i. .h J,;;|
oastrn wert se kitzlan kriagn, mane |
drei, was i wäss.
2*
20
BLUM ML
Abweichungen :
a str.oi ;;| J J. ; j, J Jl
hiin a I weanig au walt, lian a |
3 j J J"^ J^ J, J. ; I
unt a ] (lianulle uiuass i hähm, wia a [
3,1 Jl>. .N. i^ j, J Jl
a I diarndle luuass i ha hm, was von ]
fuass aufrecht steat, uut vor |
q j J I i I hl
scbcauheit kaum herschaut, vor |
4,1 Jl jj. J^J J, Jl
uiei I schätz is a hölzkueeht, hat |
hat au I köhlschwärzu sclinäuzpiirt uut |
b Str. 1, 1 J I j J. ; J J. , J^ I
äwr I müatr, wia tüa nir, tlr |
2 j. ;j; J^lr, J^l
püa is a s c lii a u r i •• , und |
3 jj. ;jJ,JI
läss uiru uit eiur, so |
kimp r uns uiamr! l
2, 1 = a Str. 4, 1 du | uärischas diarndl, dass d |
2 j. ;^jj,ji
gär a so pist; er |
3 = b Str. 1,3 schöl dr hiaz hergian, so |
20, ab) Ohne diarndl, ohne wein.
1 J^ J^ I J. J^ J^ J^ J, ; .T I
a 1 Ohne | diarndl, ohne wein, möcht dr |
2 J. J^ J i, J I
teuxl pua sein, von |
DAS KÄRNTNER SCHNADERHÜPFEL. 21
wein kriag i schneid unt van |
4 j. -r J j
diarndl dö freud.
Abweichungen :
a .tr.2,1 J^ J^ I J. ^ J j, J^ J^ I
pin a I lustig r püa, dr fi- |
2 J. i^ J j, J^ ^ I
delste weit um, pin schon |
3, 1 = a Str. 2, 1 pin a | lüstigr püa, läss n |
2 = a Str. 2, 2 töifi ka rüa, unt d ö |
3 j. J^ J j. J^, J i
englan in himbl, dö |
1,1 Ji j. j^ Ji,rh Ji
an I gäras hän igschossn, häu|
2 = a Str. 2, 2 gmant, war a pock, wia is |
b str.1,1 J 1 j. ; J j,;/|
das I Ausseer salz, unt das |
2 = a str. 2, 2 bergrische schmälz, unt dr |
wo i I nächtn pin gwösn, gea is |
2 = a str. 2, 2 heint neanir hin, toamp se |
3, 1 = a str. 2, 1 o du | diarndle d u kldns, wia viel |
21, ab) s diarndle in dr nächprscliäft.
1 j J. ; ;. -h J. 7 I
a 2 Diarndle, dei ding, dei ding •? |
2 j j. ; i. ^ j 1
dei scheanr fingerring |
3 j j J ;. .^ J I
hat me ums gerschtle prächt |
1 j. ; J j .>
ünt in vrdächt.
22 BLÜMML
Abweichungen :
a Str. 1, 1 J ! }. .^ J. ; >. .'^ J. , J^ I ^
und I s diarndle in dr niichprschuft, das |
2 jj. •rj,j. ;i
schickt mr an grüass, unt sie |
3, 1 >. •h j i. .'^ j. 7 1
i nit schean, du nit schean, f |
b Str. 1, 2 = a str. 1, 2 hiat i zwa küah, unt dö |
2, 2 = a str. 1, 2 das si nit ri'ihrt, unt das |
22, ab) 1)1 Karntn is s a prüclit.
1 ; J^ I J. J^ J J', j. J^ I
a 2 Wäu dö | nachtigal schlägg, s diarndl
2 J. ; J j, J. J^ I
s ti\rle maclit auf: sei nar |
3 j. .r j j , j. ; 1
leisä, mei püa, wöck du |
4 J.; J j
raüatr nit auf!
Abweichungen :
a Str. 1,1 J I }. .N J j, J. .ri
in I Kärntn is s a pracht, wamr |
b Str. 1,1 ;; I j. J^J J J.,.^.'^J
gea is I aufe af d Albmän, steig is |
3 J. ; J ;. .N I
ja, ka I khins diarndle mag i nit, |
3, 1 J. J^ J J , J. J^ I
herzigr schätz, in mein |
23) Stanmüadr kirn is kam.
1 j J. J^ .^ -Nil
1 Stänmüadr kirn is ham l \
2 j. .r j > J^ u I
lüg is mi niedi' l l |
DAS KÄRNTNER SCIINADERHÜPFEL. 23
3 j j. ; i. ^ j i !
kimp (lö vrpante liaw, l \
auf muass i widr l l .
Abweichungen :
Str. 2, 1 j'. J^ J >. ^ J n
Mizäle, Möizäle ^ |
4 j. ; j i^ j^ u I
kän i uit schliafn. l l \
3, 1 = Str. 2, 1 Mizäle, Möizäle } \
4 = Str. 2, 4 giw drs wol Avidr i } |
4,1 JJ. ; J JH
log di när ziiawr l \
2 j. J^J Jh Jl
stützl du kläns i , in |
3 j j. ; j j n^
liaw häm mr gheirät l, \
4 j j. j^ j i n ^
häus häm mr käns. l l |
24) Klanvrdraht is mrs gängän.
Ja klanvr- | dräht is mrs gängän pän (
Prentlhüttufeustär: eine |
pin is nit körn, aussn 1
seint se nit gang, dö vr- |
5 j. ;^ J j -r I
flixten mentscliär!
24 BLÜMMIi
25) Pdn hüyJan.
1 Jl JJ. -TJ-^J J';-. Jl
2 I'r I äne steat drobiii iif dr lätr, der |
2 j J. J^ j' ; J i, J I
andre steat hiutr dr tür; dr |
dritte ligg drin as a prütr, rüdt "u |
4 jj. ;j. ;; j. j I
diarudlau vn heiratn für. Zerscht |
nu'iasst de hält a weaui schleichn, nnt di |
6 j. •rjj,ji
tiickn pän zäun, unt |
niiclir muasst a weani pfeifn, wer wol |
8 J. J^ J J
äussngean scbäun!
Abweichungen:
Str. 1,1 J |>. .N- ;j. ;^; jj^", Jl
pan I lätrlan da steig is nianir änfo, dr |
kirn wol I ä amal äufe afn pödn; zcr.sclit
3,2 j j. ; j. j^j jh j I
dö I muatr schreit gschwint um a liacht }, das
20.31")) ]Vän dö niuair a grcinf.
1 ;;i J J J i, J. -Tl
a 1 wau dö | nuiatr a giöint, unt dr |
vatr nix sagg, unt dö |
3 JJJJ, J. ;!
nuiatr allän, iniicht nie |
4 J . J^ J J
u6 uit vrziigg.
DAS KÄRNTNER SCHNADERnÜPFEL. 25
Abweichungen :
a Str. 2,1 J I J J J j, J. J^ I
dr I vatr hat gsagg-, sollt a |
3 jjjj,J. ^/I
nnt (lü I inüatr hat gmänt, i hiat clü |
3:2 j. j^^jj,J|
wol, das I piawle is töl; gär |
4, 1 = a Str. 2, 1 schean | grean is dr klea, wan ar |
2 = a Str. 3, 2 aufgeat in d hea, Avia |
b str. 2, 2 = a str. 3, 2 du, Silwr | ö'ggr patär, liegst |
3 JJJJJ.,;
sehvr pan diarudlan, äwr |
27) Pei dr ivischpänh.
Pei dr | wischpänk, pei dr wiischpank, ja pan |
2 j J_J J, ;. ^ I
üwrstiefi'l, uut mei |
schätz hat me ghalsn, ja der |
4 j J J j
tündrsnig'l!
Abweichungen :
Str.2,1 ;. ;| j J J h, J 1
s diarndle | sagg: log de züachr, mei |
3,1 ;. •M j J J^^ j, j;. J^ I
uusrn I pfänir hau is p eicht, ja s diarndle |
3 ^ j J J J, ;. j^ I
sagg dr I pfärar za mir: geat mr |
28) Wüjrle, Wälgrle.
1 jj^i j'j. ;i;j.,^j^i
1 Awr I Wigrle, Walgrle, gea |
26 BLÜMML
2 jjJJ,;j. I
w;\lg zä nir her, ja heiut |
3 jj J J^; J., J^J
pist ja mei "Wiilgrle, lei |
4 j J J j.
morgn nix mehr.
Abweichungen:
Str. 2,1 j;i; J^J. J;jj.,^J^|
iint a I schwiilbm macht kan sümmr, a |
3 ^ j'j j/j., J^
ja unt I wanst me willst hulsn, so |
3,1 J J^l j J. .N', J. J^i
0 du I diaruille, du jüngs, o du |
lämple du frümms, ja mit dö |
3 JJJJ.J. J^l
püab man tua schean, wert dr |
4,1 j;i j J. «r jJ,J^•M
pfiat de I göt, du scheaus diarndlo, pfiat de
2 = Str. 3, 2 göt, du scheaus häus, ja u u t z ä |
3 =^ Str. 2, 3 dir gea is ueamr, dö |
29) s diarndle is Manvertvögn.
1 j. ; J J^ J^ J I
1 s diarndle is klänverwögn, |
2 J. ; J J. i^ J I
is pan an kühlr glögn; I
3 j. •rjjj^Ji
schwarz is äs wia a räw, |
4 j. ^ j j n
geat uiamr iiw. \
DAS KÄRNTNER SCHNADERHÜPFEL. 27
Abweichungen :
Str. 2, 3 j. J^^J j, J J 1^
was wert se sagn, wän i |
3.3 j. J^ Ji. ^ J, j^ J^l
weiss wia dö kerschnplüa, äwr |
s diarndl hat mr d liaw aufgsägg |
2 j. JN J.,;j I
ünt dö treu ä, unt hiaz |
o
30, ab) Zivisch Altliofn unt SmiJd Veit.
1 J^. ^1 J J. i^ J, Jl
a 1 Zwisch Alt- | höfn nut Sänkt Veit und |
2 j'j. J^J\J. ^1
Sänkt Florian, is s pän |
3 J J. i^ j', J. ;!
diarndlan guat schlafn, hat ka |
4 j'j. ;J
hömätle an.
Abweichungen :
a Str. 2, 1 J^. .M J J. J^ J J. , J^ I
von dr | leimät a gwäntle, you j
2 JJ. j^j,jl
ströa an hüat, das |
3 J'j. ;i.^^ J. ;i
steat hält an ländlärischn |
3.1 Jl J J. ;i., J^J^.M
unt I wän i a lei, a rupfans |
2 jj. ;J3j|^
pfätle anhän, dö |
3 j j. j^j^'. i^ j.,;^ I
plawlan pleinip steanpeimir, unt|
28 BLÜMML
b str.2,1 ;. .M jj-/ J, J. .ri
mit (Ir I hiislnusskeni trcilit drei |
3 JJ. J^j'j-.J^
ziarcb di | aus, lüg di eiur, . sei |
II. Der zweihebig raonopodische kurzvers. ')
a) Der auftakt.
Die verweiKlung des auftaktes ist vollkoiinnon frei und
wechselt in den verscliiedenen zeilen ein- und desselben schnader-
liüpfels.
A) Betreffs der silbenzalil der auftakte ergibt sich
folgendes:
a) Einsilbiger auftakt:
•r;^ I j. j^j j. ;, j
u)it kiuz I viüass i tveit uufe, weil 1,1,1. — Ebenso 1,3,1. 4,1.3.
2,3,1—3. 3a, 2, 1.8. 4,1. 1), 1,1. 4a, 1,5-7. b, 1,4. oa,2, 1.2. 3,1.3.
b,l,l. 2,1.3. G,2,3. 3,1. 7,1,1.2. 2,1. 8,2,1. 9a,l,3. 10a,l,2.
2,1.8. :U. b,l,l. 2.1. 3,1. 4,1. 11,1,1-3. 12,2,1.2. 3,3. 14,1,1.
15,1,1. 3,1.3. 5,2. 17,1,1.6. 19a, 1, 1. 3,3. 4,3. b, 1, 1— 3. 2,2.3.
20a, 1,2. 3,3. 4,1. 21a, 1,1. 22a, 1,1. 23,4,2. 24,1,1. 25, 2, C. 2Ga,2, 1.
3.2. 4,2. b,2,2. 3. 27,2,1. 28,1,1.3. 30a, 1, 1. 2,1.2. 3,2.3. b, 2, 3
(znsammcu 79).
ß) Z-weisilbiger auftakt:
j J- J^ i, . J
weit I äbewandr», denk nr \ äwal ... 1,1,2. — Ebenso 1,1,1. 3.
2. 1. 2, 1, 1—3. 3a, 1, 1—3. 4a, 1, 1—4. 2, C 7. b, 1, (i. 2, (>. 7. 5a, 1, 1. 3.
2.3. 3,2. b, 1,3. 2,2. 6,1,1-3. 3,1—3. 7,1,1. 3,1. 8,1,1-3. 3,1.
9a, 1,1. 2. 3,3. b,2,3. 10a, 1, 1. 3. 2,2. 3,2. b, 1,2. 2,2. 3,2. 11,1,1.
2,1.2. 3,1.2. 4,1-3. 12,1,1. 2,1.3. 3,1.2. 14,1,1-3. 2,1. 3,1.
15,1,1-3. 18,2,3. 19a, 1,2. 3. 2,1.3. 3,1. 20a, 1, 1. 3. 2,2. 3,2. 4,2.
b, 1, 2. 2, 2. 21a, 1, 2. b, 1, 2. 2, 2. 22a, 2, 1-3. b. 1. 1. 24, 1. 2-4.
25,2,5.7. 26a, 1,1-3. 27,1,1-3. 28,1,1.2. 3,1.3. 4,1. 29,2,1. 3,3.
4.2. 30a, 1,1— 3. b, 2, 1 (zusammen 112).
y) Dreisilbiger auftakt:
') Die zableubelege beziebeu sich nicht auf sämmtliche (125) sclmader-
biijifcl, sondern nur auf die die im abschnitt I ilire erläuteruns: gefunden
haben.
DAS KÄRNTNER SCHNADERIIÜPFEL. 29
a pissl I fälsch sein is lüsti, a pissl | ... 4b, 1, 1. — Ebeuso 5a, 1,2.
8.2.2. 12,1,1-3. 18,1,1-3. 24,1,1. 2Ga,2,3. 27,3,1. 28,3,2. 4,2.
30 a, 3,1 (zusammen 15).
Ergebnis. Das Verhältnis der häufigkeit ist also: ß : a : y
= 112 : 79 : 15 = 7,16 : 5,26 : 1 -= ca. 7 : 5 : 1. Zweisilbiger
auftakt ist also am häufigsten; ihm nahe kommt der einsilbige,
während der dreisilbige ziemlich selten vorkommt.
B) Bezüglich der Verkürzung des zAveiten kolons durch den
auftakt ergibt sich (alles auf achtel zurückgeführt):
a) i/s Verkürzung:
, Ji jj ji,rj., j^i
ja I dirncllun yihis üwräll äwr \ 2,3,1. — Ebenso 2,3,2. 3. 4a, 1,5— 7.
2,7. b,2,7. 6,1,3. 2,3. 3,1. 7,1,2. 10a, 2, 1. 3,1. b, 1, 1. 2,1. 3,1.
4.1. 15,3,1.3. 17,1,6. 19a, 3, 3. 4,3. b, 1, 1. 2. 2ia,l, 1. 22b, 1, 1.
26b, 2, 3. 28,1,1.3. 30a, 2,1. 3,3. b, 2, 3 (zusammen 33).
ß) 2/^ Verkürzung:
i^^l j. ;j J. J^, J I
unt hiaz \ viüass i tccil diife, weit \ 1,1,1. — Ebenso 1,4,3. 3a, 1,2.
2.1.3. 4a, 1,4. 2,6. b, 1,4. 6. 2,6. 5a, 1, 1. 2,1.3. 3,3. b, 1, 1. 3.
2,1.3. 6,3,2. 7,1,1. 2,1. 8,1,3. 3,1. 9a, 1,3. 3,3. b, 2, 3. 10a, 1, 3.
2,3. 11,1,1-3. 2,2. 3,2. 4,2. 12,2,1.3. 15,1,2. 5,2. 18,2,3.
19a,l, 1— 3. b,l,3. 2,2.3. 20a,l, 1. 2. 2,2. 3,2.3. 4,1.2. b, 1, 2.
2.2. 23,4,2. 24,1,1.3. 25,2,5-7. 26a, 1,2. 3, 2. 4, 2. b, 2, 2. 27,1,1-3.
2,1. 28,4,1. 29,3,3. 30 a, 1, 1 (zusammen 71).
y) 3/^ Verkürzung:
denk nr | ämäl af ml, wän du | 1,1,3. — Ebenso 1,2,1. 4a, 1, 1—3.
b,l,l. 5a, 1,2. 3. 2,2. 3,2. b, 2, 2. 9a, 1,1. 2. 10a, 1, 2. 2,2. 3,2.
b,l,2. 2,2. 3,2. 12,1,1-3. 2,2. 3,1-3. 18,1,1-3. 20a, 1,3. 24,1,2.4.
29,4,2. 30 a, 3,1 (zusammen 34).
<5) 4/g Verkürzung:
J J. ; J, J J I
weit I äbetvändhi, denk nr | 1,1,2. — Ebenso 2,1,1—3. 3a, 1,1. 3.
6,1,1.2. 3,3. 8,1,1.2. 2,2. 10a, 1, 1. 11,2,1. 3,1. 4,1.3. 14,1,1-3.
15,1,1. 3. 19a, 2,1. 3. 3,1. 21a, 1,2. b, 1, 2. 2,2. 22a, 2, 1—3. 26a, 1,1. 3.
2, 3. 27, 3, 1. 28, 1, 2. 3, 1-3. 4, 2. 29, 2, 3. 30 a, 1, 2. 3. 2, 2. 3, 2. b, 2, 1
(zusammen 46).
Ergebnis. Das Verhältnis der häufigkeit ist: ß : ö -. y : a
= 71 : 46 : 34 : 33 = 2,15 : 1,4 : 1,03 : 1. Die häufigste Ver-
kürzung ist die um 2/0; nahekommt ihr die um V«; doch sind
30 BLÜMML
auch die ^^ und Vs Verkürzungen, die beinalie durcli gleiche
zalHen vertreten sind, nicht selten.
C) Furm des auftakts:
a) bei Vs-verkürzung: a) J^: 2,!}, 1-^- 4a, 1,5— 7. 0,2,3. 7,1,2.
lüa,2, 1. 3,1. b, 1, 1. 2,1. 3,1. 4,1. 15,3,1.3. 17,1,6. 19a, 3, 3. 4,3.
b,l,l. 2. 21a,l,l. 26b,2,3. 28,1,1.3. 30a,2,l. 3,3. b,2,3. —
(i) J^ ^•. 4a, 2, 7. b,2, 7. 6,1,3. 3,1. 22b, 1,1. — b) bei •%-verkürzinig:
«)Jj': 1,1,1. 2,1,1. 4a, 1,4. 2,6. b,l,6. 2,6. 5a, 1, 1. 2,3. b,l,3.
6,1,1. 3,2. 7,1,1. 8,1,1.3. 3,1. ya,3,3. b, 2, 3. 10a, 1,3. b, 3, 3.
11,1,1. 2,2. 3,2. 4,2. 12,1,1. 2,1.3. 3,1.2. 14,2,1. 3,1. 18,2,3.
19a, 1,2. 3. 2,1. 20a, 1,1. 2,2. 3,2. 4,2. b,l,2. 2.2. 22a, 1,1. 24,1,3.
25, 2, 5. 7. 26a, 1, 1. 2. 29, 3, 3. — ß) J". j^ : 3a, 1, 1. 2. 15, 1,2. 27, 1, 1-3.
28,4,1. 30a, 1,1. — j')J: 1,1,1. 3,1. 4,1.3. 2,3,1. 3a, 2, 1.3. 4,1.
b,l.l. 4b, 1,4. 5a, 2,1. 3,3. b,l,l. 2,1.3. 6,3,1. 7,1,1. 2,1. 8,2,1.
9a, 1,3. lüa,2,3. 11,1,1-3. 12,2,1. 3,1.3. 14,1,1. 15,1,1. 5,2.
17.1.1. 19a,l,l. b,l,3. 2,2.3. 20a,l,2. 3,3. 4,1. 21a,l,l. 22a,l,l.
23.4.2. 24,1,1. 25,2,6. 26a, 2,1. 3,2. 4,1,2. b, 2, 2. 27,2,1. 30a, 1, 1.
3,1. — c) bei 3/,-verkürznng: o) j" J" J": öa, 1,2. 12,1,1-3. 18,1,
1—3. 30a, 3,1. — ß JV/. ^ : 4a, 1, 1—3. 9a, 1,1. 2. 24, 1,2. — y) J'J"-^:
4b, 1,1. 24,1,1. — ())^J: 1,1,3. 2,1. 5a, 1,3. 20a, 1,3. 29,4,2. —
f) J J': 5a,3,2. b, 2, 2. 10a, 1, 1. 2,2. 3,2. b, 1, 2. 2,2. 3,2. 24,1,4,
28,1,1. — 'Q J.: 5a,2,2. 10a, 1,2. 12,2,2. — d) bei %-verkürzung:
«) J : 30a, 2, 2. 3, 2. — /9) J J : 1, 1, 2. 3a, 1, 1. 3. 6, 1, 2. 8, 1, 1. 2. 11, 2, 1.
3.1. 4,1.3. 19a, 2,1. 3,1. 29,2,3. — >') J J" .^ 8, 2, 2. — «J) J j". / :
27, 3, 1. — f) J. J" : 2, 1, 1. 3. 6, 1, 1. 3, 3. lüa, 1, 1. 14, 1, 1—3. 15, 1, 1. 3.
19a, 2, 3. 21a, 1,2. b, 1, 2. 2,2. 22a, 2, 1—3. 26a, 1,1. 3. 28,3,1.3. 30a,
1.2. 3. b,2,l. - -C) J.^J^: 26a, 2, 3. - »/) J^ J. : 28,1,2. - .9) J^ J J^ :
28, 3, 2. 4, 2.
b) Die zwei kola,
I. Das erste kolon (JJJ). Die formen des ersten kolons
sind mannigfaltig und lassen sich folgendermassen übersichtlich
zusammenstellen:
1) Reineform: j J J:- J^; 1 J J J J, J. J^ 1
nnl i I i^itt di ums lilüat, gea mei | ... 2,1,1. — Ebenso 2,1,3. 4.
2,2. 3,2. 3a,l, 1. 3. 4a, 2, 6. b,l,6. 2,6. 5a, 1, 1—3. 6,3,4. 7,1,2.
8,1,1—4. 10a, 1,1-4. 13a, 1,1— 3. 15,1,1.3. 19a, 3, 3. 21a, 2, 3.
26 a, 1, 1. 3. 27, 1, 2—4. 2, 1. 28, 1, 2—4.
2) Auflösungen von JJJ:
A) Auflösungen nach dem ersten glied:
a) >,r J J: - i;j J J J.,;
nnt se \ werdn se erst u-ü)uh'n, i \ 15,3,3.
DAS KÄRNTNER SCHNADERHÜPFEL, 31
pän \ prentlhüttnfenstär: eine \ 24,1,2.
ß) h t^ n-- - } : ^ j' : : } : ^', :\
schau mr \ itit an lade, nit an iade an; ivmnr \ 7,3,2. Ebenso 18, 1, 4.
b) i.^^ J J: - J I >. ^ J J J J I
a I diarndle hän i z Pässring \ 17,1,1. Ebenso 22a, 1,1.
müasst de hält a iceuni schleichn, unt di \ 25,2,5. Ebenso 25,2,7.
B) AuflüsiTugen nach dem zweiten glied:
gea \ diarndle, du muasst mrs zwissn mächn loia dr \ 7, 1, 1.
Ebenso 12,2,3.
C) Anflüsungen nach dem dritten glied:
d) j'j J^J': - J J J^;j, J. J^l
gea mei | diarndle, sei mr giiat, schau ka | 2,1,2. Ebenso 5a, 2, 3.
3,1. b,2,l. 7,3,1. 10a, 2, 3. 12,3,1. 17,1,5. 18,1,3. 19a, 1,3.
e) J j;.J^: - ;..h| J j;.^ J J, ;.^ I
2}ei dr \ uiischpänk, pei dr wäschpänk, ja pan | 27,1,1.
ivögn mein \ wischplyi, tvögn mein sing *f , icögn mein \ 18,2,1.
Ebenso 18,2,2.
3) Coiitraliieruiig-en von J J J:
a) j. ; j: - ;;^i j. j^j j. ;, Ji
unt hiaz \ mtiass i weit äufe weit \ 1,1,1. Ebenso 1,1,3.4. 3a, 1,2. 4.
4a, 1,3. 4. 2,2. b, 1, 2. 2,2. 5a, 1,4. 6,1,4. 7,1,4. 9a, 1,1— 4. 12,2,2.
8,2.4. 13a, 1,4. 14,1,1—4. 15,1,2.4. 19a, 1,2. b,l,4. 20a, 1,2— 4.
2, 1. 3, 1. 4, 1. b, 1, 1. 2, 1. 3, 1. 21 a, 2, 4. 22 a, 2, 1—4. 23, 1, 2. 2, 1. 4.
3,1.4. 24,1,1.3—5. 25,2,6.8. 26a, 1,2. 4. 29,1,1—4.
in AU- I höfn, da fällt a reif; in Sänct Do- \ nat 12,1,1.
Ebenso 12, 1, 3. 4. 18, 1, 3. 20 a, 1, 1. 29, 4, 1.
af dr Zi- \ giilln, da hätv is vi eine feldr */ , in Püchsn- \ stün ....
18, 1, 1. Ebenso 18, 1, 2.
b) J J. ^: - J J. / j', J Jl
weit I äbewändrn, denk nr \ 1,1,2. Ebenso 4a, 1, 1. 2. 5 — 8. 6,1,1 — 3.
32 BLÜMML
7,1, ;{. 11,1,1-4. 14,'J,1. •_'. 17, 1,2— i. 7. 8. 19a, 1, 1. 1. :',,2- -1,3.
b,l,3. 2,n. 21a,2, 1. 2. 2:\,\,\. 'A. i. 2S, 1, 1. :?0a, 1, 1— 4.
«) j j. ^.^: - j j. .'^.'^>. -'^ ;^;i
s Ochse in der Lülhuj diiti, ja \ 17, 1,(j.
iint I s diarndl, das i gern hau, is in \ 6,8,1. Ebenso 0,8,3. 28,2,1.
7) i. jN;,r: - Ji;. .N- ; J', J Jl
a I didrndle vinass i hitbm, was ran \ 19a, 8,1. Ebeuso 21a, 1,1.
^i) i. ^ J: - i-^ Ji. .N. r I
i nii sehe an, da nit schean •* | 21a, 3, 1.
c) jj: - j J j.,; J^i^i
in Sänct Do- \ nät, da schnei2)s; in Maria \ 12,1,2.
«) JJ. ;: - JJ. ;j, J I
von I Sir 6a an huat, das \ 30a, 2, 2.
11. Das zweite kolon. Das.selbe bildet hier den vers-
ausgaiig und da ist, der monopodie wegen, nur stumpfer aus-
gang- J J J I J J J möglich. Dieser ausgang ist nun entweder:
A) Einsilbig stumpf; dabei sind folgende formen möglich
(nur in den Schlusszeilen):
a) j'il: - jj. J^ Jii I
]idus ham vir Je ans l l . 23, 4, -1. Ebenso 24,1,5.
b) j. " >: - J'J. J^ J'. "H
(jca \ Uids mit (jediilt *^ i \ 4a, 1, 8. Ebeuso 5a, 1, 4. 7,1,4. 9a, 1,4.
10 a, 1,4. 18,1,4. 28,1,4.
c) ji: - .1.; j in
tvän du I Uawst an ändrn l \ 1,1,4. Ebenso 2,1,4. 8a, 1,4. 0,1,4.
8,1,4. 11,1,4. 12,1,4. 13a, 1,4. 14,1,4. 15.1,4. 17,1,8. 19 a, 1,4.
20 a, 1,4. 21a, 2, 4. 22 a, 2, 4. 25,2,8. 20 a, -1,4. 27,1,4. 2!», 1,4. 80 a, 1.4.
Es kann jedoch auch auftakt (z. 1— 3) auftreten, und es
ergeben sich dann folgende formen:
^ a, 1) j, J J: - j J. J^J, J J I
tveit I dbewandfn, denk nr 1,1,2. Ebenso 3a, 1,1. 3. 0,1,2. 8,1,1.2.
11,2,1. 3,1. 4,1.3. 19a, 2,1. 3,1. 29,2,3.
2) j, J^ J^: - J J J J, J^i^i
X>ei I dir sleal du wähl, schuld haust an | 8,2,2.
DAS KÄRNTNER SCHNADERHÜPFEL. 33
3) J, J. J^: - J^-M J J J j, J. J^l
unt i I pitt di wns plüat, gea mei \ 2,1,1. Ebenso 2,1,2. 3. 6,1,1.
3,3. 10a, 1,1. l-t,l,3. 2,2. 3,1.2. 15,1,1.3. 19a,2,*3. 21a, 1,2. b, 1, 2.
2,2. 22a, 2, 1—3. 2Ga, 1,1. 3. 28,3,1.3. 30a, 1,2. 3. b, 2, 1.
4) J, J. ^^: - J J J j, J- j^^ I
imt dö I müatr hat gmänt, i hiat da \ 26a, 2, 3.
unsm \ pfärar liän is p eicht, ja s diarndle \ 27,3,1.
6) i, ;j.: - J'J J J, ^J. I
gea \ wälg za mr her, ja he int \ 28,1,2.
7) J, ; j;: - j'j J i, ; J J^l
0 dxi I lämple du fr um ms, ja mit dö \ 28,3,2. Ebenso 28,4,2.
8) J, J: - JJ. ^ J, J I
von I ströa an hüat, das \ 30a, 2, 2. Ebenso 30a, 3, 2.
9) Jh J: - J. ; J J'h J I
klane \ diarndlan vinasst liahm l, w'änst | 9a, 2, 3. Ebenso 23,. 4, 2.
b, 1) j., J^J: - J. J^ J j.,; J I
denk nr \ ämäl af mi, tvän du \ 1,1,3. Ebenso 1,2,1. 5a, 1, 3.
20a, 1,3. 29,4,2.
aussn I seint se nit gang, dö vr- \ fixten 21,1,4. Ebenso 5a, 3, 2.
b,:2,2. 10 a, 2, 2. 3,2. b, 1,2. 2,2. 3,2.
3) J., J.:^ - jj J j., J. I
das \ is nit mei schätz, das | 5a, 2, 2. Ebenso 10a, 1, 2. 12,2,2.
4) j.,; J^J^: - J J J j., J^^J^I
iint dr 1 reif vrprennt s gras, ja ivän dö \ 5a, 1, 2. Ebenso 12,1,1 — 3.
18,1,3. 30 a, 3,1.
deine \ eisJcältn %v6rt wernt de \ 4a, 1,2. Ebenso 9a, 1,1. 2. 24,1,2.
äwr I so fälsch toia du *? , möcht i \ 4b, 1,3. Ebenso 4b, 2, 1. 3.
wögn mein \ icischpln, wögn mein sing *? , wögn mein \ 18,2,1. Ebenso
18, 2, 2.
Beiträge ziir geschichte der deutschen spräche. XXXI. 3
34 BLÜM ML
c, 1) J, J: - j'j J j, J 1
das!; du \ püahm vidf/st drhuhm, sist \ äa, 3, 1). Ebenso 4b. 1,4.
9a, 1,3. 11,1,2. 12,3,3. 15,0,2. 19b, 2, 2. 2Üa, 1,2. 25. 2, ü. 20a, 3, 2.
4.2. b,2,2. 30a, 1,1.
2) j', j;;^: - j. j^j j,;;i
diurndle, wärt, u-iiril äwr \ 4a, 1, 4. Ebenso 4a, 2, G. b, l,(j. 2, G.
5a, 1,1. b, 1,3. 9a, 3, 3. b, 2, 3. 10b, 3, 3. 11,2,2. 3,2. 4,2. 12,3,1.2.
18,2,3. 19a, 1,2. 20a, 1,1. 2,2. 3,2. 4,2. b, 1,2. 2,2. 24,1,3. 2Ga,l,2.
3) j, J^. .^: - j. ; J j, J^. .^ I
terfst nit \ griasslan schick ti, khält dö \ 3a, 1,2. Ebeuso 15,1,2.
27,1,2. 3,3.
IJ) Zweisilbig stumpf; folgende formen:
a) >;n: - j. ; j.f^;n I
so I Jcivqi r uns niümr\ l \ \ 19b, 1,4. Ebenso 23, 1,2. 4.
b) J Ji: - J J. J^ J Ji I
log dl när züatvr l \ 23,4,1. Ebenso 23,4,3.
c) J J: - J J. J^ j'jl
dass \ ünsare Jcindr \ 7,2,3. Ebeuso 7,3,3. — 17,1,1. 2.
Tritt auftakt ein, so ergibt sich:
a, 1) > J^, J J: - J J. J^ij\ J Jl
lud das I gstaid }iit drnöhm, ja da \ 0,2,2.
^ 2) i^, J. ;: - J I j. ;j>J^, J. J^l
in I Lölinger grab vi, tiiat a | 14,1,1. Ebenso 14,1,2.
dr I jji(a is a schianr l *f , und \ 19b, 1,2.
4) i J^i, J: - Jl jj J>;i, J I
da I sieig is nit änfn i, das \ 5a, 2,1. Ebenso 5 b, 1, 1. 2,1.3. 9 b, 1,3.
3.3. 20a, 4,1. 24, 1, 1.
das I is lei s scge diarndlc l, der da \ 5a, 2, 3. Ebeuso 5a, 3, l.
af dr Zi \ gidln, da hdir is nteiiic fcld r **, in l'i'ielis>i \ stau . . 18, 1, 1.
Ebenso 18,1,2.
deine \ stöanhärtn rödn *', , <leine \ 4a, 1, 1. Ebeuso 4a, 1,3. 9a,2, l.
b, 1,1. 3,1.
DAS KÄRNTNER SCHNADERHÜPFEL. 35
b, 1) jj, J: - Jl J J J jj, J I
wrum I schalt is nit träum, tväns \ 3a, 2,1. Ebenso 3a, 2, 3. 8,2,1.
10a, 2, 3. 11,1,1.3. 19a, 4,1. b,l,3. 2,1.3. 27,2,1.
2) jj, J^ j^: - j J. ; jj, J^i^l
is hl I Jceler tiaf drüntn, hat ä \ 6,3,2. Ebenso 8,1,3. 3,1. 10a, 1,3.
20 b, 2, 1. 25, 2, 5. 7.
3) j'^J,;. j^: - J J J J J, J^. .hl
unt viel I schätz hat me ghälsn, ja der \ 27,1,1. Ebenso 27, 1, 3.
28, 4, 1.
4) j j.,;: - j j. ; J j.,i^i
iint hiaz \ icer i mir selwr an \ 4a, 2, 5. Ebenso 4b, 2, 5. 6,2,3.
10a, 2,1. 3,1. b, 1,1. 2,1. 3,1. 4,1. 15,3,1.3. 19a, 3, 3. 4,3. b, 1, 1.
26 b, 2, 3. 28,2,1.3. 4,3. 30 a, 2, 1. b, 2, 3.
5) J J., J'^: - j'j. ;j J.,j^^ I
tint i I mag ja nit allweil so a \ 4a, 2, 7. Ebenso 4b, 2, 7. 6,1,3. 3,1.
22b, 1, 1.
unt hiaz \ müass i weit ciufe, tveit | 1,1,1. Ebenso 1,4,3. 20a, 3, 3.
C) Dreisilbig stumpf; folgende formen:
a) J J J: - J J J J J J I
und wän \ dk mr a pussle gibst \ 10b, 1,3. Ebenso 29,1,3.
t>) jj. J^: - ;;i J J. ; j'j. J^l
meine \ schüach sein aus füchslödr | 14,2,1. Ebenso 17,1,5.
c) ; j^ J: - J J. J^i j^ J I
gea \ diurndle mäch s fenstrl auf \ 7,1,3. Ebenso 17,1,3. 4.
d) ;. ^ J: - J J j;. ^ Jl
diarndle, tcäs denkst dr denn \ 13a, 1,1. Ebenso 13a, 1,2. 21a, 2, 2. 3.
22 b, 1, 3.
e) i. ^ Ji: - J J. J^i. .h JH
kmp dö vrpänte Hau- \ \ 23,1,3. Ebenso 23,1,1.
f) i. ^ J. r: - j'j. ; J^. / J. 7 1
diarndle dei ding , dei ding *l \ 21a, 2,1.
g) j. ; J: - Jl j. ;j J. ;JI
ja I griass di got, griass di got \ 1,3,1. Ebenso 1,3,3. 13a, 1,3.
17, 1, 7. 29, 1, 1. 2.
3*
36 BLÜMML
Tritt auftakt ein, so ergeben sich als furmen:
a, 1) j : :,: :■■ - j i j.; j^.n'; j^, j^;i
mei I jn'ia der hat a li'obstrankl, odr \ 12,2,1. Ebenso 12,2,3.
c, 1) i j^j.,.^ - Ji j j j>.^j-,,ri
ja I diarndlan gibts üivräll, äur \ 2,3,1. Ebenso 2, 3, 2. 3. 7,1,2.
28,1,1. 3.
d, 1) A.^^J.,;: - J J. J^i. .N.,;i
äwr I diarndle, das sag i dir: für \ 4a, 1,5. Ebenso 4a, l.d. 7. 17,1,6.
21a, 1,1. 80a, 3, 3.
e, 1) i. .N, J: - JJ. ;/. .N, Jl
segn \ diarndlan geatsjüst a so, dö \ 11,3,3. Ebenso 19a, 1,1.
unt sä I oastrn wert se kitzlan Iriayn, ntaiie | 19a, 1,3. Ebenso
29, 3, 3.
D) Viersilbig- stumpf; folgende form:
a) i. .N. ;: - Jl j'j J^.N. .ri
dr I käisr hat cinurgschricbm \ 15,5,1. Ebenso 30a,2,3.
Tritt auftakt ein, so findet sich:
a, 1) i; j^;^, j: - j N;.^;^;i;;,r, j I
gea \ piatvle lüg dl nr einr, einr, unt | 7,2,1.
gea \ diarndle, du muasst mrs zwissn mächn, ivia dr \ 7,1,1.
III. Dei* dreihebig monopodischo langvers.
Derselbe ist ein um einen takt (kolon J J J) vermehrter,
zweihebig monopodischer kurzvers und bleibt trotz der Ver-
mehrung monopodisch; kommt dann noch ein takt hinzu, so
tritt dipodische gliederung ein und wir erhalten den viei'hebig
dipodischen langvers.
a) Der auftakt. Er ist
«) Einsilbig: j. .^ J j. ; J j, J I
sliilui is auf nach dr seil; so | 10, 1, 2. Ebenso IG, 1, 1. 3. 25, 2, 1. 2. 4.
ß) Zweisilbig: j J. J^ j. J^ J j J^-, J^/ I
dr I drhte ligg drin äs a prütr, rödt in | 25,2,3.
DAS KÄRNTNER SCHNADERHÜPFEL. 37
Er verkürzt das vorausg-ehende kolon um ^!^:
J. ; J J'. J^ J J, J I
stölat is auf nach dr zeil; so \ 16,1,2. Ebenso 16,1,3. 25,2,1 — 1.
Seine form ist: «) J: 16,1,1—3. 25,2,1. 2. 4.
ß)} J": 25, 2, 3.
b) Die drei kola.
I) Das erste kolon (JJJ):
^ a) J J. J>: - jj. J^J. J^J jil
tmt I d schättseitn ä no a weil, l \ 16,1,1. Ebenso 25,2,1 — 4.
pän I lätrlän da steig is niamr dufe, dr \ 25,1, 1.
c) ;.;;;:- J|j.^;;j'jj;. ^Jl
und I wän is meine diarndlan pänändr hiat \ 16,1,1.
d) jl j^ J: - jl ;j J. ;ji, J I
stölat is auf nach dr zeil; so \ 16,1,2. Ebenso 16, 1, 3. 2,4. 3,1.4.
4, 1. 4. 5, 1. 4.
II) Das zweite kolon (JJJ):
a) j'j J: - J I j. i^;; jj j;. .^ J I
und I tcan is meine diarndlan pänandr hiat \ 16,1,1. Ebenso 16, 1, 3.
b) j:;;j^: - j i;..N-;j.;j^;j>r, J I
pan I Idtrlän da steig is niamr dufc, dr | 25,1,1. Ebenso 25,1,4.
C) j: J^ J: - jl j^J j'. i^J J, J I
stölat is auf nach dr zeil; so \ 16,1,2. Ebenso 16,1,4. 25,2,1 — 4.
III) Das dritte kolon (JJJ). Auch hier ist nur
stumpfer ausgang möglieh; derselbe ist nun:
A) Einsilbig stumpf ; folgende form in den schluss-
versen: a) j J : - J J. J^ j. / J j } |
mit I d schättseitn ä no a tveil. \ \ 16,1,4. Ebenso 16,2,2. 3,2. 4,2.
Bei eintritt von auftakt ergibt sich:
a, 1) j, J:- J. ;j j. ;j j, Jl
stölat is auf nach dr Zeil; so | 16,1,2. Ebenso 25, 2, 2. 4.
2) jh J:- jj. J^ J. J^J j'i, Jl
dö I müatr schreit gschwint um a liacht \, das \ 25,3,2.
38 BLÜM Mr.
B) Zweisilbig: stumpf:
lass- mr dö fetzn nr flätrn H \ 16,4,3.
Bei eintritt von auftakt:
a, i);;i, j:- j. ;j j j j^j^h Jl
so I glangätn d stonifiettn äufe l xni | 16,1,3.
2)^", J: - Jl J J. J^j'. J^J j';-, Jl
dr I (hic steat dröbm af dr Intr, der \ 2ö, 2, 1.
3) j>%,r;: - *'j. .r j: .r j j;r, j^;i
dr I driite ligcj drin äs aprätr, rödt in \ 25,2,3.
C) Dreisilbig stumpf:
a)>. .^ J:-JJ j. J^;; j'j J i..*^ J I
und I ivän is meine diantdhin pänandr hiat \ 16,1,1.
IV. Der vierhobig dipodische langvers.
Wir haben nur eine einzige zeile (7, 3, 4) dieser form, die
3 monopoder al)scliliesst. Auftakt ist keiner vorhanden; hervor-
gegangen ist sie aus zwei monopodischen kurzversen ( J J J J J J
ff f
+ JJJJJJ)' die, der vierhebigkeit wegen, dipodisch (J J J
JJJJJJJJJ) wurden. Das erste kolon zeigt den bau:
J* J^ J •• J^ J I '^'^^ *"'* ^ wcanig a...,
das zweite kolon hat klingenden ausgang:
•• J^ J J ^ " '''"^' ^(^<^^'^ habm l \
C) Widerholutigen einzelner worte, sätze u. dgl.
(s. auch A, III, 4).
a) Widerholung desselben ausdrucks:
ja, griass di gott, griass di gott . . 1,3, 1, fahr »r hi)i, fähr nr hin . . .
2,2, 1, a i}issl fälsch sein is lusti, a pissl fälsch sein is fein ... -ib, 1, 1 f.,
iizcrs moos, iiivrs moos, ütcrs moos schleicht der pua .. 11, 2 f., dass
das tvosr, das wosr 11,2,3, hau a iceanig an ivält, hän a weanig a feit
19 a, 2,1 f., diarndle, dei ding, dei ding .. 2i&, 2,1, i nit schcan, du nit
schean . . 21 a, 3,1, i nix nutz, du nix nutz .. 2la, 3, 3, in mein pöt hast
kan platz, in mein pöt hast ka rua ... 22b, 3, 2 f.
b) Widerholung desselben Wortes :
wia dr vigl vogl schian singg in wält 7, 1, 2, gea, piawle log di nr
DAS KÄRNTNER SCHNADERHÜPFEL. 39
einr, einr 7, 2, 1, unt liäh mi Misch gern, husch gern 7, 2, 2, loä mr
jung sein, sei mr hnggh'g, liagglig, schau mr nit an iaäe, nit an iade an
7, 3, 1 f., gschiedn, gschiedn mtiass sein 8, 3, 2, sum sum sum ^mt sum
swn stwi 10b, 4,1, häiv zioa ziva diarncUan gliap 12,3,1, äivr muatr
lool, icol, tcol 26 a, 3, 1.
c) Die anfange zweier Strophen correspondieren:
unt tcäns pcrgle nit war ... 6, 1, 1 und 6, 2, 1, diarndle (piawle), iväs
denkst dr denn, tcä mr hanändrstean? 13a, 1, 1 f. imd 13a, 2, 1 f., unt wän
is meine diarndlan panändr hiat (häw), stölat is anf (stöl i mirs her) nach
dr Zeil 16, 1, 1 f. und 16, 2,1 f., jpm a lustigr pua 20a, 1,1 und 20a, 2,1,
3Iizäle, Moizäle ... 26, 2, 1 und 26, 3, 1.
(1) Das ende der einen Strophe ist der anfang* der nächsten:
In Karntn is s a praclit, wan dö nachtigal schlagg,
wä mr geat pa dr nacht, s diarudl s türle macht auf:
wän dö nachtigal schlagg, sei nar leisä, mei pua,
s diarndl s türle aufmächt. wöck dö muatr nit auf! 22a, 1,2
D) Historischer überblick und Zusammenfassung.
Oscar Brenner (Festschrift für Karl Weinhold, Strassburg
1896, s. 1 — 12) lieferte die erste wissenschaftliche arbeit über
die metrik des schnaderhüpfels. An gelegentlichen bemerknugen
fehlte es vor dieser arbeit nicht; zu erinnern wäre an Ign. F.
Castelli, Deutsche mundarten 3 (1856), 178 f., Friedr. Hofmann,
Deutsche mundarten 4 (1857), 78, L. v. Hörmaim, Schnader-
hüpfelu aus den Alpen 3, Innsbruck 1894, s. xxivf., Hans G-ras-
berger, Nix für unguet!, Leipzig 1884, s. xxi, und Die natur-
geschichte des schnaderhüpfels, Leipzig 1896, s. 30 — 33 und
L. Bückmaun, Der vers von sieben hebungen im deutschen
Strophenbau, progr. Lüneburg 1893. Grundformen stellten K.
A. Kaltenbrunner, Alm und zither, Wien 1846, s. 234, Fritz
Guiidlach, Tausend Schnadahüpfln, Leipzig [1892], s. 16ff. und
L. ßückmann a. a. o, auf. Kaltenbrunner nimmt drei grund-
formen an:
1. ^|— v^w |— ^ 2. _^^|_^^ 3. v^|_v./v^|_a
v_y| — v_^\_^ I — a — >.^\_>| — a \^v_^] — \^v->| — b
\_j \^ [ — \_j \^ I — ' — ' — v_> \^ I — ^^ ^_> \^ \^ I — ^—y ^-^ j — a
\_x| — \^ \-y I — a — ^^v^l — a >».^v^|— >.^^^l — b
Man sieht jedoch sofort, dass diese drei formen die mannig-
faltigkeit der schnaderhüpfel nicht erschöpfend zur darstellung
bringen können. Dasselbe gilt auch von den drei grundformen
40 blCmml
Guiullaclis. der ein daktylisch liiipfendes, ein anapästiscli stür-
mendes und ein anipliibracliiscli wiegendes versmass annimmt;
docli können eine grosse anzalil schnaderhUpfel. die starke
auflüsnngen zeigen, in diesem System nicht untergebraclit
^Yerde^. Bücknianns aufstellungen, die an das Nibehmgen-
versmass anschliessen und von denen wol Brenner angeregt
Avurde. können, da er den schnaderhiipfeln dipodisclien Charakter
beilegte, was grösstenteils unzutreffend ist, trotz seiner son-
stigen vorzüglichen bemerkungen hier übergangen werden.
Es bleibt daher nur noch Brenners arbeit zu betrachten.
Obwol Brenner über seine Vorgänger weit hinauskommt,
so hat doch auch er die sache nicht erschr»pfend behandelt,
denn er hat leider die musik zu wenig berücksichtigt. Die
schnaderhüpfel sind doch ganz und gar dem musikalischen
takte unterworfen und ihre metrik ist daher nur mit hilfe des
musikalischen rhythmus erschöpfend zu behandeln. Die ein-
teilung Brenners ist nun folgende:
I. gruppe. 1) kurzzeilen, 1 = 2, 3 = 4; reime stumpf oder
klingend oder wechselnd; aabb;
2) kurzzeilen, 1 = 3, 2 = 4; abab;
3) kurzzeilen, 1 — 3 gereimt und gleich oder 1 = 2^4
oder 2 = 3 = 4; aaab, aaba, abbb.
Dabei ist klingend nicht im sinne A. Heuslers ( J J J J )
gefasst, denn Heuslers auffassung (Zur geschichte der alt-
deutschen verskunst, Breslau 1891, s. 52) ist nur bei dipodisclien
versen möglich, während beim schnaderhüi)fel, das monopodisch
ist, nur Heuslers stumpfer tj^pus (JJ = J = j j'J'), der dann
ein-, zwei- und dreisilbig reimen kann, möglich ist und diesen
typus bezeichnet Brenner mit klingend.
IL gruppe: langzeilen mit folgenden formen:
l)x|xxx|xx xlxxxlx und s diendl hat Mahnerin,
da Idclits u'oJd damit.
2) (x) I X x X I X X X x x X I X tvegn mcma magst hin, ivost iviillst,
i hrauch di nit.
3)(xx)|xxx|x xxlxxxlxx hin a lüstiger hüe,
hin mein vdter nachgrdten.
DAS KÄRNTNER SCHNADERHÜPFEL. 41
4) XX I XXX I X XX I XXX I X lin a lustiger hüa,
lass n teufel M rtia.
5) XXX I XXX XXX I XXX tvcinn nur das ivdmi nit ivar,
tvdr (jwiss lioan K'dstn lar.
o)xxx|xx (x)|xxx|xx
7) xxxx I xxxx I xxxx I XX- schneid an hirnlam,
schneid an hiixbam
schneid an hirnhuxbamen
Iddn. 1)
8) XXX XXX I XXX XXX XXX I X siün moa tdiiheln am
tdnnabaiim,
fliegn sivoa täuheln davön."^)
Trotzdem nun Brenner 8 typen aufstellte, gibt es doch
eine grosse anzalü sclmaderliüpfel, wie ja die analysen im
abschnitt B zeigen, die sich diesen tj^pen nicht fügen. Darauf
hat übrigens schon K. Reuschel, Volkskundliche streif züge,
Dresden 1903, s. 108 f. aufmerksam gemacht. Der grund dafür
ist eben, dass Brenner nur 8 specialfälle aus der zahl aller
möglichen fälle herausgegriffen hat, und es bleibt daher noch
immer die aufgäbe zu lösen, typen aufzustellen, die in ihrer
allgemeiuheit, einer mathematischen formel gleich, alle mög-
lichkeiten in sich begreifen und die jeden fall durch einfache
Vorgänge aus sicli hervorgehen lassen.
Auf grund der analysen im abschnitt B und eines reich-
lichen anderweitigen materials gelange ich zur aufstellung von
1) Richtiger ist dieser typus jedoch mit auftakt zu fassen und auf
folgende weise zu bezeichnen:
XX I XXXX I xxj XX I xxxx I —
-) Dieser tj-pus ist besser als mouopodische langzeile zu fassen (siehe
unten typiis b):
XXX I XXX I XXX II XXX I XXX Ix-
Ein beispiel dafür ist ein Egerländer Vierzeiler (A. John und J. Czerny, Eger-
länder Volkslieder, 1 [1898], 8, no. 2):
jj jJJ jJj ^**^s zwäa schnämeissa täuivala
J J J^ j J , J flöign üwa ma{n) föld , ma \ mäidl
42
BLl'MML, DAS KÄRNTNER SCnNADERHUPFEL.
drei typen, die eine befriedigende lösnng nach jeder riclitung
hin geben. Diese typen sind folgende:
a) die raonnpodische kurzzeile: J J J | J J J;
/ / t
h) die monopodische langzeile: JJJIJJJIJJJ;
I y t \
c) die dipodisclie langzeile: JJJIJJJIJJJIJJJ-
Diesen drei typen ist als urelement die form J J J , die einem
takte des 3/4 -taktigen schnaderhüpfels entspricht, gemeinsam,
und aus diesem urelement ist durch contraction einerseits, durch
auflösung andererseits oder durch die Verbindung von auf-
lösung und contraction eine reihe von Varianten zu erzielen,
die, wie abschnitt B, II — IV zeigt, auch tatsächlich in äusserster
mannigfaltigkeit vorkommen. Dazu kommt dann noch die Ver-
kürzung der einzelnen kola durch den auftakt. Bei der be-
trachtung der einzelnen typen ist dann wider, wie ich es schon
im abschnitt B durchgeführt habe, ein unterschied zu machen;
so ist bei a zwischen kolon 1 und 2, bei h zwischen kolon 1, 2
einerseits und kolon 3 andererseits, bei c zwischen kolon 1
(zweitaktig) und kolon 2 (zweitaktig) zu scheiden.
WIEN.
E. K. BLUMML.
I
BEITRÄGE ZUR WESTGERMANISCHEN
GRAMMATIK.')
D. Zur Synkope nach kurzer tonsilbe im altenglischen.
II. Zu den formen des wertes für milch.
Mehrfach ist in letzter zeit die frage erörtert oder ge-
streift worden, wie die grundg-estalt des ae. Wortes für mücli
anzusetzen und der entwickhmgsgang von ihr aus bis zu den
historisch belegten formen mioloc, meoloc, meolc, müc verlaufen
sei. Es dreht sich dabei um den vocalismus der ersten sowol
wie der zweiten silbe, und verschiedene auffassungen sind zu
Worte gekommen. Während man gemeinhin die urgerm. form
als '^mehiJi- ansetzt, nimmt Kaluza, Hist. gr. der engl, spräche
1, § 65 f. urgerm i, Bülbring, EB. § 136 wgerm, i an; wenn
Dieter mit anderen an zweisilbigem stamme festhält (z. b.
Laut- und formenlehre der altgerm. dialekte s. 774), zieht Bül-
bring (EB. § 136. Anglia, Beibl. 9, 96. 11, 115) einsilbiges *mük-
als ausgangspunkt vor. Schon aus diesem widerstreit letzthin
geäusserter meinungen dürfte die Schwierigkeit der beurteilung
erhellen, die es rechtfertigen mag, wenn auch bei dem folgenden
versuche, diesen formen näherzutreten, vielleicht etliches hypo-
thetische mit unterläuft.
Wie die verwantschaft mit griech. aijeXyco gleich ae.
me(o)lcan und genossen, ferner afries. meloJc (belegt im instr.
meloJion) sowie aisl. niioUc mit nur bei e, nicht i möglicher
M-brechung lehren, hat der urgerm. consonantische stamm, den
got. milids vertritt, in der ersten silbe ein indog. e. Hierüber
dürfte keine nieinungsverschiedenheit möglich sein; dagegen
ist man des öfteren im zweifei gewesen, ob das got., jener
1) S. Beitr. 30, 55 ff.
44: WEYHE
zuverlässigste zeuge, wo es sicli um urgerni. mittelvocale lian-
delt, mit seinem zweisilbigen miJul.s die einzige urgerm.
formation des Wortes vertrete und nicht vielmehr einsilbige
Stammformen daneben existiert hätteUj einsilbig wie im verbum
ahd. mdhm, ae. me{o)lcan, in einigen adj. wie mhd. melk oder
im subst. lat. mclca, rj iitly.a, der bezeichnung einer milch-
speise, die die R<)mer aus einer germ. spräche entlehnt haben
(vgl. Kluge, Pauls Grundr. 1-, 330)'). Diese zweifei hallen ihren
grund in der anscheinenden Unmöglichkeit, tatsächlich belegte
formen der einzeldialekte mit einem germ. ^meluJc- zu vereinen ;
dabei aber ist charakteristisch, dass sich nicht selten in folge
genauerer Untersuchung der einzelsprachlichen lautregeln nach-
träglich ein gerader weg zu der im got. ältest belegten germ.
form ergeben hat. Wenn Brate, BB. 11, 185 das i von ahd.
miluh aus urgerm. '^melk- bez. "^milki- neben "^meliiJc- erklären
zu müssen glaubte, so zeigte Kögel, Lit.-bl. 1887, sp. 108, dass
*meh(]c unmittelbar zu miliih geführt hat; wenn Xoreen, Abriss
der urgerm. lautl. s. 87 für agutn. )nielk zweifelnd einsilbigen
stamm ansetzte, so wird das z. b. durch die erörterungen von
Axel Kock, Beitr. 20, 123 f. (ebda. s. 137 mit anm. 3 zu aschw.
micelk neben miolJc, miellc) oder von Noreen selbst in seiner i
Aschw. gr. § 98, anm. 2 (vgl. § 118) als überflüssig erwiesen; t
auch das neben dialektischem mjcellc und mjelh stehende dän.
melk endlich (Brate a.a.O. Xoreen, Abriss a.a.O.) lässt andere
erklärungen zu; Torp og Falk, Dansk-norskens lydliistorie s. 128
und 247 erinnern an die möglichkeit von entlehnung aus dem
nd. oder dialektischen Schwundes von j. Es dürfte daher auch
bei erörterung der ae. formen wie milc, mcolc auf alle fälle
geraten sein, nicht von vornherein mit Noreen (a.a.O. zweifelnd
für milc) oder Bülbring (für milc und mcolc, doch unter gleich-
zeitiger aurechnung der möglichkeit von sj-nkope) einsilbige
') Doch wäre bei diesem seit dem zweiten nacbchristl. jh. belegten
Worte möglicherweise auch syukoiie iuuerhalb des lat. in betracht zu ziebeu,
vgl. z. b. lat. /V/ca aus /'(///ca 'blässluünr, Ciardi-Dupre BB. 26, IUI; gleich-
falls Synkope (iuuerhalb des übermittelnden germ. dialektes) nimmt Loewe,
KZ. 39, 317, vgl. s. 383, für die Urform des aus dem germ. entlehnten abulg.
mKko. *mdlio, au. Wie das zweisilbige *meluk- zu erklären sei (vgl. die
unsichere Vermutung urgermanischer auaptyxc, andrerseits z. b. Streitberg,
IT. 3, 387), ist hier gleichgiitig.
ZUR WESTGERM. GRAMMATIK. 45
stammesg-estalt zum ausgang" zu wählen, vielmehr so lange
an der Identität mit urgerm. *7nelu]c- festzuhalten, bis die not-
wendigkeit des gegenteils bewiesen ist.
Von jener urgerm. also untersclieiden sich die ae. formen
in doppelter weise. Hätte der stamm ^mchik- in den engl,
dialekten ohne sonstige beeinflussung das 8. jh. erlebt, so
müssten überall in der ersten silbe die einzeldialektischen ent-
sprechungen von «-umlaut des e erscheinen. Diese sind in den
angl. dialekten nirgends belegt: alle angl. formen zeigen i der
ersten silbe; aus dem Süden ist in der allein entscheidenden
CP. (vgl. Sievers, Zum ags. voc. s. 39 f.) nur ^ ein beispiel und
dies nur in einer hs. vorhanden: aber auch dieses zeigt ein io,
das auf i zurückgeht (459, 18 H; vgl. Sievers, Ags. gr.^ § 105, 2).
Hierzu kommt eine zweite besonderheit: sämmtliche angl. und
viele südliche formen haben statt theoretisch zu erwartender
dreier silben zwei, statt zweier eine silbe; milc, milcum im
angl., mcolc, meolcum im Süden.
Fassen wir zuerst die südengl. formen in hinsieht auf den
letzten punkt ins äuge, so kann es keinem zweifei unterliegen,
dass das hier nicht selten belegte o {ii) der endung (z. b. mioloc
CP.459, 18, meoluc, -oc Bibl. ags. pr. 1, Gen. 18, 8. Ex. 3, 17. Deut.
32, 14. ^Elfr. gr. Zupitza 73, 6. 315, 4. Hom. Th. 2, 518, 11.
Heil.-l. 7, 45. Mart. Herzfeld 2, 18. 10, 6) tatsächlich die unmittel-
bare fortsetzung des urgerm. lautes darstellt; seine häuflgkeit
allein würde verbieten, an ae. vocalentfaltung innerhalb einer
ursprünglichen gruppe Ic zu denken ähnlich der anaptyxe, die
sich vereinzelt etwa in frühen formen wie Aluch- statt Alh-
oder in späten wie weornc statt lueorc findet. Hieraus folgt,
dass der vocal, \\'0 er fehlt, secundär geschwunden, synkopiert
ist. Nur das unterbleiben dieser sjmkope aber wäre auffällig,
da ihr jedes u in dieser Stellung, d.h. in der folge -lue- nach
kürze, anheimfällt. Als beispiele kommen etwa folgende in
betracht :
geoloca 'eigelb', urengl. stamm *gelnl-an-, *gelolain- (der seinerseits
auf *^elual;an- ziu-ückgehen kann), ableitiiiig von ^gelna- 'gelb' vgl.
ce^ergeoht 'eigelb': ohne syukope z. b. gwleca Boeth. Metr. 20,170 oder
^eolocan Lchdm. 2, 38, 7, mit synkope geolcan Hom. Th. 1, 40, 28 oder Lchdm.
2,102,-1:; zum suffix vgl. ahd. Äm-^w/i 'harz' neben harz, mni. pidek 'mark'
neben ae. 2^iSa.
healoc- (a?) 'winkel, ecke': ohne synkope dat. pl. healocum Lchdm.
46 WEYHE
2, 204, 5 (täcn ähcardodre lifre ,sC on päm Uppinim ond hmlocum ond ß-
vieniini); mit Synkope healciim ebda. 20G, 7. 2(14,20 (on päm liferholum ond
htaleum). Healoc- ^leicli nie. halkc, da.s also siclicr nicht, wie Kitter, Anglia,
Ik^ibl. 15, 302 meint, mit ae. hcalh identisch i-^t (ebensowenig natürlich mit
gelegentlichem halc, sirenaes hak im lat. Beda, vgl. OET. 489, wo halc
vielmehr neben halch, hdlh = ws. healh steht wie alc- neben alch-, alh- =
WS. ealh). Gleichen Stammes wie ae. healh, mag auch das Verhältnis beider
Wörter und die grundform von healoc- {*hulwak-'i oder *haltd-- mit beeiu-
tlussung des tonvocals durch die Hectierten formen von healh?) nicht ganz
klar sein. Verwant mit nhd. hülle als 'winkel zwischen ofen und wand',
'schueiderhülle', 'aufliewahrungsraum im schiffe', mnd. hallick 'räum im
bauernhause zwischen darre und backofen', s. Kluge, Et. wb. s. hellbank;
zum suftix vgl. holoc- neben hoUi, sowie hiüc.
holoc- ^) 'hüblung, hohlraum': ohne synkope dat. pl. holocum Lchdni.
2, 206, 7 {on pOere lifre holocum gleich 204, 20 on päm liferholum), mit
Synkope /io/cio« ebda. 148,7. 160,26; holoc- gleich nie. holk 'hohlraum'
(z. b. von der brusthöhle gebraucht; das wort war also mit recht von liitter
a.a.O. anm. 2 von ae. holh getrennt), aisl. holkr 'röhre am ende eines
Schaftes', adän. holk (hulke) 'etwas hohles, hohlgefäss', aschwed. holker,
norweg. dial. holk 'hölzernes gefäss', dazu mnd. me. holken 'aushöhlen'
(Karsten, Studier öfver de uordiska sprakens primära nominalbildning 1, 2.
2, 40). Nach ausweis des unsynkopierten ae. holocum wird eine directe
Ä--ableitimg von *hola- 'hohl' vorliegen, wie in /to?/t eine solche mit /j-suffix,
so dass Hellquists Verbindung (im Arkiv f. nord. fil. 7, 14 f., vgl. auch 142 f.)
von aisl. holkr mit ae. holh durch ansatz eines urgerm. '^'hul^nä- kaum
wahrscheinlich bleibt. Dem hinweis desselben gelehrten darauf, dass eine
reine />ableitung beinahe einzig dastehen würde, lassen sich fälle entgegen-
halten wie ae. purroc 'kielraum des Schiffes' gleich mnd. dork 'platz, wo
der schmutz sich sammelt, besonders der unterste teil des Schiffes, wo sich
das Wasser sammelt; abzug.sgraben, siel' (urspr. wol 'platz zur trocken-
legung', zu aisl.yj«7T, got. paürstis, vgl. aisl. /)H/-Äa 'trocknen'); iiM. sulch,
solche 'pfuhl, Vertiefung, wo sich das regen wasser sammelt' neben ae. sol
und sohl '.suhlort' (l)Wb. 10, 1448. 1450); auch ae. eoZc (Middendorf, Ae.
llurnamenbuch s. 29), afiieä. kolk, mnd. kolk, kulk 'mit wasser gefülltes
erdloch' neben mnd. krde, nhd. kaide 'Vertiefung' (hier wol ohne mittel-
vocal, st. *kolka-, vgl. D"\Vb. 5, 1613 und Siebs in den Beitr. zur Volkskunde,
festschrift für AVeinhold, Breslau 1896, s. 187).
seoloc 'seide', ae. grundform *silnk aus lat. *sPricum (s. Sievers, Zum
ags. voc. s. 11): ohne synkope z. b. dat. sioloce Boeth. Metra 7, 24, seolocenra
'seidener' Boeth. Sedgeüeld 33, 30; synkopiert seolce Lchdm. 2, 358, 25 oder
seolcen WrW. 195, 16.
u-eoloc 'eine muschelart, purpursclinecke', st. *wiluka- gleich nl. wulk
(ivclk. v'ilk, icullok, ivillok, Franck, Et. wb. s. 1190), zum suftix des tiernamens
■) Sweet, Stud. dict. verzeichnet das wort als neutralen n-stamm: ^holc
n. hoUow, cavity'.
ZUR WESTGEBM. GRAMMATIK. 47
Khige, Nom. st.^ § 61b: unsynkopiert z. b. tveoloc WrW. 261, 22, weoJocas
212,30, weolocreaä 2\S,2S\ synkopiert «cco/c Napier, OE. gU. 1,5193, iveolc-
read 5217, xvolcread 5319; vgl. feruer (Sievers, Ags. gr.^ § 188, anm. 2) von
synkopiertem wolcread in anlehnung an wolcn ueugebildetes icolcnread,
wozu die möglichkeit wol durch den consonantenscbwund in fällen wie
beorhthivU, hrcegponne, mce^prymness, cistheam u.dgl. neben hearhtm, hrce^en,
messen, eisten gegeben war.
Hierzu kommen einige Wörter, für die mir unsynkopiert e
formen nicht bekannt sind, vocalverlust aber wie nach dem
alter der texte möglich, so aus anderen gründen wahrschein-
lich ist:
heolc(a?) 'reif, von Bosworth-Toller s. 529 belegt mit Ps. Lamb. 118
swä sivä bytfe on lieolcan 'sicut uter in pruiua'. Ursprünglichen mittel-
vocal nahm hier bereits Paul, Beitr. 6, 50 an, allerdings aus gründen, die
heute nicht mehr stichhaltig sind (für die dort gleichfalls besprochenen
heolstor und heolfor sind inzwischen die unsynkopierten formen helostr,
hclnstras und helabr bekannt geworden); doch legt die etymologie diese
annähme tatsächlich nahe: wie geolca zu *gelwa-, wird sich heolca 'reif
zu ahd. MaM,'a 'spreu', mhd. hilwe 'feiner nebel' ('gesprüh') verhalten und
aus urengl. *helul:an- entstanden sein.
Imlc 'tugurium, hütte', z. b. belegt in Verbindung mit scrcef 'höhle,
hütte' 0« ... screafum odöe Imlcum Hom, Th. 1, 54:-4, 30; gleich me. hulc
'hütte', der grundbedeutuug nach, wie die ableitung me. hulken 'ver-
bergen' zeigt, aber ' verberguugsort , Unterschlupf, vgl. ahd. helid 'tugu-
rium', gegenüber der in as. helidhelm, ae. heolodhelm erhaltenen allgemeinen
bedeutung. Hulc ist ableitung von dem im me. vorliegenden subst. hule
'hütte, obdach', das wol im gründe mit ae. Jadn 'hülse' identisch ist. Als
ältere form daher vermutlich mit Kluge, Nom. st.^ § 61 a (ebenso Eckhardt,
ESt. 82, 3i6) *hulnc anzunehmen.
liwylca, belegt durch WrW. 161,17 uarix — ctvydele uel Mvylca, ist
gleich nl. wcJcl-e 'pustula' (Kilian, Etj-mologicum teutonicae linguae s. 798)
sowie gleich me. ivliellce, quelJce und ne. ivhelk, verwant mit ae. hwelian
(zur etymologie vgl. Zupitza, Germ. gutt. s. 57) und abgeleitet von dem in
me. loliele, ne. loheal vorliegenden gleichbedeutenden Substantiv. Wie in
dem bedeutungsverwanteu ae. sicelca (pustula ctvydele, uel pustella sivelca
WrW. 112, 15, zu ae. gesicell, ahd. sivello 'geschwulst') wird suftix -ukan-
vorliegen, vgl. das ^•-suffix in dem bedeutungsverwanteu afries. pl. lesoka,
mnd. leske, lesche 'runzel(n)' neben ahd. lesa 'runzel' und ae. hjswen 'eiterig',
in ahd. zitaroh 'kratze' neben ae. teter 'eine art haiitkrankheit' (Kluge,
Nom. st.2 § 68b), ahd. cheluch, kelah, chelch, mhd. kelch 'struma', nhd. dial.
Z;eZc/t 'unterkiun' zu ahd. Ä'e/a 'kehle' (DWb. 5, 50-1), ferner in mnd. hoverik
neben ae. Jiofer 'höcker', vgl. auch ae. pl. puducas 'strumas, geschwulst'.
Vermutlich steht also hivylca in kent. Schreibung für *hweolca, wie anderswo
ysle 'dem esel' für eosle, iosle. An sich wäre nach der gestalt des textes
auch *hivelca als vorform möglich, wie Sweet, Stud. dict. vermutet; es
48 WEYIIE
könnte eine form olme !/-nnilaut zu jn'i'iKle liegen und // geschiiehen sein
wie im gleichen glossar widtuflt WrW. 118, 9 (vgl. Bosworth-Toller s. 1217
unter ividnelt). bt/sm 127, 13, st)/>i^;; 139, 37, nylle IGl, 1, viijne 152, 31, hnysce
151,38, di/fejwrn 149,32, auch heopbn/mel 138,37.
stah'ian 'verstohlen, bohntsani gehen', gleich ne. stalk, im ws. belegt
bei ..Elfric in stakt(ii(je llom. Th. 2, 138, G (Bosworth-Toller s. 913 gibt ver-
sehentlich sieuJcunge an) und hestalcodc Heil.-l. 32, 40. Das wort ist eine
ableitung von subst. stalu, verb. stnlian '.ttehlen, verstohlen gehen'; da die
secundären verbalen Z;-ableitungen (häufig im mnd., liUcken h'Uen, lallekcn
lollen, runelcen runen, slirilccn sliren; grcneken, korken, hurkcn, neddckin,
sniddeken, vorsiilkken, vJenseken, wisierken) zumeist ursprünglichen mittel-
vocal zeigen oder voraussetzen, vgl. aus dem ac. heorcnian zu got. huusjun,
ieldctan, ckian zu ahd. cdtih (Kluge, Noni. st.- § 213), bedccian, fer{c)cian,
stenecian, slyfcciun, äswefecian, da ferner ws. ulalckin der brechung zu ea
entbehrt, wird *skdakD- bez. *stali(kü- vorliegen.
Endlicli gehört hierher das praeteritum von lacan 'spielen',
ae. kok gleich got. lailaik. Die form unterscheidet sich von den vor-
genannten dadurch, dass sie nur in der poesie erscheint (Sievers, Ags. gr.=»
§394, anm. 2), sowie dass sie einen langen, doch schon ureugl. gekürzten
vocal eingebü.sst hat. Im pl. Heläkun gieng der mittelvocal vor dem u
der eudsilbe in n, o über (Bülbriug, EB. §377b) und wirkte umlaut wie
in eofot; entwicklungsgaug *klucun >> '^kolucun >■ *kukun, dann kok.
Vgl. Brugmann, Grundr. 2, 1251. Streitberg, Urgerm. gr. s.330. Kluge, Pauls
Grundr. l», lUOS.
Dagegen vermag ich nicht zu entscheiden, ob auch äalc
und halca, wie Sievers, Ags. gr.^ § 80, anni. 3 vermutet, synkope
erfahren haben. Ae. dalc 'spange', im avs. belegt z. b. durch
ilalc ^Elfric gr. Zupitza 44, 3, daneben dolc in der hs. J ^A'rW.
313, 22, wie auch nie. äolc neben iMc steht, ist nach Kluge,
Pauls Grundr. P, 929 ebenso aus dem kelt. entlehnt wie an.
(/«7/iT 'tuclinadel, messer' nach Bugge, BB. 3, 99; andere halten
ir, dely, cjnnr. dal, com. delc mit der gi'undbedeutuug 'dorn,
Stachel' vielmehr für urverwant, vgl. genaueres bei IMikkola,
BB. 25, 74. Eventuell wäre also dolc und dalc sammt deutschem
dolch, älter tolcli, dolUch, dolcJc aus -hlolak, *doloIc u.s.w. ent-
standen. Von halca kenne ich nur den acc. halcan Boeth.
(hs. B) Sedgefield 37, 8, dessen a Avegen der dialektischen fär-
bung des textes allein nicht beweisend ist, vgl. beispielsweise
in derselben hs. allnnya 69, 30. Auch halc 'porca' WrW. 147,20
(porca, spatium inter duos sulcos Diefenbach) gleich aisl. halh-
'Scheidewand, ahteilung' (daneben aisl. ?>;V///./, vgl. finn. j)t'//.7ro),
schwed. huJk 'Scheidewand, rücken zwischen zwei furchen', nhd.
ZUR WESTGERM. GRAMMATIK. 49
hallxe ('wenn beim pflügen zwischen je zwei aufgeworfenen furclien
ein streifen ungerodeten bodens wie auf dem weinberg zwischen
den Zeilen ein freier erdraum liegen bleibt, gilt dafür . . .
... der name haVce'' DWb. 1, 1089) ist ohne beweiskraft, da im
gleichen glossar widerum mehrfach ungebrochenes a begegnet.
Die Synkope innerhalb der vorliegenden lautfolge ist auf
südengl. boden erst in verhältnismässig später, historischer zeit
eingetreten. Dies zeigt der umstand, dass ein wort wie seoloca,
in dessen sämmtlichen formen u mittelvocal war, nicht allein
?«-umlaut erfahren hat, sondern in texten des 10. jh.'s sein « (o)
sogar in der schrift noch aufweist. Hieraus geht nun zwar
bei dem gleichzeitigen vorkommen synkopierter belege nicht
hervor, dass der vocal damals auch in der gesprochenen spräche
überall noch vorhanden war. Aber abgesehen davon, dass ein
solcher Schwund nicht mit einem schlage noch in allen gegenden
gleichzeitig einzutreten pflegt, ergibt sich doch für den Vollzug
der Synkope eine erst kurz zurückliegende zeit, nicht lauge
genug, als dass die alten formen auch in der schrift schon
verdrängt wären. Hierzu kommt ein weiteres. Es ist für
synkopierungen von der art der vorliegenden charakteristisch,
dass die synkope, die zuerst natürlich die mittelvocale trifft
(vgl. Morsbach, Me. gr. § 74. Koeppel, Archiv 104, 63), sehr bald
auch auf die endsilben ausgedehnt wird; von einem Stadium,
wo orcl, pyrel neben se^erla, pyrlum bestehen, geht die ent-
wicklung schnell auch zu orl, pyrl u. s. w. über. Diese rasch
überwundene mittelstufe aber ist auch bei der gruppe Lluc-
noch zu verfolgen.
Die Lchdm. 2, 1 f. abgedruckte hs. der Lceceböc') stammt
nach Cockayne aus der ersten hälfte des 10. jh.'s., nach anderen
aus der zeit zwischen 960 und 980; sie ist copie einer älteren
vorläge und bietet gerade was die synkope angeht, noch einen
ziemlich altertümlichen stand (sie stimmt z. b. in der flexion
von micel mit dem älteren ws., Beitr. 30, 121, vgl. ferner
winestre 'links' neben ivinsire u. älinl.). Während nun die
wenigen formen des Boeth. (gioleca, siolocc, seolocenrd) etwa
[0 Die neuausgabe dieses textes durch G. Leonhardi iu Grein -Wülkers
Bibl. der ags. prosa 6, 1 ff. ist uubrauchbar, da sie Cockaynes text nur
selten in kleinigkeiten verbessert, an zahllosen stellen aber wesentlich ver-
schlechtert. E. S.]
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI, 4
50 WKYllE
die zeit widerspiegeln mögen, wo übeiliaupt noch keine synkope
yorlianden "war, liaben wir in der Liecebüc die flexion seoliic
10, IG. 106, 22, stoloc 50, 8, aber scolcc 50, 7. 358, 25 (in einem
Satze 56,7 seoiva mid seolce fcesie, smire Jionne mid Juerc
sccdfe nfan ond innan wr sc scoloc rofl^c), und dem entspridit
der formenbestand des häufiger belegten meoluc:
meoluc, meoloc, mm. und acc. 28, 8. 23. 32, 7. 3i, 12. 40, 19. 42, 5.
68,13. 108,22. 138,29. 188,11.13.14. 202,12.10. 218,24.27. 222,13.
266. 19. 272, 1. 19. 276, 17. 18. 292, 29. 302, 27. 308, 18. 310, 5. 320, 17.
338, 8. 340, 23.
meoke, geu. 354,2; dat. 36, 24. 54,7. 50,2. 58,11. 60,11. 64,25.
100,24. 128,3. 144,21. 22. 228,31. 272,2. 278,20. 292,27. 308,12. 312,1.
314,8. 318,4. 320,12. 15. 330,4. 11. 338,6. 346,8; (acc?) 358,24.
meolcum, instr. sg. (doch schon als plural aufgefasst: päm meolcum)
36,25. 218,22. 266,13. 268,18. 274,6. 292,5. 296,19. 320,15. 324,15.
328.20. 346,24. 354,9. 356,13.
meolccn, adj. 'von milch" 14,18; mylccn, subst. 'milchspeise' 142,14
(ableituug von meoluc wie z. b. bri/pcn 142, 15 von hrop).
In einem satze z. b. 320,11 hcicyl pära meolcc priddau
dcel pwre ivyrtc of päm meolcum, sccäd liivcüten mcla pcür on
ond etc pone hrtw cealdne and supc pä meoluc (dass der satz
eine Verderbnis enthält, ist hier gleiohgiltig), oder 270, 29 dö
on hüor sivCi on iv'in sicü on peorfc meoluc, $if pü pära
üderra näicper mehhc: 6'fpti on ivine ivyrce oppc on mcolce . , .
Die ausnahmen sind verschwindend; den 29 meoluc steht ein
mcolc 52, 13, den 41 meolcc, -um, -cn zwei mcolucc 102, 15
(dat.). 348, 1 (gen.) gegenüber. Diese regelmässigkeit in der
flexion von meoluc und seohic nun macht ganz den eindruck,
als entspräche sie dem spracligebrauche des Schreibers; in
anderen Wörtern herscht dagegen schwanken. Wenn 102. 4
scolcan erscheint, so ist dies sicher die form der lebenden
spräche, während ,^eolocan 38, 7 der vorläge entstammen dürfte,
und dasselbe wird von den oben citierten healocum neben
heulcum, holocum neben holcum gelten, werten, von denen
ich nicht nachweisen kann, ob ihr nom. healoc bez. holoc ge-
lautet hat.
Man wird hiernach kaum fehlgreifen, wenn man die süd-
engl. sj'ukope des mittleren u der grui)pe -lue- etwa in den
ausgang des 9. jh.'s, die zeit um 900, den Schwund innerhalb
der endsilben aber in den verlauf des 10. jh.'s verlegt (vgl.
ZÜB WESTGERM. GRAMMATIK. 51
den ganz älmlichen gang bei der synkope zwischen r und l,
Beitr. 30, 135 f., wo die erlialtiiDg der vocale vor dem 10. jli.
mehrfach bezeugt ist). Zwei belege für meole mit synkope in
endsilbe bietet schon der ja nicht nur dialektisch, sondern
auch zeitlich yon den übrigen aws. texten abstehende Orosius
(3, 26. 162, 7), in ^Ifrics Gr. und Hom. gehen meolc und meoloc
nebeneinander her (gelegentlich begegnet selbst meohice, -ece
Bibl. ags. prosa 1, Ex. 3, 8. 33, 3. Deut. 31, 20), und auch sonst
sind schriftformen wie mcoluc auch im 11. jh. noch nicht aus-
gestorben.
Gegenüber diesem südengl. formenbestande nun bietet das
angl. ein ganz anderes bild: überall tritt uns hier einsilbiges
milc, zweisilbiges v.i'dcum entgegen (vgl. die Zusammenstellung
der belege bei Bülbring, Anglia, Beibl. 11, 116. 117). Nicht nur
die north, denkmäler des 10. jh.'s haben müc und sCiuUcwi,
nicht nur der merc. Psalter des angehenden 9. jh.'s bietet müc
(über milc im original der Bedaübers. s. Deutschbein, Beitr.
26, 239), auch in den überhaupt ältesten quellen aus der ersten
hälfte des 8. jh.'s herschen diese formen bereits: mücmn in den
merc. Blickling-glL, thrimüci in des Northumbrers Beda schritt
De temporum ratione.') — Die 'unflectierte' form scheint leider
in dieser frühesten zeit nicht belegt, aller Wahrscheinlichkeit
nach war aber auch sie damals einsilbig; das darf man viel-
leicht aus einigen fehlschreibungen der alten glossare schliessen,
so wenn die Erfurter gll. 638 milcapuldr haben statt milsca-
puldr {milsc aus milisc wie mersc aus meoisc, ersc aus erisc
u. a.), oder wenn die Werdener gll., Kluge, Ags. Ib.- II, 22
dulcacidum simr milc schreiben statt smirmilsc, 'saure milch'
statt 'süsssauer'. — Das ergibt also folgenden tatbestand:
^) ^emilciga 'milchen, milch geben oder nehmen, säugen oder saugen',
deuomiuativum wie aisl. miolka und nhd. milchen {milchende Jcuh); thri-
milci sc. münath 'quia tribus yicibus in eo per diem pecora mulgerentur'
nicht als urgerm. '''-millii-\ia- verbaladj. zu tne(o)lcan 'melken' etwa wie
got. nncDidusöks 'unbestreitbar' oder ae. iivlfere 'zwiefach zugänglich', da
dann doch wol Schwundstufe (wie in yöfynde 'leicht auffindbar') zu erwarten
wäre, vor allem aber 'dreimal melkbar' zwar auf eine kuh, nicht aber einen
monat passt, sondern possessives compositum 'dreimilchig' (wäre urgerm.
*primeliiliia-\ das sich zu milc verhält M'ie pnfete 'dreifüssig' zu föt oder
bei Beda selbst thrilidi, das jähr, das drei monate des namens lida hat
zu L'iöa.
52 WEYIIE
Avälireiid das siulengl. formen -wie ,sColocan mit erlialtung des
mittleren u oder wie mcohw mit erlialtung- innerlialb der
eudsilbe noch im 10. und 11. jh., dem ausgaiige der ae. zeit,
aufweisen kann, ist für das angl. miJcum, ihrimllci schon im
frühen 8., milc sicher mindestens im beginn des 0. jh.'s belegt.
Ein solcher abstand von zweihundert und mehr jähren
lässt sich von vornherein schwerlich mit dem an anderen
fällen (vgl. abschnitt I. Beitr. 30, 95 f.) zu verfolgenden früheren
eintritt der synkope im angl. erklären. Aber wir haben auch
positive Zeugnisse dafür, dass auf angl. boden ein u der Stellung
J lue in der ersten hälfte des 8. jh.'s noch nicht geschwunden
war. Ganz absehen kann man hierbei von dem oben be-
sprochenen leolc, das zwar in südl. hss. der poesie und auch
in einem südl. gedichte wie der Gen. B begegnet (jedoch hier
neben forUc), seinem Ursprünge nach aber doch wol sicher
ebenso angl. ist wie die übrigen reduplicierendeu praeterita
dieser formation (vgl. Sievers, Ags. gr.» § 394, anm. 2; poetische
dialektentlehnung gleich mcedl und anderen), das somit für angl.
synkope nach Vollzug von «-umlaut ttnd ebnung ins treffen
geführt w'erden könnte, absehen auch von einem eigennamen
wie Alnca LV. 285 (vgl. Müller, Untersuchungen über die namen
des north. LV. s. 74), da das u der diminutivendung durch
formen wie Baduca (LV. s. 217. 228. 353) gehalten sein kann,
in denen synkope nicht eingetreten ist (vgl. Beitr. 30, 89):
aber durchweg heisst es in texten, die jenem milcum und
tlirimilci gleichaltrig sind, ituylocas Ef. 267, uilucas 1109; uiiiloc-
read Ep. 169, uuüncsccl 182, uuylucsccl Ef. 182; uihichqsu,
niluchesu, uylochaso Kluge, Ags. Ib.^ III, 53; ferner mit voll ent-
wickeltem w-umlaut, aber gleichfalls ohne synkope und natür-
lich ohne ebnung in den eher schon in die zweite hälfte des
8. jh.'s gehörenden CorpusglL: uuiolocas 542, tvioloc 594, wioloc-
read 496, uiolucscel 1487 (gleichgiltig, dass hier fälschlich das
ilvsse^6 Ep. 781 durch ein anderes wort widergegeben ist), dazu
u'ilocsccl 499.
Die folgerung ist also nicht zu umgehen, dass angl. milc,
milcum tatsächlich kein ii eingebüsst hat. Ob darum auch
die weitere, dass es einen bereits urgerm. einsilbigen stamm,
und sein / ein durch ebuung w'ider beseitigtes brechungs-Z^t
fortsetze wie das von Ep. 628 milcij) 'er melkt'? Ich glaube
ZUR WESTGERM. GRAMMATIK, 53
nicht; es bietet sich ein andrer weg, der in rücksicht auf den
oben ausgesprochenen grundsatz durchaus vorzuziehen sein
dürfte.
Beitr. 30, 95 ff. ist von mir, wie ich hoffe, der nachweis
erbraclit, dass bei der ae. synkope auf kurze tonsilbe folgender
niittelvocale vor l die qualität des vocals eine wichtige rolle
spielt: i schwindet weit früher als u. Beispielsweise das i von
neue ist schon vor der zeit des historischen ae. gefallen, das
u von Avs. swutole bleibt erhalten und fällt in ae. zeit über-
haupt nicht; der i-schwund von tjfla gehört dem urengl. an,
der «-Schwund von südengl. naf{o)la beginnt erst auf der
schwelle des nie. Wie zu erwarten, macht sich ein ähnlicher
unterschied auch in dem vorliegenden falle geltend.') Auch
das i der gruppe Clic ist, wie wenigstens für das angl. fest-
steht, schon in urengl. zeit synkopiert; in denselben Ep.-gll.,
die mälocread, mcilucscel bieten, heisst es sU^uiielci 842
i^hwaWia-] zur urspr. länge des mittelvocals vgl. oben über
leolc), oe^huuelci 709, suilcae 98; dem uilucas, umßucscel der
Ef.-gll. entspricht in gleicher weise silmelci 842, oeghuelci 709,
suilce 98; vgl. auch Cp.-gll. uuiolocas, ivioloc neben suelce 75,
suüce 238, ^ehwelci 1700, oe^lnvelce 1442. Und man darf nicht
einwenden, dass bei der synkope dieser formen die in manchen
Verwendungen vorhandene satzunbetontheit im spiele sei; ein
anderer beleg tut dar, dass dieselbe synkope auch hinter dem
hauptton galt, ja dass sie sich im angl. des 8. jh.'s schon auf
die 'unflectierte' form erstreckte; aus einer zeit, die von Cp.-
gll. ivioloc nur wenig abstehen kann, ist belegt celc 'kelch'
aus wgerm. ^ImUh gleich afries. tzilich, ahd. Tcelih (Pogatscher,
Lehnworte § 216; zum e auch Bülbring, Anglia, Beibl. 9, 293,
anm. 1), in dem Ortsnamen ceJcliyÖ 'kelchhafen' ('merc.-kent.'
or.-urk. Offas von 788, OET. Ct. 18,3 = Birch no.254; vgl.
auch Celcltyd in den "almost contemporary charters' Birch
no. 247 vom jähre 785 und 248 von 786), dazu der gen. celces
^) Hat derartiges schon Kluge ausdrücken wollen, wenn er Pauls
Grundr. 1^,1053 sagt: 'selbständig vollzieht das urengl. eine synkope von
i nach l . . / (unter den beispielen hici/lc, swylc, elcor), und er dann fort-
fährt: 'auch t(-synkope nach l kommt vor . . . ' (unter den beispielen ^eolca
aus *^eluko)?
54
WEYIIE
im meiv. Pj^aller (15,5) aus dem anfaug- des 0. jli.'s.') Noch
weiter zurück führt dann eiu blick auf die poetischen texte:
ein vers wie Beowulf 990 b Ixua pc on sivi/Ic staruö zeigt,
dass fürs angl. diese a-synkope in endsilbe bereits der urengl.
zeit angehört.
In den niditangl. dialekten fehlen einschlagende Zeugnisse
aus dem 8. jh. Im anfang des 9. war die synkope nach aus-
weis der in den kent. Urkunden begegnenden formen {'^Invilc
OET. Ct. 37, 35 (805—831), suilc 39, 14, cshuyke 39, 9, swclc
39,9 (um 831) gleichfalls selbst in der 'unflectierten' form
schon eingetreten, und es hindert nichts, sie auch für das süd-
engl. schon in vorhistorische zeit zu verlegen.
Als belege aus späterer zeit wären noch zu nennen die
alte entlehnung (Pogatscher § 115) pi/Jcc gleich me. pilclic aus
*2)iliJ,-{ö{n), ursprünglich lat. pdVicia (Pogatscher § 282. Kluge
in Pauls Grundr. 1^, 342)2), sowie elcor 'anderweitig, anders-
1) caelichjUi OET. Ct. 12, 2 = Bircli no. 201 in merc. or.-urk. aus der
zeit um 800 (vgl. in oopien Cdicluß Birch uo. 852. 35!^. 850 neben ('<Tlchj/de
387, Celchide 302, Cclchijld 577) ist mit seiner yocaleihaltung dagegen mi.sch-
form dureh einfluss der gelehrten entlelmung cah'c, wie R' avlic, bvJic
neben ccplc und (alic, Lind, ceelic neben ccvlc, calces, ccclce, ccrlcas und calic,
calica, vgl. auch YPs. celces und calic, calices, R- celc, calce und cctW".
Gelehrte entlehnung wie calic und uusynkopiert wie dieses ist auch ciUc
'ciliciunf Lind. Mt. 11, 21 (Pogatscher ^ 127), beide worte überdies ab-
weichend dadurch, dass das zweite c wahrscheinlich mit roniau. assibilierung
übernommen ist, Pogatscher § 357. 358. Bülbring, .Vnglia, Beibl. 9, 2l»3. —
Das dem merc. CekJiyö, Ca^lichf/Ö in der Chron. Parker-hs. 785 entsiirechende
WS. CeakhTjp scheint auf falscher Umsetzung ins ws. zu beruhen, 'kalkiiafen'
(ws. cealc, spätws. celc) statt 'kelchhafen'.
'^) Als ae. uormalform wird gewöhnlich, doch gewis mit unrecht, pilece,
mit mittelvocal, angegeben. Von den mir zu geböte stehenden belegen
bieten pylcan (pykca)t) .Elfrics Sigewulli interrogatioues 283 (Anglia
7,1 f.) und j)j/Zce .Elfrics gll. Zupitza 315,3 die reguläre form; beide male
begegnet eine Variante mit mittelvocal , dort pilecan in der bereits dem
12. jh. angehörenden lis. b, \\\^y piilccc; dios pi/lcce (= WrW. 328, 11) stammt
aus der mit keuticismeu durchsetzten hs. J (vgl. Bülbring, Anglia, Beibl.
11,92, anm.2), geschrieben um die mitte des ll.jh.'s., und dass der vncal
hier auf einer secundären entwicklung beruht, wie sie auch anderswo in
so weitem masse die alte synkopierung aufgehoben hat, lässt sich nicht be-
zweifeln, wenn man sieht, dass frühkentischem ilca (ilcan OET. Ct. 37, IG
[805-831]. 42,15 [837]; auch 45,36 [Surrey, 871—889]) in der dialektisch
ähnlich wie jene .Elfric-hs. zusammengesetzten hs. A der Benedictiuerregel,
ZUR WESTGEEM. GRAMMATIK. 55
wo(hm)' (beleg'e bei Klaeber, Anglia 27, 261) z. b. elcur Lind.
Lc. 5, 36. 37, falls (Kluge in Pauls Grundr. l^, 1053) gleich alid.
clichör und aus einem *elicor herzuleiten, das haplologisch aus
*eliltkör entstanden ist (vgl. Beitr. 30, 92). ')
Es ergibt sich also, dass die synkopierungsverhältnisse
eine zurückführuug von angl. müc auf ^miUh ebenso anstandslos
gestatten, wie sie der herleitung aus einem ^müulc entgegen-
stehen, das in urengl. zeit, etwa zwischen der periode der
brechung und des «-umlauts, synkope oder in frühae. zeit
nach ablauf des «-umlauts synkope + ebnung erfahren hätte;
dass wir zu der auffassung berechtigt sind, angl. milcnm des
8. jh.'s verhalte sich zu dem gleichzeitigen uilucas nicht anders
als WS. sicelc des 9. jh.'s zu seinem Zeitgenossen mioloc.
Der ansatz eines urangl. ''^miJik mag zuerst auffällig scheinen
und geeignet, den formenwirrwarr zu vergrössern; die erinne-
rung an den nicht minder auffälligen vocalismus von ws. mioloc
jedoch berechtigt zu der hoffnung, dass vielleicht im gegenteil
gerade von hier aus auch das zweite problem, das unsere
formen bieten, die frage, wie sich das i ihrer tonsilbe zu dem
e der urgerm. grundform verhalte, der lösung näher geführt
werden kann.
Dass ein urangl. *niüili nichts ursprüngliches darstellt, ist
klar; kein germ. dialekt bietet einen anhält für ansetzung
eines urgerm. "^mclik, "^milik, das zu ^'mcluh im ablaut stände.
Dagegen liegt es nahe, die Verschiedenheit des stammsilben-
vocalismus (urengl. '^mililc, *mihiJc gegen urgerm. ^meluk) in
geschrieben um 1000, häufiges ileca entspricht ; vgl. bei Schröer yleca 40, 9,
ylece 3-1, 9. 39, 6. 10, ilece 41, 3, ijlecan 27, 13. 35, 12. 17. 39, 6. 41, 4. 70, 16,
üican 4,9. 69,16. 22, ilicum 64,3; Aveitere belege a\is den übrigen hss. in
den Varianten und vgl. Sievers, Ags. gr.^ § 339. Von hier aus wäre also
nichts dagegen einzuwenden, wenn man iKllicia noch mit II entlehnt sein
Hesse; dass tatsächlich einfaches l und daher sj^nkope nach kürze vorliegt,
machen jedoch die von Pogatscher § 72 zusammengestellten parallelen
wahrscheinlich.
1). Doch könnte das daneben in normaler Vertretung von got. aljalcikös,
an. elh'f/ar ohne silben&chichtung belegte clUcor die ältere form darstellen,
aus der elcor durch secundäre sj-nkope nach länge hervorgegangen wäre
(Sweet, Stud. dict. verzeichnet ein einmaliges adv. ellcra), vgl. etwa die
spätae. synkope in pißc aus pyl{l)ic aus pyslic saramt der Zwischenstufe
Bibl. ags. prosa 1, Gen. 39, 10 piUum, Deut. 18, 12 pilcon neben Num. 22, 30
piUic und 11, 33 püic.
56 WEYHE
zusaiunienliang zu bringen mit der vocaldifferenz der urspriing-
liclien flexionsvocale des consonantischeu Stammes.
Als urgerm. paradigma haben wir anzusetzen: nom. ^luehd;
gen*mduke^, dat. (loc.) *mcluJci, mstr*mdukumi, SiCC*mchdu{m).
Während zur Weiterentwicklung von imiii. und acc. nichts zu
bemerken ist, bedürfen die drei übrigen casus einer näheren
erürterung.
Dass die wgerm. dialekte urgerm. auslautendes -c-, welches
später über -iz zu wgerm. -/ wurde, sowie urgerm. auslautendes
i (gleichgilt ig für uns, ob ursprünglich betont oder nicht) bei
Stellung in zweiter silbe ebenso behaiulelt haben wie ursprüng-
lich -b derselben Stellung, steht fest. Im ae. nom. pl. Jinyte
'nüsse' ans urgerm. "^Imutez ist das urspr. e (dann i) ebenso
bis in historische zeit gewahrt wie in ivine 'freund' aus ^iviniz,
im pl. ae. hcßc, bcc 'bücher' aus urgerm. "^höTicz ebenso erst nach
der umlautszeit geschwunden wie in Gcst, est 'gnade' aus ur-
germ. "^anstü] entsprechend dat. sg. hiyte aus urgerm. */niiiti,
dat. sg. böcc, hec aus urgerm. *5ö/.-/. Dagegen bleibt fraglich,
wie die wgerm. entwicklung in anderen als zweiten silben
verlaufen ist. Hier finden wir den vocal in den belegten
formen der einzeldialekte nirgends mehr vor, das einzige
kriterium für die zeit dieses Schwundes aber bildet (abgesehen
von ein paar alten wgerm. namen) das Vorhandensein oder
fehlen von einwirkungen auf den vocalismus der vordersilben.
In letzter zeit haben über diese frage gehandelt Walde, Die
germ. auslautsgesetze s. 120 f. 126 f. und van Helfen, Beitr. 28,
522 f.; beide gelehrte kommen zu dem Schlüsse, dass die ge-
nannten vocale in dritter silbe früher als in zweiter, dass sie
hier sicher vor der ae. umlautszeit gefallen wären. Danach
hätte urgermanischem *meluJie,i' und '"^mclnJci ein urengl. ^mehüc,
urgermanischem *mcluhi)ni ein urengl. *mcluJaim entsprochen.
Besteht diese annähme durcligängigen frühen Schwundes
in dritter silbe zu recht? Mir scheint es von vornherein zweifel-
haft, ob der hier angelegte massstab der silbenzahl allein im
Stande ist, apokopierungserscheinungen gerecht zu werden,
deren grosse compliciertheit i)arallelen historischer zeit klar
erweisen. Gewis ist bei apokopierungen die silbenzahl von
Wichtigkeit: aber bedeutet es nicht schon eine Verallgemeine-
rung, gerade von dritter silbe zu reden, wo vielfach auch die
ZUR WESTGEEM. GRAMMATIK. 57
vierte in frage kommt? Wo von vornherein wahrsclieinlich
ist, dass z. b. in dat. pl. ^haiibiatumiz gleich ae. heafdum 'den
häuptern' das i anders betont war und demgemäss hiutgesetz-
lich zu andrer zeit schwand als in *Jiofu)ni^ gleich ae. liofum
'den höfen', dass es in "^(tömnonpi gleich ae. demaü 'sie urteilen'
zu andrer zeit fiel als in *deron])i gleich ae. beraä 'sie tragen'?
Wo notgedrungen sich auch analogisclie ausgleichungen ein-
gestellt haben werden? Hierzu kommt ein weiteres: in den
controlierbaren apokopierungen speciell der hier in frage
kommenden wgerm. einzeldialekte (wo wir zugleich die starken
analogiewirkungen beobachten können) spielt die zahl der
Vordersilben an sich keine rolle; sie kommt in betracht als
ein die betonung mit bestimmendes element, dem jedoch als
gleichwichtig die quantitätsverteilung innerhalb der anfangs-
silben zur seite steht: ein urgerm. '■'raliiitö hat andere Schick-
sale als *Jiandi(ctö, das eine ergibt ae. reccd, das andere vielmehr
heafodu, vgl. im as. ivater 'wässer' (st. *watera-), aber nötüu
'rinder' (s. Holthausen, As. EB. § 153). In der tat macht denn
auch z. b. Walde solcher rücksichtnahme auf die accentuierung
Zugeständnisse, die seine sonstige regel direct durchkreuzen:
er wirft die frage auf, ob formen wie ae. (ws.) frund 'freunde'
nicht damit zu erklären seien, dass -i nach nebenton in dritter
Silbe ebenso behandelt wurde wie sonst nach zweiter.
Beschränken wir uns auf das ae., das unter den wgerm.
sprachen wegen der im vocalismus sichtbaren nachwirkungen
erhaltener i hauptsächlich in frage kommt, und mustern wir
das material mit rücksicht auf die quantitäten, so ist als
isoliertes, dem verdachte analogischer beeinflussung nicht aus-
gesetztes beispiel am ehesten gerade angl. milcum, ws. meolciim
zu betrachten. Wäre hier das i bis in die urengl. umlautszeit
bewahrt geblieben, so hätte es in ^'meluhumi mindestens das u
der voraufgehenden silbe umgelautet, und diese wäre über
-ym, -im zu -em geworden. In der flexion des singulare tantum
wäre angl. *mücem, ws. ^'meolcem nicht auffälliger gewesen als
das belegte -um, wäre also aller Wahrscheinlichkeit nach ebenso
wie dieses beibehalten worden.') Ganz gleich behandelt mit
') Bekanntlich ist eine endung -em im ae. tatsächlich belegt (Sievers,
Ags. gr.3 §293, anm. 2); Schlüsse auf die apokope lassen sich aus mmem,
pissem etc. nicht ziehen, da pclm und hwtem aus *pami, 'hwaimi daneben
58 WEYHK
mcolcum ist min eine andere, siclier lantgrsetzliclie bildung-,
der alte ^en. und dat. sg-. der .v-stäninie (Sievers, Ags. ^v?
§ 289); da bei den .v-stänimen mit teihveis erlialtenem r der
flectierten casus die langsilbigen in der melirzalil sind, bat der
gen. sg. angl. aüfur aus ^kalditzez, die dative wie düÄor, halor,
hrödor aus '^UtösU^i offenbar als lautgesetzlicb zu gelten, wäli-
rend der einzige kurzsilbige dat. si^or (dazu auch sulorc für
älteres *salor) ausser betracht bleiben muss (vgl. hierzu unten
den abschnitt E): danach ist in *mclnkumi wie in ^äösuzi das
i allerdings schon vor der ae. umlautszeit geschwunden. Der
parallelisnius der bildungen springt ins äuge; in einem falle
geht dem endungs-/ länge + kürze (_^^|2), im andern falle
zwei küren + kürze {^^^\i) voraus: zwei kürzen dürften
hier ebenso gleich einer länge gewirkt haben wie in dem
späteren rcccd aus *rccidu gleich word aus *icordii.
In den für /-Schwund dritter silbe vor der umlautszeit
geltend gemachten fällen stehen mm überall die folgen -^\i
(bez. v^wv^ I /) neben ^^\i. Schwund vor ae. umlautszeit an-
zunehmen ist nach dögor, mcolcum für die erste kategorie un-
bedenklich. So werden dat. pl. föiiun, nom. pl. hnnfan u. s. w.
lautgesetzlich entstanden sein, und in der tat weisen die alten
wgerm* dat. pl. mit /-Schwund in dritter silbe (Valrinis und
Ajlinis] dazu Saitchanüms) lange erste silbe auf. Dasselbe
wird nach massgabe von nom. pl. nwnaö 'monate', nrgerm.
*mmöpcz, auch für die folge |/ gelten (bei erhalt ung des i
wäre *mönc(!f zu erwarten, vgl. hofrede aus -ödi, Sievers, Zum
ags. voc. s. 19), so dass auch 3. pl. liclpad 'sie helfen' aus
"^hclpouj)! lautgesetzlich ist, während bei der folge ^-\i der
dat. sg., nom. acc. pl. ws. pcnd, fricnd für erhaltung des -i
wenigstens bis ins urengl. hinein ins gewicht füllt.')
stehen. Ebensowenig ist der ae. instr. sg. (vt Mafdum verwertbar, d.i ein
etwaiges *hcafdem stark der lunbildung nach dem opposituin cct fötum aus-
gesetzt war, das in eine andere kategorie gehört.
') Für erhaltnntr bis ins urengl. liiiu'iii. kaum dagegen für orlialtung
bis über die t-umlautszcit liinaus. Iteiin die annähme scheint unuingiing-
lich, dass diese beiden ursprünglich zweisilltigen consonantischen stamme
(wgerm. *fi-and- [-Und-] und *fn-iind- {-ond-], s. van Helten, Beitr. 15, 467 f.)
schon frühzeitig durch eintritt von contraction einsill)ig geworden sind,
wodurch urengl. ^f'nind- u. s. w. entstand, vgl. die ausführungen Bülbrings,
Anglia, Beibl. 9, 106. Die contraction des erst im Avgerm. aus urgerm. -y-
ZUR WESTGERM. GRAMMATIK. 59
Wie aber ist die folge ^w|^ lantg-esetzlicli belianclelt?
Formen wie nom. pl. hanan, dat. pl. hofum können für auf-
stellung einer regel nicht in frage kommen, da in diesen die
verschiedensten bildungen umfassenden kategorien der tj'pus
steorran, nafolan oder u'ordum, reccdum (ganz abgesehen von
formen wie nietnum aus *nautfmimü) verallgemeinert sein
kann. Dagegen haben wir nun eine anzalil consonantischer
stamme, die solchem verdachte nicht ausgesetzt sind. Die
vier Stämme "^alujh 'hier', ^magal)- 'Jungfrau', "^hali])- jup- ^mann,
held'') und */;/<?/«/.•- 'milch' weisen in den betreffenden formen
sämmtlich die folge ^■^\i auf; ihnen steht nur das eine '^mcuöj)-
'mond, monat' mit \i gegenüber, und da ferner der gedanke
an einwirkung der einsilbig langsilbigen wie ae. hoc, hcc auf
so einzigartige Paradigmata wie calu, caloä u.s.w. (vgl. unten)
für ausgeschlossen gelten kann, sollten wir, wenn irgendwo,
in diesen singulären bildungen spuren des lautgesetzlichen zu
finden erwarten. Hat aber der parallelismus von *mdu-lcwn{i)
hervorgegangenen -t- mit dem folgenden velarvocal ist nach ausweis von
ahd. fiant und genossen erst einzchlialektisch und gewis mit recht von
Eülbring in das frühe urengl. verlegt. Und da ein in späterer zeit auf ws.
boden eingetretener analogischer umlaut des dat. sg., nom. acc. pl. von ur-
engl. nom. *fmnd sehr uuAvahrscheinlich ist — man sieht die muster nicht,
denn das einzige göddönd, pl. göddcnd (Sievers, Ags. gr.^ § 28ö) kann kaum
in hetracht kommen ■ — , wird tatsächlich eine entwicklung von iirgerm.
dat. *fijondi über wgerm. '■'fi-andi zu urengl. ^-'fiundi anzunehmen sein;
*fitmdi fiel nun mit einsilbig-langsilhigeu wie dat. "^böki gleich ae. bec zu-
sammen und bewahrte wie diese sein -i bis zu der Wirkung des umlauts.
Als chronologische Schlussfolgerung würde sich daraus ergeben, dass bei
ungestörter lautlicher entwicklung auch formen wie 3. pl. beraÖ -< wgerm.
*heranpi ■< urgerra. *bero)ipi, mit urgerm. kurzer erster silbe (zweifelhaft
dagegen, ob auch solche wie JieJpaö aus u)'germ. *]idponpi oder pl. mönaö
aus urgerm. ^maidpcz, mit urgerm. langer erster silbe) ihr -i bis in die
zeit jener frühurengl. contractiou bewahren mussten und erst zwischen
dieser zeit und der periode des j-umlauts apokope erfuhren.
1) Einen nom. *halep setzte Platt, Beitr. 9, 368 au (-?_/) mit dehnstufe
des nom., M"ie er auch ae. ealo von *alrip ableitete), andere gelehrte (z. b.
Kluge, Et. wb.'^ s. Jiehl und Pauls Grundr. 1^, -1:22) giengen dann auch für
die obliquen casus des ae. Avortes Ünvleö, -a, -um) von *Jicdrp- aus, um das
CB der tonsilbe zu erklären : entbehrlicherweise, da wie Sievers gezeigt hat,
die im germ. tatsächlich belegten ablautsformen '^halup, *hahp {-ip im
ae. bezeugt durch hdibum Leid, räts., worauf Dieter, Jahresber. 20, 196
aufmerksam machte) zur erklärung genügen ; vgl. auch unten.
60 WEYIIE
iiiul *fTö-xu^(i) einerseits, von ae. rccc(l{(t) nud i(ord(i() gegen
falu andrerseits iiberliaupt irgendwelche beweiskraft, so kann
man im liinblick anf gen. dat. sg. höc aus *Mlcez, *böJci neben
hnytc aus *hnutc2, Vinnti, über die theoretische construction
der Weiterentwicklung von gen. ^meluhez, dat. *meliiki nicht
im zweifei sein: man wird annehmen, dass nach zwei kürzen
so gut wie nach einer länge das (im dat. urgerm., im gen.
aus urgerm. -ez entstandene) i bis über die zeit des nrengl.
Umlauts erhalten blieb und erst dem gleichen apokopierungs-
gesetz zum opfer gefallen ist, das aus urgerm. *anstü, ae.
wsf, est hervorgehen Hess. Die urgerm. flexion von *mchik
wäre dann im urengl. in folgender weise erhalten geblieben:
nom. *meluJi, gen. dat. ^meJulii, instr. ^mehihim, acc. *meh(lH.
Hier steht h3i)othese gegen hypothese. Wie gesagt, be-
ruht jene annähme durchgängigen, schon vor der urengl.
umlautszeit eingetretenen 2 -Schwundes in dritter silbe auf
Schlüssen, die lediglich aus der lautgestalt der voraufgehenden
Silben gezogen sind (vgl. z. b. auch Kluge, Pauls Grundr. 1-,418:
'urgerm. aluj), halcp, menüj) als locat. sg. zu den consonant.
Stämmen alujj-, hcdejj-, menöj)- [umlautslose dat. sg. ae. eahö,
mUnad] anzusetzen ist möglich'). Haben wir dagegen aus-
sieht, mit unsrer annähme gerade sonst unerklärliche besonder-
heiten im vocalismus der vordersilben begreiflich zu machen,
so dürfte die innere Wahrscheinlichkeit des ergebnisses zugleich
für die richtigkeit der prämissen zeugen.
Welche Wandlungen musste im laufe der engl. Sprachent-
wicklung eine form "^meluJci erfahren? Hier zeigt Sievers den
weg, der ja durch den nachweis weitgehender Scheidung von
etymol. eu und iu jeglicher herkunft innerhalb der ae. dialekte
(Beitr. 18, 411. Zum ags. voc. s. 26f.) eine genaue vergleichung
des ae. materials mit dem der anderen germ. sprachen in fragen
wie der vorliegenden überhaupt erst ermöglicht hat. Zum ags.
voc. s. 32 bespricht dieser gelehrte die angl. nachkommen von
urgerm. *sehun 'sieben'. Er constatiert, dass der (nord-)north.
dialekt von Li. mit seinem scofo constant e- vocalismus, der
(süd-) north, dialekt von R'^ mit seinem siofo (vgl. auch sifu
in der copie eines dem anfang des 8. jh.'s angehörenden north.
Originals bei Napier, OE. gU. iio. 54) und der merc. von Ep. Cp.
mit S2Z<!(w- constant i- vocalismus aufAveisen. 'Die erklärung liegt
ZUR WESTÖERM. GRAMMATIK. 61
auf der liaud. Zu gründe liegt offenbar ein alter weclisel
*sedun- : *sidin- (ansgegiiclien zu "^sehun- : *sidun- = ags. scofini
: siofun), sei es nun dass dieser auf eine art secundärer suffix-
abstufung zurückgeht, oder etwa mit dem Wechsel unflectierter
und flectierter form {*sediin, flectiert *sidim) zusammenhängt,'
Unter den beiden hier zur wähl gestellten erklärungs-
müglichkeiten für ^sidin- wird man von vornherein geneigt
sein, diejenige vorzuziehen, die nicht auf secundären suffix-
wechsel zurückzugreifen braucht, sondern rein lautliche ent-
wicklung annimmt: ^scbuni zu ^slljini. Ist ein derartiger
Übergang im ae. an sich wahrscheinlich und durch anderweitige
belege als lautgesetzlich erweisbar?
Da dürfte denn zuerst sicher sein, dass für die entstehung
eines ""siTjini aus ""seduni der gewöhnliche regressive i-umlaut
nicht in frage kommen kann; die annähme ist so gut wie
ausgeschlossen, dass das end-i allmählich die voraufgehenden
consonanten und vocale palatalisiert hätte, erst "^sebyni, dann
mit entrundung *sedini entstanden und daraus etwa zur selben
zeit *sidmi hervorgegangen wäre, wo urengl. ^fcedira 'patruus'
(gleich frühae. fcedra mit sj^nkoi^e) aus *fa(Uria, älterem *fa-
äyrm, *faäurio erwuchs. Denn die entrundung eines derart
entstandenen ij ist innerhalb des urengl. ein so junger Vor-
gang, dass eine von solchem / ausgegangene Wandlung voraus-
gehender e- laute zu i auf keinen fall mit dem alten, wol ur-
wgerm. (zum hohen alter des entsprechenden Übergangs in
lehnworten wie ahd. hirsa, ae. ciris- s. Pogatscher, Lehnworte
s. 78f.) Wandel in fällen wie a.M. ist 'er ist' aus urgerm. *e5^^
in parallele gestellt werden kann.
Dagegen ist nun schon des öfteren bemerkt worden, dass
auch andre wgerm. dialekte in urgerm. lautfolgen der art von
'^scdimi- ein auffälliges i an erster stelle aufweisen; man hat
daraus auch weitere Schlüsse gezogen. So setzt Siebs, Pauls
Grundr. 12, 1197 als wgerm. flectierte grundformen für die afries.
zahlworte vier, sieben und neun *f}^uri-, ^s'ibuni-, *nisuni- an,
während urgerm. *fe^nri- u.s.w. galt, und Kluge sagt ebda.
s. 488: 'das i des ags. nison, ?^s. ni(ßin (Sitries. nkigun) erklärt
sich aus einem wgerm. flectierten nisuni neben nc$un! Mag
nun das wort für neun vielleicht als unsicher ausscheiden, da
das s erst nach der entstehung von "^niimi aus ^neutii auf-
62 WEYIIE
gekommen sein kann (hierüber zuletzt iloltliansen. Archiv 107,
381), so Avird die hier vertretene aiift'assiing- für die beiden anderen
zalilworte dag;e,i;en noch durch as. sihioi nel)en sctun gestützt,
indem mau aucli hier das i lieber mit Bülbring, Eß. § 23G
aus *sidi(ni ableiten, als es mit Kögel, IF. 3, 280 für ein er-
gebnis satzunbetonter Stellung halten wird (für die annähme
analogischer Umgestaltung von "^'scdioii zu '^sihiini neben *setim
nach "^niiüii neben '^nciiu bietet weder der ae. noch der as.
formenbestand einen anhält).
In der tat würde sich nun ein Übergang von urgerm,
*scbuni in urengl., urfries., uras. *sifjum olme scliwierigkeit
anderen lautwandlungen der gleichen dialekte anscliliessen
lassen. ]\ran braucht nur anzunehmen — und diese annähme
hat vermutlich auch die bisherige praxis schon bestimmt —
dass in der lautfolge c + silbisches n -\- i (oder /) das e
ebenso und wol zu gleicher zeit auf das niveau der folgenden
yocale gehoben worden w'äre (vgl. über diesen Vorgang Sievers,
Phonetik^ § 76G), wie in der folge c + tautos3ilabisches u -\- i:
'"^scduni zu ""'sidimi wie *teiiJiis 'du führst, ziehst' zu '■tinhis.^)
— Wann der Übergang von cu zu iu stattgefunden hat, ist
nicht ganz sicher. Darf man den fränk. namen des G. — 7. jh.'s
glauben schenken, die für urgerm. cu noch cu (eo) haben
(Braune, Ahd. gr.- § 47, anm. 1), so hat er erst im einzel leben
der wgerm. dialekte platz gegriffen, und in dieselbe zeit, also
z. b. das frühe urengl., wäre denn auch die ev. entstehung von
*sidu7ii zu verlegen.
') Dagegen z. b. früliae. steiq)(su)nt) mit eu wie feht{spysci) mit e—ti.
Für die gleiche bebandluug vou e + ii + i und eu + i fehlt es im geim.
nicht an parallelen. Urgerm. ei wird zu u (später 7) wie e + i zu i + i:
urgerm. '^stei^ö gleich gr. axit/u) zu *slii^ö (später *s/T^ö, ahd. stigu 'steige')
wie urgerm. *ivell~ gleich lat. rchs zu *(r//L', ahd. wili 'du willst'; oder,
was noch näher liegt, ahd. 'fcltt wird zu filu 'viel' wie ahd. (obd.) */eHp
zu liiq) 'lieb'. In *sebuni wird also das u höhere Zungenstellung gehabt
haben als in *sil)un; genauer zu untersuchen bliebe, üb auch im ahd. der
Übergang von e zu / vor germ. ;< in ursprünglich dreisilbigen Wörtern von
dem vocalismus der dritten silbe abhängt (ebur aus *ebura- gegen bibar
aus *bebru, sicehur aus *swehura- [vgl. frühae. pl. suehoras'] gegen swigar
aus *sice^^)u etc.?), vgl. den o-umlaut von unsilb. u in htotan ans *bni(lan,
auch in halo aus *baloa-, genii. ^f'uhui-, Jellinek, Zs. fda. 36, 2G8. Sievers,
Phonetik a. a. o.
ZUE WESTGEUM. GEAMMATIK. 63
Sehen wir uns nun nach etwaigen weiteren heispielen für
diese lautentwicldung um, so bleibt zu berücksichtigen, dass
die urgerm. hiutfolge c — u — / an sich nicht häufig ist; andrer-
seits zeigt sclion das paar urgerm. *sedun, *scluni, dass nicht
in allen et3'mologisch zusammengehörigen formen auf e — u
noch ein i folgte. Wir können daher nur auf wenige beispiele,
und müssen auch bei diesen auf manche Störungen rechnen.
So hätte ja urengl. '-^siduni bei lautgesetzlicher entwicklung
nach der zeit des /-umlauts zu dem von Sievers vorausgesetzten
*sidini führen müssen. Dieses ist nirgends belegt, und das
überlieferte material verrät nicht, ob ein '^sidinl unter dem
einfluss der untlectierten form zu *sil)uni rückgebildet ist oder
ob die unflectierte form das eintreten des umlauts in der flec-
tierten überhaupt verhindert hat.
Als nicht ganz sicheres beispiel aus dem as. und afries.
sei Hei. M 4918. 4928. 5265 fiteriun gegen C fdcron, dazu das
denominativum afries. fiieria genannt: as. afries. '^'fituria- neben
*fetura-, vgl. aisl. ßgiurr, ae. fe{o)tor\ nicht ganz sicher wegen
des überlieferten as. e als mittelvocal (das e von afries. fderia
kann i-umlaut von « sein; vgl. afries. federia, fidiria gleich
ae. fcedra, ahd. faturco, aind. piiyvija-)^ das jedoch bei fiteriun
ebenso auffällig wäre, wollte man von urgerui. "^fdcra- neben
^fetiria-, "^fitiria- ausgehen. Aus *fetaria- ist fiteriun ohne
annähme secundären suffixwechsels nicht ableitbar.
Im ae. kann midmesi aus urgerm, *meäu7nista- neben ae.
one{o)duma u.s. w. für ebenso lautgesetzlich gelten wie lcei(e)-
mest aus ^latiumstu-\ ein lautgesetz könnte man auf keins von
beiden bauen, da Icet und midd (urindog. ^medhio-) daneben
stehen; vgl. ahd. mlttamo, dessen tt mindestens aus mitti stammt,
Paul, Beitr. 6, 201, anm. 1.
Sicher dürfte dagegen der folgende fall sein. A.&. frido,
synonymum von ^~i fernes, z. b. slo ofermiclo friclo 'übermässige
essgier', ist durch synkope aus "^fridlu entstanden, vgl. Beitr.
30, 121. Es stellt ein adjectivabstract dar von der art von
ahd. ubarclicdi 'übermass im essen', uhartrunchaU 'übermass
im trinken', und das alter des in der gewöhnlichen spräche
vermutlich häufigen Wortes geht schon daraus hervor, dass es
seiner bildung nach im ae. allein zu stehen scheint. Wie ahd.
uharchali einem ae. oferetol entspricht, setzt nun "^fricilu ent-
64 WEYHE
weder ein *frccul voraus, das seinerseits Weiterbildung zu ae.
free 'begelirlicli, gefrässig', alid. frech, aisl. freier ist wie ae.
])iccoJ, ]>ijnno] zu ])>cce und J>i/>nie, oder "^freluhn- ist früh nach
anderen mustern unmittelbar zu *frela- gebildet worden. Die
annähme eines ui'sprüngliclien "^f'rikil- ist hingegen dadurch
ausgeschlossen, dass adjectiva auf -il im germ. nicht productiv
sind (Kluge, Nom. st.^ § 190; über eine secundäre Verwendung
im an. — genyilhc'ma im ersten compositionsglied gegen ggmjuU
— Hj. Falk, Beitr. 14, 40; über ascliw. gönicl und athnggil
Karsten, Nominalbildning 2, 97). Entwicklungsgang also: wgei-m.
*fyelidin-, im früh-urengl. *fril:nh-, im spät-urengl. mit umlaut
*frilil-, erst in bist, zeit mit sj^nkope frido. — Das / von
spätnorth. fric 'vorax' Li. Mt. 11, 19 statt sonstigem ae. free
beruht offenbar erst auf secundärer Übertragung gerade aus
formen wie friclo, wo es lautgesetzlich war.
Nur auf dem hintergrunde des gleichen frühen lautwandels
vermag ich ferner die ae. und afries. formen des Wortes für
Silber zu verstehen. Der stammvocal dieses Wortes geht in
ae. texten, die etj'uiol. eu und in scheiden (Sievers a. a. o.), teils
auf altes e, teils auf i zurück. In dem north, dialekte von
Li. herscht c: sculfrcs J. P. 188,9. P. 188,10 (nicht beweisend
suHfre J. P. 188, 5, sulfre Mt. 10, 9); ebenso in dem zugehörigen
stoffadjectiv seol ferne Mt. I 22. 5. Desgleichen im Eit.: scolfre
24, 18, seol f eres 81, 17 (nicht beweisend auch hier formen wie
sulfcre 4, 3, sidfer hl, 9). Ebenso durchgehend bieten dagegen
im WS. die übereinstimmenden belege der hss. C und H der
CP. io : siolofrcs 268, 4 = siolufres 269, 4, siolfor 368, 13 =
siolfer 369, 13. Derselbe Wechsel kehrt im fries. wider. Nach
Siebs, Pauls Grundr. 1-. 1196 weist das wort hier formen mit e
und mit i gleichfalls in dialektischer Scheidung auf, von denen
die mit e (selover, selver, selvir) auch afries. belegt sind.
Die et3'mologie des Wortes, das seinem baue nach in ae.
heolfor, helabr eine parallele hat, ist bekanntlich leider dunkel,
annähme von entlehnung aus anderen iiidog. oder nicht indog.
sprachen unsicher; eine aufkliirung über den ursprünglichen
tonvocal fehlt also vorläufig von dieser seite. Aber die engl.-
fries. formen scheinen mir doch einen genügenden anhält zur
beurteilung zu bieten. Der t-vocalismus kann nicht zufällig
iu den beiden schwestersprachen widerkehren; dem ausätze von
ZUR WESTGERM. GRAMMATIK. 65
ursprünglicliem / stellt er ein kaum zu überwindendes liindernis
entgegen.
Die north, formen mit eo, eu hat Luick, Archiv 107, 415,
anm. 1 durch die annähme 'umgekehrter Schreibung' aus dem
wege zu räumen gesucht (geschriebenes seolfre statt gespro-
chenem sulfre, wie seolf 'selbst' neben sulfne stand); aber der
Urheber dieser gewis geistreichen Vermutung wird sie sicher
selbst nur als notbehelf ansehen: notbehelf schon deswegen,
weil die Schreibung eben gleicher weise in zwei verschiedenen
texten und in mehreren belegen auftritt, i) Dass im ae., wo i
selbst durch folgendes a unbeeinflusst blieb (vgl. Sievers, Zum
ags. voc. s. 33), das e aus einem von u, o gefolgten i entstanden
wäre, ist natürlich ausgeschlossen. Ebensowenig aber kann
man, so viel ich sehe, auf diesem wege mit afries. selover
fertig werden. Auch im afries. wird natürlich ein i vor u
nicht zu e (ein vereinzeltes to hiselceriane, van Helten, Aofries.
gr. § 10, ist ohne gewicht), wie es ja denn in dem ältesten
afries. texte, der allein noch unsynkopiertes selover bietet, stets
siliur, sikurade etc. heisst. Nun steht allerdings in selover
kein u, sondern o, und es scheint fast, als hätten van Helten
und Siebs a.a.o. ihre annähme eines Übergangs von i zu e
auch vor o einzig auf selover gebaut {fretho kann wegen des
daneben stehenden fretJia nicht in betracht kommen). Aber
auch dieser ausweg ist abgeschnitten: seit Axel Kocks schöner
und überraschender entdeckung (Beitr. 29, 179 f.) wissen wir,
dass die entstehung dieses o umgekehrt das Vorhandensein des
e bereits voraussetzt, dass das auch etymologisch ja auf u
zurückgehende o von selover erst durch junge Wirkung der
vocalharmonie aus ^selnver entstanden ist (ebda. s. 184. 191 f.).
So scheint mir in der tat nichts anderes übrig zu bleiben,
als für das afries. wie für das ae. und das germ. überhaupt e
als den ursprünglichen laut gelten zu lassen, der durch das i
von got. siliihr, aonfrk. silver, ahd. süabar, silihar (mit assi-
milierung des M teils an das svarabhakti-a, teils und seltener
an das i der ersten silbe) lautgesetzlich vertreten wird. Gleich-
*) Auch daran darf erinnert werden, dass nach den glossaren von Cook
nnd Lindelüf in Li. hei seolf nur ein einziges sulfne mit u gegen 95 formen
mit eo, im Rit. hier aber überhaupt keine «-form belegt ist.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. k
OG ■vrEYiiE
falls e-vocalisnuis nimmt, ohne niiliere begründiiiic:, übrigens
auch V. (irienberger an in seiner etymologischen deutung,
Unters, z. got. wortkunde s. 180.
Der Avechsel von Li. senlfrcs und CP. siolofrcs wird nicht
anders zu ei'klären sein als der von Li. scofo und Ep. sibun-,
von and. scdioi neben sidim. Neben urgerni. ^seluTjra- stand das
stofl'adjectiv *seli(hylna-, vgl. got. siluhr, siluhreins, ahd. silahar,
süherln, and. sihitar, siludrin, ae. scolfor, sylfrcn, afries. sclvir,
selvirn] ausserdem gab es andere ableitungen mit 2- haltigem
Suffix, wie ae. syJfrin^, ahd. süaharlinij 'silberling' oder das
denominativum 'versilbern', vgl. ahd. iihersilhcrtiu, (jcsilhetiun,
ae. hesißfran, aonfrk. fcrsilucnkro. So mussten nach lautgesetz-
licher entAvicklung in den wgerm. dialekten nebeneinander
stehen *seliibrn-, *süudrma- '^{bi-)siliidnan, *silutjringa-. Der
Wechsel des stammvocals je nach dem vocale der dritten silbe
und ohne merkbare tangierung des mittelvocals war jedoch
etwas derart singuläres, dass sich ein gefühl für den Zusammen-
hang des lautAvechsels mit der functionellen Verschiedenheit
nicht herauszubilden vermochte; *scludra-, *siluVrina- konnte
unmöglich als auf einer linie stehend mif '■•-^oljui-, *giilj)hia-
'gold, gülden', *crpU; ^irjnna- 'erde, irden' empfunden werden.
Wie bei *stl>iin, *sidimi entledigte sich die spräche des an-
scheinend willkürlichen wechseis, indem sie eine der beiden
vocalstufen durchführte; sie konnte das um so leichter, als
auch von anderen Stoffbezeichnungen adjectiva auf -Ina- ohne
Veränderung des stammvocals gebildet wurden wie ae. stocccn,
siveflen zu siocc, sivefl (Sievers, Beitr. 27, 208), ahd. crdln, fcllln
zu erda, feil (Braune, Ahd. gr.2 § 30, anm. 1), derart, dass auch
hier subst. und adj. im vocalismus vollkommen übereinstimmten.
Die ausgleichungen vollzogen sich in verschiedener weise.
Das and. des Hei. verallgemeinerte die /-formen: sihtdar wie
sihtyin. Ueber die Scheidung von c und i je nach den dia-
lekten im fries. s. Siebs a.a.O.; mit afries. scluir stimmt das
adj. scluirn im vocalismus überein.
Im ae. wären nach eintritt des /-umlauts und vur eintritt
der synkopierungen nach kurzer silbe und des «-umlauts, als
ideale fortsetzungen der alten formen zu erwarten subst. *seh(dr,
adj. *silidym, denom. *silibr{i)an. Dass im north, dialekte von
Eit. und Li. die e-stufe erhalten blieb, zeigen die angeführten
ZUR WESTGEEM. GRAMMATIK. 6l
belege; entsprechend das ^dj. scolfern wie afries. 5e?i??Vn. <) Im
merc. des VPs. scheint umgekehrt die i- stufe durchgeführt.
Der gegensatz von VPs. seolfur, seolfrcs, seoJfre und hcsifrede
(67, 14) wird am ehesten verständlich, wenn man von ^silut»;
*bisüidr{i)an ausgeht; das unvollständig überlieferte hesifrede
ist sicher als hesilfrcde zu nehmen. Dazu würde stimmen, dass
in dem von R' repräsentierten merc. dialekte die stufe *silidr
auch ins nomen übertragen zu sein scheint: das y von sylfiir
10,9 kann mindestens auf i zurückgehen, vgl. ryft 'mantel'
27, 28 etc.
Wider anders verlief die entwickluug im ws. Das für die
ur-Cura anzusetzende siolofr, siolfor hat in dem seolfrcs, seolfre
des Or. seine reguläre fortsetzung, und scolfor ist auch die
normalform des späteren ws. Adj. und denom. fehlen in CP.,
im späteren ws. finden wir als normalform sylfrcn, sylfrms.
Für die erklärung dieses y nun dürfte es bedeutungslos sein,
dass der Or. formen mit mittelvocal wie ofersylefrcdan 138, 31,
ofersylcfrcde 146, 23 neben sijlfrene 216, 2 bietet; das sind gegen-
über der schon in CP. belegten sj-nkope des u doch wol reine
Schrift formen. Man wird für sylfrcn kaum von "^silidrln aus-
zugehen brauchen, derart, dass das y des Or. auf i zurück-
gienge wie in den aws. belegten synrceden oder symle (Cosijn,
Aws. gr. 1 § 35,5); im Süden formen zu finden, die wie diese
eine lautlich vollkommen ungestörte entwicklung aufwiesen,
dürfte schwer fallen, es käme wol nur gelegentliches silcen
(z. b. silicen) Napier, OE. gll. 1, 462, silcen[re) Zs. fda. 9, 417, 37)
aus *silicin neben ^siluc, scoloc und angelehntem seolocen, seolcen
in betracht. Dagegen kann z. b. die beurteilung eines y nicht
zweifelhaft sein, das dem stammvocal von sylfrcn conform sich
in dem stoffadjectiv hyrten zu heorot, heort 'hirsch' findet (Gen.
liyrtcncs Ijchdm. 1, 216, 15 H gegen heortenes der übrigen hss.).
Wie die in sämmtlichen dialekten belegten alten formen zeigen
(vgl. Jordan, Die ae. säugetiernamen s. 183 f.), ist im ae. bei
dem stamme Vieruia- eine form ohne mittelvocal, wie man sie
für ahd. hir^ voraussetzt, nicht vorhanden, eine zurückführung
1) Die runeninschrift des bleirings von Coquet Island, Nortlmmberlaud
(OET. s. 128) ist nicht verwertbar ; ob etwa in andern north, dialektgebieten
die «-stufe verallgemeinert war, vgl. R^ siofo gegen Li. seofo, ist vom ae.
aus nicht zu entscheiden.
5*
G8 WEYIIK
von hyrtcn auf *hicr(cn mit brecliuiifr daher unmöglieli. Andrer-
seits ist es bei der Seltenheit des adjectivs, für das auch Jordan
nur den einzigen angeführten beleg beil)ringen kann, so gut
wie ausgeschlossen, dass altes *hiruHn, *hir{})tm sich erhalten
hätte; das durchs subst. rückgebildete oder erhaltene *herutln
liegt in heortcn vor. So kann hyrten sein y nur auf analogi-
schem wege erhalten haben, derart dass nach der sjiikope
von heorot zu hcort auf grund anderer muster ein hyrtcn neu-
geschaffen wurde, wie etwa neben hcorte 'herz' das verbum
hyrtan stand; lautlich war ja brechungs-ro mit dem durch
?<-umlaut entstandenen vollkommen identisch, vgl. dass in der
Lsceböc htorotcs 'des hirsches' neben hcortes (Lchdm. 2, 120, 26.
282, 1), ebenso aber auch lustiger weise heorotccc, Morotece
'herzweh' (60, 11. 14) neben hcortece steht. So wird man denn
auch am einfachsten ws. sylfrcn, hesylfran, sylfrinj als neu-
bildungen zu s^'ukopiertem scolfor, ihr y als normalen (ana-
lugischen) umlaut zu co auffassen; wenn das y schon im Or.
erscheint, so sind auch aws, schon formen wie syhd, üsyldan
belegt (Cosijn a. a.o.).i)
Während nun bei seolfor die etymologie im Stiche lässt,
steht für ein anderes ae. wort die urgerm. lautfolge e—u — i
etymologisch fest. Got. fairgani 'berg' hat nach kelt. {F)Er-
cynia, aisl. Fjgryyn, vgl. lit. Ferhinas, ebenso wie der ahd.
wald- und gebirgsname Viryunnia, Viryuuna altes e der ersten
^) Gegen den hier angenommenen e-vocalismus in silbcr scheint das
an. silfr (nicht siolfr mit ?<-brecliung) zu streiten. Für annähme eines ab-
lautenden *silibra- wird man sich bei der uukLaren natur des suffixes (falls
es überhaupt eins ist) kaum auf ae. helostr neben got. huh'str, ac. heoloÖ-
hehn, ahd. heloihelm neben as. helidhchn, an. Jmh'dsJijalnir, ac. ^eloslr neben
^illistr u.dgl. berufen dürfen. Dagegen scheint es unbedenklich, an. silfr
als lelunvort aus einem ostgenn., ev. auch aus einem wgerm. dialekte auf-
zufassen, in dem das wort i besass. Die sache ist ja den nordleuten sicher
von Süden her zugeführt; silber kommt nach Sophus Müller, Nord, alter-
tumskuude 1,4.jG in funden aus der broncczeit nur in Südeuropa und Asien
vor und erscheint im norden erst (ebda. 2, 55 f.) in rümi.scher zeit, also dem
1. bis 3. nachchristl. Jh., und aus dem 4. jh. kennen wir bereits das got.
silubr, dessen i weit älter sein kann. Zur mögliclikeit von entlehiiung aus
dem ostgerm. vgl. Thomsen über got., wahrscheinlich gerade in die ersten
jhh. uusrer Zeitrechnung fallende entlelinungen ins finnische, lieber den
einlhiss der germ. sprachen auf die finnisch -lappischen s. 123 f. Auch aisl.
järn hat man bekanntlich als (kelt.) lehuwort aufgefasst.
ZUR WESTGERM. GRAMMATIK. 69
Silbe. Seine entsprecliung- findet sich im ae. als erstes com-
positionsglied in poesie wie prosa, und zAvar erscheint es auf
angl. gebiet in der ersten hälfte des 8. jh.'s als firghi- (Ep. Ef.
560 firgingactt, Leid. 49 firsivgata, vgl. Ahd. gll. 1, 496, 32 firy-
sin^attam), in späteren südlichen hss. als firsen- und fyr^cn-
(s. Bosw.-Toller, dazu auch firinssät, fyren^ähwi, fyregäte; vgl.
über die hier vorliegenden späten Wandlungen innerhalb der
zweiten silbe Jordan a.a.o. s. 142, wo auch weitere belege). i)
Bei diesem worte, wo altes e der ersten silbe sicher und sufflx-
ablaut ausgeschlossen ist, werden wir, glaube ich, direct zu
der annähme genötigt, urgerm. *fersu)ii{-a, -o) sei im frühen
urengl. (oder noch früher, s. oben) zu ^firsuni- geworden; im
angl. führte *ßrgimi- nach Wirkung der brechung und ebnung
sowie des /-umlauts {-yni, entrundet -hii) zu dem überlieferten
fir^in-, im ws. entstand aus *firguni- mit brechung des ton-
vocals und primärem /-umlaut des « vorerst "^fiur^in-, woraus
dann nach eintritt desselben secundärumlauts, der z. b. das (b
von cemergc gleich aisl. emiyrja hervorrief, *fier^en- erwuchs,
die grundform der überlieferten späteren firgen-, fyrsen-.
Wollte man dagegen annehmen, die urengl. form hätte noch
wie die urgerm. *ferjuni- gelautet, so würde man frühangl.
statt firgin- vielmehr fergin-, mit ebnung aus *fcurgin- erwarten,
da im angl. /-umlaut von brechungs-e«t kaum angenommen
werden kann, vgl. dass das angl. keinen /-umlant des tu z. b.
in iorre 'zornig' kennt. Im ws. aber müsste man nach mass-
gabe des in diesem dialekte bei langem eu belegten secundär-
umlauts zu lo, späterem eo (z. b. "^'alijjeudig > elöiodig > el-
deodig, Sievers, Zum ags. voc. s. 45), aws. fiorjen-, später feorgen-
antreffen, statt deren eben die auf "^fiergen- zurückweisenden
fyrgen-, firgeu- erscheinen. —
Kehren wir nunmehr zu *melnk- zurück, so dürfen wir
jetzt Avol das oben als wahrscheinlich bezeichnete frühurengl.
paradigma in folgender weise modificieren: nom. "^meluk, gen.
dat. miluki, instr. *melukum, acc. *meluku (bez. schon *meluk,
dem nom. gleich gemacht), und diese flexion darf ohne bedenken
1) Als unsicher ausser betracht bleiben muss das fernen (fergenberig)
des Clermonter runenkästchens , das man hierher gezogen hat; ebenso cet
Feregenne Birch no. 1256.
70 WEYllE
auch für die urzeit der übrij^en wgonn. dialekte angenoiiinien
werden. Widerum beginnt auch hier das mehrfacli beobaclitete
spiel der ausgU^ichunpen. Im afries. ist in mclokon das c be-
wahrt. Das im as. einzig überlieferte beispiel, der gen. miliihis
in den Prudentiusglossen aus AVerden (endung natürlich neu-
bildung), zeigt dagegen mit seinem i, für dessen entstehung
bereits Loewe, KZ. 39, 317 die müglichkeit 'secundären laut-
wandels im germ.' ins äuge fasste, dass im dialekte dieses
denkmals die stufe des gen. dat. verallgemeinert war; die form
wird so des verdachtes niederfi-änkischer entlelinung (Kögel,
IF. 3, 280) überhoben. Im urengl. musste nach Vollzug des
/-Umlauts und vor dem eintritt des «-umlauts und der synkope
das paradigma lauten: nom. acc. *inch(l; gen. dat. *mih'k, instr.
*melu]cum. Im angl. drang wie im dialekte der Werdener gll.
die stufe des gen, dat. durch, es hiess danach auch nom, acc,
*mililc und instr. "■inilihmi, woraus mit regulärer bereits urengl,
synkope die belegten formen milc, milciun hervorgegangen sind:
Bedas thrimilci braucht dabei natürlich nicht selbständig aus
urgerm, *J)rimehilia- entstanden, sondern kann vom fertig aus-
geglichenen substantivum aus gebildet sein, wie auch bei dem
denominativum ^imilcndun u.s.w. *iiiiliJ{ö- sicher erst secundär
an stelle von *nielukö- getreten ist. Auch die entstehung von
WS, *miluJc aber bereitet keine Schwierigkeit: es ist eine con-
tamination von *mchtJc und *milik, deren entstehung man sich
etwa so vorstellen kann, dass das betonte i des gen. dat. zuerst
in den nom, acc. instr. drang C^miluk, ^miliJc neben Jinitn, *liniti
und höc, hcPc) und dann wider das neuentstandene *iiiilak das
*mili/c des gen, dat. verdrängte, mr)glicherweise in Zusammen-
hang mit der teilweisen, durch gen. dat. mcoke bezeugten
Überführung in die ö-flexion, die ja auch bei den einsilbigen
Stämmen genitive wie löce, ^ate, dative wie stude mit dem-
selben vocalismus wie im nom. acc. hervorgerufen luit; über
mijlcen neben meolccn vgl. oben zu sylfrcn und hijrten.
In si)äterer zeit hat dann das ae. pai'adigma auf flialek-
tiscli begrenztem gebiete nochmals ausgleiehung erfalnn-n, indem
nun auch ein durch einfluss der verschiedenen vocalischen uui-
gel)ung neueutstandener Wechsel des stammauslautenden con-
sonanten beseitigt wurde. Ws. meolc und north, milc haben
in me, zeit ihre lautgesetzliche fortsetzung in melk des Südens
ZUE WESTGERM. GRAMMATIK 71
(auch Kents), milh des nordens. Im merc. dagegen hätte ur-
sprünglich ein Wechsel von miU (so wahrscheinlich noch im
8. Jh., s. Beitr. 30, 117), später miU neben milcum und gemilcian
bestehen müssen, doch wurde bei der natürlich eintretenden
ausgleichung auch hier, wie bei derartigem Wechsel häufig im
mittelland (vgl. ]\Iorsbach bei Björkman, Scaud. loanwords 1, 149
in der anm.), die unpalatalisierte form verallgemeinert. Auf
das merc. und north, niilc geht ne. mülc zurück.
•
Die hier versuchte deutung des Verhältnisses von ws
mioloc zu angl. niUc sammt der herleitung beider aus der
gemeinsamen urgerm. grundform "^inelnk mag vielleicht den
eindruck zu grosser künstlichkeit erwecken. Einmal setzt sie
mehrfach ausgleichungen voraus: da wird ein blick auf die
drei anderen oben angeführten zweisilbig- kurzsilbigen con-
sonantischen stamme, auf *halip- j iij)-, *mas(ilj- und "^aluj)- von
wert sein, indem er zeigt, mit wie starken ausgleichungen des
consonantismus sowol als des vocalismus bei der weitgehenden,
durch rein lautliche entwicklung herbeigeführten differenzieruug
des Paradigmas derartiger stäuniie tatsächlich gerechnet werden
muss. Sodann wurde vorausgesetzt, dass ein urgermanischem
-e.2 und -i entsprechendes wgerm. -i nach zwei kurzen silben
nicht anders behandelt wurde als nach einer langen: auch
hierfür sind jene Schwesterstämme, isolierte gebilde gleich
*mcluh-, heranzuziehen. Bei ihnen müssen wir, ist unsere
Voraussetzung begründet, ähnliche vocalverhältnisse wie bei
*meh(k- vorzufinden erwarten, und es dürfte sich in der tat
ergeben, dass der vocalismus von allen dreien jene annähme
teils erlaubt, teils aber, was entscheidend ist, fordert.
Die ae. fortsetzuug des Stammes ""lialip- / uj)- bietet deutlich
greifbare ausgleichungen erstlich am Stammausgang. Die ur-
sprüngliche flexion des nur in der poesie gebräuchlichen wortes:
hcele im nom. sg., dem früh bereits der acc. gleich gemacht
war, sonst hceled (-«, -uni\ ist in den vorliegenden poetischen
texten nirgends mehr rein erhalten. Sie tritt zwar noch darin
hervor, dass liwle nicht allein auf den sg. beschränkt blieb,
sondern nach ausweis von Greins Sprachschatz hier tatsächlich
nur innerhalb seiner alten grenzen, im nom. und acc, belegt
ist (für den gen. Judes Ph. 554a, den Grein und Platt, Beitr.
72 %VEYHE
9,368 anfüliren, bietet Wiilker vielmehr JkvIc), so dass man
genau g^enommen von einem übertritt des alten nominativs in
die ?-klas.se nicht reden kann. Aber ein ausgleich in Um-
gekehrterrichtung zeigt sich, indem die Stammform der obliquen
casus wie bei as. heliö^, ahd. hcliä auch in den nom. dringt
(gen. dat. sg. laut Grein unbelegt, im plural ganz vereinzelt
zwei licelcöas, ein hcelcöe später texte); nicht sicher ist dabei
zu entscheiden, wie weit das gleichzeitige vorkommen von nom.
Jicehd und IueU in denselben gedichten tatsächlich ein über-
gangsstadium innerhalb der originale widerspiegelt, wie weit
es etwa auf rechnung der Schreiber zu setzen ist.
In bezug auf den vocalismus hatte, von der gleichen an-
schauung über die Schicksale von urgerm. -ez und -i ausgehend,
bereits Sievers, Ags. gr.^ § 50, anm. 2, vgl. § 132. 133, das ce
von gemeinae. hcele{d), frühae. laeJid- einer Verallgemeinerung
des z. b. im nom. pl. *halii]ji{z) > '^JudiJ) lautgesetzlichen zu-
geschrieben. Diese auffassung war jedoch insofern unsicher,
als nicht feststand, ob das ae. wort lediglich auf die Stammform
^halul)- zurückgeht, neben der sich ja das Vialijj- von aisl.
halr, as. hcliJ, ahd. Jielid (aschw. hälilh) findet. So erklärt
Sievers das ce jetzt Zum ags. voc. s. 22, vgl. Ags. gr.^ § 89, 3 aus
einem urengl. '^halijj- statt ViculiJ)- mit aus *hah(])- bezogenem a.
Siciierlich würde aber auch in diesem falle eine ausgleiclmng
innerhalb des paradigmas vorliegen, auf welches ip und iip
in irgend einer weise verteilt waren, vgl. das an., wo in der
Lieder- Edda dem i^g. halr aus *//fl//(7j) mit übertritt in die
/-klasse gegenüberstehen die pluralformen gen. JiqJJxi, dat. lußlmm
aus *hah(P- (auch nom. holjxu; acc. hgljxi neben halcr, hole),
Gering, Vollst, wb. zu den liedern der Edda, spalte 1398. Hier
wäre also mittelst durchführung der compromissform *//t(/?7'
der ursprüngliche Avechsel *h(Eli]), "^halnp ebenso beseitigt wie
durch die ws. compromissform *milul- der Wechsel *milüi,*meluk,
durch bildung der im me. weiterlebenden nominativform hfrleÖ
die Verschiedenheit des consonantismus von luvle, hcclcd (-«, -um)
ebenso aufgehoben wie durch merc. milc, me. nii'l/c der Wechsel
von milc, milcum, gemilcian.^)
') Ueber die Verteilung von ip und !0 auf das urengl. paradigma und
die entstehung von hcelid- s. eine Vermutung im folgenden abschnitt, die
ZUR WESTGERM. GRAMMATIK. 73
Dagegen steht nun für ae. mce^eö die germ. Stammform
^magaj)- fest durch got. mogajjs, as. magad, ahd. magatln sowie
ahd. mayaä, flectiert nmgadi, magedi, in alter zeit stets ohne
Umlaut der ersten silbe (Braune, Ahd. gr.^ § 27, anm. 4). Auch
bei diesem worte finden wir ausgleichungen erstens in der
gestaltung des Stammausgangs.
Der lautform des ae. nom. hcele lässt sich nicht ansehen,
ob ein urgerm. dehnstufiger nom. ^halej) (in ablaut mit obliqu.
Viali])-, i(J)-) zu gründe liegt oder ein Viali(])), dessen / erhalten
blieb und später zu ae. e wurde wie das von urgerm. *mari
'meer' gleich ae. mere; die lautgestalt von ae. ealu verrät
nicht, ob sie auf den von Platt angenommenen nom. *alH{J))
zurückgeht oder auf ein ^cüu{Ij), dessen u ebensowenig
schwinden konnte wie das von urgerm. "^felu, ae. fcohi 'viel'.
Beide möglichkeiten auch bei dem stamme *t)tosap- voraus-
gesetzt, hätte dagegen ein dehnstufiger nom. urgerm. *magö{J))
(neben obliqu. ^nuisop-) im ae. "^niosu ergeben (nach van Helten,
Beitr. 28, 512, anm. 2 "^maso) wie *^c5c7 'gäbe' ae. gkfu, wäh-
rend aus einem nom. '^masa{l)) lautgesetzlich ae. *wa?^ hervor-
gehen musste, äusserlich dieselbe form also wie mces 'ich kann',
das einem urgerm. "^maga entstammt. Wenn sich nun ergibt,
dass die ae. entwicklung in diesem falle dehnstufigen nom. als
Urform ausschliesst, so wird man darin wol eine weitere stütze
der auffassung sehen dürfen, die auch für ealu und licele von
urgerm. *ah((p), *hali{p) ausgeht und auf ansatz eines nom.
*hale{2)) oder gar flectierter formen mit durchgeführter delin-
stufe verzichtet.
Man hat bisher nicht beachtet, dass ein ae. fem. mce^
'Jungfrau, weib' tatsächlich überliefert ist. Es findet sich in
der dichtung, auf die auch i)i(e^{e)^ 'Jungfrau, weib'') ab-
gesehen von compositis (vor allem mces{e)Öhäd) im wesent-
lichen beschränkt scheint, und wurde bisher mit langem vocal
angesetzt auf grund einer etymologischen erwägung, die das
wort mit dem masc. ae. mw^ 'verwanter' (als zweitem com-
positionsglied auch -mä^a) gleich got. megs oder dem hierzu
zugleich eine art compromiss der beiden von Sievers gegebeneu erklärungen
darstellt.
1) Mit derselben bedeutungserweiterung wie z. b. bei dem poetischen
meoivle.
74 WEYUE
gehöri.f^cn fem. ae. ni(r,:;e verband und eine liypotlietisclie Grund-
bedeutung" 'verwante frau', dann 'weib übeiliaupt, Jungfrau'
auffcilellte (Grein: ma\^ f. [cognata] femina, virgo; Sweet, Stud.
dict.: kinswoniau, woman). ') Aber einmal gehört mce^ seiner
bedeutung- nacli engstens zu derjenigen gruppe dieses Stammes,
die wie ae. nui^a 'solin, mann' oder ae. mogo, mcec^as gleich
got. maytis, aisl. mgyr, wie ae. mcoivlc 'Jungfrau, w^eib' gleich
got. maicilö oder wie got. iiiatvi, aisl. m<ir kurzes c besitzt;
sodann Aveist es in seinem formenbestand dieselbe eigentüm-
lichkeit auf wie hccle: wie dieses nur im nom. und acc. sg.
begegnet, kommt ma's nur im nom. sg. vor (der acc. fehlt
offenbar zufällig). Entscheidend für unsere combination ist
jedoch ein anderer umstand: ))ia'^ bietet in seiner Verwendung
sogar einen noch älteren stand dai' als Jude; Avar dort die
ursprüngliche flexiou hcelc, luelcö {-a, -um') aus den texten nicht
mehr abzulesen, so ergibt sich *mosaJh als gemeinsame mutter-
form für }iifr^ und mce^ed, genau wie nach Platts (bez. Sievers')
nachweis (vgl. Beitr. 10, 449) *«/»7'- ^^^^ "'^^ und caloÖ, aus dem
paradigma der denkmäler selbst.
Die Gen. A bietet die flexiou nom. sg. mccs 895. 1053.
1827. 1849b (bei Wülker zu 1850a gezogen). 2226. 2730. 2781;
dat. sg. mci'^ed 2797; nom. pl. nuvs{(^)ö-) 2009. 2748; gen. pl.
mcE^da 2604; dat. pl. mcvsäum 1123; acc. pl. ma\s{e)d 1252.
1259. 2092; hcalsmcesed 2155; in der Jul. stellt nom. sg, mteg
175. 257. 600 neben gen. pl. ma\sda 551. 508 und, gleichfalls
bezeichnend, neben mcü^dliad 30; während in der El. nur der
nom. mw^ 330. 609 belegt ist, lieisst endlich im Gu. der nom.
sg. u-ijnma's 1319 neben dat. sg. mcescö 1316, nom. pl. nuvgd
833 und gen. pl. nup^da 1350.
') Veranlassung hierzu gab vermutlich El. 330 und COO, wo Helena,
die niuttcr Constantius, als cüsercs lua^, 331 variiert dnrdi ^catolic ^udciccii,
bezeichnet wird, die bedeutung- 'weib' jedoch gleichfalls genügt. Dazu
kam die Unsicherheit, die bei Grein in der Scheidung der formen von ma^o
vifvc^as, nia^n, w/rP,^ niä,^as, mä,^n herscht, wie denn z. b. der ansatz hm-
fodma^a Sprachschatz 2, 43 (mit a statt ä, vgl. hcctfudvur^) gegen wuldor-
mäga 2,749 (Gu. 10G7; mit « statt a wie im selben gcdichte masc. ichWo;--
mago 1207 und fem. iculdres wynmceg 1319) eine directe umkehrung der
quautitäten darstellt.
-) Die zweisilbige form wird metrisch gefordert 2748a und 2155b und
ist vielleicht überall in Gen. A einzusetzen.
ZUR WESTGERM. GRAMMATIK. 75
Ein anschauliches beispiel hierfür gewähren die verse Gu.
1316 f.: Heßare vicegeÖ sceolde
läce geJcedan läöspel tö Süd.
Cwöm pä freor/^ferö, pCer sco fcümne ivces,
widdres icynma;^.
Anraerkiiiig. Die gleiche erscheinmig wie in Jul. ime^ neben ma'^Öhäd,
bewahnuig des stanunes im compositionseingang unbeeinÜusst von der no-
minativform, zeigt ursprünglich auch der stamm '''menöß- 'mond, monat';
hier hatte sich das paradigma schon vorhistorisch gespalten (J.Schmidt, KZ.
2G, B-i5f.), indem die bedeutuiig 'mond', die für den Germanen an sich bloss
im sing, und nur bei übertragenem sinne wie ae. twelf mwe mönan 'zwölf
neumonde' im plural möglich war, auf die nur im sing, vorkommende form
ohne p eingeengt Avurde, die Ijedeutung 'monat' aber, für die gerade die
pluralformen von Wichtigkeit sind, auf die mit p sich beschränkte: so z. b.
ae. 'luna' niöna, mit übertritt in die n-klasse, aber 'mensis' mönaö, welch
letzteres in den älteren texten o-flexion des Singulars mit erhaltener cou-
sonantischer des plurals verbindet (sg. mötiad, viönöcs, viönÖe, pl. inünad).
Dennoch ist hier im compositionseingang auch bei der bedeutung 'mond'
der stamm ursprünglich intact geblieben ^): ae. j«ö/trtc)/}/Ze« 'mondfülle, voll-
mondszeit' neben füll mona 'vollmond", ae. mönadlic 'lunaris', ae. mönaö-
seoc, ahd. mänödfaUönti, mänödsioh, and. mämditimendig 'mondsüchtig' trotz
ae. möna, ahd. and. mäno 'mond', wogegen ae. )nün(e')lic, R^ mönsek, mhd.
mänsiech, mnd. mänselc jüngere neubildungen darstellen. Für den stamm
*alup- gelten diese durchaus, so and. alofat, ae. ealofcct. Wenn dagegen
mceg{e)dhäd solcher beeinflussung entgangen ist (vgl. auch unten), so lag
das offenbar eben daran, dass das simplex der alltagssprache fremd war
(hier coucurrierte vielmehr mccgden, vgl. mcv^dodiäd neben dem älteren
mcEgedhäd gleich nhi.magadhcit, and. magadhcd); übrigens war vkc^, obliqti.
mcegcd, mcegöa, -um bei seiner Verwendung auch für verheiratete frauen an
sich der Zusammensetzung mit der bedeutung 'Jungfräulichkeit, keuschheit
auch von mäunern' ferner gerückt.
Auch hier beginnen nun widerum die ausgleichungen, die
in doppeltei' richtung verlaufen. Einmal entsteht ein nom. acc.
mceg{c)d entsprechend der neubildung nom. got. magaßs, ahd.
magad und as. magad. Denselben stand, der bei luele regel
ist, zeigt hier der Crist, indem er im ersten teile noch den
nom. moes 87 neben nom. niüe^d 36. 176 und im zweiten teile
den acc. mcp^ed 721 bietet; lediglich die jungen formen er-
scheinen in der Jud. mit je vier belegen für nom. und acc,
und ausserdem findet sich (s GreinJ die neubildung noch dreimal
an verstreuten stellen: B. 3016. Hy. 11,16. Met. 26,67. Bezeugt
') Dies ist, wie ich nachträglich sehe, bereits von Kluge, Pauls Grundr.
1S399 festgestellt worden.
76 WEYIIE
ist diese neul)ildiiiig für den siiden, speciell für Kent, und zwar
sowol durcli die eben genannte stelle der ]\letra (acc. sg. ma\sO),
wie durcli die einzige form, die Bosw.-Toller aus der prosa,
und hier, was kaum zufällig ist, aus der gesetzessprache
beibringt, den acc. sg. nice^Ö in den gesetzen des kentisclien
königs Aethelberlit 77 (Liebermann, Ges. s. 7, Textus Eoffensis).
Andrerseits muss sich aber, offenbar in anderen gegenden,
die umgekehrte ent Wicklung vollzogen haben, durch die viel-
mehr die formen auf -J verdrängt wurden. Das endergebnis
dieses processes sehen wir im me., wo (nach den wbb. von
StrJitmann-Bradlej' und Mätzner-Bieling) die form auf -(7 nui'
noch in der altüberlieferten Zusammensetzung maiölwd weiter-
lebt, die lautgesetzliche fortsetzung der ae. nominativform da-
gegen als matj *maid, virgin' häutig belegt ist. Ist hierdurch
das (dialektisch begrenzte) weiterleben von ae. mceg während
der ganzen ags. zeit sicher gestellt, so wird man das im Crist
bezeugte nebeneinander von junger und alter nominativbildung
mit grösserer Sicherheit als bei hceh dem (südl.) Schreiber zur
last legen dürfen. Als interessant ist im me, noch der formen-
bestand bei Orrm zu erwähnen, einmal weil hier der in der ae.
Jul. beobachtete unterschied des Stammes mces{e)d- in mcvsdhad
und des nom. mcv^ als gegensatz von compositum niagsPhäd
und Simplex magÄ seine fortsetzung findet, sodann weil dieses
(nur einmal, 2489, als acc. belegte) ntoss: noch aus dem me.
heraus die vocalkürze von ae. 7}ia\s bestätigt.^)
In bezug auf den vocalismus ist das paradigma von mces
insofern product von ausgleichungen, als ein im acc. sg., im
dat. und acc. pl. lautgesetzliclies *maÄoJ)- verdrängt ist, vgl.
van Helfen, Beitr. 15, 402. 2) Die ersetzung der accusative durch
') Pa Orrms nio;;^, sonstiges me. maif dem ae. )»(r\:; formell soayoI wie
der bedeutuug und Verwendung nach genau entsiuücht (vgl. z.h.Jxilt clene
niag^ bei Orrm mit s'io üad^e mag im Crist, beide male von der Jungfrau
Maria), sehe ich keine nütigung mehr, das me. wort aus dem an. herzuleiten
(vgl. Brate, Beitr. 10.51. 585. Björkinan. Scand. loanwords 1,04. 65); Orrms
nipghe 'cousin, relation (female)' (Brate a.a.O. 20.51. Björkman a.a.O.) ist,
wie bereits im glossare von White-Holt richtig angegeben, das ae. miPge,
gen. mägan {mCSgan), Rit. ni^go 'weibliche verwante'. — Heute lebt may
noch in Schottland, Cumberland und Irland (Wright, Engl, dial.-dict. 15, 63);
s. auch mayiceed unten.
*) van Kelten bemerkt, das 'für diese casus iu der vorhist. periode
ZCTR WESTGERM. GRAMMATIK. 77
die nominativformen ordnet sich der allg-emeinen ausgleicliungs-
tendenz ein nnd ist insofern gewissermassen gesetzlich (acc.
sg. hcele, acc. pl. bec, linyte n.s.w.: wenn für den nom. sg. der
kurzsilbigen wie linutu die accusativform massgebend wnrde,
so kam hier als besonders begünstigend der gleichlautende
nom. der ö-stämme wie gicfu hinzu), der dat. und ev. auch der
gen. pl. (vgl. anm.) erlagen dann der Übermacht der übrigen
casus. Unter diesen war der nom. sg. nueg lautgesetzlich aus
urgerm. '^masa{]}) entstanden; aber auch aus gen. dat. sg. und
nom. pl. wgerm. ^mogapi konnte sicher nichts anderes hervor-
gehen als das überlieferte mcesed (jünger mwsö), vgl. mm^den
aus *mo^aälna-, frcefele gleich ahd. fravali (s. Beitr. 30, 109),
pl. ceöelu gleich as. aöali (vgl. Bülbring, EB. § 413; zum u von
an. 0])li Noreen, IF. 14,399); und in gleicher weise kann der
afries. pl. megitha (mit secundärer endung, vgl. den übertritt
von got. magajjs, teilweis auch ahd. magad und and. magaÖ in
die z-klasse) über ^niegith auf *7na^oJ)i zurückgeführt werden,
wie auch im afries ^masaäina- meiden ergeben hat.
Als letztes beispiel endlich kommt noch *«7«7> 'hier' in
frage. Dies wort steht den stammen *hali])- [ iij)- uM *ma^a])-,
bezeichnungen für mann und weib, dadurch ferner, dass es
auzunehmende -m"^-' scheine spurlos geschwunden zu sein; ein unter ähn-
lichen Verhältnissen entstandenes o ist jedoch belegt, und zwar in dem
vom stamme *magap- abgeleiteten ae. nia^oöe, mit junger synkope ma^öe
neben magöa 'chamaemelon, kamille' (genaueres über die damit bezeich-
neten kamillenarten bei Cockayne, Lclidm. 2, 398), vgl. ahd. 'camomilla'
meidehlume (belege Zs. f. deutsche wortf. 3, 295), mud. 'camomilla' megede-
hlomen (beleg z. b. ebda. 356, 137), uM. magdhlumen, jnngfenikraut (Pritzel
und Jessen, Die deutschen volksnanien der pflanzen s. 93. 95), ne. mayiveed
(Mayiceed) und maidweed gleichbedeutend mit maithes und maivth (Britten
and Holland, Plant-names s. 327. 329), was zu der Vertretung von ahd. -ado
durch ae. -oöa, z. b. ahd. anado gleich ae. anoöa Cp. gll. 902, and. scauatho
gleich ae. sceufoöa stimmt. Doch würde die behaudlung dieser erscheinung,
bei der unter anderm die eutwicklung in fällen wie *obata- 'obst' gleich
ahd. obaz zu ae. ofet, vgl. Cp. gll. 919 obet zu beachten ist (s. Bülbring,
EB. § 366, 3, c. 412) sowie das neben mag{o)Öe, -a stehende mce^Öe, -a zu
erklären wäre, ein eingehen auf die frage nach den Schicksalen von west-
germ. a (urspr.) mittlerer silben im urengl. überhaupt nötig machen, was
hier zu weit führte (vgl. auch Beitr. 30, 99, anm.). Es mag daher vorerst
dahingestellt bleiben, ob auch der gen. pl. von mce^ lautgesetzlich *ma^oÖa,
nicht mce^Öa heissen müsste.
78 WEYIIE
seiner iiatur iiacli so gut wie ganz auf den sg. beschränkt ist
(einen beleg für gen. pl. eaJoöa bei Platt, Beitr. 9, 360), eiufluss
der pluralcasus liier also nicht in betracht kommt. Als folge
dieser Sonderstellung ist vermuilich die innerhalb des ae. im
ganzen vortreffliche erhaltung seines wechseis im stammausgang
anzusehen (vgl. auch and. alo in ulofat gegen magaö und lidiö).
Im gegensatz zu der Verbreitung der neugebildeten wfFj-ed^ und
zumal ludiö hat das ae. bei *aln])- den ausgang -?/, -o im nora.
acc, -oö im gen. dat. gut gewahrt, erst spät treten hier in
formen wie acc. calad, dat. calode ausgleichungen auf grund
der obli(iuen casus hervor (vgl. Sievers, Ags. gr.^' § 281,2); all-
gemeinere geltung können diese jedoch ebensowenig gewonnen
haben wie die entsprechenden bildungen von mcüg, da die
spätere eutwicklung wie bei jenem worte auf dem umgekehiten
processe, der durchführung der alten nominativform beruht:
me. ne. ale wie me. ne. may.
Durch diese beschränkung auf den sg. aber rückt ^«Z?//»-
gleichzeitig dem stamme ''"»ichd--, einem getränknamen wie
ihm, eng zur seile, und in der tat hat bei beiden der voca-
lismus dieselben Schicksale erfahren. Lautgesetzlich musste
das Paradigma flectieren: nom. acc. *«/«, gen. dat. "'a'liji. Im
north. Avurde wie bei ^mduJ;:- einfach die eine lautfolge durch-
geführt, dort die des gen. dat. "^milil; hier die von nom. acc.
*alH', es hiess danach auch gen. dat. *r/7u(T (Rit. alJes). Im
WS. trat die gleiche contamination ein wie bei niiohc, indem
sich der betoute vocal des gen. dat. und der unbetonte des
nom. acc. zu *(di(, ^(bIuö verbanden. Hieraus entstand laut-
gesetzlich (vgl. Bülbring, EB. § 251) das überlieferte cahi,
calod, formen, in denen ein ws. w-umlaut von a zu ea ebenso
auso-eschlossen ist wie in mioJoc ein solcher von e zu io.
^O'
E. Zur flexion der s-stämme im altenglischen.
Sieht man von den spuren ab, welche die eddische flexion
von halr aufweist, so ist das ae. der einzige altgerm. dialekt,
der die urgerm. flexion der ^stamme noch widerspiegelt. Das
legt von vornherein die frage nahe, ob die Angelsachsen nicht
auch bei einer anderen, nahe verwanten klasse, bei den
s-stämmen, altertümlichere flexionsverhältnis.^e bewahrt haben
als ihre ausserenglischen stammesgenossen, umsomehr, da hier
ZUR WESTGEEM. GRAMMATIK. 79
mindestens in einem punkte eine derartige altertiunliclikeit
den scliwesterspraclien gegenüber anerkannt ist: in den dativen
wie düsor, denen sich nur der zweifelhafte got. gen. sg. hatis
an die seite stellen Hesse. Die bejahung dieser frage wäre
gewis willkommen: setzen doch die germ. nachkommen alter
5-stämme und unter ihnen gerade die westgerm. formen einer
sicheren beurteilung eben darum solche Schwierigkeiten ent-
gegen, weil bisher kein alter flexionstypus bekannt war, der
einen anhält zur beurteilung hätte bieten können, weil man
von vornherein als gegeben hinnahm, dass 'schon vor dem
beginn zusammenhängender Überlieferung die e.?- stamme als
selbständige kategorie im germanischen untergegangen sind'
(Streitberg, Beitr. 15, 504).
Ohne mich auf eine Untersuchung des gesammtgermanischen
bestandes, auf ansetzung urgermanischer paradigmata weiterer
geltung und den versuch ihrer einreihung in den kreis der
indog. erscheinungen einzulassen (voraussichtlich würde sich
da das schwierige problem der Vertretung von indog. d er-
heben), möchte ich hier im anschluss an das vorausgegangene
kurz den nach weis zu führen suchen, dass das ae. auf seiner
ältesten stufe tatsächlich noch eine consonantische flexion der
5-stämme in bestimmtem umfang besass oder mit Sicherheit
erschliessen lässt. Es wird sich auch hier vor allem darum
handeln, die bekannten hauptvertreter der klasse (Sievers,
Ags. gr.3 § 289. 290) genauer auf das vorkommen und ins-
besondere auf das nebeneinander ihrer formen innerhalb der
einzelnen, zeitlich, örtlich u.s.w. geschiedenen texte, auch der
poetischen texte, zu prüfen: auch der poesie, denn die ge-
bührende heranziehung dieser wichtigen quelle des früh-ae. ist
gerade in fragen der flexionslehre nicht nur ohne bedenken,
sondern geradezu unumgänglich.
Das zeitlich älteste paradigma der prosa bieten die früh-
merc. texte, und zi^-ar bei dem worte ImH. Im 8. jh. ist hier
nur der noni. sg. belegt: caelf Cp. 2144, cucaclf Cp. 2145. Ei
(und Werd. gll.) 1155, hmdcaclf Cp. 1147; die formen weisen
auf ein älteres ""icaldi- mit i-umlaut zurück, zugleich fehlt
r < 0] daneben steht im compositum ceolborlomh Cp. 752 die
Stammform H-eldic^- mit ablaut der Wurzelsilbe gleich ahd.
MlhKr (neben Jiilburra, Palander, Die ahd. tiernamen s. 129),
80 WEYIIE
deren suffixgestalt in doppelter weise alnveicht: sie verbindet
als r erlialtenes z mit vorausgehendem u. Im anfang des
9. jli.'s belegt dann der merc. Psalter das paradigma mit aus-
reichenden formen, und zwar linden wir hier die beiden vor-
genannten suflixgestaltungen in folgender Verteilung neben
einander: der acc. sg. lautet ca^Z/" 28, 6. 68,32. 105,19, der nom.
pl. caJfiir 21,13, der acc. pl. caJfur 50,21 und calfcru 49,9;
gleichfalls calfur aber lautet auch der gen. sg. 105, 20. Acc.
und gen. sg. stehen in widergabe von Ps. 105, 19. 20 nachbar-
lich beisammen: 'et fecerunt vitulum in Choreb et adoraverunt
sculptile et mutaverunt gloriam suam in similitudinem vituli
manducantis faenum' = ond üijänn ccclf in Cliorch ond iveoröa-
dun greftas ond omccndun ividdnr Jus in gdicnisse calfur eo-
tendcs he^. Dass in diesem gen. caJfnr eine versehentliche
widergabe von vihdi durch den nom. pl. vorläge, wie Sweet
im index der OET. 488 durch sein zeichen für 'erroneous and
anomalous forms' andeutet und Jordan, Die ae. säugetiernamen
s. 176 vermutet, scheint mir schon durch den attributiven gen.
eotcndcs ausgeschlossen; wir haben sicher in cid f in- ebenso die
lautgesetzliche fortsetzung des urgerm. gen. H-aJhnzcz vor uns
wie im dat. dUsor die von urgerm. *dö^uzi.
Aus dieser flexion ergibt sich einmal (hierzu Paul, Beitr.
6, 227), dass der umlaut in ccelf nicht von dem -i(z) eines
/-Stammes herrührt (vgl. Brugmann, Grundr. 2, 395, anm. 2. 563),
sondei'U von dem eines 5-stammes bewirkt ist; sodann, dass in
der flexion dieses 5-stammes eine abstuf ung von -i(z) des nom.
acc. sg. und -iiz- der übrigen casus bestand. Denn auch für
die hier nicht belegten casus, den dat. sg. und gen. dat. pl.,
ist -tiz- mit Sicherheit vorauszusetzen. Die plural formen adfiir,
auf deren fehlendes -u Avie auf das einiger gleichartigen formen
Joh. Schmidt, Pluralbildungen s. 150 f. hauptsächlich seine her-
leitung aus indog. -Us (mit bewahruiig oder widerherstellung
des r vom gen. dat. pl. aus) begründet, dürften in dieser ricli-
tung so lange mit vorsieht zu verwerten sein, bis die aus-
nahmen der regel von der erhalt ung des -u nach langer betonter
+ kurzer silbe ihre glatte erledigung gefunden haben; der VPs.
selbst weist neben calfur, ccdfcru auch Juafud, hvafudu, irolcen,
u'olcenu u. dgl. auf, vgl. Zeuner, Die spräche des kent. psalters
§ 57, II, 2, a.
ZUR WESTGERM. GRAMMATIK. 81
Das spätnorth. hat die alten pluralformen in Rit. calfero
119, 14, gen. calfra 21, 6 bewahrt, der gen. sg. aber lautet
abweichend mlfes Li. Mt. I 7, 9, celfes I 7, 13. I 8, 5. Angesichts
der flexion des frühae. Psalters ist es unmöglich, in dieser be-
schränkung von -ur- auf den pliu-al eine aus dem urindog.
ererbte altertünilichkeit zu sehen (Joh. Schmidt a.a.O. s. 135.
142. 149), vielmehr ist der gen. sg. calfur (und sicher ebenso
der gleichlautende dat.) durch eine neubildung vom nom. acc.
aus ersetzt. Das paradigma in dieser gestalt entspricht, was
die bewahrung des stammauslautenden consonanten angeht,
genau dem stände der ausgleichung von gemeinahd. sg. ImW,
-es, -e, pl. l:dhiy (chcdbir), -o, -um, annähernd auch dem von
eddisch nom. sg. lialr, dat. acc. hol, pl. hgl^jar, -a, -um, -a (doch
hier auch haUr, -e), während es mit dem letzteren beispiel
genau übereinstimmt in der Verteilung der stufe -i {-ip und
-iz) auf den nom. sg. und die von diesem aus nach analogie
der t-klasse neugebildeten formen, dagegen von u auf die casus
mit erhaltenem Jj bez. z.
Dagegen hat nun der süden die alte flexion so gut wie
vollkommen aufgegeben. In seinem wertvollen buche über
'Die ae. säugetiernamen' s. 175 f. (vgl. auch Sievers, Beitr.
9,253) kann Jordan hier r -formen reiner texte überhaupt
nicht mehr, fortsetzungen von nom. acc. sg. ViaWiz nur noch
in einigen flurnamen, so cylflion^ra in Berks neben anderswo
belegtem cealfhan^ra beibringen; beschränkung der r- formen
auf den pl. mitsammt beseitigung der umgelauteten sg.-formen
zeigt z. b. der dialektisch gemischte Eegius-Ps. ed. Boeder mit
sg. ccalf, calf, calfes, pl. cealfru, aber selbst ^Ifrics flexion
von masc. pl. ccalfas (neben neutralem sg. cealf, s. Jordan) ist
im Süden schon aus dem 9. jh. belegt.
Zusammengefasst ergibt das also folgende entwickluug des
Paradigmas von Jialb, wobei ursprüngliches Vorhandensein des
nom. acc. sg. auf -?> auch im süden auf grund des umlauts im
ersten, nach dem nom. gebildeten glied der erstarrten namen
für erwiesen angenommen wird : f rühmerc, gleich ältester form :
sg. nom. ccelf, gen. calfur, dat. *calfur, acc. ccelf, pl. nom. acc.
calfur, -erii, gen. "^calfra, dat. ^calfrum; spätnorth.: sg. nom.
^'ccelf, gen. ccelfes, pl. nom. calfero, gen. calfra (Regius-Ps.: sg.
cealf, calfes, pl. cealfru); spätws.: sg. cealf (bez. daraus ent-
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. Q
82 WEYIIE
staiidenes cclf), cealfes, ccalfe, \)\. cedlfas, cealfa, cealfon. ]\ran
sieht daraus, dass der übertritt eines 5-stammes in die a-klasse
vom ae. aus nicht ohne weiteres zum ansatz einer nom.-acc-
hihlung auf -az als directer vorform berechtigt, die Verhältnisse
vielmehr comi>licierter liegen.
Einen ganz ähnlichen, doch etwas weiter in der aus-
gleichung vorgeschrittenen stand finden wir bei dem worte
lamm. Das spätnorth. zeigt hier dieselbe beschränkung der
r-formen auf den pl. {lomlor R-, lomhor, lomhoro, lomhro Li.),
der umgelauteten form ohne r auf den sg. {lemh Eit. 47, 7. 18),
eine jüngere entwicklungsstufe tritt jedoch darin hervor, dass
im sg. bereits neugebildete umlautslose formen überwiegen; den
beiden lemh stehen im Eit. selbst zwei lomh, drei lomhcs gegen-
über, in E2 und Li. sind überhaupt nur diese mit zwei bez. vier
formen belegt. Dasselbe gilt bereits vom frühmerc, wo der
Ps. nur pluralformen hat {lomhiir 113, 4, lomherii 113, 6, gen,
lomhra [hs. lohra] Hy. 7, 26), der umlaut des nom. acc. sg. aber
schon im acc. sg. ceolborlomh Cp. 752 beseitigt ist. Die laut-
gesetzliche, dem gen. calfur entsprechende ältere singularform
endlich hat das angl. auch bei diesem worte noch einmal auf-
bewahrt, und zwar in der poesie, wo der dat. in der Verbin-
dung ic möt . . . godes lomher . . . folsian 'dem lamm gottes
folgen' Gu. 1015b {ond soües lomher) belegt ist. Zwar spricht
Grein, Sprachschatz 2, 154, diese form als acc. an, jedoch sicher-
lich nur, weil er, der lomh und hmhor als verschiedene Wörter
bucht, den dat. grammatisch nicht zu rechtfertigen wusste;
eine nötigung liegt jedenfalls nicht vor, gerade in diesem
falle die seltene, z. b. im Beda (Wülfing, Sj'ut. Alfreds s. 190.
Sarrazin, Zs. fdph. 29, 224. Deutschbein, Beitr. 26, 174. Klaeber,
Anglia 25, 281) belegte construction von folsian, fyls{c)an mit
acc, nicht die auch in der poesie gewöhnliche mit dat. anzu-
nehmen. Am weitesten in der ausgleichung ist auch hier der
Süden, wo Jordan a.a.O. s. 155 f. ausser pl. lamhru Th. Ps.,
lamhra Spelm. Ps. nui' formen ohne r, und zwar pl. lamh, gen.
lamha widerum schon im 9. jh. belegt.
Stehen wir dermassen bei lemh, lamh wesentlich auf einem
trümmerfelde, so gestattet dagegen bei einem anderen 5-stamm
die poesie, das altangl. paradigma noch unversehrt aufzubauen.
Für hrcd 'rühm, freude' als Simplex oder zweitem compositions-
ZUR WESTGERM. GRAMMATIK, 83
glied gewährt Greiiis Sprachschatz neimzehii belege, die sich
auf nom. acc. sg., dat. sg. und gen. pl. verteilen. Der nom. acc.
sg. lautet hred (drei bez. vier mal), der dat. hrödor, liröder
(sechs mal) sowie liröörc (fünf mal), der gen. pl. lirödra (vier
mal); dative wie Vireäe, gen. pl. wie '^lireöa begegnen ebenso-
wenig wie ein nom. acc. sg. "^hrödor. Alle vier casus sind
z. b. im Beowulf belegt, wo das möglicherweise verderbte
siseltreö 490 ausser betracht bleiben mag, sonst aber neben-
einander stehen der nom. sg. 819 Beoivulfe weard ^iiöhreö
syfcde, der acc. 2575 swä him ivyrd ne ^escräf hred cet hilde,
der dat. 2448 öonne Ms sunu han^aÖ hrefne tu hrüdre, und der
gen. pl. 2171 ivces . . . gelnvmöer odrimi lirüöra semyndig^ in
genauer entsprechung also der flexion von ccelf im merc.
Psalter. Eine leichte neubildung stellt lediglich das hier wie
noch vier mal ausserhalb des Beowulf belegte hrüdre neben dem
älteren, sechs mal bezeugten hrödor {-er) dar, welch letzteres
übrigens direct in den Beowulftext einzusetzen sein wird, vgl.
Sievers, Beitr. 10, 245. 233 sammt fussnote. Einen nom. acc. sg.
"^hrödor erfordert eine derartige teilweis wol den Schreibern
zur last fallende Umbildung bei dem Vorhandensein flexivisch
den a-stämmen gleichender pluralformen natürlich keineswegs,
vgl. das für das älteste ahd. mit Sicherheit zu erschliessende
paradigma sg. chalb, chalhires, chalhire, pl. chalhir, chalbiro,
chalhirum Paul, Beitr. 4, 417, fussnote unten. Der alte gen.
sg. kann in hrödorleas (Höllenf. 62 hrödorJeasne, hs. hrojjor-)
vorliegen, vgl. hrödra leas An. 1367: hrödorleas würde sich
zum nom. hred verhalten wie im VPs. das durchgängige fea-
durleas zum nom. feder.
Die ableitungen hredis, hredan (ohne r wie si^orian, oder
s wie hcelsian) gehen entweder von einem verschollenen parallel-
stamm aus, vgl. got. hröjjeigs neben 'PcodsoTeog (?), aisl. hröjmgr
neben hr6J)r, gen. hröprs {-rar) und HräreJcr (nach Liden, BB.
21, 105 < ^Hröjjiü-r-), oder sie sind im anschluss an den nom.
gebildet worden; dieselben möglichkeiten liegen vor zur erklä-
rung der lautform im compositionseingang, wo die lebendigen
Zusammensetzungen umlaut zeigen {hredleas, gen. pl. hredsisora,
hredeadi^ gleich an. hröpraupiyr, welchem ae. hrödorleas auch
entsprechen kann), während die schon früh belegten personen-
namen zwischen Hröd- und Hrwd-, Hred- schwanken, vgl.
6*
84 WKYHE
Sievers, Beitr. 27, 207 unter 1. ]\riiller, Die namen des north. LV.
s. 106. Denn auch die unilautslose form würde der zurück-
fiihrung auf ein ""hropi-, das vom nom. *hrö])iz aus nacli ana-
logie der /-stamme ältere bildungen mit z (r) verdrängt hätte,
niclit widerstreben, vgl. Sievers a.a.O. unter 2 über Saherht
neben Scrherht.
Wie bereits Juh. Schmidt a.a.o. s. 151 erkannt zu haben
scheint, herscht die spätnorth., bei ccelf, pl. calfero und lemh,
pl. lomhor {-oro, -ro) zu beobachtende Verteilung weiterhin auch
bei dem sg. dw^, pl. dösor 'tag' in Li. Nach dem glossar von
Cook, dessen anordnung diesen Zusammenhang allerdings nicht
zur geltung bringt, ist hier der plural belegt im dat.: cefter
hicem do^rnm 'post biduum' Mt. I 22, 4. 26,2. Mc. 14, 1, oifter
örüm do^rum 'post triduum' Lc. 2,46, sowie im acc. drco do^or
'triduum' Mc. 14,58, ^rio do^or 'triduo' Mt. 15, 32. Mc. 8, 2.
Dieselbe stammgestalt erscheint ausserdem in einem adjectivi-
schen compositum, das zur glossierung von quadriduanus an
derselben stelle dient, wo die got. Übersetzung TsragraroQ mit
fidiirdögs v^id.ergiht; J. 11, 39 'domine, iam faetet, quadriduanus
enim est' = drihten, uutudlice stenccÖ, feoer-doser fordon is =
fravja, ju fuls ist, fidurdogs auk ist] ferner J. I 6, 8 'Lazarum
quadriduanum mortuum' = latzarum feodordoser dcad. Wäh-
rend in dem zweiten glied des got. Wortes, einer bildung wie
tiüalihivintrus 'zwölfjährig', wahrscheinlich ein dem a-stamm
dags paralleles '^d'ösci-z steckt (vgl. Kluge, Pauls Grundr. l-,475),
würde man im ae. die fortsetzung von '^-äosuz-ki- nach art von
tiveifwintre 'zwölf jähre alt' u.dgl. erwarten, bildungen, deren
zweites glied häufig der angleichung an das simplex erliegt,
so in fiöer- (> fyder-)föte, angl. feodorfota Li. J. 4, 12 'vier-
füssig', ändcese 'einen tag dauernd', drlseare 'drei jähre alt'
(Sievers, Beitr. 27, 208). Auch hier werden die r- casus des
subst. gewirkt haben, indem nach feoiver dujor 'vier tage'
*feodor- (feower-) dö^re 'viertägig' statt "^feodordcösre eintrat
und dann von den übrigen casus, wie dem gen. feodordösres,
ein neuer nom. sg. masc. fcoöordöser abstrahiert wurde. In
der glossierung von cßiadriduanus durch R^ j^ n^ 39 feoiver-
dogor ist der einfluss des simplex auch an dem vocal der
zweiten silbe deutlich, während die ws. fassung der Corp.-hs.
gewant übersetzt: he stin^d, he tvces for fcowur da^on dead.
ZUR WESTGERM. GRAMMATIK. 85
Im sg. des subst. dagegen gilt also durcliaus nom. döej, dat.
acc. döe^e, dcej, zusammen bei simi)lex und zweitem zusammen-
setzungsteil sammt einem doeghwcemlice rund vierzig belege.
Neben diesem 5 -stamme nun geht in Li. das nach der
a-klasse flectierende dces, pl. da^as einher: insofern bereits
ohne bedeutungsverschiedenheit, als in den fällen, wo dwj,
dösor verwendet wird, überall auch formen von dce^ belegt
sind; 'post triduum' also wird auch widergegeben dui'ch oefter
drim dagum, neben sunna-, symhel-, Wödnes-dmg, döe^Jiw Wmlice
bestehen sunna-dceg u.s.w.
Ausserhalb von Li. geht dies noch weiter. Li. scheint
der einzige ae. text zu sein, der die fortsetzung von nom. acc.
sg. *äösis noch überliefert: in allen anderen ist sie durch dce^
verdrängt, selbst in W-, wo die pluralformen örio dogor Mc.
8,2, cefier örim do^rum L. 2, 46 an allen den stellen, wo Li.
singularisches dws bietet, vielmehr dces zur seite haben. Es
ist schwierig zu entscheiden, wann diese ersetzung speciell im
merc. stattgefunden hat; in den frühmerc. quellen der OET.
ist der stamm nicht vertreten, formen wie du^rum fehlen ebenso
wie döe^.
Wendet man sich also den poetischen texten zu, um hier
wenn möglich aufschluss über das der flexion von Li. zu gründe
liegende ältere angl. paradigma zu gewinnen, so wird man
diese Verhältnisse im äuge behalten müssen. Man kann nicht
erwarten, eine form döeg oder *dej noch unmittelbar vorzufinden;
eine solche wäre sicher von den südlichen Schreibern durch
das ihnen geläufige dce^ ersetzt, das metrisch gleichwertig war.
Andrerseits aber ist mit der mögiichkeit zu rechnen, dass
wenigstens in einem teile der originale das paradigma durch
die in lebendiger Sprachentwicklung erfolgte ersetzung von
döe^ durch dce^ bereits gesprengt war, so dass die r- casus in
der luft hiengen und eine neubildung der fehlenden formen
herbeiführen konnten.
Im Beowulf finden wir ausser dem compositum dögorgerimes
2728a belegt: den gen. sg. ö^res dolores 219b. 605b, endedö-
sores 2896 a, für urspr. ^dösor\ den instr. sg. pys düsor ]M
1395a, daneben sicylce J^y dolore 1797 b, forman dolore 2573b,
gleichfalls für in den text zu setzendes dö^or, s. oben das citat
bei hrööre] den gen. pl. Imt he dö^ora seliwmn 88a, dosra
86 WEYHE
^cliwylcc 1090a. dö^rra dtvsrmi 823a; endlich den dat. pl. ufaran
(lösrum 2200b. 2392a. Ein nom. acc. sg. *dögor fehlt, an ent-
sprechender stelle steht vielmehr dcr,^; beachtenswert hierfür
ist besonders die flexion von cndcdcp,<;: nom. sg. j)« n'ces endcdc^
{^ödum gc^ovgen) 3035b, gen. sg. {o7i ivmum) ended ösor es 2896 Si,
acc, sg. o])de cndcdmg {. . . s<^^idan) 637b.
j\ran wird hieraus schliessen dürfen, dass das original des
Beowulf entweder noch die flexion nom. acc. sg. das, dat. dö^or
besessen hat oder aber dass es, falls in seiner spräche döe^
schon durch dcej ersetzt war, die r-formen noch gemäss der
technik einer zeit verwante, in der dßc^ lebte. Zweifelhaft
bleibt es dabei, ob für den überlieferten metrisch falschen gen.
dolores gleichfalls noch dösor oder ob vielmehr schon dösres
einzusetzen ist; nach tiexionen wie wom. föt, gen.fötes, dat. /c/;
hoc, böce, hec, ws. freond, freondcs, friend kann sehr wol die
nach art von ahd. clialh, clialbires vorgenommene analogische
Umbildung des gen. der des dat. vorangegangen sein, gerade
dadurch eine differenzierung der beiden casus bewirkend. Dass
der um mehr als ein Jahrhundert jüngere merc. Psalter bei
ccelf noch die alte genitivform bewahrt hat, ist hierfür natür-
lich nicht strict entscheidend.
Ausserhalb des Beowulf belegt Grein das wort einmal im
dat. sg.: py fcoröan dolore Jud, 12 (hierzu Luick, Beitr. 11, 491
unten), und einmal im dat. pl. ceftcr dögruni Hy. 4, 51, ausser-
dem den gen. pl. in den formelhaften Verbindungen dö^ra {-ora,
-era) rlm (parallel dem compos. dö^or(^e)nm) und dögm sc-
]nnjlce,sehwylcne,^ehicäm. Einzige ausnähme macht der (jüngere)
Gu., wo dö^or auch als nom. acc. sg. erscheint. Aber wenn
hier der nom. und acc. sg. endedögor 905. 1125. 1174. 1259,
der nom. pl. dö^or 1011 und der dat. sg. endedögor 1140 gleiche
form zeigen, so dürfte schon das für die Jugend des paradigmas
sprechen, eines gegenstücks zu der flexion von nueg in der
Jud., wo in ähnlicher weise der neugebildete nom, acc. sg.
mcp^ö (s. oben) mit dem gen. sg. (335) und dem nom. pl. (135)
identisch ist.
Im Beda finde ich den gen. pl. Imra nehstena dosra Füller
1, 268, 12 und den dat. sg. to ]mm ytma'stan {mUnuestan) do^or
1,286,2. 11; in der südlichen prosa älterer zeit (über das ev,
vorkommen im spätws. fehlen mir Sammlungen) begegnet nur
ZUR WESTGERM. GRAMMATIK.' 87
noch der dat. sg. in einer formelhaften Verbindung: uferran
dogor 'in späterer zeit' kent. urk. v. 805 (OET. Ct. 34, 16),
yferran dosre kent. urk. v. 835 (ehda. 41, 23), uferran dolore
CP. 281, 13, uferan dolore Or. 168, 6 (vgl. Cosijn, Aws. gr. 2, 52).
Auch hier ergibt sich also mit einer an Sicherheit grenzen-
den Wahrscheinlichkeit als älteste flexion: sg. döes, *dösor, dögor,
dce^] pl. dösor, dögra, dögnim, dUgor.
Ausser bei den genannten vier stammen, ^TialTjis I uz-, Ham-
^izjus-, Viröpiz I uz- und *d^öjiz I uz-, ist die alte flexion der
?>/w^- Stämme, so viel ich sehe, nicht mehr direct nachweisbar,
was zum teil an den Zufälligkeiten des materials aus älterer
zeit liegen kann. Wenigstens hat die poesie auch sonst noch
vereinzelte reste bewahrt. So ist zu dem nom. sg. *haüiz
> hml 'omen' (glückliches) Vorzeichen, heil' gleich an. hcill
neutr. (Kluge, Anglia, Anz. 5, 85), vgl. zur bedeutung Jml gc-
hleotan 'heil erlangen', eigentlich 'durch losen ein günstiges Vor-
zeichen erhalten', zur Stammbildung Juelsian, hälsicm 'nach Vor-
zeichen schauen, beschwören u.s.w.', noch dreimal der dat. hälor
belegt Jul. 327. 360. 440; ebenso begegnet zu sele < "^saliz
'saal' noch zweimal der dat. salore in der Verbindung tö salore
ladian El. 382 b {heo tö salore eft) und 552 a {sec^as tö salore),
an versstellen also, wo die jüngere neubildung auf -e nach
art von hröÖre, dö^re metrisch sicher steht, i) Klar liegt die
ursprüngliche Verteilung von auslautendem -iz des nom. acc.
sg., inlautendem -uz- der übrigen casus ferner zu tage bei dem
stamme ^sisizjuz- 'sieg', der sich in zwei neue paradigmen
gespalten hat, nom. si^e, gen. si^es und gen. sl^ores, nom. sigor.
Als rest der alten flexion ist hier der dat. si^or bekannt (z. b.
E' 12, 20, ivissigor Beow. 1554), auf die ursprüngliche einheit
des Paradigmas deutet wol auch noch das durchgängige i von
sigor gegenüber dem e der urgerm grundform zurück (ai. sdhas-,
anorw. Siugurjyr u.s.w., vgl. Noreen, Ark. f. n. fil. 3, 15, fuss-
note); im sg. des alten paradigmas war i lautgesetzlich, teils
vor dem i der nächsten silbe i^si^Kz)), teils vor der folge -u — i
{*seguzi > ^st'^uri)] schon damals wird das i auch in die plural-
1) Scel dagegen ist M'oI einfach als parallelstamm nach der o-klasse
aufzufassen, neutrum wie z. b. Ms, vgl. das denominativum got. saljan;
heispiele für solches nebeneinander bei Noreen, IF. 4, 323. Osthoff, Beitr.
13, 406. Etym. parerga s. 309 f.
88 WEYHE
formen wie si^ora gedrung-en sein, die ihrerseits im verein mit
dem lautgesetzlichen gen. dat. sg. der überwiegenden lang-
silbigen wie calfur, dusor dem gen. dat. sg. -ur, -or (nicht ■-ir,
-er) bewahrt oder widerhergestellt haben.
Durchgeführt ist das -ur- der flectierten casus in irildoy
•wild', das dem alid. iriU, dat. pl. uuildlrun entspricht (Sievers,
Beitr.9,253. 10.486. Wilmanns, Deutsche gr. 2'^ §253,2; über
ein ev. aus dem me. zu erschliessendes ae. *«-i7rf Bosw.-T. 1224).
Begünstigend hat hierbei wol die frühzeitige, schon im wild-
deor, wüdeor des merc. Psalters hervortretende anlehnung an
deor *tier' mitgewirkt, welch letzteres als zweites compositions-
glied über -deor zu -dor werden konnte, vgl. Sievers, IF. 14,32 f.;
es dürfte daher nicht einmal sicher sein, ob das -or einer form
wie ivildorlice CP. 109, 23 H auf directer fortsetzung des alten
-uz- beruht oder zu dem wildiorlice von C im gleichen Ver-
hältnis steht wie z. b. headorhund 'hirschhund' zu liea{h)deor
' hochwild, hirsch '. ')
1) -or ferner in dem einmaligen grondorleas Jul. 271 gegen au. grand-
latiss; neben aepw 'dodrans' Ef. 316, e^ur Cp. 702 lind poet. ?(a)gor-here,
-strMm (dazu Par-p-und, -^ehland) findet sich vom nom. aus gebildetes ?^-
(e/i-, Mh-) strcavi, ä'^-flota, -weard; falls c^iir aus '^'(r^(H)uz- entstanden ist
(Pogatscher, ESt. 27, 223 f.), kann Pp natürlich auch auf noni. acc. "^(fj^/Xz),
mit g statt ?(' von den flectierten casus, zurückweisen. Shdor ist adj.. s.
Bosw.--Toller s. 930; zweifelhaft, ob Ä-stamm, hocor 'spott', das Bosw. -Toller
s. 54S im dat. m/'d hocere und in der Zusammensetzung- hocorn-yrde belegt,
während die angaben über die quantität des tonvocals variieren (für länge
kann die Zusammenstellung mit ahd. huoh [s. z.b. v. Bahder, Yerbalabstracta
s. 55], das h hat, vgl. auch and. hoililc 'ridiculum' AVadstein, KAS. 92,2,
ebensowenig sprechen wie für kürze die etymologische Verknüpfung mit
ae. Imx, Mise, da bei letzterem worte die priorität der folge -sk- doch wol
durch and. AosÄ;, mhd. /toscAe 'spott', hoschen 'spotten' gewährleistet und
auch durch das neben hyscan begegnende hyxan nicht widerlegt wird:
lautgesetzlich konnte das palatale sc des urspr. *huskiaH allerdings keine
metathese erfahren , avoI aber im Süden ein hyxa)i nach dem regelrecht
aus hiisc entstandenen hüx gebildet werden, vgl. z.b. Napier, OE. gll.
1, 5201 hux, 5229 hihsendes). Auf einen ausgang -»(.~) des nom. acc. sg.
deutet dagegen im ae., so viel ich sehe, bei den allein in frage kommenden
kurzsilbigen mit Sicherheit nichts zurück (kühne herleituugsversuche z.b
von socl aus *sdluz bei van Helfen, Beitr. 15, 4S2f.); speoniliran 'suras' Lor.-
gU. 55 (OET. 173) gehört zu spcanva 'wade', und Ep. lOlS spcrumiyrt
kann kaum als altertümlicliere form des späteren .ij^nriryrt angesehen
werden, da Ef. vielmehr smerumiyrt, Cp. smeoruicyrt haben.
ZUR WESTGERM. GRAMMATIK. 89
Dieser hauptgruppe der ae. 5 -stamme stehen ein paar
Wörter gegenüber, welche jene Verteilung von -iz!-uz- ebenso-
wenig mehr nachweisen wie direct erschliessen lassen: sie
zeigen das r des Stammes bez. der urspr. obliquen casus auch
in Verbindung mit einem vorausgehenden e, das auf i zurück-
geführt werden kann oder muss. Bei linder, hryder 'rind' hat
der alte nom. sg. nur noch in Zusammensetzungen wie hnö-
falä, angl. hridkioräc, auch dem flurnamen Hrldden seine spuren
hinterlassen (Sievers, Ags. gr.^ § 289, anm.2. Jordan a.a.O. s.l61 f.
Middendorf, Ae. flurnamenbuch s. 77); wenn hier neben über-
wiegendem hryöer, -eres, -ere u.s.w. umlautslose formen wie
pl. hrüöeru selten sind, so kann eine ältere flexion "^hryö, gen.
VirüÖres, lirüöra u.s.w. sammt folgenden ausgleichungen eben
nur vermutet werden. Dasselbe gilt von südengl. ear < *ahus-
'ähre' gegen north, dat. sg. cehher E^, dat. sg. eher, pl. ehras,
ehera Li. Qi = hli), merc. acc. pl. ear Cp. 1892 neben acc. pl.
cechir R' 12, 1 (urspr. nom. sg. ''^ahi^? ^ahtviz?), wo die formen
mit hh an sich der beurteilung Schwierigkeiten bereiten. Wäh-
rend die flexion sg. cp^, -es, -e, pl. cegru, -a, -um 'ei' über die
qualität des sjnikopierten vocals keine auskunft gibt (Sievers,
Ags. gr.3 § 290, anm. 1), scheint endlich Ep. 429 ae^ergcUi eher
auf "^aiiaz- als "^aiiuz- zurückzuweisen: hier hätten wir even-
tuell die spur eines anderen urgerm. flexionstypus der s-stämme
vor uns. Um die ursprüngliche Verteilung des sufflxablauts
auf das paradigma der i>/«^- stamme kennen zu lernen, wird
man sich natürlich an die Wörter halten müssen, die auch in
ihrer flexion als consonantische stamme dem ursprünglichen
am nächsten stehen.
Ergibt sich danach für die überwiegende mehrzahl der ae.
5-stämme mit Sicherheit ein nebeneinander von auslautendem
-iz > -i des nom. acc. sg., inlautendem -uz- > -ur- der übrigen
casus in urengl. zeit, so darf man in dieser wie immer zu er-
klärenden Verteilung zugleich einen massstab für entsprechende
erscheinungen des sufflxablauts anderer kategorien erblicken.
Vorsicht allerdings ist geboten vor allem bei einer projicierung
ins urgerm., insofern mau von dieser sprachstufe als einer
einheitlichen urform der späteren einzeldialekte ausgehen will;
man vergleiche z. b. die verschiedenen rückschlüsse, zu denen
das an. einerseits, das ae. andrerseits in bezug auf die abstufung
00 WEYHE, ZUR -WESIGERM. GRAMMATIK.
germanischer nachkommen von indog. -vno-, -ono- geführt liat
für das urnord. crschliesst Noreen, IF, 14, 399 f. eine fiexion
nom. sg. *npinan 'offen' > ypinn, aber pl. *niKmCn > opnir,
indem -in- vor sclnvächer, -an- vor stärker betonter folgesilbe
gestanden liätte; für das urengl legt Bülbring, IF. Anz. 12, HO f.,
andeutungen von Sievers und Chadwick weiterführend, das
vei-hältnis von fiüihae. gilaen und forslesinum vermutungsweise
dahin aus, dass -aen aus -enas erhaltung des e (als ce) vor
folgendem minderbetonten vocale, -huim dagegen Übergang von
e zu i vor schwererer endung zeige.
Dagegen war z. b. schon oben darauf hingewiesen, dass
die bei dem 5-stamme cwlf, ebenso bei Icnih und dwg im spät-
north, zu beobachtende Umformung der singularflexion nach
dem nom. acc. auf -?(^) unter gleichzeitiger bewahrung des
-?(/•-, -or- im pl. dem stände der eddischen tlexion von sg. nom.
Jialr dat. acc. hal, pl. gen. ]wl])a, dat. holpum (nom. holpar, acc.
hgljjü) entspricht. Da nun aus dem älteren ae. hervorgeht,
dass bei den ?>/tf^- stammen auch der gen, dat ^g. ursprüng-
lich den suffixvocal ti gehabt hat, wird es gerade in diesem
falle nicht zu kühn sein, die an früherer stelle für den ^stamm
hcele vorausgesetzte urengl. abstuf ung halij) j up nach massgabe
der bei den 5-stämmen noch in historischer zeit belegten Ver-
teilung anzusetzen.
In der tat würde sich damit zugleich die entstehung der
überlieferten lautform frühae. h^lidum, gemeinae. liale, ha'lcd
am ungezwungensten erklären: galt *hali{J)) nur im nom. (und
acc.) sg., sonst aber *h(duj); so wäre der im gen. dat. sg. und
nom. pl. lautgesetzlich entwickelte vocalismus (*Aa/»7" > */'«?(/>
> *hceli]) > liceUd) genau in derselben weise verallgemeinert
worden wie bei mcvg, und nur die beseitigung der in diesem
falle im vocalismus abweichenden nom.-acc.-form käme hinzu
i^hali statt Viceli oder auf jüngerer stufe *h(Eli statt *h('Ii);
damit hätte dann in der ausgleichung des vocalismus von mw^
und hcele dieselbe übereinstimnning geherscht wie auf der
andern seite bei den singularia tantum ws, calti und mioloc.
LEIPZIG, december 1904. HANS WEYHE.
DIE ALLITERATION IM EDDISCHEN
FORNYRDISLAG.
Ein beitrag zur keiintnis des altgermanisclieu
satzaccents.
§ 1. Nachdem F. Vetter') im jähre 1872 an vorher-
gehende bemerkungen W. Wackerna gel s^) und M. Riegers 3)
anknüpfend endgiltig die unhaltbarkeit der vierhebungstheorie
Lachmanns^) und seiner nachfoiger dargetan und so für ein
richtiges Verständnis des altgerm. alliterationsverses die bahn
geebnet hatte, gab 1876 M. Rieger zum ersten male vom
Standpunkt der zweihebungstheorie aus eine ausführliche dar-
stellung der alt- und angelsächs. verskunst (Zs. fdph. 1, 7 ff.).
Das hauptresultat dieser Untersuchung war die wichtige er-
kenntnis, dass der wgerm. av. die tonabstufungen des ge-
sprochenen Satzes bis ins einzelnste widerspiegelt, dass somit
Versbau und alliteration mit dem germ. expiratorischen satz-
accent eng zusammenhängen. Ferner hatte sich ergeben, dass
die aus dem Heliand, Beowulf und Cynewulfs werken abstra-
hierten alliterationsgesetze in der jüngeren ags. dichtung mehr
und mehr an geltung verlieren. Das an. schloss Eieger ('zu-
frieden dessen Übereinstimmung in allem wesentlichen erkannt
zu haben') von seiner betrachtung aus, und zwar hauptsäch-
lich deshalb, weil schon zwei jähre vorher K. Hildebrand in
seiner arbeit über Verstellung in den Eddaliedern (Zs. fdph,,
1) F. Vetter, Zum Muspilli und zur altgermanischeu alliterationspoesie,
Wien 1872.
^) W. Wackernagel, Lit.-gesch.^ s. 45 f. 46, anm. 4.
3) M. Rieger, Germ. 9, 295 f.
'•) Lachmann, Ueber ahd. betonung und verskunst, Schriften 1, 358 f. ;
Ueber das Hildebrandslied, Schriften 1, 407 f.
92 WEXCK
erg.-bd.) dieselbe frage aufgeworfen und allerdings mehr an-
deutend^) als erschöpfend beantwortet hatte. Somit fehlt bis-
lang eine eingehende Untersuchung der eddischen dichtung.
Was das fornyröislag angeht, das als nächster verwanter des
wgerm, av. an erster stelle in betracht kommt, so gibt Sievers^)
nur einige allgemeine bemerkungen, deren richtigkeit durch
das verhalten der anderen germ. sprachzweige gesichert ist;
betreffs der einzelheiten verweist er ausdrücklich auf den er-
wähnten mangel. Dagegen übertragen E. Brate') und Holt-
hausens) die von Eieger gewonnenen sätze ohne weiteres auf
die Eddalieder, und begnügen sich mit dem bemerken, die
alten regeln seien besonders in den jüngeren gedichten häufig
dui'chbrochen.
§ 2. Stellt nun der Beowulf, der klassischeste Vertreter
der wgerm. alliterationsdichtung, die letzte für uns erreichbare
stufe der wgerm. technik dar, so wird er höchstwahrscheinlich
im wesentlichen noch die altgerm. technik repräsentieren. In
diesem falle müssen etwaige abweichungen der eddischen
technik, speciell im fornyröislag, als product einer secundären
entwicklung angesprochen werden. Eine definitive entscheidung
dieser frage ist jedoch nur auf grund einer Beowulfstatistik
möglich, wie sie bis jetzt nicht vorliegt und späterer Unter-
suchung vorl)ehalten bleiben muss. Die folgende Untersuchung
beschränkt sich daher zunächst darauf, ein vollständiges
bild der eddischen technik im fornyrcMslag zu ent-
werfen.') An der hand der Statistik soll weiter der versuch
gemacht werden, in die kenntnis des altgerm. satzaccents
tiefer einzudringen.
•') Die Zahlenangaben Hildebrands s. 114f. beschränken sich nnr auf
das rcimverhältnis von adj., poss. pron., gen. zum snbst. nnd lassen vor allem
die Scheidung der drei eddischen metra vermit^seu.
«) Sievers, Altgerm. metrik, Halle 1893, § 46, 1. § 38, 4 (im folgenden
als Sievers citiert).
') Brate, Fornnordisk metrik, Stockholm 1898, § 27.
8) Holthausen, Aisl. lesebuch, "Weimar 1896, s. xvii if.
') Diese Untersuchung ist absichtlich ohne rücksicht auf die z. t.
noch schwebende frage der Chronologie der einzelnen Eddalieder geführt,
imd zwar hauptsächlich um einer etwaigen beeinflussung durch leicht sieh
einstellende Vorurteile bei der bctrachtung zweifelhafter fälle vorzubeugen.
Wenn ihre ergebnisse z. t. mit den landläutigeu Vorstellungen von der
ALLITERATION IM EDD. FOENYRDISLAG. 93
§ :?. Das material der vorliegenden arbeit sind die fornyr-
öislag-lieder der Edda: VQluspc}^) (Vsp.), Hymiskvi]?a(Hym.),
prymskvij^a (prk.), Baldrs draumar (Bdr.), Rigsl?ula (R}'.),
Hyndluljop (Hdl.), VQlundarkvipa') (Vkv.), Grottas^ngr
(Grt.), Helgakvil^a Hundingsbana 1 und 2 (HH. 1, HH.2),
Helgakvi]?a Hjorvar]'SSonar (HHv.), Gripisspö (Grp.),
Brot (Br.), Gnjn'ünarkvil^a 1—3 (G]?.), SigurparkviJ'a
skanima(Sg.), Helrei}? Brynliildar (Hei.), Oddrünargratr
(Od.), GuJn'iinarliVQt (Gbv.), ferner die im gleichen metruni
abgefassten stücke der Reginsmyl (Rg.) und Fäfnismol
(Faf.). Dagegen sind die vereinzelten sonst eingesprengten
Strophen und verse bei seite gelassen worden, da sie die resul-
tate nicht im geringsten modiflciert hätten.
Als text lege ich S. Bugges Norroen fornkvaeöi, Kristiania
1867, zu gründe. 2) Doch berücksichtige ich durchgehends die
Chronologie der eddischen gedieh te in widersprach geraten, so ist daraus
nicht auf die absolute richtigkeit der dargelegten anschauungeu zu
schliessen, eben weil die Untersuchung einseitig geführt ist. Ich will
vielmehr damit nur betonen, dass nach meiner Überzeugung das form-
kriterium bei einer endgiltigen festlegung der chronolgie eine nicht un-
wichtige rolle mitzuspielen berufen ist. Denn wenn einerseits chronolo-
gische differenzen zwischen den einzelnen liedern unbestritten sind, und
andrerseits ein gradunterschied in der technik der behandelten gedichte
festzustellen ist, so dürfte es bei der klar vor äugen liegenden entwicklung
des ags. av. nicht allzu gewagt erscheinen, auch bei der Edda die chrono-
logischen unterschiede mit denen der technik in Zusammenhang zu bringen.
Wenn ich daher im folgenden von 'liedern älterer und jüngerer
technik' rede, so verkenne ich die Schwierigkeit nicht, die sich einer
glatten Verteilung der lieder auf diese beiden gruppen (vgl. § 67) entgegen-
stellt. Denn für die beurteilung der technik ist nicht nur die zahl der
Verstösse, d.h. der abweichuugen von der norm (diese sind z. b. in prk.,
Vsp., Hdl., Rp. weniger zahlreich als in HH.2, HH.l, Gp. 2, Sg., Hei., Ghv.,
Od.), sondern vor allem auch ihre schwere in rechuung zu stellen, und
gerade über den letzten punkt kann man oft verschiedener meinung sein.
Ausserdem ist ja gar nicht zu leugnen, dass es zu allen zeiten gute und
schlechte dichter gegeben hat, d.h. solche, die die überlieferte technik
mehr oder weniger beherschten , d. h. dass der unterschied in der technik
vielmehr dem einzelnen dichter als der zeit zur last zu legen ist.
') Die eingestreuten malahättrverse sind ausgeschlossen worden: Vsp.
20,5—8. Ykv. 1,1-2. 6,5—8. 17,1—4.
^) Zur vergleichung sind von anderen Eddaausgaben nur die von
K. Hildebrand, Paderborn 1876, B. Sijmons, Halle 1888— 1901 und teilweise
auch die von Fiunui" Jonsson, Halle 1888—1890 herangezogen worden.
94 WENCK
wichtigen ergebnisse der metrischen untersnchungen von
Sievers'') und. wo aus nietrisclien und sinnesgriinden eine
änderung geboten ist, die der textkritisclien arbeiten von
Bugge, Hildebrand. Sievers und anderen.') An zweifelhaften
stellen folge ich der handschriftlichen lesart.
Bei der Zusammenstellung der belege für die im folgenden
behandelten wortkategorien habe ich im gegensatz zu Rieger
(für den in der liauptsache nur das in hebung befindliche
Sprachmaterial bedeutung hatte), eine strenge Scheidung der
einzelnen kategorien für unbedingt erforderlich gehalten, weil
die Verstösse gegen den satzaccent zunehmen, je mehr Wörter
in die halbzeile eintreten. Mag dieses princip auch auf kosten
der Übersichtlichkeit durchgeführt sein: der nachteil wird
reichlich durch die grössere Sicherheit der resultate auf-
gewogen. Abweichungen von dem genannten grundsatz habe
ich mir nur dann gestattet, wenn eine änderung der ergebnisse
ausgeschlossen ist. So habe ich durchgehends präpositionen,
conjunctionen und partikeln vernachlässigen dürfen, weil sie
eben beständig tonlos sind (vgl. § 48).
I. hauptteil.
Yerhiiltuis der alliteratioii zum satzaccent.')
Cap. I. Zwei nomina.
§ 4. Auch in der Edda besteht noch das alte gesetz
(Sievers § 22. 2) zu recht, nach dem von zwei Wörtern der-
selben nachdrucksstufe das erste alliterieren muss, das zweite
am reim nur teil haben kann. Die ausnahmen, die sich im
2) Vgl. Sievers § 36, wo die einschlägige literatur citiert ist.
*) Bei der angäbe von textkritisclier literatur bin ich nicht auf Voll-
ständigkeit ausgegangen, da solche angaben in diesem zusammenhange doch
nur von untergeordneter bedeutung sind.
*) Einfache alliteratiou auf erster hebung wird im folgenden
durch die (im gegensatz zu Sievers' tj'penbezeichuungen wie AI etc.) hoch-
gestellte Ziffer ' nach dem betr. typenzeichen angedeutet, alliteratiou
auf beiden hebungeu desgl. durch *, einfache alliteratiou auf
zweiter hebung durch ^, fehlen der alliteration durch ". ist all-
gemein von 'einfacher alliteration auf erster hebung' etc. die rede, so
setze ich dafür N', bez. N- und N^ — Die beiden halbverse werden als
I und II unterschieden.
ALLITERATIOX IM EDD. FORNYRDISLAG. 95
fornyröislag zu dieser wie fast zu jeder anderen regel finden,
werden uns suis locis beschäftigen.
Als Wörter gleiclien tongewichts gelten im ags., und
wol auch in der hauptsache im an., die nomina: s üb stau -
tivum, adjectivum, participium, Infinitiv. Als fünfte
Wortklasse reiht sich diesen das numerale an. In der be-
liandlung des Zahlworts als adj. geht nämlich die eddische
technik mit der des Beowulf zusammen (während im Heliand
auch proklitische Verwendung der Zahlwörter nicht aus-
geschlossen ist: Rieger s. 20): man braucht also für das an.
eine besondere kategorie 'numeralia' neben den adj. nicht auf-
zustellen. Dagegen sind innerhalb der vier hauptgruppen der
nomina noch weitere Scheidungen vorzunehmen. Da nämlich
einfache alliteration auf erster hebung ein dynamisches über-
gewicht dieser hebung über die zweite, doppelalliteration hin-
gegen coordination der beiden hebuugen zum ausdruck bringt,
so ist eine weitere trennung nach dem syntaktischen Ver-
hältnis der beiden nomina für die feststellung der stärke-
abstufung ebenso wichtig wie die nach der Wortstellung. 2)
Weil ausserdem die wähl von einfacher und doppelter alli-
teration auch von der rhythmischen qualität der einzelnen
versarten mit abhängt, so sind die belege weiterhin nach
den rhythmischen haupttypen zu ordnen. Abgesehen
davon, dass sich hieraus zugleich sichere Schlüsse auf die
dynamische abstufung der beiden nomina ziehen lassen werden,
machte auch der zweite hauptteil der Untersuchung eine solche
Spaltung wünschenswert. Ein einfacher verweis auf die einzige
vollständige Zusammenstellung der alliterations- Verhältnisse
des eddischen fornyröislag, die sich bei H. Pipping, Bidrag til
Eddametriken, Helsingfors 1903 (Skrifter udg. af Svenska
litteratursällskapet i Finland LIX) findet, wäre mir wegen
der abweichenden bezeichnuugsweise unmöglich gewesen,
selbst wenn ich überall der rhythmisierung Pippings zu-
stimmen könnte.
2) Eieger scheint allerdings die bedeutuug der begrifflich-grammatischen
bindung zu unterschätzen.
06 WKNCK
A. Substantivum.
a) Substantiv + Substantiv.
1) Substantiv und zugehöriger geuetiv.
§ 5. 1) ^raterial:
(c) Substautiv + genetiv: Erste balbzeile: Typus A: Vsp. 28,3.
37, 7. Hym. 9, 1. 20, 3. Grt. 8, 3. HH. 1, 25, 5. 30, 7. 55, 3." HH. 2, 25, 7. Grp.
27.5. 39,7. Gp. 1,J4,7. Sg. G9, 3. Hei. 11,7. Gp. 2, 22,5(Ys.). 23,5. 0(1.21,7.
32.3. — Typus C: Vsp. 21, 5. 25,7. 27,7. 28,13. 53,5. Hym. 34, 1 (Sievers,
Proben s. U). prk. 31, 7. 32, 7. Hdl. 50, 3. Vkv. 24, 3. 34. 7. Grt. 5, 3 (Fiunur
Jonsson). G, 7. 21,3. HH. 2,4,3. 8,7. 3G, 5. Gii). 49,7. G^ 2,13,3. 34,7.
GJ?. 3,7,3. 0(1. 17,7. — Typus D: Vsp. 33,7. Hym. 11,9. IG, 3. 17,7.
37, 3. Hdl. 24, 5. Vkv. 20, 7. Grt. 9, 7. HH. 2, 15, 3. 20, 7. 51, 3. Br. 14, 3.
Kg. 26,3. G)?. 1,24,5. Gj?. 2, 14,3. IG, 1. Gbv. 7,3. — Zweite balbzeile:
Typus A: Vsp. 5,2. 20,12. 24, G. 30,10. Hym. 23,6. 27,8. prk. 27,6. Hdl.
11, 4. 41, 4. Vkv. 13, 4. 32, 2. 14, 4. Grp. 29, 4. Eg. 23, 4. Fäf. 32, 6. Br.
11, 6 (?). GJ?. 2, 15, 6. 22, 8. 26, G. — Typus C: Vsp. 43, 8. Hym. 12, 6. 39, 2.
Grt. 12, 2. HH. 1, 12, 8. 39, 2. HH. 2, 50, 4. Grp. 15, 4. 15, 8. 43, 4. Rg. 15, 8.
Faf. 44,8. G}?. 1,5,6 (=11,6. 12,8). 18,4. Sg. 2,8. 34,8. 45,8. &}>. 2,2,2.
27.6. Od. 8,4. 14,6. 22,4. — Typus D: Vsp. 1,4. 52,4. 55,2. 56,2. prk.
13, 6. 15, 8. 19, 4. E)?. 3, 6. 5, 8. 17, 6. 19, 8. 30, 6. Vkv. 2, 10. 16, 2. 25, 4.
30. 2. 33, 8. 35, 8. Grt. 2, 8. 10, 6. HH. 1, 6, 2. 8, 8. 14, 8. HH. 2, 8, 2. Grp.
19. 4. 36, 4. Kg. 13, 2. Br. 16, 10. Sg. 31, 2. 38, 6. 42, 2. 64, 6. Gp. 2, 22, 6.
Gp. 3,10,4. Od. 6, 2. 15,8. 34,8. Gbv. 16, 8. — Typus F: Sg. 6, 2. —
Typus G: Ep. 11,4.
ß) Genetiv + Substantiv: Erste balbzeile: Typus A: Vsp. 14,3.
20,11. 31,3. 42,3. Hym. 14,3. 19,7. Drk. 22, 7. Hdl. 17, 3. 24,3. 25,7. 30,5.
35, 7. Vkv. 10, 3. 17, 8. HH. 1, 27, 7. 28, 3. 40, 7. 49, 3. 56, 7. HH. 2, 46, 11.
Gi-p. 23, 7. 40, 7. 41, 7. 47, 7. Br. 9, 3. Eg. 26, 7. Fäf. 32, 3. Sg. 31, 9. Gp.
2,7,7. 19,7. 31,11. Od. 1,7. 20,3. 33,7. — Typus B: Bdr. 8,7. 9,5. Grt.
4,3. HH. 1,31,7. HH. 2, 13,9. Grp. 52, 7. Sg.52,5. — Typus D: Vsp. 40, 7.
Hym. 22,3. HHv. 10,3. — Typus C: Vsp. 4,1. 9,7. Bdr. 3,3. 10,7. Vkv.
33.3. 33,5. Gi-p. 17,5. Fäf. 36,3. Gp. 1,15,5. Sg. 24, 7. — Typus E: Vsp.
14, 7. 16, 7. HH. 2, 50, 3. HHv. 8, 7. 35, 7. Fäf. 44, 7. Gp. 2, 38, 3. Od. 33, 3.
— Typus F: Gp. 1, 9, 7. — Zweite balbzeile: Typus A: Vsp. 8, 6. 19,8.
28,10. 37,4. 38,8. 40,4. 56,6. Hym. 16,2. 20,2 (=31,2). 22,4. prk. 3,2.
5, 4 (=9, 6). 5,6 (=9,4). 6,2 (=11,4. 22,2. 25,2. 30,2. 31,6). 12,6
(= 15, 6. 17, 6. 19, 2). 29, 2 (= 32, 2). 30, 8. Ep. 13, 10. 25, 8. Hdl. 9, 2.
10,6. 18,2. 20,2. 21,2. 21,4. 27,2. 27,6. 28,6. 28,8. 32,6. 35,4. 38,2
(=43,4 = Gp. 2,21,6). Bdr. 3,8. 12,8. 13,8. Vkv. 6, 2. 13,2. 30,8. 10,6.
Grt. 1,6. 20,2. HH. 1, 9, 4. 11,4 (= Eg. 15, 2). 14, 6 (= Grp. 9, 6). 17,2
(= HH. 2, 48, 8). 18, 4. 20, 2. 21, 6 (= Fäf. 42, 8). 29, G. 36, 6. 43, 6. 46, 2 =
HH. 2,24,2. 53,6. 55,8. HH. 2,7,4. 11,6. 16,6. 18,2. 25,8. 27,4. 31,6.
31,8. 33,6. 43,4. 44,10. HHv. 1,2 (=5,8). 1,6. 3,4. 10,8. 38,2. 43,6.
Grp. 1,6. 3,8. 5,2. 13,2. 15,2 (=30,8). 19,2. 31,8. 35,6. 35,8. Kg. 16,2.
Fäf. 43, 4. Br. G, 2 (= 11, 2 = G}'. 1, 12, 2. IG, 2. 17, 2. 18, 2. 24, 2 = Hei.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 97
13, 2 = G]x 2, 38, G = Gp. 3, 2, 2 = Ghv. 9, 2). 6, 6. 8, 2 (= 14, 2 = Gp.
1, 28, 2. 25, 2. [27, 4. = Sg. 30, 2. = Hei. 4, 2. Gp. 1, 3, 2. 4, 2. 6, 2. 19, 2.
19, 4. Sg. 2, 4 (- 30, 8). 16, 4. 47, 8. 55, 6. 56, 4. 63, 4 (= Ghv. 14, 8). 68, 8.
Hei. 5, 6 (= Od. 28, 4). 8, 6. Gp. 2, 11, 4. 15, 4. 15, 8. 25, 6. 33, 2. 39, 4. Gp.
3,4,2. Od. 2,2. 31,4. Ghv. 2,12. 5,2. 15,8. — Typus B: prk. 30, 6. 32,8.
Hdl. 35, 8. Ykv. 33, 4. 33, 6. HH. 1, 18, 8. 27, 2. Br. 16, 8. Sg. 2, 2. 37, 6.
Od. 14,2. — Typus C: Vsp. 4,6. 9,8. 14,2. 35,2. 40,8. 46,8. 52,2. Hym.
5, 4. 12, 2. prk. 26, 4 (= 28, 4). Hdl. 4, 6. Vkv. 7, 2. 14, 2. 29, 10. Grt. 1, 2
(= 16, 2). HH. 1, 9, 2. 11, 8. 52, 2. 54, 8. HH. 2, 2, 2. 10, 8. 19, 6. 22, 8. HHv.
2, 8. 4, 4. Grp. 13, 6. 32, 4. 52, 4. Br. 9, 4. Gp. 1, 13, 4. Sg. 22, 8. 37, 10. 39,4.
60,6. 66,4. G]7. 2,34,8. Od. 14, 4. Ghv. 7, 8. 16,10. — Typus D: Vsp. 33, 4
(= Bdr. 11, 8). 62, 6. Hym. 11, 8. 23, 8. Hdl. 19, 2. 30, 2. HH. 2, 12, 2. 12, 4.
Grp. 41,2 (=52,2). — Typus E: Vsp. 56,10. prk. 18,2 (=20,2). HH.
1, 5, 2. 11, 2 (= HH. 2, 12, 6). HH. 2, 4, 14. 47, 4. HHv. 2, 2. Gp. 3, 6, 2. —
Typus F: Hdl. 6, 8. Bdr. 4, 4. Vkv. 15, 4. Sg. 64, 2.
Somit ergibt sicli folgende tabelle:
A B C D E F G
a) I 57 : 18 — 22 17 — — —
II 83 : 19 — 24 38 — 1 1
^) I 63 : 84 7 10 8 8 1 —
n 228 : 151 11 41 11 10 4 —
2) Aus diesen zahlen geht zunächst hervor, dass die voran-
stellung des genetivs namentlich in ii bei weitem die be-
liebtere ist. Diese erscheinung, die mit dem stilprincip der
gesammten altgerm. alliteratiousdichtung übereinstimmt, ist
zugleich ein wichtiges kriterium für die dynamische
abstufung.
Da uämlich die zweite hebung von ii, die uormalerveeise vou der
alliteration ausgeschlossen ist, einen geringeren nachdruck besessen haben
muss als die erste, vräre das anschwellen der ii-ß-helege (um 46,7 "/o) sehr
verwunderlich, wenn die natürliche touabstufung der rhythmischen wider-
sprochen hätte. In i findet zwar auch bei ungleicher stärke der beiden
hebungen ein absteigen von der ersten auf die zweite statt (Sievers § 9, 5),
doch nach ausweis der alliteration nicht in so ausgeprägtem masse. Daher
kann es auch nicht befremden, wenn sich in i nur eine schwache hiuneigung
zur Voranstellung des gen. geltend macht. Die nachstellung des gen. findet
sich in 47,5 °/o der i- belege gegen 26,3 °/o von ii. Offenbar rückte das
nachstehende Substantiv weit mehr in enklise zum gen., als umgekehrt der
gen. zum vorangehenden Substantiv. Das gleiche ergibt sich aus dem Ver-
hältnis von N' zu N'^. Während sich bei der Stellung ß 52 N^ und 11 N'^
gegenüber stehen, überwiegt in den «-belegen N^ mit 35 : 21 N^ fein A^
Grp. 39, 7 ist auszuscheiden).
Wenn also im ersten falle in 82,5 o/o N' für genügend
angesehen wurde, im zweiten die 62,5 7o N^ eine starke
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. 7
98 WENCK
teiKleiiz zur doi)pelalliteration dartun, so lässt das nur die eine
interpretation zu. dass gen. + subst. eine noniinalverbin-
dung bildeten, deren zweites glied (wie im nominal-
compositum) einen schwächeren hauptton besass, dass
bei umgekehrter Stellung jedoch die beiden substan-
tiva ungefähr gleich stark betont waren.
Darauf dass auf dem voraugelicuden subst. ein grösserer nachdruck
gelegen habe, könnte der im vergleich zu ß N* (=17,5**/«) bedeutende
procentsatz von a N' (=37,5°o) hinzuweisen scheinen. Es ist aber bei
der beurtcilung dieser differenz zu berücksichtigen, dass die nomina pro-
pria dem dichter, besonders wenn er doppclalliteration beabsichtigte, ausser-
ordentliche Schwierigkeiten bereiten uuissten (Sievers § 20, 2, anm. 1). In
der tat finden sich weit mehr npr. in den N'- (32) als in den N*-versen (11).
Bringt man die verse mit npr. in abzug [a i N' 21 ( — 12) =9; — N' 35
(—8) =27; — /? I N' 52 (—21) =31; — N^ 11 (—3) = 8J, so verhält
sich « N» (= 75,0 Vo) zu /9 N' (= 79,4 "/o) ungefähr wie 1 : 1, und die oben
berechnete diiferenz von 20,0 "/o zwischen a N- und ß N' reduciert sich auf
den geringen betrag von 4,4 "/o- Somit müssen subst. + gen. im nachdruck
coordiniert gewesen sein.
3) Das eben festgelegte naclidrucksverliältnis von gen.
und Substantiv i^t ohne zweifei das altgermanische. Dass es
in der Edda nur in etwa 75 o/o der fälle hervortritt, zeigt den
secuudären Standpunkt der eddischen verskunst. Um dieser
jedoch völlig gerecht zu werden, sind die gründe aufzusuchen,
die zur abweichung gedrängt haben.
a) Zunächst ist für die a- belege die grosse zahl der verse charakte-
ristisch, die ein nomen proprium enthalten: c i N' 21 : 12 (^57,1 "/o)»
c II Ni = 83 : 45 (= 54,2 °!o)- Da die npr. sämmtlich nachstehende gen.
sind, ist nach dem obigen sicher der alliterationszwang auf erster hebung
das treibende motiv gewesen.
b) Ferner ist der einfluss des sprachniaterials zu berücksichtigen.
Von den 8 i A' entfallen nicht weniger als G auf den untertypus A2k, die
beiden anderen i A' = AI weisen ein npr. auf. Von den 19 il A (a) sind
nur 3 A2k, sie enthalten aber kein npr. Bei der angenommenen dyna-
mischen coordination des nachfolgenden gen. niuss die ziemlich bedeutende
zahl von C-versen wegen der rhythmischen Qualität dieses typus (§52)
sehr befremden. Doch tritt hier als compensation N* in einem bedeutend
stärkeren procentsatz ein als im typus A, ja sogar als im typus D (in
i: 8 A' : 9 A-; 8 D' : 9 D», aber 22 C : 17 C- = 77,2 ° o)- r»ie 5 C von
1 wiegen daher als ausnahmen um so schwerer. Gerade hier zeigt sich der
einfluss der metrischen eigenschafteu des wortmaterials: 22 C = 1 C 1 +
7 C2 -h 14 C3. Der eine Cl-vers: ne hgl hrapra 6^.2,34,7, wo allein
eine Umstellung hätte eintreten können, ist merkwürdigerweise ein C*.
Unter den 24 iiC findet sich jedoch eine grössere anzahl (5) Ci (: 14C2,
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 99
5 03). Das starke hervortreten des typus 02 lässt sich dadurch recht-
fertigen, dass die euklise der zweiten hebuug durch die auflüsung der
ersten hehung') gemildert ist (vgl. § 52). Immerhin kann die dynamische
abstufuug der hehungen im typus C nicht dem natürlichen nachdrucks-
verhältnis entsprochen haben, wie das procentuale vorkommen des typus 0
beweist: « i 22 = 38,6 °/o (auf alle a i-verse berechnet) : ii 2i (= 28,9 "/o),
/9 1 10 (= 15,8 °'o) : n J:l (= 17,9 »/o). Wenn dagegen die zahl der «D-verse
in II um 16,3 °/o steigt (i 17 = 29,4 »/o, n 38 = 45,7 «/o), ist dies ein deut-
liches zeichen dafür, dass der typus D dem satzaccent entsprochen hat. Be-
treffs der Verteilung der D- und E-verse nach den beiden Stellungen vgl.
§ 62. Ein Verstoss gegen das oberste alliterationsgesetz findet sich in dem
aufgeführten material nicht. Grt. 22, 3 vigs Halfdana ist eine fehlerhafte
conjectur. Mit Hildebrand a.a.O. s. 131 ist das hs.-liche vip Halfdana zu
belassen.
2) Zwei substantiva in ungleichem casus.
§ 6. Die hierher gehörigen verse, in denen das zweite
nomen meist von einer präposition abhängig ist, sind wenig
beliebt:
Erste halbzeile: Typus A: Vsp. 10,7. 37,3. 55,7. 59,3. 66,7.
Hym. 18, 3. 21, 7. 39, 7. Vkv. 23, 3. Grt. 15, 7. HH. 2, 37, 7. HHv. 33, 3.
Grp. 12, 3. 17, 7. 24, 3. 35, 5. 40, 2. 44, 3. Fäf. 43, 7. Br. 5, 3. Gp. 1, 26, 3.
27,5. Hei. 7,3. Gp. 2,19,1. Od. 16,7. 17,1. Ghv. 19,7. — Typus B: Br.
17,3. — Typus C: Vsp. 51, 3. Hym. 6, 3. 25, 3. Sg. 42, 3. — Zweite
halbzeile: Typus A: Ysp. 17, 4. 34,4. Hym. 8,8. 29,4. 33,4. prk. 23, 4.
31, 2 (= G]>. 3, 10, 2). Rp. 15, 2. 16, 8. 35, 2. Hdl. 3, 4. 49, 6. Vkv. 18, 2.
27, 2. Grt. 10, 4. 21, 6. 24, 6. HH. 1, 7, 8. 30, 6. HH. 2, 5, 2 (= 6, 2). 14, 6.
14, 8. 35, 6. 38, 4. Grp. 16, 4. Rg. 18, 6. Faf. 44, 2. Gj?. 1, 16, 6 (= Sg. 29, 8).
Sg. 12, 2. 18, 8. 44, 8. 65, 6. Hei. 3, 2. Gp. 2, 34, 6. Od. 9, 6. Ghv. 1, 8. —
Typus C: Hdl. 3,6. Grt. 7,4. HH. 2,45,10. Sg. 29,2. — Typus 0: Vsp.
30, 12. Hym. 4, 6. Hdl. 2, 4 (= HH. 1, 9, 6). 12, 6. HH. 1, 38, 2. Grp. 20, 6.
Sg. 21,4. 40,4. — Typus E: Vsp. 51,8. Grt. 11,8. 14,4. Gp. 2,6,4. —
Typus F: prk. 8, 8 (= 11, 8. 22, 6). ' Sg. 29, 6.
Aus diesem material ist zunächst Sg. 12, 2 iepr i mmi hervorzuheben,
wo der hauptstab auf der zweiten hebung liegen muss (vgl. § 52). Der
fehler wird jedoch durch kreuzalliteration gemildert (vgl. § 57 f.). Der
andere anomale ii-vers Sg. 18, 8 vacegp ä moldo, in dem sich das verpönte
N- findet, beruht auf einen Schreibfehler, da dieselbe Wortverbindung amoldo
schon zwei zeilen vorher begegnet. Mit Bugge 420 b ist « foldu zu lesen.
Wegen der freieren sj^ntaktischen bindung und der mit
dieser parallel gehenden grösseren coordination im nachdruck
1) Im anschluss an Sievers' Proben einer metrischen herstellung der
Eddalieder, Tüb. 1885, wird auflösuug auf erster bez. zweiter hebung als
vi (bez. v2) abgekürzt.
7*
100 WKNCK
ist in der mclirzalil der fülle X- zu erwarten. In der tat
stehen sieh in i 20 N- und 12 N' gegenüber. Dieses Ver-
hältnis sjntzt sich noch schärfer zu, wenn man die npr. be-
rücksichtigt: 14 N^ : 7 N'. In anbetracht der zweifellos vor-
handenen, wenn auch weniger als bei subst. + gen. ausgeprägten
neigung zu X- muss das anschwellen der ii-belege auf ungefähr
das doppelte (60 : 32) sehr auffällig erscheinen. Das völlige
zurücktreten des typus C (ii 4 = 6,6 Vo, i 4 = 12,5 "/u) weist
ja deutlich darauf hin, dass das erste nomen keineswegs ein
besonders dominierendes tougewicht besessen hat. Ueberdies
steht in 2 der i C (Vsp. 51, 3. Hj-m. 6, 3) doppelalliteration (vgl.
die bemerkung zu C^ in § 5); ein dritter zeigt ein npr. an
zweiter stelle: Hjmi. 25, 3 svu at dr Ilymir. Doch liegen in
diesem vers die Verhältnisse insofern anders, als das npr. das
in der vorhergehenden langzeile stehende JQhinn wider auf-
nimmt, somit ohne Verstoss gegen den satzaccent gedrückt
werden kann. Der restierende iC-vers sowie 3 der iiC ge-
hören liedern jüngerer technik au und sind wie die anderen
Cl: HjTii. 6, 3. Hdl. 3, 6, durch die metrische qualität des sprach-
materials bedingt. Der einzige iiC-vers aus einem älteren
gedieht, Hdl. 3, 6 cn hrag slcdläum, gehört nach Mogks ansieht
(Lit. centralbl. 1886, sp. 769) einer interpolierten Strophe an.
Das starke auftreten der in rede stehenden grammatischen
ö'
bindung in ii hängt wol auch mit der erscheinung zusammen,
dass zur bildung zweiter halbzeilen mit Vorliebe zwei nomina
verwendet werden: i 625 : ii 1281. Berücksichtigt man ferner
die einwirkung des sinnesaccents — der logische nachdruck
liegt fast durchgehends auf dem ersten nomen, während das
zweite, z. t. eine adverbiale bestimmung, für den Zusammenhang
unwesentlich, ja völlig entbehrlich ist — , so kann die grosse
zahl von ii-beispielen nicht mehr als fehlerhaft bezeichnet
werden.
3) Zwei coordinierte siibstantiva.
§ 7. Zahlreicher und somit beliebter sind die verse, in
denen zwei nomina grammatisch coordiniert sind:
Erste halbzeile: Typus A: Vsp. 6,5. 6,9. 11,1. 11,3. 11,7. 11,9.
12,1. 12,5. 12,7. 13,1. 13,3. 13,5. 13,9. 15,5. 15,7. 16,1. 16,3. 17,7.
18,3. 36,3. 45,7. 45,9. Rp. 2,9. 12,5. 13,5. 16,9. 24,7. 27,5. 38,5. 41,5.
44, 5. Hdl. 1, 3. 18, 7. 21, 1. 22, 3. 23, 1. 23, 3. 23, 5. 27, 1 (= Grp. 37, 3).
ALLITERATION IM EDD. FORNYEDISLAG. 101
32, 5. 37, 7. Vkv. 15, 1. Grt. 9, 5. 22, 7. HH. 1, 8, 3. 8, 5. 11, 3. 14, 3. 14, 5.
47, 5. 51, 5. 52, 3. 56, 9. HH. 2, 10, 3. 25, 3. 26, 7. Grp. 11, 7. 38. 3. 43, 3.
50, 3. Eg. 18, 7. Sg. 8, 3. 23, 3. 36, 5. 49, 7. Hei. 14, 3. Gp. 2, 15, 7. 16, 7.
28,7. 29,7. 33,3. Od. 9,3. — Typus B: Hdl. 24,7. HH. 1,21,3. 28,5.
Gp. 2,39,3. Gp. 3,3,7. — Typus D: Vsp. 13,7. 15,3. Rp. 12,7. 12,9.
Hdl. 28, L — Typus E: Hdl. 18,5. Vkv. 4,3. — Typus F: Vsp. 11.5.
12,3. EJ7. 11,7. 24,5. 41,3. 41,7. Hdl. 22, 1. - Zweite halbzeiie:
Typus A: Vsp. 11, 2. 11,4. 11,6. 11,8. 12,2. 13,2. 13,4. 13,6. 13,8. 15,4.
15, 8. 16, 4. 26, 6. Ep. 12, 4. 12, 6. 12, 8. 13, 2. 25, 4. 25, 6. 46, 2. Hdl. 2, 6.
7, 10. 13, 4. 20, 8. 23, 4. 25, 2. 32, 4. Grt. 1, 4. HH. 1, 10, 8. HH. 2, 1, 8.
4, 12. 27, 2. 46, 4. HHv. 7, 2, Grp. 1, 8. Er. 8, 4. 10, 6. Gp. 1, 23, 4. Sg. 66, 2.
Ghv. 18,8. — Typus C: Hdl. 13,6. — Typus D: Vsp. 11,10. 15,6. Hdl.
22,2. 22,4. 23,2. — Typus E: Rp. 24,8. — Typus F: Vsp. 29,2. Ep.
41, 4. 41, 8.
Die a priori einleuchtende völlig-e coordination im nach-
druck gellt zunächst aus dem nahezu völligen verschwinden
des typus C hervor.
Der isolierte iiC-vers Hdl. 13,6 en Yrmnd möpir, der sich überdies
in einer metrisch ziemlich zerrütteten Strophe befindet, muss ohne weiteres
als Verstoss bezeichnet werden. Auch die anderen typen treten sehr zurück,
mit ausnähme von A (die F-verse sind sämmtlich katalektische A), dessen
rhythmischer Charakter somit allein der tongleichheit der beiden subst.
entsprach. Diese erscheinen meist durch o^• verbunden, doch steigert sich
die grammatische coordination in einigen fällen bis zum asyndeton. Letztere
art der bindung ist wol die ursprüngliche gewesen, wie der metrisch auf-
fällige vers der Vkv. 15,1 Elapgnpr oJc Rerrgr beweist, i) Was die alli-
teration anlangt, so findet sich in HH. 1, 11, 3 mips ok hringa ein schwerer
fehler gegen den satzaccent. Schon die Stellung in einem jungen liede
kennzeichnet den anomalen vers als ausnähme. Da der zugehörige zweite
halbvers Hundings synir ein npr. enthält, ist reimnot als grund dieses
lapsus anzuziehen. Eine Umstellung der beiden nomina, die in Vsp. 29, 2
hringa oJc inen eine parallele haben würde, geht kaum an, da sich in HH. 1
nur ein einziger F-vers findet: 25,1 tolf hundrup, und zwar an einer
stelle, wo aiisfall einer langzeile anzunehmen ist. Bei der Verstümmelung
des Urtextes ist höchstwahrscheinlich auch die eingangsseukung des ursprüng-
lichen C-verses (ok?) verloren gegangen. Wenn ferner in Vsp. 13, 6 Blldr
ok Büri regelwidrige doppelalliteration auftritt, so darf man darin keines-
wegs ein zeichen dafür erblicken, dass in folge der nachdrucksgleichheit
der subst. auch in ii das Schema K^ angestrebt worden sei. Vielmehr
handelt es sich lediglich um einen metrischen fehler, den man dem inter-
polator des Dvergatal sehr wol zutrauen kann. Dem tonverhältnis der
beiden nomina entsprechend erscheint N-^ in 67 beispieleu, das sind 72,0 ", o
aller i-verse abzüglich des genannten jS^, also ein etwas höherer procent-
satz als bei den in § 6 behandelten versen mit schwächerer coordination
^) Vgl. Sievers § 45, 4, anm. 2. § 85, 2, anm. 2.
102 WENCK
tlor substantiva. Piescr erliobt sich sog'ar auf W),0 ",'„, wenn man die vorse
mit upr. in abzug bringt: N' 5 : N' 20. Gerade diese stellen das liaupt-
contiugent zu den aufgeführten belegen: i N> 20, N* 47 (=67) : ii 37.
Ferner sind die verse zu berücksichtigen, in denen das zweite noraen ein
appellativum oder ein titel ist: i N': Hdl. 1,3. 22,1. 22,3. HH. 2,10,3.
25,3; ^■-: ildl. 28, 1; ii Hdl. 13,4. 22,2. 22,4. HH. 2,1,8. 27,2. Offenbar
handelt es sich hier nicht mehr um das gleiche nachdrucksverhältnis, da
mir ein einziger fall doppelalliteratiou aufweist. Wie in der prosa das
appellativum, desgl. der titel (z.b. ,/o?-Z) dem npr. regelmä.ssig folgt, ebenso
steht in den genannten verseu der titel durchgehends nach, das appellativum
ist nur Hdl. 22, 3 jc'misJcghlr Pörir jedenfalls dem reim zuliebe voraus-
gestellt. ■ Der unten citierte vers Rp>. 45, 1 hann vip 'Rig jarl beweist, dass
das zweite uomen sich im ton mehr an das vorausgehende nomen anlehnen
konnte. Ob ein gleiches für prädicativisches Verhältnis (ii HHv. 7, 2. Hdl.
32, 4. Hdl. 13, 6, s. oben) anzunehmen ist, bleibt zweifelhaft.
Mit dem bisher erörterten stimmen die verliältnis'se der
zweiten lialbzeile vollkommen überein. Namentlich zeigt das
abnehmen der belege bis auf ungefähr die hälfte (49), dass
der absteigende zweite halbvers dem satzaccent widersprach.
Auch wenn man die beispiele mit npr. abzieht, verhalten sich
I und II ebenfalls wie 2 : 1. Die ii- belege sind, will man dem
Urtext der lieder gerecht werden, noch um die verse des
Dvergatal zu vermindern. Sie illustrieren zugleich aufs beste,
wie empfindlich man gegen eine Vernachlässigung des satz-
accents gewesen ist. Bei den in § 6 erörterten verseu mit
schwächer coordinierten nomiuibus Aväre somit das ausgespro-
chene amvachsen der ii-belege unmöglich gewesen, wenn sich
nicht vers- und Satzbetonung gedeckt hätten. Dass überhaupt
II -verse mit coordinierten nominibus auftreten, ist zweifellos
ein indicimn mangelhafter technik. Befand sich der dichter
jedoch in der zAvangslage, einen ii-vers mit zwei coordinierten
nominibus zu bilden, so musste er sich nach einem mittel um-
sehen, das den Verstoss erträglich machte. Ein solches bot
sich ihm im endreim. Denn es kann kaum zufall sein, dass
sich gerade in dieser kategorie von verseu der gleichklang
von Silben in so ausgeprägtem masse bemerkbar macht. Aller-
dings musste sich der reim der casusendungen ungesucht ein-
stellen, dagegen liegt offenbar in den fällen absieht vor, in
denen der gleichklang sich auch auf den silbenanlaut erstreckt.
Dass sich der endreim auch in iN'--beispielen findet, kann
ALLITERATION IM EDD. FOKNYßDISLAG. 103
nicht befremden. Hier trägt er ohne zweifei zum wohllaut
bei und steigert er die Wirkung der dopjjelalliteration.
In II reimt in den versen mit npr. einsilbig Vsp. 11, 2 Norßri Supvi,
Up. 12,6 Kefsii- Fulnir, 2i, 8 BrattsJ^eggr olc Saggr; zweisilbig Ep. 13, 2
Z^mmba oTc Jüimba, 25, 4 /Srarri S^ml-Jd (ungenau), Grt. 1, 4 i^enja o7c il/enja.
Zu den letzteren tritt von den versen ohne npr. Sg. 66, 2 fjoldum ok sljql-
dum, zu den ersteren HH. 1,10,8 Igndnm ok pegnum.. In i ist der ein-
silbige reim besonders bei npr. vertreten, und zwar weniger in N^ -fällen
(Vsp. 11,3 ^l^stri ok Vestv'i, Ep. 27,5 i'opir ok 3Iöph-), als in N^- versen:
Vsp. 11, 7 BIM-T Böhm; Hdl. 21, 1 Jsolfr Ösolfr, 23, 1 ITervarpr Hjgrvarpr,
HH.l, 8, 3 S'dZfjoU *S';!fefjoll, 14,5 HJgrYM-'p ok fip'varp, 47,5 Svipup ok
Svegjulp, 51, 5 MeMr ok 3Iyhnr, Gp. 2, 83, 3 F/nbjorg Valhjqrg. Von den
versen ebne npr. reimen ebenfalls mehr N'^ (Vsp. 45, 7 skeggjqlä ok skalmqlä,
45, 9 vindqlä. vargqld, Grp. 38, 3 litnm ok Zp'tum, Gp. 2, 15, 7 /yprdrott hjalm-
drott), als W: Gp». 1,7,1 = Ep. 27,5 fapir ok mopir. Zweisilbiger reim
findet sich nur in N*-versen mit npr.: Vsp. 13,1 Fili Kili, 15,5 Böri Öri,
15,7 Skirfir Virfh: Assonanz der Stammsilbe begegnet nur in N'^-versen
mit npr.: Vsp. 11,5 Nar ok Näm», 12,3 prär ok prä^m, 12,5 Nyr ok
'Njrctpr, Ep. 41, 5 Nipr ok l^ipjnngr. Auch sie verstärkt die Wirkung der
doppelalliteration.
b) Substantiv -f adjectiv.
§ 8. Material: 1) Gleicher casus der beiden nomina:
a) Substantiv -\- adjectiv: Erste halbzeile: Typus A: Vsp.
2, 7. 5, 3. 10, 3. 32, 3. 63, 5. Hym. 4, 7 (= 30, 3 = Fäf. 35, 3). Drk. 24, 7.
Ep. 15, 3. Hdl. 6, 7. 9, 3. 33, 3. 33, 7. Vkv. 1, 3 (= 3, 9. 10, 7). HH. 1, 11, 7.
49, 5. 50, 7. HH. 2, 20, 3. HHv. 1, 3. Eg. 15, 7 (= Gp. 2, 25, 5). 18, 3 (= Sg.
1, 3. 3, 5). Gp. 1, 6, 7. 17, 5. Sg. 2, 3. 2, 7, 4, 3. 8, 9. 18, 11. 32, 7. 38, 5. Hei.
4,3. Gp. 2,15,5. 19,3. 25,7. Od. 8,3. Ghv. 12, 1. 21,1. 21,3. — Typus B:
Od. 11,7. — Typus C: Grt. 2,3. HH. 2,16,3. HHv. 41,7. Gp. 2, 2, 5. 2,7.
35,3. — Typus D: Vsp. 22,3. 39,3. Hym. 13, 3. 23,3. prk. 23, 3. Ep. 29,5.
29, 7. Hdl. 28, 5. Vkv. 1, 7. 9, 5. Grt. 18, 3. HH. 1, 9, 3. 18, 7. 22, 7. 31, 3.
47, 5. HH. 2, 11, 3. 35, 7. 44, 9. HHv. 2, 3. 7, 3. 42, 7. Eg. 13, 3. Sg. 4, 1. 4, 9.
6, 7. 25, 7. G]?. 2, 14, 7. Gp. 3, 4, 3. Ghv. 17, 11. 18, 5. — Typus F: Ep. 8, 7.
43,1. Hdl. 7,9. Eg. 5,3. Gp. 1,24,9. — Zweite halbzeile: Typus A:
Vsp. 45, 8. 63, 4. Hym. 8, 4. 19, 4. prk. 29, 6. Ep. 6, 6 (= 20, 6. 33, 10). 31, 6.
Hdl. 12, 4. 12, 8. 16, 10 (= 17, 6. 20, 10. 21, 8. 23, 8. 24, 10. 26, 8. 27, 10.
28, 12. 29, 10). 18, 8. 21, 6. 25, 4. Vkv. 2, 4. 19, 4 (= HH. 2, 35, 2 = Faf. 40, 2
- Od. 21, 2 = 26, 2). Grt. 7, 2 (= Od. 8, 8). HH. 1, 12, 6. 52, 4. HH. 2, 14, 2.
HHv. 4, 2. 36, 8. Gi-p. 11, 2. 13, 4. Gp. 1, 17, 4. 22, 2. Sg. 9, 2. 13, 12. 33, 8.
65, 2. Gp. 2, 9, 2. 10, 2. 32, 6. Gp. 3, 11, 6. Od. 3, 2. 15, 2. 15, 6. 25, 8. —
Typus C: Vsp. 10,4. 18,4. 18,8. 30,6. Hym. 11,2. 11,6. prk. 15,4. Ep.
41, 2. Hdl. 1, 8. 9. 6. 18, 6. 41, 6. Vkv. 31, 4. 39, 4. Grt. 18, 8. HH. 1, 28, 4.
35, 4 (= HH. 2, 20, 4). 49, 4. HH. 2, 51, 8. HHv. 34, 4. Grp. 37, 4. Eg. 13, 6.
Br. 7, 6. Gp. 1, 1, 8 (= Gp. 2, 11, 8). 5, 4 (= 11, 4). 19, 8. Sg. 23, 2. 66, 6
(= 67, 2). Hei. 12, 2. G]?. 2, 10, 4 (= Od. 13, 4 = Ghv. 1, 4). 14, 8. 37, 4.
104
WEXCK
Od. 1,2. — Typus D: Vsp. 22,0. n.% 4. Ilym. 19,2. R|>. 1,4. 10,4. 20,4.
29.0. 38,6. HJl. 43,8. HII. 1,9,8. 10,4. 23,8. 29,4. HH. 2,44,2. HHv.
9,0. Grp. 2,6. 13,8. 45,6. Reg. 11,2. Sg. 12, 6. 19,4. 68,2. Od. 8, 6.
21,4. 21,6.
ß) Adjectiv + Substantiv: Erste halbzeile: Typus A: Ysp.
42,7. 43,7. 01,3. Hym. 5,3. 10,3. 20,7. 25,1. 30,7. prk. 8,3. 23,7. Kp.
11.1. 29,3. 32,5. 48,3. Hdl. 30,9. Bdr. 7,3. Vkv. 36,7. 38,3. 41,5. Grt.
1, 7. 12, 7. 20, 3. BH. 1, 4. 7. 6, 5. 12, 7. 33, 3. 37, 3. 38, 7. 53, 3. 56, 3. HH.
2,51,7. HHv. 31,3. 33,7. Grp. 14,3. 51,7. Eg. 10,3. Br. 2,7. 10,3 (= Sg.
30,3). 11,7. 19,3. G]7. 1,4,7. 4,9. 12,5. 14,5. 16,7. 22,7. Sg. 7,5. 20,3.
22, 7. 37, 9 (= 45, 11). 52, 3. 54, 5. 60, 9. 68, 3. 70, 3. Hei. 2, 3. 6, 3. 12, 7.
G]\ 2,19,9. 26,1. 41,7. Od. 7,7. 29,9. Ghv. 1,7. 7,5. 11,1. 14,3. 17,7. —
Typus B: prk. 25,7. HH. 1,43,5. HH. 2,18,3. 21,7. 35,3. HHv. 6.7.
Br. 4,7. 10,7. Sg. 38,7. 42,7. Hei. 6,7. Od. 25,3. Ghv. 3,9. — Typus C:
Hym. 17, 3. Bdr. 14, 5. Tkv. 5, 1 (= 6, 3). HH. 1, 24, 1. Grp. 47, 5. Br. 9, 5.
Sg. 4,7. — Typus D: HHv. 6,3. — Typus E: Vsp. 6,3 (=9,3. 23,3.
25,3). Hym. 5,7. Hdl. 38,3 (= GJ^. 2,21,7). HH. 1,24,5. 35,3. HHv. 4,3.
Grp. 27, 7. Gp.2,38,7. — Typus F: Kp. 37, 3. HH. 1, 25, 1. Sg. 30, 7. Ghv.
9,7. — Typus 6: Ep». 8,9. — Zweite halbzeile: Typus A: Ysp.
1,2. 4,8. 19,4. 22,8. 27,4. 27,6. 31,2. 39,2. 41,2. 41,4. 57,4. 59,2. 60,8.
Hym. 4, 2. 9, 6. 22, 8. 23, 2. 35, 4 (= Gj?. 1, 14, 2 = Gp. 3, 4, 4 = Od. 29, 2).
prk. 9, 8. 14, 0 (= Bdr. 1, 6). 16, 6 (= 19, 10). 24, 6. 26, 6 (= 28, 6). 29, 10.
Rp. 1, 2 (= Faf. 41, 2). 2, 2 (= 6, 4. 20, 4. 33, 8). 3, 4 (= 17, 4. 30, 4). 4, 6.
5,6 (=19,6). 8,8. 8,10. 14,2 (=26,2). 25,2. 29,8. 32,2. 34,6. 36,10.
38. 2. 39, 2. 44, 6. 48, 2. Hdl. 3, 8. 15, 8. 18, 4. 45, 6. 46, 4. 49, 8 (= Gp.
1, 22, 8). 50, 6 (= HH. 2, 46, 2). Bdi-. 1, 8. 5, 4. Vkv. 4, 2 (= 8, 6). 9, 4. 11, 6.
Grt. 4, 2 (= 12, 6). 0, 6 (= Grp. 15, 6). 15, 6. 18, 2. HH. 1, 17, 6. 19, 2 (= Gp.
2,43,6). 25,2. 36,2. 47,6. 49,2. HH. 2,13,4. 34,6 (=Gp. 1,25,3 = Sg.
27, 8). 38, 8. 43, 6. 45, 6. HHv. 10, 2. 36, 4. Grp. 29, 2. 45, 4 (= Br. 3, 6 =
Sg. 61,6). 48,0. Eg. 26,2. Br. 11,4. Gp. 1,4,8. 13,8. 20,8. 24,8. 26,2.
Sg. 1,6. 5,8. 31,4. 41,2. 43,4 (= 45,4). 49,8. 51,2. 53,4. 62,6 (= Ghv.
13, 6). Hei. 6, 2. Gp. 2, 2, 6. 7, 4. 17, 2. 20, 6. 36, 2. Gp. 8, 3, 4. 9, 2. Od. 2, 4.
5,4. 6,4. 9,2. 13,2. 18,2. 19,4. — Typus B: Vsp. 6,8. Vkv. 3,8. 8,8.
HH. 1,56,4. HH. 2,15,2 (= Grp. 47,6. Br. 10,4. Sg. 30,4). Br. 18,8. Sg.
9, 4. 31, 8. 54, 0. 55, 4. 00, 10. Gp. 2, 12, 10. Od. 3, 0. 9, 4. Ghv. 9, 8. 18, 4.
— Typus C: Vsp. 3,4. Hym. 13,6. Hdl. 15,4. 42,6. Br. 13,6. Grt. 10,2.
HH. i, 36, 10. HH. 2, 33, 10. HHv. 8, 4. Grp. 27, 6. Eg. 13, 8. Sg. 67, 6. Gp.
2,2,8. Gp. 3,5,2. — Typus D: V.sp. 2,6. 42,4. Hym. 39,8. I3rk. 10,4.
Hdl. 23,6. HH. 1,49,8. 50,4. 53,12. Grp. 26,2. Br. 2,8. Gp. 1,8,6. 24,10.
Sg. 70,2. Gp. 2,14,2. — Typus E: Hym. 3,2. prk. 23,2. 27,4 (= Vkv.
7, 4 = 16, 4 = 30, 4 = Od. 3, 8). Hdl. 35, 6. Grt. 13, 8. Grp. 33, 6. Eg. 14, 2.
Sg. 14, 2. Ghv. 20, 6. — Typus F: Ep. 37, 2. Bdr. 2, 2 (= 13, 4). Gp. 1, 7, 2.
Sg. 26, 8. 32, 6. Gp. 3, 8, 4.
2) Ungleicher casus der beiden nomina:
«) Substantiv ■\- adjectiv: Erste halbzeile: Typus A: Vsp.
48,7. Hdl. 3,3. HH. 1,34,7. Eg. 23,7. Sg. 50,3. Od. 24,3. — Typus C:
ALLITERATION IM EDD. F0RNYRDI8LAG. 105
Sg. 11,9. — Typus D: HH. 2,33,9. Sg. 53,3. GJ>. 2,42,8. — Typus E:
Hyra. 28,3. HH. 1,41,3. HH. 2, 36, 9. — Typus F: Hell. 25, 9. — Zweite
halbzeile: Typus A: Vsp. 31,6. 64,2. Hym. 5, 8. 15,2. Hdl. 13,2 (= Sg.
67, 4). Vkv. 23, 2. HH. 2, 4, 6. Rg. 17, 6. Br. 4, 6. Sg. 70, 4. Hei. 12, 6. Gp.
2,8,6. 19,6. — Typus B: Grp. 7,8. — Typus C: Vsp. 51,6. Vkv. 5,4.
Grp. 33,2. Qp. 2,24,0. — Typus D: Br. 16,6. Sg. 33,6. Hei. 1,8. —
Typus F: Ep. 4, 10. G]x 1, 24, 12.
ß) Adjectiv + Substantiv: Erste halbzeile: Typus A: Vsp.
56, 11. Hym. 9, 7. 21, 3. 27, 5. Ep. 31, 3. 31, 7. HH. 1, 5, 7. 15,^5. 42, 7. 53, 7.
53, 9. HH. 2, 48, 7. Grp. 7, 5. 15, 3. 36, 7. 41, 3. 42, 3. Sg. 31, 5. 34, 7. 35, 5.
37,5. 51,3. 67,5. Hei. 2,7. Gp. 2,1,3. 42,7. Ghv. 2,7. - Typus D: Grp.
7,7. 8,3. 28,3 (=29,3). — Typus E: Sg. 41,3. Gp. 2,44,3. — Zweite
halbzeile: Typus A: Vsp. 8,4. 21,2 (=24,4). 53,6. Hym. 5,6. 13,4.
21, 2. 37, 6. prk. 14, 2 (= Bdr. 1, 2). 14, 4 (= Bdr. 1, 4). 15, 2. 17, 2. Ep. 2, 8.
Hdl. 5, 2. 14, 2. 15, 2. 15, 6. HH. 1, 10, 4. 41, 6- 42, 4. 53, 10. HH. 2, 30, 8.
51, 6. HHv. 39, 4 (= 43, 8). Grp. 7, 2. 51, 2. Rg. 5, 6. 14, 6. Br. 16, 2. Gp.
1,15,2. Sg. 27,4. 32,2. 53,6. Hei. 5,2. — Typus C: Grp. 7,6. G]?. 2, 18, 4.
— Typus D: Vsp. 44,8. Hdl. 14,4. Grp. 27,2. Sg. 14,10. — Typus E:
HH. 1, 13, 8. Sg. 22, 2.
Dieses nmfäng-liclie material bietet zunächst zwei schwere
Verstösse gegen das alliterationsgesetz, nämlich Ykv.39,4 ineyna
hrdhvitu und HH. 2, 35, 3 qU Ycmdilsye.
Während im ersten fall an proklitische Verwendung des subst. nicht
gedacht werden kann (der vers ist daher als D mit unregelmässiger alli-
teration auf zweiter hebung zu nehmen, vgl. § 53), könnte man im zweiten
(B ist durch N^ festgelegt) vorerst eine altertümlichkeit erblicken wollen,
da im wgerm. (Rieger s. 23. Sievers § 27) die unbestimmten quantitäts-
adjectiva zur proklise neigen und meist nur durch die accentuierung der
poetischen spräche so viel touge wicht erhalten, dass sie selbst im vorzug
vor einem folgenden nomeu alliterieren. In der Edda werden jedoch adjec-
tiva wie «?/;•'), margr^) mit den anderen adj. gleich behandelt. An der
tatsache eines fehlers kann gar nicht gezweifelt werden, da gerade die
HH. 2 technisch auf sehr tiefer stufe steht. Ein fehler ist in diesem liede
jedoch weniger befremdlich als in der alten Vkv. Die überaus corrupte
Überlieferung der Vkv. legt den gedanken einer Umstellung nahe. Die
dabei notwendige tilguug des artikels kann zwar wenig besagen, doch
wage ich die einschlagung dieses auswegs deshalb nicht zu befürworten,
1) aUr steht vor dem subst. und alliteriert: i Br. 2, 7. ii Hym. 22, 8.
prk. 29, 10. HH. 2, 34, 6 (= Gp. 1, 25, 4 = Sg. 27, 8). HH. 2, 38, 8. 15, 2
(= Grp. 47, 6 = Br. 10, 4 = Sg. 30, 4). HH. 2, 33, 10 etc. Nachstehend
entbehrt es vielfach des reimes : i Vsp. 10, 3. prk. 24, 7. Hdl. 33, 3. Gp.
1, 17, 5. GJ?. 2, 25, 7. Ghv. 21, 1. 21, 3 etc.
-) Ebenso steht margr nach (i HH. 1,49,5. ii Hdl. 21,6. HHv. 4, 2)
wie vor dem subst. in hebung ( i Sg. 37, 9 = 45, 11, wo das subst. mit
alliteriert, ii Gp. 2, 20, 6. Ghv. 9, 8).
106 WENCK
weil der vcrs einer streng- fiiufgliedrigen strophe angeliürt und überdies
ein E im zusamiueuhange nielodiscli anstössig wäre.
Wie schon erwähnt, "wird das numerale wie ein adj. ge-
braucht. Es kann nach wie vor dem zugehörigen subst. stehen,
nimmt aber in erster Stellung nirgends an der alliteration teil.
Ebensowenig alliteriert das nachfolgende nomen mit, abgesehen
von versen, wo beide Wörter vocalisch anlauten. Der grund
dieser erscheinung ist offenbar in der Schwierigkeit zu suchen,
einen reim auf das jeweilig vom Zusammenhang bestinnnte
Zahlwort zu finden. Die voranstellung des num. scheint be-
vorzugter zu sein: 1) « i 5, ii 18; ,:? i 13, ii 24; — 2) a i — ,
II 4; ß I 5, II 5.
Zur Verdeutlichung fassen wir die obigen belege in einer
tabelle zusammen:
1)
2)
A
B
C
D
E
F
«) I
87
=
44
1
G
31
—
5
11
116
=:
53
—
39
24 •
—
■ —
ß) I
109
=
70
13
8
1
12
4
II
197
=
130
19
14
14
13
7
«) I
14
=
6
—
1
3
3
1
II
24
=
14
1
4
3
—
2
ß) I
33
=
27
—
—
4
2
—
II
45
=
37
—
2
4
2
—
Aus diesen zahlen ergibt sich für die Stellung des attri-
butiven adjectivums»), dass die Stellung vor dem zu-
gehörigen subst. in beiden halbzeilen bevorzugt wird, in i
allerdings sehr wenig (rund 56 o/o : ii 63 "/o)- Iii den bei-
spielen unter 2) ist die voranstellung ebenfalls beliebter (i 70 o/o,
II 60 o/o) Zur richtigen beurteilung ist jedoch wider die t ren-
nung der 2 -belege nach der S3'nt aktischen bin düng un-
bedingt erforderlich.
Ist das Substantiv vom adjectiv abhängig, so geht
3) Prädicatives adjectivum begegnet nur vereinzelt und steht
normalerweise nach: 1« : i : N*: 0^.2,19,3 Eijmvpr pripi, Kp. 8, 7 fmgr
digrir, 29, 5 Iran bjartari, 29, 7 hals hvitari, Vsp. 10, 4 cn Durinn annarr,
30,6 cn Skggul gnmtr, E]'. 29,6 hrjüst Ijösara, 41,2 cn Barn annat, Grt.
7,2 = Od. 8,8 orjj it fyrra, HH. 1,29,4 hofn hringloga, Grp. 37,4 m
[/)/<,] gramr pripi, Sg. 12, 6 hcfnd Utiari. — Yoraustchend findet es sich
nur I Bdr. 14,5 es hiiiss Lolci, Ykv. 5,1 = 6,3 cn cinn }\>h()uh; Br. 2, 8
einn fulltrm.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 107
es diesem in i 9 mal, in ii 15 mal voraus, es folgt ihm 2 mal
in I, 10 mal in ii:
Vorausteilung des Substantivs: Genetivisclies Verhältnis liegt
vor: I : N': Sg. 33, 3 l'tfs orvccna, G]>. 2,42,3 glaums andvani, Ysp. 48,7
vcgghergs visir, HH. 1, 34, 7 gnnnar gjarnir, HH. 2, 33, 9 avps andvani,
Bg. 23, 7 hjgrleiks hvatir. — ii : Br. 4, 6 meins um lysiir, 16, 6 glaums
andvani, Hym. 5,8 rastar djiipan. — Superlativ: Ep>. 4,10 Icräsa bazir,
Gp. 1,24,12 vifa mest. — Dativisches Verhältnis: i : N' : Hym, 28, 3
prägirni vanr, HH. 2, 36, 9 gidlhitli vanr; — N- : HH. 1, 41, 3 vargldjöpum
vanr; — ii : Gp. 2, 8, 6 cezli fegna, 19, 6 jgfriim likir, Sg. 70, 4 oplum
göpir, Hill. 13, 2 = Sg. 67, 4 menjinn ggfga; beim comparativ: Vsp. 31, 6
rgllum hceri, 64, 2 sölu fegra, Hym. 15, 2 Jiofpi skemra, HH. 2, 4, 6 skgjum
ofri, Hg. 17, 6 hrondum hceri.
Nachstellung des Substantivs: Dativisches Verhältnis: i : N^ :
HH. 1,5,7 andvanr ötu, Sg. 34,7 ftdlgocdd fei; — ii : vacat; — gene-
tivisches: i: vacat; — ii : HH. 1, 10, 4 fimtdn vetra, 53,10 altraupr
flagar, Grp. 7,6 en gloggr flugar; — beim Superlativ: I)rk. 15,2 hvitastr
dsa, 17, 2 pritpgastr dsa (Sievers, Prob. s. 35, anm.), Hdl. 15, 2 oeztan manna,
15, 6 cezta kvcnna, 14, 2 gflgastr manna, 14, 4 ha;str Skjgldunga, Sg. 32, 2
verpiist kvenna.
Diese belege lassen zugleich einen unterschied in der
Stellung des Superlativs und comparativs bemerken: wäh-
rend bei letzterem nachstellung regel ist, stehen 2 versen mit
Superlativ in gleicher Stellung 7 mit umgekehrter Stellung
gegenüber.
Diese differenz ist ohne zweifei durch den sinnesaccent bedingt. Ein
comparativ ist ja ohne vergleichsobject unverständlich, dagegen tritt das
Verhältnis zu anderen objecten beim Superlativ mehr in den hintergrund,
es handelte sich denn um einen gegensatz. Ueberdies neigt der Superlativ
an sich zur rhetorischen hervorhebuug und kann er daher im einklaug mit
dem satzaccent selbst in ii an erstey stelle stehen. In der Verschiedenheit
der Stellung des Substantivs ])eim comparativ und Superlativ spiegelt sich
also ein nachdrucksunterschied wider, der auf das logisch-rhetorische element
der spräche zurückgeführt werden muss.
Ist das Substantiv dem adjectiv übergeordnet, so
stehen sich in i Stellung a und ß mit je einem beleg (Hdl. 25, 9
foJhim grims : Sg. 41, 3 annarrar ver = N^ gegenüber; in ii
begegnet Stellung a in 2 (Hei. 1, 8 vers annarrar, Grp. 33, 2 fyr
sviJium annars), Stellung ß in 1 beispiel (Sg. 14, 10 al^ fultrüa).
Da es sich hier in allen fällen um ein genetivisches Verhältnis handelt,
so widerstreiten die «-verse dem stilprincip, die ii auch dem satzaccent
(vgl. § 5): sie müssen also mangelhafter techuik aufgebürdet werden.
Ist keine abhängigkeit zwischen den beiden no-
108 WENCK
minibus vorliaiKlen'). so ist eine Vorliebe für die eine oder
andere Stellung- nicht zu erkennen (i 3 N- : ji 1; i 3 N- : ii 3).
In den noch übrigen versen, in denen die grammatische
bindung nur eine lockere ist'^), kann jedoch von einer aus-
geprägten tendenz zur voranstellung des adj. geredet werden:
a I 1, II 3 : /^ I 27, ii 31. Obwol das subst. den adjectivbegriff
näher bestimmt, ist ein Verstoss gegen den satzaccent deshalb
nicht anzunehmen, weil die begriffliche ergänziing z. t. recht
überflüssiger art ist. Der logische nachdruck liegt in der
mehrzahl der beispiele zweifelsohne anf dem adj. Die voran-
stellung des subst. würde einen gegensatz verlangen, der tat-
sächlich nicht vorhanden ist.
Zur beurteilung des Verhältnisses von N^ zu N^ sind
nach der bemerkung s. 106 die fälle mit numeralia abzuziehen
(die procentzahlen sind in ( ) zugefügt). Ausserdem sind noch
die npr. in rechnung zu stellen (procente in [ J ). Es ergibt
sich dann folgende tabelle:
1) « : I : N' = 36,0 "/o (32,10/0) [27,90/0] : N« = 63,9 "/o (67,9 »/o) [72,0 «.o],
(9 : I : N' = 66,900 (63,50/0) [65,1 o/„] : N* = 33,0 o/« (36,4 o'„) [34,80/0].
Sonach wird N' in Stellung ß bevorzugt in Stellung « als
ungenügend empfunden. Bei einem vergleich dieser procent-
zahlen mit den in § 5 berechneten liegt es auf der band, dass
adj. + subst. eine den nominalcompositis analoge tonische eiu-
heit bilden.
Beachtenswert ist, dass die eutsprechenden rroceutzahlen in § 5 etwas
höher sind als die hier angegebenen. Die differeuz berechtigt wol zu dem
schluss, dass adj. + snbst. begrifflich und daher auch dynamisch weniger
") Belege: « : i : N'^: Hdl. 3,3. Sg. 11,9. 56,3; 11 : Ysp. 51,6.
Ykv. 5,4. Sg. 33,6. Hei. 12,6; — /? : i : N'^ : Grp. 8,3. 41,3. Gp. 2.42,7;
II : Hym. 5, 6. 21, 2. Ysp. 44, 8.
5) Belege: « : i : N' : Od. 24, 3; 11 : Ykv. 23, 2. Grp. 7, 8. Gp. 2, 24, 6;
— ,9 : 1 : N' : Grp. 28, 3 (= 29,3). 36,7. Sg. 35, 5. 67, 5. Hei. 2, 7. G}^ 2, 44, 3;
— N'ä : Ysp. 56, 11. Hym. 9, 7. 21, 3. 27, 5. Ep. 31, 3. 31, 7. HH. 1, 15, 5 (vgl.
Bugge z. St.). 42, 7. 53, 7. 53, 9. HH. 2, 48, 7. Grp. 7, 5. 7, 7. 15, 3. 42, 3.
Sg. 31,5. 37,5. 51,3. Gp. 2, 1, 3. Ghv. 2,7. - ii: Ysp. 8, 4. 21, 2 (=24, 4).
53,6. Hym. 13,4. 37,6. R^2,8. Hdl. 5, 2. Bdr. 1,2. 1, 4 (= prk. 14, 2. 14,4).
HH. 1, 13, 8. 41, 6. 42, 4. HH. 2, 30, 8. 51, 6. HHv. 39, 4 (= 43, 8). Grp. 7, 2.
27, 2. 51, 2. Rg. 5, 6. 14, 6. Br. 16, 2. Sg. 22, 2. 27, 4. 53, 6. Gp. 1, 15, 2.
G\>. 2, 18, 4. Hei. 5, 2.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 109
verschmelzen konnten als gen. + snbst. Dafür spricht anch der um die
hälfte geringere proceutsatz des typns C : ß i 7,2, ii 7,6 gegen gen. + snbst.
1 15,8, II 15,9 °/o- — Ferner ist nicht nnwesentlich, dass diese C-verse
sämmtlich dem untertypus C 3 angehören, also durch die metrische qualität
des Sprachmaterials veranlasst sind. — Bei nachstellnng des adj. ist wie
oben coordinatiou der beiden nomina anzunehmen, zum mindesten grössere
Selbständigkeit des adj. im nachdruck. Geht dies schon aus dem starken
procentsatz des typus A hervor, so wird die annähme weiterhin durch die
spärlichkeit des auftretens von typus C in i (6,9 "lo : es sind sämmtlich C 2,
vgl. § 5) bestätigt. Das anwachsen von C in ii ist mit dem bisherigen
unvereinbar (ii C = 32,7 "/n)- Die einwirkuug des sprachmaterials (32 C 2,
2 C3, -1 Cl) reicht zur erkläruug nicht aus. Ohne zweifei hat hier der
alliterationszwaug eine bedeutende rolle mitgespielt, da besonders lieder
mit jüngerer technik an den betreffenden fällen beteiligt sind. Dass diese
II C aus einer notlage erwachsen sein müssen , wird durch die Verteilung
des typus D auf die beiden Stellungen deutlich erwiesen: a i 31, ii 24 :
ß I 1, II 11. Das abweichende verhalten von ii bei der Stellung ß ist
offenbar dadurch zu erklären, dass 9 der ii ß D ein numerale zeigen, deren
Voranstellung, wie erwähnt, im allgemeinen beliebter ist.
Bei ung-leichem casus der beiden nomina überwiegt,
der meist lockereren grammatischen bindung entsprechend, N^
in beiden Stellungen: « : i : N» = 42,9 "/o, N^ = 57,1 0,0; ß-i-
Ni = 24,2 o/q^ N"'' = 75,7 Vo- Zur beurteilung niuss jedoch aber-
mals auf die Scheidung nach der syntaktischen abhängig-
keit zurückgegriffen werden. Wie bei nicht vorhandenem
rections Verhältnis eine bevorziigung der einen oder anderen
Stellung nicht zu erkennen war, werden hinsichtlich der alli-
teration beide Stellungen gleich behandelt, insofern N^ die
regel ist. Die 11 -belege (vgl. anm. 4) sind daher als anomalien
aufzufassen. Bei vorausgehendem subordinierten subst.
verhält sich N ' : N^ wie 4 : 5;
Das auftreten von N^ kann jedoch nur zufällig sein, wie das anwachsen
der ii-belege beweist. Die beiden iN' mit nachfolgendem abhängigen
adj. sind schon oben als fehlerhaft bezeichnet worden. In den übrigen verseu
mit lockerer grammatischer Verknüpfung stehen sich ß: 20 N'^ und 7 N'
gegenüber. Trotzdem findem finden sich von /?ii 31 fälle. Der Wider-
spruch löst sich nur durch die oben constatierte einwirkung des siunes-
accentes. Immerhin ist die grosse zahl von versen aus liedern jüngerer
technik bemerkenswert. Das material ist jedoch zu dürftig, als dass man
feste regeln aufstellen könnte.
Schliesslich ist noch hervorzuheben, dass der bestimmte
artikel in einigen versen*^), in denen er zur bilduug der
6) Nämlich 1) « : I : Ni : HHv. 1, 3. Gp. 1, 6, 7. Sg. 8, 9; N^ : Od. 8, 3;
110 WENCK
Senkung erforderlicli ist, ausser aclit gelassen werden konnte,
da er sich (vgl. § 40) durch viUlige tonlosigkeit auszeichnet. Die
mehrzahl dieser fälle stammt aus ii. Grössere coordination
scheint der artikel somit nicht bewirkt zu haben, wie das
auch das überwiegen von N' (3) in i über N- (1) wahrschein-
lich macht.
c) Substantiv + participium.
§ 9. Material: 1) Gleicher casus der beiden nomina:
«) Substantiv + participium: Erste halbzeile: Typus A:
HH. 1,8,7. 39,3. Br. 2,3. Sg. 17,7 (=20,7). Ghv. 1,3. 8,5. - Typus C:
HH. 2,7,3. Gp. 2,17,11. Od. 18,3. — Typus D: Rp. 36,3. Hdl. 43,7.
Ykv. 8,7. HH. 1,37,7. Gp. 2,22,7. Ghv. 9,1. — Zweite halbzeile:
Typus A: Vsp. 27,2. 31,4. Hym. 10,8. prk. 7,8 (=8,2). Rp. 32.6. Hdl.
11,2.29,2. Vkv. 7,6. 11,8. HH. 1,10,6. 18,6. 35,6. HH. 2,7,2. 16,8.
30, 4. 40, 8 (= 41, 8). 47, 2. Grp. 5, 4. Fäf. 41, 0. Br. 12, 4. Gp. 1, 4, 6. 21, 4.
Sg. 20,6. 40,8. Gp. 2,23,6. 40,2. — Typus C: Gp. 2, 23, 4. 25, 8. —
Typus D: Vsp. 39,8. 47,2. 66,2. Hym. 36,2. Rp. 1,6. 36,2. Rg. 16,4.
Gp.3,6,4. Od. 3, 4. — Typus F: Hdl. 19, 8.
ß) Participium + Substantiv: Erste halbzeile: Typus A:
Vkv. 29,7. Sg. 47,3. Gp. 2, 16, 3. 32,1. Ghv. 7, 1. — Typus E: Vkv. 29, 5
(=38,1). — Typus F: Rp. 8, 5. — Zweite halbzeile: Typus A: Ep.
32, 8. HH. 1, 3, 6. 49, 6. HH. 2, 49, 2. Grp. 46, 6 (= Sg. 17, 6). Br. 2, 2. Sg.
17,8 (=20,8). 28,6. 36,8. Gp. 2,16,4. 19,10. — Typus B: Bdr. 7,2. —
Typus C: HHv. 42, 6. Sg. 49, 6. — Typus F: Rp. 4, 2. 8,4. 11,8. 31,2.
2) Substantiv abhängig vom participium:
a) Erste halbzeile: Typus A: Vsp. 64,3. Rp. 32,3. Grt. 21,7.
HHv. 5, 9. Br. 16, 11. Gp. 1, 3, 3. Sg. 17, 5. Hei. 1, 3. Gp. 2, 19, 11. Ghv.
17.3. — N'^: Fäf. 40,7. Gp. 1,16,7. Gp. 2,26,7. — Zweite halbzeile:
Typus A: Hym. 21,6. Rp. 42,2. Vsp. 25,6. Hdl. 41,2. Bdr. 6,6. Vkv.
34. 4. 36, 6. HH. 1, 15, 8. 48, 6. HH. 2, 7, 6. 38, 6. 44, 6. 44, 8. 45, 4. 45, 12.
Grp. 25, 8. Rg. 16, 6 (= Fäf. 32, 2). Fäf. 42, 4. Br. 7, 4. Gp. 1, 14, 4. 14, 8.
Sg. 69,4. Gp. 2,4,6. — Typus D: Vsp. 56,12. Hdl. 28,10. — Typus F:
Sg. 24,6. — ß) Erste halbzeile: Typus C: Bdr. 5,7. Gp. 1,25,5 (=
Sg. 15,3. 56,9). Gp. 2, 4,7. — Zweite halbzeile: Typus A: Vsp. 26,2.
Rp. 4,4. Br. 19,2. Gp. 2,41,8. - Typus C: Od. 4, 6. Bdr. 5, 6. HH.
1,23,4 (= 50,8). HHv. 8,8. Hdl. 12,2. 28,2. Grp. 3,6. — Typus F: Hdl.
10, 2. Bdr. 6, 8.
3) Das substantivum (vom präp. abhängig) bildet eine
adverbiale bestimmung:
— II : Hdl. 9, 6. 12, 4. 12, 8. 18, 8. 25, 4. Grt. 7, 2 (= Od. 8, 8). HH. 1, 12, 6.
52,4. Grp. 11,2. 13,4. Sg. 33,8. Od. 15,2; — ß:i: vacat; — ii: Sg. 31, 8.
Ghv. 18, 4; — 2) « : vacat j — ß : i: vacat; — ii : Gp. 2, 18, 4.
ALLITERATION IM EDD. FORNYKDISLAG. 111
a) Erste halbzeile: vacat. — Zweite halbzeile: Typus B: Ykv.
18,10. - Typus C: Vsp. 16,8. Hym. 14,4. 32,4. Hdl. 10,4. 33,8. Grt.
1, 8 (= 16, 4). HH. 1, 36, 8. HH. 2, 16, 2. 28, 4. Grp. 44, 6. Eg. 26, 4. Br. 1, 2.
Gp. 1, 18, 6 (= Gp. 2, 2, 4). 18, 8. Hei. 4, 4. 6, 4. Gp. 2, 41, 6. 42, 6. —
/?) Erste halbzeiie: Typus A: prk. 21,3. Sg. 57,5. Gp. 2,40,5. 40,7.
Ghv. 20,7. — Zweite halbzeiie: Typus A: HH. 2,19,4. 46,10. HHv.
31, 6. 33, 6. Grp. 28, 4. Gp. 2, 40, 6. 35,4. Ghv. 10, 4. — Typus C: Ghv. 4, 10.
4) Die grammatisclie binclung ist ganz locker, z. t.
gar nicht vorhanden:
«) Erste halbzeiie: Typus A: Br. 18,7. HH. 1,1,7. Br. 3,3. Gp».
2,30,3. — Zweite halbzeiie: Typus A: Hdl. 40,8. HH. 2,3,2. 26,2.
HHv. 38, 4. Fäf. 36, 8. 42, 6. Gp. 1, 14, 6. Sg. 53, 8. 59, 4. Od. 5, 2. -
ß) Erste halbzeiie: vacat. — Zweite halbzeiie: Typus C: Hei. 4, 6.
Gp.2,7,8. 26, 8. — Typus D: Grp. 30, 2.
Diese nicht allzu zahlreichen belege weisen mehrere Ver-
stösse gegen das alliterationsgesetz auf.
In Vkv. 8, 7 Yglimdr lipandi alliteriert das nachstehende part. in
zweiter hebuiig eines D-verses allein (vgl. § 53). Der fehler wird jedoch
durch kreuzalliteration gemildert (vgl. § 57 f.). Hildebrands Vorschlag (a. a. o.
s. 116) oflangan veg zu lesen, würde eine syntaktische härte veranlassen,
da of nach dem verbum der bewegung durchaus als präp. zu fassen ist
(vgl. Fritzner, Ordbog 2, 500b f.). — Sehr auffällig und unzweifelhafte an-
zeichen einer sinkenden technik sind ferner Hdl. 12, 2 borinn Insteüu,
28, 2 borinn Uroereki, Grp. 3, 6 borinn Sigmioidi, die dem Schema zuliebe
zu C gezogen worden sind (vgl. § 53). Umstellung verbietet sich, weil
diese auf lösung der Schlusshebung bei E hervorbringen würde. Zwar Hesse
sich eine solche durch parallelen aus denselben liedern stützen (Hdl. 1, 6.
8,2. 32,2. Grp. 5, 5), doch würde Urcereki borinn Hdl. 28,2 als E minde-
stens ebenso fehlerhaft sein , da ein vers vom Schema L ^X L zu den
metrischen abnormitäten gehört und nicht erst durch conjectur hergestellt
werden darf. Ein fehler der Überlieferung ist wol wegen der grossen ähn-
lichkeit der fälle ausgeschlossen. — Eine weitere ausnähme, Ghv. 4, 10
folgnar i \cdbl6pi ist für die beiirteilung der technik des fornyröislag
weniger schwerwiegend, denn wie schon die inhaltliche berührung mit
Hamp. 6. 7 nahelegt, handelt es sich hier um eine ungeschickte umdichtung
einer alten mälahättrstrophe (vgl. Sievers, Beitr. 6, 343 und Sijmons z. st.).
— Jüngere technik zeigt endlich auch Gp. 2, 35, 4 hafip i \agna. Der
fehler ist ganz verständlich, da eine Umstellung der beiden nomina ein B
mit auf lösung der zweiten hebung ergeben hätte (vgl. dazu Sievers, Zs. fdph.
21, 106). Eine parallele würde Vkv. 18, 10 til snu'pju borinn sein, wenn
der vers nicht der Interpolation dringend verdächtig wäre. Der verschlag
Finuur Jcnssons, in i \agn hafip zu corrigieren, erscheint mir satzmelodisch
bedenklich. Ausserdem ist die aufeinanderfolge von zwei C-versen (vgl. § 56)
überaus lästig.
112 WENCK
Hinsichtlich der Stellung- des particiitiums er;iibt sich
aus dem angeführten material (von der syntaktischen bindung-
sei einmal abgesehen) eine ausgeprägte Vorliebe für nach-
stellung. Von 52 i zeigen nur 19 = 36,5 Vo? von 146 ii nur
48 = 32,8 % Voranstellung. Ein unterschied zwischen prä-
dicativ gebrauchten und attributivischeu participien ist nicht
zu bemerken. Nach analogie der in § 8 erörterten Verhält-
nisse wird man sagen können, dass attributivisches part. -weit
eher vor das zugehörige subst. zu treten vermochte, als prä-
dicativisches. Beachtenswert ist namentlich das anschwellen
der belege in ir. Diese erscheinung ist offenbar bedingt durch
die charakteristische eigenheit des strophischen Stils, die syn-
taktischen einschnitte an den schluss der langzeile zu verlegen :
nur bei einer fortführung des satzes war die möglichkeit ge-
geben, besagte Verbindung in i zu verwenden (s. unten).
AYas die alliteration anlangt, so ist die grammatische
Verknüpfung näher ins äuge zu fassen. Bei gleichem casus
(und meist prädicativischem Verhältnis) der beiden nomina
stehen sich in Stellung « 7 N' und 8 N2 (1 N3 = Vkv. 8, 7 ist
auszuscheiden), in Stellung (3 5 N' und 8 N^ gegenüber. "Wiewol
Stellung ß als das normale betrachtet werden muss, zeigt sie
in stärkerem grade N^, als die ausnahmestellung ß.
Diesom merkwürdigen verhältuis widerspricht die hiiuligkeit der beiden
Stellungen in ii, insofern Stellung a in zwei dritteln der ii-beispiele, dagegen
Stellung ß (die in i mehr Is' -fälle aufweist) nur in einem drittel (20) be-
gegnet. Wegen der grösseren zahl der ii- belege (ii 60 : i 24) kann man
in der beurteilung dieser Ungereimtheit nicht schwanken. Die belege für i
sind zu spärlich, um sichere Schlüsse auf ihnen aufbauen zu können. Die
unverständliche Verteilung von N' und N- ist daher in erster linie spiel
des Zufalls. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass 4 von den 5 /'?N* ein
npr. enthalten, aber nur ein vers von den 7 ßls'. Bei den «i-versen
überwiegt N' in typus A, dagegen N* in typns C (vgl. § 5) und D (§ 53).
Bei ungleichem casus der beiden nomina sind ver-
schiedene möglichkeiten gegeben, die streng auseinander ge-
halten werden müssen. Ist die grammatische bindnng nur
eine lockere (sub.ject, object [gen., dat.] und part.) oder über-
haupt nicht vorhanden (wie z. b. in Hdl, 40, 8 Bijk'ists Icomit,
G]'. 1, 14, 6 iyllds lijmar), so stehen bei der in i allein auf-
tretenden Stellung « 3 N- gegen 1 N' (Br. 18, 7). Trotzdem
wächst die zahl der «-belege in ii (lOj.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 113
Der Widerspruch ist zu lösen wie s. 112, al. 3. "Wenn es sich um eine
dynamisch coordiuierte Wortverbindung handelte, wäre das anschwellen nach
ausweis der § 7 behandelten verse unmöglich. Stellung ß kann in den 4
ii-belegen, da sie in i fehlt, nur durch besondere gründe veranlasst sein,
und zwar hat weniger das alliterationsbedürfnis, als die metrische eigenschaft
des Wortmaterials die anomale Stellung bewirkt. Der eine D-vers ist ein
D 3, die 3 C gehören dem untertj'pus C 2 an. Ein npr. findet sich in Grp.
80, 2 \a(jt Sigurpi, Gf>. 2, 26, 8 um gefinn Atla.
Eindeutig sind die Verhältnisse in den versen. in denen das
Substantiv (dat.-instr.) vom particip abhängig ist (s. 110
no. 2) und eine wichtige ergänzung des verbalbegriffs enthält,
Dem entsprechend überwiegt N^ (nur tj^pus A belegt: 10 A> :
3 A2) bei der durch das stilprincip geforderten voranstellung
des Substantivs. Dazu stimmt das anwachsen der verse mit
gleicher Stellung in ii (27). Unregelmässig ist die nachstellung
des subst., die sich auch nur in einem geringen bruchteil der
hierhergehörigen verse findet.
Dass es sich hierbei um eine anomalie handelt, geht aus dem auf-
treten des typus C hervor, der bei der Stellung « fehlt, hier dagegen die
mehrzahl der belege liefert. Da die 5 iC und 8 iiC (die oben erwähnten
Hdl. 12, 2. 28, 2. Grp. 3, 6 ausgenommen) sämmtlich dem typus C2 angehören,
liegt der einfluss des Sprachmaterials auf der band. Dass nicht die alli-
terationsbequemlichkeit der treibende factor gewesen, zeigen die 5 iC, die
alle N'^ haben. Bei den A- versen (desgleichen in den als F bezeichneten
versen Hdl. 10, 2. Bdr. 6, 8, wofern diese nicht durch Versetzung der partikel
lim zu C2 zu machen sind) ist jedoch die reimnot als bedingender factor
anzuerkennen, da hier eine Umstellung metrisch möglich gewesen wäre.
Darauf weist auch die tatsache hin, dass der typus A nur in ii auftritt.
Unterordnung des participiums unter das subst. ist
nirgends belegt.
Bei den s. 110 unter 3) aufgeführten versen wird voran-
stellung des Substantivs ebenfalls vom stilprincip gefordert.
Trotzdem begegnet in i nur die Stellung ß (5 A). Die ab-
weichende Wortfolge ist jedoch sicher nur durch das sprach-
material bedingt (bei Umstellung würde sich ein anstössiger
auftakt ergeben haben), da N^ in der mehrzahl der beispiele
vorhanden ist. Der eine N'-vers Ghv. 20, 7 \>rungit um Jijarta
beruht bloss auf conjectur. In ii, wo N- unmöglich ist, muss
diese Stellung natürlich zurücktreten: A 8 (C 1 ist auszu-
scheiden, s. oben): « ii B 1, C 20.
Dass sie gegen den satzaccent ist, wird durch das genannte beispiel
Gf». 2, 35, i hafip i -vagna illustriert. — HH. 2, 46, 10 hyrgpar i haugi,
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. 3
1 11 WENCK
HHv. 31,6 sto}:t ör landi müssen jcflorh als normal gelten, da der beo-riff-
liclie uacbdruck auf dem jiart. ruht, wiilireud das subst. für den Zusammen-
hang irrelevant ist und unbeschadet der Verständlichkeit getilgt werden
könnte. In den andern fällen ist der eiufluss des spraclnnaterials ganz
evident. Die normale Wortfolge war nur dann metrisch möglich, wenn das
subst. einsilbig oder zweisilbig verschleif bar und das verbum zweisilbig
unverschleifbar'), oder das subst. zweisilbig nn verschleif bar, das verbum
einsilbig, aber nicht zweisilbig verschleif bar'') war. Wo diese Vorbedingungen
erfüllt sinf und trotzdem die ausnahmestellung eingetreten ist, müssen be-
sondere gründe vorliegen. Betreffs Hllv. 31, G s. oben. In HIIv. 33, G &icfnt
iil eyrar ist vielleicht auch einwirkung des siunesaccents anzunehmen. Ein
unzweifelhafter Verstoss ist Grp. 28, 4 ioedd at Heimis, der mangelhafter
beherschung der technik seitens des dichters zur last gelegt werden muss.
Sonach hat sich ergeben, dass das part. nur ausnahms-
weise vorangestellt werden kann, und selbst in attributiver
Verwendung gewöhnlich dem subst. nachfolgt. Bei der stark
absteigenden versbetonung in ii kann das anschwellen der
II -belege nur dahin gedeutet werden, dass das part. dyna-
misch dem subst. untergeordnet gewesen ist. Die nachdrucks-
differenz ist jedoch offenbar nicht sehr gross gewesen, wie
sich aus dem folgenden ergeben wird (§ 19). Deshalb sind
die verse, in denen das part. dem subst. reimlos voransteht,
unbedingt als zeichen verfallender technik anzusprechen.
d) Substantiv + Infinitiv.
§ 10. Material:
a) Substantiv + Infinitiv: Erste halbzeile: Tj'pus A: Vsp.
55,3. Hym. 35,7. R]?. 9,3. 22,5. 22,7. 35,5. 35,7. 35,9. 35,11. 43,7. 44,3.
45. 7. 47, 7. 48, 7. Grt. 19, 3. HH. 1, 21, 7. 44, 3. 45, 3 (= HH. 2, 23, 3). HH.
2, 39, 3. 39, 5. Grp. 13, 5. 15, 7. 50, 7. Br. 14, 7. Sg. 55, 5. Gp. 2, 8, 5. 8, 7.
18,3. 18,7. 18,9. 18,11. 20,3. 20,7. 27,7. Od. 12,7. 23,7. — Typus C:
Grt. 6,3. HHv. 34,7. Gp. 2,11,3. — Zweite halbzeile: Typus A:
Vsp. 6, 10. 9, 6. 23, 6. 23, 8. 24, 8. 32, 8 (= Bdr. 11, 4). 34, 2. 45, 4. 45, 14.
55, 6. 56, 8. 62, 2. 63, 2. 64, 6. 64, 8. Hym. 17, 8. prk. 3, 6. 12, 2. 18, 6. 20, 4.
25. 8. 27, 8. 30, 4. Rp. 3, 2 (= 5, 2. 17, 2. 19, 2. 30, 2. 33, 2). 9, 2. 9, 4. 22, 4.
27, 6. 35, 6. 35, 8. 35, 10. 35, 12. 43, 6. 43, 8. 44, 4. 45, 8. 47, 6. 48, 6. 48, 8.
Hdl. 2, 8. 5, 6. 8, 4. 44, 8. 45, 4. 49, 4. Bdr. 4, 6. 8, 8 (= 9, 6). Vkv. 1, 4
(=3,10). 2,2. 26,2. HH. 1,7,2. 10,2. 11,6. 12,4. 17,8. 21,4. 33,8. 35,2.
45, 6. 46, 8 (= HH. 2, 24, 8). 48, 4. 50, 12. 52, 6. 52, 8. 55, 2. HH. 2, 3, 4. 5, 8
(=6,8). 14,4. 17,4. 20,2. 21,6. 22,2. 23,6. 26,4. 31,2. 39,6. 44,12. 46,6.
') In dieser beziehung verstösst Vsp. 16, 8 iil Lofars hafat (vgl. Sievers,
Proben z. st.).
") Hiervon ist Vkv. 18, 10 til smißju horinn eine ausnähme (s. oben).
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 115
47, 6. 49, 4. HHv. 5, 6. 6, 2 (= 11, 2). 11, 8. 34, 6. 36, 2. 38, 8. 41, 4. 42, 8.
Grp. 3, 2. 4, 2. 9, 2. 17, 2. 23, 4. 26, 4. 30, 6 (= Fäf. 41, 8). 31, 9 (= 37, 2 =
Gp. 3, 3, 2). 32, 6. 36, 6. 40, 6. 42, 2. Eg. 16, 8. Fäf. 33, 8. 43, 2. 44, 6. Bdr.
1, 4. 3, 2. 3, 4. 4, 8. 5, 6. Gp. 1, 6, 4. 12, 6. 21, 6. Sg. 15, 6. 15, 8. 16, 6. 16, 8.
36, 4. 38, 4. 41, 4. 44, 12. 50, 8. 51, 8 (= 62, 4). 60, 4. Hei. 1, 6. 8, 4. 14, 6.
Gp. 2, 8, 4. 9, 6. 12, 2. 12, 8. 17, 10. 18, 2. 18, 8. 18, 10. 20, 2. 21, 2. 25, 2.
27, 4. 28, 2. 29, 2. 29, 4. 31, 6. 31, 8. 41, 2. 42, 2. 43, 4. 43, 8. Gp. 3, 1, 6. Od.
1, 8. 7, 4. 8, 2. 19, 2. 29, 6. 30, 8. 33, 4. Ghv. 2, 4. 5, 8. 8, 4. 12, 4. —
Typus C: Vsp. 14,4. 44,4 (=49,4. 54,4. 58,4). 45,2. 53,4. 56,4. 61,4.
Hym. 9, 4. 17, 2. prk. 16, 4 (= 19, 8). Rp. 22, 6. 47, 8. Hdl. 2, 2. 49, 2. Bdr.
8,6 (= 9,4. = Grp. 11,6. = Eg. 5, 4 = Gp. 1,21,8). 10,8. Vkv. 20,6.
39. 6. Grt. 6, 4. 22, 2. HH. 2, 17, 2. 21, 4. 39, 4. Grp. 16, 6. 52, 6. Gf . 1, 9, 6.
Sg. 16, 2. 37, 4. 44, 4. Gp. 2, 3, 6. 5, 2. 27, 2. 43, 2. G]?. 3, 10, 6. Od. 22, 6.
23,8. Ghv. 9,4. — Typus B: Gp. 1, 1,6 = Gp. 2,11,6.
ß) Infinitiv + substautiv: Erste halbzeile: Typus B: Grt.
19.7. Od. 13,3. — Typus C: HH. 1, 44, 7. — Zweite halbzeile:
Typus A: Vsp. 53,8. prk. 16,2 (=19,6). Ep. 35, 4. 44,2. 47,4. Grt. 22, 4.
HH. 1, 44, 6. HH. 2, 10, 4. 25, 4. 50, 6. HHv. 40, 6. Grp. 2, 8. 6, 8. 19, 8.
33, 4. 34, 2. 35, 2. Sg. 4, 8. 10, 2. 14, 8 (= 44, 2). 20, 2. 63. 6. Gp. 3, 8, 8. Od.
29,4. — Typus B: Rp. 22,8. — Typus C: HH. 1,45,4 (= HH. 2,23,4).
55, 4. Br. 5, 8. Sg. 11, 6. Gp. 2, 27, 8.
Somit ergibt sich folgende tabelle:
ABC
a) I 40 37 — 3
II 220 174 2 44
/?) I 3 — 21
II 33 26 1 6
Hinsiclitlicli der Wortfolge lehrt diese tabelle, dass die
natürliche Stellung subst. + inf. gewesen ist. Ebenso notwendig
folgt aus dem aufgeführten material ein nachdrucksunterschied
zwischen subst. und inf. Die tondifferenz wird nicht nur durch
das ungemein starke anschweller der a- belege in ii (auf die
5V2-fache zahl der i-beispiele) gefordert, sondern auch durch
das Verhältnis von N^ zu N^.
In den «i-versen stehen sich 30 N^ (davon 2 mit npr.) und 10 N'^
(1 mit npr.) gegenüber. Lässt mau die minimale zahl von versen mit npr.
ausser acht, so ist N' in 75 "/o als genügend angesehen worden. Die stärke-
abstufung des nominalen und verbalen nomens wird man mit der der beiden
hebungen des typus A gleichsetzen dürfen, da dieser versart 92,50/0 aller
I-, 79,0 "/o aller ii-beispiele angehören, um so auffälliger ist das procentuale
anwachsen des typus C in 11 (um 13,5 "/o). Da von den 44 11 C 29 C2-,
8 C 3 - verse sind, ist der einfluss des sprachniaterials wider augenscheinlich.
Dasselbe gilt für die 3 iC = C3. In den 7 11 Gl (prk. 16, 4 [= 19, 8]. Rp.
47, 8. HH. 2, 17, 2. Sg. 37, 4. 44, 4. Gp. 3, 10, 6) wäre die enklise des inf. nur
8*
IIG WKNCK
durch eine abwcicluuig von der iiurmulen Wortfolge zu uuigclien gewesen.
Die Voranstellung des inf. würde einen gegensatz voraussetzen, der in Wirk-
lichkeit nirgends vorhanden ist. Einen solchen lassen auch die ,?-verse
vermissen. Nur hei R}'. 35, 4 \cy(/j(t strctigi könnte die chiastische Stellung
beabsichtigt sein. — Ganz evident ist der zwang des sprachniaterials.
I>ie C-verse des Schemas ßi und ii entfallen sänimtlich auf den uuter-
typus C2. In 8 der iiA-verse hängt das subst. von einer präp. ab, die
bei gewöhnlicher Wortstellung einen anomalen auftakt ergeben hätte. —
Von weit grösserem einriuss ist aber das reimbedürfuis gewesen, denn
3 der II A enthalten selbst ein npr., von 14 andern die dazugehörige erste
halbzeile. — Betreffs Rj?. 22, 8 oJc keyra plüg vgl. § 57. Für die technik
der jüngeren licder ist es daher sehr bezeichnend, dass gerade diese das
liauptcontingcnt zu diesen ausnahmeversen stellen. Von einer Überein-
stimmung mit dem satzaccent kann auch deshalb nicht die rede sein, weil
selbst die ßiB und C (der typus A ist in i überhaupt nicht belegt) trotz
ihrer abneigung gegen doppelalliteration N- aufweisen. Der eine N'-fall
(Od. 13, 3 at U'IJa hgl) ist ebenso fehlerhaft wie die ii-verse. ') Da in Grt.
19, 7 olc hrenna htc die natürliche Wortfolge leicht durch eine Umstellung
zu C herbeizuführen gewesen wäre, reimnot jedoch wegen N* ausgeschlossen
ist, scheint der fall ein anzcichen dafür zu sein, dass enklise des inf. ge-
mieden wurde. Allerdings können den dichter auch rhj'thmisch-melodische
gründe zu der abweichenden Stellung geführt haben.
B. Adjectivum.
a) Adjectiv + adjectiv.
§ 11. Material:
Erste halbzeile: Typus A: Vsp. 1,3. 17,3. Hym. 15,7. Rf. 1,3.
1, 5. 4, 3. 7, 3 (Sijmous z. st.). 21, 5. 39, 7. Vkv. 28, 7. HH. 1, 40, 3. HH.
2, 45, 7. 45, 11. HHv. 8, 3. Grp. 38, 7. Hei. 9, 3. G\>. 2, 21,3. Ghv. 2, 9. 5, 3.
— Typus B: Hym. 12,7. Gp. 2,35,7. 35,9. G^ 3, 4, 7. — Typus D: HH.
1,28,3. Ghv. 2, 11. — Typus E: Hym. 9, 3. Grt. 1, 3 (=13,3). — Zweite
halbzeile: Typus A: Hdl. 40,6. 43,2. HH. 1,25,4. HH. 2,28,2. HHv.
8, G. Sg. 15, 2 (= Hei. 11, 6 = Ghv. 10, 6). Gp. 2, 3, 4. 12, 6.
Für die beurteiliing' des nachdrucksverliältnisses der beiden
adjectiva ist wider die Scheidung der belege nach der syntak-
tischen verkniii)fung von Wichtigkeit. Völlige coordina-
tion (asyndetische folge in A: HH.2,45,7. 45,11; in D: HH.
1,38,3. Ghv. 2, 11) begegnet dem in §7 erörterten gemäss nur
in I (16 belege = 14 A + 2 D).
Die vom satzaccent geforderte doppelalliteration findet sich in zwei
A-versen nicht (Hei. 9,3 xaupum ok hvHum, Ghv. 2, 9 YivUum ok svgrtmn;
*) In Prk. IG, 2 (= 19, 6) und Sg. 20, 2 ist der mangel durch gekreuzte
bez. parallele alliteratiou etwas verdeckt (vgl. § 57 f.).
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG, 117
Rf>. 7, 3 ist ganz unsicher). Dieser mangel war jedoch kaum zu umgehen,
da für farbbegriffe dem dichter nur je ein ausdruck zu geböte stand. —
Auch hier tritt wider als ersatz der endreira auf, allerdings nur durch
Casusendungen gebildet: Rp. 1, 5 rainman oh rgskvan, und ähnlich Rp. 4, 3.
21, 5. Hei. 9, 3. Ghv. 2, 9. 5, 3. — In den restierenden A-verseu (Hym. 15, 7
cinn mep gUu, Grp. 38, 7 cüalt mep gllu, Ykv. 28, 7 allra neina einna) ist
die grammatische coordination nicht so vollständig, doch steht durchgeheuds
N^ (allerdings bei vocalischem anlaut).
Attributivisclies Verhältnis der beiden adj. zeigen
die B-verse (ausgenommen Hym. 12, 7) und die E-verse, die
durch ein numerale an zweiter stelle charakterisiert sind.
Die consequente nachstellung des num. ist sicher nicht allein durch
die reimbequemlichkeit veranlasst, da nirgends ein logischer accent auf dem
schon durch den Zusammenhang bestimmten zahlbegriff liegt. Die einfache
alliteration auf dem adj. zeigt deutlich dessen dynamisches übergewicht.
Nur bei Hym. 12, 7 en afr i ivau hätte vielleicht wegen der lockeren be-
grifflichen binduug doppelalliteration eintreten sollen.
Ist ein adjectiv vom andern abhängig (i : A : HHv.
8,3. HH. 1, 40, 3; — ii : 10 A), so steht regelrecht das unter-
geordnete voran (gen. vor Superlativ, dat. vor comparativ).
Dass dieses auch das grössere tongewicht besass, zeigt das
anschwellen der belege in il Die doppelalliteration in den
beiden i-beispielen (in HH. 1, 40, 3 vocalischer anlaut) kann
daher nur zufällig sein.
b) Adjectiv + participium.
§ 12. Wie oben ist auch hier die nachstellung des
particips als die normale folge zu bezeichnen.
Voranstelluug ist nur durch zwei beispiele in ii zu belegen, die, nach
der völligen abwesenheit von parallelen aus i zu schliessen, sicher durch
den alliterationszwang hervorgerufen sind. Die beiden anomalen verse
gehören überdies liedern jüngerer technik au: Hei. 4,7. 8 oh htii peira \
\iru(jpü göpu verstösst obendrein gegen das Hildebrandsche gesetz, schema-
tisch auch der zweite fall : Od. 23, 3. 4 Jcvöpusk okJcr hafa | orpit hcepi, doch
ist die drückung des zahlbegriifs insofern verständlich, als derselbe bereits
im dual des pron. liegt. — Wie in § 9 lässt sich ein anwachsen der ii- bei-
spiele bemerken: i 5 : ii 14. — Bei gleichem casus der beiden nomina
(1 A: Hdl.25,5. Sg.o0,5; C: Grp. 7, 3; ii A: Vsp. 10, 2. Hym. 14, 6. Grt.
11,3. Grp. 4, 4. 21,6. 43,2. Br. 2, 4. Sg. 56, 6) findet sich in i mu W\ eine
weitere stütze für die obige auf fassung von « N^ (§ 9). Dem entsprechend
überwiegen die fälle mit prädicativischem part. in ii ganz bedeutend. Bei
ungleichem casus und mangelndem rectionsverhältnis stehen
sich in-i 1 N' (HH. 1, 18, 3) und 1 N^ (Grp. 42, 7) gegenüber; in ii begegnen
vier analoge verse: A: HH. 1, 36, 12. HHv. 32, 2, D: Vsp. 17, 6. 20, 2. Diese
118 WENCK
beweisen, dass das part. auch dem adjectiv an tonirowicht nachfrcstanden
hat. Bei nngleichem casus nnd vorhandener grammatischer
abhängigkeit miiss das subordinierte (es begegnen nur zwei ii-beispiele
mit abhängigem adj.: A: Br. 17, 6; F: Sg. 8, 2) voransteben und alliteriert
es in den genannten versen vermöge seines grösseren nachdrucks allein.
c) Adjectiv + Infinitiv.
§ 13. Material:
«) Adjectiv + infinitiv: Erste halbzeile: Typus A: Vsp. 30, 3
(=30,11). Hym. 8,7. HH. 1, 7, 7. Grp. 0, 7. Hei, 10, 3. Gp. 2, 30, 7. - Typus C:
Grp. 19,3. — Zweite halbzeile: Typus A: Hym. IG, 6. 18, -4. prk. 17, 4.
Ep. 38, 4. Hdl. 5, 8. 29, 6. Vkv. 33, 2. Grp. 6, 2. HH. 1, 2, 6. 2, 8. 38, 6. iS, 2.
46, 4 (= HH. 2, 24, 4). 56, 6. HH. 2, 22, 4. 48, 2. HHv. 2, 4. 39, 6. Grp. 14, 4.
53, 6. Br. 8, 6. Sg. 17, 4. 37, 8. 59, 2. 09, 8. Hei. 3, 6. 14, 4. Gj>. 2, 34, 4. Od.
32,8. Ghv. 19,6. 20, 4. — Typus C: Grp. 6, 2.
p') Infinitiv + adjectiv: Erste halbzeile: vacat. — Zweite
halbzeile: Typus A: Grp. 38,6. Fäf. 40,4. Sg. 61,4. — Typus F: Sg.
13, 8. 13, 10.
"Wie das part. zu subst, und adj. ein gleiches verhalten
zeigt, ebenso der infinitiv. Die anormale voranstellung des
Inf. begegnet nur in ii, und zAvar in versen jüngerer lieder.
Sg. 61,4 at iyhjja daupum fehlt in R und ist von den herausgebern
aus den papierhss. aufgenommen. Der vers ist schon durch den auftakt
genugsam als Verstoss charakterisiert: offenbar handelt es sich um eine fehler-
hafte coujectur des Schreibers, die keine beachtung verdient. — Da Sg. 13, 10
\inna hazt nur eine lästige widerholung von Sg. 13, 8 \inna scvmst ist,
darf der vers vielleicht als interpolation aufgefasst werden (vgl. Sijmons
z. st.). — Von den drei dann noch übrigen belegen kann höchstens Fäf.
40, 4 kvißa mgrgu als rhetorische ausnähme gelten, die beiden andern sind
anzeicheu niedergehender technik. — Ebenso fehlerhaft wie die abweichende
Wortfolge in ii ist die enklise des inf. bei normaler Stellung. War die
Grp. schon au den /9-fällen (38,6) beteiligt, so finden sich die beiden aC
gleichfalls in diesem liede: i 19,3, ii 6,2.
Wie in § 10 ergibt sich auch hier eine nachdrucksdifferenz der beiden
nomina, nicht nur aus der 4'/.2 fachen auzahl der «ii- belege, sondern auch
aus dem Verhältnis vou N' zu N-. Die zwei N--beispiele (Hym. 8,7.
Gf>. 2, 30, 7) können den 6 K' -fällen gegenüber nur als zufällig angesehen
werden.
C. Participium.
a) Particip + particip.
§ 14. Es begegnen nur zwei beispiele: GJ\ 2, 22, 3 r/5/«?V
ok rojinir zeigt die der grammatischen coordination entspre-
chende doppelalliteration. Der ii - beleg HH. 2, 37, 2 Ivcedda
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 119
QQrva ist ebenfalls regelmässig-, da das abhängige part. (der
liauptträger des siunes) vorausstellt und allein alliteriert.
b) Particip + infiniv.
§ 15. Verse mit part. und inf. finden sich nur in ii, und
zwar mit consequenter nachstellung des inf., zu dem das part.
die nähere bestimmung ist. Der einklang dieser beispiele mit
dem satzaccent liegt auf der hand.
Belege: Typus A: Bdr. 10, Ö. Grt. 22, 6. HH. 1, 22, 4 (= HHv. 36, 6).
Grp.18,4. Gp.2,'10,4. Od. 16, 6. 30,6. — Typus C: Vkv. 22, 4. Gp.2,20,4.
D. Infinitiv.
a) Infinitiv + Infinitiv.
§ li». Zwei infinitive erscheinen ebenfalls in nur wenig
versen. Der einzige beleg für i, Gl>. 2, 39, 7 \üma oh Iwima,
zeigt die infinitive völlig coordiniert und hat daher N^, In
II ist wegen der energisch absteigenden versbetonung die ge-
nannte syntaktische bindung ausgeschlossen.
In sämmtlichen beispielen von ii (A: Hym. 14,8. HH. 1,37,6 (= Sg-.
58,2). HHv. 37,6. Grp. 35,4. Sg. 56,8. Gp. 2,39,6. Od. 16,4. Ghv. 3,6;
C : Od. 29, 10) ist daher ein inf. dem andern untergeordnet. Letzterer muss
nach dem stilprincip wie nach dem satzaccent voransteheu. Nur in zwei
beispielen (Grp. 2, 4 gnnga at mcela, 34, 4 ganga at eiga) folgt er dem über-
geordneten nach. Diese verse illustrieren aufs beste die technische unbeholfen-
heit des dichters der Gripisspo. — Der zugehörige erste halbvers des zweiten
beispiels enthält ein upr. — Betreffs der parallelen alliteration in Grp. 2, 4
vgl. §57 f.
§ 17. Die verse, die ausser zwei nominibus noch
anderes wortmaterial enthalten, werden bei den betreffenden
hinzutretenden Wortklassen abgehandelt. Diese im ganzen
weniger häufigen fälle unterliegen hinsichtlich der alliteration,
soweit sie die beiden nomina in hebung zeigen, der bisherigen
beurteilung. Die abweichungen und Verstösse gegen das alli-
terationsgesetz werden besonders hervorgehoben werden. Für
die w^eitere Verwertung der gewonnenen sätze empfiehlt sich
eine kurze Zusammenfassung.
Zunächst hat sich ein nachdrucksunterschied zwischen
nominalem (subst. adj.) und verbalem nomen (part. inf.)
ergeben, der sich namentlich beim inf. geltend macht. Dass
er beim part. weniger deutlich hervortrat, rührt offenbar
120 WEXCK
dalier, da.ss der part. wegen seines adjectivisclien nrspnings
und der attributiven bez. prädicfttiven verwendungsweise mehr
im connex mit den nominalen noniinibus geblieben ist als der
Inf., der seinerseits stärker in das bereicli des verbums eiu-
bezirkt worden ist.
Diese (bisher übersehene) differenz ergibt sich nicht allein
aus dem starken anschwellen der belege in ii (die Skepsis
Riegers gegen die ii-beispiele ist unberechtigt), sondern auch
aus dem überwiegen von N'. "Während N' ein zeichen für
abstufung des tongewichts ist, bringt N- dynamische coordina-
tion zum ausdruck. Letztere ist in erster linie die folge syn-
taktischer coordination zweier Wörter derselben kategorie, bei
enger grammatischer bindung (genetiviscliem, attributivischem
Verhältnis) aber die folge einer abweichung von der normalen
Wortstellung und einer mit dieser parallel gehenden grösseren
coordination im nachdruck. Bei der natürlichen w^ortstellung
dagegen bewirkt enge logische Verknüpfung Unterordnung des
zweiten nomens. Die tonstärke des letzteren gleicht der des
zweiten gliedes eines nominalcompositums. Mit dem stärKc-
grad eines schwächeren haupttons konnte auch der nachdrucks-
grad der verbalnomina gleichgesetzt "werden. Ausserdem besitzt
N2 deutlich den Charakter eines compromissproductes, da es
sich in fällen einstellt, in denen die Satzbetonung mit der
versbetonung im Widerspruch steht. Ferner ist hervorzuheben,
dass bei schwächerem grade der grammatisch -begriiYlichen
bindung der logische accent die wähl von X' oder N- bestimmt,
insofern der hauptträger des sinnes alleinige alliteration als
auszeichnung vor dem weniger sinnvollen nomen beansprucht,
und demnach vorangestellt werden muss.
Die hier entwickelten Verhältnisse bestehen in der Edda
zwar nicht in absoluter reinheit, aber sie lassen sich aus den
erörterten procentsätzen abstrahieren, welche deutlich auf eine
ältere feste technik hinweisen. Die abweichungen "\'on dieser
technik sind teils Verstösse gröbster art. die auf technischen
niedergang, namentlich bei jüngeren liedern schliessen lassen,
teils sind sie durch die die alliteratio]i erschwerende Wirkung
der npr. oder die die ^vortstellung beeinflussenden eigenschaften
des Sprachmaterials zu erklären.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 121
Cap. II. Drei nomina.^)
§ 18. 1) Stehen drei nomina in einer halbzeile, so
ist notwendig- eines derselben von der liebung- aus-
geschlossen, auf die es wegen seines natürlichen tongewichts
an sich das gleiche anrecht besitzen würde wie die beiden
anderen. Wenn sich der dichter somit nicht in einen Wider-
spruch mit den forderungen des satzaccentes verwickeln wollte,
so konnte er nur dann drei nomina zur bildung einer halb-
zeile verwenden, wenn mindestens zwischen zweien derselben
ein grammatisches rectionsverhältnis bestand. Denn nach dem
erörterten hat die sj^itaktische Unterordnung (jedoch nur bei
normaler Wortfolge) unbedingt eine Unterordnung auch im
nachdruck zur folge. Nur bei engem grammatischen Verhältnis
war das übergeordnete nomen, das sich an das vorausgehende
abhängige enklitisch anlehnt, soweit zu drücken, dass es ohne
Verstoss gegen den satzaccent an eine versstelle treten konnte,
die nur einen nebenton gestattete oder forderte.
Diese regel scheint im wgerm. mit grosser consequenz
eingehalten zu sein. Für die beurteilung des eddischen ma-
terials, namentlich auch im vergleich mit dem material des
Beowulf2) ist widerum tunlichste Scheidung nach der syntak-
tischen binduug der drei nomina erforderlich. Bei der geringen
anzahl der hier zu besprechenden verse^) und der grossen
mannigfaltigkeit der grammatischen Verknüpfung aber kann
es nicht verwundern, wenn hie und da ein fall isoliert steht.
Unsicherheit des Urteils folgt aber daraus nicht, da die durch-
sichtigeren Verhältnisse der verse mit zwei nomina eine feste
grundlage für die beurteilung abgeben.
^) Eieger s. 21 ff. Sievers §23,3, vgl. aucli N. Sobei, Die accente iu
Otfrids evang-elienbuch, QF. 48 (Strassb. 1882), 44, und Piper, Beitr. 8, 231 f.
-) leb citiere im folgenden nacb Heyne-Socin, Beowulf ', Paderborn 1903.
^) Die geringe beliebtbeit erklärt sich offenbar aus der grossen Schwierig-
keit, die der Verwendung dreier nomina seitens der ausgeprägten viergliedrig-
keit des fornyröislag entgegenstand. Ein dreihebiger streckvers stand dem
Nordländer ja im allgemeinen nicht zur Verfügung. Das überwiegen der
genannten Avortverbiudung in den schwellverseu (jedoch nur der ersten
halbzeile) des Heliand (vgl. Kauffmann, Beitr. 12, 283) weist deutlich auf
den engen Zusammenhang hin, der zwischen der Verwendung von 3 nomi-
nibus (bes. iu der Variation) und der ausbildung dieses specifisch wgerm.
versmasses besteht.
122 WENX'K
2) Nach dieser regel, die in unserem fall die hindun«^
zweier nomiua zu einer nominalformel') fordert, ist es von
vornherein ausgeschlossen (vgl. Sievers § 142), drei völlig
coordinierte nomiua in einer halbzeile zu vereinigen. Im
Beowulf findet sich denn auch kein einziges beispiel dieser
art,^) Um so mehr müssen einige verse der Vsp. und. R]>.
befremden, in denen die regel durchbrochen ist und die ohne
zweifei eine besondere erklärung fordern.
Erste halbzeile: N^. ygp 39^7 Gunnr, Hildr, Ggmlul, E}'. 25,3
Snöt, Bn'ifir, Svanni; — N': K}'. 25,5 F//0I/), Sprttml o1; Vif. — Zweite
halbzeile: Vsp. 12, 4 DeÄlr, Litr olc Vitr, R]i. 24, 4 Uolßr, Prrjn ok Smipr.
Von diesen gehören die N*-beispiele nach ausweis der alliteration zum
typus A*, die N'-beispiele dagegen können offenbar nur zu E gerechnet
werden. Die erklärung der abweichung von der theoretisch zu erwartenden
betonungsform liegt in der allgemein menschlichen abneigung gegen völlige
accentuelle gleiclibehandlung unmittelbar auf einander folgender glieder
von reihenaufzählungen: vgl. etwa unser eins, ztvei, drei, vier, oder Karl,
Ma.K und Hans (typus E) bez. Max, Uiins, Mdriiz (typus A2). Ueberall
w4rd in solchen fällen das mittelglied ein wenig gedrückt. Namentlich
aber prägt sich diese (zwaugs-) abstufung in dem musikalischen satzaccent
aus, wie man an den nhd. beispielen deutlich erkennen kann. — Für die
beurteilung der tecbnik der eigentlichen Edda sind übrigens nur die bei-
spiele aus der E|'. zu berücksichtigen, da die der Vsp. sämmtlich dem inter-
polierten") Dvergatal angehören. Dass gerade die Ep. derartige unpoetische
reihenaufzählungen bietet, stimmt vortrefflich zu Mogks annähme (Lit.-
gesch. § 52), dass das lied skaldischen Ursprungs sei.
3) Die Verbindung von genetiv mit nachfolgendem
Substantiv, die nach § 5 zur bildung einer formel besonders
geeignet ist, begegnet in folgenden fällen.
*) Unter 'nominalformel' (vgl. Sievers a.a. 0.) verstehe ich im folgenden
stets eine zu tonischer einheit verschmolzene, syntaktisch eng verknüpfte
Verbindung zweier nomina.
5) Selbst in den schwellversen des Beowulf (Sievers, Beitr. 12, 454) wie
des Heliand (Kauffmann a.a.O.) werden drei coordinierte nomina gemieden.
Es braucht diese erscheinung nicht unbedingt auf verschiedene stärke der
hebungen zurückgeführt zu werden (nach der von Luick, Beitr. 13,301, anm.l
mitgeteilten ansieht von Sievers ist die dritte [nur ausnahmsweise mitalli-
terierende] hebung minder betont als die beiden ersten), da alle drei hebungen
principiell gleichberechtigt sind (vgl. Sievers § 92. § 184). Vielmehr zeigt
sich darin die gemeinwgerm. abneigung gegen die im norden so beliebten
ii^l (nafjia JnilurI).
*) Wie Sievers bei seinen sprachmelodischen erörterungen hervorzuheben
pflegt, fallen die interpolierten Strophen des Dvergatal auch melodisch aus
dem Zusammenhang heraus.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 123
In der nicht durch die formel besetzten hebung steht:
a) Ein Substantiv, das zur nominalformel keine nähere
syntaktische beziehung hat:
Erste halbzeile: vacat. — Zweite halbzeile: Ilym.2,ßYggs
harn i prg^ 34, 6 \iver Sifjar verr. Als einzige parallele hierzu aus dem
Beowulf ist 2795 b frean ealles ßanc anziiführeu. Während Hym. S-t, 6
nach § 5 dem typns D zugerechnet werden muss, ist die rhythmisierung des
Beowulfverses wegen der sonstigen behandlung der allgemeinen quantitäts-
adjectiva zweifelhaft^) (s. no. 8).
b) Ein adjectiv, das grammatisch zu dem enklitischen
subst. der formel gehört:
Erste halbzeile: prk. 13,3 a??r asa sah; Hdl. 11, 11 (= IG, 9) mest
manna vol. Analoge beispiele sind im Beowulf ziemlich zahlreich: i 341.
400 = 1628. 849. 1138. 1933. 2514. 2775 (über das fehlen von belegen in ii
s. no. 8). — Die consequente voranstellung des adj. hat in der § 8 als normal
bezeichneten Wortfolge ihre parallele. In den Beow.-beispielen 147a twelf
winira tid, 545 a (vgl. auch Hei. 2G8a [citiert nach Behaghel '■*] ) ist enklise
des an dritter stelle befindlichen subst. iu folge der veränderten logischen
bindung ausgeschlossen (s. 4, a).
c) Ein particip, das sich syntaktisch an das enklitische
subst. der formel anlehnt:
Erste halbzeile: Gf». 2,23,7 ^vins lifr sopin. — Zweite halb-
zeile: Vsp. 25, 8 Ößs mei/ gefna, Hei. 2, 8 R manns hlöp pvegit (Np. gefit).
Einen offensichtlichen Verstoss enthält der vers Ghv.4, 9 ropnar i yers dreyra,
der wie erwähnt (s. 111) auf eine ältere mälahättrstrophe zurückgeht. Die
Unregelmässigkeit des verses tritt bei einem vergleich mit Beow. 2285 a
onhoren hea^a liord deutlich hervor.
d) Ein Infinitiv:
Erste halbzeile: vacat. — Zweite halbzeile: Vkv. 9, 2 ben«
hold steiJcja. Entsprechende Beowulfverse sind i 757 seca>t, äeofla ^edneg,
2423 secean säwle horä, 2526 oferiUon totes treni; ii 1279 sitna deaÖ tvrecan
mit der angemessenen (s. no. 8) nachstellung des inf. Von den genannten bei-
spielen enthält nur 757 a einen fehler gegen die alliterationsregel (s. no. 5).
e) Eine bedeutende abweichung des Beowulf von der
eddischen teclmik zeigen folgende verse, in denen subst. + gen.
(bei dieser Stellung des gen. überwiegt in den Eddabeispielen
N2, vgl. § 5) die notwendige nominalformel bilden:
I 90 ^wutol san^ scopcs, 571 bcor/tt \)eacen godes, 1486 geseon sunu
Hrckdles. Der einzige ii-vers, der hierher gezogen werden könnte (2026
^ladum suna Frödan) ist jedoch besser als A zu nehmen (s. no. 8). — Aus
') Vgl. Sievers, Beitr. 10, 259.
124 WEXCK
dem cddisclicn fornyi-Mslaff können nnr zwei beispiele bei<?ebraoht werden,
in denen ebenfalls ein nachstehender gen. zum zugehörigen snbst. in enklise
getreten ist: i Hei. 2, 5 R pü liefr, \<jr gulz, und vielleicht ii Ghv. 4, 4 \eiifa
dvp H[)gna.^) Bei der völligen Isolierung dieser fälle") und ihrer Stellung
in jungen liederu wäre die crhaltnng einer altertünilichkeit (vorausgesetzt
dass der Beowulf in diesem punkte den ursiirüuglithen stand der techuik
repräsentiert) sehr merkwürdig. Zudem stammt Ghv. 4, 4, wie schon wider-
holt bemerkt wurde, aus einer mälahättrstropbe, für die a priori eine Un-
regelmässigkeit wahrscheinlicher ist, als die erhaltung einer altertümlich-
keit (Sievers § 51). Im zweiten fall aber steht der lesart von K im Np.
das technisch einwaudsfreie ßü hefr \grgum gegenüber. Selbst wenn man
mit Sijmons'") die grössere Originalität R zuerkennt, ist es doch immer
gewagt, der lesart, die allein den in § .5 entwickelten Verhältnissen wider-
streitet, den Vorzug zu geben, zumal da die andere, regelmässige, ebenfalls
dem zusammenhange gerecht wird. — Die eigentümliche technik des Beow.
hat übrigens auch im Hei. ihre parallelen, z.b. i 626 Hoflandes ward,
41'2 faf/ar iolc r/odes, 2666 (ji\wren that harn (jodcs etc., ii 1121 mJirj harn
gudes etc. Den versuch einer erklärung dieser erscheinung muss ich mir
versagen, da hier nur eine vollständige Statistik über die wgerm. verse
mit gen. und zugehörigem subst. eine entscheidung bringen könnte.")
4) Die nominalverbindung adjectiv (niimerale) -f Sub-
stantiv, die nach § 8 zur bildung einer formel ebenso geeignet
ist wie gen. -f subst., begegnet in folgenden versen. In der
durch die forme! freigelassenen hebung steht:
a) Ein Substantiv, das als attributiver genetiv zu dem
enklitischen subst. der formel gehört:
Erate halbzeile: Ysp. 1,7 forn spjgll iira, "^Tiv. 2, 3 fogr ma:r iira,
*) Die rhythmisierung als D* ist nicht sicher. "Wenn man die nhd.
betonung des nachstehenden gen. zum vergleich heranzieht, könnte man
ein A* 2 annehmen (vgl. Sievers § 50, 5).
") Von den anderen orts discutierten versen, die ausser zwei uominibus
noch weiteres Sprachmaterial enthalten, weisen in i 7 (typus A3: HH. 2, 2, 3.
Rg. 13, 7. Fäf. 35, 7, typus D: Vsp. 41, 3. prk. 21, 7. Hym. 35, 3. Grt. 16, 7);
in II 4 (typus D: Hei. 14,8. G\\ 3,1,2; typus E: Bdr. 4.8. Grp. 42,6). die
normale Stellung gen. + subst. in der formel auf. Zu den i-beispielen
darf noch Od. 12, 5 gezogen werden, wo der gen. ein adj. ist.
'") Sijmons, Zs. fdph. 12,89 gegen E. Wilken, Untersuchungen zur Snorra
Edda s. 8f)f.; vgl. auch Heinzel, Eddacommentar z. st.
") Nach den versen mit drei nomina zu schliessen. wird im Beowulf
subst. 4- gen. nur ungern zur formel verbunden. Subst. + gen. erscheint
in I dreimal (90. 571. 1486), in ii einmal (2026?), gen. + subst. dagegen in
11 belegen von i (341. 400 = 1628. 849. 1138. 1933. 2285.2423.2514.2526.
2775) und 1 beispiel aus ii (1279). Selbst in den streckversen ist die nor-
male Stellung häufiger: 2 (1707a. 1169a) gegen 1 (1167a).
ALLITERATION IM EDD. F0RNYRDI8LAG. 125
HH. 1,49,7 gofiigt lip gylfa, Gp. 3, 7, 1 sjciu luindriip manna. — Zweite
halbzeile: Gp.3, 5,4: prigcija tega manna.^'^) Ferner gehört hierher Vkv.
7, 7 sjau hundrup allra, wo der gen. ein adj. ist.
Da hier der nachstehende gen. teils alliteriert, teils, wenn er des reimes
entbehrt, doch die zweite hebung einnimmt, so zeigt sich wider, dass subst.
+ gen. im foruyröislag normalerweise nicht zur formelbiidiing verwendet
werden. Es begegnen jedoch auch im Beowulf beispiele, in denen subst.
und gen. nicht mit einander verwachsen sind: ii 202G ■^ladum suna Frodan,
2279 pre'o Imnd icintra. Ferner wäre i 2965 'Eofores hme dorn zu er-
wähnen, wo der gen. stilgemäss vorangestellt ist. Bei einem vergleich
dieser verse mit den oben citierten fällen ergibt sich, dass für die tonische
Subordination im ags. (desgl. im alts.) in erster linie die logische bindung
massgebend gewesen ist. Während 90 san^ scopes ('dichtergesang'), 571
beacen ^odes ('gotteszeichen'), (Hei. 1121b barn godes ['gotteskind]),
weniger 1486 siinu HrceÖles (' der HreÖlinj ') zu einem einheitlichen begriif
verschmelzen, ist dies in 2279b hund tvintra (desgl. 2965 a: daher die voran-
stellung des gen.). Hei. 268a thes wtdon rtkeas giwaruP^) ausgeschlossen,
ebenso in HH. 1, 49, 7 lip gylfa, Gp. 3, 7, 1 hundrup manna, vielleicht auch
Vsp. 1, 7 spjgll fira. Sonach wäre Hei. 2, 5 vgr gidz als kenning für 'weib'
weniger anstössig. Doch wird die s. 124 gegebene auffassung dadurch ge-
stützt, dass bei Vkv. 2,3 fogr mcer fira 'das schöne menschenkind' die
mögliclikeit, ein subst. mit nachfolgendem gen. zur formel zu vereinigen,
gegeben war und doch nicht benützt ist. Offenbar würde, was im wgerm.
eine freiheit war, im norden als fehler empfunden worden sein. Es kommt
hinzu, dass die tonische Verschmelzung von subst. mit nachfolgendem gen.
dem grundprincip der germ. nominalcomposition zuwider ist: ein wider-
sprach, der zu ernstlichem zweifei an der ursprünglichkeit der in rede
stehenden erscheinung berechtigt.
b) Ein adjectiv, das zu dem subst. der formel gehört:
Erste halbzeile: Od. 6,5 timm vetr alla, 14,7 fmm vetr eina.
Diesen versen entsprechen im Beow. i 1559 (= 2617 = 2981). 1664; ii 909.
c) Ein particip, das attributiv oder prädicativ zum subst.
der formel construiert ist:
Erste halbzeile: Vsp. 19, 3 hör bapmr ausinn, Ghv. 1, 3 iraup mgl
taltp (so Bugge, der vers kann jedoch auch zu den versen mit zwei nomiua
^^) Der alliterationslose vers ist auch metrisch anstössig und deshalb
mit Hildebrand s. 137 zu bessern. Auf keinen fall darf der mangel eines
reimstabes durch eine conjectur in dem völlig regelmässigen ersten halb-
vers beseitigt werden, wie G. Vigfusson, CPB. 1, 561 Ufa prir einir vor-
schlägt.
^^) Bei Hei. 2870a gröt craft godes, wo begriffliche bindung des
zweiten uomens sowol nach vorn ('allgewalt') wie nach hinten ('gottes-
kraft') möglich war, entspricht allein die durch die alliteration festgelegte
dem Zusammenhang.
12G WKNCK
[§ 9] gezogen werden [Hildebrand u.a.]); zweite halbzeile: IUI. 1.7,4
güp Or komin, 42,6 mart skeip ripit, Gp. 2,13,2 fimm dctgr tulip. Für
das subst. ist ein substantiviertes part. eingetreten in HH. 2, 9, 4 Vdt ateikt
etit. Der Beowulf bietet nur eine iiurallcle: i 2988 hcard sweord hilted.
— Die consequente nacbstelluug stimmt zu dem oben erörterten.
d) Ein Infinitiv:
Erste halbzeile: HH. 2, 49, 3 h'tta fnlvan jö enthält einen allitera-
tionsfehler, der auch durch Sievers' conjectur (Beitr. G, 'M'.>) nicht beseitigt
wir<l. Eine Umstellung würde jedoch rhythmisch wenig emj) fehl ens wert
sein. Ich ziehe bei dem merkwürdigen zusammengehen dieses liedes mit
dem Beowulf vor, den hs.-lichen text zu belassen (s. no. 5). — In der zweiten
halbzeile begegnen folgende verso (mit regelrechter nachstellung des
inf.): Hdl. 50,8 qll gup duga, HH. 2,7,8 hräit kjgt eta, HHv. 40,4 hinztr
fundr vesa, Grp. 9, 4 aUs harms reka, Sg. 65, 4 hinzt bosn vesa, Gp. 3, 8, 6
diks harms reka. Aus dem Beowulf ist anzuziehen: i: voranstehender inf.
1905 drefan ileop tva'ter; nachstehender 2314 hcvrht liufii harnan.
e) Die enge der grammatischen bindung von adj. und subst.
ermöglicht es, die nominalformel von dem dritten nomen
abhängig zu machen:
a) Von einem Substantiv: Erste halbzeile: Gp. 2, 23, 3 wrt &tls
vipar, 25, 3 ijyilp alls Uar. Die aulfällige Stellung der alliteration in dem
zuletzt genannten beleg, die dem in § 8 festgestellten widerspricht, darf
nicht ohne weiteres als fehlerhaft bezeichnet werden. Während nämlich in
23, 3 der logische nachdruck dem quantitätsadj. zukommt, liegt er in 25, 3
wol auf dem zweiten subst. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die
ausnähme von der regel dem besondern einfluss des sinnesaccents zuzu-
schreiben ist. — Dagegen dürfen in der zAveiten halbzeile Hdl. 24,6
bpZ viargs konar, Hei. 10, 4 K her cüls v/por dem typus D zugewiesen
werden: der erste vers um so eher, als margs konar häufig als ein wort
gefasst wird (Hildebrand z. st. Gering, Glossar). — Bemerkenswert ist die
stilgerechte nachstellung des übergeordneten Satzteiles in den hierher ge-
hörigen Beowulfversen i 147 twclf wintra tid, 545 fif nihta fgrst.
ß) Von einem adjectiv, das wie das subst. unter « in der Edda
gegen das stilpriucip vorangeht: Erste halbzeile: G}>. 2,10,3 traupr
gdps hugar, 37,3 hdl ills hugar; zweite halbzeile: Hym. 9,8 ggrr tlls
huyar. Die lautliche entwicklung der Wörter illüp, Illugi schliesst jeden
zweifei an der rhythmisieruiig dieser verse als D aus. — Parallelen aus
dem Beowulf fehlen.
f) Ferner begegnen in der Edda noch zwei zweite halb-
verse (E]>. 9, 6 liris gerstan dag, Grp. 31, 6 gestr eina noil), in
denen ein subst. keine nähere beziehung zur formel hat.
Die rhjihmisierung als D darf nach § 8 als gesichert an-
gesehen werden. Der Beowulf meidet offenbar den maugel au
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 127
gTammatiscliem Zusammenhang: schon nnter 3, a konnte nur
ein zweifelhafter fall beigebracht werden.
g) Ausserdem finden sich in der Edda noch einig-e verse,
in denen (dem in § 8 festgestellten ton Verhältnis zuwider) Sub-
stantiv + adjectiv eine nominalformel bilden. Auch
hier kann das dritte nomen verschieden sein und in verschie-
denem syntaktischen Verhältnis zu teilen der formel, wie zur
formet selbst stehen. Doch kommt dies bei der frage nach
der berechtigung- der anomalen nominalformel nicht in betracht.
Es handelt sich um folgende fälle:
Erste halbzeile: HHv. 35, 3 iljop eitt es Hepin, Vsp. 26, 7 m<ß gll
meginUg, 41, 7 Yeßr gll \älynd, HH. 1, 6, 3 Aoegrs eins gamall, Vsp. 62, 3
\)gls mun alls 'hatna'^^); zweite halbzeile: Hym. 15, 8 yxn tvä Hymis,
prk. 24, 10 sp7(:? prjü mjapar.
In dem andern orts noch zn discutierenden yersmaterial begegnet die
unregelmässige gestalt der formel (snbst. + adj.) noch in 19 i (typus A:
Vkv. 5, 3. 21, 7. Vsp. 6, 1 (= 9, 1. 23, 1. 25, 1). 23, 7. 25, 5. 66, 3. Ep. 47, 3.
HH.2, 18,5. 40,1. 41,1; typus C: HH. 2, 50, 9. Gj7.2, 26,3; typus E: Vsp.
26,1. Hym. 25,6. HH. 1,53,1. Grp. 25,7) und 9 ii (typus A: Hym. 24,4.
33,8. Grt. 7,6. Br. 10,2. Sg. 2,6. 68,6. Gp. 2,23,2; typus E: Vsp. 53,2.
Hym. 26, 2), die regelmässige (adj. + subst.) noch in 10 i (typus A: Br. 7,5.
Kg. 14, 7. Grp. 42, 5. Gp. 1, 18, 7. Gp. 2, 2, 3. 9, 7. Hei. 10, 5; typus D: Vsp.
47,3. HH. 1,1,3; typus E: Grp. 26, 3) und 15 ii (typus A: Vkv. 1, 8. Rp.
6,2 (=20,2. 33,6). HH. 1,29,2. Grp. 10,2. Fäf. 33,6. Gp. 2,35,6. 35,10;
typus D: Sg. 13,4. 23,4. 48,2; typus E: Vkv. 3,2. Grp. 49,2. Od. 11,4).
Es besteht also keine ausgeprägte differenz. Nimmt mau die oben auf-
geführten verse mit drei nomina hinzu (Gp. 2, 25, 3 ist auszuscheiden), so
überwiegt die normale gestalt der formel wenigstens in ii ganz bedeutend
(31 [^73,8% aller ii- belege] : 11), während beide formen sich in i die
wage halten.
Da auch die lieder älterer technik an diesen beispielen beteiligt sind,
darf auch bei der anomalen gestalt der formel hewahrung des satzaccents
angenommen werden, d.h. es zeigt sich auch hier der einfluss des logischen
accents. Das adj. allr, das in der mehrzahl der fälle nachgestellt erscheint
(i 10 : II 2) ist bei voranstellung (i 2 : ii 4) z. t. sicher rhetorisch gehoben,
z. b. Sg. 13, 4 sat um allan dag (vgl. oben Hdl. 50, 8. Grp. 9, 4). — Ebenso
ruht auf dem zahlbegriff ehm in dem einzigen vers, wo es voransteht
(Hei. 10, 5 pcn- bap efnn pegn) der logische nachdruck. Doch hätte in
einem der fälle mit nachstelluug (i 7 : ii 2), nämlich in Sg. 68, 6 hep einn
") Die Stellung des hilfsverbums wäre höchst befremdlich, wenn nicht
die vollkommene Verschmelzung desselben mit dem vorausgehenden nomen
durch Sievers' Untersuchungen (Beitr. 6, 320. 8, 60. Altg. metrik § 36, 12) ge-
sichert wäre (vgl. unten § 20).
128 WENCK
siigum, iiacli unserem gefühl die nntürliclie Wortfolge (einn hep) eintreten
sollen. — Aelinlich verhält es sich mit margr.
Selbst wenn das adj. nicht einen qnantitäts- oder zalil-
bcgriff enthält, kann die naohstellung nicht fehlerhaft genannt werden,
sobald das adj. eine bereits im wesen des subst. selbst liegende eigenschaft
ausdrückt: z. b. Ykv. 5,3. 21,7 (juU rautt, HH. 2,18,5 mar vng (ebenso
ßeow. 2019a hyre geonge), aber HH. 1, 1, 3 heiltig nptn, Br. 7, 5 grär jör,
Grp. 26, 3 goß lyß etc. — Rp. 47, 3 Konr ungr darf der neigung des
dichters zu etj-mologischer Spielerei zugeschrieben werden. — Bei Hyni.
33, 7. 8 stoß at hc^';« i hvcrr kyrr fyrir liegt der begriff des adj. bereits im
vorausgehenden verbura. Die enklise desselben kann also trotz der prädi-
cativen Verwendung nicht befremden.
Andere fälle sind zweifelhaft, z. b. Vsp. 66, 3 naßr fränn, Gf». 2, 26, 3
gnU fagrt. Zum teil mag daher die reimbequeralichkeit die anomale
bildung der formel veranlasst haben. So ganz zweifellos in den versen,
wo es sich um ein numerale (vgl. §8) handelt: vgl. oben prk. 24,10.
Hym. 15,8. Ferner konnte die häufige einsilbigkeit der verwendeten
uomiua bei der füllung der vier glieder des verses Schwierigkeiten bereiten:
in solchen fällen war es bequem, etwaige lücken durch hinzufügung weniger
bedeutsamer adjectiva auszufüllen. So hat allr in der mehrzahl der verse,
in denen es nachsteht, offensichtlich den Charakter eines füllscls. Ein eigent-
licher Widerspruch gegen die regel des satzaccents, die nach § 8 dynamische
coordination des subst. imd nachgestellten vollsinnigen adj. erfordert, tritt
also nicht ein. Dass im Beowulf die uuregelmässige gestalt der formel in
den versen mit drei nomina ganz fehlt, spricht für die trefflichkeit seiner
techuik. Immerhin zeigt jedoch der citierte vers 2019 a \)(.i:dde\)yre geonge,
dass unter den angegebenen bedingungeu auch im ags. subst. mit uach-
gestelltem adj. sich gelegentlich zu einer uachdruckseinheit verschmelzen
konnten.
5) Neben den bislier besprochenen, im allgemeinen regel-
mässigen versen findet sich in der Edda noch eine beschränkte
anzahl angenscheinlicher an om allen.
HH. 2,39,7 gefa svi'mwi &oß mit voranstehendera inf. zeigt denselben
alliterationsfehler, der uns oben 4, d im gleichen Hede ('49, 3) und ebenso 3, d
im Bcow. (i 757. 822) begegnet ist. Bei der .sonst üblichen bebandlung des
voraustehenden inf. in der Edda (§10) wie im Beow. (iD: 1486 geseon
SM»m Hntöles, und ähnlich 1905. 2423. 2526), desgl. in den schwellversen
des Beow. (1164 a) und Heliand (i 560 (=4396). 602. 899. 1096. 1686. 3072.
5721. 5892 etc.) und des vorangestellten part. (Beow. i 1291. 2285, desgl.
Hei. 2666a) sind die genannten ausnahmen sehr auffällig.
Eine parallele in der bebandlung des voranstehenden part. bietet nur
die Edda: Ghv. 4,9 roßnar i \ers dreyra. Dieser fall gibt in Verbindung
mit den citierten vier D- versen des Beow. (vgl. auch Gliv. 4, 4 \cyfa d^ß
Uognu) einen anhaltspunkt für die rhythmisierung der anomalen beispiele.
Wie nämlich Ghv. 4,9 auch als D*' genommen werden könnte, da die
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 129
g-rammatische Verknüpfung der beiden anderen nomiua völlige enklise des
zweiten gestattet (vgl. Sievers § 50, 5 und 7a), ebenso darf HH. 2, 49, 3 läla
iglvan jö als D^ angesprochen werden, da die nämliche bedingung erfüllt
ist. Die annähme eines metrisch fehlerhaften D^ ist nicht zu gewagt
(vgl. § 53).
Die beurteilung der Beowulfverse ist wegen der doppelallitera-
tion nicht ganz sicher. Man könnte schwellverse des tjpus AB
annehmen wollen, für den Sievers, Beitr. 12, i71 ein stärkeres
schwanken der alliteration auf erster und zweiter hebuug einerseits,
auf zweiter und dritter andrerseits constatiert. Doch würde der
getragene gang eines reinen streckverses dem Zusammenhang wenig
entsprechen. Damit ist jedoch nicht die möglichkeit ausgeschlossen,
diese fälle als übergangsformeu vom normalvers zum schwellvers
(vgl. Sievers § 90) aufzufassen : vgl. den vers Ghv. 4, 9, der als C*
gefasst dem part. eine nebeuhebung zuweisen würde. Ausserdem
ist zu berücksichtigen, dass doppelalliteration durchaus nicht ein
zeichen absoluter coordination der hebuugen sein muss, und es hier
um so weniger sein kann, als die enge der gTammatischen bindung
dem ersten der beiden alliterierenden nomina das dj^namische über-
geAvicht sichert. Durch das zurücktreten der zweiten hebung wird
der inf. notwendig aus seiner proklitischen Stellung gehoben. Somit
kann die rhythiuisierung der schematischen B*-verse nicht die von
reinem B gewesen sein. D4 ist wegen der doppelalliteration unmög-
lich, also bleibt nur eine Übergangsform D—B übrig (die existenz
einer solchen wird sich im folgenden beweisen lassen), die gewis
der dynamischen abstufung der drei nomina am besten entspricht.
Die drückuug des inf. kann dadurch gerechtfertigt werden, dass
secan an beiden stellen einen vorausgehenden inf. variiert bez. wider
aufnimmt (s. unten).
Als grober Verstoss bleibt also nur HH. 2, 89, 7 gefa svinum sop be-
stehen, da eine rhythmisierung als D — B wegen des mangels einer engeren
grammatischen bindung der beiden alliterierenden nomina ausgeschlossen
ist. In syntaktischer beziehung ist dieser vers somit den unter 2 citierteu
zu vergleichen. Die fehlerhafte proklise^^) des inf. muss daher auf das
conto der schlechten technik des zweiten Helgiliedes gesetzt werden. Ein
fehler der Überlieferung ist weniger wahrscheinlich, da das am rande nach-
getragene gefa für den Zusammenhang unentbehrlich ist.
Dagegen darf der Verstoss in HH. 2, 51, 7 daupir dolgar, mcer, nicht
dem dichter selbst zur last gelegt werden. Durch tilgung des überflüssigen,
offenbar nachträglich zugefügten vocativs (Sievers, Beitr. 6, 343) wird der
vers regelmässig. Dagegen stünde die alliteration der beiden glieder der
nominalformel (die uns freilich oben in den Beowulf beispielen begegnet ist)
**) Nach Sievers § 49, 2, anm. 1 kommt hier dem inf. gefa doch viel-
leicht ein nebenton zu.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. Q
130 WENCK
in der Edda ganz isoliert. Die conjectnr Fiiinur Jönssons in HH. 1.9,3
alnis iwT borinn bringt also einen fehler in den einwandsfreien lisl. text
hinein und ist daher abzulehnen.
"Weiterhin verstösst prk. 2, 8 oss's stoliiw Immri nicht mir gegen das
stilprincip (insofern das abhängige nomen nachgestellt ist), sondern auch
gegen den satzaccent, da ein prädicatives part. nach sonstiger eddischer
technik (§ 9j nicht in euklise zu dem vorangehenden nomen treten kann.
Attributives part. bildet nachstehend mit dem zugehörigen subst. eine
nachdruckseinheit in HH. 1,51,1 venni rpJcn bitlup. Prädicatives part.
zwingt das zugehörige nomen nur Grp. 23, 2 \oij}) nri pir in enklise zu sich
(vgl. § 44). Leide belege stehen jedoch in liedern jüngerer technik und
sind deshalb schon zweifelhaft. Der vers prk. 2, 8 ist sonach sehr bemerkens-
wert, da er von einem schwanken der technik auch in älteren ge-
dichten zeugt.
Ein einziges mal stehen ferner in der Edda zwei adjectiva vor
dem subst.: Od. 34,3 mor^ ill lun slcgp. Hier sind zugleich die beiden
glieder der nominalformel durch ein nicht verschleifbares (vgl. oben Ysp.
62,3. prk. 2,8) und sinnloses flickwort getrennt: ein deutliches zeichen
für sinkende technik. An der rhjthmisierung als D zweifle ich jedoch
nicht (vgl. Hei. 4:40a \iCla<j hiviilisc harn).
6) Wiewol sich in der Edda eine grössere zahl von versen
mit drei nomina vorfindet als im Beownlf, sind aus dem
fornyröislag zu einigen versarten des Beowulf keine parallelen
beizubringen. Zum teil mag dies nur zufall sein, wie z. b. bei
der Verbindung von zwei coordinierten uoniinibus, deren zweites
zu einem zugehörigen adj. in enklise getreten ist: Beow. i 2510
\\ond ond \\eard swcord u. ä. 2G39. 3106. Dagegen entspricht es
den eddischen Verhältnissen (vgl. § 8), wenn den im Beowulf
offenbar beliebten versen'''), in denen abhängiges subst. + über-
geordnetes adj. als nominalformel fungiert, kein einziges Edda-
beispiel gegenüber gestellt werden kann.
7) Auch hinsichtlich des Verhältnisses von N' : N-
ergibt sich ein ausgeprägter unterschied zwischen wgerm. und
an. technik. "Während die genannten 40 i des Beowulf (9 A,
2 B [757. 822], 27 D, 2 E) sämmtlich doppelalliteration auf-
weisen, halten sich N* und N- in den oben im einzelnen an-
geführten 28 Eddabelegen für den ersten halb vers (10 A [N' 7 :
N2 9], 2 B [1 : Ij, IC [mälahättr], 8 D [4 : 4], 1 E«) vollständig
die wage (14 : 14).
«) Beow. I 97'J. 1039. 1287. 13G5. 1370. 1595. 1907. 2179. 2G88. —
1333. — 1291 j II vacat.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 131
Diesem verhältuis von N* : N' entspricht auch in beiden denkmälern
mit anifallender genaiiigkeit die Verteilung der belege auf i und ii: der
Beowulf hat 40 i : 5 ii (4 A, 1 E [2795] ), die Edda aber 28 i : 27 ii (17 A,
6 D, 3 E, 1 G^). Der Beowulfdichter empfand also doppelalliteration als
unerlässliche forderung und vermied es aus diesem gründe, die zweite halb-
zeile mit drei nominibus zu bilden.")
8) Eine weitere abweichimg des fornyröislag- vom Beowulf
lässt ebenfalls den secundären Charakter der eddischen technik
erkennen. Da das erste glied der nominalformel, um über das
zweite dominieren zu können, ein besonders grosses nachdrucks-
gewicht erhalten niuss, ist es im Beowulf durchgehends träger
der alliteration. 1^) Sollte in ii diese forderung erfüllt werden,
so musste die nominalformel an erste stelle des verses treten.
Daraus erklärt sich auch das fehlen verschiedener sonst üblicher
syntaktischer Verbindungen in ii. Besonders eclatant ist der
unterschied zwischen i und ii bei den unter 3, b aufgeführten
Versen. Ebenso darf die consequente nachstellung der verbal-
nomina in ii (gegenüber der in i typischen voranstellung) auf
diese tendenz zurückgeführt werden. Demnach sind Beowulf
II 2026 iladum suna Fröclan, 2279 preo hund wintra, deren
rhythmisierung zweifelhaft war, dem typus A zuzuweisen,
2795 b irean calles danc aus demselben gründe zu E zu ziehen,
wie bereits Sievers a.a.O. vermutet hat. Abgesehen von den
augenscheinlich anomalen versen der Edda alliteriert das erste
glied der formel nicht überall oder steht es (was in ii mit alli-
teration gleichbedeutend ist) in erster hebung von ii. Fehler-
haft sind in dieser beziehung 3 i (G}^. 2, 10, 3. 37, 3. Od. 34, 3)
und 6 II (Hym. 9, 8. 34, 6. R]'. 9, 6. Grp. 31, 6. Hdl. 24, 6. Hei.
10,4). Die tatsache, dass auch ältere lieder in diesen bei-
spielen vertreten sind, zeigt, dass auch deren technik bereits
ins schwanken geraten war (vgl. oben prk. 2, 8). Die Hym.
offenbart auch hier wider ihren skaldischen '9) Charakter. —
") Diese neiguug erstreckt sich auch auf die schwellverse. Der Beow.
hat kein beispiel aufzuweisen; aus dem Hei. habe ich v. 1309^ notiert.
1*) Charakteristisch ist die beliebte Stellung des ersten gliedes der
formel in zweiter hebung der D-verse; vgl. dazu § 53.
^^) Sievers, Proben s. 38. — Mit skaldisch meine ich hier die neigung,
den hauptstab ohne rücksicht auf den satzaccent auf die erste silbe von ii
zu setzen.
9*
132 WENX'K
Allitonitioiiserscliwerende wii'kung eines npr. ist bei Hym. 34,6
iiiul Grp. 31, G anzuerkennen.
Cap. MI. Verbum finitum.')
A. Verbum flnitum und ein nomen.
§ 19. a) Will man das nachdrucksverliältnis von
verbum finitum und nomen feststellen, so muss man in
erster Knie von den versen ausgehen, in denen ausser einem
nomen und einem verb. ün. nur 2) noch eine tonlose partikel,
conjunction, präposition steht, in denen also verb und nomeu
normalerweise träger der hebungen sind.
Dass das verb. fin. ein geringeres tongewicht besitzt als
das nomen, ist bekannt und wird sich auch aus dem folgenden
wider ergeben. Dabei ist in der Edda ebensowenig wie im
w'germ. ein unterschied in der behandlung der verschiedenen
arten der nomina zu bemerken, und das ist ein sicheres zeichen
dafür, dass einerseits der dynamische unterschied zwischen
nominalen und verbalen nominibus relativ gering, andrerseits
der abstand zwischen nomen und verb. fin. relativ sehr gross
gewesen ist. Doch verhalten sich voUverb und hilfsverb keines-
w'egs gleich, so dass auch hier eine getrennte 3) behandlung
notwendig ist. Für die Scheidung des materials kommt somit
die Verschiedenheit der nominalklassen nicht in betracht, von
um so grösserer Wichtigkeit ist die Stellungsfrage.
An einschlägigen versen finden sich in der Edda folgende:
1) Mit vollverbum:
ß) Nomen +- verbum: Erste lialbzeile: Typus A: Unterform A'
(über die bedeutung dieser 'unterformeu' A' etc. s. s. 94, fussn. 1): Vsp. 5, 5.
») Eieger s. 24. Sievcrs § 24.
') Der bestimmte artikel ist uultcriicksiclitigt gobliebeu bei llyni.24, 3.
Drk. 13, 5. 15, 7. 32, 1. Grt. 23, 7. Sg. GC, 5. Od. IG, 5 (vgl. § 40).
3) Die scbeiduiig zwischen voUverb und hilfsverb ist in praxi nicht
reinlich durchzuführen, da einerseits das vollverb in periphrastischcr Ver-
wendung sich dem hilfsverb nähert, andrerseits das hilfsverb bei absolutem
gebrauch den Charakter eines voUverbs annimmt. Die zweifelliaften fälle
sind aber so wenig zahlreich, dass es die richtigkeit der hauptresultate
nicht beeinflussen kann, wenn, wie im folgenden geschehen ist, die normale
Verwendung des betreffenden verbums als für die Zuordnung des verses zur
einen oder anderen kategorie ausschlaggebend betrachtet wird.
ALLITERATION IM EDD. FOENYRDISLAa. 133
5.7. 5,9. 6,7. 7,5. 7,7. Kym. 13, 7. 23,5. E]'. 12, 11. 28,3. 12,3. lfi,3. Bdr.
6,1. 7,7 (=9,7. 11,9). Vkv. 3,7. HH. 2,2,5. HHv. 1,7. Grp. 1,5. 6,1.
45.5. Sg. 14,1. Gp. 2,1,7. 12,5. Od. 6,1. Ghv. 16,9. — Uuterform A^*:
Vsp. 18, 1. 22, 1. 52, 5. Hym. 24, 1. Ep. 12, 13. 37, 7. 38, 7. 40, 7. 42, 5. 45, 3.
HH. 2,42,7. Eg. 17,7. — Unterform A^: Sg. 44,7. — Typus B: Unter-
form B»: Vsp. 33,5. 37,5. 43,5. 53,3. Hym. 8,5. 32,3. 38,7. prk. 17,5.
Hdl. 29,3. 40,3. Bdr. 4,7. HH. 1,10,5. HH. 2,8,5. Grp. 5,7. 28,7. Fäf.
36, 5. GJJ. 1, 27, 7. Gp. 3, 10, 3. Od. 3, 3. 22, 1. 31, 3. Ghv. 13, 7. — Unter-
form B^: Vsp. 33,3. Bdr. 11,7. HH. 1,3,3. — Typus C: ünterform C^:
Vsp. 8, 5. 17, 1. Hdl. 45, 3. Vkv. 33, 11. HH. 1, 19, 5. HH. 2, 4, 7. 38, 9. Grp.
22.7. Br. 16,5. G]?. 1, 16, 3. Od. 28, 3. Ghv. 3, 7. 4,5. — Unterform C'^: Vsp,
63.3. Bdr. 12,7. Yky. 33,13. HH. 2,43,5. G}>. 3,1,7. — Typus D: Unter-
form D': Hym. 33,5. Gp. 1,15,3. Od. 17,5. — Unterform D'^: prk. 21,5.
Od. 14,3. — Typus E: Unterforra E': Hym. 39, 1. HH. 1, 27, 5. 30,3. 33,1.
Br. 19,1. Sg. 47,5. — Typus F: Unterform F': Bdr. 11,5. Sg. 71,5.
Zweite halbzeile: Typus A: Vsp. 4, 2. 4,4. 6,6. 10,6. 21,4. 47,8.
50. 8. 59, 8. 60, 4. Hym. 1, 2. 3, 8. 4, 8. 17, 4. 30, 2. 34, 8. 37, 8. Drk. 5, 2
(=9,2). 6,4. 10,6. 10,8. 14,8. 23,8. 29,4. 31,4. 31,8. Ep. 11,6. 23,8.
28, 4. 33, 4. 34, 2. 36, 4. 42, 4. 45, 2. Hdl. 45, 8. 46, 8 (= 47, 8). 50, 4. Bdr.
2,4 (=Od.2,8). 3,6. 14,8. Vkv. 3,4. 3,6. 10,2. 14,6. 17,6. 24,4. 27,4.
34,8. 41,8. Grt.2,4. 2,6. 6,8. 17,8. HH. 1, 2, 2. 2,4. 3,8. 4,2. 15,4. 15,10.
17, 4. 24, 2. 26, 2. 26, 6 (= HH. 2, 43, 8). 45, 8 (= HH. 2, 23, 8). 47, 2. 51, 10.
54.6. HH. 2,1,4. 4,4. 4,10. 5,4. 8,8. 12,8. 13,6. 13,10. 32,8. 36,6. 37,6.
40, 6. 41, 6. 42, 4. 44, 4. 46, 8. 49, 8. 50, 8. HHv. 4, 8. 6, 8. 35, 4. 37, 8. 41, 6.
41, 8. 42. 4. Grp. 1, 4. 6, 4. 16, 8. 27, 4. 27, 8. 32, 8. 37, 8. 46, 4. 47, 4. 49, 8.
53, 4. Fäf. 32, 8. 43, 6 (Sijmous z. st.). Br. 6, 8. 7, 2 (= Sg. 17, 2. 45, 2). 8, 8.
10, 8. 13, 4. 13, 6. 15, 8. 17, 4. Gp. 1, 10, 4. 21, 2. 22, 6 (= Sg. 3, 2). 23, 6.
26, 4. 27, 6. Sg. 4, 6. 5, 2. 11, 8. 11, 10. 14, 6. 18, 4. 18, 6. 32, 4. 36, 2. 36, 10.
86, 12. 42, 4. 46, 4. 50, 4. 55, 2. 71, 4. 71, 6. Hei. 6, 8. 9, 4. 9, 8. 11, 4. Gp.
2, 1, 6. 3, 8. 5, 8. 10, 8. 13, 4. 31, 12. 32, 4. 35, 8. 38, 2. Gp. 3, 2, 4. 2, 8. 10, 8.
Od. 10, 10. 17, 2. 17, 8. 26, 4. 26, 8. 28, 6. 28, 8. 30, 4. 33, 6. Ghv. 2, 8. 11, 6.
17,12. 19,4. 21,2. — Typus B: Vsp. 24,2. 26,4. 28,4. Hym. 29,2. 35,2.
37, 2. E)7. 37, 4. 37, 8. HH. 1, 34, 2. HH. 2, 1, 2. 30, 10. HHv. 7, 4. 25, 6.
29,8. 38,6. Fäf. 35,8. — Typus C: Vsp. 7,6. 10,8. 16,6 (= Grp. 23,6.
41, 6). 26, 8. 33, 2. 45, 12. 46, 2. 47, 2. 50, 6, 51, 4. 52, 6. 52, 8. Hym. 1, 4.
1,6. 7,4. 7,8. 15,6. 17,6. 19,8. 24,2. 28,4. 28,6. 28,8. prk. 16,8. 19,12.
Ep. 23, 10. 40, 8. Hdl. 24, 8. 42, 4. 42, 8. Bdr. 11, 6. Vkv. 18, 6. 31, 8. 33, 10.
Grt. 8, 4. 12, 8. 13, 4. 14, 6. 15, 8. HH. 2, 4, 2. 10, 6 (= 11, 4). 33, 12. 39, 8
(= 45, 8). 50, 2. 51, 2 Grp. 8, 4 (= 30, 4). 10, 4. 12, 4. 29, 6. 47, 8. 52, 8. Eg.
18, 2. 26, 8. Fäf. 32, 4. 35, 2. 35, 6. Br. 4, 4. 12, 6. Gp. 1, 4, 10. 6, 8. Sg. 3, 6.
5, 6. 12, 8. 27, 2. 34, 4. 36, 6. Gf. 2, 17, 6. 20, 8. 21, 4. 23, 8. 28, 8. 36, 4.
37, 2. 39, 2. Gp. 3, 2, 6. 7, 2. 7, 4. Od. 6, 6. 14, 8. 16, 8. Ghv. 5, 4. 7, 4. 7, 6.
8.8. 10,8. 17,4. 17,8. — Typus D: Vsp. 7,8. Hym. 12,8. 31,8. Drk. 6,6.
Vkv. 10, 4. Grt. 4, 4. 23, 2. HH. 1, 31, 8. 41, 8. 43, 4. Eg. 15, 4. Gp. 1, 8, 8.
15.4. Gf). 3,11,4. — Typus E: Vkv. 2,6. Grt. 21,4. HH. 1,36,4. HH.
2,34,8. 48,6. Fäf. 44,4. Gp. 1,23,8. - Typus F: Gp. 1,7,4.
ß) Verhum + nomen: Erste halbzeile: Typus A: Unterform A^:
134 WEN'CK
Vsp.24, 1. AI. 40,7. 47,5. 4S, 5. Hym. 1,5. 22,5. 25,5. l)rk. 9,7. R}\ 19,3.
2K,7. 'M,3. 40,;}. Bdr.8, 1 (= 10, 1. 12, 1). Vkv. .5, 5. 16,5. 22,5. 26,5. 31,5.
34,1. Grt. 5,5. HH. 2,20,5. 30, .5. HHv. 35,1. 36,1. Grp. 53,1. Br. 12,5.
15,1. Gp. 1,13,1. Sg. 48,1. Gp. 2,7,1. 10,1. 14,1. Ghv. 13,1. — Unter-
form A': Vsp. 8,1. 41,1. 57,3. 59,5. Hym. 3, 3. 7,5. 7,7. 17,5. 22,1. 24,3.
27,7. 36,1. I)rk. 23,1. 27,1. Rp. 23,9. 39,1. Hdl. 15,1. Vkv. 14,5. 21,1
(=23,5). Grt. 3,3. 5,7. 14,1. 21,5. 23,1. 23,5. 23,7. HH. 2,6,5. 14,1.
28,5. HHv. 1,1. Gp. 1,7,5. 13,5. 20,1. Sg. 1,5. 25,5. 40,1. 43,1. G)i.
2,13,1. 16,5. 24,5. 28,1. Gp. 3,6,1. Od. 3,5. 14,5. 23,1. Ghv. 16,1. —
Unterform A^: Vsp. 7,1. 17,5. 29,1. 31,5. 32,1. 40,5. 52,3. 50,5. 57,5.
60, 1. 66, 5. Hym. 1, 7. 2, 5. 13, 1. 16, 1. 19, 1. 27, 3. 29, 7. 31, 3. 35, 5. 36, 3.
prk. 3, 1. 10, 3. 12, 1. 13, 5. 25, 5. 27, 7. 30, 5. 32, 1. Ep. 39, 3. Hdl. 6, 3.
10.5. 15,3. 20,7 (=25,1). 47,1. 49,3. Bdr. 2,7. 6,3. Vkv. 2, 9. 7,1. 11,5.
13,1. Grt. 8,5. 10,1. 11,5. 12,1. 13,5. 14,3. 20,5. HH. 1,3,1. 6,1. 7,3.
9,7. 12,1. 14,1. 19,1. 21,1. 23,5. 29,3. 48,1. 48,7. 50,1. 50,5. 52,1. 54,1.
HH. 2,6,3. 12,5. 16,5. 28,1. 36,7. HHv. 3,1. 7,5. 9,5. 34,1. Grp. 5,1.
13, 7. 15, 1. 29, 7. 31, 7. Rg. 11, 1. Fäf. 33, 5. 41, 1. 43, 1. Br. 14, 1. 16, 1.
17,1. Gp. 1,1,5. 2,1. 3,1. 12,7. Sg. 1,7. 10,1. 18,1. 21,3. 22,1. 22,5.
26.3. 28,5. 38,1. 40,3. 42,5. 47,1. 66,5. 67,1. 68,1. Gl).2,7,5. 11,5. 31,1.
Od. 1, 1. 2, 5. 16, 5. 19, 7. 25, 1. 30, 1. 31, 1. Ghv. 3, 1. 7, 7. 20, 3. — Unter-
form A'^: Ss:. 50,1. G]>. 3.5,3. — Typus B: Unterform B': Vsp. 50,8.
Hdl. 2,1. Sg. 61,7. Gp. 2,3,3. — Uuterform B'^: HH. 2,10,7. 27,7. —
Unterform B': Eg. 11,3. — Typus C: Unterform C: Vsp. 27,1. 30,1.
38, 5. 47, 1. Hym. 20, 1. prk. 26, 1 (= 28, 1 = Hdl. 2, 5. 3, 7. 41, 3). 46, 5
(= 47, 5). 50, 7. Bdr. 4, 5. Vkv. 10, 1. 25, 3. 25, 7. 35, 7. 36, 3. 39, 5. HH.
1, 13, 1. 32, 1. 40, 3 (= HH. 2, 24, 3). 52, 7. HH. 2, 1, 1. 19, 3. 51, 5. HHv.
11.7. 40,5. Grp. 20,5. 32,3. 45,3. Br. 3,5. Gp. 1,10,5. Sg. 46,1. 50,7.
— Unterform C-: Hym. 2,1. Gp. 1,1,3. 13,3. Gj?. 2,11,9. Od. 22,7. Ghv.
12,5. — Typus 0: Unterform D': Hym. 27,1. Rp. 28.1. Hdl. 49,5. Od.
30,5. — Unterform D-: Vsp. 51,5. Hym. 29,3. prk. 31,1. Vkv. 39,3. HH.
2,19,7. 45,5. Grp. 10,5. Gp. 1,27,3. Gp. 2,5,1. — Unterform D*: Vkv.
18.1. — Typus E: Unterform E«: Tip. 21,3. — Typus F: Unterform F»:
Rp. 16, 3. 23, 7. 27, 3. 29, 1. Grp. 12, 5 (= 18, 5). - Unterform F^': G)'. 3, 9, 1.
Zweite halbzeile: Typus A: Vsp. 22,4. Hym. 10,6. 18,6. 27,2.
prk. 27,2. np. 5,4. 7,2 (=21,2). 12,10. 12,12. 14,8. 16,4. 19,4. 21,6.
23.4. 23,6. 27,4. 28,6. 28,8. 37,12. 40,4. 41,6. 42,6. 43,2. 46,4. Bdr.
14, 6. Vkv. 1, 6. 16, 6. 21, 2 (= 23, 6). 29, 2. 29, 4. 29, 6 (= 38, 2). 29, 8.
30, 6. Grt. 3, 4. 5, 6. 14, 2. HH. 1, 32, 6. 34, 4. 35, 8. HH. 2, 10, 2. 33, 4. HHv.
4,6. Grp. 20,8. 24,2. Rg. 15,6. Br. 15,0. Gp. 1,1,2. 21,10. 27,2. Sg. 1,2.
3, 4. 8, 8. 13, 10. 24, 8. 35, 4. 48, 4. 50, 2. 58, 10. Hei. 13, 4. Gp. 2, 16, 2.
21.8. 32,2. 42,4. Gp. 3,4,8. 8,2. Od. 12,2. 12,4. 18,8. 20,2. 32,6. Ghv.
1,6. 7,2. 15,2. 18,10. 20,8. — Typus B: lip. 31,8. — Typus C: Vsp.
19.2. 42,2. prk. 22,4. Vkv. 5,2 (=6,4). 20,2. 25,8. 36,4. Grt. 5,2. 13,6.
HH. 2,36,4. Gp. 2,9,8. 28,6. 33,6. Ghv. 2,2. - Typus 0: Hym. 10,2.
Hdl. 29, 8. Grt. 12, 4. Vkv. 24, 8. 35, 4. HH. 1, 27, 4. HH. 2, 34, 4. Gp. 2, 1, 8.
— Typus E: G)'. 1,22,4. — Typus F: Hym. 34,2. Hp. 4,8. 7,4. 10,0.
12, 14. 16, 2. 10, 10. 28, 2. 31, 4. 37, 6. Sg. 8, 6. 60, 8.
ALLITERATION IM EDD. FORNYKDISLAG. 135
2) Mit hilfsverbum:
a) Nomen + verbum: Erste halbzeile: Typus A: Unter-
form A': Hdl. 9,7. Eg". 16,5. Gp. 2,3,5. Gp. 3,4,5. - Typus B: Unter-
forra B»: Hym. 29,7. Hdl. 12,3. 19,7. 28,7. 32,3. 44,7. HH. 1,10,3. HH.
2, 3, 3. 45, 3. HHv. 11, 1. Grp. 3, 7. 8, 7. Fäf. 36, 7. Br. 1, 8. Sg. 60, 3. —
Typus C: Unterform C: HH. 1,55,5. HH. 2,46,3. Od. 2,3. 19,3. 24,1.
— Unterforra C^: Hym. 38,1. HH. 1,46,7 (= HH. 2,24,7). HHv. 43,5. —
Typus E: Unterform E^: HH. 1, 42, 3. — Zweite halbzeile: Typus A:
Vsp. 2, 4. 8, 2. 18, 2. 61, 6. Drk. 4, 2. Hdl. 24, 2. Vkv. 41, 10. Grt. 2, 2. 15, 4.
HH. 1, 28, 6. 29, 8. 31, 4. HH. 2, 16, 4. 42, 10. 47, 8. HHv. 2, 6. 39, 8 (= Sg.
35, 8). Grp. 17, 4. 34, 6. Faf. 36, 4. Br. 9, 8. 17, 8. Gp. 1, 2, 6 (= 5, 2. 11, 2).
Sg. 3, 8. 18, 12. 30, 6. 38, 8. 57, 4. 65, 8. Gp. 2, 22, 4. 42, 8. Gp. 3, 3, 8. Od.
10,8. 11,8. 20,4. 27,4. — Typus B: Grt. 18, 6 (= B^). HHv. 35,2.
Grp. 26,6. 41,4. - Typus C: Hym. 33,2. I)rk. 32,4 (= Gp. 1,3,8). Grt.
3, 6. HH. 1, 14, 2. 20, 4. HH. 2, 15, 4. HHv. 10, 4. 34, 2. 35, 6. Grp. 22, 6.
28, 2. 37, 6. 38, 4. Eg. 18, 4. Fäf. 40, 8. 43, 8. Br. 2, 6. 18, 2. Gp. 1, 12, 4.
19. 6. Sg. 1, 4. Hei. 12, 4. Gp. 2, 24, 2. 44, 2. Od. 21, 8. Ghv. 13, 8. 21, 6. —
Typus E: HH. 2,28,8. — Typus F: Ykv. 5,10.
ß) Verbum + nomen: Erste halbzeile: Typus A: Unter-
form A^: Vsp. 1,5. Hym. 8,3. Hdl. 30,7 (= Grt. 9, 3). HH. 1,36,11. Gp.
1,9,5. Ghv. 15,7. — Unterform A": Hym. 16, 5. 26,1. prk. 15, 7. Hdl. 27, 7.
Bdr. 13, 1. 13, 5. Grt. 20, 7. 23, 3. HH. 1, 18, 5. HHv. 2, 1. 10, 1. 36, 7. 42, 5.
Grp. 23,1. 26,1. 36,5. 49,1. Gp. 1,18,5. Sg. 39,5. 52,1. 56,5. 59,3. Hei.
14,1. Gp. 2,15,1. 22,1. 29,1. 31,9. Od. 17,3. 30,7. Ghv. 5,5. 12,3. 13,3.
— Typus B: Unterform B': Hdl. 17,1. 19,3. Fäf. 33,7. — Unterform B^:
Hym. 39,3. HH. 2, 33, 7. — Unterform B^: HH. 2, 48, 9. — Typus C:
Unterform C: Ysp. 45,3. 62,1. prk. 7,7. 8,1, 10,1. 11,1. Hdl. 29,1. Bdr.
8, 3 (= 10, 3. 12, 3). Grt. 14, 5. 24, 5. HH. 1, 23, 7. 25, 3. 34, 5. 38, 5. 45, 1.
45, 5. HH. 2, 16, 1. 24, 9. 40, 7. 41, 7. HHv. 5, 1. Grp. 33, 3. 35, 3. 44, 5
(= 47, 1). Eg. 16, 7. Fäf. 44, 5. Br. 5, 7. Gp. 1, 6, 3. Sg. 19, 3. 58, 1. 63, 5.
64.7. Od. 5,3. — Typus Fc^ : Fäf. 40, 3. — Zweite halbzeile: Typus A:
Hym. 26, 4. 32, 6. iJrk. 3, 8. 4, 4. Bdr. 14, 2. Grt. 11, 2. HH. 2, 31, 4. G]?.
1,2,8. Sg. 71,2. Gp. 2,9,4. 17,12. Ghv. 3,4. — Typus C: Hdl. 31,2
(=34,2. 36,2. 39,2). Grt. 24,4. Br. 16, 2. Sg.33,2. Gp. 2, 33,4. — Typus D:
Grp. 45, 2.
Somit ergibt sich folgende tabelle:
A
B
C
0
E
F
1) «) I
96
=
40
25
18
5
6
2
II
303
=
173
16
92
14
1
ß) 1
273
=
201
7
43
14
7
II
115
=
78
1
15
8
12
2) a) I
29
=
4
15
9
—
—
11
73
=
39
4
28
—
1
ß) I
82
=
39
6
36
—
—
1
II
21
=
12
—
8
1
—
—
136 WENCK
1)) Die Zahlenverhältnisse dieser tabelle sind so charakte-
ristisch, dass ein zweifei nirgends aufkommen kann.
AVas zunächst die Stellung des verbum finitum angeht,
so macht sich ein fundamentaler unterschied zwischen i und ii
geltend. A\ährend nachstellung des verbums 72,4 o/o aller
II aufweisen, überwiegt andrerseits in i die Voranstellung
mit 73,9 "^/o. Ganz genau so verhält es sich mit dem hilfsverb:
II a 73 (== 77,7 o/o) : i /:/ 82 (= 73,8 ^o)- Wenn somit die in i
typische voranst eilung in ii in einem ebenso geringen procent-
satz vertreten ist wie umgekehrt die für ii specifisehe nach-
stellung in i, so ergibt sich daraus nicht nur die neigung des
strophischen stils, i steigend, ii fallend zu bilden (vgl. § 56),
sondern auch wegen der rhythmischen eindeutigkeit der zweiten
halbzeile die bereits constatierte mindertonigkeit des verbums.
Diese wird ferner durch die behandlung der alliteration ge-
fordert. Zu einer richtigen beurteilung müssen jedoch erst
die verse aus dem aufgeführten material ausgeschieden werden,
in denen das verb in Senkung steht.
In dieser beziebinig verhalten sich die beiden Stellungen ganz ent-
gegengesetzt. Das nachgestellte verb steht nämlich dnrchgehends in hebung.
>'nr Grp. 2, 8 ncma pü mey ser macht davon eine ausnähme. Zur be-
seitigung des alliterationsfelilers ist aber die contrahierte verbalfonn aufzu-
lösen, wodurch das verb. fin. in die zweite hebung eines regelmässigen C-
verses rückt. Pagegen steht das verb vor dem nomen widerholentlich in
Senkung. So überlässt es in 4 A''-versen (Ildl. 15, 3. H1I.2, 12, 5. IG, 5. Od.
19, 7) aus rhythmischen gründen einer vorausgehenden partikel bez. conj. die
erste hebung. In 2 i-B-versen (Vsp. 50, 3. Hdl. 2, 1) wird es durch das
beide hebungen einnehmende nomen in die eiugangssenkung gedrängt. Im
typus C scheint die proklitische Stellung überliuujit die normale zu sein
(38 von zus. 43 i C). Dagegen trägt es in den i-C^-versen (abgesehen von
Hym. 2, 1 sat herghüi, wo das zweite glied des compositums mitalliteriert)
die erste hebung, zwingt also das höher betonte nomen in enklise zu sich
(vgl. das s. 98 zu C- bemerkte). AVegen des Widerspruchs der versbetonuug
gegen die Satzbetonung könnte man versucht sein, in den genannten verseu
mit Vernachlässigung des gleichen anlauts des verbums eine gleiche rhyth-
misierung wie in den oben citierten A''-bolegen eintreten zu his.'jen. Ganz
abgesehen davon, das dann die iD- als C genommen werden müssten und
die Ignorierung eines zweiten alliterationsstabes, soweit sie nicht durch
eine vorhergehende Untersuchung als notwendig erwiesen ist, auf schwere
principielle bedenken stösst (die grundlage der discussion würde ja hin-
fällig sein, zum mindesten stark erschüttert werden), verbietet sich die
annähme eines A' in den aufgeführten beispielen durch die ,9iiD- und 9
der (9 II C- verse, in denen das verb. fin. den h^fuöstaf trägt. Dass die
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 137
alliteration für die Zuordnung- zu den einzelnen typen bestimmend ist, gclit
ferner aus den restierenden 6 /?iiC hervor, in denen das proklitische verb
ebensowenig gleichen anlaut mit dem nomen aufweist, wie in den 9 ßiiD-
versen das nomen mit dem verbum (vgl. das abweichende verhalten des
hilfsverbs unter c). Sonach Avürde das vollverb proklitisch sein, aber auch
vor dem nomen selbst bei eukli.se desselben alliterieren können: ein wider-
sprach, der schwerlich im satzacceut seine begründung hat. Vergleicht
man die ßiiy- mit den /?iC'-versen, so kann kein zweifei darüber be-
stehen, dass die gleiche sprachliche füllung eine gleiche rhythmisierung
verlaugt. Bei der rhythmischen verwautschaft der typen C und D (vgl.
§53) liegt die annähme einer übergangsform C — D auf der haud. Diese
allein vermag den Widerspruch zu lösen und die scheinbaren gegensätze
ZM'anglos zu vereinigen. Damit eröffnet sich zugleich eine perspective auf
das natürliche tongewicht des vollverbs. Da die zweite helmng der C-,
bez. die nebeuhebung der D-verse von einer sprachlich nebentonigen silbe
eingenommen wird, andrerseits das verb im vorzug vor dieser alliteriert,
so kann man die nachdrucksstärke des vollverbs ohne weiteres der eines
sprachlichen nebentous gleichsetzen. Selbst wenn es sich um composita
handelt, ist die vorgeschlagene rhythmisierung angängig, weil das zweite
gewöhnlich durch einen schwächeren hauptton ausgezeichnete glied des
compositums ohne fehler gegen den satzacceut bis zur stärke eines blossen
nebentous gedrückt werden kann (vgl. die analoge behandlung der gleich-
betonteu uominalformeln in den versen mit drei nomiua, § 18). Der isolierte
C'^-vers (Hym. 2, 1), in dem der zweite bestandteil des compositums mit-
alliteriert, kann auch nicht die annähme proklitischer Verwendbarkeit des
vollverbs wahrscheinlich machen (vgl. Ef». 28, 1 so/ hüsyumi), da die sprach-
liche betonuug dieselbe bleibt. In den genannten 2 /?iB, wo das nomen
ein compositum ist, kann somit auch die übergangsrhythmisierung Di — B
eintreten. Fehlerhaft ist die enklise des nomens in den C- versen. Sie
wird, wie erwähnt, in den iC- versen durch N- gemildert. Die genannten
verse entfallen übrigens vorwiegend (in i sämmtlich) auf lieder jüngerer
technik und sind teilweise (C2) durch die metrische qualität des sprach-
materials bedingt. Da ein typus C^ rhythmisch unmöglich (vgl. § 52), so
müssen die verba fin. in den citierten A^-versen der an sich tonschwächeren
conj. bez. part. die erste hebung überlassen.
Nach al3zug der discutierten verse bleiben /3 i N^ ^= 47
(20,8 o/o) : W- = 65 (28,3 »/o) : N3 = 114 (50,4 o/o). Bei einem
vergleich mit « i N' = 73 (76,0 o o) : N2 = 22 (22,7 %) :
N3 = 1 ergibt sich, wie das verschwinden von N^ in der Stel-
lung a lehrt, dass nachstehendes vollverb, wenn es auch
stets eine hebung beansprucht, doch nur mit alliterieren kann.
Der isolierte «A^-vers Sg. 44, 7 vita ef meini ist daher sehr aiiffällig.
Offenbar handelt es sich um ein übergreifen des § 21 erörterten gesetzes,
dass das abhängige verb. fin. ein grösseres nachdrucksgewicht besitzt als
das regierende und deshalb nachstehend allein alliterieren kann. Auch
138 WENCK
hier liogt der sinnesaccent auf dem verb. fin., uicht auf dem verbalnomen
(vgl. Sievers § 23, 2).
N2 findet sich in beiden Stellungen in ung;efähr gleichem
procentsatz. Das geringe überwiegen in Stellung ß erklärt
sich daraus, dass sich in den typen, in denen die alleinige
alliteration der zweiten hebung gemieden wird, doppelallitera-
tion nötig macht. Bei der Stellung a ist ein rhythmischer
einfluss auf die alliterationssetzung nur im typus D denkbar
(vgl. § 53). In den anderen versen ist X- sicher auch beabsich-
tigt, und trägt hier zur erhöhung der dichterischen Wirkung
bei. Der procentsatz der N'-- fälle ist nicht so bedeutend, dass
für die A-verse ebener rhythmus eingeräumt werden müsste.
Vielmehr dürfen die A- im allgemeinen (denn ausnahmen sind
ohne weiteres anzuerkennen: vgl. Sievers, Metr. stud. 1, § 48, 2),
je nachdem das nomen vorangeht oder nachfolgt, rhythmisch
dem A'- oder A^-typus gleichgesetzt werden. Daran ist wegen
des starken hervortretens von ^iN^, worunter sich sogar ein
B' (vgl. § 51) befindet, gar nicht zu zweifeln. Aus diesem
gründe ist es auch höchst befremdlich, dass in 47 ßi (d.h. 12,7 Vo
aller i-verse) und 109 ß ii (26,4 ''/o aller ir-belege) das vollverb
allein alliteriert. Da der Beowulf nach Eieger nur 3 zweifel-
hafte I- und 10 sichere ir-verse der art aufweist, sind die
i?N '-fälle für die beurteilung der eddischen verskunst von aus-
schlaggebender bedeutung.
Nicht alle diese beisinele sind fehlerhaft zu nennen. Bei Überein-
stimmung zweier zusammengehöriger halbzeilen im fehler liegt
sicher absieht vor, da in solchen versen der für die Edda typische paralle-
lismus membrorum zum Vorschein kommt (vgl. Sievers § 30,2 c): z. b. H^-m.
27, 1 gckk Hlorn'Jji, greip at stafni, Vkv. IG, 5 stci/j ä golß, stilii r^ddu,
Bp. 16, 3 hreidcli fapin, bjt) iil väpar, 19, 3 reis frei borpi, vep at sofna,
27, 3 sp7« hjön, s()usk i augu, 28, 1 sat Jiüsgumi, ok sneri strong, 28, 7 s,irauk
um ripti, sterti ermar, Grt. 5,5 s/f/ d anpi, soft ä (h'ini, -ferner V?p. 42, 2.
I3rk. 22,4. 27,2. Vkv. 20,2. 21,2. 28, G. Rp. 5,4. Grt. 18, G- U, 2. Gp.
1, 27, 2. Gf». 8, 8, 2 etc. — Ebenso unleugbar ist die absieht der alliterations-
setzung auf dem vollverb bei chiastischer Wortstellung. Besonders
ausgeprägt ist diese stilistisch -rhetorische erscheinung in derKj'. : 23,7
hjoggu hjön, hciiiga deihht, 46,4 kolfi ilcygpi, \iyrpi iogia, ferner Ep. 12, 4,
besonders 12, 9— 14. Sonst begegnet sie nur in vereinzelteu halbzeilen:
Hj'ra. 1, 5 hristu teina ok ä hlaut sgu, 22, 5 gern vip agni süs gop fia, Br.
12,5 sofnupH (tllir es i sccing kvömu, Ysp. 24,1. G|'. 2, 1,8 etc. Der rhe-
torik dieser verse steht das moderne fühlen allerdings ziemlich kühl gegen-
über. Doch empfinden wir noch deutlich die alliteration des voranstehcudcu
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 139
imperativs in Bdr. 8, 1 etc. pegjattu vglva, Hei. 14, 8 (§ 20, anm. 6) etc. als
poetische feinheit imd verstehen auch die klansrmalerei in R|>. 7, 1 y>p öl
Edda, josH vatni, desgl. 21, 1. — Ferner liegt ebenfalls unserem empfinden
entsprechend öfters (die fälle sind z. t. in den eben genannten enthalten)
bei lebhafter Schilderung (Sievers § 24, 3) der hauptnachdruck auf
dem verb. fin., so dass die alleinige alliteration desselben als berechtigt
angesehen werden muss.
In dem immer noch bedeutenden rest der beispiele ist jedoch ebenso
sicher die reimbequemlichkeit im spiele, in den zahlreicheren ii-belegen
der alliterationszwang. Sehr deutlich ist wider der eiufluss der
nomin a propria. In dieser bezichung besteht zwischen Edda imd Beo-
wulf nur ein gradunterschied, da die erwähnten 10 ii des Beow. sämmt-
lich einen eigennamen enthalten. In der Edda enthalten 7 i (Vsp. 24, 1.
prk. 9, 7. Gp. 2, 10, 1. 14, 1. Hym. 27, 1. Hdl. 49, 5) und 4 ii (Vkv. 24, 8.
35, 4. G}'. 2, 1, 8. HH. 2, 10, 2) selbst ein npr. Ein npr. enthält die zu-
gehörige halbzeile von 7 i (Ysp 43, 1. 46,7. HH. 2, 26, 5. 30.5. HHv. 36, 1.
G]?. 1, 13, 1. G\>. 2, 7, 1), von 28 ii (Bdr. 14, 6. Vkv. 29, 4. 29, 6 (= 38, 2).
29, 8. HHv. 4, 6. Grp. 20, 8. Gp. 1, 1, 2. 21, 10. Sg. 1, 2. 8, 8. 13, 10. 24, 8.
Hei. 13, 4. Gp. 2, 16, 2. 32, 2. Gp. 3, 8, 2. Od. 12, 4. 20, 2. 32, 6. Ghv. 7, 2.
15, 2. 18, 10. G\>. 1, 22, 4. Hym. 34, 2. Ep. 16, 10. Sg. 8, 6. 60, 8).
Eine weitere kategorie von versen, in denen die ausnähme verständ-
lich ist, bilden diejenigen, in denen sich X ^ aus r h y t h m i s c h e n g r ü u d e n
verbot. Der fehler besteht hier in dem mangel von N'': z. b. Sg. 61, 7 epa
ietti [Jion] hug, Gf». 2, 3, 3 etc. Dass es sich überall da, wo eiuwirkungen des
rhetorischen bez. sinnesaccents nicht wahrscheinlich gemacht werden können,
um eine Vergewaltigung des satzacceuts handelt, beweisen die beiden ii
A^-verse: Sg. 3, 4. 35,4 (vgl. §50,5), sowie eine auzahl notorisch schlechter
verse: Ykv. 5, 5 \iikpi alla lindbauga vel verstösst gegen das Hildebrandsche
gesetz, desgl. 34,1. Sg. 48,1. Od. 30,5. Ghv. 13,1. Es verdient ferner
hervorgehoben zu werden, dass die alleinige alliteration des vorangehenden
verbums dem crescendo-decrescendo des altgerm. satzes (vgl. Sievers § 166.
Eies, QF.41, 33f.) zuwider ist. Betreffs i Ysp. 48, 5. HHv. 35, 1. Br. 15, 1;
II Ysp. 42, 2. Ep. 23, 4. 46, 4, in denen der alliterationsfehler durch parallele
bez. gekreitzte alliteration abgeschwächt ist (vgl. § 57 f.).
c) Das abweichende verhalten des hilfsverbs ist durch
dessen geringere tonstärke bedingt. Diese ergibt sich deutlicli
aus der tatsache, dass alle erscheinungen, die oben auf ge-
ringeren nachdruck des vollverbs hindeuteten, hier in ver-
stärktem grade auftreten.
Hinsichtlich der Stellung in den beiden halbzeilen geht wie erwähnt
das hilfsverb mit dem voUverb zusammen. Ebenso ist ihnen beiden die
Stellung in hebung bei vorausgehendem nomen eigen. Bei nachfolgendem
nomen erhält in 9 lA (A'^: Hdl. 30, 7 [= Grt. 9, 3]. Ghv. 15,7; A»: Hdl.
27, 7. HH. 1, 18, 5. HHv. 36, 7. Grp. 36, 5. Sg. 51, 1. Gp. 1, 18, 5), ebenso in 8
140 WENCK
iiA'-vcrsen (pik. 4, 4. Bdr. 14, 2. Oliv. 3, 4)*) eine partikel oder coiij. an
enster versstelle die erste lieimng'. iMit solchen tonlosen Wörtern zusammen
tritt das bilfsverb ganz regelmässig') in eingangs.senknng, wenn beide
hebungen im nomen liegen. — Auch ohne die partikel, selbst bei gleichem
anlaut (prk. 7, 7. 8,1) ist das bilfsverb in den iC-(B-F-)versen [iruklitisch,
wie zunächst der völlige niaiigel von iD'-versen lehrt und ferner Br. IG, 2
ernp eiprofa unbedingt fordert. Damit ist zugleich die tonlosigkeit des
bilfsverbs erwiesen. — Die iiC'-verse, in denen das nomen in enklise zum
alliterierenden bilfsverb getreten ist (allerdings weniger in den C2-bei-
spielen: Hdl. 31,2 etc. oJc nrumtm jleira, Grt. 24,4 sem mit)nim ha-tla, als
in den Cl -fällen: Gp. 2, 33, 4 ef[Jm] \ill ßigja'^): hierher ist auch Grt. 18, 6
fs. unten] zu stellen), sowie der isolierte iiD'-vers Grp. 45, 2 m('(it[u]pcgja
/)o (die rhythmisienuig ist jedoch zweifelhaft) enthalten grobe Verstösse
gegen den satzaccent, die sinkender tccbnik zur last gelegt werden müssen.
Nach abzug der verse, in denen das bilfsverb in Senkung steht'),
bleiben zur erörterung der alliteration ßi Is> 0 : N- G (= 18,1 <*/o) : N^ 27
(=81,8%) : /?ii IG N'. Vergleicht man mit diesen zahlen «l N* = 25
(= 86,2%) : Js"'* = 4 (= 13,7%) : N^ = 0 : «ii: 72 N' : 1 N^, so ergibt
sich, dass in der Stellung a X^ wie beim vollverb angeschlossen ist (der
isolierte N^'-vers dieser Stellung, der sich in ii vorfindet und obendrein dem
typus B [vgl. § 51] angehört: Grt. 18, G ef\Jjt(] hlypa \iU, darf durch Um-
stellung gebessert werden); ebenso in Stellung ß in i N'. Dieser maikante
gegeusatz zu den versen mit vollverb erhärtet von neuem die tonlosigkeit
des bilfsverbs.
Somit hat als normale alliterationsstellung in Stellung « >.', in Stel-
lung p' N^ (darunter ein B-": HH. 2, 48, 9) zu gelten. Doppelalliteratiuii ist
daher sicher nur in den zwei ,?B- (Hym.39, 3. HH. 2, 33, 7) beabsichtigt
und durch die abneigung des typus B gegen N' veranlasst (vgl. § 51). Die
16 N^ von cu Verstössen gegen den satzaccent; beachtenswert ist, dass
solche fälle sich auch in älteren liedern vorfinden und somit das oben ab-
gegebene urteil über deren techuik bestätigen helfen. Nur Hym.2G, 4 cjxi
heim hvaJi \ haf iil hujar kann als normal bezeichnet werden, da das
Ilildebrandsche gesetz die alliteration des absolut gebrauchten bilfsverbs
fordert. — Bei zwei versen (HH. 2, 31, 4. Gp. 2, 33, 4) weisen die zu-
*) Ghv. 3,4 sem ra.s Uoffui kann durch Umstellung zu einem metrisch
regelrechten B'-vers gemacht werden. In den beiden anderen versen ist
eine besserung wenig wahrscheinlich (vgl. § 50).
*) Der gleiche fall, der beim vollverb nur in HH. 1,46,3 (= HH.
2, 24, 3) /)o (h<(fiy aiJdniyum begegnet, ist ein grober Verstoss, der durch
Streichung der conj. beseitigt werden muss.
*) Wird von Sijmons als unecht eingeklammert. Zu Hdl. 31, 2 etc.
Grt. 24,4 vgl. Sg. 71, 2 miimlak fleira und G)\l,2, 8 mimdi [hon] sjirinya.
') Es sind dies bedeutend mehr als beim vollverb: bilfsverb in i 49
(= 59,7 o/o) : in II 5 (= 23,8 «/o), dagegen beim vollberb in i 44 (= 16,3 "/o) :
in II 6 (= 5,2 o/o).
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 141
gehörigen halbzeilen ein npr. auf. In prk. 3, 8 mcettak hitta wird der fehler
durch die parallele alliteration (vgl. § 57 f.) gemildert.
Der hier hervortrende Widerspruch mit dem satzaccent hat begreif-
licherweise zu conjecturen herausgefordert (so liest Bugge Qp. 2, 17, 12
Yifi gjalda, Sijmons Grt. 2-1, 4 sem m^mr ofhvatti). Da diese beispiele nicht
isoliert stehen und beinahe ein specificum eddischer technih genannt werden
können, darf die berechtigung zii einer correctur der handschriftlichen lesart
nur dann eingeräumt werden, wenn der sinn unbedingt eine solche erheischt.
Verbimi finitum und nomen begegnen noch in zalilreichen
anderen versen, die aber ausser nomen und verbum noch
weiteres Sprachmaterial enthalten und demnach erst unten
abgehandelt werden können. Soweit in ihnen verbum und
nomen träger der hebungen sind, gilt auch für sie das eben
gesagte.
B. Verbum finitum und zwei nomina. i)
§ 20. Stehen zwei nomina und ein verb. fin. in einer
halbzeile, so muss das verbum als schwächer betontes wort in
Senkung treten; doch kann es auch in hebung stehen, sobald
die nomina eine formel in dem oben s. 122 festgestellten sinne
bilden.'^) Von grösster Wichtigkeit ist daher die Stellung des
verbs, insofern bei dessen mittelstellung trotz enger gramma-
tischer bindung der nomina eine enklise des zweiten nomens
unmöglich ist.
1) Material 3):
a) Vollverba: a) Verbum + nomen + nomen: Erste halb-
zeile: Typus A: AI; Gp. 3,11,1. — A^: Ysp. 48, 3. Hym. 28, 5. Hdl.41,5.
Eg. 14,7. — Typus B: BM Vsp. 56,3. 62,5. Hym. 3,5. 15,5. prk. 1,7.
24, 9. Ep. 24, 3. Hdl. 45, 1. Ykv. 22, 1. HH. 1, 8, 1. 13, 7. 54, 7. HH. 2, 17, 1.
Gp. 1,14,3. Hei. 8,5. Od. 7,3. — B^: Rp. 48,1. HH. 1,13,5. 17,3. 27,1.
27,3. 47,7. 54,3. Eg. 11, 5.^) — Typus C: C: Ysp. 46, 1. 55,5. 56,9. Drk.
26. 5. 28, 5. Hdl. 35, 1 (= 43, 1). 40, 1. Grp. 8, 1. lü, 1. Gp. 1, 20, 5. Sg. 12, 1.
Od. 3, 1. 29, 5. — C2: Ysp. 28, 11. 29, 3. 39, 9. 50, 7. 52, 7. 57, 7. Hym. 30, 5.
Hdl. 1, 1. Ykv. 29, 9. HH. 1, 4, 5. HH. 2, 50, 9. HHv. 10, 5. 31, 1. Eg. 17, 5.
Gp. 1,25,3. Hei. 11,1. G)?.2,26,3. — Typus D: D^: Ykv. 20,5. — D-:
Ysp. 41, 3. 47,3. prk.21, 7. Grt. 16, 7. HH. 1, 1, 3. 51,1. — Typus E'^: Br.
16,3. — Typus Fe': Ef. 46,1. — Zweite halbzeile: Typus A: prk.
21.6. HH.2,40,4. HHv. 9, 8. Grp. 17, 8. — Typus B: Ep. 47, 2. Ykv. 22, 2.
>) Eieger s. 25. Sievers § 24, 2.
'^') Betreffs der formel subst. + adj. vgl. § 18, 4, g (s. 127).
") Ysp. 29, 3 lese ich mit EttmüUer fekk s^j^ill s^aklig, Eg. 11, 5 mit
Sijmons fä meyjti mann.
142 WENCK
(i^ 1, 13,G. — Typus C: Vkv. 23,4. IUI. 1,5,G. Br. ir,,4. G)'. 1,20,4.
Sg.4,2. 4,10. CtJ?.2,5,6. — Typus D: Sg. 13, 4. 23,4. Ilel. 14,8. Od. 16, 2.
— Typus E: Ysp. 57, 2. Grp. 83. 8. — ß) Nomen +Terbum +nomen:
Erste halbzeile: Typus A: A': Vsp. 1,1. 2,5. 19,1. 35,1. 38,1. G4, 1.
Hym. 8,1. prk. 1,5. 6,1. 23,5. 31,5. Rp. 22,3. 34,1. 35,3. 37,5. 37,11.
38. 3. 44, 1. Hdl. 18, 1. 41, 1. 49, 1. Grt. 5, 1. 19, 1. HH. 1, 12, 5. HH. 2, 18, 7.
HHv. 8, 1. 40, 1. Grp. 45, 7. Fäf. 40, 5. 43, 5. Br. 12, 7. 13, 1. Sg. 27, 7. 29, 1.
Gp. 2,4,1. Ghv. 10,1. 18,1. — A': Vsp. 18,5. 18,7. 28,7. 30,5. 41,5.
44,5. 50,5. 57,1. Hym. 3,1. 17,1. 32,1. prk. 24,5. Rp. 7,1. 21,1. 37,9.
Hdl. 3,5, 15,5. 42,1. Bdr. 9,1. 11,1. Grt. 16,5. HH. 1,5,5. HH. 2,17,3.
34, 5. Gp. 1, 12, 3. Sg. 9, 1. 57, 1. Gp. 2, 18, 1. — A": Hdl. 30, 3. HH. 1, 24, 3.
29.1. HH. 2,6,1. 45,1. — A*: Sg. 13,1. — Typus E: E': llyni. 31,1.
Hdl. 40,5. HH. 1,2,1. — E^: Br. 5,1. — Typus F: F' : Ep. 41,9. —
Zweite Laibzeile: Typus A: Vsp. 18,6. 32,4. prk. 1,6. 23,6. Rp.
21.4. 34,4. 36,6. 37,10. Vkv. 4,4. Grp. 11,8. Br. 13,2. Gp. 2,5,4. Ghv.
10.2. 18,2. — }') Nomeu + uoHieu + verbum: Erste halbzeile:
Typus A: A'^: Sg. 71,7. — Typus E: E': Vsp. 26,1. Od. 12,5. — E^:
Hym. 32,5. — Zweite halbzeile: Typus A: Vkv. 1,8. Grt. 7,6. Br.
10,2. Sg. 68,6. Gp. 2,35,6. 35,10. - Typus D: (irp. 16,2. — Typus E:
Bdr. 4, 8. Grt. 24, 2. Od. 11, 4.
b) Hilfsverba: u) Erste halbzeile: Typus A: A-: Grp. 42,5.
Ghv. 10, 3. — A': Vsp. 23, 7. Gp. 1, 18, 7. Sg. 51, 5. Gp. 2, 2, 3. — Ty p us B :
B»: Grp. 30,5 (Fimiur Jonsson). 42,1. Fäf. 33, 3. Hei. 6, 5. — B-: Vsp. 3, 3.
HH. 2,35,5. Grp. 52,5. Od. 8,1. Ghv. 20,5. — Typus C: C': Vsp. 56, 7.
Rp. 4,9. Vkv. 40, 1. Hdl. 30, 1. 33, 1. Grt. 19,5. HH. 1,42,1. HHv. 31, 7.
Grp. 2, 1. 11, 1. 48, 3. 50, 1. 50, 5. Fäf. 44, 1. Gp. 1, 4, 5. — C^ : Vsp. 24, 7.
Hym. 11, 1. 37, 5. Rp. 15, 3. 26, 5. Bdr. 5, 5. Grp. 25, 5. Sg. 10, 7. 12, 8. 54, 3.
— Zweite halbzeile: Typus A: A=*: Vkv. 21, 7. — Typus B: Grt. 22, 2.
Sg. 47,6. — Typus C: Vsp. 62,4. Grt. 4,6. HH. 1,39,4. HH. 2,30.10.
Grp. 9,8. 53,2. Gp. 2,19,8. 19,12. — j9) Erste halbzeile: Typus A:
A': Vsp. 44,3 (=49,8. 54,8. 58,3). Hym. 31,5. Rp. 4, 7. 16,5. 16,7. 32,7.
41, 1. Hdl. 4, 1. 7, 1. 9, 5. Vkv. 15, 8. Grt. 24, 3. HH. 1, 41, 1. HH. 2, 2, 1.
30,1. 84,1. HHv. 4,1. 39,5. Grp. 2,5. 19,5. 27,1. 36,1. 39,1. Fäf. 42,1.
Sg. 24,1. 34,1. 44,3. 61,1. Gp. 2, 26, 5. Gp.3,8,5. — A'^: Vsp. 8, 1 (= HH.
1,1,1). 24,5. 45,1. 45,5. prk. 7,5. Rp. 10,3. 34,7. Hdl. 6,1. 12,5. 14,5.
82, 1. Vkv. 21, 3 (= 23, 7). Grt. 9, 1. 17, 1. 18, 1. HH. 1, 5, 1. HHv. 9, 1. 9, 3.
Grp. 12,1. 14,5. 16,1. Rg. 13,5. 26,5. Br. 11,5. 19,5. Gp. 2, 1, 1. Od. 11, 1.
28.1. — A^: Vsp. 14,1. Vkv. 2,5. HH. 1,14,7. 55,1. 56,5. HH. 2,11,5.
21.5. 25,5. 44,7. Grp. 31,5. Sg. 6,5. 16,3. 21,1. Gp. 2,4,5. — Typus D':
Vsp. 8,7. Sg. 56, 1. — Typus E: E': Br. 8,5. — E-: Rp. 10,5. Typus F:
F': Rp. 34,5. — Zweite halbzeile: Typus A: Vsp. 45, 10. 46,6. 48,4.
51. 2. Rp. 2, 4. 2, 6 (= 14, 6). 14, 4. 15, 4. 15, 6. 16, 6. 26, 6. 29, 2. 82, 10.
41,10. Grt. 16,8. HH. 1,16,8. 25,6. 33,4. HHv. 9,2. 83,2. 40,2. Grp. 18,2.
31, 4. 40, 2. 42, 8. Rg. 18, 8. Br. 11, 8. 12, 2. 14, 6. Gp. 2, 4, 2. Gp. 8, 9, 6.
Ghv. 13,2. — A^: prk. 7,6. — A»: Bdr. 6,2. Vkv. 15,2. HH. 2,42,6. —
Typus F: Rp. 27,2. — y) Erste halbzeile: Typus D": Vsp. 32,5. —
Zweite halbzeile: Typus D: Grt. 17, 2. — Typus E: HHv. 33, 12.
ALLITERATION
IM
EDD.
FORNYRDISLAG.
^01]
ait
erg-
ibt sich folg
:ende tabelle:
A
B
C
D
E
F
a)
a)
69
5
24
31
7
1
1
20
4
3
7
4
2
—
ß)
76
14
71
14
—
—
—
4
1
r)
4
1
—
—
—
3
—
10
6
—
—
1
3
—
b)
a)
40
6
9
25
—
—
—
11
1
2
8
—
—
—
ß)
82
77
—
—
2
2
1
38
37
—
—
—
—
1
7)
1
—
—
—
1
—
—
2
—
—
—
1
1
—
143
2) Die drei mögiiclien Stellungen sind, wie aus den vor-
stehenden zahlen ersichtlich, nicht gleich häufig. Namentlich
zeigen die beiden lialbzeilen wegen ihrer rhythmischen Ver-
schiedenheit (vgl. § 56) ein abweichendes verhalten. In i über-
wiegen beim vollverbum wie hilfsverbum (bei ersterem aller-
dings nur um wenige procente: 4,7 "/^ gegen 33,9 o/o beim hilfs-
verbum) die verse mit Zwischenstellung {ß) des verb. fin. über
die mit voranstellung (a) (vollv. 46,3 Vo : Inlisv. 32,7 o/«). Die
Stellung 7 tritt in beiden halbzeilen fast ganz zurück (besonders
beim hilfsverb). In ii macht sich ein unterschied zwischen
vollv. und hilfsv. geltend, insofern bei ersterem die Stellung a
(45,4 o/o) über die Stellung ß (31,8 o/^) überwiegt — also un-
gefähr ebenso stark wie stellang ß über Stellung a in i — ,
dagegen beim hilfsv. wie in i Stellung ß (74,5 o/o, vgl. i ß 82
= 66,6 o/o) über Stellung a (ii 11 = 21,5 o/q) dominiert. Die
differenz ist nur unter der Voraussetzung verständlich, dass
ein zwischengestelltes vollv. durch den ihm zukommenden
nebenton zu stärkerer coordiuation der hebungen zwang als
es dem rhythmischen Charakter der zweiten halbzeile entsprach,
dass das hilfsv. dagegen keinen nachdruck besass und deshalb
auch die enklise des zweiten nomens nicht verhindern konnte,
soweit diese von der satz- bez. versbetonung gefordert war.
Daraus erklärt sich ferner das abnehmen der belege für «
und ß in ii (vollv. i 145 : ii 34, hilfsv. i 122 : ii 49). Die
tatsache, dass das hilfsv. in ii stärker vertreten ist als das
vollv., während es doch in i diesem gegenüber zurücksteht.
144 WENCK
ist ein deutlielier beweis für das eben gesagte. Anders ver-
hält es sich mit der stelhmg /, deren beispiele beim vollv. in
II nm 20 o/o anwachsen. Diese erscheinung darf mit der in
§ 18, 8 (s. 131) erörterten stilregel in Zusammenhang gebracht
werden. Audi hier zeigt sich eine nicht unbedeutende differenz
zwischen den beiden verbalkategorien. Obwol das hilfsv. mehr
ii-belege aufweist als das vollv. (51 : 44), liefern die beiden
/-ii-bcispiele nur ein fünftel der belegzahl der entsprechenden
II mit vollverb. Ein analoges Verhältnis ist uns schon in
§ 19, a (s. tab.) begegnet. Bei der Stellung ß (vorausstell ung
des verbums: die fälle, wo es in Senkung steht, sind natur-
gemäss auszuscheiden) ist das Verhältnis von i : ii mit auf-
fallender genauigkeit für vollv. und hilfsv. 2:1, bei der
Stellung a (nachstellung des verb. fin.) verschiebt es sich in
ungefähr gleichem masse wie hier zu guusten des ersteren:
1 : 3,1 (hilfsv. 1 : 2,5). Offenbar widerstrebte es den dichtem,
dem tonlosen hilfsv. die bei vorausgehendem nomen obligato-
rische Stellung in hebung einzuräumen.
3) Bei der vorausstellung des vollverbs begegnen
zunächst eine grössere anzahl auffälliger verse.
Da auflösuiig der zweiten hebung dem rhythmisclieu Charakter des
typus C widersprechen Avürde, musste Vsp. 48,3 gnyr allr jgtunhcmr zu
A^ gezogen werden. Der dadurch hervorgerufene alliterationsfehler ist
nicht zu schwer, weil der sinnesaccent auf dem subst. liegt. Ebenso kann
man Hym. 28, 5 kvaßat mann Tcimman und Ildl. 41, 5 varp Loptr kvipugr
wegen N* nicht nach C rhythmisieren (vgl. § 52). Die drückung eines
nomeus unter das normale tongewicht ist in den citierten versen ganz ver-
ständlich. — In Ilym. 28,5 nimmt vtann in fast pronominaler functiou'')
('den mann', 'ihn') das vorausgehende ßör wider auf; in Hdl. 41,5 ist
Ijoptr =^ Loki im anfang der Strophe erwähnt. — Ganz sicher ist die
enklise des ersten nomeus zum vcrb. fin. in HHv. 9, 8 ycrpr napr hala, wo
napr die widerholuug des synonymischen orm ist. Sonach gilt das nhd.
gesetz von der raindertonigkeit des bekannten (Behaghel, Pauls Cirundr.
1', 553) auch für die Edda. — Andere fälle, in denen das verbum trotz des
fehlens einer nominalformel in hebung steht und alliteriert, sind zweifel-
hafter natur, namentlich betrefl's der rhythmisierung. Es sind dies folgende:
I Br. 1(3, 3 svalt alt i sal, G}?. 3, 11, 1 aäat mapr armlikt; — li prk. 21,6
hrann jorp loga, HH. 2, 40, 4 ripa memi daxipir, Gr^. 17, 8 lif Iteill konungr,
Od. 16, 2 hap hjahn geta, Vsp. 57, 2 s/r/r fohl i mar, Grp. 33, 8 Aregr [hon]
vel at gram.
*) Vgl. Kluge, Pauls Grundr. 1», 398.
ALLITERATION IM EDD. FORNYßDISLAG. 145
Beachtenswert ist, dass diese beispiele meist jüngeren liedern und
besonders dem zweiten halbvers angehören. — Grp. 17, 8, avo die hervor-
hebuug des verbums (vgl. HHv. 31, 1 kom heul, Hepinn, oder Schiller: lebt
wol, ihr berge, . . . Lebet ivol) als sinnwidrig bezeichnet werden muss, weist
deutlich auf mangelnde beherschung der techuik. Die alleinige alliteration
des verbums ist nur da berechtigt, wo es sich um lebhafte Schilderung
handelt: Br. 16, 3. prk. 21,6. Ysp. 57, 2, ferner HHv. 9, 8. — Unverständlich
ist die rhetorische hervorhebung des verbums in HH. 2, 40, 4 (es reuen die
töten), zweifelhaft bleibt G]?. 8, 11, 1^): die stelle darf wol wie die anderen
verse der reimnot des dichters zugeschrieben werden. — Ebenso fehlerhaft
ist es, wenn das verbnm in dem isolierten i D' Vkv. 20,5 ^rifu ungir
tveir^) und den ii D^ (sämmtlich liedern jüngerer technik angehörig) ^) vor
der formel allein alliteriert. — Wo keine formel vorhanden ist, kann der
gleiche anlaut des verbums (es sind dies nur zwei fälle : Hdl. 40, 1 öl vdf
Loki, Rp>. 24, 3 het Halr olc Drengr) nicht berücksichtigt werden.**) — Die
proklise des vollverbs bleibt anstössig auch in den anderen B- und C-versen,
wofern sie nicht ein enges syntaktisches Verhältnis der beiden nomina auf-
weisen. Denn im falle grammatischer Subordination darf selbst bei doppel-
alliteration die rhythmisierung D— B, D — C angenommen werden (s. oben
s. 129. 137). Vor allem ist in den versen mit lockerer grammatischer bin-
dung, die an sich (in erster linie die C-verse) dem satzaccent widerstreiten ^),
der einfluss des Sprachmaterials zu berücksichtigen: i 7 Gl, 4 C2, 21 C3;
II 2 Gl, 4 02, 1 C 3: für die hebungsfähigkeit des verbums ist ohne zweifei
die silbenzahl der nomiualformel massgebend: Rg. 14, 2 pri/mr ttm gll Igncl,
HH. 2, 50, 9 oJc Arifr äröU gll, Gf. 2, 26, 3 ok gera gull fagrt. ^'') Ferner ist
das logische moment nicht zu unterschätzen. Schon oben (s. 132, anm.2) wurde
darauf hingewiesen, dass Übergangsstufen vom vollverb zum hilfsv. anzu-
nehmen sind. Die weniger begriffsvollen verba stehen (sicher im einklaug
mit dem satzaccent) proklitisch, das hilfsv. auch bei gleichem anlaut und
enger grammatischer bindung der beiden nomina: Hei. 6, 5 vask \etra tolf.
Die fehlerhafte enklise des inf. in Grp. 30, 5 mim ek mey nä darf daher
durch einsetzung der partikel um beseitigt werden, wenn man nicht die
auf lösung der contrahierten form nä zu näa vorziehen will. — Selbst wenn
5) Vgl. Kluge, Pauls Grundr. 1^, 398.
*) Zwei attributiv verbundene adjectiva begegnen als nominalformel
nur noch in Sg. 71, 7 satt eitt sagßak. Da der hauptbegriff das erste glied
der formel bildet , ist das s. 127, g zu (subst. + adj.) bemerkte auf diese
beiden fälle auszudehnen. Vgl. Vkv. 22, 1 koinip einir tveir.
') Nur Hei. 14, 8 sekkst, gygjar kyn kann als rhetorische ausnähme
gelten (s. § 19, b).
8) Vgl. Rieger a. a. o. Sievers § 23, 3 d.
^) Zweisilbiges unverschleif bares verb kann auch in diesen versen nicht
völlig proklitisch gewesen sein: i B: HH. 1, 17, 3; C: Vsp.46,1. (Hym. 30,5).
Vkv. 29, 9. Gp. 1,20,5. Sg. 12, 1 (vgl. D^: HH. 1, 51, 1). — ii C: Vkv. 23, 4.
Br. 16, 4. G]>. 1, 20, 4. Sg. 4, 2.
»») Zu den beiden C^ vgl. s. 136.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche- XXXI. J[^Q
14(3 WENCK
die reKfoIinässig^e noniiiialfonnel nur zweisilbig: ist (A-verse in i niid ii),
überlüsst das hilfsv. die erste Lebung' einer voranjj^ehendcn coiij. oder Par-
tikel. Ntir Sg. 51,5 vilkal- wann tratipan^*) und Ghv. 10,3 vask ßrivir
\enim steht es an erster versstelle in hebuiig. Da durch die alliteration
des zweiten nomens die forniel zerrissen wird, ein C^ jedoch ansgeschlosseu
ist (§ 52), wird der zweite vers wol eher zu U' zu ziehen sein (vgl. die
§ 19,0, s. 140 citierten iiC). Der gleiche anlaut der uebenhebung ist aber
ohne zweifei fehlerhaft.
Die normale vorausstellung des hilfsverbs ist durch die metrischen
eigenschafteu des Sprachmaterials veranlasst, wie die Verteilung der C-verse
auf die untertypen deutlich zeigt: i 1 Ol, 6 C2, 17 C3; ii 1 Cl, 4 C2,
4 C3. Vsp. 62, 4 Baldr mun koma ist mit Sievers, Proben durch voran-
stellung des hilfsv. zu C überzuführen. Ein gleiches wäre in E|>. 27, 2
golf ras strait vorzunehmen, wenn nicht gerade die Ep. eine besondere
verliebe für katalektische verse an den tag legte (vgl. § 55). In Grp. 50, 1
mun horskr G-unnarr, wo die so bevorzugte Zwischenstellung metrisch
möglich gewesen wäre, ist sie durch die enge grammatische bindung ver-
hindert worden, in dem einen iiCl-vers Ykv. 40, 1 cs[})at] satt, Bapvildr
ist sie durch die in der frage notwendige vorausstellung des hilfsverbs be-
dingt. Aehnlich verhält es sich mit den oben genannten C-versen von
gruppe a, in denen die Stellung ß hätte eintreten können. Hier ist sie
z. t. aus rhetorischen gründen unterblieben : das erste nomen bekommt in
erster hebung eines C-verses mehr touge wicht als in erster hebuug eines
A-verses. Man vgl. Gp. 1,25, 3 veldr einn ktli, wo der logische nachdruck
auf dem einn, mit Sg. 27, 7 e/» veldr Bnjnhildr, HH. 2,34, 5 e/«« veJdr Öphm,
in denen er eher auf dem npr. liegt (s. ferner prk. 2G, 5. 28, 5). — Daneben
ist auch die Wirkung des rhythmisch -melodischen elementes der dichtung
nicht zu unterschätzen.
4) Die belege mit zwisclieustellung des verbums (ß)
weisen ebenfalls eine grössere anzalil Verstösse gegen das alli-
terationsgesetz (§ 4) auf.
Bdr. 11,2 (V)rindr berr Ycila ist mit Sievers, Proben zu A* gestellt
(vgl. aber Sijmons z. st.). ^^) — Die 5 A^ von a, ji enthalten bis auf HH.
1, 24, 3 ein npr. ''■') und zeigen, wie gross die durch solche nanieu bereitete
Schwierigkeit für die cddischeu dichter gewesen sein muss. — HH. 1, 24, 3
sehit kiajxtt Xclja kann im hinblick auf HH. 2, 49, 1 mäVs mcr at xipa
(Sievers § 23, 2) als nomial angesehen werden. — Von den A" von b, ß
wären hier Sg. 16, 3 göti's at räpa, 21, 1 dcelt ras at egg,ja anzui eihen.
") Das argumcnt von Sijmons (z. st.) gegen die von Sicvers, Beitr. 6,342
vorgeschlagene tilgung des mami ist nicht stichhaltig. Nur die Überein-
stimmung mit den obengenannten versen könnte für die beibehaltung des
hsl. textes ins feld geführt werden.
") Mogk hält, wie er mir persönlich mitteilt, die erste langzeile der
11. Strophe (der einzigen zehnzeiligen dos ganzen gedichtes) für interpoliert.
'*) Von den A^ von b, ß gehören hierher Vkv. 2, 5. Grp. 31, 5. Sg. 6, 5.
ALLITEKATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 147
Unser modernes empfinden gibt für die beurteiluug dieser und ähnlicher
fälle nur einen sehr unsicheren massstab ab. Nur auf gruud der coincidenz
der ausnahmeverse können wir absichtlichkeit annehmen. — Gegen den
satzftccent verstösst HH. 2, 6, 1 Hamall Icetr iljöia, da das npr. für den
gedaukenfortschritt ein novum ist: vgl. 5,1 hverr Icetr üjöta.^*) — Ebenso
ungerechtfertigt ist die Stellung der alliteration auf dem zweiten nomen
in HH. 1, 55, 1 heill sJcalt v/s/, 56, 5 heul skalt hnßlungr, HH. 2, 11, 5 maryir'
rü hvassir, 25, 5 lipin es sevi, da der logische uachdruck auf dem ersten
nomen liegt, namentlich in HH. 2, 11, 5, wo es sich um einen gegensatz
handelt. Dagegen lässt sich HH. 2, 44, 7 allr es vis/, Gp. 2, 4, 5 gll vgru
sgpiddfjr eher zu den berechtigten ausnahmen zählen. Vielleicht dürfen
auch Ysp. 14, 1 mal es dverga, HH. 2, 21, 5 mal es 'Rophroddr'^^) im vergleich
mit dem citierten HH. 2, 49, 1 als normal angesehen werden. — In HH.
1, 14, 7 farit Jiafpi S.IM \ (sett geirmimis) ist allerdings dem Hildebrandschen
gesetz genüge geleistet, doch bleibt die reimlosigkeit des vorausgestellten
part. fehlerhaft. — Ein inf. entbehrt trotz seiner abweichenden Stellung
vor dem nominalen nomen der alliteration in HH. 1, 29, 1. Sg. 6, 5 (er alli-
teriert aber Vsp.51,2. Hdl. 15,5. HH. 2, 17, 3), ein part. in i HH. 2,25,5.
Grp.31,5; ii HH. 2, 42, 6. Vkv. 15, 2 (verderbt?) (es alliteriert aber i Vsp.
24, 5. Hdl. 9, 5. Grt. 24, 3. Grp. 16, 1. 19, 5. Br. 5, 1 ; ii Br. 11, 8. Grp. 18, 2).
In Rg. 26, 5 E engr vas fremri ist der lesart von Nf». (fdr) der Vorzug zu
geben (vgl. § 43). Betreffs der ii A^ von b vgl. § 50, zu N^ in prk. 7, 6 § 58.
Die beiden hebungbildenden nomina stehen meist in sehr
weitem grammatischen Verhältnis (subject : object). Bei engerer
grammatischer bindung kann das verbum nur dann dazwischen
treten, wenn die nomina schon durch die von der natürlichen
abweichende Stellung begrifflich getrennt sind. Während der
gen. nie vor dem zugehörigen subst. steht, begegnet attribu-
tivisches adjectiv in erster hebung widerholt: a: Vsp. 2, 5. Hym.
32,1. Hdl. 40, 5. GhvlO, 1. 10,2, h: HH. 2, 44, 7. Gl? 2, 4, 5, wo
jedoch mit der anomalen tremiung unzweifelhaft eine poetische
wii^kuug beabsichtigt ist. Prädicativisches adj. geht jedoch
ebenso oft voran, wie es nachfolgt.
Wenn somit beide nomina (die grammatische Verknüpfung
sei, welche sie wolle) im nachdruck coordiniert sind, muss in
der mehrzahl der fälle doppelalliteratiou erwartet werden. Ein
überschuss an solcher tritt nur dann zu tage, wenn man die verse
mit npr. berücksichtigt und ausserdem die mit einem verbalnomen
(spec. inf.) in zweiter hebung abzieht (24 A', 7 A^, in ii 11 Ai).
1^) So lese ich mit Sijmons (s. z. st.).
^^) Die Vermutung Gruudtvigs: mdl's Hgphroddi, ist zurückzuweisen,
da die geringe zahl der D=* nicht durch conjectur vergrössert werden darf.
10*
148 WENCK
Das vollverb erhält in der niittelsenkung dos vorwiegend
anftretenden tyi)us A den ihm gebiilirendtMi nebenton und kann
ohne weiteres zum träger der nebeiiliebung eines E-verses
gemacht werden. Das liilfsverb lehnt sich enklitiscli an das
vorhergehende nonien an und ist teilweise mit ihm zu ver-
schmelzen: D: Ysp. 3,7. Sg. 56, 1 (vgl. Sievers §30,10—12).
Sicher nur ausnahmsweise bildet es in Br. 8, 5 die nebenhebung
eines E-verses, denn wenn sich auch noch mehr beispiele der
art'6) im fornyröislag finden, so ist ihre zahl im Verhältnis zu
den versen, in denen überhaupt ein hilfsverb auftritt, ausser-
ordentlich gering.
5) In den belegen mit endstell ung des verbums (y)
steht das vollverb durchgehends in zweiter hebung mit aus-
nähme von Grp. 10, 2 hrü]))- mcela ich; wo es periphrastisch
gebraucht ist.
Die an sich mögliche zwischenstellung des verbs ist oifenbar deshalb
unterblieben, weil der inf. in zweiter hebung eines D einen seiner sinufülle
entsprechenden grösseren uachdruck erhalten konnte als in zweiter hebung
eines A, noch dazu in zweiter hebung. Dasselbe ist für Grt. 17, 2 \\aUr
standa mun anzunehmen. — In zwei anderen versen mit vollverb und
ebenfalls ohne uominalforrael trägt jedoch das verb die zweite hebung: in
Hym. 32,5 ka>7 orp um \ivap nach ausweis der alliteration, und in Grt.
2-t, 2 hrupr orp %an kvap nach massgabe des erstercn verses. Es handelt
sich hier um eine formelhafte'') wendung des epischen Stils, die in der
band eines schlechten dichters zum fehler geworden ist. Der Verstoss tritt
aber nicht sehr hervor, da der begriff des gedrückten nomens schon im
verbalbegriff mit enthalten ist. — Aus sinnesgrüuden muss sogar ein
(absolut gebrauchtes) hilfsv. trotz des mangels einer nominalformel in HIlv.
33,12 gorask sUkt, ef skal die zweite hebung tragen. — Für die tonschwäche
des hilfsv. ist besonders charakteristisch Vsp. 82, 5 Baldrs hröpir vas '^), wo
beide glieder der formel alliterieren. Doch ist der einfluss des sinnesaccents
ganz augenscheinlich, da der logische uachdruck auf dem zweiten uomeu
ruht. Betreffs der nomiualformeln in den beispieleu von a vgl. s. 121 f. —
Abzulehnen ist die conjectur Finnur Jönssous zu Sg. 68, 6 etiin hcp stigu7)i :
der hsl. text ist auf jeden fall zu belassen.
Die verse, die ausser zwei nominibus und einem verbum
noch ein ad verb oder pronomen enthalten, werden bei diesen
Wortklassen behandelt werden.
>«) Ich habe mir folgende notiert: Hym. 9,2. Vkv. 33,1. Hdl. 14,1.
HH. 1,40,1. Grp. 53,5. E)'. 13,1. 47,5. Gp. 1,23,3. 20,5. Sg. 15,1. 37,7.
C5, 1. Gp. 2, 17, 3. 20, 1. Ghv. 4, 3. — ") Vgl. Bdr. 4, 8. Od. 11, 4.
'*) Die Verstellung Bugges ist nach Hildebraud a. a. a. s. 99 berichtigt.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 149
C. Zwei verba finita. >)
§ 21. In folgenden versen, in denen zwei verba finita
die hebungen bilden, ist zur Vermeidung- nutzloser Zersplitte-
rung der an sich spärlichen belege das in Senkung bez. neben-
hebung befindliche Sprachmaterial (prou., adv.) unberücksichtigt
gelassen.
a) Bei deutliclier Subordination [i: A^: Rp. 12, 3 (= Hdl. 13, 3).
Hdl. 17,8 (=18,9). 31,3 (=34,3. 36,3. 39,3). Vkv. 10,5. — A»: Hym.
6, 1. HH. 1, 17, 5. — II : A : Gp. 2, 38, 4] besitzt nach aiisweis der beiden A^
das nachstehende abhängige verb. fin. wie im wgerm. das grössere nach-
drucksgewicht. Die A*-verse müssen daher in rhythmischer beziehung dem
A^-typus beigeordnet werden. Der isolierte zweite halbvers Gp. 2,38,4
verstüsst daher R yüdi at repak gegen den satzaccent. — Weniger deutlich
ist die abhäugigkeit des zweiten verb. fin. in i A': Vsp. 22, 5, A^: Hym.
12,1, B': HHv.2, 7; ii A: Sg. 57,6. Od. 4, 8. Das vorwiegen von N^ in i
macht es wahrscheinlich, dass auch die beiden ii mit dem satzaccent in
einklang stehen (vgl. Beow. 1380b sec, gifpü dyrre). Ein zweifei ist jedoch
nicht ausgeschlossen, namentlich nicht bei Sg. 57, 6 \aslc mepan lifpak. —
Bei völliger co Ordination [i: A: Ai; Hei. 12,1. Od. 10, 5. 34,1. Ghv. 13, 5.
— A-^ : Rp. 11, 5. 32, 9 (= Sg. 2, 5). Hdl. 15, 7. Grt. 4, 1. HH. 2, 14, 5. — B- :
Hdl. 2, 3. HH. 1,9, 5. — D^: Vkv. 20, 1. — ii: A: Rp. 12, 2 (=24,2). Ghv.
11, 2] überwiegt die nach § 7. 11. 16 zu erwartende doppelalliteration. Die
4 A^ von I, die sämmtlich jüngeren liedern angehören, zeugen von tech-
nischer unbeholfeuheit, die 3 zweiten halbverse vergewaltigen die Satz-
betonung und fallen daher bei einer beurteilung der kunst der betr. dichter
mehr ins gewicht als die 4 A> von i. In Ghv. 11, 2 ist allerdings der text
etwas unsicher. — Die beiden verse der Rp. sprechen wider für skaldische
techuik.
b) Hier seien noch zwei verse erwähnt, in denen ausser zwei verba
fin. noch ein uomeu steht. Hym. 10, 7 vas karh es kom bestätigt die
mindertonigkeit des hilfsverbs, Sg. 31, 10 hyJcJc at ieig seir die grössere ton-
fülle des untergeordneten verbums. Da das erste verbum sich dem Charakter
eines hilfsv. nähert, kann die proklise nicht befremden. Allerdings wäre
auch die rhythmisierung D — C (s. 137) angängig.
Cap. IV. Adverbium. 1)
§ 22. Das tongewicht der adverbia ist im einzelnen
schwer genau festzustellen. Vor allem mangelt den adverbien
wegen ihres verschiedenen Ursprungs die einheitlichkeit des
Charakters. Ferner können sich bei ihnen die begriffliche
1) Rieger s. 28. Sievers § 25.
') Rieger s. 26 f. Sievers § 26.
150 WENCK
binclung (die oft den bereicli einer lialbzeile, z. t. auch einer
langzeile überschreitet), die einwirkung des rhetorischen accents
und die metrisch -rhythmischen einfliisse auf Wortstellung und
alliteration wol gegenseitig verstärken, weit öfter aber kreuzen
und sogar aufheben. Kein wunder also, wenn das verfügbare
material sehr verschiedene behandlung aufweist. Zudem sind
neigungen, die man als technisch bezeichnen könnte, teilweise
nur sehr schwach ausgeprägt. Die reste, die auch bei minu-
tiöser Scheidung der belege einer sicheren erklärung wider-
sprechen, legen daher die annähme nahe, dass man noch nicht
zu endgiltiger regelung der mannigfach abgestuften tonverhält-
nisse gelangt ist, und das umso mehr, als auch Eieger für das
wgerm. grosse Willkür in der behandlung der adverbia zugibt.
Eine delinitive entscheidung ist nur auf gruud einer sorg-
fältigen Statistik des gesammten wgerm. materials möglich.
Immerhin kann man auch jetzt schon sagen, dass sich die
adverbia in zwei grosse, durch einen markanten nachdrucks-
unterschied charakterisierte klassen zerlegen: 1) adverbia
pronominaler herkunft, — 2) adverbialpräpositioneu und
adverbia nominalen Ursprungs: letztere Avollen wir als
volladverbia bezeichnen. Ausserdem sind noch Übergangs-
stufen anzunehmen.
So schwanken namentlich die temporal- und local-
adverbia. Im folgenden werden sie mit der zweiten klasse
gemeinschaftlich behandelt.
A. Adverbium und verbum.
Wegen der engen begrifflichen bindung des verbs mit dem
adv. werden die nominalen verbalformen im allgemeinen mit
den finiten gleich behandelt. Eine trennung der belege mit
part. oder inf. von denen mit verb. fin. ist somit nicht er-
forderlich.
§ 23. Pronominales adverbium kommt in Verbindung
mit einem hilfsverb allein begreiflicherweise gar nicht vor,
da der bedeutungsgehalt der halbzeile zu dürftig gewesen
wäre, ganz abgesehen davon, dass in den meisten fällen die
Silbenzahl zur bildung eines hemistichs kaum ausgereicht haben
würde; Verbindung mit einem voll verb zeigt sich dagegen
in einigen vereinzelten bei.spielen:
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 151
a) Das adverbinm voraustehend: i: Typus A': G\>. 2, 24, 1.
— Typus C>: E]?. 45,5. — ii: vacat. — ß) Das adverbium nacli-
stehend: i: Typus A': Gp. 1, 17, 7. — Typus B»: Vsp. 40, 3. 60,5.
Sg. 68, 7. — II : T y p u s C : Hym. 4, 4. Grp. 14, ü. Vorangehend («) steht
das pron.-adv. in Senkung : Ep. 45, 5 pä qplaßisk nimmt das verbum beide
hebungen ein, Gp. 2,24,1 en pä gleympah überlässt das adv. die erste
hebung einer voranstehenden conjunction. In den belegen von ii steht das
adv. dnrchgehends nach, und zwar stets in hebung, ähnlich wie das hilfsv.
wol nur aus rhythmischen gründen. Das pron.-adv. ist sonach normaler
weise tonlos und steht in Senkung. Nur bei abweichender Stellung erhält
es so viel tongewicht, dass es in hebung treten kann.
§ 24. Adverbium vöii anderer als pronominaler
herkunft + voll verbum begegnet in einer weit grösseren
zahl von versen:
«) Das adverb vorausstehend: Erste halbzeile: Typus A:
AI: Vsp. 21, 7. Grp. 44,7. — A^: Hei. 1,7. — Typus B: B': Hym. 34,3.
prk. 5, 3 (= 9, 3). 5, 5 (= 9, 5). 27, 3. Hdl. 48, 3. Grp. 20, 3. Sg. 22, 3. Gp.
3,9,3. Od. 3,7. — B^: G\>. 2,12,3. — Typus C: C^: prk. 10,5. Hdl. 11, 3.
Vkv. 8,1. Grp. 13,3. Sg. 33,7. G\>- 2,6,1. Od. 15,7. 27,3. — C^: Sg. 26,7.
— Typus D: Vkv. 23,1. Eg. 23,3. — Zweite halbzeile: Typus A:
Vsp. 2, 2. 12, 8. 21, 8. 30, 2. Hym. 15, 4. 20, 4. 33, 6. 38, 4. prk. 1, 8. 8, 6
(= 11, 6). 13, 4. 21, 2. Hdl. 4, 4. Vkv. 37, 4. HH. 1, 24, 8. 34, 6. 51, 8. HH.
2, 21, 8. 32, 4. HHv. 37, 2. Grp. 8, 2. 28, 6 (= 47, 2). 44, 2. 49, 4. Br. 19, 6.
19, 8. Sg. 6, 4. 10, 4. 40, 6. 45, 6. 54, 2. 58, 4. 64, 4. Hei. 10, 6. G\>. 1, 9, 4.
Od. 12, 6. 22, 2. 23, 6. 27, 2. G]>. 2, 29, 6. — Typus B: HH. 2, 18, 8. Grp. 12, 6
(=18,6). — Typus C: Vsp. 21,10. Hym. 25,2. Ep. 8,2 (=22,2). 40,2.
45, 4. Vkv. 4, 6. 8, 2. 18, 4. 21, 4. 23, 8. 28, 2. HH. 1, 22, 6. 28, 2 (= 53, 2).
HHv. 6, 6. 33, 10. Grp. 43, 6. Eg. 23, 2. 23, 8. Br. 9, 2. 13, 8. 14, 8. Fäf. 36, 6.
Sg. 54, 4. — Typus D : Hdl. 47, 2. Br. 5, 4. Od. 26, 6. 32, 2. Ghv. 15, 4.
ß) Das adverb nachstehend: Erste halbzeile: Typus A:
A^: Hym. 24,5. Vkv. 3,1. Grt. 13,7. G]>. 3,8,3. — A^: Vsp. 37,1. Hym.
5, 1. 7, 1. 35, 1 (= 37, 1). HH. 1, 11, 1. 48, 3. HHv. 5, 5. Sg. 27, 1. G]>. 2, 44, 1.
— Typus B: B^: Grt. 10,5. Grp. 5, 3. Gp. 1,1,7 (= Gp. 2,11,7). 16,5
(=Sg. 29,7). Sg. 29,5. - B^: Grt. 10,7. - Typus C: C: Hdl. 44,3-
HH. 1, 16, 1. 22, 1. 30, 5. Fäf. 43, 3. Ghv. 9, 3. — C^ : Vkv. 17, 9. — T y p u s D :
D^: Grp. 36,3. — D-: Hym. 23,1. HHv. 36, 5. — Typus F: pi; Vkv. 31, 3-
— F^: Vkv. 31,1. — Zweite halbzeile: Typus A: Grp. 21,4. 25,2.
Hei. 1, 2. Od. 24, 2. Gp. 1, 26, 6. Gp. 2, 28, 4. Bdr. 3, 4. Sg. 18,10. — Typus B:
Grp. 12,2. — Typus C: Vsp. 32, 6. prk. 24, 2. Grp. 46, 8. — 0=»: Hym. 20, 8.
— Typus D': prk. 25, 4. — D-: prk. 25, 6. — Typus F': Gp. 1,26,8. •
Somit ergibt sich folgende tabelle:
A
B
C
D
E
F
u)
I
26
3
12
9
2
—
—
II
75
42
3
25
5
—
—
ß)
I .
34
14
8
7
3
—
2
II
16
8
1
4
2
—
1
152 WENCK
Aus diesen zahlen ergibt sicli liinsiclitlicli der Stellung,
dass in ii die voranstellung des adverbs bevorzugt wird, wäh-
rend in I die nachstellung stärker vertreten ist. Diese (jedoch
im ganzen schwach ausgeprägte) tendenz zui- nachstellung in
I erklärt sich aus dem crescendo- decrescendocharakter der
langzeile (s. § 56). Bei dem fallenden Charakter der zweiten
halbzeile kann nun kein zweifei darüber bestehen, dass dem
vorangehenden adv. das grössere tongewicht zugekommen ist.
Dies wii'd ferner durch das überwiegen von N' bei gleicher
Stellung in i bestätigt: 21 N' (2 unten aufgeführte anomale
fälle sind ausgeschieden) : 2 N^ : 1 X^, Die beiden N-, die
sich in verstypen mit ausgesprochener abneigung gegen doppel-
alliteration (B, C) vorfinden, können nur zufällig sein. Bei der
umgekehrten Wortfolge (ß) verschiebt sich das Verhältnis der
alliterationsstellungeu ganz beträchtlich: 11 N' (4 unten dis-
cutierte ausnahmen sind unberücksichtigt geblieben) : 9 N- :
10 Nl Wegen des hervortretens von N^ einerseits, dem ab-
nehmen der i^-belege in ii andrerseits muss auch dem nach-
stehenden adv. ein grösserer naclidruck zuerkannt werden.
Das Verhältnis der doppelalliterationen in gruppe ß zu der
von « zeigt jedoch, dass das verbum keineswegs in proklise
steht, wie es nachstehend in enklise sinkt, sondern dass es sein
normales tongewicht besitzt.
An (liesem resiiltate ändern einige ausnahmen nichts. Die enge
der begrifflichen bindung, die dem adv. erst die dominierende tonfülle
sichert, fehlt in dem isolierten «N^ Hei. 1,7 heldr cn \itja. Dass das
nomen vermöge seines grösseren nachdrucks allein alliteriert, ist somit ganz
natürlich. — Ein anderer fall: Od. 27, 3 j6iv'[«jf \\t-ldr vita \ (/*',>//« ski/ldi),
wo heldr vor einem iuf. allein alliteriert, ist für Hei. 1,7 nicht beweis-
kräftig, da hier das Hildebrandsche gesetz in wirknng tritt. Offenbar ist
vornehmlich die bedeutungsfülle ausschlaggebend gewesen, da bei ähnlicher
begrifflicher bindung das verb. fin. in zwei ii (Grp. 8, 2 gorr an sjyyrjal;
Sg. 54, 2 snemr an [pi'<] lu/ijgir) schwächer betont ist. — Ebenso besteht
keine logische bindung zwischen adv. und verbalnomen in iJrk. 10, 5 opt
sitjandi: das adv. gehört zu dem adv. fin. der zugehörigen halbzeile. —
Ein fehler ist nach dem schema entschieden G}'. 2, 6, 1 \cngi hvarfapak.
Das adv. ist hier jedoch nicht völlig proklitisch und ist ausserdem durch
die anaphorischc widerholung genügend aus seiner unbetonten Stellung ge-
hoben. Der logische nachdruck liegt überdies auf dem verb. flu. — Der
umgekehrte fall, dass das verb. fin. in eingangssenkung eines C steht, be-
gegnet nur in i, in 4 C: HH. 1, 16, 1. 22, 1. 30,5. (ihv. i), 3. Im hinblick
auf die übrigen /9iC und namentlich die 3 /9iD (von denen einer sogar
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 153
ein D' ist) dürfen die genannten fälle als nener beweis für die oben s. 137
angesetzte übergangsform D -C angesprochen werden. ') Eine andere rhyth-
misieruug vermag den widersprach mit dem satzaccent nicht zu lösen. —
In HH. 1, 48, 3, wo der hsl. text sggpu stripliga ebenfalls ein verbum in
proklise zeigen würde , ist mit Sievers, Beitr. 6, 317 die ältere nebenf orm
des adv. einzusetzen. Ausserdem findet sich noch in ii ein zweifelhafter
fall: Hym. 20, 8 at rüa lengra, in dem gegen die regel von der Stellung
des hauptstabes und besonders gegen die rhythmische qualität des typus C
(§ 52) die all Iteration auf zweiter hebung steht. Eine Umstellung zu F,
wie sie bereits die Kopenhagener ausgäbe vorgenommen hat, ist zum min-
desten möglich.
Zu den obigen 11 /?Ni, die zu bedenken anlass geben könnten, ist
noch zu bemerken, dass 7 von ihnen auf den typus B, 6 auf den typus C
entfallen, also auf typen, in denen N^ rhythmisch austössig gewesen wäre.
Das fehlen von doppelalliteration (sie steht nur in 2 beispielen : Vkv. 17, 9.
Grt. 10, 7) zeugt von mangelhafter beherschuug der technik. — Der einzige
N'-vers: Hdl. 44, 8 /)o porik eigi darf als regelmässig bezeichnet werden
(s. s. 155). Die A^ von ß sind demnach in rhythmischer beziehung zu A^
zu stellen. Aus diesem gründe würden die ii von ß gegen die natürliche
betonung Verstössen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass ebenso wie
das verb. vorausgehend sein normales tongewicht gewahrt hat, auch dem
vorausstehendeu part. bez. inf. die betonungsstärke der nomina zugekommen
sein muss. Während bei der Stellung f; beide halbzeilen einen annähernd
gleichen proceutsatz von verbalnomina aufweisen (i 10 = 38,5 "/o : H 34
= 45,3 "/o), stehen sich in Stellung ß i 2 = 5,8 "/o nnd ii 11 = 73,3 «/o
(von 15 Versen , da Hym. 20, 8 besser auszuscheiden ist) gegenüber. Die 4
Testierenden ii von ß mit verb. fin. (Bdr. 3, 4. Sg. 18, 10 [vgl. Bugge, Beitr.
22, 121]. Grp. 12, 2 Gp. 1, 26, 8) müssen als fehlerhaft gelten. Wie diese
werden auch die nominaverse zum guten teil durch die reimbequemlichkeit
veranlasst worden sein. Die zugehörige halbzeile enthält ein upr. bei
Grp. 25, 2 ^egja ggrva (vgl. Grp. 28, 6 = 47, 2 ggrva segja). bei Vsp. 32, 6
um 'bor/nn sm'mma. — Auch die nominaverse können dem satzaccent nicht
völlig entsprochen haben: das adv. wird mindestens gleich stark betont
gewesen sein, sobald es der bedeiitungsgehalt gestattete. Als beweis dafür
darf vielleicht prk. 25, 6 hlta hreipara mit regelwidriger doppelalliteration
(vgl. § 53), desgl. prk. 25, 4 b?7a hvassara mit kreuzalliteration angesehen
werden. ■ — Die stärkere betonung des nachstehenden adv. geht ferner aus
der häufigkeit des typus C hervor: u i 34,6 "/o : ß i 10,0 "/o (4 D— C sind
ausgeschlossen), a ii 33,3 "/o : /?n = 20,0% (Hym. 20, 8 ist ausgeschieden).
Die C-verse von ß sind sichtlich durch das Sprachmaterial bedingt: i 2 02,
1 03 : II 3 C2. Ferner ist zu bemerken, dass die voranstellung der adv.-präp.
sicher wegen der engen begrifflichen bindung von adv.-präp. und verb. weitaus
die beliebtere ist. Das verbum geht nur in 7 i voran (Gj?. 1, 1, 7 [= G]?.
2,11,7]; Fäf.43,3. Gp. 1, 16, 5 [= Sg. 29, 7]. Sg. 29, 5. Grp. 21, 4), in ii nie.
1) Vielleicht darf auch für prk. 10, 5 o^tt sitjanda, desgleichen Gp. 2, 6, 1
\engi hvarfapaJc eine gleiche rhythmisierung angenommen werden.
154 WENCK
§ 'l'y. VoUadverbium und liilfsverbum bilden fol-
gende verse:
«) Das adverbiinii voraiistehend: Erste halbzeile: Typus
A': Od. 22, 5. - Typus B>: Grp. 23, 5. Sg. 41, 1. — Typus C: 1111.1,35,5.
HH. 2,21,1. — Zweite halbzeile: Typus A: Ykv. U, 8. 41,6. HH.
2,1,6. — Typus B: Sg. 62,2. Od. 33,2. — ß) Das adverbium nach-
stehend: Erste halbzeile: Typus A: A' : Grp. 40, 5. — A'': im.2,r2,l.
49,5. Hei. 1,1. — Typus B^: HH. 1,16,5. — Typus C: Grp. 2,7. —
Zweite halbzeile: Typus A: Br. 18,6.
Dem in §24 entwickelten ganz entsprechend, halten sich beide Stel-
lungen in I die wage; in ii ist nur die voranstellung des adv. berechtigt.
Der isolierte (?ii-vers enthält daher einen schweren Verstoss. — Fehlerhaft
ist die alleinige alliteration des tonlosen hilfsverbs, wenn es vorausgeht:
Grp. 40, 5 \ildaJi eigi (vgl. HH. 1, 16, 5 ef vildi heim), und wenn es nach-
folgt: Od. 22, 5 peygi [vit] möttinn (vgl. Sg. 41, 1 at ]>ey(ji skal). Sonst alli-
teriert das voUadv. vor- wie nachstehend allein, ohne rücksicht auf die
begriffliche bindung, die wie in HH. 1, 16, 5 auch in Grp. 23,5 über das
niass einer langzeile hinausgeht. — Wie oben begegnet auch hier ein fall,
in dem beide hebungen im nachstehenden adv. liegen (HH. 1, 48, 3 villi
iljotliga) und das hilfsv. regelrecht proklitisch gebraucht ist. Zu einer
änderung vil de {IJötIa (vgl. Grp. 35, 7: Sievers, Beitr. 6, 317) ist ein anlass
nicht gegeben.
§ 2u. Zwei adverbia + verbnm begegnen in folgen-
den beispielen:
a) Voll verbura: Stellung «: Verb um 4- adv. + adv. : au) Beide
adverbia in hebung: Erste halbz.: Typus B-: Vsp. 29,5. Vkv. 4, 5.
— Typus C: Rp. 37,1. Bdr. 2,5. A'kv. 7,3. Grt. 22,1. HHv. 3,7. —
Zweite halbz.: Typus C: Grt. 21,8. — ßß) Verbnm und ein adv.
in hebung: Erste halbz.: Typus A-: prk. 15,3. — Typus 0: D^: R)i.
5,3. Hdl. 46,1. — D': Vkv. 11,1. — Typus E>: Gp. 2,18,7. — Zweite
halbz.: Typus A^: Vkv. 38, 4. — Typus E': HHv. 43, 2. — Stellung ;:;:
Adv. 4- verbum -f adv.: Erste halbz.: Typus A'*: Sg. 8, 1. — Typus
Fa': l\p. 35,1. — Typus E': Ep. 23,1. 25,1. 42,1. Sg. 62,1. Gp. 2,'l9, 5.
— Zweite halbz.: Typus A: Vsp. 44,6. Hdl. 20,6. — Typus B: Sg.
27, 6. — Typus C: Gp. 3, 1,4. — Stellung /: Adv. + adv. + verbum:
Erste halbz.: Typus C: Sg. 45, 5. — Zweite halbz.: Typus A:
Vsp. 1,6 (H). — Typus C: Vkv. 18,8. Sg. 68,4.
b) Hilfsverbum: Stellung «: ««) Erste halbz.: Typus B':
Grp. 19,7. — Typus C: C: Grp. 18,3. — C'^: Vsp. 16,5. — ßß) Zweite
halbz.: Typus D: Hdl. 17,8 (=18,10. 31,4. 34,4. 36,4. 39,4). —
Stellung ß: Erste halbz.: Typus A: A>: Grp.21,5. — A": Vsp. 61, 1.
Grp. 41, 5. — Stellung y: Zweite halbz.: Typus B: Sg. 11,2.
1) Am einfaclisten und klarsten liegen die Verhältnisse
bei der mittel Stellung (ß) des verbums (vollv.), insofern
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 155
dieses mit ausnähme von zwei ii (Sg. 27, 6 hvi gegnir nü, G}?.
3, 1, 4 hvi [pi(] hlcer [Jjh] ceva), wo der adverbiell gebrauchte
instr. des interrog.-pron. ganz normal proklitisch ist, überall
zum vorausgehenden adv. in enklise tritt, nach den obigen
erörterungeu auch bei gleichem anlaut: El\ 35, 1. 42,1 (voca-
lisch). Das nachdrucksverhältnis von volladv. zu nachfolgen-
dem vollverb ist also dem oben für gen. + siibst., adi. + subst.
festgestellten ganz analog. Infolgedessen kann das zweite adv.,
ganz gleichgiltig welcher herkunft, stets die zweite hebung
einnehmen. Nur einmal (Sg. 8, 1 o^H gengr innan) alliteriert
es (ein volladv.) mit.
Bei den Stellungen a und /, bei denen beide adv. neben-
einander stehen, kommt es auf die begriffliche bindung an.
Bei Stellung « trägt das vorausgehende verb in den i und ii
von ßß die erste hebung, eines der adv. muss also in Senkung
treten.
Die rhj'thmisierung- der N'-fälle ist z. t. etwas zweifelhaft. Nur prk.
15,3 yissi xel fram ist diirch die doppelalliteration festgelegt, und zwar
ist die enklise des zweiten adv. nach § 27 normal. Vkv. 11. 1 sat svä
lengi ist trotz der schwankenden behandlung von svd (s. unten) als D^ zu
nehmen, da ein A^ nach § 21: fehlerhaft sein würde (vgl. unter 2: Hdl. 17, 8
etc.). Gy. 2, 18, 7 sitr eigi her und HHv. 43, 2 'kom'k enji äpr sind E, wie
weitere parallelen unten zeigen werden. Vgl. den genannten vers Hdl.
44, 3 (§ 24, s. 153). In Übereinstimmung mit dem satzacceut, aber im wider-
sprach mit den metrischen regeln (vgl. § 50) befindet sich Vkv. 34, 4 sat
pä e,ptir, der zugleich die tonlosigkeit und füllselnatur des pron.-adv. gut
illustriert. Die beiden restierenden i: Hdl. 46, 1 ?,nuÖu braut hepan, Rp. 5, 3
reis [/(«n«] upp papan sind D^: das nachstehende adv. besitzt (vgl. § 24)
im vergleich zum vollverb. das höhere tongewicht, muss also zweite hebung
erhalten : das zweite adv. kann um so leichter gedrückt werden, als es be-
grifflich dem ersten adv. nichts wesentliches hinzufügt und für den Zu-
sammenhang entbehrt werden könnte. Jedes bedenken wird durch die
C-verse der gruppe aa zerstreut, in denen bei völlig gleicher logischer
Verknüpfung das zweite adv. zum ersten in enklise getreten ist. Da pro-
klise des vollverbs fehlerhaft sein würde, ist wie in § 24 die rhythmisierung
D— C anzunehmen, und zwar um so eher, als durchgehends N^ steht. Das
verbum muss allerdings die eingangssenkung der zwei B-verse der gruppe
au bilden, da die beiden adverbien vollständig coordiniert sind (wegen der
doppelalliteration vgl. §35,2): Vsp. 29,5 sä [hön] \itt oh ritt, Vkv. 4,5
genyii üt oTc hin (vgl. s. 145, anm. 8).
Bei Stellung / sinkt das zweite adv. ebenfalls in enklise
zum ersten, wenn es mit diesem begrifflich verbunden ist:
15C WENCK
Vsp. 1,6 yd fram teljaJ:^) (vg-1. prk. 15, 3). Gehört aber das
zweite adv. logisch zum verhuni, so muss es unbedingt die
liebung erhalten.
Ein pron.-adv. (Sg. ib,i) ßnrs [ho)i] ajytrhorhin) kann ohne weiteres
proklitiscli gebraucht werden, zweifelhafter ist dies bei srä (Sg. 68, 4 srd
endr lagip) (vgl. § 27) und sicher fehlerhaft bei dem teraporal-adv. (r in
Ykv. 18, 8 (E ijar{ri\ borinn. Da adv. + part. (fjarhorinn ist metri caiisa
zu lesen, vgl. Fritzuer, Ordbog) eine toneinheit (verbalformel) bilden, kann
das adv., wie hinter der verbalformel, so auch vor derselben in hebung
treten. Wofern man nicht D'' anzusetzen beliebt, darf die rhythmisierung
D — C für sicher gelten.
2) Wie das vollverbum, so steht auch das hilfsverbum
bei Stellung ß in Senkung, ohne jedoch die nebenhebung eines
E zu tragen (vgl. die fünf E unter a, (i). Bei Stellung a steht
es daher regelrecht proklitiscli, mag die grammatische biudung
der adv. sein, welche sie wolle.
Der eine stefartige vers ii Hdl. 17, 8 etc. \ili enn lengra (der trotz des
fehleus eines Stabes auf dem ersten adv. als D zu rhythmisieren ist, vgl.
Grt. 21, 8 = 22, 1) ist daher sehr befremdlich. In dem isolierten beispiel
von }' bildet das hilfsv. zweite hebung, das erste adv. (ein pron.) steht ganz
correct proklitisch. Da in i das hilfsv. durehgehends in Senkung steht, so
zeigen diese verse aufs beste den nachdrucksunterschied zwischen sinn-
vollerem und bedeutungsschwachem adv. (meist pronominaler herkunft).
Letzteres rauss in erster oder zweiter hebung stets dem ersteren die alli-
teratiou überlassen. Doppelalliteration findet sich nur einmal: Vsp. 16,5
pat mtin se nppi, wo beide adv. für deu Zusammenhang gleich wichtig sind.
3) In einem vereinzelten fall stehen drei adverbia und
ein vollverb nebeneinander: Ghv. 8, 3 svd kemsk meirr aptr.
Ein Widerspruch gegen den satzaccent ist nicht ersichtlich
(vgl. § 35, 3).
B. Adverbium und nomen.
Das tonverhältnis und damit die alliterationsstellung bei
der Verbindung des adv. mit einem nominalen nomen hängt
allein von der frage ab, ob zwischen den beiden zur halb-
zeile vereinigten Worten ein logischer Zusammenhang besteht
oder nicht.
a) Adverbium und adjectivuni.
§ 27. Da das einfach steigernde und das begriffsadver-
bium (Sievers a.a.O.) sich zum adj. genau so wie zum parti-
*) Die la. von R yd fyrteljak ist zu § 24 zu ziehen, da fyrtelja eines
ALLITERATION IM EDD. FORNYEDISLAG. 157
cipialadj. und adv. verhalten, sind die beispiele mit participial-
adj, bez. adj. im folgenden mit denen mit adj. zusammen be-
handelt:
«) Das adv. vorausteheiid: Erste halhzeile: Typus A: A':
Vkv.37,7. — A^: Sg. 18, 7. Grp.21,7. Ghv. 3, 3. — Typus D''^: Grp. 10, 3.
— Zweite halbzeile: Typus A: Vkv. 27, 6. HH. 2, 24, 10. Fäf.40,6. Sg.
13,6. Hei. 14,2. — Typus C: Sg. 25,6. Od. 18,6. — Typus D: Hym.
16,4. Hdl. 44,2. — ß) Das adv. nachfolgend: Erstehalbzeile:
Typus C-': Br. 8,7. — Typus E': Vsp. 8, 7. Hdl. 35, 3. 49,7. HH.
2,47,3. Hei. 5,3. — Zweite halbzeile: Typus A: Hym. 19,6. HH.
1, 45, 2 (= HH. 2, 23, 2).
Das material ist sehr spärlich, doch sind zur erörterung
der nachdrucksabstufung gerade diese beispiele in erster linie
zu berücksichtigen, weil fremde einflüsse hier so gut wie aus-
geschlossen und, wenn vorhanden, leichter zu controlieren sind.')
Nach den aufgeführten beispielen zu urteilen, kann der für das
wgerm. -) aufgestellte nachdrucksunterschied zwischen rein
steigerndem und begriffsadv. in der Edda wenigstens nicht mehr
in so ausgeprägtem grade vorhanden sein: das rein steigernde
adv. ist der analogie des begriffsadv. gefolgt, doch schwankt
die behandlung. In proklitischer Verwendung solcher adverbia
ist somit eine altertümlichkeit zu erblicken. — Was die Stel-
lung anlangt, so ist bei keiner der beiden adverbialkategorien
in I eine Vorliebe für die eine oder andere Stellung bemerkbar,
in II dominiert Stellung a. Daraus ergibt sich ein grösseres
nachdrucksgewicht für das voranstehende adv.
Es sind jedoch die verse zu berücksichtigen, in denen das bloss stei-
gernde adv. in eingangsseukung vorausgeht: ii: svä Sg. 25, 6, heldr Od. 18, 6
(vgl. Hei. 1,7, s. 152). In i stehen diesen eine weit grössere zahl beispiele
gegenüber: Grp. 21,7 ne in heldr iramviss, wol auch Ghv. 3,3 tie in heldr
hugpir. Vkv. 37, 7 ne svä gfliujr verstösst gegen den satzaccent (vgl. § 48).
Stets proklitisch werden in, at (vor comparativ), til gebraucht: Sg. 18, 7 ne
in mcetri (vgl. § 30). Werden diese wörtchen selbst wider durch ein adv.
gesteigert, so treten sie zu diesem in euklise: Hei. 1, 4 als til lengi, HH.
2, 24, 10 'helzti snjcdlir. In i würde somit nur in Grp. 10, 3 heldr horskliga
das voranstehende adv. hebung und alliteration tragen (s. unten). — Nach-
stehend nimmt das adv. stets die zweite hebung ein, es alliteriert jedoch
der wenigen echten verbalcomposita des an. ist und deshalb auch als ein
wort geschrieben werden muss.
') Vgl. besonders § 30, 1.
2) Rieger s. 26. Sievers § 26, 1. 2.
158
WENCK
unr in dem isolierten C Br. 8,7 ef [liauii] \enffr \itli< mit, und zwar wol
nur deshalb, weil die versbetounug dem satzacccut widersprach. Die Stel-
lung ji ist in den A-beispiclen von ii offenbar dem reim zuliebe eingetreten
(die zugehörigen halbzeilen von IIH. 1,45,2 = HH. 2,23,2 enthalten ein
npr.), in den E von i ist sie ohne zweifei beabsichtigt: bei normaler Stellung
(«) hätte das adv. (dnrchgchends nijpk) in erster hebung eines D stehen
müssen und die zweite (dominierende, vgl. § 53) hätte das enklitische adj.
erhalten: ein unüberbrückbarer gegensatz zwischen vers- und Satzbetonung,
den man zu vermeiden bestrebt war. Denn in den beiden D-beispielen von
II mit Stellung a war der ausweg einer Umstellung ebenso unmöglich wie
proklitische Verwendung des adv. (vel, enn) fehlerhaft gewesen wäre. Bei
einem vergleich mit den C-beispielen derselben Stellung erscheint es daher
sehr zweifelhaft, ob der gleiche anlaut von hcldr in Grp. 10, 3 für die Zu-
ordnung zu D als entscheidend angesehen werden darf.
b) Adverbium und substantivum.
§ 28. a) Volladverbium. Bestellt keine logische bin-
dung- zwischen adv. und nomeu, wie es beim subst. der fall
ist, so macht sich das natürliche nachdrucksgewicht der beiden
Wörter wider geltend. Folgendes material steht der discussion
zu geböte:
ß) Adverbium + substantivum: Erste halbzeile: Typus A
A»: HH. 2,12,3. — A-: Hdl. 8,1. Gj'. 1,19,7. Sg. 12,7. — A": HHv. 3,5
Gp. 1,2,5 (=5,1. 11,1). 21,1. — Typus B: B': Hym. 21,5. — B^: HH
2.8.3. — Typus C: C: Hym. 1,1. Rg. 15,5. — C*: Hym. 26,3. 28,1
Vkv. 4,9. — Typus D-: V.«p. 62,7. — Zweite halbzeile: Typus A
Vsp. 38, 6. Hym. 10, 4. 23, 4. prk. 32, 10. Hdl. 19, 6. 46, 6 (= 47, 6). Vkv
33,14. 40,4 (=41,4). Grt. 19,6. HHv. 11,6. Grp. 2,2. 22,4. Br. 5,2. G|>
2,16,8. — Typus B: Bdr. 4,2. Grt. 19,2. G\>. 2,7,6. — Typus C: Grt
16,6. HH. 2,13,2. — Typus D: Hym. 27,4. Vkv. 20,4. — Typus F
Sg. 14,4.
ß) Substautivum + adverbium: Erste halbzeile: Typus A:
A': Hym. 19,3. 22,7. Hdl. 14,3. Grp. 21,3. — A-^: Vsp. 65,3. Hym. 23,7.
Hei. 14,7. — Typus B': HH. 1,12,3. Sg. 50,3. — Typus C: C: Gp.
2,43,7. — C»: Vkv. 8,3. Grt. 12,3. — Typus D: D': Od. 22,3. - D-:
Hym. 18,5. Bdr. 6,7. — Typus E' : HHv. 43,3. Br. 18,3. Hei. 8,3. —
Typus F^: HH. 2,21,3. — Zweite halbzeile: Typus A: Hym. 2,2.
18, 8. 27, 10. 29, 6. 31, 6. 37, 4 prk. 26, 2 (-- 28, 2). Bdr. 9, 2. Vkv. 1, 2. HH.
1.4.4. 12,2. 13,6. 27,8. 30,2. 54,2. HH. 2,36,8. HHv. 40,8. Grp. 20,4.
28,8. 51,6. Gp. 1,16,4. Gp. 2,29,8. Sg. 12,4. - Typus C: Vsp. 2,8.
41, 6. 43, 6 (= prk. 8, 4 = Grt. 11, 4). Hym. 29, 8. 35, 6. Bdr. 3, 2. Vkv.
37,10. HH. 1,41,4 (= HH. 2, 33, 8). Grp. 22,2 {= Gp. 1,17,6). Br. 14,4.
Sg. 58,6. 69,2. Od. 1,6 (C-). — Typus D: Hym. 7,2. Grt. 20,6. 21,2.
HH. 1,42,8. Grp. 49,6. Sg. 22,6. Od. 10,4. — Typus E: Hym. 8, 6. 36,4.
HH. 1,26,2. HHv. 7,6. Gp. 1, 2,2. — Typus F : Br. 12,8.
ALLITERATION IM EDD. FORNYKDISLAG. 159
Somit ergibt
sich folg
ende tabelle:
A
B C
D
E
F
a) I 17
: 9
2 5
1
—
—
II 24
: 16
3 2
2
—
1
ß) I 19
: 7
2 3
3
8
1
II 54
: 24
— 17
7
5
1
Die mindertonigkeit des adv. geht deutlich aus der liäufig-
keit der beiden Stellungen in ii hervor, insofern sich die nach-
stellung des adv. in 69,2 ^!q aller ii vorfindet. In i, wo wegen
der grösseren rhythmischen freiheit weder die eine noch die
andere Stellung vorherseht, zeigt sich der geringere nachdruck
der adv. in der alliterationsstellung. Nach abzug der unten
zu erörternden ausnahmen ergibt sich für die Stellung a:
3 N' : 8 N2 : 5 N3 (A»), für die Stellung /?: 11 N' : 8 N^. Wie
das vollverb, so kann auch das volladv. nur voranstehend, und
zwar nur ausnahmsweise, allein alliterieren.
Verschiedene gründe können zur erklärung dieser anomalien angeführt
werden. HH. 2, 12, 3 gcer ä morgtm ist mit Hdl. 46, 6 = 47, 6 tti ä nötium
zu vergleichen, wo ebenfalls ein adverbial gebrauchter nominaler ausdruck
zu gunsten des voraustehenden adv. der alliteratiou entbehrt. Wahrschein-
lich ist also auch hier der satzaccent gewahrt (vgl. auch Grt. 19, 6 hinig
af bragdi). .In den beiden anderen N' -fällen von i wäre N^ rhythmisch
anstössig gewesen. Das fehlen von doppelalliteration besonders in Rg. 15, 5
ef meirr tyggja \ (mtoiar cd scekja) verrät schlechte technik. Wirkung der
reimverlegeuheit zeigt sich deutlich bei dem verse Hym. 21, 5 en aptr i
shut, dessen zugehöriger zweiter halbvers ein upr. enthält. Dem alliterations-
bedürfnis verdankt auch die bedeutende zahl der «-beispiele von ii ihren
Ursprung. Ein npr. enthalten Hdl. 19, 6. Grp. 22, 4. Br. 5, 2. G]?. 2, 16, 8.
Vkv. 20, 8. 0 Nicht minder häufig ist die voranstelluug des adv. durch das
Hildebrandsche gesetz veranlasst: Vsp. 88,6. Hym. 10,4. 28,4. Hdl. 46,6
(= 47, 6). Vkv. 40, 4 (= 41, 4). Grt. 19, 6. Grp. 22, 4; ganz eclatant in Hym.
27,4 vatt mep austri \ wpp Jggfüki und Vkv. 20,8 vel gerpi heldr \ hvatt
Nipapi (vgl. s. 157). Rhetorisch verständlich ist HHv. 11, 6 ia^st at lifi, desgl.
Grt. 16, 6 en ofan Jculpi wegen des gegensatzes. In Grp. 2, 2 heima i landi
enthält das subst. eine überflüssige bestimmung des adverbialbegriffs , es
kann daher unmöglich ein grösseres tongewicht besessen haben. — Ferner
müssen die verse als normal bezeichnet werden, in denen das adv. prä-
positionale functiou angenommen hat und der natürlichen Wortfolge gemäss
voransteht: Vkv. 33,14 hman Jiallar'^), Br. 5,2 sunnan Binar, desgl. Bdr.
') Die zugehörige erste halbzeile enthält ein npr. : prk. 32, 10 (ist höchst-
wahrscheinlich prosa). Hdl. 19, 6. Vkv. 40, 4 (= 41,4). Br. 5, 2. Gp. 2, 16, 8.
Bdr. 4, 2.
2) Vgl. Paiüs Grundi-. 1^ 896.
160 WENCK
4, 2. Grt. 19, 2. Ebenso wird die alliteration der iiomiiialeu adv. regel-
mässig sein: heim Hyin. 10,4, heima Grp. 2, 2, /)/>• handan G\>. 2,7,6, vgl.
auch HHv. 11, 6 fccst at lifi. Die nicht unbedeutende zahl der verse mit
doppelalliteratiou zeigt deutlich, dass das voUadv. nicht ganz unbetont ge-
wesen ist. Zur beurteilung der a mit doppelalliteration vergleiche man das
s. 137 zu C'^ bemerkte. Ausserdem ist zu berücksichtigen, dass das Ililde-
brandsche gesetz auch in i seine Wirkung ausgeübt hat (vgl. oben Rg. 15, 5.
Hym. 26, 3. Vkv. 4, 9). Der isolierte zweite halbvers Od. 1, 6 fi/r jorp ofan
(ii) zeigt jedoch schlechte technik, ebenso wie zwei weitere ausnahmen, in
denen das adv. in eingangssenkung vorausgeht: Hym. 1, 1 är xaltivar, HH.
2,13,2 fyn- ä langskipum.^) Im zweiten fall kann der fehler durch Strei-
chung des entbehrlicheu adv. (Sievers, Beitr. 6, 341) beseitigt Averden, im
ersten ist wider die rhythmisieruug D — C möglich. Beachtenswert ist die
Übereinstimmung dieser beispiele mit den in § 24 (s. 153, anm.) erörterten
ausnahmef allen , in denen es sich gleichfalls um ein temporales adv. handelte.
Doch kann man wcgeu dieser beispiele nicht von grösserer mindertouigkeiit
der temporaladverbia reden, wegen der grösseren zahl regelmässiger verse
(vgl. etwa Hdl. 19, 6. Sg. 14, 4 etc.). Hinsichtlich der nachdrucksstärke des
adv. sind die 5 A^ von « sehr instructiv, insofern da die erste hebung von
eigi, peygi, svä gebildet wird, deren geringere begriffs- und tonfülle schon
oben s. 154. 155. 156. 157 hervorgehoben wurde.
§ 29. ß) Das pronominaladverbium iiiiiss in Verbindung
mit einem nomen') wegen seiner tonlosigkeit (s. s. 150) auch bei
gleicliem anlaut (Hym. 14, 7. HH. 2, 5, 3. Br. 18, 5) in eingangs-
senkung stehen, sobald das nomen beide hebungen in sich ver-
einigen kann. Nimmt das nomen nur eine hebung (in i die
zweite) ein, so überlässt das adv. die erste hebung stets einer
vorangehenden part. bez. conj. Nachstehend trägt es durch-
gehends die zweite hebung (in i ohne mit zu alliterieren).
Die beiden einzigen beispiele, in denen des adv. in erster hebung
allein alliteriert, (ii: Gp. 1, 10, 6 \we7-gi in betra'^), 10, 8 hvergi verri), müssen
als regelmässig angesehen werden, da die adv., abgesehen von der rheto-
rischen hervorhebuug (anapher), von einem indefiniten pron. (vgl. § 43) ab-
^) Die falsche Verstellung Bugges in HHv. 3, 5 cigi hriipir pcvr \\ , die
eine gleiche proklise des adv. zur folge hat, ist mit Hildebrand berichtigt
worden.
') «) Adverbium + subs taut ivum: Erste halbzeile: Typus
A^: HH. 1,23,1. Gp. 2, 4, 3. G);. 3, 11,3. Od. 30, 3. — Typus C: Hym. 14, 7.
Hdl. 16,7. HH. 2,5,3. Br. 18,5. Gp. 2,36,1. — Zweite halbzeile:
Typus A: Gp. 1,10,6. 10,8. — Typus C: Hdl. 16,4. 16,6. — ß) Sub-
stantivum + adverbium: Erste halbzeile: Typus E': Grp. 34,5.
— Zweite halbzeile: Typus A: prk. 2,6. HH. 1,21,2. - Typus C:
Vsp. 3, 8.
*) Betreffs in vor comparativen vgl. s. 157.
ALLITERATION IM EDÖ, FORNYRDISLAG. 161
geleitet sind. Gegen diese auffassnng spricht prk. 2, 6 jarpar hvergi, wo
das abhängige nonien dem stilprincip gemäss vorausteht, ebensowenig wie
Vsp. 3, 8 en gras hvergi, da hier der nachdruck auf dem snbst. liegt.
Stehen zwei pron.-adv. in der halbzeile, wie in Gp. 3, 11, 3
lu'ß par d Rerlya, desgl. Od. 30, 3, so erhält das erste aus rhyth-
mischen gründen die erste hehung.
c) Adverbium und zwei nomina.
§ 30. In den versen mit zwei nomina + adv. gibt der
grad der logischen bindung für die hebungsfähigkeit den
ausschlag.
1) Das eine nomen ist ein adjectivum (adjectivisch ge-
brauchtes part.), zu dem ein adv. als Steigerung oder nähere
begriffliche bestimmung construiert ist:
Erste halbzeile: Typus A^: Vsp. 31,7. Hym. 2,3. Sg. 66,3. —
Typus D^: Ysp. 35,7. — Zweite halbzeile: Typus A: Sg. 18,2. 64,8
(= Gp. 2, 10, 6). Ghv.21,i. — Typus E: Hdl. 32, 2.
Diese beispiele bieten eine weitere stütze für das s. 157 festgestellte,
insofern das adv. (injgk, vel) in i durchgehends , in ii nur Hdl. 32,2 höti
haztr sona das zugehörige nomen in enklise zu sich zwingt, indem es mit
ihm eine tonisch einheitliche adverbialformel bildet. Hinsichtlich der alli-
teration muss es als normal gelten (vgl. s. 131, 8), wenn das erste glied der
formel in i stets mit alliteriert, mag es nun die erste oder die zweite
hebung einnehmen , ebenso wenn es in dem genannten ii Hdl. 32, 2 allein
alliteriert. — Betreffs der proklitisch erscheinenden inn, at in den 4 anderen
II vgl. § 27.
2) In den anderen fällen ohne begriffliche bindung des
volladv. mit einem der nomina ist die Stellung des adv.
wichtig, da es als schwächer betontes wort nur dann eine
hebung beanspruchen kann, wenn die nomina in einem engen
rectionsverhältnis stehen. Es zeigt sich hier ein ähnliches
bild wie s. 141 f.: ein grund mehr, die nachdrucksstärke des
volladv. der des voUverbs gleichzusetzen. Folgendes material
steht zui' Verfügung:
Stellung «: Adverb + nomen + nomen: i: Typus C: HH. 1,
36,9. — Typus D^: Hym. 35,3. — ii: Typus D: Hym. 2,8. G^ 3,1,2.
— Stellung ß: Nomen + adverb + nomen: i: Typus E: Br. 13, 7. —
ii: Typus E: Hym. 34, 4. Grt. 23, 8. HH. 1, 50, 2. — Stellung y. Nomen
+ nomen + adverb: i: Typus A: A': G]>. 2,9,7. — A'«: Vsp. 66,3.
— Typus E': Grp. 26,3. — ii: Typus A: Hym. 24,4. 33,8. Ep. 6,2
(= 20, 2. 33, 6). HH. 1, 29, 2. Grp. 10, 6. Fäf. 33, 6. Sg. 2, 6. Gp. 2, 23, 2.
Od. 31, 2. — Typus E: Vsp. 53, 2.
B S.träge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. ][J_
1G2 WENCK
Wie oben ist bei zwisclienstellung- des adv. (,?) die bilduiig einer
nomiualfoimel ausgeschlossen. Das adv. ist jedoch träger der nebeuhebung.
Die bedeutung der begrifflichen bindung zeigen prk. 24,4 ql fram horit,
Grt. 17, 6 \\vilp vel gefa, in denen bei gleicher Stellung das adv. die zweite
hebung (eines D) erhalten kann, da es mit dem zweiten nomen (= inf.,
part.) zur verbalformel (s. 152) verschmilzt. Die Stellung a ist sehr schwach
vertreten, und jedenfalls deshalb so unbeliebt, weil das adv., wenn es nor-
malerweise in erster hebung stand, mit dieser Stellung zugleich die alli-
teration (in ii die alleinige')) und das dynamische übergewicht bekam,
andrerseits wenn es in Senkung vorausgieng, ebenso unnatürlich gedrückt,
wie es im ersten fall erhöht wurde. Unregelmässig ist also HH. 1, 3G, 9
opt sp> ?,ogin (vgl. s. 152. 160), wo das adv. (temp.) proklitisch sein muss.
Ebenso fehlerhaft ist H}Tn. 2,8 opt sumhl gera, wo dasselbe adv. trotz
mangels einer formel in erster hebung steht: ein untrügliches zeichen für
skaldische techuik. — Die Stellung / ist am allerhäufigsten, besonders in ii,
wo sich wider das § 18, 8 (s. 131) erörterte stilprincip geltend macht. Das
adv. trägt durchgehends die zweite hebung (vgl. § 20, 5, s. 148). Ist dies
in den versen mit einer nominalformel (vgl. § 18, 3 und -1) ohne weiteres
klar, so könnte man bei Od. 31,2 iar sund yfir schwanken. Die anomale
enklise des zweiten subst., das zum ersten nicht in einem rectionsverhältnis
steht, lässt sich dadurch rechtfertigen, dass hier der einzuschlagende weg
schon im begriffe des schiffes eingeschlossen ist.
3) Pronominales adverb stellt in Verbindung mit zwei
nominibus, wie zu erwarten, nie in hebung. In den beiden
belegen (Sg. 46,3. Hei. 3,7) ist es proklitisch.
C. Adverbium, verbum finitum und nomen.
a) Yolladverbium + verbum + nomen.
§ 31. 1) Vollverbum. Material:
Stellung 1: Nomen + verbum + adv.: Erste halbz.: Nomen
und adv. in hebung: Typus A: A': Vsp. 50,1. 51,1. — A^: Ysp. 3,5.
4,5. 5,1. 28,1 (=Sg. 6,1). 36,1. 52,1. HHv. 6,5. — Typus E: E': Hdl.
44,5. Sg. 7,1. — V: Vkv. 20,3. — Zweite halbz.: vacat.
Stellung 2: Nomen + adv. + verbum: «) Nomen und adv. in
hebung: Erste halbz.: Typus D>: HH. 1,23,3. Gji. 2,36,3. — Zweite
halbz.: Typus D: Sg. 51,4. — ß) Nomen und verbum in hebung:
Erste halbz.: vacat. — Zweite halbz.: Typus E: Hym. 14, 2.
Stellung 3: Verbum -\- nomen + adv.: u) Verbum und nomen
in hebung: Erste halbz.: Typus A^: Hym. 34, 5. — Typus D-: Hdl.
42,3.— Zweite halbz.: Typus D: Vsp. 50, 2. 59,6. 66,6. Grt. 23, 6. HH.
2,2,6. — ß) Nomen und adv. in hebung: Erste halbz.: Typus B':
Ghv. 6,1. — Typus C: C': HH. 2,50,5. — C^: HH. 2,10,5. — Zweite
') Vgl. s. 131, 8. 144, 3.
ALLITERATION IM EDD. FORNTEDISLAG. 163
halbz.: Typus B: HH. 1,56,2. — Typus C: Hyrn. 12,4. Bdr. 7,4. HH.
1, 37, 4. 41, 2.
Stellung 4: Verbum + adverb + nomen: a) Verbum und nomen
in hebuug: Erste halbz.: Typus A: A^: prk. 2,3. 22,3. 30,3. HHv.
39,1. Sg. 53,1. G]->. 3,8,1. — A'^: Vkv. 24,7. 35,3. HH. 1,49,1. Sg. 2G, 1.
Gf . 3, 9, 5. — A^: Vkv. 24, 1. 34, 5. Grt. 3, 5. Grp. 5, 5. Sg. 65, 5. Gp. 2, 40, 1.
— Typus E: E': Hym. 10,5. — E^: HH. 2,36,1. — E^: Ysp. 33,1. HH.
2,51,1. Sg. 34,5. — Zweite halbz.: Typus A^: Gp. 2,1,4. Ghv. 14,2.
— Typus El; HH. 1,26,8. 33,2. Gp. 1,15,6. Sg. 23,6. 25,4. Typus Fa»:
Ep. 38, 8. — ß) Adverb und nomen in hebung: Erste halbz.:
Typus B: B^: Vsp. 19, 7. — B^: Grp. 35, 5. — Typus C»: HjTn. 14, 7. 21, 1 A.
— Zweite halbz.: Typus C: Ghv. 18, 6.
Stellung 5: Adverb + nomen -\- verbum: «) Nomen und ver-
bum in hebung: Erste halbz.: vacat. — Zweite halbz.: Typus C:
Sg. 44,10. Gp. 2,6,2. — ß) Adverb und verbum in hebung: Erste
halbz.: vacat. — Zweite halbz.: Typus E: prk. 2, 2 (= 3, 4. 9,10. 12,4
= Br. 6, 4 = Od. 3, 10).
Stellung 6: Adverb + verbum + nomen: «) Adverb und
nomen in hebung: Erste halbz.: Typus A: A': Ep. 2,5 (=14,5).
Hdl. 11, 1. Bdr. 3, 5. 14, 1. Vkv. 9, 3. Gp. 1, 14, 1. Gp. 3, 11, 7. Od. 7, 5. —
A^: Vsp. 26,5. 27,5. 40,1. 46,5. Hym. 12,5. 29,3. prk. 29,1. Hdl. 10,7.
Bdr. 2, 1. Vkv. 4, 7. HH. 1, 36, 1. HH. 2, 14, 3. Sg. 25, 1 (= 29, 3). — A^: Ep.
1, 1. Bdr. 7, 1. 14, 3. Vkv. 16, 1 (= 30, 1). 36, 5. 39, 1. HH. 1, 10, 1. 26, 1.
48, 5. HH. 2, 15, 1. 38, 1. 42, 1. Br. 6, 1. Sg. 33, 3. 42, 1. (}\>. 3, 5, 1. Od. 4, 5.
— Typus E': Fäf. 41,8. — Zweite halbz.: Typus A: HH. 1,4,8. HH.
2,25,6. Grp. 38,8 (=50,8). Od. 7, 6. — Typus E: Vsp. 38,4. Ep. 26,4.
— /9) Verbum und nomen in hebung: Erste halbz.: Typus C: Vkv.
19,1. — Zweite halbz.: vacat.
Als stärkst betontes wort hat das nomen stets eine liebimg
zu beanspruchen.
Nui- in einem öfters widerkehrenden vers der Stellung 5: prk. 2, 2 etc.
slls fyrst um Icvap ist es (ein adj.) von der hebung ausgeschlossen, und
zwar mit recht, da es mit dem steigernden adv. zu einer adverbialformel
verschmolzen ist (vgl. s. 157. 161,1). Das andere extrem, nach dem beide
hebungen im nomen liegen würden, kommt neben einem voUverb begreif-
licherweise nicht vor.
Somit erhebt sich die frage, welcher der an sich gleich-
berechtigten concurrenten die zweite hebung einzunehmen hat.
Hier ergeben sich erhebliche Verschiedenheiten nach den sechs
möglichen Stellungen.
Die einzelnen Stellungen sind nicht gleich häuüg. Am bevorzugtesten
ist in I Stellung 6 (43 von 90 i), am nächsten kommt ihr Stellung 4 mit 27
belegen, die übrigen sind niu- spärlich vertreten (Stellung 1 13 mal, Stellung 3
5 mal, Stellung 2 3 mal), die Stellung 5 fehlt ganz, weil sie dem satzaccent
zuwider sein würde (s. unten).
11*
1G4 WENCK
In II bietet sich ein ganz anderes bilil. Das abnehmen der belege in
II (I DO : II 31)) zeigt schon, dass man die in rede stellende versfiillung in
11 nur ungern verwendete: kein wunder also, wenn hier ein scharf aus-
geprägter gegensatz der Stellungen nicht vorhanden ist: Stellung 3 10 mal,
Stellung 4 9 mal, Stellung 5 8 mal, Stellung 6 7 mal, Stellung 2 Imal, Stel-
lung 1 fehlt vollständig.
Da die verscliiedene liäufigkeit ein untrüglicher massstab
für normalität der einen, anomalität der anderen Stellung ist,
darf es als gesichert gelten, dass die in i vorhersehende Stel-
lung 6 die natürliche Wortfolge darstellt und dem gegenseitigen
nachdrucksverhältnis der drei Wörter am besten entspricht.
Da das adv. nach § 24 die erste hebung '), das stärker betonte
nomen aber die zweite einnimmt, war diese Stellung zugleich
für die aufsteigende erste halbzeile besonders geeignet. In
gleichem masse widerstritt sie dem absteigenden rhvthmus des
zweiten halbverses. Für ii wäre daher Stellung 2, bei der das
nomen vorangeht und ebenfalls die bildung einer verbalformel
ermöglicht ist, sehr passend gewesen. Doch ist sie ganz und
gar abhängig von der metrischen qualität des Sprachmaterials,
weil das adv. nur in zweiter hebung eines D^) uachdi'uck genug
erhalten konnte, um anstandslos über das folgende verbum
zu dominieren (s. oben s. 1G2). Eine Umstellung zu Stellung 2
wäre also nur in den 6 E angängig gewesen. Es ist somit
ganz erklärlich, dass sich nur zwei belege für Stellung 2 in ii
finden: Hj'm. 14, 2 Imgr vel ])ds sd muss als E genommen
werden, da das adv. begrifflich zu dem in i stehenden verb.
fin. gehört.
Bei der invertierten Wortfolge : verbum + adv. (Stellung 1
und 4) besitzt nach § 24 das adv. unzweifelhaft das grössere
tongewicht, ohne dass das verbum proklitisch wäre. Tritt
also ein nomen vor verbum + adv. (Stellung 1), so steht das
*) Nur in dem isolierten beleg für ß,ß: Vkv. 19,1 nü ben* Bgpvildr
steht das temp.-adv. in eingangssenkung (vgl. § 19, b. 32, 1).
2) Die bildung eines D-veises war durch die einsUbigkeit der adv.
(adv.-präp., da enge begriffliche bindung Voraussetzung ist) sowie der verb.
fin. sehr erschwert, wenn man nicht zu flickwörtern seine zullucht nehmen
wollte: Sg. 51,4 orp vipr um Jcvap (vgl. s. 130). Trotz des fehlens von N"
in den zwei belegen kann nur rhythmisierung als D eintreten, wie auch
aus Otfrids accentuicrung hervorgeht: vgl. Otfr. 1,20,9b zahuri üz fluzzun
(s. § 53).
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 165
adv. ganz correct in zweiter hebung, während das verbiim in
der Senkung der A den ihm eigenen nebenton erhalten kann,
in den E regekecht die nebenhebung bildet. Stellung 1 wäre
also auch für ii geeignet gewesen, da das nomen die erste
hebung und den hauptstab bekommen hätte. Das starke
hervortreten der doppelalliteration in i erklärt jedoch das
fehlen der Stellung 1 in ii (s. unten). Tritt dagegen ein nomen
hinter verbum + adv. (Stellung 4), so steht bei Schema a in
22 beispielen von i und 8 von ii das adv. dem bisher erörterten
zuwider in Senkung. Ebensowenig können a priori bei schema ß
die 3 C und 2 B von i und das 1 C von ii, in denen das adv.
die erste hebung bildet, dem satzaccent entsprochen haben,
da das nomen trotz seines grösseren tongeAvichts die schwächere
hebuug des verses einnimmt und in den C sogar in enklise
zum adv. steht. Zur richtigen beurteilung ist wider die be-
griffliche bindung ins äuge zu fassen.
Die rhythmisieruug « ist zunächst bei den versen normal, in denen
das adv. (ein rein steigerndes) zum nomen gehört. Wie oben bemerkt, ist
es als nach Wirkung alter technik zu betrachten, wenn svä in HH. 2, 36, 1
sitlri svd scel nach analogie von HH. 2, 51,1 verß[u eigi]at svä cßr (Sievers,
Beitr. 6, 321), Sg. 65, 5 Iät[tn] svä \>reipa und til in Sg. 34, 5 varpJcaJc til
ßngp^) (Bugge, Ark. 2, 119), Sg. 26, 1 ä/t til wngan in Senkung (bez. neben-
hebung^)) steht. Ferner ist die tonlose Stellung dem natürlichen gewicht
einiger localer und temporaler adv. (nü, vgl. anm. 1) ohne zweifei angemessen.
Bezeichnend ist es, dass diese wörtchen (es handelt sich hauptsächlich iim
Mr: HH. 1,49,1. HHv. 39, 1. Grp. 5, 5. Gp. 2,40,1, und nü: Drk.2, 30- Gp.
3, 8, 1. 9, 5) metrisch z. t. (her an allen stellen, nü in Gp. 3, 8, 1) überflüssig
und wol mit Sievers (§ 36, 13) zu tilgen sind. Höchst unsicher ist, ob ütan
in Vkv.24,7 sveip [hann] ütan silfri (ähnl.35,3) normalerweise in Senkung
steht. In einem weiteren fall , Vsp. 33, 1 pö ceva hendr, kann man wegen
N^ zwischen den beiden rhythmisierungen a und ß schwanken. Erstere («)
3) AVährend svä nach unten zu citierenden versen (§ 33) als neben-
hebung ganz angemessen erscheint, ist die stärkere betonung des gewöhn-
lich proklitisch verwendeten tu sehr auffällig: die hsl. la. varpek til muj
wäre als Fa^ zu nehmen.
*) Da in prk. 2, 3 h.eyr\J)u\ nü, LoJci dem temp.-adv. Avegen der Ver-
kürzung der zweiten hebung ein nebenton zukommen müsste, ist eine Um-
stellung vorzunehmen: vgl. Vkv. 19, 1. Die enklise des subst. ist wenig
bedenklich, da es sich um einen vocativ handelt. Das im folgenden hervor-
zuhebende, besondere verhalten des voc. ist auf dessen melodischen eigen-
schafteu als eingeschalteter, selbständiger satz zurückzuführen: vgl. z. b.
nhd. friss, vogel, oder stirb.
166 WENCK
dünkt mich wahrscheinlicher, da das tenip.-adv. kanni mehr als eine nefjation
ist (vgl. ei(ji s. IGO) nnd jiroklise des sinnvolleren verh. fin. fehlerhaft Aviire
(vgl. Ysp. 19, 5 sicndr Je of grocnn [so nach Sijmons etc.]). Sehr auffällig
ist Grt. 3, 5 hap enn meyjar | (at mala sl-i/hJtt). Vielleicht darf umgestellt
werden. Gegen den satzaccent Verstössen entschieden die verse von ff, in
denen es sich um eine adv.-präp. handelt (erster halbvers: Tj'pus A:
prk.22,3. 30,3. Vkv. 24,1. 34,5. Sg. 53,1. — Typus E: Hym. 10,5. —
Zweiter halbvers: Typus F: E}). 38, 8. — Typus E: EH. 1,26,8.
33, 2. G\>. 1, 15, 6. Sg. 23, 6. 25, 4). — Bei der schon oben s. 164 betonten
abnähme der belege in ii ist es selir merkwürdig, dass sich in ii eine gleich
grosse zahl dieser anomalen verse vorfindet. Die Vermutung, das reim-
bedürfnis möge dabei eine rolle mitgespielt haben, ist daher ^^■ol nicht von
der band zu Aveiseu. Entscheidend werden wol rhythmische gründe gewesen
sein. Wie in H^'m. 14, 7 baji senn jgtunn \ (ajößa ganya) wäre auch in
den 5 A von i das nomen in enklise zum adv. getreten, wenn dieses die
erste hebung hätte tragen sollen. Wegen des bedeutenden tonübergewicbts
des nomeus über alle anderen Avortklasseu muss eine solche widernatürliche
drückung als fehler empfunden worden sein. Dafür spricht auch die iso-
lierung (s. unten) des genannten C-verses, ferner die beiden /? i B : Grp. 35, 5
heiir iljötl{ig\a igr, A'sp. 19, 7 siendr x of grocnn, in denen das adv. nur
deshalb die bebung erhalten hat, weil das nomen eine rhythmisch selb-
ständigere hebung einnehmen konnte. Allerdings müssen dann die E dop-
pelt befremden. Da in i nur 1 E begegnet, in ii aber 5, dürfte hier das
reimbedürfnis in anschlag zu bringen sein. Zweifelhafter ist es, ob auch
eiufluss des logischen accents (vgl. § 18, 4, g, s. 127) anzunehmen ist: z. b.
Hym. 10, 5 gclck inn i sal, desgl. Sg. 53, 1. 25, 4, avo die durch die adv.-
präp. veranschaulichte richtung durch das verb der bewegung und das
nom. schon bestimmt ist. Was die tonstärke des nachgestellten adverbs
anlangt, so muss dieses nach ausweis der E und von prk. 30,3 \)erip inn
liamar (desgl. Vkv. 24, 1. 34, 5, wenn da nicht die ältere form haufuß einzu-
setzen ist) einen starken nebenton besessen haben. Dasselbe gilt auch von
ütan (Vkv. 24, 7. 35, 3) und würde auch auf die beiden A^ von ii (Gp.
2, 1, 4 unnalc vel hroeprum, Ghv. 14, 2 Jnigpumk fyrr hetra) zu übertragen
sein, wenn sich nicht der gedanke an besserung durch umstellen (vgl. die
unter Stellung 3 aufgeführten belege) so gewaltsam aufdrängte. Die letzt-
citierten beiden verse illustrieren den anomalen Charakter der verse oben
z. 6 f. aufs beste. Von einer Übereinstimmung mit dem satzaccent kann
nicht die rede sein: auch nhd. ist die nachgestellte präp. stärker betont
als das verb. fin. Ausserdem ist nicht aus dem äuge zu verlieren, dass die
beispiele für iN' und Ji den s. 138 besprochenen ausnahmen anzureihen
sind. Von den ^-i^-beispielen sind i Vsp. 59,1 ser Mpp koma, ii Ghv. 18, G
?(W[/j<] \\in!g renna wegen der begrifflichen bindung des adv. mit dem
verbalnomen (vgl. § 30, 2) ganz correct. Einer rbytbmisierung D— C steht
ebenfalls nichts im wege. Die beiden C von ß sind offenbar durch das
sprachniaterial (C3) hervorgerufen. In Hym. 14,7 macht sich ausserdem
das Hildebrandsche gesetz geltend. Hym. 21, 1 drü mein- Hymir ist wol
überhaupt auszuscheiden, da die la. von K m^rr technisch einwandsfrei
I
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 167
und trotz Bugges bedenken (z. st.) zu bevorzugen ist. Hinsichtlich der
alliteration sind Hjm. 14, 7 (Hym. 21, 1 A) wie Vsp. 19, 2 wegen des mangels
von doppelalliteration fehlerhaft.
Sind adv. und verbum getrennt (Stellung 3 und 5), so kann
das adv. nur dann im einklang mit dem satzaccent voranstellen,
wenn es mit dem nomen begrifflich gebunden ist (vgl. prk. 2, 2
etc. und das fehlen von i- belegen flu- Stellung 5).
Die ii-heispiele der Stellung 5: Sg. 44,10 enn mein Tcomi, G}\ 2,6,2
\en(ji hiigir deildusl; in denen das adv. zum verhum gehört, sind sichere
zeichen mangelhafter technik , weniger vielleicht der vers Gp. 2, 6, 2, auf
den das s. 153 fussnote zum zugehörigen ersten halbvers bemerkte auszu-
dehnen ist. Wegen der Unsicherheit des sinnes (vgl. Gering, Gl. s. 211, 28)
ist in Sg. 44, 10 Verderbnis nicht ausgeschlossen.
Wie bei Stellung 4, so zeigt sich auch bei Stellung 3, in
der das adv. an letzter stelle steht, ein schwanken.
"Wähi'end in 1 B, 2 C von ß i und in 5 ii (1 B, 4 C) das nomen die erste,
das adv. die zweite hebung einnimmt, steht nach ausweis der alliteration
in den 1 A^, 1 D- von «i und öD^ von ii das verbum in erster hebung,
das nomen in zweiter, ohne dass eine andere begriffliche bindung eingetreten
wäre. Der Widerspruch ist nur durch die annähme der rhythmisieruug
D— C (D — B) zu lösen, die dem verbum und adv. gleich viel nachdruck
verleiht. Die alliteration des verbums in den 5 D von «ii [Vsp. 50, 2 hefsk
lind fyrir etc.] ist durch die lebhaftigkeit der Schilderung veranlasst (vgl.
§ 19, b, s. 139). Die enklise des adv. in den D einerseits, den C (B) andrer-
seits, noch stärker ausgeprägt in Hym. 34, 5 hd/sZ; « hgfiip upp, hat im
nhd. ihre parallele: er schoss die flinte ab, er Jiob das bündel auf etc. Die
tilgung von ujyp in Hym. 34, 5, die Sievers, Beitr. 6, 301 vorschlägt, ist also
nicht unbedingt notwendig. Die hebungsfähigkeit des adv. in der genannten
Stellung hängt, wie die beispiele zeigen, von der silbenzahl ab (s. unten).
Der eine fall mit doppelalliteration ist sicher nui' zufällig und kann kein
argument gegen den ansatz der rhythmisierung D— C (D — B) sein.
2) Hilfsverb um. ]\Iaterial:
Stellung 1 (vgl. s. 162 f.): Nomen und adv. in hebung: Erste
halbz.: Typus A: A*: Eg. 13, 1. Bdr. 5, 8. — A^: Fäf. 42, 3. — Typus E:
E': HH. 2,50,1. — E^: Hdl. 14,1. Ykv. 33,1. — Zweite halbz.: vacat.
Stellung 2: vacat.
Stellung 3: «) Nomen und adv. in hebung: Erste halbz.:
vacat. — Zweite halbz.: Typus B: Grp. 5, 6. — Typus C: HH. 1, 43, 8.
— ß) Conj. und nomen in hebung: Erste halbz.: Typus A^: HH.
1, 50, 3.
Stellung 4: cc) Verbum und nomen in hebung: Erste halbz.:
Typus A^: HH. 1,50,11. — Fa^: Fäf. 36,1. — Typus E^: HH. 2,33,11.
— Zweite halbz.: vacat. — ß) Adv. und nomen in hebung: Erste
halbz.: Typus C'-: Sg. 11,1. 45,9. Od. 29, 1. — C-: Od. 14, 1. — Zweite
168 WENCK
halbz.: Typus C: IIH. 2, 27, 8. G}\ 1,24,6. Sg. 32,8. 50,6. Bdr. 8,4
(=10,4. 12,4). Ykv. 10,8. — y) Verbuni und adv. in liebuug: Erste
halbz.: Typus D': Hdl.21,5. — Zweite halbz.: Typus D: prk. 21, 4.
Stellung 5: vacat.
Stellung 6: «) Adv. und nomen in hebung: Erste halbz.:
Typus A: A' : Vsp. 30, 9. HH. 1, 28, 1. HH. 2, 3, 5. Br. 8, 3. 12, 1. — A'^: Vsp.
34, 3. 22, 7. HH. 2, 20, 1. Grp. 9, 1. Kg. 15, 1. Br. 7, 3. Gp. 1, 18, 3. Gp.
2,2,1. Ghv. 15,5. — A^: I)rk. 14,1 (=21,1 = Bdr. 1,5). 26,7 (=28,7).
Hdl. 27, 5. Bdr. 13, 3. 13, 7. Vkv. 28, 5. Grt. 1, 1 (= 16, 1). 17, 5. HH. 1, 53, 5.
HH. 2, 13, 7. HH. 2, 22, 1. 37, 1. 44, 1. 46, 1. 46, 9. HHv. 6, 1. Grp. 14, 1.
43,1. Kg. 17,1. 18,5. G)?. 1,2,7 (=5,3. 11,3). 22,1. Sg. 28,7. 49,1.
G^ 2,28,5. 35,1. Gp. 3,10,5. Od. 34,7. — Zweite halbz.: Typus A:
Vsp. 12,6. 66,8. Hym. 39,6. Bdr. 7,8 (=9,8. 11,10). Sg.71,8. — /) Das
nomen in hebung: Erste halbz.: Typus C: Grp. 25,1.
Die hier auftretenden Verhältnisse sind von den eben
erörterten notwendig verschieden. Denn erstens ist nur in
den seltensten fällen eine begriffliche bindung zwischen adv.
und verbum vorhanden. Dafür stellt sich ein logischer Zu-
sammenhang zwischen adv. und nomen ein, das hier natürlich
weit öfter ein verbalnomen ist als in den unter 1 behan-
delten versen. Ferner erhebt sich hier bei der frage, welches
der beiden anderen Wörter die hebung einzunehmen hat, kaum
noch eine Schwierigkeit, da das verbum als das mindert onige
wort hinter dem adv. zurückstehen niuss. Ton 64 i zeigen
nur 4 das verbuni in hebung, von den 18 ii nur ein einziger,
dagegen trug oben das vollverb in 26 i von 90, in 21 ii von
36 die hebung. AVegen der tonlosigkeit des hilfsverbs begegnet
hier auch der fall, dass beide hebungen im nomen liegen: Grp.
25, 1 nü sJial Sigtirjii (vgl. Sievers § 38, 3 und unten § 32, 2).
In einem anderen vers, wo das einsilbige adv. in enklise zum
nomen steht (HH. 1, 50, 3 ])ö's i Sogn üt), überlässt das hilfsv.
einer vorangehenden conj. die erste hebung. Wie oben s. 164,
so nimmt auch hier die zahl der belege in ii bedeutend ab.
Hinsichtlich der häufigkeit der einzelnen Stellungen ergeben
sich einige diffcreuzen. Stellung 2 begegnet wegen des mangels einer
logischen Verknüpfung des adv. mit dem verbum weder in i noch in ii;
desgl. fehlt die oben s. 163 als anomal bezeichnete Stellung 5. Dagegen
stimmt CS zu dem oben erörterten, wenn Stellung 1 in ii durch kein bei-
spicl vertreten ist, wenn ferner Stellung 6 in i weitaus die beliebteste
ist (49 = 76,5 " 'o [vollv. : 43 = 45,2 «/o] )■ Betreffs der berechtiguug der 7 ii
gleicher Stellung s. 164. — Am zweithäufigsten ist die Stellung 4 mit
8 belegen; in ii hat sie sogar die überhand (9). In sämmtlicheu belegen
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 169
von II (mit ausnähme des verses HH. 2, 27, 8 vas ä hrott Tiofup, der als
Verstoss zu betrachten ist) und in den unter ß und y angeführten i-belegen
bilden adv. und nonieii (inf.) eine verbalformel. Der Widerspruch gegen die
normale tonlosigkeit des hilfsv. ist daher weniger stark, wenn dieses in den
beispielen von y (Hdl. 21, 5 skaZi til ieija, prk. 21, 4 skyldu vel renna) die
erste hebung einnimmt. Ebenso ist es in den 3 beispielen von a träger
der ersten hebung, da HH. 1,50,11 muna nii Relgi das temp.-adv. kaum
mehr als ein füllsei ist (s. 165), in Fäf. 36, 1 esat svä horskr das wort
svä regelmässig proklitisch steht, und in HH. 2,33,11 hefpir eigi mat^)
die negation ganz correct die nebenhebuug bildet. — Die Stellung 3 ist
in I nur durch den s. 168, 12 v.u. augeführten vers HH. 1, 50, 8 (mit völlig
enklitischem adv.) vertreten. In den ii steht das adv. in zweiter hebung
eines B oder C, in Stellung 1 ebenfalls in zweiter hebung. In den 3 E
der Stellung 1 muss das hilfsv. die nebenhebung tragen.
3) Was die bisher nur gelegentlicli berührte allite ratio n s-
st eilung- angeht, so sind zunächst die verse auszuscheiden,
deren hebungen vom nomen und verbum eingenommen werden
da sie sämmtlich der s. 137 f. gegebenen beurteilung unterliegen.
Hier kommen in erster linie die fälle in betracht, in denen
adverbium und nomen träger der hebungen sind.
Steht das adv. in zweiter hebung (Stellung 1 — 3), so alliteriert es
nur in Stellung 1 in der mehrzahl der fälle (8 A^: vollv.). Die beiden A^
enthalten npr. in erster hebung, die beiden E^ das temp.-adv. nü in zweiter
hebung. Das isolierte E^ Vkv. 20, 3 vel gorpi heldr verstösst gegen die
rhj'thmische qualität des typus E ebenso wie gegen den satzaccent {\gl.
s. 152). Das fehlen von doppelalliteration ist auch in den D der Stellung 2
auffällig, da das adv. als erstes glied einer verbalformel ein über das nor-
male hinausgehendes tongewicht besessen haben muss (vgl. s. 161). Wegen
der enklise des adv. in Stellung 3 ist N^ ganz correct (zu dem isolierten
N2 vgl. s. 129): kein wunder also, dass sich in Stellung 3 fünf ii und drei i,
in Stellung 1 dreizehn i und kein ii gegenüberstehen. Die belege der
Stellung 2 sind zu dürftig, als dass sie zu einem bindenden Schlüsse be-
rechtigen könnten. Die belege der Stellung 3 beim hilfsv. gehen mit denen
beim vollv. zusammen. Bei Stellung 1 ergibt sich ein unterschied, insofern
N^ und N^ (je 2) gleich stark vertreten sind. N^ ist nur in HH. 2, 50, 1
berechtigt, wo das adv. nü die zweite hebung einnimmt. Das fehlen von
doppelalliteration muss bei der abweseuheit von ii- belegen der Stellung 1
der mangelhaftigkeit der techuik zugeschrieben werden.
5) Es ist daher kaum nötig, mit Sievers, Beitr. 6, 321 hefpir mafki zu
lesen; es würde damit zugleich der einzige grund wegfallen: die abneigung
des typus E gegen N^, der für die alleinige alliteration des absolut ge-
brauchten hilfsv. angeführt werden könnte. Der mangel von W bleibt
allerdings fehlerhaft, kann aber nach dem bisher erörterten im zweiten Helgi-
liede kaum befremden.
170 WENCK
Pas a»lver1»iniii sti-lit in 1. hebung bei stellinipf 4 mid 6. AVasstel-
lung 4 betrifft, so ist bereits s. 165 festgestellt, dass in 3 N'-belspielen von i
(Hym. 14, 7. 21, 1 Ä. Vsp. 19,7) wegen des Widerspruchs zwischen der vers-
nnd satzbetoining doppelalliteration erforderlich gewesen wäre, dagegen in
den übrigen fallen ^'' der natürlichen betonung der verbalformel entspricht.
In den fällen mit hilfsv. herscht logische bindung des adv. und verbal-
nomeus vor. Nur der genannte ii-vers des zweiten Helgiliedes (27, 8) bildet
eine ausnähme. Pas anwachsen der belegzahl in ii ist ein neuer beweis
für die tonische Verschmelzung der adv. mit dem inf. (part.).
Für die Stellung 6 erhalten wir nach abzug des einen «-belegs
(typus E) von i (Fäf. 41,3 iram visa sJcgp) im typus A folgende zahlen:
a) vollv. 1 9 A» (5 upr.) 14 A» (5 npr.) 18 A» (11 npr.) | ii 7 = 5 A», 2 E'
b) hilfsv. I 5 A' (— ) I 9 A« (5 npr.) [ 34 A^ (7 upr.) | ii 7 A«.
Pie N-'' zeugen für raindertonigkeit des adv. Per unterschied zwischen
den Versen der gruppen a und b ist deutlich: in a überwiegt N^ weit weniger
über N^ und N'* als in b. Per grund dieser differenz ist jedoch nicht in
der Verschiedenheit des nachdrucksgrades der beiden verbalkategorien zu
suchen, sondern in der Verschiedenheit der begrifflichen bindung, die in
den beispielen unter a hauptsächlich zwischen adv. und vollv., in den fällen
unter b vorzugsweise zwischen adv. und nomen (verbalnomen) besteht.
"Während im ersteren fall das adv. als erstes glied einer verbalformel ein
grösseres tongcwicht als gewöhnlich besitzt und deshalb auf alliteratiou
ansprach erhebt, wird im letzteren fall die notwendige folge enger logischer
Verknüpfung, die enklise des zweiten Wortes, durch das zwischentretende
verbum aufgehoben (vgl. s. 146 f.). Ausserdem ist ein unterschied zwischen
adv.-präp., nominalem adv. und localem und temporalem adv. zu bemerken.
Pie letzteren sind besonders zahlreich in den bei.spieleu von b und erklären
das überwiegen von N*. Ebenso findet sich in den verseu von a mit den
genannten adverbien N* in der mehrzahl, während bei den adv.-präpositionen
und adverbien nominalen ui-sprungs doppelalliteration beliebter ist als N'
(a: adv.-präp. 5 : 3). Ist daher für diese die doppelalliteration, für jene N^
das normale, so müssen die verse mit N' als ausnahmen gelten. Auch hier
zeigt sich wider die alliteratiouserschwerende ■N^irkung der npr. (vgl. die
eingeklammerten zahlen der tabelle). Nach abzug dieser verse würde in
gruppe a doppelalliteration, in gruppe b N^ am stärksten vertreten sein.
Von den N^ von a bleiben nur 4 übrig: Hdl. 11,1 m'i lat forna \ {m'pja
talpa) verstösst ausserdem gegen das Hildebrandsche gesetz. Ykv. 9, 3 (h
braun hrisi ist wol verderbt: R här. In Kp. 2, 5 = 14, 5 i»« nam at ganga,
Avo die verbalformel zerrissen ist, vertritt offenbar die parallele alliteration
die fehlende doppelalliteration (§ 58). Pie N^ von b Aveisen selbst ein npr.
nicht auf. In dem zu Vsp. 30, 9 nü' rü talpar gehörigen zweiten hemistich
steht ein solches. Zu HH. 2, 3, 5 heldr es samri vgl. s. 157. Br. 8, 3 \el
sJcuhiß njöta, 12,1 iram ras kvelda, HH. 1,28, 1 svä vas at hci/ra scheinen
rhetorisch beabsichtigt zu sein. Wenn man jedoch für srü in gruppe a
1 A', 2 A», 3 A^*, in gruppe b 1 A', 3 A^, 7 A^ findet und ferner ii Sg. 71,8
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 171
svd mimJc lata mit i Gp. 2, 28, 5 svd sJcalt lata oder ii Hym. 39, 6 xel shdu
drcklca mit i HH. 2, 46, 1 vel slculu äreJcIca vergleicht, so sieht man wider,
wie unsicher diese annähme ist.
Wegen der augenscheinlichen willkür in der alliterationssetzung ist
auch die beurt eilung der ii unsicher. Die ii mit typus A in gruppe a
gehören sämmtlich jüngeren liedern an, und könnten somit dem niedergang
der technik zugeschrieljen werden. Nur Od. 7, 6 rikt göl Oddrün (vgl. § 58)
steht als rhetorisch gerechtfertigte ausnähme wegen des parallelisraus mem-
brorum fest. Ausser den s. 170 f. erwähnten ii der gruppe b begegnen
noch 5 II, die sämmtlich das temp.-adv. nü aufweisen.*') Vsp. 12,6 m'i
hefk dverga darf dem iuterpolator als fehler angerechnet Averden. In den
übrigen beispielen : Vsp. 66, 8 n« mun [/lOw] seMcvasJc, Bdr. 7, 8 etc. nü munlc
pegja ist die absieht rhetorischer hervorhebung des adv. nicht ausgeschlossen.
— Zu den genannten N' mit inf. (part.) in zweiter hebung ist noch zu be-
merken, dass die verbalen nomina mit den nominalen gleichbehandelt werden:
Gruppe a: inf.: je 2 N', N^, N»; i)art.: — ; — Gruppe b: inf.: 2 N', 1 N^,
6N3; part.: INS 4 N'*.
Ferner sind die vereinzelten verse zu erörtern, in denen adverbium
und verbum träger der hebungen sind. In prk. 2,2 etc. alls fyrst um
kvap ist die alleinige alliteration des adv. regelrecht, da es als erstes glied
einer formel grösseren nachdruck als das vollv. besessen hat. Aus diesem
gründe sind die beiden D' (hilfsv.) von i y, in denen ein hilfsv. vor der
verbalformel allein alliteriert, fehlerhaft, da dem zusammenhange nach ein
anlass zur besonderen auszeichnung des hilfsv. nicht gegeben ist.
b) Pronominales adverbium + verbum + nomen.
§ 32. 1) Material:
a) Vollverbum: Stellung 1 (vgl. s. 162 f.): Nomen und adv. in
hebung: Erste halbz.: Typus E^: Kj'. 2,7 (= U, 7). 15,1. Hdl. 11,5.
— Zweite halbz.: vacat.
Stellung 2: vacat.
Stellung 3: «) Verbum und nomen in hebung: Erste halbz.:
Typus A: A^: Vsp. 42,1. Gp. 3,10,1. — A^: E}?. 36,1. Vkv. 4,1 (=8,5).
HH. 1,31,1. Er. 10,1 (= Sg. 30,1). G}7. 2,8,1. — Typus E^: Gp. 3,11,5.
— Typus F: Drk. 5,1 (=9,1). Ep. 16,1. — Zweite halbz.: vacat. —
ß) Adverbium und nomen in hebung: Erste halbz.: Typus C:
Vsp. 39, 1. — Zweite halbz.: vacat.
Stellung 4: u) Verbum und nomen in hebung: Erste halbz.:
Typus A: A': prk. 15,5. 19,1. — A^: Hdl. 18,3. — A^: G}?. 2,5,5. —
Zweite halbz.: vacat. — ß) Nomen und adv. in hebung: Erste
halbz.: Typus C: Ep. 26, 1. G]7.2,ll,l. — Zweite halbz.: vacat.
Stellung 5: Nomen und verbum in hebung: Erste halbz.:
Typus ßi: Hym. 18,7. Od. 1,3. — Typus C: C^: Grp. 37,5. 43,5. —
0) Nk begegnet in i gruppe a 2 mal (: 1 NS 1 N«: kein verbalnomen),
in I gruppe b 11 mal (: 1 N' [part.], 10 N^ [3 inf., 4 part.]).
172 WENCK
C: 11(11. 7,5. im. 2,1,7. — Zweite halbz.: Typus B: Ysp.22,2. 28,2.
28,8. RJ>.39,4. 45,6. — Typus C: Vsp. 3, 2. 5,6. 5,10. HH. 1,47,8. 53,8.
HH. 2, 9, 2. Sg. 19, 2. Od. 24, 4.
Stellung ß: «) Adverb und nomen in hebung: Erste halbz.:
Typns A: A*: HH. 1,22,5. — A^: Ysp. 19,5. 20,1. 39,7. 53,1. 55,1. 5<), 1.
65,1. G6, 1. prk. 20,1. 25,3. E}>. 4,1. 10,1. 18,1. 31,1. Hdl. 42,5. 44,1.
Bdr. 4, 1. Vkv. 13, 1. 26, 1. 34, 3. HH. 1, 4, 3. 9, 1. 15, 1. HH. 2, 14, 7. Faf.
33, 1. G]->. 1, 4, 1. 9, 1. Hei. 8, 1. Gp. 2, 17, 1. Od. 13, 1. 32, 1. Gliv. 1, 1. -
Zweite halbz.: vacat. — ß) Yerbum und noraen in hebung: Erste
halbz.: Typus C: C: G|>. 1,15,1. — C^: Vsp. 35,5. Grp. 4,1. Fäf. 32, 1.
01^.1,16,1. — Zweite halbz.: vacat.
b) Hilfsverbum: Stellung 1. 2. 4: vacant. — Stellung 3: «) Ver-
bum und nomen in hebung: Erste halbz.: Typus A': prk. 24,1. —
RJ\8, 3. — Zweite halbz.: vacat.— ^9) Adv. und nomen in hebung:
Erste halbz.: vacat— Zweite halbz.: Typus C»: HHv. 33, 8.
Stellung 5: Nomen und verbum in hebung: Erste halbz.:
vacat. — Zweite halbz.: Typus A: Od. 25, 6.
Stellung 6: a) Adverb und nomen in hebung: Erste halbz.:
Typus A: A': Rp. 13,9. — A^: Hym. 14,5. HH. 2,7,1. 7,7. — A^: Vsp.
15,1. 34,1. 53,7. 63,1. 64,5. prk. 18,5. 27,5. Ep. 25,7. Hdl. 19,5. 41,7.
42, 7. Bdr. 1, 7. HH. 1, 1, 5. 33, 5. 35, 1. HHv. 33, 11. Grp. 44, 1. Sg. 11, 5.
37,1. 41,5. G]?. 2,43,1. — Typus E': Sg. 37, 3. — Zweite halbz.:
Typus A: Grp. 38,2. — ß) Nur nomen in hebung: Erste halbz.:
Typus C: Vsp. 10,1. Hdl. 16,1. 16,3. Grp. 6,7. 38,5. 51,1. — Zweite
halbz.: Typus C: Hdl. 16, 2.
2) Yollverbiuii. Der bereits s.150 festgestellte naclidrucks-
unterscliied zwischen pron.-adv. und volladv. wird hier Aveiter
gestützt durch das häufigkeitsverhältuis der sechs mög-
lichen Stellungen.
Stellung 2 fehlt wegen des mangels einer begrifflichen biudung des
pron.-adv. mit dem vollv., in ii ausserdem noch alle anderen bis auf
Stellung 5, die oben s. 163 als anomal zu bezeichnen war, hier jedoch wegen
der proklitischen Verwendbarkeit des adv. berechtigt ist. Nur ganz ver-
einzelt empfängt das pron.-adv. so viel tongewicht, dass es selbst ein verbal-
uomeu in euklise zu sich zwingt, a) Ysp. 39,1 sä [hon] ]yar vajja; —
b) HHv. 33,8 sJcylaJc ])ar koma. Können Avir die rhetorik dieser verse
auch nicht nachempfinden, so ist doch absieht hier ebensowenig abzuleugnen,
wie unten beim demonstrativum. — Bei Stellung 6 («) verdankt das adv.
die erste hebung nur rhythmischen gründen (vgl. s. 166 zu Stellung 4).
Nur ein einziges mal alliteriert es mit: HH. 1,22,5 papan beiß ]>en(jiU:
ob nur zufällig, lässt sich nicht entscheiden, da nach ausweis der eben an-
geführten beispiele rhetorische betonuiig möglich ist. — In derselben
stellnng 6 muss das adv., wie Gf». 1, 15, 1 pn hm Giipntn zeigt, unbedingt
in eingangssenkung treten, sobald das vollv. gleichen aulaut hat wie das
nomen (vgl. s. 136). "Wenn s. 164 ' ein analoger fall bei nü (Vkv. 19, 1) be-
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 173
gegnete, so ist dies ein sicheres zeichen für die berührungen der temp.-adv.
mit den pron.-adverbien (vgl. s. 170 f.)-
Steht das adv. unmittelbar hinter dem verbum und folgt das nomeu
in zweiter hebung, so rückt das adv. unweigerlich in die Senkung, und
kann es bei seiner natürlichen tonlosigkeit (meist ist es reines flickwort,
z. t. metrisch entbehrlich) auch nicht den rhythmischen nebenton getragen
haben, den ihm prk. 5, 1. 9, 1 flö pä Lok/, Ep. 16, 1 sat par kona wegen
der Verkürzung der zweiten hebung, desgl. Gp. 3, 11, 5 leiddu pä mey aus
rhythmischen gründen zu vindicieren scheinen. In I)rk. 5, 1 etc. ist also
Umstellung vorzunehmen (vgl. oben s. 165, anm. 4 und Gp. 1, 15, 1), ebenso
in Gp. 3, 11, 5 nach analogie der unter Stellung 4, a aufgeführten beispiele.
Rp. 16, 1 ist als F beizubehalten wegen der Vorliebe dieses liedes für drei-
gliedrige verse (vgl. § 55).
In Stellung 1 erhält das adv. stets eine hebung (vgl. s. 151). Tritt das
nomen zwischen verbum und adv. (Stellung 4), so sinkt das einsilbige adv.
in den 4 Ä^) von a in völlige enklise zum nomen. Auch das zweisilbige
adv. steht in zweiter hebung der 4 C von ß in enklise zum nomen, so
dass zur Vermeidung fehlerhafter enklise des vollverbums die rhythmisierung
D — 0 eintreten kann. Daran ist um so weniger zu zweifeln, als in Stel-
lung 5 das prou.-adv. regelrecht proklitisch ist, wie auch das alleinige auf-
treten dieser Stellung in ii dartut.
Hinsichtlich der alliteration in den versen mit verbum und nomen in
den hebungen vgl. s. 138). In den anderen versen, in denen adv. und nomen
die hebungen tragen, steht, abgesehen von den genannten 6 versen mit
doppelalliteration, nirgends die alliteration auf dem adverbium.
3) Hilfsverbum. Die besonders in ii geringe zahl der
belege mit Mlfsv. ist auf die Stellungen 3. 5. 6 beschränkt.
Da hilf SV. und pron.-adv. gleich tonlos sind, ist hier die mög-
lichkeit gegeben, dass beide hebungen im nomen liegen und
das adv. sammt dem verbum in die eingangssenkung gedrängt
werden: s. die fälle unter 6 ß s. 168 (vgl. Grp. 25, 1 in § 31, 2).
Proklise von adv. + verbum dürfte übrigens an die bedingung ge-
knüpft sein, dass beide mit einander verschmolzen werden können. Da
diese bedingung bei Hdl. 16, 1. 2 nicht erfüllt ist, darf mit Sievers, Beitr.
1) Der tilgung des adv. in Gp. 2, 5, 5 hnipnapi Grani pä, die Sievers,
6,337 (freilich noch vor aufstellung des typensystems) vorschlug, stehen
grosse bedenken entgegen. Bei einem vergleich mit G\>. 2, 7, 1 hnipnapi
Gunnarr ist Gp. 2, 5, 5 metrisch weniger auffällig, würde jedoch bei Strei-
chung von pä fehlerhaft Averden, da einerseits E-verse des Schemas _ 0 x —
zu den Seltenheiten gehören, andrerseits Ev2 anomal ist. Schliesslich würde
die alliteration durch die änderung auf zweiter hebung eines E rücken : ein
rhythmischer Verstoss (§ 54), der nicht erst durch conjectur hergestellt
werden darf.
174 WENCK
G, 340 das liilfsv. getilgt werden. Die beiden verse wären somit den in § 29
(s. IGO) behandelten anzureihen.
Stellung G i.st auch hier die bevorzugteste. Ganz unbeliebt ist Stel-
lung 3, die nur durch 2 belege in i vertreten ist. Stellung G wäre übrigens
auch hier möglich gewesen. Der eine ii-beleg dieser Stellung (HHv. 33, 8)
ist s. 172,2 erwähnt. Stellung 5 begegnet nur in ii Od. 25, G Jmrs "koma nc
sli/Idut. Der anomale auftakt ist entweder mit Sievers, Beitr. 6, 343 zu
tilgen oder durch Streichung von m zur eingangssenkung eines C zu machen.
"Was die all Iteration betrifft, so ist der gleiche anlaut des pron.-adv.
(vom interrogativpron.) in HH. 2, 7, 1. 7, 7 ohne zweifei zufällig. Bei dem
von dem demonstrativprouoraen abgeleiteten adv. ßar (Hym. 14, 5) ist rhe-
torische betonung möglich. Einen fehler enthält der isolierte N'-vers Ef>.
13, 9 pajxin cru Ivomnar, da im gleichen liede 25, 7 derselbe vers die regel-
mässige alliterationsstellung N^ aufweist. Da rhetorische hervorhebung
beim interrogativum und ebenso bei dem davon abgeleiteten adv. sehr
zweifelhaft ist, darf der isolierte iiN'-vers Gi*p. 38,2 \ivi skulum skipta
trotz der anaphorischen widerholung des adv. (i hvi cfegnir ßat) mit grösserer
Wahrscheinlichkeit auf das conto der niedergehenden technik gesetzt werden.
Die alliterationsstellung in Sg. 37, 3 hvart ^kyldak \ega entspricht zwar
dem satzaccent, jedoch nicht dem rhythmischen habitus eines E-verses.
Als weitere anomalie kommt hier die auflösung der zweiten hebung hinzu.
Umstellung zu C2 (hvart vega sh/ldak) liegt auf der liand und empfiehlt
sich auch deshalb, weil man nur ungern ein hilfsv. zur bihluug der ueben-
hebuug heranzieht. Die Stellung des nachfolgenden hilfsv. in zweiter hebung
ist nach s. 139, c normal.
c) Zwei adverbia + nomen + verbuni.
§ 33. 1) Material:
Erste halbzeile: Typus A: A^: Ykv. 14, 1. — A*: Vsp. 44,1 (=49,1.
54,1. 58,1). Hdl. 20,1. — A«: HH. 2,43,1. Br. 6,5. Grp. 4,3. G]>. 1,19,5.
— Typus B: B': Grp. 53,3. — B«: HH. 1,50,9. — Zweite halbzeile:
Typus C: Grt. 5,8.
Nur bei dem stefartigen vers der Vsp. 44, 1 geyr nü Garmr
mjfßi handelt es sich um ein A^ollverbum (die enklise der
beiden einsilbigen adv. wird dem satzaccent entsprochen haben).
Das hilf ST erb um lehnt sich enklitisch an das adv. an (wie in
HH. 2, 43, 1. Grp. 4, 3. Gl'. 1, 19,5. Br.G,5) — mit ihm steht es in
eingangssenkung Grp. 53, 3. HH. 1, 50, 9. Grt. 5, 8 — oder an das
nomen: Ykv. 14,1 gull vas J)ar eigi, Hdl. 20,1 Nanna vas ncestj)ar.
Die beiden letzten verse sind sehr instructiv hinsichtlich des nach-
drucksverhältnisses des volladv. und des pron.-adverbs, insofern das pron.-
adv. sowol proklitisch als enklitisch zum volladv. stehen kann. Svä erhält
in HH. 2, 43, 3 numk svä iegin und demnach wol auch in G}'. 1, 19, 5 numk
svä Vdil einen starken uebeuton (vgl. s. 1G5, aum. 3). Die proklitische Stellung
ALLITERATION IM EDD. FORNYEDISLAG. 175
ist ebenfalls correct. Dagegen steht mtjlJu in HH. 1, 50, 9 in erster liebnng
und alliteriert mit (vgl. s. 157). In Grt. 5, 8, wo das adv. allein alliteriert,
bildet es mit dem nomen eine verbalformel. Die alliteration des adv. in
Hdl. 20,1 ist nach s. 169f. zu beurteilen. In Grp. 4,3 her's mapr üti (zur
drückuug von mapr vgl. s. 144 und unten z. 33) alliteriert ganz regelmässig
das sinnvollere adv. allein.
2) Ferner sei liier ein vereinzelter vers Hym. 21, 4 iipp
senn tvda erwähnt, in dem ein nomen in Verbindung mit zwei
adv. steht: die alliteration des adv. ist durch das Hildebrandsche
gesetz veranlasst. Zur enklise des zweiten adv. Vgl. s. 155.
d) Adverbium + zwei nomina + verbum.
§ U. Material:
In hebung steht a) nomen und nomen: Erste halbz.: Typus A:
A^: prk. 1,1. — A3: prk. 13,1. Vkv. 21,5. — Typus B: B^: prk. 32,9.
HH. 1,48,9. Eg. 14,3. 26,1. Sg. 67,7. — B'^: HH. 1,20,3. — Typus C:
C: Hym. 11,3. HH. 2,3,1. 42,5. Fäf. 41,5. Sg. 55,1. 64,5. — C^: Vsp.
4,7. Hdl. 1,5. HH. 2, 4, 13. Grp. 26, 5. Od. 18, 1. — Zweite halbz.:
Typus C: Vsp. 55,8. HH. 1,6,4. 56,10. Sg. 44,6. — ß) Verbum und
erstes nomen: Erste halbz.: Typus A^: Br. 7,5. — ZAveite halbz.:
vacat. — y) Adverbium und erstes nomen: Erste halbz.: Typus A":
Vsp. 6, 1 (= 9, 1. 23, 1. 25, 1). HH. 2, 9, 1. Fäf. 35,' 7. Hei. 10, 5. — Zweite
halbz.: Typus A: Grp. 24,6. — ö) Adverbium und zweites nomen:
Erste halbz.: Typus B^: Vkv. 37, 5.
Ein vollverbum findet sich nur in sehr wenigen der genannten bei-
spiele : In Br. 7, 5 gnapir ce grär jör konnte es die erste hebung erhalten
(vgl. s. 166 zu st. 4), weil die nominalformel nur zwei silben umfasst. In
den belegen von y, wo dies auch der fall ist, überlässt das verbum aus
rhythmischen gründen dem vorangehenden (selbst pronominalen) adv. die
erste hebung. ünregelmässige formelbilduugen liegen vor in HH. 2, 9, 1
nü es sagt, mcer, wo ein vocativ (vgl. § 31, anm. 4, s. 165) enklitisch steht
(vgl. nhd. etwa mm isfs gut, Jc/nd), und Grp. 24, 6 lagt's alt fyrir, vgl.
s. 127. 145. Sehr auffällig ist unter 6 Vkv. 37, 5 esat svä mapr hgr wegen
der zerreissung des begriiflich zusammengehörigen (betreffs mapr\g\. ob. z.5).
Nehmen die nomina die hebungen ein («), so tritt das verbum nur
sehr selten zwischen sie (in A-versen). Während das hilfsverb ohne weiteres
mit dem ersten nomen zu verschmelzen ist (vgl. Grp. 24, 6), ist in prk. 13, 1
vreip varp pä 'Freyja das pron.-adv. wol zu streichen , um dem voUv. sein
natürliches nachdrucksgewicht wider zu verleihen.
Ebenso fehlerhaft ist es, wenn adv. und vollv. in eingangssenkung
stehen müssen: prk. 32, 9 svä koni Öpins sonr (vgl. s. 159, anm. 1). Dagegen
bilden ganz regelrecht die adv. m« (8mal), ^a (5 mal), ^a?- (2 mal) mit dem
hilfsv. (mit dem sie zu verschmelzen sind) die eingangssenkung') der B- und
J) Zu HH. 1, 20, 3 fyrr mxm iolga Aynr vgl. s. 152. 160. 162.
176 WENCK
C-verse von a. — Einen schweren Verstoss enthält der vers HH. 2, 42, 5
vjip's haxufi- lokinn, der der ohen s. 1G3 behandelten Stellung zu vergleichen
ist. Die an sich mögliche Umstellung zu Stellung 2 (vgl. s. 1G2) wage ich
deshalb nicht zu befürworten, weil auch der zugehörige zweite halbvers
einen alliteratiousfehler aufweist und ausserdem die ganze langzeile für
den Zusammenhang sehr wol entbehrlich ist (vgl. s. 1G9, aura. 5).
Hinsichtlich der alliteration sind von den «-belegen die beiden A^
von 1 als zeichen mangelhafter technik zu betrachten. Charakteristisch ist
die Stellung dieser verse in den ältesten liedern. I)rk. 1, 1 7-e>ßr vast pä
Yhig/jörr darf durch eiusetzung von yrc/pr gebessert werden (vgl. Grundtvig-
s. 12). — In den versen von y und 6 alliteriert das adv. nirgends mit.
D. Adverbium und adverbium.
§ 35. 1) Steigerndes oder begriffsadverbiiiin vor adverLium
s. s. 157.
2) Zwei deutlich coor dinierte adver bia finden sich in
folgenden fällen:
Erste halbzeile: Typus A^: HH. 2,48, 3. — Typus B': HH. 1,4, 1.
Typus D^: Vsp. 21,9. Hym. 32, 7. — Typus E': HH. 2, 36, 3. — Zweite
halbzeile: Typus A*: Gp. 1, 17, 8. — Typus F: Sg. 26, 6.
Das fehlen der durch den satzaccent geforderten doppel-
alliteration in den B- und E-beispielen ist zum teil durch die
rhj'thmischen neigungen dieser versarten bedingt,
Doppelalliteration in ii G}?. 1, 17, 8 nti ne inni entspricht zwar dem
satzaccent, ist aber metrisch anstössig, Sg. 26, 6 svärt ok di'dt ist metrisch
correct, aber gegen die Satzbetonung. Zweifelhafter ist die coordination
in folgenden versen: B': Grt. 7,5. Grp. 47,3. Od. 26,3.') Der hauptnach-
druck liegt offenbar wie in dem ii-beispiel Hdl. 44, 6 iram um lengra (vgl.
Grp. 19, 7 Skala fremr en svä) auf dem ersten adv., so dass N' in den ge-
nannten I normal ist. Jedenfalls verderbt ist Hdl. 48,4 a hurt liepun-):
vgl. z. b. Fäf. 36, 6 « \)rott koinask.
3) Ebensowenig wie drei nomina coordiniert in einer
halbzeile stehen können, ist dies beim adverbium möglich. Die
bedingung, dass eines der adv. zum vorausgehenden in euklise
trete, ist in Bdr. 14, 4 mein aptr d vit erfüllt (vgl. s. 156, 3).
§ 36. Sonach hat sich ergeben, dass der nachdrucks-
unterschied der beiden oben s, 150 aufgestellten adverbial-
klassen mit dem der beiden verbalkategorien (s. 132) identisch
^) Die Verstellung bei Bugge ist im auschluss an Hildebrand geändert
(s. z. St.).
=") Vgl. Bugge s.405b.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 177
ist. Uebergangsstufeu sind vorhanden, aber sie sind nicht so
reinlich geschieden, wie Brate s. 22 angibt. Besonders starke
berührimgen mit der tonlosen klasse des pron.-adv. weisen die
temp.-adv. auf.
Hervorzuheben ist die bildung von formein in dem s. 122,
anm. 4 festgelegten sinne. Zur toneinheit verschmelzen adv. und
verbum, auch verbalnomina (verbalform el), ferner adverbia
(rein steigerndes seltener, ganz gewöhnlich begriff sadverbium)
und adjectiva (adjectivisch gebrauchtes part. oder adv.: ad-
verbialformel). Bedingung ist dabei enge begriffliche bin-
dung und vor allem normale Wortfolge, d. h. voranstellung des
adverbiums. Bei Umstellung zerlegt sich die tonische einheit
in eine dynamische zweiheit. Dem voranstehenden verb. fin.
kommt ebenso wie dem verbalnomen das natürliche ton-
gewicht zu.
In Verbindung mit dem verb. fin. besitzt auch nachstehen-
des adv. das djaiamische übergewicht. Abweichungen von
diesem nachdrucksverhältnis müssen auf rhythmische einflüsse
zurückgeführt werden. Solche machen sich namentlich dann
geltend, wenn noch ein nomen in die halbzeile eintritt. Steht
das adv. in diesem falle in enklise zum verbum, so besitzt es
einen schweren nebenton. Als erstes glied einer formel hat
es einen grösseren nachdruck als gewöhnlich: es steht dann
mit dem nomen auf gleicher stufe. Einwirkungen eines beson-
deren rhetorischen satzaccents sind vereinzelt bei minder-
tonigen adverbien zu bemerken. Selbst ein pron.-adv. (vom
demonstrativstamm) vermochte gelegentlich einen folgenden
inf. in enklise zu sich zu zwingen (s. 172).
Die verse, die ausser den erörterten Wortverbindungen
ein pronomen aufweisen, werden in § 45 bei der besprechung
des tonverhältnisses von adverbium und pronomen " behandelt
werden.
Cap. V. Pronomen. 1)
§ 37. Wie Sievers 2) nachgewiesen hat, sind zahlreiche
pronomina der Vorliebe der jüngeren spräche für diese wort-
kategorie entsprechend erst nachträglich von den Schreibern
1) Rieger s. 29. Sievers § 27, vgl. Sobel s. 50 f.
^) Sievers § 36, 13, wo die einschlägige literatur citiert ist.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. ]^
178 WENCK
der liss, in die alten texte interpoliert worden. Im einzelnen
falle ist aber hier ein endgültiger entscheid über ursprüng-
lichkeit oder unursprünglichkeit eines prononiens nicht immer
möglich, da das metrum ziemlich grosse freilieiten gestattet.
Dass bei Streichung von pronominibus der vers oft an äusserer
glätte gewinnt, kann also auch nicht absolut ausschlaggebend
sein. Die folgende untersuchuug müsste sich also damit be-
gnügen, nur einen gewissen grad von Wahrscheinlichkeit zu
erreichen. Avenn nicht die gi'osse mannigfaltigkeit der Ver-
bindungen des pron. mit den behandelten Wortklassen ergänzend
einträte.
a) Relativpronomen, i)
§ 38. 1) Das relativum tritt gewöhnlich in Verbindung
mit dem demonstrativum auf, erhält dadurch aber nicht
mehr nachdruck als wenn es allein steht. Es verschmilzt
normalerweise mit dem dem., und es tritt in eingangssenkung,
sobald das nomen'^) oder verb. fin.'*) beide hebungen in sich
vereinigt. Steht es in erster hebung, so kann es wegen seiner
tonlosigkeit nie mit alliterieren, selbst in ii nicht: Vkv. 34, 2
peirrars [Jni\ gerp'ir (vgl. § 50).
2) In Verbindung mit nomen und verb. fin.-*) steht
es wie in den unter 1 genannten fällen im eingang des verses,
>) Sievers § 36, 9.
'^) In Verbindung mit einem nomen erscheint es: Erste halbz.:
Typus A»: Vsp. 4,3. 59,7. HH. 2,31,3. Fäf. 44,3. — Typus B>: HH.
1,24,7. — Typus C: Vsp. 61,5. prk. 29,3 (=32,3). Vkv. 29,3. HH.
1, 2, 3. 51, 9. HH. 2, 12, 7. Grp. 16, 7. Eg. 15, 3. Br. 15, 7. G\>. 1, 3, 7. 0]>.
3,10,7 (=Ghv. 18, 9). — Zweite lialbz.: vacat.
^) In Verbindung mit verb. fin.: Erste halbz.: Typus A^: Vsp.
14.5. HH. 1,13,3. HHv. 11,3. Sg. 65,9. — Typus B': Gp. 2,40,3. —
Zweite halbz.: Typus A»: Vkv. 34, 2. — Typus B: Hei. 13, 6.
*) In Verbindung mit nomen und verb. fin.: Erste haibz.: Typus
A»: Bdr. 5,3. HH. 1,55,7. Sg. 5,5. — Typus B>: Vsp. 39,5. prk. 26,3
(=28,3). HH. 2,38,7. HHv. 43,7. Grp. 1,7. 11,3. 22,3. Sg. 39,3. 70,7
Hei. 10,7. — Typus E': HH. 2, 30, 7. — Zweite halbz.: Typus A: Hym
30,4. Grp. 20,2. 21,8. Od. 18,4. - Typus B: Vsp. 20, 4. 65,4. Hym. 22, 2
Hdl. 1, 4. 25, 10. Bdr. 2, 8. Vkv. 16, 8. HH. 2, 2, 4. HHv. 3, 6. 9, 4. Grp. 40, 8,
Hei. 10,8. — Typus C: Vsp. 19,6. 42,8. Hym. 22,6. 39,4. Drk. 24,8. Hdl
7,8. 8,6. 14,6. Vkv. 7, 8. 21,6. 24,6 (=35,2). 26,4. Bdr. 12,6. HH. 1,1,2
5, 4. 32, 4. 33, 6. 54, 4. HH. 2, 19, 2. 40, 2. 41, 2. HHv. 5, 10. Kg. 5, 2. 23, 6
26. 6. G]?. 1, 16, 8. Sg. 49, 2. Gp. 2, 15, 2. 26, 2.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 179
und zwar in Senkung bis auf Bdr. 5, 3 es JigfumJc (lis. wer heßr)
&uht, wo es aus rhythmischen gründen die erste hebung em-
pfangen hat und nur zufällig mit alliteriert (vgl. § 48).
Ueberaus selten ist die mittelstellung des rel. : i: HH. 1,55,7 jgfur
ßanns olli, vgl. ferner Sg. 5,5. HH. 2,30,7 (= HHv. 39,3). — ii: Hym.
80. 4. Grp. 20, 2. 21, 8. Da nomeu und verbum die hebungen einnehmen
(ausgenommen Bdr. 5, 3), ist die in § 19 gegebene beurteiluug auf die ge-
nannten verse auszudehnen.
b) Interrogativum.
§ 39. Ebenso unbetont wie das relativum ist das Inter-
rogativpronomen, wenn es fragend gebraucht ist.
In Verbindung mit einem uomen begegnet es: Erste halbz.:
Typus A^: HH. 2,1,3. Br. 13,5. — Typus C^: Hym. 38,5. Grp. 1,3. —
Zweite halbz.: vacat. — In Verbindung mit einem verb. fin.: Erste
halbz.: Typus A': Gp.2,ll,B.
Nimmt das nomen bez. verbum nur eine hebi;ng ein, so erhält das
pronomen die andere, ohne jedoch mit zu alliterieren: Gf>. 2,17,3 hvat ek
vcera, wo es allein alliteriert, beruht sicher auf Verderbnis (vgl. Sijmons z.st.).
In Verbindung mit nomen + verbum begegnet es in folgenden versen :
a) Pronomen + verbum + nomen: Erste halbzeile: Typus A: A^:
HHv. 7, 1. — A2 : HHv. 38, 1. Sg. 12, 5. — A^ : Vsp. 9, 5. 23, 5. 48, 1 (= prk.
7, 1). Bdr. 6, 5. 8, 5. 12, 5. Ykv. 12, 1. HH. 2, 5, 1. 19, 1. Grp. 30, 1. 46, 1.
Br. 1,1. Hei. 2,1. Od. 5, 1. — Typus B^: Gp. 2, 17, 9. — Typus C^: Hdl.
11.5. 11,7. 11,9. HH. 1,32,3. — Typus Fa'': Od. 4,1. 4,3. — Zweite
halbzeile: Typus A: A' : HHv. 31,2. — A^: Vsp. 48,2 (= prk. 7, 2). —
Typus C: Hdl. 11, 6. 11,8. 11,10. — ^) Pronomen + uomen + verbum:
Erste halbzeile: Typus C: Grp. 3, 3. — Zweite halbzeile: Typus C:
Ysp. 5,8. G)7. 2,18,6. — y) Nomen + pronomen + verbum: Erste
halbzeile: Typus B: Ykv. 32, 3.
Bei normaler Wortfolge («) erhält das pron. in den i. ii des typus A
lind einem F (Od. 4, 1) aus rhythmischen gründen die erste hebung, es muss
jedoch in eiugaugssenkung stehen (auch bei gleichem anlaut: ii Hdl. 11, 10
hvat's hersborit, i Hdl. 11, 9), sobald das nomen zwei hebungen zu tragen
vermag. Kann aber das verbum die erste hebung einnehmen, ohne dass
das nomen in enklise zu ihm treten muss (G)?. 2, 17, 9 hverr vildi soh), so
geht ebenfalls das pron. in Senkung voraus. Es entspricht somit der ton-
losigkeit des pron. vollkommen, wenn es bei gleicher Stellung («) in Od. 4, 3
epa hvafs hlezt die erste hebung einer conj. überlässt.
Bei der Wortfolge ß ist das pron. durchgehends proklitisch. Diese
Stellung ist oiTenbar bei der Stellung y in Ykv. 32, 3 af heilum hvat varp
herbeizuführen, da ein aA^ dem satzaccent ebenso sehr wie dem metrum
widerstreiten, ein B' wegen der zweisilbigen mittelsenkung anstössig sein
würde. In anbetracht der tonlosigkeit des pron. kann auch kein zweifei
12*
180 WEN CK
bestehen, dass in den beiden A- von i die doppelalliteration nur auf znfall
beruht. Demnach müssen auch die beiden N'-verse (ein und desselben liedes):
I HHv. 7,1 hvat latr fijhjja {Helga nafni) und ii 31,2 hvat kant segja
(i kom heill Hepinn) als Verstösse gegen den satzaccont aufgefasst werden.
Für die mangelhaftigkeit der technik des dichters ist charakteristisch, dass
die zugehörigen halbverse nomina propria enthalten. Betreffs der A' von
II vgl. § 50. 57 f.
c) Bestimmter artikel.
§ 40. Der bestimmte artikel wird ausscliliesslicli prokli-
tiscli verwendet und konnte daher bei einigen der oben behan-
delten verse, bei denen die tilgung eines ev. metrischen Über-
schusses nicht sicher stand, ausser betracht gelassen werden.
Er findet sich in Verbindung mit einem uomen allein iu der ersten
halbzeile: Typus A^: Vsp. 28,9. 46,3. Hym. 30,1. prk. 19,3. Vkv. 2,7.
8, 3. 3, 5. Grt. 10, 3. HH. 2, 31, 5. HHv. 3, 3. Grp. 30, 7. Sg. 18, 5. G\>. 3, 3, 3.
Ghv. 16, 7; in der zweiten halbzeile: Typus C: HH. 1, 1, 6. 55,6. HH.
2, 48, 10. HHv. 32, 4. Ghv. 4, 2 (= 8, 2). 4, 8.
Auch wenn das nomen nur eine hebung einnimmt, steht der art. nie
in hebung, sondern überlässt diese einer vorangehenden conj., präp. (z. b.
Vsp. 28, 9 / iman mara) oder einem demoustrativ-pron. : Grp. 30, 7 ]m ina
iggru (das jedoch in Grt. 10, 3. Sg. 18, 5. Ghv. 16, 7 zu tilgen ist).
d) Demonstrativum.
§ 41. 1) Demonstrativum + nomen. Material:
Erste halbzeile: Typus A: A": Hdl. 8,5. 45,5. — A'^: prk. 2,1
(=3,3. 9,9. 12,3 = Br. 6, 3 = Od. 3,9). — A^: Grt. 2,1. HH. 1,5,3.
15, 3. 47, 1. HH. 2, 38, 5. Gp. 1, 7, 3. 26, 7. Vkv. 24, 5 (= 35, 1). Sg. 3, 3. 8, 5.
15,7. Gp.2,3,7. Od. 18, 7. 28,5. Ghv. 17, 1. 17,5. 17,9. 21,5. — Typus B':
Vsp. 47,7. Hdl. 45,7. Grt. 6,5. HHv. 39,7. Sg. 35,7. 49, 3. — Typus C:
Vsp. 10, 5. Hym. 20, 5. 37, 7. Hei. 4, 7. Br. 13, 3. — Typus E' : HH. 1, 16, 3.
— Zweite halbzeile: Typus A: prk. 18,4 (= Gp. 1, 24, 4). Hdl. 27,4.
27, 8. 30, 8. 44, 4. Vkv. 2, 8. 24, 2. 25, 6 (= 36, 2). HH. 1, 50, 10. HH. 2, 8, 6.
Grp. 1,2. Gp. 2,17,8. Od. 7,2. Ghv. 18,4. — Typus B: Hym. 13,2. —
Typus C: Vsp. 17,2. HH. 1,21,8. 30,4. HH. 2,37,4. Grp. 48,4. Br. 15, 2.
Sg. 4,4. Ghv. 3,2. — Typus D: Hym. 6,2. Grt. 9, 4. 15,2. — Typus E:
HH. 1, 23, 6. 32, 2. Hei. 8, 8. — T y p u s F : Gp. 1, 8, 4.
Das demonstrativum steht vor dem nomen meist in
Senkung und überlässt einer vorausgehenden conj. (nie einer
präp.) die erste hebung, oder es steht mit dieser, z. t. auch
allein, in eingangssenkung, wenn das nomen zw^ei hebungen
beansprucht :
Vgl. Vsp. 10,ö pcir manUkii)), iihnl. Hym. 37,7, ebenso Br. 13,5 hitt
herylgtußr trotz gleichen anlauts wegen des fehleus einer engen gram-
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 181
matisclieu binclung. Allerdings sind es meist einsilbige pronominalformen,
die diesergestalt tonlos gebraucht werden, indessen begegnen auch mehr-
silbige in proklitischer Verwendung: HH. 1,5,3 oJc peirri mei/ju, Sg. 15,7
enpeirrar meyjar, Ghv. 21, 5 atpetta tregröf: ein auftakt würde hier fehler-
haft sein.
Nach dem nomen (diese Stellung; ist in ii besonders
beliebt) nimmt das pron. stets eine liebung ein, und zwar
auch nach präp.: Hym. 13, 2 en einn af peim (vgl. die E-verse
von i und ii).
In zweiter liebung- alliteriert das dem. selbst bei enger
grammatischer binduug nicht mit, dagegen trägt es in erster
hebung verschiedentlich allein die alliteration.
In I begegnen nur 4 beispiele : Hym. 20, 5 en m jghmn, Sg. 35, 7 ok
]>eira (qv (Ghv. 17, 1 en sä särastr ist das prou. nach analogie von 17, 5.
17, 9 in Senkung zu setzen), das verstärkte dem. sjä in Hdl. 45, 5. HHv.
89,7; in ii jedoch die dreifache zahl der i-belege: A: prk. 18,4 (= Gp. 1,
24, 4). Hdl. 30, 8. 44, 4. Vkv. 2, 8. Gp. 2, 17, 8. Od. 7, 2. — C : Vsp. 17, 2.
Er. 15, 2. — D : Hym. 6, 2. Grt. 9, 4. 15, 2.
Diese starke hervorhebung des an sich tonschwachen dem. muss in
erster linie auf rhetorischen acceut zurückgeführt werden, wenn dessen
anwendung z. t. auch für uns nicht recht verständlich ist. Da jedoch gerade
die II 1) häufiger sind, wird man nicht fehlgehen, wenn man annimmt, dass
der alliterationszwang dabei mitgespielt habe: um so Aveniger, als sich in
I mehrere fälle vorfinden, in denen die Vorbedingung enger grammatischer
Zusammengehörigkeit erfüllt ist, ohne dass das nomen in enklise zum dem.
getreten wäre, in Ghv. 17, 1 treten müsste. Sonach ist es nicht aus-
geschlossen, dass wir in einigen fällen wenigstens anzeicheu eines Verfalls
der technik zu erblicken haben : man vergl. Vkv. 2, 8 peira systir mit Hdl.
27, 4 mstir peira. Dabei lässt sich die stärkere betonung des poss. gen.
(Hdl. 30, 8. Sg. 35, 7) noch eher verstehen , als die eines von einem inf. ab-
hängigen casus : ii Gp. 2, 17, 8 \>ess at ßpyrja, Hdl. 44, 4 Ipann at nefna (vgl.
I Grt. 6, 5 ne h(pggva pvi). Derselbe unterschied zwischen den beiden halb-
zeilen tritt in den versen zu tage, in denen das pron. von einem comparativ
abhängt: ii Grt. 9, 4 ]>eim gflgari, Od. 7, 2 pvigit fleira (vgl. s. 107), aber i Sg.
49, 3 ok minna pvi.
^) Nur einmal steht in u das vorausgehende pron. in Senkung: Ghv.
3, 2 peim Gunnari. Es ist dies jedoch die regelmässige betonung des dem.
in der specifisch nord. Verbindung mit einem npr. (pers.-pron. s. unten) :
z. b. : I Sg. 8, 5 es pau Gupyi-un, Hdl. 45, 7 päs peir Angantyr.
2) Die nachstellung von peira ist jedoch in i (Hei. 4, 7 Hdl. 8, 5) wie
II (HH. 1, 21, 8. 30, 4. HH. 2, 37, 4. Sg. 4, 4. Gp. 1, 8, 4. Hdl. 27, 4. HH. 1,
50,10. HH. 2,3,6. Ghv. 13,4 [betreffs der alliteration vgl. Bugge z. st.])
weitaus beliebter gewesen.
182 WENCK
2) Demonstrativum -f verbum finitum. Material:
a) Demonstrativ um vor zugehöriger verbal form: Erste
halbzeile: Typus A': Br. 4,5. Od. 25,5. IUI. 1,3,5. 11,5. — Zweite
halbzeile: Typus C: HH. 2,11,2. — b) Obliquer casus des pron.:
Erste halbzeile: Typus A': Hym. 4,1. prk. 14,5. — Typus B': Sg.
35,1. Od. 10,3. — Zweite halbzeile: Typus A: A>: Gf>. 3, 3, G. —
A»: Vsp. 6,4 (= 9,4. 23,4. 25,4. 27,4. 28,14. 39,10). - Typus B: Grp.
53, 8. — Typus C : Gii). 25, 4. Gp. 2, 30, 8.
a) Das dem. nimmt vor zugeliörio^er verhalfoim nur HH.
1, 3, 5 ]jce7' um greiddu die erste liebung ein, sonst steht es in i
(unmittelbar vor dieser) proklitiscli und iiberlässt einer conj.
die erste liebung.
Um so auffälliger ist der eine zweite halbvers HH. 2, 11, 2 at "peir sei.
Zwar ist der uachdrucksunterschied zwischen dem hilfsv. und dem pron.
nicht sehr gross, doch ist die eiuwirkuug des Sprachmaterials (03) so evi-
dent und die Stellung dieses isolierten verses (vgl. § 42, 2, a) im zweiten
Helgilied so bezeichnend, dass die annähme eines fehlers nicht zu ge-
wagt ist.
b) Wie in den unter 1 beliandelten versen steht der
oblique casus des dem. hinter dem verbum stets in zweiter
hebung, er alliteriert jedoch nie mit.
In I iiberlässt das pron. vor dem verbum die erste hebuug einer conj.
Zusammen mit einer präp. steht es in Senkung : prk. 14, 5 ol' tan pal repu,
desgl. in dem formelhaften vers der Vsp. 6, 4 etc. ok um pat gwttusk (be-
treffs A"* in II vgl. § 50). Mit ausnähme des zuletzt angeführten beispiels
trägt das dem. in ii voraussteheud stets die erste hebung: Gp. 3, 3, G patki
c'ittak (i enthält ein npr.), Grp. 25, 4 til \>ess iieyjjir. Da es sich wider um
ausnehmend junge lieder handelt und ferner nur ii die zweifelhafte rheto-
rische hervorhebung aufweisen würde, darf man wie oben den alliterations-
zwang als treibendes motiv ansehen.
3) Demonstrativum + verbum finitum + nomen.
Material :
a) Das pronomen ist = dem subject des verbums: Stel-
lung 1 : K 0 m e u + V e r b u m + p r 0 n 0 m e n : Erste h a 1 b z. : T y p u s E' :
Rp.12,1 (=24,1). 13,1. HH. 1,7, 1. — E-: llp. 23, 5. — Zweite halbz.:
Typus E': Hym. 11,10. — E^: Vsp. 3G, 4. — Stellung 2: Nomen +
pronomen + verbum: vacat. — Stellung 3: Verbum + nomen +
p r 0 n 0 m e n : vacat. — 8 1 e 1 1 u n g 4 : V e r b u m + p r o n o m e n + n o m c n :
Erste halbz.: Typus A': Od. 21, 1. — Typus E»: Vkv. 7,5. Hdl. 25,«3.
Br.9,1. — Zweite halbz.: Typus A: Ep. 39, 8. — Stellung5: Pro-
nomen + nomen + verbum: Erste halbz.: Typus C: C: HH. 2,
24,5. Eg.23,5. — C«: Vsp. 20,!». Grt. 3, 1. — Zweite halbz.: TypusC:
Vsp. 20, 10. 37,8. — Stellung G: Pronomen -h verbum + nomen:
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 183
Erste halbz.: Typus A^: Vsp. 2-i, 3. 43,3. Hyra. 33,1. Hdl. 9,1. 26,1.
28, 9. 38, 4 (= 43, 3). Bdr. 3, 1. Grt. 1, 5. HH. 1, 46, 5. 52, 5. 53, 11. HHv.
11, 5. 40, 3. Grp. 4, 7. Rg-. 14, 5. Sg. 65, 3. Gp. 2, 21, 5. 39, 1. 43, 5. Gp. 3, 1, 5.
Od. 19, 5.— Typus Fa»: Rg. 5, 1. — Typus B': Hdl. 40, 7. — Typus C:
HH.2,22, 7. Sg.55,3. — Zweite halbz.: vacat.
1)) Obliquer casus des pronomens: Stellung 1: Erste
halbz.: Typus A': Vkv. 2,1. HH. 1,15,7. HH. 2,4,11. HHv. 8,5. Gp.
2,41,5. 42,5. — Typus E': Rp. 3, 1 (= 5, 1). 17,1. 19,1. 30,1. 33,1.
Hdl. 35,5. HHv. 33,9. 42,1. Br. 15, 3. — Zweite halbz.: vacat. —
Stellung2: Erste halbz.: Typus A': G)?. 2, 5, 7. — Zweite halbz.:
vacat. — Stellung 3: Erste halbz.: Typus A: A^: G]?. 2,33,5. —
A': Grp. 32,5. — Typus B^: Rp. 14,1. 38,1. Grp. 23,3. — Typus D':
Od. 18,5. — Typus E»: Grp. 30,3. — Zweite halbz.: Typus B: Grt.
22,8. — Typus C: HH. 2,26,8. — Typus D: Grp. 36,2. — Typus E:
Grp. 48, 8. — Typus 6^: Grp. 39,8. — Stellung 4: a) Verbum und
nomen in hebung: Erste halbz.: Typus A: A^: Vkv. 18,9. HH.
1,34,1. — A^: Grp. 34,1. Sg. 5,7. Gp. 2,23,1. — Typus E: E': HH.
2,32,5. 33,1. Sg. 66,1. — E^: Vkv. 19,3. 37,1. HH. 2,32,1. — E^: Vkv.
31,1. — Zweite halbz.: Typus A: Grp. 51,8. — ß) Nur das nomen
in hebung: Ers-te halbz.: Typus B: Vsp. 8,3. — Zweite halbz.:
vacat. — Stelluugö: Erste halbz.: Typus B: Gp. 1, 8, 5. — Zweite
halbz.: vacat. — Stellung 6: «) Pronomen und nomen in hebung:
Erste halbz.: Typus A: A' : Od. 7,1. — A^: Vsp. 21,1. 51,7. Rp. 36, 7.
Hdl. 29, 5. 43, 5. Vkv. 6, 1. HH. 1, 2, 5. HH. 2, 27, 5. HHv. 38, 7. Grp. 28, 5.
Fäf. 42, 5. Hei. 9, 5. Gp. 2, 10, 5. 30, 1. 34, 1. Od. 2, 2. 8, 5 (= 15, 1). 19, 1.
— Zweite halbz.: Typus A: Hdl. 4, 2. — A-^: Grt. 9, 8. — ß) Verbum
und nomen in hebung: Erste halbz.: Typus C^: Fäf. 41, 7. —
Zweite halbz.: vacat.
Zunächst lässt sich hier ein aussergewöhnlich starkes ab-
fallen der belegzahlen für ii wahrnehmen: gruppe a: i 40 : ii 5,
gruppe b: I 59 : II 8 (vgl. § 42, 3).
Der grund dieser erscheinung ist darin zu suchen, dass die normale
Wortfolge in ii durch den alliterationszwang unmöglich gemacht war.
Normal ist hier offenbar die in gruppe a und b (in b weniger) am stärksten
vertretene Stellung 6, die für i unter gruppe a 27, unter gruppe b 21, aber
für II nur zwei belege der gruppe b aufweist. Pron. und nomen nehmen
gewühulich die hebungen ein, doch begegnen drei beispiele mit hilfsv., in
denen das pron. mit dem verbum zusammen in eingangssenkung steht (vgl.
s. 173, 3), weil beide hebungen im nomen liegen (HH. 2, 22, 7. Sg. 55, 3) oder
die zweite hebung von einer nachgestellten präp. beansprucht wird (vgl.
§ 48) : Hdl. 40, 7. Nach dem in § 19, c erörterten kann der gleiche anlaut
des hilfsv. in a) Hdl. 26,1. HH. 1,53,11 (auch wegen des anomalen auf-
taktes), b) Fäf. 42, 5 für die rhythmisierung nicht in betracht kommen,
obwol in Fäf. 41, 7 pä raunt Sigurßr das hilfsv. die erste hebung trägt :
denn bei der völligen Isolierung dieser letzteren halbzeile in i liegt der
gedanke an Verderbnis sehr nahe (vgl. Sijmons z. st.).
184 WENCK
Stellt das nomen an erster versstelle (Stellung 1. 2), so
begegnet die nach ausweis von Stellung ß (s. oben) als normal
zu bezeichnende folge pron. + verbuni (Stellung 2) nur in einem
einzigen vers der gruppe b: G]\ 2, 5, 7 ]ör Jmt vtssi, in dem
der eintritt der metrisch möglichen Stellung 1 durch den auf
dem verbalbegriff ruhenden logischen accent verhindert worden
ist. — Stellung 1 ist in i besonders in gruppe b stark ver-
treten (gruppe a: i 5 : ii 2 : gruppe b: i 16 : ii vacat).
Das fehlen jeglichen heleges für ii ist hei b somit doppelt auffällig
lind durch nichts zu rechtfertigen , da ja das pron. die zweite, schwächere
hebung hätte erhalten können. 3) — Ebenso ist die folge verbum + pron.
bei nachstehendem nomen (Stellung 4) in gruppe a weit spärlicher vertreten
(i 4 : II 1) als in gruppe b (i 13 : ii 1). Daraus ist jedoch mit grosser Wahr-
scheinlichkeit zu schliesseu, dass man enklise des als subject fungierenden
pron. gemieden hat, während die proklitische Stellung des zum nom. ge-
hörigen (obliquen) pron. in gruppe b nach § 41, 1 als regelrecht bezeichnet
werden rauss. In gruppe a ist das pron. kaum mehr als ein flickwort, das
zur fülluiig des verses dient (i Od. 21,1 hupii pe/r Atla).*) In den E von
gruppe a und b (Stellung 4) dagegen muss das pron. sogar die nebenhebung
bilden. Durch tilguug des pron. könnten allerdings regelmässige Fa^
herbeigeführt werden. Indessen darf man dem pron. sicher das gleiche
recht wie dem hilfsv. (s. 148; einräumen. — Ysp. 8, 3 vas peim xaHtcrgis ist
wegen der unverschleifbaren zweisilbigen eingangssenkung anstüssig. Daher
ist entweder umzustellen oder das pron. zu streichen. Eine dritte mög-
lichkeit, die einsetzung der seltneren nebcnform vctkis (vgl. Noreen, An.
gramm.3 § 4G6, 3) würde unserem rhythmischen gefühl am besten ent-
sprechen.
Verbum und pron. sind nur selten von einander getrennt
(Stellung 3. 5).
Stellung 8 ist in gruppe a überhaupt nicht, in gruppe b dagegen
durch 7 i und 5 ii vertreten. Dieser unterschied kann nicht zufällig sein
(vgl. § 42, 3). Das fehlen der Stellung 3 in gruppe a berechtigt zu dem
Schlüsse, dass das pron. von der zugehörigen verbalform nur dann getrennt
werden durfte, wenn es vorangieng (vgl. das abweichende verhalten des
adv. s. 167). Dazu stimmt, dass gruppe a mehr belege der Stellung 5
(I 4 : II 2) aufweist , als gruppe b (i 1 : ii 0). Die kleiuheit dieser zahlen
zeigt, wie wenig man geneigt war, pron. und verbum auseinander zu
reissen: kein Avunder also, dass wider der einiluss des sprachmaterials
3) Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass "Rp. 17, 1 R///>" kumu' peim
noch 5 mal widerkehrt. Ausserdem ist HH. 1,15,7 bn/«j«r r^iru peira nur
deshalb hierher gezogen, weil es unsicher ist, ob verbum oder pron. getilgt
werden muss.
*) Zur la. von R ärla vgl. § 46, 2, a, Stellung 6.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 185
sichtbar wird: von den 4 C von i gehören 3, ebenso der eine zweite halb-
vers Vsp. 20, 10 dem untertypus C 3 an. Der zweite beleg von ii (C 2) Vsp.
87,8 eil sä Brhm'r heitir, ist anszuscheiden , wenn man die tilgnng des
pron. für notwendig hält. Obgleich die proklitische Stellung des pron. in
Stellung 5 ein sicheres kriterium für dessen toulosigkeit ist, zeigt sich bei
Stellung 3 ein ähnliches schwanken in der rhj'thmisieruug , wie es oben
s. 167 beim adv. festgestellt worden ist. In den A-versen : Grp. 32, 5 es
sJcalJc vip mey pä, Gj?. 2, 33, 5 Qig [pii\ um aldr pat steht das verbum in
erster hebung oder überlässt es dieser einer conj., und das pron. steht in
völliger enklise zum nomen. Dagegen steht in den B und C das verbum
in eingangssenkuug und überlässt dem pron. (nach einer präp. : Ej?. 1-1, 1.
38,1) die zweite hebung. Da in Od. 18,5 yasa langt af pvi, Grp. 36,2
mciTi Uta pat sogar ein hilfsv. die erste hebung eines D-verses^) einnimmt,
ist für die B und C mit proklitischem vollverb die rhj'thmisierung D — B
bez. D — C anzunehmen, wie dies die völlige enklise des pron. in den an-
geführten A-versen erheischt. Dasselbe gilt von dem als G^ bezeichneten
vers Grp. 39, 8 ser vcetr fyr pvi ^)
Was die alliteration der verse mit verbum und nomen
in den Hebungen anlangt, so ist auf s. 132 f. zu verweisen.
Steht das pron. in erster, das nomen in zweiter hebung (Stellung 6),
so alliteriert ersteres weder in der gruppe a, noch in gruppe b mit. Der
eine zweite halbvers von b : Grt. 9, 8 peim erum hornar ist hinsichtlich des
satzaccents ganz correct (vgl. § 50). Aus demselben gründe sind die beiden
N^ von gruppe b : i Od. 7, 1 yar hi/Jck nmliu, ii Hdl. 4, 2 pess mun [honi
'hipja sehr befremdlich, und merkwürdig zugleich wegen der coincidenz mit
den s. 181 unter 1 citierten versen mit inf. Die annähme rhetorischer be-
tonung hat nur bei Hdl. 4, 2 (avo der fehler übrigens durch die parallele
alliteration abgeschwächt wird , vgl. § 57 f.) einige Wahrscheinlichkeit für
sich. Od. 7, 1 ist sicher ein anzeichen der entartung im technischen. In
Stellung 1, wo das demonstrativum die zweite hebung einnimmt, alliteriert
es in Rf». 23,5 Sngi- heitir sü mit, jedenfalls nur zufällig. Der eine vers
von II mit doppelalliteration Vsp. 36, 4 SNpr heitir sü ist ein zeichen
mangelhafter technik (vgl. § 54). In den B und C der Stellung 3, wo das
pron. gleichfalls nach dem Schema die zweite hebung trägt, alliteriert es
nirgends mit: eine weitere stütze für die vorgeschlagene rhythmisierung
5) Dass das nomen die zweite hebung erhalten muss, geht aus den A-
und B-, C-versen notwendig hervor. Nur Grp. 30, 3 ^^ 48, 8 seg Gripir pat
konnte das pron. die zweite hebung eines E erhalten, da es sich um einen
vocativ handelt (vgl. s. 165, anm. 4).
^) Die conjectur F. Jönssons, die dem mangel eines reimstabes durch
einsetzung von hyggsJc abhelfen will, wäre rhythmisch ganz passend. Der
zugehörige erste halbv. föstru Heimis würde dann aber einen schweren
Verstoss gegen den satzaccent enthalten. Eine Umstellung wäre daher un-
bedingt nötig, weil wir selbst in einem liede mit offenkundig mangelhafter
technik keine berechtigung haben, fehler erst durch conjectur herzustellen.
186 WENCK
D— B, D— C. — In Grp. 30, 3 = 48, 8 hat das pron. in zweiter hebuug auch
keinen anteil an der alliteration.
Da die tonlosigkeit des dem. völlig gesichert ist, kann es
nicht Avunder nehmen, Avenn das Hildebrandsche gesetz hier
keine geltung hat: Br. 15, 3 tdr hunni peim \\ iljöta Utum.
e) Pronomen personale (reflexivum).
§ 4'2. 1) Personalpronomen und nomen. Material:
Erste halbzeile: Typus A: A': Wv. 5,9. — A«: G\>. 2,9,1. —
A': Grt. 15,3. HH. 1, 43, S.'öö, 1. HH. 2,4,9. 46,7. HHv. 4,5. 37,3. 41,5.
42,3. GJ7. 1,23,7. Sg. 5,1. 8,7. 11,7. 13,9. 57,8. 60,7. 65,7. 68,5. Gp.
3,2,3. 2,5. Gp. 2,1,5. Od. 11,3. Ghv. 8,7. — Typus B: B': HHv. 10,7.
Grp. 25.3. Br. 17,7. Gp. 1,10,3. Sg. 18,3. 32,3. — B^: Grp. 46,3. — B^:
Gp. 1,26, 1. Ghv. 19,3. — Typus C: Grp. 27, 3. 51,3. Sg. 35, 3. — Typus
E': Grp.37,7. — Typus F': Sg. 4, 5. — Zweite halbzeile: Typus A:
Hdl. 17, 2. Grt. 10, 8. HH. 2, 20, 8. 46, 12. HHv. 31, 8. Grp. 26, 8. 45, 8.
Fäf. 35,4. Br. 3,8. 18,4. Sg. 6,8. 7,4. 42,8. 52,6. 61,8. Ghv. 11,4. 19,8.
Od. 25,4. — Typus B: Grp. 39,2. Od. 10,2. 17,4. 29,8. — Typus C:
Vkv. 26, 6. Grt. 9, 2. HH. 2, 18, 6. HHv. 3, 2. Grp. 50, 2. Kg. 14, 4. Br. 19, 4.
Sg. 49,4. Oel. 12,8. — Typus D: Bdr. 5,2. — Typus E: Hyra. 32,2.
Grt. 8,2. HH. 2,13,8. Grp. 10,2. - Typus F: Sg. 39,6.
Nachstehend (in i A': Vkv. 5,9; alle B' und B^; C:
Grp. 51,3; E': Grp. 37,7; in ii A: Grt. 10,8; alle B; C: Grp.
50,2. Br. 19,4; E: Grt. 8,2. HH. 2, 13,8. Grp. 10, 2) empfängt
das pron. pers. stets die zweite hebung, es alliteriert jedoch
(aus Zufall) nur einmal mit: Grp. 46, 3 es \clar \cr. Der iso-
lierte zweite halbvers mit doppelalliteration in demselben liede:
Grp. 50, 2 at \\vQtun \\ennar enthält einen groben metrischen
Verstoss. Yoranstehend tritt das pron. sehr selten in hebung
(A: Sg. 5, 1. G]>. 3, 2, 3; 2 B^; vgl. s. 179). Es bildet die eingangs-
senkung, wenn das nomen beide hebungen in sich vereinigt
(C), oder überlässt, wenn das nomen nur die zweite füllt, die
erste einer conj., ein einziges mal einer präp.: HHv. 37, 3 vi]) ])iJc
Svdfa, und zAvar aus rh3'thmischeu gründen, wie die beiden B-'
von I zeigen. Die art der grammatischen Verknüpfung ist dabei
ziemlich gleichgiltig.
Steht das pron. vor zugehörigem vocativ (HHv. 37, 3. HH.
1, 56, 1) oder steht es zum folgenden nomen im Verhältnis von
subject zu object oder object zu subject (das ist die mehrzahl der
fälle) oder geht das pron. die s. 181, anm. 1 erwähnte Verbindung
mit einem iipr. ein {Gp. 3, 2, 5 at ])U l)j6J)rckr), selbst wenn es
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 187
attributiv zu dem nomen construiert ist (Sg. 57, 3 ])ds mik sdra,
68, 5 J)ds vit hcejji), so nimmt es stets die Senkung ein.
Es ■wäre daher sehr verwunderlich, wenn das nomen in Sg. 65,7 at
vnd[ir] oss gllum zum pron. in euklise treten sollte, zumal da auf ihm der
logische nachdruck liegt und das pron. üherflüssig ist (vgl. die folgende
langzeile). Auch wenn man das pron. beibehalten Avill, kann nur der an-
satz von A^ dem satzaccent gerecht werden.
Im gegensatz zu seinem verhalten in i alliteriert das
vorausgehende pron. gewöhnlich in ir. Nur in wenigen fällen
geht es in Senkung voraus.
Der metrische fehler in Sg. 7, i en ck Gunnars wie Ghv. 19, 8 darf
durch Umstellung gebessert werden, da der sich aus dem logischen gegen-
satz ergebende grössere nachdruck des pronomeus für dieses Stellung in
hebung fordert. In den beiden anderen versen steht das pron. in enklise
zu einer präp., die sogar in HH. 2, 20, 8 und sik prungit im vorzug vor
einem (verbal-) nomen alliteriert. Im anderen falle, einem vers des gleichen
liedes : 46, 12 hjä oss h'pmim, ist Umstellung möglich. Diese merkwürdige
behaudlung des pers. -pron. im Verhältnis zu einer präp., wie sie sich nur
in den technisch entarteten Helgiliedern (vgl. HHv. 37, 3, s. 186) vorfindet,
kann keine altertümlichkeit sein, da durch eine unmenge von andern bei-
spielen die proklitische Verwendung der präp. durch alliteration und metrum
festgestellt wird. Ein zweifei ist völlig ausgeschlossen durch einen C-vers
wie Sg. 49, 4 at mcr piggja, da hier selbst das tongewicht eines nomens
beeinträchtigt worden ist von dem bestreben, das des von einer präp. ab-
hängigen pers.-pron. zu wahren. Zur beurteilung der anderen ii, in denen
das pron. erste hebung und alliteration trägt, ist wider auf die begriff-
liche bin düng zu achten, die hier von entscheidender bedeutung gewesen
zu sein scheint. Verständlich ist ohne weiteres die alliteration auf dem
poss. gen. (vgl. s. 181, 1) Hdl. 17, 2 ]iennar möpir, vgl. Fäf. 85, 4. Grt. 9, 2.
HHv. 3, 2, desgl. auf dem vom nom. abhängigen' pron. : Sg. 61, 8 oss um
likan, 39, 6 jpr um likr. Ebenso sind vielleicht die fälle mit verbalnomen
(inf.) noch als regelmässig zu betrachten : A : HHv. 31, 8 oss at finna,
Br. 3, 8. 18, 4. Sg. 42, 8. 52, 6. Ghv. 11, 4. Od. 25, 4 ; C : HH. 2, 18, 6. Sg. 49, 4,
desgl. mit part. : Eg. 14, 4 incp oss kominn, Hym. 32, 2 vaer genginn frei
(vgl. § 48). Die ziemlich grosse zahl dieser fälle scheint allerdings Über-
einstimmung mit dem satzaccent wahrscheinlich zu machen, doch ist es
bemerkenswert, dass sie sich nur in liedern jüngerer technik und der skal-
discheu Hym. finden. Die annähme rhetorischer betonung ist nicht so ein-
leuchtend, dass mau die möglichkeit partieller eiuAvirkung des alliterations-
zwanges ableugnen könnte. Diese annähme wird ferner gestützt durch den
mangel analoger belege in i, ausserdem durch verse mit nominalem nomen
in zweiter hebung, in denen rhetorische betonung des pron. widersinnig
Aväre : Grp. 26, 8 aer fyr hgndum, 45, 8 ser at licfndum, Sg. 6, 8 mcr at armi.
— Bdr. 5, 2 meV ökunnra ist vielleicht mit Sg. 89, 6. 61, 8 zusammenzu-
stellen. Dagegen sind Ykv. 26, 6 nema per einum, Od. 12, 8 nema mer einni
ganz normal und sprechen für rhetorischen einfluss.
188 WENCK
2) Personalpronomen und verbum finituni. Material:
a) Erste halbz.: Typus A«: Vkv. 18,5. 33,7. Grt. 2,7. RH. 2, 13, 3.
Sg. 3,7. Hei. 3,3R. Ghv. 16,3. — Typus B': Sg. 39,9. Od. 25,7. —
Typus C: HH. 2,4,5. Sg. 53,7. G}\2,28,3. — Zweite halbz.: Typus
A»: HH. 2,33,2. Od. 15,4. — Typus C: E^ 48,4. Bdr. 13,2. Vkv. 33, 12.
HH. 1,40,4. Sg.58,8.
b) Erste balbz.: Typus A: A': Ysp.42,5. Rg. 11,3. Sg.45,3. Ghv.
3,5. — A»: Sg. 69,1. - A': Hym. 11,7. 14,1. prk. 11,7. 16,1. 19,5. Ep.
40,1. HH. 1,19,3. 40,5. Sg. 13, 9. 61,5. 69,5. 70,1. Gp.2,3,1. — Typus B:
B': prk. 8,7. 13,9. Grp. 48,5. Hei. 13,7. Gp. 2,12,7. 12,9. Od. 9,5. 11,5.
29,7. Ghv. 2, 3. — B^: Gp. 2, 20, 5. Ghv. 19, 5. — Zweite halbz.:
Typus A: A': Vsp. 21,6. Hym. 18,8. Gp. 1,2,4. — A^: Vkv. 12,4. HH.
2.32.2. 32,6. — Typus B: Vsp. 28,6. Hdl. 6,2. Od. 34,2. — Typus C:
Vsp. 32, 2. Hym. 18, 2. E}\ 40, 6. Vkv. 22, 8. HH. 2, 41, 4. HHv. 7, 8.
Gp. 3, 1, 8.
a) Das pers.-pron. steht gewöhnlicli vor der zugeliürigen
verbalform. Bei typus A überlässt es in i und ii mit ausnähme
von Sg. 3, 7 hann um setii (vgl. s. 182, 2 a) die erste hebung einer
conj., in HH. 2, 4, 5 (C) steht es in eingangssenkung vor dem
beide hebungen füllenden verb. fin., es ist also normalerweise
proklitisch gewesen. Trotzdem trägt es in den C von i und ii
die erste hebung und zwingt das folgende nii'gends mit alli-
terierende verbum in enklise zu sich.
Da diese C vorwiegend dem uutertypus C3 angehören (es sind in i
2 C3, in II 2 C3 : Hp. 48, 4. HH. 1, 40, 4), ist der eiufluss des spraehmaterials
stark in anschlag zu bringen. Ausserdem handelt es sich hauptsächlich
um hilfsverba, mit denen das pers.-pron. dynamisch ungefähr auf gleicher
stufe steht. Wenn man Hei. 3, 3 /)ö? ek vaT« ') und namentlich die beiden
A^ von II mit den oben angeführten versen vergleicht, so erscheint die
hervorhebung des pron. als zeichen mangelhafter technik. Der metrische
fehler der A^ von ii (vgl. § 50) kann durch Umstellung beseitigt werden
(vgl. die B von i, in denen das nachgestellte pron. die zweite hebung ein-
nimmt). In Vkv. 33, 12 päs ir kiDinip ermöglicht die gekreuzte alliteration
die beibehaltung des hsl. textes.
b) An sich ton voller scheinen die obliquen casus des
pers.-pron. zu sein.
In I steht es allerdings nur einmal (Ghv. 3, 5 hennar }nondup[ü\) in
erster hebung und alliteriert vor dem hilfsverbum allein, während es sonst
vorausgehend conjunctionen die erste hebung überlässt (prk. 11,7. HH.
1.19.3. 40,5. Sg. 13,9. 61,5. 69,5. 70,1. Gp. 2,3,1). Nachstehend trägt
es hinter einem voll verbum (diese Stellung ist in i besonders beliebt, vgl.
') Zur la. von Nj'. pöt va'ralc fyrr vgl. § 25 (s. 154).
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 189
§ 5G) nicht niTr die zweite hebung', sondern auch alleinige alliteration, soweit
dies metrisch möglich ist (A^: Hym. 11, 7. 14,1. prk. 16, 1. 19,5. E)?. 40, 1),
aber keineswegs überall. In A (Vsp. 42, 5. Rp. 11, 3. Sg. 45, 3) alliteriert
das vorausgehende vollverbum allein, ebenso in der mehrzahl der B. Ob
das isolierte A* Sg. 69, 1 hrijnja hgnum [ßd] nur zufällig doppelalliteration
aufweist, lässt sich nicht entscheiden. Dagegen ist diese in den B^ von i
sicher beabsichtigt, da die erste hebung von einem hilfsv. gebildet wird (vgl.
Ghv. 8, 5).
In II steht das pron. meist voran und alliteriert in erster hebung.
Nur in den A^ von ii steht es vor dem verbum in Senkung. In den 3 B
von II folgt es dem verbum in zweiter hebung. Diese nachstellung wäre
auch in der mehrzahl der übrigen belege von ii möglich gewesen (in den
A^ von 11 könnte sie den metrischen fehler beseitigen), und sie müsste
daher durch das alliterationsbedürfnis veranlasst sein, was widerum wegen
der beteiliguug von liedern mit älterer technik unwahrscheinlich ist.
Rhetorische hervorhebung anzunehmen ist wegen der A^ von i unnötig.
Diese können jedoch trotz der A^ von i und der zahlreichen B^ von i^ iü
denen das vorangehende verbum allein alliteriert, nicht als Verstösse gelten.
Sie stünden als solche isoliert, da auch in der Edda (vgl. Sievers § 22, 2)
das mindertonige wort nie an zweiter stelle allein alliterieren kann. In
den B' von i lässt sich das fehlen von doppelalliteration aus der rhyth-
mischen abneigung des typus B (vgl. § 51) erklären. Die A^ von i wären
unzweifelhaft fehler, wenn sich hier nicht kreuzend das logische element
bemerkbar machte. In Vsp. 42, 5. Rf>. 11, 3 handelt es sich um Schilderung
(vgl. § 19, b, s. 139), in Sg. 45, 3 letia [mapr] häna^) liegt der nachdruck
auf dem verb. fin. Wenn also in i die mit hebungsstellung verbundene
nachstellung des pron., in ii die mit alleiniger alliteration verbundene
vorausstelluug bevorzugt wird, dagegen in den beisinelen der gruppe a
Vorausstellung, d.h. proklitische Verwendung, durchgehends beliebter ist,
und ferner die alliteration des pron. in ii metrisch gefordert war, so müssen
die obliquen casus des pers.-pron. im Verhältnis zum verb. fin. ein grösseres
tongewicht besessen haben als der casus rectus (das subject der verbalform).
c) Hier seien noch zwei verse erwähnt, die von zwei
verba und einem pers.-pron. (obliquer casus) gebildet
werden.
Br. 14, 5 livetiß [mik] eßa leiip mik darf als normal angesehen werden,
da die beiden coordiuierten verba notwendig die hebungen einzunehmen
haben (betreffs des mangels ^) von doppelalliteration vgl. s. 149). Dagegen
zeigt Gi-p. 6, 5 seg [pii] mer ef [pu\ veizt einen groben Verstoss, da das be-
grifflich betonte verbum zum pron. proklitisch steht. Der fehler ist viel-
leicht durch Umstellung zu mer seg . . . zu bessern (vgl. unten Grp. 42, 4
= Grp. 44, 4).
2) Vgl. s. 175.
'■') N' wäre durch die rhythmische abneigung des typus E (vgl. § 54)
zu erklären, Avenn statt des ersten das zweite pron. zu tilgen ist.
190 WENCK
3) Personalpronomen, verbnm finitum und nomen.
a) ]Matenal:
a) Stellung 1 (vgl.s. 1S2): Xonien und pro nomen in Lebung:
Erste halbz.: Typus E": E)>. 39, 5. HH.1,39,1. 40,1. 43,1. HH.2,10,1.
Grp. 24,5. Sg.71, 1. — Zweite halbz.: Typus E: HHv. 41,2. — Stel-
lung 2: Nomen und v erb um in bebung: Erste halbz.: Ty pus A':
Grp. 3,5. — Typus E^: Grp. 29,5. — Zweite halbz.: Typus E: lldl.
1, 6. 8, 2. — Stellung 3: vacat. — Stellung 4: Verbum und nomen
in hebuug: Erste halbz.: Typus A: A': Grt. 18,5. Fäf. 40,1. Od.
26,1. Ghv. 18,3. 19,1. — A^: Gp. 1,24,3. — A^: Rp. 2, 3. 14,3. Vkv. 30, 7.
Grt. 8,1. 20,1. Grp. 22,5. 49,5. G]>. 1,21,5. Sg. 14, 7 (=44,1). Ghv. 20,1.
— Typus E: E': Vkv. 40,3. 41,3. — E-^: G\>. 1,27,1. — E': R)). 26,3.
Ghv. 14,1. — Typus F^': prk. 18, 3. — Zweite halbz.: Typus A: Grt.
18,4. — Stellung 5: «) Nomen und verbum in hebung: Erste
halbz.: Typus B': prk. 32,5. — B'': Sg. 45,7. — Zweite halbz.:
vacat. — i^) Pronomen und nomen in hebung: Erste halbz.:
vacat. — Zweite halbz.: Typus D: Hym. 36, 6. 38,6. — Stellung6:
a) Pronomen und nomen in hebung: Erste halbz.: Typus A:
A»: Ysp. 2,1. Hdl. 48,1. Bdr. 3,7. Grp. 31,1. 37,1. Gp. 3, 6, 3. — A^: Ysp.
31, 1. Hym. 2, 7. E^ 8, 1 (= 22, 1). Hdl. 12, 1. 50,5. Bdr. 9,3. HH. 1,36,5.
37, 1. 38, 1. HH. 2, 20, 5. 30, 3. 39, 1. HHv. 32, 3. Grp. 9, 5. 11, 5. 13, 1. 15, 5.
33, 1. 41, 1. Eg. 14, 1. Sg. 10, 3. 20, 1. 58, 5. Hei. 4, 1. 4, 5. Gy. 2, 30, 5. 31, 5.
— Zweite halbzeile: Typus A': HH. 1, 6, 8. — A^: Bdr. 6, 4. Od. 32, 4.
— ß) Verbum und nomen in hebuug: Erste halbz.: Typus B':
Od. 6, 3. — Typus C*: Gj?.2,17,5. — Zweite halbz.: vacat.— y) Nur
das nomen in hebung: Erste halbz.: Typus B": Grp. 4,5. —
Zweite halbz.: Typus C : Hym. 30,6.
b) Stellung 1: «) Nomen und pron. in hebung: Erste
halbz.: Typus A': Sg. 2,1. — Typus E: E': Hdl. 31,1 (=34,1. 36,1.
39,1). Eg. 18,1. Fäf. 32,5. 35,1. Sg. 65,1. Gp. 2,12,1. — E-: Grt. 17,3.
— Zweite halbz.: Typus E: Hdl. 7, 2. 46,2. Hym. 21, 8. — ,?) Nomen
und verbum in hebung: Erste halbz.: vacat. — Zweite halbz.:
Typus A: HH. 2, 42, 8. — Stellung 2: Nomen und verbum in
hebung: Erste halbz.: Typus A': Hdl. 10, 1. — Typus E': Grp. 24, 7.
— Zweite halbz.: Typus A: Gp. 2, 1, 2. 7,2. — Stellung 3:
ß) Nomen und pron. in hebung: Erste balbz.: Typus B': Grp.
2,3. 17,1. 33,5. 39,5. 46,5. Hei. 5, 1. — Typus C: Hdl. 20, 3. — Zweite
halbz.: Typus B: HH. 1,44,8. Sg. 53,2. — ß) Verbum und nomen
in hebung: Erste halbz.: Typus D-: Hdl. 46,3. — Zweite halbz.:
vacat. — >') Conj. und nomen in hebung: Erste halbz.: Typus A':
prk. 4,1. — Zweite halbz.: vacat. — Stellung 4: «) Verbum und
nomen in hebung: Erste halbz.: Typus A: A': prk. 12,5. Vkv.
26,3. HHv. 41,1. 43,1. Grp. 45,1. Sg. 33. 1. Hei. 7, 1. Gp.3,5,7. Gp.2,21,1-
37,1. — A'^: Vkv. 28,1. HH. 2,26,1. Sg. 43,3. Gp.2,25,1. 41,1 (=42,1).
Ghv. 6,3. — A^: prk. 3,5. 29,5. Hdl. 4,5. 5,3. 37,3. 47,3. HH. 1,41,5.
41, 9. 42, 5. 46, 1 (= HH. 2, 24, 1). HH. 2, 25, 1. 47, 5. HHv. 2, 5. Grp. 21, 1.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 191
Gp. 1,21,7. Sg. 9,3. 16,1. 58,7. Hei. 9,1. Qp. 3,2,1. 5,5. Gp. 2,38,5.
39,5. Ghv. 5,1. — Typus E: E' : HH. 2,13,1. — E^: HH. 2,19,5. —
Zweite lialbz. : Typus A: Ghv. 12,2. — /?) Verbum und pron. in
hebung: Erste halbz.: Typus D-: Sg. 23, 1. — Zweite halbz.: vacat.
— Y) Pron. und nomen in hebimg: Erste halbz.: Typus C: Od.
23,3. — Zweite halbz.: vacat. — Stellung 5: Nomen und verbum
in hebung: Erste halbz.: Typus B': Hdl. 37, 1. HHv. 38, 5. Sg. 58, 3.
Od. 23,5. — Zweite halbz.: Typus B: Hdl. 37, 2. Vkv. 37, 6. —
Typus C: HH. 2,8,4 (= Hei. 2,6. 5,4. 6,6). Grp. 51,4. Sg. 25,8. 31,6.
35,2. G}?. 2, 26,4. 30,6. 39,8. — Stellung 6: a) Pron. und nomen in
hebung: Erste halbz.: Typus A: A-: Br. 5,5. Gp.1,4,3. Sg. 62, 5. —
A^: prk. 17,3. Hdl. 37, 5. HH. 2, 31, 1. HHv. 34, 5. 35,5. 37,1. 37,5. Br. 2, 1.
3,1. Grp. 35,1. Sg. 56,7. 59,1. 64,1. Od. 15,5. 16,3. — Typus E^: Sg.
28,1. — Zweite halbz.: Typus A: Bdr. 8,2 (=10,2. 12,2). Grp. 42, 4
(=44,4). — ß) Verbum und nomen in hebung: Erste halbz.:
Typus B': Vkv. 37,3. — Typus C^: Drk. 13, 7. HH. 2,35,1. — Zweite
halbz.: vacat. — y) Nomen allein in hebung: Erste halbz.:
Typus C: HH.2,23,1. — Zweite halbz.: vacat.
b) Die hier zu erörternden Verhältnisse sind den s. 182 f.
behandelten analog', nur sind sie schärfer ausgeprägt als jene.
Stellung 6 ist am häufigsten in gruppe a vertreten, kann also als
normale Wortfolge betrachtet werden. Dagegen überwiegt in gruppe b die
Stellung 4 ganz bedeutend, die in gruppe a an zweiter stelle steht, wie
umgekehrt Stellung 6 in gruppe b.
In Stellung 6 bildet das pron. gewöhnlich die erste hebung, es steht
jedoch mit dem hilfsv. zusammen in eingangssenkuug, wenn das nomen
■ beide hebungen in sich vereinigt (a : i Grp. 4, 5 hann's itarligr, ii Hym. 30, 6
hann's harpari, b: i HH. 2, 23, 1), oder wenn das verb. fin. die erste hebung
tragen kann, ohne das nomen in enklise zu sich zu zwingen (a: i Od. 6, 3
kann \arpi meij, b: Ykv.31,S nepik ■vüjakYglundr: das npr. zu tilgen?)'').
Das vollverb muss auch dann die erste hebung einnehmen, wenn es
den gleichen anlaut hat wie das nom. (vgl. Stellung 6, ß, C-). Beim hilfs-
verb, das sich in der mebrzahl der beispiele vorfindet, ist dies nach s. 139, c
ausgeschlossen (HHv. 37, 1 mik heßr Uelgi ist A 3). Der eben citierte
zweite halbvers Hym. 30, 6 hann's harpari beweist zugleich, dass die doppel-
alliterationen nur zufällig sind. Ein N' begegnet daher in i begreiflicher-
weise nicht. Selbst in einem der wenigen ii-belege (Stellung 6, a : Bdr. 6, 4
ek mun ur heimi) hat die Satzbetonung den sieg über die metrische con-
venienz bezüglich des hauptstabes davongetragen. Die andern ii von Stel-
lung 6, in denen das pron. alliteriert, sind anzeichen für ungenaue arbeit.
Bei Stellung 4 nimmt das verbum in i fast stets die erste hebung
ein (nur Od. 23, 3 kvgpusk okkr hafa macht eine ausnähme, vgl. s. 189, 2, b).
Für II ist deshalb diese Stellung ungeeignet, weil sie hier dem verbum den
*) Sg. 28,1 mir tmni moer ist besser als E zu nehmen, da ein B^
zwar verständlich, aber metrisch anstössig wäre.
192 WENCK
hiauptstab golien würde im vorzng vor dem vei*sschliesseiiden nomen^
So findet sich denn hier tatsächlich auch nur ein beleg für diese Stellung :
Ghv. 12, 2 he<[«]A; mer ot rünum.
Das nomeu steht gewöhnlich in zweiter hebung (Sg. 23, 1 h»«,' ha«s
um (lolf))- ist verderbt). In den anderen beispieleu steht das pron. in Senkung
und wird nur ausnahmsweise zur bilduug einer nebenhebung herangezogen:
Tgl. die E von gruppe a.
Die vier anderen Stellungen sind nur spärlich vertreten. — Bei Stel-
lung 3 fehlen charakteristischerweise belege für gruppe a (vgl. s. 184).
Somit darf auch das pers.-pron. nur dann von der zugehörigen verbalform
getrennt werden, wenn es vorausgeht. Für Stellung 5 sind die verhältnis-
zahlen: a: I 2 : II 2; ^ b: i 4 : ii 13. ') Das anwachsen der zahl der ii
bei Stellung 5 ist bei dem sonst allgemeinen abnehmen der beispiele von ii
(a: i 71 : ii 10, b: i 95 : ll 27) befremdlich, doch ist es zweifelhaft, ob
die oben mitberechneten, aber z. t. tilgbaren pronomina wirklich im text
zu belassen sind. Obvvol das pron. ganz regelmässig proklitisch steht, be-
gegnen zwei belege (Stellung 5, /9) : Hym. 36, 6 hann alla drap, 38, ö ho»H
lauyi um feH; in denen es die erste trägt und allein alliteriert. Das ist
wider durchaus gegen den satzacceut (vgl. die doppelalliteratiou in Sg. 45, 7
hon krgng um kowi) und ein deutliches merkmal des skaldischen Charakters
der Hym. In den belegen der Stellung ß dagegen tritt umgekehrt das
hilfsv. in eiugangssenkung und das pron. erhält die zweite (schwächere)
hebung, ohne je mit zu alliterieren. In prk. 4, 1 ßö mundak gefa per, wo
das pron. enklitisch ist, könnte das verbum die erste hebung erhalten,
"vvenn es an erster versstelle stünde. Ein vollverb begegnet nur zweimal:
I Hdl. 4G, 3 i(cr [pu] fätt af mcr, wo es seinem tougewicht entsprechend
mit alliteriert, und ii HH. 1, 49, 8 deili g)ym vip pik, avo nach D— B zu
rhythmisieren ist.
Steht das nomen an erster versstelle (Stellung 1 und 2), so begegnet
die folge pron. + verbum (Stellung 2) nur vereinzelt (für gruppe a und b
nur je 2 i und ii). In Gp. 2, 1, 2. 7, 2 (ii, gruppe b) ist das pron. metrisch
tilgbar, dagegen ist es in den E-versen beider gruppeu zur bildung der
nebenhebung erforderlich. — Beliebter ist Stellung 1, in der das pron.
hinter dem verbum in hebung tritt (vgl. s. 184. 188 f.). Doppelalliteration
findet sich nur einmal: Ort. 17,3 mcdit hefk fyr mik (dagegen zählt natür-
lich der gleiche anlaut selbst des voUverbs in Eg. 18, 1 Unikar kein mik
ebensowenig mit wie der des pron. in Gi-p. 24, 7 mcerr, mer ef {pu\ vilt).
Hinsichtlich der alliterationsstellung in den versen mit
verbum und nomen in hebung vgl. s. 137 f.
*) Gj7. 2, 30, G R unz pik aldr vipr enthält einen metrischen fehler und
einen Verstoss gegen den satzaccent. Der vers ist durch einsetzung von um
zu B* überzuführen.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 193
f) Pronomen possessiviim, indefinitum und sjalfr.
§ 43. Am stärksten von allen pronominibus ist das pron.
poss. und indefinitum (desgl. das indefinit gebrauchte interroga-
tivum) betont; ihnen schliesst sich das hervorhebende sjalfr an.i)
1) Diese pronn. bilden in Verbindung mit einem uomen
folgende verse (in der überwiegenden mehrzahl ist es ein pron.
poss., das attributiv zum nomen construiert ist):
a) Pronomen + uomeu: Erste halbz.: Typus A: A': Grp.
53.7. Sg. 10,5. 67,3. - A^: Ykv. 13,5. Grp. 46,7. G]>. 1,19,3. — A^: Gp.
1,22,3. — Typus B': Sg. 36, 7. 39,7. 51,7. 62,3.— Typus Ci; Drk. 1, 3.
3,7. 18,7. Br. 4,3. Hdl. 27,3. — Typus D: D': Gp. 1,9,3. — D»: Gp.
1,20,3. — Typus Fl; Sg. 63, 7. — Zweite halbz.: Typus A: Hdl.
45, 2. 50, 2. Ykv. 5, 8. 36, 8. Grt. 9, 6. 17, 4. HH. 2, 11, 8. 39, 2. HHv. 11, 4.
33, 4. 37, 4. Grp. 7, 4. 18, 8. Eg. 5, 8. Gp. 1, 9, 8. 20, 6. Sg. 25, 2 (= 29, 4).
Hei. 12,8. Gp. 3,4,6. 11,8. Od. 23,2. Ghv. 2,6. 3,8. — Typus B: Grp.
22.8. — Typus C: Hdl. 3,2. Vkv. 27,8. — Typus D: Hym. 13,8. Gp.
1,3,6. — Typus F: Sg. 5, 4. Gp. 2, 3, 2.
ß) Nomen + pronomen: Erste halbz.: Typus A: A': prk. 6, 3.
29, 9. Vkv. 22, 7. 33, 9. Grt. 18, 7. HH. 2, 28, 3. HHv. 32, 5. Grp. 33, 7. 39, 3.
Sg. 61,3. — A^: Sg. 60, 5. — Typus B': Hei. 12, 3. Gp. 2, 10, 7. —
Ty p u s C : C : Hym. 39, 5. prk. 6, 5. Ykv. 27, 3. 27, 5. HH. 1, 34, 3 (= 44, 5).
36,7. 41,7. HH. 2,32,7. 34,3. Br. 6,7. G]>. 2,32,5. Od. 21,3. — C^: Rp.
3,5 (=5,7. 17,5. 19,7. 30,5). HH. 2,40,5. 41,5. Gp. 1,20,7. - Typus
F': G\>. 1,17,9. Sg. 70,5. — Zweite halbz.: Typus A: Ysp. 28,12.
40, 6. Hym. 1, 8. 30, 8. prk. 29, 8. Hdl. 19, 4. Ykv. 19, 2. 28, 6. 32, 4. 34, 6.
HH. 1, 18, 2. 48, 8, HH. 2, 18, 4 (= 20, 6). 43, 2. HHv. 34, 8. Grp. 8, 8. 12, 8
(= 14, 8). 17, 6. 21, 2. 43, 8. Sg. 8, 4. 11, 4. 33, 4. 38, 2. 41, 6. 47, 2. 52, 2.
61,2. 70,8. Hei. 1,4. 2,4. 9,6. Od. 25,2. Ghv. 16,6. — Typus B: Ghv.
17,2. — Typus C: Ysp. 29, 6. 57,8 (= Hdl. 42, 2 = HH. 2, 38, 10). Hym.
11, 4. Hdl. 5, 4. 9, 8. HH. 1, 38, 8. 44, 4. HH. 2, 35, 8. Grp. 5, 8. Rg. 13, 4.
17,4. Sg. 28,2. Gp. 2,8,8. Od. 34,6. Ghv. 8,10. 15, 6. — Typus D: Sg.
56,2. — Typus F: Gp. 1, 25, 6 (= Sg. 56, 10).
Das anwachsen der belege beider Stellungen des pron, in ii
(a I 19 : II 31; ß i 36 : ii 58) beAveist, dass es sich hier um ein
ähnliches tonverhältnis handelt wie bei der Verbindung von
attributivem adj. mit einem subst. (s. 103 f.). Es wird dies
weiterhin durch die alliteration in i bestätigt: a 13 N' (ein
ausnahmefall ist beiseite gelassen) : 4 N^; /3 27 N' : 9 N^).
Das überwiegen von N^ in beiden Stellungen ist beim auftreten enger
grammatischer Verknüpfung so zu erklären, dass das jeweilig nachstehende
1) Vgl. Rieger s. 31.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche, XXXI. 1^
li»4 WKNCK
wort zum voraugehenflen in cnklisc getreten ist.') Beim vergleich unserer
prononiinalverliindungon mit den adjcitivformoln Cs. 124 f.) flillt es zwar auf,
(lass die uaclistellung des pmn. in beiden liulbzeilen gleich stark bevor-
zugt wird (sie erscheint in rund 65 "/o aller betr. beispiele), doch spiegelt
sich darin wol nur der bekannte Sprachgebrauch auch der prosa wider,
welcher ebenfalls naelistelluug der betr. pronomina bevorzugt.
Yorausstehcndes pronomen trägt (im gegeusatz zum wgerm.) in der
Edda stets die alliteration: der isolierte halbvers i mit N» Gp. 1,22, 3 /)«'s
mhin Sigurßr ist nach analogie von (thv. 17, 2 es fieir Siffta-p viinii zu
einem B' umzugestalten; in Vkv. 13,5 vära aura ist schon aus gramma-
tischen gründen die ältere sprachform öra (Noreeu, An. gramm.^ § -457, 2)
einzusetzen. Ebenso beruht HHv. 5, 2 ok el-ki eyrindi auf Verderbnis. Die
Streichung der conj. allein würde ein für ii fehlerhaftes D- ergehen. Der
vers kann nur durch tilgnng des pron. und der conjunction und einsetzung
von HC gebessert Averden.
Eine andere als die attributive l^indung- begegnet nur ver-
einzelt.
Die doppelalliteration in Grp. 40, 7 enga efnda ist ebenso normal wie
in G}». 1, 19, 3 hverri hcei-i, da die grammatische Verknüpfung eine lockerere
ist. — Genetivisches Verhältnis tindet sich in zwei beispielen (Vsp. 40, 6.
Sg. 56, 2), in denen die alleinige alliteration des vorausgehenden, abhängigen
Wortes sicher dem satzaccent entspricht. — Kein engeres rectionsverhältnis
besteht in i Hdl. 27, 3 ok ii sama Giiprün, Hym. 39, 5 eii wear hverjan,
II Hdl. 3,2 en sumum aura. Um so auffälliger ist der vers Br. 4, 3 sumir
Gottonni, der als D' gefasst werden kann, da schon aus dem bisher ge-
sagten die nominale betonung des pron. hervorgeht. Wenn man jedoch
berücksichtigt, dass sumir hier widerholung ist und deshalb leichter ge-
drückt werden kann, darf man die rhythmisierung D — C mit regelmässiger
alliteratiousstelluiig für wahrscheinlicher halten.
Die nachdrucksverhaltnis.se des pron. illustrieren am besten die verse,
in denen es vor einem verbalnomen steht : Hdl. 50, 2 en<7M räpa, HHv. 37, 4
ajalfa at maila, ähiü. Rg. 5, 8. Hei. 12, 8. Unregelmässig sind andere ii, in
denen das verbalnomen vorausgehend alliterieren muss (Grp. 8, 8 genginn
Jiimnn, vgl. 17, 6. Sg. 52, 2), schon weil da das nildebraudsche gesetz ver-
nachlässigt ist. Dieses ist ausser diesen fällen nur noch in Hym. 39, 5 en
vear hverjan durchbrochen.
2) Pronomen possessivum bez. indefinitum und
verbum finitum. Material:
Erste halbzeile: Typus A: A': Gj>. 1,17,3. Hei. 12,5.1 Od. 1,5.
-; N- ist .somit zufällig; die grosse zahl der doppelalliterationen in
gruppe ß rührt daher, dass ein und derselbe vers des öfteren widerkehrt.
Betreffs u Vkv. 13, 5. Grp. 46, 7. Gp. 1, 19, 3 s. oben z. 10. 18 ff. In ß HH.
2,40,5. 41,5 ist die doppelalliteration vocalisch.
*) So schon bei Kunisch, Zur kritik u. metrik der HamJ\ s. 35.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 195
— A": Grt. 7,1- — A«: Hym. 33,7. Grt. 11,7. HH. 2,26,3. HHv. 41,3. —
Typus B>: l3rk. 2,5. Grp. 51,5. Sg. 36,3. 40,7. Od. 8,7. — Typus D^:
Grt. 2,5. — Zweite halbzeile: Typus A: Hym. 20,6. 25,4. Grt. 8,8.
HHv. 10, 8. Hei. 3, 8. 7, 4. Hym. 26, 6.
Das nominale tongewiclit des pron. zeigt sich ganz evident
in der alliteration:
Voraussteheud wie nachstehend in Verbindung mit hilfsverh oder voU-
verb alliteriert das pron. allein. In den B-verseu steht es durchgehends
in der ersten stärkereu hebung. Das verbum nimmt nach dem pron. stets
die zweite hebung ein, überlässt dagegen voranstehend die erste hebung
zuweilen einer conj. (betrelfs des A^: Grt. 7, 1 enn [hann] kvap ekki vgl. § 48).
Wenn jedoch ein vollverb gleichen anlaut hat wie das pron., so ist es un-
bedingt in erste hebung zu setzen: Grt. 2, 5 hei [hann] ]wäri(jri. In ii muss
das pron. voransteheu, um die alliteration erhalten zu können. Der isolierte
fall Hym. 26, 6 iestir okkarnj wo es in zweiter hebung von der alliteration
ausgeschlossen ist, ist ein neuer beweis für die skaldische technik dieses
liedes. Der vers enthält zugleich einen Verstoss gegen das Hildebrandsche
gesetz.
3) Pronomen poss. etc., verbum finitum und nomen.
Stell ungl: Pron. -f verbum + nomen: Pron. und nomen in
hebung: Erste halbz.: Typus A' : Ep. 36,5. Gp. 1,8,1. — A^: HH.
1,7,5. HH. 2,45,9. Eg. 23,1. Gp. 1,8,3. Gp. 2, 9, 5. — Zweite halbz.:
Typus A^: Gp. 1, 8, 2. — Stellung 2: Pron. + nomen + verbum:
Nomen und verbum in hebung: Erste halbz.: Typus C^: Br.4,1.
— Zweite halbz.: Typus C: Br. 4,2. — Stellung 3: Verbum +
pron. + nomen: Erste halbz.: Typus B': Vsp. 45,11. HH. 1,37,5.
51,7. HH. 2,46,5. Sg. 53,5. — Typus C^: Hym. 5,5. 9,5. HH. 1,18,1.
HH. 2,16,7. Eg. 5,7. — Typus D^: Grt. 21,1. Sg. 13,3. — Zweite
halbz.: Typus C^: Hdl. 1,2. — Stellung 4: Verbum + nomen +
pron.: ß) Nomen und pron. in hebung: Erste halbz.: Typus B^:
Hdl. 50,1. Gp. 1,24,7. — Typus C: C: Sg. 32,5. Hei. 6,1. — C^: Hdl.
3,1. — Zweite halbz.: Typus C: Hdl. 25,8. — ß) Verbum (conj.)
und nomen in hebung: Erste halbz.: Typus A^: Hdl. 5,7. 6,5.
7, 3. Hei. 10, 1. — Zweite halbz. : vacat. — Stellung 5: Nomen +
pron. + verbum: Nomen und verbum in hebung: Erste halbz.:
Typus AI: Od. 34, 5. — Typus E^: Hdl. 50, 1. — Zweite halbz.:
Typus E: Sg. 28, 4. — Stellung 6: Nomen + verbum -|- pron.:
Nomen und pron. in hebung: Erste halbz.: Typus A^: HHv. 5,3.
Grp. 22, 1. Ghv. 4, 7. — Typus E': Hym. 19, 5. — Zweite halbz.: vacat.
Bei mittelstellung des verbums (Stellung 1. 6) nehmen
nomen und pron. die hebungen ein. In Stellung 6 trägt das
nomen allein die alliteration, dagegen zeigt sich bei Stellung 1
ein schwanken.
Während atttributivisches Verhältnis in Stellung 6 allein auftritt, be-
gegnet es nur zweimal bei Stellung. 1 (die zerreissung des grammatisch eng
13*
lOf) WKNCK
verbundenen scheint somit nur bei naclistollniiij;- fies pron. nnimal zu sein):
Bf>. 3fi, 5 sitt jiaf heiti, (i)'. 2, 0, 5 pHl shfli hjurla. Der zweite fall ist
nach dem bisher erörterten als Verstoss zu bezeichnen, da eine besseruug
durch umstollnng zu B oder einsetzuny von pir sich melodisch nicht
emptiehlt. Dasselbe gilt von den übrigen anomalen fällen, in denen die
Zwischenstellung des verbunis wegen der lockeren grammatischen Ver-
knüpfung angängig, z. t. geboten ist. HJI. 2, 45, 9 hirrt fellr hlöpiigt, Eg.
23, 1 cngr sJcal i^iontui weisen denselben alliterationsfohler auf wie HH.
1,7,5 sjalfr f/clck v/V/, Gp. 1,8,3 «yV//' shyhiak h[))i(lla. In den beiden
anderen versen: Gf>. 1,8,12 sjglf sJcijhlak gofga, sj{)lf ski/ldak g^itva trägt
sjalfr sicher nur die nebenallitcration (vgl. G|'. 1, 8, 3), da der logische nach-
druck auf dem uomen liegt (vgl. § 57 f.). — Dasselbe gilt von den beiden*)
belegen der Stellung 2: Br. 4, 1 f. s«»(/> ulf svipu, sumir orm snipu (vgl.
§ 43, 1. 58). Dass hier nach D — C zu rhythmisieren ist, kann nicht zweifel-
haft sein. — In den beispieleu der Stellung 5 nimmt das verb. fin. dem
gesagten entsprechend (vgl. s. 148) die zweite hebuug ein, und erhält sie voll-
kommen regelrecht, da uomen und prun. zur toueinheit verschmelzen.*) —
Hdl. 50, 1 ist mit Hildebrand nach skal abzuteilen.
Am liäufigsteu ist die voranstellung des verb ums
(Stellung 3. 4). Wenn nomeu -f pron. eine zweisilbige formel
bilden, also nur eine*^) liebung beanspruchen können, so steht
das verbum (hilfsv. und vollv. gleicherweise) in der anderen
(ersten) hebung (A^-verse der Stellung 4, ,i/), kann diese aller-
dings aus rhythmischen gründen auch einer conj. überlassen
(Hdl. 6, 5. 7, 5). Ist die formel dreisilbig, und vermag sie
daher beide hebungen zu tragen, so steht das hilfsv. in ein-
gangssenkuug, selbst bei gleichem anlaut: Eg. 5, 7 mun mins
fear, dagegen muss das vollv. in den D- von 3 in erster hebung
stehen. In den anderen fällen, wo es der alliteration entbehrt,
ist nach D — B, D— C zu rhythmisieren.') Zweifelhaft ist dies
*) Od. 6, 6. 14,8. Grp. 41, 4 würden ebenfalls hierher gehören, wenn
nicht das proklitische pron. getilgt werden müsste.
5) Dass uom. 4- attributivem pron. poss., indef. weit eher zu einer
formel (pronominalformel) sich vereinigen als bei umgekehrter Stellung,
beweist auch das auftreten des typus C in den unter 1 behandelten versen.
Die differenz i « 3 (C3) : ß 20 (4 C2 + 16 C 1), ii « 1 : /9 18 (15 C2 -H SC 1)
steht in keinem Verhältnis zur bevorzugung der Stellung ß.
*) Auffüllig und technisch fehlerhaft ist daher der gleiche anlaut des
zweiten gliedes der formel in Hdl. 5, 7 vilkuk mar uiinn, der eben weil er
nicht zur geltung kommen kann (ein typus des Schema — x -^^ — müsste
notwendig mit A3b zusammenfallen) anstössig gewesen ist. Man beachte
auch die häufung des poss. -pron. in der str. 5.
') Auch bei geuetivischem Verhältnis: G]^. 1. 24. 7 rekr \pik] alila hverr,
vgl. aber F. JouBson z. at.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 197
in dem einzigen fall mit doppelalliteration : Hdl. 3, 1 gefr sigr
mtmum, weil da kein rectionsverhältnis vorhanden ist (vgl.
oben Br. 4,1 — 3 und s. 145). Für das tongewicht des pron. ist
das eine A2k der Stellung 5 sehr instructiv, insofern es be-
weist, dass nomen und pron. poss. bez. indef. auf gleicher
nachdrucksstufe stehen, s) Die tonische eiuheit, zu der bei
attributivem Verhältnis das (normalerweise nachstehende) pron.
mit dem nomen verschmilzt., ist demnach mit den der bisher
erörterten formein in dynamischer beziehung identisch. Wir
können sie denselben als 'pronominalformeln' zur seite stellen.
g) Pronomen und zwei nomina.
§ 44. 1) Zwei nomina + pronomen.
Erste halbz.: Typus A: A»: HH. 1, 16, 7. HH. 2, 37, 3. Br. 7, 1
(=Sg-.17,l. 45,1). Od. 4, 7. 15,3. — A^: Ysp. 20, 3. HH. 2, 22, 5. Grp. 17, 3.
— A3: E]7. 45,1. Vkv. 14, 7. — Typus B : B>: Sg. 58,9. — B'': Vsp. 7,3.
Hym. 3,7. — Typus C: C^: HH. 2,1,5. 42,3. Grp. 32,7. Sg. 18,9. Qp.
2,35,5. — C'': Gp. 1,2,3. 6,5. — Typus E^: HHv. 34,3. — Zweite
halbz.: Typus A: Hym. 16,8. Hdl. 41,8. Vkv. 39,2. HH. 2,30,2. Grp.
4, 8. 23, 8. 41, 8. 46, 2. Rg. 11, 8. Sg. 8, 10. Od. 19, 6. Gp. 2, 22, 2. 35, 2. 40, 8.
— Typus C: Grt. 11,1. Gp. 2,25,4. — Typus D: Hdl. 20,4. Sg. 48,2.
— Typus E: Hym. 3,6. 24,6. 26,2. Vkv. 3,2. Grp. 23,2. 42,6. 49,2.
Sg. 28, 8.
Die fälle mit pron. possessivum oder indef initum stehen
wegen der nachdrucksverhältnisse dieser pronomina auf gleicher
stufe mit den versen mit drei nominibus (s. 121 f.). Wie dort,
ist auch hier jeweilen die bildung einer formel erforderlich.
In dieser beziehung sind i A : HH. 2, 37, 3. Od. 4, 7 und ii A : Vkv.
39,2. Grp. 4, 8. 23,8. Hdl. 41, 8 regelrecht gebildet, da das nomen mit dem
nachfolgenden pron. -poss. (im letztgenannten vers einem indef.) zur ton-
einheit verschmelzen kann. Auch pron. + nomen begegnet als formel,
häufiger, wie es scheint, beim iudef. (Od. 19, 6. Gj?. 2, 22, 2. 35, 2) als beim
poss. (Grp. 41, 8. Eg. 11, 8. Hdl. 20, 4). Der letztcitierte vers mägr pins
fgpur allein verstösst gegen das in § 18, 8 (s. 131) entwickelte stilprincip.
Ebenso fehlerhaft sind Gp. 1, 6, 5 minir ajau synir und Gp. 2, 25, 4 at pinn
fgpur daupan, in denen das pron. proklitisch steht. Im zweiten fall liegt
die tilgung von pjmn auf der band (vgl. s. 196, anm. 4), im ersten darf
man zu ^ynir minir umstellen. Gegen den satzacceut verstösst Sg. 8, 10
krp'n frjä sina, insofern ein inf. normalerweise nicht zu einem nomen in
enklise treten kann. Auch hier kann die Unregelmässigkeit durch um-
stellen (zu E) beseitigt werden. Betreffs der A2k von ii vgl. anm. 8.
*) Weitere beispiele in § 44, 1.
108 WEXCK
Die anderen tonst'lnvaclien pionomina können nor-
maler "weise nur dann eine liebung erhalten, Avenn die beiden
nomina eine zweisilbige formel bilden:
Z. b. R}\ 45, 1 kann vip Kig jurl, HHv. 34, 3 göps verpr fra per,
iihnl. Hym. 2G, 2. Ykv. 3, 2. Grp. 42,0. 49,2. Vielleicht ist auch Grp.28,2
]Qgp (Fi'i per trotz der prädicativisohen binduiig hier anzuziehen , da (rvi
das vorausgehende har/ wider aufnimmt. Vkv. 14, 7 es vir heil hjii wäre
als A2 wegen des gleichen anlauts der beiden bestandteile der formel be-
fremdlich (vgl. s. 196, anm. 6) : der vers gehört vielmehr zu C, denn es ist
zur Vermeidung der härte die uncontrahierte sprachfonn hiu (vgl. Noreen*
§127'^, b, 2) einzusetzen.
Ist die nominalformel dreisilbig, so steht das mindertonige
pron. ohne zweifei auch bei gleichem anlaut (ii Grt. 11,1 ver
Yetr nni) in Senkung.
Um so auffälliger ist deshalb die zeile ii Sg. 48, 2 ho/i « annan reg,
die den s. 192 citierten anomalen versen der Hym. gleichzusetzen ist. —
Als erschwerendes nioment kommt hinzu, dass die formel der alliteratiou
entbehrt.
Besteht keine engere gTammatische bindung zwischen den
beiden nominibus, so ist das pron. natürlich proklitisch bei
Voranstellung, und ganz tonlos bei mittelstellung [i HH. 2, 22, 5.
Grp. 17,3. Br. 7,1 (= Sg. 17, 1. 45,1); ii HH. 2.30,2. G^. 2,
40,8>)].
Hym. 3, 6 seV fccra hver ist wider ein beispiel skaldischer technik (vgl.
8. 187 Hym. 32, 2 mer genginn fra). Dagegen darf Gr\). 4fi, 2 hriipr sii taka,
wo die Verkürzung der zweiten hcbung auf schweren nebenton des sonst
tonlosen dem. hinweist, durch Umstellung gebessert werden (vgl. s. 187).
Bemerkenswert sind noch folgende verse, in denen ein demoiistrativum
das folgende nomen in enklise zu sich gezwungen hat bez. mit ihm eine
rhetorische formel bildet: HH. 1, IG, 7 yä nüit fara, Od. 15,3 sjü inüpr ko-
nnngr (wo dem. + adj. die formel bilden), Hym. 24, 6 sri fiskr i mar. Pirect
anstössig ist hier die hervorhebuug des pron. nur an der letztgenannten
stelle, die abermals der Hym. zufällt, ebenso wie Hym. 16, 8 veV prir Ufa,
wo die alliteratiou des pron. geradezu sinnwidrig ist (vgl. Sg. 18, 9 und
s. 187 zu Sg. 18, 3. 65, 7).
Ein anderer fall, wo poss. gen. mit folgendem nomen zu dynamischer
einheit verschmilzt: Sg. 28, 8 \\ans kvämir vinr, muss nach § 42, 1 als regel-
mässig angesehen werden. Ob zu den obigen versen mit einer dem. -formel
') Per auffassung Bugges, der ti/ggva in G]\ 2, 40, S als ojitativ nimmt,
kann ich mich nicht anschliessen , da nach bipja ganz gewöhnlich der inf.
mit at folgt und es ausserdem auffallen würde, dass von den Schreibern
kein t7t interpoliert wäre.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDTSLAG. 199
auch Vsp. 20, 3 prjär 6r peim seil gestellt werden darf, bleibt einigermassen
unsicher. Die rhythmisienmg nach E würde dem pron. die nebenhebung
anweisen (vgl. die analogen fälle unter 2).
2) Zwei nomina, verbum finitum und pronomen.
Erste halbzeile: Typus A: A^: Hdl. 13,1. Vkv. 41,1. Sg. 63,1.
54,1. Ghv. 10,5. — A^: Hdl. 13,7. 14,7. 16,11 (=17,5. 20,9. 21,7. 23,7.
24,9. 26,7. 27,9. 28,11. 29,9). HH. 2,44,5. Sg. 40,5. — A^: Vsp. 25,5.
prk. 12, 7. 20, 5. Rp. 47, 8. Hdl. 5, 5. Vkv. 5, 3. HH. 2, 2, 3. 18, 5. 40, 1.
41,1. 49,1. Sg. 7,3. Hei. 2,5R. Eg. 13,7. — Typus B: ßi; Vsp. 32,7.
38,7. Bdr. 11,3. HH. 2,4,1. — B^: HH. 1,6,7. G^ 3, 1, 3. — Typus C:
C: prk. 7,3. Vkv. 18,7. HHv. 40,7. Grp. 3,1. 7,1. 52,3. Rg. 17,3. -
C*: Bdr. 10,5. — Typus D: D': Hdl. 19,1. — D^: prk. 11,3. Hdl. 13,5.
— Typus E: E': Hdl. 20,5. HH. 1,53,1. Grp. 25,7. — E'-*: Gp. 1,23,3.
Sg. 15,1. — Zweite halbzeile: Typus A: Hdl. 28, 4. Vkv.31,6. Grp.
3,4. — Typus B: Hym. 32,8. Sg. 7,6. — Typus C: Hdl. 30,4. 30,10.
Grt. 19, 4. HHv. 3, 8. Sg. 15, 4.
Die eben erörterten Verhältnisse kehren hier fast in gleicher
gestalt mder, da es sich meist um ein tonloses hilfsv. handelt,
das sich gewöhnlich an das vorangehende wort anlehnt, z. t.
mit demselben völlig verschmilzt.
Pron. (dem., interrog., pers.) und verbum stehen in den genannten
B- und C- Versen von i. ii durchgehends in eingangssenkung. Auffällig
sind die beiden fälle mit vollverb Vsp. 32, 7 sä nam Oßins sonr, Sg. 7, 6
slcöpii oss \anga prg. Im ersten wird das periphrastisch gebrauchte verbum
kaum mehr nachdruck als ein hilfsv. besessen haben, im zweiten ist wegen
der engen grammatischen bindung der nomina die rhythmisierung D— B
möglich. Die proklise des pron. steht in einklang mit dem bisher erörterten.
Nur Hdl. 30, 10 hans vas Skaßi döttir muss wegen der trennung des syn-
taktisch zusammengehörigen und der sonstigen behandlung des poss. gen.
(vgl. Sg. 28, 8 und unten Hdl. 14, 7) sehr befremden. Vielleicht darf man an
Umstellung denken: Skapi vas döttir hans, vgl. Hdl. 13,5. 19,1, wo der
poss, gen. ebenfalls die nebenhebung trägt (dazu Sievers, Beitr. 6, 340).
Das verbum steht in der mehrzahl der belege an zweiter versstelle
und verschmilzt mit dem pron. Vorausstellung des verbums findet sich,
abgesehen von Sg. 7, 6 (hier wäre bei der folge oss sJcöpu die dreisilbige
eingangssenkung anstössig gewesen und die für den vers notwendige
rhythmisierung nach D — B unmöglich geworden), nur noch in Gf>. 3, 1, 3
es per hri/gt i ]ing und Rg. 17, 3 es oss hyrr gefinn ; im ersteren fall ist
sie durch die frageform des Satzes hervorgerufen.
Das pron. poss. findet sich als zweites glied einer formel in i A:
Hdl. 5, 5. 13, 1 (fehlerhaft, weil die formel nicht mit alliteriert). 16, 11 etc.
HH. 2,44,5: ii: Vkv.31,6 (in prk. 11,3 ist das 76m», das an erster stelle
einer formel erscheint, wol mit Sievers, Proben s. 34 zu streichen). Ebenso
regelmässig ist die alliteration in Hdl. 14, 7 hvarfla pdttu hans verk (vgl.
Sievers, Beitr. 6, 340). In den übrigen A- und E-versen kann das pron.
200 WKNCK
mir (liinii in liebniig treten, wenn eine zweisilbiji^e nominalfonnol vorliegt,
uiitor der weiteren voranspetznng, dass es an erster versstelle stehe: sonst
iiberlässt es dem verbuni oder einer conj. die erste bebung (i: A: Vsp. 25, 5.
prk. 12,7. 20,5.=») R^ 47,3. Vkv. 5,3. HH. 2,2,3. 18,5. 40,1. 41,1. Rg.
13,7. Hei. 2,5. — E: HH. 1,53,1. Grp. 25,7).
In den restierenden beispielen, in denen keine nomiualformel vorhanden
ist, steht das prou. (pers. oder dem.) in mittelsenkung, in einigen der E
nmss es jedoch die uebenhebnng tragen: Hdl. 20,5. G]'. 1,23,3. Sg. 15,1;
einmal steht es in enklise zum zweiten nomen: Hdl. 13,7, einmal als anomaler
auftakt: Grp. 3, 4. Betreffs der allitcration dieser verse vgl. s. 94 f. Gegen
das alliteration.^gesetz Verstössen: Hdl. 5,5 seimi es g<^Ur pinn, i^g. 7,3
1a-(jns huns Guprttii. Dagegen ist HH. 2,49,1 vu'il'^ »in- at r/'pa als aus-
nähme berechtigt (vgl. Sievers § 23,2).
h) Pronomen und adverbium.
§ 45, 1) Pronomen -f adverbium. a) Material:
Erste halbzeile: Typus A: A-: Hym. 33,3. — A': Grt. 13. 1. Sg.
34,3. — Typus B: Ysp. 2,3. Hdl. 4,3. Br. 3, 7. - Zweite halbzeile:
Typus A:'a': Sg. 60, 2. — A^: Vsp. 35, 6. — Typus C: Hdl. G,4.
G^ 2, 30, 4.
In I alliteriert das adv, in Verbindung mit einem pers.-
pron. stets allein.
Es sind lauter i mit ausnähme von Hym. 33, 3 nt ör oru, wo das adv.
neben dem tonvolleren poss.-pron. nur mitalliteriert. In Grt. 13.1 en rit
s//;aH, desgl. Sg. 34, 3 hves ypr s)ie))ima steht das pron. vor dem adv. in
Senkung, weil es in erste hebung tretend das adv. gegen den sinn in enkli.se
zu sich hätte zwingen müssen. Für Hdl. (i, 4 ä oss paiinig ist die haupt-
stabregel in ansclilag zu bringen. — Ebenso auffällig ist umgekehrt die
enklise des pron. indef. Gp. 2, 30, 4 en framast noJikvi. Da selbst in
zweiter hebung von ii in Vsp. 35, 6 Pei/gi 6r sinum das gleich stark be-
toute pron. poss. allein alliteriert (vgl. Hym. 33,3) würde der genannte
vers doppelt fehlerhaft sein, wenn nicht der begriffliche uachdruck auf dem
adverbialen Superlativ läge. — Ein dem.-proii. lindet sich nur Sg. 60, 2
]>viyit lenyra, wo es dem stilprincip gemäss vorausteht und allein alliteriert
(vgl. Od. 7, 2 in § 41, 1, s. 181).
b) Wenn zwei adverbia und ein pron. in einer halb-
zeile vereinigt sind, so können die mindert onigen pron. nur
dann in hebung treten, wenn eins der adv. pro- oder enklitisch
zum anderen stehen kann: Br. 17,2 til ggrvu ].at (vgl. s. 157).
2) Die merkwürdige enklise eines uumerale zu einem iuf. {cit skiihtm
&ka tvdr) lässt sich nur dadurch rechtfertigen, dass der zahlbegriff bereits
in der dualform des pron. enthalten ist. Betreffs der anderen formein ist
auf s. 121 f. zu verweisen.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 201
In Gp. 2,38,1 svä vu'Jc nijl[ig]a (vgl. Sievers, Beitr. 6, 317) steht das
proii. ganz norinal in Senkung (betreffs der alliteration auf dem zweiten
adv. vgl. s. 176).
c) Ebenso reg^elmässig ist Sg. 43, 2 \iveim ])ar ser, wo das
pron.-adv. seinem nachdruck entsprechend die Senkung ein-
nimmt. Dass das indef. allein alliteriert stimmt zu der sonst
festgelegten Stärkeabstufung der pronomina.
2) Pronomen, adverbium und v erb um finitum.
Material:
a) Vollverbum: Stellung j : Pronomen + adv. -f verbum:
«) Adv. und verbum in liebung: Erste halbz.: Typus B: BM Vkv.
16,8 (=30,3). HH. 1,10,7. — B-': Vsp. 26,3. — Typus C^: Grp. 10,7.
— Zweite halbz.: Typus B: Vsp. 1,8. - Typus C: Vkv. 8,4. 12,2.
37,2. 37,8. Grp. 19,6. Od. 10, 6. — ß) Pron. + verbum : Erste halbz:
vacat. — Zweite halbz.: Typus A: prk. 2,4. — Typus E: Gp. 2, -i, 4.
— Stellung 2: Pron. + verbum + adv.: a) Pron. und adv. in
hebung: Erste halbz.: Typus A'': Sg. 27,5. — Typus E-: Sg. 39,1.
Zweite halbz.: Typus A: Sg. 34,2. Gp. 2,44,4. — Typus E: Hyra.
6,4. — ß) Verbum und adv. in hebung: Erste halbz.: Typus B^:
E}?. 48,5. Vkv. 27,1. Grp. 1,1. Eg. 16,1. Gp. 1,19,1. - Typus C: Sg.
19,1. — Zweite halbz.: Typus B: Grp. 36,8. — Stellung 3: Adv.
+ pron. + verbum: a) Adv. und verbum in hebung: Erste
halbz.: Typus A^: Bdr. 4,3. Vkv. 37,9. — Zweite halbz.: vacat. —
ß) Pron. und verbum in hebung: Erste halbz.: vacat. — Zweite
halbz.: Typus C: Sg. 57,2. — Stellung 4: Adv. + verbum + pron.:
«) Verbum und pron. in hebung: Erste halbz.: Typus B': HH.
2, 6, 7. prk. 22, 5. Grt. 15, 5. Br. 2, 5. 18, 1. Sg. 14, 9. 31, 7. Hei. 5, 5. Gp.
2,8,3. Od. 9,1. — Zweite halbz.: vacat. — ß) Adv. und pron. in
hebung: Erste halbz.: Typus A^: HH. 2,48,1.— Typus E: E':Hym.
13, 5. EJ7. 3, 3 (= 17, 3. 30, 3). 5, 5 (= 19, 5). 32, 1. 40, 5. 43, 5. Grp. 24, 1
(=40,1). 38,1. Hei. 1,5. Ghv. 11,3. — E^: Hym. 12,3. Sg. 44,11. — E^:
Grt. 15,1. — Typus F': Vkv. 5,7.-— Zweite halbz.: Typus E: Bp.
11,2. — y) Adv. und verbum in hebung: Erste halbz.: Typus D':
Grt. 12,5. Br. 11, 3. Od. 33, 1. — Zweite halbz.: vacat. — Stellung 5:
Verbum + adv. + pron. : a) Verbum und pron. in hebung: Erste
halbz.: Typus E: E^ : Grt. 7,3. HH. 1,20,1. HH. 2,18,1. HHv. 33,1.
Sg. 17,3. 31,3. Hei. 3,1. Gp. 2,27,5. 34,5. Od. 10,1. 12,1. 21,5. — E^:
HHv. 7,7. — Zweite halbz.: Typus E: Vsp. 33, 8 (=41,8. 48,8. 62,8.
63,6). Faf. 33,2. Sg. 7,2. — ß) Adv. und pron. in hebung: Erste
halbz.: Typus B': Ep. 2, 1 (=6,3. 20,3. 33,7). 4,5. 6, 5 (=20, 5. 33,9).
9, 1. 9, 5. 27, 1. — Zweite halbz.: vacat. — Stellung 6: Verbum +
pron. + adv.: Erste halbz.: Typus E': prk. 30,7. Vkv. 31,7.
b) Hilfsverbum: Stellung 1. 3. 6: vacant. — Stellung 2:
c.) Erste halbz.: Typus A^: Sg. 14,3. 20,5. — Typus E=: Sg. 37,7.
— Zweite halbz.: vacat. — Stellung 4: ß) Erste halbz.: Typus
202 WKNCK
A«: Sg. 15,5. - A": Ort. 6,1. — Typns E: E': Ep. 47,5. HH. 1,44,1.
Gni. 53,5. Ghv. 4,3. — E'*: R}'. 6,1 (=20,1. 33,5). — Zweite halbz.:
vncat. — y) Nur pron. in hehinig:: Er.ste lialbz.: Typns C: Br.
12,3. — ytellung 5: (c) Erste halbz.: Typu.sE': Gp. 2,27,1. —
Zweite halbz.: vacat. — /?) Erste halbz.: Typus B: pik. 20,3. —
Zweite halbz.: vacat.
a) Die begriffliclie biiuluiig- des adv. mit dem verlmm, die
■Wortstellung-, die festgelegten iiaclidrucksimterscliiede der ad-
verliien und pronomina. aber auch rliytlimisehe einflüsse be-
.stimmen, welche Wörter die hebungeu einzuuehmeu haben.
Am häiifigsteii ist stelluug- 4 (i 32, ii 1), die daher als uonualc
Wortfolge betrachtet werden muss. In den vier beippielen von « steht das
verbum nach answeis der alliteration in erster hebnng, das nachfolgende
prou. (pers., dem.) in zweiter, da das pron.-adv. proklitisch verwendet
werden kann (s. 151). Fehlerhaft ist diese Stellung jedoch für das voll-
adverhium. HH. 2, 6, 7 cmslr lysU'r oss verstösst so sehr gegen das in § 24
erörterte tonverhältnis, dass man au Umstellung wird denken müssen (vgl.
Stellung G), trotz der schlechten technik des liedes. Dagegen stützt prk.
22,5 HÜ iar/p mir die §31, anm. 4 (s. 16.5) vorgeschlagene ändernng. Ob
auch Od. 9,1 svä \\jalpi per im einklaug mit dem satzaccent steht, muss
nach ß Hym. 12,3 sr« icera ser und Vkv. 5,7 svä beiß hann zweifelhaft
erscheinen. Allerdings ist die begriffliche binduug zwischen adv. und
verbum nicht so eng, dass das verbum unbedingt zum adv. in enklise treten
müsste. Dies beweisen ganz deutlich die vereinzelten D* des Schemas y:
Grt. 12, 5 srrt dangpnm vit, Od. 33, 1 opt nndrumk pat, Br. 11,3 mjok m(elir
pH (das adv. gehört begriff licli zu einem adj. in ii, miliar ftrnor), in denen
das nachstehende pron. nur die nebenhebung erliält, aber als tonsclnvächstes
wort auch kaum mehr beanspruchen kann (vgl. die analoge behandlung
des hilfsv. s. 148). Falls die proklise des svä in Od. 9, 1 svä hjalpi per
dem satzaccent widersprechen sollte, wäre demnach an die rhythmisierung
B— D zu denken. In den belegen des Schemas ,■? dagegen muss, selbst wenn
das adv. anomalerweise keine alliteration trägt (Grt. 15, 1 fram heldum \>vi),
das verbum zum adv. in enklise treten und das pron. die zweite hebung
erhalten. Während das temp.-adv. nü in HH. 2, 48, 1 )tü kvcpk enskis aus
rhythmischen gründen die erste hebung empfängt und regelrecht am reim
nicht teil hat, ist die enklise des vullverbs zu einem pron.-adv. in Sg. 44, 11
f»« löUmi ])vi undGrp. 38, 1 hvi gegnrr pat überaus merkwürdig (vgl. «: Br.
18, 1 pä xeyndi pat und Sg. 31, 7 hvi \\afnar pü). Da es sich um lieder
jüngerer technik handelt, ist es uiisiclur, ob man an rhetorische hcrvor-
hebuug denken darf. Hinsichtlich der alliteration weisen die verse der
Stellung 4 (abgesehen von dem genannten N^ Grt. 15,1) keine auomalie
auf, da das pron. (meist subject zur verbalform) in den belegen von « und /i
durchgeliends des reimes entbehrt. Der isolierte N^-vers Sg. 44, 11 ]v't hjtum
\>vi ist eventuell auf das conto des rhetorischen accents zu setzen. Trotz
des voriierschens von N' in i findet sich für Stellung 4 in ii nur ein bei-
Bpiel. In 11 überwiegt welmehr stelluug 1, die trotz des abuehmeus der
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG, 203
ii-belege zahlreichere beispiele in ii zeigt als in i. In dieser tatsache
spiegelt sich nicht nur der rhythmische gegensatz zwischen i und ii wider
(ahneigung des letzteren gegen typus B und E, vgl. § 56), sondern auch
die völlige nachdruckslosigkeit des pron. pers.^) und rel. (meist subject,
seltener object zur verhalform). Um so schwerer ist daher der Verstoss in
dem einen ii (ß) prk. 2, -i hvat eJc nü mieli: wahrscheinlich ist das lästig
widerholte nü (vgl. i) zu streichen. h\ dem anderen /?-heleg: Gj?. 2,4,4
^■jalfr eifji Jcom ist die alliteration des pron. berechtigt, doch ist die pro-
klitische Stellung der negation bei rhythmisiernng E ebenso fehlerhaft wie
es die euklise des voUverbs zu derselben bei rhythmisieruug D sein würde.
Letztere rhythmisierung ist auch deshalb nicht empfehlenswert, weil die
verbalforrael der alliteration eutbehren müsste. Gegen umgestelltes Jcom
eigi ist dagegen weder vom metrischen Standpunkt noch von seiten des
satzaccentes etwas einzuwenden. — Die folge v erb um + adv. (Stellung 2
und 5) ist je nach der Stellung des pron. (ob nach oder vor) häufiger (Stel-
lung 5: I 22 : II 2) oder minder häufig (Stellung 2: i 8 : ii 4). In Stel-
lung 2 nimmt das adv. in Übereinstimmung mit § 23. 24 die zweite hebung
ein. Das verbum kann wegen des grösseren tongewichts des adv. normaler-
weise nur dann in die erste hebung einrücken, wenn dadurch nicht die
enklise des adv. bedingt ist (wie in typus C). In dieser beziehung ist von
den /?- belegen (das pron. pers., interrog., rel. steht vor der zugehörigen
verbalform regelrecht in Senkung) nur Sg. 19, 1 elc \eit ggrla fehlerhaft,
vgl. (c Sg. 27, 5 elc veä ggrla. Da rhetorische betonuug des verbums aus-
geschlossen ist, wird das reimbedürfnis den Verstoss hervorgerufen haben.
Andrerseits wäre in Sg. 39, 1 peim hetumJc pä und Hym. 6, 4 vit gervimi
tu die Stellung des verbums in erster hebung sehr wol möglich gewesen.
Während sich im ersteren fall die alliteration des dem. rhetorisch recht-
fertigen lässt (vorausgesetzt, dass die allgemein angenommene ergänzung
der in R fehlenden zugehörigen zweiten halbzeile richtig ist), muss der
zweite als ausfluss der skaldischen technik der Hym. betrachtet werden.
Was die alliteration betrifft, so darf die beständige ausschliessimg des
nachstehenden adv. in den B von ß i nicht allein ai\f die rhythmische ah-
neigung des typus B gegen doppelalliteratiou oder auf mangelnde be-
hcrschuiig der technik zurückgeführt werden, sondern auf die geringe
sinnfülle der betreffenden adv. (z. t. pronominaler abkunft: pur Eg. 16, 1,
her Grp. 1,1, oJc Gp. 1,19,1, svä Vkv. 27,1). Die i-belege von cc sind
vollkommen regelmässig. Der eine ii von a : Hym. 6, 4 ist auch in
dieser beziehung anstössig. Dagegen ist die alliteration von sjalfr in Sg.
34, 2 sjalfr veizt ggrla correct, die des dem. in Gp. 2, 44, 4 pat man'k gerva
rhetorisch verständlich.
Bei Stellung 5 alliteriert in i meist das verbum («) und bildet es
die erste hebung eines E, dessen zweite vom pron. (vorwiegend einem pers.-
pr., seltener einem dem. [Sg. 31, 3. Od. 10, 1] : einem interrog. nur in dem
^) Der oblique casus des pers.-pron. begegnet nur in versen (Vkv. 37, 8.
87, 2), in denen die Streichung desselben metrisch möglich wäre, aber eine
Unklarheit des sinnes zur folge haben würde.
20 i WENCK
stefartigen ii: Vsp. 33, 8 etc.) eingenommen wird. Selbst wenn man dem
verse IlHv. 7,7 [pi'ffg ek] ]>ikk eigi \>at wegen HH. 1,20,1 wgo! eigi pi'i
keine beweiskraft zuofcstehen will, kann man nicht zweifeln, da.'^s hier nach
E zu rhythmisieren ist, da es sich in den i von (i nur um cigi (11 mal;
vgl. s. 153) und enn (Od. 12, 1. 21, 5 uud in dem genannten ii der Vsp.), also
um begrifflich farblose adverbia handelt. In den beispieleu der gruppe (i
(sie gehören sämmtlich der ersten halbzeile und merkwürdigerweise alle
der Rf>. an) alliteriert dagegen durchgehends das adv. allein; es Avürde
demnach schematiseh die erste hebung von B-versen bilden, deren zweite
ein (vom präp. abhängiges) dem. trägt. Da aber einerseits die tonschwäche
des pron. feststeht (.Stellung 4, >')> andrerseits prokli.se des vollverbs fehler-
haft sein würde, ist wider nach D— B zu rhythmisieren. Der gegensatz
zwischen rhythmisierung von gruppe c. und gruppe ^i muss hier besteheu
bleiben, da er im satzaccent, d. h. hier in der Verschiedenheit der bedeutungs-
fUlle der adv., begründet ist. Zweifelhaft sind daher zwei ii: Fäf. 33,2
ra'Jjr umb riß pik, Sg. 7, 2 \prumk eptir pess. Letzterer vers würde als D
die in ii verpönte doppelalliteration, ersterer andrerseits als E anomale
enklise einer adv.-präp. aufweisen, die hier bei einem vergleich mit den vier
fällen von ;• auch nicht durch die annähme rhythmischer einfUisse (vgl. s. 165 f.)
gerechtfertigt werden kann. Beide fälle sind also technisch mangelhaft.
Ganz untieliebt ist die trenniing des adverbiums vom
verbum (Stellung 3: i 2, ii 1; Stellung 6: i 2, ii vacat).
Bei Stellung 3 kann es sich nach dem gesagten normalerweise nur
um pron.-adv. handeln. Dieses erhält in den zwei i aus rhythmischen
gründen die erste hebung, während das zwischengestellte pers.-pron. vor
der zugehörigen verbalform regelrecht in Senkung steht (§ 42, 2, a, s. 188).
Ebenso stimmt es zu dem in § 42, 2, b (s. 189) erörterten, wenn in ii Sg.
57, 2 hve vip mik föru der oblique casus des pers.-pron. allein alliteriert.
— Li den beispielen von Stellung 6 ist das pron. (auch die obliquen
casus des pers.-pron.: prk. 30, 7) von der haupthebung ausgeschlossen, da
diese von dem nachstehenden adv. gefordert wird; doch ist es nicht völlig
tonlos, weil es die nebenhebung eines E trägt. Die alleinige alliteration
des verbums in prk. 30, 7 vujip okkr saman darf auf rhythmische einfiüsse
zurückgeführt werden. In dem zweiten fall Ykv. 31, 7 \ihiutuk pess m'i
ist N' völlig berechtigt, weil es sich da um das wenig betonte ««handelt.
b) In dem unter a mit aufgeführten vers Od. 12, 1 mank
enn hvut ]ih ist das nebeneinander zweier pronomina nicht un-
verträglich mit dem satzaccent; in GJ'. 3, 8, 7 nn vcrp cJc »jglf
fyr mik ist dagegen die folge von adv. + verbum für die ein-
gangssenkung zu schwer: dem verse kann nur durch Streichung
(von nn?) aufgeholfen werden.
c) Aus adverb -f hilfsverb + pronomen werden nur
ganz vereinzelte verse gebildet: Stellung 1, 3. und G fehlen.
Am häufigsten ist Stellung 4, in der adv. und pron. die hebuugen
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 205
eiiiiiclimeu, während das liilfsv. iu deu E-verseu die uebeiihebniig- trägt.
In dem öfters widerkehreudeu vers E]'. 6, 1 etc. ]Hir vas liann at pat liegt
sie jedoch in dem prou. pers. (das nicht getilgt Averden darf, weil sonst vas
at verschleift werden müssteu); das ras ist mit dem adv. ßar zu ver-
schmelzen, ebenso wie in Br. 12, 3 ßd vas livl yelna, w^o das pron. zAvei
hebuugeu einnimmt (betreffs C^ vgl. § 52). Hinsichtlich der alliteration
bieten diese verse nur eine anomalie : Sg. lo, 5 tyrr sJcalk minu, insofern
da das Hildebrandsche gesetz verletzt ist: vgl. Grt. 6, 1 her skyli engi.
Doppelalliteration findet sich nur Rji. 6,1: vgl. Sg. 37,7 (b, Stellung 2).
Das adverbium alliteriert in erster hebung allein. Bei Stellung 2, Inder
das verbum ebenfalls von der hebung ausgeschlossen ist, alliteriert das nach-
stehende volladverb in den A-verseu allein, das pron.-adv. in dem E-vers
Sg. 37,7 pat miindi ]>d mit. Der oben s. 203 bei Stellung 5 hervor-
gehobene unterschied zwischen diesen beiden arten von adverbieu macht
sich auch hier geltend. Gp. 2, 27, 1 vil eigi eJc darf auch im vergleich mit
Sg. 14, 3 pat vas eigi als normal betrachtet werden, da vilja hier rhetorischen
nachdruck besitzt und auch anderweitig starke berühruugen mit dem voll-
verbum aiifweist. Ebenso regelmässig ist bei Stellung 5, ß prk. 20, 3 munk
ok meß ßer.
3) Bei der Stellung- nomeii + pronomen + adverbium
tritt das pron. in enklise zum nomen, mag es nun ein pers.
sein (Gl?. 2, 38, 8: zu tilgen?), oder ein poss. (Hym. 38, 8. Sg.69,6:
beachte die Verkürzung der zweiten liebung).
Steht das adv. an erster stelle des verses unmittelbar vor dem nomen,
so kann es nur dann in hebung treten, wenn es mit dem nomen begrifflich
gebunden ist: Hym. 8,2 mjgk leißa ser (vgl. s. 161). In zwei anderen be-
legen mit gleicher Wortfolge (Grp. 20, 7. Hei. 11, 3) ist das adv. (ein pron.-
adv.) proklitisch, das pron. (dem., poss.) steht in zweiter hebung, ohne mit
zu alliterieren. Das pron. steht vor dem adv. in Senkung in Sg. 71, 3. Hei.
9, 7, alliteriert dagegen fehlerhaft in erster hebung von ii in Hj'm. 3, 4
hann noist viß goß selbst im vorzug vor dem nomen (vgl. § 44, 1, s. 198).
Zu Hei. 9, 7 es hvergi lands vgl. § 29 (s. 160). Zu C^ in Sg. 71, 3 es vier
meirr mjgtußr vgl. § 28 (s. 160). Zur enklise des localadverbs in Hdl. 24, 1
ßeir i Bohn austr vgl. HH. 1, 50, 3 ßö's i Sogn üt (vgl. s. 169).
4) Nomen, pronomen, adverbium und verbum fini-
tum. Material:
Stellung 1: Adv. + verbum + pron. -1- nomen: Erste halb-
zeile: Typus A: A'^: HH. 2,47,1. — A-^: Drk. 15,1. Rp. 47,1. Grt. 4,5.
HH.1,54,5. HH.2,44,11. HHv.5,7. 31,5. Grp. 20, 1. Br. 8, 1. 11,1. Gp. 1,1,1,
6,1. 12,1 (=17,1. 24,1). 18,1. 23,1 (=25,1). Sg. 1,1. 69,7. Hei. 8,7.
Ghv.4, 1 (=8,1). — Typus B>: Eg. 11, 7. — B'^: Hei. 13, 5. — Typus E:
E': Grp. 18,1. — E^: prk. 17,1. 22,1 (=25,1. 30,1). — E^: prk. 18,1.
HH. 2,33,5. Br. 17,5. — Zweite halbz.: vacat. — Stellung2: Adv.
-f verbum -}- nomen + pron.: Erste halbz.: Typus A^: Hdl. 5, 1.
10,3. HH. 2,9,3. — Typus B": HH. 2,7,5. — Typus C^: Br. 10,9. —
206 WKNCK
Zweite lialliz.: vacat. — St el 1 u iig- ;{: Adv. + itroii. + v erb um 4-
uoinen: Erste lialbz.: Typus E-: A'kv. 2!), 1. — Z weite lialbz.:
vacat. — Stellung 4: Pron. + verbum + adv. + nomen: Erste
halbz.: Typus A': Sg. ßO, 1. — A»: Grp. 32,1 (=48,1). Sg. 31,1. HH.
2,8,1. — Typus B': HHv. 32,1. — Typus C: Grp. 8,5. 12,7 (= 14, 7).
18,7. — Typus C-: Grp. 26, 7. — Zweite halbz.: vacat. — Stellung 5:
Prou. + verbura 4- nomen + adv.: Erste halbz.: Typus B': Grp.
16,5. — Zweite halbz.: vacat. — Stellung G: Verbura + pron.
+ adv. + nomen: Erste halbz.: Typus B^: Sg. 38,3. — Typus E«:
Sg. 6,3. Vkv. 16,7. — Zweite halbz.: vacat. — Stellung 7: Nomen
+ verbum + adv. + pron.: Erste halbz.: Typus A': Gj?. 2, 33, 1. —
Zweite halbz.: vacat.
Der zweite halbvers ist hier überhaupt nur durch ein beispiel ver-
treten: G]>. 3, 9, 8 hvc sjti hverr veUi, wo prou.-adv. + pron.-dem. (zu tilgen?)
regelrecht in eingaugssenkung stehen.
In I ist Stellung 1 am häufigsten, in der normalerweise das [adv.
(temp., loc: vorwiegend pronominaler herkuuft: 22 pä, 1 fjar, 2 nü, 2 är)
und das nomen die hebuugeu tragen. Nur in Sg. 69,1 pei/yi miin ör for
ist das nomen von der hebuug ausgeschlossen, da es es mit dem poss.-pron.
eine zweisilbige formel bildet. Adv. + verbum (hilfsv.!) tritt in eingaugs-
senkung, wenn die pronomiualformel drei silben umfasst: Rg. 11, 7/)« inun
'peirar sonr. In den E-versen wie ^pä kraß ßat l)urr prk. 17,1 (ebenso
22, 1. 25, 1. 30, 1, desgl. ßä kvap put hoJci 18, 1) ist die enklise des vollv.
durch den rhetorischen accent gerechtfertigt (vgl. § 32 und § 45, 2). N* in
prk. 18, 1 pü kvap pat Loli entspricht dem satzaccent, denn pd alliteriert
auch in den A-versen nirgends mit. Nur ein einziger vers mit doppel-
alliteration: HH. 2,47,1 he> hef[i e]k B.elyi findet sich, auch dieser gewis
nur zufällig. Betreffs N^ in Grp. 18, 1 n« es pvi lokä vgl. § 31 (s. 171).
Bei den genannten beispielen handelte es sich vorwiegend um ein
pron. pers. oder dem. Dagegen ist in denen der Stellung 2 vorwiegend das
poss. vertreten. Ist die pronorainalformel zweisilbig (Hdl. 5, 1), so erhält
das adv. die erste hebung, umfasst sie mehr als zwei silben, so müssen
adv. und verbum (hilfsv.) die eingaugssenkung füllen: HH. 2,7,5 hvi
hrynja pin, Br. 16, 9 svä imm qll ypur. In den übrigen beispielen der
Stellung 2: Hdl. 16,3 nü es grjüt pat, wo ein dem., und HH. 2,9,3 pvi
vas « legi vier, vto ein pers.-pron. in enklise zum numen steht, hat offenbar
das bestreben, ein E^ zu vermeiden, die Wortstellung bestimmt. Eine gleiche
Stellung verbot sich in den E' der Stellung 1 aus rhythmisch -melodischen
gründen.
Begrifflich mit dem verbum verbundenes adv. begegnet in Stellung 3
(adv. + prou. + verbum + nomen) wie zu erwarten nicht. In Vkv. 29, 1
vel ek, kvap Yglundr gehört das adv. zum pron. Nachgestelltes adv. kann
vom verbum durch ein pron. getrennt werden (vgl. 2, Stellung 6, oben s. 204).
Die unbetontheit des adv. in Vkv. 16, 7 esa sä nu h//>v entspricht der regel.
Zu Sg. G, 3 tiam hon svä (^rt, wie mit der Kopenhagener ausgäbe zu lesen
ist, vgl. § 27. 31 (s. 157. 165). Fehlerhaft ist Sg. 38, 3 lek mcr mein i mun,
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 207
da iuicli ausweis von 2, Stellung- 6 (oben s. 20-i) das verlnim regelwidrig in
der eingaugsseukung steht. Das pron. ist zwar aus gründen der deutlicli-
keit beizubehalten, aber dem verbum zu suffigieren: vgl. §31, Stellung 4
(oben s. 165 f.).
Normal ist Stellung 7: Gp. 2,33,1 hnd gefk enn per (vgl. §31,
Stellung 1, oben s. 165), desgl. Stellung 5: Grp. 16,5 hvat mun snöt at
heldr (vgl. § 39, s. 179).
Häufiger sind die belege der Stellung 4, in der das nomen wie
bisher vermöge seines dynamischen übergewichtes auf alle fälle eine hebuug
zu beanspruchen hat. In HH. 2, 8, 1 pat vann mest nys steht das nomen
scheinbar in enklise zu einem nominalen adverb, aber der vers ist sicher
verderbt, wie schon der gleiche anlaut der beiden schliessenden monosyllaba
zeigt. Es ist offenbar zu \utst vann pat nys umzustellen, da das adv. vor
dem verbum, das pron. vor dem abhängigen nomen seinen natürlichen platz
hat (vgl. auch Sijmons z. st.), ünregelmässig ist ferner die drückuug des
ok in dem verse Sg. 60, 1 pat mim ok verpa, der dem in § 24 (s. 162 f.) er-
örterten zuwider als A gelesen werden muss (ein D' wäre nach § 36, s. 177
mindestens ebenso fehlerhaft), vgl. Grp. 8, 5 hvat mun iyrst gorask, desgl.
Grp. 12, 7 (= 14, 7). 18, 7. Die alliteration des pron. ist rhetorisch ver-
ständlich (§41,3, s. 185). Ebenso ist die alleinige alliteration des adv. in
den eben erwähnten versen der Grp. normal (§ 24, s. 152). Die doppel-
alliteration in Grp. 26, 7 hvat ä synt Sigurpr weist auf ausgieich zwischen
vers- und Satzbetonung. Ebenso hätte in HHv. 32, 1 doppelalliteration ein-
treten sollen. N' entspricht aber wenigstens dem Hildebrandschen gesetz:
mik hefr miklu gloepr | meiri söttan. Der gleiche anlaut des pron. wirkt
insofern störend, als pron. + hilfsv. nicht verschleif bar sind. Wie bereits
Sievers, Beitr. 6, 333 erkannt hat, darf man hgfumk schreiben, obwol zu dem
pron. ein prädicatives part. coustruiert ist. Was Grp. 32, 1 (== 48, 1) hvärt's
pä (jripir und Sg. 31, 1 hat kvap pä Gunnarr angeht, so ist auf die be-
merkungen zu den A der Stellung 1, oben s. 206 zu verweisen.
i) Zwei pronomina.
§ 46. 1) Zwei pronomina allein bilden folgende verse:
Erste halbzeile: Typus A^: Sg. 44,5. — A^: HH. 1,30,1. 31,5.
Gp. 1,8,7. — Typus B': Vkv. 27, 7. HH. 2, 33, 3. Gp. 2,24,7. — B^: Grp.
48.7. — Zweite halbzeile: Typus A: Od. 34,4. — Typus B: Grp.
44.8. Od. 33, 8. — Typus C: Sg. 10, 6.
Nach dem bisher erörterten wäre in Sg. 44, 5 phia mep minum, wo
sich die grammatische bindung völliger coordination nähert, doppelallitera-
tion erforderlich gewesen, wenn die beschränkte zahl der beim pron. mög-
lichen anlaute sie gestattet hätte. Als ersatz ist hier der reim eingetreten
(vgl. s. 103). Schlecht ist dagegen die technik, wenn sich in ii coordinierte
pron. finden: Od. 34, 4 mm ok peira.
Die übrigen oben aufgeführten belege enthalten, abgesehen von Gp>.
1, 8, 7 svä[a'\t mer mangi (vgl. Hildebrand z. st.) alle das pron. sjalfr.
Dieses steht in Verbindung mit einem pers. - pron. (refl. : Grp. 48, 7) in i
208 WKNCK
stets voran, in ii plienfalls Itis auf Sg;. 10.0 ok mrr sjalfii, uiul iiUitorieit
gewöhnlich allein. Der vereinzelte vens (irp. 48, 7 ok <( sja//V( .>«•//.• hat
gewis nur zufällig doppelalliteration. Sonach ist die auoiuale alliteratiou
in Sg. 10, 6 ok mer sjalfri offenhar durch das reimhedürfnis veranlasst.
Dies erhärten namentlich die beiden i-verse: HH.jl.BO, 1 ch pchn sjdfmn,
31, ö en Jjcir f>jctlfir, in denen sjulfr in zweiter hebuug allein alliteriert
und die dein, aus rhythmischen griinden der vorausgehenden conj. die erste
hebung überlassen müssen. Das bereits erwähnte i: (t]\ 1, 8, 7 würde daher
als C noch weit mehr gegen den satzacccnt Verstössen als Sg. 10, 6, da
hier ein engeres grammatisches Verhältnis zwischen den pronomina nicht
existiert. Ebenso wie s. 186 ein pers. -pron. selbst bei gleichem anlaut
vor einem nomen (diesem steht das indef. im nachdruck gleich) in Senkung
treten musste, darf hier die rhj'tlimisierung A' für sicher gelten.
2) Zwei pronomina und verbum finitum. Material:
Stellung 1: Pron. + pron. + verbum: Erste halbz.: Typus A':
Hym. 11,5. Sg. 13,7. Vkv. 18,3. — Typus C: Sg. 26,5. — Zweite
halbz.: Typus A^: Gp. 2,17,1. Ghv. 19,2. — Typus Fa«: Gp. 3,11,2.
— Stellung 2: Pron. + verbum + pron.: a) Die beiden pron. in
hebung: Erste halbz.: Typus A: A'^: Hei. 3,5. — A": Grt. 22,5. Sg.
33,5. 49,5. Hei. 14,5. — Typus E': Hym. 15,1. 18,1. Eg. 17,8. Gp.
2,20,1. Ep.31, 5. — Zweite halbz.: Typus A: HH. 1, 5, 8. — Typus E':
Hym. 38,2. — E*: Hym. 9,2. — ß) Verbum und pron. in hebung:
Erste halbz.: Typus A': Gp. 1, 3, 5. — Typus B': Vsp. 28, 5. HH. 2, 5, 5.
5, 7. HHv. 35, 5. Grp. 29, 1. Gp. 1, 10, 1. Sg. 13, 5. 32, 1. Gp. 2, 18, 5. —
Typus B^: HH. 2,11,1. — Zweite halbz.: Typus B: Vkv. 40,2. 41,2.
— Typus C: Fäf. 33,4. — Stellung 3: Verbum + pron. + pron.:
Erste halbz.: Typus A': Vkv. 17, 7. — Typus ß': Grp. 43, 7. —
Typus E': Ep. 33,3. Fäf. 35, 5. — Zweite halbz.: Typus E: Grp. 32, 2
(=i8,2).
a) In den belegen der Stellung 1 steht das verbum in
zweiter hebung und alliteriert selbst in i allein.
Nur in Sg. 26, 5 ßeir ser hafa entbehrt es des reimes und steht es
in enklise zu einem obliquen pers.-pron. (vgl. § 42, 2, b, s. 189). Da es sich
dabei um ein hilfsv. handelt, braucht man einen Widerspruch gegen den
satzaccent wol nicht anzunehmen, immerhin aber dürfte die alliterations-
stellung von der metrischen qualität des sprachmaterials (C3) beeinflusst
sein (vgl. dagegen Sg. 13, 7 livat hgnum -vari, typus A). "Wenn in den A
(F) das erste pron. die erste hebung erhält, so nimmt es doch nie an der
alliteration teil. Fehlerhaft ist dieser ausschluss vom reim nur in G)'.
3, 11, 2 hveir's pat säat, da dem pron. indef. ein grösseres tongewicht zu-
kommt als einem vollverbum. Es wird also das überflüssige Jtverr zu
streicluMi si^in.'. Das zweite pron. ist, abgesehen von Sg. 13, 7. Gp. 3, 11, 2,
') \ielleicht darf man zur beseitigung des fehlers: es (px!)"^ sä ei<ji
lesen mit paralleler alliteration, die zugleich den schematischen allitcrations-
verstoss der zugehörigen ersten halbzeile abschwächen würde.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 209
ein Personalpronomen oder demonstrativum, das vor der zugehörigen verbal-
form regelrecht proklitisch gebraucht ist (sicher auch bei gleichem anlaut
in Hym. 11, 5 sä's vit \cetttim).
Am häufigsten ist in beiden halbzeilen die mittelstellung'
des verbums. Das zweite pron. stellt durchgeliends in zweiter
hebung, das erste in gruppe ß in eingangssenkung, und zwar
ganz correct, da es sich meist um ein pron.-pers. vor zugehöriger
verbalform, z. t. um ein interrog., in den ii um ein relat. handelt.
Nur Gp. 1, 3, 5 hver sagpi peira verstösst schwer gegen den satz-
accent, da das indef. nicht proklitisch stehen kann.-) Der vers ist auch
metrisch anstössig wegen des auftaktes. Hinsichtlich der alliteration
stimmen die übrigen verse zu dem oben ausgeführten. Nur HH. 2, 11, 1
hvat vissir ]>ü (vgl. § 42, 2, a, s. 188) ist fehlerhaft bez. verderbt (vgl. Sij-
mons z. st.). — In gruppe « nimmt das pron. die erste hebung ein, imd
das verbum rückt in Senkung oder erhält in den E die nebenhebung. Die
enklise des verbums in den E verstösst nach dem gesagten gegen den satz-
accent, soweit das erste pron. ein personale oder interrogativum (subject
zur verbalform) ist. Es ist daher sehr charakteristisch, dass diese fälle
(i: Rf>. 31, 5 hon tök atßat, ii: Hym. 9, 2 ek vdjaJc ykkr (ein B'' wäre ebenso
anstössig), 38, 2 hve7-r kann um pat, Eg. 17, 8 \iverr spyrr at pvi) vorzugs-
weise dem zweiten halbvers und ausserdem gerade der skaldischen Hym.
bez. der Rp. (s. § 18, 2, s. 122) angehören. Rhetorische betonung des inter-
rog. ist schwerlich anzunehmen und ist selbst in Hym. 18, 1 \>ess vcentir
mik beim dem. (wo sie eher denkbar wäre) nicht gerade w^ahrscheinlich,
weil der dichter der Hym. bei der behandlung der pronomina so willkürlich
verfährt. Dagegen ist die Stellung in hebung dem indefinit gebrauchten
interrogativum ganz gerecht : Hym. 15, 1 hvern Utu peir, Gf>. 2, 20, 1 hverr
vildi mer (vgl. § 48). Ebenso ist die Stellung des ersten pron. (bis auf Grt.
22, 5 sä mun hennar ist es ein pron. pers. vor zugehöriger verbalform) in
erster hebung der A noch als normal anzusehen, da sie durch den rhythmus
bedingt ist. Stünde nämlich das verbum in erster hebung (höchstens könnte
ein vollv. in betracht kommen), so hätte das nach ausweis der alliteration ^)
stärker betonte pron. (obliquer casus eines pers.: Grt. 22, 5. Sg. 33, 5. Hei.
3,5; indef. i Sg. 49, 5, ii HH. 1, 5, 8, poss. Hei. 14, 5) in die zweite hebung
eines C, also in enklise treten müssen. Enklise des pron. begegnet nur in
dem erwähnten ii C Fäf. 33, 4 panns irüir liönum, wo sie offenbar durch
die form des sprachmaterials veranlasst ist. Sie darf daher in HH. 1, 5, 8
ek veit nakkvat nicht erst durch die annähme der alliteration von vocal
auf V (Gering, Beitr. 13, 204) herbeigeführt werden, und wäre ein noch
2) Zu der Vermutung von Sijmons, die die fehlerhafte proklise nicht
behebt, vgl. § 45, 2 (s. 201 f.).
8) Nur Hei. 3, 5 ek mun okkur alliteriert das vocalisch anlautende erste
pron. mit.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI, ]_^
210 WENCK
schwererer vei-stoss als die fehlerhafte aliiteration des pers.-prou. vor dem
iudefinitnm.
Sehr späiliclie belege finden sicli für die naclistellung beider
l>runomina.
Das vollvcrbnm alliteriert in i und ii stets allein. Die zweite hebung
wird in den E von dem zweiten (von priip. abliäng'iyen) pron. eingenommen,
während das erste die nebenhebung tragen nuiss: in Ep. .'J3, .'! rc/.s hmin at
pai, Faf. 35, 5 \iygpi hann wn sik ist es ein znr verbalform gehöriges pron.
personale. Ein solches erhält wol in Ykv. 17, 7 su/pip er hann die zweite
hebung eines A, da das oblique pers.-pron. kein novum enthält, somit
in enklise treten kann. Das hilfsv. hat zwar in Grp. 43, 7 hefr hverr fyr
Jiv'i gleichen anlaut wie das alliterierende indef., doch kann es ohne fehler
gegen den satzaccent in eingaugssenkung stehen.
b) Ein einziger vers weist ausser einem verbum (liilfsv.)
drei pronomina auf: Grp. 28, 1 hvafs mih at Pvi. Sein bau
stimmt zu dem bisher erörterten.
3) Nomen und zwei pronomina. Material:
Stellung 1 (s.S. 208): Erste halbz.: Typus A»: G]\ 1,23,5. G^
2,14,5. Ghv. 15,3. — Typus B': prk. 8,5 (=11,5). — Typus C: Hdl.
29,7. — Zweite halbz.: vacat. — Stellung 2: Erste halbz.: Typus
B": Sg. 86,1. — Typus C: Vkv. 41,7 (=41,9). Gp. 2,82,3. Ghv. 10,7.
— Zweite halbz.: Typus E: G)x 2, 31, 4. — Stellung 3: Erste halbz.:
vacat. — Zweite halbz.: Typus E: Sg. 87, 2.
Gehen beide pron. voraus (Stellung 1), so erhält in G]\ 1,23,5. G}'.
2, 14, 5 das erste zweifelsohne aus rhythmischen gründen die erste hebung,
es alliteriert aber wegen seiner tonlosigkeit nicht mit. — Ist das zweite
pron. aber ein poss. oder indef., so hat dieses unbedingt die aliiteration und
die erste hebung zu beanspruchen. Im vergleich mit Hdl. 29, 7 hann suis
hröpur, prk. 8, 5 {= 11, 5) hann ongi maßr rauss Ghv. 15, 3 es minna harna
als fehlerhaft erscheinen und umgestellt werden : der auf takt hindert nicht,
da er auch im hsl. text vorliegt. — Bei Zwischenstellung des nomens
ist ein vorausgehendes personale oder relativum stets i)roklitisch. In ii
Gp. 2, 31, 4 poer kindir vier ist die aliiteration des demonstr. und die da-
durch bedingte enklise des nomens durch den rhetorischen accent zu recht-
fertigen. Die zweite hebung wird stets vom zweiten pron. (einem poss. in
Gp. 2, 32, 3. Ghv. 10, 7) gebildet, an der aliiteration nimmt es aber nirgends
teil. — Nachstellung beider pronomina ist nur durch den vers Sg. 37, 2
hugr mimt um pat zu belegen, in dem das poss. mit dem nomen zur formel
verschmilzt, das zweite pron. also die zweite hebung einnimmt.
4) Nomen, zwei pronomina und verbum finitum.'')
Bei der folge pron. + verbum -j- pron. + nomen erhält
das erste pron. die erste hebung.
*) Material: i: A»: Hei. 13,1. Gp. 3,1,1. 3,1. Ghv. 16,5. — B': Bdr.
ALLITERATION IM EDD. FORNYEDISLAG. 211
Ist dies beim hilfsv. (Gp. 3, 1, 1. Ghv. 16, 5, desgl. Gp. 1, 26, 5) ohne
weiteres klar, so kann man bei Vkv. 22, 3 ijkJcr Icetk pat gidl bedenken
tragen, weil da enklise des verbums nicht unbedingt erforderlich ist.
Wegen des logischen nachdrucks auf dem pron. und der geringen begriffs-
fülle des verbums ist jedoch die angenommene rhythmisierung als E^ vor-
zuziehen. Bei Hei. 13, 1 ßvi brä mer Guprün gilt das § 45, 4, s. 205 f. zu
Stellung 1 bemerkte: der auftakt ist durch die lesung \>vi brgumJc zu be-
seitigen.
Bei der folge verbum + pron, -[- pron. + nomen em-
pfängt das vollverbum die erste hebung- (Ghv. 14, 5 öl eJc mer
jöp), während vom pers.-pron. der casus rectus in Senkung, der
casus obliquus in nebenhebung steht.
HH. 2, 28, 6 \as per pat skapat, wo das hilfsv. in erster hebung allein
alliteriert, spricht wider für die mangelhaftigkeit der technik dieses liedes.
— Steht ein pron. nach dem nomen, so tritt es nach einsilbigem nomen
in Senkung {G\>. 3, 3, 1), nach zweisilbigem aus rhythmischen gründen in
zweite hebung: Bdr. 5,1 livat's manna pjat, Grp. 52,1 pvi skal \\ugga pik.
Da im letzten fall eine Verschmelzung des pron. und hilfsv. (vgl. § 32)
wegen der grösseren zahl der consonanten weniger glatt sein würde, darf
das zweite pron., das für den Zusammenhang überflüssig ist, getilgt und
damit der vers zu A gestellt werden.
§ 47. Sonach hat sich ergeben, dass das relativum, das
interrogativum und der bestimmte artikel tonlos sind
und deshalb gewöhnlich in Senkung stehen. Nur aus rhyth-
mischen gründen können relat. und interrog. eine hebung er-
halten. Alliterieren sie mit, so ist dies nur zufall, alliterieren
sie allein, so bedeutet das einen Verstoss bez. schlechte technik.
— Tonlos sind gewöhnlich auch demonstrativum und per-
sonale. Doch macht sich namentlich bei letzterem ein nach-
drucksunterschied zwischen casus rectus und casus obliquus
geltend. Am deutlichsten ausgeprägt ist dieser unterschied
beim possessiven genetiv des personale und auch des
demonstrativ ums. Dieser tritt vorausstehend in hebung und
alliteriert allein, er kann sogar das folgende nomen in enklise
zu sich zwingen, wenn anderes Sprachmaterial auf die zweite
hebung ansprach macht. Ebenso kann das normaler weise
proklitisch gebrauchte demonstrativum, wenn es rhetorisch
gehoben ist, das zugehörige nomen in enklise zwingen, wie im
westgermanischen. — Am stärksten betont sind von allen
5,1. Grp.52,1. — E: £2; Ghv. U, 5. — E^: Vkv. 22, 3. Gp. 1,26,5. — ii: E:
HH. 2,28,6.
212 WENCK
pronomiiiil)Us die pussessiva und iiulefinita (indefinit ge-
bmuclite interrogativa, desgleichen sjalfr wegen seines speci-
fisclien rlietorisclien accentes): sie stehen einem nomen im
naclidruck gleich. Sie können normaler weise nicht proklitisch
verwendet werden, sondern dominieren bei enger grammatischer
bindnng über das nomen. — Ebenso bildet auch das voran-
stehende nomen mit attributivem possessivum oder in-
definit um eine toneinheit (pronominalformel).
Ein bedeutsamer unterschied zwischen den verschiedenen
klassen der pronomina zeigt sich darin, dass possessivum und
iudefinitum auch bei nachstellung ihr normales (d. h. nominales)
tongevvicht behalten (d. h. auf die folgende zweite hebung ver-
kürzend einwirken), während das demonstrativum und personale
nach dem nomen tonlos sind.
Eine bemerkung erfordert noch das Verhältnis der pro-
nomina zu den präpositionen. Wie zu den nominalbetonten
pron. stehen die letzteren auch zu dem personale und demon-
strativum in proklise. Die vereinzelten fälle, in denen ein
pers. in enklise zur präp. steht, Verstössen ohne zweifei gegen
den satzaccent. Dagegen ist es wol als normal zu betrachten,
wenn präp. und pron. zusammen in Senkung stehen. Beispiele,
in denen beide die hebungen einnehmen, begegnen in der Edda
nicht (vgl. Kieger s.31. Kluge, Pauls Grundr. 1^, 397). — Ebenso
regelmässig tritt der bestimmte artikel in enklise zu einer
präp., womit zugleich wider seine völlige tonlosigkeit erhärtet
ist. In der behandlung der folge präposition + demonstratimm
oder personale trennen sich also an. und westgermanisch.
Worauf das beruht, wüsste ich nicht zu sagen.
Hinsichtlich der etwaigen tilgung metrisch entbehr-
licher pronomina hat sich nur ein sicheres kriterium ergeben.
Da nämlich possessiva und indefinita in der Edda nicht pro-
klitibch stehen können (in diesem punkte gehen an. und west-
germ. ebenfalls auseinander), so müssen sie in allen versen, in
denen sie proklitisch gebraucht zu sein scheinen, getilgt werden,
falls nicht umgestellt werden kann. — Weniger sicher liegt
die Sache bei pronomina (auch Pronominaladverbien), die zwi-
schen vollverbum und nomen stehen. In den versen mit der
folge Pronominaladverb (pron.) -f vollverbum + pron. (pron.-
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 213
adv.) + nomen wäre enklise des vollverbs zu dem voraus-
gehenden pron.-adv. (pron.) anomal, betonung des verbums aber
würde einen ebenfalls anomalen auftakt schaffen. Es liegt
also nahe, hier das pron. bez. pron.-adv. zu streichen. Indessen
kann hier auch doch wider eine rhetorische betonung des pron.
(pron.-adv.) mit hereinspielen, welche die drückung des verbums
ausreichend erklärt.
Cap. VI. Präpositionen, conjunctionen und partikeln.^)
§ 48. Präpositionen,- conjunctionen und partikeln bilden
die mindestbetonte wortkategorie und konnten daher bei dem
bisher behandelten versmaterial ganz ausser acht gelassen
werden. Sie stehen gewöhnlich in Senkung, und können nur
aus rhythmischen gründen eine hebung erhalten. In zahl-
reichen versen finden sie sich in Verbindung mit einem nomen,
verbum, adverbium oder pronomen allein, und zwar diesen
Wörtern vorangehend.
Nachstehend begegnen in solcher vei'Wudnng nnr präpositionen^),
nud zwar in vergleichsweise verschwindend geringer anzahl: i: E': Vsp.
38,7. Hym. 7,3. — ii: A: Vsp. 38, 2. — Fa: Ghv. 4, 6. — E: Bdr. 2, 6. HH.
1, 13, 2. 19, 4. 47, 4. HH. 2, 50, 10. 51, 4. Sg. 45, 10. 46, 2 (= Gp. 2, 11, 2).
Gp. 2, 41, 4. Ghv. 16, 4.
Die tonlosigkeit der in rede stehenden wörtchen zeigt sich auch darin,
dass sie bei B, C, Fe auch dann in der eingangssenkung stehen dürfen,
wenn sie gleichen anlaut haben wie eine hebung, und zwar sowol in i wie
in II. In den wenigen (33) A von i, wo das nomen nur eine hebung (die
zweite) einnimmt, ist die dem nomen vorausgehende präp. proklitisch, und
trägt die an erster versstelle stehende conj. oder part. die erste hebung,
und zeigt sie in einigen beispielen (i Hdl. 8, 3. HH. 2, 48, 5. Od. 28, 7. t)rk.
24, 3. Vkv. 28, 3) gleichen (meist vocalischen) anlaut wie das nomen.
AVegen der tonlosigkeit der partikeln etc. kann mau allerdings fragen,
ob man in solchen fällen eine 'doppelalliteratiou' empfunden habe. Sievers
§28 entscheidet sich dafür, dass 'ihr [d.h. der partikeln etc.] anlaut auch
auf schwacher hebung für ebenso gleichgiltig gelten darf, wie der anlaut
der Senkungen'. Das ist mir jedoch fraglich. Rhythmisch stehen die
fraglichen verse allerdings den A^ gleich: aber ich möchte doch bezweifeln,
dass der gleiche anlaut einer hebung, die, wenn auch schwach, trotz der
gewöhnlichen tonlosigkeit ihres trägers doch eine hebung bleibt, von
einem altgerm. ohr überhört werden konnte (vgl. § 57). — Das eine ii A^ :
1) Rieger s. 31. Sievers § 28. 38, 4.
^) Pauls Grundr. 1^, 397.
214 WKNCK
Sg. 42, G o/i/)o ymsir kann dnvch einsetznng der nebenform tjnu'ssir (Noreen'
§ 418) (und Streichung- der conjunctiou?) zu einem regelrechten Cl gemacht
werden. Die umstelhuic:, die F. Jönsson hier und in Sg. 6, 0 cpa 1)0 svella
vornimmt, liisst sich durch keine parallele stützen, dagegen ist sie in Ghv.
17, 10 es tu hjarta zur beseitigung des alliterationsfehlers angängig. Denn
nachstehende präpositionen erhalten durch die abweichung von der natür-
lichen Wortfolge so viel tongewicht, dass sie unter allen umstünden eine
hebuug empfangen müssen, selbst wenn noch anderes, normalerweise stärker
betontes Sprachmaterial in der halbzeile steht: vgl. die s. 187. 183 citierten
verse Hym. 32, 2 mer gengin fru, Hdl. 40, 7 pat vas hröpur frä. Hym. 25, G
ist daher als E zu nehmen: Yeprs annars til.
Die nachstellung scheint nur auf einige präpositionen beschränkt zu
sein {til, frä, ör, ä, fjarri); beliebt ist sie nur bei til (10 beispiele, denen
in den versen mit vorausgehender präp. und 1 nomen ebenso viel gegen-
überstehen : A : Sg. 30, ö. — B : Od. 1, 4, — C 1 : Hdl. 1, 7. Od. 29, 3. Ysp, 30, 4.
— C2: Ysp. 14,8. HH. 1,51,2. — C3: HH. 1,51,6. Grp. 8, G. Sg. 67,8).
Die rhetorisch gefärbte anastrophe hängt in erster linie von der metrischen
beschaifenheit des wortmaterials ab, insofern bei den B und C3, desgl. C2
eine Umstellung ungewöhnliche E-verse ergeben haben würde. Bei den A
und Cl, wo eine nachstellung möglich gewesen wäre, hat sicher die melodik
der Strophe oder des betreffenden liedes den ausschlug gegeben, vgl. Vsp.
30, 4 tu Goppjüpar mit Ghv. IG, 4 Goppjöpar iil. Das gleiche gilt für das
ags. Man lese z. b. Beow. 18ff. Beotculf wcvs brcme, \ hldd tcide sprang ||
Scyhles cafcran | in Scedclandui», und man wird sofort an dem tonsprung
des letzten halbverses austoss nehmen (weitere beispiele s. Pauls Grundr.
l^ 397).
Betreffs des Verhältnisses der präpositionen zu den pronomina vgl.
§ 47, s. 212.
§ 49. Von der bisherigen untersucliung* sind einige verse
ausg;eschlossen worden, die als verderbt gelten müssen. Es sind
folgende: i: D^: Vkv. 12, 3. — E": Vkv. 5, 6. — 6: Vkv. 9, 1. Ghv.
2,1. G^2,24,3. — ii: E: G^. 2, 24, 4. — G: Od. 4, 2. E]^. 32, 4.
G)'. 2, 17, 4. Zum teil sind sie unvollständig-, zum teil wider-
setzen sie sich einer sicheren Interpretation. Eine befriedigende
lüsung der Schwierigkeiten ist bis jetzt noch nicht gefunden.
Ausserdem scheiden aus der betrachtung diejenigen verse aus,
die von einem nomen, einem verbum finitum, einem adverbium
allein gebildet werden. Im zweiten hauptteil sind dagegen alle
diese fälle mit berück.sichtigt.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 215
IL liauptteil.
Das Yerhältiiis der alliteratiou zu den verstypen.
Cap. VII. Die rhythmische quaütät der verstypen
und ihre alliterationsneigungen.^)
Im laufe der imtersiichung ist widerholt auf die kreuzenden
einflüsse aufmerksam gemacht worden, die der rhythmische
Charakter der einzelnen verstypen auf die alliterationssetzung
ausübt. Es erübrigt, diese im Zusammenhang zu untersuchen.
Hierbei ist es notwendig, die häufigkeit der versarten in den
beiden halbzeilen oder im Verhältnis zu einander mit zu er-
örtern.
§ 50. Typus A. 1) Typus A ist der beliebteste von allen
fünf t3q)en. Im durchschnitt entfallen auf ihn 56,25 o/o (= 1695
belege) der 3013 i und 53,20 "/o (= 1603) der ii. Die einzelnen
lieder schwanken etwas, jedoch ohne sichtbare tendenz. Zum
teil handelt es sich dabei offenbar um individuelle ueigungen,
zum andern teil mag sich darin die Verschiedenheit des Stoffes
und der darstellung widerspiegeln.
Bei der benrteihing der procentzalüeu für die kürzeren lieder (iu
Aveit höherem grade gilt dies für die spärlich vertretenen typen B, D, E)
ist überdies, gerade weil die zahlen nur klein sind, grosse vorsieht ge-
boten, da jeder einzelne plus- oder miuusvers auf dieser oder jeuer seite
das Verhältnis der einzelneu gruppen beträchtlich verschiebt.
Die ausgeprägte verliebe aller lieder für den typus A ist
nicht allein darauf zurückzuführen, dass der regelmässige Wechsel
von hebung und Senkung dem rhythmischen gefühl der alten
Nordländer bereits mehr zusagte, sondern auch auf die freiheit
der alliterationssetzung, die diesen typus vor allen anderen
auszeichnet. Hinsichtlich der alliteration ist somit zwischen
') Für das wgerm. vgl. Ph. Frucht, Metrisches und sprachliches zu
Cynewulfs Eleue, Juliaue uud Crist, Greifsw. 1887. Matth. Cremer, Metr. und
sprachl. Untersuchung der altengl. gedichte Andreas, GüÖlac, Phoenix (Bleue,
Jiüiane, Crist), Bonn 1888. Sievers § 20, 2,anm.l, 3, anm.2. § 80 ff. M.Deutsch-
beiu, Zur eutAvicklung des engl, alliterationsverses, (hab.-schrift) Halle 1902.
2) Die beiden fehlenden ii: Ep. 8, 6. 18,2 sind als G mitgezählt, um
bei der berechnung von procenten für i und ii dieselbe zahl zu gründe
legen zu können.
216 WENCK
A', A-, A' Fcharf zu sclieideii: sie sind zwar als imterkategorien
principiell gleichberechtigt, aber nicht gleich häufig.
2) Ueber den rhytlimischen Charakter von A^ sei eine be-
nierkung yorausgescliickt. Nach den oben gegebenen dar-
legungen ist doppelalliteration erforderlich, sobald die hebung
bildenden "Wörter im nachdruck einander coordiniert sind.
Tatsächlicli ist aber die doppelalliteration nur in einem brucli-
teil der unter A^ zusammengefassten verse auch wirklich aus-
druck dynamischer coordination. Die übrigen A^, in denen
ein mindertoniges wort (ob die geringere nachdrucksstärke
in der traditionellen scala der wortkategorien oder in der
grammatischen bindung iliren grund hat, kann im princip
gleichgiltig sein) einem tonvolleren vorangeht bez. nachfolgt,
sind in d3'namisch-rhythmischer beziehung zu A^ bez. A-
zu stellen. Eine glatte Scheidung in der angegebenen rieht nng
ist jedoch nicht durchführbar, da überall mit der möglichkeit
eines rhetorischen accents gerechnet werden muss. Im folgen-
den habe ich daher für die Zuordnung zu A- schematisch den
gleichen anlaut der hebungen ausschlaggebend sein lassen, aucli
deshalb, um in § 56 mit genauen zahlen für A^ und A^ arbeiten
zu können.
B) AI findet sich in 505 = 29,79 o/o aller iA-verse.3) In
II entfallen der hauptstabregel wegen fast alle iiA (97,24 o/o)
auf AK Das anwachsen der belege (1558) auf mehr als das
dreifache der in i vorhandenen zeigt, dass A' ein energisch
absteigender vers war (vgl. § 56).
4) A2 begegnet in annähernd gleich liohem procentsatz:
486 = 28,67 o/q. Offenbar handelt es sich hier um eine kunst-
form, die im anschluss an die forderungen des satzaccents aus-
gebildet worden ist. — Beschwerung der Senkungen durch
nebentüne wirkt in der Edda nicht so steigernd auf die rela-
tive häufigkeit der doppelalliteration ein wie im wgerm.-«)
Von den 480 A mit doppelalliteration entfallen uäujlich 199 (40,9-1: "o)
auf das beschwerte ('gesteigerte') A2, 287 (59,05 "/o) auf das normale (un-
ä) Die einzelnen lieder weichen mehr oder weniger vom durchschnitt
ah, ohne dass sich eine entwicklungsreihe construieren Hesse. Ein gleiches
gilt für die anderen typen.
*) Vgl. Sievers § 20, 3, auch Deutschbein § 19 und s. 32, amn. 3.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 217
beschwerte) AI. Bei A' zeigt sich dagegen ein rückgang des beschwerten
A (A2) auf 175 (= 34,65 % der A') nnd ein ebenso geringes aufsteigen des
unbeschwerten A (A 1) auf 330 (= 65,34 "/o)- In ii überwiegt allerdings
wie im wgerm. das unbeschwerte A ganz gewaltig (1287 AI = 82, 60°/o :
271 A2 = 17,39 "/o)- Doch ist auch hier der eddische procentsatz der be-
schwerten A2 in II (wie auch in i) bedeutend höher als im Beow.^) (dort
sind es i: 1418 A'- ^ : 296 A 2 = 26,56 % ; — ii: 1114 A> : 62 A2 = 5,56o/r,
dagegen in der Edda: i: 991 [A' + A^] : 374 A2 = 37,74 «/„; — ii: 1558 A^ :
271 A2 = 17,39 «/o). Die vereinzelten ii A'^ (Vsp. 13, 6. Drk. 7, 6. Gp. 1, 17, 8.
Sg. 18, 8. 42, 6) sind als anomalien zu bezeichnen. Nur prk. 7, 6 darf als
normal gelten (vgl. § 58). — Für die beurteiluug der teehnik ist Vsp. 13, 6
als spätere Interpolation, desgl. Sg. 18, 8 als Schreibfehler, jedenfalls auch
42, 6 (vgl. § 48) belanglos. G]?. 1, 17, 8 nti ne inni entspricht dem satz-
accent, verrät aber schlechte teehnik.
5) A^ ist in rliythmischer beziehiing- von den absteigenden
Ai insofern verschieden, als es zn den aufsteigenden versen
(vgl. Sievers § 9, 5) gehört. — A^, d. h. alliteration auf zweiter
hebung allein ist bei A nicht nur gestattet, sondern häufiger
als AI oder A2 (in der Edda stehen 699 A3 [= 41,23 o/o] gegen
505 AI und 486 A^).
In einzelnen liedern: prk. (52,23 «/o). HH. 1 (53,54 %). HH. 2 (55,67 «/o)
entfallen sogar über die hälfte aller A auf A^: eine erscheinuug, die mit
dem wesen des strophischen stils (Sievers § 30, 2, c) zusammenhängt.
Da ein A^ dem decrescendo von ii (vgl. § 56) zuwider ist,
ist die grosse zahl von 38 A^ in ii^) recht auffällig, und es
fragt sich, wie weit man da etwa principiell zu einer änderung
der hsl. la. berechtigt ist.
Ohne zweifei sind stilistisch-rhetorische ausnahmen von der hauptregel
anzuerkennen. Deutlicher parallelismus membrorum findet sich in Vsp. 48, 2
(= prk. 7, 2) hvat's mep qsum, \ hvaVs mep qlfum (vgl. § 59), etwas weniger
ausgeprägt in Bdr. 6, 4 segpumk [hs. segpu mer} 6r helju, \ ek mun or heimi.
Ebenso sind diejenigen A^ von ii zu belassen, in denen die alliterations-
stellung dem satzaccent entspricht, eine Umstellung aber diesem zuwider
wäre (z. b. in Vsp. 6, 4 etc. ok um pat gcettnsk, wo das pron. zur präp.
hätte in enklise treten müssen), oder metrische anomalien zur folge gehabt
hätte (so die auf lösung der zweiten hebung in Sg. 35, 4 ripii at gar/ji,
einen auftakt in prk. 4, 2p6t vceri 6r gitlli, desgl. prk. 4, 4; eine beschwerung
5) Die zahlen entnehme ich der tabelle bei Deutschbein s. 56, ich rechne
aber auch A2k mit ein.
«) Vsp. 6, 4 etc. 35, 6. prk. 7, 2 (= Vsp. 48, 2). 4, 2. 4, 4. Bdr. 6, 2. 6, 4.
14, 2. Grt. 9, 8. Vkv. 12, 4. 15, 2 [17, 4 mälahättr]. 34, 2. 38, 2. HH. 2, 32, 2.
32, 6. 33, 2. 42, 6, 46, 12. Sg. 3, 4. 6, 6. 7, 4. 12, 2. 35, 4. Od. 15, 4. 32, 4. Gp.
2, 1, 4. 16, 6. 35, 4. Ghv. 3, 4. 14, 2. 17, 10. 19, 2. 19, 8.
218 WENCK
der nüttelsenknng des tj-pns B in Bdr. 14,2 ol- res hröpigr), oder eine
unregelmässige Avortfolge bewirkt hätte (Vsp. 35, G /)n/;/< um simnn || [ver
^■f' gW"P]' %• 12, 2 feßr i sinn/ [vgl. § (SO], Grt. 9, 8 peim erinn hornar,
Sg. 6, 6 epa pö svelta). Yielleiclit dürfen auch die verse angezogen werden,
in denen ein pron. (pers. oder dem.) vor der zugeliürigen verbalform in
Senkung steht: Vkv. 3+, 2. HH. 2,33,2. Od. 15,4. G^ 2,10,0. ühv. 19,2.
In einigen versen, wo die alliteration dem satzaccent widerstreitet, hat
sich der metrische factor als stärker erwiesen : Vkv. 15, 2 borin vas 'Blgpve,
vgl. HH. 2, 42, 0. Gf>. 2, 35, 4. In der abweichenden alliterationsstellung
mag sich zugleich das bestreben zeigen, die eintönigkeit des sonst allzu
heständigen decrescendo von ii (vgl. § 50) etwas zu mildern. Zum teil liegt
also bei den A' von ii sicher eine beabsichtigte feiuheit vor. Der alliteration
des nachstehenden gen. in Bdr. 6, 2 sonr emh Yaltams ist ferner die nhd.
stärkere betonung des gen. zu vergleichen; eine um.stellung würde überdies
hier klappernden rhythmus erzeugen. Ueberhaupt hat offenbar auch das
rhythmisch-melodische element hei der ganzen frage eine bedeutsame rolle
gespielt. Bei der parenthese Od. 32, 4 hön sJcyli morna stimmen die melodie
und der steigende rhythmus des verses sehr glücklich zusammen. Ebenso
trägt bei Od. 15, 4 äpr hann stjUi der (von den herausgeberu richtig durch
doppelpunkt angedeutete) hochschluss der zeile im verein mit dem steigenden
rhythmus zur belebung und fesselung der aufmerksamkeit bei. Vgl. auch
das kräftig abschliessende sat pä Qptir von A'kv. 38, 4. Vielleicht ist auch
in Vkv. 12, 4 oJc mik himchi der hsl. text beizubehalten, da die alliteration
auf zweiter hebung den melodischen typus des fragesatzes widerzuspiegeln
scheint. "Wo jedoch durch die abweichende Stellung der alliteration metrische
anomalien hervorgerufen werden (G]\ 2, 1, 4 nunak vd hrapnti», desgl. Ghv.
14, 2), wo gar Verstösse gegen den satzaccent vorliegen (HII. 2, 46, 12 hjn
oss lipuum), wo ferner die satzmelodie die beibehaltung der hsl. la. nicht
fordert, wird man umstellen dürfen: Sg. 7, 4 en ek Gumiars, vgl. Ghv. 19, 8.
— Betreffs der verse mit paralleler alliteration (I)rk. 4, 2. 4, 4. 7, 2 [= Vsp.
48, 2J ), oder mit gekreuzter (Bdr. 14, 2. Sg. 12, 2) vgl. § 57 f.
§ 51. Typus B. 1) Typus B ist im vergleich zu A durch
sehr wenig beispiele vertreteu. In i begegnen 350 (= 11.61 ^lo
der i), in ii sogar nur 129 (= 4,18 o/o).
Das absinken der belegzahl in ii hängt offenbar mit der rhythmischen
eigenart des typus B zusammen, der als rein steigender typus dem üblichen
decrescendo von ii nicht entsprach und daher gemieden wurde. Um so
geeigneter wäre er an sich für i gewesen. "Wenn trotzdem auch dort die
B nur spärlich auftreten, so wird sich das aus der Schwierigkeit ergeben
haben, jedesmal die zweite hebung mit einem einsilbigen (nicht einmal einem
zweisilbig verschleif baren) wort zu besetzen.
2) Trotz des steigenden rhythmus heider hälften des typus B
ist die betonung des ganzen verses nicht aufsteigend gewesen.
B' nimmt im durchschnitt nicht weniger als 80 o/q aller
B in anspruch, in einigen liederu noch mehr (prk. und Od,
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 21Ö
95,23 %, Sg. 92,1 o/o, Grp. 86,48 ^/o). Folglich stand die zweite
liebung von B hinter der ersten an nachdruck bedeutend zurück.
B2 durch 62 belege (^= 17,71 o/q) vertreten, kann somit kaum
wie A3 als besondere kunstform angesehen werden: eher ist die
doppelalliteration hier nur das resultat eines compromisses
zwischen vers- und Satzbetonung.
Die mehrzahl der verse mit doppelalliteration enthalten nämlich in
erster hebung ein mindertoniges wort. Während dieses aus rhythmischen
gründen die alliteration tragen muss, kann das die zweite hebung bildende
stärker betonte wort der alliteration nicht entraten, wofern der satzaccent
gewahrt bleiben soll. Wo vers- und Satzbetonung übereinstimmen, ist
doppelalliteration auf rechnuug des zufalls zu setzen. Dabei ist es natür-
lich nicht unbedingt ausgeschlossen, dass der dichter einen sich mühelos
bietenden Stabreim gern zur erhöhung der formwirkung angewendet hat.
3) Zur ausbildung einer besonderen unterkategorie B^ war
bei dem absteigenden Charakter des typus B kein anlass gegeben.
Die wenigen fälle, die diese anomale alliterationsstellung aufweisen
(i: Ykv. 37, 5. HH. 1, 16, 5. HH. 2, 11, 1. 48, 9. Eg. 11, 3. Gp. 1, 26, 1. G\>. 2,
17,9. Ghv. 19,3. — ii: Grt. 18, 6) sind mit ausnähme von HH. 2, 11, 1. Grt.
18, 6 durch den satzaccent bedingt, da das stärker betonte wort in zweiter
hebung steht. Dass hier das metrisch -rh^'thmische elemeut des verses im
kämpfe mit dem satzaccent unterlegen ist, kann nicht wunder nehmen, da
Ja in II auch A^ auftritt (oben s. 217). Doch zeigen die unter 2 erörterten
B-verse mit doppelalliteration deutlich, dass durch die versbetonung doppel-
alliteration gefordert wurde. Das fehlen der doppelalliteration ist also ein
zeichen schlechter technik. Die beiden eben erwähnten B^ (HH. 2, 11, 1 und
Grt. 18, 6), die der vers- und Satzbetonung zuwider sind, sind daher sicher
zu bessern und dürfen nicht den dichtem der beiden lieder als fehler an-
gerechnet Averdeu.
§ 52. Typus C. 1) Typus C ist nach A die beliebteste
versart, und zwar in i wie ii. Doch erhebt sich der procent-
satz von ii mit 27,84 "/o nicht unbeträchtlich über den von i
mit nur 18,12 ^Vo- Das stimmt wider gut zu dem absteigenden
Charakter des typus C (Sievers § 15, anm. 4). Die tonische
Unterordnung der zweiten hebung unter die erste zeigt sich
schon in der sprachlichen füllung der C,- insofern die zweite
hebung mit grosser Vorliebe von zweiten gliedern von com-
positis oder schweren ableitungssilben eingenommen wird; sie
wird ferner bestätigt durch das überwiegen von N' ') (i: 75,45 "Vo
= 412). C ist daher als norm zu betrachten. Einzelne lieder
^) Vgl. die accentuierung Otfrids: Sievers, Beitr. 13, 142.
220 AVENCK
weisen z. t. einen noch liölieren procentsatz auf (Grp. 90,15. Od.
85,01. IIII.I 87,80. Hdl.85,71. I)rk. 85.71). Ausserdem wächst
das in ii allein mög-liche C in ii auf das doppelte an (in i
bildet C = 13,67% aller i, in ii 27,74 "/o = 836).
2) Doppelalliteration ist, wie schon öfter hervorgehoben
Avurde, im typus C als compromiss zwischen vers- und Satz-
betonung anzusehen. Sie begegnet in 24,17 % aller C von i.
Die wenigen fälle, in denen vers- und Satzbetonung zusammen-
stimmen, sind als zufällig zu betrachten. — Für die rhj-tli-
mische eigenart des t3'pus C ist die Verteilung von N' und X^
auf die untertypen Cl, C2, C3 sehr charakteristisch:
1 Cl = 200 161 (= 80,5 »'o) 39C=19,5«;o)
I C2 = 46 19 (=41,3%) 27 (= 58,7 »/o)
I C3 = 294 228 (= 77,5 o/o) 66 (= 22,4°/o).
Sonach überwiegt doppelalliteration nur in C2, dagegen ist N»
in Cl und C3 gleich stark vertreten. Trotzdem nehmen Cl
und C3 in ii ab und C2 zu (ii C = 822, darunter Cl: 177,
C2: 436: C3: 209). Ohne zweifei hat der steigende eingang
von ClundCS den absteigenden gesammtcharakter des vers-
typus (s.oben 1) beeinträchtigt, dagegen nähert sich C2 x ^ x - x
durch seinen zweimaligen Wechsel von betont und unbetont dem
typus A', der ja ebenfalls in ii eine Steigerung seiner häufig-
keit erfährt (oben s. 216). Die erste silbe von C2 (sie ist in
der mehrzahl der fälle ein ganz tonloses Avort) Avird also hier
den absteigenden gesammtcharakter des typus nicht so sehr
beeinflusst haben wie bei Cl und C3. Also ist auch doppel-
alliteration in C2 (bei der rhythmischen ähnlichkeit dieser
unterform mit A) nicht befremdend.
3) Eine alliterationsstellung C^ würde dem absteigenden
Charakter von C widerstreiten. Die beispiele sind daher aucli
sehr .spärlich und z. t. zweifelhaft.
Bei Br. 12, 3 pä vas hvi \e(na ist miigliclierweise au alliteratiou von
hv : V zu dcukeu^); der zweite balbvers Ilym. 20,8 at roa \cn<jra (übrigeus
ein C2!) erklärt sich durch die Satzbetonung. In fällen des scheraas verbum
+ noiueu + uomen wie Hdl. 41, 5 rarp Loptr knpugr, in denen schematisch
die rhythmisierung C eintreten müsste, ist doch wirklich nie ein C zu sta-
'•*) Vgl. Hildebrand z. st. Heyue-Socin, Beowulf ' (Paderborn 1903) s. 109
zu V. 2298.
ALLITEEATION IM EDD. FORNYßDISLAG. 221
tnieren. In der regel lassen sich grimde für die an sich anomale drückung
eines uomens (wie des Loptr) in solcher Stellung finden (vgl. s. 144). In Sg.
12, 1 Igtum son tara | {fepr i sinni) ist die hauptalliteration demnach nicht
nach II zu hestimmen.
§ 53. Typus D. Typus D ist wie E als ung-leiclitaktige
versart wenig" beliebt. In i entfallen auf ihn 143 belege
(= 4,73 o/o), in ii dagegen 228 belege (= 7,56 " o)- Aus diesem
zahlenverhältnis ergibt sich für D absteigender Charakter.
Unter allen typen bevorzugt D allein die doppelalliteration
(D'O. Sie tritt in 94 belegen, d.h. durchschnittlich 65,73 o/o
aller D von i auf. Einzelne lieder zeigen sogar noch einen
beträchtlich höheren procentsatz : Vsp. mit 92,88 "/o? Hym. mit
73,33 o/„. Diese ausgesprochene Vorliebe ist in erster linie
rhythmisch begründet. Da im D die beiden hebungen zu-
sammentreten (wie im typus C), so kann nur die erste dyna-
misch ausgezeichnet sein, und sie muss es sein, weil sie allein
dem langen zweiten versstück gegenübersteht.
Die zweite hebung wird gegenüber der ersten durch Wechsel der ton-
höhe (also durch den musikalischen accent) ausgezeichnet. Das ergibt
sich zunächst für den ahd. reimvers direct durch die art der ' accentuierung '
Otfrids, der bei D-versen wie bekannt fast regelmässig die zweite hebung
diirch einen 'accent', richtiger durch ein 'tonerhühungszeicheu' (eine ueume) ')
auszeichnet (vgl. z. b. verse wie 0.1,5,4b cliuri ärunti, 6a wega wolkono,
IIb werk v/irJcento, 16h gote zeizosto, 21b magad shmenta, 26, 8 ebaneivigan,
50a iuazicillonti, die ohne weiteres noch alliterationsverse sein könnten
(vgl. Sievers, Beitr. 13, 121 f). ludirect wird aber eine ähnliche art der aus-
zeichnung der zweiten hebung auch für das an. durch das auftreten einiger
D^ wahrscheinlich gemacht, die sicher nicht zu dem sonst nahe verwanten
C (vgl. Sievers, Beitr. 13, 142) zu stellen sind. So Vkv. 8, 7 \glundr Upandi
(mit kreuzalliteratiou, vgl. §57 f.); ferner Hdl. 12,2 borinn Insteini, 28,2
borinn Urcereli, Grp. 3, 6 borinn Sigmundi, Vkv. 39, 4 meyna hrähvitu, s.
oben § 9, s. 111).
Die doppelalliteration in dem vereinzelten ii prk. 25, 6 hüa
\)rei])ara ist natürlich fehlerhaft. Das alliterationsschema D^
ist dagegen djmamisch durchaus gerechtfertigt. Doch tritt es
nur in 48 belegen (= 33,56 7o) aller D von i auf, und steht
daher hinter dem ^normalen' Schema D^ beträchtlich zurück.
Viele dieser D^ Verstössen überdies gegen den satzaccent, oder
sind durch das auftreten alliterationserschwerender nomina
') So nach den Vorlesungen von Sievers, der demnächst ausführlicher
über diese frage zu handeln gedenkt.
222 WENCK
propria liervorgerufen (von den 48 belegen enthalten 14 ein
npr., bei 8 andern steht ein solches in der zugehfirigen halbzeile).
In II herscht natürlich allein die einfache alliteration des
Schemas D' (es erscheint in 228 belegen, =7,56 "o aller ii gegen
48 belege, = 1,59 ",'o aller i). Anch hier hat also das dyna-
mische princip (ohne einwirknng des musikalischen) den aus-
schlag gegeben.
§ 54. Typus E nähert sich durch den namentlich auch
in musikalischer beziehung stark ins ohr fallenden steigschnitt
am Schlüsse {1.1x1 -) ^^^' gi'uppe der aufsteigenden verse.
Dem entsprechend begegnet er auch in i 223 mal (=7,4%),
in II aber nur 137 mal (= 4,54 o/,j). Die erste hebung ist wie
bei B (s. 218) die stärkste, daher ist es auch nur ganz normal,
wenn das alliterationsschema E' mit 159 belegen (=71,3%
der E) stark überwiegt. E^ ist danach (wie B^ und C^) als
resultat eines compromisses zwischen vers- und Satzbetonung
aufzufassen (die beiden E^ von ii: Vsp. 36,4 Slipr heitir sü,
Hym. 9, 2 eJc viljaJc yJikr verraten schlechte technik). Anomales
E^ ist mit 22 belegen (=: 9,86 "/o) im Verhältnis zu dem ver-
wanten B^ (mit 8 belegen = 2,28 "/n) recht stark vertreten,
aber wie dort offenbar durch den satzaccent veranlasst. In
Vsp. 88, 1. I3rk. 18, 1. R]>. 26, 3. Hdl. 25, 8. Ykv. 7, 5. 16,7. 22,3.
32,1. HH.2,19,5. 33,5. 51,1. Grp.5,5. Br. 9, 1. 17,5. G}'. 1,26,5.
Sg.6,3. 34,3. 37,8. Gp.3, 11,5. Ghv. 14, 1 steht nämlich ein
mindertoniges wort in erster hebung. Dass dieses nicht mit-
alliteriert, weist wider auf nachlässigkeit der technik.
Schwerer wiegt, dass zweimal ein scliwiicher betontes wort in zweiter
hebung: allein alliteriert: Grt. 15,1 fmm hcJdum \>vi und Ykv. 20,3 vel
gorßi [kann] hcldr (im letzteren verse wird die alliteration des miuder-
tonigen wortes allerdings durch das Hildebraudsche gesetz gefordert). Eine
änderung des textes ist in beiden fällen ausgeschlossen, dagegen kann man
bei Sg. 37, 3 hvärt [eJ:] shjldak \cga und G)'. 3, 11, 5 leiddu pä mey an Um-
stellung denken. Ausserdem ist die Zugehörigkeit einiger der angeführten
verse zu E nicht ganz sicher. Grp. 5, 5 ßigußu her, Sigurßr und prk. 18, 1
ßä kvaß ßat Loki könnten allenfalls schematisch mit tilgung des pron. als
A' genommen werden. Ghv. 14, 1 gekk ck h be/) und Sg. 34, 5 vurß ck til
ung ergeben bei anweiidung des bragarmäl regelmässige Fa'. Bei Ykv.
22, 3 ykkr lät {c\k ßat gull und 16, 7 esa sd nü hyrr kann man zwischen
B^ und E^ schwanken.
§ 55. Typus F ist zwar schwach vertreten (in i 58 be-
lege = 1,75 "/o, in II 71 belege = 2,87%), aber andrerseits
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 223
doch auch wider zu stark, als dass man seine existenz an-
zweifeln dürfte. Die einzelnen lieder zeigen ihm gegenüber
ein verschiedenes verhalten: kein beleg- findet sich in Grt.
HHv. Hei.; eine besondere Vorliebe ist nur in der R\>. (i 16 :
II 19) und Sg. (i 8 : II 18) bemerkbar (vgl. Sievers, Beitr. 6,
308 f.). — Hinsichtlich der alliterationsstellung schliessen sich
die F den typen an, aus denen sie durch katalexe entstanden
sind. F'"5 ist somit regelmässigerweise auf den typus Fa be-
schränkt. Von dem isolierten Fa^ in ii Gp. 3, 11, 2 hverr 's ])at
sdat gilt das in § 50, 5 (s. 217 f.) über A^ in ii bemerkte.
Beachtenswert ist, dass F in ii häufiger ist als in i, und dass
lieder, die in i keine F aufweisen (Hym. Bdr. Br. G\\ 2. Gl». 3),
solche doch in ii zeigen. Das hängt offenbar mit der durch
die katalexe hervorgerufenen pause zusammen, die besser an
den schluss der langzeile als an den der ersten halbzeile
passte. Vor der cäsur wirkt sie im allgemeinen nur dann
nicht störend, wenn auch der zweite halbvers ein F war.
Dass das tatsächlich empfunden wurde, scheint aus der ver-
hältnismässig grossen zahl der (7) belege für die bindung
F : F hervorzugehen (Rp. 11, 7 f. 41, 3 f. 41, 9 f. Vkv. 31, 1 f.
Gl\ 1, 24, 1 1 f. Fäf. 36, 1 f. Od. 4, 3 f.).
Es begeguen drei zweigliedrige verse: i: E]?. 8,9. Gp. 1,26,8.
— II: JUp. 11,4 (vgl. Sievers, Beitr. 6, 310 und Altgerra. metrik §45,1). —
Ausserdem sind noch einige verse zu erwähnen, die als verderbt und un-
bestimmbar von der discussion ausgeschlossen werden mussten: i: Gp. 2, 24,3.
Ghv. 2,1. — II: Rp. 32,4. Grp. 39,8. Gp. 2,17,4. Gp. 3,5,4. Od. 4,2. —
Ferner konnten oben in § 50 und § 52 i 5 A^ (Grp. 39, 7. Gp. 1, 4, 7. Sg.
13, 1. 50, 1 . Gp. 3, 5, 3), II 2 A^ (Gp. 1, 4, 8. Sg. 50, 2) und i 1 C^ (Sg. 13, 2)
wegen des mangels eines reimstabes nicht berücksichtigt werden.
Cap. VIII. Der rhythmische Charakter der langzeile.
§ 56. 1) Wie bereits öfter hervorgehoben wurde, stellt
in der Edda die langzeile im wesentlichen ein crescendo -
decrescendo dar (vgl. dazu mutatis mutandis Sievers § 166).
Dieser Charakter prägt sich deutlich auch in der für die beiden
halbzeilen verschiedenen typen wähl aus. Hier steht in i das
Schema A^ mit 29,19 o/o voraus, es folgen C mit 18,12 "/o? A^
mit 16,76% [A2 mit 15,79 o/o], B mit 11,61 Vo, E mit 7,40 o/o,
D mit 4,740/0; in 11 dagegen erscheinen an A^ 51,70 o/^, an C
27,84 0/0, an D 7,56 0/0, an E 4,54 0/0, an B 4,18 0/0 [an A3 1,26 0/0].
224 WENCK
Somit entfallen in i auf die aufsteigenden typen {A\ B, E: zum
letzteren vg'l. § 54 eingans) 42,20 "'/„, auf die absteigenden (C,
A', D) 39,62 'Vo, in ii auf die aufsteigenden (E, B, A3) nur
9,98 "/o, auf die absteigenden (A', C, D) 87,10 "/o aller (3013)
I bez. II. Das starke hervortreten absteigender typen in i,
besonders des typus C, ist darauf zurilckzufiilircn, dass der
germ. satz im eingang zwar crescendo, im fortscliritt eben und
auch wie der satzschluss decrescendo gebildet wurde (Sievers
§ ICG). Von 4 zur Strophe gebundenen langzeilen gehören
jedoch gewöhnlich zwei erste halbzeilen dem satzfortschritt
an. Auf keinen fall ist es zulässig, die häufigkeit der C in i
etwa mit Fischer (Anz. fda. 23, 50 ff.) durch eine Unterscheidung
zwischen einem fallenden und einem steigenden C erklären zu
wollen, noch viel weniger mit Deutschbein (a. a. o. § 8 und anm.)
C überhaupt den aufsteigenden versen zuzurechnen. Es wider-
spräche das dem in § 52. 53 erörterten. Selbst wenn man für
das wgerm. (Beow.) ein decrescendo - crescendo der langzeile
einräumt, so kann das anwachsen ') der C in ii (vgl. Deutsch-
bein, tab. s. 69) nicht als zeichen aufsteigenden gesammt-
charakters von C in anspruch genommen werden. Deutsch-
bein hat offenbar zu unrecht nicht zwischen den untertypen
Cl, C2, C3 geschieden. Berücksichtigt mau diese, so ergibt
sich für den Beow. folgende tabelle:
Ci C2 c^
Beow. : i 504 C'- ' 200 (= 39,68 »/o) 90 (= 17,85 «/o) 214 (= 42,46 %)
II 582 Cl 170 (= 29,20 °/o) IM (= 24,74 «/o) 268 (= 46,04 «/o)
Edda: i 540 C'- ^ 200 (= 37,03 «/o) 46 (= 8,510/0) 294 (=54,44%)
II 822 C 177 (= 21,53 «/o) 436 (= 53,04 ", 0) 209 (= 25,42 "/o)
Somit erfährt nur C2, für das wir oben s. 220 specifisch
absteigenden Charakter annehmen mussten, in 11 eine merkliche
Steigerung. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass im ags,
wegen des starken anschwellens der eingangssenkung (bis zu
fünf Silben) der steigende eingang des verses sich stärker
geltend macht als im altnordischen. Für den absteigenden
gesammtcharakter ist dies aber ebensowenig von ausschlag-
gebender bedeutung wie der musikalische steigschritt im typus D
') Dieses ziemlich uuwesentliche steigen könnte vielleicht auch durch
die von Deutschbein § 5, 6 ziigegebeuen ausnahmen der 11 erklärt werden.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 225
(oben s. 221) und der einleitende fallscliritt im typus E (oben
s. 222). Ihr rliytlimisches speciflcum scheinen die verstypen
eben vom endstück aus bez. von dessen Verhältnis zum vor-
hergehenden zu empfangen.
2) Die häufigkeit der verschiedenen typencombinationen
in I -|- II hängt in der hauptsache nur von der häufigkeit der
einzelnen typen in den einzelnen halbzeilen ab. Vgl. folgende
tabelle: n
A
C
D
E
B
A
825
512
150
85
76
A»
371
170
73
42
24
C
337
118
35
24
18
AI
235
186
30
11
30
B
214
81
24
14
13
E
137
63
7
8
7
D
61
52
10
5
7
Abweichungen von der oben aufgestellten norm sind zwar
vorhanden, doch kann es nur auf zufall beruhen, wenn z. b.
die belegzahl der combination A^ + B grösser ist als die der
A' + E, die der E + E grösser als die der E + D, die der
D + B grösser als die der D + E, oder die der E + D kleiner
als die der D + D, und die der A^ + E kleiner als die der
B + E. Nur bei dem Verhältnis der 186 A^ + C : 118 C + C
und sogar 170 A3 + C, ferner bei dem der 30 A^ + B : 18 C
+ B und 24 A^ + B dürfte der abstand von der norm zu
gross sein, als dass man an blossen zufall denken dürfte.
Eine einleuchtende erklärung für diese Sachlage weiss ich
freilich nicht zu geben.
Die Verbindung gleicher typen ist entschieden nicht
beliebt: sie begegnet nur in 14,94 o/o der in der tabelle auf-
geführten 2407 langzeilen; davon entfallen auf A^ + A^ 9,76 f'/o,
auf C + C 4,90 'Vo, auf B + B 0,54 «/o, auf D + D 0,41 "/o, auf
E + E 0,33 o/o.
Cap. IX. Die alliteration in der langzeile.^)
§ 57. Bei den versen mit den alliterationsschemata N^
bez. N3 ist bisher nur die eine, normalerweise alliterierende
1) Vgl. Sievers § 21, d uud anm. (wo weitere literatur citiert wird),
sowie § 46, 4.
Beiträge zur geschichte Uer deutschen spräche. XXXI. ^5
226 WKN'CK
hebung jeder laiijEfzeile ins äuge gefasst worden. In UC^lang-
zeilen liaben aber auch die von dieser liauptalliteration aus-
geschlossenen liebungen gleichen anlaut (nebenalliteration).
Je nach der gegenseitigen Stellung von hauptalliteration (a)
und nebenalliteration (b) sind hier vier verschiedene combina-
tionen möglich: einmal mit paralleler alliteration 1) abab;
— 2) baba, sodann mit gekreuzter 3) abba und — 4) baab.
Darüber ob das kreuzende zweite System gleicher anlaute als
bewusste kunstform anzusehen sei, sei es im germ., sei es im
westgerm.2), ist viel gestritten worden. 3) Selbst darüber sind
die meinungen noch geteilt, ob der gleiche anlaut dieses zweiten
Systems überhaupt als alliteration empfunden worden sei. Für
die Edda dürfte indessen an der positiven auffassung Lach-
manns (Kl. sehr. 1, 430) festzuhalten sein, denn gerade bei der
knappheit des fornyröislag wäre es schwer zu verstehen, dass
die so rasch auf einander folgenden gleichen anlaute der nicht
an der hauptalliteration beteiligten beiden hebungen auf das
olir nicht auch gewirkt haben sollten. "Wenn es sich dabei
auch oft wirklich nur um sinnesschwache hebungen handelt,
so handelt es sich doch immer noch um hebungen, die als
solche ein gewisses tongewicht voraussetzen, durch das selbst
an sich schwachbetonte wortkategorien im verse über die nor-
male nachdrucksstärke gehoben werden konnten (vgl. Sievers,
Metr. stud. 1. § 48, 2). Wie doppelalliteration in einem starken
procentsatz der N-'- verse als compromiss zwischen vers- und
Satzbetonung angesehen werden musste, ebenso glaube ich,
dass die 'nebenalliteration' als beabsichtigtes kunstmittel
jedenfalls überall da anzuerkennen ist, wo die hauptalliteration
dem satzaccent widerspricht, nicht minder da, wo ein Verstoss
gegen die allgemeinen alliterationsneigungen der einzelnen
typen oder gegen das hauptstabgesetz vorliegt, kurz überall
da, wo das doppelsystem als eine art von compensation für
die nichtdurchführung des correcten einzelsj'stems angesehen
werden kann.
Zu demselben Schlüsse wird man geführt, wenn man nach
*) Für das wgerm. scheiden die combiuationen 2 und 3 natürlich aus,
da dort das gesetz von der Stellung des hauptstabes streng eingehalten wird.
*) S. zuletzt Emerson, Transverse alliteration in Teutouic poetry,
Journal of Gemianic Phil. 3, 127 f.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 227
dem beispiel Friichts (s. 75 f.) [vgi. Sievers § 21, d] eine walir-
scheinlichkeitsrecliiiung anstellt. Für die Edda scheidet von
19 möglichen anlanten einer, nämlich p, praktisch aus, da
dieser bnchstabe sich nur in einem einzigen worte {plög R]?.
22, 8) vorfindet. Das zu erwartende Vit der verse mit dem
alliterationsschema N' und N^ (d.s. 2176) wird um 18 über-
schritten: 146.
Auch auf die gesammtzahl der verse berechnet, bilden
die Eddabeispiele einen höheren procentsatz (auf 3013 lang-
zeilen kommen 146 fälle [= 4,84 "/o] ) als z. b. die des Heliaud,
für den Eies (QF. 41, 123) 118 fälle (= rund 2 «/o auf 6000
langzeilen) namhaft macht.
Die oben erwähnten vier verschiedenen combinationen
paralleler und gekreuzter alliteration sind nicht gleichberech-
tigt. Die Schemata baba und abba Verstössen gegen das
hauptstabgesetz (vgl. s. 226, anm. 2) und sind daher nur spär-
lich belegt (6 bez. 3 mal). Am häufigsten ist abab (97), wäh-
rend baab, das dem crescendo-decrescendo-charakter der lang-
zeile am besten entsprechen würde, nur etwa die hälfte dieser
fälle (40) aufweist.
§ 58. Das Schema abab begegnet in folgenden langzeilen:
Vsp. 8,3. 10,3. 15,5. 19,3. 21,7. 28,5. 31,1. 35,1. 42,1. 42,7. 43,7.
48,5. Hym. 18,1 A; 21,1 A. prk. 2,7. 3,7. 6,3. 7,5. 17,5. 18,7. 23,5.
Rp. 2, 5 (= 14, 5). 4, 7. 8, 9. 11, 3. 23, 3, 31, 5, 32, 7. 41, 1. 41, 9. 43, 3. 46, 3.
Hdl. 1, 7. 4, 1. 11, 9. 16, 5. 25, 7. 26, 5. 28, 5. 33, 1. 37, 1. 44, 7. Vkv. 4, 3.
7, 7. 25, 3 (= 35, 7). 27, 3. HH. 1, 10, 3. 12, 5. 27, 7. 32, 5. 48, 9. 56, 9. HH.
2, 1, 1. 17, 1. 23, 7. 24, 7. 30, 1. 37, 7. HHv. 35, 1. 88, 3. Grp. 2, 3. 4, 5. 22, 1.
25, 1. 30, 3. 43, 3. 45, 3. Eg. 14, 3. Fäf. 44, 7. Br. 3, 5. 4, 1. 15, 1 (= Sg.
50, 1). Gp. 1, 1, 7 (= G]>. 2, 11, 9). 17, 5, Gp. 2, 8, 7. 11, 3. Sg. 15, 1. 27, 7.
29,5. 44,5. 49,3. 67,5. Hei. 12, 1. Od. 6, 1. 10,1. 15,7. 16,1. 18,5. Ghv.5,7.
10, 1. Grt. 15, 3. 19, 1.
Statt der diirch völlige coordination der beiden hebungen eigentlich
geforderten doppelalliteration ist abab eingetreten in Vsp. 15, 5 \iön Öri \
Düfr kndvari, HH. 1, 56, 9 sigrs ok landa. | nü's sökn lokit, ferner in Vkv.
4, 3. Grp. 43, 3. Sg. 44, 5. Hei. 12, 1.
II ist regelmässig, i verstösst gegen den satzaccent in Vsp. 48, 5 siynja
dvergar \ fyr %\eirAnrum, HHv. 35, 1 reip u yargi \ es rekvip \as, Br. 15, 1
{= Sg. 50, 1) \>Qgpu ü.llir I vip pvi 0)pi, Od. 18, 5 \asa langt af pvi \ heldr
välitit. Vielleicht ist auch Hym. 21, 1 A drö meirr 'Q.ymir \ möpugr hvali
hierher zu stellen (doch beweist die parallelalliteration nicht gerade für die
la. von A).
15*
228 ^ENCK
I ist regelmässig, ii vcrstüsst gegen den satzaccent: pik. 3, 8 ef minn
hamar \ mattaJc hilUt, H\>. 4,8 So/j vas i holla, \ sctli ä hjö/j, 40,4 kol/i
ileygpi, \ Vyrjniogla, Hill. 4, 2 \iör niun hlöta, | \>ess mun\ii/jja, desgl. HH.
1, 32, 6. Grp. 2, 4. Rg. 14, 4. Sg. 49, 4. Od. 16, 2.
Abweichende Wortstellung und damit verbundene dynamisebe coor-
dination ist in ii sebr oft durch parallele alliteratiun verdeckt: nach-
stehender abhängiger gen. begegnet so in Vsp. 43,8. RJ^. 11,4. Vkv. 25,4
(=35,8). Grp. 43,4. Fäf. 44,8. Od. 6,2, nachgestelltes adj. in Vsp. 10,4.
Rp. 41, 2. Gp. 1, 1, 8 (= Gp. 2, 11, 10). Sg. 44, 6. Hei. 12, 2.
Ferner finden sich noch belege, in denen wegen grösserer gramma-
tischer coordination zweier uomina doppelalliteratiou angebracht gewesen
wäre: I Vkv. 7, 7. Sg. 15, 1. 27, 7. HH. 2, 30, 1. 37, 7. Ghv. 10, 1 ; — ii Rj>.
2,6 (= 14,6; auch wegen i: hin nam at ganga, | eldr vas a golfi): ferner
41,10. Vkv. 4, 4. Sg.29,6. Ghv. 10,2.
I und II Verstössen zugleich gegen den satzaccent in Vsp. 42, 1 sat
par ü \\augi \ oTc %16 hgrim. Nur einmal ist das zweite alliteratioussystem
dem ersten gleich: prk. 7, 5 \Ws mep ösum, \ Ulfs mep qlfum, doch steht
gerade hier die absichtlichkeit wegen der wortwiderholung und antithese
ausser allem zweifei.
Bei ausgeprägtem parallelismus membrorum ist das Schema abab zur
erhöhung der Wirkung eingetreten in Vsp. 28, 5 hvers iregni/j mil:, \ hvi
ireisiip min, prk. 23, 5 ijglp äk meipma, \ ijglp äJc menja, Hdl. 37, 1 kann
Qijglp wn bor, | hann dreip wn bor, Ghv. 10, 1 ]>rjä rissak elcla, \ ]>rjä
vissal: a.rna. "Weniger deutlich ist dies bei Rf>. 8, 9. 43,3. Hdl. 11,9. 16,5.
Bei wortwiderholung dürfte auch gleicher anlaut von Senkungen,
wenigstens der beschwerten, empfunden werden. Nur unter dieser Voraus-
setzung können wir Br. 4, 1 sumir ulf svipu, \ sttmir orm snijni, Gp. 2, 6, 1
\engl hvarfapak, \ \engi hugir deildtisl; Hdl. 1, 1 Yaki mcer mcijja, \ Yciki
m/n -vina verstehen. Hierher sind ferner A'kv. 25, 7 (= 36, 3) slü brjöst-
kringlur, | sendi Bgpvildi, Ghv. 10, 1 ]>rjä yissak elda, | prjä \issak ar»o
zu stellen.
§ 59. Von den versen mit dem Schema baba sind Vsp.
48, 1 (= prk. 7, 1) livai's mcj) {}sum, \ hvat's mep qlfum, Od. 7, 5
rikt göl Oddrün, \ rumt göl Oddnm, G]\ 1, 8, 1 sjglf skyldak
%Qfg<^) I ^JQ^f skyldak qgtra rhetorisch bedingt.
Die Zuordnung zu baba ist nur deshalb erfolgt, weil dem subst. der
hauptnachdruck zugekommen zu sein scheint. Vielleicht wären von den in
§ 58 (schluss) aufgeführten fällen die verse prk. 23, 5 und Ghv. 10, 1 hierher
zu ziehen, deren zweite lialbzeileu gegen das hauptstabgosetz Verstössen.
Gerade mit der abweichung ist ein gut teil der dichterischen Wirkung
verquickt.
Die beiden anderen fälle mit dem schema baba (prk. 4, 1 —4) sind durch
die forderungen des satzacceuls hervorgerufen worden.
ALLITERATION IM EDD. FOßNYRDISLAG. 229
§ CO. Ein ganz sicheres beispiel für das Schema abba
ist Sg. 12, 1 Igtum son tara \ te])r i sinni. Die beiden anderen
(Bdr. 14, 1. Vkv. 33, 11) gestatten in ii eine nmstelhing.
§ 61. Für das Schema baab bieten sich folgende fälle:
Vsp.15,1- 23,7. Hym.7,1. 14,1. 26,1. 28,5. prk. 16, 1 (=19,5). 25,3.
Hdl. 26, 1. 27, 5. 27, 7. 42, 7. 47, 3. Vkv. 2, 9. 8, 7. 37, 3. HHv. 3, 5. 4, 5. HH.
1, 7, 3. 30, 1. 50, 3. 50, 5. HH. 2, 6, 3. Rg. 11, 1. 13, 7. 14, 5. Gp. 1, 21, 3. Sg.
16, 1. 20, 1. 31, 1. 37, 1. Hei. 8, 1. 8, 7. 9, 1. Od. 2, 5. 18, 7. 25, 1. G}>. 2, 5, 5.
Grt. 2, 7.
I ist fehlerhaft: Vkv. 8, 7 Yglundr Ußandi \ um \angan weg; — ii: prk.
16, 2 {= 19, 6) \gtum und hgnum \ hrynja liiMa, vgl. HHv. 4, 6 sefr at armi,
Sg. 20, 1 ggrva at yigi, Od. 18, 8 \issi allar. — Ahweicheude Wortstellung
in ii: Vkv. 2, 10. Rg. 11, 2. Sg. 31, 2. Grt. 2, 8.
Cap. X. Resultate.
§ 62. Die abstufungen des dynamischen satzaccents sind
zum teil traditionell (vgl. Sievers § 22). Entsprechend der
Unterscheidung von sprachlich stark- und schwachhaupttonigen,
nebentonigen und unbetonten Silben (ins metrische übersetzt
würden diese stärkegrade denen der ersten bez. zweiten hebung,
der nebenhebung und der Senkung etwa des typus E entsprechen)
lassen sich vier hauptgruppen oder kategorien von Wortklassen
aufstellen:
Der ersten kategorie gehören an das substantivum
(§ 5 — 7), adjectivum und numerale (§ 8. 11 — 13) [auch ad-
jectivisch gebrauchtes particip (§9. 14)], pronomenpossessi-
vum, das pronomen indefinitum und sjalfr (§ 43), der
zweiten die verbalnomina [particip (§ 9. 14. 17) und inflnitiv
(§ 10. 16)], der dritten das fiüite vollverb (§ 19-21) und das
volladverbium (§ 24—26. 28. 30. 31. 33. 34), der vierten
das hilfsverbum (§ 19. 20), Pronominaladverb (§ 22. 23.
26. 29. 30. 32 — 34), die pronomina, abgesehen von den unter
der ersten kategorie aufgeführten (§ 37—42. 44 — 47), Präpo-
sitionen, conjunctionen und Partikeln (§ 48).
Ausser diesen vier hauptklassen gibt es noch Zwischen-
stufen: so schwankt das participium zwischen erster und
zweiter, das periphrastisch gebrauchte vollverb, desgleichen
einige adverbia zwischen dritter und vierter stufe.
Abweichungen von der normalen tonscala ergeben sich
zunächst durch den einfluss der begrifflichen bindung. In
230 WENCK
dieser liinsicht ist iiamentlicli die furmelbildting bedciUsani.
p]s sind uns im ganzen fünf arten von fornieln begegnet:
1) genetivformeln, = gen. + subst. (§5. 18,3); — 2) ad-
jectivformeln, = adj. + subst. (§8. 18,4); — 3) verbal-
formeln, = adv. + verb. fin. (inf. part.) (§ 2-i. 26. 30); —
4) adverbial formein, = begriffsadv. (seltener rein steigen-
des adv.) vor adj. (adjectiviscli gebrauchtem part.) oder adv.
(§ 27); — 5) pronominalformeln, = subst. + pron. poss.,
oder indef.. oder pron. + subst. (§ 43).
Das erste glied der forme! erhält wie das erste glied eines
compositums einen starken hauptton (auch das adv.), das zweite
gewölinlich einen schwächeren hauptton, es kann jedoch auch
bis zur stärke eines blossen nebentons herabgedrückt werden.
Wörter, deren natürliches tongewicht dieser nachdrucksstufe
bereits entspricht, werden nicht weiter gedrückt.
Dem germ. compositionsprincip und dem stilprincip der
gesammten alliterationsdichtung gemäss steht das begrifflich
näher bestimmende an ersterstelle, und es verschmilzt nur
in dieser Stellung mit dem folgenden worte zu begrifflicher
und tonischer einheit. Denn da jede abweichung von der
natürlichen Wortfolge auch eine begriffliche Spaltung eigent-
lich zusammengehöriger Wörter involviert, so geht mit ihr
normalerweise auch eine Spaltung der tonischen einheit hand
in hand. Wenn bei den nominal formein im wgerm. und
an. zuweilen ein subst. im nachdruck über den nachfolgenden
gen. oder das attributive nachgestellte adj. dominiert, so ist
das dem einfluss des sinnesaccents zuzuschreiben. Die enklise
des nachfolgenden gen. und adj. ist ohne zweifei regelrecht,
wenn diese Wörter dem substantivbegriff nur ein in ihm bereits
enthaltenes oder wenigstens kein wesentliches, neues merkmal
hinzufügen. Dies gilt in erster linie für das adj., und wird
durch das besondere verhalten der pronominalformeln be-
stätigt, insofern das begriffsschwache pron. gewtihnlich hinter
dem hauptträger des sinnes (dem subst.) steht. Nur dann
kann das prun. regelrecht das subst. in enklise zu sich zwingen,
wenn auf ihm der logische nachdruck ruht (z. b. bei einem
gegensatze). Dazu stimmt ferner, dass das num. häuiiger voran-
steht, wenn das nomen die zweite liebung einnehmen kann,
dagegen folgt, Avenn es in enklise zu ihm hätte treten müssen.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 231
Ebenso wie die nominalformeln zerfalleu bei abweichender
Wortstellung- die adverbial- und verbalformeln. Das nach-
stehende adverbium kann normalerweise nirgends zu dem
vorausgehenden wort in enklise treten. Die wenigen fälle, in
denen es dem vorausgehenden verb. fin. das grössere tongewicht
überlässt, müssen als ausnahmen betrachtet werden, die ver-
mutlich durch den versrhythmus hervorgerufen sind. Denn
das dem verb. fin. folgende adv. besitzt nachweislich den
grösseren nachdruck, ohne dass deshalb das vollverbum pro-
klitisch wäre, geschweige denn der inf. oder das part. Viel-
mehr erhalten diese wortkategorien ihr natürliches tongewicht.
Das verbum finitum kann allerdings ohne alliteration voraus-
gehen, der Infinitiv aber muss ebenso notwendig an der
alliteration teilhaben wie das erste nomen einer aufgelösten
nominalformel. Dieser umstand ist beachtenswert gegenüber
der ansieht Behaghels (Pauls Grundr. 1-, C86), dass bei der
nach seiner meinuug nur scheraatischen art der alliterations-
setzung die z. b. dem nhd. geläufige und daher auch für die
alte spräche anzusetzende stärkere betonung des nachstehenden
gen. nicht zu erkennen sei. Wie das verhalten der verbal-
formeln beweist, ist die stärkere betonung des nachstehenden
genetivs durch die art der alliterationssetzung nicht aus-
geschlossen, um so weniger als die (bei subst. + gen. vor-
hersehende) doppelalliteration nicht unbedingt ein ausdruck
für dynamische coordination zu sein braucht. An der richtig-
keit dieses Schlusses könnte man wegen des specifisch wgerm.
formeltypus subst. + gen. berechtigte zweifei hegen, wenn nicht
einige verse [Bdr. 6, 2 sonr cmJc Yaltams (siehe § 50, 5); Ghv. 4, 4
\eyfa ägp Hggna (vgl. s. 124, anm. 8)] dem nachstehenden gen.
eine stärkere ausgleichung sicherten. Bei dieser perspective
gewinnt auch die s. 99 constatierte tatsache bedeutuug, dass bei
nachstellung des gen. die D sich mehren, die E völlig ver-
schwinden, dagegen bei vorausstellung des gen. die zahl der
E-beispiele die der D sogar um ein wenig übersteigt. Somit
wird nach dem s. 221 festgestellten rhythmischen Charakter des
typus D die stärkere auszeichnung des nachstehenden gen.
vorwiegend musikalischer natur gewesen sein. Dass dies
musikalische dement sonst nicht stärker zum Vorschein kommt,
ist fast selbstverständlich, da der dynamische satzaccent die
232 WENCK
grundlage für versbau und alliteration bildet. Ferner ist auch
liier der einfluss des logischen accents zu berücksichtigen.
Der nachstehende gen. kann offenbar nur dann in höherem
grade (auch d^'naniisch) ausgezeichnet gewesen sein, wenn der
begriffliche nachdriick auf ihm ruhte, d.h. wenn das voran-
gehende subst. für den gedankenfortschritt kein novum enthielt.
Wenn beide nomina (subst. und gen.) für den Zusammenhang
gleich wichtig sind, so ist nur coordination im nachdruck
möglich (vgl. das nhd.), dopi)elalliteration also gerechtfertigt.
Diese ist zweifelsohne das normale. Denn jede abweichung
von der normalen Wortstellung läuft auf eine begriffliche
Spaltung hinaus, die ihrerseits in dynamischer beziehung
coordination (daher doppelalliteration), in ästhetischer hinsieht
grössere anschaulichkeit bewirkt. Gerade auf anschaulichkeit
kommt es jedoch dem dichter an. "Wir dürfen daher die
Stellung subst. -|- gen. in der mehrzahl der fälle, in denen sie
begegnet, als vom dichter gewollt ansehen. Es würde also
den Intentionen desselben zuwider sein, wenn der nachstehende
gen. hauptträger des sinnes wäre und dementsprechend alleinige
alliteration beanspruchte, weil dann nicht mehr von begriff-
licher Spaltung und durch diese hervorgerufener anschaulich-
keit die rede sein kann. Diesem umstände, glaube ich, ist es
zuzuschreiben, dass sich nur ganz vereinzelte beispiele finden,
in denen der nachstehende gen. allein alliteriert. Zudem wäre
es nicht einzusehen, warum der dichter gerade nachstellung
des Sinnesträgers bevorzugt haben sollte, da es allgemeines
stilprincip ist, das sinnvollere vorauszuschicken. Die stärkere
auszeichnung des nachstehenden gen. dürfte somit weniger
der poetischen spräche als vielmehr der prosarede eigen ge-
wiesen sein.
Die begriffliche und tonische si)altung der bestandteile
einer formel bei abweichender Wortfolge geht ferner daraus
hervor, dass diese bestandteile durch anderes zwischen sie
tretendes Sprachmaterial (auch höherer nachdrucksstufe) ge-
trennt werden können. Dagegen dürfen sie bei normaler
Wortfolge normalerweise nicht durch andere als ganz enklitische
Wörter von einander losgerissen werden. Die wenigen fälle,
in denen die zu erwartende bildnng einer formel durch ein
zwischenstehendes wort (geringeren nachdrucks) verhindert
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 233
ist, sind auf die einwirkung des rlietorisclien accents ziirück-
zuführen.
Bei anderer begrifflich -grammatischer bindung als der
eben erörterten findet eine tonische verschmelznng nicht statt,
z. b. bei abhängigem subst. mit nachfolgendem regierenden
adj. (part.), weil das übergeordnete wort für den Zusammen-
hang gleich wichtig ist wie das untergeordnete.
§ 63. Auch der rhetorische accent kann in die nor-
male tonscala verändernd eingreifen. Seine hauptwirkung
besteht darin, dass er mindertonige Wortklassen aus ihrer
tonlosen Stellung heraus selbst bis auf die oberste nachdrucks-
stufe hebt. Das zeigt sich besonders bei den pronominibus,
z, b. bei sjcdfr, dessen aufgäbe gerade die rhetorische hervor-
hebung ist. Er allein kann auch die bildung von formein
erklären, in denen minder betonte Wortklassen den Vorzug
vor an sich stärker betonten erhalten. Dazu gehören genetiv-
formeln aus possessivem gen. des pron. pers. oder dem. + subst.,
oder adjectivformelu aus attributivem demonstr. + subst., oder
endlich verbalformeln aus Pronominaladverb + verb. fln. (selbst
iuf. oder part.). — Wenn ein steigerndes adv. mit folgendem
adj. oder adv. zur toneinheit verschmilzt, so muss dies auch
der Wirkung des rhetorischen accents zugeschrieben werden.
Ferner macht er sich gern bei lebhafter Schilderung geltend,
insofern hier das verbum finitum selbst im Vorzug vor einem
nomen alliterieren kann.
§ 64. Nicht minder wichtig ist der sinnesaccent. Sein
einfluss war namentlich zur erklärung einiger anomaler alli-
terationen auf dem zweiten nomen heranzuziehen. Auf ihn
ist namentlich die stärkere betonung der obliquen casus des
pers. -pron. im Verhältnis zum verb. fin. zurückzuführen, im
gegensatz zu der tonlosigkeit des casus rectus.
Der logische accent ermöglicht bei abweichender Wortfolge
die bildung von form ein, andrerseits kann er aber auch bei
normaler Wortstellung die bildung von solchen hintertreiben.
Seinen stärksten ausdruck findet er jedoch darin, dass nomina
(subst.) unter ihr normales tongewicht bis zur dritten stufe
herabgedrückt werden können, wenn sie ein vorhergehendes
nomen (synonymisch) wider aufnehmen, für den gedankenfort-
schritt also keine nova bieten. Dass dieses dem nhd. geläufige
234 WENCK
gesetz auch für diu alte spräche o-egolteii hat (allerdings mehr
für die prosarede als für die rhetorisch gefärbte dichtersprache),
verdient wegen der gegenteiligen auffassung von Behaghel
besonders hervorgehoben zu werden (s, 144).
§ ()5. Auch der musikalische accent (d.h. der ideelle,
welcher den satz als solchen charakterisiert: Sievers, Phonetik ^
§ (355) macht sich hie und da geltend, so z. b. wenn sich die
steigende schlusscadenz des fragesatzes ohne fragewort in der
t3'penwalil (in der bevorzugung von E), die steigend -fallende
des fragesatzes mit fragewort in anomaler Stellung der alli-
teration in n widerspiegelt. In anderen fällen deutet die ab-
weichende Stellung der alliteration in ii auf das nichtabsinken
der stimmhöhe vor directer rede hin, oder sie illustriert die
conträre tonlage eines parenthetischen satzes. Hierher gehört
ferner die z. t. abweichende behandluiig des vocativs, der als
selbständiger, eingeschobener satz gedrückt werden kann.
Anderes ist zweifelhaft,
§ 66. Die Wörter der ersten und zweiten nachdrucksstufe
erhalten (abgesehen von den fällen mit einer formel) normaler-
weise eine hebung und besitzen ein von anderen factoren un-
abhängiges tongewicht. Dagegen hängt die hebungsfähig-
keit und das gegenseitige tonverhältnis mindertoniger
Wortklassen sehr von der Wortstellung ab, da ihr tongewicht
rhythmischen einflüssen unterliegt, und eine Veränderung der
Wortfolge auch eine Verschiebung der satz- bez. versrhythmischen
bedingungen nach sich zieht. So tritt z. b. das einsilbige voll-
verb vor dem nomen gewöhnlich in Senkung und steht es in
enklise zu an sich tonlosen partikeln und conjunctionen. Da-
gegen nimmt es nach dem nomen am versschluss stets die
zweite hebung ein. Ebenso verhalten sich die normalerweise
proklitisch verwendeten Wortklassen (Pronominaladverb, pron,
in Verbindung mit einem verb. fin., desgleichen präpositionen
in Verbindung mit einem nomen), insofern sie nachgestellt am
versschluss stets eine hebung erhalten. Wie weit hier der
versrhythmus den satzrliythmus widerspiegelt, ist im einzelnen
nicht sicher festzustellen. Aus versrhythmischen gründen allein
empfangen ohne zweifei die stets vorangehenden relativa, in-
terrogativa, partikeln und conjunctionen eine liebung. — Von
grossem einfiuss ist endlich die silbenzahl. So nimmt z. b.
ALLITERATION IM EDD. FORNYRDISLAG. 23
K
eine einsilbige pronominalform nach zweisilbigem luiversclileif-
baren nomen die zweite liebung ein, tritt dagegen in enklise
zu diesem, wenn es zweisilbig versclileifbar oder einsilbig ist.
Ebenso verhält es sich mit dem einem nomen nachgestellten
adverbium.
§ 67. Zur technik der Eddalieder im allgemeinen.
Die im vorhergehenden besprochenen regeln für den satzaccent
sind sämmtlich nur nach solchen fällen formuliert, wo die für
sie sprechenden beispiele etwa 75 o/o aller einschlägigen belege
betragen. In solchen fällen darf man jedenfalls ohne bedenken
von ausgeprägten neigungen sprechen. Dass sich nicht alles
den aufgestellten hauptregeln fügt, ist nicht befremdlich, weil
sich neben den hauptfactoren auch nebenfactoren kreuzend
oder störend geltend machen können. Zu diesen factoren ge-
hört vor allen dingen öfters auch mangelhafte beherschung
der technik seitens der dichter. Spuren schlechter technik
zeigen sich in allen Eddaliedern, aber in einigen häufiger als
in den anderen: man kann darnach die lieder geradezu in
eine gruppe guter und eine gruppe schlechter technik zer-
legen. Dass der gegensatz der beiden gruppen mindestens zum
teil mit der Chronologie zusammenhängt, ist nach den analogien,
welche der entwicklungsgang der ags. dichtung aufweist, sehr
wahrscheinlich. Für beide literaturen ist doch ein gemein-
samer ausgangspunkt vorauszusetzen, und von diesem ent-
fernen sich die lieder der zweiten gruppe mehr als die der
ersten. Zur letzteren gehören ohne zweifei prk. Vsp. Hdl.
Bdr., vermutlich auch das Brot. Ueber die nur wenig Strophen
umfassenden fragmente der Rg. und Fäf. lässt sich etwas
sicheres nicht aussagen. Zur zweiten, schlechteren und ev.
jüngeren gruppe wären HH. 1. HHv. Sg. G]'. 1 — 3. Od. Ghv.
zu ziehen, und jedenfalls auch die HH. 2 mit ihren zahlreichen,
schweren anomalien. Dass das zweite Helgilied relativ jung
sei, kann man nur insofern bezweifeln, als es sprachmelodisch
nicht einheitlich ist, und daher auch ältere bestandteile neben
notorisch jungen enthalten kann. Grössere Schwierigkeit be-
reiten Hym. und Vkv. Namentlich das verhalten der Hym.
lehrt deutlich, dass mit der einfachen Scheidung zwischen
'älter' und 'jünger' nicht auszukommen ist. Vielmehr zeigt
auch in dieser beziehung die eddische dichtung eine entwick-
236 WENCK
lang- in zwei entgegengesetzten riditungen. Die eine (kunst-
niilssige oder sk.ildisclie) scliafft tote Schemata für die
Setzung der alliteratiou und hält sie mit grosser consequenz
ein, gerät aber dafür oft mit dem satzaccent in collision. Die
zweite (volksmässige) ^\i\\ in erster linie den anforderungen
des satzaccents gerecht werden, leistet dabei aber den tech-
nischen regeln nicht immer genüge. Ein t3^pischer Vertreter
der ersten richtung ist die Hym. (sie legt besonders in der
behandlung der pron. grosse Willkür an den tag), ein Vertreter
der zweiten die Vkv. mit ihren schweren alliterationsfehlern.
— Zwischen beiden richtungen bestehen übrigens sieher auch
Wechselwirkungen, namentlich ist der einfluss der 'skaldischen'
richtung auch auf gedichte unverkennbar, die sonst mehr der
volkstümlichen richtung folgen. Als beispiel hierfür kann man
HH. 1 anführen.
§ 68. Die Setzung der alliteration hängt in erster
linie vom satzaccent ab: ein dynamisch dominierendes wort
muss zur auszeichnung vor dem mindertonigen wort, das die
andere hebung bildet, alleinige alliteration erhalten, zwei
dynamisch coordinierte Wörter müssen beide an der alliteration
teil haben. Die wähl von X' und X- hängt in zweiter linie
von der v er sbe tonung ab: N^ wird von dieser in den typen
A, B, C, E, N2 nur im typus D gefordert. Doppelalliteration
im typus A ist eine besondere kunstform, aber sie ist in der
Edda im ganzen wenig beliebt und kein zeichen für dyna-
mische coordination der beiden hebungen. X^ ist eigentlich
nur im typus A gestattet und hier zui' besonderen kunstform
ausgebildet.
Unter solchen Verhältnissen war oft ein widerstreit
zwischen vers- und Satzbetonung unvermeidlich, nament-
lich bei versen, in denen die Satzbetonung das Schema X^
forderte, die versbetonung jedoch nur X^ zuliess (B, C, E).
Bei diesem widerstreit konnte einer der beiden factoren unter-
liegen, es konnte aber auch eine ausgleichung zwischen ihnen
stattfinden, und zwar durch das eintreten von doppelalliteration.
Dieser ausgleich ist das nächstliegende, und auch das normale
im gegensatz zu dem einseitigen sieg eines factors, der eben
Avegen seiner einseitigkeit stets eine gewisse härte involviert.
Allerdings ist der Verstoss bei den Schemata B^ und E^ leichter
ALLITERATION IM EDD. FOBNYRDISLAG. 237
als bei B' und Ei bei gleicher sprachlicher fülliing-. Im all-
gemeinen erweist sich der satzacceut als der stärkere factor.
Wegen der unzulässigkeit des Schemas C^ muss in C-versen,
deren zweite hebung ein stärker betontes wort einnimmt, stets
doppelalliteration eintreten, widrigenfalls sind sie als A'' zu
nehmen. Ein überwiegen des rhj^thmisch-melodischen princips
ist in vereinzelten versen des Schemas D^ bemerklich. —
Stehen satz- und versbetonung mit einander im eiuklang, so
muss das auftreten von doppelalliteration in B, C, E als zu-
fällig gelten und kann höchstens als ausfluss einer besonderen
freude an alliterationshäufung betrachtet werden,
Parallele und gekreuzte alliteration beruht wie
doppelalliteration auf einem compromiss und ist daher im all-
gemeinen als beabsichtigt anzuerkennen. Einzelne beispiele
mögen freilich durch blossen zufall herbeigeführt sein, bei
andern mag es sich um ein streben nach erhöhung der form-
wirkung handeln.
§ 69. Beim vergleich mit der technik des ags. (soweit
ein solcher jetzt schon möglich ist) ergeben sich zunächst
einige abweichuugeu bezüglich der formelbildung. Subst.
+ gen. verschmelzen im wgerm. öfters zur toneinheit, in der
Edda dagegen nur an sehr zweifelhaften stellen (s. 124). —
Pronomina poss. und indef. können im ags. normalerweise
proklitisch gebraucht werden, zwingen dagegen in der Edda
das folgende zugehörige subst. in enklise zu sich. — Eine
specifisch wgerm. formelart scheint die Verbindung von ab-
hängigem subst. mit übergeordnetem adj. (part.) zu sein,
da sie in der Edda nirgends zu belegen ist. Ferner ist noch
die verschiedene behandlung der präpositionen im Verhältnis
zum pron. pers. und dem. hervorzuheben. Während hier im
an, die enklise des pron. regelwidrig ist, scheint sie dem
wgerm. ganz geläufig zu sein.
Bezüglich der alliterationsneigungen der einzelnen
versarten dürften die beiden sprachzweige im wesentlichen
übereinstimmen. Ein directer vergleich ist noch nicht mög-
lich, weil einerseits die vorliegenden statistischen Unter-
suchungen über wgerm. dichtungen nicht zwischen normal-
versen und erweiterten versen scheiden, andrerseits für den
vergleich mit dem an, nur die ersteren in betracht kommen,
238 WENCK, ATJJTERATION IM EDD. FORNYRDISLAG,
da die letzteren (besonders D*, E*, vgl. Sievers § 22. 8) doppel-
alliteration bevorzugen. — Eine weitere, leichte dil'l'erenz
zwischen wgerm. und an. besteht ferner darin, dass die be-
schwerung der Senkungen durch sprachliche nebentöne im
wgerm, doppelalliteration erfordert, im an. aber für die wähl
von X' oder N'^ belanglos ist,
[Bericbtigiing: S. 157, z. 2 lies 'bez. adv.']
LEIPZIG, october 190-i. HERBERT WENCK.
ZUR LEHRE VON DEN ACTIONSARTEN.
§ 1. Durch Untersuchungen auf dem gebiete der Semasio-
logie — und zwar über den Vorgang bei der adjectivierung
von participien und deren Ursachen — bin ich dazu geführt,
in der in letzter zeit eifrig debattierten frage von den actions-
arten Stellung nehmen zu müssen. Dabei bin ich zu ansichten
und erwägungen gekommen, die m. w. nirgends ausgesprochen
sind, und diese möchte ich hiermit vorlegen.
§ 2. Es dürfte wol nunmehr als eine allgemein anerkannte
Wahrheit gelten, dass man in fragen der Semasiologie von der
eigenen spräche ausgehen muss. Indessen hat diese erkenntnis
in der vorliegenden frage zu fast nichts geführt. Zum grossen
teil hat dies sicherlich seinen grund darin, dass bisher die
grammatische seite der frage im Vordergrund gestanden hat.
Man hat sich daher fast ausschliesslich mit solchen sprachen
beschäftigt, in denen die actionsarten grammatische kategorien
entwickelt haben; wogegen man sprachen fern gehalten hat,
in denen, wie man meinte, die formellen kriterien versagen
oder in denen wenigstens keine regelmässigkeit zu entdecken
war. Dabei ist aber folgendes zu bemerken:
1. Es mag wol richtig sein, dass, wenn in der mutter-
sprache eines forschers die actionsarten keine grammatischen
kategorien sind, er sich zuerst an eine spräche hinwenden
muss, wo dies der fall ist, um überhaupt ein richtiges Ver-
ständnis dafür zu gewinnen, was die actionsarten sind. Dann
aber wird es sich sicherlich lohnen, auch die erscheinungen
der eigenen spräche genauer ins äuge zu fassen. Dadurch
gewinnt man eine tiefere auffassung der psychologischen seite
des Problems. Und leer braucht man sicherlich in keinem
falle bei einer solchen Untersuchung auszugehen, denn:
240 LINDROTII
2. AVenu aucli von keiner grammatisclien kateg-orie die
rede sein kann, so gibt es auf alle fälle ersdieinungen auf
syntaktischem oder semasiologischem gebiet, die licht auf die
frage werfen können, wenn anders die actionsarten überhaupt
in der betreffenden spräche eine rolle spielen (vgl. Herbig, IF,
6, 194). Und dass dies nicht durch das fehlen der graninia-
tischen oder formellen kategorie ausgeschlossen ist, braucht
wol nicht hervorgehoben zu werden.
3. Solche ergebnisse, die dem persönlichen lebendigen
Sprachgefühl entstammen, sind (vorausgesetzt dass man durch
eine richtige methode den gefahren eines zu grossen subjectivis-
mus aus dem wege zu gehen versteht) m. e. viel zuverlässiger
als die durch Interpretation von texten einer toten spräche
gewonnenen. Dass übrigens auch im letzteren falle der sub-
jectivismus eine beträchtliche rolle spielen kann, ersieht man
leicht aus der bisher über die frage erschienenen literatur.
§ 3. Dass ich meine muttersprache, das schwedische, als
Untersuchungsgebiet gewählt habe, hoffe ich durch das gesagte
gerechtfertigt zu haben. Es bedarf keiner näheren begründung,
wenn ich die Überzeugung ausspreche, dass die Verhältnisse
im deutschen im grossen und ganzen nicht anders liegen.
Soweit die gröberen umrisse in betracht kommen, habe ich
das selbst constatieren können: sie lassen sich gewis ohne
weiteres auf das deutsche übertragen. Bei der auswahl der
beispiele aber gebot die vorsieht, das deutsche nur in un-
zweifelhaften fällen heranzuziehen. Im folgenden sind nur
die deutschen Wörter als beispiele aufzufassen, die wie die
schwedischen citrsiv gedruckt sind'); die übrigen wollen nur als
erklärende (mehr oder weniger genaue) Übersetzungen gelten.
§ 4. Unter actionsart verstehen \\ir die art und weise,
wie die handlung eines verbums vor sich geht. Daher gibt
es natürlich streng genommen ebenso viele actionsarten wie
Verbalhandlungen. A^'enn wir aber von gewissen bestimmten
actionsarten reden, so beruht das auf einer abstraction, inso-
fern wir die verbalhandliingen nach gewissen allgemeinen merk-
malen beurteilen und als verwant oder unverwant empfinden.
^) Damit will ich jedoch nicht behaupten, dass sich das deutsche wort
iu allen beziehungen mit dem entsprechenden schwedischen decke.
ZUR LEHRE VON DEN ACTIONSARTEN. 241
AVillkürlicli kann diese abstraction nur in dem falle genannt
werden, dass die dabei massgebenden gesiclitspunkte keine
wirkliche psychologische bedeutung haben. — A priori ist es
dabei natürlich möglich, dass verschiedene sprachen sich hier
verschieden verhalten. Die bisherigen Untersuchungen lassen
uns aber vermuten, dass wir es mit fragen allgemeinster art
zu tun haben, die auf eine allgemein menschliche art, die
äusseren (und nach diesen die inneren) Vorgänge aufzufassen,
hindeuten. Abweichungen im einzelnen sind natürlich immer
möglich.
§ 5. Man hat sich, wie gesagt, bisher vorwiegend mit
den actionsarten als grammatischen kategorien beschäftigt.
Hier werde ich dagegen mehr bei der psychologischen seite
verweilen, bei den verbalvorstellungen selbst, und zwar zu
anfang unabhängig von der frage, ob die differenzen zwischen
ihnen sprachlichen ausdruck erlangt haben oder nicht. Wir
werden nachher sehen, ob sich auch für die spräche etwas
neues ergibt. — In die Sprachpsychologie gelangen wir durch
die spräche. Ich gehe also vom sprachlichen ausdruck aus;
dieser ruft eine Vorstellung bei mir hervor, deren nähere natur
ich studieren will. Das grammatische verbum muss also der
ausgangspuukt sein. Da aber die Vorstellung, die von dem-
selben wort hervorgerufen wird, in verschiedenem Zusammen-
hang eine verschiedene ist, so erhebt sich die frage, wie und
wo am verbum sich etwas festes und greifbares finden lässt.
Es ist uns hier nicht darum zu tun, zu ermitteln, wie die
actionsart dieses oder jenes grammatischen verbums beschaffen
ist, auch nicht darum, feine nuancen zu constatieren, sondern
wir wollen die haupttypen der verbalvorstellungen finden.
Wir suchen also nicht nach zufälligen bestimmungen, sondern
nach etwas, was einer jeden verbalvorstellung anhaftet, auch
wenn man sie in abstracter allgemeinheit vergegenwärtigt.
Daher sind die isolierten Infinitive das geeignetste material.
Durch sie gelangen wir zu der sog. 'bedeutung des verbums
an sich'.') Doch sind dabei einige einschränkungen zu machen.
1) Ich weiss recht wol, dass es nicht richtig ist, diese 'bedeutuug an
sich' ohne weiteres mit dem begriff 'actionsart' gleichzustellen, nicht ein-
mal, wenn man, wie hier geschehen ist, unter der 'bedeutung an sich'
nicht die bedeutung der wurzel, sondern die eines wirklichen grammatischen
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche- XXXI. J[(5
242 LiNDuoTn
1. Die gramniatisclien verba. welclie in verschiedenen Ver-
bindungen vun einander allzu abweichende bedeutungen haben,
liefern kein greifbares material, -weil allzu mannigfaltige as-
sociationen einspielen und daher das gemeinsame (wenn über-
haupt auffassbar) zu abstract wird.
2. Wir müssen ferner auch die grammatischen verba aus-
sondern, durch die überhaupt keine verbal Vorstellungen aus-
gedrückt werden, wie z. b. abhängen (in übertragener bedeu-
tung). abstammen. Es ist hier nicht der platz, auf diese
fi'age näher einzugehen.
§ 6. Die frage, die zunächst beantwortet werden soll,
ist also die: welche actionsarten (d. h. welche hauptsächlichen
tj'pen der verbalvorstellungen) lassen sich unter.>^cheiden, wenn
wii" die soeben dargestellte methode auf das moderne jetzt
gesprochene schwedisch anwenden (das hier natürlich durch
die spräche des Verfassers vertreten ist)? Da die frage auf
das sprachpsj'Chologische gebiet hinübergeführt worden ist,
so ist es von vornherein zu erwarten, dass die Verschieden-
heiten der auffassuug zwischen den einzelneu sprachen des-
selben Sprachstammes unerheblich sind. Handelt es sich ja
hier nicht um einzelne grammatische verba oder um den
sprachlichen ausdruck dieser oder jener actionsart, sondern
um die art, wie Vorgänge aufgefasst werden, die uns die
Wirklichkeit selbst vor äugen führt. Die geführte discussion
hat mich auch in der Überzeugung bestärkt, dass ich auch
von meinem Standpunkt aus das recht habe, oline weiteres an
das anzuknüpfen und über das zu urteilen, was bisher von
anderen in diesen allgemeinen fragen vorgeführt worden ist,
ohne zu fürchten, dass ich mich einer unzulässigen Übertragung
auf fremdes gebiet schuldig mache (vgl. Herbig a.a.O. s. 193).
verbums versteht, wie sie in der abstractesten form zu tage tritt. So haben
wir ja z. b. die verschiedenen tompnsstänime, deren jeder die actionsart des
verbums beeintlnsst, mag ihre bihlung noch so wenig vom verbalstamm ab-
weichen. Man spricht ja von perfectischer, vielfach auch von präsen-
tischer actionsart. Dahingehürige fragen (unter anderen die behandlung der
fälle, wo die 'natürliche' actionsart des verbums mit der des tcmpusstammes
in conflict konuut) habe ich hier absichtlich übergangen; erst habe ich
prüfen wollen, inwieweit sich meine ausführungen im allgemeinen be-
währen.
ZUR LEHRE VON DEN ACTIONSARTEN. 243
Die Vorführung meiner ansichten wird daher zugleich die form
einer kritik erhalten.
§ 7. Vom slavischen hat man die Zweiteilung in perfec-
tive und imperfective verba entlehnt. Die erstere klasse
ist dann (auch mit benutzung der slav. terminologie, vgl.
Miklosich, Vergl. gramm. der slav. spr. i, 279) in momentan-
perfective und durativ-perfective verba eingeteilt worden
(Streitberg, Beitr. 15, 71 ff.). Gegen diese terminologie sind
nun verschiedene einsprüche erhoben worden.
Pedersen, KZ. 37, 220 (vgl. dens., IF. Anz. 12, 153) meint,
dass wir am besten tun, die slav. ausdrücke zu vermeiden,
weil wir im germ. nichts dem slav. System völlig entsprechen-
des finden können. Es ist nicht zu verkennen, dass dabei
vorwiegend das fehlen eines regelmässigen formellen kenn-
zeichens der perfectivität gegen die terminologie bedenken
erregt hat. Das liegt denn auch in dem wort 'system' aus-
gedrückt. Gegen eine solche auffassung ist mit recht von
Streitberg, IF. Anz. 11,58 hervorgehoben worden, dass es die
actionsarten sind, für die wir bezeiclmungen schaffen wollen,
und nicht die mittel, durch die sie ausgedrückt werden.
Und dann muss es (besonders vom vergleichenden gesichtspunkt
aus) völlig bedeutungslos sein, wenn in einer spräche eine
gewisse actionsart zu einer grammatischen kategorie gekommen
ist, in einer anderen aber nicht. Ferner wird es nur geeignet
sein, den blick für das innerlich zusammenhängende zu trüben,
wenn man einen in jenem fall gewählten ausdruck nicht auch
in diesem zulassen will.') Natürlich müssen wii' uns aber
davor hüten, was in verschiedenen sprachen verschieden ist,
mit demselben namen zu bezeichnen. Und hier begegnen wir
gleich einer der fragen, über die am meisten gestritten worden
ist. Es ist behauptet worden (von Mourek, Anz.fda. 21, 195 ff.),
dass der sinn, in welchem der ausdruck 'perfectiv' im germ.
gebraucht worden ist, wenigstens teilweise ein anderer sei als
der den man bei den slav. sprachen hineinlegt. So meint M.,
es sei ein contradictorischer gegensatz, von durativ-perfectiven
^) Ich bin jedoch nicht blind dagegen, dass die betreffende actionsart
in jenem fall sicher auf einer höheren stufe der bewusstheit steht und
somit auch schärfer von anderen actionsarten abgegrenzt ist. Das ist aber
hier belanglos.
16*
244 LINDKOTII
verbell zu sprechen. P^s scheint mir auch klar (obgleich ich
meine Unkenntnis der slav. siiraclien bekennen niuss), dass wirk-
licli eine verscliiebung des begriffes 'i)erfectiv' auf germ. boden
vorliegt, schon bei den ersten forschern'), die sich bemüht
haben, diese actionsart im germ. nachzuweisen. ^\'ir sind m. e.
verpflichtet, einem forscher wie ]\Iourek glauben zu schenken,
und wenn es uns klar scheint, dass die begriffe 'durativ' und
'perfectiv' wol vereinbar sind, so müssen wir daraus schliessen,
dass wir von verschiedenen dingen reden. "\\'ir mögen viel-
leicht der meinung sein, dass der name 'perfectiv' sich besser
für das eignet, was wir damit bezeichnen wollen; wenn aber
der abAveichende gebrauch im slav. feststeht, so tun wir am
besten, uns nach einer anderen bezeichnung umzusehen. Erst
wenn wir keine passende finden können, bleibt der notbehelf,
denselben ausdruck in neuer (dann aber deutlich klai-gelegter)
bedeutung zu gebrauchen.
Nun liegt aber die sache so, dass auch für das slav. die
fassung des begriffes 'perfectiv' keine völlig einheitliche ist.
Delbrück, Vergl. syntax 2, 146 ff. hat nämlich diesen ausdruck
nur für die mit präposition zusammengesetzten verba in an-
sprach nehmen wollen, in der meinung, dass eine verbalvorstel-
lung erst durch den hinzutritt einer solchen perfectiviert werde,
d. h. nach ihm kommt erst dadurch der nebenbegriff der Vol-
lendung hinzu. Die einfachen verba enthalten nach D. eine
einfache anschauung und können deshalb nicht 'perfectiv' ge-
nannt werden. Auch hier liegt offenbar eine umdeutung (oder
sogar eine unrichtige auffassung) des begriffes vor. Was ist
dann aber die richtige auffassung? Ich muss mich aus dem
oben genannten gründe (meiner Unkenntnis des slavischen)
enthalten, eine positive antwort zu geben. Es scheint mir
aber klar, dass die von Streitberg 'momentan -perfectiv' ge-
nannten verba die sind, die den slav. perfectiven am nächsten
stehen. Ob diese begriffe sich vollkommen decken, wage ich
nicht zu entscheiden.
§ 8. Betrachten wir nun die germ. Verhältnisse, so kann
ich nicht umhin zu finden, dass man in der terminologie (eben
weil man das germ. nicht ohne Vorurteile ins äuge gefasst
•) üeber weitere verscliiebnngeu siehe § 2.
ZUR LEHRE VON DEN ACTIONSARTEN. 245
hat) ZU viel gewicht auf nebensächliche dinge gelegt hat.
Man hat von 'durativen', 'momentanen', 'punktuellen' verben
gesprochen.
Was die terminologie Streitbergs betrifft, so Hess sie den
unterschied zwischen verben wie liehen und scldagen (s. u.) un-
beachtet. Auch das letztere wird von St., Beitr. 15,73 als imper-
fectiv bezeichnet.') Man kann aber scldagen sehr gut auch unter
die klasse der 'punktuellen' verba bringen, nach der allgemeinen
definition, die Delbrück a.a.O. s. 2, 14 gibt: 'punktuell ist eine
action, wenn durch sie ausgesagt wird, dass die handlung mit
ihrem eintritt zugleich vollendet ist'. Gegen den ausdruck
'punktuell' ist aber einzuwenden, dass er ein nebensächliches
moment (das zeitliche) allzu sehr hervorhebt. Die kritik, der
Sarauw, KZ. 38, 145 ff. diesen begriff unterworfen hat, scheint
mir daher vollständig berechtigt. Doch muss ich gestehen,
dass ich auch nicht dem von Yostokov hervorgehobenen und
von Sarauw daselbst gebilligten gesichtspunkt (dass es näm-
lich bei jenen verben darauf ankomme, dass die handlung
durch eine einzige bewegung ausgeführt wird) die Wichtigkeit
beizulegen vermag, dass er einer klassiiicierung der actions-
arten zugrunde gelegt werden könnte.
§ 9c Nein: von psychologischem gesichtspunkt aus fällt
etwas anderes ins gewicht.
Um den verschiedensn haupttypen der Verbalvorstellungen,
die im schwed. vorkommen, auf die spur zu kommen, habe ich
zuerst eine menge verba in der abstractesten form (im Infinitiv)
gesammelt. Aus einer solchen Sammlung ergibt sich bald, wenn
sie hinreichend gross gemacht wird, nach welchen merkmalen
wir die Vorstellungen als verwant empfinden. Ich wähle aus
meiner Sammlung folgende drei musterbeispiele als Vertreter
der drei haupttypen, die sich mir ergeben haben: älslia lieben —
slä sclilagen — utmatta ermatten. Den ersten typus finde ich
sehr gut durch den ausdruck 'cursive actio nsart' bezeichnet.
Was ich unter diesem ausdruck verstehe, brauche ich nicht
näher anzugeben, da ich ihn in der bisherigen bedeutung
nehme.
Es ist offenbar, dass die beiden anderen klassen einander
*) Seine äusserung gilt allerdings dem slav. bäi.
246 LINDROTII
näher stehen als irgend eine von- ihnen der cursiven. Das
gemeinsame für sie ist, dass sie beide eine handlang be-
zeichnen, die von einem anfang bis zu einem end-
Itunkt fortschreitet. Dabei ist es unwesentlich, wie lange
zeit die handliing dauert oder ob sie durch eine einzige be-
wegung ausgefiilirt wird oder nicht. Wollte man darauf eine
einteilung bauen, dann müsste man z. b. slä schlagen von
tuJcta mächtigen trennen, wozu ich (in dieser beziehung) keinen
grund sehe. Und da man wol gestehen muss (vgl. Sarauw
a.a.O. s. 147), dass auch die kürzeste handlung anfang und
ende hat, so scheint es mir richtig, auch bei einer solchen
von einem fortschreiten zu sprechen. An diesem gemeinsamen
kennzeichen festhaltend fasse ich die beiden klassen unter dem
namen successive actionsart zusammen, die ich also der
cursiven gegenüberstelle.
Nun wollen wir zusehen, worin der wesentliche unterschied
zwischen einem verb wie utmatta und einem wie 5/« besteht.
Man hat überhaupt diesen unterschied zu sehr unbeachtet ge-
lassen. Bei Delbrück und Brugmann (Kurze vergl. gramm.
s. 493 ff.) finde ich ihn nicht bezeichnet, ob wol die beiden ge-
lehrten keineswegs im zweifei sein würden, wo sie die beiden
genannten verba in ihrem s^-stem unterzubringen hätten.
§ 10. Nach meiner meinung liegt der wesentliche unter-
schied darin, dass bei slä die handlung selbst das wich-
tige ist, das worauf es ankommt. Ich erhalte die Vorstellung
einer durch anfang und schluss deutlich begrenzten handlung.
Dagegen ist bei utmatta das resultat der handlung das,
Avorauf es besonders ankommt. Ich weiss wol, dass ich
mit diesen Worten nichts sage, was nicht überall und fast von
allen anerkannt wäre. Es scheint mir aber, dass man die
beiden klassen nicht hinreichend auf einander bezogen hat.
Die erste hat man vielmehr der 'cursiven' entgegengestellt,
und daraus sind die ausdrücke "'durativ' und 'punktuell' her-
vorgegangen.
Aus einer ähnlichen betrachtungsweise ist denn auch die
discussion darüber hervorgegangen, ob es im germ. sog. 'punk-
tuelle simplicia' gibt oder nicht. Streitberg hat Beitr. 15,
103ff. IF. Anz. 11, 61 bekanntlich die existenz solcher verba
angenommen. Delbrück trägt dagegen a.a.O. 2, 124 ff. eine
ZUR LEHRE VON DEN ACTIONSARTEN. 247
abweichende auffassimg- vor, er macht sich aber dabei eines
offenbaren Widerspruchs schuldig. Er geht nämlich davon
aus, dass 'punktuell' (bei ihm) und 'momentan-perfectiv' (bei
Streitberg) 'im vorliegenden fall' identische begriffe seien, und
da er (aus gründen, die meistens der gotischen textkritik ent-
stammen und daher wenigstens zum teil zu subjectiv sind) den
betreffenden verben (darunter auch got. giban) eine perfec-
tivität im sinne Streitbergs nicht zugestehen kann, so können
sie bei ihm auch nicht 'punktuell' genannt werden. Er nennt
sie terminativ. S. 146 sagt er aber von dem slav. danii,
dass die wui^zel 'die einfache anschauung des hingebens ent-
hält, und diese anschauung setzt sich in der slav. form fort,
die deshalb richtiger punktuell als perfectiv genannt wird'.
Dieser Widerspruch oder diese doppelheit der terminologie ist
von Streitberg, IF. Anz. 11,61, fussnote herausgefühlt worden,
dem es 'unklar geblieben ist, in welchem Verhältnis diese art
»terminativer« simplicien zu einer andern klasse von verben
wie hausjan und taujan steht, die nach Delbrück s. 156. 157
gleichfalls »terminative« actionsart haben'.
Die Sache klärt sich vielleicht, wenn wir den begriff
'terminativ' bei Delbrück näher ins äuge fassen. Termi-
nativ ist nach ihm (a. a. o. s. 15) eine action, 'wenn ausgesagt
Avird, dass eine handlung vor sich geht, doch so, dass ein
terminus ins äuge gefasst wird, sei dieser nun der ausgangs-
oder der endpunkt'. Dieser fassung des ausdrucks 'terminativ'
hat sich Meltzer, IF. 12, 320 'ohne vorbehält' angeschlossen.
§ 11. Zu dieser definition ist zweierlei zu bemerken.
Erstens muss zugegeben werden (vgl. auch Meltzer a.a. o.
s. 320, der sich jedoch besonders gegen Brugraanns definition
wendet), dass die grenze zwischen 'terminativ' und 'perfectiv'
recht fliessend wird, besonders wenn wir dabei festhalten, dass
diese letztere actionsart eine einfache anschauung ist, dass
also von keinem 'hinzutritt' die rede sein kann. Zweitens
frage ich, ob wirklich die gegebene definition auf die verba
passt, die D. s. 124 ff. zu den terminativen rechnet. Ich setze
dabei voraus (was kaum als zu kühn betrachtet werden kann),
dass die got. simplicien dieselbe actionsart haben "wie ihre
(nhd. und) schwed. entsprechungen, dass also brigyan sich
2t8 LINDROTII
ähnlich wie schw. hringu '), finjxin wie finna, gihan wie gifva,
liausjnn wie hära u.s.w. verhält. Auf die verba, bei denen
solche entsprechungen fehlen, lasse ich mich nicht ein. Be-
trachten wir zuerst z. b. das verb finna. Kann man sagen,
dass dies in seiner allgemeinheit eine Vorstellung ausdrückt,
in der irgend ein bestinmiter terminus besonders ins äuge ge-
fasst wird? So viel ich sehe, ist hier, wenn überhaupt irgendwo,
die ganze handlung 'in einen einzigen punkt zusammengedrängt'.
Das verb müsste daher nach Delbrück 'punktuell' genannt
werden, und würde dies zweifelsohne, wäre nicht die doppelte
fassung dieses begriffes hinderlich gewesen.
§ 12. Wenn ich nun fifina mit slä und utnmita (meinen
oben ausgewählten beispielen) vergleiche, so finde ich, dass
das für slä als charakteristisch hervorgehobene auch hier zu-
trifft. Nun aber z. b. hringa. Hier ist es unzweifelhaft mög-
lich, dass die handlung eine beträchtliche dauer in anspruch
nimmt: aber passt nicht auch hier das von slä gesagte? Oder
ist hier wirklich das besonders hervortretende, dass ein terminus
(hier dann natürlich der endpunkt) hervorgehoben wird, im
vergleich zu dem die handlung selbst in den hintergrund tritt?
Ich gebe zu, dass, wenn ich z. b. sage bring mir das buch,
ich meinen wünsch nicht eher als erfüllt betrachte, als ich
das Ijuch in der haud habe, und dass es hier also einen ter-
minus für die handlung gibt. Nur kann ich nicht finden, dass
dieser endpunkt, wie Delbrück sagt, besonders "ins äuge ge-
fasst wird', was wol besagen soll, dass die handlung selbst in
den hintergrund tritt. Vielmehr bezeichnet bringa eine verbal-
vorstellung, die durch ihre eigene natur an einem be-
stimmten punkt aufhört, unabhängig davon, ob dieser
oder jener moment der handlung besonders ins äuge
gefasst wird. Und nun endlich ein solches verb wie höra,
got. hausjan, das von Delbrück ebenfalls "tcrminativ' ge-
nannt wird, von Streitberg aber (IF. Anz. 11, 61, fussnote)
'zu einer anderen klasse von verben' gerechnet wird. Bei
diesem verb ist zuerst zu beachten, dass es (isoliert gesprochen)
eine ziemlich unbestimmte Vorstellung hervorruft, weil es in
0 Nbd. bringen wird ja vou D. s. 15 ausdrücklich als termiuativ be-
zeichnet.
ZUR LEHRE VON DEN ACTIONSARTEN. 249
seiner usuellen bedeutung mehrere wesentlich verschiedene
Unterbedeutungen vereinigt. Bald bezeichnet es 'die fähigkeit
des hörens besitzen', bald 'etwas mit den obren vernehmen',
bald endlich noch allgemeiner 'erfahren'. Wir haben also hier
einen fall vor uns, wo ein und dasselbe verb verschiedene actions-
arten aufweist (vgl. § 18). Daher ist es nicht geeignet, als typi-
sches beispiel zu dienen. Nun handelt es sich aber im vorliegen-
den fall (s.Delbrück a.a.o.2,156) um die bedeutung 'vernehmen'.
Und dann gilt auch von diesem verbum das oben gesagte.
Aehnlich scheint mir die sache zu liegen bei allen verben,
die man (mit recht, vgl. unten) als terminativ bezeichnet
hat, wie auch bei denen, die punktuell genannt worden sind.
So viel ich sehe, können wir diese beiden gruppen
getrost zusammenschlagen.
§ 13. Wenn es nun gilt, für diese, durch slä exemplifl-
cierte gruppe einen nanien zu finden, so sehe ich nicht ein,
warum wir den ausdruck terminativ nicht beibehalten
könnten. Es wird dabei in das wort nichts hineingelegt, was
nicht schon darin liegt. In seinen bisher üblichen anwen-
dungen') ist es dagegen nicht mehr nötig: — wie aus dem
gesagten hervorgehen dürfte. Terminativ nenne ich also
die verba, die eine handlung bezeichnen, die durch
ihre eigene natur zeitlich begrenzt ist und selbst
das centrale in der Vorstellung bleibt.
§ 14. Ich werde nun einige beispiele dieser actionsart
aus dem schwed. (und deutschen, vgl. § 3) geben. Dabei ver-
weise ich auf das oben § 5 gesagte, in Übereinstimmung womit
ich nur solche beispiele vorführe, die eine verhältnismässig
scharf ausgeprägte und einheitliche bedeutung aufweisen.
aga vgl. züchtigen bringa bringen
antasta antasten byta tauschen
bedja bitten; beten dyJca tauchen
bekänna bekennen clöma urteilen, richten
besjunga besingen falla fallen
betala bezahlen fela fehlen, einen fehler begehen
bita beissen finna finden
') Dahin zähle ich auch die von Pederseu, IF. Anz. 12, 153 vor-
geschlagene, da sie den unterschied zwischen verhen wie slä und utmatta
unberücksichtigt lässt.
250
LINDhOTII
fräga fnnjen
fuda gehären
förräda verraten
försiimnia versäumen
(jifva gehen
gissla geissein
glönuna vergessen
hejda hemmen
hitta vgl. finden
hjälpa helfen
hugga hauen
häda vgl. lästern
hämta holen
kasta werfen
lajssa Jcüsscn
l-öpa Jiaufen
Ijuga lügen
higga zausen
hjda vgl. gehorchen
lyfta (lüften), heben
läna leihen
mana mahnen
muta vgl. bestechen
möta begegnen
narra narren
nicl'a nicken
niga vgl. knicksen
nysa niesen
nämna nennen
uffra opfern
okvüda vgl. schimjyfen
jiiska peitschen
plantera pflanzen
plikia Hissen
plocka pflücken
profva probieren
pri/gla prügeln
puffa puffen
ringa klingeln, läuten
ropa rufen
röfva rauhen
rösta stimmen, votieren
se sehen
segra siegen
sila seihen
skicka schicken
i<ki/mfa {be)sch impfen
skädu schauen
skä)ika schenken
slunga schleudern
slä schlagen
smacka vgl. schnalzen
smaka kosten, schmecken
smäda schmähen
spola spülen
sporra spornen
spotta spucken
sticka stechen
stjäla stehlen
straffa strafen
studsa vgl. prallen
störa stören
stöta stossen
sucka seufzen
svara antworten, erwidern
svärja schwören
synda sütidigen
säga sagen
sülja verkaufen
sänila senden
tacka danken
tadla tadeln
taga nehmen
träffa treffen
tukta züchtigen
uppjrepa widerholcn
utkora erküren, erwählen
varsna erblicken
vinna gewinnen
Visa zeigen
vittna zexigen
vülja ivählcn
vülkomna bewillkommnen
välsigna segnen
rärfva werben
värja wehren
ympa impfen
yttra äussern
äkalla anflehen
ärfra erben
öfverfalla überfallen
öfverläta überlassen
öfvcrsätla übersetzen
öfverträda übertreten.
ZUR LEHEE VON DEN ACTIONSARTEN. 251
§ 15. Ich gehe nunmehr zu der klasse von verben über,
die ich oben durch iiimatta ermatten exemplificiert habe.
Diese sind ja diejenigen, die jetzt allgemein perfectiv ge-
nannt werden, wenigstens von denen, die noch die einfache
Zweiteilung in perfective und imperfective verba beibehalten
haben (s. z. b. Paul, Abh. der philos.-philol. kl. d. k. bayr. ak. d.
wissensch. 22, 1, 162). Ich bin oben zu dem resultat gelangt,
dass wir vielleicht beim germ, gut tun, den ausdruck zu ver-
meiden, unter der Voraussetzung, dass das slav. perfectiv etwas
anderes ist, etwas was für unsere auffassung von keiner oder
untergeordneter bedeutung ist. Dagegen ist der ausdruck
resultativ hier an seinem platz'), obwol auch er mehrfache
deutungen erfahren hat. S. hierüber Herbig a.a.O. s. 204 ff.,
der selber den begriff 'resultativ' ausscheidet, weil er keine
'nennenswerten ausätze einer grammatischen kategorie aufzu-
weisen hat'. Es ist eine traurige sache um alle diese aus-
drücke, die bald in einer, bald in einer anderen bedeutung
auftreten. Meistens rührt diese Verwirrung davon her, dass
man zu keiner eiuigkeit darüber gelangt ist, welche differenzen
und distinctionen in einer gewissen spräche von Wichtigkeit
sind und, welche nicht. So lange dies der fall ist, scheint es
mir jedoch besser, einen als zweckmässig befundenen ausdruck,
auch wenn er schon andere Verwendung gefunden hat, aufzu-
nehmen, als aus dieser oder jener rücksicht einen neuen, viel-
leicht weniger passenden zu gebrauchen. Die forderung klarer
definition muss jedoch immer aufrechterhalten werden.
§ 16. Ich gebrauche also für die in rede stehende gruppe
den ausdruck resultativ, und ich bezeichne damit die verba,
die das erreichen eines resultates ausdrücken, und
zwar eines solchen, das zugleich als das ziel eben
dieser handlung, deren ganzer Charakter dadurch be-
stimmt wird, und als etwas dem verbum gegenüber
selbständiges neues aufgefasst wird.
Ich werde nun einige beispiele dieser actionsart geben:
') Wie ja auch Streitberg- ihn alternativ in demselben siun wie 'per-
fectiv" gebraucht.
I-IN1)K0TII
afijöra entscheiden
(tßida vgl. sterben
aflägsna entfernen
hedröfva belrühcn
brdnra betören
bedöfva betäuben
befläcka beflecken
befria befreien
bckläda bekleiden
belasta belasten, beladen
bemanna bemannen
bereda bereiten
beslöja versehleiern
bestryka bestreichen
besudla besudeln
besä besäen
beisla zäumen
beveka beicegcn
beväpna bewaffnen
blanka blank machen
blcka bleichen
blckna erbleichen
blidka besänftigen
blotta cntblössen
blända blenden
blöta nässen
bokna molschen
böja biegen
dämpa dämpfen
enn einigen, einen
eröfra erobern
falnn fahl oder falb werden
fjättra fesseln
fläcka (be)flecken
frälsa erlösen
fukta (be)fcuchten
fullhorda vollführen, vollbringen
fnUkomna vcrrollkommnen
fi/lla fidlen
fänga fangen
fära furchen
färga färben
fasta festigen
förarga ärgern
fOrbittra verbittern; erbittern
förblnffa verblüff oi
furdärfva verderben
förena verein(ig)cn
förenkla vereinfachen
förgylla vergilben
förse versehen
förstöra zerstören
förrandla ver)ca)tdcln
garfva gerben
gistna leck werden
glädja (er)freuen
grtimla trüben
gräna grau werden, ergrauen
gidna vergilben
hclga heiligen
hvitna weiss werden
hyfsa vgl. sittigen
häpna erstaunen
härskna ranzig werden
höja erhöhen; erheben
indcla einteilen
i7mesluta einschliessen
inskränka einschränken, beschränken
jämna ebnen
kullna erkalten
klacka (einen schuh) mit absatz
versehen
klarna klar werden
khjfva spalten
kläda kleiden
korka korken
korsfästa kreuzigen
krgdda Avnrzeu
kröka krümmen
lindra lindern
Ijusna hell werden
lossna vgl. loslassen intr.
higna beruhigen
Viagra magern
m ildra m ildern
minska (ver)m indem
mjukna enveichen intr.
mog)ia reifen intr.
mnlna sich bewölken
m nrkna (ver)m ersehen
inätta sättigen
mörkna dunkel werden
remna bersten, reissen
rensa reinigen
Zur lehre von den actionsarten.
253
släcka
smutsa
smälta
snärja
sonina
splütra
ruttna {ver)fauJen
rynka runzeln, falten
rädda retten
samla sammeln
sjukna erkranken
skafta Schäften
skärpa schärfen
slapjJna erschlaffen
slockna erlöschen intr.
erlöschen tr.
beschmutzen
schmelzen
umgarn en, um stricken
einschlafen
{zer)splittern
sprida vgl. zerstreuen
spränga sprengen
stelna erstarren
stillna still werden
stränga besaiten
stympa verstümmeln
styrka stärken
störta tr. stürzen
surna (ver)sauem
svalka abkühlen
svullna (an)schwellen
svärta schivärzoi,
sära verwunden
sänka senken
söfva (ein)schläfern
Sandra sondern
tillfredsställa befriedigen
tillreda zubereiten, zurichten
tjudra tüdern
tjtisa entzücken
tjära (an)teeren
torka trocknen
trötta ermüden tr.
tröttna ermüden intr.
tysta beschivichtigen
tystna verstummen
tämja vgl. bändigen
tända (an)zünden
täta dichten
uppbygga erbauen
nppdaga entdecken
uppegga antreiben, aufstacheln
uppenbara offenbaren
uppfostra erziehen
uppmuntra ermuntern
upprätta aufrichten
urarta entarten
utarma verarmen tr.
utrota ausrotten
vakna erwachen
vaxa ivachsen tr.
vecka falten
vidga erweitern
vissna (ver)welken
vänja getvöhnen
värma {er)ivärm en
väta nässen
äterställa widerherstellen
ändra ändern
öfvertyga überzeugen
öka vermehren
öppna öffnen.
§ n. Wer diese beispielsammluug diirclimustert, wird
gewis betreffs des einen oder andern verbs im zweifei sein,
oder meinen, dass ich es unrichtig- beurteilt habe. Das dürfte
erstens daher kommen, dass die mit einem (isoliert aus-
gesprochenen) grammatischen verbum verknüpften associationen
individuell wechseln, wobei sich denn auch die usuelle bedeu-
tung verschiebt. Zweitens ist zu beachten, dass die actions-
arten keine starren kategorien mit scharfen grenzen sind.
Daher sind die verschiedensten stufen zu beobachten. Wenn
wir also auch im princip die verschiedenen actionsarten gut
254 LINOROTH
auseinander halten können, so stösst docli die klassificierung
einzelner verba oft auf sclnvierigkeiten. Eben deshalb, weil
es in der praxis so viele Übergänge gibt, müssen wir uns bei
der constatierung einer actionsart an das allgemeinste halten,
und um dieses hervortreten zu lassen, habe ich beispiele in
verhältnismässig grosser menge vorgeführt.
§ 18. Eine beträchtliche anzahl von verben gehört be-
kanntlich verschiedenen actionsart en an, und der isolierte
Infinitiv lässt sich daher unter keine bestimmte einzelart sub-
sumieren. Wie schon angedeutet, finden sich gewis solche
auch unter den oben angeführten beispielen; aber wenn ich
im zweifei war, habe ich es mir zur regel gemacht, nur dann
resultative bez. terminative actionsart anzusetzen, wenn mir
die zunächst liegende Umschreibung des verbalbegriffs eine
sichere andeutung gab. Sonst habe ich das verb weggelassen.
Solche verba, die sowol terminativ als resultativ fungieren
können, sind z. b. nach meiner auffassung hedraga hetrügcn,
hnjta brechen, gripa greifen, hölja hüllen.
§ 19. Ich möchte nun einige punkte besprechen, die mit
der oben gegebenen klassificierung in Zusammenhang stehen.
Einige verba machen unleugbar eine gewisse Schwierigkeit,
obwol sie eine verhältnismässig einheitliche usuelle bedeutung
aufweisen. So z. b. slwna schonen, underläta unterlassen. Die
Schwierigkeit liegt hier darin, dass die betreffenden verba
eigeiitiich das ausbleiben einer handlung besagen; wir können
ihnen jedoch (auf grund von associationen verbaler art, z. b. mit
ihrem gegensatz) die verbale natur nicht absprechen. — Be-
denken anderer art erregen verba wie tyna, das leider deutscch
nicht genau widergegeben werden kann (die Deutschen drücken
ungefähr dasselbe mit hinsiechen aus, das doch wol unbedingt
resultativ ist). Es bezeichnet eine successive handlung, der
aber nicht die Vorstellung von einer grenze anhaftet. Es fällt
unbestreitbar ausserhalb der von mir (und so viel ich sehe auch
ausserhalb der von anderen) angenommenen actionsarten. Das-
selbe scheint der fall zu sein bei tänja dehnen, sjunJia sinlien,
Icrympa schrtwijifen, äldras altern. Doch dürften die fälle nicht
zahlreich sein, wo in der lebendigen rede nicht doch irgend
eine begrenzung durch andere Wörter gegeben wird. Gewöhn-
lich geschieht dies wol durch eine präpositiou: fgna af{aftyna),
Zur lehre von den actionsarten. 255
tyna hört und tänja ut (iittänja) ausdehnen sind ja viel ge-
wöhnlicher als die einfachen verba; tyna kommt eigentlich
nur in der Verbindung en tynanäe tillvaro vor. So lange nicht
nachgewiesen ist, dass hier eine grössere gruppe vorliegt,
können wir wol für diese actionsart einen besonderen namen
entbehren.
§ 20. Hiermit bin ich auf die präpositionen zu sprechen
gekommen. Die grosse rolle, welche die präpositionen') bei
der 'perfectivierung' spielen, ist ja von den meisten forschern
hervorgehoben worden. Delbrück leugnet ja a.a.O. s. 146 ff,
sogar ^perfective' bedeutung ausserhalb der composition. Dies
ist mit recht bestritten worden. Doch ist zu beachten, dass
die einfachen verba, die von Streitberg, Beitr. 15, 103 als
'perfectiv' bezeichnet worden sind, im allgemeinen als 'termi-
nativ' betrachtet werden müssen. Jedoch ist, wie man aus
der obigen liste ersieht, die anzahl unzweideutig resultativer
einfacher verba im schwed. sehr gross. Doch gibt meine
beispielsammlung keine rechte idee von dem Verhältnis ein-
facher und zusammengesetzter resultativer verba, einmal weil
sie ohne berücksichtigung dieses gesichtspunktes aufgestellt
worden ist, vor allem aber, weil im schwed. im gegensatz
zum deutschen die präposition bei den meisten zusammen-
gesetzten Verben, den sog. unechten compositis, in der lexika-
lischen form dem Infinitiv nachfolgt. Zwar könnte es wahr-
scheinlich dünken, dass wir in diesen fällen eine auch psycho-
logisch losere Verbindung vor uns hätten als in den sog.
echten compositis. Doch dürften im schwed. diese letzteren
im allgemeinen ihr dasein analogischer Übertragung aus solchen
formen verdanken, wo die fügung immer fest ist: aus den
part. pass. (act. bei den intr.) und (in älterer zeit) dem verbuni
finitum in nebensätzeu. Eine feste composition braucht also
nicht eine festere psychologische Verbindung anzudeuten; wir
haben völlig das recht, auch z. b. läsa u})p anfschliessen (eine
tür), siwiclca ut aufbrechen (von blumen) als einheitliche verba
zu betrachten. Auch im schwed. sind vermutlich die mit
präpositionen zusammengesetzten resultativa in der mehrzahl.
Doch besteht in diesem punkt gewis ein unterschied vom
1) Vom jetzigen Standpunkt richtiger: die adverbien.
256 LINDROTH
deutschen, das verhältnismässig wenig- einfa<he resultativa
besitzt; vgl. jedoch die beispielsammlung.
§ 21. Ebensowenig nun wie wir im schwed. nur aus der
tatsache, dass ein verbum nicht componiert ist, irgendwelche
Schlüsse betreffs seiner actionsart ziehen dürfen, ebensowenig
weist umgekehrt die composition auf eine bestimmte actionsart
hin. Denn ein zusammengesetztes verbum kann ebensowol
cursiv (z. b. heundra heivundern) oder terminativ (s. oben) sein
wie resultativ. Ob sich für diese Verteilung irgendwelche
regeln aufstellen lassen, darüber w\age ich mich nicht zu
äussern, da ich entsprechend umfangreiche materialsammlungen
nicht besitze,
§ 2"^. Unter den einfachen resultativen verben ist beson-
ders eine gruppe zu bemerken, nämlich die verba auf -na.
Diese haben ja im got. ilire entsprechung in den verbis auf
-nan. Diese klasse scheint mir bisher nicht richtig beurteilt
worden zu sein. Man hat sie 'inchoativ' genannt (Egge,
Amer. Journ. of Phil. 7, 38 ff. Streitberg, Beitr. 15. 105 f. und
Urg.gr. s. 278. Braune, Got. gr.* s. 81) und sie ganz richtig
mit griech. verben wie yiiQaoxco und lat. senesco auf eine linie
gestellt. Sind nun diese aber wirklich 'inchoativ'? So viel
ich sehe, müssen wir unter einem inchoativen verbum
ein solches verstehen, das den beginn oder das ein-
treten einer handlung (irgendwelcher art) besagt. >)
Also, wenn z. b. in einer spräche ein verbum 'anfangen zu
arbeiten' bedeutet, dann liegt ein inchoatives verbum vor.
Jene verben besagen aber (wie allgemein anerkannt) das ein-
treten in einen zustand. So bedeutet z. b. kallna 'kalt
werden', guhia 'gelb werden'. So viel ich sehe, haben wir
es hier mit resultativen verben zu tun, die sich von den ge-
wöhnlich sog. perfectiven in keiner weise unterscheiden. Auch
habe ich nicht gehört, dass man die entsprechenden deutschen
mit er- zusammengesetzten verba wie erkalten, erschlaffen
') Wenn Streitberg, Beitr. 15, 94 sagt, ein 'inchoatives' verb be-
zeichne nicht 'den eintritt schlechthin', sondern 'die allmälige entwicklung,
den zusammenliitngcnden Übergang ans einem zustand in den andern', so
kann ich darin nur eine form resultativer actionsart sehen. Und doch
stellt St. eben 'inchoativ' im gegensatz zu 'ingressiv', das nach ihm
'nur eine erscheinungsform der perfectiven actionsart ist".
^ÜR LEHRE VON DEN ACTIONSARTEN. 257
(scliw. slappna), ermüden (schw. tröUnu) 'inchoativ' genannt
liat. Die erklärung, wie man zu einem solchen ausdriick ge-
kommen ist (eine erklärung, die wol in erster linie die ter-
minologie der klassischen sprachen betrifft) ist wol die: man
beobachtete bei diesen verben einen eintritt von etwas,
beachtete aber nicht, dass dies etwas ein zustand ist, der erst
als resultat am ende der durch das verbum ausgedrückten
handlung hervortritt, mag diese handlung kurz (das ist gewis
das gewöhnlichste und daher am leichtesten irreführende) oder
verhältnismässig lang sein. Das letztere ist z, b, wol gewöhn-
lich der fall bei tröttna ermüden, glesna 'dünn, licht werden'.
Der name 'inchoativ' wäre hier nur berechtigt, wenn z. b.
Jcallna 'anfangen kalt zu werden', gulna 'anfangen gelb zu
werden' bedeuteten. Dass sie aber dies nicht tun, beweist der
umstand, dass man ganz gut sagt: den sjuJces händer hörja
redan Imllna 'die bände des kranken fangen schon an zu er-
kalten', löfven hör ja gulna 'die blätter (der bäume) fangen an
gelb zu werden'.
§ 2B. Die zuletzt behandelten verba bieten ein gutes
beispiel dafür, wie sich die begriffe verschieben können. Wenn
der begriff 'perfectiv' in der bedeutung, in der er jetzt ge-
wöhnlich (z.b. von Paul a.a.O.) genommen wird, damals geläufig
gewesen wäre, als der ausdruck 'inchoativ' geschaffen wurde,
so ist es nicht unmöglich, dass man auch jene verba zu den
perfectiven gezählt haben würde, statt einen neuen ausdruck
zu suchen. Es wäre aber unmöglich gewesen, dann zugleich
im griech. aorist den ausdruck der perfectivität zu finden.
Diejenigen die das getan haben, müssen unter 'perfectiv' etwas
ganz anderes verstanden haben. Ich glaube, es ist sehr rätlich,
einen so vieldeutigen ausdruck zu vermeiden.
§ 24. Noch viele punkte verdienten hier erörtert zu
werden, ich würde aber dadurch zu sehr ins einzelne geführt.
Eine frage muss aber beantwortet werden, ehe ich schliesse,
die nämlich, ob die besprochenen actionsarten irgend eine
sprachliche bedeutung haben. Man hört ja vieles gegen die
predigen, die nur mit logischen gesichtspunkten an die spräche
herantreten. Dies kann wol in vielen fällen seine berechtigung
haben. Es würde aber vieles immer uneiitdeckt bleiben, wenn
mau sich stets au die äussere seite hielte, und die innerliche
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche, XXXI. YJ
258 LINDUOTII
nur zur controlle heranzöge. "Wir müssen oft mit der logik
(richtiger der psycliologie) der spräche anfangen, dann aber
auch natürlicli unsere ergebnisse mit hilfe der spraclie corri-
gieren — wenn möglich: denn das ist es nicht immer; natür-
licli gewinnt aber in solchen fällen das rein logisch erschlossene
an Sicherheit.
§ 25. Die actionsarten sind im scliwed. nicht gramma-
tische kategorien in dem sinne, dass man sogleich aus irgend
einer isolierten verbalform ersehen könnte, welche actionsart
vorliegt. ^) Dadurch ist aber (wie oben in § 2 hervorgehoben
wurde) nicht gesagt, dass alle sprachlichen kriterien versagen.
Ich verweise in dieser beziehung auf das von Streitberg,
IF. Anz. 11, 61 gesagte, wo auf ein rein syntaktisches mittel,
gewisse actionsarten zu unterscheiden, aufmerksam gemacht
worden ist. Gibt es auch etwas derartiges, das für meine
oben gegebene einteilung spricht?
§ 26. Was erstens die Scheidung zwischen cursiver und
successiver actionsart betrifft, so finde ich dieselbe auch von
sprachlicher seite gerechtfertigt. Es ist nämlich — obgleich
überraschend spät 2) — erkannt worden, dass ein part. pass.
eines cursiven verbums usuell präsentische, das eines
successiven dagegen präteritale bedeutung hat.^) S. hier-
über z. b. N. Beckman, Spräkpsjivologi och modersmälsunder-
visuing, Lund 1899, s. 88 und Paul a.a.O. s. 162 ff.
§ 27. Sodann aber der unterschied zwischen termiua-
tiver und resultativer actionsart. Diese beiden gehen ja
vielfach in einander über, viele verba fungieren einmal ter-
minativ, ein anderes mal resultativ. "Wir können demnach
kaum erwarten, dass sich gemeingiltige kriterien aufstellen
1) Nur die vou eiuem adjectivuui abgeleiteten verba auf -)ia scbeiuen
im allgemeinen unzweideutig zu sein, vgl. jedoch bcrijcH hläna i fjärran
'die berge blauen in der ferne'.
'■') Und obgleich die schulgrammatikcn im allgemeinen nichts davon
sagen. Auch Biugmann scheint diese allgemeine, noch immer wirksame
regel nicht erkannt zu haben, wenn er IF. 5, 102 die präsentische bedeutung
eines part. wie lat. laudatiis aus der alten nominalen natur des part.
herleitet.
^) Der Satz ist natürlich mit hinsieht auf die einteilung in imperfec-
tive (durative) und perfeclive verba formuliert worden.
ZUR LEHRE VON DEN ACTIONSARTEN. 259
lassen. Audi weiss ich nur eine beobaclitung von grösserer
tragweite heranzuziehen, und zwar eine von grösstenteils
sprachgeschichtlicher natur. Sie ist der erscheinung ent-
nommen, deren Studium mich zu den hier vorgeführten an-
sichten geführt hat: der adjectivierung von participien. Die
ergebnisse, zu denen ich gelangt bin, kann ich hier weder
näher begründen noch im einzelnen vortragen. Ich muss sie
vorläufig (insofern sie die hier behandelte frage betreffen) nur
in der form einer behauptung hinstellen.
Es handelt sich um die adjectivierung von participien
des passivums. Wenn man das material, das sich sowol aus
der Sprachgeschichte als aus der lebendigen spräche darbietet,
ein wenig überblickt, so ergibt sich bald, dass die adjectivierten
participien teils solche sind, die ihre bedeutungsverschiebung
einem speciellen syntaktischen Zusammenhang oder irgend
einem anderen besonderen umstand verdanken, teils solche,
wo derartige Ursachen nicht zu entdecken sind, sondern wo
die adjectivierung lediglich aus der natur des verbums selbst
hergeleitet werden muss. Natürlich kann man in vielen fällen
im zweifei sein, welcher von den beiden Massen ein particip
angehört, aber in allen sicheren fällen der letzteren kategorie
wird man finden, dass die adjectivierung der resultativen
actionsart des verbums zuzuschreiben ist. Einige bei-
spiele werden das eben gesagte deutlicher machen. Wenn ich
z. b. von hlandade Mnslor gemischten gefühlen spreche, so ist es
klar, dass wir es mit einem fall der ersten art zu tun haben,
weil wir uns nicht denken können, dass das moment des mis-
billigens oder des misvergnügten, das im part. liegt, schon am
verbum hafte: es entstammt erst dem occasionellen gebrauch
des particips. Ebenso wenn ich z. b. von en sola kvicJxJiet
einem gesiicMen iviUe rede, hinsichtlich des schlechten, mis-
lungenen. Anders liegt dagegen die sache z. b. bei förvänad
erstaunt, framätlutad vornüber geneigt, uttröttad ermüdet. Hier
liegen fälle der zweiten art vor. Dem gesagten widerspricht
nicht die tatsache, dass es fälle der zweiten klasse gibt, wo
noch specielle umstände hinzukommen, die isolierung des par-
ticips vom verbum zu veranlassen und demzufolge den adjec-
tivischen Charakter noch unstreitiger zu machen. Ich sage:
noch unstreitiger, denn auch hier (bei der Verschiebung von
17*
2G0 LINDROTII, ZUR LEHUE VON DEN ACTIONSARTEK.
part. zu adj.) handelt es sich um eine entwicklung, von der
die verschiedensten stufen möglich sind.
Mit diesen andeutungen muss ich mich hier begnügen.
§ 28. Nach alledem scheint es mir, dass der oben em-
pfohlene ansatz einer 'cursiven' und einer 'successiven'
actionsart, welche letztere dann in 'terminative' und
'resultative' zerfällt, sowol den sprachpsychologen als den
Philologen befiiedigen könnte. Es bleibt allerdings noch zu
prüfen, wie weit er auf andere sprachen anwendbar ist, als
auf die hier von mii- herangezogenen, das schwedische und
das deutsche.
LUND, im mai 1905. HJALMAR LINDROTH.
IVENS SAGA UND BEVIS SAGA
IN COD. HOLM. CHART. 46, fol.
Unter den bücliern, die einst dem norwegisclien bischof
Arne Sigurdsson angehört hatten und die später nach Yad-
stena gebracht wurden '), befand sich eine truia saga & hrutus
mg., die V. Gödel versucht hat mit der wahrscheinlich 1G97
verschollenen bok Orm Snorrasons zu identificieren.^) Für die
meisten darin enthaltenen sagas sollen indessen die 1690 — 91
von dem isländischen amanuensis in Stockholm Jon Vigfusson
gefertigten copien einen leidlichen ersatz gewähren. 3)
Der nach weis, dass Yigfusson das buch Arnes (wol ende
des 13. jh.'s geschrieben) direct copiert habe, ist für unsere
kenntnis der ursprünglichen gestalt der suörlandasogur und
deren späteren Umarbeitungen von ganz wesentlicher bedeutung.
Nun ist dabei zu bemerken, dass die betreffenden copien
Vigfussons in besonders schlechtem rufe stehen. Dies gilt
nicht bloss von der modernisierten sprachform, den Verunstal-
tungen der namen u. s.w., sondern von der redaction selbst.
Dass Vigfusson kein sorgfältiger copist war, steht fest;
für kleinere abänderungen machen wir ihn jedenfalls verant-
wortlich. Leider sind die citate Gödels viel zu knapp, als
dass wir die vorläge mit Sicherheit beurteilen könnten, allein
es scheint aus seinen belegen, sowie aus seinen sonstigen be-
merkungen hervorzugehen, dass die Verschlechterungen im
grossen ganzen schon in Orms buch vorhanden waren.
Für mehrere abschritten ist indessen der beweis besonders
schwach, indem davon nur gesagt wird, dass die betreffenden
') G. Storm, Norsk bist, tidsskrift, 2. f., bd. 2, 185—192.
2) Antiqv. tidskr. för Sverige, bd. 16, 20—33.
ä) V. Gödel, Nordiska studier s. 357—374.
202 BÖlJTKEIi
ScOgas im inhaltsverzeiclinis der alten membrane ang-efülirt
^varen, und dass keine andere vorläge nai-ligewiesen ist. Aber
wie steht es mit der vorläge der anderen in denselben folio-
bänden enthaltenen abschriften Vigfussons? Woher stammt
z. b. seine copie von Fertram und Plato?
Wenn wir für die in frage kommenden abschriften eine
sehr alte vorläge annehmen, so ist von vornherein zu erwarten,
dass sie mitunter auch ursprünglichere züge und bessere
lesungen aufweisen als die anderen handschriften. Das trifft
z, b. für die Erex saga zu, wie aus den vielen von Cederschiüld
beigebrachten belegen zur genüge erhellt. Vigfussons copie
der Partalopa saga bietet auch in vielen beziehungen einen
ursprünglicheren text als die von Klockhoff benutzten hand-
schriften.") In demselben bände, cod. Holm, chart. 46, fol.,
sollten noch die beiden sagas von Iven und Bevis aus Orms
buch abgeschrieben sein.
Ich bin der Verwaltung der kgl. bibliotliek in Stockholm
dafür zum dank verpflichtet, dass sie mir die hs. in Kristiania
zur Verfügung gestellt, und mir somit ermöglicht hat, der fi'age
etwas näher zu treten. 2)
I. Ivens saga.
In beiden ausgaben der Ivens saga lässt Kölbing cod.
Holm. Chart. 48, fol. unberücksichtigt, da er darin eine späte
redaction sieht, 'wol erst aus dem 17. jh., die für unsere zwecke
ganz wertlos ist' (Saga-bibl. lieft 7, s. xiii). Die handschriften,
die er für seine ausgaben ausschliesslich verwertet hat, sind:
AM. perg. 489, 4" = B (Kälund, no. 1261; 15. jh.).
Cod. Holm. perg. 6, 40 = A (Güdel, Kgl. bibl. handl. 19,
s. 401; um das jähr 1400),
AM. Chart. 588a, 4« = C (Kälund, no. 1466; ende des
17. jh.'s).
Da Kölbing C für eine copie von A hält, hat er die
erstere hs. einfach zur Vervollständigung der hs. A benutzt
(gedruckter text s. 120,43 lionuni bis s. 122,25 ihngafnUan\ die
^) S. meine studie über Partenopeus de Blois, Vid.-selsk. skr. 2, liist.-fil.
kl. no. 3, Kristiania l'JOi.
') Die anderen Codices werden von mir uicbt untersucht werden.
IVENS SAGA UND BEYIS SAGA. 263
absclirift wäre also zu einer zeit genommen, wo die lücke der
Stockholmer lis. noch nicht vorhanden war.
Die in den beiden Codices angeführten notizen über ihre
früheren besitzer machen schon diese annähme zweifelhaft.
Die ziemlich ausführliche mitteilung Arne Magnussons über
die ihm 1703 von Magnus Markusson geschenkte hs. C ist
hier von besonderem Interesse. Danach hat der copist, Magnus
Olafsson, dieselbe nach einem exemplar gefertigt, das von (wol
einem andern) Magnus Markusson geschrieben sei, und dessen
vorläge, 'wenn Magnus sich recht erinnere', ein buch in folio
sein sollte.')
Vigfussons copie, die vnr als V bezeichnen werden, macht
es noch unwahrscheinlicher, dass C aus A abgeschrieben sei.
Dem frz. texte v. 1814 entsprechend bietet B s. 40, 14
er liom or Äbess wtt; A ändert den namen ab: er Jiom ör
Benjamins cett. C gibt dagegen at enginn slikr var fceddr
fyrr ör Cdins cett = V at ehiginn slikur var fcedäur fyrr or
Cains ^tt.
Der gemeinsame fehler und die gemeinsame lesart können,
wie unten gezeigt werden soll, schwerlich aus A geflossen
sein. "Wir können nur sagen, dass C mit A sehr nahe ver-
want ist.
Was die anderen fünf hss. betrifft, die Kölbing ebenfalls
für copien von A hält, so habe ich keine gelegenheit, diese
annähme nachzuprüfen.
B A C weichen sehr unbedeutend von einander ab, wo-
gegen y meist eine davon verschiedene redaction aufweist.
Da die formen hier in der regel modernisiert sind, können
fast nur inhaltliche Varianten in betracht kommen.
1) Arne IMaguiissou bemerkt ferner: 'seigest Magnus hafa undaufellt
mestann ordafioldaun, og- alleiuasta observerad seusum efnisseus, og bafi
hitt exemplared vered miklu vitl^ftigra og ordfyllra J^essu'. Dies stimmt
scblecbt zu dem umstand, dass C, A und B im grossen ganzen dieselbe
redaction repräsentieren. C kann also nicbt durch eine im 17. jb. vor-
genommene durchgreifende kürzung entstanden sein. Die kürzuug ist
jedenfalls älter als B.
261 BÖDTKER
Gemeinsame oder ähnliche lesarten von VA bez. C gegen B'):
Stets Ivcnt (B li-en wuä jfvoit); s. 2, 1 Ä'o/noi/yj-] fehlt, 6 *L(incelol (B Xou-
telat, vgl. riiddarasügnr); 9,1 *i hendi skr sleyyiu eina miJda {B eina mar-
slcij(iju); 29, 13 ^loiti par rhlandi eirn liiddan': 36,2 */j'" ^'' ^'on rar henuar
Ei'uJgiafci (fehlt in B), 9 *(j€fi hann ßier; 38,8 "daiidur; 64,11 *sJcaut
sier Df/r (B fugla); 70,8 sfyrÄ (B emi fi/rm IH); 76,3 /«i (B h«), 6 wort-
stellnng: sneri pü ... ok skreid; 78,4 desgl.: undir fyrr nefnda KeUdu,
6 desgl.: at hann fiell näliga, 17 ek (B vier ai): 80,3 seigir (B 7a-«t)),
7 *j6<vV bera at micr svik, 11 *ek hefvur meira Harm cnn pü; 82,3 vid]
fehlt; 83,8 Kothcer, 12 so/ca erfiO" s/ia(7« (A skada gera, B nur sa/ra);
85,10 sva framt at; 86,12 er litt var Ijüst; 87,8 diarßiga (B hart).
VB gegen A (wahrscheinlich AC'^: 8.^,2 *Kcysari; 3,6 *Kale-
hrand (fehlt in A); 54,4 *her kominn] fehlt; 60,8 o/c .svp iS7{>^»r; 61,13
we/V Oiu Tülf Mänudir, vgl. frz. v. 2678 und schw. v. 1969; 65,1 Wort-
stellung: umm Mgrkina laupü; 67,12 Alias (B *Alies, A Aletis); 10,2 *ok
fijlg mier til Kastala minnar (fehlt in A); 71,8 Framrcid (A framggngu),
10 ?v7ta (A friöa); 12,1 peirra {Xpeniui); 15,7 Atburd (X hlut), 3 ihugadi
(A hugsadi), veita (fehlt in A), 11 gigrde Grand (B granda, A nü); 16,5
*siöan i sundr] fehlt, 7 S)?en (A snyr), 8 rceifj s?« Trine (A scwi /m»n iv7rft
hidja ser friÖar); 77,2 Fylgiara (A /^7</()); 78,9 /V« hgnv.mm (fehlt in A);
19.1 sialfsvolldimm (X själfs), 6 er (A vcrri); 80,3 par sein (A pviat),
4 pangad sem (A /tccrf er); 81, 13 nü (fehlt in A); 83, 7 rikugligan (A s/cr-
kligan), 3 saÄYt, s. oben; 85, 5 SrtHi«irt?fH vgl. B srt»i/"oc(7(Z, A SflWi&on«;
86,9 ftdlt (A «??»•)) 87,2 *digur okpruttinn (fehlt in A), 3 hardi (A ^rtwit)/),
4 härri Bgddu (fehlt in A), 7 hcrklceddur (fehlt in A); 88,2 af a/r// fofc
JrcHf (A er eigi kom d hann svä, at hann sakaöi), A Jgtnininnm (Ahonum).
B schliesst 89, 4).
Unsere hs. weist eine ganze reihe von kiirzung-en. nm-
stellungen und g-esclimacklosen Zusätzen auf. Einige proben
dieser Verunstaltungen des textes teilt Kölbing, Eiddarasögur
s. X mit. Bei den besonders zahlreichen abstreicliungen kommt
es auf den sinn des satzes gar nicht an; z. b. s. 3, 1 lionumjr
sat i hdsceti sinu, oh fölkit var sem gladast heisst in V einfach
Kongurinn sat i sinu Hdsceti sem (jladastur. Sonderbar bleibt
es nur, dass der gedruckte text s. 102, 0 bis 113,11 sich fast
■wortgetreu in V widerfiudet. Die grosse lücke (s. 97, 14),
welche frz. v 4692— 5115 und schw. v. 3584— 4039 umfasst''),
ist auch in \ vorhanden.
') Von Vollständigkeit der belege kann, auch wegen des knappen
Variantenapparates, keine rede sein, rrsprüuglichcre lesungeu werden
durch ein Sternchen markiert.
-) Kölbing führt keinen unterschied au.
8) S. Eiddarasögiir s. 127.
IVENS SAGA UND BEVIS SAGA. 265
Neben den besprochenen nenerungen kommen nun aber in
V mehrere lesarten vor, die in keiner anderen lis. überliefert
sind, und die wir als mehr oder weniger ursprünglich betrachten
dürfen.
S. 40, 14 s. unten.
S. 59, 14 3Iin h'cera Frü = frz. v. 2549, schw. v. 1879 mm hicertce karce.
S. 61, 15 (vg-1. Kölbings note): Oh eirn Dag sem cd Jiann sat sem gla-
dastur meäiir Kgppum Artus Köngss i hans Hgll.
S. 65, 3 gaf hgnumm Bigghrauä, vgl. frz. v. 2849 D'orge pestriz atot
la paillc. In der Eufemia visa lieisst es nur v. 2126 bröäh. Möglicherweise
ist Biggbraud als stereotyp zu fassen, vgl. Flovent cai^. v, Fornsögur s. 128, 17
bgghleifa.
S. 69, 6 nam stadar ä einumm Vetti itndir einu Tre = frz. v. 3016
Bcrrierc nn graut chasne s'areste, imcl schw. v. 2220 sidJian bort ij sJco-
ghin gar.
S. 89, 7 fiöra syne ydra = frz. v. 4274 si quatre fd, schw. v. 3204 nur
idhrce sönir. Die möglichkeit ist freilich da, fiöra dem vorhergehenden
fjöra s. 86, 14 zu entnehmen.
S. 89, 9 — 12 lautet in V: Hertiiginn mcellte: huad sJcidumm vier setgia
honumm tili huor oss liefvur frelsat, vgl. frz. v. 4285—88, schw. v. 8211 — 13.
S. 90, 6 hon var alnoclct = frz. v. 4322 trestote nue [an sa chem/se],
vgl. jedoch A Jion var i engum Ma^dtnn ütan nättserJc und schw. v. 3261 ff.
eij flcre Idcedhe . . . a;n en rifwcn S(rrJc.
S. 90, 9 göd Gata (A rüm), vgl. schw. v. 3251 och giordo honum swa
tvwgen bred, frz. v. 4343 si li fönt voie.
S. 91,2 heinisl'ur (A vcsall). Kölbiug bemerkt: 'für vesall hätte man
hier eher f6l erwartet, entsprechend schw. v. 3295 galin und frz. v. 4416 fos\
Die lesart von V gibt ja alles was Külbing verlangt.
S. 97, 15 hami Jcemur i cina Borg störa par riedi yfvir eirn Blämadur,
hann ccpti pegar at Ivent reid at portinu oJc mceUii Snü aptur pu Gaur
oh rid a:igi Innumm petta Hlid ella fccr pü shiötann Dauda i Morgifl af
niier oh minum Brodur, eh ridim seigir Ivent huart er eh vil fgrir pier,
en Lif fer sem inä. Hann hleypir Innumm Portit i stadinn, par sä hann
ä sliettumm Velli sitia priü Hundrud Meya, par vorn magrar oh hlrvd-
lausar, oh pö allara Meya fridastar sumar slogu Güdvcf, enn sumar vofvit
Kkede, sumar spunnu Gidl edur silhi^), allar vorn pcer grätandi oh sorg-
fullar, Ivent reid par at oh spurdi huat pui giegnde, Ein af peim svarar:
Gud giaii ydar Ilerra oh gödi Eiddari, hetur va^ri at pii hefdir aUdreigi
hier homit, pui at margur Riddari hefvur fyrri freistat at rida i poinann
stad at frelsa oss af vorri Naud, oh hafa peir allir Dauda fcingit. Seig
') Entsprechend schw. v. 4135 the spimno gid och vafno ladh;
frz. V. 5195 Qui diverses oevres feisoient
De fil d'or et de soie ovroienf,
aber auch v. 5229 Qui dras de soie et orfrois tissent, wozu etwas kürzer engl.
V. 2967 und 2992. Hartm. v. 6196—6205 rechnet verschiedene arbeiten auf.
206 BÖDTKICR
niicr Vrü scigir Ivent huat til her ydrurs Hanns olc skul ck lei/sa cf ck
mä (jiarnann vil ck sei'gir Marinn: seifjia ifdur. Put bar sva til at eirn
Köngiir lleinion at Nafnc, af li/'ke-lngaria^) rcid med sät Herf'ölk i
pcnnann Stad, Enn kann fürst fijrir tvcimur Bh'iiuomtumm Banuseltioum
er honum hudu Einviye enn kann bardist vidur Jm'i ok vard um s/dir
sigradiir ok leijsti Lif sitt medur pui at hann skylldi senda jjcim Prii'i
Jliindrud Mcija, hinna fridastit ok kurtcysastK til ßralkunar par til at
eirn Biddari kicemi ok frelsti oss ok bceri af peim badiimm ok feinrjc ficim
yfvir komit enn sä hefvur enn einginn vordit. Xü r/dit Herrn til eins
Hiishönda scm at hier er skamt frä ydur ok munii pier fä par güdar
Vidtgkur, enn ä Morgun ofigi pier petta Einvige hcfta ef pier viliet oss
frcha ek skal ät visu seigir Ivent sva gigra reid hann pä i Gardinn
Herranns ok var honum par vel fagnat af honum ok hanns Düttur sem
at Meya var fridust i pcirre Borg ok ficck hann par goda Veitslu ok nii
leid sva af Nättinn. — ix. cap. Um Morguninn Arla herkkedist Ivent til
pessa Vtgs ok hleyimr hann ä sinn Hest ok ridur framm ä pann Voll Sem
at Mcyarnar sdtu nü fyrir, allar bädu hvnumm vel takast, ok jamskiött
komu par tveir Blämenn alvopnadir slikir sem Troll ok hurdla Leidinn-
leigir Asyndum. Pessir kalla ögurligri Egddu ä Ivent, pi'i Gaur (s. 100, 2,
der rest ist arg entstellt).
Wie ein vergleich mit dem frz. g-ediclit lehrt, ist hier
echtes und unechtes bunt durch einander geworfen, aber die
stelle hilft uns, ein vollständigeres bild vom urtext zu ge-
winnen, und zeigt zugleich, wie die bearbeiter in verschiedener
weise damit verfahren sind. 2)
Das handschriftenverhältnis dürfte erst durch genauere
Untersuchung der hs. C und der andern noch nicht verwerteten
hss. näher festgestellt werden können. Nehmen wir (ohne
irgend welche mittelstufen anzugeben) den Stammbaum als
B
A C
') Vielleicht aus li/kc Vngmeya = Uiigmeyaland entstellt, vgl. frz.
V. 5257 li rois de l'Isle as Bucelcs; engl. v. 3010 icc er al af Maydcn-land;
Ilartni. v. 032.5 ez ist unser laut der Juncvrouu-en urrt genant; scliw. v. 4210
een konung badhe riik ok kaat . . . thz land ther vi äff (pra.
*) Ich hemitze die gelegenheit, die von Külbing s. 73, 6 angeführten
poetisclien vergleiche aus V zu erglänzen: hans frnyd mun fara utnm alla
Verglldina sem Solar Birti, ok ber hann af gllumm Mgnnumm Heidur ok
J'ris sem Gull af Eyre edur Gimsteinar af Griöti.
IVENS SAGA UND BEVIS SAGA. 267
an, so sind die bis s, 89, 4 erwähnten stellen aus V als zufällig
zu betrachten. Die lesung s. 40, 14 AB er Ixom gegen VC cd
enginn slikr var foeddr fyrr erregt auch bedenken.
Lassen wir V und B die stelle wechseln, steht die gemein-
same lesung in VC or Cains cett gegen B or Abess mit und A
6r Benjamins wU.
In Foersters text lautet die betreffende stelle v. 1812 f.:
Seiguor avroiz le plus jantil
Et le plus franc et le plus bei
Qui oDques fust del ling Abel.
Die letzte zeile weicht aber in der hs. A ab: Cainqties fust
des le tcns Abel, was ja insofern logischer ist, als Abel keine
kinder hinterlassen hat. Dass hier etwa Cain (ques) zu irgend
welchem misverständnis Veranlassung gegeben, und somit das
Ckiin hervorgerufen habe, erwähne ich nur als eine möglich-
keit. Zwar stammen ja sonst die unholde aus Cains geschlecht,
aber die stelle lässt sich wol so erklären: Iven ist der vor-
züglichste mensch, der in dieser sündigen weit geboren ist,
der beste dieses grausamen männergeschiechts. Jedenfalls
halte ich diese lesung für ursprünglicher als Benjamins. Ob
die letztere aus Abess oder Cains hervorgegangen ist, lasse
ich dahingestellt.
Die ganze stelle lautet in Y: eh veit pami Biddara seigir
Mcerinn, sva sterlrinn oJc roslcvann vcenann oh riJcann at einginn
U.S.W., was zu dem frz. texte vorzüglich passt, wogegen BAC
eine mehr abgeänderte lesung bieten. In B zeigt ausserdem
oTi {ollum lüutuin) Jjeim, dass der sinn des satzes dem copisten
unklar oder unverständlich gewesen ist.
Wir werden demnach vorläufig annehmen müssen, dass die
lesung at — Cdins mit, oder vielleicht er liom or Abess cett aus
einer andern hs. übertragen worden ist. Cclin konnte ja als
stereotyp besonders leicht eingesetzt werden. Wahrscheinlich
ist also V von der gruppe der anderen hss. getrennt zu halten,
woraus sich weiter ergibt, dass die grosse lücke (vgl. s. 97, 19 '))
schon in der gemeinsamen quelle sämmtlicher hss. in sehr alter
zeit vorhanden war.
1) Die zwei Schwestern, zusammentreffen mit Lunete u. s.w.
268 BÖDTKER
Tl. Bevis sa£:a.
Von der lis. V dieser saga lässt sich wenig; gutes sagen. ')
Sie ist von sclilecliten neuerungen ganz überwucliert; mehrere
episoden sind so umgestaltet und haben derartige unistelhmgen
erfahren, dass wir bisweilen sogar den faden der erzählung
verlieren. So hören wir z. b. erst nachdem der dieb Jupiter
getötet ist, dass Josvena mit Bevis zusammentrifft, und dass
Teri die Jungfrau (hier Susanna genannt) heiratet. Für den
Verlust ganzer abschnitte kann uns ein frei coniponierter dialog
über heidenturn und Christentum keinen trost gewähren. ]\Iit
namen ist Y besonders reich ausgestattet. Bevis mutter heisst
Ö(ki, der botschafter s. 210 Spyrant u.s.w.
Dass V nicht abschrift von C oder yö ist, wie Cederschiöld
annimmt, liegt auf der band. Külbing hat V gänzlich ausser
acht gelassen. Um das Verhältnis zu den anderen hss, einiger-
massen zu bestimmen, habe ich folgende belege zusammen-
gestellt:
YyS gegen B: S.209, 14 Greifvinn (so stets), 29 Madur; 210, 14 ftccTc,
2.5 liinn gavila Karl Ginon, 28 Madur, 29 sier Öfn'dar Vonir, 30 hanns,
34 cinsawann ok, 40 stürliga, 42 Ihind J£nsl; 57 talar, 59 nj)//>-; 211,44
liiki, 47 Mi/skiniorkiHse {Blödhundur); 212,56 Bicviis JxicJcar: 213,29 e/.s-
kuliyunn, 31 at pa rcenir mik a'ige ininumm Fodur Arfi, 32 hit lUa,
33 pcigia i stad.
VC (bez. VCj'r)) gegen B: S. 217, 23 //7 hanns, 06 MargJec, 3S Artindd
hiet; 222,7 *Innsigh(t, 38 Fülmara; 223, 24 y>/t mnit hcra Dnuda piun sva
at pu väir a;igi; 224-, 22 liefur leigit; 225, 55 tu, Artind.] fehlt, 56 hardur,
hl *pyrdi ai koma; 229, 35 */am(Zrt»»; 2Z0, od stpann; 236, 35 *o?/(0«w,
40 hcrja nppä, 51 cnn, put] felilt, 52 Jdiöp, b^ pann] fehlt; 237.25 Balis
Borgar {C Bolonia); 239,ö gat lockat; 244, 30 w/zi», 39 Ji»; 245, 1 <//;
267, 33 hui, 45 giorvu, 48 scctJiga.
VB gegen y6\ S. 209, 3 nndir sik logtt, 6 hctri, 25 ditu, 28 fimiän;
210, G fh/crsktdaud, 9 Ensknm 3Ionnim, 10 i KöJnc, 11 far, 14 fiinnir,
18 kimnugt, 24 päd, 27 p6, Büdumm, 30 vicdur Hundrad, 33 skal ck pd
lata par koma Ginon Juri, 35 skipit, 36 optar, 50 restur nmm llaf; 211,31
— 34 logdu — sdrumm, 39 sinn bcstann Kost; 212,43 2Idnu, 47 Laviba,
57 Lamhanna; 213,13 cdur, 18 Id, 19 fi/rir (Grcifaitn); 257,30 iiwdur sicr
Jupiter; 262,48 cf at a;igi hefdi svcrdit hlaupit af framm (von B etwas
verschieden).
') Was die iibriyen hss. betrifft, so verweise ich auf Cedcrschiülds aus-
gäbe und Külbings artikel in diesen Beitr. 19, 1—130. Auf den letzteren
stütze ich mich wegen des frz. gedichtes und dessen beziehungeu zur saga.
IVENS SAGA UND BEVIS SAGA. 269
VB gegen C (bez. Cyö): S. 217, 7 Hijrd, 25 giarna; 225,40 fimtan,
58 stall; 226,iJ)at, 49 epth; 57 sem peir, 63 Icorn; 231,3 mwUti; 235,51
Drottning; 236,37^6«/ a< cÄ; tv7 v«Z Christne, 53 (Zi-ajj; 244,18—20 (fehlt
in C), 80 Justis, 39 staf medur Gull; 267, 42 sidann, 48 /ad»i.
VCD gegen B: S. 215, 82 *pui at peir vissu at liann var sclldur;
216, 25 Tolf. — VC gegen y^: S. 220, 43 umm ränga. — Yyö gegen BC:
S. 220, 29 jjof. 83 dyrt. — VB gegen Dyd: S. 214, 46 fyrir; 213,62 griet.
— VB gegen CD: S. 215, 33 vetra (CD v. gamall), 42 *Biddarar; 216,33
(?) sm« (fehlt in CD). — VD gegen Byd: S. 214, 45 i pann Tima. —
VD gegen CB: S. 216, 6 medur sinu spiöti, 2% peir. — VA gegen B/rf:
S. 257, 31 Mr. — Y Ay gegen BS: S. 257, 31 sliethn: — Y = y gegen die
anderen hss.: S. 219, 59 ok af. — VC gegen BD: S. Z\5,2i piöna. —
Yyö gegen BD: S. 213, 61 cZrcj^a; 2H,4:1 Droüning. — YByS gegen B:
S. 213, 62 Harm Föstra sins; 214,25 sockva, 26 i siäfvar (Diüp).
Diese unbedeutende anzalil von Varianten ist, wenn auch
einige wenige nummern dazu kommen sollten, für die alo-
weiclieude redaction der lis. V sehr bezeichnend; man vergleiche
Kölbings lange liste a. a. o. s. 7 — 37. Es fällt in die äugen,
dass der anfang der saga die weitaus meisten belege aufweist.
In der tat steht hier V den anderen hss. viel näher als später.
Uebrigens darf man auf solche kleinigkeiten nicht zu viel geben,
da der reinste zufall mit im spiele sein kann. Mehrere com-
binationen widersprechen sich ja und machen jeden Stammbaum
unmöglich. Es scheint indessen, dass die vorläge von V mit
der hs. D am nächsten verwant war, und dass die darin ent-
haltene redaction sehr früh ihren eigenen weg gieng.
Von den zügen, die sicher nicht alle ursprünglich sind,
aber vielleicht aufmerksamkeit verdienen, führe ich an:
S. 210, 14 finniir Greifvann i Bisinnhorg, vgl. frz. Eetefor? engl. Bi-
foun, V. 122.
S. 210, 17 Herra Plandis (später Plandus) Greifva sendir Frü Öda
kvedju, vgl. engl. M. v. 102 Grete ivell sir Mordoure (Bropure he is to the
Emperoiire).
S. 211, 3 kysti liann medur Myskunarlausumm Svikumm, engl. v. 190
ghe ansiverde ivip tresoun mest.
S. 211, 6 ok Tölf sina sveina, vgl. z. 8 peir koma (Kölbiug a. a. o. s. 70).
S. 215, 51 i hcedsta Twni Borgarinnar, celt. s. 522, 24 ' to the top of
the highest toioer of the castle\
S. 216, 32 Nu rida at hgnumm fjörir, richtigere lesart.
S. 216, 40 Bevis tötet erst zwei, dann acht ritter, zwei entfliehen, engl,
v. 886 ten forsters wer feld.
270 IJOOTKER
S. 217, 38 Merkt, engl. v. 970 gonfauoun.
S. 217, 39 (hihhar, engl. v. 970 dohheäe.
S. 217, 41 — 43 V sagt vom pfenle: ccTci var hclri funäinn i Äsia.
S. 217, 60 lodhm sein sandur = engl. v. 997 schep.
S. 219, 42 min hicer Elsluge ed /»t oI: fyrir piiia slidld hefver ek
U.S. w., vgl. engl. v. 1094 und Külbing a.a.O. s. 79.
S. 210, 60 und 220,37 fehlen.
8.220,62 f. heisst hier: fijn'r pina sendi fcrd gcfviir cJc pitl Erindi
cnn eckert Erindi hefur ek iil Köugss Dötlur.
S. 225, 52 ok nü eptir Brmllaxipit for Ivorhis Köngur heim i sitt liiki
medur sina Drottning, vgl. engl. v. 1483 (und 1507).
S. 236, 58 — 237, 23 sind ausgelassen , wie zufälligerweise auch im
englischen.
S. 237, 25 Balis Borgar, später ist indessen von Kölni die rede: s. 238, 51
rida ßau Biskuj) ok Josuena i Kölne par rar pö fyrir su Juri er Kloin
hiet (vgl. Kölbing a. a. o. s. 95).
S. 238, 3 ^ Flandur, engl. v. 2916 Wight
S. 240, 24 leiddu til skögar (also ausserhalb der Stadt, wie in den anderen
Versionen).
S. 259, 13 Sabaoth stösst dem diebe seinen pilgerstab i Aiigat, sva at
üt gieck umm Hnackau. Ob der Übersetzer eye misverstandeu hat, oder
die ihm vorliegende hs. etwa tieil enthalten hat?')
S. 261,49 Ivorius und seine verbündeten : föru tnedur allann sinn Her
i Egijitaland i Bike Miles Kongss ok Bievtis ok brenna ok drepa allt päd
sem at fyrir rard.
S. 262, 60 Von der cinmischung Guions in den Zweikampf ist hier keine
rede. 2) Bevis tötet seinen geguer selbst.
Der umstand, dass die anderen hss. einen besseren text
überliefert haben, steht nicht im wege, V als eine copie von
') S. 259, 17 ff. ist ganz entstellt: Herra Sahaoth tök nü Hestinn ok
leiddc hann medur sier heim til Josuenar Drottningar. Danach fahren sie,
Bevis aufzusuchen.
2) Külbing erinnert hier an die Partalopa saga. Zu den von Kölbing
erwähnten typischen Wendungen, die sich in den beiden sagas widerfinden,
füge ich folgende aus Y (vgl. text s. 214, cap. v): Die ritter fragen Bevis,
ob er den tod nicht fürchte; hann svarar, ok seigist vita at hann mune
cigc eirn Tima at deya . . . ok i pui koma at pcim Ilcydingiaskip . . .
S{)gdn sidann modnr hanns hann daudan vera. Partalope gibt dieselbe
antwort, als ihm die ritter der königin drohen. Dann tritt plötzlich
Ura'kia als sein retter auf. Später berichtet sie, dass P. gestorben sei.
Diese züge, die sich in allen hss. der Part, saga finden, beruhen auf
spätere bearbeitungen.
iVENS SAGA UND BEVIS SAGA. — STRAUCH, ZU BEITR. 29, 456 if. 271
Orms biicli zu betrachten. Die beiden redactionen der Parta-
lopa saga haben sich vielleicht ebenso weit vom original ent-
fernt als die in V enthaltene redaction der Bevis saga. AVenn
Gödels ansieht stichhaltig ist, wäre die Bevis saga wie die
Partalopa saga bereits im 13. jh. gegenständ durchgreifender
bearbeitungen gewesen. Besser haben sich die romane Chre-
tiens bewahrt.
KRISTIANIA, august 1905.
A. TRAMPE BÖDTKER.
ZU BEITR. 29, 456 ff.
Im excurs zu seiner Untersuchung über die Überlieferung
von Rudolfs von Ems Alexander Ji:ommt Junk auch auf die
Gleink-Linzer weltchronik-hs. zu sprechen und constatiert die
völlige Unabhängigkeit der dort gegebenen bearbeitung von
Rudolfs Alexander. Ich erlaube mir dazu auf meine Enikel-
ausgabe s. xxviii ff. zu verweisen , wo eine Inhaltsangabe der
hs. auf grund mir s. z. von Joh. Bolte freundlichst zur Ver-
fügung gestellter excerpte gegeben und der in ihr erhaltene
Alexander mit Ulrichs von Eschenbach gedieht identificiert
worden ist. Die von Junk s. 458 f. ausgehobenen verse (lib. 1,
cap. 6) decken sich mit Ulrichs Alex. v. 633 ff.
HALLE a. S. PHILIPP STRAUCH.
ZUM NOM. UND ACC. PLUR. der .1- STÄMME
IM AGS.
Die von Sievers in diesen Beitr. 17, 274, fiissnote 2 ge-
äusserte Vermutung, dass die doppellieit ags. -a, -e (alt -ce),
alid. -0, -a im nom. acc. pl. der ä- stamme auf einen einst-
maligen unterscliied zwischen nom. und acc. beruhe, in der
weise, dass ags. (ws. und kent.) -a, ahd. alem. (und allgemein
adjectivisches) -o die alte nom.-endung (aus -ö^ = lit. -ös), ags.
(angl.) -e, gemeinahd. -a die alte acc.-form (aus -öz = lit. -as
aus gestossenem -ös) sei, ist neuerdings von v. Helten, Beitr.
28, 508. 509 f. 512 wider aufgenommen und näher begründet
worden, unter heranziehuug des afries. -e und des as. aonfi'k.
-a = ags. -e, ahd, -ä und des afries. -a = ags. -a.
Es ist mir der gedanke gekommen nachzuprüfen, ob reflexe
des alten zustandes sich im ags. noch aufweisen Hessen. Für
diese Untersuchung kamen weder die jüngeren quellen über-
haupt, noch unter den älteren die anglischen (welche bekannt-
lich nur -ce bez. -e aufzeigen), noch die akent. Urkunden (welche
nach Sievers a.a.O. nur -a haben) in betracht; nur die aws.
quellen, in denen neben überwiegendem -a auch einige -f-formen
belegt sind, waren brauchbar. ') Eine Zählung der einschlägigen
fälle in Cosijns Aws. gramm. ergab ein überraschendes resultat,
das ich hier vorlege.
Einige wenige zweifelhafte belege für -a (7 im ganzen)
sind nicht mitgezählt; jä-stämme und Avörter auf -tin^, -ins
sind von den übrigen getrennt; nur für -c sind die belege an-
geführt. Von vornherein muss bemerkt werden, dass die formelle
Übereinstimmung zwischen dem acc. pl. auf -e und dem acc. sg.
') In dem gesetzbucli von ..Elfred-Iue uur -a, z. b. Öeoda acc. pl. Lieber-
mauu 1, 42, 17; uom. pl. 44, 19; acc. pl. saida 44, 1. 4; acc. pl. synna 58, 3 (E).
AGS. «-STÄMME. 273
uns der gefahr aussetzt, g-elegentlich einen acc, sg. für einen
acc. pl. zu halten, aber ebenso gut umgekelirt (beide möglicli-
keiten dürften sich die wage halten), während bei der a-form
eine ähnliche möglichkeit nicht vorliegt, und beim nom. pl.
eine solche Verwechslung ausgeschlossen ist. Es findet sich
nun beim Substantiv folgender tatbestand:
I. ä- Stämme (ausser den unter II. und III. behandelten):
nom. pl. auf -a 33 belege (8 HC, 5 H, 20 Or.), acc. pl. auf -a 65
(23. HC, 3 C, 11 H, 25 Or., 3 Chron.), nom. pl. auf -e kein beleg,
acc. pl. auf -e 7 sichere (2 HC, 3 H, 2 Or.), 5 wahrscheinliche
(4 HC, 1 C), 2 zweifelhafte (1 C, 1 H).
Als sicher betrachte ich: si{^)fe (^ocles s- accepta) 321, 10 '),
adle {siime a. . . . sume) 173,23, adle (dat. ph morbis) 457,2
(nur H), u'unde (morbos) 425, 12 (nur H), saide {da s. de . . .
ansietaö, C saida) 367, 10, hcalfe (on J)reo h.) Or. 184, 3, (on
twa h.) Or. 240,29; als wahrscheinlich: cease (iurgia) 177,11,
wrohte (iurgia) 357, 14. 22, ivunde (vulneribus) 275, 8, öearfe
(ungeachtet lat. utiiitatem) 44, 13 (H öearfa)] als zweifelhaft:
sprcece (verba) 274,20 (K si^rceca), tvunde (gen. oder dat. sg.?
vulnus) 123, 21 (C ivunda).
II. Feminina auf -uns, -ins: nom. pl. auf -a 6 (HC) -), acc.
pl. auf -a 32 (23 HC, 7 H, 2 Or.), nom. pl. auf -c kein, acc.
pl. auf -e 1 zweifelhafter beleg.
Der einzige beleg von -e ist Uotimse Or. 102, 16, womit
wol acc. sg. gemeint ist.
III. jä-stärame (Cosijns belege für den nom. acc. pl. synna
sind nicht vollständig: von 43 sind nur 5 aufgezählt; zum nom.
pl. auf -a sind also noch etw?. 11, zum acc. pl. noch etwa 27
belege hinzuzuzählen): nom. pl. auf -a 9 (6 HC, 1 H, 2 Or.),
acc. pl. auf -a 23 (9 HC, 6 H, 8 Or.)3), nom. pl. auf -e kein
beleg, acc. pl. auf -e 7 sichere (5 HC, 2 C), 2 wahrschein-
liche (HC).
Als sicher sind zu betrachten: pemenne (sollicitudines)
139, 23 (bei Cosijn unter acc. sg.), di{o)golnesse (secreta) 99, 7.
^) Belege ohne quellenaugabe beziehen sich auf die Cura Pastoralis,
itnd zwar stehen sie in beiden hss., wofern nichts anderes angegeben ist.
2) Cosijn 2, 25 ist {{eysmiga 239, 9 druckfehler statt /. 293, 9 und (oli-
cunga) 239,6 statt 239,16 (letzteres acc. sg.?).
3) Bei Cosijn 2, 27 1. cfej(c)« 179, 11 statt c. 179, 9.
Beiträge lur geschichte der deutschen spräche. XXXI. J^g
274 KüUN
259, 10, cndclyrdnesse (ordines) 319, 20, hyrötnne {oderra h.
tocacan hiora agnum, lat. ponderibus) 52, 1 (H hyröcnna)^ ^ie-
mcnnc (curas) 138,19 (bei Cosijn sg.; H Riemen, wol Schreib-
fehler oder statt der abkürzung sicmen = gicinnuie; im Yesp.
Ps. sind ähnliche abkürzungen gar nicht iinge-\vöhnlicli. -wie
so(J statt sodlice 49, 8, hierusal{em) 136, 6; siviö{rc) 138, 10),
hyrdcnnc (pondera) 23,11; als zweifelhaft: synnc {da s. Öara
yfvlena weorca causas rapinae) 333, 19, (peccata) 327, 13, welche
beide singnlarisch gefasst werden könnten.
Dass bei den Wörtern auf -uns, -«'^cT, bei denen die endung
-« auch im Singular eine grosse rolle spielte, -e gar nicht sicher
zu belegen ist, kann uns nicht wunder nehmen; bei den übrigen
a- und den jä-stämmen aber wären, dem sonstigen Verhältnis
der belege für nom. und acc. pl. gemäss, mindestens 3 oder 4,
bez. 3, nom. pl. auf -c zu erwarten gewesen, umsomehr als
eine Verwechslung mit dem sg. im nom. ausgeschlossen war.
Und doch findet sich kein einziger solcher nom. pl.I Dies be-
rechtigt doch wol zu dem Schlüsse, dass der unterschied zwischen
e- und a-formen im aws. noch nicht ganz aus dem bewusstsein
geschwunden gewesen sei, und dass -c nur im acc. gegolten habe.
Wie stark dieser unterschied eine Zeitlang gewesen sein
muss, zeigt sich nun weiter auf das schlagendste an den weibl.
•/-Stämmen, auf welche bekanntlich das -a im nom. acc. plur.
von den «-stammen aus übertragen wurde. Bei den weibl.
/-Stämmen finden sich folgende zahlen'):
Nom. pl. auf -a 37 (12 HC, 3 0, 4 H, 18 Or.), acc. pl. auf
-a 69 (34 HC, 1 C, 25 H, 9 Or.), nom. pl. auf -e kein beleg,
acc. pl. auf -e 5 sichere (3 HC, 1 C, 1 H), 5 unsichere (2 HC,
1 C, 1 H, 1 Gr.), 3 höchst zweifelhafte (H).
Die sicheren sind: scylde {he ^edafade öa scylde uniiitnode)
123, 6, (nequitias) 261, l-^), (vitiis, abl. pl.) 315, 1, scyJde (delicta)
72, 19 (H scylda), ^esccafte {ofcr calle oöre s., super omnia, wie
onsemans eallam oÖrum sesccaftmn, inter omnia, gleich vorher)
301, 12 (C ^esceafta); die wahrscheinlichen: biscnc (exempla)
191, 5, scyJde Ol, 15, ansine 44, 21 (H onsiena), iincyste (viro,
>) Nicht mitgezählt sind die belege von Mode (nur so nom. acc),
masc. plur.
*) Cosijn 2,39 hat fälschlich den beleg unter scylda. Sweet, Fast.
Care s. 261 hat scylöc (s. 260 scylde), wol nur druckfehlcr.
AGS. a-STÄMME. 275
abl. sg.) 47, 16 (C uncysta), sce^cne (auspiciis, abl. pl.) Or, 184, 26 ;
die zweifelhaften: his{e)ne (exempliim) 449,23. 27, (opus quod
imitandum est) 449, 31 (nur in H).
Also hier wider genau dasselbe: kein einziger noni. pl.
auf -e. Hiernach wären auch die angaben in den granima-
tiken dahin zu modificieren, dass aws. bei den «'-stammen der
alte nom. pl, auf -e verschwunden (sogar dced, das nach Cosijn
2, 39 im acc. sg. nur dcBd hat, hat nom. pl. {mis)d(jeda 21, 23.
413, 18 H. 453, 7 H), der alte acc. pl. nur noch in trümmern
vorhanden sei (im gesetzbuch von yElfred-Ine nur -«: acc. pl.
gesceafta Lieberm. 1, 28, 1, syf^d 30, 6, cehta 48, 3, misdceda 58,4).
Die aws. quellen, meine ich, gestatten folgende Schlüsse.
Ehedem gab es im ags. bei den «-stammen einen unterschied
zwischen dem nom. pl. (endung -a) und dem acc. pl. (endung -w,
daraus später -c), welcher unterschied im ws. zu gunsten der
ersteren form ausgeglichen wurde, aber spuren des alten acc.
(auf -e) lassen sich im aws. nachweisen. Ein nom. pl. auf -ce
oder -e hat im ws. nie existiert. Jener unterschied wurde auf
die /-Stämme in der weise übertragen, dass zunächst die dort
altererbte endung -e (aus älterem -i) blieb, aber die gleich-
lautende endung des nom. pl. von dem -a der «-stamme gänz-
lich verdrängt wurde; nachher wurde dann auch hier das -a
in den acc. hinübergeschleppt, und ende des 9, jh.'s war der
acc. pl. auf -c auch bei den i-stämmen nur noch in resten vor-
handen.
Im kent. wurde bei den (7 -stammen das -e des acc. pl.
ebenfalls schon frühe verdrängt: in den Urkunden bei Sweet,
OET. finden sich acc. pl. saiila 444, 24. 43 (a. 805—831), dearfa
447, 12 (a. 835), amhra 448, 30 (ebenso) wie nom. pl. saida 444, 40
(a. 805— 831)0; in den Beda-glossen (Sweet ebda. 180 ff.) äa
earman lafe paupercula reliquia 25 (vgl. 46), earfednisse calami-
tates 88, wol acc. pl. In den ältesten glossensammlungen (Ep.
Erf. Corp. Leid.) ist umgekehrt -a ganz verschwunden, ebenso
im Psalter; auf die paar -a in Rushw.^ (1 acc. ccestra, 1 nom.
tvcüda, 1 nom. cidfm (?), s. Brown, Rushw. gl. 2, § 56) ist nichts
zu geben; und auch im spätndhumbr. liegen die Verhältnisse
ganz anders als im ws., indem dort entweder -e oder die form
') Von den /-stammen ist belegt: acc. pl. tide i43, 8 (urk. 805— 831).
276 KERN, ACiS. (i-STÄMME.
der scliwachen feniinina -o im iioiii. acc. pl. vurliersclieiid ge-
Avordcn. ')
Kiue Untersuchung- der formen des nom. und acc. \)\. fem,
beim adjectiv hat für unsern zweck deslialb wenig weit, weil
iDekanntlicli dort die masculin-endung -e mit iiineingespielt
liaben kann. Es mögen folgende, aus den von Cosijn 2, § 38 f.
gegebenen aws. belegen zusammengestellte zahlen genügen:
nom. pl. fem. auf -a 7 (attributiv vor oder gleich nach dem
subst.: 2), acc. pl. f. auf -a 8 (7), nom. pl. f. auf -e 22 (12),
acc. pl. f. auf -e 20 (16), auf -cc 2 (2).-) Also ganz über-
wiegend -6'; aber auch beim neutrum findet sich widerholt -c,
und dort kann es nur vom masc. stammen. Die müglichkeit,
dass im ags. beim adjectiv einmal -c {-w) die einzige form des
nom. und acc. pl. fem. gewesen sei, wie -o im ahd., ist an sich
nicht zu bestreiten; in dem falle müsste im ws, -a vom subst.
auf das adj. übertragen worden sein. Erweisen lässt sich jedoch
hier, bei der Zweideutigkeit des -c gerade beim adjectiv, nichts,
und die uniformierung der endung des nom. acc. pl. masc. und
fem. steht auch wol mit den sonstigen tendenzen der spräche
in besserem einklaiig als die erschaffung eines neuen Unter-
schiedes zwischen masc. und fem. pl, beim adjectiv es täte.
Ich halte es demnach für wahrscheinlicher, dass eine allein-
herschaft des -c im nom. acc. pl, fem. der adjectiva im ags.
nie bestanden hat. Auch im aofries. (s. v. Helten, Aofries. gr.
§ 215) finden sich im adjectivischen nom. und acc, pl, fem. -a
und zweideutiges -c neben einander.
') Bemerkenswert sind nur tue vier «-belege in ßiisliw.- bei würtcru
auf -uns- acc. pl. viersun^a, KCira(hi)},^n, droit:ii»,;;n, nom. pl. smcaioi^a,
neben sonstigem -e (selten -o). s. Lindelöf, Südnthumbr. nia. s. 109.
2) Im gesetzbucb von .E!fred-Ine (bs. E) finde ich: nom. pl. auf -a 1,
acc. pl. auf -a 4, acc. pl. auf -e 1, alle attributiv.
GRONINGEN. J. H. KERN,
DIE SUB>STANTIVFLEXION SEIT MITTEL-
HOCHDEUTSCHER ZEIT.
II. teil: Neutra.
Die vorliegende arbeit behandelt die flexion der neutra
und setzt die Beitr. 27, 209 ff. begonnene nntersucliung über
die nhd. flexion fort. Einleitend habe ich dort über meine,
aufgäbe und das zu geböte stehende hilfsmaterial gesprochen.
Eine neue aufgäbe führt neue fragen mit sich, und ich habe
deshalb mich durch eine weitere prüfung von texten bemüht,
den neuen anforderungen gerecht zu werden. Die ausbildung
der nhd. flexivischen Verhältnisse des neutrums liegt zum teil
weit zurück, zum teil gehört sie erst später zeit an. Je nach
den erscheinungen musste ich die textprüfuug ausdehnen und
erweitern, zuweilen auch bestimmten gebieten besonderes
augenmerk schenken. So reicht die durchsetzung des r-plurals
in die älteste periode des nhd. zurück, während die ji'a-stämme
vielfach erst im 18. jh. zu ihrer schriftsprachlichen form gelangt
sind. Mehr noch als seither wendete ich meine aufmerksam-
keit den ostmitteldeutschen denkmälern zu, .um hervortreten
zu lassen, wie Luther in der Überlieferung und dem gang der
allgemeinen entwickelung mitten inne steht. Und um eine
brücke von der spräche Luthers zu den dichtem des 17. jh.'s
zu schlagen, griff ich zu den Übersetzungen des humanisten
Riccius, dessen schriftstellerische tätigkeit in das ende der
sechziger jähre des 16. jh.'s fällt. Auch die aufnähme der
ostmd. Schriftsprache in Oberdeutschland legte eine erweite-
rung der Untersuchung nahe: ich habe deshalb die werke von
Birk und Greflinger und den sog. Französischen Simplicissimus
in den bereich meiner betrachtung gezogen.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. j^9
278 MOLZ
Die titel der von mir frülicr geprüften texte finden sich
Beitr. 27, 21-4 f. und die angaben über die zeit der entstehung
jener seliriften s. 271f. und s. 280. Ich gebe im folgenden die
neu geprüften texte nach dem ort ihrer entsteliung in zeitlielier
reihenfolge an. Die in der abhandlung verwendeten abkürzungen
sind meist leicht verständlich, und nur der Sicherheit wegen
führe ich sie jeweils nach dem titel des buches auf.
1) Bairische schrifteu:
Urknndenbuch ob der Enns 4—7 (=Urkb.E.).
Das buch der natur, her. von Pfeiffer, 1350 (= B. d. nat.)-
Heinrieb Mynsinger, Von den falken, pferden und hundeu, Bibl. d.
lit. ver. 71, 1450 (= Myus.).
Job. Turmair gen. Aventinus, Bairi-sclie ebronik, ber. von Lexer 2,
s. 150-375, 1535 (= Av.).
Simon Sebaideureisser, Odyssea, durch ..., der fürstlichen statt
München stattschreiber zu teutsch tranfsferiert, Augsburg 1537 (= Schaidenr.).
F. Joann Nass, Widereinwarnung An alle fromme Teutschcn,
Ingolstadt 1577 (= Nass, W.). — Sechs wolgegründter, nützlicher haus-
predig, Ingolstadt 1571 (= Nass, H.). Ex. München, hof- und staats-bibl.
8°. Polem. 1940.
Albertinus, Defs irrenden ritters raifs. Der Avelt eitelkeit vnd den
weg zu der ewigen Seligkeit begreiffend . . . Jetzo aber durch Aegidium
Albertimim inn die teutsche sprach gebracht, München 1594 (= Albert.).
Georg Greflinger, Seladons weltliche lieder nebst einem anbang
schimpff- vnd ernstbaffter gedichte, Franckfurt a. M. 1651 (= Grefl., W. 1.).
— Der Deutschen dreyfsig-j ähriger krieg poetisch erzählet durch
Celadon von der Donau, 1657 (^ Grefl., Dr. kr.). — Der verständige
g ä r t n e r , 1667 (= Grefl., Y. g.).
Sigismund von Birken, Pegnesis oder der Pegnitz blumgenofs-schäfere
feldgedichte in neun tagzeiten: meist verfasst und hervorgegeben durch Flo-
ridan, München 1673. Ex. München, hof- und staats-bibl. 8''. P. o. germ. l'26t.
(= Birk).
2) Alemannische Schriften:
Urkundenbuch der Stadt Freiburg 1 und 2 (= Urkb. Fr.).
Morgant der riese in deutscher Übersetzung des 16. jh.'s, Bibl. d.
lit. ver. 189, 1530 (= Morg.).
Die Haimonskinder in deutscher Übersetzung des 10. jh.'s, Bibl. d.
lit. ver. 206, 1531 (= Haimk.).
Hierouymus Boner, Des hochberümptesten geschichtschreibers Ju-
stini warbafftige hystorien ... Die H. B. der zeyt scbultheys zu Colmar /
auss dem latein inn dils volgend teutsch verdolmetscht bat. . . . Angspurg
1531. Ex. München, hof- und staats-bibl. 2". A. lat. b 403 (= Boner, Just.).
— Chronica und beschreibung des heyligen Pauli Orosij ... Und aber
yetzund durch den aclitparn und weisen hcrrn Hieronymum Bonern diser
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II. 279
zeit oberster meister der löblichen reichfsstadt Colmar in obern Elsafs in
dz nachfolgend teutsch verdolmetscht . . . Colmar 1539 (= Bouer, Oros.). Ex.
München, hof- und staats-bibl. 2°. lat. 1117 e. Derselbe band enthält noch
eine Übersetzung des Cornelius Nepos, des Sallust und des Sueton aus dem
jähre 1536, die ich nur Avenig benutzt habe.
Wolfhart Spaugenberg und Isaac Fröreisen, Griech. dramen
in deutscheu bearbeitungen, her. von Oskar Dähnhardt, Bibl. d. lit. ver.
211. 212.
Des Frantzösischen kriegs-Simplicissimi hochverwunderlicher
lebeus-lauff, Freiburg 1682 (= Simpl.).
3) Schwäbische Schriften:
Decameron, Bibl. d. lit. ver. 51, 1-160 (= Decam.).
Heinrich Steinhöwels Äsop, Bibl. d. lit. ver. 117, 14:70 (= Asoj)).
Augustin Tüngers Facetiae, Bibl. d. lit. ver. 118, 1486 (= Tünger).
N. Federmanns (und H. Stades) Reisen in Südamerika 1529—1555,
Bibl. d. lit. ver. 47 (= Federm.).
Johann Spreng, Ilias Homeri und Aeneis Virgiliana in artige
teutsche reimen gebracht / von weiland magistro Johann Sprengen / ge-
wesenem kaj's. notario / teutscheu poeten und burgern zu Augspurg.
Gedruckt zu Augspurg duixb Christoff Maugen. In Verlegung Elias Willers
anno 1610. Ex. München, hof- und staats-bibl. 2°. A. gr. a. 83 (= Spreng,
II. und Aen.).
Ulrich Kr äfft, Reisen und gefangenschaft Haus Ulrich Kraffts. Aus
der Originalhandschrift her. von dr. K. D. Hassler, Bibl. d. lit. ver. 61, 1616
(= Krafft).
4) Ostfränkische schritten:
Hans Sachs, Werke, bd. 20, Bibl. d. lit. ver. 193.
5) Westmitteldeutsche bes. rheinfränkische Schriften:
Urkundeubuch zur geschichte der stadt Speyer, bis 1350
(= Urkb. Sp.).
Hans Stades Reisen in Südamerika 1529—1555, Bibl. d. lit. ver. 47
(= Stade).
Hock, Schönes blumenfeldt, 1601. Ex. München, hof- und staats-bibl.
4». P. 0. germ. 97 i (= Hock).
6) Ostmitteldeutsche Schriften:
Urkundeubuch der stadt Leipzig, l.bd., bis 1485 (= Urkb. L.).
Der veter buch, Bibl. d. lit. ver. 72, 13. jh. (= Veter b.).
Heinrich von Müglin, Fabeln und miunelieder, her. von Wilh. Müller
in Gott. Studien 2 (1847), 1350.
Dalimils Chronik von Böhmen, Bibl. d. lit. ver. 48, hs. aus dem j. 1389
(= Dal.).
Johann Roth es Thüringische chronik, Thüriug. geschichtsquellen bd.3,
abf. um 1425, hs. aus der zweiten hälfte des 15. jh.'s (= Rothe).
Luther. Dass diese wort Christi 'das ist mein leib' noch feststehen,
1527. — Ob man vor dem sterben fliehen möge, 1527. Krit. gesammtausg.
bd. 23, s. 64-283 und s. 338-378.
19*
280 MOLZ
Blanckcnberg, Vom Juncker geytz vnd wucherteufel durch Alberuiu
Blanckenberg, Franckfurt a.M. 1G63. Ex. Darmst. hofbibl. W2540/20. Die
erste ausgäbe erschien Eisleben 1562.
M. Stephanus Ricci us, Bucolica Virgilii in usura puerorura ger-
luanice reddita per M. Steiihauum ßiccium, Eisleben 1570 (= Rice, Buc).
Die seitenzähluug rührt von mir her. — P. Virgilii Marouis priores duo
libri Georgicorum in usura studiosae iuventutis germanice redditi, &
editi a M. Stephauo Riccio vSeuiore, 1571 (= Rice, G.). — Posteriores
duo libri Georgicorum P. Virgilii Maronis ... Leipzig 1572 (= Rice,
P. G.). Bucolica und Georgica in der hof- und staats-bibl. zu München in
ein yolumen zusammengebunden mit der sign. A. lat. a 2:10-1.
Martin Opitz, Trostgedichte in Aviderwertigkeit del's krieges»
Leipzig 1633. Es. München, hof- und staats-bibl. ■i°. P. o.germ. 1.59 m (= Opitz,
Kr.). — Joau Barclai Argeuis verdeutscht durch Martin Opitzen, Amster-
dam 1644 (= Opitz, Arg.).
Philipp Zesen, Ibrahims oder des durchleuchtigen Bassa und der be-
ständigen Isabellen wuudergeschichte, 3.uud4. teil, Amsteldam 16-45 (=Zesen).
Buchholz, Des christlichen deutschen gross-fürsten Herkules und des
böhmischen königlichen fräulein Valiska wunder-geschichte, Braunschweig
1693, erste ausg. 1659, s. 1 -455 (= Buchh.).
Christian Weise, Die drei ärgsten erzuarren in der ganzen weit, ab-
druck der ausg. von 1673, Hallische neudrucke 12 — 14 (= Weise).
Georg Christian Lehms, Der schönen und liebenswürdigen Esther
merkAvürdige und angenehme lebensgeschichte . . . Leipzig 1713 (= Lehms).
Lessing, Sämnitliche Schriften, her. von Karl Lachmaun, bd. 1, 1853.
Untersucht habe ich: Fabeln drey bücher, Der junge gelehrte, Die Juden,
Misogyn und Freigeist, s. 163-198. 257—504.
7) Niederdeutsche Schriften:
Des Thomas Kantzo w Chronik von Pommern in hochdeutscher mundart,
her. von Georg Gaebel, bd. 2, erste bearbeituug, Stettin 1898, abfassung um
1535 (= Kantz.).
Jodocus Hockerius, Der teufel selbs / das ist warhafftiger / besten-
diger und wolgegründter bericht von den teufein. Am ende: gedruckt zu
Ursel 1568. Ex. München, hof- und staats-bibl., phj'S. m. 118 k (= Hocker.).
Die flexion der neutra zerfällt wie die der masculiiia in
eine vocalisclie und consonantisclie declination. Die consonan-
tisclie declination, die im mlid. nur durch vier Wörter {herze,
öre, ou(je, u-ange) vertreten Avird, ist im nlid. untergegangen
und hat anlass zur bildung der gemischten flexionsAveise ge-
geben. Die vocalische declination, die «-, ica- und ja-stämme
umfasst, hat besonders durch die grosse ausdehnung des r-plurals
"wesentliche gi-uppenverschiebungen erlitten. Vom Standpunkt
des nhd. unterscheiden wir starke und gemischte flexionen.
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II. 281
Die starke flexion zerfällt in drei abteilungen: die erste klasse
umfasst die reinen a-stämme und die reste der iva- und «-stamme,
die zweite die ja -stamme und die dritte klasse die urgerm.
Ä-stämme, die in nlid. zeit durch den übertritt zahlreicher a-
und j/"a-stämme ausserordentlich vermehrt wurde. Die gemischte
flexion weist zwei gruppen auf, von denen die eine nur durch
lierz vertreten ist, die andern durch n- und ya-stämme. Durch
beispiele erläutert würde sich die einteilung so darstellen:
1. Starke declination: 1. klasse: hein, ding, schiff w.a,.', meld,
vidi. — 2. klasse: gedieht, gesetzt gehmide, gedränge und die
/a-stämme (hett), h-eids, netz, reich, siiick] erbe, (ende) u.a. —
3. klasse: Jcalh — Mlber, kind — Mndcr u. a.; hild, gemüt, ge-
schleclit, gespenst. — II. Mischdeclination: 1. klasse: her2. —
2. klasse: äuge, ohr\ hett, hemd, ende.
Da eine einheit erst spät durchgedrungen ist, sind in ein-
zelnen drucksprachen natürlich Übergänge und berührungen
der verschiedenen flexionsklassen zu beobachten, die nicht zur
allgemeinen anerkennung gekommen sind. Ich behandele, ent-
gegen meinem früheren vorgehen, diese Schwankungen unter
der klasse, zu der sie erfolgen. Der pl. heiner ist ebenso wie
der pl. heiter bei der erörterung des mit r-suffix gebildeten
plurals zu finden. Der pl. stücken bereichert die klasse der
gemischt flectierendeu Substantive. Diese behandlungsweise
ist, wie mir scheint, geeignet, den einblick in die Wirksamkeit
der einzelnen numerussuffixe {-e, -en, -er) zu erleichtern. Und
begründet ist diese anordnung um so mehr, als bei schwanken-
der form die entscheidung für die eine oder andere flexionsart
doch von mehr zufälligen factoren abhieng.
Starke declination.
I. klasse: «-stamme.
Die klasse wird dadurch gekennzeichnet, dass in der nhd.
zeit nach analogie der masc. bei allen den a-stämmen, die sich
gegen den r-pl. v,dderstandsfäliig gezeigt haben, ein e im nom.
acc. pl. angetreten ist. Wie die umlautsfähigen masc. noch im
laufe der mhd. zeit zumeist den für die numeraltrennung sehr
geeigneten «-pl. angenommen haben, so hat in dieser gruppe,
freilich erst in der nhd. periode, die ausdehnung des r-pl. zu
282 MOLZ
jrrossen cinbussen geführt. In der schriftspraclie haben sich
folgende in der rt-flexion behauptet: heil (mhd. hilicr). lein, hier,
hoot, hrot, ding, feil, fest, floss, haar, jähr, joch, Idoss, Jcnie, los,
mass, Pfand, recht, reh, riff, röhr, ross, schaf, schiff] schtvein,
seil, Stift, tau, tier, tor, iverfc, tcort, zeit, ziel. Viele von diesen
zeigen in unseren texten hin und wider, zuweilen sogar häufig
bei einzelnen Wörtern, r-idurale; doch ist gleich hier festzu-
stellen, dass nicht ein einziges der diese abteilung bildenden
Wörter in irgend einem buche nur in dem gewande des r-pl.
auftritt.
Aus meinen sammlnngen ergeben sich für den beginn der ansbreitnng
des flexi vischen c auf die neutralen «-stamme folgende tatsachen. In den
bairischen Urkunden ist der mhd. stand bis um 1800 fest bewahrt,
ap. iure Urkb. o. d. E. 4, 177 (1292) ist ganz vereinzelt. Von 1300 an beginnt
ein schwanken in den formen. Dem np. chinde Urkb. o. d. E. 4, 341 (1300)
steht der np. chint ebda. 367. 393 (1300 und 1301) gegenüber. Dem ap.
chinde ebda. 5,34 (1310) hält ap. recht ebda. 5,344 (1329) widerpart. Im
gen. pl. ist die alte form erhalten; doch findet sich auch schon Übertragung
der flexionslosen form: gp. meiner chind Urkb. o. d. E. 4,413 (1302).
In den Freiburger Urkunden haben die alten Verhältnisse längeren
bestand. Bis 1350 ist hier keine Wandlung eingetreten. — Die untersuchten
Urkunden reichen von 1275 bis 1454. — Neben dem ap. iure Urkb. d. st. Fr.
1,378 (1349J finden sich ap. kint, ding ebda. Von 1350 au aber ist eine
allmähliche mi«clinng der formen zu beobachten: ap. dinge, iure ebda. 410
(1350), np. dinge 440. 441 (1350). In einer Urkunde von 13G8 ebda, werden
die alten formen np. ding, herrenreht, lantreht 518 neben dem np. dinge
519, velde 516 und ap. dinge 515 gebraucht. Aus dem jähre 1391 seien
erwähnt; np. srhuff 2m. ebda. 2,79 und ap. ire sirert ebda. 78; ap. scrhs
schaffe 2 m. ebda. 79 und vH schaffe ebda. Eine Urkunde des Urkb. d. st.
Fr. 2 aus dem jähre 1397 weist folgende formen auf: nap. recht om. 113.
114. 119, kint 114. 124, pfant 3 m. 119, ap. ziceg hrot 118. — nap. dinge
118. 124, ap. iure 4 m. 116—122, sin velde 117. Die echten fonnen über-
wiegen hier noch. Später scheint sich das Verhältnis nicht wesentlich zu
verschieben. Ich finde ap. lande ebda. 2, 370. 371 (1427) und slossc ebda.
370. 374; ap. land, slofs ebda. 375. Und noch 1454 haben sich die acc pl.
hantwerch und tcort oder tverk ebda. 2, 439. 440 analogischen cinflüssen
entzogen.
Auf rheinfränkischem gebiet, für das die Urkunden zur geschichte
der Stadt Speyer und Frankfurts Reichscorrespondenz 1 benutzt wurden,
liegen die Verhältnisse ähnlich. Die formen mit flcxivischem e stellen sich
neben die endungslosen: ap. ding Urkb. d. st. Sp. 1.54 (1287), worteh(lä.22i
n314j, recht 369 (1333), Hchaf'.M] (1328), pfcrt 307 (1328), nap. gut 328
(1330;, ap. iar 382 (1.334), nap. kint 336. 413 (1331. 1340) neben ap. stifte
3 m. 170. 171 (1302;, gelle 279 (1323), OOO pfunde 285 (1324), KMX) pfiinde
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II. 283
hellere 328 (1330), sicey gantze iare 346 (1332), np. etliche dotschlecje oder
andere vil ttbelre dinge 2 m. 359 (1332) und ap. tverJce 328 (1330). lu einer
Urkunde von 1340 tritt neben den neuen ap. oppherliehte 429 der ap.
zweintzig lieht 2 m. ebda., lielit und die icort ebda. Ferner np. ander gut
und pfände ebda. 441 (1346) neben alle ander pfant ebda.; ap. dinge 443
(1347) und ding 468 (1349). Die alte form des gen. pl. hat sich stets er-
halten. Aus alledem geht hervor, dass das bewusstsein für die endungs-
losigkeit im nom. acc. pl. der neutralen n-stämme um die mitte des 14. jh.'s
noch sehr lebhaft war. In Frankfurts Eeichscorrespondenz 1 finde ich von
1400 an den analogischen plural fast allgemein: ap. knye (1400), pferde
(1401), dinge (1411), np. stifte (1437), dorc (1438) neben ap. loort (1411).
Den ostmitteldeutschen stand in frühnhd. periode sollen beispiele
aus dem rrkundenbuch der Stadt Leipzig, aus dem Veter buch, dem Evan-
gelieubuch des Matthias von Beheim und aus der Chronik des Johann Eothe
erläutern. Die alten formen sind im Urkb. d. st. L. länger bewahrt als sonst.
Bis 1429 sind hier die masc. und neutra in ihrer flexionsweise scharf ge-
schieden. Erst dann beginnt ein langsames vordringen der auf association
beruhenden formen: ap. unser lande Urkb. d. st. L. 113 (1429), kalbefsheuhte
161 (1442), andir dinge, pferde 175 (1444), np. hamverckc 188 (1446). Den
mhd. formen ap. andre dingJc 172 (1444), nap. die schutzbret 250 (1455), ap.
brcth 274 (1460, nap. henbt, cleinot 278 (1462), ap. fremde bier 2 ra. 270
(1459), np. kleine ding 294 (1463), ap. bihr 297 (1463), alle gut 314 (1464;,
fafs 315 (1464), laut 341 (1466), ufslendische bier 342 (1466), die kertzen
und Hecht 381 (1470), np. ding 383. 402 (1471. 1475), ap. ampt 410 (1475),
nff die gemelten dreij fest ebda., thyer 414 (1476), die licht 426 (1481), np.
bier 427 (1481), ap. cleinot 447 (1485) stehen nur einige neugebildete
a-formen gegenüber: ap. stadrechte 3m. 265 (1458), np. lande und fürsten-
tumb 262 (1458), ap. über lande und stete 294 (1463), ap. ampte 409 (1475),
uff die gemelten feste 410 (1475). Im dat. sing, und gen. pl. ist das endungs-e
mit consequeuz bewahrt. Im Veter buch ist acc. pl. lide 14, 8 neben zahl-
reichen alten formen ganz vereinzelt. In Beheims Evangelienbuch erscheint
pl. haar und haare, kastelle, knie, pfund, schaf und schüfe, sprue und
spriave, tverk und iverke; doch ist die form auf e noch vereinzelt (nach
Bechstein, einl. s. ausgäbe s. lxxiv). Aus Rothes Thüring. chronik mögen
einige belege hier platz finden: ap. lichte 28, elemente 71, na^i). pferde 3 m. 76,
ap. schiffe 76. 225, beijne 80. 102, tveder beijne noch arme 186, np. seile 436,
ap. feste 533, heere (sing, meist heer) 83. — ap. pfert 76, np. swein 90,
thier 90, ap. hacr 117, schiff 240, thor 481 u. ö., np. tir 591, ap. seil 642.
Das endungs-e ist häufig, doch nicht überwiegend, in der mehrzahl der fälle
läuft die alte form nebenher. Nach den ja-stämmen ist gebildet acc. sing,
und pl. kamele 240.
In den liier angezogenen spraclidenkmälern sind die flexi-
visclien und stammhaften e dnrchgängig erhalten, und es ist
daher anzunehmen, dass die ausdehnung des e auf den nom.
acc. pl. in den verschiedenen gebieten auf dieselben factoren
284 MOLz
zuriickzufüliren ist. Die Ja-stämme zeigen erhaltiing' des
stammliaften c sowol in dem Urkb. ob der Eniis wie in den
F'reiburger und Speyrer Urkunden, von den Leipziger Urkunden
ganz zu schweigen, l'nter diesen Voraussetzungen war der
analogisclien Wirkung der masc. ein henininis entgegenge.^tellt;
denn die gleicliförmigkeit im nom. acc. sing, und pl. stützte
die überlieferten formen der neutralen a-stämrae. Indes schon
im mild, machte sich der einfluss der masc. a-, f-stämme geltend.
Vgl. A\'einhold, :\nid. gr. § 437, s. 426, und Alem. gr. § 395, s. 422.
Die berührung mit den starken masc. war durcli die Überein-
stimmung der form im ganzen sing, und im gen. dat. pl. ge-
geben. Warum aber verharrten die neutralen rt-stämme bei
ilirer alten flexion während der ganzen mhd. zeit? Warum
kam es nicht damals schon zum beginnenden ausgleich mit dem
masculinum? Den grund hierfür sehe ich in dem anwachsen
der mit r-pl. gebildeten wortgruppe. Hatte schon die blosse
Verminderung der «-klasse ein leichteres hinüberziehen zur
form des masc. möglich gemacht, so war durch das anscliwellen
der r-plurale eine neutrale kategorie entstanden, die den wert
und die Wirksamkeit der numeraltrennung scharf einprägte.
Und diesem bedürfnis nach Scheidung der zahl verhalf dann
die analogie der starken masc. zum siege. Das streben der
ja-stämme (die selbst ins wanken gerieten), die bestehende
formengleichheit aufrecht zu erhalten, trat hinter dem über-
mächtigen drängen der neutralen r-pluralgruppe auf trennung
der numeri zurück. Die anziehungskraft der masc. wurde
durch bestellende begriffliche verwantschaft noch verstärkt:
liferde — hiinde\ iveihe, hinäe — mamic; heine — arme, fasse;
jähre — tage, monate] scliafc — tvölfe; tore — tische u. a. Auch
die /-Stämme des femininums konnten bei begrifflicher Verbin-
dung die beseitigung der nacktheit der neutralen «-formen be-
günstigen: lande — städte; haare — häute] heine — hände.
Es besteht bei der ausbreitung des c-pl. in den unter-
suchten Urkunden ein unterschied: am frühesten gewährt die
bair. kanzleisprache dem neuen pl. eingang, es folgen die alem.
und rheinfränk. kanzleisprache, während die Leipziger Urkunden
• — das ostmd. gebiet • — erst spät, um 1430, die neue form
aufweisen. Das eintreten der apokope beim Substantiv auf
dem obd. und westmd. dialektgebiet bietet eine handhabe zur
NHD, SUBSTANTIVFLEXION. II. 285
erklärimg- dieser tatsache. Die abstossung des end-e kommt
auf den genannten Sprachgebieten im laufe des 14. jli.'s in
fluss. Die bewalirung des end-e war also schon zur zeit, als
die Urkundenschreiber die analogische form des neutr. zu ge-
brauchen anflengen, uuvolkstümlich. Das Sprachgefühl musste
in einer auf archaischem stände künstlich erhaltenen Schrift-
sprache des bewusstseins für die ursprünglichkeit der endungs-
losigkeit des nom. acc. pl. langsam verlustig gehen, besonders
im hinblick auf die mangelhafte art der Überlieferung-. Die
widerherstellung bez. die traditionelle bewahrung des endungs-e
beim masc. hatte leicht eine Übertragung aufs neutr. zur folge.
Ganz anders auf ostmd. boden. Hier blieb das end-e des Sub-
stantivs erhalten, und das gefühl für die endungslosigkeit des
nom. acc. pl. des neutr. blieb auch im volke lebendig, und so
geschah das vordringen der analogischen Wirkung des masc.
langsamer, zögernder.
Verfolgen wir den weiteren verlauf der entwickelung auf
den einzelnen dialektgebieten.
Auf bairischem gebiet bat die apokope zur endungslosigkeit der
starken flexionsformen gefübrt. In den Sterziuger spielen, dem Weisskunig,
bei Aventin und späteren autoren ist daber das fehlen des flexiviscben e
beim Substantiv regel. Einige beispiele mögen genügen: w^.liauhtlcut Ay.
2, 162, 17, ap. ivasserfUis ebda. 163, 25, np. stet ebda. 164, 23, ap. rät, an-
sclileg 165, 7, tag 175, 13, np. hrief 211, 32. — ap. ding 167, 27, land 210, 4,
np. 234,28, ap. for 247, 20, mord 373,5, nap. jj/crfZ 279, 3. 293,5. Scbaiden-
reisser bat dieselben formen: uap. hain 19. 23, np. ding 19, nap. srt?7 ebda.,
ro/s 23. 24, np. f/jo?- 37. Vereinzelt zeigt das masculinum erbaltung des e:
np. süne 41, ap. hunde 23. 40, wäbrend bei den fem. z- stammen die ab-
stossung allgemein ist. Nass, der in seiner Widereinwarnung das reforma-
torische werk Luthers bekämpft, gebraucht ap. werclce 56 ff. und lüerch 80 if.
promiscue, ferner ap. rechte 81, aber tliier 80 ff. Ohne frage ist die e-form
dem einfluss geistlicher Schriften Ostmitteldeutschlands zuzuschreiben. Auch
die fem. «-stamme zeigen in ihren nicht apokopierten formen ostmd. einfluss.
Neben gp. Mlnst Widereinw. 16, ap. genfs 17, frücht 85, Icww 80, np. süw
183, mäufs 129 treten ap. fruchte 62, np. kiihe 129, hätite 129 auf. Alber-
tinus apokopiert und gebraucht ap. haine 95 und np. wercJce 170 nur ver-
einzelt. 1650 aber ist bei Birk, einem mitglied des Pegnitzordeus, die nhd.
form (np. röhre 95 und ap. aafse 162 ebenso wie ap. schachte 161, gp.
Stämme 172, np. ströme 174) durchgeführt. Auch der Eegensburger Gre-
flinger hat im anschluss an md. Vorbilder das end-e restituiert und auch
auf das ueutrum ausgedehnt.
In den werken schwäbischer autoren treten der gleichen behandlung
des end-e entsprechend dieselben Verhältnisse zu tage. Erwähnenswert sind
286 MOLz
nur einige orscheiiuingen. Im Asop. einer Übersetzung Steinhöwels. er-
scheinen als ausnabnicn: np. kinde 42, gp. icorte 114, np. iiere 184 und ap.
baine 267, Audi die J«-stiinunc zeigen natürlich apokope: ap. hiUl 71, as.
ffclubt 170, wie auch sonst die endungslosigkeit beim Substantiv regel ist,
Tgl. . . . hat er in .sy« fabeln redend fofjcl, hörn, irilde und zämc Her, hirs,
trolf, füchn, löicen, rindcr, schauff] gaifs und andere gezogen 78. Feder-
mann gebraucht den uom. acc. pl. der neutra ohne eudung, doch ist die
apokope bei den starken masc. und den fem. /-stammen nicht streng durch-
geführt; die plurale icegc 35, feinde 39. 45, freunde 56, lu>^te 69 haben im
neutr. keine entsprechung. Nur der o-pl. schiffe 85 macht eine ausnähme,
doch auch der nom. sing, lautet vereinzelt schiffe 85, eine form, die auf
analogie der neutralen jri-stäuinie beruht. Rei Spreng fehlt das endungs-e
in allen decliuationsklassen fast durchgängig, was einen weitgehenden an-
schluss an die spräche des Volkes bedeutet. Bei Krafft und Weckherlin
macht sich die eiuwirkuug der mundart in nicht viel geringerem grade
bemerkbar: np. maidtire Krafft 107, ap. ihurc (^= ticre) 59. np. rauhsihüffe
329, np. ihüer 78, nap. rhor 100. 101. 379, np. hergwercJch 379. Dazu wären
np. stein Krafft 85, np. bäum 2 m. 94, ap. bäum 84, np. höfswichtt 140, np.
nast, ap. nüst 261, ap. tcirme 294, np. ort 295 zu vergleichen. Eine aus-
nähme von allen andern Schriften des gebietes macht die spräche Ar igos,
des Übersetzers von Boccaccios Decamerone. Die neutra haben hier da.s
epithetische c bereits angenommen: nap. rf/H^re 1, 28. 2,22. 4,38. 5,12.
28,23, icercke 2,25. 11,34, np. hare 10,5, ap. rosse 328,33, peine 446,11
U.S.W.; doch erscheint auch öfter die dialektische form mit abstossung des c.
Auch die masc. haben meist die vollen formen. Einige seltene plurale
seien nur erwähnt: ap. münde 5,16. 554,36, np. rcuche 220,21, ap. dorne
370, 5, np. Jcremc 419, 27, ap. ~aumc 644, 24. — np. stral und sträl 272, 16.
276. 313, 19 u. a. Bei den neutralen ja-stämmen ist das e auch meist wider-
hergestellt. Die Übersetzung birgt ausser dem unhistorischen as. gepoie
47,30 noch eine fülle unorganischer c-formeu, die beweisen, wie sehr dem
autor das gefühl für die richtige Setzung des e verloren gegangen ist.
Nicht nur die neutralen a-stämme, sondern masculina und feminina erhalten
in buntem gemisch ein e im nom. acc. sing.: as. maule 4, prote ■tö, iare2ö,
tcercJce 17, fehle 21, holtze 37, male 41, ns. dinge 6, volcke 21, plute 31,
schiffe 104 und ns. tröste, teyle 17, geyste 30, lone 23, ringe 34, abte 38,
as. tage 14. 16, czweige 14, sale 15, atifange 16, lobe 17, lone, sohle 19,
teylc 24, heile 31, rate 35, preise 39 und ns. note 17. Dieses deukmal legt
Zeugnis ab, wie gelehrte humanisten l)ewusst an der sprachlichen restitution
arbeiteten, und es verdient als Vorläufer der im 17. jh. einsetzenden be-
wegung alle beachtung. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass um jene
zeit der ostmd. sprachtypus einer eindrucksvollen, allgemeine ancrkenuuug
heischenden literatur ermangelte, und es kann doshalb von einer abhängig-
keit nach dieser seite bei Arigo keine rede sein; er wird vielmehr allein
von dem bestreben geleitet, die überlieferten, von der Volkssprache ver-
kürzten formen widerherzustellen.
In den schritten alemannischer herkunft ist mit strenger consequenz
das end-e beim masc. und neutr. Substantiv abgestossen. Die Stretlinger
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II. 287
Chronik, Brant, Pauli, Manuel, Morgant der riese, die Haimonskinder —
alle weisen apokope in allen declinationsklassen des masc. und neutr. auf.
Erst der gelehrte schnltheiss von Colmar, Boner, wendet in seinen Über-
setzungen zuweilen den analogischen pl. an, oftenbar unter dem einfluss
nid. Schriften: g\). tliier Gros. 6, a^. seil 8i, n^. kleinot 117, imyt.land Justin
7. 103, ap. thier 100, ebenso Avie np. leib Justin 118, mörd 77, ap. töd Si,
först Gros. 14, last 30, u-äld 113 u.v.a.; daneben ap. lande Justin 2. 105,
np. Pferde 110, ap. schiffe 59. Dasselbe Verhältnis Avaltet bei Wolfbart
Spangenberg ob und noch in dem Frantzösischen Simplicissimus vom
jähre 1682. •)
Den Ostfranken von Eosenblut bis Ayrer sind alle flexivischen und
stanimhaften e des Substantivs mit einigen ausnahmen abhanden gekommen,
daher auch beim neutrum kein e im ganzen plural. Nur Albrecht von Eyb
hat mit der widerherstellung des end-c beim starken masc. und fem. auch
auf die neutra das e übertragen. Neben den pl. dinge, pferde, ifcrcke, laiye
erscheinen bei ihm die alten endungslosen formen.
Von den rheinfränkischen denkmälern sei erwähnt, dass Stade
beide formen gemischt auAvendet, was mit seiner dialektisch gefärbten,
stark zur apokope neigenden Schreibweise in eiuklang steht: ngp. schiff
100. 101, ap. ding 90. 113. 131. 132, fest 122, np. ivort 132, ap. hott 162,
np. merschivein 162, np. thiei- 170 und ap. pferde 96, nap. schiffe 101. 106.
112 u. ö., ap. fasse 108, nagp. dinge 91. 92. 93. 185. 196, nap. beinc 133.
180. 190. Im Faustbuch ist das seltene vorkommen der e-form auch auf
die neigung zur apokope zurückzuführen. Es erscheinen nur pl. rche -18, 12
und pferde 105, 3. 104, 12. 17. Bei Hock (1601) überwiegen die endungs-
losen formen: np. schaff 16, nap. bein 24*. 35, ap. rofs 33; ap. lande 39*.
Unter den ostmitteldeutschen Schriften greifeich zu dem material
über Riccius (1567). Die masc. a-, ^■-stämme haben das endungs-c mit gering-
fügigen ausnahmen bewahrt: np. gürte Georg. 44, nap. sterne 61. 66, np.
krauche 62. 64, np. streiiche 88, ap. stänune 37, fö7'ste 150, np. hayne 144;
nap. forst 28. 111. 137, ap. hcdm 29 (man beachte den niangel des umlauts;
bei pl. forst und hcdni wäre sehr wol an eine rückwirkung der neutra zu
denken), np. hayne, icelder und formte Post. Georg. 10, np. Sterne 25, np.
helde 38, liichse 44, nap. hirsche 60. 87, nap. leibe 109. 164. Ganz anders
sieht es bei den neutra aus. Die ererbten formen halten den neuen un-
gefähr die wagschale: nap. schaf Buc. 153, Georg. 144, Post. Georg. 2. 48.
49, nap. schicein Buc. 151. Georg. 157. Post. Georg. 2, np. reeh Georg. 135,
ap. rofs Post. Georg. 10. 11, nap. thier 10. 63. 94. 161, ap. netz Buc. 44,
ap. landt Georg. 156, fest 158, ioch 160, ding Post. Georg 9. 93, Schien-
bein 11, np. icort 159. — ap. schafe Buc. 20. Post. Georg. 47. 49. 51. 61.
62, nap. pferde Georg. 160. Post. Georg. 9. 11. 26, ap. öhre Buc. 89, ap.
netze Post. Georg. 132, nap. schiffe Georg. 146. 147. Post. Georg. 51. 59,
*) In diesem werke findet sich neben der correcteu form as. bollwercJce
441, feuerioercke 452, die beweisen, dass obd. Schriftsteller in dem bestreben,
ihre Schreibweise der md. Schriftsprache anzunähern, auch fehl griffe tun
konnten.
288 MOLz
ap. bnude Post. Georg. 150, leine 14. 80. Eine stelle, <lie recht deutlich
beweist, dass das bewxisstsein für die ursprüngliche endungslosigkeit noch
rege ist, möge hier platz finden: wie da sind schaff, ziegen, schwein, hunde
l\ Georg. 2. In Luthers spräche treten die neuen formen nur manchmal auf
(Franke s. 102), und auch bei Mathesius ist das e fast durchgängig noch
nicht angetreten. Der pl. pfcrdc ist bei ihm vereinzelt. Luther und Ma-
thesius zeigen also ältere formen als die rund hundert jähre früher ent-
standene Thüring. chrouik. Opitz, Zesen und andere haben den aiisgleich
durchgeführt.
Der Niederdeutsche Kantzow (um 1.535) hat, seinem heimatlichen
dialekt entsprechend (vgl. Lübben, Mud. gr. § 70, s. 98), den auf c ausgehenden
pl. fast stets angewendet: ap. land 12. 13. 20. 117, etliche jar \1, drei/ jar
18, schaff 24.") sind die wenigen alten Hexionsformen. Daneben erscheinen
die zahlreichen neubildungeu: na^. lande B. 144, &^.vierzehenjare 18, lange
und viele jare 21, ap. böte 28. 224. 225, nap. stifte 31, ap. thore 37. 186.
187, dinge 50, nap. schiffe 5. GO. 126. 150 (aber ap. taicsent und eilf schiff
60), ap. beine 149, pferde 146. 245, np. schaffe 159, ap. rehe 247, schiceine
245, np. iyre 251. Der vereinzelte acc. sing, stifte 118 (vgl- auch dazu
Lübben a.a.O.) ist der aualogischen Wirkung der Ja-stämme zuzuschreiben.
Hocker, und Julius von Braunschweig stehen den Obersachsen viel näher
als Kantzuw. Den mhd. formen ap. ding Hocker. 1. 26. 253, np. die haar
283, nap. thier 287. 288, np. die schaf 247, ap. sieben tausent schaf 244,
drey tausent canicel 244 reihen sich an ap. thiere 71, pferde HO, np. schlacht-
schafe 250. Julius von Braunschweig wendet pl. haar stets ohne analogi-
sches e an; neben den pl. ding, schicein, urrk, irort erscheinen die pl.
dinge, pferde, rechte, schafe, werke, tcorte. Auch Job. Arndt (^^'ackernagel,
D. leseb. 3, 507 ff.) kennt noch die alten formen : ap. ticr und nap. icort ;
daneben erscheinen ap. ticre, gj). werke uud der pl. dinge. Gryphius und
Simon Dach entbehren die mhd. form. Pülmann 1671 gibt in seiner Gramm,
das uhd. paradigma von bein und pferd.
Xacli diesen feststelluiig-eu ist die frage noch zu beant-
worten, wann die nlid. formen zur allgemeinen durclifüUrung
gelangt sind, Haben Luther, ]Mathesius, Eiccius, Julius von
Braunschweig und sogar Job. Arndt das gef iihl für die endungs-
losigkeit im nom. acc. pl. der neutralen a- stamme noch nicht
verloren, so wird bei Opitz im Buch von der deutschen poeterei
und in seiner Argenis, bei Zesen im Ibrahim die durch-
dringung der starken flexion des masc. und neutr. auf den
Schild erhoben. Die grammatiker schwanken in ihren angaben:
während Clajus schon 1570 das nhd. paradigma von schwcin auf-
stellt, verharren Albertus (1573), Eitter (1616) und Schoepf (1625)
bei der alten flexion mit Schwund des e im gen. pl. Brücker
(1620) kennt nur noch den nom. acc. pl. dinge, pferde. Freilich
unterläuft diesem grammatiker ein grosser irrtum insofern, als
NHD. 8UBSTANTIVFLEXI0N. II. 289
er im gen. pl. pf erden ansetzt, eine form, die ausserhalb des
alem. gebietes keineswegs zur regel geworden ist. Scliottel
gibt als muster die nlid. flexion von schiff mit bewalirung des
e im gen. und dat. sing. Die Verschiebung der neutralen
a-stämme ist also zu anfang des 17. jh.'s zu ende ge-
führt worden.
Eeste der alten flexionslosen form haben wir in
Zählungen: dreimal] drei lot, drei pfund\ drei stück, drei buch;
drei mass, drei schock. In älterer zeit ist auch jähr in der
Zählformel oft ohne e erhalten: vier jähr Weise 169, und sie
sind erst zwanzig jähr alt Lessing, J. gel. 316. Die flexions-
lose form findet sich aber nicht nur in Verbindung mit zahlen,
auch unbestimmte numeralien treten mit ihr zusammen: etliche
pfund pomade Weise 32, unsehliche mahl Lehms 107, etliche
mass ivein Buchholz 416. Wenn sich in solchen formein der
alte pl. erhalten hat, so liegt das einmal an der grossen
häufigkeit ihrer anwendung, wie Behaghel, Germ. 23, 279 dartut,
dann aber war die flexionseudung in zahl- und massangaben
allerdings entbehrlich; denn der pl. war durch das zahlwort
ausgedrückt, die blosse bezeichnung der art des masses genügte
dem Verständnis. Im nhd. hat der dat. seine endung in der
Zählformel eingebüsst, er unterlag der einwirkung des nom.
acc. pl.: z. b. mit zivantsig stuck geschütz und hundert pfund
schiess-pulver Simpl. 510. Der analogie der zählformeln mit
neutralem massbegriff folgen nach langem schwanken in nhd.
zeit die masc. fuss, schuh, schritt, soll. Auch ist die bewah-
rung des alten consouantischen pl. ma?in durch den einfluss
der neutralen massbestimmungen begünstigt worden.
Berührung mit den masc. t-stämmen.
So Übereinstimmend auch die flexion der neutralen a-stämme
mit den starken masc. ist, so unterscheidet sie sich doch wesent-
lich dadurch, dass sie dem umlaut, für den jede historische
grundlage fehlt, mit ausnähme einiger neutra auf -er keinen
eingang verstattet hat. Es ist bei der durch das geschlecht
zusammengehaltenen engen gruppenverbindung mit den neu-
tralen j/a- Stämmen erklärlich, dass die anziehungskraft der
masc. «-Stämme im allgemeinen nicht ausreichte, einen neutralen
«■-pl. hervorzurufen. Wenn trotzdem hie und da umgelautete
290 MOLZ
lilurale auftreten, so geben diese einen deutlielien beweis für
die stärke und nachhaltigkeit der niasc. «-stamme. Doch das
fehlen des umlauts als pluralischen kennzeichens innerhalb der
neutralen wortgruppe rief solche bildungen immer wider in
das System zurück, kein neutraler v-pl. wurde in der spräche
dauernd befestigt.
Wcinhüld, Mlid. gr.^ s. 487 belegt i)\. jyfcnde (: oide) j. Tit. 417o,2.
Kelirein s.lSOf. gibt folgende beispiele: gp. sc/i ä//" 4. BibeUibers. 1. Mos. 40,32,
up. niiifs Münster 154, np. rö/s Dieteubergers Bibel 4. Kön. 3, 7, scAä/ Marc.
6, 34, dp. schäfen Jud. 8, 7, np. hünd 1. Mos. 49, 24. 3. Mos. 26, 13, ap. länd,
dp. landen Jud. 3, 9. 13, nap. höre Hes. 5, 1. Matth. 10, 30, dp. hären Marc.
7,38, die unterpfände Spee, dp. heicei ['stimmen ebda.
Von den Wörtern auf -tum, die der analogie der niasc. irrlum, reichtum
ausgesetzt waren, gebraucht Luther heiligthüme Hes. 21, 2, gp. fürstenthüme
Spr. 28. 2 neben ap. hisiumb und fürstenthumm (nach Francke s. 1G3 f.). Arndt
gebraucht auch den pl. furslenthümhe (nach Kelirein s. 181).')
Ich habe gefunden:
I. In b airischen denkmäleru:
np. die thör Aventin 1, 762, 31 np. fänt Aventin 1, 628, 18. 35
ap. die tür ebda. 2,273,2. 533,24 und np. die spitäl Nass, Hauspr. 222 und
ap. die tor ebda. 1,028. 18. 35 ap. spitäler ebda. 243
np. thor Schaidenreisser 37 ap. müuh* Mich. Beheiiu 145.
IL In schwäbischen deukmäleni:
ap. furstentümb Tünger 112 gp. vil der blaicen mühl Spreng 331.
III. In alemannischen deukmälern:*)
gp. spitülen Wyle 171, 11 dp. hy drü tind dryssig jären Mor-
gant 323, 12.
IV. In ostfränkischeu denkmälern:
pl. mäfs Albertus 85.
V. In ostmitteldeutschen denkmäleru:
Im md. kommt neben hand(e) pl. hende vor, Lexer 1, 123.
ap. 2)€rhjn hende ürkb. d. st. L. 290 (1403)
dp. cmpten Luther 23. 340 neben gp. amjHe und dp. ampten
pl. ampte und empie neben cmpter Luther nach Franke s. 168.
*) Zu haiq)t bestand die nebenforra hiiupt, und Kehreiu setzt den pl.
lumpte fälschlich unter die umgelanteteu pluralformen. Vgl. us. häupt
Nass, Widereinw. 93. Greflinger, Weltl. lieder 20 und anhang 35, ds. lumpte
Opitz, Argenis 42. Aus noch älterer zeit: nap. hexdjt Urkb. d. st. L. 278 (1402);
ferner ds. heulte Riccius, Buc. 91 und Zesen, Ibrahim 000.
^) ap. morde Urkb. d. st. Fr. 1, 561 (1308) ist offenbar auf rechnuug des
masc. genus des wertes zu setzen. Boner wendet mord als masc. und neutr.
an (Justin 20. 37), Wolfh. Spangenberg nur als masc. s. 254. 268.
NHD. SUBSTANTIVFLEXION, IL 291
VI. In niederdeutschen denkmälern:
ap. böte Kantzow 2190 "nd "P- ^''*«^ Gryphius 65,502
ap. böte ebda. 221 ap. armbende Kantzow 2 ra. 7
np. fischerböte Frenssen, Getr. 5 ap. bimde Buchholz 185
gp. thöre Sim. Dach 238 pl. bände ebda. 333. i02.
Aus Gortzitza 1 ist noch zu nennen:
pl. röhre An. Grün, Spaz. pl. arsenäle H. v. Kleist.
pl. portale und portale H. v. Kleist
Der pl. pfände ist im nhd. nur noch hei Aventin und Spee belegt;
brand, rand, stand mögen die vermittelung des umlauts bewirkt haben.
Die formen röss, länd, häre in Dietenbergers Bibel , der pl. schuf in der
4. Bibelübers. und bei Dietenberger sind überraschende bildungen, die auch
im dialekt der betreffenden gebiete nicht heimisch sind (vgl. Friedrich s. 53).
Bei dem pl. spitül ist zu erinnern, dass bei Nass spitaler auch der kranke
im spital bedeutet (Hauspr. 141). Der pl. spitäler konnte doppelsinnig sein.
Für den eintritt des umlauts sind zur erklärung die pl. äl(e) (z. b. bei Spreng,
Ilias 293. 297), sül(e) heranzuziehen. Auch die formen mal und teil stehen
damit in Zusammenhang, bende ist ein schon im md. der älteren zeit oft
vorkommender plural , der ähnlich wie pfende aus der analogie der func-
tionell gleichen masc. reimwörter entsprungen ist.
Auf masc. geschlecht beruht dp. flössen Federm. 66. 67; einen, den floss
ebda. 24.
Von den wa- stammen miisste auf lid. gebiet strö in-
lautendes tv lautgesetzlicli einbüssen. Ganz vereinzelt ist das
stammhafte iv des gen. und dat. sing*, auf den acc. übertragen:
as. stroiü Äsop 168, und erhalten ist es im ds. mit einer pusclüen
stroiü Haimonsk. 49, 29, vgl. as. stro Myusinger 79, Albertinus
57. 123, ds. stro Kantzow 192. Eine weiterentwickelung ist
nicht eingetreten. In as. höiv Äsop 168 kann tv nur als
g:raphischer Stellvertreter von u angesehen werden. Knie hat
nur in alem, denkmälern das iv des Inlauts gewahrt: gdp.
Jcnüwen Stretl, ehr. 139, 18, ap. Jcnüiv Haimonsk. 69, 17. Eine
ausbreitung des tv auf den nom. acc. sing, und pl. ist sonst
nicht erfolgt. Eine form Vmih ist nicht zu belegen. Erwähnens-
wert ist in diesem Zusammenhang part. perf. gespihen Nass,
Widereinw. 137 und praet. spih Spreng, Aen. 57, wo inlautendes
lü zu & entwickelt erscheint. Die 3. pers. sing, praes. ind. lautet
1) Die form kann nicht mit voller Sicherheit für den t-pl. in anspruch
genommen werden. Kantzows hd. ist in der bezeichnung des umlauts un-
zuverlässig ; es findet sich z. b. as. einen söhne 220, wo gewis kein umlaut
gemeint ist.
292
MOLZ
außspeyet Nass, W. 229 und der Infinitiv {aufs)s])eihen Spreng,
Aen. 2G3.
Der «'«-stamm 7nel, mcltves bleibt im fiülinlid. auf
einem grossen teil des spradigelnetes durch den Wechsel des
Stammauslauts dem völligen anscliluss an die a- stamme fern.
Nachdem die Wandlung des w nach l, r zum labialen ver-
schlusslaut b eingetreten, bekam das paradigma von mel
folgende gestalt: ns. mel, gs. mclb{e)s, ds. melb{e), as. mel.
Nach dialektofebieten gesondert sind anzumerken:
ns. mel B. d. natur 385, 22. 413, 20
ds. melb ebda. 349, 16. 389, 22. 403, 3
as. mel ebda. 413, 4
gs. vielbs Myusiuger 71. 86
ds. mel ebda. 66. 67
gs. melbs Angsbiirg 2 (um 1450),
181, 10. 180, 1. 9
ds. melb ebda. 179, 25
as. melb ebda. 179,27. 180,4. 16. 1S1,7
gs. 16000 vialter melbs Augsburg 3,
193, 13 (1462)
as. melb ebda. 209, 10 (1466)
ds. mele Decam. 63, 31
gs. melwes Geiler
gs. melbs, mels ebda,
ds. mal Früreisen 226
gs. melbs Nürnb. 4 (1450), 176, 9
US. haiclelmel ebda. 176, 12
as. mel SpejT. urkb. 485, 25 (1350)
gs. meels Mainz 1, 124, 1
gs. meles Matth. v. Bebeim
ns. mehl Urkb. d. st. L. 2m. 274 (1460)
as. meel ebda. 3 m. 173 (1444)
nas. mel Job. Eothe 652. 243. 441, 1
gs. mehls Kautzow 123.
as. mel ebda. 71
gs. mäls Schaidenr. 8
ds. melb ebda. 43
as. melb, mal ebda. 8
ds. meel Grefliuger, Dr. kr. 104
US. senfmel Äsop 325
gs. melbs ebda. 312
das. mehl Krafft 101. 133
gs. 7)uihls Spreng, II. 150
as. vtchl ebda. 151. Aen. 75
as. meel Bouer, Suetou 77
gs. 7necls Simplic. 336
as. meel ebda. 443
gs. melbs 4. Bibelübers. 2. Köu. 25, 14
ds. 7)iell (: hell) Hock 54
ds. mele Job. Rotbe 441
gs. meels ebda. 483
das. mehl Riccius, Buc. 124
Bei dem ««-stamm mel rangen je zwei casus miteinander
um die herschaft. Schliesslich hat die form des nom. acc. auf
dem ganzen gebiet gesiegt, aber der kämpf war in den einzelnen
Sprachgebieten von verschiedener dauer. Es tritt hier eine
scharfe Scheidung zwischen Ober- und Mitteldeutsch-
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II. 293
land hervor: in Mitteldeiitschland haben nom. und acc. nach
aiisweis der Urkunden von Spej^er und Leipzig- und nach dem
Zeugnis von Rothe frühzeitig die oherhand über die übrigen
casus erlangt. In Oberdeutschland beobachten wir durchweg
eine lautgesetzliche weiterentwickelung der mhd. formen. Im
Buch der natur finden wir noch eine sichere trennung der casus
durch den stammauslaut. Auch in Steinhöwels Äsop (1470)
und in der 4, Nürnberger chronik (1450) ist noch die lautliche
trennung im stammauslaut der casus aufrecht erhalten. Doch
ist darauf kein besonderes gewicht zu legen, da das aus-
schliessliche vorkommen der echten formen zufällig sein kann.
Daneben tritt schon um dieselbe zeit bei IVfynsinger eine ana-
logische mischung der formen mel und melb auf, und in den
Augsburger Chroniken 4 und 5 ist zugleich, im reinen gegen-
satz zur md. ent Wickelung, die tv-iorm in der ganzen flexion
herschend geworden. Doch blieb die nom.-acc.-form, die durch
Zusammensetzungen wie mell-asten gestützt war, vor dem
Untergang bewahrt und dringt in der ersten hälfte des 16. jh.'s
allgemein durch. Damit war dem streben nach einheitlichkeit
der benennung eines so wichtigen Verkaufsgegenstandes genüge
geleistet. Der Münchener Schaidenreisser ist der letzte, der
die form meih noch kennt und im Wechsel mit mel anwendet.
Die Wörter melher und melberei, die noch heute im bair. heimisch
sind, suchten die form mclh in der spräche einzubürgern, vgl.
Schmeller, Bayer, wb. 1, 1587, 1.
Das fremdwort plmlive, phülive swm. zeigt im uhd.
Verlust des iv, das sonst in der lautgruppe Itv, nv zu h ent-
wickelt wurde. Die nhd. form findet sich schon bei Rothe:
ap. ^/io/e {= p fühle) 337; vgl. gs. gelber färb ebda. 14 und
später bei Riccius dp. pfiilen G. 98, nap. pfüle P. Gr. 70. In
schwäbischen Schriften finde ich meist g als Vertreter des
hd. b: as. p>fidgcn masc. Krafft 150 und ds. pfulben ebda. 88,
vgl. ns. eine falbe durteltauh 132 und sclimirben 208, scJimir-
bung 197; ein tveisser pfulg Henisch 340; ap. pfiilgen Spreng,
Aen. 19, ap. pfiilgen Spreng, II. 122. Mit Verlust des nach-
consonantischem iv. 2i^. phulüen Weckherlin 2, 286. 369. Nach
md. Vorbild schreibt Greflinger as. pfiil W. 1. 90*. Die discre-
panz in der lautlichen entwickelung muss in der natur des
fremden v ihre erklärung suchen.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. 20
294 MOLz
Nach / finde icli noch vereinzelt bewahriing- des ic in np.
schatwen Riccius, P.Georg. 85; nsiS. schatten ebda. 94. 96.
Der ?<-stamm vihe ist nnter dem einfluss der nentralen
a-stämme im nlid. seines end-e verlustig gegangen.
nas. vihe Urkb. d. st. L. 161 (1442). 3ül (14ü4). Juh. Rotlie 78. 40G.
Eiccius, Post. Georg. 2. 12. — Kantzow 27. 284. 285. Jul. v. Braunschw. 3 m.
— Faiistb. 113, 19. Stade 187. Hock 197 u. ü.
nas. vih Riccius, Buc. 11. P. Georg. 2. — Kantzow 135. — Hock 48. 197.
264. 274. Luther bat meist vieh.
Der «-stamm verdient noch von anderer seite beachtung. Auf obd.
und auch md. bodeu tritt seit dem ende des 13. jb.'s mundartlich an stelle
des inlautenden Ji die sp Irans eh. Die form vich ist in allen obd.
Schriften des 15. und 16. jb.'s herschend. Einige belege mögen erwähnung
finden, nas. vich Schaidenreisser 36, ap. ebda. 75. Nass, Widerein w. 129.
Albertiuiis 69, ap. ebda. 39. Asop 168. Federmann 6. Zuweilen besteht
schwanken: as. vich Krafft 90, vieh ebda. 59; bei Spreng steht die mund-
artliche form neben der hochdeutschen; ds. vihe Aen. 156, gs. viehes II. 140.
— das. vich II. 21. 151. 265, gs. vichs Aen. 156. Von den Alonannen ist
Boner noch der heimatlichen form treu: gs. vichs Just. 7, das. vich ebda.
7. 74. Der Kheinfrauke Hock schwankt: ds. viech Hock 22*. 48, us, vieh
ebda. 48, ds. vihe ebda. 266. Im osten des mittleren Deutschland ist die
form viech selten: ns. viech Luther 23, 372. Vereinzelt ist sie bei Kantzow
ds. viech 36. Das aufgeben der spirantischen form verrät anschluss an die
Ostmitteldeutschen. Bei Krafft und Spreng herscht schwanken. Greflinger
O'erst. gärtn. 157). Birk. 128. Wolf h. Spangenberg 6. 7 geben der historischen
ostmd. form den Vorzug. Schon in der reformationszeit blieben die Ober-
deutschen von der md. spräche nicht unbeeinflusst. Neben vich gebraucht
Nass as. viechstall Widereinw. 131, aber von diesem viehischen Jiumlslütumel
ebda. 135, vihisch leben ebda. 143. Aehnlich Albertinus die viechische »»-
keuschheit 2, ein viehisches leben 76.
Ich schliesse hier die betrachtung von rech, rehes stu.; schuoch,
schuohes stm. und vlöch, vlöhes stm. an. Die Schriftsprache hat nach
verstnramung des h im inlaut die verkürzte form des Stammes verallgemeinert.
Auf ostmd. boden sind in der Schriftsprache nur geringe spuren des spiran-
tischen auslauts dieser Wörter nachweisbar; ap. sehne Urkb. d. st. L. 47 (1380).
176 (1444), dp. schuen ebda. 266 (1463) und mit bewahruug des auslauten-
den ch US. schlich ebda. 176 (1444); ap. schu{e) Rothe 69. 79. 173, ap. floe
ebda. 14. Der Niederdeutsche Kantzow kennt nur np. scho 193. 241, ap.
rehe 225. 245; Hocker, hat ap. schlich 64. 305. Luther hat noch in der
Bibel von 1545 oft schlich; auch begegnet bei ihm noch floch: Franke 51 f.
Später noch as. schlich Buchholz 118; daneben ns. rehe 3 m. ebda. 207. In
obd. Schriften hat sich ch gehalten und wurdo in den mit h gebildeten
casus durchgeführt. Dabei kann allerdings nicht scharf auseinander ge-
halten werden, ob es sich hier um den sieg des ursprünglichen, im auslaut
stehenden ch oder vielleicht um eine spätere Wandlung des inlautenden h
NHD. SUBSTANTIVFLEXrON. U. 295
ZU ch handelt. AVeiuhold, AI. gr. § 222 und Bair. gr. § 183. Vgl. dagegen
Paul, Prinz, d. sprachgesch.' cap. v, s. 109.
Einige belege aus dem 15. und 16. jli. seien erwähnt:
ds. ap. puntschiiech Aventin 2, 153, dp. schtihen Nass, Hauspr. 155
10. 11. 18 np. flöh ebda. Widereinw. 129; aber
np. schuech ebda. 153, 13 gap. flöhe Grefl., V. g. 39. 43
ap. Schuck Schaidenr. 65. Albert. 10 ap. schuhe ebda. 180
dp. hendschuhen ebda. 100 ns. re/t Birk 103
ap. schlich Nass, Widereinw. 51. 91
gp. recher Decam. 238. 35 ap. schlich : tuch Spreng, II. 14:
dp. rechern ebda. 93, 27. 94, 21 ap. flöch Krafft 284
ngp. Jientschuoch Tanger 122 dp. rehen ebda. 78. 415
s. u. p. schuch und schuh Krafft 54. as. rechbockh ebda. 415
83. 103. 204
ap. schuoch Haimousk. 1, 24 gs. flochs ebda. 176
agp. floch Boner, Oros. 46 np. flöh, dp. flöhn ebda. 175. 198. 199
dp. flöhen ebda. ap. schuh ebda. 198- 206
ap. schuch ebda. 52 as. kindschuh Wolf h. Spangenb. 55.
nds. floch (: noch) Fröreisen 175. 205 186
ns. rech Hock 69 pl. rehe Faustb. 48, 12
gp. floch ebda. 56
Beachtenswert bleiben die formen von Schaidenreisser und Nass, die
beweisen, dass sich der dat. pl. dem ausgleich entzogen hat. Bei Fröreisen
ist ch im ganzen sing, von floch durchgedrungen, AA'ährend sich im pl. das
h behauptet hat. Greflinger, Birk, autoreu des 17. jh.'s, haben die in Mittel-
deutschland meist üblichen formen angenommen.
Neutra mit -l, -»*, -n-suffix.
Die neutra mit -l, -r, -n-suffix haben im nlid. durch den
Untergang einer reihe von Wörtern einbusse erlitten: lamel,
stuodel, vasel\ vluder, serher\ houchen, gamcn, lacJien u. a. sind
in Vergessenheit geraten. Im nhd. erscheinen noch folgende:
hündel, segel, sieget, rudel, dunJcel, mittel, übel; alter, Itanner,
feuer, fieher, fuder, fiUter, gatter, gitter, kloster, Impf er, leder,
lager (läger), laster, luder, matter, messer,muster, oi3fer,]}olster,
pidver, ruder, silher, ufer, ivasser, ivetter, ivunder, zepter, nimmer;
hecken, eisen, fohlen, füllen, gehrechen, hissen, lehen, zeichen.
Zu den auf -n gebildeten Wörtern treten die substantivischen
inflnitive wie lehen, wesen, leiden, mitleiden, essen, schreiben,
verlangen, versprechen. Flexivisches e war im obd. bei den
20*
296 MOi.z
nielir.-^ilbigen Wörtern auf -7, -r, -n stets gcscliwuiulen. Im md.
linden sicli in der friilinlid. zeit nocli einige formen mit voller
endung: gs. Jchcncs Veter buch 44, 21. 4C, 25 neben gs. lehens
C9,0, ds. Uhene ebda. 6,4. 80,17. 81,6, ds.Mostere ebda. 73.4,
seichcne ebda. 44,9 neben ds. Idosicr ebda. 77,1. 2. 17. 78,15,
tva^^cr 11, 12. 14, 20. In den Leipziger Urkunden und bei Eothe
sind solche vollen formen nicht anzutreffen. Jüngeren, rein
analogischen Ursprungs ist np. clöstcre Urkb. d. st. Fr. 514 (1368)
neben düster ebda, und Uöstcre Hocker. 11. vorr. Als ausnähme
erscheint ap. ivassere Kantzow 263. Auf die volle form geht
dp. Ulmen (= leiten) Rothe 253. 254 zurück, vgl. masc. auf -el,
■er, -en Beitr. 27, 255.
Nach der diphthongierung der alten längen musste sich
das Paradigma von fiur so gestalten: nas. (euer, gs. feures,
ds. feiirc. Dieser Wechsel Avurde natürlich früh zu gunsten
der nom.-acc.-form beseitigt, und es finden sich in den denk-
niäleru nur wenige spuren seines wirklichen bestehens.
ds. feirre Job. Rothe 24. 223 neben ds. fiier ebda. 26 und nas. feiier
17. 90. 91. 99, nap. feu-er 99. KantzoAv hat nas. feicr 54. 80. 84. 210, gs.
fetires 85. 210, ds. fewre 2 m. 80 neben dem analogischen ds. feur 80. Bei
Eicciiis ist der ausgleich durchgeführt : gs. fcwcrx Georg. 16, das. fcicer ebda.
17. 102. Boner hat im Justin neben der lautgesetzlichen form as. feüre 7,
ds. feur 7; hier ist natürlich nur an eine hyperhochdeutsche analogie nach
den ja -Stämmen zu denken. Im obd. Sprachgebiet hatte die apokope das
Zustandekommen der lautlich verschiedenen formen verhindert; eine aus-
nähme macht die composition ds. fctnrsflavuu Wolfh. Spangeub. 54. 212;
vgl. geier Beitr. 27, 265.
Der Umlaut hat im plural nur äusserst selten eingang
gefunden. Herschend geworden ist er bei Icloster vom an-
beginn der nhd. zeit:
np. düster Urkb. d. st. Fr. 1, 514 (1368), dp. Clustern Decam. 10, 15. 208, 12
u. ö. Bei Joh. Rothe 163 und Kantzow 204. 243. 245 ist der ap. dosier wahr-
scheinlich nur als graphische uuvoUkommenheit anzusehen.
Der pl. ivässer verhält sich zu dem pl. irasscr wie händer
zu lande; nur ist der pl. tcässer nicht so allgemein gebräuch-
lich; er ist eine kaufmännische bezeichnung für versehiedene
arten von mineralischen tränken und zubereiteten flüssigkeiten.
Im sinne von Avassermassen, bächen. Aussen, seen, meeren ist
allezeit der pl. tvasser in anwendung geblieben:
in diese OstseJie gehen viele schißreidie tvasser Kantzow 237, die wasser
NHD, SUBSTANTIVFLEXION. II. 297
und die hrmmen all Spreng, II. 293 und so nap. wasser Decam. 419, 26.
Haimonsk. 92,20. Eicciiis, Georg-. 78, die zwai wasser Aventin 1, 637,
. . . fontainen mit den woMriechendsten wassern gefüllet Lehms 211. Einen
frühen beleg für den umgelauteten plural bietet das Buch der natur: vil
wä^^er mügent die lieb niht erlescJien 438,31. Der pl. weisser Avird schon
ganz in unserer anwenduugsvveise von dem Baier Albertinus gebraucht.
Die stelle möge hier folgen: es waren in irer apotecken allerhand spece-
rcyen vnnd köstliche distillirte icässer, von purper, Jcirschen vnd andern
mehr Sorten, so man zum anstraichen der fraicen vnd jungfrawen angesicMer
zu brauchen pfleget 51, vgl. pl. ivasser im andern sinn bei dem Müuchener
Schaidenreisser 8.
Dieses Verhältnis der beiden plurale ist also nicht so jungen
datiims, wie es vielleicht auf den ersten blick erscheint, und
es hat sich in der nhd. zeit bewahrt, von einigen abweichungeit
bei Spee {äher tausend ivässer) und Abraham abgesehen.
Albertus und Braun setzen den pl. ivässer an, und es liegt
nahe anzunehmen, dass beiden dabei die kaufmännische be-
zeichnung vorschwebt.
Im nhd. hat lag er das mhd. leger verdrängt, ebenso wie
legem durch lagern ersetzt worden ist. Vielleicht beruht die
nhd. form auf angleichung an läge f., das in der bedeutung
'niederlage, waarenlager' mit leger in Verbindung steht. Oder
wurde sie legerten in sie lagerten nach sie lagen umgebildet?
Die form lager erscheint in der älteren zeit mit leger im Wechsel; so
bei Job. Rothe 563. 609, lager Luther 23, 362, Eiccius, P. Georg. 94. Buc. 145.
Kantzow 70. 127. Die alte form hält sich bis weit in die nhd. zeit, beson-
ders in Oberdeutschlaud. Wilmauns 2, § 215, 2 denkt sich den sing, lager
aus dem pl. leger entsprungen. Diese herleitung ist deshalb unwahrschein-
lich, weil in ähnlichen suffixalen Worten wie in der ganzen klasse der
neutra der uuilaut als pluralzeichen so gut wie nicht besteht. Auch scheint
mir das nebeneinander beider formen gegen die von "Wilmauns gemachte
annähme zu sprechen. In dem pl. läqer bei Lessing, Schiller, H. v. Kleist
erblicke ich nur eine functionelle Scheidung der vorher bestehenden formen
lager, leger. Von dauer aber konnte diese Unterscheidung nicht sein ; denn
dem fehlen eines pluralische fuuction ausübenden umlauts im neutrum wider-
strebte solche trennung.
Ausser in dem pl. Master und dem begrifflich beschränkten
pl. ivässer hat sich der umlaut nicht durchgesetzt. Der umlaut
hat im neutrum als functionelles unterscheidungsmittel keine
Stätte, und die geschlechtsgemeinschaft hat die neutra auf -er,
-el, -en zurückgehalten, sich des umlauts als eines pluralischen
kennzeichens zu bedienen. Hinzu kommt, dass die neutra auf
298 MO LZ
-er, -vi, -cn auch mit den männlichen suffixalen bildungen durch
den gleichklang des auslauts verbunden sind. Da aber die
niehrheit jener masc. des umlauts entbehrt, ist mit dem gleichen
auslaut der masc. und neutr. l-, r-, n-stämme die Übereinstim-
mung der form in sing, und plur. verquickt. In der ersten
Periode der nhd. sprachentwickelung haben eine reihe von
männlichen stammen dieser gruppe den pl. umgelautet und
sind später durch die macht der nicht umlautenden Wörter ihrer
klasse genötigt Avorden, das pluralische element fallen zu
lassen. •) Es will scheinen, dass die stärkere oder schwächere
besetzung mit nicht umgelauteten pluralformen in der in rede
stehenden masc. klasse auf die suffixalen neutra nicht ohne
einfluss geblieben ist. Freilich kann diese abhängigkeit bei
der engen gruppenverbiudung der neutra unter sich nur sehr
zufälliger natur sein. Dietenberger, der auch bei den «-stammen
Aviderholt den umlaut anwendet (siehe s. 290), nimmt auch hier
eine Sonderstellung ein. Die acc. pl. hrandöpffer 3. Kön. 3. 4,
schlachiöjiffer J er. 6,20 (nach Kehrein 181) begegnen sonst nir-
gends. Abraham \mt schiff' und rüder {-.hrüder) Primeln 1700.
Mir ist nur begegnet: piss in die dunkel der nacht Decam. 570,6
und ap. pölster Schaidenreisser 10 zu ns. pulsier n. 81. Der
pl. pölster, den ich auch bei Aventin belegt habe (siehe unten,
anm.), ist wol noch auf rechnung des im mhd. üblichen männ-
lichen geschlechtes des Wortes zu setzen: mit dem wandel des
geschlechts war der umgelautete pl. nicht gleich erloschen,
und es ist dies ein schönes beispiel, wie der geschlechtswechsel
die grenze in der function des umlauts zwischen masc. und
neutr. ver-vAischt hat.
') Ich habe Beitr. 27, 259 solche formen aufgezeichnet und die hoffiiung
ausgesprochen, die angeführten belege mehren zu können. Es sind fast alles
masc. mit /--suffix, die hier in betracht kommen:
')
ap. änger Decam. 388, 32 ap. hcwschöber Krafft 70
dp. ängern ebda. 418, 2 dp. in im sümmern Urkb. d. st. Sp.
ap. gätter, dp. gättern Schaidenr. 33 485 (1350)
ap. gatier Sachs 16, 411, 4; vgl. Beitr. ap. züher Riccius, Georg. 83
27, 265 ap. züher Scliaidenr. 24
ap. Iceine schiitzgaiter Simpl. 322 &\}.brünnen(n.brtm>ien)Si)rcug,Il.29S
dp. polstern Augsb. 1, 60, 14 ap. kern und wüggen Krafft 387
ap. jwlster Aventin 1, 826, 3 dp. stähcln oder p feilen Schaidenr. 72.
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II. 299
Wie die suffixalen stamme auf -l, -r, -n werden auch die
Wörter auf -sei und -tel wie rätscl, drittel flectiert.
Ferner scliliessen sich noch die mit ge- abgeleiteten ja-
stämme auf -er, -el an wie gefieder, geflügel, geländer, gelächter,
gelichter, geschivister, getämmel und die deminutiva auf -lein
und -chen.
Die Wörter auf -nis endigen im mhd. auf -nisse, -nässe
{-nusse), und sie werden als neutra oder fem. gebraucht. Das
Suffix -nüsse {-nusse) ist namentlich in Oberdeutschland heimisch,
-nisse in Mitteldeutschland; i hat in nhd. zeit den sieg davon-
getragen, doch hat sich, ü bis in späte zeit erhalten. Die
meisten Wörter zeigen den jüngeren umlaut mit ausnähme
einiger nhd. bildungen. Wilmanns 2, § 270, 4 und 272, 2.
Die flexion ist im mhd. stets stark; als neutra stimmen
die Wörter in ihrer flexion mit der ja-gruppe überein, als femi-
nina gleichen sie den alten «-stammen: mhd. da^ hildnisse, pl.
diu hildnisse] mhd. diu Icantnisse, pl. die Jcanttiisse. Im nhd.
kommt das schwanken des geschlechtes der meisten Wörter auf
-nis zur ruhe; das neutrale oder feminine geschlecht wird im
einzelnen festgelegt, und meist wird das neutrum herschend.
Das end-c des Suffixes ist im nhd. lautgesetzlich nach schAvach
betonter silbe gefallen, und die flexion aller Wörter auf -nis
ist die der neutralen a-stämme. Neben den neut. pl. bildnisse,
Zeugnisse stehen die fem. pl. Jcenntnisse, hefugnisse.
Wenn das geschlecht der Wörter auf -nis für ihre flexion
massgebend sein sollte, mussten die neutra im pl. ein -e an-
nehmen und die feminiua -en. Neben hildnisse musste sich
'kenntnissen stellen. Eine solche Scheidung der flexion nach
dem genus ist nun nicht eingeti-eten. Das gemeinsame bildungs-
suffix wirkte so verbindend auf die gruppe ein, dass eine ein-
heitliche flexion fast stets herschte. Es bestand jetzt für den
pl. die wähl zwischen der endung -e und der endung -en. Das
übergewicht der neutra heischte die endung -e, die auch für
das fem. massgebend wurde. So ist für weibliche substantiva
die neutrale flexion vorbildlich geworden, und entscheidend für
das heraustreten aus ihrem System war die gemeinschaft der
bildungsweise. Diese gleichheit siegte über den zusammenhält
der geschlechter, ein beweis, wie wichtig bei der betrachtung
der flexivischen erscheinungen die bildungsweise der Wörter
300 MOLZ
ist. Bei dem Verlust des c der neutr. j«-stänime mit fortis im
auslaut werden -wir auf eine älinliche erscheinung stossen.
Icli gelie über zur historischen entwickelung. Der nom.
sing, büsste nacli minder betonter silbe das end-c der regel
nacli ein. Ausser bei Dalimil (as. gcäecldnissc 56, 1 neben ver-
(hunpni^ ^0,2. ns, virlicngni^ 182,33*) sind mir nur nocli bei
dem Thüringer Rothe melirere formen mit voller endung be-
gegnet, die weiter unten mit aufgezählt sind. Bei Luther
herscht die regelrechte nhd. form, im gegensatz zu dem häutigen
vorkommen der weiblichen endung -ungc, die durch analogie
der fem. a-, «-stamme gestützt war.
Der gen, sing, des neutr. musste endungslos werden, wenn
die Synkope nicht durch einflüsse des Systems gehemmt wurde.
In der tat ist in der älteren zeit die Verschmelzung der casus-
endung mit dem suffix oft anzutreffen: gs. des huntniss 3 m.
1 106 Frankf. reichsk. 1, des gefengnifs Kothe 607, des hegräbnifs
Opitz. Arg. 37, gs. ergernufs Blauckenberg 28. Aber der system-
zwang Hess einen endungslosen gen. sing., me er in diesem
falle bei Luther und seinem grammatiker Clajus durchgeführt
ist, nicht bestehen (Franke 167). Neben den oben angeführten
belegen erscheinen in denselben Schriften: gs. hnntnisscs 3 m.
1406 Frankf. reichsk. 1, hegrähnüsscs Opitz, Arg. 95, hündnüsscs
ebda. 94.
Der dat. sing, hat die volle form, die mehr und mehr im
nhd. zurücktritt, noch bei Lessing zuweilen bewahrt: mit einem
andern älmlichen geständnisse Lessing 1,485; dazu ist zu ver-
gleichen ds. gedächtnüfs Opitz, Arg. 46, ds. hcirühnnfs ebda. 47,
heliäntnufs ebda. 105 und ds. gUichnifs Clajus.
Der plural durfte lautgesetzlich kein endungs-e annehmen,
gerade wie die suffixalen stamme auf -l, -r, -n. Die regel-
rechte entwickelung wurde bei diesen trotz aualogischer ein-
flüsse nach dem munde des Volkes auch in der Schriftsprache
durchgeführt. Die weniger zahlreichen Wörter auf -nis aber
entrannen der einwirkung der «-stamme nicht, und wir finden
schon früh den analogischen «-plural. Für die form des
plurals war das übergewicht des einen oder andern geschlechtes
in der gruppe masi>gebend. Es zeigt sich bei der ver-
gleichung mitteldeutscher und oberdeutscher denk-
mäler eine grosse kluft in der geschlechtsgebung der
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II.
301
Wörter auf -nis. Die Mitteldeutschen entsclieiden sich meist
für das sächliche g-eschlecht, die Oberdeutschen stets für das
weibliche geschlecht, ausser bei gefängnis, das auch als neutr.
auftritt. Das mhd. schwanken also war in den beiden grossen
Sprachgebieten zu ganz verschiedenem abschluss gebracht
worden. Erst das 17. jh. und die spätere zeit drängt die obd,
geschlechtswahl zurück und verhilft der md. richtung- zum sieg'e.
Ich scheide im folgenden die Wörter mit angäbe des ge-
schlechtes nach den dialektgebieten des ostnid. einerseits, des
bair., schwäb. und alem. andererseits.
I. Ostmitteldeutsche formen
US. bedtitnifse u. Rothe 198
begäbnüs f. Zesen 273
begräbnifs n. Opitz Arg. 105
as. beheltnifs n. Rothe 71
bcMntnufs n. Opitz, Arg-. 105
bekäntnüs f. Zesen 393
befsernifs n. Luther
betrübnufs n. Opitz, Arg. 47
bilänafs n. ebda. 49. 68. 115
bilänifs n. Lehms 129
buntniss n. (1-406) Fr. reichsk. 1
bändnufs n. Opitz, Arg. 141
crgernis u. Luther
ergernufs n. Blanckenh. 28
finsternufs n. Riccius, Georg. 77
ftnsternufs f. ebda. P. Georg. 156
ftiistcrnifs f. ebda. Georg. 77
finsternufs n. Opitz, Arg. 111"
ds. gedechtnüfse n. Eothe 293
gedechtnus f. Kantzow 215
gedechtmiss u. Eiccius, Georg. 83
gedächtnüfs u. Opitz, Arg. 16. 46
gedächtnifs f. Zesen 665
gedächtnifs f. n. Bachholz 9. 18. 59
von dirre gevancnisse f. Veter b. 44, 3
IL Oberdeutsche formen mit angäbe des geschlechtes:
a) in bairischen Schriften:
begrebnufs f. Schaideur. 4 erJcentnufs f. Albertinus 142
betrübnufs f. Albertinus 78 gedächtnifs f. Schaidenr. 34
bildnifs f. Schaidenr. 19. 46 gedächtnüfs f. ebda. 4. Albert. 34. 112
bildnufs f. Albertinus 20 gedächtnifs f. Grefl., W. 1. anh. 25. V.
erkantniifs f. ebda. 178 g. 64
mit angäbe des geschlechtes:
as. gefengJcnifse f. Rothe 277
ds. gefenckenifse n. ebda. 45
as. gefenckenifs n. ebda. 514
gefengnifs f. n. ebda. 607. 624
gefengnis u. Luther
gefencknus n. Kantzow 181
gefengnis f. Hocker. 2, 7
gefängnifs n. Opitz, Arg. 28
gcfängnüs f. n. Zesen 387. 388
gefängnifs n. Lehms 3. 62 u. ö.
babylon. gefängnifs f. Lehms 3
gcheimnüfs u. Opitz, Arg. 111
geheimnüfs n. Lehms 103
kümmernufs f. Opitz, Arg. 79
verbündtnüfs n. ebda. 147
ds. vorhengknifse n. Rothe 283
verhängnüfs n. Opitz, Arg. 45
verhängnüs n. f. Zesen 343. 349
Verlöbnis n. f. Buchholz 196. 423
ns. vorterpnifs n. Rothe 84. 134
ds. iciltnisse f. Dalimil 22, 2
as. loiltnifse n. Rothe 78. 90. 227
loildnüs f. Zesen 387
Zeugnis n. Luther.
302
MOLZ
giduchtnuß n. f. Grefl., Y. g. 87. 120.
162
pefenchiufs f. Mynsinger 91
gef'evyknufs f. Alber tiiius \M
gefängnifs u. Greflingcr, Dr. kr. 124
b) in schwäbischen Schriften:
hegrebniiss f. Decam. 6,31. 139,4 gedechtmts f. Krafft 68
geheim mifs f. Alhcrtinus 177
gleichnnfs f. ebda. 10-1. 141
rcrbihuhiitfs f. ebda. 146
vcrhcngntifs f. ebda. 182
zcugnifs n. Grefl., Dr. kr. 61.
hegrähnifs f. KrafFt 154
hegrübnnfs f. ebda, und Spreng, II.
133. 2tJl
betn'ebnus f. Krafft 345
bihhuifs f. Spreng, Aeu. 26
bii)idtmtß f. ebda. II. 38. 39
erger im fs f. Krafft 73
erkanntnus f. ebda. 391
finsternufs f. Decam. 314, 12. Äsop 47
finsternufs f. Krafft 228
finsternufs f. ( : vcrdrufs) Spreng, II. 36
gedechinüfs f. Decam. 61, 33. 647, 42
u. ö.
gcdachnus f. Asop 76
gedechinüfs f. Tünger 126
c) in alemannischen Schriften:
begrcbnifs f. Boner, Oros. 112. Just. 34 gefcncknifs f. Boner, Gros. 96. Just. 21
gefenchiüfs f. Decam. 573, 34
gcfdnknufs n. ebda. 310,28
gefcnkniis f. Asop 103
gefenknus f. Krafft 88. 149
gefengnüs n. f. ebda. 145. 282
gcfüngknufs f. Spreng, II. 59
hindernus f. Krafft 279
verstandtmifs f. Spreng, II. 154
verzaichmis f. Krafft 421
tcagnufs f. Spreng, II. 158
wildnitfs f. Decam. 94, 6
iviltmts f. Äsop 236
zeugnnfs f. Krafft 421
zeugknufs f. Spreng, II. 264.
begräbnifs f. Wolf h. Spaugcub. 134
büntnifs f. Boner, Oros. 26
finsternufs f. ebda. lOS
gedechtnis f. Boner, Just. 61
gedüchtnufs f. Simpl. 6
gefängnifs f. "Wolf h. Spangenb. 66
trübnifs f. ebda. 133
wildnus f. Boner, Just. 119
zenknifs f. ebda. Oros. 113.
Zu I ist ZU bemerken, dass Zesen abweichend von Eotlie,
Opitz hekenntnis, gedäclünis, Verhängnis als fem, gebrauclit.
Ich denke dabei an oberdeutschen einlluss. der sicli im 17, jh.
mit der reception der md. schriftspraclie wol fühlbar machen
konnte. Bei dem Baier Greflinger ist andererseits ostmd. ein-
fluss unverkennbar; denn er gebraucht zcugnis, gcdachtnis auch
als neutra, während der obd. Schriftsprache nur das fem. bei
beiden Wörtern geläufig ist.
Die bildung des plurals hieng ab von dem Übergewicht
des geschlechtes; waren die meisten und häufigsten worte auf
-nis neutra, so mussten sie im pl. das analogische -c der
rt-stämme annehmen, waren sie feminina, so bildeten sie den
pl. nach der gemischten flexion. d.h. sie hängten im pl. die
NHD. SUBSTANTIVFLEXION, II. 303
schwache endung -en an. Auf md. boden müssen wir deshalb
die formen gleichnisse, Zeugnisse, Jcenntnisse u. s.w. antreffen,
auf obd. boden die formen glekhnissen, Zeugnissen u. s. av. Die
a-forni des pl. ist in der Schriftsprache herschend geworden.
Für ihre ausbreituug einige belege : np. vinstermsse Veter b. 47, 6, ap.
huntnisse 1406 Fr. reichsk. 1, np. hindernisse 1411 ebda., ap. Zeugnisse Al-
berus, np. geheimni fs ebda., gp. gJekhnifs 2üi. Mathesius neben ap. gleich-
nissen 1 m. ebda., pl. gleichnisse, Zeugnisse Clajus, pl. verbündnüssc Eitter,
Opitz, Arg. 109, ap. geheimnüsse Zesen 295, ap. zeugnüsse ebda. 592, pl.
gleichnisse, hegrähnisse Scliottel. Diese citate entstammen säramtlich mittel-
und niederdeutschen autoren. Aber aiich einige «-formen sind bei Schrift-
stellern des nördlichen gebietes anzutreffen: ap. gefengnissen Hocker. 2, 30,
ap. geheimhnussen Hockl; ferner sind bei Buchholz zu belegen: np. diese
bildnissen 202, begehnissen 235. 323, ap. verhindernissen 205, Verlöbnissen 104.
Ueberraschend ist es, dass Buchholz im Widerspruch mit
dem allgemeinen schriftsprachlichen usus seiner heimat aus-
schliesslich die «-form im pl. anwendet. Es kann hier nur
oberdeutscher einfluss vorliegen; denn in Mitteldeutschland
war die a-form im pl. der Wörter auf -nis ebenso herschend,
wie es in der obd. drucksprache die w-form sein musste. Sonst
ist mir bei Buchholz keine abhängigkeit von der obd. formen-
gebung aufgestossen.
In Oberdeutschland gilt natürlich, dem geschlecht der
Wörter entsprechend, die w-form des plurals:
np. betriibnissen Tünger 150, ap. pyldmissen Boner, Just. 67. 105, np.
btmtnnssen Zimm. ehr. 1, 147, 84, finstermissen Krafft 224, verzaichnussen
ebda. 827, in zico vnderschidliche schicere gefenchms ebda. 370, pl. alle
geheimnissen Kalloandro 1, 50, bildnissen ebda. 116, ap. bündnussen Simpl.
144, zeugnüssen ebda. 17. 66, pl. -nussen Dornblüth (1755).
Ein vergleich der a- und w-formen mit dem wortgeschlecht
in den einzelnen dialektgebieten gibt zu erkennen, dass fast
durchweg der a-form das neutrale, der w-form das fem. ge-
schlecht zu gründe zu legen ist. Nur der pl. bildnissen Buchh.
202 kann mit Sicherheit für das neutrum in anspruch genommen
werden, wie zu dem pl. gefenchius Krafft 370 das fem. bezeugt
ist. Die erste form ist nach den fem. w-pluralen der Wörter
auf -nis gebildet, die letztere dagegen steht nicht in Überein-
stimmung mit den übrigen «-bildungen bei Krafft; die flexions-
losigkeit dieser form kann daher nur auf der Stellung des
w^ortes nach dem zahlwort beruhen. Eine trennung der formen
304 MOLZ
nach dem gesclilecht ist mir nur bei Greflinger begegnet: ap.
finstcrnüsscn f. \. g. 225; ap. gczeugyiüsse der h. sehr iß n.
ebda. 220.
II. klasse: ,/r/- stamme.
Der flexion der ja- stamme folgen in mlid. zeit noch eine
ganze reilie von neutralen Substantiven. Tm wesentlichen sind
es folgende: bette, bilde, ende, erbe, er^c, gence liie'ulwng. griu;e,
hefte, hcre, hönive, hirse, l;inne, kitsc, Icrccse, Jcünne, Jcüttc schar,
herde, li'(j)2)c gift, mihe, netze, ccre, riche, siäppe staub, stäche,
tülle, venne sumpf, vletze, iceppe gewebe, wette, wtje strafe;
antlitze, Meincete, wildbrcete, eilende; die fremdwörter h-iuze,
öle, schrlnc und die im genus schwankenden Substantive Idpfc
n. f., phiilice m. n.. rijuxi n. f., schirbe und scherbc n. f., sivelle
n. f., tenne n. f. m. Alid. amhahti, gawi, haivi, meri, bcri n. f.
sind schon mhd. meist endungslos geworden. Von allen anderen
haben sich beim neutrum behauptet: bctt, bild, ende, erbe, crz,
flötz, hcer, hcft, heii. Mm, kinn, kreuz, netz, Öhr, öl, pfähl,
reich, stück ; antlits, elend, klcinot, wildbret. Viele der übrigen
sind in der Schriftsprache erloschen, andere sind zum fem.
übergetreten, mit dem sie in der flexion eine Aveite berührung
hatten. Auch haben noch verwantschaf ten , Avortreihen den
geschlechtswandel gefördert. Ausser den genannten meist ein-
fachen ja -Stämmen gibt es noch eine zahlreiche gruppe von
Stämmen auf -ja, die mit der partikel ga- zusammengesetzt
sind. Die Zusammensetzung mit ge- ist bis in die gegenwart
lebendig geblieben: gcstät zu mhd. stuot f.; gebäck, gcdeck;
gesträpp zu mhd. struppe f.; gcbräu zu mhd. brinicen und
brimve f. das brauen und was auf einmal gebraut wird; gc-
bläse, gefolge sind nhd. bildungen. Die ererbten worte zeigen
die lautgesetzliche entwickelung des stammvocals, auch jüngere
Avie gestät, gebäck, gesträpp sind den alten vollkommen an-
geähnelt. Daneben aber erscheinen zahlreiche neue verbale
ableitungen, die den umlaut meiden und den präsensvocal
fordern: gtheulc, grklopfe, geschnatter, gewinscl n. v. a. Diese
Wörter bezeichnen den begriff des verbums und stehen ilim
besonders nahe. Zum ausgangspunkt dienten verbale ab-
leitungen mit unveränderlichem stammvocal Avie getichfe. Die
tendenz, die beziehung zu dem verbum in solchen Schöpfungen
NHD, SUBSTANTIVFLEXION. II. 305
ungetrübt aufreclit zu erhalten, gelit so weit, dass alte verbal-
abstracta wie gemärre, geleufe in gemurre, gelaufe umgebildet
werden. Aus dem collectiven sinn der partikel ge- ergab sich
leicht die iterative oder frequentative bedeutung solcher worte.
Ihrem begrifflichen Inhalt nach drücken sie tätigkeiten aus,
zu denen sich unser gefühl ablehnend verhält. Sie alle wurzeln
in der Umgangssprache. Nach Wilmanns, D. gr. 2, § 193 er-
folgte die ausbildung und Verbreitung dieser wortgruppe von
Mittel- und Niederdeutschland aus. In grossen teilen dieses
gebietes blieb das stammhafte e der neutralen r/a-composita
gewahrt, und so lässt es sich begreifen, dass e hier zum un-
entbehrlichen bestandteil von analogen bildungen geworden ist.
Von der betrachtung der ererbten j? a-stämme mit (/a-präfix
lassen sich die älteren einfachen mit ga zusammengesetzten
bildungen nach der a-declination nicht trennen. Die meist
collective bedeutung der ganzen (/a-klasse hat zu einer engen
lautlichen berülirung geführt. Bis ins nhd. haben sich folgende
mit ge- abgeleiteten neutralen a-stämme erhalten: gehet, gebiet,
gehiss, gebot, gebund, gefecht, gefleckt, geschoss, geschrei, gespann
(mhd. gespcm das, was zum heften dient), getuehr, geivand, gefeit;
glied (mhd. gelit), getier. Vom masc. ist mhd. gemach zum neutr.
übergetreten. Im mhd. ist die gruppe noch etwas stärker be-
setzt, doch bleibt sie an zahl weit hinter den auf -ja gebildeten
collectiven neutra zurück. Im mhd. kommt es nicht selten vor,
dass mit ge- zusammengesetzte Wörter nach der a-declination
in das System der neutralen ^a-stämme gezwungen werden;
alid. geiveb und geivebe; alid. gifeht, mhd. geveht, geve}itc\ ahd.
gifleht, mhd. gevleht, gevlehte, mhd. gese^, gesesse, mhd. geivahs
und 'getvehse. Andere erlagen auch im geschlecht dem über-
gewicht der neutra: ahd. mhd. gehei^ m. und mhd. geheime n.;
ahd. mhd. gelust m. f. und mhd. gelüste n.; ahd. mhd. gemäht f.,
im mhd. auch gemehte; ahd. mhd. gesiJit f. und mhd. gesihte n.;
ahd. mhd. gespanst f. lockung, Verlockung und mhd. gespunste
n. gespinst; mM. gewerb m. im^ geicerbe n. Im nhd. setzt sich
die anziehung der neutralen ja -gruppe fort: mhd. gespunst f.
n. (neben gespiinne n.) und nhd. gespinst; mhd. gepac n. und
nhd. gepäch; mhd, ^'gelac n. und nhd. gelag, gelage\ mhd. gestat
m. n. und nhd. gestade n,; mhd. getrlb n. und nhd. gctriebe.
Umgekehrt trat zu den a-ableitungen nhd. gelass n. m. für
30G MOLZ
mhd. (jclcB^e n. niederlassuiig und zu mhd. gesiizse erscheint die
nebenform gcsatz in der Stretl, ehr. 181, 27 und bei Luther nach
Dietz 2, 90.
Nach diesen einleitenden bemerkung:en komme ich zur
abstossung des stammliaften e der ja-stämme in nlid. zeit; vgl.
Behaghel, Germ. 23 (1878), 2G5 f. Bojunga 155 ff. AVihnanns 1,
§ 295. Auf die jüngeren verbalabstracta mit auslautendem e
ist schon hingewiesen, und sie k()nnen bei der ferneren erörte-
rung ausscheiden. Die alten ya- stamme der neutra zeigen in
ihrer entwickelung zum nhd. eine besonderheit. Die meisten
Wörter mit unveränderlichem Stammauslaut sind der
analogie der «-stamme erlegen und haben das e am wortende
fallen lassen. Die Wörter mit veränderlichem stammaus-
laut haben es bewahrt, wenn nicht besondere einflüsse die
apokope bewirkten. Es machten sich bei den Wörtern mit
auslautender lenis (ö, d, g, s) zwei bestrebungen geltend.
Die bewahrung des stammhaften e wurde geheischt, um keinen
Wechsel zwischen lenis und fortis (media und tenuis) innerhalb
der declination aufkommen zu lassen. Die anziehung der
a-stämme suchte sie des e zu berauben. Dieses streben erwies
sich dem lautlichen factor gegenüber zu allen zelten als
fruchtlos. So stehen auf der einen seite: heft, stück, erz u.a.;
gerät, geschiclc, gefäss, geschcnh, gesetz u.v.a.; auf der andern
Seite: erbe, ende, gebäude, gepränge, gekröse, gemüse. Nhd.
Schöpfungen nach den ja -stammen haben sich mit ausnähme
der jüngeren verbalabstracta der regel gemäss gestaltet: gehäch,
gepäck, gedeck, gestrüpp, gestiit; gefolge begleitung, gehläse, ge-
triehe (neu gebildet zu dem part. perf. von treiben und zu trieb,
mhd. getrib). Von den «-stammen mit veränderlfchem stamm-
auslaut sind übergetreten: gestade (mhd. gcstat n., stade m.),
gelage (neben gclag). Ausser diesen finden wir noch mit
wechselndem stammauslaut im nhd. die a-stämme gebund und
getvand. Bei gebund sind lautlich -functionelle Verbindungen
mit pfund\ bund, fand, griind, hiind, mund, Schlund dem streben
nach ausgleich im endconsonanten hindernd in den weg ge-
treten. Bei geivand verbot der r-plural eine andere form.
Ausserhalb der mit ge- zusammengesetzten neutra gibt es von
collectiven nach der «- declination mit veränderlichem end-
consonanten nur noch leit, leides; ziuc, ziuges. Die Wörter
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II. 307
blieben im System der a-stämme; doch tritt in der nhd. zeit
auch bei ihnen consonantische angleichung des nom. acc. an
den gen. dat. sing, nnd somit übertritt in die ja-gruppe zu
tage: as. iverlxzcuge Lehms 634. Auch leid muss in der form
leide gebraucht worden sein, wenn J.F.Christ im 16. excurs
seines ViHaticum (1746) s. 185 f. mit recht gebildeten seiner
zeit die unorganische form vorgeworfen hat. Aus der gemein-
schaft des collectiven sinnes mit dem grösseren teil der ja-
gruppe allein können die formen nicht erklärt werden.')
Nicht minder spricht die hartnäckigkeit, mit der bilde
sich lauge neben dem r-pl. behauptet und dadurch ganz ausser-
halb jedes flexionssj^stems tritt, für die kraft der lautlichen
analogie innerhalb der neutralen ja-stämme. Aus alledem geht
zur genüge hervor, dass bei den neutra das gleichmachungs-
streben bez. die bewahrung der einheitlichkeit im stammauslaut
tiefe wurzeln gefasst hat, und die erwägung, dass die in rede
stehenden ja-stämme sich allezeit im verlauf der ganzen ent-
wickelung der einwirkung der a-stämme unzugänglich erwiesen
haben, muss diesen eindruck noch verstärken.
Ohne rücksicht auf den auslaut büssten nach minder
betonter silbe antlitse, eilende, Tdeincete, ivildhrcete ihr
eudungs-e ein.
Der Verlust des stammhaften e der übrigen
ja-stämme mit unveränderlichem stammauslaut ist
ein langsamer, allmählich durchdringender anglei-
chungsprocess, der noch heute nicht völlig ab-
geschlossen ist. Am raschesten geht die ent Wickelung
noch bei den einfachen ja -stammen vor sich, wenn sich auch
hette, netse, stücke, die häufigst gebrauchten Wörter, bis ins
18. jh. gehalten haben. Ihre durch den Untergang zahlreicher
ia-stämme verminderte zahl kam früh mit den «-stammen in
berührung. Der ja -stamm gelücJce zeigt in der ausstossung
des e des präfixes gleiche entwickelung wie die substantiv-
ableitung gelit. Durch diese Verkürzung trat glücke aus der
') Sonst sind auf dem boden, wo das end-e fest bleibt, analogische
e-formen sehr selten: as. ^"ame?e Rothe 2iO, as. das Jiole (vgl. höhle) Riccius,
Georg. 147, us. 7-ehe 3 m. Buchholz 207. Bei den tiernamen dürften ochse,
äffe, löive u. a. die unechte form bewirkt haben ; der grammatiker Schöpf
führt rehe und vihe an.
308 MOLZ
mit [IC- abgeleiteten ja-grupiie aus und gieng so der stütze,
die das präfix für die erlialtung des endungs-e innerhalb der
zur einlieit zusammengeschlossenen ja-gruppe bot, verlustig;
es hatte gleiches Schicksal wie die einfachen j«-stämme. Hier
sei auch auf die ganz junge bildung gleise, gleis für gclcise
hingewiesen.
Langsam und mit grossen Schwankungen bei den einzelnen
Schriftstellern vollzieht sich der übertritt der mit der partikel
r/rt- zusammengesetzten ^'«-stamme. Im mhd. und noch in der
frühnhd. zeit hat die ja-gruppe, wie wir gesehen, manche mit
ga- abgeleiteten «-Zusammensetzungen nach ihrer bildungs-
weise umgeschafCen. In der späteren zeit des nhd. sind ana-
logien nach dieser seite sehr selten. Gehiss, gebot, geschoss,
geivand sind mir niemals in der ja -form begegnet. Die
wenigen beispiele, in denen bei anderen a-stämmen sich die
ja-bildung vorübergehend einstellte, seien hier zusammengefasst:
as. gepiete Kantzow 102. 108, as. gehüie Zesen 818, ns. gehieihe
Lohenstein 13, ns. gebete Weise 107. Lohenstein 8. 11 und auch
Luther vereinzelt, ns. gctcehrc Lohenstein 58. Klopstock, der
eine besondere Vorliebe für collective ^c-ableitungen hat, bildet
den sing, geselle. Bei diesen belegen ist zu beachten, dass
nur die Wörter das e der ja-stämme vereinzelt annahmen, die
für den umlaut unempfänglich und durch ihre collective be-
deutung mit den ^e-ableituugen auf ja verbunden waren.
Neben gepiete stellt sich bei Kantzow gebirge, gehcge, gerete,
und ähnlich verhält es sich in den anderen fällen. Als fruchtbar
hat sich also die ja-gruppe den «-stammen gegenüber nicht
mehr erwiesen. Es wird die reinliche Scheidung zwischen den
beiden gruppen in älterer zeit aufrecht erhalten wie im Yeter
buch, bei Matthias von Beheim, in den Leipziger Urkunden
(die ich bis 1464 untersucht) und in der Chronik von Joh.
Kothe. Je weiter wir uns aber von der mhd. Sprachperiode
entfernen, um so mehr geraten die j/a-stämme ins schwanken.
Das streben, die numeri zu trennen, hatte alle übrigen decli-
nationsklassen ergriffen. Im masc. war es vorzüglich der um-
laut, im fem. die schwache endung -en und im neutium der
r-pl., der diesem bedürfnis entsprach. Auch die j«-ableitungen
der neutra heischten ein kennzeichen des plurals. Innerhalb
ihres geschlechtes standen ihnen zwei wege offen. Sie konnten
NHD. SUBSTANTIV FLEXION. II. 309
sich nach den neutralen «-stammen richten und in Überein-
stimmung- mit diesen und der zeitlichen entwickelung gemäss
das flexivische e ihrem zwecke dienstbar machen. Es musste
vom g-en. und dat. sing-, und vom plur. aus ein neuer nom.
acc. sing, geschaffen werden, und das paradigma stimmte mit
den «-Stämmen überein. Bei dieser nachbildung des «-typus
kamen dann noch die mit ge- abgeleiteten «-stamme der neutra
zu hilfe, besonders solche, die häufig einen pl. bildeten und
noch durch ihre sinnverwante bedeutung mit den ^«-stammen
verknüpft waren: gehet, gebot, geschoss, geivehr sind nach
zweierlei richtung mit gesetse, gescliütze zu einer sippe vereint.
Sie teilen die fast allgemeine collective bedeutung der ^«-com-
posita, und sie sind synonyme. Ausserdem konnte aus dem
nebeneinander von gehiss — beissen und gestellte — sehen, gehöre
— hören eine neubildung nach den a-ableitungen (gesicht, gehör)
erfolgen. Aber auch häufigkeit des pl. allein genügte schon
vollkommen, eine endungslose form im anschluss an die
«-ableitungen entstehen zu lassen; es gelten die Proportionen:
das gebet, gebot : die gebete, geböte = das geschenJc, gespräch :
die geschenJce, gespräche u.s.w. Die meisten Wörter aber mit
^«-präfix und auslautender lenis konnten in diese proportion
nicht eintreten, weil ihre zufällig fast ausschliesslich collective
bedeutung einen pl. nur selten zuliess. Schon ehe die neu-
tralen «-Stämme im pl. vollkommene angieichung ans masc.
erfuhren, hebt die abstossung des e der J«-stämme an. Dann
erhielten sie, wie auch vorher, kein pluralisches zeichen, und
ihre Verschiebung gieng mit den «-stammen hand in band.
Zum abschluss aber kommt die entwickelung noch lange nicht ;
denn so lange der nicht gefestigte zustand in der declination
der neutralen «-stamme herschte — ihre Verschiebung kam
erst im anfang des 17. jh.'s zu ende — konnten auch die ja-
Stämme nicht recht zur endgiltigen form gelangen. Die ab-
stossung des e im sing, konnte in jener zeit des Schwankens
der «-Stämme ebensowenig die numeraltrennung unzweifelhaft
machen wie die bewahrung des e im plural. Erst als die
«-Stämme die nlid. flexion völlig angenommen, musste die tren-
nuug der numeri auch in der durch das ^«-präfix zusammen-
gehaltenen j«-gTuppe einsetzen, während die flexion der ein-
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. 21
310 MOLZ
fachen ya- stamme meist schon früher dem ansgleicli mit den
«-Stämmen erhig.
Als zweites mittel bot sich zum zwecke der Scheidung
der numeri der r-plural. Von hause aus kommt diese bildungs-
weise des pl. nur den alten neutralen 5- stammen zu, die im
ahd. mild, einsilbig sind. Einer übeitragung auf die mit ga-
abgeleiteten ja-stämme setzte sich die begriffliche geschlossen-
heit der ja-gruppe und ihre geringe flexivische berührung mit
dem r-tYi)Us entgegen. Auch war die bedeutung zweier ja-
ableitungen, die im nhd. in dem gewande des r-pl. erscheinen,
im mild, noch eine ganz andere als heutzutage. Gcnüieie be-
zeichnet im mhd. die gesammtheit der gedanken und empfin-
dungen, gesiht ist mhd. meist fem. und hat neben der jüngeren
Umbildung gesihte n. noch einen weiteren bedeutungsinhalt als
in späterer zeit; es heisst noch anhlid; ansieht. Diese gebrauchs-
weise der beiden Wörter hat einen r-pl. viel weniger nahe gelegt
als die nhd. herschend gewordene bedeutung. Wie die apokope
bei den mit der vorsilbe ge- abgeleiteten ja -stammen an den
neutralen «-composita einen anknüpfungspunkt fand, so könnte
man versucht sein, auch bei dem eindringen des >-pl. in die
ja-gruppe die mit gc- zusammengesetzten neutralen a -stamme
gelit, gemach, geivant als Überleitung zu betrachten. Für nid.
gebiet kann das nur von gelit gelten, das bereits mhd. zuweilen
den pl. gelider bildet; gemach schreitet erst im 17. jh. zum
r-pl. vor, als schon die ja-stämme ausser gespenst den r-pl.
gebildet hatten; gewand ist auf dem schriftsprachlichen boden
in jener zeit im pl. nicht zu belegen. Die r-plurale gcmüter,
geschlechter, gesichter, gespenster sind Luther noch vollkommen
ungeläufig. Die beantwortung der frage, ob hier obd. eintiüsse
in die entwickelung eingegriffen haben, muss auf die beliand-
lung des r-pl. verschoben werden. Hier ist nur festzustellen,
dass sie in der zweiten liälfte des IG. jh.'s in Ostniitteldeutsch-
land begegnen. Eiccius kennt die pl. gemüter, geschlechter,
gesichter; aber er hat nur den pl. gespenste. Es war das die
zeit, wo das gefülil für die endungslosigkeit im pl. der neutralen
a-stänime noch nicht erloschen war. ]\Iit der r-form des pl.
war die volle form des sing, noch nicht untergegangen. Sie
musste aber beseitigt werden; denn die kleine gruppe, die einen
r-pl. bildete, konnte der Übermacht der zahlreichen neutr. und
NHD. SUBSTANTIVFLEXION, II. 311
masc. Substantive mit ervi^eitertem pl. nicht standhalten. Der
r-pluralform entspriclit allenthalben ein endungsloser sing., und
dieser analogie verdankt das allmähliche erlöschen des stamm-
haften e bei den vier genannten Wörtern seinen Ursprung.
Es waren also gesets, geschütz, gehör \ gemüt, geschlecJd,
gesicht, gespenst durch treibende kräfte innerhalb der mit ge-
gebildeten neutra endungslos geworden. Durch formen wie
geschütz und gemüt war auch die Sicherheit des gefühls für
die bewahrung des e nach umgelauteteni stammvocal ins
wanken gekommen und schliesslich geschwunden. Da die in
der ^fa-gruppe selbst erzeugten endungslosen ja -stamme sehr
häufig gebrauchte Wörter sind, war durch ihren übertritt im
laufe der entwickelung den a- stammen eine wichtige stütze
zur Seite gegeben, um auch die übrigen ja-bildungen mit un-
veränderlichem endconsonanten ihres e am wortende zu ent-
kleiden. Die angleichung ist heute noch nicht zu ende geführt,
wie der vergleich der wortformen verschiedener Wörterbücher
dartut; gefalle, gcläute, geläste, gerippe, gesenlie haben meinem
gefühl nach meist noch die unverkürzte form bewahrt.
Auch in jüngerer zeit, im 18. und 19. jh., als die verkürzte
form von den collectiva gebüsch, gehölz, geräusch, gerüst, ge-
sclinieiss, gesträuch, gestrilpp u. a. endgiltig festgesetzt war, und
die collectiva gehäiide, gebilde, gelände, geschneide, getreide,
gebirge, gedräng e, handgemenge, gepränge, g ehr Öse, gemüse u. a.
ihr auslautendes e bewahrt hatten, währte infolge der gemein-
schaft der collectiven bedeutung der genannten beiden gruppen
der kämpf um die herschaft der form fort. Meist blieb das
werben der (/a-composita mit lenis im stammauslaut vergeblich.
Doch hat diese beziehung bis heute die collectiven ja-stämme
gefalle, gelüute, gelüste, gerippe, gesenlie und zuweilen noch
andere von der durchführung der apokope zurückgehalten.
Von Wörtern mit veränderlichem stammauslaut ist auch in
der endungslosen form gebirg üblich, was sich sachlich leicht
auf obd. einfluss zurückführen lässt. Auch gebild und gepräng
ist Schriftdeutsch; ge^iveig ist eine neue a-ableitung von zweig
und gehört mehr der gehobenen spräche an.
Jede theorie, die anspruch auf giltigkeit erhebt, muss sich
auf das empirisch festzustellende gründen. Für den grad ihrer
richtigkeit ist es entscheidend, inwieweit sie eine dem menscli-
21*
312 MOLZ
Hellen verstände bequeme Verknüpfung- der erscheinungen bietet,
in welchem masse sie die erfalirungstatsaclien mit den gesetzen
der Vernunft in einklang bringt. Ob meine sätze über die
abstossung des e bei den Ja -stammen mehr licht verbreiten
als frühere Untersuchungen, sei anderen zur entscheidung an-
heimgestellt. Das gesagte wurzelt jedenfalls in einer ein-
gehenden Prüfung des tatsachenmaterials.
Bei der aus wähl der Schriftsteller, deren Sprachgebrauch
ein gesammtbild von der entwickelung vermitteln soll,
muss ihre heimat massgebend sein. In obd. und westmd.
gegenden hat die apokope den ja- stammen ausnahmslos das
end-c genommen. Es bleiben also nur ostmd. und nd. autoren
übrig, und von diesen habe ich Johann Eothe. Luther,
KantzoAV, Riccius, Julius von Braunschweig, Zesen,
Christian Weise, Buchholz, Lehms, Lessing ausgewählt,
um aus ihren w^erken den jeweiligen stand der Verschiebung
festzustellen. Ich unterscheide bei den Ja- stammen vom nhd.
Standpunkt aus verschiedene gruppen. Die erste gruppe um-
fasst die belege für die zusammengesetzten ja-stämme anflif^e,
eilende, Meincete, ivildhrcete, die nach massgabe der nhd. laut-
lichen entwickelung nur in der älteren zeit anzumerken sind,
und die ursprünglich zweisilbigen einfachen ja -stamme. Die
zweite gruppe umschliesst die ja-ableitungen mit r/c-prätix und
auslautender lenis. Die dritte gruppe bringt unter a die älteren
einfachen </e-zusammensetzungen nach der a-declination, unter
b die mit (je- abgeleiteten ja -stamme, und die vierte gruppe
enthält hilde und die mit ge- zusammengesetzten ja -stamme
mit r-plural. Bei diesen führe ich auch nach möglichkeit be-
sonders in der älteren zeit den pl. mit an. Bei schwankender
form wird die häufigkeit des Vorkommens jeder form genau
angegeben. Als beleg für den endungslosen nom. acc. sing,
kann natürlich auch die flexionslose form des dat. sing, und
des nom. acc. pl. angesehen w^erden.
Bei Rothe (hs. aus der zweiten hälfte des lö.jh.'s) zeigen die ja-
Stämme mit </e-präfix die mlid. Verhältnisse. Es kommen nur die 1. und
4. gnippe in bewacht :
I.
as. endende 299 ap. aiupt Uikb. d. st. L. -ilü (1475)
ap. cleinot Urkb. d. st. L. 278 (14G2). nas. bette 94. 103. 115
447 (1485; as. cndze 4 m. 144. 286
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II.
313
US. heere 88
nas. heer 5 in. 3-i. 50. 90
nas. meer 39. 59. 89. 90
das. oel 277. 171
nas. reich 26. 555. 557
as. bilde 28. 92 u. ö.
ns. bild Sil
ap. reich 28
nsp. Königreich 26. 445
ns. stucke 43. 163
as. badehemde 262.
IV.
ap. bilde 19. 156.
Die folgende Zusammenstellung der neutralen ja-stämme bei Luther
ist aus Ph. Dietz, Wb. zu dr. M. Luthers deutschen schritten entnommen.
Die ergebnisse bei Franke 164 ff. und Hertel 487 und das DWb. sind er-
gänzend verglichen und herangezogen. Begegnen formen mit und ohne e,
so ist die häufigere durch voranstellung ausgezeichnet. Ungefähre gleich-
heit im schwanken wird durch einen bindestrich zwischen beiden formen
angedeutet. Eine ganz überwiegend gebrauchte form wird durch Sperr-
druck kenntlich gemacht. Nicht ausreichend belegte formen setze ich in
klammer. Ja -ableitungen, die im mhd. noch nicht vorkommen, sind mit
einem Sternchen versehen. Die mhd. formen sind beigefügt, wenn die Wörter
schon im mhd. zwischen bewahrung und abstossung des e geschwankt haben.
andlitz
h'eer, heere
antlitse noch Matth. v.
Beb.
,M.6:
,16.
meer, meere
elend
[17
ds. nm- Veter b. 50, 8. 67, 6
bette, bett, pl. betten Dietz 289
netze
creutz, creutze
öle
ende, end, pl. eyide Dietz
531
(nadelöre)
erbe, erb
reich (königreiche 23, 66)
ertz
stück
glück — glücke
gelück — gelücke vereinzelt,
IL
geprengc, gcpreng
gebirge
ge dinge, geding
geschmeide
gedrenge, gedreng
gesenge
gefilde
gesinde, gesind
gehege
getreide, getreid
gelübde, gelübd
getrieb, mhd. getrtp
gemeide, gemeld
gevierde
gemenge
geiverb, geiverbe
gemiise
mhd. geicerp m., geiverbe u.
gepreg, geprege
geivelbe, geivelb.
III.
a) gebet, gebete
geschos
gebifs
geschrei
gebot
gewer
geheis
gezelt.
31 1
MOLZ
b) gebe 10, gebetce
gehein, geheine
*(jeheissc
gebliit, gebU'tte
gebreme
gepüsch
gefcss, gefesse
*gcßicl; geflicke
gefress, gcfresse
*gegeck, gegecke
gehecke
*gcheuh
gehirn
gehör, gehöre
gehl'dize, gchültz
gejegt, rahd. gejegede
*gckirrc
"gekretze
gelenfft
geleit, gleit, nihd. geleite, geleit
gelenk
*gelöhr
geloet
gcmccht, mhd. gemäht f.
mild, gemtiite n. was gemacht wird
gemerk
*genmrre, mhd. gemürre
genick, mhd. genicke, genic
geplerre, geplerr, mhd. geblere
gerete, geret
gericht, gerichte, mhA. gerillte, geriht
gerächt — gerächte
mud. md. gerächte
gerast — geräste
geschwär, nilid. gesiver
gesess — gesesse
gescheß't — gescheffte
IV.
mhd. gescliefte, gescheft
geschenk, geschenke
geschirr
*geschleppe
gescJimeis
geschcpfj'
geschätz
geschwetz, geschicetze 23, 172
geschivärvi, mhd. geswerme ,
gesetz, gesetze
*gespei
gesperr
gespött — gespötte
gcsprech, gespreche
gespüle
gestell
gestift, rahd. gcstift, gestifte
gestirn — gestirnc
gestüle
gedöne
getrenck, getrencke
gewechs, gewechse
mhd. geicahs, geweJise
*gcwesch
geiverre
gewicht — getvichte
mhd. geicihte, geiciht
*geicirke
*geioirre
gewölke, gewülke
gewärm — geioärme
*gewärz
gezenk — gezenke
gezau, mhd. gezouwe
gezäune
gezerre, mhd. gezarre
gezächt — gczächtc.
bild, bilde, pl. bild(e), hilder
gemüt, gemäte, pl. gemäte
geschlecht, geschlechte, pl. geschlecht(e)
gesicht — gesichte, mhd. gesiht, gcsihte, pl. gesicht(e)
gespenst, gespenste, pl. gespetist.
Der niederdeutsche chronist Kantzow (um 153.")) hat folgende formen:
I.
nas. ertze, ertz 255 as. kreiitze 221, kreutz 174
US. hcrc 1G8 as. mehr 67
NHD, SUBSTANTIA^ FLEXION. II.
315
n.
uas. reich 18. 25, ds. reich 121. 130
as. shicJce 109. 116
as. geluck, gluck 212. 40.
ds. gepreng 42
ns. hofgesincle 228.
in.
as. gelucke 64
as. »le^^e 238. 239, ap. «ef^re 239
nas. reiche 12. 17. 24. 116. 278
as. gehirge 13
as. gehegc 255
ns. gelubte 24
a) as. ^ejj/eie 102. 108
as. gepot 9
b) as. gleite, gleit 228. 41
ns. gerete 50. 231
as. gerichte 207. 223
nas. &/Z(Ze 75. 83. 260
nas. bild 42. 169. 260
np. bilde 50, ap. bilder 2 m. 233
nas. gemilte 46. 203. 240
as. gesichte 235
Auch bei dem Osnabrücker Hocker hat bild noch die doppelformen
nas. bilde 1,248. 2,60; ns. bild 2,59, ds. Ol.
as. geheis 48
ds. gescJioss 225.
ns. geruchie 55. 202. 227
das. geschidz 188. 242.
IV.
»■P- (4, 7) cmgesicht 83. 84
nas. gesiecht 3. 52. 124. 201
nap. gesiechte 86. 167. 245. 257
np. gesiecht 64.
Der humanist Ricciiis (1565-
as. bette G. 73
nas. heer G. 120. P.G. 77, ap. P. G. 127
asp. meer P. G. 127
das. meer G. 105
ap. netz Buc. 44
nas. glück P. G. 107. 124. 149
-1570)
I.
ap.
as.
ap
ap
ns.
as.
II.
nas. gebirge G. 21. P. G. 61. 2 m. 156 as.
ns. gesause P. G. 121 ap.
ns. gesinde G. 157 ns.
nas. getreide G. 2. 52. P. G. 21. 82 as.
III.
a) as. gebet P. G. 163, ap. ebda. 157 as.
ap. gebot P. G. 163 nds
b) as. gebeine P. G. 75
as. geplöcke G. 150
ns. geplüth G. 151. 152
nas. geblüte P. G. 52. 140
as. gebrumme P. G. 104
ns. gebrum P. G. 121
nas. gehirn G. 152. P. G. 72
zeigt folgende formen:
netze P. G. 132
erdreich P. G. 111
(2, 3) stück P. G. 2. 50
stücke P. G. 21. 162
stück G. 89
Unglück G. 158.
getvebe G. 51
Spinnengeweb P. G. 182
eingeiveide P.G. 139
geivelbe G. 133.
gebis P.G. 30
geschrey P. G. 9.
ns. gekrache G. 61
as. geleite G. 149
ns. geniste G. 29
ns. genist P. G. 131
as. gepfiitze P. G. 152
as. gerete G. 31. P. G. 56
US. gereusche G. 61
316
MOLZ
as. (jericht G. 154
as. gerast P. G. 106
as. gi'schenk P. G. 162. 163
as. gesrhiesse P. G. 105
Ulis, (jcschirre G. 31. P. G. 16
as. IrinJitjeschirr G. 147. P. G. 1-17
as. geschwi'tr P. G. 74
as. g€S2)innc P. G. 132
iias. bilde B. 21. 122. P. G. 5
nas. ehenbilde P. G. 90. 92. 137
as. eheuhihl B. 21
ngp. bilder G. 76. 78. P. G. 8. 157.
B. 37
nas. gemüt P. G. 9. 157
g'p. gcniäter G. 69
nas. geschlechte G. 26. 107. P. G. 8.
47. 77 + 3 m.
IV.
nas. gestim G. 37. 39. 41. P. G. 50.
109. 129
nas. gcstirne G. 37. P. G. 129
ns. gesum P. G. 121
as. gewirclce P. G. 120. 129
as. gcwirck P. G. 126
ns. gcirünnc G. 33
ns. gezüchte P. G. 137.
ns. geschlecht P. G. 8. 124
np. geschlecht P. G. 127
np. geschlechter P. G. 125
as. angesicht P. G. 108
as. angesichte P. G. 129
ap. angesichter G. 137
np. nachtgcspenste G. 76
np. gcspenstc G. 78. P. G. 150.
Die Schauspiele des
herzogs
Julius von Braunschweig (um 1600)
geben folgende belege
I.
as. bette Hocker. 1, 185
ns. elende 1 \\\.
das. elend 2 m.
as. netz 1 m.
ns. Icleinot 1 m.
ns. ole 1 m.
nas. ivüdbret 2ra.
as. reich 1 m.
glücke : glück =
1
8
nas. stücke und stück
ns. bette und bett
as. hemde 2 m., hemd 1 m.
II.
gemüse 1 m.
gesinde 2 ra.
gepränge 1 m.
geicölbe 2 m.
m.
a) gebet 3 m.
geschrei häufig.
gebot 1 ni.
b) gehirn 1 m.
gerüchte : gerücht = 3:1
gehör 1 ni.
gesetze : gesetz — 2:1
yerrt/e 1 ni.
gespütt 1 m.
gerichte : gericht =
4
: 1
gleite 1 m.
IV.
ns. ebenbilde 1 m.
geschlecht 2 m.
as. weibsbilde 1 m.
gesichte : gcsicht =^2:1
np. weibsbilde 1 m.
angesicht stets
gcmnte : gemüt =
2
: 1
pl. gesichter.
Es folgen die ja-stämme bei Zesen, geb. 1610. Die belege sind dem
3. und 4. teil des Djrahim-romans entnommen, der 1645 erschien. Aus Opitz'
Kriegsliederu und aus dem Argeuis-roraau sind einige ergänzungen beigefügt.
I
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II.
317
as. anüüz Op., Arg. 61
as. elend 312
nas. bette 51. Op., Arg. 36. 44
ns. creutz Op., Arg. 36. Kr. 34. 90
ns. crexdze Op., Kr. 39. 91
US. heer 316
nas. (ßülcke 4. 104. 124 + 3 m. Op.,
Kr. 49
nas. glüTc 5. 17. 110. 111 + 26 m. Op.,
as. meer 257 j
as. näzze 305
as. reich 28. 29. 124. Op., Kr. 76
nas. stükhe 295 + 2 m. Op., Arg. 27.
Kr. 83
as. stück Op., Kr. 85
as. tmglükke 141. 180
nas. unglük 106. 108 -f- 17 m.
Arg. 7. 21
Im dativ ist bei glück, Unglück das eudungs-e meist gewahrt.
n.
nas. gepränge 14. 31. 68
nap. Sieges-, hohf-geprünge 255. 272.
281
a) as. gebäht 581
as. gebet Op., Arg. 114. 120
as. gebüte 318
b) ns. geblühte 289
as. lobgedichte Op., Arg. 117
as. gehirne ebda. 181
as. gehör 36. 147 + 4 m.
as. gehöre 49
ns. gerüchte 183. 554. Op., Arg. 16
ns. gerächt 319
as. geschänke 599
as. haus-gesinde 494
as. gestade 263.
ni.
IV.
ns. bild 240
nas. äbenbild 103. 106. 107
nas. weibesbild 47
as. traumbild 14
ap. weibesbilder 142
nas. gemühte 18. 43 4- 5m. Op., Arg. 10
nas. gemüht 274. 606
agp. gemühier 458. Op., Arg. 16. 64
ns. geschlächte 10. Op., Arg. 25. 73
das. gebot 472. 556
geheiss Op., Arg. 40
geschrey ebda. 41 u. ö.
as. geschenk Op., Arg. 175
as. gesäzze 270
ns. gesäz 315. Op., Arg. 118
as. geschöpfe 25
ds. geschüz 628
nas. gespräche 14. 62. 476. Op., Arg.
20. 63
ns. gesprähch hlb. Op., Arg. 93.
ns. geschlächt 106, ds. Op., Arg. 184
ap. geschlächter 338
dp. geschlechtern Op., Arg. 100
dp. geschlechten ebda. 107
nas. gesichte 326 + 2 m. Op., Arg. 15
as. gesicht 14. 606 + 3 m. Op., Arg. 61
as. angesicht 657
np. gesicht er 108. Op., Arg. 61.
Buchholz, geb. 1607, bietet in der Wundergeschichte vom Deiüscheu
Herkules 1659 folgende formen. Ich benutzte die ausgäbe von 1693; die
citate sind entnommen aus 1, 1 — 235 und 301—455.
I.
nas. bette 108. 376. 409 ns. reich 5 + 3 m.
ds. kinn 50 das. stück 27. 140 u. ö.
as. meer 435 nas. glück 4. 8 u.s.w.
318
MOLZ
nas. HHcßücV 24 n.s.w.
as. erbe 58
nas. ende 119. 131 u.s. w.
as. hemde 70.
II.
as. (fcschmeyäe 139
nas. gesindc 52. 198. 454 + 6 m.
ns. (jewOlhe 135.
as. gednhific 403
as. gelübde 195. 204. 340
ds. dem eingeweide 322
as. gepränge 19. 138. 392
ds. tinter devi getn'eb und anführung 143
III.
a) as. gebet 1. 20. 234. 402 as. gebot 32
das. gebiet 201. 384 as. gewchr 7. 23. 450 + 7 m.
nds. gebiss 151. 214
b) nas. //e6rt?< 135. 182
as. gebeile 166
nas. sre^^Zwe 50. 96. 421
as. gedänn 435
as. gedickte 83. 84. 180. 189
nas. getickt 108. 373
nas. geßss 152. 416
nas. gefechte 36. 88 + 4 m.
as. gehacke 168
as. gehecke 140
nas. (/e/«eM?e 132. 182. 387
ns. gehirn 35. 431
as. gehöltze 352 2 m.
as. gehöUz 127
as. </eZe//e 329. 449
as. genick 234
as. gerüusche 7. 127
uas. ^er/c;i( 360. 401. 402. 454
as. gerichte 358
as. gerächte 107
das. gerächt 424. 437
as. gerippe 353
as. geschenk 66. 141. 421 + 3 m.
as. geschenke 100. 164
as geschirr 57. 140. 141. 438
ns. geschöpff 111. 115 2 m.
as. gesetz 58
uas. gesprüch 14. 25. 32 + 19 m.
as. gestrüuche 125. 133
ds. ungcstihn 25
as. gewicht 34
as. geicurm 40
as. gezänke 435.
IV.
ns. fc/W 125. 202. 434
as. gemühte 9
ns. bilde 229
ap. gemühter 38
US. tceihesbilde 139
as. geschlecht 23. 181. 193. 411
as. iveibsbild 300. 392
as. r/es/c/<< 135. 331. 430 + 2 ni.
ns. mannesbilde 181
nas. angesicht 3. 50 + 10 m.
as. brustbilde 234
as. gesichte 152. 353. 355
pl. 6/Wer
ap. gesichter 24
nas. gemüht 12. 77. 141 + 3 m.
as. gcspenst 25.
Christian "Weise, geb. 1642, weist in seinen Erznarren vom jalire
1673 folgende formen auf:
as. federbeite 95 as. stücke 52 + 4 m.
as. totenbette 134 nas. stück 120
as. netze 207 as. kimststücke 27
as. ocl 91 as. frühstück 13. 37
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II.
319
as. goldstück G2
nas. (jl'Hche 34 + 8 m.
nas. glück 3 + 6 m.
nas. xmglück 35 + 4 m.
ns. angebinde 170
as. gebiirge 215
as. gedienge 225
as. gedränge 116
a) as. gebet 22
ns. gebete 107
b) as. gehirne 160
as. gehirn 30
as. geleite 10. 47
as. gericht 124
ns. totengerqjpe 227
as. gesclienke 154
as. &?7r7 16 2 m.
as. ehenhild 9. 156
nas. gemüthe 33. 49. 133 + 2 m.
ap. gemüther 4
ns. Unglücke 189 2 ra.
ns. 7ie>»d 11
as. hembde 126.
II.
m.
IV.
as. gehäge 163
ns. geschmeide 172
nas. gesinde 43. 45. 123
as. gewölbe 105.
as. gewehr 100.
ds. geschirr 151
ns. gesöffe 62
as. gespräche 17. 153
ns. gespräch 37. 73. 89. 217
as. getränke 150 2 m.
as. gezichte 167.
ns. geschlechte 133
as. gesichte 19. 32. 45 + 6 m.
ap. affengesichte 3
ap. {affen)gesichter 69 2 m.
Auch bei Eeuter finden sich öef^e, hemde, frühstücke, glücke, gesichte,
geschicke, gespenste und gespenst.
Lehms, geb. 1684, bietet in
Verhältnisse :
as. fce«e 201. 308. 350. 433
as. heer 276
as. meer 249 u.s.w.
as. wete 414. 669
as. netze 254
as. reich 154. 166
nas. stück 257 2 m. 272. 303. 565
nas. kunststück 122. 581. 641
as. gebäude 590
as. gebiirge 57
a) nas. ^e&etÄ 430. 432. 437
nas. geboth 671. 685
b) ns. geblüthe 24. 312
as. gehöre 594
seiner 1713 erschienenen Esther folgende
I.
as. kunststücke 116
ns. meisterstücke 391
nas. glück 14. 18 + 46 m.
nas. glücke 11. 16. 141
nas. Unglück 22. 110 + 16 m.
nas. ende 170 u.s.w.
as. werckzeuge 634.
II.
as. gehäuse 153.
m.
as. gewehr 390
as. gezelt 431.
as. geräusche 10
nas. geschenke 177. 334. 556
320
MOLZ
as. geseU lil. 685
as. gespräche 98
HS. ffcspräch 125
nas. hild 202. 307 + 5 m.
pl. bihkr 312
nas. gemüthc 2. 190. 251 + 14 m.
as. gemiUh 248. 492. 640
ds. gcmiUh 690 (vereinzelt)
ap. gemitiher 95. 106
as. gcstirn 325
ns. geträncke 303.
IV.
nas. geschkchte 265. 283. 292 + 2 m.
nas. geschlecht 107. 681. 690
nas. gesichte 19. 107. 156 + 11 m.
(las. </es/c/(f 399. 635
as. angesicht 261. 679 + 2 ni.
Zum Schlüsse eebe ich die formen aus Lessings Fabeln und seinen
ersten lustspielen.
ns. haiisJü-eutz 278
as. stück 174
voc. oh glücke 349 (ganz vereinzelt)
as. gehäude 169
as. handgemenge 376
as. hochzeitgedichte 336
as. gefecht 173
as. gefühl 180
as. </e/tö;- 4:17
ns. geplürre 482
as. gerüthe 481
as. geschaffte 446
nas. geschaffte stets Geliert
nas. geschaffte oft Herder
ns. geschäft't Frisch
ns. erbstück 279 und andre comp.
as. cjkZe 371.
IL
ni.
(ds. eingeweide 341)
as. geivülbe 404.
nas. geschenk 168. 183 + 6 m.
ns. geschick 440
US. ])faffengeschmeiss 439
ns. gcschöpf 165. 178. 181. 388
nas. geschwätze 439. 447
ns. geschtcätz 321
ns. gespärre 428
as. gespräch 403
as. gewäsche 325
as. gewürze 163.
IV.
ns. ?y/7f/ 169
US. Weibsbild 289. 389 u. ö
as. ebenbild 4(X)
nas. </('»!»//{ 181. 274. 277
nsLS. geschlcchtnO. 185. 195.393 + 4m.
nas. r/esicÄt 302. 357. 373. 390 + 5 m.
Im dat. sing, ist das e meistens bewahrt; so fast ausnahmslos ds. ge-
stellte, glücke und ds. elende 481.
Aus diesen Zeugnissen ist leiclit ersichtlich, dass Luther
dem lieutigen gebi'auch schon sehr nalie steht. Von den häu-
figeren "Worten Averden gehein, gehüsch, gefäss, geliirn, gelenJc,
gemiit, gericht, geschieh, geschirr, geschlecht, geschütz, gesetz, ge-
stell nur oder mit geringen ausnahmen in der endungslosen
gestalt angewendet. Auch bei Mathesius macht sich die
neigung zur apokope sehr bemerkbar. In dem briefwechsel
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. IL 321
des Justiis Jonas finden sich ohne c: hett, h'euU, reich, glück,
unglücTi] gemül, gerücht; überwiegend ohne e erscheinen gemüt,
gescliäft, gesetz] nur mit e hücle, gehohe, getvelhe. Bei Blancken-
berg- (1562) begegnen as. bilde 55, ap. tveihshild 23, stets glüclc,
unglücli 45, as, Jcömgreiche 59, öle 100; as. gesetse 45, as. gesets
52, as. gesichte 56. Bei Ricciiis fallen die zahlreichen neii-
ableitungen ins äuge. Im übrigen lässt sich erkennen, dass
besonders die ^e-zusammensetzungen mit ausgeprägtem collec-
tiven sinne ihr end-e behauptet haben. Dagegen haben gehirn,
geschenJi, gericht, geriist und meist auch gestirn das e ab-
gestossen. Bei den Niederdeutschen Kantzow und Julius von
Braunschweig ist im gegensatz zu dem reformator und seinen
anhängen! der mhd. stand besser bewahrt. Bei dem theologen
Buchholz ist die nhd. richtung scharf -s'orgezeichnet, während
der gleichaltrige Zesen und der 31 jähre jüngere Weise wider
der älteren spräche viel näher stehen, und noch am anfang
des 18. jh.'s behält bei Lehms die volle form der mit ga- ab-
geleiteten y«- Stämme die Oberhand. Die erscheinung, dass
Zesen, Weise, Lehms — und ich könnte auch Opitz nennen —
dem romanschreiber Buchholz gegenüber einen älteren sprach-
stand aufweisen, hat seinen grund in der Verschiedenheit der
sprachlichen Vorbilder. Buchholz war mit der Luthersprache
durch seinen beruf und durch die tendenz seiner erzähluug
eng verwachsen. Opitz, Zesen, Weise standen mit den be-
strebungen der Sprachgesellschaften in enger beziehung. Die
pflege der muttersprache, ihre reinheit und die genauigkeit
der form auch den dialekten gegenüber zu erhöhen, war eine
f orderung der zeit. Dem streben, dieser f orderung nachzu-
kommen, ist es zu verdanken, dass bei den Schriftstellern des
17. jh.'s sich die ^a- stamme lange in ihrer mhd. gestalt fort-
gesetzt haben. Die nachwirkung macht sich noch im 18. jh.
fühlbar; das sehen wir an dem formengebrauch von Lehms,
und noch bei Geliert besteht bei den mit ga- abgeleiteten
ja -Stämmen mit unveränderlichem stammauslaut schwanken
zwischen voller und verkürzter form, wde Jellinek, Abh. z. germ.
Philologie 1898, s. 101 ff. gezeigt hat. Neben hild erscheint bei
Geliert noch bilde. Bette und geschaffte sind nur in der vollen
form belegt. Auch Herder gibt der form geschaffte meist den
Vorzug, die auch noch bei Lessing anzutreffen ist. Gellerts
322 MOLz
sprachgebraucli zeigt beim vergleich mit dem von Bucliholz
keinen fortscliritt in der entwickelung zum nhd. Aber schon
Lessing bedeutet in der ent wickehing einen gewissen abschluss;
die einfachen /a- stamme zeigen ihre nhd. form und alle, die
einen r-pl. bilden, treten endungslos auf. Schwanken besteht
nur noch zum teil bei den ja-composita mit unveränderlichem
Stammauslaut.
Gleichmässig durch alle texte hindurch finden wir die er-
haltung des stammhaften e bei den Ja-stämmen mit auslautender
lenis. -Tellinek s. 103 spricht die Vermutung aus, dass unser
heutiger Sprachgebrauch in betreff der abstossung und be Wah-
rung des end-e beim subst. gleichsam ein niederschlag der von
Adelung aufgestellten regeln sei. Er meint, die hervorragende
teilnähme der Süddeutschen an der literarischen productiou
habe es mit sich gebracht, dass Adelungs grammatik in kleinig-
keiten wie die Setzung oder weglassuug eines e bei den Süd-
deutschen beachtung und nachahmung fand. Ich glaube, -Tel-
linek hat sich hier verleiten lassen, der Adelungschen Sprach-
lehre zu viel gewicht beizumessen. "Wie aus Jellineks darstellung
s. 74 f. zu erkennen ist, hatten doch auch schon lange vor
Adelung Christ 1746 und Heinze 1759 im wesentlichen die
heute üblichen formen aufgestellt. Zur selben zeit, als Geliert
seine Fabeln schrieb mit vielen altertümlichen formen, dichtete
Lessing seine ersten lustspiele, die im wesentlichen den heutigen
usus zeigen. LTnd Lessing starb im selben jähre, als Adelung
seine Deutsche Sprachlehre erscheinen Hess. Die ;a-ableitungen
der neutra sind in der üblichen form nur auf die besprocheneu
analogischen Vorgänge zurückzuführen. Es ist doch einleuch-
tend, dass sich die ja-stämme bei schwankender form schliess-
lich für die endungslose gestalt entscheiden mussten. Lessings
beispiel ist recht geeignet, meine auffassung zu stützen. Eine
weitere Umschau in der vor Adelungs Sprachlehre erschienenen
literatur würde meine behauptung, dass die sprachliche ent-
wickelung unabhängig von Adelung ihre wege gegangen, nur
noch bestärken.
Den einfluss der lutherischen spräche sahen wir bei Bucli-
holz wirksam, auch bei Lessing, der in Verehrung für den
reformator aufwuchs, dürfen wir eine einAviikung der sprach-
lichen form Luthers annehmen. Bei Luther ist die ja -klasse,
J
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II. 323
wie das ganze declinationssystem, noch sehr im fluss; zur zeit
Lessings aber sind alle Scheidungen und durchdringungen der
einzelnen Massen abgeschlossen: da mussten sich erst recht die
eingangs erörterten ausgleichenden momente in der ^a-klasse
geltung verschaffen.
Mit der aufnalime der md. Schriftsprache in Oberdeutsch-
laud werden natürlich auch die ja -stamme nach gewissen Vorbildern in
bestimmter form herübergenoramen. Der Reg-ensburger Greflinger, der
in den fünfziger jähren des 17. jü.'s schreibt und dichtet, hat sich offenbar
den schlesischen dichterkreis zum muster genommen, wenn er es auch nicht
wort haben will, dass seine Oberländer, belangend die art zu schreiben, den
ä la modo Teutschen nachahmen (vorrede zu den Weltl. liedern 7). Die
Ja-Stämme heer Dr. kr. 21, reich ebda., creidz W. 1. 82 erscheinen im nom.
acc. sing, endungslos; aber die meisten ja-composita haben ihr e bewahrt:
US. geblüthe : gemüthe W. 1. 17, as. gemählde ebda. 90, as. gesicht ebda. 40,
ns. glücke ebda. 102 u. ö.; ferner ns. gehirne Dr. kr. 29, as. geliirn : stirn
ebda. 128, ns. gehöre ebda. 31. 53. Nebenbei sei bemerkt, dass Greflinger
das lehnwort öl öfter in der nd. form olie V. g. 82. di, ölie ebda. 87. 104.
105 und vereinzelt auch ol ebda. 206 anwendet; daneben erscheint die hd.
form öl V. g. 87. 109. 207. — Aus dem Kalloandro 1(1656) habe ich mir
nur volle formen der mit ge- zusammengesetzten ja-substantive angemerkt:
geschlechte 78, gesichte ebda., gesprüche 79, gerächte 84, geschicütze 118,
getränke 121, angesichte 129. — In dem Verliebten Europäer, Wien
1682, stehen einige verkürzte formen neben zahlreichen vollen formen: as.
bette 32; gebet 219; as. gebläte 74, gehirne 121, gehölze 72, ns. gemilte 61,
gemüt 173, as. gesichte 62, ns. gespenste 44, n^. gespenste 242; herze 62. —
In dem Frautz. Simplicissimus überwiegen die formen ohne e; neben
bette 16 u. ö. steht bett 47 u. ö., neben as. gemüthe 94. 355 as. gemäth 2,
neben as. gesichte 94 as. gesicht 96. Besonders bei fem. Substantiven berscht
in dieser erzählung noch vielfach die apokope. Verrät sie schon dadurch
ihren obd. Ursprung, so tritt dieser auch in dem dat. sing, gesind 51 her-
vor, eine form, die in Ostmitteldeutschland zur selben zeit nicht anzutreffen
ist. — Haller vermeidet die apokope. Gesetze, gehöre, glücke, geivichte,
geschöpfe, gemüthe, geschicke sind die formen, die Horak 1,6 aus Hallers
Schriften citiert. Der schweizerische dichter lässt aus der ausschliesslichen
an Wendung voller formen erkennen, wie wenig er in alle einzelheiten des
hd. Sprachgebrauchs eingedrungen, er begnügt sich damit, an stelle der
heimischen apokopierten form der ja-composita schematisch die volle form
einzusetzen, obgleich zu seiner zeit bereits die teilung der formen in solche
mit und ohne e zum grossen teil durchgeführt war.
ill. klasse. Neutra mit -r-plural.
Die klasse ist durch den plural auf -er gekennzeichnet.
Die endung -ir geht auf urgerm. -iz zurück und gehörte Ursprung-
324 MOLZ
lieh zum stamm (Streitberg, Urgerm. gramm. § 181). Die neu-
tralen 5-stämme entspreclien den lat, Wörtern wie opus, opcris\
accus, decoris. Unter westgerm. einfluss musste das 5 des nom,
acc. sing, schwinden und nach langer silbe büsste der 5-stamm
auch den endvocal ein. Damit war im nom. acc. sing. Überein-
stimmung mit den a-stämmen herbeigeführt. Der gen. und dat.
sing, gab dann in angleichung an die a- stamme die suffixale
form auf. und mit ihrem Verlust war das wortbildungssufflx -ir
zu einem pluralischen kriterium erhoben. Der frühe ausgleich
im sing, lässt auf eine schwache besetzung der wortgruppe
schliessen. Wie lange hatten doch die /-feminina sich dem
ausgleich im sing, widersetzt! Aber nicht nur Wörter mit
germ. langer Stammsilbe wie ris, hiion, luog, die nach herschender
annähme den endvocal im nom. acc. sing, lautgerecht verloren
haben, gehören in diese klasse. Auch 5 -stamme mit kurzem
stammvocal haben sich in germ. zeit dem System der a-stämme
im nom. acc. sing, angeschlossen.
Bei vorhersehendem gebrauch des pl. siegte die erweiterte
form über nom. acc. sing.; so erklärt sich ahir älire; nur im
pl. sind belegt trebir, trestir (Bojunga 95).
Im sing, sind in der erweiterten form nur noch ds. chal-
hire und gs. rindares (für rindires) in Rb. belegt (Braune, Ahd.
gramm. § 197). Das ausschliessliche auftreten des r-pl. im ahd.
lässt in manchen Wörtern einen 5-stamm vermuten, und frühe
ableituugen und composita auf -r bestärken zuweilen diese
Vermutung ("Wilmanns 2, § 253). Die übereinstimmende flexions-
weise mit -r im ahd. und ae. macht schliesslich in einigen
Substantiven die echtheit eines alten 5-stammes sehr wahr-
scheinlich. Durchgehends bilden ae. J^mh, ahd. lamh; ae. cealf,
ahd. l;alh\ ae. ce^, ahd. ei den plural mit -r; hryder hat im ae.
auch im sing, das r-suffix verallgemeinert. Danach dürfen
folgende Wörter, die auch im ahd. nur die r-pluralbildung
kennen, als alte 5-stämme angesehen werden: lailh, rind, farh,
huon, ei, ris, blat, luog höhle, tierlager. Auch lamh, das im
ahd. gewöhnlich einen r-pl. bildet, darf, durch die ae. flexion
gestützt, als 5-stamni angesprochen werden. Die übrigen aber,
bei denen auch überwiegend die erweiterte form des pl. im
ahd. überliefert ist: hol, rad, grab, louh, krüt, hr'et, sind in betreff
der ursprünglichkeit ihrer bilduugsweise zweifelhaft. In lou,h
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II. 325
wird allerdings noch durch ahd. loiiharön frondere und mhd.
loiibertag 'lauberhüttenfest' die annähme eines alten 5-stamines
nahe gelegt (Wilmanns 2, § 253).
Das Suffix -ir kommt also von hause aus einigen haustieren
und neutralen gegenständen wie ei, hlat, ris zu. Es bezeichnet,
nachdem sich die ausschliessliche pluralische function ein-
gestellt, die einzeln sinnlich wahrnehmbaren gegenstände, es
bezeichnet eine einheit mit betonung der darin umschlossenen
Vielheit. In dieser function war das suffix in der späteren
sprachpeiiode zu einer wichtigen rolle berufen. Dabei kommt
noch in betracht, dass es die einzige flexionsendung ist, die
nur pluralischen wert hat.
Obgleich im ahd. die neutralen a- stamme weitaus den
s-stämmen an zahl und häufigkeit überlegen sind, lässt die
brauchbarkeit des suffixes die neue pluralbildung in einer reihe
von a-stämmen wurzel fassen. Ausser den genannten Wörtern
mit überwiegendem r-pl. begegnet bei lidr, holz, abgot, loh,
bant, fehl, hüs die erweiterte form neben der kürzeren. Und
noch bei einer dritten gruppe von a-stämmen tritt der r-pl.
vereinzelt in erscheinung: üer, tal, weif, sivin, Jcar u.a.
Im mhd. dringt der durch -ir bewirkte umlaut allgemein
ein, und das pluralische kennzeichen hebt sich jetzt noch
schärfer hervor. Zu den im ahd. vorhandenen i-formen treten
neue; doch ist meist daneben die alte form bewahrt oder in
fast ausschliesslichem gebrauch (Paul, Mhd.gramm. § 123, anm.2).
Grimm 1^,597 führt fürs mhd. folgende jüngere r-plurale auf:
hender, hlöcher, buecher, dieher, dörfer, abgöter, hiuser, hinder,
Ideider, lieder, lider, löcJier, örter, pfender, reder, reher, rieder,
rösser, telr, titecher, ivelfer, wiber, swier (rami). Ferner führt
Grimm noch eine reihe vereinzelter r-plurale auf und bemerkt,
dass von den meisten auch der pl. ohne -er zugleich gilt. Im
mhd. hat der r-pl. wol noch eine reihe von Wörtern ergriffen,
die der suffixalen bildung im ahd. fern standen; aber zu einer
dauernden festsetzung der form kam es noch nicht. Das ge-
schieht erst in der nhd. sprachperiode, und zur erklärung
dieser tatsache seien der eigentlichen Untersuchung über fort-
schritt und ausbreitung des r-pl. einige worte vorausgeschickt.
Ich muss hier etwas weit ausholen. Im mhd. lautete der
bestimmte artikel im nom. acc. pl. neutr. diu. Die masc. und
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. 22
326 MOLZ
fem. form lautete in denselben casus die. Bin hat sich im
bair. lange behauptet; sowol im nom. acc. pl. neutr. wie im
nom. sing. fem. ist es im Buch der fiatur meist gewahrt. Zu-
weilen erscheint hier auch die diphthongierte form deu: np.
den miflistcn lämcrlcin 6, 18. Die erhaltung des alten iu bei
sonstiger durclifiilirung der dij)hthongierung ist aus satzphone-
tischen gründen begreiflich. Später, zuweilen schon vor 1350,
verdrängt die masc. fem. form die das neutr. diu und beherscht
so im i)lural alle drei geschlechter; vgl. diu Her B. d. n. 8, 1,
diu werk 8,21, diu Icindlcin 16,3 neben die Jierten pain22,\0,
die andern glirder 13, 17. Somit war also ein dem pl. des
neutr. eigentümlicher unterschied von den übrigen geschlechtern
getilgt.
Ferner verdient die entwickelung der starken flexion des
adjectivs in diesem Zusammenhang betrachtet zu werden. Ent-
sprechend den formen des bestimmten artikels hiess es mhd.:
hlinde Hute, schoene stunde, aber hlindiu schäf, hlindiu kint. Auch
dieser unterschied ist im Buch der natur noch bewahrt; es heisst
ap. süe^ früclit 323,21, dürr rösen 345,31 und np. ir friicht 320,2
neben nap. Jcalfeu ding 10,11, langen jar Slb, 11, andren dinch
21, 23, andren Her 19, 23, ireu 2mnt 15, 10. Auch dreu dinch
15, 28 sei als eine nur dem neutr. zukommende, aber bald unter-
gegangene form angeführt. Auf obd. boden hat dann noch im
laufe des 14. jh.'s ein ausgleich stattgefunden. Die endung der
stark tlectierten form des neutrums wurde zu c geschwächt,
erlag aber nicht mehr der apokope, sondern verbreitet sich
auch auf das masc. und fem., die, wie wir sahen, im Buch der
natur endungslos geworden sind (Behaghel, Pauls grundr. 12,710).
In den späteren texten Oberdeutschlands ist es regel, dass die
stark flectierte form des adjectivs durch alle geschlechter im
plural e hat. Im md. geht schon zur mhd. zeit der nom. sing,
fem. und der nom. acc. pl. neutr. des stark flectierten adjectivs
auf -e aus (Paul, Mhd. gramm. § 138, anm. 2).
Der Verlust dieser beiden, den neutralen plural auszeich-
nenden Unterscheidungsmittel führte es mit sich, dass man jetzt
eher und allgemeiner zu dem bestehenden r-\\. griff, um auch
fernerhin den pl. des neutr. mit einem besonderen pluralischen
kennzeichen zu behaften. Die r-form wurde jetzt fast überall
herschend. wo sie frühei- noch vereinzelt auftrat. Mit ihrer
NHD. SUBSTÄN riVFLEXION, n. S27 "
ausdeliiiung- g-elit dann der übertritt der a-stämme zur flexion
der masc. band in liand, und nacbdem der r-pl. weitaus die
mebrzahl der neutralen a- stamme augezogen, unterliegt die
a-klasse endgiltig im nom. acc. pl. der einwirkung des mas-
culinums.
Ich wende mich jetzt der Verbreitung und ausbildung des
r-pl. im nhd. zu. Zwei gruppen sind zu unterscheiden: der
r-pl. bei den s-, a-stämmen und der r-pl, bei den ja-stämmen
mit einschluss der mit ge- abgeleiteten a- Stämme. Ich stelle
die entwickelung zur nhd. Schriftsprache in den Vordergrund
und behandele deshalb in beiden klassen die heute üblichen
formen zuerst und schliesse die dialektischen formen an. Bei
den citaten scheide ich nach den dialektgebieten. Unter 1)
gebe ich die belege aus bairischen, unter 2) aus alemannischen,
unter 3) aus schwäbischen quellen, unter 4) aus süd- und ost-
fränkischen Schriften, 5) bietet die westmitteldeutschen, be-
sonders rheinfränkischen, und 6) die ostmitteldeutschen citate;
7) bringt die beispiele aus den Schriften niederdeutscher autoren.
I. gruppe. Der r-plural der s-, «- stamme.
1) Der schriftsprachliche r-plural.
Das eintreten und die festsetzuug des r-plurals ist nicht
bei allen s-, a-stämmen zu gleicher zeit erfolgt. Eine anzahl
neutra nehmen früh den r-pl. an und beharren bei seiner form,
ohne von den a-stämmen weiter beeinflusst zu werden, andere
ringen durch Jahrhunderte hindurch mit der alten und neuen
bildungsweise, wenn auch der sieg sich schliesslich stets auf
Seiten der neuen form neigte.
Die Wörter ei, huhn, hilb, lamm, rincl (mhd. auch pl. rint)
bilden im mhd. nur den r-plural, und hlatf, glas, grab, loch,
maul, trumm begegnen neben den erstgenannten in nhd. zeit
nur mit dem r-plural. Die wenigen a- formen dieser Wörter
sind besonderen anlassen zu verdanken.
Belege für den r-pl. von ei, huhn, kalb, lamm, rind beizubringen, kann
ich mir ersparen; der r-pl. dieser Wörter ist im mhd. herschend und bleibt
es im nhd. Einige besouderheiten seien hier erwähnt: durch das reim-
bedürfnis ist veranlasst dp. haselhunnen* Ayrer. Auf momentaner assimila-
tion beruht diesen ochsen und kalben Riccius, P. G. 164. — Das auslautende
b Ton mhd. lamh ist noch erhalten bei Mynsinger 31: gs. lamb und noch
22*
328 MOLZ
ende des IG. jh.'s bei Albertimis ns. htmb, gs. hnnbs 193, ebenso as. hanen-
kamh ebfliv. 10. — Beachtenswert bleibt dp. lammen Urkb. d. st. L. 27S n4tj2)
neben ap. hmmere ebda. 337 (14CG). — Im reim erscheint ap. riml 2 m.
bei Manuel, während schon Ulrich Boner und Pauli nur den ;-pl. kennen.
Für hlaü, (/las, grab, loch, tnaul, tnimm mögen die belege des r-pl.
folgen :
blatt:
1) r-pl. B.d.nat. 440,24 u.ö. Suchenw. 5) r-pl. Stade 174
Myns. 39. 43. 45 0) r-pl. Dal. 182, 23*. Veter b. 58, 5.
2) r-pl. Pauli 24. Matth. v. Beb. Eothe 15. 61.
3) r-pl. Decam. 13, 15 u. ü. Augsb. 4, Luther. Mathesius
325, 16. Augsb. 5, 2, 12 7) r-pl. Purgoldt.
glas:
1) r-pl. Urkb. E. 7, 344 (1354) 4) r-pl. Rosenbl. Folz. Eyb. Nürnb. 5,
3) r-pl. Augsb. 1, 229, 12 (1445). De- 552, 4
cam. 384, 6. 419, 25 u. ö. 6) r-pl. Rothe 02. Rice, G. 30
7) r-pl. Kantz. 184.
grab:
3) r-pl. Decam. 399, 11. 26 u. ö. Füet. Rothe 84. 158. Matthesiu.^. Rice,
Äsop. 61 G. 79. Buc. 127
5) r-pl. Urkb. Sp. 417 (1340) 7) r-pl. Kantz. 43.
6) r-pl. Dal. 174, 1. Matth. v. Beb.
loch:
1) r-pl. B. d. nat. 45, 24. Mjms. 23. 65. 4) r-pl. Rosenb. Folz. Eyb. Wilwult
78 5) r-pl. Stade 174
2) r-pl. Pauli. Manuel. Hairask. 85, 13 6) r-pl. Veter b. 20, 23. Rothe 249, 30.
8) r-pl. Mich. Beh. Decam. 248, 25. Rice, G. 34. 150 u. ö.
Füet. Buch d.beisp. Äsop 229. Augs- 7) r-pl. Purgoldt. Kautz. 221.
b. 2, 103, 21. 177, 2. Augsb. 5, 214, 9
maul:
1) r-pl. Schaideur. 19. Albert. 125 4) r-pl. Rosenbl. Folz. Ayrer
2) r-pl. Pauli. Manuel* 6) r-pl. mider Rothe 218. 227. Mathe-
3) r-pl. Tünger 95. Decam. 580, 17. 18. sius. Rice, G. 89.
19 u. ö.
Ob 'raund' oder 'maultier' gemeint ist, macht keinen unterschied der
form. Bemerkenswert ist nur, dass im Decam. maul = maultier als mase
erscheint; so Decam. 588, 25. 589, 3. 23.
trumm — trüramer m. n.
Der sing, ist im nhd. selten anzutreffen. Bei Schaidenreisser erscheint
er von dem pl., der in seiner bedeutung eine von dem sing, abweichende
richtung eingeschlagen, ganz getrennt: au einen trom (-= stumpf, pllock)
Scliaidenr. 71 und >« tritmment ::crstosseii ebda. 51. Sonst ist mir der sing,
nur noch bei Kud. Fischer begegnet: trumm 118. — Der pl. ist in der
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II. 329
älteren zeit meist in Verbindung mit der präposition zu gebräuchlich. Nur
einige beispiele seien erwähnt: ... gingen zu trümmem Wihvolt 159, zu
triimmern stossen ebda 100, . . . zu irümmern geschlagen ebda. 36. 70, zu
trümmem gehen Sachs 16, 158, 18. 265, 2i, zu tausend trihnmern gehen Opitz,
Kr. 78. Die r-fonn des pl. ist von Suchemvirt bis 'Adelung ohne ausnähme
in geltung. — Den sing, trümmer f. {zu meiner trämmer Herder) denke ich
mir aus dem x-pl. irümmern hervorgegangen; vgl. die zweite mischklasse
der neutra.
Die Wörter buch, dach, geld, (gras), haus, höh, körn, kraut,
liest, rad, reis, tuch, volh zeigen in nlid. zeit nur noch geringe
reste der a-declination:
buch:
2) a-pl. U. Boner 5) e-pl. Mainz 1, 285, 12
3) «-pl. Buch d. beisp. 50, 33 6) o-pl. als man list in den buochin
4) rt-pl. Rosenbl. Dal. 137,28*.
1) r-pl. B.d.nat. 35,14. 390,19. Urkb, 2,10. 148,6. Decam. 164, 33. 525,2.
E. 7, 344 (1354). Myns. 13. Schal- 29 u. ö. Asop 152. B. d. beisp. 6 m.
denr. 29 5) r-pl. Rosenbl. Folz 3 m. Wilwolt
2) r-pl. Pauli 6) r-pl. Matth. v. Beb. Rothe 47. 48.
4) r-pl. Augsb. 1, 115, 9 (1409). 287,6 Luther. Rice, P. Ct. 2
(1450). Augsb. 3, 24, 20. Augsb. 5, 7) r-pl. Kantz. 45. 47. 200.
dach:
3) a-pl. Mich. Beb. 1 m.* 7) a-pl. (dp.) Piirgoldt.
6) a-pl. (dp.) Mich. Beb. L.12,3. (dp.)
Rothe 482
1) r-pl. B.d.nat. 9, 3. Suchenw. Urkb. Beb. 3 m. Tüuger. Asop 106. B. d.
E. 7, 344 (1354) beisp.
2) r-pl. Manuel. Wolfh. Spangenb. 1, 5) r-pl. Stade 104
185 6) r-pl. Rice. 73
3) »--pl. Augsb. 1, 248, 19 (1307). Augs- 7) r-pl. Kantz. 27.
b. 3, 29, 8. Augsb. 4, 218, 28. Mich..
geld:
1) r-pl. Sterz, sp. 276. 389 3) r-pl. Rud. Fischer oft.
Bei Rudolf Fischer 86 begegnet der pl. zinsgeld. Aus älterer zeit ist
weiter keine r-form zu belegen, die auch im mhd. noch nicht vorkommt,
da der plural überhaupt nicht gebildet wurde. In der composition findet
sich der r-pl. ungelier (= steuern) Chmel 199 (1498) zu dem masc. ungelt
ebda. Der r-pl. ungelder auch noch Simpl. 109. 502. In den singular ist
-er eingedrungen in folgender stelle: )iime mein gewant zu vnd gibe mir
alleine dein iopen die doch gar Meines gelter tvert ist Decam. 148, 11.
gras:
Im mhd. wird kein /--pl. gebildet. In der älteren nhd. zeit scheint
das Wort sich auch auf seinen sing, gebrauch zu beschränken. Ich habe
330
MO LZ
nnr* einen beleg zur Verfügung, wo mau don ;-iiI. erwarten sollte: die
krcuter und (jrafs auf den f eidern abweidet Schaidenr. 36.
haus:
5) e-pl. J huse Fr. rchskr. 1 (1400) 6) a-\}\. Eothe 218. 596.
1) r-pl. Urkb. E. 5, 368 (1323) u. sp.
Weizs. 1 (1374—1379). Suchenw.
B. d. nat. 16. 109 u. ö.,Myns.
2) r-pl. Urkb. Fr. 1. 83 (1273). Urkb.
Fr. 2, 103 (1395). Hairak. 43, 19.
83,14
3) r-pl. Augsb. 1, 114,22 (1408). Augs-
b. 3, 23, 10. 182, 8. Decam. 7, 4. 81,
34 u. ö. Äsop 106. 204
4) r-])\. Rosenbl.
6) ;-pl. Dal. 69, 28. 146, 5 u.ö. Mattli.
V. Beb. Urkb. L. 47 (1380). 80(1409).
Veter b. 70, 4. Rothe 27. 89. 2.S3.
Luther. Rice, G. 73. 146
7) ?--pl. Kantz. 26. 27. 188.
Der alte dat. pl. hat sieh festgesetzt in den Ortsnamen AdcJliui(><cii,
JJiethausen, Schafj'hausen neben späteren z. b. Tiefenhäusern.
7) a-pl. Purgoldt 1 m.
holz:
2) r-pl. Urkb.Fr. 1, 541 (1368). Stretl.
Chr. Haimk.49,28
3) r-pl. Mich. Beb. Decam. 84, 13.
Augsb. 5, 378, 8
4) r-pl. Eyb. Ayrer
5) r-pl. Mainz 2, 35, 12. Stade 171
6) r-pl. Urkb. L. 48 (1381) u. ö. Augsb.
1,174, 14 (Prag 1392). Rothe 21.
Mathes. Rice, (i. 32
7) r-pl. Purgoldt 1 m.
koru:
1) o-pl. B. d. nat. 413, 4 3) . . . rauhe i)fefferkorn Krafft 124.
1) ?--pl. B.d.nat. 415, 19. Myns. 23. 44. 4) r-pl. Rosenbl.
45 6) r-pl. Rothe 75. Rice, G. 33.
2) r-pl. Wyle 194, 3
3) r-pl. Decam. 566, 17. B. d. beisp.
Federm. 28
Den pl. körn wendet der Verfasser des Buches der uatur im sinne von
'koniarten' an, körner = 'einzelne Samenkörner': das fjersten körn gibt
nicht so giiot mel savi andren kam B. d. nat. 413, 4, wir der körner fünf-
zehenen trink ebda. 415, 19.
kraut:
6) pl. krüt, kmte M. v. Beb., M. 13, 32. o-pl. krut Rothe 12.
1) r-pl. B.d.nat. 3. 472 u.ö. Suchenw.
Myns. 33
2) r-pl. Pauli. Manuel
3) r-pl. Augsb. 1,280,1 (1450). De-
cam. 93, 3. 610, 13. Füet. 108. Asop
49. 283 u. ö. B. d. beisp.
4) r-pl. Rosenbl. Folz. Eyb. Sachs
5) r-pl. Stade 187
0) r-pl. Veter b. 82, 23. Mathes.
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II.
331
nest:
4) o-pl. (dp.) i. Bibel
1) r-pl. Myns. 10. 11
3) r-pl. B. d. beisp. Spreng, Aen. 157
4) a-pl. Rosenbl.'*'
2) r-pl. Pauli
6) e-pl. Matth. v. Beb.
6) r-pl. Rice, G. 66.
rad:
6) r-pl. Rothe 191. Rice, G. 75. 146.
reis:
1) a-pl. propf- Grefl., Y. g. 8
3) a-pl. Angsb. 3, 91, 11. Spreng, II. 91*
1) ?--pl. 2^>'opff- Grefl., V. g. 66 2 m.
4) r-pl. Stieler
6) o-pl. Rothe 80.
6) r-pl. Rothe 16. Rice, G. 84. 85. 93,
2) a-pl. Ul. Boner 2 m.
3) a-pl. B. d. beisp. 127, 13
tuch:
5) o-pl. (dp.) Fr. rchskr. 1 (1415)
6) o-pl. 4 t. Urkb. L. 235. 236 (1452).
1) r-pl. Urkb. E. 7, 344 (1354). Suchen-
wirt. Myns. 73. Aventin, Schaidenr.
29
2) r-pl. Urkb. Fr. 1, 366 (1347). Stretl.
ehr. Pauli. Haimk. 79, 32
3) r-pl. Decam. 15, 21. 522, 26 u. ö.
Augsb. 1, 60, 14. Augsb. 3, 129, 7.
Augsb. 4, 283, 12. B. d. beisp. öfter
4) r-pl. Rosenbl. Folz. Eyb. Nürnb.
5, 460, 16. Wilwolt
6) r-pl. Matth. v. Beb. Rothe 243. Ur-
kb. L. 315. 316. 353 (1464-1469).
Luther. Mathesius
7) r-pl. Purgoldt.
volk:
2) o-pl. Vaniinm die landtzhereti und
lattdtvolck die Perser in der stat
belagert hand Haimk. 256, 2
1) r-pl. Aventin 1. 641, 7. Schaidenr.,
vorr. 3
2) ?--pl. Manuel
3) r-pl. B. d. beisp. Zimm. ehr. oft.
Federm. 5. 23
7) o-pl. volgk Purgoldt.
4) r-pl. Folz. Sachs
5) r-pl. Faustb. Stade 176
6) r-pl. Luther. Mathesius. Rice, G.
99
7) r-pl. Kantz. 3.
Die Übrigen neutralen Wörter mit r-pl. schwanken in der
nhd. epoclie, zum teil bis in späte zeit, und bei einzelnen ist
noch heute die «-form nicht verschwunden. Es sind folgende:
hacl, band, brett, daus, {ding), dorf, fach, fass, feld, gut, liaupt,
Jiorn, Iclnd, Jdeid, land, lied, licht, mal, {mensch), nest, pfand,
scheit, Schild, schloss, schwert, stift, tal, ivams, lueib, tvort und
die Wörter auf -tum.
332 MOLZ
bad:
1) n-i)l. Aventin 1,882,24 4) a-pl. Folz oft 30. 1240 ff.
2) r-pl. Pauli. Hainik. GO, 32. Boner, 3) r-pl. Krafft 173. 382
Suet. 44. Früreisen 214. Oelinger 1) r-pl. Schottel.
Der alte ilat. pl. lebt weiter iu ortsbezeichnungeu wie Wiesbaden u. a,
band:
nhd. pl. bände = 'fesseln' iind 'das bindende' in übertragenem sinne: die
bände der freumhchafi, die bände des bliites: pl. händer = 'das bindende'
im eigentlichen sinne: armbänder, hahhänder, Strumpfbänder u.a. Diese
Scheidung in der bedeutung hat sich mit dem eintreten des r-pl. ausgebildet
und ist bei Henisch 182. 183 bereits durchgefiilirt. Den pl. bändrr im sinne
des heute gelimfigen pl. bände kann ich nicht belegen. Aus Opitz möge
für die trennung der bedeutung ein bei.spiel hier folgen: diese löselen ihrer
gesellen bände Arg. 181; der iodt ... eiyi ihor durch das der geist kömpt
aus des leibes bände Kr. 91 und hiiebänder um die schenket Arg. 186. In
den folgenden citaten ist die n-pl.-fonn natürlich nur im sinne der heutigen
r-pl. -form gemeint :
1) o-pl. Myns. ()8. Scliaidenr. 1(J. 42. 4) armbänder Ayrer, pl. armband
halfsbänder Nass, W. 129 und dp. armbanden ebda.*
2) pl. annbande Moscherosch 155 0) pl. hahsbender Eothe 47, r-pl.
3) o-pl. Äsop 199 2 m., n-pl. (au den Opitz, Arg. 116. Zesen 502. Buch-
türen) Spreng, Aen. 28. II. 343, u-ir holz 447
lufsten auf die sayl und band 7) pl. halsbande Hocker. 1, 256, r-pl.
Spreng, Aen. 59, arm und hals- Schottel.
bänder ebda., H. 262, mit einer
einfachen ßulden köttin und zicayen
armband Kraft't 8
brett:
1) /--pl. Aventin. Schaidenr. 92. 97 4) r-pl. Wilwolt
2) r-pl. Pauli 5) r-pl. Urkb. Sp. 485 (1350)
3) r-pl. Mich. Beb. 3 m., dp. breiten 6) «-pl. Urkb. L. 250 (1455). Luther
Mich. Beh.*, r-pl. Augsb. 1, 280, 11 öfter neben r-pl., c-i)l. Weise 171,
(1450), r-pl. spil- ebda. 325,25. r-pl. Buchh. 137
Augsb. 5, 305, 26, e-pl. spil- Decam. 7) r-pl. Kantz. 75. 192.
16, 12, r-pl. Decam. 84, 14. 16. 373,
34, r-pl. Augsb. 4, 298, 21
daus:
6) r-pl. täuser Girbert. 4) r-pl. teuser Stieler 91.
7) r-pl. täuser Schottel.
ding:
Der pl. dinger hat nur besc hräukte geltung, er wird in verächtlichem,
wegwerfendem sinne angewendet, auch von weiblichen personen. Für die
ältere zeit trifft eine nüancieruug der boidon plurale nur selten zu. Der
r-pl. tritt im allgemeinen nur selten in erscheinung; die normale c-form
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II.
333
des pl. ist der j--form gegenüber so überwiegend im gebrauch, dass es über-
flüssig erscheint, für die übliche form weitere belege beizubringen.
3) r-pl. (= 'ereignisse') Federm. 3.
52. 80, gp. tvnnderbarUcher dinger
ebda. 83 ; pl. ding Federm. 4. 81
4) e-pl. und r-pl. Stieler
5) r-pl. (= 'gegenstände') Stade 104.
128. 170. 184; pl. ding{e) ebda. 90.
131. 132 u. ö.
G) r-pl. Luther vereinzelt in der Bib.
V.45, r-pl. (=tiere)Eeuter, Schelm.,
e-und r-pl. Hempel, r-pl. (= 'frauen-
zimmer, weiber') Lessing 1,268.
7) r-pl. und e-pl.
Klopstock.
Schottel., r-pl. zuw.
dorf:
1)
2)
3)
4) «-pl. Eosenbl.
5) a-pl. (dp.) Fr. rchskr. 1 (1439)
6) a-pl. Urkb.L. 17 (1292). 258 (1457),
(dp.) Urkb. Arn. (1332), a-pl. Matth.
V. Beb., L. 9, 12. Eothe 33. 59. 255.
602. 681. Luther in der regel
7) e-pl. Purgoldt
r-pl. Urkb. E. 5, 26 (1309). AVeizs. 1
(1374) u. sp. Weissk. Aventin
r-pl. Urkb. Fr. 1, 516 (13G8). ebda. 2,
363 (1426). ebda. 2, 364 (1426).
Haimk. 75, 2. Pauli. Boner, Just. 72
r-pl. 3 d. Augsb. 1, 28, 5 (1372) u. ö.
ebda. 311, 2 (1450). ebda. 2, 5, 15.
Decam. 364, 20. Isop 5. Tünger 115.
Zimra. ehr. Federm. 49
r-pl. Eosenbl. Folz 1 ra. Wihvolt 41.
Sachs allg.
r-pl. Fr. rchskr. 1 (1428u.l439). Stade
172
r-pl. Urkb. Arn. (1273-1452). Urkb.
L. 33 (1359). 139 (1437). 287 (1462).
Matth. v.Beh. Dal. 202, 34*. 222, 14.
Eothe 150 2 m. 254. Luther, bes.
Bib. T. 45. Eicc, G. 145
r-pl. Kantz.34. 100.
fach: mhd. pl. vach:
6) iceiildufige fächer des gehirnes
Opitz, Arg. 90
7) r-pl. Schottel.
4) pl. fache und fächer Stieler.
fass:
1) a-pl. Urkb. E. 6, 200 (1336). 7, 359
(1354). Chmel (1510), dp. 7nit fassen
Dornbl.
2) a-pl. Pauli 1 m.
3) a-pl. Mich. Beb. 2 m.* Äsop 63. 306.
307. ö/". Augsb. 5, 220, 9, (dp.) ebda.
117, 13, 1000 f Spreng, II. 93, '? f
Kraff't 32
r-pl. Schaidenr. 8. 98
r-pl. Muruer. Manuel Im. Boner, Just.
64
?-pl. Mich. Beb. 4 m. Decam. 532, 26.
539,24. 543,2. Augsb. 4, 213,8 (dp.),
,;?/: Spreng, II. 348. Kraft"t20
3;{4
MO LZ
4) «-1.1. Rosenbl.*, (<li).) Wilw. 3fi
5) n-pl. Urkb. Sp.279 (1323), a-, e-pl.
Stade 108
C) rt-i)l. Matth. V. Bell. Urkb. L. 2.U.
270. 315 (bis U64). Rothe 400. 632,
f-pl. ebda. 604, a-, c-pl.Ltither, rt-pl.
Rice, (4. ,S4
7) e-pl. Purgoldt
;-pl. (dp.) Wilw. 2 in., >-pl. Ayror
)■-])]. Faustb.
?-pl. Luther seltener. Rice, G. 137
?--pl. Schottel.
Der grammatiker Heiupel gibt noch 1754 pl. fasse und fässer an.
fehl:
1) a-pl. 4 f. Schaidenr. 79 ^■
2) c-pl. Urkb. Fr. 1, 516 (1368), M-pl. r
(dp.) Morgant 14, 15
3) c-pl. Augsb. 1, 221 (1440)
4) r
6) a-pl. Rothe 12. 18. 245, (dp.) Ur- r
kb. Arn. (1496). Luther meist, (dp.)
Luther, Bib. v. 45
7)
Der alte dat. pl. ist erhalten in
fehlen, Erfehlen, lihcinfclden.
pl. Schaidenr. 3. 24. Grefl., V. g. 84
pl. hultser, fehler Urkb. Fr. 1,541
(1368). Haimk. 32. 32. Morg. 44, 17.
Boner, Oros. 15. Just. 9. Wolfh.
Spangenb. 2, 47
/•-pl. Augsb. 1, 201 (1440). Decani. 7,
34. 159, 14. 160, 19. 161, 7. 558, 8
u. ö. Zimra. ehr. allg. Spreng, Aen.
46. II. 301
■pl. Sachs allg. Ajrer
pl. Luther (nap. Luther, Bib. v. 45).
Rice, G. 26. 85. 145
•pl. Schottel.
den Ortsnamen Bruckfelden, Beer-
gut:
1) r,-u\. Urkb. E. 4,83 (1312). 4, 231
(1318). 4,234 (1319). 4,283(1321).
6, 10 (1331). — c-pl. Weizs. 1 (1374)
2) a-pl. Wyle 186, 11
3)
4)
5) a-pl. Urkb. Sp. 369 (13.33). 413
(1340)
6) r^pl. T'rkb.L.43(i:!74). 48(1381).
314 (1464). Rothe 581 2 m. uusn.!
7) o-, c-pl. Purgoldt
;-pl. Urkb. E. 4, 186 (1293). 4, 317
(1299> 5,231(1318). 5,547(1329).
Weizs. 1 (1370-82). Chmel. Aven-
tin 2, 259, 9. Schaidenr. 15. 28
;--pl. Urkb. Fr. 1,410. 411 (1350/51).
Stretl. ehr. Wyle 190, 5. Pauli
/•-pl. Decam. 4, 38. 66, 18 u.ö. Tanger
103. 137. Augsb.2,200,5. 11. ebda.
4, 225, 33. ebda. 5, 28, 5. 106, 4.
Zimm. ehr. allg. Federm.21
r-pl. Ruseubl. Eyb 2 m. \\'il\v. Sachs
r-pl. Fr.rohskr. 1(1437). Mainz 1,105,1.
Stade 103
/•-pl. Urkb. L. 134 (1436). 139(1437).
252 (1459j. Urkb. Arn. (1440-93).
Rothe 150. 200. 253 u. ö. Luther.
Miithes. Rice, Buc. 130 u. ü.
/•-pl. Purgoldt meist. Kautz.lO. 118 u. ü.
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II.
335
hanpt, shä. hoiibt't, mhd.houbet, houht, houpt.
Daraus giengeii nlid. die doppelformen hüupt und hanpt hervor, die
sich bis spät in die nhd. zeit nebeneinander gehalten haben. Noch Buch-
holz hat s. 173 ns. hintcrhä iipt und ns. häuht. Der pl. der formen nach der
«-declination lautete hai(pt{e), lieupf(e) iind im r-pl. henpier. Doch erscheint
auch der pl. haupter, eine form, die nach analogie von lieupt — henpier zu
haupt neu gebildet ist. — Die umgelautete form des sing, hat auch zu-
weilen angleichung an die ja-stämme erfahren: as. heuhte Rice, Buc. 112.
127. — Im dat. pl. hat sich in der formel zu hünpien und ähnlichen Ver-
bindungen das alte himpt erhalten. Luther hat aiiff seinen hevhten Bibel
V. 43. Offenb. 12, 3 (n. Kehrein 181). In Oberdeutschland war in solchen
Wendungen stets der unumgelautete vocal üblich : zu den ha^ipten auf das
pette Decam. 83, 38, zu sinen haupien Augsb. 1, GO, 15, zun haupten Manuel,
dasselb (= hemhd) bedecJcte mich i-on haupten bis zun füssen Albert. 109,
bei seinen haupten Sachs 20, 393, 4, tcir sind auch zun haupten gewachsen
Mathesius. Bei der formel zu haupten, zu ha%tpten ist nur die anwendung
des pl. überraschend. Sehr wahrscheinlich hat sich hier eine einwirkung
von zu füssen geltend gemacht. Auch in Ortsnamen wie Berghaupten, üos-
haupten lebt der alte dat. pl. fort.
1) a-pl. B.d.nat. 488. 499, 100 h. vidi
Schaidenr. 71
2) a-pl. ie von 4 houpiten 1 den. Ur-
kb. Fr. 1,551 (1369). Stretl. ehr.
3) a-pl. Füet. 18, 800 haupt vichs
Augsb. 3, 22, 12, 7 grosse häupt
(— hirsche) Spreng, Aen. 6
4) a-pl. Rosenbl. 1 m. Folz 3 m.
5) o-pl. Mainz 1, 66, 16
6) pl. houbite Matth. v. Beb., a-pl.
Dal. 196, 18. Eothe 183. 225, e-pl.
Luther meist, dp. heubten Luther,
Bibel v. 45
7)
r-pl. Schaidenr. 10, 100 h. vichs ebda.
98, haupter Albert. 23. 33
r-pl. U. Boner. Stretl. ehr. Pauli.
Haimk. 40,11, haubter\Y. Spangenb.
2,95
r-pl. Füet. 43. 184. Decam. 11, 33.
162, 4. 246, 11. B. d. beisp. Augsb.
1, 234, 6 (1440). ebda. 3, 21, 25. 38,
12. Spreng, Aeu. 56
r-pl. Folz 2 m. AVilw. Sachs
r-pl. Stade 137
r-pl. Luther. Luther, Bib. v. 45 (ap.).
Mathesius, haupter Opitz, Arg. 29,
häupter ebda. 100. Zesen 158
r-pl. haupter Kantz. 75, heupter ebda.
100. 165.
horu, nhd. pl. hörner, hörne (= 'hornsorten'):
1) a-pl. Ost. weist. 1, 291, 6 (1405),
dp. mit hörnen Dornbl.
2) a-pl. U. Boner 6 m. (dp.) Stretl. ehr.
4, 6. (dp.) Boner, Just. 68
3) a-pl. Äsop 202. 277. 285 (dp. ebda.
99. 157. 215. 268. 272. 285). (hören)
Spreng, II. 41. 130. ebda. Aeu.
142*. 149*.
r-pl. B. d. uat. 493, 29. Schaidenr. 13
r-pl. Stretl. ehr. 5, 12 (ap.). Pauli
?--pl. Decam. 110,2. 144,5. 8 u.ö. Äsop
268. 348 (ap.). Federm. 20. Spreng,
Aen. 261. ebda. II. 130
336
MOLZ
4) «-pl. Rosenbl. 5 m. ;--l»l. Eyl» 1 m., einhönicr "Wihv. 53.
Saolis. Ayrer
5) a-pl. 3 hörn Hock 70 r-pl. Hock G9. 70
6) r-i>\. Kothe 99. 100. Mathesius
1) f-pl. eiiihorne Kautz. 213 r-pl. Kautz. 50. (dp.) einh. ebda. 213.
Bei dem späten rt-pl. bei Spreug ist zu berücksichtigen, dass die auf
Schwab. gel)iet eingetretene zerdebnung von ;;; zu ren der biUlung des r-pl.
hinderlich war; vgl. ns. garen Spreng, 11.206, Icoren ebda. 111 und zoren
ebda., steren ebda. 41, äs. hören ebda. u. s. w.
k i n d :
1) a-pl. Urkb. E. 4, 170. 176 (1292).
6, 450 (1326). B. d. nat. 33, 26 u. ö.
Suchenw. Aventin 1, G14, 3. 2, 270,
34. (dp.) Aventin. 1, 345, 20. 23.
2, 270, 34, a-pl. Schaideur. 8. (dp.)
ebda., vorr. 4. 2. 7. 15. 65. (dp.)
Nass, H. 1.50
2) a-pl. Urkb. Fr. 1, 72. 79. 80 (1273).
U. Boner. Stretl. ehr. 5 m. Pauli
meist. Manuel meist. Morgant 3, 2.
Haimk. 13, 31. 29, 3 u. ö., e-pl. Bo-
ner, Just. 31. 45. 64 U.Ö., o-pl. (dp.)
Boner, Oros. 10. 14. 82 u. ö. Boner,
Just. 31. 59. 84 u. ö. W. Spangenb.
99. 100 u. ö.
3) a-pl. Mich. Beb. meist. Füet. 5 u.ö.
Decani. 92, 14. 93, 36 u. ö. (bes. dp.).
Äsop 49. 72 + 15 m. B. d. beisp.
Tanger 97 (dp.). Augsb. 3, 61, 15.
Augsb. 5, 111, 22, a-, c-pl. Zimm.
ehr. 67, 29 + 5 m., a-pl. Federm.46.
48. 72. Spreng, II. 165. (dp.) Spreng,
II. 42*. 53. 56, o-pl. menschenkind
Rud. Fischer 119, ausn.! kind, kin-
dcn ebda. iV. 43*.
4) a-pl. Rosenbl. Fulz vereinz. Eyl)
vereinz. (dp.). Sachs 16, 10, 4. 126.
142. Ayrer fast nur im reim
5) a-pl. Urkb. Sp. 219 (1314) u.ö. ebda.
414 (1340)
6) a-pl. Veter b. 27,21 u.s.w. Urkb.
L. 43 (1374). Dal. (dp.) 203, 16*.
192,18*. Rothe (dp.) 18. 21. 34.
Luther bes. dji. Mathesius zuw.
-pl. Urkb. E. 6,449 (1326) ausn.!
7, 645 (1359). B. d. nat. 406, 33.
Suchenw. meist. Sterz, sp. "Weissk.
Aventin 1, 614, .33 u. ö. Schaidenr.,
vorr. 4. 13. Nass allg.
-pl. Fauli. Manuel. Haimk. 88, 23.
103, 19. Boner, Oros. 15 u. ö. Just.
18 u. ü. ^^■olfh. Spangenb. meist
-pl. Mich. Beb. Füet. selten 6, De-
cani. 92, 4. 6 meist. Äsop 42. 49.
261. B. d. belsp. meist. Augsb. 1,
280, 21. Augsb. 5, 240, 6. Zimm. ehr.
allg. Federm. 53. 54. 73 u. ö. Spreng,
Aen. und II. allg.
)•-
pl. Rosenbl. selten. Folz meist. Eyb
11 m. Wilwült. Nürnb. 5, 746, 4.
ebda. 5, 750, 6 (1468). ebda. 5, 627, 2
(1500). Sachs allg. Ayrer allg.
pl. Fr. rchskr. 1 (1411). Mainz 1,
54, 13. 160, 24. Stade 126. 171 u. ö.
Faustb.
pl. Urkb.L.28a352). ebda.51 (1384)
u. sp. Matth.v.Bch. Dal. 21, 6 u.s.w.
Urkb. Arn. (1345— 1487). Rolhe 15.
16. ISu.s.w. Lutburmeist. Mathesius
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II.
337
7) a-pl. l-indes- Sim. Dach 137 r-pl. Kantz. 5. 45 u. ö.
Dichteriseh ist noch heute pl. die kmd, Jcinde nicht ganz ausgestorben :
er pHegt die fremden Jcinde Scheffel.
kleid:
?--pl. B. d.nat. 424, 14. 443, 19. Suchen-
wirt meist
r-pl. Stretl. ehr. Pauli. Murner. Ma-
nuel
1) a-pl. Suchenw.
2) a-pl. Murner 1 m.* Manuel 2 m.*
3) a-pl. Decam. 47, 22. 648, 38. 649,
1. 3. 4. 5. 7. 15. B. <1. beisp. 2 m.
r-pl. Augsb. 1, 230 (1440). Decam.
72, 6. 17. 94, 13. 16. 114, 16. Mich.
Beh. oft. Äsop 39. 44. 128. Füet.
B. d. beisp. 5 m. Augsb. 3, 48, 4.
54, 6. ebda. 4, 174, 7
r-pl. Rosenbl. Folz. Eyb oft. Ayrer
r-pl. Urkb. Sp. 219 (1314)
r-pl. Matth.v.Beh. Veterb.2,5. 25,10.
Dal. 206, 14. Urkb. L. 293 (1463).
Rothe 80. Luther. Mathesius.
land:
Auf dem gesammten Sprachgebiet hat der kämpf der formen lauge
gedauert; im 16. jh. ruht die Übermacht noch auf selten des a-pl., doch ist
die r-form des pl. im 17. jh. zur allgemeinen herschaft gekommen.
4) a-pl. (dp.) Ayrer Im.
5)
6) o-pl. Luther, S. v. d. g. w. vereinz.
1) a-pl. Myns. 13. 18. Chmel stets.
Avent. 1, 593, 29. ebda. 2, 200, 22.
Schaidenr., vorr.3. 3. Nass, W. 114.
Albert. 3
2) a-pl. Urkb. Fr. 2,370 (1427). Stretl.
ehr. Murner. Pauli. Haimk. 20, 21
u. ö. Morgant 306, 1. Manuel (dp.)
3) a-pl. Decam. 126, 12. 44, 25 u. ö.
Mich. Beh. Füet. Äsop 181. Federm.
80. Spreng, II. 66
4) a-pl. Folz. Eyb, E. 68, 20 u. ö. Wil-
w. 177. Ayrer
5) a-pl. Stade 90. 92. 93 u. ö.
6) a-pl. Matth. v. Beh. Dal. 54, 17.
203, 33 u.U., o-, e-pl. Luther, «-pl.
Mathesius oft. Rice, P. G. 127. G.
156
7) e-pl. Kantz. 3. 293. 294
r-pl. Chmel 451 (1510). Avent. 1, 615,
13. Schaidenr. 3. 61. 41. 83. Nass,
W.77. Grefl., W. 1. 135. Dr. kr. 103.
Birk 144
r-pl. Urkb. Fr. 1, 287 (1333). Murner
r-pl. Augsb. 4, 271, 32. Zimm. ehr. 1,
1. 6. Federm. 39. 51. 81. Spreng,
Aen. 43. 63. 242. Kraft't 91
r-pl. Eyb, E. 41, 11. 52, 24, ei- Stieler,
vorr.
r-pl. Faustb.
r-pl. Luther (bei best, angaben, z. b.
(die dieser lender). Mathesius 1 m.
Rice, G. 98. P. G. 63. 77. Buc. 12.
Opitz, Kr. 23. 45. Zesen allg. 253.
255. 326
r-pl. erb- Kantz. 98.
Noch heute ist pl. lande in gewählter spräche nicht ungewöhnlich.
Meist wird er dann in dem mehr coUectiven sinne von 'ländereien, gebiets-
teile' angewendet. Zur zeit des Schwankens der form ist diese begriffliche
Scheidung meist noch nicht eingetreten. Es werden beide plurale ganz
338
MOLZ
gleichbedeutend nebeneinander gebraucht: durch alle la)id (per omnes terras)
Riccius, P. G. 127 und in fremhde lamlt ebda. G. 150. Federmann 80. 81
schreibt in allen indianischen landen und der indianischen liinder und in
kalten landen 28; Kraft't 317. 351 in die warme lender und in unscrn Lallen
landen ; Gretlinger, V. g. 95 in den kurnländern.
Poch schon bei Luther scheint sich die trennnng vorzubereiten. Bei
Spreng las.sen einige stellen den unterschied der bedeutung deutlich erkennen:
. . . (jeirnngen Uns in das eilend zu hegeben Und andre Kinder auch dar-
neben Zusuchcn / da wir allermassen uns möchten häuslich niederlassen
Spreng, Aeu. 43; Dann in disen landen tceit Sich mit Ulysse vor der zeit
V'erirret und Verstössen hett Daher er sie noch kennen thet ebda. 59.
Die a-declination ist noch fest in dem pl. eilande, für den bei Stieler
und Oehlenschläger allerdings die r-forra gilt. Der alte dat. pl. hat sich
erhalten in Dcuxlanden, Bolanden.
lied, lid:
e-pl.
1)
2)
4)
5)
6) e-pl. lide Veter b. 14, 8, a-
Luther meist
7) «-pl. (dp.) Hocker. 1, 270
1)
2)
3) a-pl. Decam. 404,31. G33, 6. 653,
28. Füet. 106. 153. Federm. 31
4) «-pl. Eyb 1 m. (dp.). Wihvolt 8
5) fl-, e-pl. Urkb. Sp. 429, 18 (1344)
>-pl. Aveutin, äugen- Grefl., W. 1. 28
r-pl. Manuel
r-pl. Ayrer
r-pl. Stade 133
;-pl. Luther. Mathesius. Rice, Bnc. CG
;--pl. Hocker. 1, 300.
licht:
r-pL Aveutin. Albert. 47
;--pl. I'rkb. Fr. 1, 365. 367 (1347).
Pauli. Haimk. 222, 23. Manuel 2m.
r-pl. Decam. 485, 15. Augsb. 3, 75, 15.
Zimni. ehr. allg. Krafft 326. 386
r-pl. "Wihvolt. Ayrer
r-pl. I'rkb. Sp. 429, 23 (1344). Stade
102
r-pl. Rothe 638. Mathesius. Rice, G.3.
6) a-pl. Urkb. Arn. (1470). Urkb. L.
381 (1470). 410 (1475). 426 (1481),
a-, e-pl. Rothe 13. 28. 475, e-pl.
Rice, G. 144
7) e-pl. Kantz. 251. 256, see- ebda.
152.
mal:
In der bildung des pl. schwankt das wort mit seinen Zusammen-
setzungen denkmal, gastmal, grabmal bis in die gegenwart. r-pl. inäler
(= 'flecke') Mynsinger 13 zweimal und wol nur zufiillig erst aus späterer
zeit flZ>e«r7»j<(7er Na.ss, W. 10. Eyb hat im sinne von 'couvivia' den ap.
«i«/e E. 71, 1 und Manuel den gen. pl. malen. Ferner seien erwähnt: pl.
flecken und sommei-mähler Grefl., V. g. 60, pl. male (= 'malzeiten') Schottel.,
denkmäler Kalloaudro 1, 93, grabmahle Lohenst. 64 u. i>., pl. male und tnäler
NHD. SUBSTAMTIVFLEXION. II. 339
Stieler, pl. 7>u>7t'>- Gottsched, Herapel, pl. f?en^>Hö7erHempel, pl. j/uf/er (signa)
Popowitsch, pl. maale, denkmalüe, yrabmahle Klopstock, pl. gasimale, denk-
male, denkmäler Herder, pl. denkmale Adelung-, pl. (jastmale — gastmäler,
denkmale — denkmäler Jac. Grimm. Die heutige spräche zieht im sinne
von 'merkzeichen, flecken' den pl. male vor, der besonders in der com-
position wundenmale geläufig ist. Bei den übrigen überwiegt die r-form.
In jüngster zeit haben gelehrte bestrebungen zuweilen zu einer bedeutungs-
differenzierung der a- und )--form des pl. geführt: man gebrauchte denk-
müler = 'mouumenta' und denkmale = 'schriftliche erzeugnisse älterer
Zeiten". Nur in der «-form aber ist der pl. von merkmal üblich: z. b. pl.
vierkmale Lehms 282.
mensch:
mhd. mensche stn. ohne schlimme nebenbedeutung. Es sei kurz darauf
hingewiesen, dass Simon Dach 156 das neutr. noch in gutem sinne an-
wendet. Bei Ayrer zeigt sich keine qualitätsverschlechterung, während bei
Julius von Braunschweig anfange dazu vorhanden sind. In seinen Schau-
spielen begegnet nämlich das wort nur in Verbindung mit den adjectiven
arm, betrübt, elend. Schöpf gibt schon 1625 an: rfas ?«e>jsc/i = 'adolescens
adulta'. In verächtlichem sinne ist der pl. menscher, der durch iveibs-
bilder beeinflusst, im Simpl. 86 anzutreffen. Der r-pl. ('weibsstücke') ferner
bei Hempel und oft bei Lessing. Abraham wendet den plural noch ohne
üblen beigeschmack au.
pfand:
Der ?--pl., der schon im mhd. belegt ist, ist mir ausser bei dem Schweizer
Rost von Sarnen (pl. pfender lied 8, 3 um 1310) nicht begegnet, «-pl. Ul.
Boner*, d^. pfänden Urkb. Fr. 1, 103 (1395). Auf md. gebiet a-pl. Eothe 6-iO
und a-, e-pl. Purgoldt. Noch Girbert 1653, der sonst die üblichen r-plurale
bietet, gibt i^\. pfände an. Das schweigen Gortzitzas über das 18. und 19. jh.
spricht für die giltigkeit des r-pl. in jener zeit. Opitz, Arg. 135 schreibt:
die unierjjfande der heimlichen treice, eine form, die analog zu bände
noch heute dem edleren stil eignet.
scheit:
Ai;f obd. boden finde ich nur den r-pl.: Chmel 366 (1510). Sterz, sp.
25,36, Scheiterhaufen Schaidenr. 46, r-pl. Abraham; r-pl. Federm. 78; Folz.
dp. scheiten Ayi'er*. Der Ostmd. Eiccius hat den a-pl. Buc. 105, r-pl. Gott-
sched, pl. scheite Goethe. Für die nhd. Schriftsprache gelten die pl. scheite
und Scheiter, aber Scheiterhaufen. — Eine fem. nebenform die scheiter be-
gegnet bei Klopstock, Voss, Rückert; vgl. die zweite mischkl. der neutra.
Schild:
mhd. schilt stm. Eine mischung mit dem neutrum begegnet bereits in der
Zimm. Chr.: schild n. 1,17,9, m. 372,33. Später ist zuweilen das n. bei
Spreng anzutreffen: z. b. der spiefs durchtrang das schilt nochmcds 11.88.
Zum geuuswechsel sind zu vergleichen hämisch m. Aen. 34, n. II. 178, pantzer
n. II. 177. Den neutralen r-pl. gibt bereits Girbert 1653 an, und es kann
keinem zweifei unterliegen, dass er die aushängeschilder damit meint; denn
340
MOLZ
sonst ist stets der masc. pl. Schilde in gebrancli, z. 1). Bnchholz ;iß. Schottel
gfibt filr (las nentr. den pl. schilde an. liei Stieler finden wir das neutrnni
verallgemeinert: der pl. lautet schilde und srluldn- ohne abgreuzung der
bedeutuug; schilder galt für Stieler also auch im sinne von 'seliutzwafteu".
Das umgekehrte Verhältnis weist der alemannische Simplicissinms auf: ap.
schilde ('wirtshausschilder') masc. 137. .\delung fordert den r-\)\. dos neu-
tnuns, und bei Herder ist bedentung und flexion des wortcs genau wie
heute durchgeführt. Vereinzelt in sjiäterer zeit: die schilde der hütiser
Tieck, Nov.
schl
1) e-pl. Weizs. 1 (1382), «-pl. Chmel
(1508,9)
2) e-pl. Urkb. Fr. 2, 370 (1427), a-pl.
Pauli 2 m. 300 — Boner, Oros. 52,
gp. schlössen ebda. 94:
3) a-pl. Tünger 115 2 m. Füet. 94.
B. d. beisp. 1 m. .3 — Augsb.5, 223, 17.
(dp.) Augsb. 5, 105, 17
4) a-pl. Nürnb. 4, 17 (1422). Eosenbl.
1 m. Eyb vereinz. Wilwolt 11. 29.
140 + 5 m., e-pl. Nürnb. 5, 674, 14
5) e-pl. Fr. rchskr. 1 (1439)
6) a-, e-pl. Urkb. Arn. 7m. (1417-96).
a-pl. Urkb.L. 134 (1436). 263 (1458).
Rotbe 37. 41. 59. 200. 653. Zus. z.
Kothe 679
7) a-pl. Purgoldt, e-pl. Kantz. 124.
126 ausn.! Hocker. 1,363
oss:
?--pl. Chmel 177. 178 (1497). Weis.sk.
Avent. 2, 477, 27 u. ö.
r-pl. Urkb. Fr. 2, 371 (1427). Pauli
1 m. Manuel. Haimk. 24, 10. 71, 1.
Morgant 6, 16. 80, 30. 37. Boner,
Oros. 111
)--pl. Decam. 67,11. 16. 81,34 u. ü.
Füet.341. Augsb. 3, 247, 5. Augsb.
5,223,10. 299,8. 314,12. 821,6.
Zimm. ehr. allg.
r-pl. Folz 1 m. Eyb, D. 129, 15. E.
87,32. Wilw. 127. Sachs allg. Ayrer
;-pl. Fr. rchskr. 1 (1410). Mainz 1,84,8
j--pl. (dp.) Urkb. Arn. (1440). Zus. z.
Eothe678. Mathesius. Rice, (t. 146.
P. G. 102
r-pl. Kantz. 83. 87. 135 u. ö.
Die lange dauer des kampfes der furmen ist aus der häufigkeit des
Wortes in der älteren Sprachperiode zu bogreifen. Doch im laufe des 16. jh.'s
kommt die Verschiebung zum »'-pl. allgemein zum abschluss, wie die aus-
schliesslicheu r-formen bei Mathesius und Eiccius dartuu.
Mittlerweile vollzog sich auf obd. boden, bei den Schwaben Kraft't
und Spreng, eine Scheidung der pl. -formen schloss und schlüs^er
nach der bedeutung des Wortes. Die alte form wurde bewahrt im
sinne von * verschlussraittel, riegel', und die jüngere »--form wurde nur in
der bedeutung von 'bürgen, paläste' augewendet. Abgesehen von dem
streben nach formaler treuuung der verschiedeneu Inhalte geben die citate
hinreichenden aufschluss für die gründe dieser erscheinung.
1) a-pl. a//e band und schlofs Spreng, Aen. 28, die schlofs und rugel
ebda. 135, mit thiir und schlössen ebda. 11. 194, mit band und schlössen
wol verwahrt ebda 343. Und ohne Verbindung mit einem synonymen begriff
an folgender stelle:
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II.
341
Attch hab ich lool gemercket sider j
Dafs dich allher an dise statt /
Ein gott zu mir beleytet hatt /
Dann sonst auff erd kein mensch hieher /
Wie grofs vnd starcJc er jmmer iver /
Hett kommen mögen durch die port /
Vnd also zu mir tringen fort j
Auch vnvermerckt der tvächter schar /
Die schlofs eröffnen gantz vnd gar /.
(= Si 563—567) Spreng, II. 349.
ap. eise schlofs (an türen) Krafft 105.
2) r-pl. die Pharacenser Schlösser Spreng, Aen. 50, die Schlösser in
Campania ebda. 148. Und äbn]ich pl. Schlösser (= 'bürgen') ebda. 160, pl.
Schlösser (= ' bnrgen ') Krafft 112.
Auch bei Bouer begegnet gp. schlössen (= 'riegel') Oros. 94 und r-pl.
Schlösser (= 'bürgen') ebda. 111; daneben erscheint aber 300 schlofs
(= 'bürgen') ebda. 52. Die belege können also für eine Scheidung der
formen nach ihrem iuhalt noch nicht in anspruch genommen werden.
Der pl. schloss (= ' verschlussmittel') war also durch die pl. band,
riegel gestützt, wie der pl. Schlösser (= 'bürgen') durch die pl. häuser,
guter, dörfer.
Auf anderen gebieten ist eine trennung nach dem begrifflichen Inhalt
ebensowenig eingetreten, wie sie bei dem vordringen der md. Schriftsprache
im Süden von dauer sein konnte. Der r-pl. (= 'riegel') begegnet Mainz 1,
84,3. Kantzow 192 neben den anderen r-formen im sinne von 'bürgen'.
Schwert:
1) a-pl. (dp.) Teuerd.
2) a-pl. (dp.) Manuel 1 m. (dp.) Boner,
Oros. 112. Just. 5
3) a-pl.Decam.320,11 (dp.). 2— Mich.
Beb. 1 m. Füet. 8. 17. 23. 64. 65.
Tünger 111. (dp.) Spreng, U. 183.
215. (dp.) Ki-afft 377
4) a-pl. Eosenbl. 1 m. Wilw. 54. 157.
159. Sachs 16, 371, 10*. Ayrer 1 m.
5) e-pl. Goethe zuw.
6) a-pl. Matth. v. Beb. Dal. 168, 30.
178,9*. Rothe 85. 90. 266, e-pl.
ebda. 95. 149. 266, a-, e-pl. Luther
meist, a-pl. Nie. Herrn. 69 (dp.). Ma-
thesius 1 m. (dp.) Herder
7)
r-pl. Schaidenr. 69. 92. Seb. Frank
r-pl. Geiler. Pauli 1 m. Haimk. 9,32.
39, 20. Morg. 37, 16. 17. 62, 16. 24.
Boner, Suet. 71. Wolf h. Spangenb.
2,49
r-pl. Decam. 87,35. 88,6. Augsb. 1,
293. 231, 11. ebda. 5, 141, 13. Mich.
Beb. 3 m. Füet. 132. 205. Federm.
75. Spreng, U. 32. 225. 248. Aen.
148 u. ö.
r-pl. Eyb2m. Sachs allg. Ayrer Im.
r-pl. Faustb.
r-pl. Luther, bes. Bib. v. 45. Rice, G.
80. Buchh. 36 u. ö. Gottsched
r-pl. Kantz. 50. 84. 153. 242.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI.
23
342
MOLZ
In kani])fesfr(jlier zeit wurde das wort natürlich häufiger im munde ge-
führt als in jüngerer zeit. Das lange beharren der alten form hängt sowol
mit der bäufigkcit der anwendung des wertes als mit der declinationsweise
der begriffsverwanten spiesse, Schilde zusammen.
Stift:
rahd. Stift f. m. n. Im nhd. hat sich im sinne von 'Stiftung' das neutrum
durchgesetzt. Das niasc. findet sich noch bei Aventin 2, 2H(), 29. Zimm. ehr.
1, 101, 32. Mathesius. Cyr. Spaugenberg 115. Es wird aus dem nebeneinunder
des masc. und ueutr. wortgeschlecbts begreiflich, dass die r-form des pl.
nur langsam vorgedrungen ist.
1) a-pl. Aveutiu 2, 232, 11. 2, 281, 16.
2, 790, 10. Grefl., Dr. kr. 20
2) a-pl. Pauli
5) a-pl. Urkb. Sp. 279 (1328), e-pl.
Mainz 1, 343, 27
6) e-pl. Luther 4 ni. im S. v. d. g. w.
Justus Jonas oft. Matbesius, «-pl.
(dp.) Cyr. Spangeub. 110
7) e-pl. Kantz. 243 3 m.
Bei Just. Jonas lautet die stelle :
r-pl. Grefl., Dr. kr. 31*
r-pl. Mainz 2, 17, 9
?--pl. Jonas 1, 356.
. . . dH7rh diese stedte, Jclüster, Stifter
und örtcr gczofjen 1, 35G. Von den grammatikern fordert Aichinger den
r-pl. Die form stifte ist noch jetzt neben Stifter im gebrauch, doch scheint
mir für geistliche Stiftungen die /-form des pl. zu überwiegen.
tal:
1)
r-pl. Ost. weist. (1405) 284, 6. 285,36.
287, 33. Schaidenr. 93. Grefl.,
95. 165
r-pl. Bouer, Oros. 14. Just. 19
r-pl. B. d. beisp. 83, 15
v.g.
r-pl. Eyb, E. 41, 14. 82, 2
r-pl. Rice, G. 137. Girbert.
2) o-pl. Stretl. ehr.
3) a-pl. Decam. 241, 14, : widerhal
Spreng, Aen. 156
4) a-pl. Sachs 16, 268, 7*
5) a-pl. Hock 71
6) a-pl. Rothe 12. Luther, (dp.) Rice,
G. 109. P. G. 136
Schottel gibt noch pl. ihäler, thal an, und der pl. ihale ist noch von
Klopstock, Mess. neben der r-form gebraucht. Poetisch ist talc noch heute
üblich. Der alte dat. pl. steht in den ortsuamen Feuertiuden, Moostliahn,
Seethalen.
wams:
mhd. wambeis, tcambes. Nur einige formen aus dem 16. und 17. jh. sind
zu belegen — allerdings nur r-formen. Ohne umlaut des stammvocals und
mit erhaltnng des e der zweiten silbe begegnet auf obd. bodeu: dp. watnesscrn
Strassb. poliz.-ordn. von 1560, ap. wamesser Augsb. 5, 309, 12. Mit ausstossung
des e und umlaut habe ich pl. wämscr bei Girbert, Schottel, Weise 44 und
Stieler 91 gefunden.
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II.
343
weib
1) rt-pl. B. d.nat. 489. Suchenw. (dp.) r
Sterz, sp. 33, 256 u. ö.
2) a-pl. wtb U. Boner oft. Mamiel 8 m. r
(dp.) Boner, Just. 69. (dp.) Mosche-
rosch vereinz. 152
3) e-pl. wibe Angsb. 1, 138, 22 (1368),
a-pl. Decam. 5, 25. 158, 37. Micb.
Beb. öfter. Äsop 69. 131. 258, e-pl.
Äsop 298, a-pl. Füet. 87. B.d.beisp.
55, 6 u.ö. Tünger 101. Federm. 48.
72. (dp.) Zimm. ehr. 1, 18
4) a-pl. Rosenbl. Folz 7 m. Eyb, E.
10, 13 (dp.). Sachs zuw. Ayrer nur
im reim
5) a-pl. Urkb. Sp. 183 (1305), e-pl.
Mainz 1, 373, 25 (1428), a-pl. (dp.)
Hock 7*. 20*. 89*
6) a-pl. Veter b. 41, 10. 22. Mügeln
924, 4, a-, e-pl. Matth. v. Beb. Dal.
22,33. 24,21. 42,31, a-pl.Urkb.L.
134 (1436), a-, e-pl. Rothe 18. 21.
44 4- 8 m., a-, e-pl. Luther meist
7) Ein letzter rest des alten dat. pl.
taucht noch bei Grimm, Sag. 2. 347
auf: von mann und weihen
r-
r-
•pl. Sterz, sp. meist. Schaidenr. 6. 15.
63
•pl. Pauli. Manuel 17. (dp. ivibren
ebda. 3 m.). Boner, Oros. 15 u. ö.
Just. 17 u. 0.
•pl. Decam. 6, 7. 67, 1. 24. 142, 14.
Mich. Beb. Äsop 72. 297. B.d.beisp.
76, 8 u.ö. Augsb.5, 2,17. 58, 21 u.ö.
Augsb. 4,226,29. 293,4. Federm.
67. 72 u. s. w. Zimm. ehr. allg.
pl. Rosenbl. selten. Folz 11 m. Eyb
6 m. Sachs allg. Ayrer
-pl. Stade 126. 127 u. ö. Faustbuch.
Hock
r-pl. Eothe 19. 21.
thesius
j--pl. Kantz. 45.
96. Luther. Ma-
wort:
pl. Worte und Wörter. Den pl. ivorte wenden wir meist im sinne einer durch
den Inhalt zusammengeschlossenen redeeiuheit an, unter dem pl. tvörter ver-
stehen wir einzelne sinnvolle lautverbinduugen ausser Zusammenhang; doch
kann in dieser bedeutuug auch der pl. ivorte eintreten, während der pl.
ivörter für den pl. ivorte nicht stellvertretend sein kann. Der unterschied
in der bedeutung der beiden plurale hat sich früh ausgeprägt.
Ich gebe beispiele aus Eyb, Kantzow, Hock, die den unterschied kennen
und einige beispiele aus Alberus und Hocker., die die trennung in der be-
deutuug nicht durchführen:
I) Eyb: 1) Tanhredus empfände die grofsmütiglceit der tochter und
gedacht nicht, dafs sie thun würde, als die ivorte vor ihr gelautet haben
E. 57, 3f. — 2) In dem munde ist beschlossen die sunge, damit die Wörter
werden gemacht und erlcannt mit hilfe des gaumens, der zene und der lebsen
E. 43, 33 f.
Kantzow: 1) ... und dergleichen wort er setrit mehr, die grosse
nachrichtung thun, das Vandali seint Teutzsche und Sachsen gewest 292.
— 2) und Slafones heifsen, die fuller wort seint und viele schwetzens
Jchonen 295.
23*
344 MOLZ
Hock: 1) Die (jröslchöffli(jl;eit crfalir ivh nur mit blossen icorten 42.
— 2) . . . newe deutsche Wörter cjemacht 82.
Auch bei Aventiu 1, G15, 27 und Riccius, P. G. 70 ist die r-fonn im
beutigen sinne angewendet; ebenso Federniann 35 zehen Wörter; Birk 200
reiinwörler. Daneben begegnet oft die a-foiiu in der bis beute geläufigen
bedeutung.
U) Alberus: pl. worle und Wörter promiscue; so aucb pl. lesterwörter,
Hocker.: 1) mit so schrecklichen warten malet ttns Paulus die person
1,283. — 2) Und sind dis seine werter 131. — Exempel sind vor äugen j
Ist derhalhen unnvtiy viel Wörter davon zu machen 183. — . . . zu falscher
auslcgung der tvörter goites 232. — Denn woher solten tvörter solche
krafft haben? 2,309.
Der plural tvörter begegnet ferner neben der a-form bei Murner, der
aucb keine begriffliche nüancierung kennt. — Der pl. sjjrichwörter, der
durch Agricola hinlänglich bekannt ist, bestätigt das princip der spräche,
dem r-pl. den sinn der eiuheit mit hervorhebuug der einzelnen glieder bei-
zumessen. Der np. sprichivort kommt in der Stretl. ehr. vor, der dp. sprich-
worten Decam. 377, 22. 379, 3. Sogar noch bei Goethe und Hippel findet
sich der pl. S2)richworie. Aus dem pl. spricliwörter konnte übrigens leicht
eine trübung des Verhältnisses von icorte zw icörter entstehen: Sprichwörter
sind Sätze, worte, und durch eine vertauschung konnte auch der pl. Wörter
für den pl. worte sich einstellen. Dies dürfte dazu beigetragen haben, dass
die Scheidung der beiden plurale nicht immer streng eingehalten worden ist.
Die neiitra auf -tum haben sich der ;--bildung erst spät
beniäclitigt. Das eindringen der r-form in eine ableitungssilbe
war natürlich niclit ohne weiteres möglich. Zufällige r-bil-
dungen mussten immer wider der «-form weichen, bis schliess-
lich die ableitung, durch die allgemeine betonung der numerus-
trenuung in anderen klassen gestützt und von dem übergewicht
der neutralen r-formen getrieben, sich im 17. jh. endgiltig den
erweiterten pl. aneignete. Da die masc. irrUnn und reicht um
dieselbe form wie die neutra auf -tu^i angenommen haben und
ganz dieselbe entwickelung zeigen, gebe ich deren formen
nochmals an, soweit sie nicht bereits Beitr. 27, 243 belegt sind.
Bei der wortgruppe auf -tum sehen wir denselben Vorgang
wie bei den Wörtern auf -nis; die bände der geschlechtsgemein-
schaft erweisen sich gegen das streben nach einheitlicher flexion
von Wörtern derselben bildungsweise als nicht widerstands-
fähig. Die zu erwartenden formen irrtume, rcichtume oder irr-
tümc, reichtiime sind durch verlust des e und des umlauts gerade
so an die in der wortgruppe auf -tum vorhersehenden pl. bis-
tum, fürstentum u. a. angeglichen wie später in ihrer form an
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II.
345
die pl. histümer, filrstenfümer u.a.; vgl. ap. reichtwnh Riccius,
P. G. 193, ap. irrthmub Hocker. 2, 121. Auch bei Luther belegt
Franke 169 nur drei endungslose formen von den beiden mas-
culina auf -tum.
Der einfluss des neutr. zeigt sich auch an sporadischem
übertritt des masc. zum neutr.: da^ reichticm Dalimil 128, 9;
reichtum masc. ebda. 134, 30.
Ich lasse die belege, die zum grossen teil dem 16. jh. an-
gehören, folgen:
1) gp. fws/ew<7iMw«&er Weissk. 371,4,
np. erzbistiimb Aventin 2, 160, 27,
dp. bistumben ebda. 160, 15, dp.
bistumen ebda. 251, 32, dp. chur-
fürstentnmben ebda. 164, 30, pl.
fürstentümer Birk 143, ap. reich-
tumb Schaidenr. 25, np. jrrihumh
Nass, W. 111, dp. irrtumben ebda.
44. 192, dp. reiclitummen Nass, H.
11, nap. irrtJmmber Nass, W. 2. 3,
ap. irrthummer ebda. 192, gp. reich-
thnmber ebda. 96, gp. reichtlmmer
Nass, H. 144. 146, ap. irrtumb Al-
bertinus 110, dp. irrthumben ebda.
181, ga^. reichtiimb ebda. 50. 85.
2) ap. histum Mani;el, np. die vier
keisertlmmb Boner, Oros. 18, dp.
irrthummen ebda., Suet. 110, ds.
von der jrrtumb ebda., ap. reich-
tinnb ebda. 12, ds. nach der reich-
tnvib ebda.. Just. 104.
3) a^^. heiligtumb Becam. 4:00,18, nap.
reichtumb Spreng, IL 72. 116.
4) ap. ßrstentum Folz*, dp. fürsten-
tumben Wilwolt, dp. bistomben
ebda., dp. heiltumben ebda., ap.
fürstenttimb Sachs 16, 3, 24.
5) ap. fürstentumb Fanstb. 55, 21 +
Vereinzelt ist anf md. gebiet im 17. Jh.: erbin über alle schütze und
reichtuhm Buchholz 419.
Der pl. entbehrte anfänglich meist des umlauts in der
schwächer betonten silbe -tum, gerade wie Meinot meist den
pl. Jäeinotter, leilacJi nur den pl. leilacher bildete. Später ist
die nicht umgelautete form dem ausgleich mit den übrigen
3 m., pi. fürstentwne Schöpf, pl.
fürsientumber Zincgref (1631).
6) dp. hcrzo(jtumen Dal. 71, 23*, ap.
fürstentumb Urkb. L. 262 (1458),
ap. bischtum Rothe 172. 421, pl.
njchthumer Agricola, pl. -tum(e),
-tümer selten Luther, np. heilig-
thum Luther 23. 278, pl. irrtum,
reichtum und zuw. r-pl. Luther,
nap. irrtum Luther 23. 72, np.
fürstentumb Jonas 1529, ä-p.fürsten-
tumen ebda. 1542, ap. bistum, heil-
tum Mathesius, dp. fürstentiimen
ebda., ap. fürstentumb Rice, P. G.
125, dp. fürstenthumen ebda. 124,
ap. reiclitumb ebda. 103, rn^. fürsten-
tumb Arndt 530 bis Wackernagel,
dp. fürstenthüviern Opitz, Arg. 95,
np. beweisthümer Zeseu 145, dp.
groosherntühmern ebda. 256, np.
reichtühmer ebda. 604, pl. fürsten-
tümer Gilbert, pl. reichtümer ebda.,
pl. irrthümer Weise 163.
7) np. fdrstentumbe Kantz. 3, dp.
reichtumben ebda. 110, ap. jrr-
tumb Hocker. 2, 121, ^^.jrrthumen
ebda. 56.
340 MOLZ
.«?-, r/- Stämmen mit unihiutsfäliigem vucal gewiclien. — Bei
Lutlier begegnen in der Bibel v. 1545 die plurale hciligthäme
Hes. 21, 2 und fürstcnthnme Spr. 28, 2 (Franke 164), bei Arndt
ap. fürstenimnhe und bei Spee dp. heiveistliümcn (Kelirein 181),
formen, die auf einer vermiscliung mit den masculinen auf -tum
beruhen. Im mhd. bestanden auch die umgelauteten plurale
der masc. auf -tum, z. b. pl. sichtücm B. d. n. 327, 29. 349, 27.
405, 14 u. ö. Der plural rcichtäm kommt noch in den Fast-
nachtsspielen des 15. jh.'s vor. Eine Übertragung des umlauts
auf das neutr. konnte leicht stattfinden, und dies um so eher,
je mehr Wörter auf -tum männlichen geschlechtes waren. Mhd.
siechtuom m. krankheit, wistuom m. n. sind im laufe der nhd.
entwickelung zum neutr. übergetreten und haben die masc.
gruppe in ihrem machtverhältnis zum neutr. geschwächt.
Dessenungeachtet sind die pl. irrtüme, reklitiime so häufig ge-
brauchte bezeichnungen, dass sie auch allein im stände sein
konnten, den r-pl. im neutr. auf ■tum zu bewirken. So wären
also die pl. heiligtümc, fürstentüme bei Luther u. a, auf die
formen reichtüme, irriünie, {siccliiümc) zurückzuführen. Die
letzteren bildungen sind von Franke nicht belegt, vielmehr
bietet die Bibel v. 1545 gerade die nicht umgelauteten plurale
irrt um, reicht um. Das spricht nicht gegen meine annähme;
denn die Wirkung der einst bestehenden analogie gibt sich
eben nur noch in jenen vereinzelt auftretenden ?-pluralen der
neutra zu erkennen. Bödicker 1690 schreibt noch unsers
tverthen Vaterlandes altcrtühme.
Bei der vergleichung der formen in den einzelneu muntlart-
gebieten ist festzustellen, dass der r-pl. zuerst auf bair.-üsterr.
boden, im Weisskunig, erscheint und, von Avenigen beispielen
bei den Ostmitteldeutschen Agricola, Luther und dem Baier
Nass abgesehen, im 16. jli. ganz ungeläufig bleibt. Der Ostmd.
Riccius kennt nur die neutralen «-formen, während um die-
selbe zeit Nass auch die r-form schon bietet. Im 17. jh. ist
bei Opitz, Zesen, Birk, AVeise die >--form in voller geltung.
Der zeitliche abschluss der Verschiebung war mit
dem ende des 16. jh.'s im allgemeinen erreicht. Von den in
der letzten gruppe behandelten «-stammen sind im 17. jh. nur
bei den häufig gebrauchten hrett, hörn (aus lautlichen gründen),
kind, licht, Pfand, schwcrt, tal, iveih und den Wörtern auf -tum
NHD. SUBSTANTIVFLEXION, II. 347
meist nur uocli vereinzelte a-, e-formen des pl, zu belegen.
Der a- stamm scJdoss zeigt nur in obd. denkmälern (Spreng
und Krafft) eine Verteilung der pluralformen nach der bedeu-
tung, vgl. s. 340 f. — Die a- stamme band, land, die die ver-
sclüedenlieit des pl. allgemein in den dienst der begrifflichen
trennung gestellt haben, sind bis 1600 noch nicht durchweg in
ihrem bestreben nach bedeutungsnüancierung durchgedrungen,
während mal mit composita, scJicit, siift ohne unterschied des
Sinnes den e-pl. neben dem r-pl. bis heute festgehalten haben.
Nur bei ivort scheint sich die begriffliche Scheidung der ver-
schiedenen pluralformen früh eingebürgert zn haben.')
Im hinblick auf die andere Verschiebung der neutralen
«-Stämme — ich meine die annähme des e-pl. — ist festzu-
stellen, dass zur selben zeit, als die e-form des pl. bei den
a-stämmen fest geworden war, eine weitere Überwucherung des
r-plurals hintangehalten wurde. Neue r-plurale wurden nach
1600 kaum mehr in die Schriftsprache aufgenommen. Die
Wörter, die so lange gegen das eindringen des r-plurals sich
widerstandsfähig gezeigt hatten, fanden jetzt noch an der
völligen Übereinstimmung ihrer flexion mit dem masc. eine
wichtige stütze in ihrem ablehnenden verhalten gegen den
r-plural.
Ich habe bei der reihenfolge der belege, mit rücksicht auf
den ausgangspunkt der sprachlichen ent Wickelung, stets nach
dialektgebieten geschieden. Die r-bildung des pl., die in allen
mundarten die an zahl stärkste flexion ist, hat sich am raschesten
in den obd. mundarten ausgebreitet. Das zeigt die geschichte
•) Bei den grammatikern Gilbert und Schottel finden wir mit geringen
abweichnugen, die ich im einzelnen angemerkt habe, die nhd. Verhältnisse,
Pölmann, Berlin 1671, aber führt noch eine reihe von vrörtern mit schwanken-
der form auf, die um jene zeit in der hd. Schriftsprache längst die r-form
fest angenommen hatten. Bei ihm besteht schwanken zwischen
aase — üscr glase — gläser
bade — beider gltede — glieder
bände — bänder Tcinde — Mnder
fasse — fässer rade — rüder
felde — felder thale — tliäler.
'Auf nd. Sprachgebiet erscheint die entwickelung zum r-plural nicht so weit
vorgeschritten', sagt Friedrich 54, und eine beeinflussung durch den dialekt
dürfte deshalb bei Pölmann gewis sein.
348 MOi.z
des r-pl. von hrctt, luiuf^, schloss, sclmert, ial u. a., bei denen in
obd. gegenden die >--form im allgemeinen etwas früher und
fester hervortrat als auf (ost)md. gebiet. Luther ist dafür ein
treffendes beispiel. Auch der dialektische r-pl. des neutrums
hat seine statte vorzüglich in dem südlicheren teile des Sprach-
gebiets. Trotzdem ist bei der Verschiebung die ausserordent-
liche gleichmässigkeit der entwickelung bei den einzelnen
wörtei'n nicht zu verkennen; wie ein fortlaufender faden um-
spannt der r-pl. die a-stämme, und der consensus aller deutschen
mundarten führt zu den in der Schriftsprache geltenden formen.
Die dialekte sind später ihre eigenen wege gegangen und haben
dem r-pl. eine ausdehnung gegeben, gegen die die Schriftsprache
weit zurücksteht (Friedrich 54).
Bei der betrachtung des wortmaterials macht man die
beobachtung, dass Wörter mit auslautendem r: hier, haar,
jähr, moor, paar, röhr, Her, tor, wehr in dem gebiete, das für
unsere entwickelung zum nhd. entscheidend war, nie (ausser
bei üer ganz vereinzelt) einen r-pl. gebildet haben. Die ja-
stämme here, were standen dieser bildungsweise auf ostmd. boden
ohnehin fern, weil sie ihr end-e (bes. hcrc) noch im nhd. zuweilen
gewahrt hatten, wodurch die beziehung zum r-pl. eine sehr
dürftige war. Bojunga 146 glaubt, dass hier der r-pl. aus
gründen des wolklanges verschmäht worden sei. Ich kann
diese auffassung nicht teilen. Die Wörter röhr und Her, ausser
tor die einzigen der herangezogenen stamme, die gleichmässig
im sing, und pl. begegnen, haben nämlich in der obd. Schrift-
sprache öfter die r-form angenommen, die auch in den dialekten
heimisch ist; bei haar überwiegt die pluralische anwendung wie
bei hier die singulare; jähr w^ar durch die für das w'ort mass-
gebende Zählformel gegen den r-pl. geschützt; moor (oberd.
mos), paar, tvehr sind in der älteren zeit im sing, wie pl. so
selten in anwendung, dass der pl. eine stark von dem sing,
differenzierte form nicht vertrug. A\'enn also die r-form in der
Schriftsprache, d. h. in der (ost)md. sprachentwickelung, keinen
anklang fand, so sehe ich darin einerseits eine ununterbrochene
Überlieferung der alten form {röhr. Her, tor; zu tor vgl. auch
die zweite niischkl. der ntr.), andererseits das bemühen, seltenere
Wörter durch die pluralische form nicht zu sehr von dem sing.
zu trennen. Es ist hier dasselbe princip wirksam, das ich
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II. 349
bereits für die nhd. ersclieinnng geltend gemacht habe, dass
Wörter wie aal, luchs ihres umlauts im pl. verlustig giengen.
Das Wortmaterial legt es nahe, noch von einem andern
gesichtspunkte das fehlen des r-pl. zu betrachten. Ich stelle
der Übersichtlichkeit zuliebe zunächst die in betracht kommen-
den reihen zusammen:
l,a)
floss —
flösse II der flösser
schaf -
— Schafe \\ der schuf er
schiff -
- schiffe II der Schiffer
seil —
seile II der seiler
spiel —
- spiele II der Spieler
b)
Stift —
Stifter (stifte) \\ der Stifter
Spital -
— Spitäler II der spitüler bei Nass
c)
grab —
- grüher \\ der Schatzgräber, totengräher
land —
- länder \\ der ausländer u. a.
2)
glas —
gläser \\ der glaser
mal —
mäler |j der maier
scMoss
— Schlösser \\ der Schlosser.
Bojunga 147 glaubt sich zu der annähme berechtigt, dass
bei den unter 1, a genannten neutra die r-bildung unterblieben,
um einer Verwechslung mit den entsprechenden nomina
agentis vorzubeugen. Gewis wird das ein grund gewesen
sein, die a-form zu befestigen, und zwar um so mehr, je enger
die wortreihen durch ihre bedeutung verknüpft waren. Aber
nicht immer reichte dieser grund aus, die r-bildung zu unter-
binden; denn der pl. Stifter steht neben dem subst. der Stifter.
Für das lange beha-rren der a-, e-form dieses letzten wortes ist
aber das schwankende geschlecht geltend zu machen, wie ich
s. 342 gezeigt habe.
Von den unter 1, a genannten Wörtern hat seil in obd.
denkmälern trotzdem recht häufig den r-pl. gebildet, wenn
auch die a-form nie abhanden gekommen ist. Auch von schiff
und floss werde ich den r-pl. belegen. Wenn auch der existenz
eines mit dem r-pl. gleichlautenden nomen agentis eine hem-
mende Wirkung für das eintreten des r-pl. nicht abgesprochen
werden kann, so ist auch wider zu berücksichtigen, dass schaf,
schiff, seil sehr oft nach zahlen vorkommen und so häufig sind,
dass auch rein gedächtnismässige Überlieferung im stände sein
konnte, den r-pl. fernzuhalten. Bei den unter 1, c und 2 auf-
gefülirten reihen war die trennung beider wortreihen durch
350 MOT.Z
coniposition und mang:el des umlauts bei den noniina actoris
liinlänglicli betont; eine für die r-i)luralbiKliing hemmende
Wirkung ist nicht zu tage getreten.
Für die bewahrung der flexion der zahlreichen a-stämme
lässt sich — mit ausnähme der unter 1, a aufgeführten Wörter
— bei der überwiegenden herschaft des r-pl. im neutrum nur
geltend machen, dass sie entweder die häufigkeit ihres Vor-
kommens (auch nach zahlen: schaf, scJnvcin, jähr, j^fnnd) in
ungestörter sicherer Überlieferung gegen eine änderung ihrer
form schützte, oder die Seltenheit des Wortes oder eines numerus
desselben einer weitgehenden trenuung der numeri nicht ent-
sprach. Andere erklärungsversuche halte ich für nicht stich-
haltig; vgl. die a-stämme s. 281 ff. Die pl. tvorte und tcerJ;c,
rechte und dinge, Jmiee, heine, haare, pferäe, rosse, (schafe),
schivcine, tierc, tore verdanken nach meiner auffassung die
erhaltung der a-flexion ihrem häufigen gebrauch.
Von einzelheiten ist über die declination der neutralen
s-, o-stämme noch folgendes zu erwähnen:
Nach zahlen hat sich zur zeit des Übertritts zum
r-pl. die a-form oft erhalten, wo heute gleichfalls der
erweiterte plural erscheint. Aus den citaten seien hier
einige fälle zusammengestellt:
m-cy blat Luther (nach Kehieiii 180), vier tuch Uikb. Leipz. 235. 236
(1452), yf 0 haiqjt vichs Augsb. 3, 22, 12, viit ein paar kraiithaupten Weise 183,
vier feld Schaidenreisser 79, 2icey hörn Hock 70, drey schlos Aiigsb. 5,
223, 17.
Neben der a-form nach zahlen begegnet sonst in den
erwähnten Schriften der r-pl., und ich habe an ort und stelle
die formen belegt. Der pl. hiat begegnet nur bei Luther und
ist als eine neue analogiebildung zu der nach zahlen oft
widerkehrenden flexionslosen form aufzufassen. Durch die
Wahrung der flexionslosen form nach zahlen wurde bei der
gleichzeitigen Verschiebung zum e- und r-pl. das gefühl für
die flexionslosigkeit des subst. nach zahlen besonders geweckt.
Das beweist das beispiel Luthers und die formen 26 mensche,
hundert mensche, dreihundert mensche Rothe 90. 100. 450.
Der dat. pl. zeigt eine auf den ersten blick über-
raschende festigkeit der form; das habe ich bei den
citaten bereits zur genüge hervortreten lassen. Einige tref-
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II. 351
fencle beispiele aus spätererer zeit will ich aber hier trotzdem
zusammenfassen:
dp. h'nden Schaidenr., vorr. 4, text 2. 7. 15. 65, und np. Jcind ebda. 8,
gegen nagp. kinder ebda., vorr. 4, text 13. 63.
Bei Manuel begegnen folgende formen von Icind: np. kind : liinder =
2:1, ap. Icind : kinder = 7:1, gp. kinden 2 m., kind 2 m.*, ^^.kinden
4 m. Auch bei Sachs, der die r-pluralform von kind fast allgemein durch-
führt, ist es besonders der dat. plur., der die alte form gewahrt hat: dp.
kinden IC, 10, 4. 126, 16. 142, 18 gegen vereinzelten ap. kind 117, 30.
dp. weihen Eyb, E. 10, 13, dp. iveibern ebda. 2 m., nap. weiher ebda. 4 m.
dp. fälden Morgant 14, 15, ap. felder ebda. 44, 17. Haimk. 82, 82.
dp. thaUn Rice, G. 109. P. G. 136, np. tMler ebda. G. 187. •
dp. ivelden Rice, Buc. 80. 90. 152. G. 4. 35. 78, gegen dp. iveldern G.
29. 30. 46 und nap. tüeldc)- Buc. 39. 41. 68. 120. 152. G. 4. 28. 37. 141.
P. G. 10.
Auch in der lutherischen Bibel von 1545 tritt diese er-
scheinuug- deutlich zu tage.
Früher habe ich bereits bei der declination von maiin
Beitr. 27, 248 auf diese erscheinung- hingewiesen, und bei dem
dat. pl. schulen habe ich oben s. 295 gezeigt, dass er gegen
den spirantischen auslaut ch bei den Baiern Schaidenreisser
und Nass geschützt blieb. Ja ein fall ist mir sogar begegnet,
wo ein alter s- stamm im dat. pl. von der a-form angezogen
wurde: dp. lammen Urkb. d. st. Leipz. 278 (1462). Das -en des
dat. pl. verbindet alle stark flectierten Substantive, und die
dativische a-form des neutr. (und raasc.) hatte an dieser gleich-
mässigkeit der form der vocaliscben declination einen schütz
gegen das eindringen des r-pl. Ausserdem entsprach die form
vollkommen den anforderungen einer wirksamen trennung der
numeri. Für ihr aufrechterhalten, wie wir es bei schicert,
feld, tal, tvald sehen, ist noch die häufigkeit des Vorkommens
der dativischen form von bedeutung, in Verbindungen wie
mit scliivertcn, in, auf den felden, in den talen, in den ivälden.
Der systemzwang duldete freilich das fortbestehen dieses Zwie-
spaltes nicht lange; der ausgleich mit den übrigen casus war
nur eine frage der zeit. Sobald sich der r-pl. eines Wortes
dauernd in der erinner ung festgesetzt hatte, musste auch bald
der dat. pl. seine besondere form fallen lassen.
Der Verlust der casusendung im dat. pl. stellt sich
vereinzelt nach präpositionen ohne den bestimmten artikel ein.
Die genaue function der präposition muss in diesem falle unter
352 MOLZ
der scliwelle des bewusstseins geblieben sein. Lutlier, Matth.
11,8 hat si7ul in der Vönige heuscr. Diese form wird durch
den doppelten casus, den in nach sich hat, leicht verständlich.
Daneben aber begegnen bei Luther in der Bibel v. 1545 mit
(jniblücher, mit fcicrldciäer (Franke 109). Ferner seien die
ganz seltenen formen erwähnt: mit (juldin tiichcr Augsb. 4,
298,23, dp. l-indcr Decam. 92, 7, also das sy ufs scyller zöum
ijcmacht Haimk. 54, 18, Der Schwabe Krafft hat seiner heimi-
schen raundart so gi'osse Zugeständnisse gemacht, dass er im
dat. pl. aller vocalischen declinationsklassen die endung -cn
meist abwirft. Am anfang des 17. jh.'s hatte demnach die
Schwab, mundart bereits die richtung eingeschlagen, die wir
bei Friedrich 35 vorgezeichnet sehen.
Der r-plural hat, gerade wie die neutralen a- stamme,
besonders in analogie zu den masc. ableitungen auf -er zuweilen
ein pleonastisches e angenommen. Weinhold, Mhd. gramm.
§ 437 und Alem. gramm. § 396 gibt schon aus der mhd. zeit
belege für diese erscheinung. In den folgenden citaten lasse
ich im einzelnen unerwähnt, dass stets volle endungsformen
der masc. ableitungen auf -er neben der neutralen unechten
form auftreten. In dem Evangelienbuch des Matth. v. Beheim
ist die unorganische form durchgeführt. Der pl. lautet da:
hlettcre, huchcre, dörfere, yrehere, Unsere, Jiinderc, louherc, welfere.
Sonst ist mir kein denkmal bekannt, in dem die unechten
formen überhaupt die echten überwuchert hätten. Ihre haupt-
stätte hat die analogische form in der kanzleisprache. Aus
dem Urkb. d. st. Leipz. habe ich mir angemerkt: np. lindere 28
(1352). 50 (1384), dorfere 33 (1359), ap. Jiiusere 80 (1409), np.
gutere 139 (1437), Mbere, lemmere 337 (1466). Aus dem Urkb.
d. st. Freiburg seien erwähnt: np. dörfjcre 1,516 (1368), np.
(juottere ebda., ap. (jiitere, hüscre 2, 102. 103 (1395), gp. dorffere
2, 363 (1426). Auch in dem Urkb. d. st. Speyer, bei Weizs. 1
und in der 1. Mainzer chronik begegnen solche formen. Aber
überall bleibt ihre zahl hinter den echten formen zurück. In
den Leipziger Urkunden der späteren zeit und in den Arn-
städter Urkunden (ap. dorfere ebda. 1452 vereinzelt) ist mir
eine e-form weiter nicht begegnet. Bei Kothe ist der np.
l-yndere 416 eine grosse ausnähme. Auch in der Zimm. ehr.
und bei Kantzow sind die e-formen als Seltenheiten anzusehen:
NHD. SÜBSTANTIVFLEXION. II. 353
iip. heusere Kantz. 187, ap. gutterc ebda. 118. 226. 245. Bei
Luther sind noch vereinzelte pl. hindere, rindere helegt, die
aber in späterer zeit (Bib. v. 1545) nicht mehr vorkommen, vgl.
Bei tr. 27, 255 ff. Die e-form hat sich aus zwei gründen bei
dem neutr. r-pl. nicht so wie bei den masc. ableitungen auf
-er festsetzen können. Die a-stämme drängten immer wider
zur endungslosigkeit, und die hinreichende kennzeichnung der
pluralischen function machte das end-e praktisch wertlos, ^anz
abgesehen davon, dass es lautlich unzulässig war.
Im dat. plur. ist das e der endung -en besonders in
der mittleren zeit des nhd. in einigen obd. denkmälern zuweilen
anzutreffen. Es tritt diese erscheinung nirgends so scharf
ausgeprägt hervor, wie bei Johann Spreng und Henisch.
Während bei den Schwaben Krafft und Weckherlin volle
endungsformen nicht erscheinen, sind sie bei ihren landsleuten
Spreng und Henisch die regel. Zwischen die lautgruppe rn
schiebt Spreng meist ein e ein: mit erenst II. 90, das hüren 96,
lioren 111 u.s.w; ebenso meistens in den dat. pl. aller Wörter,
die auf -er ausgehen: dp. Ä;räM^erew II. 37, räderen Q2, tveiheren
74, hörneren 130; dp, eiteren 32, schulteren 33, r enteren 43,
lugneren 44, götteren 69. 74 u.s.w. Aus Henisch seien an-
geführt dp. federen, weiheren 1445. Bei Harsdörffer sind auch
die dp. hücheren, völclxcren, ivörteren neben den schriftsprach-
lichen formen belegt. Im 16. jh. sind die vollen formen beson-
ders bei Tschudi und Dietenberger von Kehrein 180 belegt.
Bei Spreng handelt es sich offenbar um einen rein lautlichen
Vorgang; inwieweit das auch bei den anderen Schriftstellern
zutrifft, vermag ich nicht zu entscheiden. Eine analogie-
bildung ist sehr wol möglich. Mir sind volle dativformen in
den zahlreichen obd. texten aus dem 15. und 16. jh. sonst
nicht begegnet. — Interessant bleibt bei der form des dat. pl.,
dass Krafft die endung meist abwirft, während Spreng sie voll
ansetzt. So grosse unterschiede in der eigenen heimischen
Schriftsprache waren wenig geeignet, ihr ansehen zu heben
und ihre ausdehnung zu fördern. Welche gleichmässigkeit
und Übereinstimmung der form herscht da doch in den ost-
mitteldeutschen denkmälern z. b. bei Luther und dem huma-
nisten Riccius und bei den dichtem des 17. jh.'s.
354 MOLZ
Fremdwürter mit r-plural.
In der Schriftsprache haben nur sjJttal {hospitul) und regi-
nient den r-plural angenommen:
spital: ap. sjiital Luther 23. 352, i\). spitalen ebda. 355, sip. spitüler
Nass, H. 243 trotz was die alten catholischen den armen und spiltälcrn
vor jaren gewidmet Nass, W. 141. r-pl. Simpl. 3-1:0. Popowitsch. Adelaug.
Bei Hempel ist das wort masc. geschleclits uud bildet den r-\A.
regiraent: in zwei bedeutuugen tritt das wort auf: 1) herschaft, —
2) truppenschar. Bei Kantzow ist auch schon das nomen agentis zu einem
regimenter 14: anzutreffen. Im IG. jh. dringt die r-form noch nicht ein:
dp. regimcntcn Mathesius, gp. regimenten Hocker. 2, 253. Riccius, G. 75. Der
erste, bei dem ich die r-form linde, ist Opitz: np. j-e<//»)ent (= 'herschaften')
Arg. 110 uud gp. regimenter ('herschaften') ebda. 107; im sinne von 'truppeu-
abteilung' ap. regimenter ebda. 52. Später ist die r-form des pl. im sinne
Ton 'truppenscharen' bei Grefi., Dr. kr. 89. Moscherosch. Simpl. 329 (dp. re-
gimenteren). Lehms 168 zu liuden. Hempel, Popowitsch, Adelung fordern
den ?-pl. Heute ist der r-pl. für 'truppenteile' allgemein üblich; dagegen
für die seltenere bedeutung 'herschaften' wenden wir den a-pl. an.
Ich schliesse gleich die übrigen fremdwürter an, die vorübergehend den
r-pl. gebildet haben. Gortzitza 1843 nennt ausser den behandelten drei
Wörtern noch purlament, das regelmässig den r-pl. annehme. Der pl. par-
lamenter wird von Popowitsch, Nast und Adelung angegeben. Heute ist
er M'ider durch die a-form ersetzt. Hempel führt noch den pl. complimenter
neben complimente an, und Weise bildet den pl. losamenter zu dem heute
fast vergessenen losamente. Gegen die pl. Icapitäler Goethe, Lessing;
^•a^»!e/<er Heine, Reiseb., Hippel; hilleter, präsenter Schiller hat die Schrift-
sprache sich abweisend verhalten; der o-pl. dieser würter ist heute allein-
giltig. Nur der Studentensprache gehören die pl. sJcandähr, loläler an.
Untergegangene Wörter mit r-plural.
In der Schriftsprache sind im laufe der nhd. entwickelung
folgende neutra mit r-pl. in Vergessenheit geraten: block 'block,
klotz'; diech 'Oberschenkel'; hol 'höhle'; mos 'sumpf, moor';
weif 'junges von hunden und von wilden tieren'; Icilach 'bett-
tuch'. Laiih hat seinen >--pl. aufgegeben und gerade wie sprcu,
das noch zum fem. übergetreten, die collect ive bedeutung des
pl. dem sing, beigelegt. Mhd. mät f. ni. hat im nhd. sein weib-
liches geschlecht allein zur geltung gebracht. Ich führe die
/•-pluralformen nach der hier beobachteten reihenfolge auf:
bloch: r-pl. Urkb. Sp. 485 (1350). Decam. 1G7, 4. G. Wilw. Popowitsch.
diech: e-pl. Rothe 13, a-pl. Myns. 3, r-pl. Myns. 3. 11, r-pl. Decam.
306, 7. 389, 11, diech masc. Schaidcnr. 83, o-pl. Schaidenr. 31. 77.
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II. 355
hol: r-pl. Angsb. 1,280,2 (1450). Eyb, E. 77, 24. 82,2, dp. houlern
Asop 131, r-pl. Schaidenr. 36. 44. Riccius, Gr. 63. 150, dp. heileren Spreng,
Aen. 48.
mos: ?--pl. Augsb. 1,279 (1440). Wilw.46. 194. Boner, Oros. 15. Just.
113. 118.
weif: pl. tvelfere Mattii. v. Beheim.
leilach: dp. leilachen Fröreisen 168, pl. leilacher Krafft 327. Henisch
340. Simpl. 134.
laub: r-pl. loubere Matth. v.Beh. Marc. 11, 8, r-pl. läuber Eyb bis Immer-
mann. Tieck; pl. laube Klopstock.
spreu: r-pl. Urkb. Leipz. 407 3m. (1340). Roseubl. Boner, Oros. 117.
Krafft 116. Moscherosch 129.
mad: )--pl. müder Spreng, 11.252, as. ein schönes ivismad ebda. 266.
Zu dem neutr. fellis Simpl. 13 = lid. felleisen ebda. 116 wurde land-
schaftlich beschränkt der r-pl. gebildet: mit fellisern und fleuthen beladen
Simpl. 13.
Nur in der composition hat sich noch das mhd. no!; n. 'vieh,
rind' mit r-pl. erhalten; np. rindesnosser Riccius, P. G. 59 und ap. rindes-
nösser ebda. 164. Zu dem fehlen des Umlauts in dem ersten citat kann
der schwächere ton der silbe anlass gegeben haben.
2) Der dialektische r-plural.
Ich fasse hier die neutralen a-stämme zusammen, die nur
sporadisch und in bestimmten teilen des gebietes den r-plural
angenommen haben. Nur drei Wörter: hein, seil, Her haben
dem r-pl. eine etwas mehr als rein vorübergehende existenz
eingeräumt :
bein: der r-pl. tritt erst spät auf. Den frühesten beleg findeich bei
Wolfh. Spangenberg 1, 134 neben dem a-pl. 2, 36. Dann erscheint die mund-
artliche form im anfang des 17. jh.'s bei Spreng, der von allen obd. Schrift-
stellern dem r-pl. beiner den weitesten Spielraum gibt. Er wendet zwar
nur den pl. bein = 'gliedmassen' an, für den pl. bein = 'gebeine, knochen'
aber setzt er sehr häufig den pl. beiner:
1) pl. bein (='gliedmassen')SpreDg, Aen. 140. 150. 158. 164*. 11.183.
212*. 251. 295. 333.
2) pl. bein (= 'gebeine') ebda. Aen. 84 u. ö, 11.296*. 322. 331.
3) pl. beiner (= 'gebeine') ebda. Aen. 111. 114. 115. 11.21. 180 u. ö.,
dp. todtenbaineren ebda., Aen. 243, Und zwölff' der edlen jüngling tverth ver-
brennen I deren beiner zart Zu kennen seind nach jhrer art / Aber Pa-
irocli äschen frey Und seine b einer auch darb ey Die wollen wir jetzt
allermassen Bald in ein giüdin schal einfassen Spreng, II. 322.
Auch bei Henisch 259 — 261 ist der unterschied der formen gewahrt:
auff die bein helfen — der Jcurtze bein hat — dem die bein aufswerts ge-
krümmt sind u. s.w., aber scMnbein j Hat zwey beiner oder röhr 261.
35C MOLZ
Dann ist mir der r-pl. Schienheiner Sirapl.ö'W begegnet; sonst heisst
der pl. stets heine in diesem werke. Noch später ist bei Abraham der ?--pl.
anzutreffen, und die beiden obd. graminatikcr Braun und Nast setzen den
pl. heine und heiner an. Auf dem nürdlichen gebiet ist bei Gryphius der
pl. menschenheiner G7, it'iG anzutreffen neben dp. heincn G9, 599.
Dem 15. jb. ist der r-pl. auch auf obd. boden noch fremd: z. b. f-pl.
Decam. 389. 446 u. ö. Äsop 267, und im 16. und 17. jh. tritt er nur zuweilen
bei Schriftstellern mit starken mundartlichen anklängen hervor.
seil: dieser «-stamiu ist noch am häufigsten auf obd. boden zum r-pl.
übergetreten. Der r-pl. ist in der älteren zeit auf das alem. und Schwab,
gebiet beschränkt. Den frühesten beleg des r-pl. seiler bietet Wyle 49, 18,
und es folgen weitere Schriften alem. herkunft: pl. seiler Haimonsk. 42, 23.
54, 18. 181, 4, dp. seilen Morgaut 154, 37, dp. seilern Seb. Münster. Boner,
Oros.lOO, dp. in wiltsaylen ebda., Just. 119. Schwäbischen Schriften des lö.jh.'s
bleibt die r-bilduug unbekannt; pl. seiler zuerst Zimm. ehr. 1, 50, 10 und
Meichsner 70; dann wider bei Spreng, Aen. 77. 101. 103. II. 15. 258, pl.
schiff saijler ebda., Aen. 101, ap. schiffsayl Aen. 77*, dp. so^cre« 11. 9; ferner
r-pl. bei Weckherlin und ap. schüff-Suiller Krafft315. — "Während Schaidenr.
19 den a-pl. anwendet, gebraucht sein landsmann Abraham rund 150 jähre
später den r-pl., den der bair. grammatiker Braun allein gelten lässt. Nach
Muth ist der r-pl. dem bair.-österr. dialekt geläufig. — Kitter (Marburg
1616) führt den pl. seiler und beiler an. Stieler seile und seiler, ebenso Nast.
tier: der r-pl. ist zuweilen auf alem. gebiet vertreten, vereinzelt auf
rheiufränk. und ostmd. boden: pl. tiercr Morgaut 24, 27. 40,36 und Haimk.
52, 30. 53, 26. 68, 19. 34 + 3 m. neben häufigerem o-pl. Morgaut 35. 39 u. ü.
und Haimk. 28. 29. 49. 54, 36. 225, 31. Bei ^Yolfh. Spaugenberg erscheint
ap. tier* 2,66. Bei Boner, Just. 100 u. ö. ist der o-pl. regel; vereinzelt ist
bei ihm voll schlangen nnd giftiger tierer Sallust 39. Auf schwäb. gebiet
habe ich von Tünger 104 bis Federmann 44 und Krafft 78 nur den a-pl.
gefunden. Schliesslich ist die r-form noch bei Stade 170. 173. 191. 192
neben pl. thier 170. 173 zu belegen. Stades landsmann. Hock, aber hat nur
pl. thier 28. 67. Den frühesten beleg bietet Dalimil auf ostmd. boden: gl).
tyrer 15,5; pl. tir ebda. 231,31. Auch bei Luther stellt sich anfänglich
zuweilen der r-pl. ein , der im Serm. von d. guten werken in verächtlichem
sinne anwendung findet.
Die Übrigen fälle, in denen der r-pl. ganz vereinzelt er-
scheint, seien im folgenden zusaminengefasst:
feil: von den vellern miner schaff 4:.Bihe\.
haar: wann alle hdrer gdnd mir ohsich Haimk. 112, 20 neben icann
da tvurdcnd vgl hären zertzogen und rücken zerrgssen ebda. 27, 20. 21.
reh: g^. recher Decam. 238, 35, ij). rechern ebda. 93,27. 94,21. 30, dp.
rehern Meichsner, register.
röhr: \)\.rhörrer Krafft 101 neben pl. r/jor 100. 101. 379, lA. die rarer
(an den Müssen) Spreng, II. 297. Die form ist dem schwäbischen eigentüm-
lich, Friedrich 54.
schiff: r-jd. Schiffer Decam. 75, 23 vereinzelt, ... und so bald etlich
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. 11. 357
galJeen oder scJiyffer inn dis port 7iommenäMoYg.2ö8,S2, ap. sc7w^' Morg.
224, 33. Die bildung- konnte natürlich nur eine rein zufällige sein ; denn
das eng Terbundene nomeu agentis Schiffer Hess sie nicht fest werden.
werk: pl. bergiverker Dornblüth, vgl. np. bergiverkfi Krafft 379, pl.
festuiigsiverker Drollinger, pl. loerke und toerher z. h. hei einer festung Nast,
pl. hollwerke und hollwerker ebda., pl. die voricercker H. v. Kleist.
zeit: pl. zeiter Hof raannswaldau , Ged. und bei den grammatikern
Gottsched, Aichinger, Popowitsch und Braun, pl. zelte und zeiter Hempel
und Nast. In der Schriftsprache ist mir nur pl. zelte begegnet.
Eine andere gruppe von neutren erscheint nur in grammatiken im
r-plural:
aas: pl. ase und äser Stieler, pl. aafs Schöpf, aafse Birk 162.
heil: pl. beiler Ritter, beile, beiler Nast.
blech: pl. bleche und blecher (= 'blechgefässe') Nast.
floss: pl. flösser Gottsched, Hempel; trotz der flösser.
joch: pl. yöc/je>- Aichinger, jocZte und Jöc7ier Popowitsch, Nast, pl.
jöcher Spindler, Vogelh.
kamel: pl. kameler und kamele Hempel.
klotz: n. pl. klötzer Popowitsch.
Ausser den vereinzelt auftretenden pl. menschenheiner,
tierer und weiter und den von md. grammatikern geforderten
pl. weiter, flösser, Itameler (neben Mmele) sind alle diese r-plural-
formen dem obd. Sprachgebiet entsprossen, und es wird dadurch
erwiesen, dass Oberdeutscliland in der f-plm-albildung des
neutrums fruchtbarer war als die anderen teile des Sprach-
gebietes, Besonders ausgedehnt erscheint die r-form gerade
auf alem. und scliwäb. gebiet. Das stimmt zu dem heutigen
dialekt (Friedrich 54).
Wenn auch md. dialekte, insonderheit das obersächsische
und thüringische, dem r-pl. eine über den schriftsprachlichen
zustand hinausgehende ausdehuung gegeben haben, so kann
diese weitere Verschiebung erst dann vor sich gegangen sein,
als die Schriftsprache bereits rückgrat genug besass, sich gegen
mundartliche einflüsse zu schützen. Nach den Zeugnissen der
md, grammatiker Gottsched und Hempel besass zu ihrer zeit
der dialekt die r-pl. flösser, kameler, weiter, die er zur zeit
Luthers und Riccius' noch nicht kannte. Mit Luther aber
beginnt die festigung und ausbildung der Schriftsprache, die
im hinblick auf die neutra mit r-pl. bereits gegen ende des
16, jh.'s fertig war, von einigen ausnahmen abgesehen. Mit
dem abschluss der Verschiebung der neutralen a-stämme zur
declination der masc. a-stämme war dem weiteren vordringen
Beiträge zur gescbichte der deutschen Sprache. XXXJ. 24
358 MOLZ
des r-pl. in der Schriftsprache ein dämm entgegengesetzt. So
erklärt es sicli, dass spätere bildungen wie flüsscr, lamclcr,
seiter niclit mehr zur anerkennung gekommen sind.
Der dialektische r-pl. hatte die «-form nie aus dem sattel
gehüben, und noch heute herscht in den mundarten vielfach
schwanken zwischen der a- und ?-form, wie ein vergleich der
ausführungen von Friedrich s. 51 und 54 zeigt. Für das meist
nur seltene hervortreten der dialektischen >-form ist natürlich
auch der einfluss der md. Schriftsprache geltend zu machen.
Bei aller Sonderstellung, die die obd. Schriften des 16. jh.'s ein-
nehmen, konnte es doch nicht ausbleiben, dass bei der grossen
schriftstellerischen production auf md. gebiet sich die fäden
des Sprachgebrauchs auch schon im 16. jli. nach Oberdeutsch-
land spannten. Die dialektischen r-plurale reichen, ungeachtet
des Zeugnisses der grammatiker, im wesentlichen nur bis zu
dem anfang des 17. jh.'s. Spreng ist da der typus der obd.
Schriftsprache. Greflinger und Birk sind ganz mit dem md.
schriftusus vertraut. Schliesslich wird durch die Übereinstim-
mung der schriftsprachlichen Verhältnisse mit dem Sprach-
gebrauch der md. denkmäler bestätigt, dass unsere Schrift-
sprache in betreff des r-plurals der neutra ganz in dem md.
Sprachtypus wurzelt.
Der r-plural der masculina.
Ich nehme hier gelegenheit, auf den r-pl. der masculina
zurückzukommen, da ich einige wichtige belege nachzutragen
habe (vgl. Beitr. 27, 242 ff.).
mann: für den phiral mann er bietet den weitaus frühesten beleg
eine Urkunde vom jähre 1340 in dem Speyrer urkundenbuch : »ine kint laid
iochiermenre 413. 414 und dp. sinen Tcindcn unde sinen iochiermenren 414.
Sonst erscheint nur dp. mannen 429 (1344), hurgmannen 455 (1349), gp.
mit der viertzchen ai daß wannen ingesigell 503 (1350). Die r-l)ildung ist
für jene frühe zeit überraschend, zumal der r-\i\. linder, weiher in jener
zeit erst selten, in den Speyrer Urkunden überhaupt nicht hervortritt.
Gleichwol ist auch hier schon eine formenübertragung von den genannten
neutralen r-pluralen anzunehmen; denn es ist sicher, dass die >--plurale im
munde des Volkes eher als in der schrift lebendig waren, und es ist wol ein
Zufall, dass der pl. tochtermänner in jenen Urkunden sich vor dem r-plural
der begrifflich verwanten neutra einstellt. Der r-pl. erscheint im 15. jh.
schon im Decam. 11, 35. 52, 2G. 201, 19 und ohne nmlaut manner ebda. 10, 27.
G41, 20, ferner bei Rothe pl. menner 34. 90, dp. mennern G62. Der Ale-
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II. 359
manne Boner zeigt noch um die mitte des 16.jh.'s abueigung gegen die
r-form: np. viwtn Boner, Just. 69, np. menner ebda. 68 und dp. iren mannen
gehorsam sein ebda. 68. 71, von aufslendisehen mannen Oros. 15.
Der w-pl. mannen ist im Morg. 21, 16. 174,37. 269,33. 235,37 neben
den napl. Iwnden 314, 4, diehen 217, 22. 234, 23. 35. 322, 17 imd den pl.
hruodeni und hräedern 14,10. 17,24; 17,5. 35,4 u. ö. anzutreffen. Schon
aus dem dat. pl. mannen entsprungen betrachte ich die «-form bei Hock
79. 87 u. ö. neben dem r-pl. 70. 89.
bösewicht: dp. gottshöfswichten Nass, W. 160, np. böfswichtt Krafft
140, np. hofse wichte Rothe 167, r-pl. Luther 23. 369. Lehms 166.
gott: dp. goten Rothe 237. Während bei Luther der r-pl. schon häufig
anziitreffen ist und bei Eyb und Aventin allgemein ist, hat Boner noch den
■i-, a-pl. neben dem r-ph : np. göt Just. 32, dp. götten ebda. 13. 67. 77, dp.
ahgötten Oros. 14; äji. gölten ebda. 64.
hundsfott: pl. hundsvötter Lessiug 1,641.
leib: aus dem 16. jh. noch einen beleg für den r-pl.: ap. iei&er Riccius,
P. G. 123 neben nagp. leihe P. G. 53. 109. 164. Dann gleich zu beginn des
17.jh.'s: r-pl. bei Spreng, IL 17*. 18*. 292 u. ö., dp. Ze/ieru Krafft 39. Später
pl. leiher Opitz, Arg. 98. Birk 210.
rand: r-pl. Riccius, P. G. 98, dp. an den ufern und rendern ebda. 70
und dp. rendern oder ufern bei/ dem ivasser G. 85, vgl. nuch den rant am
tvasser P. G. 5.
Strauch: pl. Sträuche Grefl., V.g. 43, dp. lorhersträuchen ebda., W.1.48,
anh., np. streuche Riccius, G. 88, ap. sträucher Buchholz 141 und dp. Sträuchen
ebda. 55, dp. sträuchern Lehms 251. 590.
wald: pl. ioeld{e) Haimk. 108,22. 111,35. Boner, Oros. 103. Spreng,
Aeu. 99. 266. II. 224. 277. Rothe 468. Kantzow 71. 248. 282. Hocker. 1, 336.
2, 100. Aus dem 15. und 16. jh. habe ich bei Eyb, Mathesius je eine r-form
des pl. belegt (Beitr. 27, 252). Bei Riccius, Buc. 80. 90 u. s. av. ist der r-pl.
bereits herschend; nur der dat. pl. hat noch oft seine 2-form gewahrt, vgl.
s. 351. — Aus dem anfang des 17. jh.'s dp. wäldern Hock 80 und dp. hols-
loälder Krafft 82.
wurm: pl. ivürm{e) Nass, W. 40. Albert. 61. Grefl., V.g. 19. 42. 43.
W. 1. 68, anh. — r-pl. Grefl., V. g. 17. 20. 38. 43. W. 1. 16, anh. — np. erd-
loirm Krafft 81, np. ivürm, dp. wärmen Spreng, IL 314. 268. — r-pl. Rice,
P. G. 140. Opitz, Kr. 95. Buchh. 191, dp. wurmen ebda. 42. — r-pl. Hocker.
1, 397.
Es wären also alle masc. Wörter, deren r-pluralbildung-
auch in der Schriftsprache aufnähme gefunden hat, in dieser
neuen form bereits im 16. jh. hinlänglich belegt.
Ich schliesse gleich die dialektischen r-pl. des masc. an:
bach: die bächer oder fliessende wasserströme sind stille gestanden
oder versigen Rice, G. 78, an den bechern oder ufern G. 142, an den grünen
bechern P. G. 113, ap. bächer P. G. 5.
blitz: vil plitzer Spreng, Aen. 48, ausnähme! Sonst stets pl. blitz.
24*
300 MOLZ
•lärm: n\>. rlärmer Opitz, Kr. 5G, vpfl. n:\i). ///''/•») Hainik. 122, .'). 12"), 2r>.
doru: r-pl. Albert. ö8. 85. Birk \)d. Grell., ^'. g. 4, d\).dunic)i ebda. 18L5.
halm: pl. helmer Rice, G. 35 neben pl. höhnen Rice, G. 22 2 m. und
aj». halm ebda. 55. 56, vgl. Beitr. 27, 219.
hals: k/n iren heißem fur uho feiver Rotbe neben ap. heiße ebda. 3G0
und dj). heißen 125.
hinterlialt: dp. hinierhälter Kantz. 71.
kloss: ap. klösser Rice, G. 18. 117, np. erdenldüsser ebda. 18 neben
np. erdenklösse ebda. 21. lU. 117, »--pl. Gottsched.
klotz: dp. klötzern Rice, P. G. 97, vgl. &\}. gold klotzen vnnd schollen
Boner, Jvist. 119.
mund: pl. münder Scbaideur. 99 neben pl. münd ebda. 15 und Alber-
tinus 150.
pfropf: ap. pfröpffer Rice, G. 87 (= 'propfreiser').
Unflat: pl. vnfläter Nass, H. 250.
Nach Friedrich s. 47 conceutriert sich der gebrauch der
masc. r- formen auf das bair.-ostfränk. und auf das thüring.-
obersächs., während das aleni. und schwäb. auffallend wenig
mit r-pluralen beteiligt sind. Bestätigt wird diese erscheinung
der mundarten durch meine citate. Der pl. leiher geht von
ostfränk. gebiet aus, und der pl. icälder begegnet vereinzelt
bei Eyb und unternimmt seinen siegeszug von den ostuid.
Schriften eines ]\rathesius und Riccius. Auch die belege für
die pl. dörner, hähner gehören dem von Friedrich angegebenen
gebiet au. Auch die frühen belege für den pl. götter ent-
stammen dem ostfränk.-bair. und ostmd. gebiet.
Aus meinen citaten geht aber ferner hervor, dass das ost-
md. Sprachgebiet am fi-ühesten die ausdehnung des r-pl. auf
das masc. bewerkstelligt hat. Das zeigen die citate zu mann,
hösewicht und tvurm, wo bei gleichzeitigen denkmälern das
obersächs.-thüring. zuerst den r-plural aufweist. Und gerade
wie das schwäb.-alem. beim neutralen r-pl. über den rahmen
der Schriftsprache hinausgegangen ist, sehen wir bei autoren
ostmd. herkunft dieselbe erscheinung beim masc. r-plural.
"\\^enn die pl. hächer, därmer, dörner, hälmer, Jdösser, Idötser
nicht in die Schriftsprache aufgenommen wurden, so muss das
an dem widerstand des westmd. (fränk.) Sprachgebiets gelegen
sein. Dort sind nach Friedrich s. 48 die schriftsprachlichen
r-i)lurale und die pl. sträncher, dörner heimisch, während die
übrigen dialektischen »--formen auf das ostmd. gebiet beschränkt
bleiben. Westmitteldeutschland hat sich noch im laufe des
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. IL 361
16. jh.'s bemülit, besonders im hinblick auf bewalirimg des end-e,
seine Schriftsprache der des östlichen gebietes anzunähern.
Dadurch war eine schriftsprachliche form geschaffen, die sich
kaum von der Luthers und der anderen autoren jener östlichen
gegenden unterschied, und formbildende einflüsse auf die heutige
Schriftsprache konnten von ihr sehr wol ausgehen.
II. gruppe. Der r-plural der ja-stäiaxae mit einschluss
der mit ge- abgeleiteten f«-stämme.
1) Der schriftsprachliche r-plural.
Die Verbreitung des r-pl. auf die j«- stamme ist im mhd.
nur sehr selten vorgekommen (Paul, Mhd. gr. § 123, anm. 2).
Im nhd. sind an dieser Verschiebung beteiligt: amt, hild\
gemüt, geschlecht, gesicht, gespenst und die mit ge- ab-
geleiteten Wörter nach der a-declination: glied, gemach, ge-
tvand. Die letztgenannten neutra ziehe ich mit in die be-
trachtung des r-pl. der mit ge- abgeleiteten ja-stämme hinein,
weil die änderung ihrer form mit der der j«-stämme band in
band gieng. Nur amt und glied weisen schon im mhd. r-plurale
auf, die in besonderen umständen ihre begründung finden.
Die ja-stämme wurden durch ihre flexion, die nur im gen.
und dat. sing, mit der der 5 -stamme übereinstimmte, zurück-
gehalten, einen r-pl. zu bilden. So lange nicht die form des
nom. acc. sing, durch apokope mit den «-stammen in einklang
gebracht wurde, konnte bei der geringen macht der obliquen
casus des Singular eine r-form nicht hervortreten. Die mit
ge- abgeleiteten a-stämme waren ebenfalls für den r-pl. in der
älteren zeit unempfänglich, wenn auch ihre flexion im singular
mit den 5-stämmen gleich war. Das bildungspräflx ga-, das
die abgeleiteten a- und ja-stämme vereinte, schützte sie gegen
die einwirkung des r-plurals. Ich gebe zunächst, nach dia-
lekten getrennt, die geschichte der flexion dieser Wörter, soweit
mein teilweise dürftiges material das vermag, und füge im
einzelnen einige hinweise über förderung und hemmung des
r-plurals hinzu.
amt:
mhd. amhciMe, amhehte, ammeht, ambet, ammet, mnht, ampt, amt. Ausser
vereinzeltem gs. amechiis und as. amecht in der Thüringischen chronik
568. 593 (neben amptmanne 662) haben sich in nhd. zeit nur die
3G2
MOLZ
formen amht, amjit, amt fortgesetzt. Die letzte form tritt in der älteren
zeit noch ganz zurück. Der c-lose nominativ gestattete früh auf dem ganzen
gebiet dem r-plural eintritt.
1) f-pl. Weizs. 1 (1374)
2) «-rl. (dp.) Urkb. Fr. 2, 114.
(1397) 4 m. Pauli 1 m.
3) a-pl. Decam. 410, 31
177
4) a-pl. (dp.) Eosenbl.* Eyb, E. 33, 20.
43, 24. (dp.) AVihv. 17. l'J5. (up.)
ebda. 18
5) . . . zu grossen ampten und ehren
. . . iviU heßrdert werden Hock 45
6) fl-pl. Dal. 35, O'^. 36, 4*. Trkb. L.
410 (1475) 3 m., e-pl. ebda. 409,
fl-pl. (dp.) Urkb. Arn. (1496), a-, e-
und /-pl. Luther, a-pl. Jonas 1541
2 m. {= gp. kirchenamt)
7) e-pl. Purgoldt 2 m.
r-pl. I'rkb. E. 7, 6G4 (1359). Chmel 211
(1500) U.S.W. Aventin
r-pl. L'rkb. Fr. 1, 541 (1368). Stretl.
ehr. 73, 22. 100, 27 u. ö. Pauli oft
r-pl. Tünger. Augsb. 4, 172, 20. 22.
ebda. 5, 115, 7. Zimm. ehr. allg.
r-pl. amhteren "Wilw. (dp.). Nümb.
5, 786, 14. Ayrer
r-pl. Chmel (1495) a. Worms (dp.).
Alberus. Hock
r-pl, Luther. Jonas. Mathesius. Rice,
G. 152. 153. P. G. 117
r-pl. Kautz. 124. 201.
Auch ohne umlaut erscheint die r-form nur bei Luther, Kantzow 124
und Riccius, G. 152. 153. Diese erscheiuung findet ihre erklärung in dem
auch von Luther gebrauchten /-plural des wortes: zum pl. ampt{e), empte
bildete man ampter, empier. Der nicht umgelautete r-pl. ampier bleibt auf
Liither uud die ihm nahestehenden Kantzow und Riccius beschi-änkt: in
Oberdeutschland ist die form nicht anzutreffen. Wol ist aber in Ober-
deutschland der pl. haupter vertreten, weil die formen das haupt, heupt
auf dem ganzen .Sprachgebiet nebeneinander hergiengen, während der f-pl.
emptc eine rein md. form ist, die mir nur bei Luther entgegengetreten ist.
Dies noch zur begründung meiner auffassung: der umlaut herscht sonst
durcbgehends in dem r-pl. der einfachen Wörter mit umlautsfähigem vocal,
und wenn sich dann zu umlautslosen formen (amptrr, haiqjtcr) erklärnngen
bieten, wie ich sie versucht, scheint mir ihre zulässigkeit auf sicherem
gründe zii stehen. — Eine ähnliche contamination liegt vor in as. hole n.
Rice, P. G. 147 und da^ hol Schaidenr. 38. 51 neben da^ hol ebda., vorr. 6. 38.
bild:
mild, hilde. Bei den citateu kürze ich mannshild und iceihshüd durch m.
und IC. ab.
1) a-pl. B.d.uat. 4,33. 34. Aventin
2, 259, 9, m. Schaidenr. 27, (dp.) lo.
ebda., vorr. 6
2) fl-pl. Wyle 2m. (dp.) Pauli, (dp.)
w. Boner, Just. 107. (dp.) Seb. Mün-
ster 1 m.
r-pl. Avent. 1,604,8. 666,15. 2,274,1.
Schaidenr. 12, tv. ebda. 80. 96, r-pl.
Nass, W. 65 u. ö. Albert. 62
r-pl. Boner, Just. 33. Gros. 30. 99. Seb.
Münster Im. "\Volfh.Spangenb.204.
240
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II.
363
3) a-pl. Asop 71
r-pl. Decain. 636, 2, iv. Zimm. ehr. 1,
312, 85, r-pl. Spreng, Aeu. 127. Krafft
72. 176. 386
r-pl. w. Sachs 20, 166, 15, m. ebda.
16, 141, 82, götterbüder ebda. -415, 3,
7)1. Ayrer
r-pl. Dieteub. 1 m. Faustb.
v-pl. Luther. Luther, Bibel v. 45. Ma-
thesius allg-., iv. ebda. 1 m. Kicc,
Buc. 37. P. G. 8. 157 u. ö., tv. Cyr.
Spangenb. 40, r-pl. Zeseiil42. Buch-
holz
4) a-pl. Roseubl. Folz, w. Wilwolt
88, m. Sachs 16,98,35 (dp.), lo.
Ayrer
5) a-pl. Dieteiib. 1571 2 m.
6) e-pl. Eothe 19. 156, a-, e-pl. Luther
meist, e-pl. (dp.) Luther, Bib. v. 45.
(dp.) Mathesius 4 m. (dp.) iv. ebda.
1 m., a-pl. Blanckenb. 23, e-pl. vor-
bilde Cyr. Spaugenb. 145, vorbilde
Leibnitz, LTnv. ged.
7) e-pl. Kantz. 50. (dp.) Hocker. 2, 58 r-pl. Kantz. 238 2 m. (dp.) Hocker.
2, 62. 78.
HS. bild, pl. bilde, bilder noch Pölmann 1671.
Die letzten a-, e-formen haben sich in der composition gehalten. Mit
dem ende des 16.jh.'s ist der /'-plural herschend, wenn auch die form des
nom. sing, noch lange nicht die ja-gestalt durchweg aufgegeben hat. —
Auf das eindringen des r-plurals wirkten die gleichzeitigen bilduugen ab-
götter, götter fördernd ein; vgl. z. b. eusserlicJie bilder oder abgötter Nass,
W. 65, pl. abgötter, bilder Boner, Oros. 99.
glied:
mhd. gelit, glit. Die volle form hat sich bis spät ins 16. jh. gehalten. Schon
mhd. bestand der pl. gelider, glider neben dem o-pl. gelit, glit, weil das ein-
fache subst. lit, lides mit derselben bedeutung einen r-pl. bildete.
1) a-pl. Suchenw.
2) a-pl. (dp.) Manuel 1 m.*
3) a-pl. Mich. Beb.*
165. 204. 265. 341
4) a-pl. Folz 6 m.
Asop 163. 164.
6) a-pl. Matth. v. Beh., M. 5, 29. 30.
(g-^.glede) Rothe298, a-, e-pl. Luther
r-pl. B. d. nat. 3, 6. 17,33 u.s.w.
Suchenw. Aventin. Schaidenr. 39.
Albert. 14
r-pl. U. Boner. Stretl. ehr. 100, 29 u. ö.
Pauli. Haimk.34,3. 178, 35. Manuel.
Boner, Just. 41
r-pl. Decam. 190,31. 578,26. Äsop
216. 270. Füeterer. B. d. beisp.
Tünger 132. Spreng, H. 192. 199
u.s.w.
r-pl. Rosenbl. Folz 4 m. Eyb 2 m.
Wilw. 3 m. Nürnb. 5, 621, 6. Ayrer
r-pl. (dp. gelidirn) Dal. 52, 38. Luther
meist. Rice, G. 100. P. G. 80.
Meist ist die verkürzte form üblich. Doch erscheint immer wider zu-
weilen die volle form gelider: ^l. gelider Schaidenr. 95, glider ebda. 39. Im
Asop und Decameron ist sogar nur die volle form anzutreffen: pl. gelid,
gelider. Auch noch Riccius wendet gelieder G. 100 im Wechsel mit glieder
P. G. 80 an. Und noch für Spreng ist die volle form nicht erloschen: gelider
Ilias 189*.
364 MOLz
gemach:
nihd. gemach m. n.. im sinne von 'zimmer, wohnuug' gewölinlich neutr.;
pl. gemach, gcmcch Lexer 1,832. Das wort schwankt auch in nhd. zeit
noch in seinem geschlecht, nnd die flexion weist deshalb verschiedene
formen auf:
1) ?-pl. Schaidenr. 28. 95, gemach m. r-pl. Albert. 50, gemach n. ebda. 57,
ebda. 4, schlafgemach m. ebda. 80 /'-pl. gold — Birk 7Ü*
2) a-pl. Bouer, Oros. 108. Fischart n.
DWb. 4, 3137
3) gemach m. Füet. 127, gemach n. r-\\\. (dp. gemacheren) Hen. 151)7
Zimm. ehr. 316, 31, gemach m.
Spreng, 11.22, ?-pl. Spreng, Aen. 33.
II. 21, gemach n. Heuisch 1180,
/-pl. ebda., a-pl. ebda. Kraift Gß
4) «-pl. Wihv. 198. Sachs 16, 219, 7.
Ayrer
5) n-pl. Faustb. 64, 16 (dp.). Zincgref
n. DWb.
6) a-pl. Rothe 41. Luther, (dp.) Rice, r-pl. Schottel. Weise 7. Buchh. 446.
G. 149. (dp.) Cyr. Spaugenb. 20 Lehms 410. 570. 607.
Die umgelauteten formen gehen auf das raasc. geschlecht des Avortes
zurück und haben in dem pl. getcält Boner, Oros. 18. Tünger 112 ein tref-
fendes Seitenstück. Im 17- jh. erst ist die ;-furm allgemein geworden, und
in edlerem stile ist der pl. gemache noch heute zulässig.
gewand:
Der ?--pl. gexcünder, der durch den pl. Ucider angezogen worden ist,
erscheint schon in der Stretl. chronik: ap. mefsgcwemler 38,28 und ds. ge-
wand im collectiven sinne ebda. 86,4. Aus dem 15. jh. sind anzumerken:
pl. geu-ande Decam. 350, 4, pl. messgewant Rothe 628. Aus dem 16. jh. kann
ich nur pl. die mef^sgeicant Aventin 2. 284, 6 belegen. Aus dem 17. jh. stehen
mir wider zwei citate zur Verfügung: ap. des manncs Ideydcr und gewand
Spreng, Aen. 79* und pl. messgeicanler Simpl. 379. Im 18. und 19. jh. ist
nach Gortzitza die r-form regel, wenn auch die dem gehobenen stil noch
heute eigene form gcivaude bei Klopstock, Mess., Goethe, Schiller, Lenau,
Tieck u. a. begegnet.
In der älteren zeit ist das wort im \i\. zweifellos selten gebraucht
worden: Luther kennt keinen pl. des wertes, und der grammatiker Clajus
setzt es in die gruppe von Wörtern, die der mchrzahl überhaupt entbehren.
Für das beharren der «-form mag das Vorhandensein des nomen agentis
gewander, gewender (vgl. geivender Heiliges namenbuch [Eis. literaturd. 1]
V. 459 und altgewander Frkb. d. st. Sp. 485 [1350]. Henisch 1593) einen ge-
wissen einfluss ausgeübt haben. Bemerkenswert ist schliesslich noch die
tatsache, dass der r-pl. in der älteren periode nur in der compositiou Hies.s-
gewand hervortritt, und ausserdem ist zu bemerken, dass das alem. gebiet
weitaus am frühesten ziu- bildung der paragogischou form vorgeschritten ist.
NHD, SUBSTANTIVFLEXION. II.
365
gemüt:
1) «-pl. Schaidenr. 79, e-pl. ebda. 4,
a-pl. Seb. Frank u. DWb.
2)
3) e-pl. Decam. 598, 7. 625, 30, a-pl.
B. d. beisp. 142, 33 (dp.). Timger 86.
146
r-pl. Morg. 150, 14. Boner, Oros. 95.
Sali. 38. Simpl. 517
r-pl. Henisch 1489
6) e-pl. Luther
r-pl. Sachs 16, 234, 7*. Ayrer
r-pl. Eicc, G. 69. Opitz, Arg. 64. 16.
31. Kr. 40. Zesen 207. 458. Buchh.
38. Weise 4. Lehms 95. 106.
Das alem. gebiet ist der entwickelung bei den Ostmitteldeutschen um
rund 50 jähre vorausgeeilt.
geschlecht:
1) a-pl. Avent. 1,589,13. 603,6. (dp.) r-pl. Avent. 2 m. n. Kehrein
Seb. Frank, e-pl. (gp.) Albert. 189,
M-pl. (gp.) ebda. 23
2) a-pl. Stretl. ehr. 2 m. (dp.). Manuel
1 m.* (dp.). Brant. Pauli 2 m. Boner,
Oros. 72. Just. 71. (dp.) Seb. Münster
3) a-pl. Decam. 35, 4. 392, 8. 515, 28.
635, 38. (dp.) Äsop 273. (dp.) Füet.
127. (dp.) B. d. beisp. (dp.) Zimm.
ehr. 27, 7. 61, 17. dp. den geschlech-
ten nach Henisch 1540
4) o-pl. Rcsenbl. Folz. Eyb 6 m. (dp.)
Wilw. 4. 50, «-pl. (gp.) Sachs 16,
431, 18*, a-pl. Ayrer*
5) a-pl. Wicel3m. Dietenberger 1571,
a-, e-pl. Stade 169. 172. 176, a-pl:
(dp.) Spee
6) a-, c-pl. Luther. Eebhuhn*, alle —
Rice, P. G. 127, o-pl. (dp.) Opitz,
Arg. 100
7) o-pl. Kantz. 64, alle — Hocker. 2,
241, rt-pl. (dp.) Dach 145. 204*.
Die grammatiker Hempel und Nast lassen noch den pl. geschlechte
neben der r-form gelten. Dichterisch ist die alte form noch heute.
Am frühesten, nämlich ganz zu beginn des 16. jh.'s, setzt sich die
r-form im ostfrtänk. fest, und in allen gegenden Oberdeutschlands tritt die
;--form noch vor dem tode Luthers hervor, dem sie ganz fremd ist. Erst bei
Kiccius (1571) erscheint die erste r-bildung.
r-pl. Seb. Münster (1544). (dp.) Fi-
schart, Garg. DWb. 4, 3904
r-pl. Zimm. ehr. 7,33. 16,33 u.s.w.
Spreng, Aen. 17. Henisch 1540.
Krafft 413
r-pl. Wilw.107 (dp.). Nürnb.5,791,22.
Sachs 16, 325, 20. 20, 256, 4
r-pl. Rice, P. G. 125. Opitz, Arg. 107
(dp.). Zesen 322. 338.
366 MOLZ
gesiebt:
1) an — u. (jcsicht n. Albert. 177. 193 r-pl. an — Schaidenr. 87, an — Seb.
Frank 1539 Cdp.), an— Albert. 51,
nacht — Ilorib. v. Salurn
2) «-pl. (= 'träume") Stretl.cbr.91,8, r-pl. an — Bouer, Sali. 28 (<lp.), an —
gesteht f. Boiier, Oros. 73, a-pl. Simpl. 111
(= 'träxime') W. Spangenberg 10-t,
c-pl. (= 'träume") Simpl. 354
3) a-pl. Decam. 171,20. 393,1 (flp.), r-pl. an — Spreng, Aen. 127
nacht — Friscblin 1 m.*, H-pl.
('träume') Hen. 1561 zu ns. gesteht
f. ebda.
4) a-pl. ('träume') Eyb, E. 89, 17. r-pl. Ayrer
(dp.) an — Sachs 16, 291, 38. (dp.)
(= 'larven') Ayrer*
5) r-pl. an — Dietenberger, r-pl. Faustb.
6) a-, e-pl. Luther, a-, e-pl. an — r-pl. an — Rice, G. 137, r-pl. Opitz,
Luther, e-pl. (='träiTme') Mathes. Arg. 5. 61. Zesen 108. Buchholz
2 m., e-pl. äffen — Weise 3 24. Weise 69, äffen — ebda.
7) a-pl. 4, 7 an — Kantz. 83. 84, a-pl. r-pl. Jul. v. BraunschAV.
(= 'träume') Hocker. 1, 13
Wie aus den citaten zu entnehmen, war der «-pl. im sinne von 'traum-
erscheinungen' meist lebendig geblieben: poetisch ist die form noch heute
üblich. Indes ist der unterschied zwischen pl. gcsichte und gesichtcr nicht
so fest, wie gelegentliche Vermischungen zeigen: sanfter rührender schmerz
deckt ihre gestellte Klopstock, Mess. und ich habe seit einigen nachten
sckrecJcliche gesicJiter gehabt Klinger.
Es ist kein zufall, dass der r-plural sich zuerst in angesicht einnistet.
Im rnhU. gesihte überwog der begriff des gesiebtes als sinn; dann bedeutete
das wort noch 'vision, träum, erscheinung'. Alle diese anwendungsweisen,
die sich noch bei Henisch in voller klarheit ausgeprägt zeigen, waren wenig
geeignet, das wort dem r-pl. zuzuführen. Die erste bedeutung kehrte mehr
den singularen gebrauch hervor, die zweite neigte mehr dem collectiven
plural zu. Angesicht dagegen wird schon in der frühesten zeit unserer
periode nur noch in dem sinne von aniläz gebraucht, während es in
jüngerer zeit, durch gesicht vertreten, mehr in den hintergrund gedrängt
worden ist. Sein r-pl. stimmte trefflich zu der durch die r-bildung a\is-
gedrückten function; er fasste die eiuzelerscheinungen in ihrer individuellen
art zusammen.
Auch hier sei wider festgestellt, dass der r-jd. auf bair.-alom. bodeu
den Zeitgenossen Luthers, Schaidenreisser, Seb. Frank, Boner, vertraut ist,
während Luther selbst noch nicht zum r-pl. vorgeschritten ist.
gespenst:
Es ist das letzte in der reihe, und es ist das letzte beim übertritt zum
r-plural. Mit unrecht habe ich früher den r-pl. gespenstcr neben anderen
NHD. SUBSTANTIV FLEXION. II. 367
als stütze für eleu pl. geister citiert (Beitr. 27, 249). Vielmehr miiss ich
hier den r-pl. geister anrufeu, um die r-bilduug des siunverwanten ja-stammes
aufzuhellen. Das wort wird in der älteren zeit meist im collectiveu plural
gehraucht wie gestellte, und dieser umstand ist schuld au dem späten ein-
dringen des r-plurals: 1) «-pl. Schaidenr., vorr. 3, voll von gespenst und
geistern ebda. 87, ap. gespensie Verl. Europ. 242; noch Dorublüth hat den alten
plural aufrechterhalten. — 3) gespenst schrecken äugen und herzen und
vertrih alle böse gespenst Henisch 1566. — 4) gp. gespensten Sachs 20,
455, 9. — 5) pl. gespenste Faustb. 106, 9, — 6) a-pl. Luther, e-pl. Eicc, G.
76. 78. P. Gr. 150, np. die gespenst und geister Opitz, Kr. 95, dp. gespensten
Lohenstein, allerlei/ böse gespenst Hocker. 1, 92, np. gespenste ebda. 2, 57.
103, dp. gespensten ebda. 2, 7.
Nach dem DWb. 4, 4140 findet sich der pl. gespenster bei Widmann,
Faust (Hamb. 1599). Simpl. 1,616. 618 und öfter im 17. jh. Meine citate
beweisen nur die abwesenheit der r-form im 16. jh., aber auch im 17. war
der r-pl. noch nicht ganz allgemein, wie die beispiele aus Henisch, Opitz,
Lohenstein und aus dem Verl. Europ. dartun, und noch Klopstock gebraucht
widerholt im Mess. den pl. gespenste.
Ein überblick über die r-bildimgen der einfachen ja-stämme
und der mit ge- abgeleiteten a- und ja-stämme bestätigt, was
wir schon früher bei den neutralen a-stämmen mit r-plural
beobachtet haben: die >--form ist in Oberdeutschland früher
heimisch als in Mitteldeutschland. Beweisende belege dafür
bieten amt, gemach, geicand und besonders die ja-ableitungen
gemiit, gescliUcht, (an)gcsicht. Dieser vortritt des obd. gebietes
ist in der gegen ende der nihd. zeit erfolgten apokope der
ja-stämme begründet. Die apokope hat völlige formengleich-
heit der citierten stamme mit den a-stämmen im gefolge gehabt,
und nur die bildungsweise der ^e-ableitungen hielt allerdings
noch lange den r-pl. fern. Wenn die ostmd. Schriftsprache
noch im 16. jh. den r-pl. von gemüt, geschlecJd, gesteht aufnimmt,
so ist dabei obd. einfluss unverkennbar. Wol haben auch die
dialekte in Mitteldeutschland die r-form der genannten ja-
stämme gebildet (Friedrich s. 54). Indes ihre bildung liegt
zweifellos zeitlich später als in Oberdeutschland. Wie anders
sollte sich das zurückbleiben der r-form bei Luther erklären,
der dem gemeinen manne nach dem munde gesehen. Es muss
also auch für die r-bildung der mundarten jener gegenden eine
einwirkung von obd. gebiet angenommen werden, was bei der
allgemeinen continuität der sprachlichen entwickelung nicht
wunder nehmen kann.
368 MOLZ
Das ostmd. spracligebiet musste der r-form besonders
abhold sein, weil die erlialtung des auslautenden e die ja-
stämme nui* in äusserst dürftige bezieliung zu der declination
der rt-stämme setzte. Ueber den abfall des endungs-e der ja-
Stämme habe ich s. 300 ff. gehandelt. Oberdeutschland hat also
in der tat durch seine ausbreitung des r-pl. der ya-stämme auf
md. gebiet dazu beigetragen, im singular den angleichungs-
process der ja-ableitungen an die a-stämme zu beschleunigen.
Für die nhd. Schriftsprache ist die /--bildung von amt, hild\
glied] gcmüt, gcschlccht, gesiclit noch im laufe des 16. jh.'s fest-
gesetzt worden. Die r-pl. gemacher, gespenster sind erst im
17. jh. eingedrungen. Für den r-pl. geuänäer fehlt es mir an
material, um eine zeitliche bestimmuug seines eintretens in
die Schriftsprache vorzunehmen.
2) Der dialektische ;--plural.
Der dialektische )--pl. tritt besonders bei folgenden in
erscheimmg: Jcleinod, bett, hemd, stücJi: gehet, geivölbe.
Ich fasse zunächst die zeit des auftretens, geltung und Ver-
breitung der dialektischen >--plurale ins äuge und führe die
a-formen mit auf, wenn r-plurale sich einmischen.
kleinod:
uilitl. kleinoi, Jcleinate, Mci'nade, Jdcinnt, klci)ict. Alle diese furmen haben
sich, abgesehen von dem anslantenden e, im nhd. der älteren zeit erhalten,
lind ich gebe in der folgenden Übersicht des r-pl. auch den lautwert des
schwankenden vocals au.
1) a-pl. (dp.) -e- Schaidenr. 18
2) as. -öt Stretl. ehr., o-pl. -e- Pauli r-pl. -cd- Stretl. ehr., r-pl. -c- Pauli
1 m., rt-pl. Haimk. 228, 27, o-pl. -o- 7 m., r-pl. -o- Bouer, Oros. 107.
Boner, Oros. 117 109. 117, r-pl. -o- und -ü- Oelinger
3) as. -ad Füet. 175, a-pl. -o-, -a-, -e- r-pl. -o- Zimm. ehr. 306, 3, r-pl. -o-
Decam. 150, 1. 2. 6. 8. 34, 6. 87, 12 Zimm. ehr. 120,30. 131,6 u.ö., r-pl.
u. ö. meist -c-, o-pl. -e- Mich. Beb.*, -e- Fedcrni. 18. 22. 27, r-pl. -ö-
«-pl. -e-, -0- Augsb. 3, 129, 2. 181, 17, Krafft 147
«-pl. -0- Spreng, 11.316. Aen. HO.
113, c-pl. -0- Aichinger. Nast
4) ns. -e- Eosenbl., a-pl. -e- ebda., a-pl. r-pl. -od- Ayrer 3 m.
-a- Eyb, a-pl. -o- Sachs 16, 93, 7.
295, 19. 26, a-pl. -od Ayrer 5 m.
6) a-, -c-pl. ist regel r pl. -od- Buchholz 440 vereinz.
7) r-pl. -0- Kautz. 29. 200 + 4 m.
Zu Kautzow vgl. die zweite mischklasse der ueutra.
NHD. SÜBSTÄNTIVFLEXION. II.
369
Der r-pl. tritt im 15. jh. nur iu der Stretl. ehr. auf, er bleibt dem alem.
dialekt eigen und springt dann auf schwäb. gebiet über. Doch bleibt auch
iu diesen beiden gebieten die a-form lebendig, wie sie es überall sonst ist,
wenn auch einige r-pluralformen anderwärts begegnen. — Der oft fehlende
Umlaut ist auf kosten der geringen toustärke des zweiten bestandteils zu
setzen.
bett:
1) a-pl. Sterz, sp. 7, 157. Schaidenr.
3. 27. Albert. 56. 208, e-pl., auch
n-, r-pl. Braun
2) a-pl. Morgant 21, 10. 22, 2, e-pl.
Simpl. 13i. 138
3) «-pl. Decam.15,37. 174,25. 409,27.
6G4, 30. Füet. 244, a-, e-pl. Henisch
340. 342, n-iü. ebda.342, «-pl. besser
e-, ?--pl. Aich., e-pl. beete, bette Nast
4) a-pl. Eyb, D. 39, 28
5) e-pl. Grimm 3 m.
r-pl. Dornblüth. Popowitsch
r-pl. Morgant 22, 17, garten- : götter
Haller
r-pl. Augsb. 5, 367, 25. Henisch 343,
beeter, better Nast
r-pl. Kalloandro 2, 221
r-pl. Goethe zuw. Grimm 2 m.
hemd:
mhd. Jiemede, hemd. Zunächst einige besonderheiten der form: die alte
dreisilbigkeit tritt noch zuweilen hervor: as. hemmet Albert. 109. Simpl. 49
(gewöhnlich hembd ebda. 49. 50 u. ö.); ganz vereinzelt sogar im plural bei
Krafft. Meist ist in der älteren spräche der übergangslaut b zwischen md
eingeschoben; zuweilen begegnet auch die lautgruppe mpt, so im Morgant
und bei Spreng. Bei Krafft ist auch das zuweilen nach nasal secuudär
entwickelte n anzutreffen: ds. hemendt 284.
1) a-pl. (dp. hemeten) Schaidenr. 34,
a-pl. Greflinger, W. 1. 90
2)
3)
4)
5)
r-pl. Schaidenr. 22. (dp.) 24. 1012 m.
Seb. Frank u. Kehr. 202. Albert. 10.
Popowitsch. Braun
r-pl. Dieb. Schilling n. Kehr. 202.
Brant 4, 17. Murner (1510). Pauli
5 m. Manuel. Haimk. 21, 1. 4. 6.
237, 33. Morg. 81, 37. Oelinger.
Fischart n. Kehr. 202
r-pl. Simpl. 11. 44. 379. Spreng, Aen.
121, hemmendter Krafft 283, hem-
medter ebda., r-pl. Aichinger. Nast.
Schubart. Schiller zuw.
r-pl. Sachs n. Kehr. 202
r-pl. Dietenberger. SimpUcissimus.
Schupp, nach Kehr. 202.
Weitere belege finde ich für den r-pl. in der älteren zeit nicht. Später
erscheint der pl. chorhemder bei Klopstock, pl. hemder bei Gutzkow und
vereinzelt bei J. Grimm (pl. hembde 4 w.).
370 MOLZ
Die r-pl. hetlcr, hemder bleiben in der älteren zeit auf die drei süd-
lichen dialektgebiete beschränkt. In der mundart ist die »•-form von bett
dem ostnid. nn^eläufiff, während der pl. hemder allenthalben auftritt
(Friedrich 54), Der ^-pl. hetlcr ist nicht im stände gewesen, die a-form zu
verdrängen; dagegen ist der ;--pl. hemder durchaus herschend geworden.
Der a-pl. hemhd Greilinger verrät ostmd. einfluss. Das zeuguis der gram-
matiker steht in schönstem einklang mit meinen belegen. Für beide Wörter
ergibt sich ferner aus den citaten, dass das alem. gebiet die /--form zuerst
bildete. Bei Schaidenreisser ist der dat. pl. zu hemd noch einmal in der
a-form belegt, ein beweis, dass die ?--form noch nicht lange einzug gehalteu.
stück:
Der r-pl. stnclcer ist auf dem ganzen Sprachgebiet äusserst selten und ist
mir nur vereinzelt in bair. und alem. Schriften begegnet. Friedrich 51
nennt stiick gerade unter den Wörtern, die in den mundarten die a-bildnng
häufiger zeigen. Die bewahrung der alten llexion Avurde durch die häufige
anwendung des Wortes bei Zahlenangaben begünstigt. Belege: mein ...
hemmet ... ward zu stückern zerrissen Albert. 109; die analogie von zu
tritmmern ist ganz offenkundig; pl. slücJcer (verächtlich für 'kleidungsstücke')
Moscherosch 65; aber in stucke zerlegen ebda., ap. drcy stäcker ... holten
Simpl. 319 neben ap. zicey stück ebda.
eud(e):
Das wort ist mir meistens in der form des dat. pl. in Wendungen wie an
allen enden begegnet, und in dieser form blieb es auch seiner alten decli-
uation treu: an andern enden, atiss allen enden Heuisch 883. Neben diese
gleichsam erstarrte form aber stellt sich auf schwäb. bodcn der ?--pl. ender:
pl. ender Heuisch 883, ender der Stangen an der icag, die ender der
halcken ebda.
Vereinzelte r-formen sind:
gichter Elis. Charl. v. Orleans.
hirner Haller.
kreutzer Gottsched. Hempel.
netzer Griesli., Predigt, s. Lexer 1, 1907.
vicher Spiudler, Yogelh.
gebet:
Der r-pl. taucht zuerst in dem alem. Morgant auf: ni^. gehetter2S7,2 neben
ap. gehütt 237,11; vgl. auch ap. gehirg 306,4:. In demselben denkmal er-
scheint auch der pl. hetter. — Die r-form bleibt in der älteren zeit durchaus
vereinzelt. Henisch 1387 kennt nur den pl. gehet. A'on 1671 ab gebraucht
Elis. Charl. v. Orleans (pfälzische mundart) in ihren briefen den pl. gebetter
1, 395, 27. 2, 5, 30. 363, 9. 628, G. 3, 26, 26. Ein Jahrhundert später tritt auf
rheinfräuk. gebiet die form weiter hervor in Hemmers Abliandlung zur
deutschen spräche anm. 128 und bei dem Liebhaber der Wahrheit in den
Anmerkungen zu Hemmers abhandlnug 102. Dann bezeugen Dorublüth
{(febötter), Aichiuger den r-plural. Nast führt den pl. gehcte, gebeter an.
NHD. SÜBSTANTIVELEXION. II. 371
Hempel gibt die pl. gebeter, gehete an, ohne dass ihm der schriftsprachliche
gebrauch ein recht dazu verleilit. Vielleicht ist er von Aichinger in diesem
punkte abhängig. Adelung bezeichnet den r-pl. als mundartlich norddeutsch.
gewölbe:
r-pl. auf den getvelbern Augsb. 2, 149, 4 neben dp. geivelhen ebda. 149, 8 (um
1450), dp. gewelbern Zinim. ehr. 262, 17, adp. gewülber Kraft't 146. 286. Das
sind alles schwäbische citate. Heuisch hat aber pl. geivelb 1597; doch
Aichinger und Nast pl. gewölber. Auf ferner liegendem gebiet ist mir nur
die a-, e-form begegnet: ap. geivelbe, d-p. getvelben Eothe 45. 41, ap. geivelb
Nürnb. 4, 380, 13. Doch in späterer zeit pl. geiuölber ( : selber) Haller. Für
Baiern bezeugen das vorkommen der r-form Popowitsch und Braun, die
beide nur die r-form des pl. ansetzen. Für die nhd. Schriftsprache fordern
Gottsched und Hempel den r-pl., der mir in jenem teil des Sprachgebietes
nicht begegnet ist und von Gortzitza im 18. und 19. jh. nur bei Musäus,
Volksm. belegt wird.
Andere r-plurale treten nur vereinzelt auf; nach ihrem
zeitlichen hervortreten geordnet, erscheinen folgende:
1) an iinsern geschlössern und heiisern bei Ghmel (1510), ap. geschlösser
Aventin 2, 279, 17. 358, 24.
2) ap. gestreicher Schaidenr. 37 ; vgl. pl. gestreuche Eiccius, G. 86.
3) und weren der gefangen so viel das man nicht gefenchms und ge-
fesser genug kette, dar man sie in legte Kantzow 148.
4) pl. geschenker vereinzelt Luther, Br. de Wette 4, 278 nach Dietz.
5) pl. gefdder, dp. gefildern ( : verwildern) Fleming, pl. gepüscher, dp.
gepüschen Fleming, auch pl. biischer Fleming, pl. gefdder Stieler 91.
6) pl. gedürmer Spee.
7) dp. antlitzern Lohenstein 15, ap. gebünder ebda. 53.
8) dp. gerichtern (= 'judicia') Abraham, pl. gerichter Dornblüth.
9) dp. gezeltern Lehms 212.
10) pl. gebilder Klopstock, Oden.
11) pl. gewichter Eichendorif, r-pl. auch früher bei Aichinger und Braun,
12) pl. ungethümer Willib. Alexis.
13) Nast bildet zu dem endungslosen nom. sing, neben der nhd. form
noch die r-plurale gemülder, gemüser, geschwdzer, gewichter ; aber zu gesang
n. (n. schon Wolf h. Spangeub. 2, 126) nur den pl. gesänger. Dazu kommt
noch der pl. geicölber bei Nast, und die ja-stämme mit r-pl. stimmen bei
ihm vollkommen mit den in dem Schwab, dialekt heimischen formen übereiu
(Friedrich 54).
14) pl. die traider Oest. weist. 2 (1727).
15) pl. geiüünneter (= 'gewinne') Simpl. 87.
Der r-pl. geschlösser ist durch den einfachen pl. Schlösser, häuser ver-
ursacht, gebilder durch bilder, gedärmer durch därmer, gefdder durch felder,
gepilscher durch büscher. Die r-plurale gestreicher, traider sind von der
gruppe blätter, dörner, hälmer beeinflusst; der pl. antlitzer ist nach gesichter
gebildet. Die pl. gewölbe?; gebilder, gefdder sind nicht durchgedrungen.
372 MOLZ
Es mag dieser umstand damit znsammenbäugcn, dass der sing, die volle
enduugsfurm nicht aufgegeben Init, und der r-plural deshalb immer von
neuem zurückgestossen wurde.
Mischdeclination.
Das wesen der iinsclidecliiiation berulit in einer Verbindung
der vocalisclien und consonantisclien flexion. Der Untergang
der rein consonantisclien liexion des neutrunis hat früh zur
ausbildung dieser flexionsart geführt. Entsprechend der misch-
klasse des niasc. tville, häufe haben wir im nhd. eine mischung
bei herz\ entsprechend den masc. schmerz, dorn haben wir eine
mischung bei äuge, ohr\ hett, hemd, ende. Icli betrachte zuerst
die ausbildung der schriftsprachliclien formen und gebe nacli-
folgend einen überblick über die mannigfachen im laufe der
entwickelung hervortretenden berührungen der a-declination
mit der «-declination.
1) Erste mischklasse.
Das kennzeichen dieser klasse ist die genetivendung -cns.
Der alte n-stamm hers ist das einzige wort, dem diese flexions-
weise eigen ist.
herz, mhd. herze, herz: die form des uom. sing, schwankt
in bewahrung und abstossung des end-e bfs ins 18. jh. Poetisch
ist die form herze noch heute nicht erloschen.
Einige formen des nom. acc. sing, seien angemerkt:
nas. /«erc^e Veter b. 37, 4 U.S.W. — /(cWre Eothe 45. 95. — /tcr/^ Luther
23,74. 126 + 18 m. 14 m. im Serm. v. d. g. w. : hcrize Liither 23,180. —
hertz Rice, Buc. 152 3 m. P. (J. 9. 40. 148. — herize Opitz, Arg. 15. Kr. 19.
40. 88. 91. 96 : hertz 96. — herze Zesen 142 : herz 150. 457. 399 + 9 m. —
herze Buchbolz 192 (ausn.!) : herz 12 u.s. w. -- herze Weise 24. 45. 181
u. ö. : herz 3. 24. 26. — herze Lehms 10. 106 + 14 m. : herz 20. 28. 42 +
70 m. — ans herze legen Lessing 1,314 : herz 1,166. 198. 294 u.s.w.
Auf nd. gebiet finden sich nas. herize Hocker. 1, 281 und hertz ebda.
253. 376. Bei Jul. v. Braunschw. verhalten sich ns. hertze : hertz =1:6
und as. hertze : hertz ^ 1 : 2 (18 : 35). Auf obd. bodcn findet sich die volle
form herize im Wechsel mit hertz erst im 17. Jh.: nas. /«/L-e Grefiiuger, W. 1.
23. 40 V.g. 23. 115. 150. Dr. kr. 19. 36, hertz ebda., W. 1. 40. V.g. 129. Dr.
kr. 21. 41 ; ferner ns. herze Birk 82.
"Während bei Luther die «-form schon weitaus im über-
gewicht ist, und Eiccius sie allein anwendet, gebrauchten die
dichter des 17. jh.'s häufig noch die volle form, besonders Chr.
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II. 373
Weise. — Der verlust des e wurde freilicli durch den w-pl.,
dem die zalilreiclien fem. mit auslautendem e im sing, zur seite
standen, gehemmt; aber auf der andern seite wurde die ab-
stossung des c auch durch das beliebte reimwort sclnncrz
(Zesen 461. 525. Lehms 392) begünstigt.
Der gen. sing, wird durch anlehnung an die masc. wa-stämme
von den übrigen m- casus deutlich geschieden. Im reim ver-
einigen sich häufig sclimerüens mit hertzens (vgl. Beitr. 27, 314).
Die n-form des gen. sing, herscht noch im 15. jh. und über-
wiegt gegenüber der wa-form im 16. jh.
gs./icr^ew Sterz, sp. 58, 268. 107,340 u.s.w. Schaideur. 82. Albert. 126.
— Stretl. ehr. 5 m. Haimk. 240, 3. Manuel 1 m. Wolf li. Spaiigenb. 2, 154* ver-
einzelt.—Decani. 28, 29. 70,33. 191,38n.ö. Mich. Bell. B.d.beisp. Zimm.chr.
290, 16. — Folz. Eyb häufig. Sachs IG, 128, 31. — Burk. Waldis 86, 18. 184, 23
u. ö. Stade 124. 157. Faustb. 57, 20. 120, 9. — Veter b. 18, 17. Dal. 9, 9. 11, 13.
Luther meist. Rebhuhn und Mathesius meist. — Jiü. v. Brauuschw. 8 m.
gs. /ter^ejisSchaidenr. 19. 22. 68. Albert. 175. 178. 207. — Pauli 1 m.
Wolf h. Spangenb. 2, 24. 25. 53. — Federm. 32. - Sachs 16, 392, 14. — Luther,
Eebhuhu, Mathesius zuweilen. Cyr. Spangenb. 18. Arndt. — Jul. v. Brauu-
schw. Im. Ln 17. jh. ist die starke form zur norm geworden: gs. herzens
Krafft 160. 263. Opitz, Kr. 61 u.s.w. Duesius (1608) und Brücker (1620)
setzen die wa-gen.-form an. Vereinzelt sind in jener zeit die schwachen
gen.-formen herzen Buchh. 63. 64 (gs. hertzens ebda. 435). Weise 76 (ausn.).
Die starke flexion besonders des noni. acc. pl. ist schon im mhd.
anzutreifen. Diese eigentümlichkeit besteht im uhd. weiter, wenn auch die
starken pluralformen den H-bildungen gegenüber sehr zurücktreten: ap.
groe^ereu herz B. d. nat. 26, 29 (vgl. gs. herzen ebda. 475, 2). — ap. herz Füet.
93 (ap. herzen ebda. 217 2 m.). Zimm. ehr. 4, 333, 30. — ap. herze Nie. von
Jeroschin, nap. herze Matth. v. Beb., L. 16, 15. 21, 34. J. 12, 40 (sing, schwach),
ap. fso ivecke iif die herze der gläubigen cristen Eothe 216. — Nur nach
zahlen gebraiicht Wolfh. Spangenberg den a-pl. : zivey hertz 1,123, zicey
treive hertz : schmertz ebda. 140, vgl. die hertzen ebda. 2, 33. 52*. Ebenso
findet sich zwey hertze Schottel 1121. — Durch das reimbedürfnis verursacht
sind ds. hertz Wolfh. Spangenb. 2, 44*, ds. hertze : schinertze Haller. Sonst
stehen starke formen des sing, ganz vereinzelt da: ds. in ihrem hertze
Lehms 176 (ausnähme, vielleicht druckfehler), ds. hertze Lessing, in der
revision dem hertzen und ds. herz Grimm 3 m. und die mir am herz liegen
ebenda.
Die n-form des pl. schwebt vor, wenn Cyr. Spangenberg 18 sagt der
kirchengesang erfreuet des menschen (für der menschen) herzen.
2) Zweite mischklasse.
Die eigentümlichkeit dieser klasse ruht in einer flexions-
weise, bei der sich die starke biegung des sing, mit der schwachen
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. 25
374 MOLZ
des pl. zu einem festen System vereinigt. Die anshildung-
dieser klasse ist eine nhd. ersclieinnng; die anfange ihrer ent-
stelmng reichen in die früheste nhd. zeit zurück. Die stamme,
die diese kkisse ausmachen, sind verscliiedenen Ursprungs:
äuge, ohr sind alte «-stamme; hett, hemd, ende sind alte
^rt-stämme. Ausserdem haben sich angeschlossen glicdmass;
Ideinod und einige fremdwörter. Die fiexion der neutra,
die sehr "wesentlich mit der der masc. im laufe der entwicke-
lung übereinkommt, lässt in dieser gruppe eine genaue ent-
sprechung im masc. erkennen. Die ursprünglicli schwach flec-
tierenden psalm, schmerz, haiier, nachbar u. a. räumten wie
augc, ohr im sing, der starken form die herschaft ein, während
umgekehrt als parallele zu hett, hemd, ende die ursprünglich
starkformigen dorn, strahl u. a. sich für den «-pl. empfänglich
zeigten. An eine gegenseitige beeiuflussung dieser gruppen
ist aber nicht zu denken. Die treibende kraft, die der klasse
das gepräge gab, sind die fem. n-, a-stämme, deren misch-
decliuation die durchgreifendste neuerung in dem fem. flexions-
system bedeutet. Die wellen, die das princip einer scharfen
Scheidung der numeri bei dem fem. aufwirbelte, haben sich,
schwach verlaufend, noch über das wehr der geschlechts-
trennung hinauserstreckt: da wo sich dem masc. und neuti-.
aus eigenen mittein keine oder nur eine unzulängliche kenn-
zeichnung der phiralischen function bot, und wo noch besondere
fördernde Verknüpfungen mit der form des fem. bestanden,
wirkte die fürs fem. massgebende flexionsweise befruchtend
fort. Doch hat sich in der Schriftsprache die Wirkung nur
bei besonders günstig mit den fem. n-, a-stämmen verbundenen
Wörtern dauernd befestigt.
Die «-Stämme äuge, ohr, mhd. ouge, oug\ örc, ör haben
ihre nominativgestalt nach dem unter den ja-stämmen ausführ-
lich erörterten princip gebildet. Die verkürzte form aug tritt
bei Luther gegenüber der vollen form zurück, doch besteht
sie noch neben äuge bei Julius v. Braunschweig. Sonst ist die
volle form von Matth. v. Beheim bis Morliof 4G7 und Lehms 212
in allgemeiner geltung. Dagegen ist die form orc nur noch
bei Matth. v. Beheim üblich und ganz vereinzelt bei J Aither,
Marc. 14, 47. Julius v. Braunschw. Zesen 320. ^\'eise 101 kennen
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II. 375
nur den nom. acc. sing. olir. Sonderbar und nicht mit den
Schriftdenkmälern in einkkmg- erscheint ns. ohre bei Hempel.
Die änderuug der flexion dieser beiden Wörter ist dem
übergewicht des nom. acc. sing, gegenüber dem gen. dat. sing,
zuzuschreiben. Auf dem gebiet, das die end-e hielt, kam die
an die a-stämme angeglichene verkürzte form der starken
flexion des sing, noch entgegen. Ausschlaggebend aber war
die verkürzte form des nom. acc. sing, keineswegs für den
vocalischen sing.; denn herze wahrte trotz des bestehens einer
a-uebenform stets die ?z-declination des Singulars. Bei diesem
w-stamm niuss demnach den obliquen casus des sing, eine
stärkere kraft gegenüber dem nom. acc. sing, innewohnen.
äuge: ns. aug B. d. nat. 9, 24, gs. äugen ebda. 9, 26, ds. äugen ebda.
454, 27, gs. augs Schaidenr. 39. 40, ds. mig ebda. 39. 40, ds. mit dem schalJcsaug
Nass, H. 198, ds. aug Albert. 111. — ds. oug Stretl. ehr. 141, 16. 18, gs. augs
Pauli 1 m., ds. aug ebda. 3 m., ds. äuge Bouer, Oros. 56. — ds. ouge Asop
330 2 m., ds. augeti B. d. beisp. 168, 33. — ds. äuge Eyb 1 m., ds. aug Ayrer.
— äuge swn. Matth. v. Beb. zuweilen ds. äuge ebda. M. 7, 3. L. 6, 41, äuge
im sing, stark bei Luther nach Dietz und Hertel. — ds. äuge Jul. v. Braun-
schw. — Die dativfonn im angen Heribert von Salurn (1700) entbehrt also
der unmittelbaren historischeu unterläge.
ehr: schon im mhd. wird der sing, auch starkformig gebraucht; ds.
oren Myns. 23, ds. or Schaidenr. 77. — ds. or Pauli. Manuel. — ds. oren
Decam. 175, 13, ds. ore ebda. 343, 8. 20, ds. o/r» Mich. Beh., ds. attrÄ sop 256,
ds. oren B. d. beisp. 168, 33, ds. oJir Spreng, Aen. 209. 231. — ds. orn Eosenbl.,
ds. oren Folz, ds. ohr Ayrer. — ore swn. Matth. v. Beb., or sing, stark bei
Luther, ds. ore Rice, Buc. 80. — ds. ohr Jul. v. Braunschw. Der pl. von
äuge und ohr hat nirgends au die vocalische flexion seine alte n-form ver-
loren. ■ — Anderwärts nicht zu belegen ist ap. ohre Luther, Bibel v. 1543.
2. Mos. 21, 6 nach Kehrein 202.
Der übertritt zum starken sing, ist bereits vor beginn des
16. jh.'s auf dem ganzen gebiete erfolgt. Das Schicksal der
mhd. schwachen declination der neutra wäre damit erschöpfend
gekennzeichnet. Das neutrale ivange nach der w- declination
ist ebenso wie das masc. ivade vom pl. aus zum fem. über-
getreten. Das sächliche geschlecht von ivange ist noch bei
Matth. V. Beh. und Rothe 520 in geltung, wie das männliche
von wade bei dem viel späteren Joh. Spreng hey dem ivaden
II. 224. Die erörterung der feminina mrd ein genaueres ein-
gehen auf den wandel des geschlechts bringen; besondere be-
rücksichtigung kommt dabei dem durch die flexion verursachten
25*
37G MOLZ
weclisel zu, und auch inneiljalb dieser grenzen wird das ört-
liche vorkommen der nlid. form beachtet werden müssen.
Von den ^'«-Stämmen sind hctt, hcmd, ende, m\\öi.hdte,
hoiicdc, licmdc, ende in diese klasse eingetreten. Die form des
nominativs zeigt Verlust des e bei hett und ]iand\ doch ist
auch die vollere form Iwmdc nicht ungewöhnlich. Historisch
betrachtet bleibt die Ja -form des nom. hdtc, hemde von den
«-Stämmen bis ins 18. jh. fast unbeeinflusst; nom. acc. sing, bette
ist von Eothe bis Lehms allgemein, nom. acc. sing, hcnide findet
sich bei Eothe, Buchholz, AVeise, Reuter, Schelm. 4. 37 u. ö.,
Hempel. Die belege dazu habe ich s. 312 ff. aufgezeichnet. Die
form bett findet sich nach ausweis meiner citate neben der
alten form bette nur bei Luther und Jul. v. Braunschw.; hcmd
bei Luther (ap. hcmhd Serm. v. d. g. w. 77, 14), Jul. v. Braunschw.
und Weise. Wenn bett schliesslich doch sein end-e eingebüsst
hat, so teilt es dieses Schicksal mit allen andern ja-stämmen,
die einen unveränderlichen Stammauslaut haben; hemde musste
wie ende wegen der lautlichen analogie der obliquen casus
sein endungs-e wahren. Der abfall des c dieses letzteren ja-
stammes ist meines erachtens auf den umstand zurückzuführen,
dass alle mundarten einen r-pl. bilden. Für die ältere zeit
habe ich meist nur belege aus Oberdeutschland beibringen
können (vgl. s. 369). Die übrigen mundarten haben entweder
die r-form erst zu einer zeit gebildet, in der sich die Schrift-
sprache über dialektische einflüsse schon mehr erhoben hatte,
oder sie haben auch die n-fovm des pl. entwickelt, die für die
Schriftsprache massgebend wurde. Das ostmd. gebiet ist an
schwachen pluralen der neutra besonders beteiligt; bett bildet
auf jenem gebiet ausschliesslich den n-pl. und hcmd den n- und
r-plural (Friedrich s. 55 f.). Die verkürzte form hemd setzte
sich bei den Oberdeutschen auch nach der aufnähme der ost-
md. Schriftsprache fest, weil man lange an dem r-pl. haftete.
Greflinger hat as. hemde V. g. 131 und as. hembd W. 1. 32. Dr.
kr. 26; im Frz. Simpl. erscheint nur ns. hembd 50 u.s.w. Die
verkürzte form hemd beruht folglich einerseits auf dem in
Oberdeutschland eingewurzelten r-pl. des Wortes und anderer-
seits auf der späteren bildung des r-pl. in md. und nd. dialekten.
Die beiläufige erhaltung der vollen form hemde lässt die vor-
herschaft des ostmd. sprachtypus bei der gestaltuug der schritt-
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. IL 377
spräche erkennen. Von miterg-eordneter bedeutung für die
schriftsprachliche abstossmig des endungs-e erscheint mir die
tatsache, dass zuweilen die alte dreisilbige form erhalten und
lautgerecht der apokope erlegen ist: a.s. Jiemmat Rocker. 2, oOQ.
bett: auf obd. boden bleibt, abgesehen von dem zuweilen sieb ein-
mischenden r-pl., die a-pl.-form bett unangetastet, vgl. s. 369. Den an dieser
stelle bereits angeführten belegen seien noch hinzugefügt: ap. bette Urkb.
Fr. 1,5-1 (1368), gp. bett Pauli 2 m. — ap. bett Zimm. ehr. 522,31, np. beth
Federm. -10. — Auf rad. gebiet hält sich neben der nicht apokopierten form
des sing, die starke pluralform bis ins 18. Jh.: ap. bette Stade 96. 124, pl.
betie zu ns. bette Ritter. — ap. bette Rothe 336. Jul. v. Braunschw., ap. ehe-
bette Opitz, Kr. 22, pl. bette zu ns. bett Gottsched. Die bairischen dichter
Greflinger und Birk ahmen den ostmd. sprachusus nach und gebrauchen im
einklang damit nap. bette Greflinger, W. 1. 21. Birk 82.
Die n-form des plurals, die durch die volle singularform bette
unter dem einfluss der weiblichen n-, o-stämme veranlasst, wird zuerst aus-
schliesslich von Luther angewendet (Dietz 289) und erscheint neben pl.
beth, bethe bei Henisch342: weiche bethen helfen nich allzeit zum schlaf.
Vereinzelt ist der pl. betten (= beete) bei Greflinger, V. g. 168. Von den
älteren grammatikern fordert Hempel zu ns. bette den n-pl., der auch von
Aichinger und Braun neben dem e- und *--pl. anerkannt wird. Adelung
hat das nhd. paradigma.
Die nhd. Scheidung des Wortes in beet und bett bleibt der älteren
zeit unbekannt. Henisch 340 f. verzeichnet federbeth, gartenbeth, langlechte
krautbethe, das icol gegraben und gedingt laiid in better ausiheilen; ausserdem
im sinne von lecti pl. beth, bethe. Ferner seien erwähnt: etliche garten-
bette Zesen 493, np. bette Grefl., W. 1. 21, ap. kraiitbette, bette {= beete) ebda.,
V. g. 5. 7, dp. betten (= beeten) ebda. 31. Vereinzelt ist man sticht und
gräbt die betten nmb, man mistet die dürre fehler ebda. 168. Doch ist
in der von Birk sieben jähre später herausgegebenen gedichtsammlung
(1673) die trennung der worte durchgeführt: np. bette (^ lecti) 82; steeJc
blumen um das beet : geseet 134. — Die neue form beet ist eine Avillkür-
liche, eigens dem zwecke der differenzieruug dienende Schöpfung; indes
wurde ihre bildung durch das danebenstehende gebet mit langem stamm-
vocal erleichtert. Es sei schliesslich noch festgestellt, dass die ältere spräche
die pl. bette, better, betten nach ausweis meiner citate auch im sinne von
beete gebraucht hat. Das seltnere berufssprachliche beet folgt der a-decli-
nation, während bei bett der ji-plural siegreich gewesen ist.
hemd: für grössere teile des obd. gebietes sind aus meinen texten
ausser bei dem von den Ostmitteldeutschen beeinflussten Greflinger keine
alten plurale zu belegen. Der r-pl. herschte dort in der älteren zeit fast
allgemein. Doch hat der Ostfranke Wilwolt dp. hembden und Stieler 821
pl. hemde. In ostmd. denkmälern begegnet dp. hemden Rothe 292, ap. hembd
Luther, Serm. v. d. g. w. 77, 14, hemde Luther, Bibel v. 1545 Rieht. 14, 12. Jul.
V. Braunschw. gebraucht ap. hemde und hemden je einmal. Der pl. hemde
378 MOLZ
4ni. \vii<l noch von J. ririium neben dem r-\)\. Im. gebrancht. Steinbach
1,733 (1724) und Ilcnipel (1754) vermerken zu ns. hemde den x-pl., der
später auch von Adelung vorzeichnet Avird. "Wie bei lictt ist auch hier die
schwache form des pl. aus der vollen singularform abzuleiten.
ende: der alte starke plural bleibt bis ins 18. jh. erhalten: ... vnd
die pleiter des seihen kraidtes ... sol man Im also tcann pindcn an die
ende vnd an die örtt der ßiujel Mynsinger 50, np. ende Grefl., V. g. 9. 13.
187. — ap. die andren zicey cnd Haimk. 125,3, ir hür in vier end iheilcn
Boner, Oro8. 74, auch erschreckt er das Römisch reich hifs an seine alten
end vnd granitzcn ebda. 106, er solt ... die ort vnd end an dem Oceani-
schen meer heschirmen ebda. — ap. ende Decam. 6, G. 457, 37. Zimm. ehr.
279, 8. — pl. ende zu ns. cml Stieler. — die end der stücke Stade 122, pl.
end Schöpf, pl. ende Grimm. — an die ende des landes Kothe 264, pl. ende
zmv. end Luther nach Dietz 531, pl. ende zu ns. end Schottel, zwei entgegen-
gesetzte ende Herder.
Die nhd. flexion gibt zuerst Hempel an. Im 16. jh. liest mau bei
Alberus die sein reich ati sonderliche enden binden würden. Iml7. jh. ist
mir der >?-pl. nur bei Weise 178 begegnet : neun enden oder zweige. Zum
r-pl. vgl. s. 370. Ausser der formalen Verknüpfung mit den fem. n-, «-stammen
Avirkte auch die ausserordentlich häufige anwcudung des dat. pl. auf die
bildung des «-pl. fördernd ein. Der gen. pl. zeigt in adverbialer anwendung
unter dem einfluss des dat. pl. die n-gestalt: in die hallen stürzten Der
enden auch Saturnus sitzt Spreng, Aen. 204, St ig (Aiux) auf die hohe bänck
zu sehen Was diser enden tcolt geschehen ebda. 215, So du vor dieser
zeit doch nie Der enden bist gewesen hie ebda. 263, . .. War also dieser
enden Fast alles / städf und land / den schidden in den hätulen Grefl.,
Dr. kr. 51, aller enden, aller orten Birk 148.
gliedmass, mhd. lidemd^, lidemce^e stn. In zeitlicher reihenfolge
sind folgende formen zu belegen: ap. gledermafs Eothe 61, glcdemafscn
ebda. 186, nap. glidmafs Schaidenr. 31. 44. 77. 102, ap. gelidmassen Kantz.
281, pl. gliedmas und geliedmas zuw. gliedmasse Luther neben vereinzeltem
diese gliedmassen ebda. 2. Macc. 7, 11, naj). gliedmaa Mathes. 5 m., iig\>. glid-
mas Sachs 20, 485, 23. 486, 7*, ap. gliedmafs Wolf h. Spangenb. 2, 135*, ap.
gliedmafs Blanckenb. 30, gliedmas Hocker. 1, 191, ap. geliedmas Rice, P. G.
80. 90 2 m., n]^. gliedmas ebda. 151 und a]^. gliedmassen ebda. 122, ji\. glied-
massen Jul. V. Braunschw. Im 16. jh. überwiegen danach noch die «-formen.
Im 17. jh. lassen sich nur noch >i -pluralformen belegen: pl. gliedmassen
Henisch 261. Weckherlin 352, 16. Opitz, Arg. 161. Buchholz 79. 179. 241.
Kalloandro 1, 3. In altertümelnder weise gebraucht J. Grimm den pl. glied-
7nasse. — Der »-pl. verdankt seinen Ursprung der fast ausschliesslichen an-
wendung dieses numerus. Der sing, gliedmafs erscheint bei Buchholz 353.
Weise 129. Zu dem «-pl. wäre auch der zuweilen auftretende pl. armen zu
vergleichen.
Unbilden: zu dem sing, unhilde n. hat sich mit starker betonung
der pluralischen function der pl. die unbihlcn entwickelt. Der gs. unpilds
noch Schaidenr. 7; aus dem pl. hat sich die seltnere fem. singularform die
unbilde iu der Schriftsprache losgelöst.
NHD, SUBSTANTIVFLEXION. II. 379
kleinod: der pl. kleinode ist durch die form 7i;Zemo(^/en stark zurück-
gedrängt. Bei aufzählung der r-pluralformen habe ich für das obd. gebiet
die rt-formen mit angegeben ; vgl. s. 368 f. Hier ist mir noch der schrift-
sprachliche, ostmd. gebrauch festzustellen. Der «-pl. de/ not findet sich
Dalimil 100, 27 u. ö. Urkb. L. 447 (1495), gp. cleinoten ebda. 448. Noch bei
Buchholz lautet der pl. meist kleinod 138. 153. 154. 164. 447 u.s.w. ; np.
kJcinode ebda. 218, ap. Meiiioten ebda. 142 und pl. Ueiuoder ebda. 446. Das
endungs-e konnte lautgesetzlich dem werte nicht augehängt Averden, und
die analogische form widerstrebte augenfällig dem Verfasser; demselben
gründe ist es zuzuschreiben, dass Buchholz auch den pl. leiclmam ohne
flexivisches e bildet. Solcher Verlegenheit half die form kUinodien ab. —
Dieser »-pl. ist gelehrten Ursprungs und beruht auf einer gleichstellung
des wertes mit den lat. neutreu auf -tum wie principium, prmleghim. Der
Vorgang vollzieht sich bei Kantzow sichtbar vor uusem äugen. Kautzow
wendet meist den r-pl. kleinoter au; daneben aber bildet er den lat. plural
kleinodia 195 gerade wie ^■^. privihgia 213 und die n-form des plurals np.
clemodien ebda. 169 wie dp. privüecjien ebda. 214. Der neuen n-bildung
haftete der durch die lat. form aufgedrückte accent an, und die gleich-
massige Verteilung des tones machte die form dem gehör wolgefällig, und
gestützt durch die fremdwörter privilecjien, pvincipien u. a. verdrängte sie
allmählich fast gänzlich die ungefüge form kleinode. Der pl. kleinodien
begegnet im 16. jh. noch bei Albertinus (dp. 50) und bei Arndt n. Kehrein
178. Im 17. jh. finde ich, abgesehen von Buchholz, nur noch den nhd. «-pl.,
und zwar bei Spee (n. Kehrein 178). Duesius. Simplic. dp. 351 ; im 18. jh.
begegnet der pl. kleinodien Lehms 210, Nast neben pl. kleinode.^)
In diese klasse sind ferner eingetreten die fremd-
wörter princip, privüeg, Jcapital, matcrial, interesse, inseJct,
juivel, staket, Statut, individuum nnd das nur im pl. übliche
Utensilien. Die übrigen neutralen fremdwörter argiiment, Cle-
ment, fundament, instrument, metall, organ, patent, sacrament,
talent u. a. haben die a-declination angenommen. Nur regiment
und spital bilden einen r-plural.
Ueber die Verschiedenheit der flexion der fremdwörter
erhebt sich die frage, welche gründe massgebend gewesen
sind, das wort dem a-, n- oder r-plural zuzuführen. Der r-pl.
hat sich bei den am häufigsten gebrauchten und durchaus volks-
tümlichen Wörtern festgesetzt. Die übrigen mehr gelehrten
1) Im DWb. 1123 wird der pl. kleinodien zuerst im Simpl. von Grimmeis-
hausen belegt. Mein erster beleg bei Kantzow reicht also rund 150 jähre
weiter zurück, und die tatsache, dass der räumlich weit getrennte Baier
Albertinus auch im 16. jh. schon die «-form anwendet, deutet darauf hin,
dass die n-form kleinodien bereits im 16. jh. eine gewisse Verbreitung
gefunden.
380 MOLZ
Worte ^\llrilen meist der rt-declination zugewiesen; denn die
neutrale niisehklasse zählte zu wenig Vertreter, um eine über
die a-stämme obsiegende anzieliungskraft auszuüben. Für den
n-i>\. der neutralen fremdwürter sind besondere günstige Ver-
bindungen mit den fem. n-, a- stammen zur erklärung anzu-
ziehen. Die pl. princiinen, Privilegien, Jcapitalien, matcrialien,
Utensilien sind in ilirer form unmittelbar an die früher in die
spräche aufgenommenen fem. pl. historien, maierien, copicn
(Stretl. ehr. 138, 27), Jcastanien (Ej'b), Icomödien (Kyb), injiirien
(Kantzow 254), hcstien (Mathesius), ceremonicn (Mathesius) u. a.
angeglichen. Dabei gab die lat. form des plurals z. b. privileijia
durch das / vor der endung anlass zur vermittelung des weib-
lichen n-plurals. Es ist das ein neuer beweis, wie bedeutungs-
voll für die flexion die ähnlichkeit der bildungsweise der Wörter
ist (vgl. s. 299). An belegen steht mir nur zur Verfügung dp.
Privilegien Kantzow 214, np. kriegsmaterialien Simpl. 490. —
Interesse verdankt den «-pl. seiner auf e auslautenden siug.-
form: hohe sinfs oder interessen darauf schlagen Krafft 268.
Der bedeutungswandel des Wortes kommt für die flexion nicht
in betracht. — Jincel schwankt im genus zwischen masc. und
neutr. Auch eine fem. uebenform die juu-ele ist aus dem «-pl.
entsprungen. Der n-pl. ist aus dem fast ausschliesslichen ge-
brauch dieses numerus zu begreifen; ausserdem wirkten die
verwanten pl. perlen, schmuclisachen auf seine bildung fördernd
ein; ap. theuere juhelen Grefl., Dr. kr. 94*. — Die noch übrig
bleibenden fremdwörter insekt, stalcet, Statut, individmtm sind
in ihrer flexionsweise nicht minder von dem fem. abhängig.
Bei dem pl. inseiden schwebten die diese klasse bildenden tiere
wie hienen, fliegen, mücJcen, schnaken, spinnest, ivcspen u.a. vor;
pl. inscld Nast. — Der pl. Staketen scheint seiner häufigen
an Wendung die M-gestalt zu verdanken; doch könnte hier auch
an eine beeinflussung von den masc. pfoste{n), stcckc(n) gedacht
werden. Aus dem pl. hat sich die stakete entwickelt. Aus dem
16. jh. ist zu belegen : ns. stocket Stade 172, ap. stocketen ebda.
173. — Der pl. Statuten ist in den verwanten pl. Satzungen,
verordmingen, Vorschriften, regeln begründet: ap. Statut Stretl.
ehr. 181, 26, as. das Statut Kantz. 206, ap. siattuten Boner, Just.
10. 61. 95, gp. ordenlicher stattuten Krafft 66. — Der pl. in-
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. IL 381
äividuen ist ganz jungen Ursprungs und fusst auf den pl. hrea-
turcn, Personen-^ menschen.
Die ausbildung der schriftsprachliclien miscliformen Aväre
damit hinreichend gekennzeichnet; doch erscheint es mir an-
gezeigt, die Übergänge nochmals im zeitlichen Zusammenhang
mit der Verschiebung der masc. und fem. zu betrachten. Wäh-
rend die 5i- Stämme äuge, oJir schon mit beginn des 16. jh.'s
durchweg die «-flexion des sing, aufgegeben haben, dringt bei
den ja -Stämmen hett, ]iemd(e), ende die «-form erst im laufe
des 18. jh.'s in den pl. ein. Die masc. «-stamme pscdm, sclimerz,
Untertan, hauer, vetter u. a. bewegen sich viel langsamer zu
ihrer nhd. flexionsweise als äuge und oJir, während von den
starken Substantiven dorn, (strahl), stachel schon im 16. jh. der
«-plural üblich wird. Zur begründung dieser zeitlichen Ver-
schiedenheit in der Verschiebung der masc, und neutra lässt
sich folgendes beibringen: die schwachen neutra bildeten nur
eine kleine gruppe, die dem einfluss der a- und ja -stamme
leicht erlag, soweit die numeraltrennung dadurch unangetastet
blieb. Ausserdem aber spielte das übergewicht der nom. acc-
form eine wichtige rolle; her^ ist dem ausgleich nicht erlegen.
Die masc. «-stamme sind aber viel zahlreicher, und so gewinnt
die starke flexion nur langsam auch ausdehnung unter ihnen.
Die ja -Stämme bette, hemde, ende konnten eines pluralischen
kriteriums so lange entraten, als die j«-klasse nicht durch
weite ausdehnung der apokope dem gefühl für trennung der
numeri innerhalb der neutra eine unerschütterliche basis gab.
Erst im 18. jh. gelangen die mit ge- abgeleiteten ja -stamme
zu ihrer nhd. gestalt, und um dieselbe zeit dringt auch der
«-pl. bei den genannten einfachen j«-stämmen durch, die durch
ihre volle nom. acc.-form mit dem fem. in enger berührung
standen. Ausserdem aber bot für das neutr, auch jetzt die
längst durchgeführte mischdeclination von äuge und ohr eine
erleichterung zur festsetzung der «-form im plural. In die
mit ge- zusammengesetzten ja-stämme ist die weibliche plural-
endung -en nicht vorgedrungen. Wol haben einzelne denk-
mäler auch zuweilen diesen weiteren schritt getan; doch hat
in der Schriftsprache die geschlossenheit der r/e-ableitungen
diese ein Wirkung nicht geduldet. Bei den masc. gab es, ab-
gesehen von den ableitungen auf -en, -er, -el, keine gleichheit
382 MüLz
der form in siug. und iil. und so erklärt es sich, dass die pl.
dornen, stacheln, strahlen, (fesseln) im allgemeiuen zeitlich
früher fallen als die pl. betten, hemden, enden.
Der pl. yliedmassen Avird im 17. jh. herschend. Die fremd-
wörter nehmen z. t. mit ihrer aufnähme in die spräche auch
den auf rein associativen Vorgängen beruhenden w-pl. an. Unter
gelehrtem einfluss folgt vom IG. jh. an den lat. fremd Wörtern
mit -/c'M-plural auch Ideinod.
Vorübergehende berührung der neutra mit den
n-stämmen.
1) Vereinzelte n-fornaeii des Singulars.
Eine weitgehende berührung der neutra mit den «-stammen
im sing, verbot sich von selbst. Die wenigen mhd. neutralen
«-Stämme sind für die spätere flexion der übrigen neutra nie-
mals von bedeutung geworden. Im gegenteil, sie erlagen bis
auf den ds. herzen dem eintluss der starken flexion. Die ganze
richtung, nach der die Verschiebung der s^-steme neigt, wider-
strebte einer ausdehnung des schwachen Singulars. Es wird
so begreiflich, dass nur vereinzelte, aus besonderen anlassen
hervorgegangene »^-formen in nhd. Schriften erscheinen.
mal: aus dem dat.pl. mahn, der iu füguugeu wie zu tausend miden
Decam. 40, 22 in häufige anweuduug kommt, bat sich zunächst auch in dem
acc. pl. die «-form zuweilen eingestellt: erslugent zweihundert malen
tui^end lieiden Stretl. ehr. 144,13, er kam alle jär fier mallen :i(0 im
Haimk. 262, 22, ich sott hillich zechen mallen sterben, wann ich halt den
tod u-ol vcrschultcn ebda. 144,23, die uch so vyl mallen fmntlichen gc-
hetten hand ebda. 242,1, do ward im mer dann fier mallen ämmächtig
ebda. 110, 7; daneben drXi mal ebda. 148, 27. Dann gibt ganz der form des
dat. pl. entsprechend auch der dat. siug. der ?/-form eiulass: dann er hat
innen zumm dicJcern mallen zcider mich gchulffcn Haimk. l'iiS, 9-, daneben
zumm dickern mal ebda. 145,31. 192,17 und as. der uns so meng mal
verspottet hat ebda. 238,28. Bei dem Alemannen Hieronj-mus Boner tritt
zu dem correcten, fast adverbiell geAvordenen dp. zu mermaln Just. 93. 94
fast allgemein der dat. sing, in der ?i-gestalt: zum ersten malen Oros. 4,
zum siebenden malen ebda. 74 neben zum vierden mal ebda. 74, zum offtern
mal ebda. 88; ferner zum dritten maln Just. 33, zum offtern maln ebda. 37,
zum ziceitn maln ebda. 74 und auch acc. sing, auf difs maln ebda. 103. In
diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass die substantivischen nominal-
adverbien: formüllen Haimk. 16, 24, nach mallen ebda. 211,34 und damaln
Boner, Just. 94, abermaln ebda. 74, offtermaln ebda. 49 gleichfalls aus dem
NHD, SUBSTANTIVFLEXION. II. 383
dat. pl. im letzten gründe entsprungen zu denken sind, wenn auch die
«-form des dat. sing, vermittelnd eingewirkt hat.
häupt: sun fassen der morast und fewer see derhöllen Zum häupten
Christus selbst den letzten spruch zu feilen Opitz, Kr. 96. Das hestrehen,
an stelle des üblichen dat. pl. zun häupten einen logisch richtigeren sing,
einzusetzen, hat hier zur anomalie verhelfen. — Auf der andern seite kam
es auch vor, dass der coUective sing, in den präpositionaleu Wendungen zu
pferde, zu schiff aus dem selben bemühen nach logischer genauigkeit in
den plural umgebildet wurde: do qwomen ufs der stat sohin Mindert zu,
pherden Rothe 233, do nomen sie an sich zwe tusend zu pherden unde
fünf tu/send zn fufse ebda. 235, qwomen zu schiffen uff dem meere
ebda. 470 neben die zu pherde quomen mit grofser not ebda. 235.
recht: die redensarten: das ist rechtens, in aller form rechtens, den
iceg rechtens betreten u. a. sind reste von dem substantivischen adjectiv das
rechte, das in mhd. zeit sich in seiner bedeutuug mit dem stark flectierenden
recht deckte. Im laufe der nhd. zeit treten nur noch wenige spuren des
schwachen neutr. hervor: in dem cdten rechten Awgsb.S, 7, 1. 2, gs. des rechten
Pauli vereinzelt, eins stettlichen rechtens ursach mag wol stettliche
rechten aber nit natürliche abthun Murner, Adel t. u., so begaben sich
die hertzogen in Vorpommern ires rechten auch nicht Kantz. 114 iind ganz
in nhd. weise Schottel 1119 mit bestem schein rechtens unrecht haben.
g est ade: auf dem stadten des u-assers Boner, Just. 35, statt ... die
am mörgestatten gelegen ebda. 34 und vom gestaden Eouer, Oros. 6. Die
u-form beruht sichtlich auf einer mischung des schwachen masc. stade(n)
mit dem a-stamm gestat(d). Die umgekehrte beeinflussuug scheint ds. an
dem vischer Stade Eothe 644 erfahren zu haben.
2) Berührung mit den «-stammen im plural.
Ausser den schriftsprachliclien M-pluralformen sind nur von
einigen a- und ^a- stammen {tor] siüche, geschäfte) w-plurale
öfter gebildet worden. Auch manche fremdwörter nach der
a-declination neigen in älterer zeit leicht zu der w-form des
plurals. Ich erörtere der reihe nach die w-bildungen der a- und
ja- Stämme und schliesse die 5^-plurale der fremdwörter an.
Dann wird der einfluss der fem. w-plurale auf die neutrale
r-form besprochen, und den schluss bilden vorübergehende, aus
dem Zusammenhang geborene neutrale n-formen.
a) Die w-plurale der a- stamme.
land: sonder er verführete dieselbige landen / vnnd richtete die
Jugend ab sünd vnd laster Albert. 22. — ap. land ebda. 3, . . . darumhen er
dan, VHS dreyen in nott beizusprinyen von meinen herrn Ist vff' vnd an-
genommen vnd mit mir In dise landen zu raysen abgeförtiget ivorden
Krafft 113. Schottel gibt zu land die pl. länder, landen an. Für die ganz
384 MOLz
vereinzelten )i-fornien ist meines erachtens die ausseronleutlich häufige an-
wendung des dat. pl. von entscheidender bedcntnng gewesen.
pferd: a\\. pferrlen : irrnlen Grefi., Dr. kr. 101.
tor: a^.torcn Pauli vereinzelt. — np. die ihuren Zesen 351, \A. thure
ebda. 333 u. ö.; vgl. ferner np. thore Opitz, Kr. 26. Buchholz 404. — ap. an
die thoren der Städten Simpl. 315, np. thore ebda. 322 u. ü. — nap. thoren
Lehms 67. 543; auch a\). armen ebda. 675; zu thor fehlt bei Lehms die sonst
durchaus herschende a-form des plurals. — Der Übergang zur »-form ist
lediglich dem pl. iüren zu verdanken.
bollwerk, aussenwerk: np. hoUwercJcen Simpl. 322, nn^.hollwercke
ebda. 327. 341, ap. auf die schantzen und aiissenicercken ebda. 3G1; vgl.
dazu auch as. hollwercJce ebda. 441 und as. f euer wer cJce 452. — Die phirale
schantzen, festungen sind für die «-formen vorbildlich gewesen.
Ungemach: &t^. ungemachen Simpl. 3 nach den pl. leiden, schmerzen;
beirltb missen; vgl. s. 303.
ding: ganz vereinzelt ist ap. f?«/i^e« Hock 34 neben niuding ebda. 25;
der H-pl. ist offenbar nach dem pl. suchen gebildet.
wams: np. tvamsin Urkb. L. 435 (1484).
mittel: ap. schutz-mitUen Simpl. 429 und dp. mitteln ebda. 460, gp.
miitehi Abraham. — Die häufigkeit des plurals führte wol zur Überleitung
der n-form.
Schwache gen. -pluralformen sind in der älteren zeit für «-plural-
bildung nicht beweiskräftig. Auch ausserhalb des alem. gebiet^s ist der
gen. pl. öfter mit dem dat. pl. in ausgleich getreten, was mit dem unter-
gang des gen. in der mundart zusammenhängen wird. Auf ostrad. gebiet
findet sich z. b. bei Riccius: g^. regimenten G. 75, gp. </t/cre» ebda. 101, von
der menge der schiffreichen wasser, vnd tvassergrehen, teichen vnd schiff-
gestadcH ebda. 101, gp. der weinstöcken safft 131, gp. der ungestümen winden
ebda. 132, gp. der garten stocken ebda. 133. Im 17. jh. treten solche formen
zurück. Reste dieser schwachen gen.-form sind erhalten in den schrift-
sprachlichen adverbialen fügungen aller orten, aller enden und in aller dingen
Spreng, II. 279.
Bei dem pl. schroten Stieler 77 ist an das weibliche geschlecht des
Wortes anzuknüpfen: dei; die, das sehr ot, pl. sc/tro^e Stieler. Auch bei dem
pl. zelten Haimk. 32, 27. 92, 18 liegt der nom. sing, die zeit ebda. 33, 7, ds.
zeit fem. 96, 6. 102, 30 zu gründe,
b) Die n-plurale der Ja -stamme.
netz: zu dem nom. acc. sing, netze, der noch bei Weise und Lehms
anzutreffen ist, begegnet ein schwacher plural bei Fleming und Colerus;
das DWb. 7, 635 führt drei belege an.
öl: in niederdeutscher lautgestalt erscheint ap. die medicinalische ohlien
Grefl., V. g. 109.
stück: zu der vollen nom. acc.-form des siugulars gesellte sich ver-
einzelt früh die «-form des plurals: us. stucke Urkb. L. 315 (1464). — ap.
die stucken, die der furman geladen hat ebda. 312 (1464), ap. mancherlei
stucken ebda, 316 (1464). Die w-forraen sind nur ausnahmen; sonst np. stt(cke
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. 11. 385
ürkb. L. 91 (U23). 380 (1470). lu späterer zeit bleibt die n-form des pl.
mit ausnähme von einer bestimmten fügung ebenfalls durchaus sporadisch:
ap. etliche sülkken (= 'geschütze') Zesen 333 neben nap. stukke {= 'ge-
schütze') ebda. 3-48. 544, ap. schehnenstücken Reuter, Schelm. 10 zu as. stücke
ebda. 147, icJi habe auf das müdclien so grosse stücken gehalten Lessiug
1, 280 neben np. stücke ebda. 499, nap. stücken H. v. Kleist 5 m., die stücken
ins gesteht werfen ebda., ap. stücken Grimm, Sag. 2, 58. 89. Das obd. und
westmd. gebiet hat sich gegen die «-form ganz ablehnend verhalten. Die
apokope machte dort die ja-stämme mit den a-stämmen gleich, und die fem.
n-, a- Stämme gewannen auf diese vereinigte gruppe keinen einfluss. Ich
erwähne nur: np. stucke Mainz 1, 11, 14. 52, 12, ap. stucke Nürnb. 5, 743, 20,
stücke Stade 142 zu as. stücke ebda. 153, gap. stuckh Krafft 353. 387. 420,
np. stücke (= 'geschütze') Grefl., Dr. kr. 104*.
Eine besondere ausdehnuug hat die «-pluralform nur in den Verbin-
dungen in stücken reissen, in stücken springen, in stücken hauen
u. ä. genommen. In obd. Schriften der älteren zeit herscht an stelle der
fügung mit der präposition in durchaus die Verbindung mit zu: csestucken
ging Decam. 299, 7, ze stücken geschlagen ebda. 86, 7, zu stucken sprang
Füet. 11, zu stucken brach Füet. 134, raifs den zu stucken B. d. beisp. 131, 22,
ire sper zuo stucken sprutzend Haimk. 25G, 20, zxio stucken hoicn ebda. 9, 26,
zu stucken zerbrach ebda. 66, 12; aber und hüiv das in zwey stuck ebda. 18,2.
Ferner zu stücken brechen Eoseubl., zu stücken hauen, sprengen, reissen
Ayrer, zu stuckhen zerhauen Krafft 199. Auch der Eheiufrauke Burkhard
Waldis hat rifs zu stücken 283, 18*. Mit diesen fügungen fast identisch
ist die Verbindung von verben mit zu trümmern (vgl. s. 388). Auf md. ge-
biet tritt an stelle der wendung mit der präposition zu die Verbindung
mit in. Es erscheint dann oft die schwache pluralform, für deren eintreten
manche gründe geltend zu macheu sind. Der wichtigste aulass für die
«-form war das streben zum ausdruck der pluralischen function. Wie die
belege bei Weise und Lehms zeigen, kam die w-form nicht zum Vorschein,
wenn eine zahl den pl. schon kenntlich machte. Dann aber konnte auch
eine contamination mit den obd. formein den «-pl. in der Verbindung mit
in herbeiführen. Besonders wird das auf obd. boden bei der aufnähme der
ostmd. Schriftsprache zu erwarten sein, wo die ganze schriftliche tradition
nur die Verbindungen mit zu kannte; vgl. zerrifs sie in stucken das rote
buch Albert. 120, bifs er . . . conspirirte / vnd seinen bruder . . . vmbringen /
in 16 stücken zerhacken vnd die stück vnter seinen gesellen aufstheilen
liefs ebda. 24. — Für md. gebiet seien in zeitlicher reihe folgende belege
aufgeführt: der zerrissen war worden in stücke Eicc, P. G. 162, in stücken
reissen, zerhauen Jul. v. Brannschw. (der «-pl. ist nd.), diesen feind des
königs auff stücken reissen Opitz, Arg. 76, in stükke zerspränget Zesen
355, in stücken bifs Gryphius 55, 314, in stücken zerhacket iverden Buchholz
389, in stücken zersprengen ebda. 87, in stücken zerschnitten Weise 116,
in stücken zerschlagen ebda. 198, aber in zehen stücke brechen ebda. 14, in
tausend stücke zersprang ebda. 190, in stücken zu zerreissen Lehms 381,
aber in tausend stücke zertrümmern ebda. 274; ausserdem ap. stücke, gold-
stücke ebda. 101. 116. 553, in stücken springen, hauen Goethe, in stücken
386 MOLZ
reisscH, fliegen, hauen Schiller, haut aitch den satiel noch in stücken
Uiiland.
Älit dem Untergang der vollen singularfonn trat anch alhuiihlich die
ri-form des pl. wider ganz in ihre rechte. Das strehen nach numtMultrennung
fand an ihr genüge: eine durchhrechuug des Systems lag nicht mehr im
iuteresse der deutliehkeit. Zum ?--pl. vgl. s. 370.
Ganz vereinzelt sind die ?i-plurale bei den mit ge- zusammen-
gesetzten jrt-stämmen. Der r-pl. lag, wie wir gesehen haben, dieser
wortgruppe näher als die im neutr. nur schwach vertretene «-pluralbildung:
welcher frei/ und xingeziamgen seine suchen und geschefften verricht
Albert. 15G und gp. aller meiner geschefften ebda. 5, np. geschäften Parn.
boic. 2G.') — np. rye/«ft<e« Äsop 02 zu as.^fe?»/^^ neutr. ebda. 170: zu dieser
)i-form wäre ap. geschriften ebda. Gl zu gcschrift fem. 2 IG zu vergleichen.
— ap. gcdrencken Stade 178 neben ap. gedrencke ebda. 178 4ra. 188. —
Der np. gesichten die einem zu nacht in dem träum fürkommen Henisch
1561 beruht auf dem fem. die gesicht.
Die übrigen »-formen der ja-stärame sind nur im gen. pl. belegt, einer
form, die für die schwache bilduug des pl. nicht beweisend ist, wenn auch
in anderen klassen der gen. pl. mit dem dativ pl. in ausgleich getreten
ist. So begegnet gp. geschafften, haiisgeschäfften Schaidenr. 10 neben gp.
dingen 10, icülden, tvinden 25 u. a., alle haubter der hohen häuscr und ge-
schlechten Albert. 23 neben wie der guter wille ein vrsprung vnd an fang ist
aller guten gedancken, worten vnnd wercken ebda. 10 und gp. der könfftigen
dingen 1G6 u. a. Selbst bei Buchholz, dem die 7i-bilduiig im gen. pl. fremd
ist, möchte ich den gp. eurer geschafften 371 nicht für die »-bilduug des
pl. in an Spruch nehmen, weil sie sonst bei den ostmd. Schriftstellern nicht
vorkommt. — Im Frz. Simpl. (1682) ist die alem. tradition betreifs des'gen.
pl. noch gut gewahrt. Der gp. schelmenstucken 429 und der gp. xcegen
vieler haufsgeschäfften 36 tritt neben die gp. fällen 2, feinden 4, rorstätten,
hüfen und bäumen 506 u.s.w.; bemerkenswert ist aber, dass die masc.
suffixalen bildungen auf -er und die masc. und neutra mit r-pl. im gen. pl.
die reine a-form zeigen : g]^. kinder 10, lünder iOi, ungelder 109, häuser S9i,
reutter 435, ihrer kleider und schuhen 445, fmgcr 458, bürger 4G8. 472, gröber
473, xveiber idO, arter 522, männer bii; vereinzelt ist gi^. hundsfiüttcren (jO.
c) «-plurale der fremdwörter.
Von den fremdwörtern, die nach dem typus ding flectieren, haben nicht
wenige zuweilen die »-form im pl. aiigeiioinmen. Ich lasse die belege für
den «-pl. folgen und füge nach möglichkeit einige beispiele für das vor-
kommen der correcten funu aus Schriften desselben dialcktgebietes hinzu:
') Die n-bildung geschäften ist durchaus vereinzelt. Luther hat stets
den \^\. gesch€fft(e) und der obd. lexikograph Henisch 1530 gibt an: ehrliche
geschafft und handlungen, gemeine haufsgeschäfft. Das üWb. 3817 führt
drei belege für den Ji-plural au. Darunter ist da.>< citat ans Maaler sicher
unzutreffend: die »(-form des gen. pl. wird für die »-bilduug des pl. mit
unrecht als beweisend betrachtet.
NHD. SUBSTANTIVFLEXION. II. 387
np. cocof??77/e/i Veter b. 73, 22. 24. — ngi^.metallen'FvoschmAid. 124. — ap
ficnff taJenten Albert. 142, ap. eitele arrjumenten ebtla. 42, gp. argumenten
ebda. 163, ugap. sacramenten ebda. 99. 102. 103. 104; aber np. fundament
ebda. 191. Im übrigen ist auch in oberdeutschen Schriften des 15. und 16. jh.'s
die a-pl.-form dieser würter üblich: ap. sacrament Stretl. ehr. 75, 29, ngap.
sacrament Nass 271 u.s. w. ; ap. e?Zameni Haimk. 172, 17. Im nördlichen ge-
biet ist die o-form natürlich stets in geltung geblieben: ap. sacrament
Rotlie 260 und element Hocker. 2, 293. Im 17. jh. sind aus obd. Schriften
zu eitleren: gap. instrumenten Spreng, IL 23. 262. 264, np. mstrumenien,
elementen Weckherlin, np. instrumenten Krafft 332, ap. pattenten ebda. 69,
ap. elementen Kalloandro 1, 20, np. instrumenten Simpl. 316, aber dui'cJi die
Icrafj't der vier elemente Grefl., V. g. 83. Mitteldeutsche schriftsteiler wenden
die n-form nur vereinzelt an: np. die elementen Fleming nach Kehreiu 204,
gp. der elementen art Opitz, Kr. 41, pl. madrigalen Morhof 760. Aus dem
18. jh. kenne ich noch np. meublen Lehms 682, ])l. die niotiven'B..\. Kleist,
pl. die synonymen Herder 3 m., die synonyme ebda. 1 m., pl. die attribiiten,
Organen ebda.
An den »-bildungen sind besonders der Baier Albertinus und die
Schwaben Spreng, Weckherlin und Krafft beteiligt. Diese autoren huldigen
fast durchweg der traditionellen abstossuug der flexivischen e des substan-
sivs, und sie schreiben alle zu einer zeit, in der infolge der Verschmelzung
der fem. n-, a-stämme im pl. die eudung -en als numeruszeichen stark ins
bewusstsein fiel. Da e für jene Schriftsteller nicht als flexivisches zeichen
galt, und der r-pl. auf volkstümliche entwickelung beschränkt bleibt, musste
in dem bestreben, den pl. zu kennzeichnen, die wähl auf die schwache
jt-bildung fallen.
d) Pleonastischer w-plural der s- stamme.
Die r-pluralform hat, wie ich oben s. 352 gezeigt habe, manchmal in
anlehnung an die a-stämme ein überflüssiges flexivisches e angehängt. Aber
auch gegen eine beeinflussung des «-plurals, die besonders von den fem.
n-, a-stämmeu ausgierig, hat sich der r-pl. nicht ganz verschliessen können.
Wenn der jvj-pl. seltener in erscheinuug tritt als die durch analogisches
e erweiterte r-form, so ist diese tatsache in den flexivischen Verhältnissen
des uentr. begründet: die jn-stämme und die in ihrer biegung ans masc.
angeschlossenen a-stämme vereinten sich mit den masc. ableitungen auf
-er, um zuweilen plurale wie ki)idere, Jdeidere hervorzubringen; diese ana-
logie besass zum grösseren teil innerhalb des neutralen Systems ihre zeugende
kraft. Dagegen konnte eine «-form Meidern nur aus dem plural der fem.
n-, a-stämme abgeleitet werden; eine solche bilduug lag ausserhalb des
neutralen flexionssystems, und gegen ihre hervorbriugung stemmten sich
alle neutralen declinationsklassen mit ausnähme der schon in älterer zeit
gemischt flectierenden a^ige, ohr. /a-stämme kommen für die ältere zeit
zu gunsten des >i-pl. noch nicht in betracht, weil die gemischte flexions-
weise unter ihnen erst im 18. jh. platz griff. — Auch im mittelenglischen
haben im Süden die neutralen s-stämme unter dem einfluss des weiblichen
n-plurals, der den vocalischen und consonan tischen stammen gemein ist,
388 MOLZ
gewühnlich die durch n erweiterte pluralforni augeiiommeu: lonthreu, cahren,
children, eircn. Im weiteren verlauf der entwickelnng' hat sich mir children
behauptet, die übrigen büssten ihren alten echten pl. ein. Die geringe
Widerstandskraft der alten s-stämme gegen das eindringen des plnralisdien
II wird aus der kleinen zahl der r-plurale im mitteleuglischen erklärlich;
mit der ausbreitung des n auf den pl. der weiblichen vocalischen stamme
trat das bewusstsein einer besonderen neutralen ;--pluralliildnng mehr und
mehr in den hintcrgrund und wurde von der »-l)iUlung üljerwuchert. Im
nlid. hatte der neutrale r-pl. schon lange vor der durthfiihrung des gleichen
n-plurals für weibliche a- und »i-stämme eine so grosse und feste ausdehuung
gewonnen, dass die Wirkungssphäre des »-pl. nur äusserst selten auf den
r-jA. übergriff.
Aus der fiühnhd. zeit sind nur anzuführen: ap. 2>?e"er» Mynsinger 45,
ap. und der pur die andern dcüdern iifs geteie Tüuger 119. Nach Franke
s. 169 ist aus Luthers Schriften belegt: für die weibern 1542: eyn trost für
die tceibern, welchen es vngerat gegangen ist. Eiccius, P. G. 121 bietet noch:
da ivird . . . ein gesum umb jhre bienstöcke vnd bienJöchcrn j das ist innb
die löcher an den biensiöcJcen. Vielleicht schwebte bei der bildung des
)i-plurals bienlüchern die präpositiou an vor. — Diese citate sind natürlich
nur als ausnahmen in den bezeichneten Schriften aufzufassen.
Dann ist es später noch der pl. trü miner (zuweilen auch sehe it er),
der sich öfter in das gewaud des «-pl. gekleidet hat. Der pl. ist durch die
häufigkeit seiner anweudung und durch eine besondere bedeutungsentwicke-
lung von dem sing, losgelöst, ohne dass das gefühl für seine pluralische
function verloren gieug. Da die schwache endnng -cn als pluralzeichen
alle übrigen arten der pluralbilduug überwiegt und so gleichsam als normal-
euduug für die pluralform empfunden wird, konnte im pl. leicht ein pleo-
uastisches n angehängt werden, zumal durch das zurücktreten der singularen
form der pl. aus dem System der s-stämme ausschied, und eine hervorkehruug
der pluralischen function nur durch das u der fem. n-, a-stämme erfolgen
konnte. Ferner war es für die hervorbringung der «-form von wesentlicher
bedentung, dass der pl. häufig in den Verbindungen zu irümrner)! gehen,
zu trnmmcrn schlagen, (zu scheitern gehen) üblich ist. Au stelle der prä-
position Ä» mit dem dat. konnte in diesen fügungen auch /« mit dem acc.
treten, und dadurch wurde die form dem pl. stücken (vgl. s. 384 f.) sehr nahe
gebracht, und die Umbildung zum «-pl. fand an ihm eine stütze. Häufige
anwendung des pl., insbesondere des dat. pl., im verein mit der analogie
des pl. stücken sind demnach als die treibenden kräfte für den «-pl. trümvicrn
(scheitern) aufzufassen.
pl. trümmern Creuz (1750). Nicolai. Musäus. Goethe. Eückert nach
Sauders DWb. 2-, 1395, u-ir tragen die trümmern in nichts hinülnr Goethe,
Faust 1.
pl. die scheitern des Schiffes Klopstock, Werke 1, 273. Adelung meint,
dass für in scheuer besser scheitern gesagt würde. Der pl. die scheitern
(des schi/fcs) begegnet auch bei H. v. Kleist, Hermannsschi.
Aus dem pl. trümmern hat sich die singulare nebenform die trümmcr
entwickelt; es ist das derselbe Vorgang, der sich bei dem geschlechtswandel
NHD. SUBSTiNTIVFLEXION. II. 389
der masc. Substantive angel, fessel abgespielt hat (vgl. Beitr. 27, 323). Der
fem. sing, die trümmer findet sich zuerst bei Klops tock, Oden, Hamb. 1771
nach Weigand, zu meiner trümmer Herder, jede trümmer deutet auf ein
grab Goethe, Nat. tochter.
Auch der fem. sing, die scheiter ist aus dem pl. scheitern abzuleiten,
toir sagen die scheitern des Schiffes in der mehrheit, davon ist: die scheiter
die einheit Klopstock, Werke 1, 273, tveit hinab an dem brausenden gestade
lag's von der scheiter umher Klopstock, Oden nach Sanders. Der fem. sing.
scheiter ist ferner bei Stolberg, Voss, Rückert anzutreffen.
e) Neutrale »i-plurale, die aus momentaner formenübertragung
entsprungen.
Eine momentane formenübertragung liegt dann vor, wenn eine flexions-
form nach dem muster einer andern im gleichen casus und numerus vorüber-
gehend umgebildet wird. Solche fälle sind natürlich äusserst selten; denn
sie haben eine geringe festigkeit der einprägung der flexivischen Verhält-
nisse und eine gewisse raschheit der schriftlichen aufzeichnung zur Voraus-
setzung. Gewöhnlich erfolgt die formenübertragung aus der unmittelbaren
Umgebung (vgl. ns. Juden Beitr. 27, 236. 340). Am meisten tritt im nhd.
eine vorübergehende angleichung an den ri-pl. hervor, dessen weite geltung
als pluralzeichen eine aus dem Zusammenhang geborene plötzliche Umbildung
nach der »t-form begünstigt hat.
Folgende fälle sind mir begegnet:
1) Die w-form anstatt der a-form: beide die thronen und her-
schafften j und fürstenthumen und oberkeiten Hocker. 1, 63. — Ists aber
ein thier / tvas es denn für eines sey / Icatze oder hund j ochsen oder
Schafen ... Hocker. 2,192. — vnd ob es tvol vil rehen vnd hasen In
solchem schönen wähl soll abgeben Krafft 78. — um all dero w orten und
Silben zu wiederholen Simpl. 5.
2) Die «-form anstatt der r-form: A^. diesen ochsen und halben
Riccius, P. G. 164r, oder bringet vier schöne ochsen trefflich oder schön von
leibe und so viel kalben / oder / junge küe die da noch nit eingespannet
waren ebda. 165. — ... vertreibt die flecken und sommermahlen Grefl.,
V. g. 55, alle flecken und mahlen auf der haut ebda. 59 neben die flecken
und sommermähler ebda. 60.
Für die «-bilduugen kalben, rehen, schafen ist es auch noch von be-
deutung gewesen, dass im 15. und 16. jh. das gefühl für die schwache flexion
von bezeichnungen lebender wesen besonders rege war (vgl. Beitr. 27, 228.
325). Den dort angeführten citaten seien noch einige «-formen masculiner
a- Stämme hinzugetügt: ap. vögeln Myns. 19. — np. zwilingen Rothe 13
neben ap. zivilinge ebda. 40. — as. ein herolden Wilw. 163, np. die herolden
ebda. 157. — ds. seinem fendrichen Aventiu 2, 335, 12, ap. die ztven bastarden
ebda. 234, 15. — nap. herolden Kantzow 153, as. arzsten zu ns. artzte ebda.
203, np. Zobeln, mardern ebda. 224. — ds. diesem fuchsen Wolf h. Spangen-
berg 52 neben np. füchs ebda. 211. — ds. init diesem todten fuchsen Nass,
W. 183 neben dp. fuchsen ebda. 184. — np. kranchen Riccius, G. 25 neben
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. gg
390 MOLZ
np. krauche ebila. 02. 64. In der alteu «-Hexion ist noch erhalten as. wide-
hoffen ebda. 93. — as. scJnrar/ern Hock 45, ap. tachsen ebda. 81 neben ap.
lüchfs : füchfs ebda. — a.s. lesern K rafft 89. — die verächtlichkeit des dienern
Opitz, Arg. 100.
Die stärkste abweichung vom usus bedeutet unstreitig der pl. kalben ;
denn die übrigen »-formen sind nur aus a-stännnen entsprungen, die auch
abgesehen von den fällen momentaner Unregelmässigkeit vereinzelt einen
n-plural gebildet haben (s. oben s. 383 f.). An .stelle des pl. ynahlcn wäre die
r-pl.-form zu erwarten: indes ist dieser r-pl. nicht so sehr in dem gedächtuis
befestigt wie der pl. külber (s. oben s. 338f.), der schon in frühester zeit
bestanden hat.
INHALT.
Seite
Einleitung -''"<
Erweiterung der Untersuchung 277. — Titel der neu ge-
prüften texte 278. — Mhd. und nhd. declinationssysteme
der neutra 280
Starke declination 281
I. klasse: «-stamme 281
Annahme des flexivischeu e nach den einzelnen dialekt-
gebieten 282. — Hyperhochdeutsches e im üecamerun
286. — Zeitlicher abschluss der Verschiebung 288. —
Reste der flexionslosen form 289
Berührung mit den masc. t-stämmen 289
Untergang des stammauslautenden w der «'«-stamme . . 291
Die eutwickelnng von mhd. phtdwe, phidive 293
Der ?<-stamm vihe 294
Verallgemeinerung der verkürzten form des Stammes bei
rech, rehes stu., schuoch, schuohes stm., vluch, vlöhes
stm 294
Neutra mit -l, -r, w-suffix 295
Volle endungsformen mit Üexivischem e 296. — Lautlicher
Wechsel im paradigma von fiur nach eintreten der di-
phthongierung 296. — Mhd. leger durch lager ersetzt 297
Die Wörter auf -nis 299
IL klasse: ,/a-stämme 304
Ueberblick über das wortmaterial der einfachen und der mit
ga- gebildeten jia-stämme 304. — Ga-zusammensetzungen
NHD, SUBSTANTIVFLEXION. II. 391
Seite
. nach der a-decliuatiou 305. — Ihre berührung mit den
jo-stämmen 305. — Untersuchung über den verlust des
stammhaften e bei einem teil der ja-stämme 306. —
Darstellung der entwickelung an beispielen aus werken
mittel- und niederdeutscher Schriftsteller 312. — Folge-
rungen 320
III. klasse: Neutra mit r-plural 328
Ueberblick über die historische entwickelung der klasse seit
ältester zeit 328. — Gründe für dauernde festsetzung
und weitere ausbreitung des r-plurals der s-, a-stämme
. 325. — Gliederung- der klasse 327
I, gnippe: der r-pliiral der s-, a-stämme 327
1) Der schriftsprachliche r-plural mit belegen . 327
Neutra auf -tum 3i4. — Zeitlicher abschluss der Verschie-
bung 346. — Scheidung der pluralfonnen nach der be-
deutung 847. — Landschaftliche trenuung der plurale
schloss — scMösser nach der bedeutung 340. — lieber
ausbreitung des r-pl. in den einzelnen dialektgebieten
347. — Auslautendes r ist kein hindernis für r-plural-
bildung 348. — Auch ein mit dem r-pl. gleichlautendes
nomen actoris hält die r-bildung nicht hintan 349. —
Zur bewahrung der flexion der a-stämme 350
Einzelheiten 850
Erhaltung des «-pl. nach zahlen bei gleichzeitiger geltung
des r-pl. ausserhalb jener Verbindung 350. — Der dat.
pl. wahrt seine alte form teilweise noch eine zeitlang
nach dem eintreten der r-form 350. — Verlust der casus-
endung im dat. pl. 351. — Der r-pl. mit der pleonasti-
schen casusendung -e 352. — Volle endungsformen im
dat. pl. 353
Fremdwörter mit r-plural 854
Untergegangene Wörter mit r-plural 854
2) Der dialektische r-plural 855
Bedeutungsuuterschied zwischen pl. bein und heiner 855.
— Verteilung der dialektischen r-pl. auf dem sprach-
. gebiet 857
Nachtrag zu Beitr, 27, 242ff.: der r-pl. der masc. in
schriftsprachlicher und dialektischer anwendung 858
Vergleich der ergebnisse mit Friedi'ichs angaben 360
IL gruppe: der r-pl. der ^a- stamme mit einschluss
der mit ge- abgeleiteten a-stämme 361
1) Der schriftsprachliche r-plural 361
2) Der dialektische r-plural 368
26*
302 MOLZ, NHD. SUBSTANTIVFLEXION. 11.
Seite
Mischdeclination 372
Einteilung der mischklassen 372
1) Erste mischklasse 372
2) Zweite mischklasse 373
beet und bett 379. — Der pl. kleinodien 379. — n-\\. der
fremdwörter 379. — Ausbildung der niiscbformen in
zeitlichem zu.'^amraenhang mit der Verschiebung der
masculina und femiuiua 381
Vorübergehende berührung der neutra mit den
?i-stämmen 382
1) Vereinzelte 7e-formen des Singulars 382
2) Berührung mit den »«-stammen im plural 383
a) Die «-plurale der a-stämme 383. — b) Die «-plurale
der ja-stämme 384. — c) Die n-plurale der fremd-
wörter 386. — d) Pleonastischer «-'plural der
s-stämme 387. — e) ?i-plurale, die aus momentaner
formenübertragung entsprungen 389.
DARMSTADT, jauuar 1905. HEEMANN MOLZ.
AUSLAUTEND G IM OBERDEUTSCHEN.
Das wachsende mass unserer kenntnis lebender deutscher
mundarten zusammen mit der zunehmenden zahl brauchbarer
Urkundenausgaben gibt uns heute die möglichkeit, eine reihe
von gegenständen der deutschen Sprachgeschichte in zeitlicher
wie räumlicher beziehung beträchtlich genauer, zum teil auch
richtiger zu bestimmen, als dies bisher der fall war. Hierfür
glaube ich durch behandlung des auslautenden g eine probe
geben zu können. Ich muss mich dabei zunächst auf das
oberdeutsche beschränken. Gern hätte ich die übrigen deutschen
mundarten gleich einbeschlossen, auch die behandlung von
germ. h damit verbunden. Die Untersuchung wäre dadurch
nicht nur umfassender, sondern auch sicherer geworden. Ich
bin Jedoch zunächst ausser stände, meine weiteren Sammlungen
zum abschluss zu bringen.
Die zur erörterung stehenden fragen betreffen ausser dem
lautwerte auch die Schreibung des lautes und seine behand-
lung im reim. Berücksichtigung der Schreibung neben der
gesprochenen form liegt, seit man gelernt hat, beide grund-
sätzlich zu scheiden, so sehr in der natur der sache, dass sie
selten ganz unterbleibt, häufig aber kommt sie doch nicht zu
ihrem vollen recht. Diese einzeluntersuchung mit beiziehung
der Urkunden neben den literarischen denkmälern gibt gelegen-
heit, in weitgehendem masse orthographische fragen aufzu-
nehmen. Das reim verfahren verlangt hier ausdrückliche
erwägung, weil sich gegenüber der üblichen annähme, aus-
lautendes g ergebe im oberdeutschen der mhd. zeit als explosiv-
laut in der bindung mit germ. Tc nach nasal, liquida und in
der Verdoppelung reinen reim, das bedenken erhebt, dass h in
Übereinstimmung mit der heutigen mundart nach nasal und in
30t HOIINENMJERGER
verdopi>elung: auch in iiilid. zeit zum mindesten im grösseren
teil des obd. gebiets als affricata, nach licjuida aber als spirans
gesprochen wurde.
Die Schwierigkeiten der Untersuchung liegen einerseits
im Avechsel und der mehrdeutigkeit der Schreibung,
andererseits in der geringen zahl der in der heutigen
mundart nachgewiesenen reste des alten lautwertes.
Wie bei anderen lauten ist auch bei g in gruppen mit
Wechsel von auslaut- und inlautstellung die ersterer zukommende
ausspräche zumeist durch die inlautsform verdrängt worden.
In isolierten bildungen tritt aber -y nur selten auf. Ausserdem
lässt sich die auslautaussprache dann wol auch noch am ende
des ersten teils mancher composita und in namen, besonders
orts- und flurnamen, erwarten. Diese sind jedoch in dialekt-
dai'stellungen nur selten vermerkt.
Von vorliegenden Untersuchungen kommen haupt-
sächlich die Jellineks über germ. g in betracht. Ich ziehe
vor, erst meine Untersuchung durchzuführen und mich am
schluss mit Jellineks aufstellungeu auseinander zu setzen.
A) -{/ im bairischen.
Füi' das heutige bairische ist in seinem südlichen teile
die ausspräche des -g als affiicata verhältnismässig gut belegt.
Für Tirol findet sich bei Schatz, Mundart von Imst s. 103 oicöhx,
parh/inöd, parIc/moaUdr, parkyriytsr, loul/icculig, leulcylig, lovJc/iäd, orky-
u'öu, für Kärnten bei Lessiak, Mimdart von Pernegg, Beitr. 28, 38 n"«Ä/,
tohy, park/, rivk-/, ^Qtikx, Igvk/vÄdn, iuvkx, y^vky, Swnvky, rwkymatir,
IHrkyivery, u-öky, muky {slow., füg ' Südwind').
Vereinzeltes rx in niorx {>nayg, medulla) erklärt Schatz s. 104
durch ausgleichung. Dazu kann auch harx aus harg (schwein)
gehören, das man wol gewöhnlieh auf alid. haruh zurückführt.
Ob haruh nur eine orthographische nebenform von harg ist,
kann erst genauere Untersuchung des heutigen gebrauchs (be-
achte die deminutivbildungen mit beseitigung des gutturals)
lehren.
Wenn ältere darstellungen, die auch sonst für mund-
artliches lex entsprechend der schriftdeutschen Orthographie h
ohne allen zusatz setzen, auslautendes g als h bestimmen, so
AUSLAUTEND G IM OBERDEUTSCHEN. 395
meinen sie damit gewis in der mehrlieit wenigstens affricata,
da scliriftdeutsches Tz (= germ. h) im allgemeinen als affricata
gesprochen wird.
So für Tirol ohne nähere ortshestimmimg bei Schöpf, Tirol. Idiotikon:
'einige dialekte liehen auslautendes k, ch für </' (s. IGi) und die belege
'iveäk, dirik, gnüelc, förtik, sunntik, sitn)itach\ Aehnlich Deutsche mund-
arten 3, 109 mit Unterscheidung des altauslautendeu g von inlautendem gg.
Hintner, Beiträge zur tirolischen dialektforschung gibt fürs Defr egger tal
neben vorhersehendem g flachlingk, hüsik, teng'lzoik u. s. w. In Luserner
texten schreibt Bacher Ä; in taJv, dink (Zs. f. Volkskunde 10, 310. 11, 172).
Auch in flexiousfähigen "Wörtern muss also z. t. die auslautende lautforra
bewahrt sein. Sämnitliche genannte quellen schreiben zugleich k für
Schriftdeutsch k. Aus dem salzburgischen Ponggau wird wek = wem'c
angeführt (Mitteilungen der gesellsch. für Salzburger landeskunde 22, 188).
Für Kärnten bezeichnet Lexer die bewahrung der auslautenden form als
regel. Die nähere bestimmuug des von ihm gemeinten lautes bleibt aber
unsicher. Er sagt: 'auslautend wird g zu k, kriek, perk, ivek; ist aber der
endvocal abgefallen, so bleibt das g: aug, i taug' (Kämt. wb. s. xiv). Auch
er verwendet k für germ. und ahd. k und über die ausspräche des an-
lautenden k gibt er au: 'Zc anlautend mit scharf nachklingender aspiration
wie kh-. Lessiak bestimmt Beitr. 28, lü anlautendes it als aspirata, aber
k nach nasal und in Verdoppelung als affricata.
Wo affricatenausspraclie für auslautendes g gilt,
ist der laut mit germ. k nach nasal und in Verdoppe-
lung zusammengefallen. Die heutige ausdehnung dieser
ausspräche vermag ich nicht zu bestimmen. Die Vermutung
liegt nahe, sie werde dieselbe sein wie die von affricata für
germ. k Hat man auch grund, gegenüber solchen Vermutungen
in mundartgeographischen dingen recht vorsichtig zu sein, so
darf man doch eine nordbair. ausspräche des g als blosse
explosiva erwarten.
In den quellen der mhd. zeit tritt als regel das zeichen
ch auf, entsprechend ch für germ. h in Verdoppelung, nach
consonaut und im anlaut.
Die heutige ausspräche macht die deutung dieses ch < g
als affricata sicher. Auch zu ausgang der ahd. zeit bildet
ch schon die regel, zuvor wiegt c in begleitung von g vor.
Diese Orthographie teilen auch die quellen aus dem gebiete des
heutigen nordbair. wie z. b. solche aus den Donaustädten. Der
vermutete heutige unterschied der ausspräche findet also für
ahd. und mhd. zeit keine stütze im verfahren der quellen. Die
39ß nOHNENBERGER
affricatenansspraclie ergibt auch für die bindung mit nie und lik
völlig reinen reim. Dagegen macht die bindung mit rÄ-, ITx,
die den reim rkx, If^"/. ■ r'A, h ergäbe, grosse Schwierigkeit. Da
die heutigen belege mit rkx < rg stärker sind als die mit ^/
und man demnach nicht in letzteren die fortsetzung der mhd.
ausspräche sehen darf, ist zu bestimmen, welche rolle überhaupt
die reime ry : rJc spielen. Zugleich ist aber auch zu unter-
suchen, ob g nach liquida ganz wie g nach sonstigen lauten
geschrieben wird.
Die Schreibung trägt am meisten einheitlichen
Charakter im 12. jh. Urkunden und literarische denkmäler
haben da als regel gleicherweise eh. Ich stelle daher die
belege aus diesem jh. an die spitze.
a) 12. Jahrhundert. 1) Die Urkunden. Die Urkunden
der herzöge von Oesterreich und Steiermark, der erzbischöfe
von Salzburg, der bischöfe von Passau und Freising, im
Urkundenbuch des landes ob der Enns, den Fontes rerum
Austriacarum, dem Urkundenbuch des herzogtums Steiermark,
bei Hundt in den Münchner abhandlungen, liist. kl. 14, 2 weisen
im 12. jh. ch als regel auf. Daneben erscheint c in wechselnder
stärke, selten g. c tritt besonders zahlreich in den salz-
burgischen und steierischen Urkunden auf. Mit der behand-
lung von -g stimmt die von germ. Je im anlaut, nach conso-
nant und in gemination.
Bischöfe von Passau: 1110. 1111. 1113. 1122 ÜB. o. d. E. •) 2,
129. 130. 140. 1-43. 116 Pertinohsperch, Ibisiburch, Winedeberch, Äli-
hurch, Chelcbcrch, Eberisicanch, Sioniilbiirch, Ellenperch, Lufinhcrch, Pni-
ninch, Pillunc, Wartperch, Urlhcch, Ebilisperch, Hartwich. — 1125 Passau_:
ÜB. 0. d. E. 2, 164 f. Gertinc, Lozperch, Wartperch, Sicinburch, Crovchenberch
U.S.W., ebenso 1142 F.r. A.2)33, 5. 1144 F.r.A.21,1. 1175. 1177. 1188 F.
r. A. 33, 10. 11. 24. 25. — 1200 Passau: F. r. A.21,3 Altinhurch, Muchtinch,
Niwinburch, Äichpcrch. — Herzoge von Oesterreich: 1136 F. r. A. 11, 2
Ebenberch. — 1155 F. r. A. 33, 7 Eechberg. — 1161 F. r. A. 18, 5. liErpurch,
Jiehberch, Niumburch. — 1171 ÜB. o. d. E. 2, 346 Eranchenberch, Lozherc.
1177 F.r.A. 11,10 Smmvnbeni. — 1181 F. r. A. 18, 10 lanteidmch. — 1188,
31. mai Mauteru F.r.A. 11, 24 f. Wazzcrpurch, 2n(rc(jmvii(s de Xtirenbcrch,
Velburch, Kamsperch, Sunncnberch, Kclbcrberc, Rorwech, am selben tag und
ort "ÜB. 0. d. E. 2, 411 burcgravius de Nnrenberg, Eammesberg, Stinncnberg
V ÜB. 0. d. E. = Urkundenbuch des landes ob der Enns.
2) F. r. A. = Fontes rerum Austriacarum, Diplomata.
AUSLAUTEND G IM OBERDEUTSCHEN. 397
U.S.W. — Herzoge von Steiermark: ca. 1100 ÜB. o. d. E. 2, 123 -DwrmÄ:,
Gerunc (ca. 1110 kloster Garsten in Steiermark: ÜB. o. d. E. 2, 135 Pillunc,
WilUhahnispiircJi, Gerimch). — 1125 Steier: JJB. o.A. 'S. 2,161 Langwat,
Siver^enperch, Hünsperch, Sunnelpurch, PurcJistal, Wartenpurcli. — 1142
Lorch: ÜB. o. d. E. 2, 210 f. viele -c. — 1U5 Stm.U.i) 1,243 Chaffenherch,
Ortenburch. — 1116 Stang: Stm. U. 1, 253 Chapfemberch, Durinc, Hizlinc,
Starehemberc, Buscgmc. — 1147 Graz, Renn: Stm. U. 1, 266. 272. 275 Spille-
herch, Willeliälmespurch, Wolfchanc, if'Ivinc, Heimpitrch; Hartberc, Hagen-
bere; Harhvic, ScliirUnc, Wolfkang. — 1159 Göss: Stm. ü. 1, 383 Judenburdi,
Schirlincli, Wolfkang, WilMiahneshiirch, Ladeivich, Hartpercli, Harhcich
U.S.W. — Herzoge von Kärnten: 1103 Stm. U. 1,112 Huninpurcli,
Sconenperch. — 1114 Mainz Stm. ÜB. 1, 118 Salzpurhe, Judenhurlic. —
Erzbischöfe von Salzburg: 1128 Stm. ÜB. 1, 134 Amberc, Surberch,
Durinc, Tunsherc, HartwicJi. — 1135 Stm. U. 1, 160 Eichersperc, Vurinch.
— 1137 Frisacli: ÜB. o. d. E. 2, 179 f. BicJierisperch, Nüwinburch, Durindi,
Arizberch. — 1138 Reun: Stm. U. 1, 176. 177 Hunesberch, Sureberch, Eut-
kerspurch, Hartpercli, Gerhartesperch, Hartwich, WiäimicJi, Willihahnis-
burch, Gerxmch. — 1140 Frisach: Stm.U. 1,187. 197 Ludeioic, Gerunc,
Vunesberc, Scüzburch. — 1140 Reun: Stm. U. 1, 191 — 194 Hartpercli, Ebt-
kerspurch, GeratiespercJi, Hartwich, Willihalmisburch. — 1141 Erisach:
Stm. U. 1, 215 Hartberc, Ortenburc, Tunesberc, Eichenburch u. s. w. —
Bischöfe von Freising: 1151—1154 Hundt 85 Mosebiirch, Pazsberch.
— 1187 Hundt 101 Yrinspurch, Fertinch. — 1197 Hundt 105 Eamsperc,
Tegrimvahc, Velbtirch, Eamsperch, Eimsperch, Basperch. — 1200 Hundt
106 Iringesburch.
2) Die literarischen denkmäler. Auch hier herscht
ch stark vor. Aber fremde vorlagen und fremde Vorbilder
machen sich hier stärker geltend als bei den Urkunden, Dem-
nach ist die zahl der -c nicht gering. Unter den liturgischen
texten haben Münchner glaube und beichte nur eh. Aus-
gesprochen herscht ch in Benedictbeurer glaube und beichte iir.
Benedictb. gl. u. b. ii hat 1 ch, Benedict, gl. u. b. 1 1 ch, 1 c, 3 g,
Paternoster 6 ch, 1 c, 2 g, Siebenzahl 1 ch, 7 c, Wessobrunner
gl. u. b. II 2 ch, 1 Je, 2 g.
Münchner gl. u. b. vierzich, drizzich, geivaltech, khimich. — Bened. gl.
u. b. III kunftich, mag, tach, suntach, lanch, scMddich, durftich. — Bened.
gl. u. b. II tach. — Bened. gl. u. b. i ewich, vierzog (2), mag, tac. — Paternoster
duanch, dinch, mug, sälic, dinch, ophcrvriscinch, chunech, lang, sälich. —
Siebenzahl burch, gienc : fienc, taic, phluoc : genuoc, getwane, sibenzec. —
Wessobr. gl. u. b. ii kumfiich, loidersag, tach, schiddik, klag.
Die Breviarien aus St. Lambrecht (Zs. fda. 20, 129),
das Moralische fragment (Denkmäler deutscher spräche u.
^) Stm.U. = XJrkundeubuch des herzogtums Steiermark.
898 nOllNENlJERGER
lit., liff. V. MassDiann s.80), das Himmelreicli (Zs.fda.8,145), die
"Windberger psalmen (Bibl. d. ges. d. nat.-l. 10) haben regel-
mässig eh. Ebenso Heinrichs litanei in der Grazer hs. (Fund-
gruben 2, 216) gegen c der Strassburger hs. (entsprechend nch,
rch aus 7il; rJc gegen nc, rc).
Ueber die St. Lambrechter breviarien s. Schüubach a.a.O. s. 138.
— Moral, fr. zu begfinn mcuj, dann mach, dinch, vrumcJdichcn, srhuldich,
gttuch, iruch u.s. w. — Himmelrcicb nach Jellinek, Zs. fda. 30, 88 28 ch,
9 c, 1 ck (für die goniination). — Windbero^er ps. 493 ch, 16 c, If) y, 1 gh.
Die geminatiou von g wird 18 mal durch ck; 1 mal durch k, 1 mal durch gg
gegeben. — Heinrichs lit. uhaltich : gcwallich 21G, 9. 10, manichvalt
216,38, meg 217,19, hcrch, n-ech : stech 217,33. 34.
Unter den von Kraus herausgegebenen Kleinen gedichten
hat Adelbrehts Johannes als regel ch, der Baumgarten-
berger Johannes 1 ch, 1 g, der Veit 2 c, 1 g.
Adelbr. Job. iach 3. 27, enphienc : giench 45, siccich 96 u. s.w. gegen
net'cte 27. Die reime fach : geschach 27, sanch : dauc 115 beweisen nichts,
da die reime im allgemeinen unrein sind. — Baumg. Joh. fach 6, sag ich 42.
— A'^eit ehunic 26, manec 40, sag ich 36.
Ebenso tritt in den grossen sammelhss. aus Voran,
Millstädt, Wien ch auf, im einzelnen in sehr verschiedener
häufigkeit, zum teil abschnittweise mit c, selbst Ic wechselnd.
Die Vorauer hs. schreibt auch umgekehrt c für ch =- ahd. ////.
Nach AN'aag, Beitr. 11, 77 erscheint für g in der Kaiserchronik
und in den Büchern Mose c und ch gemischt, sonst wiegt ch
stark vor ausser im Gebet einer frau (c) und in der Summa
theol., im Salomo und Nebukadnezar {g). In der Genesis zählt
Jellinek (Beitr. 15, 272) 12 ch, 1 hc, 2 h gegen Ol c, im Exodus
30 ch. Vermengung von -g und ahd. hh zeigen auch das Lieben-
berger fragment (Wiener sitz.-ber. 6, 340) mit c und /.-, die Bene-
dictbeurer messgebräuche mit c für beide laute.
Die Laibacher glossen (Zs. fda. 35, 407) haben ch als regel
{hfifslach, wichhorn, gctroch). Dagegen haben die Predigten
von Proveis (Zs. fda. 33, 399) stets c. Im Melker Marienlied
ist c die regel gegen 14 ch. An der grenze des 11. und 12. jh.'s
hat die hs. des Meregarto durchweg g, das Klosterneuburger
predigtbruchstück (Zs. fda. 15, 439) mehrmals g, 2 mal c {tac
1,8, sundcc 2,56) und vereinzelt ch (manhc 2,17).
AUSLAUTEND G IM OBERDEUTSCHEN. 399
b) Auch im 13. Jahrhundert hersclit zunächst in Urkunden
wie literarischen denkmälern noch cli vor, dann erscheint aber
die bisherige inlautsform im auslaut.
1) Die Urkunden zeigen in den drei ersten vierteln
des 13. jh.'s wesentlich dieselbe Sachlage wie im 12. jh. Gegen
ende des 13. jh.'s treten zahlreiche -g auf. Im 14. jh. verliert
sich eil : g wird herschend, doch gegen ende des jh.'s z. t. wider
von cl', Icch durchsetzt.
Ausser dem ÜB. o. d. E. kommen hauptsächlich in betracht: Urkunden
zur geschichte von Oesterreich n.s. w. (F. r. A. 1), Urkunden des stifts Kloster-
neuburg (in Niederösterreich, F. r. A. 10. 28), des Cistercienserstifts Heiligen-
kreuz im Wiener walde (F. r. A. 11), der Benedictinerabtei unserer 1. frau
zu den Schotten in Wien (1158—1418, F. r. A. 18), Urkunden der Benedic-
tinerabtei zum hl. Lambert in Altenburg (N. -Oesterreich, 1144—1522, F. r.
A. 21), Codex dipl. Austriaco-Frisingensis (1070 — 1365, F. r. A. 31. 35), Ur-
kunden des Benedictinerstifts Seitenstetten (N.-Oesterreich, F. r. A. 33), des
Stifts Neustift in Tirol (F. r. A. 34), des stifts St. Paul in Kärnten (F. r.
A. 39), Urkunden in den Quellen und erörter. zur bayr. geschichte 5. 6,
Monumenta civitatis Monacensis in Mon. Boica 35, 2.
In den Urkunden des her zogt ums Oesterreich nimmt
g statt cli von 1280 an zu. Ende des 13. jh.'s erscheint cli
fast nur noch in purcli, per cli, -ich. In den Urkunden aus Salz-
burg, Steiermark, Kärnten lässt sich bis gegen 1300 cli als
regel ansehen, um 1300 treten viele g auf, aber auch noch
viele eil. Nachher nimmt g überhand. In Tirol wird in Neu-
stift von 1270 an neben cli auch vielfach g geschrieben, ch
verschv;indet im 14. jh. fast ganz. Meinlohs urbar von 1288
hat noch ch als regel, daneben h und g. Die b airischen
herzöge, die bischöf e von Regensburg schreiben von 1330
an fast ausschliesslich g. Gegen ende des 14. jh.'s erscheinen
auf bairischem boden auch zahlreiche ck, Icch.
Ans den ältesten im original erhaltenen deutschen Urkunden
entnehme ich folgende belege:
Wien: 1282 ÜB. o. d. E. 3, 345 f. Schounberch, bevelhung, Everding,
mag, mug, vurzog, bürg, vursoeh, taiding, geziwg, Merstvanc, Kalmberg,
alizech, Eretug. — Wien: 1288 ÜB. o. d. E. 4, 88 c/wm/'i/c/t, Eabensicach,
Meideburch, Schoivenberch, geziuch, dinch. — Wien: 1291 F. r. A. 1,244
chunftich, neunzich, Nuernberch, tach, ledich, iach, zicaintzich. — Tulln
(N.-Oest.): 1288. 1289 F. r. A. 1, 236. 240 Hertwekh, ewichleich, iach, ScJionne-
berch, icillichlekh, gezeug, fach. — Mureck (Steierm.): 1278 F. r. A.l, 192
Chratnechperch, SunnbercJi, Hoiich. — Wildon (Steierm.): 1278 F. r. A.
1, 193 chriecch, Preymarspurch, berihtung, Chranchperch, mag, dinch, ledich,
400 nOHNENBERGER
perchrecht, fxanfzich, restennng, geziug, lach, gesandt. — Saldenhofen
(Steierra.): 1288 F. r. A. 1,239 virzich, Emberberrh, Marclipurch, Meren-
berch. — Klageufurt, hz. v. Kärnten: 1283 F. r. A.1,2. 2U. 215 chiimf-
tich, Seburch, chriccJi, drcizich, Ihnrncrbunh, Ihrlwich, Hyvielbcnh, Wtd-
finch. — Eegensburg, graf v. Murach und hz. v. Baiern: 1273 Q. z. bayr.
gesch. 5, 103 burch, Tnihemliug, Nirmhurch, tac, burchmaHn, Ludwich,
herzog, ledicJi, Hyrzperch, herzog, drizzec, chlag, Leulcenberg, urliug, tei-
ding, geziug, Dormbcrch, Itcgcnspurch, Haue, Ilohemcanc, Farsperch,
Lechsperch, Lichtenbcrch, genug, taiding, sibenzch. — Hz. v. Baiern: 1285
Q. z. bayr. gesch. 5, 153 Ltidwich, taeidinch, Sigcnburch, achzich. — Der name
des kaisers Ludwig wird in den MB. 35, 2 gedruckten Urkunden zunächst
in der regel Ludowich, von 1330 an (no. 56) Ludoioig (vereinzelt Ludoweich
1347, no. 72) geschrieben.
2) Die literarischen denkmäler des 13. jli.'s, soweit
sie nicht fremden vorlagen folgen, haben wie die urknnden
zunächst als regel ch, daneben nicht selten g, das gegen ende
des jh.'s zunimmt, aber zugleich, wie in den vorausgehenden
Jahrhunderten, eine reihe c. Im 14 jh. tritt ch wie in den Ur-
kunden allmählich zurück, (j Avii'd zur regel, aber die entwick-
lung vollzieht sich etwas langsamer als in den Urkunden.
Daneben stehen auch noch zahlreiche c, Je und nicht ganz
Avenige ck
Als probe aus dem Übergang vom 13. zum 14. jh. kann das Meraner
fragra. von Fleiers Garel (lig. von Zingerle, AVSB. 50, 449) mit herschen-
dem ch und wenigen g, und das in Docens Miscellaueen 2, 160 gedruckte
stück von Enikels Chronik mit mischung von ch und g und einzelnen ck
dienen. — Unter den Nibeluugenhss. verfahren ABC verschieden. Nach
der probe bei Laistner und von der Hagens druck hat B am meisten ch.
Nach seinem gruudsatz 'der gleichen Schreibung derselben würter' kann
zwar von der Hagen etwaige g auch entfernt haben, da er aber formen mit
auslautendem g als abgekürzte behandelt (sJug' 761, sig' 870, trüg' 842, em-
pfieng' 108^3), so wird sein druck zur hauptsache den stand der hs. geben.
A hat neben herschendem ch nicht wenige c und g, auch k (kunik mehrfach
in der Klage) und ck. In C ist nach Lassbergs abdruck ch stark mit c
durchsetzt, besonders häufig erscheint kunic, zugleich mit k = anlautendem
germ. k statt bairisch ch, mehrfach auch die mischformen chuiiic (103 [Zäh-
lung nach A]. 110. 1069. 1076 U.S.W.) und kunich (986. 1050. 1084 u.s.w.).
Wie in der Orthographie mit dem aus gang des 13. jh.'s
die auslautsform von der inlautsform allgemein verdrängt
wird, so Avird in der ausspräche ein entsprechender Vorgang
in dieser zeit anzunehmen sein. Es liegt kein grund vor, das
verfahren der Schreibung im ganzen anders denn als dar-
stellung des Verfahrens der ausspräche zu deuten. Bleibt im
AUSLAUTEND G IM OBERDEUTSCH-Elj. 401
allgemeinen die Schreibung in der entwickluug gerne etwas
hinter der ausspräche zurück, so mag auch hier die Über-
tragung in der ausspräche noch etwas früher begonnen haben.
Der abstand wird aber kein grosser sein. Da die neuerung
für den Schreiber viel bequemer war, wird die Orthographie
rasch gefolgt sein. Und es spricht umgekehrt das verfahren
der heutigen mundart und wie sich nachher zeigen wird auch
die reimbind ung gegen ein überwiegen der neuerung in der
ausspräche. Da sich auch in flectierenden Wörtern reste der
auslautsform bis heute erhalten haben, kann diese nicht allzu
rasch geschwunden sein. Eine genauere bestimmung des masses
und im Zusammenhang damit auch der zeit ist erst möglich,
wenn die erhaltenen reste der auslautsform genauer gesammelt
sind. Dann wird sich auch zeigen, ob etwa für teile der
mundart noch ein zweites, späteres auslautsgesetz, das neuen
wie alten auslaut trifft, anzuerkennen ist.
c) Vor dem 12. Jahrhundert zeigt die Schreibung weniger
klarheit und ausgesprochenen Charakter. Die kleinere zahl
der denkmäler, insbesondere der im original oder in gleich-
zeitiger abschrift vorliegender Urkunden gibt an sich schon
ein weniger deutliches bild. Aber man findet auch weitgehende
Schwankung und dazu noch discrepanz zwischen den Urkunden
und den literarischen denkmälern.
1) Die Urkunden. Die Urkunden des ll.jh.'s aus Salz-
burg und Steiermark, die von 1050 an wider in grösserer
zahl auftreten, haben in der regel -eh. Ebenso ist in Passau
im 11. jh. eil zu belegen. Im 10. jh. ist aus Salzburg und
Steiermark von 925 auf 935 cli als regel zu erweisen, aus
Monsee in der ersten hälfte des 10. jh.'s. In den Freisinger
Urkunden bei Meichelbeck setzt ch bei abt Lantbert 938—957
ein. Zuvor und im 9. jh. haben die Urkunden bei Meichelbeck
regelmässig c. Die ausgesprochene Verschiedenheit in der be-
handlung macht herkunft der Schreibung aus den Original-
urkunden wahrscheinlich. Cozroh (A. Wagner, Deutsche namen
der ältesten Freis. Urkunden, 1876) hat neben einer menge c
nur 3 dl. Auch Passau hat in der ersten hälfte des 9. jh.'s
regelmässig c, in der zweiten dagegen mehrere ch. Im Salz-
burger Verbrüderungsbuch haben die bände des 9. jh.'s in der
402 BOHNENBERGEll
re^el c, aber daneben ancli eine reihe von cli, lic, die des 8. jli.'s
neben regelmässigem c nnr wenige eh. Die Freisinger Ur-
kunden aus dem 8. jh. bei Cozroli haben durcliweg c.
U. Jh.: EB. V. Salzburg für Giirk: 1042 (Stm.UB. 1, 59 or) Terampcrch
(nach Gurker cop.-bucli bei A. Eichhorn, Beiträge z. gesch. v. Kärnten 1, 176
Sahbiirch, Adalpurch, 'Terampcrch). — Salzburger traditionscodices
des ll.jh.'s (Salzb. ÜB. 1) cod. Tietmari (1025—41): Wörslac {2i2), Geruuc,
Hartwic (214), Hartwic (218), Hartwich, Strallinespcrch (219), Chrizinas-
perc (226); — cod. Balduini 1041—60 llsunc, Tietwich (237), Hartwic (239).
— Trad. v. St. Peter: meist ch, Hartwich, WilUpirch (270) u.s. w. — Hz. v.
Kärnten für Salzburg, ca. 1066 (cop. ll.jh. Stm. U. 1,77): Leuipirc, Pri-
marespurch, Dietenpurch, Fiscofftspcrch, Arnoltesperch. — B. v. Passau
1071 (or., ÜB. 0. d. E. 2, 96): Sunilhurch, Ebilsperch, Haertwich. — B. v.
Freising, c. 1030 (cop. 11. jh., F. r. A. 31, 68 und Stm. U. 1, 37): Hartwich,
Gerwic, Sahsonaganc, Hartwic, Geruich, Huc, Eantwic, Sigipurach, Pillunc.
10. Jh.: Salzburg: cod. Odalberti, 923-935 hergestellt, or. (Salzb.
ÜB. 1) Urliukh, Ilpiinch (67), Noting (69), Wehinch, Diiltinch (70), Ellan-
purg (71), Hartwich (71), Hartxvich, Husinch, Foumpttrch, Lantpurch, Weli-
sink, Salzpurg (76), HitiUnperk (77), Hitilinperch, Ellanpnirg, Totlink (78),
Wclisinch (79) u.s.w. — Mousee: cod. trad. mon. Lunaelac. aus der ersten
hälfte des lO.jh.'s (ÜB. o. d. E. 1) meist c, einzelne k und ch, so Pohperk
(30), Salcpurhgaui (24), Peganespiirch (69). — Freising: Urkunden aus
den traditionscodices bei K. Meichelbeck, Hist. Frisingensis 1, 2. Bis abt
"Wolfram 926 — 938 regel c, einige g, vereinzelte ch (899 Irmeburch, il/o»«-
burch^], uo. 907), von abt Lantbert 938—957 an ch in grösserer zahl, bald
vorhersehend; so Her ipurch (no. 1036), Folcpurch, Diotpirich, EUinpurch
(no. 1054) u. s. w.
9. und 8. Jh.: Salzburg: im Verbrüderungsbuch von St. Peter (MG.,
Necrol. 2, 1 ed. Herzberg) schreibt die urhaud v.j. 784 nach Herzbergs aus-
scheiduug in der regel c, einige male /.-, nie ch, h, die zusätze aus dem 9. jh.
haben mehrfach ch, hc, h. Schatz, Zs. fda. 43, 33 weist die ersten ch in den
aufang des 9.jh.'s und gibt belege. Karajan hatte für seine band a, von
780—810, mehrere ch ausgeschieden. — Pas sau: MB. 28, 3; altensbestim-
muug der copien Arch. f. öst. gesch.-qu. 11, 91. Die in abschriften aus der
ersten hälfte des 9.jh.'s vorliegenden Urkunden aus der zweiten hälfte des
8. und dem anfang des 9.jh.'s haben vorwiegend c, nur 1 ch, Agilperech
774—804 (no. 10), die abschriften aus der zweiten hälfte des 9.jh.'s haben
gleichviel c und k wie ch und h: Hliiclowich 788 — 804 (27), Cozrinh 788—
791 (59), Amahinch 789 (56), Salzjmrch 801 (49. 51), Wa>ii)urch 818 (35),
Waninh 820 (42). — Frei sing: Urkunden für Fr. aus dem 8.jh. in be-
trächtlicher anzahl in den traditionscodices, auszüge aus annähernd 90 ur-
') Inzwischen in Quellen und erürter. z. bayr. gesch. n. f. 4, 774 von
Bitterauf aus anderer hs. Irmburc, Mosapurg. Die neue ausgäbe reicht erst
bis 926.
AUSLAUTEND Gr IM OBERDEUTSCHEN. 403
kuuden des 8. jh.'s in Cozrohs Renner (824—848 geschrieben), zur baupt-
sacbe in der Schreibung der original ien. Cozrohs auszug geht bis zum jähr
814, die namen daraus sind bei A. Wagner gedruckt. Hier im 8. jh. nur -c,
mit beginn des 9. jh.'s daneben einige ch: Eeganespiiruch 802 (92), Alaioich
805 (108), Ospuruch 806 (110).
2) Die literarisclien deiikmäler. Die wenig zahl-
reichen denkmäler des 11. und 10. jh.'s') weisen nur ganz ver-
einzelt ch auf, die regel ist g und c. Im 11. jh. haben Wesso-
b runner gl. u. b. i als regel c, zu beginn 2 g, Otlohlc,
Geistliche ratschlage lg.
Wessobr. gl. u. b. i fierczig MST). 90, 17, ahcig 21, cJiumfticSl, gnaclic
76, sclmUic 79. 89. 121. 139. 149, heilic 101, dinc, tinc 102 {heilictuom 101,
manicf allen 146, sümichheiti 122 neben vielen -icheite). — Otloh: dinc MSD.
83,61. — Geistl. ratschl.: kedulUg MSD. 85, 10. 27.
Im 10. jh. schreiben Ps. 138 ch, der Priestereid A g und k,
B g und ch, Emmer. gebet B g, die Vorauer beichte MSD.
12c 1 g und 1 c, während dieselben denkmäler des 10. und 11. jh.'s
germ. k nach consonant u.s.w. in der regel mit ch oder kh
schreiben.
Ps. 188: uiiech, mach : tacli. — Priestereid (nach Massmann, Ab-
schwör. 70. 71) A (9. 10. jh.): kahorig enti Jcahengig enti statik; B (10. jh.)
kahorich enti kahengig enti statig. — E mm. geb. B: jyigihtig, notag, umiotag.
— Vorauer beichte: ahnahtig, tac.
Die glossen des 10. jh.'s schreiben meist c, wenige k und g,
ch ist der mehrheit fremd, nur in einzelnen Sammlungen erscheint
es häufiger. Zahlreiche ch finden sich in den grossen Samm-
lungen der Wiener hs. 2723 (aus Monsee) und 2732 (aus Salz-
burg, Ahd. gll., Verzeichnis der liss. no. 620. 621). Nach Jelliuek
(Beitr. 15, 278) verfährt letztere hs. wie erstere. In dieser zählt
er 74 ch, 2 h gegen 30 c, 5 g. Weiter hat Jellinek aus glossen
des 11. jh.'s festgestellt: für die Münchner hs. Clm. 18140 (aus
Tegernsee) 112 ch, 1 h gegen 74 c, 1 A-, 4 ^; Clm. 19440 (aus
Tegernsee) 113 ch, 1 h gegen 33 c, 2 k, i g; Clm. 14689 (aus
St. Emmeram) dagegen nur 12 ch, 2 hc, 4 h gegen 33 c, Ik, S g.
Ebenso haben die denkmäler des 9. jh.'s für g in der regel
c oder auch k, einigemal g, selten ch.
Exhortatio: 2 g, 1 c bez. k (mag 12, mac 13 A, mak B, schtädtg 17).
— Freisingerpaternoster: Ic {princ 31 neben Ucmiscün 19 und uyisic A
^) Das folgende z. t. nach L. Wüllner, Hrabanisches glossar 1882.
40 1 BOnNENBKKGEIi
[unsih B] 32 mit c = abd. hh-CJc). — Carmen ad dcum: 2 c (rant-
bouc 13, jnac 21). — Eram. geb. A: 2 c, 1 k (pigihtik, nütac, nnnötac). —
Die Monseer fragiuente (vi^l. G. A. Honch, Tbe Monsee fragments, 1890)
und der Pariser Isidor (vgl. die grammutiscbe darstellung von Heucb in
dessen ausgäbe QF. 72 und Kauftinann, Germ. 37, 255 ff.) uebmen wegen der
einwirkung ibrer rbeiufränk. vorläge eine besondere Stellung ein. Doeb ist
bei beiden wie in rein bair. denkmäleru -c die rcgcl, daneben in den Mon-
seer fragm. nacb Ilencb (s. 119) 2 ch {einich 5,9, uuirdich 2,2}, im I'ariser
Isidor (QF. 72, 88) 5 ch (einich 33, 7—9). — Aus der fremden vorläge wird
aucb das 1 y (jiereg 2) neben 1 c {heilac 8) im poetiseben teil des Wesso-
brunner gebets stammen, der prosaiscbe bat 2 c (manac 10, ö>-c 15). —
Muspilli bat 8 c (tac 1, mac 6. 23. 57, laue 23, paJnuic 26, Ihuninc 31,
kreftic 40), 5 k (kinnok 17, (link 26, mnk 57, mak 76. 90), 1 ch (miarch 39),
3 hc (mdhc 39, enihc 52, inehc 60) und 1 g (ding 10). — Petrus scbreibt
tnac (2), 7nach (5).
Die Freisinger Otfrid-lis. (884—906 geschrieben) setzt
nach Kelle, Otfr. 2, 518 liänfiger c als g, noch hänfiger ch gegen
regelmässiges y der "Wiener und Heidelberger hs.
Die glossen des 9. jh.'s zeigen als regel c, einige Je und g,
■wenige ch. Die Hrabanischen glossen haben neben regel-
mässigem c nach Wüllner in der hs. a 2 mal g, kein ch ; ß hat
ebenfalls kein ch, y und ö haben je 1 ch in gratach (/) Gloss.
1, 191, 28, pihuctkh {6) 1, 247, 16. Sonst das seltene ch z. b. in
den Freisinger glossen (München, Clra. 6325), untarganch Gl.
2, 345, 38.
Urkunden und literarische denkmäler stimmen darin über-
ein, dass der Schreibung ch eine Schreibung c') als regel-
mässige vorangeht. Wenn dabei die ablüsimg des letzteren
Zeichens durch ersteres im allgemeinen in den literarischen
denkmälern später erfolgt als in den Urkunden, so wird
sich darin wie nachher bei der ablösung von ch durch g ein
conservativeres verfahren der literarischen denkmäler zeigen,
die sich länger und enger an ältere vorlagen anschlössen als
die Urkunden. Ob ähnliches auch an den schriftzügen beob-
achtet werden kann? Aus orthographischen gründen lässt sich
der Übergang nicht herleiten, es muss ihm daher ein Wechsel
in der ausspräche zu gründe liegen. Die ältere lautform
kann nur explosiv a fortis gewesen sein, von der inlauts-
form, für welche die Schreibung mit g die regel bildet, zum
1) Zu c sind hier aucb die wenigen alten k zu recbuen. Im übrigen
vgl. über k Kauffmann, Germ. 37, 243 ff.
AUSLAUTEND G IM OBERDEUTSCHEN. 405
mindesten dnrcli grössere stärke unterschieden. Nimmt man
fortis aspirata an, so erklärt sich leicht gelegentliche Verwechs-
lung mit auslautender affricata und daraus hervorgehende
Schreibung mit ch, auch h. Die zeit der entwicklung zur
affricata lässt sich niclit mit völliger genauigkeit bestimmen.
Aus der Schreibung mit ch ist die affricatenaussprache erst
da mit Sicherheit zu erschliessen, wo erstere in grösserer zahl
auftritt. Vereinzelte cli dürfen nicht als erste spuren des
neuen lautes in anspruch genommen werden, da sich dafür
auch andere erklärungen bieten. Dazu kommt, dass sich der
Übergang durch stark aspirierten explosivlaut hindurch all-
mählich vollzogen haben kann. Als ungefähre zeit des wechseis
nehme ich den Übergang vom 9. zum 10. jh. an. In der 884—
906 geschriebenen Freisinger Otfrid-hs. überwiegen schon die cli.
Es ist also hier in literarischer zeit eine der zweiten laut-
Verschiebung entsprechende weitere Verschiebung erfolgt. Oert-
liche bestimmungen sind bei der beschaffenheit unserer quellen
ganz ausgeschlossen. Für die vereinzelten ch der älteren
zeit bieten sich mehrere erklärungen. Sie können sowol auf
Verwechslung beruhende darstellungen der blossen
explosiva bilden, als durch Übertragung des alten
wechseis von ch vor palatalen vocalen mit c (s. Kauff-
mann a.a. o.) in den auslaut gekommen sein. Auch musste
der Wechsel von c mit ch für affriciert gesprochenes germ. h
zu gelegentlicher Verwendung von ch an stelle von c, wie
später umgekehrt zur Verwendung von c an stelle von ch für
auslautend germ. g führen. Erstere erklärung gilt zugleich
für die wenigen h. Einzeldeutung ist nur bei ausdehnung
der Untersuchung auf die behandlung sämmtlicher gutturale
in den einzelnen quellen möglich. Die nicht zahlreichen g
der alten zeit stammen aus dem inlaut. Ihre Verwendung
konnte zunehmen, als man anlautendes c durch g ersetzte.
Mit dem angenommenen lautwert stimmt die behandlung
des g in den reimen der bairischen dichter z. t. ohne weiteres
überein. Ausser mit sich selbst wird g mit h in den gruppen
nli, kJc, rlc, Ih sowie mit fremdem li, ganz vereinzelt mit germ.
h oder mit hh < germ. h gebunden. Da nun h in den gruppen
nie, lik, wie wir heute wissen, im bairischen als affricata zu
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. 27
406 ROHNENRERGER
bestimmen ist, ergibt dessen binduno- mit affricata für aus-
lautendes g, wie schon gesagt, völlig reinen reim. Auch
fremdes Ä- ist zweifellos im anschluss an die behandlung des
einheimischen lautes als affricata gesprochen worden. Ist also
der lautwert dieser reime anders zu bestimmen als früher ge-
schehen, so verbleiben sie doch rein. Dagegen ergeben sich,
wie ebenfalls oben schon bemerkt, Schwierigkeiten für die
bindung von r/y, lg mit rl; 11c, sofern hier die reime r/./, //.•/ :
r/, 1/ vorzuliegen scheinen. Ich stelle zunächst das verfahren
der dichter fest.
Heinrich v. Melk: bindungen mit ?7.-, kk: Todes geb.: starch : charch
405, mach {(j) : smacli {klc) 551, mit ch nacb vocal gemach : mach ig) 905.
— Priesterleb.: sac{kk) : mac(g) 733. — An eg enge: ng : »k oft, z. b.
gedanc : gesanc 1, 27, gedanc : gctwanc 3, 31, verdaue : siva)ic 5), 25, aber
auch g : h: lac : ersach 25,42, icäch(g) : sach 24,46, vgl. QF. 44,8. —
Servatius (Zs. fda. 5): nk, kk, rk: danc : ranc 1107, iwanc : danc 2349,
iranc : twanc 2983, danc : gcdranc 3125, smac : lac 1875. 2221, harc : ^arc
1603. 2359. — Wernhers Marienlieder (hg. v. Feifalik): gedanch : sanch
47, iak: smakbd, lauk : gcdank löll, trank (k) : sjjrank 22SI, icark {k?,eiter)
: verbark 4367. — Konrad v. Fussesbrimu: »g : nk oft: gedanc : lanc
69, getraue : umheganc 579 u.s. w. ; g : kk: erschrac : tac 1501: rg : rk? :
Stare : tcarc(g) 2989 (hs. C aber kare : wäre). — Konrad v. Heimes-
furt, Ursteude: danc : tivauc 126,54; Von unser frauen hinfahrt : Abacu« :
fltic 307. — "Wolfram: viele g : kk, nk, rk, s. A. Schulzs reimregister.
— Heinrich v. d. Türlin, Krone: nk, kk, rk: ranc : traue 457, ranc :
lanc 948 u.s.w., heicac : krac{kk) 1232, sviac : tac 1510, Arlac : pflac
2074, bare : starc 1291. — l'lrich v. d. Tiirlin: nk, kk, rk: anevanc :
gedanc 1,1, gedanc : betieanc 131,11, erschrak : ^vak 84,23, erschrach :
tach ig) 138, 23, gezok : tribok 84, 3, mark : chark 33, 25, 3Iorark : enbark{g)
36,19. — PI ei er, Garel: nk, rk: lanc : danc 257, burcperc : werc 779:
Tandareis: nk: ranc : kranc 118. — Mai und Beaflor: nk, rk: danc :
ranc 24,25, starc : karc 24,29, aber auch g : h: sack : jijlach 51,9. —
Meier Helmbrecht: kk, nk, Ik, rk: nac : lac 179, sac : lac 1853, tcec :
ßcc 1889, marschalc : balc 1539, trinc : urspriuc 893, icerc : Ifaldenberc 191.
— Enikel: Ä7.-, nk, rk (z. b. Weltchr. 1347. 2083. 2221. 2259. 2561. 2621;
Fürstenb. 1337. 1341. 1357. 2197). — Herrand v. Wildonie (hg. von
K\unmer): nk, kk, rk (1,227. 3,167. 2,93. 3,203. 4,9). — Für das Nibe-
lungenlied hat Pressel g : nk oft (616. 874. 1767. 1772 u.s.w.), g : rk
2 mal (geticerc : werc 469, verbarc : starc 1080), kein g : kk (aber auch
kein kk : kk). Statt des von Weinhold, Mhd. gr. § 234 citierten berc : verch
(2147) steht vielmehr verch : werc, also reim rh : rk wie mehrfach in Nib.
— Klage B: ug : nk 1105. 3311. 3805 (mehrfach ;7.-, Ik : rh, Ih). —
Gudrun bei nur ca. 1600 haupttouigeu reimpaaren und sehr eiufürmigen
reimen einige g : nk in gruppen (375. 377. 398. 504. 1292. 1358. 1409),
ebenso gruppenweise // : rk (1130. 1135), weder g : kk, noch kk : kk, aber
AUSLAUTEND G IM OBERDEUTSCHEN. 407
i (j : ch: tac : sprach 1166 (schon von MüUenhoff bemerkt). — Biterolf:
nk, rk (431. 1179. 1180; 4055). — Laurin: kk, nk (111. 123. 143. 908; 55.
367. 417). — Alpharts tod: nk (119. 232. 321). — Dietrichs flucht:
nk, rk (191. 1525. 1783). — Rabenschlacht: nk, rk (449. 586; 611. 650.
744. 822), 1 mal auch fj : rh (lialsperc : rerch 810). — Rosengarten A:
nk, rk (114. 201). — Wolfdietrich B: nk (104. 202). — Ernst B: kk, nk
(717. 1267. 1285. 1293). — Walther: kk, nk, rk: erscJirac : lac Pauls ausg.
57, 34, pflac : erschrac 71, 64, gedanc : lanc 4, 11, getane : danc 6, 42. 7, 11,
kranc : zanc 8,5, tverc : gehverc 76, 15. — Neid hart: kk, nk: pflac :
schavernak 54, 10, tac : nac 61, 10, pflac : nac 68, 30, getroc : loc {kk) 101, 39,
danc : sanc 11,19, sanc : tranc 41,39, lanc : gedanc 45,31. — Burggraf
V. Lüenz: kk: erschrak : tak 7. — Rubin: nk: sank : dank, dank : twank.
- Warnung: kk, nk, rk (351; 174. 247. 271. 275; 631. 813). — Ulrich
von Lichtenstein: /.7t-, nk, rk (Bechsteins ausg. 125; 47. 69. 104; 190.
196). — Lohengrin: kk, nk, rk erst an später stelle des gedieh ts und von
da an zahlreich {lanc : schranc 238, sivanc : hlanc 239, Baspenberc : werc
250, danc : spranc 252, erschrac : pflac 282 u.s. w.). — Konrad v. Haslau
(Zs. fda. 8, 550) : rk: karc : eine marc 927. — Seifrid Helbling: kk, nk,
rk (Seemüllers ausg. 1,51. 5,17; 6,185. 13,41. 123; 5,21. 35. 13,189). —
Ottokars Chronik 1—2000: kk, rk (605. 1071; 323. 1339. 1947). — Suchen-
wirt: kk, nk, rk anfangs häufig, später seltener, besonders nk (41. 895.
927) selten. — Vintler: kein kk, nk, rk, obvrol g : h : d und f: ch : ng oft
gebunden mit n {ring : freimdin 885, sinn : jm^ig 6630, zimg : prunn 7626)
und m {ziing : stumm 8818, snm : partierung 9340 u.s. w., auch hetrüehung :
darumh 9874. 10023. 10047 kann als reim ng : m gelten). — Osvs^ald v.
Wolkenstein: mehrfach nk, kk. — Puter ich, Ehrenbrief (Duellius, Exe.
265): rk: Grafenhergh : werckh 103) und als Verlegenheitsreim g : ch: Puech :
genueg 92. 93. 97. — Frankfurter, Pf. v. Kaienberg: nk, rk (451;
1415. 2145).
Diese liste zeigt zunächst deutlich, dass man die auslauts-
form noch bis ins 15. jh. hinein im reim verwendete, also weit
über den beginn des Übergreifens der inlautsform hinaus.
Unter den angeführten dichtem lässt nur Vintler die benutzung
der inlautsform erkennen. Die bindungen des g mit nh, Ick
laufen überall durch, aber auch die mit k nach liquida. Wenn
letztere in der zahl merklich zurückstehen, in kürzeren dich-
tungen auch ganz fehlen, so erldärt sich dies aus der geringeren
zahl der zur Verfügung stehenden reimwörter. Aus dem gleichen
grund ist auch die bindung mit kk nicht so zahlreich wie die
mit nk. Alle anderweitigen bindungen mit g sind vereinzelt.
Insbesondere ist auch die bindung mit rh vereinzelt und nicht
häufiger als die mit h, ch nach vocal. Doch darf man anderer-
seits aus diesem verhalten auch nicht schliessen, dass die bin-
dung rg : rh mit absieht mehr gemieden worden sei als die
27*
408 BOHNENHERGER
rg : rJc. Für rg : rh })ietpn sich ganz wenig reimwörter, rh wie
/// ersclieiiit überhaupt selten im reim. Auch die zahl der
unter Voraussetzung- spirantischer ausspräche des 1: nach liiiuida
völlig reinen reime rl-, Ik : rh, Jh ist gering (s. schon Paul,
Beitr. 6j 557), und würde noch viel geringer sein, wenn nicht
das eine paar marh : starc einen bequemen reim bieten würde.
Die vereinzelte Stellung dieser bindung erklärt es zugleich
auch, dass man immer noch ein mhd. marc mitführt, obwol
dessen entwicklung aus ahd. marh völlig unverständlich ist
(s. auch Paul a. a. o. s. 559). Die Schwierigkeit in der bindung
lg, rg : Jh, rlc bleibt bei diesem verfahren bestehen. Gegen den
versuch für g nach liquida spirantische ausspräche anzunehmen,
spricht, wie oben gesagt, das bisher bekannte verfahren der
mundarten allzu nachdrücklich. Dass sich neben mari < marg
und etwa hierhergehörigen hari < harg noch weitere beispiele
mit rx in merklicher zahl finden werden, so dass dann diese
als regelmässige, herlr/^ u.s.w. als umgebildete formen anzusetzen
wären, lässt sich nicht erwarten. Andererseits will sich auch
keine handhabe bieten, für Ik, rh die aussitrache //.'x, rh/^ an-
zunehmen. Für die grosse mehrheit der in der bindung ;/.■ : rg
auftretenden formen ist die zurückführung auf rlik, das zu rl^
würde, ausgeschlossen. Auch Jellineks versuch, bair. //, ry als
aus liquida -|- hilfsvocal + k entstanden zu erklären und als
Vertreter von liquida + h affricata anzunehmen (Zs. fda. 36, 29),
geht nach unserer heutigen kenntnis der mundart nicht mehr
an. Noch bliebe die Vermutung, es habe die spirantische aus-
spräche ursprünglich nur im inlaut gegolten, im auslaut affri-
cata, und erst durch Verdrängung der auslautsform sei die
spirantische ausspräche allgemein geworden. Darüber müsste
eine der entwicklung von A- gewidmete untersiu-hung endgiltigen
bescheid geben. Inzwischen scheint mir die Schreibung der
quellen diese annähme auszuschliessen. Auch würde sie in
Wirklichkeit für das reimverfahren wenig gewinn bringen.
Denn wenn für rg : rk dadurch reiner reim gewonnen würde,
so ergäbe dafür die freilich weniger häufige bindung rk : rh
unreinen reim. So ist man zunächst gezwungen, auf bair.
boden auch bei den sonst rein reimenden dichtem der
guten mhd. zeit die bindung rg : rk als bei mundartgemässer
ausspräche unreinen reim rk-/ : r/, aufzufassen. Immerhin
AUSLAUTEND G IM OBERDEUTSCHEN. 409
bleibt die Unreinheit eine geringe , da sich der explosivlaut
zwischen den dauerlauten liquida und spirans wenig- bemerklich
macht. Nachher wird sich aber beim alem. eine stärkere ab-
weichung- ergeben, die sich nur aus fremdem vorbild erklären
lässt. So bleibt auch für die bair. dichtungen die möglichkeit,
statt unreinem reim auf grund bairischer ausspräche vielmehr
reinen reim mit fremder ausspräche anzunehmen. Die ver-
einzelten bin düngen des g mit h und ch nach vocal ver-
danken ihren Ursprung jedenfalls nicht der mundart. Erklärung
aus spirantischer ausspräche des g nach vocal, wie sie Paul,
Beitr. 1, 152 versuchen konnte, ist heute ausgeschlossen. Wo
nicht textentstellung vorliegt und wo dem dichter nicht eine ge-
legentliche assonanz zugetraut werden kann, müsseii die bin-
duugen auf nachahmung fremdmundartlicher reime beruhen.
B) -g im alemannischen.
Beträchtlich weniger durchsichtig liegen die Verhältnisse
auf alem. bodeu. Die Orthographie weist Aveniger einheitlichen
Charakter auf, die zurechtlegung der reime macht mehr
Schwierigkeiten, die feststellung der reste von auslautendem g
in der heutigen mundart gelingt weniger leicht.
In der heutigen mundart fehlt die Übereinstimmung
mit nh und M und diese weisen ihrerseits vielfältige formen
auf. Auf die ausspräche des h nach nasal, liquida und in
Verdoppelung als explosiva im norden folgt bekanntlich für
nk und /d- in einem südlicheren teil ('südalemannisch') aus-
spräche als affricata, für nh aber weiter im äussersten Süden
auch noch ausspräche als blosse spirans. rh und Ih werden im
ganzen süden zu ri und ?/• Dem gegenüber lässt sich für die
reste des auslautenden -g nur einfache explosiva sicher
nachweisen. Affricata fehlt ganz. Für spirans liegen
einige nicht genügend gesicherte angaben aus dem süden
vor. Die bestimmung des lautwertes wird einerseits durch
die geringe zahl der erhaltenen reste, andererseits durch die
complicierten consonantenverhältnisse des heutigen südaleman-
nischen sehr erschwert. Vielfach scheint das adv. wec den
einzigen rest erhaltener auslautsform darzustellen. Die ver-
einzelte form des Wortes hat widerholt veranlasst, dass man
dieselbe aus emphatischem accent zu erklären suchte. Da sie
410 BOHNENBERGER
sicli jcdocli in die lieliandhing des auslautenden g im alem.
oline weiteres einfügt und in anderen niundarten zweifellos
ganz wie solches behandelt wird, ist von dieser Sondererklärung
abzusehen.
Im nord alemannischen, das auch germ. /.• nach nasal
U.S.W, nicht über explosiva fortis hinausverschoben hat, ist die
ansetzung von explosiva für -(j ohne weiteres gesichert. Im
äussersten norden ist -g lieute stets lenis, auch im adv. ivec,
wie dort auch unverschobenes Ti in allen Stellungen ausser im
anlaut vor vocal von lenis nicht unterscheidbar ist. Ehemalige
Unterscheidung des auslautenden (j von inlautender lenis und
damit ehemalige fortisaussprache ergibt sich aber daraus, dass
in ivcc und gleichbehandelten wortformen dehnung des vocals
unterblieben ist, die in den flectierten formen eintrat. Dieser
quantitätsunterschied kann nach der gesammtlage des dehnungs-
verfahrens in diesen mundartteilen nicht wol aus dem unter-
schied von Schlusssilbe und innerer silbe erklärt ^^•erden, son-
dern ist hier auf die stärke der folgenden consonanz zurück-
zuführen. So hat man dort in allen formen mit erhaltenem
kurzem tonvocal alte fortis für -g zu erschliessen.
In Eeutlingeu kennt Ph. Wagner (Lautbestand des schwäbischen in
der nia. von R., progr. 1889.1891) nur ichj (s. 54). Für Bod eishausen
(zwischen Tübingen und Hechingen) nennt A. Eberhardt (Alemannia 29, 253)
noch schlag (käfig mit falltüre), douh9schhtg (taubenschlagj und hüseschlag
(hosenlatz). Für Münsingen nimmt Bopp (Vocalismus d. schwäb. in der
ma. von M., diss. 1890) schon fortis an {trcJc s.20). Nach n erscheint ex-
plosiva gegenüber w für inlautendes ng in houl; houg, so im württem-
bergischen Oberscliwaben, im bair. Schwaben (Bayr. ma. 1, 44) und allent-
halben nordalem. gelegentlich in flurnamen mit juvg-, Javg- als bestimmungs-
wort. Vereinzelt steht Kauffmann, der, unaspirierte explosiva fortis von
aspirierter unterscheidend, letztere (Schwab, nia. s. 202) für alt- wie neu-
auslauteudes g annimmt, dabei aber das hauptexempel tccc gar nicht auf-
führt. In Schwenningen, am obersten Neckar, wo die vocaldehnuugs-
gesetze schon keinen rückschluss auf die ehemaligen consonantenvcrhältnisse
mehr gestatten, Avird nach K. Haag (Mundarten des obcrn Neckar-Donau-
landes, progr. 1898) neuerlich in auslaut getretenes g als lenis gesprochen,
altauslautendes g bezeichnet Haag als fortis /.- in oic'ck (s. 15), zwcrk (s. 19,
anlehnung an xv'erkl). Aus dem Schwarzwald oder westlich desselben
wird alt- wie neuauslautend /.• augegeben für Forbach (Heilig, Alem. 24,
17 ff.), /.• für Ottenheim (am Eheiu bei Lahr) in Uik, hulik (Ileimburger,
(Beitr. 13, 230), aspiriertes /.• als allgemeine ausspräche für g, auch wo es
erst neuerlich in auslaut zu stehen kam und dehnung eines vorausgehenden
AUSLAUTEND G IM OBERDEUTSCHEN. 411
kurzen vocals zuliess, für das 12 km uördlich davon gelegene 0 her schöpf -
heim (Schwend, Zs. f. hd. maa. 1, 3iO). Linksrheinisch hat das Zorntal
auslautende unaspirierte explosiva gegenüber vocalisierung des inlautenden
(j in einer reihe von Wörtern (H. Lienhart, Ma. des mittleren Zorntales,
diss. 1891, s. 20), Colmar den gleichen laut im adverbium ivec, den adjec-
tiven auf -ec und sonstigen Wörtern, in denen i oder n vorhergeht (V. Henry,
Dial. al. de Colmar, 1900, s. 53). — Aus Vorarlberg, wo vor auslautender
lenis, darunter auch jungauslautendem g, gedehnt ist (so Idäg : Idäg^, säg :
sägd, s. Y. Perattoner, Vocalismus einiger maa. V.'s, 1883, s. 10) kenne ich
3?fe// mit stark aspierierter fortis.
Im südalemaunischen gebiet, also bei eutwicklung von
JcJc und nJc zu kx und JcnAj, von IJc, rk und anlautendem h zu
Ix, rx, X- liegen die dinge so:
Für Schaffhausen gibt Stickelberger (Beitr. 14, 416. 406) bei regel-
mässiger dehnung kurzer betonter vocale vor neuauslautender explosiva lenis
und erhaltung der vocalkürze im heutigen inlaut 9weg für das adv., jum-
pßra << juvkfdrd, hiiug und '/'(vg neben eutwicklung des inlautenden ng
> V. Für Kerenzen gibt Winteler (K.'er muudart s. 140) divek neben
Substantiv iveg, trcekberd neben trcegd, tceik (teig). A^erbreitet ist wie im bair.
maryi und hary^ (Kerenzen: »/(T/7, Winteler s. 51). Basel (mit nordalem.
behandlung des k) hat nach Heusler (Consonautismus von Basel s. 19) 9w'ek
mit kurzem vocal vor fortis (von Heusler aus energischem exspiratorischem
acceut erklärt), während die mundart vor lenis im auslaut dehnt. Zum
gebiet mit x ^^^ «^" gehört schon Brienz. Für dieses gibt Schild, Beitr.
18,327 wenigstens jumjkfroww. Aus der Umgebung von Bern, aus dem
kanton Freiburg und Wallis habe ich selbst belege für explosivlaut
{Hcek, lauk, jttvk), den ich als fortis ansehe, spirans nur in mar/, har/
aufgezeichnet. Dagegen gibt nun Bachmann (Schweiz, gutturallaute s. 15)
an, X erscheine für g besonders im wallisischen dialekt, nämlich ausser in
marx auch in zdym (== zeigen), yriC'/, yju^/.- Ebenso führt das Schweiz.
Idiotikon für das Wallis und dessen ableger ausser mary^ und har^ auch
yru^y, yli''^'/. ^^1 während für h'crg, bürg, arg, halg, genuog keine belege
mit X gegeben werden. Die Sammlungen des Idiotikons bildeten verimitlich
auch Bachmauus quelle. Es kann also nicht die eine dieser angaben durch
die andere gestützt w^erden. Ich selbst habe bei Aviderholten aufnahmen iiu
Wallis und bei mehrfacher schriftlicher erkundigung keinerlei spirans nach
vocal oder nasal feststellen können, y nach liquida, wie schon gesagt, auch
allein in viary und bary.
Demnach glaube ich in der Stellung nach vocal und
nach nasal im ganzen südalem. wie im nordalem. ex-
plosiva als rest des auslautenden g ansehen zu müssen.
Diese explosiva wird auch im südalem. trotz den dort heute
geltenden sandhigesetzen, die im auslaut explosiva fortis für
germ. lenis nur nach kurzem betontem vocal gegen lenis nach
412 nOTINENBERGER
langem vocal oder vor stimmlosem anlaut des folgenden Wortes
gegen lenis vor stimmhaftem fordern, allgemein gegolten haben.
Aus dem alter des correspondierenden anlautgesetzes (Notkers
gesetz) darf man nicht auf ein gleiches alter dieser heutigen
auslautgesetze schliessen. Die Orthographie der quellen schliesst
dies völlig aus (s. auch Behaghel, Pauls Grundr. V, 715).
Ueber die ehemalige behandlung von auslautendem g
nach liquida wage ich noch keine endgiltige entscheidung
zu treffen. Es bereitet hier die annähme der explosivaussprache
einerseits für die zurechtlegung des reimverfahrens ganz beson-
dere Schwierigkeiten, andererseits ist der vereinzelten spirans-
aussprache nicht mit der gleichen bestimmtheit wie im bair.
eine andere ausspräche der mehrheit entgegenzusetzen, da bis
heute für keine der formen mit explosiva die möglichkeit der
herkunft aus der inlautsform mit völliger Sicherheit al)gelelint
werden kann. Untersuchung der ausspräche des rg in flur-
namen, besonders in deren bestimmungswort, könnte vielleicht
aufschluss bringen. Auf den AYalliser blättern des Siegfried-
atlasses habe ich kein rch für rg gefunden.
Die quellen setzen wie die bair. mit vorwiegendem c, /.-,
neben wenigen g und ch, li ein. Bis zum aus gang des
10. jh.'s bleibtauch c,Tx sowol in den literarischen quellen als
in den Urkunden die regel.
a) Die Urkunden des 8. — 10. jh.'s.
St. Gallen: in den Urkunden ist bis 814 nach Henning (St. Gall.
sprachdenkra. QF. 3, 140) ' im anslaut die media meist (60 mal) zur tenuis
verstärkt'. Im absoluten auslaut führt er G -y, 2 lic {ClaiuhuruUc (St. Ga.
U. '] 1, 109), Wolfpirihc 1, 169), 1 ch {Puzzinberch 1, 22) und 1 h (Eatinh
1, 117) an, dazu 2 g und 1 7t {PuriMinga 1, 122) im compositum am ende des
ersten teils. Von 814 bis zu ende des 9. jh.'s verhalten sich g : ch : c
ungefähr wie 4 : 5 : 20, c herscht also immer nocli weit vor hei geringem
umfang im inlaut. Fr. Wilkens (Hochal. consonantismus d. ahd. zeit, 1891,
s. 72) zählt von 744—819 87 c und 8 g. Für ch gebe ich folgende belege:
831 (St. Ga.U. 1,312) Farnoicnnch. — 838 (1,316) FanUcich, Irmimh, Ir-
finch, Thioiimruch, Hlltqmruch. — 855 (2, 61) Jliltibrihc. — 858 (2, 81)
Adiilimhc. — 859 (2, 84) Uotinperech. — 861. 867 (2, 105. 138) Wazzar-
hurch. — 865 (2, 124. 127) Pussinanch. - 806 (2, 132) Chühiberch. — 867
(2, 139) Pcranwich. — 868 (2, 146) Amahmch. — 869. 889 (2, 158. 275)
Munineh. — 883 (2, 237) Eoinch. — 889 (2, 272) Hadcicich, Hartwich. —
•) St. Ga. U. = Urkuudeubuch der abtei St. Gallen, her. v. "Wartmanu.
AUSLAUTEND G IM OBERDEUTSCHEN. 413
Im 10. jb. -c in den nrn. 719. 728. 761. 777. 795. 802. SOi. 812. - -rj in
den nrn. 738. 7i2. 744. 760. 763. 764. 770. 774. 776. 781. 782. 783. 786.
799. 802. 803. 806. 807. 809. 810. 815. 817. ch: 900. 905 (2,321. 347)
Pruninch. — 909 (2, 358) Älawich. — 909 (2, 362) Pussamvanch. — 914
(2, 375) Amahmch. — 926 (3, 7) Armumch. — 933 (3, 13) Svedinispercli.
— 969 (3, 27) YrincJi. Die mehrheit der Schreiber wechselt im scbreib-
gebraucb (z. t. wol beeinflusst durch vorhigen), andere bevorzugen eine der
Schreibweisen. So schreibt besonders Sigibert gerne ch (no. 719. 732. 743.
775). — Verbrüderungsbuch (MG. Libri confrat. 1, und Mitteilungen z.
vaterl. geschichte von St. Gallen 19) : die älteste band von ca. 810 hat durch-
weg c. Schreibungen mit ch im vorderen teil gehören, so viel ich den aus-
gaben entnehmen kann, spalten mit wechselnden jüngeren bänden an. —
Pfäffers: Yerbrüderungsbuch (MG. Libr. confr. 1): bände des 9. jh.'s wech-
selnd c. (j, ch, h. — Zürich: 924 (gleichzeitige cop. Zu. U.^Jl, 79) Eume-
lanch. — 931 (or.? Zu. U. 1, 86) Edilinc, Eunulhanc. — 964 (or.? Zu. U. 1, 98)
Thiepirc, Haclihurc, Opirc. — Reich enau: Verbrüderungsbücher (MG.
Libr. confrat. 1): die Schreiber « (ca. 826), }' (ca. 830), S (950-960), e (ca.
1080) haben sämmtlich c als regel. Die Schreibung zeigt sich z. t. beeinflusst
durch die klöster, aus welchen die einzelnen listen übernommen sind. Bei
a, ß und 6 nur wenige g. y, der sonst viel unaleraaunisches hat, schreibt
vorwiegend g. Auch e hat eine reihe von g. ch und h bei y in liste aus
dem Mon. Bruxbruuno: Wo nb urh 266, oO, Eggehurch 2.66,26, Eamminhc
266, 16, bei 6 und s je einige wenige ch, bei 6: Irinch 584, 28, Steiunch
587,20 (Hüteivih 571,4, Akmih 571,26. 572,26), bei e: Otpurch 618,19,
WUepnrch 618, 24. — Neurologien (MG. Necrol. 1, 269) hs. 9. und 10. jh.'s -c
und g, vereinzelt -h. — Kempten: Necrologien des 10. jh.'s (Necrol. 1, 171)
Imal -c. — Strassburg: 910 (Strassb. U.=^] 1, 30) -A'rtJJfZint/c. — ca. 980
(1, 88) Aleuuich (?), Bliemmg, Strazhurc.
b) Literarische denkiuäler. Im 8. und 9. jli. ist die
Schreibung c die regel, g bleibt weit dahinter zurück, ch, h
sind ganz vereinzelt. Im 10. jh. nimmt g, entsprechend den
Verhältnissen im anlaut und inlaut beträchtlich zu, in einzelnen
hss. ist g schon in der mehrheit.
8. und 9, Jh.: St. Galler Paternoster und Credo: stehic (2 mal),
chunmftic, emezzihic. — Vocabularius St. Galli (s. Henning, QF. 3, 89)
durchweg -c, z. b. pure, imec, cuninc, auch t<»«c 308, nicht mm«^. — Bene-
dictinerregel (s. Seiler, Beitr. 1,407) und Psalmenübersetzung (Germ.
2, 98) stets -c. — Murbacher hymnen (s. Sievers, Murb. hymn. s. 18) 16 -c,
19 -A-; daneben 1 -g (ciming 24, 1, 1), 1 mal h (uniräih 21, 5, 1). — St. Paul er
glossar zu Lucas (Gl. 1, 728, s. auch C.T.Stewart, Sprache des St. Pauler
glossars, diss. 101) durchweg c, z. b. Jceaiic, steic. — Rd und Ib durclnveg
1) Zu. U. = Urkundenbuch der Stadt und landschaft Zürich.
2) Strassb. U. = Urkunden und acten zur geschichte der stadt Strass-
burg. 1. abt. urkundenbuch.
411 HOIINENBERGER
-c, z. b. f'inic, pniic, fluanc. — Rb (s. R. E. Ottiuami, Gramm, vou Rb s. 68)
nach vocal durchweg -c, 6 rc, 5 nc, 1 7c, daneben 8 tig, 1 lg. — la: regel
-c (z. b. zuakanc, urhic, zuac). 2 cJi (ghiziuch Gl. 1,337,47, hulspuuch Gl.
1, 389, 7). — Ic (einschlicsslicli der glo-ss. zur Bencdictinerregel) durchweg -c.
— Die nicht reiu alem. hs. K hat nach Kögel, Keruu. gl. in Ka 18 ^ und
)iur 3 c, in Kb in der regel c, 3 g, 1 hc, kizüihc Gl. 1,147, 40. — Ebenso
ist von den Basler recepten abzusehen, die viel unaleraaunisches auf-
weisen und so vorwiegend g schreiljon. — Weiugartner glossen A (9. Jh.,
Stuttgart jur. 109, Diutisca 2, 40): /«v»?jj/-«»c Gl. 2, 89, 19. — Rheinauer
glossen (9. Jh.): atumziich Gl. 2, 735, 35. — Beruer glossen (9. Jh.): ««-
imillic Gl. 2, 88, 5. — Züricher glossen (9. Jh.): feldgang Gl. 2, 16, 5.
10. Jh.: Samariterin: tac : durstac.
Glossen a\is St. Galler hs. 134. 136: c, z. b. hidnuanc, snitelinc. —
St. G all er lis. 242: meist g, z. b. heilag, xvag, herg, c in ulmactic, canc.
— St. Galler hs. 292: meist g, z. b. düng, zuig, runthoug, c in getunerc
Gl. 2, 158,33. — St. Galler hs. 845: ursprinc Gl. 2, 61, 17, ding 2,62,1. —
Rheinauer glossen: genuog Gl. 2,237,17. — St. Pauler glossen aus
Augsburg (Germ. 21 ff., vgl. dazu A.Jacob, Die glossen des Cod. S. Pauli
D 82, diss. 1897) : meist c, mehrere ch, 1 g im compositum uigeffli (belege
bei Jacob).
Die Verwendung vereinzelter ch, h erklärt sich aucli für
das älteste alem. genügend aus dem oben s. 405 für das bair.
namhaft gemachten Ursachen. Zugleich erliärten die ch, h
der alem. quellen die annähme, dass aus dem auftreten dieser
zeichen, so lange sie noch vereinzelt sind, auch im bair. nicht
auf affricatenaussprache geschlossen werden darf. Dann kommt
für das alem. aber noch hinzu, dass durch die Verwendung
A'on c neben ch für affriciert gesprochenes germ. Je auch
weiterhin immer anlass gegeben war. nicht wenige ch unter
die c für germ. <j einzumengen.
Für das verhalten des 11. jh.'s ergibt sich bei der geringeu
zahl der quellen kein deutliches bihl. Bei bevorzugung des
einen oder des anderen Zeichens durch einzelne (luellen scheinen
sich im allgemeinen c (Je) und g ungefähr die wage zu halten,
ch ist selten.
a) Urkunden: Schaff hausen: 1082— 1092 (Q.Schw.g.»] 3,6, sammel-
urkuude!) 3 Ic, 4 c, Niuinborch, Nuemhurch. — 1083. 1093. 1094 (3,9. 16.
17. 18. 20. 21. 22) von demselben schrciber: 10 .7, 3 c, 1 Ic. — 1096 (3,27)
3 Ic, 3 c. — Kecrologien (MG. Necr.1,547): einige c. — Strassburg: nach
1007 (Strassb. U. 1, 44) Hohcnbio-c. — 1040 (1, 46) Wolfgnnc. — 1061 (1, 48)
') il Schw. g. = Quellen zur Schweizer geschichte.
AUSLAUTEND G IM OBERDEUTSCHEN. 415
Strazhurc, Billunc. — Augsburg': 1070 (Massraaun, Abscliwöruug-sforiüeln
s. 189) bnrch (2 mal). — Füssen: Necrol. ende 11. jh.'s (Necr. 1, 79) 1 c, 1 eh.
b) Literarische denkmäler: St.Gall. gl. u. b. i: dag. — St. Gall.
Schularbeit: mag (2 mal), tag. — Strassburger blutsegen (sehr
schlecht geschrieben): herch. — Physiologus (MSD. 82) 1—8: c und g:
dinc, tag, /;(«(/ (5 mal), finc, zivivaltic (Bm.), tae {2 m.), lanc; 9 — 12: g:
mag (4 m.), rierzeg (2 m.), chrisfan/g. — Augsburger Prudentius-
glossen (Gl. 2, 478. Kauffmann, Schwab, ma. s. 239): c. — Einsiedler
glossen in hs. 312. 316: g, z. b. gmid/'g, kezmg, ranthoug, nher larchsamo.
— Karlsruher gl. aus St. Peter: meist g, z.b. balg, ringiling; Je und c
in timihanJc (Gl. 1, 338, 43), dune (1, 475, 8), h in einstridih (2, 241, 6).
Mit dem 12. jh. tritt ein starker wandel ein: literarische
denkmäler und Urkunden beginnen in der beliandlung des g
auseinander zu geben. Erstere haben, abgesehen von dem
auf der grenze des 12. gegen das 11. jh. stehenden Notker und
von den glossen, ganz vorwiegend c, daneben wol auch einige g,
aber, sofern sie nicht dem osten angehören, ganz selten eh.
Unter den Urkunden dagegen sind zwar auch nicht wenige,
die c als regel aufweisen, es kommen aber nun sehr viele ch
hinzu, zwar im laufe des jh.'s erst zunehmend, aber doch schon
zu beginn desselben verbanden, und am stärksten vertreten
südlich des Bodensees bis Luzern und Basel, aber auch ander-
wärts in beträchtlicher zahl auftretend. Die glossen zeigen
sehr gemischtes verfahren, damit beweisend, auf welch un-
sicheren boden man bei diesem wandernden gut tritt.
a) Literarische denkmäler: Notker: g, wie auch g für kk und
für k nach n im auslaut, nur die Psalmen (St. Galler hs.) haben daneben
mehrfach c7i, c, k (s. E. E. Wardale, Lautbestand in den Ps. N.'s, diss. § 99).
— Memento mori: g vor voc, sonst c: mag 5,4. 9,6. 13,8. 15,8, sag
12,7, tae 14,7, tusine 14,8, mae : tae 15,5, cliunie 19,1. — Ezzos ge-
sang, Strassb. hs. (Zs. fda. 23, 210): ewie 36. — Sequentia de S.Maria:
c: lac, mae, gnaedic. — Evangelien üb er Setzung (Germ. 14, 440): durch-
weg e, z.b. dinc, chmüc, sweie, emvcc. — St. Galle r glaube u. b. ii: salic,
chunftig, tag. — St. Gall er glaube u. b. iii: chunftich, sdiiddich. —
Schwäbisches trauformular (aus Augsburg, unter bair. einfluss): ch:
scillinch, phenmch, genadich. — Schlierbacher funde (Zs. fda. 42, 220 ff.) :
c, z.b. ivec, gesane. — Schaff hauser arzneibuch (WSB. 42, 110, viel
unalem.): c: honec, dinc, gewic; ch in givich; g in saig. — Rheinauer
frauengebet (Zs. fda. 32, 50) : e regel. — Colmarer bruchstücke (Zs.
fda. 40, 305): c : g etwa wie 3:1. — Alemannische predigtbruch-
stücke, her. von Strauch (Zs. fdph. 30, 186) : c regel, einige g (8.123); her.
von Schiffmann (Zs.fdph. 34, 129): manic, kunic, tae. — Wackernagels
41 G UOIINENHEROER
predigten: 1—17 (Züricher lis.): vorwiegeud (j, mehrfach c, ch; 12. 13
(Züricher hs.): k, c, ch häufiger als g; 76—90 (hs. aus Muri): c und ch.
— "Weingartuer reisesegeu: funfzic. — Weiugartuer glossen B ')
(12. Jh., Stuttg., c. herm. 26. Graff. Piutisca 2, 41 ff. ' : in der nuhrheit c/(, z.b.
suezudHch i^audarium, uzganch, lospriitcJi, hahbnch, vgl. auch Kaufinianu,
Schwab, raa. 8.240; einige c (so ursprinc, armhouc, shtc). — Zwiefaltcr
gl. (12. Jh., Stuttg.. c. theol. 218, fol.): c,ch,g: rinc Gl. 1,342, 9, umhihiuuj
1,323,26, chisilimj 1,415,17, tiiuch ],-Viö,t, pahnvifi 1,526,7, kisanch Gl.
1,496,31. — StuttgarterPrudeutiusglossen (Gl. 2, 489ft".): c und g:
snüelinc (fraglich), uurmazig, urspring, herc. — Schlettstadter gloss.
(12. Jh., Zs. fda. 5, 318) : g, Je, c, ch, und zwar g im allgemeinen und ins-
besondere in den abschnitten 6. 8 vorwiegend, k und o vorwiegend in 39.
40, eh vereinzelt: engerinch Gl. 2,687, 1, Miescburch'i,Qil,\S.
b) Urkunden. Mit rücksicht auf das eigenartige verhalten sind
die belege hier ausführlicher gegeben. Bischof von Consta nz: 1155 (Zu. U.
1,186) lioggersherc, Hardiherc. — 1161 (Wü. U. 2] 2, 137) Eanensburch. —
1162 (St. Gall. U. 3, 44. 45) Rafeiisburch, WilUberch, Huc, Gnionenberh, Hon-
btirh. — 1172 (W.U. 2, 170) Oiholfesicanc, Hohenganc. — 1175 (Thurg. U.»]
2, 51) Sconcnbcrg, Hohenburg. — 1176 (Thurg. U. 2, 52) Bernanch, Hohen-
bitrg,Tocheinbi(rg, Busenanc, Glateburg, Bammiswag. — ca. 1180 (Thurg U.
2,57) Sconemberg, Gnceneberch. — 1180 (Zu. U. 1, 213) (^hdburg, Limperg,
Sncccemburg, Bussenanch, Bosseberg, Wizenanch, IJehcnbcrg. — 1186 (Zu. U.
1.219) Bcginsperch. — 1187 (Zu. U. 1,222) Gotinburc, Groninbcrg. — 1189
(c. Sal. •] 1, 64) Mersburc, Walpurc. — 1189 (Wü.U.2,266) Snetscmc, Gun-
(liluuanc. — S t. G al 1 e n : 1135 (St. Ga. U. 3, 39) Ludeivich. — 1170 (St. Ga. U.
3, 47) Innburc, Ilciluihc, Heilwich. — 1188 (or.? St.Ga. U. 3,49) Blasinberch.
— Toggenburger: ca. 1195 (Zu. U. 1,235) Togginburch. — Habs-
burger: 1198 (Wü. U. 2, 324. 325. 326) Habespurch (oft). — Zürich:
1127 (Zu. U. 1,160) Huc. — 1142 (Zu. U. 1, 172) Lüdcwich, GenmcJi. —
1153 (Zu. U. 1, 184) Habespurch, Botunhnrch, Bumelanch. — 1153 (Zu. U.
1, 185) Habespurc. — 1167 (Zu. U. 1, 200) Lenzeburch. — 1169 (Zu. U. 1, 202)
Lenzeburc, Bosseberc (auch Ottonbacl). — 1177 (Zu. U. 1, 207) Chussach-
berch, Begensberch. — llSb (Zu. V. 1,216). Begensperch. — 1187 (Zu. U.
1.220) Begcnsperch, Wartcnberch. — Luzeru: 1182 (Gfr.^J 19, 249) IT«-
bihesbnrch, Botenbiirch. — 1199 (Gfr. 8, 250) Wisobcrch, Uabisburc. —
Einsiedeln: 1130 (Zu. U. 1, 164) Beginsberch (oft), Wizenanch. — Engel-
berg: Urbar, hs. ausgang des 12.jh.'s (Gfr. 17, 245) regel ch, mehrmals c:
Muolirsivanch. W(dtirsperch, M'/soberch, Oiitrinch, Wilberc, Wellinberch,
Hudewic. — Ivl. Frienisbcrg (bei Bern): meist c (so 1131. 1146. 1180.
1) Zu diesen und den folgenden glossen vgl. Kauffmanu, Schwab, ma.
s. 239 ff.
^) Wü. U. = Wirtembergisches urknndcnljuch.
ä) Thurg. U. = Thurgauisches urkuudenbuch.
*) c. Sal. = Codes diplomaticus Salemitauus.
^) Gfr. = Geschichtsfreund.
f
AUSLAUTEND G IM OBEEDEUTSCHEN. 417
1182. 1187 F.r.Bern.i] 1,403. 420. 452. 468. 482). — Basel: c kanu als
vorwiegend gelten. Es wird geschrieben : 1103 (Ba. U. *] 1, 10) Fehpitrc,
Biinachperh, Roreinirc, Thietpurc. — 1135 (Ba. U. 1, 19) Hohenherc. —
1157 (Tronin. s] 1.215) Sulsperc, Husenberc, Siiarcenherc. — 1161 (Tronill.
1, 228) Nanhmich, Susinch, Thalisperc. — 1170 (Ba. U. 1, 30) Honberg. —
1174 (Tronin. 1, 233) Honherg. — 1184 (Ba. U. 1, 39) Frohurch, Honherch,
ÖsMerch. — 1186.1187 (TrouiU. 1, 264. 265) Talesperc, Husemherc. —
1189 (Boos B. "] 29) Shoivenherch, Frohurg. — Schaff hausen: ca. 1100
(Zu. U. 1, 136) Niimenhurck (fehler für -Imrcli), Wolfganch. — 1100. 1102
(Q. Schw. g. 3, 34. 35. 39) Nellenbtirc, Nelhnburch, Wetelsberch, Tockin-
hiirch, Haperch. — 1101 (Q. Schw. g. 3, 36. 37) Wihtelperc. — 1102—1106
(Q. Schw. g. 3, 38) NelUnburch. — 1102. 6. 8. 11 (Q. Schw. g. 3, 40. 41. 46.
47) Nellenburk, Witilsperc, Wüilsperk, Morisberk. — 1112 (Q. Schw. g. 3, 51)
Iladeivich, Chbiburk, Bomilang, Geruncli. — 1122 (Q. Schw. g. 3, 59) Hü-
bilberc, Barenespurc. — 1124 (Q. Schw. g. 3, 63) Witihperg. — Güter-
beschrieb : ca. 1150 (Q. Schw. g. 3, 125) Chin'rberch, Valchinberk, Nantividi,
Nescihoanc, Willibirk, Sepmcmk, WoJfganc, AffiUranc, Wüilsjjerc, Witils-
perk. — Kloster Rheinan: 1120 (Zu. U. 1, 140) Wizinbxirc. — 1187
(Zu. U. 1,223) Gotinburc. — Necrol. 12. jh.'s (MG. Necrolog. 1, 456) : c regel,
mehrere eh. — Kloster Eeichenau: 1189 (c. Sal. 1,60) Bamisberc,
Huneberc, Dirhaigmig, Dampberc, W(dpurcli (2 mal), Dorfisberc. — Herzog
von Schwaben für kloster Salem: 1185 (c. Sal. 1, 57) Chilcliperc,
Eümesperc, Chiburch, Hohenberc, Otolfestvanc.
Elsass: Kl. Maiirmünster-Sindelsbach: 1120 (Schöpft. •■^J 1, 247)
Sindelesberc, Huneburc. — Kl. Murbach: 1135 (or.? Schöpft. 1, 260) Eicli-
berg, Geishusenveg, Eothenburc, Boienburc, Bilhmch, Huc. — 1196 (Schöpft.
1,358) Horburch, Habesburcli. — Kl. Neu weil er: 1157. 58. 68 (Schöpft.
1,296. 298. 308) Dagesburc, Huneburc, Windeberc. — Bischof von St ras s-
burg: 1109 (Strassb. U. 1, 55) Hadewich, Btllunc. — 1118. 32. 59 (58. 63.
90) Hug (oft). — 1144 (77) ChrecMberch. — 1145 (79) Hüg, Niwenburg.
— 1147 (81) SindelesbercJi, Bitanbnrch. — 1148 (82) Sindelesberch. — 1160
(91) Dagesbiirk, Lobedcnbitrk. — 1182. 85 (98. 101) Offenburc, Stvarzen-
berc, Huneburc. — ca. 1189 (103) Vriburg, Fphenberch. — 1191. 93. 99
(106. 109. 112) Friburc, Erenberg, Uffenberc.
Baden: St.Blasien: Necrol.l2.jh.'s (Necrol. 1, 323) c regel, einige eh.
Württemberg: Hofen-Buchhorn (Friedrichshafen): Necrolog.
12. jh.'s (MG. Necrol. 1, 173) c und ch gemischt. — Ochsenhausen (bei
Biberach) : cop. des 12. jh.'s zu or. von 1127. 28. 29 (Wü. U. 1, 375. 377. 380)
Kiriperc, Hatinpurch, Hatenpurc, Bochenbure, Hcdesburc, Kilhere, Kirich-
1) F. r. Bern. = Fontes rerum Bernensium.
2) Ba. U. = Urkundenbuch der Stadt Basel.
ä) Tronin. = J. Trouinat, Monuments de l'histoire de l'aucieu eveche
de Bäle.
*) BoosB. = H. Boos, Urkundenbuch der landschaft Basel.
^) Schöpft. = Schöpflin, Alsatia diplomatica.
418 BOHNENBERGER
perch, Irempurch, Kiricperch, liogcnhurc. — Z wiefalten: Necrolog.
12. .ih.'s(Necrol. 1,240) c regel. betriiclitlkh viele r/<. — l'lm: 1183 (Wü.U.
2, 23i) llohinberc. — Pfiiizgrafeu von T ü b i u g e n : 1 171 (Wü. U. 2, 166)
Nidnhtirch. — 1181 für Her renal b (Wü. U. 2, 210) Ascisberc, Chilberc.
— 1188 (Wü.U.2,255) Hohenherc. — 1191 (Wü.U.2,272) A>iperk, Hohen-
herc, Isenhxrl-. — Alpirsbach- Rot t weil : cingaug 12. jh.'s (Wü.TJ.
1,316) Honl>}(rc, loclcinhurc, Urshrinc, Stccchcndoihcrc. — Reichen-
bacher Scheuknngsbuch (Wü. U. 2): im grundstock durchweg c, von den
jüngeren bänden neben regelmässigem c einige eh. — Ellwangen: cop.
12.j]i.'s zu or. von 1147 (Wü. T. 2, 41) Swabesberch, Billuncfj. — Necrolog.
12. jh.'s (Necrol. 1, 75): c und g.
Augsburg: 1121 (JIB. >] 33, 16) Rudinc. — 1143 (Wü.U.2,28)
Wichenherc, Hiienhurc, Immenbitrc, Erchenbrehtesberc, Bahemcnnc. —
1145 (MB. 33,26) Wihenberch. — 1150 (MB. 33, 34) Habechisbnrc. — 1153
(MB. 33, 37> Horeburg, Hartivic. Hochherch. — 1162 (MB 33, 42) Gimze-
burch, Helbelinch. — 1173 (MB. 33, 44) Gcrunc, Tonresberc.
Herzog von Schwaben: 1185 (Wü. U. 2, 242) Bomesberc, Chirc-
berc, Botenberc, Bauenesbureh, MvuleUmrch. — 1192 (Wü. U. 2,276) Bomis-
pei-ch, Kirperch.
Im 13. jh. setzt sich zunächst der stand des 12. noch
fort. Die Urkunden zeigen eine starke einmiscliung- von ch,
in den literarischen denkmälern ist c im allgemeinen die
regel. Doch beginnt der abstand sich zu mildern, indem
in manchen der letzteren nun auch ch auftritt. Später be-
ginnt die inlautsform, g, in den auslaut zu rücken, in den
verschiedenen kanzleien in beträchtlichem abstand, im all-
gemeinen mit der mitte des Jahrhunderts.
a) Literarische denkmäler: Albertus, St. Ulrich nach Schrael-
lers ausgäbe: c regel, mehrfach ch, vereinzelt clc, Je, g (851. 1497. 1498.
481). — E n g e 1 b e r g e r B e n e d i c t i u e r r e g e 1 (Gfr. 39) : g regel, selten ch.
— Predigten des Hugo v. Con stanz (hs. aus St. Georgen, Zs. fdph.
9, 29) : ch regel, einige c. — S c h 1 e 1 1 s t a d t e r p r e d i g t e n ^Zs. fda. 5, 324) :
g regel, mehrfach c in -ic. — ZwiefalterBenedictinerregel (Stutt-
gart, c. theol. 4° 230) : Je und g gemischt, selten ch (mehrfach c für mhd. ch).
— B 1 a n b e u r e r p r e d i g t e n (Stuttgart, ascet. 129) : ch neben c (mancherlei
unalemannisches). — Reutlinger Franciscanerregel (Germ. 18, 186) :
viele -?7i, -ic, sonst g durchgeführt. — Barlaam und Josaphat (Zürich,
hs., Zs. fda. 1, 126) : c regel, einige g. — Der seele Spiegel (stücke in
Monc's A nzeiger 8, 368) : durchweg c. — G r i e s h a b e r s predigten (vgl.
auch Leitzmann, Beitr. 14, 473) : ch regel, einige c, g, cJc; schwäbische band
fol. 73 a — 77 a : c regel im alten auslaut, g im neuen .^sag s. 84, am tveg
') MB. = Monumenta Boica. Bei siimmtlichen aus MB. 33 entnom-
menen Urkunden lilcibt fraglich, ob sie wirklicli original sind.
AUSLAUTEND G IM OBERDEUTSCHEN. 419
S.86 it.s.w.), vereinzelt ch (dach s.S6). — Prediger von St. Georgen
um 1300 i^Karlsr. c. germ. 36) : a) in Wackernagels predigten s. 522 If. : ch
regel, ganz wenige e, g] — b) in Mones Anzeiger 4, 366 : c, Ic zusammen
häufiger als ch.
b) Urkunden: Bischof von Konstanz: zunächst c, aber schon
1219. 1227 ch (Zu. U. 1, 282. 319). In den beiden letzten Jahrzehnten ch
vorwiegend, g von der mitte des jh.'s an auftretend aber bis zum ende
desselben in geringer zahl. So in deutschen Urkunden 1285 (Konr. Bej^erle,
Grundverhält, i. mal. Konstanz 2, 102) ausschliesslich ch. — 1294 (Beyerle,
2, 115) Sug, scMllinch, ledich, krieg, Huc, Klingenberc, nunzich. — 1295
(Beyerle 2, 100) niwendic, dinc, schuldic, tag, Jedic, ewec. — 1297 (Beyerle
2, 107) Bavens2>urch, äm'ch, vierdunch, nunzich.
St. Gallen: im 13. jh. bis etwa 1265: c regel, einzelne .(/, mehrere cA
(so St. Ga. U. 3, 113. 126. 151 und Zu. U. 3, 102. 192). Von 1265 an nimmt
g zu, von 1275 auch wider ch, so dass nun c. g, ch einander ziemlich gleich
kommen; ch erscheint auch in deutschen Urkunden, so 1275 (St. Ga.U. 3, 198),
1277 (3, 207), 1294 (3, 279). — In einzelnen namen [Kihurg, Toggenhurg)
wird besonders gerne ch geschrieben. Von 1296 an herscht g vor. Im
14. jh. treten nur noch wenige k, c, ch auf, am häufigsten in -eJc, -ik. —
Winterthur: 1297 Stadtrecht (E. Th. Gaupp, Stadtrechte 1, 138) : g regel
(wirdig, invung, sechzig, künig).
Zürich und Umgebung: in den lat. Urkunden aus der ersten hälfte
des jh.'s ch und c{k) gemischt, einige g. Die deutschen Urkunden des ZU. U.
von 1250 an haben von anfang an vorhersehend g (so 1251. 1252. 1254.
1255. 1257. 1263. Zu. U. 2, 268. 282. 307. 353 ; 3, 23. 78. 292), daneben noch
ch und c, von 1280 an sehr zurückgehend, aber von 1265 bis 1272 besonders
viele ch; so 1265 Zu. ü. 4, 9 mach, sechzich, 4,14 vierdunk, zmnzich, sech-
zech, Wunnenherg, BuvielanJc. — 1272 Zu. U. 4, 200 Eestilsberch, 4, 200
drizich, zrenzech. rierdunch, sibenzicJi, tach, ähnlich 4, 28, auch noch 1284
Zu. U. 4, 227. — g schon in der deutschen Urkunde aus Eüti (k. Zürich)
von 1238 (Zu. U. 2, 16) : Toggenhurg, rechtling, achtzig, tag, pfenning, cin-
helhmg, Schilling, tiiseng, drizig. — Kiburg und Habsburg zeigen im
13. jh. frühe besondere Vorliebe für ch, insbesondere in der Schreibung ihrer
eigenen namen, in lat. Urkunden schon von 1230 an (so 1228. 1230. 1232.
Zu. U. 1,326. 333. 337 [hier neben c in anderen namen]. 343. 352 u.s.w.).
Daneben immer noch c, k. Vorwiegendes c neben einigen g und ch noch
in den deutschen Urkunden von 1238. 1240. 1241 ^F. r. Bern. 2, 182. Kopps
Urk. 2, 81. Kopp, Gesch.-bl. a. d. Schweiz 1, 54). Nachher auch in deutschen
Urkunden ch, so 1271 (Hahsburch. Kiburch, Werdenherch, Lofenberch,
tusench, sibenzech neben mehreren g. Zu. U. 3, 168).
Luzern und Umgebung: die wenigen vorliegenden Urkunden aus der
ersten hälfte des 13. jh.'s haben ch, c, g. Zu ende des jh.'s haben die
deutschen Urkunden aus Luzern, Zug, Schwyz, Uri ganz vorwiegend
g, einzelne c und ch bleiben aber bis in den anfang des 14. jh.'s. ch z. b.
mehrfach in deutschen Urkunden ans Kl. Neuenkirch (bei Luzern) von
1282 (dinch, samnunch, Habspurch, tusinch Gfr. 5, 159), aus Eschenbach
420 B0HNEN13ERGER
von 1294 (Ilicrch, nunzich, fmifcich, scltuld/cli Gfr. 7, 1G7. 9.49), aus kl.
Frauental (bei Zug) von 1284 (rierdundi Gfr. ;{, 140), aus kl. Eugel-
berg von 126G (Gfr. 51, 91) und noch aus Altdorf von 1332 einzelnes ch
{chriech Gfr. 25, 318). Dagegen schon g durchweg in einer Luzern er (?)
Urkunde von 1252 (ßhig, mag, hurg u.s. w. Gfr. 1, 180).
Bern und Umgebung: in l.it. Urkunden des 13. jh.'s c und ch ge-
mischt, z. t. periodisch das eine zeichen vorhei-schend. So ch noch in Ur-
kunden von 1282. 1285. 1292 (F. r. Bern. 3, 314. 385. 393. 536). In deutschen
Urkunden schon 1251 (J. E. Kopps, Urk. z. gesch. d. eidgen. Bünde 1, 1) g
(chricg). — Wie Bern scheint auch das Oberland zu verfahren (Interlaken
1231. 1234 ch. — Bolligen 1257 c. — Interlaken, deutsch, 1281, 1282 g.
F.r.B. 2,113. 143. 449; 3,299. 338). Für das Wallis habe ich ch in
copien von Urkunden des 13. jh.'s gefunden {Kramhurch, Fritach zu 1232.
1252 Mem. et doc. p. p. la soc. d"hist. de la Suisse rom. 29, 298. 478).
Aar au: 1270 (Boss, Aar. urk. 2. 3) Lenzhurc, Lenzlnirk je 2 mal; 1292
deutsch (15) manig, Wilburg.
Basel: bis über die mitte des 13. jh.'s c (mit A) die regel, wenige ch
(letzteres z.b. 1230. 1232. 1241 Chihnrch, Nincenhurch, SchefiUinc Ba. U.
1, 82. 86. 107). Nach 1260 ch häufiger. Auch in den deutscheu Urkunden
von 12G0 an zuuächst noch ziemlich ebenso viele ch, c, 1c als g (z. b. 1261
Ba. U. 1, 297 hurch, -ic, ding, -ich. — 1264 Ba. V. 1, 315 schillinh; -ine, dinl;
-IC, mac, -ik; noch 1278 (2,139) -ich, cmiihicnch, tach, -ich. — 1282 (2,211)
lluch, i^fenninch, tach. — 1285 (2, 289) pfenninch, geziuch, -ich) ; von 1280
an nimmt g stark zu. Dienstmannenbuch des bischofs v. B. (her. v. Wacker-
uagel: ch, g, c gemischt, einigermassen gruppenweise.
Elsass: Mühlhausen (Cartulaire de Mulhouse> xiud Murbach
(Gfr. 1) : deut.sche Urkunden zu endo des 13. jh.".s schreiben im allgemeinen
g, nur vereinzelt c, k. — Strassburg ixnd Umgebung : im 13. jh. bis 1260
c regel, g und ch nur vereinzelt. In den ältesten deutschen Urkunden 1261.
1262 noch sehr viele c (126L Strazhurc, gnnc, tac, Wizenburc, nnschiddic,
rlizic, diitc, criec, lanc u.s.w. Strassb. U. 1,355. 364. 367. 373). Nachher
nimmt c rasch ab, g wird ausschliesslich herschend. Stadtrecht (E. Th.
Gaupp, Stadtrechte 1, 82) sumic, mac, slac, Schilling (pl.), dink, uzwendic,
besserung, also c regel, kein ch. — Eappoltst ein: 1283 (Rappoltsteiner
ÜB. 1, 121) gezitig, gegcnwertig, ding, ahzig.
Baden: Freiburg i. Br. und Umgebung: in der ersten hälfte des
13. jh.'s c und ch die regel, beide ungefähr gleich häufig, einige g. Von
der mitte des jh.'s an mit dem auftreten deutscher Urkunden g rasch vor-
wiegend, etwa bis 1270 daneben noch viele -ic, -ik, biirc, biirch. Deutsche
Urkunde von 1258 ch nur noch in uamen auf berch, biirch (ZORh. 'J 9, 342:
Vriburch [mehrf.], Uubspurch, l sinberch [mehrf.j, künftig, krieg, Limpcrch,
Liudewig, fiunfzig). — Stadtrecht (ende des 13. jh.'s, Schreiber, ÜB. 1,74):
g regel. — Fürstenberg und Umgebung: von 1280 an viele g in deutschen
*) ZORh. = Zeitschrift für geschichte des Oberrheins.
AUSLAUTEND G IM OBERDEUTSCHEN. 421
Urkunden (so 1280. 1284 Fü.U.i] 1,268. 286), aber dazwischen auch noch 1284
(Fü. ü. 1, 289) viele eh.
Württemberg- und Hohenzollern: zu aufang des IS.jh.'s c regel,
z. b. kloster Adelberg: 1206. 1236 (Wü.U. 2,351. 352. 366) Adelberc,
Brahenanc, Bragetcanc. — Esslingen: 1232 (Ul. ü.''] 1, 52) Wal2mrc. —
Wendungen (bei Kirchheim u. T.) : 1237 (Wü. U. 3, 396. 397) Aichel-
berc, OtoJswanc, Ayclielberc, Otolvesiuanc. — Bebenhausen: 1226 (Wü.U.
3,184) Tinzemherc. — Z wiefalten: 1237 (Wü. U. 3, 389) Sehurc. — In
Esslingen bleibt c die regel bis um 1275, auch nach 1275 tritt ch zu-
nächst noch spärlich auf, etwas häufiger nach 1295. Daneben beginnt g
von 1280 au, bis zu ende des jh.'s selten bleibend. Belege in Wü. U. 4, 451.
5, 188. 6, 140. 364. 7, 34 und dann Wü. GQ.») 4. Unter den deutschen Ur-
kunden noch 1293 (Wü. GQ. 4, 100) InsenburcJi, mach, Ludetvic, schuldic,
kriec, geiocütic, schülinc, ledic, micendic, tag, niunzic. — 1297 (Wü. GQ.
4, 130) sechzech, tac, ledich, geziich. — 1299 (Wü. GQ. 4, 136) uzzog, niunzig.
— In Ulm er Urkunden von 1275 an mehrfach ch, kurz darauf auch g,
aber daneben c, h bis ende des jh.'s. In deutschen Urkunden z. b. 1270
(Ul. U. 1, 182. 133) Angespurc, shnldil-, vierzel; gezinlc, Gerwik, genoJc, vier-
dtink. — 1296. 1297. 1298 (Ul. U. 1, 227. 245. 247. 251) zivaincich, criech,
Lndeivich; zivaenzeg, nünzeg; Gerivic, Gussenberc, cüftic, tac; ledic, criec,
gitiuch, nnmzich. — Zollern und pfalzgrafen von Tübingen: bis
1275 c, z.b. iu MZo.*) 1,40. 1,71; L. Schmid, Pfalzgrafen v. T. 4. 10. 11.
17. 18. 32. 34; — ch 1247. 1268. 1276 (Schmid 15. 28. 35) Ktlperch, Eerrin-
perch] Herrenberch ; Nippenbtirch, Herrenberch. — Ammern (bei Tübingen,
Wü.U. 8, 376): 1283 in deutscher Urkunde mec7t(4mal), krieg, crieg, sank,
sanch, geziuch. — Als beispiel für Ober Schwaben: Seh ussenried: 1282
(Wü. U. 8, 321) samemmg, criek, Wartenberch, kriech, tach, Aichilberch, Otels-
icank, Bninsperch, ahzig.
Augsburg: im 13.jh. c (ä;) und c7t gemischt, ch regelmässig im stadt-
namen {Auspurch), auch sonst gerne in bürg, berg, abgesehen von diesen
namen aber c in der mehrheit. g macht sich erst von 1290 an bemerklich
und herscht ausgesprochenermassen vor erst etwa von 1310 an. — Von 1290
an kommen zahlreiche ck hinzu. — Auspurch herscht bis 1340 und ist auch
im nächsten Jahrzehnt noch häufig. — Augsburger stadtbuch (her. v.
Chr. Meyer) : c, k regel, anfangs auch sehr viele ch daneben, nachher (von s.79
an) nur selten. Einige g, besonders mag, geziug; s. auch Friedr. Scholz,
Gesch. d. d. Schriftsprache in Augsburg, Acta Germ. 5, 2, s. 485.
Schwabenspiegel (hs. von 1287, Lassbergs ausg.): c regel, im
allgemeinen ganz wenige g, ch, nur s. 75 — 198 g die regel.
1) Fü. U. — Fürstenbergisches urkundenbuch.
^) Ul. U. = Ulmisches urkundenbuch.
ä) AVü. GQ. = Württembergische geschichtsquellen.
*) MZo. = Monumenta Zollerana.
Beiträge ziir geschichte der deutschen spräche. XXXI. 28
422 BOllNENRERGER
Ueberblickt Dian den ganzen verlauf der Schreibung
vom beginn der quellen bis zur Verdrängung der auslautsform,
so ergeben sich im allgemeinen recht klare Verhältnisse,
Nur das ch der Urkunden macht Schwierigkeit, dieses freilich
auch recht beträchtliche. Führen die reste der auslautsbehand-
lung in der heutigen mundart auf ehemalige ausspräche als
explosiva fortis zurück, so entspricht dem völlig die vor-
hersehende Schreibung mit c, l: Von der inlautsbehand-
lung ist der auslaut mit seinem c, k gegen dort vorhersehen-
des g schon zu beginn der quellen unterschieden. Die im
11. jh. in grösserer zahl auftretenden auslautsschreibungen
mit ^ erklären sich wie im bair. bei gleich bleibender fortis-
aussprache ohne Schwierigkeit als anschluss an den Wechsel
in der Orthographie des anlauts, wo man die c, k abgehen
Hess. Auch die w^enigen ch älterer zeit lassen sich, wie schon
s. 414 gesagt, leicht zurechtlegen.
Alle diese Ursachen reichen dagegen zur erklärung der
vom 12. jh. an zahlreich auftretenden ch nicht aus. Hier
liegt das charakteristische in der ein sehr änkung dieser
Schreibung auf die Urkunden. Es lässt sich in keiner
weise wahrscheinlich machen, dass diese genannten anlasse,
soweit sie vom 12. jh. an überhaupt noch in betracht kommen,
für die Schreiber der Urkunden in so beträchtlich höherem
masse gegolten haben sollten, als für die Schreiber der lite-
rarischen denkmäler. Auch keinerlei sonstige dem alem. zu
entnehmende erklärungsgründe scheinen mir auszureichen. So
bleibt m. e. nur die herleitung aus fremdem einfluss. In
betracht kommt da nach dem verfahren der nachbargebiete
allein der b airische. Freilich sind bis jetzt weder sonstige
spuren desselben in der Orthographie beobachtet, noch durch
die allgemeinen Verhältnisse der kanzleien jener zeit wahr-
scheinlich gemacht. Da aber die frage überhaupt noch nicht
aufgeworfen wurde, so kann sie bisher auch nicht als ver-
neinend entschieden angesehen werden. Zu gunsten der er-
klärung aus bair. einfluss lässt sich jedenfalls der zeitliche
anschluss an den beginn fast ausschliesslicher herschaft des ch
im bair. anführen. Von dieser einzeluntersuchuug aus ergibt
sich nur ein problem, keine entscheidung. Eine änderung in
der bestimmung des lautwerts kann gegenüber den übrigen
i
AUSLAUTEND G IM OBERDEUTSCHEN. 423
factoren durch diese einseitige Schreibung der Urkunden niclit
veranlasst werden. Die in massiger zahl später auch in lite-
rarische denkmäler eindringenden cli lassen sich vollauf als
Weiterwirkung der Urkundenschreibung erklären.
Mit den reimen erheben sich neue Schwierigkeiten.
Die für rein angesehenen bindungen mit lih, nk, Ik, rJc ergeben
nach der heutigen mundartlichen ausspräche, wie schon ein-
leitend bemerkt, in Wirklichkeit reinen reim nur in der nord-
alem. ausspräche, in der k in diesen gruppen explosiva ist.
Und schon hier darf nicht, wie dies gewöhnlich geschieht, ohne
weiteres als sicher angenommen werden, dass diese heutige,
mit der anstossenden fränkischen übereinstimmende ausspräche
des k auch in mhd. zeit galt. Sollte aber g in der bindung
mit diesen gruppen nach deren heutiger ausspräche im süd-
alem. reinen reim ergeben, so müsste g dort nach liquida als
Spirans, nach nasal und nach vocal als affricata, im äussersten
Südwesten auch nach nasal als spirans gesprochen worden sein.
Hat nun diese ausspräche des g, insbesondere mit der Spal-
tung in doppelformen, nach den heutigen resten wie nach der
weit vorwiegenden zahl der quellenbelege als ausgeschlossen
zu gelten, so ist zunächst festzustellen, ob wirklich die bindung
mit k in den genannten gruppen so zahlreich auftritt, dass sie
als herschend anerkannt werden muss, und ist zutreffenden-
falls zu erwägen, ob sich eine andere erklärung des alem. laut-
werts dieser reime wahrscheinlich machen lässt.
Durchsicht der texte ergibt nun wirklich, dass die bindung
von g mit kk, nk, Ik, rk ganz wie im bairischen im allgemeinen
als herschende zu gelten hat, auch bei den guten dichtem.
Ich gebe hier belege und behandle dabei wider fremdes k wie
germ. kk.
Ulrich V. Zazikhofen: (jezoc : roc 199, starc : Jcarc 215, hlanc :
lanc 427, auch IJc : Ih : schalch : bevalch 1179, rg : rJi? : burc : clurh 5523,
von Lachmann heseitigt (vgl. Lachmann zu Iweiu 4431 und Pfeiffer, Freie
forschung 416). — Hartmann von Aue, Erec: Lac : pflac S, tvec :
Erec 52 u.s. w., daiic : unlcmc 2686, gedanc : twane 8672. 3717, lanc :
Jcranc 4295, misselanc : Jcranc 4310, stähverc : berc 9236. — Gregor ins:
gedanc : geranc 391, twanc : gedanc 1583, lanc : hlanc 2915. — Iwein:
lanc : gedanc 2121, lanc : danc 2187. 2594. 3075. 8083 (gruppen !). 3778.
4645. 7791, stanc : iwanc 8848, lanc : tvanc 5825, sjgranc : danc 5408,
28*
424 BOHNEN bEUC KU
sac : Ute 2585, wcrc : yeiwerc 5009, auch (j : /t j>/j/«c : ersuch 4431 und
(/ : ch bestreich : swcich 3473 (beide bindungeii vou Lachinann bescitiüft,
zurechtgelegt von Paul, Schriftsprache s. '2(5. 27 und Beitr. 1, 182. 375, die
zweite von Bechstein, Germ. 26, 390 ersetzt durch geswekh vou gesicichen,
dies abgelehnt und siveich inhaltlich gerechtfertigt von Nerger, Germ.
27, 350, beide bindungen festgehalten vou Henrici und begründet zu 2GG8).
— Armer Heinrich: sn<inc : Iranc 149. — Gute frau (1—3000): ge-
dune : tivanc 273, unUcerc : berc G33, dune : ticunc 1394, werc : bcrc 1G51,
suc : lue 1851, pfluc -. sue 1917, pflue : erschrue 2033. — Albertus,
St. Ulrich: ttca)ic : dune 430, trunc : sanc 484 u.s.w., irschrue : lue 1187.
— Gottfrid v. Strassburg: blunc : lunc 3337. 3549, dune : sunc 47G1.
47G9, hulspere : loerc 4933. Gö45. GG29. 6917, betwane : dune 5921, siurc :
ure 5977, erschrue : gclne 9059, lune : dune 9121, ZflC : erschrue 9129,
<(rc : Stare 9875 u.s.w. — Moriz v. Craon: betivanc : dune 95, ^oic :
gedunc 264 u. s. w., sture : verburc 857, bcre : M,"e?'C 891, erschrue : 7oc 1575.
— Fleck, Flore und Bl. : (1—1500): tue : erschrue 1061, sfrtrc : Aare
1211, iuune : Irune 1489. — Ulrich v. Türheim, Tristan: getivunk :
schrunk 423, murJc : kark 903, Äfl?-Ä- : 3Iu7-k 1305, s>h«Z; : muk 1454, tJt'«»iA :
frrtuA- 3447, erschruk : wuk 1969, stark : hurk 3239 u.s.w. — Rudolf
V.Ems, Gerhard: krune : getwune 2057. — Barlaam (1—26): sture :
bare 12,31, icuc : erschrue 14,25. 22,39, ttcmic : dune 21,3. — Wille-
halm (1—6000): chrunk : lanch 1015, sie : blie 1231, Gravebereh : ircrcÄ
2201, gedank : </iit'rtnc 4113. 4133. 4341. 4369. 4639. 4891 (gruppen!). 5489,
anevunc : gedunc 4407, umbehune : blunc 4847, sune : erune 5745. — Kou-
rad V. Stoffeln (Tübinger hs. 1 — 2000): dunk : zwunck 161, zicung :
gedanck 179, sprang : dank 757, Luch : magk 1536, danck : Sprung 1835,
berg : ysemcerk 1871. — K o n r a d v. "\V ü r z b u r g , P a r t o n o p i e r (l— 1000) :
sunc : dune 107, drunc : dune 385 u.s.w., teere : bere 563. — Troja-
nischer krieg: sanc : dune 1, sune : krune 145, sture : verburc 587,
teere : bere 907, pßue : sac 1047, erune : getwane 1363 u.s.w., enwee :
gitec 4027 u.s.w. — Alexius: tcec : qttec 247, lac : sac 347, iuYOiC : träne
667, <ac : nae 695. 1211, s/«;-c : bare 733, /ac : swac 13G9. — Goldene
schmiede: icerc : geticerc 107, iranc : sicunc 477, gedrunc : krune 967,
rfanc : /«'ojjc 991. — Walther v. Rheinau, Marienleben (1—3):
lang : krank 25,20. 27, 13, gesmak : walc 92, 1, stark : karg 113, 60, geticung :
getrunk 114,50, srnuk : gelue 133,15, betu-unc : gedune 137,29. — Hugo
V. Langeustein, Martina: werc : berc i,l'3, gedunc -.lunc l,b\, ivere :
getwerc 7,97, gune : crane 13,1, »mc/t : s?ac 15, 47 u.s.w. — H einzelin
V. Konstanz, Zwei Johannsen: tvidenvane : anerane : krune 22. —
Reinfried v. Braunsch weig: /.tohc : lunc 59, sture: cerburc 85, ge-
danc : ranc 123, dune : ranc 595. — Staufen berger: ivungk : lungk
133 (Schröder 1 35\ erschruk : enmag 673 (657). — Heinrich v. Beringen:
phlue : Ecilmeroduch 109. 285 {Evihnerodaeh : ungeniueh 9432. 10737),
Stare : hure 1250. 2589. 5440. 5506, errune : träne 1766, betwune : dune
3674, gune : dune 5390, jMue : erschrue 5498. — Konradv. Aramen-
hausen: datik : ttvane 2457, krank : lunk 3431, dunk : misselunk 3573
u.s.w., mak : saÄ; 4715. 11627, suk : sfaA 5075, wek : Ä'cA- 7801 (ausgehoben
AUSLAUTEND G IM OBERDEUTSCHEN. 425
von Vetter s. lxvii), salc : tak 12295, erschrak : slak 14415 u. s. w. ; aber
auch kech : vrech 7265. 9187. 18709 ; kein rff : rk, sondern rk : rh : icerch :
verch 1637. 2444. — Wisse und Colin, Parzifal: kranc : tivanc 26,2,
tivang : tranc 27, 1, tay : erschrak 29, 14, gedanc : gang 68, 22, kec : iveg
48,22, Stare : harc 93,32. — Kisten er, Jakobsbrüder: nur g : g. —
Bon er: starc : verbarc 31j21, werc : berc 65,51, kein g : nk, kk. —
Hugo V. Montfort (s. Wackernells einleitung s. clxix): werkh : perkh
11,25, kein g : nk, kk. — Hermann v. Sachsenheim, Mörin: langk :
dangk 115, dunck : gesanck 579, schaJk : balg 589. 999, kranck : sanck 1159,
tag : sack 2941, triinck : jung 33G9 u. s.w., demuetig : blick 2Qil, werck :
Wirtenberg 4011. 4047, marschalk : balck 4541. — Konrad v. Dang-
krotzheim: tag : sack 133. 261. 526, tag : erschrak 394, speck : emveg
467. — Teufels netz (1—4000): sak : tag Slo5, sak : mak 3161, tnmk :
junk 3796; rk : rg : mark (mercatura) : karc 9637 stark : mark (meduUa)
9623 ; rk : ch : rechen : werchen 319 ; assonanzen z. b. g : b 426. 501.
Hiernach ist wol vom 14. jh. an mehrfacli in umfangreichen
dichtungen die bindung- mit Ic nach liquiden gemieden (Konrad
von Ammenhausen, Konrad von Dangkrotzheim), in andern
aber wider umgekehrt nur g : rh, nicht g : nie, kk vertreten
(Boner, Hugo v. Montfort), und es ist daher bei einer künf-
tigen Untersuchung über k zu erwägen, ob sich für dieses
verfahren eine besondere erklärung bietet. Im übrigen aber
erweist sich die bindung von auslautendem g sowol mit
kkiinö.nk, als mit rk, Ik als feste Übung, auch noch über
die zeit hinaus, von der an mit Übernahme der inlautsform in
den auslaut zu rechnen ist. Damit ergibt sich bei annähme
des beiderseitigen heutigen lautwerts eine so weitgehende Un-
reinheit der mhd. reime, wie sie wenigstens in der zeit des
guten reimverfahreus nur unter dem druck der allergewich-
tigsten gründe anerkannt werden könnte. Das verfahren des
bair. ist nicht als ausreichende parallele beiziehbar. Dort gibt
die bindung des g mit kk und nk völlig reinen reim, die mit
rk, Ik ergibt bei annähme der heutigen ausspräche nur den
abstand von affricata gegen spirans nach consonant.
Im südalem. ergäbe sich dagegen gar kein reiner reim, und es
stünde blosse explosiva fortis zum einen teil gegen affricata,
zum andern gegen spirans. Sucht man einen ausweg und lässt
sich an der ausspräche des g als explosiva wenigstens nach
vocal und nasal nicht rütteln, so ist zu fragen, ob etwa für k
die ausspräche als affricata abgewendet werden kann.
Endgiltigen entscheid hierüber vermag nur eine einzelunter-
426 BOHNENBEKGER
sudiiing über diesen laut zu bringen. Inzwischen liegt es aber |
nahe, das bekannte merkwürdige verfahren Notkers liier an-
zuziehen, der auslautendes Je gerade in der Verdoppelung und
nach nasal als (/ schreibt gegenüber ch im inlaut. Nimmt
man dieses g in der bedeutung, auf welche das zeichen von
sich aus zunächst hinweist, als explosivlaut und zwar im aus-
laut und auf oberdeutschem boden als stummen, und bedenkt,
dass der unterschied zwischen stummer lenis und una'^pirierter
fortis ein sehr geringer ist, so ergibt die bindung mit g für
Notkers zeit genügend reinen reim. Die affricataausprache
im auslaut müsste nachträglich aus dem inlaut übernommen
worden sein. So lange das verfahren der hss. nicht als ent-
gegenstehend erwiesen ist, darf man vermuten, diese Übernahme
werde zusammen mit der sonstigen Übernahme der inlautsform
in den auslaut erfolgt sein, also nach der klassischen zeit des
mhd. Hiernach würde auch noch für die klassische periode
des mhd. die bindung von g mit nl-, l-Jc reinen reim mit
stummer explosiva ergeben. Bis zu einer entscheidenden
Untersuchung der geschichte von Je bietet diese annähme
wenigstens eine möglichkeit, sich mit den Schwierigkeiten
abzufinden. Ist daneben eine von der südalemannischen ver-
schiedene nordalemannische behandlung des Je auch schon
in mhd. zeit anzuerkennen, so würde dort explosivaussprache
von g und von Je sowol in verdoppelang als nach nasal, als
auch nach liquida reinen reim ergeben. Dagegen muss diese
letztere, die bindung von g mit Je nach liquida, im süd-
alemannischen auch in mhd. zeit als unrein verbleiben,
wenn für rg, Ig an der explosivaussprache festzuhalten ist.
Die Spiransaussprache des Je nach liquida lässt sich nicht
anfechten. Schon die allgemeine parallele der entwicklung
ist nicht bei Je nach nasal, sondern bei j) nach liquida, rp > rf,
zu suchen. Die Schreibung der quellen weist von der ahd. zeit
an auf spirantische ausspräche (vgl. AVilkens § 72 ff.), die bin-
dung mit rJi stimmt dazu. Das zeugnis Xotkers schliesst dann
auch für den auslaut allen zweifei aus. Gerade die Unterscheidung
2yog : poccJics nötigt dazu, in dem fehlen von Schreibungen wie
werg, scaJg einen weiteren beweis gegen auslautende explosiv-
ausspi-ache zu sehen. Auch für auslautende affricatenaussprache
des rJe fehlt es hier wie im bairischen an jedem anhält.
AUSLAUTEND G IM OBERDEUTSCHEN. 427
Das mass der Unreinheit eines reims von liqiüda + ex-
plosiva mit liquida + spirans ist aber so gross, dass man sich
nur sehr schwer entschliessen wird, einen solchen für die
gute mhd. zeit anzunehmen. So hat man zunächst zum ver-
such, g nach liquid a als spirans zu fassen, zurückzukehren.
Und da ist, wie schon oben bemerkt, anzuerkennen, dass diese
fassung durch das verhalten der heutigen mundart nicht in
gleichem masse ausgeschlossen ist wie im bair., sofern für
keine der bis jetzt bekannten formen mit explosiva nach
liquida die herkunft aus inlautsaussprache bestimmt abgelehnt
werden kann. Auch die kleine zahl der bindungen rg : rli
macht keine Schwierigkeit. Wol aber steht die schrei])ung
der quellen entgegen, die rg genau wie ng behandeln. Die
etwas grössere zahl der rcli erklärt sich völlig aus dem häufigen
anlass, in Urkunden herg, Irnrg zu schreiben. Die deutschen
Urkunden, welche ch verwenden, gebrauchen dieses für sonstiges
g im auslaut genau so wie für rg, und literarische denkmäler
oder Urkunden, die c für g nach vocal oder nasal setzen,
schreiben ebenso rc. Die Schwierigkeit bleibt also ungehoben,
und ich sehe keinen weg, dem Zugeständnis auszuweichen,
dass die alem. dichter der guten mhd. zeit auslautende
consonantengruppen in häufiger anwendung im reim
banden, die in der ausspräche ihrer mundart die laut-
gruppen rli : rx, Ik : Ix ergaben. Eine bindung der so ge-
sprochenen lautgruppen widerspricht aber so stark dem
verfahren der guten zeit, dass sie als ausgeschlossen gelten
muss, auch wenn man berücksichtigt, dass in der Stellung der
abweichenden laute am schluss einer auslautenden consonanten-
gruppe eine gewisse milderung liegt. So bleibt, falls es nicht
doch noch gelingt, auf irgendwelche weise die annähme einer
anderen mundartgemässen ausspräche zu ermöglichen, für
die alem. wie für die bair. bindung von lg, rg mit Ik, rk in
der guten zeit allein die erklärung, dass sich die dichter duiT.h
fremdes Vorbild zu diesen reimen berechtigt ansahen. Das
Vorbild müssten fränkische dichter gegeben haben, in deren
mundartlicher ausspräche k nach liquida explosivlaut war. Die
gleiche ausspräche wird für das nordalem. gebiet angenommen.
Um das frühe auftreten und die ganz allgemeine Ver-
wendung der in mundartgetreuer ausspräche unreinen bindung
428 BOIINENUERGER, AUSIwMTKVn C TM OBERDEUTSCHEN.
ZU erklären, müsste man weiter annehmen, die hinduno- sei
auf alem. und bair. boden als mundartgetreuer unreiner reim
aus der zeit des freieren reimverfahrens her üblich ge-
wesen, es habe sich also für die rein reimenden dichter nicht
darum gehandelt, die bindung erst von Vorbildern aus fremdem
mundartgebiet zu übernehmen, sondern nur darum, die in
heimischen reimen herkömmliche und in mundartlicher
ausspräche für sie anstössige bindung durch fremde Vor-
bilder zu reclitfertigen und auf deren autorität hin bei-
zubehalten. Immer erscheint aber dieses verfahren nach unseren
sonstigen kenntnissen über das verhalten der guten mhd. dichter
höchst auffallend, und es fehlt noch eine ausreichende parallele.
Wir haben ja heute wol den dichtungen der blütezeit mundart-
fremdes sprachgut in beträchtlichem masse zuzuerkennen, aber
dies betrifft doch mehr den Wortschatz, die Wortbildung und
flexionsformen als die behandlung der laute, und es tritt kaum
sonst wo in so allgemeiner und gleichbleibender Verwendung
auf. Andererseits darf mau aber auch nicht übersehen, dass
wii' noch recht wenige eingehende und zur begründung der-
artiger erwägungen ausreichende mundartgeschichtliche Unter-
suchungen besitzen. Immerhin sehe ich die specialfrage nach
dem laut wert des auslautenden g hinter liquida wenigstens
für das alemannische noch nicht als völlig gelöst au.
Die Stellung zuJellineks behandlung von g (Beitr. 15, 268.
Zs. fda. 36, 77. Zs. f. öst. gjmin. 44, 1086) mit einschränkung auf
den auslaut ist nun gegeben. Eecht hatte Jellinek mit seiner
ausetzung von affricata für das bair. von der jüngeren ahd. zeit
an, wie er auch dieser numdart einen grossen teil seiner belege
entnommen hat. Unrichtig ist seine aufstellung für das ale-
mannische und für das älteste bairische. Hier hat er zu rasch
verallgemeinert und sich auf unzureichende und einseitige
belege gestützt. Ueber seine auffassung des inlautenden und
anlautenden sowie des vorahd. g habe ich mich liier nicht zu
entscheiden, doch sind durch die alemannische und ältest-
bairische auslautsaussprache Schlüsse auf die westgermanische
Vorstufe sowie auf die behandlung im inlaut nahe gelegt.
TÜBINGEN. K BOHNENBERGEß.
DIE GERMANISCHEN ELEMENTE
DER UNGARISCHEN HUNNENSAGE.
T. Einleitung.
1) Gescliiclite der forschung.
Fast sämmtliche imgarisclie Chroniken schicken der eigent-
lichen Ungarngeschichte eine geschichte der Hunnen voraus.
Dieses vorangehen ist in den Chroniken dadurch begründet,
dass Hunnen und Ungarn als dasselbe volk betrachtet werden,
dass also das eindringen der Hunnen in Pannonien im 5. jh.
für prinius ingressus, die ung. landnahme aber im 9. jh. für
secundus ingressus Hungarorum angesehen wird. Es geht aus
diesen Chroniken hervor, dass der glaube an die Identität
beider Völker ein glaube des ung. Volkes war, und nicht viel-
leicht eine gelehrte combination oder entlehnung. Ja die
Chroniken heben ausdrücklich hervor, dass sie sich in ihren
berichten über die Hunnen zum teil auf Überlieferungen stützen,
die im munde des ung. volkes lebten. Aber auch ihre berichte
selbst beweisen an mehreren stellen durch namen und inhalt,
dass sie aus ung. sage geschöpft sind, aus einer sage, die auf-
fallend an die deutschen Überlieferungen von Etzel, Dietrich
und Kriemhild erinnert.
Von einer solchen unbefangenen und nüchternen betrach-
tung geleitet nahm W. Grimm einen teil der Hunnengeschichte,
wie sie in den ung. Chroniken erzählt wird, unter seine Zeug-
nisse über die deutsche heldensage auf.i) W. Grimm
meinte, die quelle der ung. Chroniken sei 'ein uraltes volks-
epos' gewesen, das auf deutschen Überlieferungen beruhe. Er
gab sich dem glauben hin, dass sich wenigstens noch spuren
von diesem volksepos erhalten haben müssten, und sprach den
1) Brüder Grimm , Altdeutsche wälder 1 (1813), 195 ff. (Ungarische
traditionell s. 252 ff.)
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. 29
430 BLEYER
wuiisrli aus: 'mogte docli joiiiand in Ung-arn nachspüren, ob
von diesen alten lüstorisclien liedern sich nichts mehr erhalten,
sey es in den gehürgen noch lebendig, wenn auch durch neuere
Zusätze schon getrübt, oder in bruchstücken, die durch einen
glücklichen Zufall aufgezeichnet Avurden' (a.a.O. s. 217, anni. 2).
Eine antwort auf diese frage blieb aus Ungarn gewis aus, und
so wendete sich J. Grimm im j. 1815 brieflich an einen ung.
gelehrten, namens Ludw. Schedius, um näheres zu erfahren.')
Die antwort, die Schedius geben konnte, musste für die brüder
Grimm eine enttäuschende sein, da man damals von einem
ung. Hunnenepos nichts wusste und auch heute nicht mehr
weiss, als was aus den Chroniken gefolgert werden kann.
"\V. Grimm Hess sich aber durch den miserfolg nicht beirren,
sondern hielt an der eclitheit der ung. traditionen fest und
nahm sie auch später in die Deutsche heldensage^) auf. Auf
dem material, welches "\V. Grimm aus den ung. Chroniken
sammelte, und auch auf der auft'assung, die er darüber hatte,
fusst die weitere deutsche sagenforschung, wenn sie — was
selten geschah — die ung. Überlieferungen einer aufmerksam-
keit würdigte. So K. Lachmann in seiner Kritik der sage
von den Nibelungen 3), E. Heinzel in seiner Untersuchung
Ueber die Hervararsaga^) u. a. Erst in jüngster zeit ver-
suchte G. Matthaei aus den ung. Chroniken reichlicheren und
gründlicheren gewinn für die deutsche heldensage herauszu-
arbeiten. Ob es ihm gelungen ist, will ich unten erörtern.
') Mitgeteilt vou G. Heinrich, Zs. fda. 42, 325 ff.
») 3. aufl. vou R. Steig, 1889, s. 181 ff. und 343.
^) Zu den Nibelungen und zur Klage, 1836, s. 347 f.
*) Wiener SB. bist.-pliil. kl. 114,518. — Die frage der ungarischen
Hunnengeschichte ward auch von deutschen historikern bei Untersuchungen
über den quellenwert der ungarischen Chroniken öfter gestreift, so von
(). Rademacher, Die ungarische chronik als quelle deutscher gcschichte,
Merseburger progr. 1887, s. 4; von L. v. He ine mann, Zur kritik ungarischer
geschichtsquellen im Zeitalter der Arpaden, Neues arch. der gesellsch. für
alt. d. geschichtsk. 13, 73, und in der einleitung zu den auszügen aus unga-
rischen Chroniken, MG. SS. 29, 523; von R. Fr. Kaindl, Studien zu den unga-
rischen geschichtsquellen, 1894— 19U0, Stud. 9-12, 49 ff. u. ö.; vou H. Stei-
nacker in der besprechung des Werkes von Kaindl, Mitteil, des inst. f. öst.
geschicht.sf. 24, 146. Da ihnen aber die nötigen sagengeschichtlicheu keuut-
nisse abgehen, leiten sie die ungarische Hunnensage einfach aus dem Nibe-
huigeuliede her.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 431
Der erste, der das problem der ung. Himnensage im zii-
sammenliange und mit genauem hinweis auf die deutsche und
nord. lieldensage zu lösen versuclite, war G. Wenzel. >) Er
hält die ganze Hunnengeschichte, wie sie in den Chroniken
dargestellt ist, für reine und unverfälschte ungarisch-nationale
tradition, welche die Ungarn noch aus ihren östlichen Wohn-
sitzen mit sich gebracht hätten. Ja er sucht nachzuweisen,
dass die ungarische sage einen wesentlichen einfluss auf die
spätere entwicklung der deutschen und nord. sage ausgeübt
habe. Der vermittler dieses einflusses sei — Wenzel stützt
sich hier auf eine stelle in der Klage, über welche ich unten
handle — Pilgrim, der bischof von Passau, gewesen.
Nach Wenzels erörterungen schien der ungarisch-nationale
Ursprung der Hunnensage, wie sie in den Chroniken erhalten
ist, in der ung. forschung gesichert. Fr. Toldy, der erste und
eifrigste ung. literarhistoriker, schloss sich Wenzels auffassung
an und machte sie durch seine literaturgeschichten populär. 2)
Sie ward auch von dem ung. niythologen Arn. Ipolyi^) geteilt,
der die Hunnengeschichte nun auch in mythologischer hinsieht
auszubeuten bestrebt war. In dieser ihrer Überzeugung wurden
die ung. forscher durch Am. Thierry noch bestärkt, der seiner
geschichte Attilas eine Untersuchung über die Attila- sagen
angehängt hatte. 4) Er geht von der Voraussetzung aus, dass
die Ungarn als nachfolger der Hunnen in ihren europäischen
Wohnsitzen eigene sagen über Attila und die Hunnen haben
mussten, und dass also die berichte der ung. Chroniken als
echte ung. traditionen betrachtet werden dürfen.
Doch sollte diese leichtgläubigkeit bald in einen skeptischen
kriticismus umschlagen. P. Hunfalvy bekämpfte zum ersten-
mal die möglichkeit einer ung. Hunnensage und wollte in der
Hunnengeschichte der ung. Chroniken lediglich eine gelehrte
compilation sehen: 'die charakteristischen (nämlich in aus-
*) Eszmetöredekek a magyar nemzeti husmonda törtenettudomänyi
meltatäsära, Eeguly- Album 1850, s. 1 ff.
^) Vgl. Geschichte der ungarischen literatur im mittelalter, 1865, s. 30 ff.,
und Geschichte der ungarischen dichtuug von den ältesten zeiteu bis auf
Alex. Kisfaludy, 1863, s. 17 ff.
3) Magyar mythologia, 1854, s. xvi und 153 ff.
") Histoire d' Attila et ses successeurs», 1865, 2, 3'l:2ff.
29*
432 BLEYER
liiiulisclien geleluten gescliiclitswerken nicht enthaltenen) nach-
richten der magyarischen Chroniken über die Hunnen . . .
stammen weder aus einlieimischen oder nationalen ([uellen,
noch aus lat. und giiech. historikern: sondern sind den deutschen
geschichtsschreibern und Chroniken entlehnt.'') In einem
andern werke bezeichnet Hunfalvj' diese deutsche quelle näher
als das Nibelungenlied, dessen inhalt von deutschen priestern
in die ung. geschichtsschreibung hineingetragen und mit histo-
rischen berichten aus lat. Chroniken verquickt worden sei.*)
Der auffassung Hunfalvys stimmte Fr. Riedl bei und suchte
sie auch seinerseits zu begründen. 3) Er nimmt u. a. an, dass der
Verfasser der Hunnengeschichte nicht nur aus dem Nibelungen-
liede, sondern auch aus kleineren deutschen epischen diehtungen
geschöpft habe. Nach ihm aber (und darin weicht er von H.
ab) ist im ganzen nicht viel aus der deutschen heldensage ent-
lehnt: Detres rolle und einige züge in der geschichte der söhne
Attilas. Von demselben Standpunkte beurteilte auch H. Mar-
czali die Hunnengeschichte und sprach ihr jeden sagengeschicht-
lichen wert (mit ausnähme der gestalt Csabas) ab.^)
Im allgemeinen aber fand Hunfalvy mit seinen neuen
ansichten entschiedenen Widerspruch. Man fand zwar die auf-
fassung "\^'enzels unhaltbar und liess sich auch überzeugen,
dass die Hunnengeschichte aus ausländischen Chroniken ge-
schöpft habe, und dass sie auch einzelne elemente aus der
germ. heldensage enthalte; aber man war auch weiterhin nicht
geneigt, die erzählung der Chroniken von den Hunnen ledig-
lich als gelehrte compilation, als eine mönchische buchsage,
die niemals im ung. volksmunde gelebt habe, anzusehen. Auch
unbefangene und besonnene stimmen sprachen gegen eine solche
auffassung, die mit den ausdrücklichen erklärungen der Chro-
nisten und dem Inhalte ihrer erzählung im Widerspruche stand :
so namentlich P. Gyulai^) und K. Szäsz.e)
') Ethnographie von Ungarn, 1877, s. 105.
*) Die rngcrn oder Magyaren, 1881, s. 120 ff.
^■■■^ ') A_jDagvar himmoniläk,^ Buda-ye&ti ^aeml« 07, QQl ff. a
*) Ungarns geschichtsquellen im Zeitalter der Arpadeu , 1882, s. 54 ff.
und 82 f., nnd A szekelyek eredetprol, Buda-pcsti szenile 25,142.
"*) In auraerknngen zu Marczalis und Riedls abhandlungen, Buda-pesti
szemle 25, 142. 27, 340.
*) A vilägirodalom nagy eposzai, 1882, 2, 162 f.
DTE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE, 433
Die frage drängte im streite der parteien nach einer all-
seitigen methodischen behandlung. Den weg dazu wies G.
Heinrich, ein gründlicher kenner der deutschen heldensage,
in seiner Untersuchung über Etzelburg und die ungarische
HunnensageJ) Aus einer erörterung der frage, wann die bürg
Etzels von der deutschen heldensage in dem heutigen Alt-Ofen
localisiert wurde, kommt er zu dem resultate, dass eine solche
localisierung in dem Nibelungenliede und den älteren deutschen
dichtungen unbekannt sei, und in den späteren bearbeitungen
der sage nicht anders als auf den einfluss der ung. Chroniken
zurückgeführt werden könne. Es müsse also eine eigene ung.
Überlieferung vorhanden gewesen sein, in welcher Attilas resi-
denz nach Alt-Ofen verlegt war, denn nach dem historischen
berichte des_Priscus_JiüfaM_^§ich der wohnsitz Attilas in der
Theissgegend. Zu dieser localisierung sei die tradition wahr-
scheinlich durch die ruinen Aquincums, an dessen stelle Alt-
Ofen erbaut wurde, veranlasst worden. Die ung. Überlieferung
von den Hunnen sei aber nicht aus Asien mitgebracht worden,
sondern sei germanischen, vielleicht geradezu deutschen Ur-
sprungs, die von den Ungarn in ihren neuen Wohnsitzen in
Europa als volkssage vorgefunden, als solche angenommen und
weiter entwickelt worden sei.
Auf Gr. Heinrichs und P.Gj-ulais anregung unterzog G.Petz
die ganze frage einer eingehenden methodischen prüfung.^)
Durch einen genauen vergleich der Hunnengeschichte in den
ung. Chroniken mit den ausländischen sagen und gelehrten
geschichtswerken gelangte er zu dem resultate, dass die ung.
Hunnengeschichte aus der Verschmelzung dreier demente
hervorgegangen sei. 'Die grundlage bildet die erzählung
historischer tatsachen und mit diesen verknüpfter Überliefe-
rungen, für welche die werke ausländischer geschichtsschreiber
als quelle dienten. Zur überbrückung der lücken in dieser
historischen darstellung schöpfte der Chronist aus der ihm
bekannten volkstümlichen (ung.) tradition und mischte auf
diese weise echte sagenhafte züge in den historischen stoff.
^) Etzelburg es a magyar hünmouda, Akad. ertekezesek a nyelv-es
szeptud. köreböl, 1882, 10, no. 2.
2) A magyar hünmonda, 1885.
434 HLKYEK
Diese sagenhaften bestandteile liaben doppelten ursprnng: sie
berulien teils auf deutschen, teils auf unp:. Überlieferungen.
Die deutschen sagenelemente von Dietrich und Krienihild
konnte unser Verfasser weder aus dem Nibelungenliede, nucli
aus andern bekannten deutschen poetischen «luellen entnehmen,
sondern entnahm sie aller wahrsclieinlichkeit nach aus der
lebendigen tradition des in Ungarn sesshaften Deutschtums,
die wenigstens teilweise — nach dem Zeugnisse der Chroniken
— auch von dem uug. volke selbst angenommen worden war.
An diese tradition knüpfte der Verfasser der Hunnengeschichte
ungarische sagenelemente, dünne fäden einer reicheren Über-
lieferung, w'elche unser volk nicht aus seiner heimat mit sich
brachte, sondern in seinen neuen Avohnsitzen von Völkern, die
sich nach den Hunnen hierzulande niedergelassen hatten,
herübernahm. Ein teil dieser sagenhaften berichte bezieht
sich denn auch ursprünglich nicht auf die Hunnen, sondern
auf spätere historische ereignisse. Unser Verfasser (der verf.
der Huunengeschichte) brachte in der Verbindung dieser ver-
schiedenartigen elemente auch seine eigene auffassung zur gel-
tung, indem er bald an dem ^■orllandenen material Verände-
rungen traf, bald auch an dasselbe unwesentliche züge hinzu-
fügte. Ueber die ganze darstellung verbreitete er nationalen
geist und den reiz poetischer naivetät' (a.a.O. s. 101).
Nach der ergebnisreichen Untersuchung von Petz konnte
kein zweifei mehr darüber bestehen, dass der grösste teil der
Hunnengeschichte auf gelehrter entstehung beruht und nur
ein kleiner teil echte sage enthält, der aus einer reicheren
ung. Volkstradition geschöpft ist. Auch daran ward nicht
mehr gezweifelt, dass diese volkstümliche Überlieferung, soweit
sie in der Huunengeschichte erhalten ist, grösstenteils ger-
manischen, vielleicht sogar deutschen Ursprunges ist, und dass
nur wenige elemente als specifisch ung. zusätze betrachtet
werden dürfen. Doch die avoI begründete behauptung von
Petz, dass auch von diesen Zusätzen nichts als alte hunnische
tradition aus Asien mitgebracht worden sei, wurde von einigen
ung. forschem bestritten, und zwar von denjenigen, die sich
auch in anderen hinsichten von dem gedanken einer verwant-
schaft oder doch enger historischer beziehungen zwischen
Hunnen und Ungarn trotz der ermangelung eines einzigen
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 435
wirkliclien beweises nicht lossagen können. Der eifrigste Ver-
treter dieses glaubens ist G.Nagy '); neben ihm auch J.Thiiry^),
B. Munkäcsi3)j graf G. Knun^) u.a.
Seit Petz befassten sich zwei ung. forscher eingehender
mit der Hunnengeschichte: J. Sebestj^en und J. Karacsonyi.
Beide verknüpfen die frage der Hunnensage mit dem sog.
Szekler-problem, wie das seit Hunfalv}^ — gewis zum schaden
der sagengeschichtlichen forschung — meist der fall war; nur
Heinrich und Petz wussten sich von einer solchen verquickung
freizuhalten. In der Hunnen geschichte wird nämlich erzählt,
dass die Szekler ein volk Attilas gewesen seien, das nach dem
abzuge der Hunnen in dem heutigen Ungarn zurückgeblieben
wäre. Die ung. forschung glaubt natürlich schon längst nicht
mehr an die historische Wahrheit dieses berichtes, doch Avii'd
er pro oder contra bei dem versuche einer lösung der Szekler-
frage immer wider herangezogen.
Sebestj'en^) stützt sich auf die ergebnisse der Unter-
suchungen von Petz und glaubt an die existenz einer ung.
Hunnensage germanischen Ursprungs. Die vermittler dieser
germ. Überlieferungen seien seiner ansiclit nach dTe'~ziirircl?-'
^ei7lTCb'elfeirYest'e~c[eFXvären gewesen, von denen — so nimmt
er liu — die Szekler zum teile abstammen. Sebestyeus aus-
führungen sind reich an gelehrsamkeit und geistvoller com-
bination, sie überschreiten aber meist die grenzen des beweis-
baren und wahrscheinlichen. Sebestyen befasst sich nicht so
sehr mit dem Inhalte der Hunnengeschichte selbst, als mit
der frage der Vermittlung, die augenfällig seine Szekler-theorie
unterstützen soll. So ist er denn auch nur in wenigen punkten
über Petz hinausgekommen, und hier nicht immer — wie wir
sehen werden — mit wirklichem erfolg. Auch die frage der
1) Adatok a szekelyek eredetehez es egykori lakhelyehez, 1886, s. 129 ;
Az Attila uev, Etlmographia 1, 259 f. ; Moiida es liagyomäny, Ethnographia
5, 26 ff. und in den bezüglichen artikeln im Pallas Nagy lexikona.
'■') Krouikäsaiuk es a uemzeti hagyomäny, Irodalomtörteneti közleme-
nyek 7, 290.
3) Hunnische Sprachdenkmäler im ungarischen, Keleti szemle (Revue -^
Orientale) 2,197.
*) Hunyadvärmegye törtenete 1 (1902), 221.
^) A magyar honfoglalas mondäi 1 (1904). 2 (1905). Wenn ich den
band nicht angebe, ist immer der 1. bd. gemeint.
436 HT.KYEU
verniittlniig. auf die er das grösste gewicht legt, hat er meiner
Überzeugung nach nicht gelöst.
Dass auch seine Szekler-theorie selbst nicht als endgiltige
lösung des problems angesehen wird, zeigt eben die abhand-
lung von J. Karacsonj'i. ') Karacsonyi bestreitet jeden eth-
nischen unterschied zwischen Szeklern und Ungarn. Sie seien
ursprimglich ein ung. hirtenvolk gewesen in gebirgen und
Wäldern und seien erst später in dem gebirg- und waldreichen
Siebenbürgen angesiedelt worden. Er spricht also dem be-
richte der Hunnenchronik jeden historischen wert ab; und
darin hat er gewis recht. Er verwirft aber auch jeden sagen-
geschichtlichen wert der Hunnenchronik, die er für eine un-
beholfene compilation voll absichtlicher fälschungen liält.
Karacsonyi überschreitet hier in ermangelung der niitigen sagen-
geschichtlichen kenntnisse-) seine competenz als historiker, und
wie scharfsinnig und bestechend auch seine streng historischen
ausführungen sein mögen, sind sie doch, soweit sie sich auf
die frage der ung. Hunnensage und der Hunnenchronik über-
haupt beziehen, entschieden irrig und beruhen auf unmethodi-
schen Voraussetzungen. Namen und begebenheiten werden in
solcher fülle, wie Karacsonyi annimmt, nicht einmal von den
berufsdicht ern des mittelalters. geschweige denn von geist-
lichen Chronisten erdichtet, die die Wahrheit berichten und
geschichte schreiben wollten. 3) Auf diese weise könnte jede
historische sage, die jemals aufgezeichnet wurde, für eine
absichtliche fälschung eines gelehrten Verfassers erklärt werden.
'Der mittelalterliche Chronist' — so sagte G.Heinrich schon
vor 25 jähren in bezug auf die Hunnenchronik (a.a.O. s. 27)
— 'ist kein geschichtsschreiber im modernen sinne des Wortes,
aber auch kein dichter. Der Verfasser der chronik combinierte
^) A szekel^'ek eredete es Erdelyhe valö letelepülese. Akad. ertek. a
törteneti tudomäiiyok köreböl 20, no. 3 (1905), G ff.
2) Er scheint nicht einmal von der abhaudluug von Petz kenntnis
genommen zu haben.
') Wie hätte die Hnnnengcschichte solchen anklang finden können,
wenn ihr Verfasser — Avie Karacsonyi behauptet — zum teil eroignisse,
die sich in Ungarn im 12., ja im 13. jh. vollzogen, in solch AvinkUrlicher,
lügenhafter weise combiniert und daraus eine ganz andere, fremde geschichte
zusammengestellt hätte. Ein solches vorgehen wäre doch gewis erkannt
und schon im 13. jh. zurückgewiesen worden.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG, HUNNENSAGE. 437
das material, das ihm zur Verfügung staud, brachte die ein-
zelnen teile desselben miteinander in einklang, natürlich nur
ganz äusserlich und ohne jedes kritische gefühl; er ergänzte,
soweit es möglich, die lücken der tradition, knüpfte seine er-
zähl ung an den urqnell seines Wissens und glaubens, an die
Bibel, deutete und etymologisierte, meist in ganz naiver, ja
lächerlicher weise; aber wir schreiben ihm vom Standpunkte
seines Zeitalters nicht des bösen, sondern des guten viel zu viel
zu, wenn wir ihn für einen dichter halten, der wesentliche
Partien seiner darstell ung aus seiner phantasie geschöpft, oder
sagen wir, aus seinen fingern gesogen hat.'
Schon oben habe ich erwähnt, dass die ung. Hunnensage
in jüngster zeit auch von deutscher seite eine eingehende be-
handlung erfuhr. G. Matthaei sucht in einer längeren ab-
handlungO nachzuweisen, dass die ung. Hunnensage — als
volkssage gedacht — bairischen Ursprungs sei und sich seit
etwa dem beginn des 11. jh.'s aus Baiern nach Ungarn aus-
breitete. Matthaeis arbeit ist mit genauester kenntnis der
germ. sagen geschichte abgefasst, aber trotzdem sind seine
ergebnisse hinfällig. Er kennt die ung. forschung nicht, die
ihm in seiner Untersuchung in vielen punkten einen sicheren
halt hätte bieten können. Er merkt nicht, dass die Hunnen-
geschichte nur in einzelnen partien wirkliche sage enthält,
und stützt sich in seinen Schlüssen oft auf angaben, deren
gelehrter Ursprung schon längst erkannt worden ist; anderer-
seits aber lässt er einzelheiten ausser acht, die echte Über-
lieferung enthalten. Es ergeben sich daraus methodische
misgriffe, die seine Untersuchung in ihrem ganzen umfange
unhaltbar machen. Dies werde ich im laufe meiner erörte-
rungen deutlich nachweisen können.
In der forschung über die ung. Hunnensage bedeutet also
die abhandlung von Petz nicht nur einen wende-, sondern
auch einen höhepunkt: was früher geleistet worden war, ist
überwunden und veraltet; was seither geschrieben wurde, kann
nur teilweise und zwar nicht in wesentlichen punkten als
fördernd betrachtet werden. Ich gehe also meist von den
^) Die Zairische Himueusage in ihrem Verhältnis zur Amelungen- nnd
Nibehtngensage, Zs. fda. 46, 1 ff.
438 HI.KYER
ergebnissen von Petz aus und suche liauptsäclilich zwei fragen,
die Petz nicht nälier untersuclite, zu beantworten: a) welche
stelle nimmt die uug. Hunnensage, soweit sie germanischen
Ursprungs ist, in der chronologischen und geographischen ent-
wicklung der germ. heldensage ein? — b) wo und von welchem
germ. stamme hat das Ungarntum die germ. elemente seiner
Hunnensage herübergenomnien? Ich glaube aus der beant-
wortung dieser fragen werden sich nicht nur für die ungarische,
sondern auch für die deutsche heldensage einige, nicht ganz
unbedeutende resultate ergeben.
2) Zeugnisse und quellen der ungarischen
Hunnensage.
Als ältestes zeugnis für die existenz einer ung. Hunnen-
sage wird vielfach') ein bericht über Attilas schwei't bei
Lambert von Hersfeld 2) angesehen. Tiambert erzählt, Otto
von Baiern habe Attilas schwert von der mutter des ung.
königs Salomon erhalten, welches später an den kaiser Hein-
rich IV. gekommen sei. Dieser habe es seinem lieblinge,
Liutpold von Merseburg, geschenkt, der aber bei einem stürze
vom pferde in die spitze des Schwertes gefallen und an der
wunde gestorben sei. Ueber dieses angebliche schwert Attilas
berichtet schon Jordanes (Getica cap. 35) nach Priscus, und
es kann kein zweifei darüber bestehen, dass wir es bei Lam-
bert — soweit es sich um Attila handelt — mit einer gelehrten
fabel zu tun haben, die in letzter quelle auf Jordanes, den
übrigens Lambert selbst anführt, zurückgeht. A\'eder die
deutsche, noch die ung. Überlieferung weiss etwas von diesem
verhängnisvollen Schwerte. Hätte die ung. tradition darum ge-
Avusst, so hätten es die ung. Chronisten gewis nicht verschwiegen.
AVir sind also keineswegs berechtigt, in dem berichte Lamberts
ein Zeugnis der ungarischen Hunnensage zu erblicken, wie
schon Hunfalvy (Ethnographie von Ungarn s. 100) und Petz
(a.a.O. s. 50 f.) mit recht betont haben.
') So von IL Marczali, Ungarns geschiclitsfiuellcn im Zeitalter der
Arpaden s. 55, anni. 19. — Paul er Gy., A raagyar nemzet türtenete az
Arpädhazi kirälyok alatt 1", 112 und 431. — Vgl. auch A. Ipolyi, Unga-
rische sagen und märchenzüge, Zs. f. deutsche rayth. 2, 169.
') MG. SS. 5, 185 ad ann. 1071; vgl. W. Grinnu, D. heldensage' s. 353.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 439
Ein anderes zeugnis will man allgemein') in einer be-
kannten stelle der Klage finden, wo Pilgrim erklärt, dass er
überall nacliricliten über den kämpf der Bnrgunden nnd Hunnen
sammeln nnd niederschreiben lassen wolle. Unter anderem
beabsichtigt er seine boten auch nach Hunnenland zu schicken,
um dort nachfrage über das ereignis anstellen zu lassen:
dar umbe sende ich nu zehant
mine boten in Hinnen laut:
da vinde ich wol diu mtere;
wand iz vil übel waere,
ob ez behalten würde niht.'')
Nun sind ja die beziehungen Pilgrims, des bischofs von Passau,
zu Ungarn bekannt; ich kann aber nicht glauben, dass Pilgrim
tatsächlich boten nach Ungarn geschickt hätte, um Überliefe-
rungen von dem untergange der Bnrgunden zu sammeln. Auch
glaube ich nicht, dass der Verfasser der Klage selbst daran
gedacht hätte, dass solche traditionen hätten in Ungarn ge-
sammelt werden können. Die richtige erklärung dieser stelle
ist eine andere. Der fiedler Swemmel bringt Pilgrim die er-
schütternde nachricht von dem verderben seiner verwanten,
der burgundischen könige, in Hunnenland. Als sich nun Swemmel
verabschiedet, um auch die niutter Günthers und Kriemhilds in
Bnrgunden zu benachrichtigen, wird er vom bischof aufgefor-
dert, auf seiner rückkehr in Passau einzukehren, da er die
ganze begebenheit pünktlich niederschreiben lassen wolle. Zu
diesem zwecke beabsichtigt aber Pilgrim auch anderwärts
nachfrage anstellen zu lassen, ja er will seine boten auch
nach Hunnenland senden, um alles genau und ausführlich zu
erfahren, Pilgrim ist natürlich als Zeitgenosse x4-ttilas gedacht,
der sich über das furchtbare ereignis durch augenzeugen —
wie auch Swemmel einer war — will unterrichten lassen.
Solche aber waren selbstverständlich in erster reihe auf dem
schauplatze des ereignisses, also in Hunnenland, anzutreffen;
wollte er also pünktliche mitteilungen erstatten, so musste er
seine boten nach Hunnenland, natürlich als Zeitgenosse Etzels
nach dem Hunnenlande Etzels und nicht nach dem Ungarn des
^) So Petz a. a. o. s. 98 f. Sebestyen a. a. o. s. 364 f.
2) V. 3475 if. Bartsch.
•110 KLEYKK
10. jli/s, schicken. In der an<iefü]irten stelle der Klage kann
also kein zeiignis für die nng. Himnensage gesehen werden.
Das älteste Zeugnis für diese ') können -wir erst bei dem
anonymen notar künig Belas-), wahrscheinlich III. (1172 — 96)^)
mit bestimmtheit nachweisen. Schon W. Grimm ^) hat darauf
hingewiesen, dass der notar die ung. Hnnnensage gekannt
haben müsse, und bedenken, die gegen diese auffassung geltend
gemacht werden, sind unberechtigt."') Damit soll natürlich
nicht gesagt sein, dass er die Hunnenchronik gekannt habe;
dies ist gewis ausgeschlossen, von unserem Standpunkte aber
auch nicht wichtig. Er weiss von der abstammung des hauses
Ärpäd von Attila (cap. 1 u. ü.); er berichtet von der bürg At-
tilas {Ecilhnrij = hiidunar: cap. 1 u. ö.); er erzählt, dass der
anzug der Ungarn bei den sl avischen Völkern furcht und
grauen erweckte, da sie ihre führer, Almos und Arpäd, für
erben Attilas hielten (cap. 12 u. ö.); er weiss auch, dass die
Szekler ein volk Attilas sind (cap. 50), und erwähnt endlich
auch C'saba, freilich in einem von den übrigen Chroniken ab-
weichenden zusammenhange (cap. 45). Wenn aber der anonyme
notar die Hunnensage kannte, warum verwertete er sie in
^) "Wenn R. Fr. Kaindl (a. a. o. Stud. 3—4, 28) behauptet, dass iu der
iing.-poln. Chronik (Mon. Pol. hist. ed. Aug. Bielowsld s. 495 ff.) die erste auf-
zeichuung der ung. traditiou über Attila vorliege, so beruht dies auf einer
allzu hohen eiuschätzung dieser chronik, die sich zum schaden seiner Unter-
suchungen sehr oft geltend macht. Ausser der identificierung der Hunnen
und Ungarn befindet sich in dieser chronik nichts nennenswertes von volks-
tümlich-ungarischen elementeu. Vgl. die besprechung von AI. Domauovsky,
Szazadok 37, 401 tf.
- *) Gesta Hungarorum, her. von M. Floriauus in Historiac Hungaricae
fontes domestici, SS. 2, 1 ff.
^) Dass der chronist der notar künig Belas 111. Avar, daran muss nach
den ausfiihrungen M. Floriauus' (a. a. o. s. 258 ff.) trotz v. Hcinemanu, Kaindl
u. a. mit J. Pauler (A magyar ncmzet törteuete az Arpädhäzi kirälyok alatt
2^, 600 ff".) festgehalten werden. Vgl. H. Steinackers besprechung a.a.O.
s. 135 ff.
*) Altdeutsche wälder 1, 252. Vgl. auch Salamon F., Budapest törtenete
2 (1885), 53 f.
5) Wenn der notar den namen Ihmni nicht erwähnt, so beweist dies
nicht, dass er nicht gewusst hätte, dass Attila )io»iinatis.<fi))tus atque pofen-
iissiinus rcx (cap. 1), flagdlum dei (cap. 20), der köiiig der Hunnen gewesen.
Eine solche Voraussetzung ist dem gelehrten, belesenen und auf der höhe
seiner zeit stehenden notar gegenüber durchaus unzulässig.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 441
seiner chronik nicht, wenigstens in dem masse wie die späteren
Chronisten? Der notar, der in seinem gelehrtenhochmute alle
Überlieferung des gemeinen Volkes verschmähte, antwortet auf
diese frage selbst: Si tarn nohilissima gens Hungarie siie gene-
rationis et fortia queque facta siia ex falsis fahulis rusticorum,
uel a garriilo cantu ioculatorum quasi som]}niando audiret,
ualde indecorum, et satis indecens esset.'^) Wir haben also in
der Chronik des anonjinen notars ein sicheres und zugleich das
älteste Zeugnis der ungarischen Hunnensage.
Die sage selbst, wenn auch nur in bruchstücken, ist in
der sog. Hunnengeschichte enthalten, die von den ung. Chro-
nisten, mit ausnähme des notars, der eigentlichen Ungarn-
geschichte vorausgeschickt wird. Man hielt die Hunnen und
Ungarn für dasselbe volk, erzählte also von dem primus in-
gressus Himgarorum in Fannomam (der eroberung Pannoniens
durch Attila) und von dem secundus ingressus (der landnahme
der Ungarn im 9. jh.).
Die älteste erhaltene chronik, in der die geschichte der
Hunnen erzählt wird, ist von Simon Kezai"^) {mag ister Simon
de Keza fidelis clericus eins, d. i. Ladislaus III. [eig. IV.] oder
der Rumänen, 1272—1290) nach 1282 und vor 1290 abgefasst.
Simon Kezai stammt — wie es D. Csänki wahrscheinlich ge-
macht hat^) — aus dem ehemaligen Keza zwischen Bicske und
Ettyek im nördlichen teile des heutigen comitates Stuhlweissen-
burg, also aus einer gegend, wo, wie wir sehen werden, die
ung. Hunnensage localisiert war. Von den übrigen Chroniken,
in welchen die Hunnengeschichte enthalten ist, will ich folgende,
auf die ich in meinen ausführungen öfter bezug nehme, hervor-
1) Prologiis. Vgl. auch cap. 42 und 25, wo der sageuhafte bericht eben-
falls durch ein Quid plura? unterbrochen wird, wie in cap. 1, wo er von
Attila spricht. — Die beiden haupthelden der ungarischen Hunneusage sind
Attila und Theoderich d. gr. ; dass aber diese keine Zeitgenossen gewesen,
wussten die meisten der mittelalterlichen Chronisten (so das sog. Chronicou
Urspergense; W.Grimm, D. heldensage^ s. 41; Otto von Freisingen a. a.o.
s. 43; Gottfried von Viterbo a.a.O. s. 49 u.a.), und wusste es höchst wahr-
scheinlich auch unser notar. Dies kann eine der Ursachen gewesen sein,
warum er die ganze Hunneusage fallen Hess.
'^) Gesta Hungarorum , her. von M. Florianus, Historiae Hungaricae
fontes domestici, SS. 2, 52 ff.
3) Keza, Szäzadok 37, 885 ff.
442 HLKYKR
lieben: Oliroiiicon pictum Viiulobonensc (her. von M. Flo-
rianus a.a.O. 2, 100 ff.), Chronicon Dnbnicense (ebda. 3, 1 ff.),
Chronicon Posoniense (ebda. 4, 1 ff.), Heinrichs v. Mäj^eln
Deutsche chronik der Hunnen (her. von M. G. Kovachich,
Sammlung kleiner, noch ungedruckter stücke. 1805, s. 1 ff.) und
die gewis von ihm verfasste lat. Keimchronik (her. von J. Chr.
Engel, Monumenta Ungrica, 1809, s. 1 ff. — Vgl. G. Eoethe,
Heinrichs von Mügeln ungarische reimchronik, Zs. f da. 30, 345 ff.),
Chronicon Budense (her. von J. Podhradczky, 1838) und die
Chronik Johann Turuczis, eines Zeitgenossen der Hunyadi
.(abgedr. bei J. G. SclnAandtner, Scriptores rerum Hungaricarum
1, [174GJ, 1 ff.). Alle diese Chroniken sind in ihrer erhaltenen
gestalt jünger als die Kezais, und stammen aus dem 14. und
15. jh. Die Übereinstimmung dieser Chroniken mit der Kezais
ist meist wörtlich, und abweichungen sind namentlich in der
Hunnengeschichte nicht eben häufig, wenn auch — wie wir
sehen werden — nicht immer unwichtig. Eben deshalb wird
die Hunnengeschichte von einem grossen teile der forscher für
das werk Kezais gehalten, das von den übrigen Chronisten
ausgeschrieben worden wäre.') Ein anderer teil der forscher
hingegen behauptet auf grund der abweichungen und ergän-
zungen, welche die angeführten Chroniken Kezai gegenüber
aufweisen, dass die Hunnengeschichte nicht von Kezai herrühre,
ursprünglich auch nicht mit der Ungarngeschichte verknüpft
gewesen sei, und dass sie in der ersten hälfte oder um die
mitte des 13. jh.'s abgefasst worden wäre; sie sei dann von
Kezai und den späteren Chronisten ausgeschrieben und mit
der Ungarngeschichte — und zwar ziemlich ungeschickt —
verbunden worden. 2)
') So zuletzt von R. Fr. Kaindl, Stud. 9 — 12, 35 ff., und von J. Karacsonyi
in seiner oben angeführten abhandlung, die in diesem ihren teile keineswegs
überzeugend ist.
^) So H. Marczali, Ungarns geschichtsquellen im Zeitalter der Arpädeu
s. 41 ff. Pauler Gy., A magyar nemzet törtenete Szent Istvänig, 1900, s. 199.
H. Steinacker in der oben augef. besprechung a. a. 0. s. 146. Sebestyen Gy.
a. a. 0. s. 288 ff. — Dass der Verfasser ein Deutscher gewesen wäre, Avie
II. Marczali vermutet, ist ganz ausgeschlossen (vgl. Kaindl, Stud. 9 — 12, 51 f.).
Dem widerspricht, wenn wir auch von dem umstände, dass eine ungarische
volkssage von einem deutschen Verfasser nicht hätte herangezogen und aus-
gebeutet werden können, aufs entschiedenste die antideutsche teudenz. die
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HÜNNENSAGE. 443
Welche von den beiden ansicliten die richtig-e ist, mag-
dahingestellt sein. Eine entscheidung' ist schwierig, nnd ich
kann mich nicht bedingungslos der auffassung von Kaindl und
Karäcsonyi anscliliessen, trotzdem die autorschaft Kezais von
sagengeschichtlichem Standpunkte eine sehr plausible wäre,
da Kezai wahrscheinlich aus einer gegend stammt, wo die
sage localisiert war. Doch obgleich diese gegend gewis die
eigentliche heimstätte der sage war, war dieselbe zweifellos
in einem grossen teile Ungarns, wenn nicht im ganzen lande
verbreitet. So ist denn der streit der historiker für uns auch
hier nicht von Wichtigkeit. Wir müssen die sage, soweit sie
in der Hunnengeschichte erhalten ist, über ihr alter selbst
befragen, und da haben denn einige decennien unterschied in
der schriftlichen fixierung gar keine bedeutung. Wenn ich
mich also in meiner Untersuchung in erster reihe an den text
Kezais halte, so will ich damit nicht behauptet haben, dass
Kezai der Verfasser der Huunengeschichte sei. Ich tue es
lediglich aus dem gründe, weil in Kezais chronik, wie sie denn
tatsächlich von allen die älteste ist, personen- und Ortsnamen,
die für uns Wichtigkeit haben, im allgemeinen in einer alter-
tümlicheren form erhalten sind. Dabei werde ich aber immer,
WO es nötig, auch die übrigen Chroniken heranziehen.
Aus der zeit nach Johann Turoczi hat nur noch die ge-
schichte Attilas von Nie. Ol ah aus der ersten hälfte des 16.jh.'s
nicht interpoliert sein kann, wie 0. Rademacher es für möglich hält (Die
ungarische chronik als quelle deutscher geschichte, Mersehurger progr. 1887,
s. 16), da sie ein tragender und gestaltender gedanke der ganzen Hunnen- , .
geschichte ist. Auf grund der deutschen Wörter und anspielungen , die in l_U,*>y-'^
der HunuengescMchle Torkomm eil (eine genaue Zusammenstellung siehe bei ' i
0. Eademacher a.a.O. s. 16), nimmt Sebestyen (a.a.O.) an, dass die be- \ > „^-^'^'^^ \
Ziehungen des ungarischen königshauses zum thüringischen hofe infolge '' -v
der Vermählung der ung. königstochter Elisabeth mit dem landgrafen
Ludwig von Thüringen auf die abfassung der Huunengeschichte von einfluss _ Jy^
gewesen seien. Nun ist diese annähme, falls die Hunnengeschichte in der v^^' ^
ersten hälfte des 13. jh.'s abgefasst sein sollte, zwar möglich, aber zur er- »^^^^va '^ '^
klärung der deutscheu demente nicht die einzig mögliche: deutsche spräche .
und deutsche Verhältnisse können in Ungarn zur zeit der grossen deutschen ^ \kJT^*^\
colonisationen im 12. und 13. jh. nicht so ganz unbekannt gewesen sein. '^
Sicher aber ist — dies wird sich aus den folgenden erörterungen deutlich
ergeben — , dass die Hunnengeschichte stofflich nicht die leiseste spur von
einer einwirkung der deutschen heldeusage des 13. jh.'s zeigt.
I-
444 BLEYEU
für uns bedeiitiing-J) Oläli scheint die sage noch im volks-
nmnde gekannt und aus ilir ein paar ziige unmittelbar ent-
nummen zu haben. Die ursprüngliche Hunnengeschichte ist
im übrigen bei ihm. wie auch schon bei Turoczi, mit verschie-
denem gelehrten beiwerke erweitert und zersetzt. Die übrigen
geschichtswerke der humanisten sind für uns ganz ohne wert,
und werden deshalb von mir principiell ausser acht gelassen.
Die erzählungen aus der ung. Hunnensage, die in ihren werken
enthalten sind, sind sämmtlich aus den bekannten ung. Chro-
niken, namentlich aus Turoczi, entnommen und mit andern
gelehrten elementen combiniert und meist entstellt. Hierher
gehören die werke von Bonfinius (Rerum Ungaricarum de-
cades), Ranzanus (Epitome rerum Hungaricarum, bei M. Flo-
rianus a.a.o. 4, IGöff.), Callimachus (Attila; in Bonfinii rer.
Ung. dec. ed. Sambucus, Frankf. 1581, s. 853 ff.), Ritius (De
regibus Ungariae, in der a. ausg. des Bonfinius s. 837 ff.), Sig-
1er US (Chronologiae rerum Hungaricarum, bei ^I. Bei, Adparatus
ad historiam Hungariae, Posonii 1735, s. 43 ff.), u. a., wie auch
die Zeugnisse über die ung. Hunnensage bei Cuspinianus (vgl.
Erdelyi J., Kisebb prözjii 1,37), Lazius (De gentium aliquot
migrationibus, Francf. IGOO, s. 603; vgl. auch Des khiinigreichs
Hungarn chorogr. Ijcm In i yluiii--. W'lrn 1556, Dv'), Goldast (vgl.
W. Grimm, D, heldensage^ s. 362) u. a. Keiner von ihnen kannte
die Hunnensage im munde des Volkes, auch ward von ihnen
eine etwaige ältere oder von den bereits angeführten Chroniken
abweichende fassung der Hunnengeschichte nicht benutzt; ihre
darstellungen sind also für die ung. sagengeschichte unbrauchbar.
Diejenigen partien der Hunnengeschichte, die wir als
Hunnensage bezeichnen, lebten — dies geht, wie wir sehen
w^erden, aus den Chroniken deutlich hervor — im munde des
ung. Volkes. Wie die ergänzungen Turoczis und vielleicht
auch die Olälis bezeugen, war die ung. Hunnensage im 15.
und vielleicht auch noch im 16. jh., wenigstens teilweise,
lebendig. Jüngere quellen oder auch nur Zeugnisse, die auf
glaubwürdigkeit anspruch machen dürften, sind bisher nicht
aufgefunden worden. So ist es denn höchst wahrscheinlich,
*) Ich benutze die ausgäbe von A. Fr. KoUar, Nie. Olabi metropol.
Strigou. Hungaria et Attila, Wien 1703, s. % fl'.
DIE GEUM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 445
dass die heldensage in Ungarn, wie auch anderwärts, bei dem
grossen iimscliwiing-e des geistigen lebens zur zeit des huma-
nismus, der reformation und der eriindung des buclidruckes im
15. und 16. jh. allmählicli untergegangen ist. Verwüstend und
zerstörend, wie auf sämmtlichen gebieten der ungarisclien
cultur, wird aucli hier die grosse Türkennot seit dem tode des
königs Matthias Corvinus mitgewirkt haben. Was einige ung.
forscher') noch für reste der volkssage von Attila und den
Hunnen gelten lassen wollen, ist ausnahmslos gelehrten Ur-
sprungs, unter dem einflusse der schule und literatur entstanden
und weiter verbreitet. Diesen angeblichen resten gegenüber
nehmen u. a. auch G. Nagy^) und J. Sebestyen (a.a.O. s. 553 f.)
einen verneinenden Standpunkt ein.
IT. Inhalt der sage.
1) Abstammung der Hunnen und Ungarn;
aufbruch nach Pannonien.
a) Indem wir die vorrede Kezais übergehen, wo er die
behauptung des Orosius (richtig: Jordanes, Getica cap. 24) von
der dämonischen abstammung der Hunnen - Ungarn bekämpft,
kommen wir zur hunnisch-ungarischen stammsage. Der wesent-
liche Inhalt dieser erzählung, die in allen Chroniken mit ge-
ringen ab weich ungen enthalten ist, 3) lautet folgendermassen:
Aus dem geschlechte Jafets stammte Menroth oder Nemroth -.
(= Nimrod), der söhn Thanas. Es wurden ihm von Enee oder \
Enech, einer seiner gattiunen, zwei söhne geboren: Hunor und
Mogor. Diese trafen auf einer jagd auf eine hirschkuh, welche
sie nach der sumpfigen Maeotis führte. Maeotis bot reiche
und fette weide und gefiel ihnen deshalb so sehr, dass sie sich
daselbst niederliessen. Einst stiessen sie auf frauen und kinder
^) Vgl. Szabo K., Jegyzetek Thierry Amade Atiläjara, Üj Magy. mü-
zeum, jalirg. 8. 1, 499 ff. 563. 575 f. A. Ipolyi, Zs. f. deutsche myth. 1, 160 ff.
2, 165 ff. 254 ff. Kiiun G. gv., Hunyadvärmegye törtenete 1, 221 ff.
^) Adatok a szekelyek eredetehez es egykori lakhelyehez s. 48 f.
^) Kezai cap. 1, 1 ff. H. v. Mügelns Deutsche chron. cap. 1. Chron. Po-
soniense cap. 2 — 5. Chron. Budense ed. Podhradczky s. 3—9; das Chron. Vindo-
bonense cap. 1—2 lässt Nimrod fallen, da er nach der Bibel nicht von Jafet,
sondern von Cham abstammt ; ebenso das Chron. Dubnicense cap. 1 — 2, und
J. Turöczi cap. 8; nur ganz kurz der anonyme notar cap. 1.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. 3Q
440 BLEYKU
V
_^7 der sölme Beiars') — cu))i festion tuhe cohrent fügt ein teil
^^0 . der Chroniken hinzu — , unter denen sich aucli die beiden
töchter des Alanenfürsten Dula befanden. Hunur und Mogor
hoben sie zu sich auf ihre pferde und ritten mit ihnen davon.
Aus der Verbindung Hunors und ]\I(igors mit den tüchtern
Dulas sind die beiden Völker der Hunnen und Ungarn hervor-
gegangen.
AMr sehen, die ungarisch-liunnische stammsage wird, wie
es im mittelalter allgemein sitte war, an biblische namen ge-
knüpft. In diesem ihren teile ist sie natürlich nach vorhan-
denen mustern vom gelehrten Verfasser der Hunnengeschichte
zuwege gebracht worden. In der erzählung von der hirschkuh
stimmt die Hunnengeschichte mit Jordaues und Procopius auf-
fallend überein, die jedoch die Hunnen von der hirschkuh nicht
nach Maeotis, sondern aus Maeotis nach Scj^thien führen lassen.^)
Dass die sage von der hirschkuh aus Jordaues — durch Ver-
mittlung späterer mittelalterlicher geschichtswerke — ent-
nommen wäre, kann nicht mit Sicherheit behauptet werden:
die darstelhing scheint das gepräge echter sage zu haben, wie
auch die namen Menroth und Enech^) volkstümlich zu sein
scheinen. Das märchen von weisenden tieren ist bei ver-
schiedenen Völkern verbreitet (vgl. J. Grimm, Deutsche mytli.^
s. 1093 f.) und könnte auch den Ungarn bekannt gewesen sein.
Mit noch grösserer Wahrscheinlichkeit kann die erzählung von
dem frauenraub als ungarisches sagengut angesehen werden.
Es scheinen sich in derselben wirkliche historische erinnerungen
zu spiegeln, die auf berührungen des Ungarntums mit bulga-
rischen und alanischen Völkern während seiner wanderzeit
hindeuten: Belar = Bular = Bidyar, und Dida = Dulo, ein
bulgarisches fürstengeschlecht (vgl. Sebestyen a.a.O. 318 ff.).
Die stammsage wird in den Chroniken noch durch eine
ungemein umfangreiche genealogie ergänzt, in welcher Fr. Hirt
') So der name bei Kezai ; iu anderen chronikeu die fehlerhaften oder
vielleicht an Beriif hei Jordaues cap. 17 angelehnten formen Bercka, Bercla,
Wereta ; vgl. Petz a. a. o. s. 29.
*) Vgl. Mounusens ausgäbe (MG. Auct. ant. 5) cap. 24, s. i>0. — Jordaues
und Procopius gehen auf Priscus zurück.
ä) £^iec/t> üno = 'kalbe'. Vgl. Sebestyen a. a. o. s. 308 ff. Menroth
erinnert an den namen bei dem anonymen notar cap. 28 Menumoroiit.
DIE GERM, ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE.
447
zum teile wirkliche gescliiclite sehen willi), ^ie aber gewis
nicht volkstümlichen Ursprunges ist. 2) Vergleichen wir die
genealogie mit der stammsage am beginne der Hunnen-
geschichte und mit dem berichte über Csaba und seine scy-
thischen stammesgenossen am Schlüsse derselben, so sehen wir,
dass hier eine heillose Verwirrung herscht, die kaum jemals
enträtselt werden kann. Vielleicht besassen die Ungarn eine
eigene stammsage, die aber von den Chronisten mit gelehrten
und biblischen Zusätzen und willkürlichen combinationen bis
zur Unkenntlichkeit entstellt wurde. Jedesfalls aber war sie
ursprünglich und im volksmunde mit den Hunnen in keinen
Zusammenhang gebracht, und der name Hunor ist zweifellos
eine gelehrte bildung.
Die ung. Hunnensage beruht auf der vollkommenen iden-
tificierung der Hunnen und Ungarn. Sie scheint aber über
das blosse bewusstsein der verwantschaft beider Völker und
ihrer fürstenfamilien niemals hinausgekommen zu sein. Ja sie
gieng in ihrer entwicklung nicht einmal so weit, dass sie den
anfaug ihrer erzählnng mit dem Schlüsse derselben in genaueren
Zusammenhang gebracht hätte. In unserer Untersuchung über
die germ. elemente der ung. Hunnensage müssen wir also von
der stammsage, die erst von den Chronisten mit den Hunnen
in Verbindung gebracht sein kann, absehen und von der iden-
tiflcierung ausgehen.
Woher nun die identificieruug beider Völker und eine
kenntnis davon bei den Ungarn? Eine tatsächliche verwant-
schaft kann nicht nachgewiesen werden; die Ungarn gehören
dem finnisch-ugrischen sprachstamme an, die Hunnen aber, so-
weit es sich in ermangelung positiven sprachlichen materials
beurteilen lässt, waren wahrscheinlich ein türkisch-tartarischer
volksstamm. Es wird vielfach 3) angenommen, dass sich der
glaube an die Identität infolge früherer historischer beziehungen
zwischen beiden Völkern noch in Asien bei den Ungarn aus-
*) Attila csalädfaja. Keleti szemle (Revue Orientale) 1, 81 ff.
2) Bei Kezai fehlt sie; im Chron. Viudobouense cap. 11: Älmus, qui
fuit Elend, qui fuit Vgeg, qui fuit Ed, qui ftiit Chaba, qui fuit Ethele, qui
fuit Bendekus . . . (noch 30 namen bis) Bor, qui fuit Hunor, qui fuit Nemp-
roili, qui fuit Noe. Ebenso in den übrigen Chroniken.
^) Vgl. die oben angeführten ausfuhrungen bei G. Nagy, J. Thüry u. a.
30*
\
4
448 Bl.KYER
gebildet liahe. Solclie historischen beziehungen sind nun zwar
möglich, aber gar nicht nachweisbar. Ausserdem muss hervor-
gehoben werden, dass die ung. Hunnensage keine spur von
solchen elementen enthält, die auf irgendwelche geschichtlichen
beziehungen zu den Hunnen zurückgefiihi-t werden könnten.
Zur begründung dieser hypothese werden ausser dem glauben
der identität — wie wir sehen werden — nur noch einzelne
namen aus der Hunnensage angeführt. Nun ist es aber klar,
dass sich ein leeres bewusstsein der verwantschaft — beruhe
es nun auf historischer Wirklichkeit oder sagenhafter tradition
— und leere namen ohne stofflichen Inhalt in der erinnerung
eines volkes nicht erhalten können; in stofflicher hinsieht aber
ist in der Hunnensage nichts vorhanden, was diese hypothese
unterstützen könnte.
Es kann kein zweifei darüber bestehen, dass die Ungarn
von Attila und den Hunnen erst nach ihrer niederlassung in
der heutigen heiniat gehört haben. In Europa war die erinne-
rung an Attila und sein volk noch allgemein lebendig, und die
identificierung der Ungarn mit den früheren inhabern des
Donau-Theiss-gebietes gieng hier auf grund gewisser ethnischer
ähnlichkeiten zwischen beiden orientalischen Völkern auf die
natürlichste w^eise vor sich. Es ist bekannt, wie die namen
Ilunni, Hunijari und auch Avari in der benennung der Ungarn
bei den mittelalterlichen Schriftstellern beständig verwechselt
oder vielmehr abgewechselt werden (vgl. Petz a. a. o. s. 84 f.).
Hatten die Ungarn nun einmal etwas von Attila und seiner
herschaft erfahren, so musste von ihnen der glaube an die
identität der Ungarn mit dem volke Attilas bereitwilligst
angenommen werden. Diese fiction war, wenn auch nicht in
historisch-politischer, so doch — wenn ich so sagen darf — in
völkerpsychologischer beziehung von bedeutung: man hatte
einen rechtstitel, womit nicht das ehemalige land der Hunnen
erobert — dies war bereits geschehen — , sondern die erobe-
rung begründet werden konnte. Ein solches streben nach
rechtfertigung ist in der sagengeschichte allgemein bekannt
(vgl. W.Müller, Myth. der deutschen heldensage, 1886, s. 16), und
die gelegenheit, welche sich so günstig bot, wurde von der
ungarischen sage, besonders in der erzählung des anonymen
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 449
notars (cap. 12, 14 u. ö.) über die ung. landnahme, auch tatsäcli-_
licTTäüsg-ebeutet.
^ .. . - I I in»*— iiiiwi«! III.
Es ist eine allgemeine ansieht der forscher, die an einen
asiatischen Ursprung des identitätsglaubens nicht denken wollen,
dass die identiflcierung- der Völker Attilas und Ärpäds den
Ungarn durch die Deutschen bekannt gemacht worden sei. Ich
glaube nicht, dass hier in erster reihe an die Deutschen ge-
dacht werden müsste. Das heutige Ungarn war zur zeit der
ung. landnahme diesseits der Donau, ebenso wie jenseits der-
selben, im grossen und ganzen von slavischen Völkerschaften
bewohnt. Dass die erinnerung der Slaven an Attila, dem sie
doch teilweise ebenfalls unterworfen waren, im 9. jh. schon
erloschen wäre, ist schon an und für sich höchst unwahrschein-
lich. Der anonyme notar erwähnt aber an mehreren stellen
(cap. 8. 9. 11. 12 u. ö.), dass die Slaven sich den Ungarn aus
furcht ergeben hätten, da sie dieselben für nachkommen des
Volkes Attilas gehalten hätten. Gewis ist eine solche darstel-
lung der ung. landnahme nicht historisch, sie kann aber auch
ebensowenig von dem notar erdichtet sein. Es ist eine sagen-
hafte Überlieferung, und der glaube an die hunnisch-ung. Iden-
tität mag sich im schrecken und der Ohnmacht den slav. Völ-
kern in Ungarn ebenso aufgedrängt haben, wie den Deutschen
im Westen. Natürlich konnte eine kenntnis der identiflcierung
bei den Ungarn erst allmählich eine Verbreitung finden: sie
setzt eine gewisse sagenhafte kenntnis von Attila und den
Hunnen überhaupt voraus. Die aneignung derselben scheint
aber eine geraume zeit in anspruch genommen zu haben, denn
die sage von dem listigen kauf des landes um ein weisses
pferd, wie sie in den Chroniken erzählt wird '), muss — wenn
sie wirklich echte sage isf^) — vor der kenntnis der hunnisch-
ung. verwantschaft entstanden sein, denn nach derselben —
») Bei Kezai nur angedeiitet cap. 4, 16; ausführlich erzählt im Chro-
nicon Vindobonense cap. 13 und in den übrigen Chroniken. Etwas abweichend
bei dem anonymen notar cap. 1-i und 38.
2) Auch dieses märchen wird bei Jordanes cap. 5 von den Hunuguren
kurz erM'ähnt; doch dürfte diese schöne, echt volkstümliche sage noch viel
weniger eine literarische entlehuuug sein als das märchen von der hirschkuh.
Vgl. Sebestyen a. a. o. s. 87 ft'.
400 HLKYER
wie schon Marczali bemerkte') — wäre sie docli zur recht-
ferti<^ung der ung. laiuliiahme gänzlich übei'flüssig gewesen.
Germanische elemente sind also in der iing. stammsage
nicht nachweisbar; ebensowenig kann deutscher einlluss in der
identificierung der Hunnen und Ungarn mit Sicherheit an-
genommen werden.
b) Die Hunnengeschichte erzählt weiter-): Nachdem sich
die Hunnen-Ungarn in ]\raeotis so vermehrt hatten, dass deren
gebiete für das volk zu eng geworden waren, wanderten sie
in 108 geschlechter geteilt nach Sc3'thien aus. Hierauf folgt
eine beschreibung Scythiens. Der bericht von der Wanderung
nach Scythien und die ausführliche Schilderung dieses landes
beruhen ohne zweifei auf gelehrter combination und auf ent-
lehnung aus fremden, historischen und geographischen werken.
Die m"sprüngliche Hunnensage wusste gewis nichts von all dem;
es dürften sich aber in der erzählung der Chroniken dunkle
erinnerungen an die asiatische heimat der Ungarn befinden,
die der Verfasser der Hunnengeschichte aus der ung. volks-
überlieferung geschöpft haben wird (vgl. Petz a. a. o, s. 30 f. und
Öebestyen a. a. o. s. 359 ff.).
Da auch Scythien für das volk zu klein geworden war
— so fährt die Hunnengeschichte fort^) — wählten sich die
Hunneu-I'ngarn sieben herzöge: Capitaneos intcr se seil duces
vel principes prefecerunt, quorum unus Wela (oder Bela) fuit
Thele (oder Chele*)) filius ex genere Zemein oriundus, ciiius
fratres Cutve (oder Keice) et Caducha amho capitanei; quarti
vero diicis nomen Ethela fuit JBendaciiz (oder Bcndecuz) fUius,
cuius fratres lieiiwa (oder Beiva) et Buda uterque duces ex-
titere de genere Erd oriundi: ut sinml uno corde occidentales
occuparent regiones. Constitiierimt quoque intcr se rectorcm
^) A szekelyek eredeteröl, Buda-pesti szemle 25, 142. Vgl. auch Unga-
rische geschichtsqiiellen s. 58 und W.Müller a.a.O. s. 16.
*) Kezai cap. 1, 4. Chrou. Vindob. cap. 2. Chron. Dubuic. cap. 3 f. Chron.
Poson. cap. 4. H. v. Mügelns Chron. d. Hunneu cap. 1. Chron. Budense s. 10 ff.
Turöczi cap. 4 fl".
ä) Kezai cap. 2, 6. Chron. Yiiulob. cap. 3. Chron. Dubnic. cap. 5. Chron.
Poson. cap. 6. Chron. Bud. s. 14. H. v. Mügelns C'hron. d. Huuuen cap. 2. Tu-
röczi cap. 10, mit einigen gewis secundären abweichungeu.
*) ch heute es geschrieben = c.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 451
ummi nomine Kadar de genere Turda oriundiim. Und nach-
dem sie de tribiihus centum et odo elegerunt viros fortes ad
heUandum, assioiientes de qiiolibet genere decem milia arnia-
tonim, aliis in Scitia derelictis, qui eonini regnum ah Jiostihiis
custodirent, zogen sie nach westen in das heutige Ungarn bis
zur Theiss, wo es ihnen wol gefiel.
Es ist schon früh erkannt worden, dass in diesen bericht
erinnerungen aus der zeit der ung. landnalime gemischt sind.i)
Es wurden nach der analogie der sieben ung. herzöge auch
sieben hunnische angenommen. Ob dies nun eine willkürliche
combination des Chronisten, oder aber eine echte, sagenhafte
erweiterung der Hunnensage ist, kann mit Sicherheit nicht ent-
schieden werden. Die namen sind mit ausnähme von Bendacus
und Betva sämmtlich in den ung. Urkunden als personen-, ge-
schlechts- oder Ortsnamen belegt, und so kann letztere annähme
wol möglich sein, da das volk sich die einwanderung und ge-
schlechtsverfassung der Hunnen doch nicht anders vorstellen
konnte, als seine eigene. Von diesem berichte der ung. Hunnen-
geschichte findet sich in ausländischen Chroniken keine spur;
nur zwei der angeführten personennamen sind, und zwei andere
scheinen identisch zu sein mit solchen, die auch von Priscus
und Jordanes erwähnt werden. Auffallender weise gerade
diejenigen, welche zu dem geschlechte Attilas gehören. Indem
ich nun von den übrigen absehe, da sie für uns ohne Wichtig-
keit sind, will ich die vier namen Bendaciiz, Beiva, Ethela und
Biida einer näheren Untersuchung unterziehen.
Bendacus wird im allgemeinen mit dem historischen
Movvdiovxoc (bei Priscus in Bekker und Niebuhrs Corp. Script,
hist. Byz. s. 150) oder 3Iimdzueus (bei Jordanes cap. 35 und 49),
wie Attilas vater in den historischen quellen heisst, identificiert.
Nur H. Yämbery fasst beide namen, Bendacus und IlundmJc,
als verschieden auf und erklärt Mundzuk für ein rein türk.
1) Vgl. Petz a.a.O. s. 31 und Sebestyeu a.a.O. s. 381 ff. Einen zu-
sammenhängenden Sagenkreis aus der zeit der ung. landnalime besitzen wir
nicht, nur einzelne trümmer, wie sie bei dem anonymen notar und in den
übrigen Chroniken enthalten sind. Sie weisen aber ausser dem übergange
von der Hunnen- zur Ungarugeschichte keine berührungen mit der Hunnen-
sage auf.
452 BLEYER
wort in der bedeutung von 'fahne', eigentlicli 'faliiienkiiauf ;
Bcndacuz aber für eines der pers. lehnwörter, die sich in der
ung. spräche erlialten. in der bedeutung von 'sclave der trom-
mel'. ') Diejenigen forscher, die Bcmlacuz mQ\\i nur als namen
des Vaters Attilas, sondei-n aucli der wortform nacli mit Mun-
diul; identilicieren, halten teilweise die Schreibung Bcnüacuz
für einen paläographischen fehler-), teilweise aber sind sie
geneigt, in Mundzuli > Benäacuz eine lautgesetzliche Aveiter-
entwicklung und zwar eine specifisch ung. zu erblicken.-')
Erstere auffassung ist wol möglich; letztere ist entschieden
falsch. Eine m > ?^ - entsprechung kennen wir innerhalb des
ung. nicht; das z in Mundzucus ist bei Jordanes — wie Müllen-
hoff nachweist^) — eine 'barbarische' Schreibweise für -di-\
eine u > e-entsprechung ist im ung. ebenfalls nicht vorhanden.-)
Eine lautgeschichtliche ableitung der form Bendacuz von
Mundzuli ist also unmöglich. Bendacuz als Schreibfehler auf-
zufassen, berechtigt in erster reihe der umstand, dass der
name in ung. Urkunden oder andern geschichtsquellen nirgends
mehr belegt ist. Sollte er aber trotzdem der echten Über-
lieferung angehören, so kann er nur auf die weise wie Bela,
Keve, Kaducha u.s.w. in die ung. Hunnenchronik aufgenommen
w Orden sein. Dann kann aber Bendacuz mit Mundiulc weder
inhaltlich noch formell irgendwie zusammenhängen, und so ist
auch die annähme, er sei von den Ungarn als der name des
Vaters Attilas aus Asien mitgebracht worden, vollkommen aus-
geschlossen. Der vater Attilas heisst in der deutschen sage
bekanntlich Botcluny, in der nord. Budli; Botclnmj und Budli
haben mit Bendacuz oder Mundiuh natürlich nichts zu tun.
') Der urspruug der Magyaren, 1882, s. -46 i\nd 168. — Der iirspruug
\\m\ die bedeutung des uameus interessiert uns hier nicht, und so mag nur
kurz auf die abweichende erklärung Müllenhoft's (Zs. fda. 10, 100 und Jor-
danes ed. Mommsen s. 152) hingewiesen sein.
*) So z. b. Fr. Riedl, Buda-pesti szemle 27, 333.
^) So Nagy G., Adatok a szekelyek eredetehez es egykori hikhelyehez
s. 129 und Pallas Nagy lexikona 3, 7ö.
*) Jordanes ed. Mommsen s. 152 und Zs. fda. 10, 160.
•') Wenn G. Nagy zum beweise einer n >> e-eutsprechung Cxunad und
Cscnad anführt, so ist ihm entgangen, dass u hier den lautwert eines ü
hat, das mit c (kurz und geschlossen) mundartlich abwechselt.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG, HUNNENSAGE. 453
Reuwa (Betva), der nur von Kezai erwähnt wird, in den
übrigen Chroniken aber durch Keve vertreten ist'), wird im
allgemeinen mit dem historischen Vovac bei Priscus (Corp.
Script, bist. Bj^z. s. 167) und Boas bei Jordanes (cap. 35; Müllen-
hoff hält ihn wie IlundmJ: für einen deutschen namen, Zs. fda.
10, 161) in Zusammenhang- gebracht. Roas war mit Oktar der
bruder Mundiuks, also der vatersbruder Attilas und Bledas.
Es drängen sich hier dieselben fragen auf wie bei Bendacuz,
aber eine sichere oder nur wahrscheinliche antwort lässt sich
auch hier nicht geben. Ist es ein Schreibfehler für Boas, oder
kam er aus volkstümlicher tradition in die Hunnengeschichte?
Als ungarischer personenname kann er ebensowenig nach-
gewiesen werden wie Bendacus.
All die namen Bendacus, Betva, Bela, Keve u. s.w. haben
übrigens für die sage wenig bedeutung, auch wenn sie der
echten ung. Überlieferung angehören sollten. In den kämpfen
um Pannoniens besitz verschwinden oder fallen alle träger
dieser namen: sie mussten — so scheint es — wider beseitigt
werden, da sie in die ursprüngliche, feste composition der
sage nicht hineinpassten. Die pannonischen kämpfe überleben
von den Hunnenfürsten nur Buda und Etele; beide — in erster
reihe natürlich Etele — spielen auch weiterhin in der sage
eine bedeutende rolle. Die erklärung ihrer namen ist also
wichtig, und eine richtige deutung vermag in mehreren be-
ziehungen einen sicheren anhaltspunkt zu geben. 2)
Dass Ethela (Ethele) mit dem historischen Ättila identisch
ist, war schon den ung. Chronisten durchwegs bekannt.-'^) Der
anonyme notar gebraucht nur die form Ättila, die übrigen
Chronisten ebenfalls meist Ättila, nur selten Ethele; nur Kezai
hat durchgängig Ethela. Dass die form Ethela, Ethele die
volkstümliche war, und die Chroniken nur aus gelehrsamkeit
1) Der name Keve kommt also doppelt vor, was nicht ursprünglich
sein kann.
2) Ton J. Melich, einem der gründlichsten kenner älterer ung. Sprach-
geschichte, bin ich in ung. prähistorischen fragen vielfach gefördert worden ;
ich sage ihm hier für seine freundlichkeit aufrichtigen dank.
ä) Wenn es im Chron. Dubnic. cap. 25 in der genealogie heisst: qui
fuit Ättila, qui fuit Etele, so kann das nur eine gedankenlosigkeit des Chro-
nisten sein.
l.M BLEYER
(1(11 iiamen All Ha gebraiioliten, ist an und für sicli augen-
scheinlich, wird aber von den späteren Chronisten, als die sage
— -wie es scheint — nicht melir allgemein bekannt war, aus-
drücklich hervorgehoben, so z. b. von Turoczi (cap. 13): Ailila
. . . qni Iluntjarico idiomute Eihelc didus est, von Oläh (cap. 3):
Attila humjarice Et lieh didus. Der name ist auch in ung.
Urkunden mehrfach belegt, und zwar in den formen Attila,
Ethda und Ethdc.')
Ueber herkunft und bedeutung des namens Attila sind schon
vielfache Vermutungen aufgestellt worden. "W. Grimm brachte
ihn (Altd. wälder 1, 205) mit dem türk. namen der "Wolga
Atil, Etil, Idd') in Zusammenhang; diese ansieht wird von
mehreren ung. forschem auch heute noch geteilt. 3) L. Cahun
erklärt Attila aus mongol. atlu 'reiter'^), K. Fiok aus einem
finn.-ugr. Azi-U und afell 'Väterchen'-'); in beiden fällen sind
natürlich die lautverhältnisse in bezug auf ^/^//« nichts weniger
als problematisch und höchst bedenklich. Am gefälligsten und
verbreitetsten ist die erklärung aus got. attila ' Väterchen', zu
welchem F. Wrede den got. namen yl;i//a (alid. «»ö 'ahne') als
synon^'me bildung auffasst.^)
A\'ie nun auch der name gedeutet werden mag, der ge-
*) S. eine zixsanimenstellung, die aber nicht vollständig ist, von G.Nagy
in Pallas Nagy lexikoua 6, 518 und Ethnograpliia 1, 250. A"gl. auch A. Bal-
lagis Zusammenstellung in Irodalomtürteneti küzlemenyek 2, 1(39. — Im
deutschen scheint der name selten gewesen zu sein. Vgl. Fr. J. Mone,
Untersuchungen zur geschichte der teutschen lieldensage, 1836, s. 65.
E. Förstemanu, Altd. namenbuch 1 (1856), 192. P. Piper, Libri confraterni-
tatum, MG. 1884 (ind. nom. s. 414 und 441).
'^) Eine Zusammenstellung der verschiedenen uamensformen dieses llusses
\j s. bei K. MüUeuhoif , Deutsche alterturask. 2, 75, anm. Die abweichuugen
im anlautenden vocal dürften mundartlich bedingt sein, vgl. B. Munkäcsi,
Ethnographia 5, 164, anm. 1.
") So z. b. H. Yämbery, Ursprung der Magyaren s. 41.
*) S. die besprechung eines aufsatzes von Cahun (Le veritable Attila,
La nouvelle revue, 1886, 3, 864 ff.) in den Mitteilungen aus der historischen
lit. 10, 215. Anderwärts erklärt derselbe gelehrte (Tntroduction ä l'histoire
de l'Asie Turcs et Mougols des origines ä 1405 |1S96J s. 70) Attila ('en
magyar Atzel'!) aus ung. aczel = 'acier, stahl', was freilich komisch ist.
'•') Az ärjäk es ugorok eriutkezeserol, 1894, s. 40; ihm schliesst sich au
Nagy U., A magyar uemzet türtojiete (szerkeszt. Szilägyi S. 1895) l,ccxcix.
") Ueber die spräche der Ostgoten, 1891, s. 107.
DIE C4ERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 455
waltige Hunnenkönig hiess nach dem einstimmigen berichte
der quellen AttiJa, und wir müssen bei der erkläi'ung des ung.
Ethela — EtJiele von dieser form ausgehen, Hunfalvy leitet
Ethela, da er überhaupt das Nibelungenlied für die quelle der
bezüglichen partien in der Hunnenchronik ansieht, von dem
deutschen Etsel ab und liest Ethela als EtsselaJ) Doch ist
diese deutung entschieden unrichtig, denn erstens wird dadurch
das a in der endsilbe, das bei Kezai fest ist, nicht erklärt,
zweitens kann th nur als t gelesen werden, wie denn Etsel
in den Ortsnamen Ecühurg, Echtdburc, Ezelhurg 'Ofen' niemals
mit th geschrieben wird (vgl. unten). Andere forscher halten
Ethela für eine form des namens Attila, welche die Ungarn
aus Asien mitgebracht hätten.^) Sie berufen sich auf Personen-
namen wie Adll bei den Wotjaken'^), ÄtJi-Khan bei Abulghazi^),
oder auf eine reconstruierte türk. form Etilli — EtiUik^), auf
lesgisch Addilla.^) Abgesehen davon, dass alle diese nanien
mit dem Attila der geschichte oder sage nichts zu tun haben,
lässt sich ung, Ethela von keiner der angeführten formen ab-
leiten; wird es trotzdem versucht, so ist es nicht mehr als
dilettantismus. Auch auf keine der formen, mit welchen die
Wolga oder der Don bezeichnet wird, kann Ethela zurück-
geführt werden, und es ist daher falsch, wenn G. Nagy, Eth-
nogr. 1, 259 behauptet, der flussname habe dieselben Verände-
rungen durchgemacht, wie der personeuname Ethela. Der
flussname kommt auch in den ung. Chroniken vor, aber nie-
mals als Ethela, sondern stets als Etui — Ethul. ")
Ethela kann also weder vom deutschen Etsel, noch von
irgendwelcher orientalischen form abgeleitet werden. Wenn
') Vamberys Ursprung der Magyaren, 1883, s. 17.
2) Vgl. z. b. G. Nagy in Tnrul 9, 120. Pallas Nagy lexikona 6, 518
und Ethuographia 1, 259.
3) Munkäcsi B., Votjäk nepköltesi bagyomängok, 1887, s. 193.
'*) her. von Demaisons, Petersburg 1874, 2, 11. Vgl. auch Vämbery A.,
A török faj, 1885, s. 3 und 666.
^) Vämbery A., A magyarsäg keletkezese es gyarapodäsa, 1895, s. 45.
«) J. von Klaproth, Reise in den Kaukasus und nach Georgien 3 (1814), 12.
Vgl. Munkäcsi B., Nyelvtudomänyi közlemenyek 28, 248.
') Bei Kezai cap. 1, 4 Etui; im Chron. Vindob. cap. 2 Etiml und £'^w?;
im Chron. Dubnic. cap. 4 Eilml und Etui; im Chron. Posen, cap. 5 Ehd ^^\\A
Ethul ; im Chron. Bud, s. 10 und 11 Etui
45G BLEYKIt
ein wort, und wäre es auch nur ein eigenname. siiraclilicli er-
klärt werden soll, so ist es eine elementare forderung der nie-
tliode, dass jeder laut gleiclimässig streng berücksiclitigt werde.
Aus der liistoriscli gegebenen form Ätfila entwickelte sich laut-
gesetzlich die deutsche form EizcJ, die nord. AÜi und altengl.
JLlIa.^) Wie verhält sich also \\\)g. Elcla — Etde zu AffiJa?
Am autfallendsten ist die abweichung im anlaute: c für a. Hierin
entspricht ung, Utcla dem hd. Etzel, wo c < a diu'ch /-umlaut
entstanden ist. Auch in ung. Etela müssen wir einen ähn-
lichen germ. lautgesetzliclien Vorgang sehen, da an- und in-
lautendes a im ung. nicht zu c wird. Das t^) im inlaute ist
aber beibehalten, während es im deutschen durch die zweite
lautverschiebung zu t^; geworden ist. Wir liaben also augen-
scheinlich ein umgelautetes e, aber keine hochdeutsche laut-
verschiebung in ung. Etela. Ein umlaut hat sich ausser dem
hochd. bekanntlicli auch im nordgerm., engl, und niederdeutschen
entwickelt, die zweite lautverschiebung ist aber eine speciell
hochdeutsche erscheinung. Die ung. form Etela mit nordgerm.
oder engl, in irgendwelchen Zusammenhang zu bringen, geht,
abgesehen davon, dass beide eine eigene, von der ungarischen
abweichende form haben, die auf contraction hinweist, aus
historischen gründen natürlich nicht au. Ebensowenig aber
kann nd. beeinflussung angenommen werden, denn in ung.
Sprache und geschichte lässt sich keine spur einer solchen
einwirkuug nachweisen. 3) Von germ. Völkern hielten sich
nach dem abzuge der Hunnen in dem heutigen Ungarn Ost-
goten, Gepiden und Langobarden längere zeit hindurch auf.
Die Langobarden waren Westgermanen; in ihrer spräche
finden sich spuren des /-umlauts, aber auch t ist regelmässig
verschoben'»), und so kann Eicla keine langobard. form von
Attila sein. Von den Gepiden und ihrer spräche wissen wir
') Vgl. Fr. Kluge, Engl. Studien 2, 447.
^) Ob es lang oder kurz gesprochen wurde, darüber gibt die mangel-
hafte Orthographie der Chronisten keinen aufschluss; auch statt Attila
schreiben sie Athila, Atila.
') In foiTiieller hinsieht wäre eine solche allerdings nicht von vorn-
herein zurückzuweisen. Vgl. ud. JEttel, Hettel (W. (Trimm, D. heldensage^
8. 18Ü), auch Ethcla (Altd. wäldcr 1, 284).
*) Vgl. W. Brückner, Die spräche d. Langobarden, 1895, s.56ff. und 164 ff.
DIE GERM. ELEMENTE DEE UNG. HÜNNENSAGE. 457
nur so viel, dass sie den Goten verwant waren, ihre spräche
also der ostgerm. grnppe angehörte. Innerhalb des /-umlauts
ist die palatalisierung des a zu e am frühesten erfolgt. Dieser
process 'scheint gemeingerm. zu sein, vollzieht sich jedoch erst
im sonderleben der einzelnen dialekte. Die Übereinstimmung
in der Wandlung lässt vermuten, dass wenigstens der keim
der bewegung noch in die urgerra. zeit zurückreiche. Im got.
scheinen die westgot. eigennamen der concilienacten wie Ega,
Egica, Egila, Einila u. s. w. auf «'-umlaut hinzudeuten, wenn sie,
was das wahrscheinlichste ist, aus Agja, Agica, Agüa, Amila
U.S.W, herzuleiten sind.'i) Wir dürfen also einen spätgot.
Wandel von a> e annehmen, und da das got. bekanntlich
keine zweite lautverschiebung hat, dürfen wir für Attila eine
spätgot. form *Ettila ansetzen. Und somit wären wir bei der
ung. form Etela angelangt.
Im ung. erhielten sich die laute e, t und l unverändert.
Das inlautende i'^) ist im ung. häufig durch e (kurz und ge-
schlossen) vertreten, das mundartlich mit ö (alte Schreibweise u)
abwechselt; so schreibt z. b. Kezai durchgängig JDüricus, wäh-
rend die späteren Chroniken stets JDetricus haben, für urspr.
Krimhüd haben wir Krumheld (1. KrömJield), neben Ecilhurg
auch Eculbiirg (1. Ecölhurg) und Ezelhiirg u. s. w. 3) Das aus-
lautende a ist bei Kezai noch fest, und gen. und dat. lauten
Ethelae. Die jüngeren Chroniken haben Ethele, wo auslauten-
des a lautgesetzlich zu e wurde, wie megya > megye, leventa
> levente, Zemera > Szemere u. s. w. ^) Die ung. form Etliela
— Ethele kann also ohne Schwierigkeit auf frühgot. Attila,
spätgot. Ettila zurückgeführt werden, ist demnach urverwant
mit nord. Atli, deutsch Etzel. Ist die erklärung nicht nur eine
mögliche, sondern auch eine tatsächlich richtige, so sind wir
zu einem wichtigen ergebnis gelangt, da es sich um einen namen
handelt, dessen führer der eigentliche träger der hunn. Über-
lieferungen ist, nicht nur in der ung., sondern auch in der
deutsch-nordischen. Es ergibt sich daraus: erstens, dass die
^) W. Streitberg, Urgerm. grammatik, 1895, s. 78.
2) Einmal ist der name auch mit inlautendem * belegt: Gregorius
dictus Etila (G. Fejer, Cod. dipl. Hung. 10, 8 : 379) aus dem j. 1395.
^) Vgl. J. Melicb, Nyelvtudomduyi közlemeuyek 35, 27.
^) Vgl. J. Melich, Magyar uyelvor. 33, 316 und Magyar nyelv 2 (1906), 55.
458 BLKYER
Hunnengeschichte wenigstens teilweise wirklich im ung. volks-
niunde lebte; zweitens, dass die sage in letzter quelle auf
Überlieferungen gotischen Ursprungs beruht. Die rieht igkeit
dieses ei-gebnisses wird durch die nachfolgenden Untersuchungen
nicht nur nicht sclnvankend gemacht, sondern besonders durch
den Inhalt der sage selbst vielfach bekräftigt.
Uli da wird schon von den humanistischen geschichts-
schreibern, wie Eanzanus, Bonfinius u. a., die zum teil aus den
ung. Chroniken schöpften, mit dem historischen JJleda, dem
bruder Attilas, identificiert, indem sie beide namen neben-
einander gebrauchen. Die ung. Chroniken selbst haben nur
die form Bnda\ Bleda kommt nicht vor, also nicht wie neben
Etelc auch ÄttUa. Es wird allgemein angenommen, dass Bada
aus Bleda durch volksetymologische anlehnung an den namen
der Stadt Buda — Ofen') entstanden sei, welche in der sage
für die Stadt Attilas galt. Sicher ist, dass der bericht, den
unsere Chroniken über Buda mitteilen, eigentlich auf den
historischen Bleda bezogen werden muss. Bleda und Buda
sind also der person nach jedenfalls identisch, aber — wie ich
der annähme einer volkset^-mologischen anlehnung gegenüber
beweisen will — nicht der form nach. H. Vämbery trennt
ebenfalls beide namen 2), aber nur aus blosser freude an
liunnisch-, bez. ung.-türk. etymologien, ohne daraus weitere
Schlüsse zu ziehen, gerade so wenig Avie oben bei Bcndahtz
— 3Iimditil:
Ich nehme eine got. form Buda an. ohne mich — wie
oben bei Ättila — weiter darum zu kümmern, ob sie ihrem
Ursprünge nach hunnisch-türkisch oder germanisch ist. 3) Von
diesem got. *Buda leite ich Buda der ungarischen, BuJli*)
*) Vgl. die dreiste und natürlich gelehrt-fabelhafte erkläruug des namens
Ofen in der sächs. chrouik: "W.Grimm, D. heldensage^ s. 321.
^) T>siirnng der Magyaren s. KJS: Buda << türk. hud, hut 'klein, jung';
S.41: Bh'ii)aq <C Blid < tm^. Bidid oder BiUitt 'wölke'. — Mülienhoff
hält Bleda für germ., Zs. fda. 10,169 (vgl. auch E.Schröder, Zs. fda. 41, 29),
■was jedoch F. Wrede, Ueher die spräche der Ostgoteu s. 138 bezweifelt. ,
*) Got. *hi(da = abd. Boto (nlid. hote) ist im alid. als personenname
häufig belegt, worauf ich zurückkomme. Erwähnt sei auch, dass Klaproth
a-a. 0. auch ein Budach anführt.
*) Es sei nur nebenbei darauf hingewiesen, dass in der erwähnten
genealogie der chroniken auch ein Budli vorkommt. Dieser name stammt
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE, 459
und Budlungr der nordischen, und Botelung der deutschen
sage ab, die von Blcedel in der deutschen Überlieferung, also
von dem Bleda der geschichte ebenfalls verschieden sindJ)
Dass Buäli und Budlungr der Eddalieder und V^lsungasaga
und Botelung des Nibelungenliedes, der Klage u. a. zusammen-
gehören, ist natürlich schon längst erkannt worden. 2) Setzen
wir ein got. *Buda an, so erhalten wir im ung. die entsprechung
Buda, wie der bruder Eteles in der ung. tradition heisst.
Dass die Voraussetzung nicht nur möglich, sondern auch richtig
ist, sollen nord. Budli und deutsch Botelung beweisen. Zu
Buda können wir ein diminutivum ansetzen, wozu uns zahl-
reiche belege berechtigen, z. b. — um innerhalb des got. zu
bleiben Anna — Annüa, JDuda — Dudila, Guda — Gudüa,
Manna — Ilannüa u.a.m. 3) Als mittelvocal vor dem suffix-Z
wollen wir aber wegen der deutschen form Botelung nicht -i-,
sondern -a- ansetzen, das zwar seltner, aber doch mehrfach
belegt ist. 4) Wir erhalten also auf diese weise ein *Budala,
das im altisl^ ^rl n irh voch 1 sclffl^4ind_un^paenultima und als
n-staniin lautgesetzlich zu Buöli werden musste^, wie die^
Torrn in den Eddaliedern und der Y^lsungasaga tatsächlich
lautet. Ein got. *Buda musste im ahd. zu Boto werden;
dieser name kommt häufig vor.^) Aus *Budala ergab sich
ein ahd. Botalo, das, obgleich nicht genau in dieser form,
ebenfalls öfter belegt ist. ') Setzen wir nun das patronymische
Suffix -ung an ^Budala an, so erhalten wir got. *Budalugg-s,
wahrscheinlich aus der St. Gerhard-legende und hat natürlich mit Buda —
Btidli nichts zu tun. Vgl. Sebestyen a. a. 0. 2, 8.
^) J. Grimm, Gesch. der deutschen spräche s. 475 leitet Budli <CBudila
durch 'trajectio liquidarum' Yon Bleda ah: doch gewis unrichtig.
■'') Siehe W. Grimm, D. heldensage^» s. 76. Mülleuhoff, Zs. fda. 10, 161.
W. Müller, Myth. der deutschen heldensage s. 170.
^) Vgl. F. Wrede, Ueber die spräche der Ostgoten, index.
*) Z. h. got. Amul, Wandal, slahals, sahvala. Siehe F. Wrede, Ueber
die spräche der Wandalen, 1886, s. 39. Vgl. auch J. Grimm, Deutsche gr.
2, 98 ff.
'-) Vgl. B. Kahle, Altisl. elementarbuch s.81 und 72.
^) S. die belege bei MüllenhoffTZs. fda. 10, 161 und E. Forstemann,
Altd. namenbuch 1 (1856), 289 und P. Piper, Libri confratern. (ind. uom.
419 und 491).
') Vgl. J. Mone, Unters, zur gesch. der teutschen heldensage, 1836,
s. 71 und Forstemann a. a. 0. s. 290.
400 BLEYKU
aus dem sich aisl. Bu(Vun(/-r und iiilid. Botelung entwickeln
musste, wie wir die formen in der Edda und den nilid. epeu
liaben. Eine genaue entsprechun"- zu dieser vorausgesetzten
entwickhing haben wir in dem namen Amaluny. Der name
Budahing kommt als deutscher personenname öfter vor'), aber
nur in ahd. zeit, wo die form BodahnKj die gewöhnlichere,
Fotahtnc die seltenere ist. 2) Doch die mhd. epen hal)en nur
Botclunc, und so ist diese form für uns bei der erklärung des
namens der sage massgebend. In ung. Urkunden ist Btida als
Personenname öfter belegt 3); auch im slav. ist der name nicht
selten. ■*)
Aus dem gesagten geht hervor, dass ung. Buda, nord.
Bnöli und deutsch Botelnng sprachhistorisch leicht in Zu-
sammenhang gebracht werden können und zu demselben er-
gebnis führen me Ättila > Etele. Die form Buda oder eine
ableitung davon ist uns zwar in got. quellen nicht erhalten
wie Ättila, dafür aber haben wir den namen in der deutschen
und nordischen Überlieferung widergefunden, wo er entschieden
'auf ein hohes alter' (Müllenhoff a. a. 0.) hinweist.
Es entsteht nun die frage, wie sich die sprachlich ver-
wanten ung. Buda, nord. Bnöli, deutsch Botelung sagen-
geschichtlich zu einander verhalten? Ein wesentlicher unter-
schied ist zwischen dem ung. Buda und dem nord. Budli
bez. deutschen Botelung allerdings vorhanden: dort ist er
der bruder Attilas, hier aber sein vater. Doch darf eine
solche abw^eichung in der sagengeschichte nicht allzu hoch
angeschlagen werden. "Wenn Botelung in der sage Attilas
vater ist, so sollte Budli eigentlich sein grossvater oder
ahne sein, da doch das patronymische -ung den söhn oder
nachkommen bezeichnet. Also auch hier, wo doch kein zweifei
über die Identität gehegt w-erden kann, eine wesentliche ab-
weichung im verwantschaftsverhältnis. Aber abgesehen davon
sind derlei Widersprüche in der entwicklung von sagen äusserst
häufig, und ich will nur auf ein einziges, sehr nahe liegendes
') Siebe J.Mone und Fürstomaiin a.a.O.
2) Eine erkläruug- versucht Müllfuhotf, Zs. fda. 10, 160.
») Einige beleg.stelleu führen au G. Nagy, Turul 9, 117 uud AI. Märki,
Palhis Nagy lexikona 3, 780.
*) Vgl. Fr. Miklusich, Denkschr. d. Wiener ak., iihil.-liiit. kl. l(»,2öl.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE, 461
beispiel, nämlich auf Kriemliild hinweisen, die in der deutschen
sage die Schwester der burguudischen königssöhne ist, in der
nordischen aber ihre mutter. Also genau dieselbe abw^eichung
wie zwischen ung. Buda und deutsch Botelimg, nord. Biidli^)
Die deutsch -nordische sage weiss von Botelung-Buöli weiter
nichts zu berichten, als dass er der vater Attilas war, während
in der ung. tradition einige lebenswarme züge des historischen
Bleda an Buda haften geblieben sind. So namentlich dass er
mit Attila zusammen regiert habe und von diesem getötet
worden sei, so dass Attila alleinherscher der Hunnen geworden
ist. Von diesem brudermord weiss die deutsch-nord. sage auch
nichts, und nur an den vorhergehenden bruderzwist hat sich,
wie wir noch sehen werden, eine leise erinnerung in der nord.
Überlieferung erhalten. Aber auch diese ist nicht mehr an
Buöli geknüpft. Attilas bruder hatte für die deutsch-nord. tra-
dition keine selbständige bedeutung mehr, wie denn überhaupt
Attila und sein reich die westgerm. stamme nur mittelbar, im
zusammenhange mit der Burgunden- und Dietrichssage, inter-
essierte. Wie leicht konnte sich also eine Verschiebung ein-
stellen, und zwar so, dass Attila, der in seiner welthistorischen
bedeutung erst nach Bledas tode deutlich hervortrat, zuerst
als nachf olger, dann als söhn Budas-*Budalas aufgefasst
wurde. Die ung. sage berulit aber, wie namen und inlialt
beweisen, auf Überlieferungen ostgermanischer stamme, die den
Hunnen unterworfen waren und nach den Hunnen die gebiete
des heutigen Ungarn innehatten. Die unmittelbarkeit des
historischen Interesses, das auch bei der herübernahme der
sage durch die Ungarn nicht unterbrochen wurde, erklärt
überhaupt, nicht allein in bezug auf Buda, die fülle und treue
der hunnischen traditionen in der ung. sage.
AVie sind nun Attila und Bleda- Buda in die ung. sage
einerseits, in die deutsch -nordische andererseits eingetreten?
Infolge einer beeinflussung der einen sage durch die andere,
oder aber unabhängig von einander? Wie wir noch sehen
werden, haben sich tatsächlich beide sagen, die ung. Hunnen-
1) Auch darauf sei hingewiesen, dass in der Kaiserchronik (her. von
Ed. Schröder, v. 13861 f.) die söhne Attilas Plödele und Fritele heissen. —
R. Heinzel, Ueher die ostgot. heldensage s. 57 schreibt diesen irrtum zwar
der vergesslichkeit des dichters zu, aber es fragt sich, ob mit recht?
Beiträge zur geschichte der deutscheu spräche. XXXI. yj^
462 BLEYER
sage und die deutsch-nord. Nibelungensage, gegenseitig beein-
ihisst. aber nicht in ihrer entsteluing, sondern erst in ilirer
weiterentAvicklung. Attila und Bleda-Buda gehören aber
entschieden in beiden sagen zu den ältesten und ursprüng-
lichsten elementen, sie können also nur aus gemeinsamer
historischer erinnerung stammen. Ätll-Et.zel-Etclc machen
denn auch keine Schwierigkeit, denn sie gehen auf dieselbe
historisch gegebene form, auf Ättila, zurück; anders steht es
mit Uiida, da es doch auffallen muss, dass der name in beiden
sagen von der historischen form abweicht, und zwar auf die-
selbe weise abweicht. Ich weiss keine andere erklärung. als
dass Bleda schon zur zeit der hunnischen herschaft von den
Germanenstämmen, vielleicht um dem namen einen germ.
Charakter zu geben, etwa in volksetj-mologischer anlehnung
an *b(i(la-hoto, ganz allgemein Bxda genannt wurde. Es ist
möglich, dass diese Umgestaltung des namens von den ost-
germ. stammen ausgegangen ist und sich nach westen hin
verbreitete, aber gewis früher, als die historischen erinne-
i'ungen sich zur sage entwickelt hatten.
Aus den obigen erörterungen ergibt sich also, dass die
einwanderung der Hunnen nach dem heutigen Ungarn von der
sage, oder vielleicht auch nur von den Chronisten, so auf-
gefasst wurde, wie die einwanderung der Ungarn. Sollte sich
in der erzählung über die abstammung der Ungarn echte sage
eihalten Iiaben, so darf sie nicht auf germanischen Ursprung
zurückgeführt werden, wie auch die identificierung der Hunnen
und Ungarn wahrscheinlich unter slavischem eintiuss entstanden
ist. Die namen der hunnischen fürsten und ihrer geschlechter
gehören, wenn sie überhaupt nicht gelehrten ursi)rungs sind,
zum grössten teile der specifisch ungarischen Weiterbildung
der Hunnensage an. Auf germ. und zwar ostgerm. (juelle
weisen entschieden die namen Eteles und Budas hin. Ersterer
ist mit Etzel in der deutschen und Atli in der nord. sage
identisch; letzterer darf der form des namens nach nicht, zum
mindesten nicht direct, dem Bleda der geschichte, Blo'del der
deutschen sage gleichgestellt werden; er ist vielmehr mit mhd.
Botduwj, nord. Budli urverwant.
Beide beiden, Attila und Bleda- Bnda, sind nicht infolge
einer beeinflussuiig der einen sage durch die andere in die
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNEENSAGE. 463
iing. und deutsch -nord. Überlieferung aufgenommen worden,
sondern ihre aufnähme erfolgte aus gemeinsamen historischen
erinnerungen.
2) Die eroberung Pannoniens.
Die folgende partie der Hunnengeschichte, welche über
die eroberung Pannoniens berichtet, ist in sagengeschichtlicher
hinsieht eine der wichtigsten. Ich will sie also wörtlich nach
Kezai mitteilen und zugleich die wichtigsten abweichungen
der übrigen Chroniken angeben. •)
Cumque eo tempore Panuoniam Pamphiliam Phrygiam Macedoniam
Dalmaciamqixe tetrarcha Macrinns^) uatione Lougobardus urbe Sabaria
oriundus gubernaret, armis bellicis iuforinatus, audito quod Huui super
Tizam resedissent, et de die iu diem lacerarent regimm eins, cum alumpnis
regui sui ipsos aggredi reformidans, ad Romanos suos iiuutios destinauit,
contra Hunos petiturus gentem et auxilium commodari. Ex gratia etenim
Romauorum^) in predictis partiis imperabat. Tunc Romani Ditricum
Yeronensem ") Alamannum natione illo iu tempore super se regem prefece-
rant voluntarie, quem petentes ut Macrino subsidium importaret. Ditrico
ergo auimo gratanti annuente, egressus cum exercitu italico germanico ac
ceteris mixtis gentibus occidentis, peruenit iu Zazholm^), ubi ipsi Lango-
bardi conuenerant, ad Potentianam^) ciuitatem pertractans cum Macriuo
consilium, utrum Hunos in eorum descensu Danubium transiendo, yel in
alio loco congruente inuadere oporteret. — In istis itaque cousiliis et trac-
tatibus Ditrico Macrinoque residentibus, noctis silentio super utres Huni
in Sicambria') transierunt, exercitum Macrini et Ditrici, quem capere
1) Kezai cap. 2, 7—8. Cbr.Vind. cap. 3. Cbr. Poson. cap. 8. 9. Chr. Dubn.
cap. 6. Chr. Bud. s. 15 — 17. H. v. Mügelus Chr. d. Hunn. cap. 3. 4. Turoczi cap,
11. 12. Oläh cap. 1. 2.
2) Ebenso Chr. Vind. ; Chr. Dubn. und Chr. Bud. Matrinus ; Chr. Pos. und
Mügeln 3Iaterni(s; Turöczi Matrimis vel . . . Martinus; Oläh Maternus aut
. . . Matrinus.
ä) Chr. Dubn. Ex gratia Bomanormn imperatoris (d. i. Detricus).
*) Chr. Vind. und in allen übrigen Chroniken Detricus. Bei H. v. Mügeln,
Chr. d. Eunn., wie für Ethela : Etzel, so für Detricus : Dittrich von Bern.
Turöczi: Eadem tempestate Detricus de Verona natione Alamanus Roma-
norum principum de voluntate omni Germaniae praesidehat. Ebenso Oläh.
^) Ebenso Chr. Vind. ; Chr. Dubn. Pos. und Bud. Zazhelm. H. v. Mügelns
Chr. d. Hunn. sashalin. Turoczi Zazalom; Oläh Zaazhalom.
*) Neben Potentiana, Potenciana auch Potencia. Turoczi fügt hinzu :
Erat enim haec ciuitas, ut quidam aiunt, Latinorum, ad litus fluminis Da
nuhii, inter Thetem et Zazalom situata. Oläh wie Turoczi.
') Turöczi: Transnatato itaque infra Sicamhrium Danuhio, in ea
31*
46t BLEYER
Putentiana uou potnit in tentoiiis campis conunorantem criideliter truci-
(larunt. Pro (jua oniin iiniasioue Pitricus') acerbatus in canipnni Tawar-
nucwep: (Tavarnncveljjf)-') exinit ciini Hunis conmiittens prelinm cum snornm
et Macrini maxiniu iuteritu ac periculo, fertur tanieu Ilunos in lioc loco
potenter deuicisse. Hunornm autera residunm in sua est reversum, accepta
fuga, tabernacnla. In eo enim prelio ex Hunis vironim C milia et XXV
niilia corrnerunt Cuwe etiani capitaneo ibidem interfecto. De niilitia vero
Ditrici et Macrini exceptis illis ijui in suis tentoriis ante nrbera memoratam
fuerant trucidati CC milia et X milia perieruut. \'idens ergo Ditricus
tantam cedem suorum accidisse, die altera post cougressum prelii perrexit
versus Tulnam ciuitatem cum Macrino, que tune erat ciuitas Latinorum
inter urbes Pauuonie computata.") Tune lluui intellecto quud Jlacrinus
et Ditricus de loco certaminis remouissent sua castra, reuersi ad locum
certaniinis sociorum cadauera que poterant invenire, Cuvemque capitaneura
prope stratam, ubi statua est erecta lapidea, more Scitico solempniter terre
commendarunt, partesque illius teritorii Cuweazoa*) propter hoc vocauerunt.
Cognita itaque armorum et auimi oeeidentis uationis qualitate et quantitate,
Huni animum resumendo exercitu resarcito aduersus Ditricum et Macrinura
versus Tulnam piio-naturi perrcxerunt. Quorum aduentum Ditricus ut
congnouit in Cesummaur^) eos conuenit''), et a maue usque uouam prelium
est coramissum tarn vehemens ac hostile, ut Wela Eewa et Caducha Hu-
norum illustres capitanei cum aliis XL milibus in ipso certamine interirent.
Quorum etiam cadauera abinde remouentes apud statuani memoratam cum
ceteris sociis subterraruut. Occubuit quoque Macriuus ex Koniauo exercitu
ipso die, et quamplures principes Germanorum, Ditrico per iaculum in
parte, vhi nunc villa Kelenfexdd locaia est (propter quod et eadem hoc
vocahulo d€)iominata dicitus); ebenso Oläh, der aber für Sicambria Buda
schreibt.
') H. V. Mügeln fügt hinzu: der ein laniig u-az der goten des Volkes
sust genannt.
*) Chr. Vind. TarnukiioJg. Chr. Dubn. Tauarnokuehjhy. Chr. Pos. Ta-
warnukivelt. Chr. Bud. Tarnokvelgy. H. v. Mügelns Chr. d. Hunu. tarnukusch.
Turoczi Tarnokvithj. Oläh in ijtsa rcdle Thärnok.
^) In den übrigen chrouiken hinzugefügt: Tidna ciuitas est in Austria,
tres rastas distat Vienne.
*) Chr. Yind. Keive oza; Chr. Dubn. Jie?/e aza; Chr. Pos. Keioehaza;
Chr. Bud. ebenso. H. v. Mügelns Chr. d. Hunn. Kewosa. Turöczi locum que
illum Keiceoza vel Keicehäzu vocauerunt. Xostra quoque aetate, locum
eundem, corrupto rel muiato vocabido, prout id apud Hungaros fieri seiet,
Keazo appellari, haud ahsurdtwi est arbitrari. Ebenso Oläh: Keuuehaza
id est domus Kernte.
*) Chr. Vind. Cesumaur und Cezunmaiir. Clir. Dubn. Cczinaur. Chr.
Pos. Cewsmaur und Cesumaur. Chr. Bud. Cezmaur. H. v. Mügelns Chr. d.
Hunn. temesway. Turöczi und Oläh Kesinawr.
^) In Clir. Vind. und den übrigen Chroniken dicitur occurrisse.
DIE GERM. ELExMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 465
fronte letaliter vulnerato '), et quasi toto exercitu occidentis iutercepto et
fugato.")
Von kämpfen der Hunnen um den besitz Pannoniens
wissen die ausländischen Chroniken nichts, nur ganz verblasste
spuren lassen sich in einzelnen älteren volkstümlichen geschichts-
werken und vielleicht in der piörekssaga finden.^) Es ist also
von vornherein ganz unwahrscheinlich, dass die Hunnengeschichte
ihre erzählung aus fremder quelle geschöpft hätte. Aber auch
das ist ausgeschlossen, dass der ganze bericht von dem Ver-
fasser der Hunnenchronik erdichtet worden Aväre. Dies wider-
spricht auf das entschiedenste der Schreibweise der mittel-
alterlichen historiker. Die Chroniken gebrauchen öfter die
ausdrücke fertur, dicitur u. a., und Turoczi und Oläh bezeugen
direct, dass die erzählung im volksmunde und volkstümlicher
dichtung lebte.'*) Eine nähere Untersuchung des inhaltes der
•) In Chr. Viud. und den übrigen Chroniken: Detricus per sagütam
in fronte vuhicrato. Turöczi: Cuius tandem sagittae truncum, ipse De-
tricus, vrhem ad Bomanam, dignitatis imperatoriae in curiam, pro docii-
mento certaminis per ipsiim cum Hunis commissi, in fronte dctulisse, et
propter hoc, immortalitatis nomen vsurpasse, narratur. Hungarorumqite
in idiomate, liaVmtalan Detreli dici meruit, praesentem vsqae in diem.
Htmc Detricum galeam quandam habiiisse, et illam, quanto magis de-
fcrebat, tanto maiore claritate reftüsisse, fabulantur. Oläh: Ob qiiod vulnus
acceptzim, cognomen Detrico ab Hunnis inditum immortalis, quem in hunc
diem Hungari in suis cantionibus, more Graeco historiam, continentibus,
Detricum immortalem nominant. Teli Jmius, quo fronte ictus erat, partem,
vt plagae acceptae cicatrice & teli fragmento fidem Imperatori faceret, dicitur
Bomam tulisse.
^) In den übrigen Chroniken hinzugefügt: Postquam autem Bomanorum
exercitus de Cesunmaur est dis2)arsus, nunquam deinceps per plures annos
contra Hunos congregari potuerunt.
^) Wird von jüngeren Chronisten, so z. b. von L. Suntheim (vgl.
W. Grimm, D. heldensage* s. 479), über diesen krieg erzählt, so ist die
entlehnung aus uug. Chroniken in die äugen springend.
") Wahrscheinlich auf diese kämpfe bezieht sich, was Kezai in seiner
vorrede sagt: In eo etiam idem (d.i. Orosius = Jordanes) satis est trans-
gressus veritatem, ubi solos sinistros preliorum euentus videtnr meminisse
ipsorum Hungororam, felices preteriisse silentio perhibetur, quod odii mani-
festi materiam portendit evidenter. Volens itaque veritatem imitari, sie
inprosperos ut felices interseram: scripturus quoque ortum prefate nationis,
ubi et habitauerint, quot etiam regna occupauerint, et quotiens immutauerint
sua loca.
466 BLEYER
erzälilung soll den echt sagenhaften chaiaktei- des berichtes
über allen zweifei erheben.
Es Aviirde mehrfach behanptet'), dass sich auch in dieser
erzähl ung-, wie in der über die wähl der sieben herzöge,
eigentlich erinnerungen an die ungarische landnahme und die
damit verbundenen kämpfe widerspiegelten. Es ist ja wahr-
scheinlich, dass diese ereignisse. um Uhlands gleichnis von dem
'lagerfass voll edeln, alten weines' zu gebrauchen, 'frischen
aufguss brachten' und für die sage 'neuen gewinn' herzutrugen,
aber ein epischer gedanke, wie er in der erzählung der Hunnen-
geschichte einheitlich und abgerundet zum ausdruck kommt,
konnte sich aus diesen ereignissen in der gegebenen gestalt
unmöglich entwickeln.
Nachdem Petz zur erklärung der sage von den schlachten
an der Donau auf die ungarische landnahme und siȊtere
kämpfe hingewiesen hat, zieht er (a. a. o. s. 37) bei der erzäh-
lung von der niederlage Detrehs um Tulln eine stelle Ein-
liards (Annales ad a. 791. MG. SS. 1, 177) heran, die über eine
Schlacht Karls d. gr. und der Avaren iuxta Comagcnos civitatem
(= Tulln) in monte Cumcohcry berichtet und erwähnt, dass
an diesem feldzuge auch ein anführer, namens Thcodoricus
comes teilgenommen habe. Diesen gedanken, der so gut zu
seinen erörterungen über die Szeklerfrage passt, hat dann
Sebestjen weiter ausgeführt und zur grundlage der ganzen
sage von der eroberung Pamioniens gemacht (a.a.O. s. 414 ff.).
') So Petz a.a.O. s. 32. H.Marczali, Ungarns geschicbtsquelleu s. 102.
Karäcsouyi a. a. o. s. 19 ■will die ganze erzählung von der eroberung Pau-
noniens, die nach ihm eine Avillkürliche coinbiuation Kczais wäre, mit dem
kurzen binweis auf zwei ereignisse um die mitte des 11. jh.'s erklären:
1) Macrinus, dem der deutsche Petreb zu hilfe eilt, sei kein anderer als
der ungarische köuig Peter, der im jähre 1046 nur mehr ein vasall des
deutsch-römischen kaisers war; er wurde 104G in der Umgebung von Ofen
von den Ungarn überfallen, wie Macrinus von den Hunnen bei Poteutiana,
auch er kämpfte verzweifelt in Tärnokvülgy, da er docli in Zämor neben
Tärnok gefangen worden sei; 2) der sieg bei Zeisclnuiuer stelle eigentlich
den kriegszug des königs Aba Samuel dar, der 1042 von kaiser Heinrich HI.
aus Niederö.sterreich zurückgeschlagon wurde. Karäcsonvi begründet seine
ansiebt nicht näher, wie sie denn auch wirklich nicht begründet werden
kann. Aus diesen beiden ereignissen hätte der chrouist die ganze erzäh-
lung von der eroberung Pannoniens durch die Hunnen erdichtet? Das ist
doch gewis eine zumutung, die jenseits der grenze der möglichkeit liegt.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HÜNNENSAGE. 467
Durch die Chronologie Kezais und der übrigen Chronisten (die
Ungarn seien hundert jähre nach Attilas tode in Pannonien
aufgetreten, was vielmehr zur einwanderung der Avaren passt),
die erwähnung eines Langobarden Macrinus (in Wirklichkeit
folgten nicht die Hunnen, sondern die Avaren auf die Lango-
barden), und die erzähl ung von einem römischen könige und
einer Schlacht bei Tulln (Karl d. gr., ein römischer könig,
schlug bei Tulln die Avaren in einem feldzuge, an welchem
auch ein comcs Theodoricus beteiligt war) will Sebestyen be-
weisen, dass hier eine tatsächliche Verwechslung der Avaren
mit den Hunnen vorliege. Er nimmt also an, die sage habe
die richtung des feldzuges umgekehrt: statt von westen nach
Osten zurückweichen, Hess sie die mit den Avaren identificierten
Hunnen von osten nach westen vorwärtsdringen und gestaltete
die niederlage der Avaren zu einem entscheidenden siege der
Hunnen um.
Ich will auf die prämissen Sebestyens nicht näher ein-
gehen und nur kurz bemerken: 1) die Chronologie bei Kezai
und in den übrigen Chroniken ist nicht nur nicht historisch,
sondern ganz willkürlich und voller Widersprüche, so dass sich
je nach lust verschiedene Schlüsse daraus ziehen Hessen;
2) Macrinus und die Langobarden gehören (wie ich unten
nachzuweisen suche) nicht der echten sage an; aus ihrer er-
wähnung kann also auf die sage nicht gefolgert werden;
3) ist Bitricus de Verona mit dem deutschen Dietrich von
Bern identisch — dies behauptet Sebestyen selbst — , so braucht
sein name, wie auch seine Stellung als könig von Eom nicht
anderswoher erklärt zu werden, da er in der deutschen sage
denselben namen führt und dieselbe Stellung einnimmt. Dass
die Avaren in den Chroniken verschwiegen sind, wäre zwar
nicht auffallend (kommt doch auch der name der Goten in
der deutschen sage nicht vor), aber wie lässt sich ein um-
kehren der richtung vorstellen, und wie hätte aus dem zurück-
weichen ein vorwärtsdringen werden sollen? Und vor allem,
was hätte die sage dazu bewegen können, eine niederlage der
Avaren zu einem endgiltigen siege der Hunnen umzugestalten?
Doch abgesehen davon, ist durch diese annähme der gang der
erzählung, das wesen der sage: einwanderung der Hunnen,
eroberung Pannoniens, Unterwerfung Detrehs u. s. w., nicht nur
468 ni.EYER
nicht erklärt, sondern f^c^r nicht berührt. Damit ist natürlich
nicht gesagt, dass die kriegszüge der Deutschen gegen die
Avaren keinen einfluss auf die sage ausgeübt haben können.
Es ist sogar wahrscheinlich, dass die erinnerung an die Avaren-
känipfe lange zeit hindurch bei den pannnnischen Völkerschaften
wach blieb und allmählich auch auf die Hunnensage einwiikte.
Man Avusste, dass in der gegend von Tullu eine grosse schlacht
geschlagen wurde, und verlegte später die örtlichkeit der
Hunnenkämpfe wenigstens teilweise in diese gegend. Dies ist
selbstverständlich noch keine identittcierung der niederlage
der Avaren mit dem siege der Hunnen. Die Avarenkriege
können also nur in dem sinne, wie es von den ereignissen
der ungarischen landnahme oben angenommen wurde, auf die
Hunneusage von einfluss gewesen sein; der epische kern der
sage aber kann unmöglich auf die Unterwerfung der Avaren
durch Karl d. gr. zurückgeführt werden.
Wir müssen also eine andere erklärung suchen. Schon
W. Müller hat zu diesem teile der ungarischen Hunnensage
bemerkt'): 'vergleicht man damit die auch schon sagenhafte
erzählung des Jornandes (c. 48) von dem ostgotischen könige
Vinitharius, der von dem Huunenfürsten Balamber angegriffen
in zwei treffen siegte, in dem dritten aber von dessen pfeil
tötlich an der stirne verwundet wird, so darf man bei der
Übereinstimmung der einzelnen züge wol annehmen, dass die
ältere gotische sage von Vinitharius auf Dietrich übertragen
wurde. Dass die sage ihre träger mehrfach ändert, ist ein
bekannter satz.' ^^^ ^Müllers ausführungen waren auch Petz
(a.a.O. s. 42) bekannt, aber er zieht diese stelle bei Jordanes
nur zur erklärung des pfeilschusses heran, den nach der er-
zählung der ungarischen Hunnenchronik Detreli im kämpfe
gegen die Hunnen erhielt. G. ^latthaei (a. a. o. s. 4 ff.) hat den
bericht des Jordanes zum ersten male als grundlage der ung.
Hunnensage nachzuweisen gesucht, trotz der bedenken von
Heinzel (üeber die Hervararsaga, Wiener SB. 114, 518) und
Jiriczek (Deutsche heldensage 1 [1898], 137, anm. 1), auf die
ich unten zurückkonnne.
') In Henuebergers Jalirb. für deutsche lit.-gesch. 1, 165. Vgl. auch
K. MüUeuhoff, Zs. fda. 12, 254.
DIE GERM. ELEMENTE DEE ÜNG. HÜNNENSAGE. 469
Jordanes bericlitet Getica cap. 24 : quam adversam eius
valitudhiem captans Balaniher rex Hunnorum in Ostrogotharum
parte movit procinctiim, a qiiorum societate iam Vesegotliac
quadam inter se intentione seiuncti Jiahehanhir. inter liaec Her-
manaricus tarn vulneris dolore quam etiam Hunnorum inciir-
sionibus neu ferens grandevus et plenus dierum centesimo anno
vitae suae defunctus est. cunis mortis occasio dedit Hunnis
praevalere in Gothis Ulis, quos dixeramus orientali plaga sedere
et Ostrogothas nuncupari. Von dem ersten zusammentreffen
der Goten mit den Hunnen um 375 wusste also die got. Über-
lieferung nichts näheres, sonst würde auch Jordanes darüber
eingehender berichtet haben. Gewis verlief auch dieser erste
zusammenstoss nicht ohne blutige kämpfe, aber der tod des
gewaltigen Ermanarich drängte jede andere historische erinne-
rung zurück. Die Unterwerfung der Goten gleich nach dem
tode Ermanarichs war keine endgiltige und allgemeine (vgl.
Wietersheim-Dahn, Geschichte der Völkerwanderung 2, 31 f.).
Vinitharius, ein enkel Wultwulfs, des bruders Ermanarichs, der
grossvater Walamers und seiner brüder, suchte den Goteu-
staat durch neuunterwerfung der Anten (Slaven) wider auf-
zurichten, aber vergebens. Jordanes berichtet über ihn Getica
cap. 48: sed dum tali Ubertate vix anni spatio imperasset (d.i.
Vinitharius), 7ion est passus Balamber, rex Hunnorum, sed
ascito ad se Gesimundo, Hunnimundi magni ftlio, qui iuramenti
sui et fbdei memor cum ampla parte Gothorum Hunnorum im-
perio subiacehat, renovatoque cum eo focdcre super Vinitharium
duxit exercitum; diuque certati primo et secundo certamine Vini-
tharius vincit. nee valet aliquis commemorare, quanta strage de
Hunnorum Venetharius fecit exereita. tertio vero proelio sub-
reptionis auxilio ad fluvium nomine Erac, dum utrique ad se
venissent, Balamber sagitta missa caput Venetharii saucians
interemit Schon dieser bericht des Jordanes hat ein sagen-
haftes geprägei), und es ist wahrscheinlich, dass im laufe der
zeit erst diese kämpfe als solche betrachtet wurden, in denen
die Goten eigentlich ihre Unabhängigkeit verloren haben, wie
denn schon Jordanes zu einer solchen auffassung neigt, wenn
^) Doch wird der name Balamher kaum eine got. erfinduug sein, wie
Kieger annimmt, Zs. f. deutsche myth. 1, 231 ; vgl. Matthaei a. a. o. s. 5.
tyn KLEYER
er furlfälnt: iicjitonquc eins (d.i. Vinitliarii) Vtdumcrcam sibi
in coniuyio cojuddns iitni omncm in pacc Gothorum populum
suhüction 2^ossedit, Ha tarnen, ut (jcnii Gothorum scmpcrum
propriüs rc(ju1i(s, quamvis llunnorum consilio, imperaret.
Wir dürfen also aimelinien. dass in der ostgot. tradition
die erinnerung an Ernianaricli, als den gegner der Hunnen,
allmählicli verblasste, und die niederlage Winitliars sicli als
der über das Schicksal der Goten entscheidende kämpf im ge-
dächtnisse erhielt. A\'ar doch der tod Krmanarichs und seine
ganze rolle, die er in der Gotengeschichte spielte, in der germ.
sage schon sehr früh in vollkommen anders geartete beziehungen
gebracht Avorden. Galt also der krieg Winithars für den ent-
scheidungskampf zwischen Goten und Hunnen, so kommt der
bericht des Jordanes dem der ungarischen Hunnengeschichte
ungemein nahe: der episch-historische grundgedanke ist jeden-
falls derselbe. Dieser aber ist für die lösung unserer frage
von grösster Wichtigkeit, die durch den naclnveis beiläufiger
anklänge in einzelnen punkten nicht erzielt werden kann.
Nachdem die Ostgoten unterworfen waren, drangen die
Hunnen gegen die Westgoten vor (vgl. Wietersheim-Dahn a.a.O.
2, 33 f.). Jordanes weiss darüber nichts zu berichten, aber
Matthaei (a.a.o. s. 4) zieht eine stelle aus Ammianus ]\Iar-
cellinus heran (ed. Fr. E3'ssenhardt, 1871, s. 494), die sich mit
dem berichte der ungarischen Hunnengeschichte über das
erste treffen berührt: Castris dcnique prope Danastt margines
. . . oportmic mdatis . . . rumpente noctis tencbras luna vado
flmninis pcnetrato . . . Athanaricmn ipsum ictii pdiverc vcloci.
cunique stupentcm ad intpdunt priniiDu, a»nissis qitihitsdain
snonu)/ cocycrnnt ad cffugia properare montinm praernptonu)i.
'Allerdings — sagt Matthaei — erfolgte der verhängnisvolle
Überfall nicht an der Donau, sondern am Dniestr, wo die
vereinigten Ost- und "\\'estgoten unter Athanarich durch die
Hunnen überrumpelt wurden; auch hier aber überschritten
diese unbemerkt in einer mondhellen nacht den tluss und
kamen so den Goten in den rücken. Dass es sich hier um
keine zufällige Übereinstimmung handelt, wird durch weitere
gotische sagenreste bestätigt'; nämlich durch den oben bereits
angeführten bericht des Jordanes über Winithar. Ich stimme
Matthaei bei und halte es für sehr wol möglich, ja wahr-
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HÜNNENSAGE. 471
scheinlicli, dass die kämpfe ^Yiuitliars und Athanarichs, als
die folgenschwersten für das Schicksal des ganzen Gotentums,
in der mündlichen Überlieferung mit einander zu einer einheit-
lichen sage verknüpft wurden. Nach der Verknüpfung mag
die grundform der gewis ostgot. sage folgendermassen gelautet
haben: die Hunnen ziehen des nachts über einen fluss, über-
fallen die Goten und bereiten ihnen eine niederlage; in einem
zweiten treffen tragen die Goten über die Hunnen den sieg
davon, in einer dritten schlacht aber werden die Goten schwer
geschlagen, ihr anführer fällt durch einen pfeilschuss in den
köpf, und das ganze Gotenvolk wird den Hunnen unterworfen.
Wie verhält sich nun die ungarische sage zu dieser, sicher
nicht gewaltsam reconstruierten und willkürlich vorausgesetzten
ostgermanischer Überlieferung? Der kern der erzählung ist voll-
kommen derselbe : blutige kämpfe zwischen Hunnen und Goten,
in denen letztere unterliegen. Der name der Goten wird in
den sagenhaften teilen der ungarischen Chroniken nicht ge-
nannt') und wurde es wahrscheinlich auch in der sage nicht 2);
es ist aber ganz klar und braucht nicht weiter ausgeführt zu
werden, dass es sich um Goten handelt. Ein dreimaliges
treffen mit wechselndem glücke ist zwar eine häufig wider-
kehrende sagenformel, hier aber hat jedes treffen in localer
und stofflicher hinsieht sein eigenes gepräge, das auf einen
bestimmten historischen hintergrund hinweist. Eine abweichung
ist nur in der localisierung der Überlieferung und in den per-
sonen vorhanden, und diese will ich im folgenden — Matthaei
tut die ganze frage kurz ab — zu erklären versuchen.
Die ganze ungarische Hnnnensage ist in dem nördlichen
teile des alten Pannonien localisiert. Die erzählung von den
Hunnenschlachten spielt in ihrer ersten hälfte im nordöstlichen
teile des heutigen comitates Stuhlweissenburg. Detreh gelangt
mit seinem italienischen, germanischen und aus verschiedenen
andern Völkern bestehenden beere nach Zasholm, d. i. Sms-
•) Wenn H. v. Mügeln den Dietrich einen hunig der goten nennt, so
hat er diese beziehnng gewis aus seiner gelelirsamkeit geschöpft.
^) In dieser war ihr name vielleicht Eoniani, oder aber als bezeich-
uung ihres germanischen wesens Alemanni.
472 BLEYER
halom '), Ccntnm inontcs — so wird der ort von dem anonymen
notar ganz richtig: genannt-) — unterhalb Krd in der nähe
von Batta. ])ie benennung des ortes hängt mit den zahlreichen
hiigeln zusammen, die in dieser gegend zu finden sind. Es
sind grabhügel aber wie ausgrabungen erwiesen haben, nicht
hunnische, sondern keltische.^) Von dem volke wurden sie
aber für Hunnengräber gehalten, und so waren sie höchst
geeignet dazu, eine localisierung der Hunnenschlachten in dieser
gegend herbeizuführen.
Neben Szäzhalom wird Potentiana gedacht, Turöczi fügt
zu dem berichte der übrigen Chroniken hinzu: Erat enim haec
civitas, nt qnidam ainnt, Latinoriim, ad litns fluminis Bannhii,
inter Thciem (das heutige Teten}') et Zasalom sittiata. Die
localisierung Potentianas zwischen Teteny und Szäzhalom kann
nur eine Schlussfolgerung Turoczis aus der darstellung der
übrigen Chroniken sein, und das ahmt muss sich auf diese
beziehen, denn ausser an dieser stelle der Hunnengeschichte
kommt der Ortsname nirgends vor. Ueber diese angeblich
römische Stadt wurde schon viel geschrieben und nachgeforscht,
aber ohne sicheren erfolg. Schon bei Seh wandt ner ist darauf
hingewiesen^), dass vielleicht eine Verwechslung mit der pan-
nonischen Stadt Äloycntiana vorliege. Dieser annähme, die
bereits St. Schoenwisner zurückgewiesen hat^), pflichtet Sebe-
styen (a. a.o. s, 419f.) bei und hebt hervor, dass in dieser
gegend Theoderich d. gr. geboren und der Suavenkönig Huni-
mnnd von Theoderichs vater bei einem nächtlichen Überfall
gefangen genommen worden sei (Jordanes, Getica cap, 52. 53).
Petz macht (a. a. o. s. 33 f.) darauf aufmerksam, dass städte-
uamen in gleicher oder ähnlicher form auch anderwärts vor-
*) Ung. sz = stimmloses s, ung. z = stimmhaftes s, ä = offenes uud
gedehntes a.
^) Cap. 42. — Also nicht Szäszhalom, d.i. 'Sachscnhügel', wie seiner
zeit Horväth J., Rajzolatok a magyar uemzet Icgrögibh türtenetebül, 1825,
s. 40 und Grf. J. Muiläth, Geschichte der Magyaren, 1831, 4, anh. s. 47 ver-
muteten. In W. Grimms D. heldensage^ ist also *171 c als falsch zu streichen;
Berö ist eine willkürliche lesuug für Verona.
ä) Vgl. Luczenbacher J., Akademiai ertesito, 1847, s. 282 ff. und (j.Nagy
in Pallas nagy lexikona ü, 474 (Hunn sirok) und 11, 105 (Kunhalmok).
*) SS. Rer. Hung. 1, 58, anm.; vgl. auch Corp. inscript. Lat. 3, 1,523. 525.
*) Itin. et cornm. geogr. 2 (1781), 236.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 473
kommen, und dass nach dem römischen Imperator Potentianus
leicht verschiedene römische colonien den namen Potentiana
erhalten haben können; auch in Pannonien könne es eine
solche gegeben haben, wie denn St. Schoenwisner (a.a.O.
2, 236 f.) von zwei steinbruchstücken aus Pannonien mit der
inschrift Potentia und J^eapotentia berichtet. J. Pauler meint,
es liege eine erinnermig an Pollentia vor, wo Stilico die Goten
überfiel. ') Es ist jedenfalls zweifelhaft, ob es jemals in Pan-
nonien eine Stadt dieses namens gegeben hat; sicher aber ist,
dass es zur zeit der ungarischen landnahme keine auch nur
ähnlichen klanges gab. Eben deshalb bin ich der ansieht,
dass Potentiana nicht der echten Überlieferung angehören
könne. Alle übrigen Ortsnamen, die in der Hunnenchronik
erwähnt werden, sind fest fixiert und bezeichnen dörfer und
Städte, die zur zeit der Ärpäden ausnahmslos bestanden und
zum grossen teile auch noch heute bestehen. Ist es nun
denkbar, dass die sage einen namen mit sich geschleppt und
ihn zwischen lauter bekannten Ortschaften fixiert hätte, wo
es doch dort eine Stadt dieses oder ähnlichen namens nicht
gab? Der erste beste zuhörer hätte den dichter oder erzähler
der lüge strafen können. Auch kann Potentiana oder Potentia
in dieser form unmöglich im ung. volksmunde gelebt haben;
wäre aber die form eine andere, volkstümlichere gewesen, so
wäre sie auch von den ung. Chronisten nicht umgestaltet oder
verschrieben worden, wie dies auch mit Etele, Buda, Ssdz-
halont, TdrnoJcvölgy i\.s.v,\ nicht geschehen ist. ^Yoller stammt
nun der name? Ich halte ihn für eine gelehrte entlehnung;
freilich ohne dass ich auf die frage, aus was für einer quelle
er entnommen worden sei und was die veranlassung zu dieser
entlehnung gegeben habe, antworten könnte. Wir haben aber
mehrere stellen in der Hunnengeschichte, die zweifellos ge-
lehrten Ursprungs sind, deren directe quelle aber ebenfalls
nicht nachgewiesen werden kann.
Während Detreh und Macrinus sich berieten, setzten die
Hunnen nachts bei Sicambria über die Donau, überfielen das
vereinigte beer und bereiteten ihm eine schwere niederlage.
•) Jordanes, Getica cap. 30. Pauler Gy., A magyar nemzet törtenete Szent
Istvänig s. 201, anm. 3.
474 HI.KYER
Dass Sicanthria iiiclit der ecliteii überliefennig- angeliört, ist
selbstverständlich. Es ist der gelehrte iiaiiie für Bmla = Ofen,
der seine entstehiing der fränkischen Trojasage verdankt.»)
Die Trojasage wird von Fredegar, dem veifasser der Gesta
regum I'^rancorum und andern erzählt, und der nanie Sicanihria
kam auf diesem wege nicht nur in die llunnenchrunik. sondern
wurde in gelehrten werken noch Jahrhunderte lang angewendet.^)
Turoczi lässt die Hunnen unterhalb Sicambria bei Kelenfcuid
— lies Kelcnfülä, wie der ort neben Ofen noch heute heisst
— übersetzen, und zwar eines Wortspieles halber: dt-kelni =
'übersetzen'.
Nach diesem überfalle zog sich Detreh mit dem beere
nach Tavarnucvelg, d.i. Turnolcvülgy zurück, wo die Hunnen
— fertnr hebt die chronik hervor — eine gewaltige nieder-
lage erlitten. TdrnoJc ist heute noch ein unter diesem namen
bestehender marktflecken im comitat Stuhlweissenburg westlich
von Teleny und Erd.=') Trotz ihres sieges wichen Detreh und
Macrinus zurück, und die Hunnen bestatteten ihre gefallenen,
unter ihnen auch den herzog Cidce (lies Köve) oder Keva, in
') Vgl. K. L. Roth, Die Trojasage der Frauken, Germ. 1, 34 ft., iiud Petz
a. a. 0. s. 34.
*) Vgl. F. Salamou, Bud-Pest törteuete 1,82 ff. Turoczi cap. 1 leitet
den namen nicht Ton Sicamher, sondern von dem berge Sycan ab. G. Mat-
thaei (Beitr. z. gesch. d. Siegfriedssage, progr., Gr.-Lichterfelde 1905, s. 22 f.)
ist geneigt, in diesem namen etwas historisch-sagenhaftes zu sehen. Aber
diese ansieht ist zweifellos falsch. Auch die angebliche steininschrift:
legio Sicamhrorum hie praesidio collocata civitatem aedificaveruni, quam
ex suo nomhte Sicambrium rocavenod, die unter künig Matthias Corvinus
im 15. jh. gefunden sein soll, ist nichts weiter als eine einfältige fälschung
des Bonfinius (Hung. dec. 1, lib. 1), wie dies St. Schoenwisner (De ruderibus
laconici caldariique Romauorum, Budae 1778, s. 212) deutlich bewiesen hat.
Vgl. Salamon a. a. o. s. 88 ff.
') Sebestycn a.a.o. s. 428 u\(iu{ifi.dert Tärno/a-ülyy mit TimioJc im co-
mitat Zala, und zwar auf grund seiner annähme, dass Foteidiana mit Mo-
gantiana identisch sei. Da aber alle übrigen Ortsnamen auf den nordöst-
lichen Winkel im comitat Stuhlweissenburg hinweisen, und da I'otcniiana,
wenn es auch mit Mugentiana identiticiert werden dürfte, meiner ansieht
nach nicht der echten Überlieferung angehört, kann ich mich der auffassung
Sebestyens nicht anschliessen : Turnok = Tavarniciis ist ein slavisches lehu-
wort; völgy = 'tul'.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 475
Cmveazoa neben der landstrasse '), wo eine steinsäule stand.
Dieses Cmveasoa ist mit dem heutigen Kajdszö (-Szent-Peter)
südwestlicli von Tärnok identisch. 2) Köveaszö bedeutet eigent-
lich so viel wie 'steintal'; die bedeutung, die dem namen von
den Chronisten gegeben wird: Keve heim = 'das haus Keves'
ist falsch und ist für eine gelehrte etymologie anzusehen, wie
solche von den Schriftstellern des mittelalters auf jede mög-
liche und unmögliche weise hergestellt werden. Wäre die
etymologie in diesem sinne volkstümlich gewesen, so hätte sich
hdsa — ein häufiges compositionsglied in ung. Ortsnamen —
in der Weiterentwicklung des namens erhalten müssen. Hun-
falvy3) nimmt an. dass die Chronisten selbst den namen des
herzogs von dem Ortsnamen abstrahiert hätten. Doch gerade
so gut kann auch der volksmund den personennamen vom
Ortsnamen abgeleitet haben, um so mehr, da der persouenname
Keve in den ung. Urkunden nicht selten ist. Wichtig ist in
sagengeschichtlicher hinsieht die erwähnung einer steinsäule.
Steinsäulen und heidnische grabhügel werden in mittelalter-
lichen ung. Urkunden bei grenzbestimmungen häufig angeführt.
Auch diese steinsäule war gewis eine grabsäule, wie sich denn
in dieser gegend — was ich schon hervorhob — zahlreiche
grabhügel befinden, aus denen gemetzte steine, kriegsgeräte,
beine, urnen, asche in grosser menge zum Vorschein kamen. ^)
Dass ein Zusammenhang zwischen dem Ortsnamen Köveasso,
dem Personennamen Köve und der steinsäule (ung. ho 'stein')
vorhanden ist, liegt auf der band. Also auch hier ein deut-
licher fingerzeig, wie und warum die sage in dieser gegend
localisiert wurde. Nach der Schlacht bei Tulln werden auch
Wela, Rewa und Caducha in Keveaszo beigesetzt, und auch
Etele lässt die Hunnengeschichte hier bestatten. In Keveaszo
war also die gemeinsame grabstätte der Hunnenfürsten, ähn-
lich wie die der ungarischen könige in Stuhlweissenburg.
Der rückzug Detrehs und Macrinus' ermutigte die Hunnen,
^) Es ist darunter die Römerstrasse zu verstehen, deren reste nocli heute
bei Erd und Batta zu sehen sind. Vgl. Corp. inscr. Lat. 3, 1, 434 ff.
^) Vgl. Szalay J., Attila sirja, Archaeologiai ertesitu, üj. foly. 3, 149 ff.
und Nagy G., Kevehäza, Pallas uagy lexikona 10, 479 f.
ä) A szekelyek, 1880, s. 23.
*■) Vgl. Sebestyen a. a. 0. s. 426.
476 BLEYEK
sie eilten dem feinde nach und stiessen auf ilin bei Cesiimmanr
(lies Cezümmaur). Es entspann sich eine blutige schlacht, die
mit dem siege der Hunnen endigte. Die 1 [unncn verloi-en von
ihren herzögen A\'ela, I\eA\a und Caducha; aber auch ^facrinus
fiel und Detreh wurde schwer verwundet. Ce^ö»niuuir ist
natürlich mit Zeisdniuucr unterhalb Tulln in Niederösterreich
identisch. P. llunfalvy war der ansieht, der ungarische Chro-
nist habe, wie überhaupt den grössten teil der sagenhaften
elemente, auch die beiden Ortsnamen Tulln und Zeiselmauer
aus dem Nibelungenliede herübergenommen. Dass diese auf-
fassung irrig ist, bedarf keines beweises. Die ungarische
Hunnengeschichte hat ausser Kriemhild und einigen namen,
die ganz anders erklärt werden müssen, als Hunfalvy es
tat, mit dem Nibelungenliede nichts gemein. Tulln kommt
zwar im Nibelungenliede vor, aber in ganz anderem zusammen-
hange, so dass die Übereinstimmung nur eine zufällige sein
kann.') Dasselbe gilt noch in erhöhtem masse von Zeisel-
mauer. Die richtige lesart ist im Nibelungenliede zweifellos
Treisenmüre, das heutige Traismauer an der Traisem oberhalb
Tulln, wie ja auch Kriemhild auf ihrer fahrt zu Etzel zuerst
nach Treisenmüre und dann nach Tulln gelangen muss. In
der Hunnenchronik steht aber ganz richtig Zeiselmauer, da
die Hunnen mit dem feindlichen beere noch vor Tulln, also
östlich von demselben, zusammentreffen.^) Zeiselmauer liegt
an der stelle des römischen Cetiiim ad muros, von welchem es
auch den namen erhalten hat, wie es scheint, mit anlehnung
an den personennamen Zeizo.^) Vom 10. jh. an ist es in der
form Zeizinmnre und Zeizenmüre belegt. Das erste composi-
tionsglied des namens in den Chroniken, Cesnn oder Cesum
(1. Cezön-) ist eine lautgeschichtliche entsprechung zu Zeiziii-.*)
') Daraus, dass die Humienchroiiik über Tullu mehr zu sagen weiss
(Inlna tunc erat chdtas Laiinorum inter urbes Pannoniae compnUäa und
tres rasias clistat Vienne) als das Nibelungenlied (Bartsch' ausg. str. 13-1:1
und 1361), will ich keine Schlüsse für die sage selbst ziehen, da diese be-
nierkungen gewis gelehrte zusätze sind.
») Vgl. Petz a.a.O. s.35ff.
ä) \g\. Fr. Fmlauff, Geographisches uamenbuch von Oesterreich-Ungarn,
1886, S.284.
*) Ueber />■ ^ oder ü s. oben; für e/>- 1 (geschlossen und lang) vgl.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 477
Diese entspreclumg- deutet darauf hin, dass der name im \mg.
volksmunde lebte, denn wäre er auf literarischem wege ent-
lehnt worden, so wäre er vielleicht fehlerhaft, aber jedenfalls
in seiner deutschen form abgeschrieben worden. War aber
der name volkstümlich, so kann er es kaum anders als durch
die sage gewesen sein, da der kleine ort in Ungarn sonst
schwerlich in weiteren kreisen bekannt gewesen sein wird.
Nun aber haben wir für 'iiiüre im zweiten compositionsgliede
maur. Dies stimmt schon insofern nicht zum ersten gliede
des compositums, da wir hier keine sprachgeschichtliche Um-
wandlung des diphthongs haben. Der diphthong hätte im
volksmunde unbedingt zu einem monophthonge, zu 6, werden
müssen und hätte höchstens zur zeit Kezais noch ou (vgl.
Ou-Buda) lauten können.') Aber woher überhaupt das au?
Gehört der name der echten sage an, so muss er gewis alt
sein; eine diphthongierung des ahd. ü darf aber auch im bair.-
öst. kaum vor dem 12. jh. angenommen werden 2), die diphthon-
gierung trat also im mhd. ungefähr zu der zeit ein, wo im ung.
die diphthonge monophthongiert wurden. Dieser Widerspruch
ist kaum anders zu lösen, als dass wir annehmen, der Orts-
name sei dem Verfasser der Hunnengeschichte in seiner deutschen
form bekannt gewesen, so dass er sich an dieselbe bewusst
oder unbewusst anlehnte; die übrigen Chroniken schrieben dann
den namen in seiner zwitterform unbekümmert nach. Eine
weitere frage ist, wie überhaupt Tulln und Zeiselmauer in die
ung. sage aufgenommen wurden? Es ist kaum eine andere
deutung möglich als diejenige, welche Petz und Sebestyen
gegeben haben, indem sie — wie ich schon erwähnte — auf
die Avarenschlacht bei Tulln hinwiesen. Das dritte treffen
selbst gehört gewis dem ältesten bestände der sage an, und
es fand wahrscheinlich in West-Pannonien statt, da sich der
kriegszug von Szäzhalom über Tärnokvölgy in w^estlicher rich-
tung bewegt. Eine einwirkung der Avarenkämpfe bei Tulln
ist also sehr wol — freilich nur in localer hinsieht — möglich.
Lumtzer-Melich, Deutsche ortsnameu und lehmvörter des ungarischen Sprach-
schatzes, 1900, s. 28-i, § 93.
1) Vgl. Lumtzer-Melich a.a.O. s. 284, §97 und Melich J., Nyelvtud.
közlemenyek 34, 140.
») Vgl. 0. Behaghel, Pauls Grundr. l^ 701 f.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. 32
478 RLEVEU
Aber auch dann dihften wir \m ununteibiochener Überlieferung
kaum die deutsclien namen erwarten, sondern solche, welche
die beiden orte im volksmunde vor der nicdeilage der Avaren,
also vor der ansiedlung der Deutsclien geführt hatten. Dass
sie aus deutscher sage in die ung. herübergenommen worden
wären, ist ausgeschlossen, da sich 1) in der deutsclien sage
keine spur von einer schlacht zwischen Goten und Hunnen
bei Tulln finden lässt, 2) da die ganze ungarische überliefei'ung
mit ausnähme Kriemhilds — wie wir sehen werden - von
der deutschen unabhängig ist. Auch hier lässt sich keine
andere erklärung finden, als dass wir annehmen, die Ungarn
haben die deutschen namen bei ihren häufigen einfallen in die
Ostmark zur zeit der ungarischen landnahnie und noch später
kennen gelernt und sie in die sage an die stelle der ursprüng-
licheren aufgenommen. Doch ist es möglich, dass diese um-
tauschung der namen schon vor der einwanderung der T7ngarn
im laufe des 9. jh.'s durch die früheren pfieger der pannonischen
ITunnensage vollzogen wurde. Wie gross aber auch die Un-
sicherheit in der deutung der erzähhmg von Tulln und Zeisel-
mauer sein mag, so sind wir doch nicht berechtigt, die erzäh-
hmg selbst als unecht zu verwerfen. Sie steht mit der ganzen
tradition von der eroberung Pannoniens in organischem zu-
sammenhange und lässt sich weder in gelehrten geschichts-
werken noch in irgend einer fremden sage nachweisen. Er-
dichtet wurde sie vom Chronisten gewis nicht, denn das war
nicht die art des mittelalterlichen geschichtsschreibers. und es
lässt sich auch gar kein grund anführen, A\'arum und zu welchem
zwecke er es in diesem falle hätte tun sollen.
Nach diesen erörterungen will ich die frage beantworten,
warum die sage in Pannonien localisiert Avurde. Die Über-
lieferungen, auf denen sich die sage aufbaute, sind zweifellos
ostgotischen Ursprungs. Eine sage von der unterw^erfung der
Goten durch die Hunnen kann sich unter den gegebenen
historischen Verhältnissen, als die Goten vom westlichen
Europa weit entfernt im osten sassen, nur bei den Goten, und
da die Westgoten alsbald in ganz andere kämpfe verwickelt
einer neuen gestaltung ihres Schicksals entgegen giengen, nur
bei den Ostgoten gebildet haben, für deren geschichte die
niederlagen Ei-manarichs und Wiiiithars fast auf ein jahrhun-
I
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 479
dert entscheidend waren. Die Überlieferung- war gewis lang-e
zeit hindurch an die historischen örtlichkeiten der tatsächlichen
ereignisse gebunden, auch dann noch, als die Ostgoten unter
der herschaft der Hunnen, als deren vorhut g-eg-en die west-
lichen Germanen, grossenteils nach westen bis nach Pannonien
vorgedrung-en waren. ') So geschah es denn, dass nach Attilas
tode den Ostgoten auf ihr bitten Pannonien etwa von Sirmium
bis AVien von Rom überlassen wurde (vgl. Jordanes, Get. cap. 50).
Die erinnerung an die alte heimat an den g-estaden des Pontus
musste in den neuen Wohnsitzen allmählich verdunkeln. Seit
den ersten kämpfen gegen die Hunnen waren bis zum abzuge
des ostgotischen hauptvolkes unter Widemer, Theodemer und
Theoderich aus Pannonien hundert jähre, also drei genera-
tionen verschwunden; zeit genug, um eine Verlegung des Schau-
platzes aus der alten heimat im osten in die neue wohn-
stätte in Pannonien erklärlich zu finden. Ich glaube also,
wir dürfen mit recht annehmen, dass die sage von den Ost-
goten selbst in Pannonien localisiert wurde und zwar in einer
solchen gegend Pannoniens — von Ofen abwärts bis nach
Szäzhalom und Kajäszö-Szent-Peter — , wo alte steinsäulen,
grabhügel und ruinen verschiedenster art die phantasie des
Volkes unwillkürlich zur sagenbildung anregten. Von den
Ostgoten selbst können die Ungarn die sage natürlich nicht
herübergenommen haben; diese muss sich aber in Pannonien
erhalten haben und weiter gepflegt worden sein, bis sie von
den Ungarn angenommen werden konnte. Demgegenüber sucht
Matthaei nachzuweisen, dass die ungarische Hunnensage in
ihrem ganzen Inhalte, also auch in diesem teile, bairischen
Ursprungs sei. Bevor ich eine Widerlegung der ansieht Mat-
thaeis unternehme, will ich noch auf die weitere frage eingehen,
wie Etele an die stelle Balambers und Detreh an die Winithars
und Athanarichs getreten ist.
Ueber Wela, Rewa, Caducha und Cuwe, die in diesen
kämpfen fielen, ward schon oben gehandelt. Es wurde auch
hervorgehoben, dass die träger dieser namen, falls sie wirklich
der echten tradition angehören, erst durch die specifisch ung.
fortbildung der sage unter die Hunnenfürsten aufgenommen
1) S. Wietersbeim-Dahn, Geschichte der völkerwanderuug 2, 272.
32*
480 m.EYER
werden konnten. Diese fortl)ildnng war aber nicht derart,
dass sie das ursiirihigliciie gefüge der sage umgestaltet hätte;
dieses blieb unverändert, und was neuer zusatz war, verschwand
in den ersten kämpfen, ohne auf den weiteren gang der sage
irgend welchen einfluss auszuüben. Auffallend ist in der Schil-
derung des kriegszuges, dass sich keiner von den Hunnenfürsten
persiailich hervortut, keine einzige persönliche tat wird in der
J-iunnengeschichte von ihnen angeführt. Das kann in der
lebendigen sage unmöglich so gewesen sein, da es dem geist
der sage, der immer auf das individuelle gerichtet ist, völlig
zuwiderläuft. Wer aber von den Hunnenfürsten in der echten
Überlieferung, von welcher uns die Hunnengeschichte nur einen
auszug bewahrt hat, am meisten hervorgetreten sein muss, kann
nach dem ganzen inhalte der Hunnenchronik kaum zweifelhaft
sein. Es war gewis Etele, und neben ihm in zweiter reihe
Buda. Beide gehören auch zweifellos dem ältesten, mit ung.
elementen noch nicht untermengten sagenbestande an. Darauf
weisen, wie wir gesehen haben, ihre namen hin, wie auch
der umstand, dass sie auf hunnischer seite — und zwar nur
sie beide — den krieg gegen die Goten überleben. Sie sind
das historische brüderpaar Attila und Bleda, deren Verhältnis
zu einander in der ung. tradition der geschichte gegenüber
keine Verschiebung erlitten hat, nur dass der name Buda an
die stelle des historischen Bleda trat. In diesen kämpfen,
welche das brüderpaar gegen die Goten führt, und darin, was
noch weiter von ihnen gemeldet wird, glaube ich eine erinne-
rung an die gemeinsame herschaft Attilas und Bledas, über
die die geschichte berichtet, sehen zu können. Die erinnerung
ist merkwürdig treu, und doch darf sie gewis nicht auf ge-
lehrte Vermittlung zurückgeführt werden, sondern ist ein
ungetrübter zug der echten sage. I'eber die Ursachen, welche
diese annähme wahrscheinlich machen, und über die conser-
vierende kraft (der name Bleda -Budas und der Stadt Buda
wurden früh identificiert), welche eine solche treue in der Über-
lieferung ermöglichte, will ich in dem nächsten abschnitte näheres
ausführen. Unter den beiden brüdern war selbstverständlich
Attila der gewaltigere und der unvergleichlich höher begabte,
die bewundertste erscheinung der ganzen Völkerwanderung.
Er muss eben deshalb von anfang an, also auch schon in den
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HÜNNENSAGE. 481
kämpfen gegen Detreh, obgleich die Hunnenclironik es nicht
hervorhebt, die erste und bedeutendste rolle innegehabt haben.
Alle Hnnneufürsten fielen, nur Buda und Etele blieben unver-
letzt, und der eigentliche sieger — wie es der weitere gang
der sage (Etele behält Pannonien für sich, Detreh ist ihm
unterworfen u.s.w.) unzweifelhaft macht — muss Etele ge-
wesen sein.
Attila ist der Inbegriff alles hunnischen wesens in der
geschichte ebenso, wie in der sage, und so ist denn nichts
natürlicher, als dass er an die stelle Balambers trat, von dem
die germanische sage nichts weiss. Niemand konnte eher von
den Ostgoten als ihr besieger augesehen werden, als Attila,
und von niemand war es eine geringere schmach, besiegt
worden zu sein, als von dem grössten Hunnenfürsten: vir in
concussione gentium naias in mundo, terrarum omnium metiis,
. . . propitins cmteni in fiele semel snsceptis (Jordanes, Getica
cap. 35). Unter dem einfluss der erinnerung an die gemein-
same herschaft des brüderpaares musste Attila die rolle Ba-
lambers in der Unterwerfung der Goten mit Bleda = Buda
teilen, gewis aber nahm er auch schon hier die erste und
entscheidende stelle ein. Chronologisch werden Etele und Buda
später an Balambers stelle getreten sein, als die Verlegung
des Schauplatzes nach Pannonien erfolgte. Diese Verschiebung,
durch welche Etele und Buda in der sage Balamber ver-
drängten, kann sich natürlich erst nach dem tode Attilas voll-
zogen haben, wird aber auch wahrscheinlich bald nach dem-
selben vor sich gegangen sein.
An der spitze des feindlichen heeres stehen Macrinus und
Ditricus. 3Iacrinus {Matrinus, 3Iaterniis und Martinas),
seiner abstammung nach ein Langobarde, aus Sabaria (Stein-
amanger = Szombathely) gebürtig, herscht als tetrarch ex
gratia Bomanorum über Pannonien, Pamphylien u.s.w. Sein
beer besteht aus Langobarden, die er bei dem anfalle der
Hunnen bei Szäzhalom versammelte. Er überlebt den Huunen-
krieg nicht, sondern fällt bei Zeiselmauer. Der name des
Macrinus und seine rolle, die er in den kämpfen gegen die
Hunnen spielt, gehören zu den schwierigsten punkten der
Hunnengeschichte. Petz führt mehrere historische persönlich-
keiten namens Macrinus an, darunter auch einen römischen
482 HI.EYER
stattlialttT in Pannonieii (um das jähr 190); doch liält er mir
eine identiticierung mit dem oströmischen kaiser Flavius Mar-
cianus (450 — 457) für miifjlich. ') Auch Mattliaei (a.a.O. s. 9)
stinnnt darin mit Petz überein.^) Marcian war ein histo-
rischer gegner Attilas, der nach dem tode des kaisers Tiieo-
dosius IL den von Attila geforderten tribut auf die gefahr
eines krieges hin kühn verweigerte, bei dem einfalle der Hunnen
in Italien 452 den weströmischen kaiser durch Sendung von
hilf8trui)pen unterstützte^), und von dem Jordanes, Getica cap.49
nach Priscus berichtet, dass die gottheit ihm den zerbrochenen
bogen Attilas in der nacht, als dieser starb, gezeigt habe.
Nun fragt es sich, ob Macrinus der echten Überlieferung an-
gehört, oder aber auf gelehrtem wege in die Hunnengeschichte
eingetreten ist. Petz meint, der chronist habe, als er für den
feindlichen oberfeldherrn der sage einen römischen namen
suchte, den namen und auch den titel des Kaisers Marcian
herübergenommen. Mattliaei aber sieht in Macrinus einen
beweis für die abhängigkeit der ung. sage von bajuvarischer
Überlieferung. Diese seine ansieht glaubt er mit einer stelle
Aventius aus dem 16. jh. begründen zu können.
Aventin erzählt nämlich in seinen bairischen annalen'),
dass — als Attila den entschluss zur gallischen heerfahrt
fasste — TJicodericüS Veronensis Triarii filitis et Matrinus,
Antheniius consid^), gener Valentiniani imperatoris, praeses
Danithii et Vindeliciae, qui post imperavit, Bannhü limitis
duces provinciarnmque, qnas possidemus, legati, annnente auyusto
') Vgl. a.a.O. s. 37 und A magyar nemzet törtenete (szerk. Szilägyi S.
1, cxxxiv.
*) J. Pauler meint, man müsse für Macrinus Mauringus ansetzen, und
der uame wäre dann von 3Iauringa herzuleiten (A magyar nemzet törtenete
Szent Istvänig s. 201). Doch entbehrt dieser eiufall jeder Avahrscheinlich-
keit, gerade wie die bemerkung, dass zwischen den kämpfen gegen die
Eömer und Langobarden in <lcr Iluniicngeschiclite und zwischen dem be-
richte Procops, dass die Gepiden 551 die Kutriguren gegen die verbündeten
Langobarden und Römer zu hilfe riefen, ein Zusammenhang bestehe.
") Vgl. Wietersheim-Dahn a. a. o. 2, 242 und 2C().
') J. Turmairs genannt Aventinus sämmtliche werke 2,302; vgl. auch
seine Chronik 4,2, 1137 f.
'*) Der spätere kaiser (467—472), Schwiegersohn nicht ^'alentinians,
sondern Marcians; vgl. Jordanes, Eomaua (cd. Mommsen) s. 43.
J
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 483
cum Attila ixicem his conäitionibns hiemit: oppidis quidcni
clausis, itineris facinndi facidtateut exercitai copiisciue Attilae
concedunt. "Wir sehen hier tatsächlich eine gewisse ähnlich-
keit mit der erzähhmg der Himneugeschichte: Matrinns und
Theodericus Veronensis werden neben einander genannt. Aller-
dings ist der Inhalt der erzählung ein ganz anderer, und auch
Theodericus Veronensis ist trotz des namens nicht mit Theo-
derich d. gr. identisch, sondern mit dem bekannten filius Triarü,
der ein günstling des kaisers Marcian und nebenbuhler Theo-
derichs d. gr. in Byzanz war (vgl. Jordanes, Getica cap. 42).
Doch kann diese ähnlichkeit nur durch die annähme, die ung.
sage sei aus der bair. entlehnt, erklärt werden? Das falsche
resultat, zu dem Matthaei hier und in seiner ganzen Unter-
suchung gelangt, beruht auf unmethodischen Voraussetzungen.
Es ist nämlich eine ganz unbegründete Voraussetzung, wenn
Matthaei annimmt, dass alles, was sich übereinstimmendes bei
Aventin und in den ung. Chroniken findet, echte und zwar
bair. Überlieferung sein müsse. Es sind doch hier gewis auch
andere möglichkeiten vorhanden. Enthält ihre darstellung
übereinstimmende, echte Überlieferung, so folgt daraus doch
keinesfalls a priori, dass die ung. sage bairischen Ursprungs
sein müsse, sondern es bleibt doch noch immer die möglichkeit
vorhanden, dass beide auf eine gemeinsame sagenhafte quelle
zurückgehen. Noch viel weniger muss aber jede Übereinstim-
mung wirkliche sage enthalten, sie kann doch gewis auch von
einer gemeinsamen gelehrten quelle herrühren. Eine andere
möglichkeit wäre, dass Aventin auch in diesem teile seiner
annalen aus ungarischen Chroniken geschöpft hätte, wie er
denn tatsächlich in seinen berichten über die geschichte der
Ungarn das Chronicon Vindobonense benutzt hat.')
Ich glaube nun, dass Matrinns bei Aventin ebensowenig
oder noch viel weniger sagenhaft ist, als Macrinus in der
ungarischen Hunnengeschichte. Der Inhalt des berichtes bei
Aventin hat gewis nichts sagenhaftes an sich, und dass k\\-
themius und Valentinianus aus gelehrter quelle stammen,
gibt Matthaei selbst zu. Das sollte nun aber den sagenhaften
1) S. 0. Eademacher, Neues archiv der ges. f. alt. deutsche geschichts-
kunde 12, 561.
484 BLEYER
Charakter des Matrinus verbürgen? Vielleiclit der umstand,
dass Tlieodericli, der söhn des 'Priarius, Veronensis genannt
wird. p]s ist aber doch ganz klar, dass der solin des Triarius
bei Aventin nur durch ein niisverständnis zu diesem beinamen
gekommen sein kann. Aber auch sonst kann der sagenhafte
Charakter des ^latrinus nicht bewiesen werden: in den deutschen
volksepen wird er niemals genannt, und Matthaei kann ihn
nur bei gelehrten geschichtsschreibern nachweisen, wo er ganz
correct Marcianus heisst.')
Aber auch in die Hunnengeschiclite muss Macrinus aus
gelehrter (juelle aufgenommen worden sein. Die form des
namens ist in den einzelnen Chroniken verschieden, und wird
so lange abgeändert, bis Turoezi bei dem bekannteren namen
Marünus angelangt, wie Marcian z. b. auch bei Gottfried von
Viterbo2) genannt wird. In den namen Etela, Buda, Ditricus
u. s. w., die wirklich im volksmunde lebten, ist die Schreibweise
der Chroniken folgerecht, und abweichungen, die vorkommen,
lassen sich sprachgeschichtlich oder durch anlelinung an die
gelehrte form leicht erklären. Also schon dieser umstand
spricht gegen die Volkstümlichkeit des namens, wie er denn
tatsächlich nicht volkstümlich klingt und nicht weiter belegt
ist. In der volkssage kann Macrinus nicht als 'tetrarch von
Pannonien, Pami)hylien, Phrygien, Macedonien und Dalmatien'
bezeichnet worden sein; diese namen, wie die ganze auffassung
von dem amte und der Stellung des Macrinus haben unzweifel-
haft ein gelehrtes gepräge, und aus der quelle, aus der diese
stammen, Avii'd auch Macrinus selbst geschöpft sein, Macrinus
1) So im Chroiiicon Urspergense, s. W. Grinun, 1». hcldensage ' s. 41 uud
bei Heinrich von München, s. Massmann, Kaiseichronik 3,958. Im Chron,
TJrsp. wird er nur ehen erwähnt ; Heinrich von München lässt ihn allerdings
von Attila besiegen: dö nu Thcodösius Der keiser lac toi alsits, Wart nach
im heiser zehant 3Iartianus was der yenant ... Ez siuont hi im mit crcn
. . . l'iz ez kom ze einem str/t, Den geioan hi der z/t Kihiic EtzeJ mit stner
hant. Bei der genauen angäbe, dass Marcian auf Theodosius folgte, kann
es kaum zweifelhaft sein, dass hier ein misverständnis oder eine misdeutung
des berichtes, der sich ursprünglich bei Jordanes, (ictica cap. 34: befindet,
vorliegt, nach welchem Attila Marcian mit krieg bedroht habe, weil er den
von Theodosius versprocheneu tribut nicht zahlen wollte.
') Speculum regum cap. 47: De Marlino impcralore MG. SS. 22, 85;
vgl. Petz a.a.O. s. 38.
I
DIE GERM. ELEMENTE DER UNÖ. HUNNENSAGE. 485
fällt in der sclilacht bei Zeiselmauer und spielt demzufolge in
der Hnnneng-escliiclite keine weitere rolle mehr; dies beweist
gegen Macrinus mehr, als gegen Wela, Cuwe u. s. w., bei denen
wenigstens der name volkstümlich -ungarisch ist. Macrinus
wird in der Hunnengeschichte ein Langobarde genannt, und
sein beer besteht aus Langobarden. Im allgemeinen wird an-
genommen, dass darin eine erinnerung der sage an den aufent-
halt der Langobarden in Pannonien zu sehen sei. Ich muss
dieser ansieht widersprechen.
Die ung. sage weiss von den Gepiden, Avaren und Slaven
nichts, obgleich sie für Pannonien von grösserer bedeutung
waren als die Langobarden. Ueberhaupt spielen die Lango-
barden in der Hunnengeschichte eine eigentümliche rolle. An
einer stelle heisst es: Pamionie Pamfilie Macedonie Balmaüe
et Frigie civHates que crehris spoliis et ohsidionibns per Hmios
crant fatigate, natali solo derelicto in Apuliam per mare Adria-
ticmn de Ethcla licentia hnpetrata transieninf.^) Da Macrinus
der tetrarch von Pannonien, Pamphj'lien, Macedonien u.s.w.
war, können diese Völkerschaften nicht anders als die Unter-
tanen des Macrinus, also Langobarden gewesen sein. Die
Hunnengeschichte berichtet weiter, dass Etele gegen Aquilea
gezogen sei und beschlossen habe, die stadt zu belagern, um-
somehr qiim quam plares Langohardi"^) de Pannonia, quia Hun-
normn dominium et JEthele contemserunt, confugisse in ipsam
ferehantur. Es scheint, dass diese Langobarden identisch sind
mit den nach Apulien ausgewanderten bewohnern von Panno-
nien, Pamphylien u.s.w., und dass Apulia für Aquilegia ver-
schrieben ist. Nach der Schilderung der erstürmung von Aquilea
wird weiter erzählt, dass die Venetianer aus Troja stammen,
doch fügt die chronik hinzu: quidam autem Venetos de Sabaria
fuisse opinaniur. Sabaria vero habitata fuerat Langobardis,
in qua erat generalis scliola orbis terre nationi, poetarum musis,
et dogmatibus philosopliicis elucenter illustrata, idolorumque
erroribus diuersis mancipata. Quam quidem Gothorum nomine
Archelaus rex primitus deuastauit, sed postea per Hunos de
Pannonia expelluntur, nuncque Tycini habitare dinoscuntur,
>) Kezai cap. 4, 12; mit unbedeuteudeu abweichungen auch in den
übrigen Chroniken.
^) Im Chron. Vind. j^lures rehelles LongohanlL
486 BLEYER
qiii vt dicuntur Vapiem^es. Dass von diesem allem, was hier
erzälilt wird, nichts aus A-olkstümlicher Überlieferung stammen
kann, liegt auf der liand. und von unserem gesichtsi)unkte ist
es nicht nötig, darauf näher einzugehen. Im gründe ist es
aber nichts anderes als eine fortsetzung der erzählung von
]\racrinus und seinem volke. ') Auch daraus ist deutlich zu
ersehen, dass der tctrarclia Macrinns natione Loiu/ohardus nrhe
Saharia oriioid/ts nicht der echten tradition angehören kann,
sondern eine gelehrte entlehnung sein muss. Woher stammt
nun diese entlehnung? Darauf weiss ich nicht zu antworten^),
wie es denn auch sonst, worauf ich schon hingewiesen habe,
in der Hunnengeschichte stellen gibt, deren gelehrter Ursprung
nicht bezweifelt werden kann, die quellen aber nicht nach-
weisbar sind. Der verfa'sser der Hunnengeschichte wird seinen
bericht über Macrinus aus einer schriftlichen aufzeichnung
herübergenommen haben, die vielleicht mit der quelle Aventins
und Heinrichs ^on München in näherer oder fernerer verwant-
schaft stand. Ausser der historischen gegnerschaft zwischen
Attila und ^larcian wird den Chronisten zur einflechtung des
berichtes über Macrinus in die geschichte der Hunnen auch
der umstand bewogen haben, dass Marcian, der tatsächlich ein
Thracier war, nach der quelle, aus welcher die Hunnengeschichte
schöpfte, wie es scheint, aus Sabaria stammte.'*) Mit all dem
soll aber nicht behauptet sein, dass es in der echten sage
neben Detreh nicht auch noch einen zweiten anführer gegeben
habe, dessen rolle der Chronist auf Macrinus übertrug.
1) Vgl. auch Turoczi cap. 14 imd 17 und Oläh cap. 3—4 und 12.
2) Die uamen l^Iacrinus und Archclais (ein ortsname) koninien bei Jor-
daues, der sich auf Hierouynms stützt, neben einander vur: 3Iuvriiii(s prac-
fecturam agens praetorianam imperator creatus est regnaviifjue anno ttno
oceiditnrque Arclidaiile Eomana ed. Momnisen s. 30. Vgl. übrigens Kunc
Adolf, Szouibatliely-Savaria inonographii'ija, 1880, s. 59. Nagl-Zeidler, Deutscli-
üsterr. literaturgesch., 1899, 1, 19. Diesen gegenüber s. Saloinon F., Szä-
zadük Jahrg. 1881, s. 669. Vgl. auch L. Schmidt, Gesch. d. deutschen stamme
bis zum ausgaug der Völkerwanderung (Quellen und forsch, zur alten gesch.
u. geogr. her. von "W. Sieglin lieft 10), 1905, s. 115 ff.
3) A. Thierry, Ilistoire d'Attila et ses successeurs P, 238 sagt: 'eile
(d.i. Pannonien) venait de douuer au trone imperial Marcieu". Eine quelle
gibt er nicht an, und so ist es nicht ausgeschlossen, dass er sich in dieser
behauptung bloss auf die uug. chrouiken stützt.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 487
Die interessanteste und von unserem gesichtspunkte wich-
tigste gestalt in dieser partie der Hunnengescliichte ist Bitricas
Veronensis, Alamannus natione, der mit Theodericli d. gr. in
der geschiclite und Dietrich von JBerne in der deutschen sage
zv/eifellos identisch ist. Er heisst bei Kezai immer Bitricus,
in den übrigen Chroniken Bdricns. Der name kommt als
Personenname in ung. Urkunden häufig vor und zeigt eine ent-
wicklung von Bitricus über Betricus, Betreh, Betr'6 bis zu
Betre. Diese entwicklung ist eine lautgeschichtliche: i > e';i)
das c klang zweifellos spirantisch, und so entstand aus ih >
eh > 0 oder ö — e'.-) Bei der erklärung dieses namens können
wir aber nicht, wie bei Etele und Buda, von der got. grundform
^Piudareiks^) ausgehen, sondern nur von ahd. Biotrich oder mhd.
Bietrich. Der diphthong io oder ie mit fallendem accent musste
im ung., wo es einen diphthong io oder ie nicht gibt, zu i und
später e werden. 4) Die form Bitricus -Betreh scheint also
dem Schlüsse zu widersprechen, den ich aus den namen Etele
und Buda in bezug auf den Ursprung der ung. Hunnensage
gezogen habe. Eine erklärung des Widerspruchs ist aber leicht
zu finden. Das Christentum der Ungarn rührt wesentlich von
den Deutschen her, zwar nicht direct, sondern durch slovenische
Vermittlung. Nun sind aber Attila-Etzel und Boto-Botelung
bei den Deutschen sehr seltene namen und wurden daher von
den Slovenen bez. Ungarn als taufnamen nicht mit herüber-
genommen, so dass sie auf die entsprechenden namen der sage
nicht von einfluss sein konnten. Dietrich aber ist ein sehr
häufiger deutscher taufname und gehört auch zu den häufigsten
in den ung. Urkunden, so dass eine beeinflussung und angleichung
der namensform in der sage wol sehr möglich war. Jedesfalls
*) Vgl. oben s. 457. Dass diese wauillung von i zu e bei Kezai iu
Etda schon durchgeführt ist und in Ditricus nicht, kann nicht auffallen:
es war ein laut an der grenze von i und e, daher bei Kezai noch ein
schwanken, das in den jüngeren Chroniken schon überwunden ist.
^) Vgl. Melich J., Adatok a magyar nj^elv es helyesiräs törtenetehez,
Nyelvtud. közlemenyek 34, 138 ff. Eine solche entwicklung zeigen z. b. auch
die namen Hedre und Imre. Vgl. Melich J., Szläv jövevenyszavaink 2, 143 f.
3) Vgl. F. Wrede, Ueber die spräche der Ostgoten s. 51 ff.
*) Melich J., Szlav jöveyenyszavaink 2, 138 und 145 nimmt slov. Ver-
mittlung des hd. namens im ung. an. Die endung -iis ist natürlich eine
blosse latinisierung des namens.
488 BLEYEK
sind wir durch die form des namens nicht gezwungen, eine
unmittelbare einwirkung der deutschen sage auf die ungarische
in bezug auf Detreli anzunelimen.
Dass es sicli aber hier tatsächlich um keine deutsche ent-
lehnung handelt, beweist der Inhalt der Überlieferung selbst
auf das entschiedenste. Wie P'tele und Buda an die stelle
Balambers traten, so Detreh an die Winithars, neben dem
Athanarich, der könig der Westgoten, gewis früh verschwunden
war. Dass Detreh unmittelbar anf AMnithar folgte, ist zwar
nicht ausgeschlossen, aber auch nicht wahrscheinlich. In Detreh
sind, wie wir noch sehen werden, hauptsächlich historische
erinnerungen an seinen vater Theodemer und dessen brüder
"Walamer und \Mdemer niedergelegt, die als fürsten der Ost-
goten unter der herschaft Attilas standen und nach dessen
tode die freiheit ihres volkes erkämpften. Es mag also einer
dieser brüder, vielleicht der älteste und bedeutendste, der könig
Walamer, oder aber Theodemer, der vater Theoderichs d. gr.,
zuerst an die stelle Winithars gerückt worden sein, so dass
von anfang bis zum abschluss der sage AValamer oder Theo-
demer der Vertreter der Ostgoten war. In der weiteren eut-
wicklung dei' sage wurde dann Walamer bez. Theodemer durch
den sagenberühmten Theodericli d. gr. verdrängt, dessen mäch-
tige erscheinung in der Überlieferung der träger alles glückes
und Unglückes des Goten volkes wurde, von der Unterjochung
desselben durch Balamber bis zur befreiung nach dem tode
Attilas. Theoderich kann selbstverständlich erst nach seinem
aufbruche von Pannonien und wahrscheinlich erst ein menschen-
alter nach seinem tode (526) um die mitte des 6. jh.'s. bei den
in Pannonien zurückgebliebenen Goten (worüber noch ausführ-
licher gehandelt werden soll), die ihre beziehungen zu ihren
stamm verwanten in Italien und zu dem in Pannonien geborenen
grossen Theoderich doch gewis nicht verloren hatten, in die
sage eingetreten sein.
Der geschichtliche AMnithar fällt in dem kämpfe gegen
die Hunnen, Detreh aber, zwar schwer verwundet, überlebt
den krieg, ward Eteles mann und erlangt seine und seines
Volkes freiheit nach dem tode des Hunnenkim igs wider. Wir
sehen also in der sage eine w^esentliche abweichung von der
geschichte. Diese abweichung ist Avahrscheinlich schon früh
DTE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 489
eingetreten, als die historische erinnerung an Winithar ver-
dunkelt war. Die sage fasst das Schicksal der Völker mit
Vorliebe persönlich -individuell auf, und wie die Goten selbst
in den kämpfen gegen die Hunnen nicht untergegangen waren,
sondern als Untertanen in gutem einvernehmen mit ihnen weiter
lebten, so musste dies auch in ihrem repräsentanten zum aus-
druck kommen, umsomehr als die freundlichen beziehungen
der späteren Gotenfürsten zu dem köuigshofe der Hunnen
tatsächlich historisch sind. Es ist also höchst wahrscheinlich,
dass der Vertreter der Goten in der sage, sobald der historische
Winithar verdrängt war, in den kämpfen gegen die Hunnen
nicht gefallen ist, sondern unter Eteles botmässigkeit mit
seinem volke weiter lebte.
Eine spur aber von dem tode des historischen Winithar
ist in der ung. Überlieferung unverkennbar erhalten: Ditrico
per iaculum {per sagittam) — heisst es in der Hunnengeschichte
— in fronte leialiter vtilnerato, zu welchem berichte Turoczi
noch hinzufügt: Cunis tandem sagittae triincitm ipse JDetricus
vrhem ad Bomanam dignitaiis imperaioriae in curiam pro
documento certaminis per ipsum cum Hunis commissi in fronte
detulisse^ et propter hoc immortalitatis nomen vsurpasse narratur.
Hungarorunique in idiomate halhatalan Betreh dici meruit
praesentem usque in diem.'^) Detreh wird also auf dieselbe
weise verwundet wie W^inithar, und zwar tödlich. Während
aber Winithar daran stirbt, bleibt Detreh am leben, so dass
ihn die sage halhatalan nennt. Dieses halhatalan ist bei
Schwandtner fehlerhaft gedruckt, und man las dafür allgemein
halhatatlan, d. i. 'unsterblich'.'^) Infolgedessen sah man in
diesem berichte der Hunnengeschichte seit J. Grimm einen
mythischen zug Dietrichs, und wies darauf hin, dass auch die
deutsche sage von einem tode Dietrichs nichts wisse, sondern
ihn auf eine wundersame weise verschwinden lasse (vgl. Petz
a.a.O. s. 43). Diese mythologische deutung, die infolge der
Übereinstimmung der ung. Hunnengeschichte mit Jordanes schon
an und für sich zweifelhaft ist, wird aber durch die ausfüh-
1) Vgl. oben Oläh, der ausdrücklich hervorhebt, dass Detricus in den
ung. cantionibus dieses attribut führt.
*) Aber niemals 'heilig', wie das wort bei W. Grimm, D. heldensage'
s. 182 neben 'unsterblich' übersetzt wird.
490 HLEYRR
luiigeii Sebestj'eiis vollkoninien widerlegt.') In der Brünner
ausgäbe Turöczis von dem jalire 1488 steht nämlich hulalihaJon
Dctreh, d.i. hnldltalan = 'ohne tod, dem tode trotzend', und
dass auch das fehlerhafte hulhataJun bei Schwandtner so ge-
lesen werden muss, beweist Gr. Petho, ein bearbeiter der chronik
Turnczis in ung. spräche, der diese stelle um die mitte des
17. jh.'s ganz richtig verstanden und umschrieben hat: 'Detre
aber trug das pfeileisen in seiner stirne (das die Ungarn
dorthin geschossen hatten) bis nach Rom; davon nannte man
ihn den hahiUalan (sol) Detre, weil er auf einem so langen
wege, so lange zeit das eisen in seiner stirii hatte ertragen
können.' Es ist also deutlich, dass die erzählung namentlich
Turöczis von Detreh nicht mythologisch gedeutet werden darf,
und A. Schullerus^) bemerkt ganz richtig, dass nach den
erörterungen Sebestyens 'dieser zug aus dem Zusammenhang
mit den bergen trückungssagen, die sich an Dietrichs namen
knüpften, entnommen ist und sich zu den dem germ. lielden-
zeitalter eigentümlichen berserkerzügen stellt'. Dieser zug ist
aber durch die identiticierung Detrehs mit Winithar entstanden
und zeigt uns genau den punkt, wo die sage die historische
Überlieferung weiterbildend einsetzte.
Ich glaube, nach dem gesagten kann kein zweifei darüber
bestehen, dass Detreh mit Theoderich d. gr. in der geschichte
und Dietrich in der deutschen sage identisch ist, und dass er
in der Überlieferung als der gewaltigste held des Gotentums
an die stelle des historischen AVinithar getreten ist. Ich will
nun gleich einige andere Übereinstimmungen zwischen Detreh
in der ung. sage und Dietrich in der deutschen sage erörtern.
Turoczi setzt zu seiner obigen erzählung noch hinzu:
Itunc Detricwm galcam hahuisse, et illam, quanto magis äefcrehat,
tanto niaiori clariiate refulsisse fahnluntnr. Es ist der berühmte
nütegnn Dietrichs in der deutschen sage, von dessen leuchten-
dem glänze das Eckenlied (str. 70. 71) ausführlich berichtet und
an den es Dietrich die Avorte richten lässt: so du k eltcr ivir-
dcst, so wirst ie lichter var. Die Übereinstimmung ist merk-
^) Halältalan Detre, Egyet. philologiai küzlüuiy 24, 152 ff. und a.a.O.
s. 421 ff. Vgl. auch Etliuographia 5, 103 und Magyar nyelvtört. szötär 1, 127.
^) Korrespondenzljl. d. Vereins f. siebenb. landcsk. 24, 41 ff.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 491
würdig-, und doch sind wir nicht berechtigt anzunehmen, dass
Turoczi diese stelle aus einer deutschen quelle entnommen
hätte, da sich sonst bei ihm keine spur finden lässt, welche
diese annähme begründen würde. Wir müssen also voraus-
setzen, dass die sage von Dietrichs helme uralt ist und aus
g-emeinsamer, w^ahrscheinlich ostgotischer quelle in die deutsche
und ung:. sage aufgenommen w^urde. Die erzählung von dem
helme, wie auch die von der zähen lebenskraft Detrehs findet
sich nur bei Turoczi (letztere auch bei Oläh, vgl. oben), und
so ist sie denn ein deutlicher beweis dafür, dass der Verfasser
der Hunneng-eschichte die volkssage nur teilw^eise in seiner
Chronik verw^ertet hat, und dass noch am ende des 15. jh.'s
eine nachlese aus dem volksmunde gemacht Averden konnte,
die Turoczi gewis in viel ergiebigerem masse hätte gelingen
können, w^enn es ihm daran gelegen hätte.
Eine weitere Übereinstimmung mit der deutschen sage
ergibt sich auch aus folgender stelle der Hunnengeschichte:
Tunc Roniani Ditricum Veronensem Älamannum natione illo in
tempore super se regem prefecerant voluntarw.^) Die erwäh-
nung der freien königsw^ahl bei den Eömern stammt w^alir-
scheinlich aus gelehrter quelle, wie denn auch die Gesta Theo-
derici erzählen: Legati Bomanormn stipervenerunt, qui pro
defensione reipuhlicae Theodericimi Ulis in patriciatus dignitatem
ordinari postidabant.'^) Detreh wird als Veronensis oder de
Verona bezeichnet und heisst ein könig von Rom, ebenso wie
in der deutschen sage. Die Übereinstimmung wird auch hier
auf eine gemeinsame quelle zurückzuführen sein, auf alte
historische traditionen, deren entstehung auf beiden selten
die geschichtlichen und ethnologischen Verhältnisse zu und
nach der zeit Theoderichs d. gr. in Italien erklären (vgl.
Matthaei a. a. o. s. 40 f.). Detreh ist in der ungarischen sage
alemannischer abstammung, womit wahrscheinlich nur gesagt
sein soll, dass er ein Germane war; es ist übrigens mög-
lich, dass diese bezeichnung sich aus den freundlichen be-
*) Turoczi: Vetricus de Verona . . . Eomanorum principxmi de vohm-
tate omni Germaniae praesidebat. Die abweicliung ist schwerlich von be-
deutung; es ergibt sich aus ihr höchstens, dass die auft'assung der sage von
den röni. und deutschen Verhältnissen eine unklare und schwankende war.
2) MG. SS. rer. Merov.2,203; vgl. Matthaei a.a.o. s.40.
492 BLEYER
zieliungen Tlieodericlis zu den Alemannen ergab.') Detreli
tritt also gleich von anfang an in der nng. sage als könig
von Kom deutscher abstamniung auf, man möchte sagen:
'deutsclier nation'; wie denn die deutsch-ritniischen Verhältnisse
auf die auffassung, wenn auch nicht der sage, so doch der
Chronisten gewis nicht ohne eintluss waren. Seine herschaft
erstreckt sich nicht nur über Italien, sondern auch über Pan-
nonien, wo die Ostgoten vor ihrer Wanderung nach dem süden
gesessen und nicht geringe reste von ihnen zurückgeblieben
waren. Als römischer könig wird er besiegt, infolge der
niederlage, verliert er, wie die Hunnengeschichte weiter meldet,
seine Unabhängigkeit, verlässt Italien und lebt in Pannonien
mit seinem volke unter Eteles botmässigkeit. Hiermit beginnt
der aufenthalt Detrehs ausserhalb seines reiches in Italien an
dem hofe Eteles. Vom Standpunkte der ung. Hunnensage ist
es also nicht richtig, dass Detreh = Dietrich zum Hunnen-
könig erst in beziehung trat, 'nachdem eine nahe Verbindung
Rüdigers mit Etzel und Helche in der sage hergestellt war'
(B. Sijmons, Pauls Grundr. 3^ 703).
Die entstehung der exilsage in der deutschen Überlieferung
ist noch nicht genügend und überzeugend aufgeklärt worden.
Man nimmt im allgemeinen an, es habe sich schon bei den
Goten der glaube gebildet, dass Italien bereits vor der erobe-
rung durch Theoderich ein besitztum der Goten gewesen sei"^),
um dadurch die herschaft der Ostgoten in Italien rechtlich
begründen zu können s); wenn aber Italien schon vor Theo-
derich in got. besitz gewesen, so müsse sich daraus als con-
sequenz die Vorstellung von einer Vertreibung Dietrichs aus
dem erblande und seiner endlichen heimkehr entwickelt haben.'»)
Nun ist ja das bestreben in der sage allgemein vorhanden,
eine neue landnahme auf diese weise zu rechtfertigen, auch
die ung. sage liefert uns dafür ein beispiel; ich glaube aber.
') Vgl. Matthaei a. a. o. s. 41 f., der daraus auf eine alera. pflege der
sage schliesst; für die uug. sage darf aber gewis eine solche nicht voraus-
gesetzt werden.
2) Spätere belege einer solchen auffassung führt R. Heinzel, Ueber die
ostgot. iieldensage s. 32 if. an.
3) Vgl. M. Rieger, Dietrich und Theoderich, Zs. f. d. myth. 1,230.
*) Vgl. Jiriczek, Deutsche hcldeiisagcii 1, 144 und Sijmons a.a.o. s.GüO.
Ölfi GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 493
dass dieses bestreben die sage wol zur Verknüpfung" und aus-
beutung- gegebener Verhältnisse und wirklicher historischer
ereignisse in diesem sinne zu veranlassen, nicht aber zu freier
erdichtung solcher zusammenhänge zu bewegen vermag. Dies
würde dem geiste echter sage völlig widersprechen. In der
deutschen Überlieferung muss Dietrich vor dem hasse Odoakers
bez. Ermanarichs, seines oheims, aus Italien in das Hunnenreich
fliehen. Diese erzählung der sage steht in vollkommenem
Widerspruch zur geschichte, und die Ursache, welche die sage
zu dieser abweichung von der geschichte veranlasste, kann die
oben erwähnte deutung — so meine ich — nicht aufhellen.
Ich habe die Überzeugung, dass die ung. tradition geeignet ist,
in dieser frage aufklärung zu geben.
Nach dem bisher gesagten entwickelte sich die in der ung.
Hunnengeschichte erhaltene sage folgendermassen: Winithar
verliert sein reich an Balamber; als nun Detreh, der römische
könig, an seine stelle trat, musste auch er seines reiches, also
Italiens, an Etele verlustig werden. Er musste weiterhin
Italien verlassen und als Vertreter Walamers und dessen
brüder an Eteles hofe leben, um ihm in seinen kriegerischen
Unternehmungen beizustehen und den glänz seiner hofhaltung
zu heben. Ich glaube nun, dass auch die exilsage in der
deutschen Überlieferung auf diese grundform zurückgeführt
werden muss, an der die ung. tradition festhielt, die deutsche
aber Veränderungen und Umgestaltungen traf, und zwar infolge
von erinnerungen an die historischen ereignisse, die sich zwischen
Theoderich und Odoaker in Italien abspielten, die aber auf die
sage in Pannonien keinen einfluss ausgeübt haben. Die deutsche
sage hat die kämpfe Dietrichs (als des Vertreters Winithars)
gegen Etzel und seine niederlage bis auf minimale reste, von
denen gleich gehandelt werden soll, vergessen, und vergass so
auch den eigentlichen grund, warum Dietrich Italien verlassen
musste. Sie konnte daher niclit anders, als seinen historischen
gegner Odoaker und, nach der Verknüpfung der Dietrichssage
mit der sage von Ermanarich, den bösen Ermanarich mit der
Vertreibung beschuldigen. Die ung. sage hielt an den hunni-
schen ereignisseu, die deutsche in erster reihe an den kämpfen
Theoderichs gegen den stammverwanten Odoaker fest. Diesen
Vorgang machen die geographischen und späteren historischen
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. 33
494 BLEYER
Verhältnisse zur genüge verständlicli. Dass die uug. tradition
wirklich einen älteren und einheitlicheren typus hewahrt hat, aus
dem sich die deutsche exilsage durch Verschmelzung mit neueren
Sagenelementen entwickelte, wird aus den weiteren erürte-
rungen über die ung. Hunnensage noch deutlicher hervorgehen.
Ich will mich nun gegen solche ansichten wenden, die zu
den bisherigen ausführungen mehr oder weniger im Wider-
spruche stehen. Ich habe bereits erwähnt, dass R. Heinzel
(Ueber die Hervararsaga, WSB. 114, 518), dem sich auch Jiriczek
(a.a.O. s. 127, anm. 1) anschliesst, eine ableitung der ung. sage
über die eroberung Pannoniens von der erzählung des Jordanes
über Winithar, oder besser von dem bei Jordanes erzählten
ereignisse, verwirft. Heinzel will wahrscheinlich machen, dass
wir in der darstellung der Hunnenkämpfe in Pannonien eigent-
lich eine westgot. sagenhafte fassung der schlacht auf den
catalaunischen feldern besitzen, die durch deutsche Vermittlung
nach Ungarn gelangt sei. Die ursprüngliche gestalt der Über-
lieferung von den pannonischen kämpfen sieht er in einer stelle
des Chronicon Paschale '), wo berichtet Avird, dass Alarich und
Aetius Attila unweit der Donau listig und mit erfolg an-
gegriffen hätten, wobei aber ersterer durch einen pfeilschuss
sein leben verloren habe.-) An Alarichs stelle sei später in
der weiteren entwicklung der sage (so meint Heinzel) der
westgot. könig Theoderich (bei Jordanes: Theodoridus) ge-
treten, der in der catalaunischen schlacht als verbündeter des
Aetius vom pferde gerissen und von den füssen der seinigen
zertreten wurde oder wie 'andere behaupten', 'vom geschoss
des Andagis auf der seite der Ostrogoten gefallen' ist. 3) Ab-
gesehen davon, dass die angeführte stelle des Chron. Paschale,
die eigentlich über die catalaunische schlacht berichten will
und diese wahrscheinlich nur aus misverständnis an die Donau
verlegt, doch sehr Avenig gemeinsames mit der erzählung der
») Ed. L. Dindorf (Corp. scr. bist. Byz.) 1, 587 f.
2) Einen einliuss dieser stelle auf die Hunnenchronik nahm schon Fr.
Riedl a.a.O. 8.334 an.
3) Jordanes, Getica cap. 40. Auf die ähnlichkeit, die zwischen diesem
Theodoridus und dem Detreh der uug. chrouik besteht, haben auch schon
Szabö K., Kezai Simon mester magyar krünikaja, 18G2, s. 18, anm. 5 und Petz
a.a.O. .s. 41 f. aufmerksam gemacht.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 495
iiiig-. Hunnengescliiclite hat und den grundgedanken der img.
sag-e g-ar nicht berührt, während derselbe sich in dem an-
geführten bericlite des Jordanes über Winithar ganz deutlich
widerfinden lässt, kann eine erinnerung an die catalaunische
Schlacht in der ung. sage sonst nirgends nachgewiesen werden.')
Eine deutsche Vermittlung westgotischer sage ist aber eine
annähme, die durch nichts begründet werden kann. Ich glaube
also, dass den obigen ausführungen gegenüber die ansieht
Heinzeis und Jiriczeks als vollkommen unzulänglich für eine
erklärung der entstehungsweise der ung. sage von der erobe-
rung Pannoniens abgelehnt werden muss. 2)
Auf deutschen, namentlich bair. Ursprung will auch Matthaei
die erzählung der Hunnengeschichte von den pannonischen
kämpfen zurückführen. Er begeht aber auch hier einen me-
thodischen misgriff, wenn er Siglerus^) und Callimachus^) als
zeugen für die ung. Hunnensage anführt, die doch keineswegs
ans dem ung. volksmunde, sondern bloss aus den ung. Chroniken
geschöpft und die darstellung letzterer mit anderweitigen ge-
lehrten elementen combiniert haben. Ein weiterer misgriff
ist es, wenn Matthaei den bericht der Hunnenchronik über
die catalaunische schlacht (worüber unten ausführlicher) in
sagengeschichtlicher hinsieht verwerten zu dürfen glaubt, wo
*) Freilich will Heinzel auch in der Schilderung der schlacht, in wel-
cher nach Eteles tode seine söhne gegen einander kämpfen, einen solchen
einfluss sehen. Doch wenn wirklich eine einwirkung angenommen werden
muss, so kam diese zweifellos nicht in der sage selbst, sondern erst in der
Hunnenchronik zur geltung, ist also gelehrten Ursprungs. Vgl. unten.
2) Was Heinzel mit der behauptung: 'dass die catalaunische schlacht
bei Simon (Kezai) gemeint sei, zeigt der verwante bericht des Chronicon
Budense ed. Podhradczky 1838, s. 15 (richtig 16), da er gegen Simon von
Keza Detricus bei Tarnokvelgy siegen lässt', sagen will, weiss ich nicht,
da Kezai an dieser stelle mit dem Chron. Budense dem sinne nach völlig
übereinstimmt. An meiner oben angedeuteten auffassung kann ich auch nach
den neuesten historischen erörterungen von L.Schmidt a.a.O. s. 111 nichts
ändern, der sich eben auf Heinzeis ausführungen stützt. Mag auch vielleicht
Winithar selbst sagenhaft sein, die historische grundlage der an seinen
namen geknüpften erzählung kann zweifellos nur den ersten kämpfen
zwischen Goten und Hunnen angehören.
*) Sigleri Chronol. rer. Hung. a. 373 ed. Bei s. 43; vgl. Matthaei a.a.O.
s. 6, anm. 1 und öfter.
*) Boniiuii Rer. Ung. dec. s. 853 ; vgl. Matthaei a. a. 0. s. 5. 12 und öfter.
33*
490 m.EYER
(loch derselbe, wie die ganze erzählung- über Attilas ausländisclie
lieerfalirten, aus gelehrten (iiiellen entnommen ist und mit der
ung. volkssage nichts zu schaffen hat.
Um den bair. urspi'ung der ung. sage zu beweisen, führt
Matthaei a. a. o. s. 6 folgende stelle aus der Kaiserchronik an :
ain vurste was do ze hieran sines erbes er sich uiulerwaut,
geliaizen was er der alte Dieterich, er nam im liute wnile laut,
aiu helt bevolleu erlich. er vorhte iu so harte,
der newolte nie werden Ezzelen man. er flöch ze Lancparteu.')
mit her rait er (d. i. Etzel) ze Meran,
Ausser der Kaiserchronik zieht er noch folgende erzählung
aus Aventins Deutscher chronik^) heran: zu dieser zeit fielen
aus iren hohen univcgsamen pirgen die unsinnigen Hannen
mitsamht irem Idinig Waldmar (d. i. Balamber), zogen gegen der
Thonau iverts, überfielen die Goiiten, vertrihens mit herrengeivalt
auss irem alten land, so ir vorvordern etivan lange jar ingehaht
hetten, ist ietzo Ungern und Sibenjrurgen und dieselbig gcgent
umb die Donau. Von diesen beiden berichten enthält gewis
der Aventins ganz wenig sagenhaftes: er scheint nur ein auszug
aus den historischen darstellungen zu sein, mit der abweichung
— vielleicht unter dem eiutluss der sage — , dass der kampf-
platz aus dem osten nach Ungarn, das ja für das eigentliche
Hunnenland galt, verlegt ist. In dei' erzählung der Kaiser-
chronik scheint aber tatsächlich alte Überlieferung vorhanden
zu sein, die mit der ung. sage verwant ist. Es ist zwar auf-
fallend, dass von einem solchen einbruche Attilas in das land
Dietrichs die deutschen epischeu dichtungen nichts wissen,
aber immerhin bleibt es möglich, dass derartige Überlieferungen
in Baiern im volksmunde lebten. 3) Muss nuu aber die ung.
') Kaiserchronik, her. von E. Schrcider, v. 13840 ff.
2) A. a. 0. bd. 4, 2, 1077. Matthaei a. a. o. s. 8.
*) Weil die Kaiserchrouik von einem aUen Dietertch spricht, will
Matthaei a.a.O. s. 6f. in iluii den Westgoteukönig Theodorich I. und teil-
weise auch Theoderich, den söhn des Triarius, a. a. o. s. 9 f., widererkennen,
die an AN'inithars stelle getreten und später von Dietrich von Bern aus der
sage verdrängt worden seien. Ich glaube, Matthaei zieht aus der bezeich-
n\ing der alte viel zu wichtige Schlüsse. Mir scheint, dass die Kaiser-
chronik Dieterich nur deshalb den alten nennt, weil sie ihn nicht mit
Theoderich d. gr., also dem Dietrich von Bern der sage, identiticiert wissen
will. Sie weiss nämlich sehr genau, dass Attila und Theoderich d. gr. keine
Zeitgenossen waren; sie betont es ganz ausdrücklich: Sioer na tvelle he-
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. IIUNNENSAGE. 497
sage bairisclien Ursprungs sein? Gewis nicht; denn sobald
uns der nacliweis gelingt, dass in Pannonien eine ostgot. sage
auch nach dem aufbruche Theoderichs d. gr. und der seiuigen
weiter lebte, ist es doch viel wahrscheinlicher, dass die bair.
sage aus pannonischer tradition geschöpft hat.
Ein dunkler rest hierher gehöriger Überlieferungen lässt
sich vielleicht auch in der I)iörekssaga ') widerfinden, wo er-
zählt wird, wie Attila das Hunaland des königs Milias erobert
hat. Es sind auch sonst zwischen der saga und der ung. tra-
dition auffallende berührungspunkte vorhanden, so dass eine
alte verwantschaft in den berichten über die eroberung des
reiches Attilas nicht ausgeschlossen ist. Wie diese verwant-
schaft, Avie die verwantschaft der jüngsten deutschen sage über-
haupt zu erklären ist, wird später erhellen. Einen Zusammen-
hang aber mit der ung. sage, wie ihn Matthaei a.a.O. s. 10
annimmt, kann ich in der erzählung der piörekssaga von den
kämpfen piöreks und Attilas gegen könig Valdemar von Holm-
garör (Ungers ausg. cap. 293 ff.) (d. i. Eussland) nicht sehen.
Valdemar (Wladimir) von Eussland ist eine historische persön-
lichkeit, die sicher niclit infolge einer gewissen ähnlichkeit mit
dem namen ßalambers in die sage eingetreten ist.
Wir sind also zu folgenden ergebnissen gelangt: bei den
Ostgoten entfaltete sich eine sagenhafte tradition, die von der
Unterwerfung der Goten durch den könig der Hunnen meldete.
Diese tradition wurde von den Ostgoten nach Pannonien mit-
gebracht und die ereignisse wurden zum teil in dem nordöst-
östlichen gebiete des comitates Stuhlweissenburg, wo alte grab-
hügel, ruinen u.s.w. eine sagenbildung fördern konnten, zum
teil aber in der gegend von Tulln in Niederösterreich, wahr-
scheinlich unter dem einfluss von erinnerungen an die Avaren-
schlachten localisiert. An Balambers stelle trat in der zweiten
io(eren, Duz Dieterich JSzselen scehe, Der haize das huoch vur tragen. Do
der chunic Ezzel ze Ovene wart begraben, Dar nach stiiont iz vur war
Drill undc fierzech jär, Daz Dieterich wart geboren v. 14176 ff. Sie befolgt
einfach den rat des Cliron. Urspergense , W.Grimm, D. heldensage^ s. 41,
wo es heisst: tgihir atit hie (d.i. Jordaues) falsa conscripsit, atit vulgaris
opinio fallitur et faUit, aut alius Hermenricus et alius Theodericus dandi
sunt Attilae contemporanei, und gibt, um der geschickte und der sage
gerecht zu werden, neben Attila einen älteren Dieterich.
1) C. R. Unger, Saga Didriks konungs af Bern, 1853, cap. 39 ff.
408 BLEYER
liälfte des 5. jli.'s das biiiderpaar Etele und Biida, so aber dass
ersterer alsbald die oberliand erhielt. Auf Winitliar und Atlia-
naricli folgte um die mitte des 6. jh.'s in der Überlieferung:
Detreli von Verona, d.i. Theodericli d.gr. in der gescliichte, aber
Avalirsclieinlicli nicht unmittelbar, sondern erst nach Walamer
oder Theodemer. Durch seine niederlage "wird Detreh ein vasall
Eteles, in dessen Umgebung er sich fürder aufhält. Diese Stel-
lung Detrehs zu Etele und wie er in dieselbe geraten, dürfte
uns aufschluss über die entstehung der deutschen exilsage geben.
Die ostgot. Überlieferung lebte auch nach dem abzuge
Theoderichs und seines vaters und vatersbruders in Pannonien
weiter und zwar noch geraume zeit hindurch in ostgot. pflege
(ostgot. reste sind gewis in Pannonien zurückgeblieben) und
entwickelte sich unter der einwirkung grosser historischer
ereignisse selbständig, "\^"orauf schon die namen Etele und Buda
hindeuteten, wird durch den inhalt dieses teils der sage be-
kräftigt: die ung. Hunnensage ist ostgotischen Ursprungs und
wurde den Ungarn hier iii Pannonien, allerdings nicht durch die
Ostgoten selbst, übermittelt. Die sage von der begründung des
Hunnenreiches kann keine deutsche, namentlich keine bair. ent-
lehnung sein, da sich in der deutschen Überlieferung eben nur
spuren davon finden lassen, die dem ganzen entwickluugsgange
beider sagen gemäss viel natürlicher aus pannonischem einfluss
erklärt werden können, als umgekehrt. Eine selbständige
deutsche Hunnensage gibt es nicht und gab es kaum jemals;
Attila hatte mit seinen Hunnen für die deutsche sage nur als
gatte Kriemhilds und freund Dietrichs von Bern und einiger
anderen beiden bedeutung. In der ung. Überlieferung hingegen
stehen Etele und Detreh mit ihren Völkern im mittelpunkte
des interesses, und es handelt sich in der ersten hälfte der
sage um die unterAverfung und in der zweiten um die be-
freiung der Ostgoten. Von den einzelnen details und den
beweisgründen, die sich daraus ergeben, abgesehen, geht auch
aus diesem allgemeinen gesichtspunkte deutlich hervor, dass
sich eine solche sage nur bei den Ostgoten gebildet und in
solcher gestalt, an dem historischen gedanken mit merkwürdiger
treue festhaltend, nur in dem heutigen Ungarn erhalten Jiaben
kann. Wenn irgendwo, musste hier die erinnerung an die
weltgeschichtliche erscheinung Attilas wach bleiben, wo sich
(
DIE GERM, ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 499
seine macht wie ein fatum für zahllose Völker erhoben hatte
und nach seinem tode zusammengestürzt war, und wo das
bemühen der verschiedenen Völker, so der Gepiden, Lango-
barden, Avaren, Slaven u. a., einen Staat zu gründen, Jahrhun-
derte hindurch immer wider scheiterte. An jedem zeichen
verschwundenen lebens sah man Überreste der hunn. weitmacht,
und der geist der geschichte, der v/unsch und trieb der Völker,
ist sich auf dem boden Pannoniens von dem auftreten der
Hunnen bis zum festen fussfassen der Ungarn gleichgeblieben.
Allgemeine betrachtungen, wie namen und Inhalt der er-
zählung, wie sie uns in der Hunnengeschichte erhalten ist,
beweisen also unzweifelhaft, dass es eine ung. Hunnensage
ostgotisch-paunonischen Ursprungs gab, die noch um 1500 im
ung. volksmunde lebte, und von der eroberung Pannoniens
durch die Hunnen meldete. Deuten die spuren, die sich in
der Kaiserchronik finden lassen und über eine niederlage
Dietrichs durch Etzel berichten, auf wirkliche Überlieferung
hin, so kann diese nur (mittelbar oder unmittelbar) aus Pan-
nonien nach Deutschland gelangt sein, wo sie 'in einen andern
horizont gerückt begreiflicherweise die geschichtlichen, ethno-
graphischen und geographischen demente der weltansicht, unter
der sie entstand, alsbald verlor'.')
3) Ermordung Budas; Eteles ausländische heerfahrten.
a) Nach dem berichte über den sieg der Hunnen bei
Zeiselmauer fährt die Hunnenchronik fort:
Postquam vero exercituä se dispersit, Eomauo more Huni super se
Ethelam regem preficiunt, ipseqne Budam fratrem suum de flumine Tize
usque Don siiper diuersas exteras uationes principem constituit ac rectorem.'*)
A¥eiter unten wird dann über Buda noch berichtet 3):
Ethela Sicambriam introhiit, ubi Budam fratrem suum manibus pro-
priis interfecit, prohici facieiis corpus eius in Danubium, eo quod ipso Ethela
*) So K. Müllenhoff von der deutschen, nach dem norden gewanderten
Nibelungensage, Zs. fda. 23, 149.
2) Kezai, cap. 2, 9 ; mit unwichtigen abweichungen auch in den übrigen
Chroniken : Chron. Vindob. cap. 4. Chron. Dubn. cap. 7. Chron. Pos. cap. 10.
Chron. Bud. s. 17. H. v. Mügelns Chron. d. Hunn. cap. 5, mit gelehrten Zu-
sätzen erweitert bei Turöczi cap. 14.
3) Kezai cap. 3, 11. Chron. Vind. cap. 5. Chron. Dubn. cap. 12. Chron.
Pos. cap. 15. Chron. Bud. s. 28 f. H. v. Mügelns Chi-on. d. Hunn. cap. 8. Tu-
röczi cap. 17. Oläh cap. 12.
500 BLEYER
in partibus occiduis preliaute iuter enni et fratrera eins metas stabilitas
transgressns fuerat doininaiulo. Feceiat eniin Sicainbriam suo noraine
appellari.') Et qnaniuis Hnnis et ceteris suis gentibu.s iutenlictnm rcx
Etliela posuisset, \\t urbs Ethele vocaretur, Teutouici iutenlietum fornii-
dantes, eam Echnlburc '^) vocauemnt. Huni vero, cnram parnam illud
repiitantes interdictum, nsque hodie eaudem vocaut Oubudain^) sicut prius.
Nach dem tode Elias 433 folgten seine beiden bruderssölme
Bleda und Attila. 'Die staatsrechtliche Stellung der beiden
liersclier Bleda und Attila zu einander ist uns nicht genau
bekannt, doch ist nach des Prosper Aquitanus Worten geteilte
herschaft anzunehmen, neben welcher übrigens unstreitig auch
gesammtregierung in den wichtigsten angelegenheiten, nament-
lich für auswärtige kriege bestand. Man vermutet mit grund,
dass Bleda der ältere der brüder gewesen sei, welcher Vorzug
das erste aufkommen desselben neben dem so viel gewaltigem
Attila erleichtert haben, der willkürgewalt dieses letzteren
aber eine um so drückendere fessel gewesen sein mag, so dass
derselbe, nach dem einstimmigen Zeugnisse von Prosper Aqui-
tanus, Tiro, Marcellin und Jordanes im jähre 445 den bruder
durch tötung aus dem wege räumte'^), und zwar framlibus,
wie Jordanes^) sagt, was ihm oder einem andern geschichts-
schreiber Tiiröczi und Oläh nacherzählen. Dieses ereignis, wie
das ganze historische Verhältnis Bledas zu Attila, liegt der
angeführten erzählung der Hunnengeschichte zu gründe, die
ich auch in diesem ihren teile für volkstümlich und aus echter
sage entnommen halte.
1) Im Chrou. Vind. und in den übrigen Chroniken: feccrat nominari
Buda Wara; in H. v. Mügelus Cliron. d. Hunn.: do hct des Tcunif) Etzels
prüder huda ein stat gepaivet vnd het die nach seinem namen genennet;
Turöczi fügt hinzu: Quare ipse rex Attila, eundem fratrem suum dolo cir-
CHmitcntion, capiiauit; Oläh: qxium Attila propfer auctam ipsius potcniiam,
manum ei palam iniicere }ion änderet, i)isidüs adortum capit, trucidatqxc.
*) Chron. Vind. Eccylhnrg; Chron. Pubn. und Chron. Bnd. Ecilhurg;
Chron. Pos. Ezelburg; H. t. Mügehis Chrou. d. Hunn. etzelburgk] Turöczi
und Oläh Eczelpunj.
8) Stets O«- oder 0-Buda, lies Ö-Buda, d.i. Alt-Buda; nur in Chrou.
Pos. Wuda. Oläh erklärt den namen der Stadt folgenderraassen : Hungari
eam arcem, et vrhem etiavi in pracsentia, Budam: Teidones vero, nunc
Eczelburg, id est arcem Atilae: nunc a furnis calcis, quae olim ex lapi-
dibus illic coqnebatur, Oß'en vocant.
*) Wietersheim-Dahu a. a. o. 2, 224 f.
*) Vgl. Jordanes, ed. Mommsen s. 105, anm. 2.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HÜNNENSAGE. 501
Der name Bada ist, wie ich schon oben erörtert habe, in
der sage an die stelle des historischen Bleda getreten. Er
kommt auch in der deutschen und nord. sage als Botelimg und
Bitdli Yor, jedoch wird damit nicht der bruder, sondern der
vater Attilas bezeichnet. Dies wird erst eine secundäre Ver-
schiebung sein. Die Edda erwähnt fünf söhne Buölis, von
denen zwei im kämpfe der Nibelungen gegen Atlis mannen
fallen, einer durch Guörüns band; zwei andere aber waren
schon früher gestorben.') Keiner wird mit namen genannt;
Atli überlebt sie alle. Die nord. sage weiss auch von dem
streit der brüder zu berichten; Guörün sagt zu Atli:
bQrpusk 'bräpY luigir, bqrusk rog milli,
halft gekk til heljar 6r hiisi ]7inu.2)
Die Ursache des bruderkrieges scheint dunkel, wol wurde
er nach des vaters tod durch die erbschaft veranlasst. 3) In
der I)iörekssaga heisst der bruder Attilas OrtniÖ, beide sind
söhne des königs Osiö ; von einer feindschaft der brüder weiss
die saga nichts. Ihre erzählung hat aber an dieser stelle eine
gewisse ähnlichkeit mit der Hunnengeschichte; sie berichtet
nämlich: Milias honungr hafdi sinn liofnöstad Jjar er heitir
Ualtcrhorg. En Attila Jcontingr setr sinn staÖ par er heitir
Susam. SU er nii Jcolhtd SusacJc (d.i. Soest in Westfalen).
Hann geriz enn riJcasti kommgr. . . Nu andaz Osid Jwnungr
fadir Attila Jconungs. oc lians riJci teer pa enn cellri son hans
Ortnid. oc er liann nu Jcommgr i Frislandi (Ungers ausg.
cap. 41). Weiter wird von diesem bruder Attilas nichts be-
richtet; später aber tritt ein herzog Blodlen, d. i. Bioedel in
der deutschen sage, auf, ohne jedoch Attilas bruder genannt
zu werden. Er fällt in dem kämpfe der Nibelungen und
Hunnen von der hand des Geruoz (a.a.O. cap. 386). Die deutsche
sage weiss ebenfalls nichts von einem bruderzwiste: sie kennt
nur einen bruder Etzels, nämlich Bioedel, den fürsten von
Vlächen'*), der im kämpfe zwischen den Nibelungen und Hunnen
von Dancwarts hand fällt.
1) AtlairiQl Str. ±7 und 51, nach der ausgäbe von Hiklebraud - Gerhig,
Die lieder der älteren Edda 2. Nach der Vglsungasaga cap. 36 (her. von
E. Wilken, Die pros. Edda etc.) waren der brüder nur vier.
2) Atlamol a.a.O. str. 91 und Vqlsungasaga a.a.O.
^) Vgl. W.Grimm, D. heldeusage' s. 402.
*) So wird er im Biterolf v. 13058 genannt.
502 bt.kyp:r
Wie vei'liält sich nun die erzälilung: in der ung. Hunnen-
chronik zu gescliiclite und westgermanischer sage? .Mit der
geschichte stimmt sie auffallend iiberein, doch weist sie auch
abweichungen auf, so dass ihr sagenhafter Charakter kaum
bezweifelt werden kann. Das auftreten Eteles und Budas
neben einander ist gewis, wie ich schon erwähnte, eine
erinnerung an die gemeinsame herschaft der beiden brüder;
die wähl Eteles zum könig der Hunnen mag in dieser form
— llomano morc — gelehrten Ursprungs sein, sicher aber bot
die sage einen anlass zu dieser auffassung. In der piöreks-
saga erobert Attila Hunnenland allein ohne die mithilfe seines
bruders; es wird auf diese weise sein unabhängiges besitztum,
während sein bruder Ortniö das reich des vaters erbt. In.
der ung. Überlieferung gehört jene hälfte des reiches Buda,
die von der Theiss östlich liegt und von deren eroberung —
sie kann in ihrem ganzen bereiche kaum als erbland auf-
gefasst worden sein — die sage nichts zu berichten weiss.
Das neu unterworfene Panuonien erhält Etele, oder — was
vielleicht dem geiste der sage mehr entspricht — behält
Etele für sich. Wenn historisch auch eine teilung des
Hunnenreiches zwischen Bleda und Attila stattfand, wie die-
selbe in der Hunnenchronik angegeben wird, ist sie zweifellos
sagenhaft. Es ist wahrscheinlich, dass das herzogt um, welches
innerhalb des ung. künigreichs jenseits der Theiss im 11. jh.
entstand, wie auch der zwist im kr»niglicheu hause selbst auf
diesen teil der sage belebend eingewirkt hat (vgl. Sebestyen
a. a. 0. s. 404).
A^'eil Buda die grenze seines reiches überschritt und die
Stadt seines bruders nach seinem namen benannte, tötete ihn
Etele. Ob Etele die Stadt selbst erbaut hat, geht aus den
Chroniken nicht deutlich hervor'), es ist aber wahrscheinlich.
Der brudermord, aus machtbegier, ist historisch. Die deutsche
sage, wie auch die piörekssaga, weiss von dem bruderzwist
nichts; sie muss aber einst davon geAvusst haben, wie dies die
Edda beweist. Ich glaube, dass die erzälilung der Huunen-
geschichte über die ermordung Budas der echten Überlieferung
•) H. V. Mügelu lässt sie durch Biula erbauen, doch wird dies entweder
ein willkürlicher zusatz oder ein misverstäudnis sein. Ausdrücklich erklärt
der anonyme notar, dass sie von Attila erbaut worden sei, vgl, unten.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HÜNNENSAGE. 503
angehört '), wie ich auch das etymologische Wortspiel mit dem
personell- und Ortsnamen Buda für volkstümlich halte. In
diesem falle aber ist, wie ich bereits hervorgehoben habe,
Budas gestalt in der ung. tradition viel lebensvoller und
historisch treuer bewahrt, als in der deutsch -nord. Überliefe-
rung. Ich meine eben deshalb, dass die deutsch-nord. sage
in ihren beziehungen auf Attilas bruder, der infolge einer
Verschiebung allerdings nicht mehr mit Buöli- Botel ung
identisch ist, wenigstens zum teil auf grund der ung. sage
aufgeklärt werden muss, nicht als ob in diesem punkte eine
Wechselwirkung stattgefunden hätte, sondern weil beide aus
denselben historischen erinnerungen hervorgegangen sind. Die
ung. sage weiss nur von dem brudermord, nichts aber von der
beteiligung eines bruders Eteles an der letzten grossen Schlacht,
die die katastrophe der Hunnenmacht herbeiführt. Die Edda
weiss von einem bruderzwiste, zugleich aber auch von einer
beteiligung der brüder Atlis an dem kämpfe gegen die Nibe-
lungen. Auch die l)iörekssaga, die zwar von einem zwiste
der brüder nichts weiss, berichtet am beginne der eigentlichen
Huunensage über einen bruder Attilas, ausserdem lässt sie
Bioölen an der katastrophe teilnehmen, freilich ohne sich
seines Verhältnisses zu Attila und infolgedessen auch zu Ortniö
bewusst zu werden. Die deutsche sage hat nur mehr von
demjenigen bruder Etzels kenntnis, der an dem grossen ka,mpfe
der Hunnen gegen die Burgunden beteiligt ist. Die ung. tra-
dition steht im wesentlichen noch auf dem boden der geschichte,
die nord. und noch mehr die deutsche hat denselben schon
verlassen. Die ung. Überlieferung zeigt uns die erste stufe
in der sagenhaften Weiterentwicklung der historischen tra-
ditionen; die nord. hat in ihrem berichte über den bruder-
zwist wenigstens noch eine spur davon bewahrt. Die Edda
nennt je zwei brüder, was kaum echt sein wird; ursprünglich
wird nur je einer aufgetreten sein. Es ist nicht unwahrschein-
lich, dass der bruder, mit dem Atli in streit verwickelt war,
den namen Buöli führte (in Übereinstimmung mit der ung.
tradition), der durch eine weitere, leicht verständliche ver-
*) Trotz des anklanges an die sage von der ermordung des Remus
durch Eomiilus glaube ich nicht an gelehrten Ursprung, wie solcher von
Petz a.a.O. s. 55 und Matthaei a.a.O. s. 17 angenommen wird.
504 BLEYER
Schiebung zum vater Atlis wurde. Eine zweite stufe der ent-
Avicklung, die die ung. tradition nicht mehr betrat, entstand
dadurch, dass noch ein zweiter bruder Attilas auf eine un-
bekannte veranlassung') in die deutsch-nord. sage eintrat und
in der grossen katastrophe eine rolle erhielt. Diese stufe wird
eigentlich durch die Edda, und dem wesen nach auch durch
die liiörekssaga repräsentiert. Die Edda nennt auch hier nicht
den namen des bruders (statt zweier brüder wird als ursprüng-
lich, wie ich bereits erwähnte, nur einer betrachtet werden
dürfen), es ist aber wahrscheinlich, dass er schon auf dieser
ent Wicklungsstufe von Bleda abgeleitet war, wie denn in der
piörekssaga dieser zweite bruder tatsächlich Bioölen, in den
deutschen dichtungen Bloedel heisst. Der name Bleda- Blcedel
wäre also, obgleich der historisch bezeugte, jünger als Buda;
jedesfalls ist aber seine unhistorische rolle die jüngere. 2) Die
dritte entwicklungsstufe, wie sie uns das Nibelungenlied zeigt,
ergab sich, als die erinnerung an die gemeinsame regierung
des brüderpaares in der deutschen sage vollkommen vergessen
war und Etzel eine völlig passive rolle einnahm. Da musste
auch der brudermord, auch in der form eines blossen zwistes,
in Vergessenheit geraten, und Etzels bruder spielte nur mehr
in der katastrophe eine rolle.
Nun will ich noch auf die verschiedenen namen eingehen,
mit denen in der Hunnengeschichte Eteles residenz bezeichnet
ward. Der gelehrte name ist Sicambrict] nach dem berichte
der Chroniken liess Etele die Stadt urhs EtheU nennen, sein
bruder Buda aber nach seinem namen Buda bez. O-Bmla. So
sei der deutsche name Etzelharg und der ung. Buda entstanden.
Der anonyme notar, der seine kenntnis der sage meist unter-
drückt, nennt Attilas residenz sechsmal civitas Athile regis
und viermal Ecilhurgu.'^) Im 1. cap. sagt er im zusammenhange
') Vielleicht nur deshalb, weil die sage eine beteiliyung- des bruders
Attilas an dem entscheidenden kämpfe für natürlich, ja notwendig hielt.
'^) Es ist eine allgemeine ansieht, dass Blcedel erst spät in die deutsche
sage eintrat, aber nach meiner meinung gewis nicht so spät und auf solche
weise wie AV. Wilmanns, Per Untergang der Mbclunge (Abh. d. k. ges. d.
wiss. in Göttingen, phil.-hist. kl. n. f. 7, 1903) annimmt.
') S. die Zusammenstellung bei Heinrich G., Etzelburg es a magyar
hüumonda s. 21 f.
Die GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 505
mit der abstammimg der Ungarn: (Äitila) rcgalem sihi locuni
constituit iiixta Danuhinm supra calidas aquas, et omnia aniiqiia
Opera que ihi innenit, renouari precepit, et in circiiitu nmro
foriissimo ediftcauit, que per linguam hnngaricam äicitur nunc
Buduuar, et a teotJionicis Ecilhurgnm vocatur.
Die Stadt, wohin die residenz in der sage verlegt wurde
— tatsächlich befand sie sich mehr im Innern Ungarns östlich
von der Donau, wie dies aus dem gesantschaftsberichte des
Priscus bekannt ist — war eine alte römerstadt gewesen, die
Aquincum-Acincum hiess.i) Die ruinen derselben sind zum
teile noch heute sichtbar, und müssen in den ersten Jahrhun-
derten nach der ung. landnahme noch viel bedeutender gewesen
sein, so dass der anonyme notar (cap. 42) berichten konnte:
Arpad et omnes sui primates, cum omnihus militihus Hungarie
intrauerunt in civitatem Atthile regis. Et uiderunt omnia pa-
lacia regalia, quedani destructa ad fundamentum, quedam non,
et admirahantur ultra modum omnia illa edificia lapidea. Et
facti sunt leti ultra quam dici polest, eo quod capere meruerunt
sine hello ciuitatem Atthile regis, ex cuius progenie dux Arpad
descenderat. Et epulaJjantur cottidie cum gaudio magno inpalatio
Attile regis u.s.w. Die stürme der Völkerwanderung rissen Aquin-
cum nieder, und auch die röm. bevöikerung verschwand sammt
ihrer cultur. Unbewohnt blieb aber die Stadt oder wenigstens
ihre Umgebung gewis nie: auf die Römer folgten Germanen,
auf diese Slaven und im 9. jh. die Ungarn. Der name Aquin-
cum-Acincum gieng verloren, und die Stadt selbst ward Jahr-
hunderte hindurch nicht mehr erwähnt. Erst in den ung.
Chroniken und Urkunden begegnet sie uns wider, aber nunmehr
— neben dem gelehrten Sicamhria und deutschen Et^elburg —
unter dem namen Buda. Diesen erhielten die Ungarn zweifellos
von den Slaven, wie es denn eine grosse anzahl slavischer orte
dieses namens gibt. 2) Seinem Ursprünge nach ist der name
aber wahrscheinlich germ., und ich glaube, er muss auf germ.
*&q/ja (nhd. hiide) zurückgeführt werden, woraus sich im slav.
^) Vgl. Salamon F., Buda-Pest törtenete 1, 101 ff. ; auch Corp. inscript.
lat. 3, 1, 439 ff.
2) G. Fr. Miklosicli, Denksclir. d. Wiener ak., phil.-hist. kl. 22 (Wien
1874), 149.
506 nLEYER
die form Jhahi laiitgesetzlich entwickelte.') Es ist nicht zu
bezweifeln, tlass zur zeit der \mg. landnalinie die bevölkerung
Budas aus Slaven bestand, zu denen sich alsbald, und zwar
in überwiegender zahl, Ungarn gesellten. Aber schon im 12. jh.
wurden hier, wie auch in Pesf^), das weiter unten am linken
und teilweise auch am rechten ufer der Donau lag, Deutsche
angesiedelt-*), gewis deshalb, weil die bevölkerung auch nach
der niederlassung der Ungarn noch immer schütter war. Sie
nahmen aber die benennung Uiida nicht herüber, sondern
hiessen den ort Etzellmrg.
Woher nun der name Etzelburg, der nicht nur in den
Chroniken, sondern auch in amtlichen Urkunden bis ins 15. jh.
hinein gebräuchlich war. 4) Am einfachsten wäre die annähme,
dass der Verfasser der Hunnengeschichte den namen aus der
deutschen sage entnommen und die erzählung von der 'furcht
der Deutschen' erdichtet hätte. Dies ist aber schon nach den
bisherigen ausführungen ganz unwahrscheinlich. Geradezu
unmöglich machen sie aber die resultate, zu denen Heinrich
in seiner sclion öfter angeführten abhandlung gelangte. Wie
ich bereits in der einleitung kurz erwähnt habe, hat Heinrich
überzeugend nachgewiesen, dass die älteren deutschen epen
(Nibelungenlied, Biterolf; in der Klage wird Etselcn hure
oder Etzelburc gar nicht erwähnt) die resideuz Etzels zwar
an die Donau nach Ungarn, aber nach keinem bestimmten ort
^) lieber germ. ö > slav. u vgl. R. Loewe, Zs. f. vgl. sprachf. 39, 316.
Uebrigens wurde schon spätgot. ö > n.
^) Pest ist ebenfalls ein slav. name, den die Ungarn (gerade wie
Buda) beibehalten, die Deutschen aber durch Ofen übersetzten. All-
mählich wurden die beiden teile der stadt Pest am linken und rechten
Donauufer — letzterer entwickelte sich nach der mitte des 13.jh.'s immer
mehr — von einander selbständig. Es fand alsbald eine Verschiebung in
den namen statt, so dass schliesslich die stadthälfte am linken ufer auch
von den Deutschen Fest genannt wurde, die andere hälfte aber am rechten
ufer fortan deutscli Ofen und ung. Buda hiess. Das eigentliche Buda
{tSicambria, Etzelburg) al)er erhielt von den Deutsclien den namen Alt-
Ofen, von den Ungarn 6 -Buda. Der anonyme notar nennt Sicambria,
wie wir sahen, noch Buduvar (var = 'bürg'), Kezai und bie übrigen
Chroniken aber — mit ausnähme des Chron. Poson. — schon Ö-Buda ; vgl.
Salamon F. a. a. o. 2, 126 ff. und K. J. Schröer, Germ. 17, 65 ff.
3) Vgl. Salamon F. a.a.O. 2, 101 ff'.
♦) Vgl. Heinrich G. a. a. o. s. 38.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HÜNNENSAGE. 507
verlegt war. Die beliauptung-, class Etzelburg mit Gran oder
Alt-Ofen für identisch gehalten worden wäre, lässt sich durch
nichts beweisen'); in bezug auf Alt-Ofen ist sie aber schon
an und für sich ganz unwahrscheinlich, da dieser ort im 12.
und 13. jh. ganz unbedeutend war und eben deshalb in Deutsch-
land nicht bekannt sein konnte. Ofen selbst erhielt seine
bedeutung erst nach dem einfalle der Tataren um die mitte
des 13. jh.'s, als sie allmählich neben und statt Gran die resi-
denz der ungarischen könige wurde. Eine bestimmte locali-
sierung nach (Alt-) Ofen fand in der deutschen sage und
literatur erst später statt, und zwar einerseits unter dem
einflusse der ung. Chroniken, die in Deutschland — wie schon
Heiurich von Mügeln zeigt — früh bekannt wurden, andrer-
seits durch den umstand, dass das neben Etzelburg = Alt-
Ofen gelegene Ofen = Buda sich zur ersten stadt Ungarns
und infolgedessen zu allgemeiner bekanntschaft erhob. Aus
der deutschen sage darf also das Eczilhurg in den ung. Chro-
niken nicht erklärt werden.
Eine andere deutung gibt Fr. Salamon.^) Er geht von dem
römischen Aquincum > Acincum aus und nimmt an, dass sich
dieses zu einem deutschen Asm-hurg und letzteres wider unter
dem einflusse der deutschen heldensage zu A^ilbury > Ezilburg
entwickelt habe. Sprachlich wäre ja diese erklärung nicht
unmöglich, denn für lat. c, das im 6. — 7. jh. im Vulgärlatein
palatalisiert wurdet), haben wir auch sonst z in lat. lelm-
wörtern der deutschen spräche, z. b. circulus > zirhel, census
> sins, arcJii- arci- > erz- u. a. Die entlehnung könnte dann
^) Der streit also, ob unter Etzelburg in den deutschen epen Gran =
Esztergom oder (Alt-) Ofen = (Ö-)Buda zu verstehen sei, entbehrt jeder
reellen grundlage. Wenn Mülleuhoff, Zs. fda. 12, 482 ff., um die Identität
von Etzelburg und (Alt-) Ofen zu beweisen, sich auf die ung. chrouiken
beruft, so braucht nach dem gesagten nicht weiter ausgeführt zu werden,
dass dieselben für die deutsche sage keine beweiskraft haben. Zugleich
bemerke ich, dass die Urkunde, die Müllenhoff aus dem jähre 1092 (G. Fejer,
Cod. dipl. Hung. 1, 479) heranzieht, eine fälschung ist. Vgl. Karäcsonyi J.,
A hamis, hibäskeltu es keltezetlen oklevelek jegyzeke 1400 -ig, 1902, s. 8,
no. 48.
^) A.a.O. 2, 51 f. Diese erklärung wird auch von Nagy G., Ethno-
graphia 1, 163 widerholt.
^) Vgl. E. Seelmann, Die ausspräche des latein, 1885, s. 336.
508 fiL-RYER
natürlich erst in alid. zeit stattgefunden haben, da vor der-
selben lat. c ^-- Je zwischen vocalen durch die hd. lautverschie-
bung zu ch werden musste, z. b. lat. aqnärmm > ahd. ahhäri,
coqnus — cociis > ahd. choh u.a. Betrachten wir aber zeit und
umstände njiher. unter denen Acincum in den deutschen orts-
namenschatz hätte eintreten müssen, so können wir der an-
nähme nicht beistimmen. Diese erklärung setzt voraus, dass
sich die römische bevölkerung in oder um Acincum und natür-
lich auch der lat. name der Stadt bis in ahd. zeit erhalten
habe, was für ausgeschlossen betrachtet werden kann. Salamon
behauptet selbst, dass sich römische elemente in diesem teile
Pannoniens über das 6. jh. hinaus nicht haben erhalten können
(a.a.O. 2, 47 und 28). Er achtet aber bei der deutung des
namens auf diesen umstand nicht, und nimmt an, dass baju-
varische Schiffer, die ihre beziehungen zu Ost-Pannonien auch
w^ährend der Avarenherschaft aufrechterhalten hätten, den
namen Acincum herübergenommen und nach ihrer zunge um-
gestaltet hätten. Auch diese Voraussetzung ist sehr willkür-
lich und durch nichts, als eben diesen deutungsversuch,
begründet.
Ich will eine andere erklärung versuchen. Das composi-
tionsglied Et^el ist zwar in deutschen Ortsnamen nicht selten
(vgl. F. Grimme, Germ. 32, 68), trotzdem darf aber kaum an-
genommen werden, dass die im 12. und 13. jh. eingewanderten
Deutschen den namen mitgebracht hätten, da Buda nicht von
ihnen begründet wairde; auch Hesse sich kein grund angeben,
w^arum sie dem oi'te gerade diesen deutschen namen gegeben
hätten. Die deutsche sage kann keinen anlass dazu geboten
haben, da diese von einer localisierung der bürg Etzels nach
Buda nichts wusste. "Warum wurde aber dann nicht auch von
ihnen der name Buda angenommen? Ich glaube, der Ortsname
Eczilhiirg ist unter dem einflusse der ung. sage entstanden.
Man hielt, natürlich in Ungarn infolge der pannonischen Über-
lieferung, Buda allgemein für die ehemalige residenz Eteles.
Es ist eben deslialb wahrscheinlich, dass schon vor der ent-
stehung der form Etselhurg die bezeichnung lu-hs oder civitas
Ättilae neben dem namen Buda, wenigstens im gewählten oder
amtlichen stil, gebräuchlich war. Die Chronisten, besonders
der sonst sagenschene anonjnne notar, gebrauchen, wie wir
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 509
bereits gesellen haben, nicht selten diese bezeichnung; letzterer
öfter auch derart, dass er gar keine erklärnng- durch die
namen Etzelhurg oder Buda hinzufügt. Der Chronist Arnold
von Lübeck berichtet (Chron. Slavorum, MG. SS. 21, 171) aus
dem jähre 1189, kaiser Friedrich I. sei auf seinem kreuzzuge
nach Gran — eine üngarorwn est metrojyolis — gelangt und
inde domnus iniperator a rege deductus est in urhem Ädtile
dictam. Dies ist natürlich Buda, und also der älteste beleg
für die bezeiclmung urhs Attilae. Diesen namen kann auch
er nicht aus der deutschen sage geschöpft haben, sondern wird
ihn, wie seinen ganzen bericht, von gewährsmännern erhalten
haben, die an dem kreuzzuge teilgenommen hatten. Diese
aber können den namen des sonst unbedeutenden ortes nur in
Ungarn erfahren haben; er wird also höchstwahrscheinlich
auch schon gebildet gewesen sein, und zwar unter dem einfluss
der ung. sage, als hier Deutsche angesiedelt wurden. Was
war nun natürlicher, als dass die Deutschen, die könig Etzel
aus ihren heimischen sagen wol kannten, die urhs Attilae durch
Emlburg übersetzten, wie denn die deutschen colonisten fremde
Ortsnamen, wenn es möglich war, immer gerne in ihre spräche
übersetzten. Wenn der Verfasser der Hunnengeschichte erzählt,
die Deutschen hätten die Stadt auf befehl Eteles und aus furcht
vor ihm Etzelburg genannt, die Ungarn aber trotzdem den
namen Buda beibehalten, so kann das sehr wol eine spöttische
anekdote im ung. volksmunde gewesen sein, wie solche sehr
häufig sind, und braucht keineswegs für eine persönliche be-
merkung des Chronisten gehalten zu werden. Die localisierung
der hauptstadt Eteles nach Alt -Ofen wurde natürlich durch
die grossartigen ruinen Aquincums, auf denen Alt -Ofen zum
teil erbaut worden war, veranlasst.
Ich glaube, es ist mir gelungen, durch die vorhergehenden
erörterungen wahrscheinlich zu machen, dass die erzähluug der
Hunnengeschichte von Buda, dem bruder und der Stadt Eteles,
der echten Überlieferung angehört. Auch hier hatten wir ge-
legenheit, einen belehrenden einblick in die ent Wicklung der
germ. Hunnensage zu tun, wie sie in Pannonien und in Deutsch-
land-Scandinavien vor sich gieng.
b) Nach der erzälilung von der teilung des Hunnenreiches
unter Etele und Buda gibt uns die Hunnengeschichte eine
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. 34
510 BLEYER
Charakteristik Eteles.») Sie fiilirt den titel Eteles an: ILm-
norum rex, metus orhis, flagclhini dci-); schildert liierauf seine
äussere erscheinung und seine inneren eigenscliaften: Erat enim
rex FAhela colore tcter, ocnlis nigris et furiosis,pectore lato, elatns
incessu, statura hrcvis, harham prolixam cum Hnnis dcfcrchat;
er war kühn, aber nicht verwegen, liebte reinlichkeit und war
wollüstig; trotz seiner härte war er freigebig und freundlich,
propter qnod ab extera natione amahafur, — nationcs kUoque
regnornm dinersorum ad ipsum de finihus orhis icrre conflue-
hant; er war reich und mächtig, liebte glänz und prunk; in
seinem schilde führte er ein Avappen, in welchem ein vogel
dargestellt war, der Imngarice tund diciiio-^); dieses wappen
führten die Hunnen usque iempora ditcis Geiche; Etele besass
Städte und bürgen, habitare vero — sagt Kezai im Widerspruch
zu dem berichte über Etzelburg^) — in ipsis contempnchat,
denn den Städten zog er das leben im freien unter zelten vor.
Die ganze angeführte Charakteristik ist entschieden ge-
lehrten Ursprungs,^) In dieser form und mit solcher auffassung
kann sie niemals im volksmunde gelebt haben. Den kern der
Schilderung linden wir schon bei Jordanes (Getica cap. 34 f.),
oft mit wörtlichen anklängen. Wenn Attila in der ung.
Hunnengeschichte, im gegensatze zu dem historischen berichte
des Priscus und Jordanes, als prunksüchtig, oder statt rarus
harha (so Jordanes) mit harha prolixa geschildert wird, so ist
das einfach eine concession von selten des ung. Chronisten an
den nationalen geschmack. Attila ward für den ahnen des
*) Kezai cap. 2, 9; etwas abweichend in den übrigen Chroniken Chron.
Viud. cap. 4. Chron. Dubn. cap. 7. Chron. Pos. cap. 11. Chron. Bud. s. 18f.
H. V. ]\Iügelns Chron. d. Ilunn. cap. 5. Turoczi cap. 13. Oläh cap. 3.
*) So bei Kezai; in den übrigen Chroniken ist der titel erweitert:
Atyla dei gratia ßlius Bendakus, nejjos magni Magor, nidritus in Engadi,
rex Hunoritm Medorum Gottorum Vanorum metus orhis tcrre et flageUum dei.
*) In den übrigen Chroniken: Balnerinm . . . similitudiuem austurio . . .
hahehat; turul ist ein dunkles nng. wort, das nur bei Kezai vorkommt. Vgl.
Sebestyen a. a. o. s. 407 ft'. und 2, G2 ff.
*) Diese bemerkung fehlt in den übrigen Chroniken.
*) Matthaei a. a. o. s. 17 f. zieht auch hier eine stelle aus Aventin
(a.a.O. 2, 302 und 4, 2, 1139) heran, obgleich er selbst bemerkt, dass der schil-
dening — und zwar der Aventius noch deutlicher als der Kezais — die-
jenige bei Jordanes zu gründe liegt.
DIE GERM. ELEMENTE DEE UNG. HUNNENSAGE. 51 1
ungarischen künig-sliauses gehalten, und so mnsste er in einer
ung. Chronik natürlich mit den glänzendsten eigenschaften
ausgestattet werden. Eben aus diesem gründe führt er auch
dasselbe wappen, von welchem wir übrigens nichts näheres
wissen, wie die ung. fürsten bis zur zeit Gyecses. Wie das
meiste in der Schilderung, so stammt natürlich auch der titel
in seiner grundform gewis aus ausländischen gelehrten quellen
(vgl. Gottfried v. Viterbo, MG. SS. 22, 188).
Ueber den eigentlichen Charakter Eteles, wie ihn die sage
auffasst, kann nur ganz wenig gesagt werden, da die erzäh-
lung in der Hunnengeschichte, wo sie wirklich aus echter
Überlieferung schöpft, so sehr skizzenhaft ist, dass Etele selbst
persönlich kaum hervortritt. Nur eine persönliche tat, näm-
lich die ermordung Budas, die, wie ich annehme, sagenhaft
ist, wird hervorgehoben. Zweifellos ist auch, dass, was ich
schon oben erwähnte, Etele in der Überlieferung von den
pannonischen kämpfen eine leitende rolle gespielt haben
muss. Dass die sage auch nach der eroberung Pannoniens
noch von heerfahrten Eteles zu melden wusste, hoffe ich unten
wahrscheinlich machen zu können. Die erscheinung Attilas
ist in der ung. tradition im allgemeinen tatengewaltiger und
also historischer aufgefasst als in der deutschen, wo er beson-
ders im Nibelungenliede schwächlich und fast zum schatten
geworden ist. Im übrigen sind er und seine taten, wie sein
Verhältnis zu Detreh noch beweisen wird, sympathisch und
freundlich beurteilt. Die Verherrlichung Eteles als eines
nationalheros muss natürlich schon als eine specifisch ung.
Weiterbildung betrachtet werden, die aus dem verwantschafts-
verhältnisse der Hunnen und Ungarn der auffassung der sage
gemäss notwendig folgte. Der Verfasser der Hunnenchronik
mag dann noch das seinige hinzugegeben haben, das besonders
da hervortritt, wo er aus ausländischen, besonders romanischen
quellen schöpfte und deren feindliche gesinnung gegen Attila
zu mildern oder umzugestalten gezwungen war. In der erinne-
rung der Romanen und westdeutschen stamme, namentlich der
Franken, lebte Attila als 'gottesgeisel', und so, grausam, hab-
gierig und treulos, kennt ihn auch die nord. sage, die sich
auf fränk. Überlieferung stützte. In der deutschen dichtung
dagegen, wo er als milder, weiser herscher gescliildert wird,
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ZU dem alle verhannten recken ilire Zuflucht nehmen, si)iegelt
sich das bild Attilas -wider. Avie es sich bei den mit den
Hunnen verbündeten (lermanenstämmen, vor allem bei den
Ostgoten, entwickelt hatte. Von diesen aus fand — wie schon
Fr, Vogt u.a. erkannt haben') — diese auffassung auch bei
den süddeutschen stammen Verbreitung: auf welche weise,
darüber soll später noch gehandelt werden. Auch in der
ung. sage herscht eine solche beurteilung der Persönlichkeit
Attilas, und zwar, wie ich schon betonte, mit treuerer histo-
rischer färbung, als in der deutschen. Dass dies sehr gut zu
den resultaten stimmt, zu denen wir bisher gelangt sind, braucht
nicht erst bemerkt zu werden. Ueber das heidentum Eteles
und von seinem Verhältnis zum Christentum erfahren wir aus
den sagenhaften teilen der Hunnengeschichte nichts, wie denn
auch die ung. sage selbst darüber kaum etwas berichtet haben
w4rd, gewis noch weniger, als die deutsche. Es ist überhaupt ein
beständiger zug der ung. dichtung, dass, von einzelnen, eigens
begründeten erscheinungen abgesehen, der religiöse Standpunkt
vor dem nationalen, wie er ja auch in der Hunnensage zum aus-
druck kommt, ganz in den hintergrund tritt. Die ostgot. sage
selbst wird auch kaum ausgeprägte religiöse gegeusätze zwischen
den beiden Völkern der Hunnen und Goten aufgestellt haben,
um so weniger, als die Ostgoten selbst meist beiden waren.
Nach der Schilderung des Charakters Eteles wird w^eiter
erzählt^): Postquam vero in prelio Cesummaur liomayii corruis-
sent, et fnissent dispersi usqueqnaque, rex Ethela est connersus
in castra gentis sue, et ihi in descensu nltra Tizam paucis diebus
habitanitJ) Tandem in Sceivem {ScevenY) curiam solcmpnem
celehrare iwocuranit. Ad quam DltricHS de Verona cum prin-
1) Vgl. Fr. Vogt, Zs. fdph. 25, iii f. R. Koegel, Gesch. d. d. lit. 1, 2, 283 f.
Sijraous a. a. o. s. 6G6 und 700.
2) Kezai cap. 3. 10. Chroii. Viiid. cap. 5. Chron. Dubn. cap. 8. Chron.
Pos. cap. 12. Chron. Bud. s. 19 f. H. v. Mügelus Chron. d. Hunn. cap. 6. Tu-
roezi cap. 15. Oldh cap. 4.
*) In den übrigen Chroniken : Iluni . . . tiltra Tisciam cum uxoribus
permanserunt.
*) Chron. Pos. Czcvem; Chron. Bud. Zexmcn; H. v. Mügelns Chron. d.
Hunn. izciccn, Chr. rhythni. (s. 10) Zciccn. Nach Turuczi hielt Etele die be-
ralung in Sicanibria ab: eine abweichnng, die gewis nicht sagenhaft istj
wesentlich so auch Oläh.
DIE GERM. ELEMENTE DER TJNG. HUNNENSAGE. 513
cipihus Germanie accedens omne liomagiiim Ethde et Hmiis
fecisse perhibetnr. SuggessH regi, ut inuadere debeat regna
occidentis. Cuius quideni consilium ampledendo exercitum
statim proclamari iussit. Egressus de Sicambria primo. . . .
Auch diese partie der Hiinnenchronik halte ich für echte
Überlieferung. Sie gehört eigentlich zu dem obigen berichte,
"WO erzählt wird, Etele habe die alte hcälfte des reiches seinem
bruder Buda zukommen lassen, für sich aber die neue erwer-
buug, Pannonien, behalten. Aus den beiden berichten, die
ungeschickt genug durch die Schilderung des Charakters Eteles
unterbrochen wird, geht hervor, dass die Hunnen sich nach
dem siege über Detreh in ihre alte lagerstätte ultra Tisam
zurückgezogen haben, von wo sie gegen die Goten aufgebrochen
waren und wo sie frauen und kinder zurückgelassen hatten.
Nach einigen tagen begaben sie sich aber nach Sceveni, um
sich in einer Volksversammlung zu beraten. Es ist klar, dass
die teilung des reiches unter Etele und Buda in dieser Ver-
sammlung, die so sehr an die uralte Verfassung der Ungarn
erinnert, beschlossen und ausgeführt worden sein muss. Aber
auch andere wichtige ereignisse vollzogen sich bei dieser ge-
legenheit. Der besiegte Detreh soll mit anderen germ. fürsten
Etele, dem herscher der westlichen reichshälfte, seine huldigung
dargebracht haben. Es entwickelt sich zwischen ihnen augen-
scheinlich ein freundschaftliches Verhältnis; freilich wie und
w^odurch, darüber lässt uns die durch den Chronisten arg ver-
stümmelte erzählung der sage im unklaren, i) Detreh wird
freund und ratgeber Eteles, der seinen rühm noch mehren
will und ihm daher rät, dass er die reiche des westens an-
greife. Etele bricht auch tatsächlich mit seinem beere von
Sicambria-Etzelburg auf, um eine neue heerfahrt zu unternehmen.
Habe ich den Zusammenhang in der erzählung der Hunnen-
geschichte richtig hergestellt und gedeutet, so fällt die be-
hauptung Sebestyens, dass es sich hier eigentlich um den
rückzug der Avaren über die Theiss handle^), wozu sie von
*) Turöczi sagt: Detricus de Verona, qui prius Jiostis erat, reg/s be-
neuolentia paräer et liheralitate auditis, ann multis Germaniae principihus,
tanti regia venit in curiam; so auch Oläh. Es ist nicht unmöglich, dass
Turöczi diese motivieruug ans der lebendigen volkssage geschöpft hat.
^) Sebestyen a.a.O. s. 434; Eiuhard sagt nämlich in seinen Annalen ad
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kimig Pipiii geiuttigt wurden, von selbst weg. Die Hunnen
waren von der Theissgegend {andito quod lliini super Tisam
resedissait) aufgebrochen, um Pannonien zu unterwerfen, und
nach der Unterwerfung niussten sie natürlich dorthin wider
zurückkehren, wo sie die ihrigen zurückgelassen hatten.
Die beratung fand in Sccivcm (Sceven, Zcuuen) statt. Dass
die castra gentis nicht in Scewem gedacht sind, ist klar. Da-
raus folgt, dass Scewem nicht mit Süveuyhaza an der Theiss
im comitat Csongräd identificiert Averden muss. Da aber
Sceiücm, Sceven, Zeuucn richtig nur Szevem- Szeven^) und
nicht Seven > Sövemß) gelesen werden kann, so ist es deut-
lich, dass Scevem mit Sövenylidza nicht nur nicht identificiert
werden muss, sondern überhaupt nicht identificiert werden darf.
Schon K. Szabü (Kezai Simon mester magyar krunikäja 1862,
s. 24, anm. 2) hat darauf aufmerksam gemacht, dass Scevem
auf Szöny an der Donau im comitat Komdrom gedeutet werden
müsse. In den Urkunden finden wir für Szony die Schreibung
Sccun (a. 1249) und Zeivn (a. 1460: Csanki D. a.a.O. s. 3, 491),
die nach ihrem phonetischen werte mit Sceven und Zennen
übereinstimmt. Aber auch sonst passt Szony, eine alte Eümer-
stadt (Brigetio) recht gut in die topographie der sage, die,
wie wir bereits gesehen haben, in dem nördlichen teile Pan-
noniens localisiert ist, wo auch {0-)Smiy (westlich von Buda-
Ofen) liegt. Sebestyen hat (a.a.O. s. 435 ff.) eine andere deu-
tung, die aber ebenfalls auf der falschen lesung sövcny beruht.
Er identificiert Sceivem nicht mit Sövenylidza, sondern mit
dem ung. worte sövcny 'hecke, zäun'. Seiner Avaren-Szekler-
theorie gemäss will er darin einen Avarenring erkennen und
meint, Etele habe Detreh mit den übrigen germ. fürsten inner-
halb eines solchen ringes empfangen. Da aber die annähme
nicht nur willkürlich, sondern aus einem lesefehler hervor-
a. 79G (MG. SS. 1, 183): Pippimis autem, Hnnis Irans Tizam fluvium
fugatis, eorumque regia, guae, tit dictum est, Hringus, a Langohardis
autem Campus vocatur, ex toto destructa . . . ad patrem Aquisgrani hiberna
habentcm venit.
1) Vgl. Melich J., SzLäv jövevenyszavahik 1, 2, 24 ff.
^) Csanki D., Magyarorszäg törteuelini földrajza a Hunyadiak koräbau
1,683 führt aus 1455 Scwenhaz, aus 1515 Sewenhaza an; also ein S (nach
der ung. orth. s) und nicht s (nach der ung. orth. sz geschrieben).
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 515
geg-angen ist, braucht sie nicht eingehender widerlegt zu
werden.
Am wichtigsten ist von unserm gesichtspunkte auch hier
der kurze bericht über Detreh. Er erscheint in der curia
solemnis der Hunnen, versöhnt mit Etele, als sein ratgeber,
der ihn zu neuen heerfahrten anregt. Auch in der deutschen
sage lebt Dietrich als freund Etzels am hunnischen königs-
hofe; in der piörekssaga rät er Attila, die Eussen anzugreifen,
und steht ihm während des ganzen kriegszuges mit rat und
tat bei (Ungers ausg. cap. 293. 310 f. 314 f.). Dieses freund-
schaftliche Vasallen Verhältnis Detrehs zu Etele, in der deutschen
sage Dietrichs zu Etzel, beruht auf historischen erinnerungen.
Es ist schon längst erkannt worden (worauf ich schon oben
hinwies), dass auf Dietrich als den repräsentanten der von
den Hunnen unterjochten Goten traditionen übertragen worden
sind, die sich ursprünglich auf Theoderichs vater und seine
Vatersbrüder bezogen hatten (vgl. M. Eieger, Zs. f. d. myth.
1, 231 f.). Diese lebten in friedlichem einvernehmen mit Attila,
sie unterstützten ihn in seinen heerfahrten und w^aren mit
ihren Völkern namentlich an der catalaunischen schlacht
persönlich beteiligt. Inter quos (d. i. unter den verschiedenen
unterworfenen Völkern Attilas), so berichtet Jordanes (Ge-
tica cap. 38), Ostrogoiharum praeminehat exercitus Valamire
et Thcodemire et Vidcmere germanis ducentihus, ipso etiam
rege, cui tunc serviehant, nohiliorihis, qiiia Amalorum generis
eos potentia inlustrahat; eratque et Gepidarum agmini in-
numerahili rex ille famosissimus Ardaricus, qui oh nimiam
suam fidelitatem erga Attila eins consilUs intererat. nam
perpendens Attila sagacitaie sua, cum et Valemerem, Ostro-
gotharum regem, super ceteros regulos diligebat. Erat namque
Valamir secreti tenax, hlandus alloquio, dolis gnarus; Arda-
ricus fide et consilio, ut diximus, clarus. quihus non ini-
merito contra parentes Vescgothas dehuit credere pugnaturis.
Der angeführte bericht des Jordanes spiegelt sich mit sagen-
hafter färbung in der rolle wider, die Detreh in der ung. tra-
dition am hofe des Hunnenkönigs spielt. Detreh ist ein Ver-
treter des Gotentums, oder vielmehr des ganzen Germanentums,
das unter hunnischer botmässigkeit stand. So ist denn meines
erachtens die frage, wie sie z, b. von Br. Busse (Beitr. 26, 63)
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aufgestellt wird, ob Dietrich an die stelle des bedeutenderen
Walamer oder seines vaters Tlieudemer getreten sei, für die
sage ohne Wichtigkeit.') In Detreh und seinem Schicksale
kommt das Verhältnis der unterworfenen Germanen zu den
Hunnen, der Germanenfürsten zu den Hunnenkönigen, vor-
nehmlich zu Attila, zu dichterischem ausdruck.
Detreh lebt am hunnischen königshofe von dem regierungs-
antritt Eteles bis zu dem stürze des Hunnenreichs, der alsbald
nach dessen tode erfolgte, also mit historischen Jahreszahlen
ausgedrückt von 433 bis 453. Es sind zwanzig jähre, und
zwanzig jähre des exils waren nach der erzählung der piöreks-
saga (Ungers ausg. cap. 316 und 325), mit der auch die Klage
übereinstimmt-), verflossen, als Dietrich von Etzels söhnen
begleitet nach Italien zog, um sein reich wider zu gewinnen.
Der kriegszug endete mit der schlacht bei Raben (d. i. Ravenna),
die für Dietrich zwar siegreich, aber doch ohne erfolg war,
da in derselben die beiden söhne Etzels ihr leben gelassen
hatten. In dieser erzählung von dem tode der söhne Etzels
erkannte R. Heinzel (Ostgot. heldens. s. 55 ff.) richtig eine erinne-
rung an die kämpfe zwischen Germanen und Hunnen nach
Attilas tode, in welchen die Germanenfürsten siegten, die
söhne Attilas aber untei'lagen und das Hunnenreich zusammen-
stürzte. Es ist also klar, dass auch in der deutschen Über-
lieferung das exil ursprünglich zwanzig jähre, mit andern
Worten: die ganze regierungszeit Attilas hindurch, dauerte.
Eben deshalb braucht weder dauer, noch, wie wir sehen
werden, inhalt des exils durch 'die periode in Theoderichs leben
^) Petz a.a.O. s.ii nimmt au, dass auch züge .Ardariclis auf Detreh
übertragen worden seien , und Sebestyeu a. a. o. s. -iOo schliesst daraus auf
einen einfiuss, den die Gepiden auf die entwicklung der pannonischen
Hunnonsage ausgeübt hätten. Ich glaube, diese annähme ist überflüssig.
WaLamer und seine brüder spielten dieselbe rolle an Attilas hofe wie Ar-
darich. Das intimere Verhältnis Ardariclis zu Attila findet in der sage da-
durch seineu ausdruck, dass diese ihn nicht zum freunde, sondern, wie wir
sehen werden, zum söhne Eteles machte.
') Sie erzählt v. iJ87 ff., dass seit der Rabenschlacht l)is zum kämpfe
der Hunnen und Eurguudon zwölf jähre verflossen seien; da nun das cxil
Dietrichs 32 jähre gedauert hatte (vgl. Sijmons a.a.O. s. 690, anm.), so ist
es klar, dass auch nach der Klage bis zur Rabeuschiacht 20 jähre dieses
exils vergangen waren.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 517
vom einbriich der Goten in Mösien (473) ... bis zu dem sieg-
reichen einzuge in die tore Eavennas (493)' i), oder durch den
Zeitraum von der vergeisehmg des jungen Theoderich nach
B3'zanz (4G2) bis zur endgiltigen besitzergreifung Italiens
(493)-) erklärt zu werden. Die deutsche sage traf jedoch in
ihrer weiteren entwickelung eine Umgestaltung, die auf den
ersten blick als secundär erscheint, und liess statt 20 jähre
des exils 30 bez. 32 jähre eintreten. 3) Die ung. sage hat also
^) So Sijmous a. a. o. s. 690 auf grimd der ausführuugen Jiriczeks
a.a.O. s. 131.
^) So Fr. Kauifmann, Festgabe für E. Sievers, 1896, 8.154; vgl. auch
Br. Busse a. a. o. s. 79 ff.
^) Eine erlilärung, warum iu der sage der tod der söhne Etzels noch
zu dessen lehzeiten erfolgt, also warum die katastrophe, die über die erben
Etzels hereinbrach, nicht mit dem ende des exils zusammenfällt, versucht
R. Heinzel, Ostgot. heldensage s. 58ff. zu geben, indem er behauptet, dass
diese Verschiebung durch die Verknüpfung der Dietrichssage mit der sage
von den Nibelungen entstanden sei. Weil ich mir aber, wie ich im fol-
genden abschnitte ausführen werde, die Verknüpfung beider sagen anders
vorstelle als Heinzel, kann ich auch seiner angeführten erklärung nicht
beiptlichten. Meine ansieht ist, ganz kurz gefasst, folgende: ai\f die Ver-
nichtung der Burgunden-Nibelungen durch die Hunnen (437) folgte in der
ältesten Überlieferung alsbald der tod Attilas, das verderben seiner söhne
und der Untergang seines reiches. Diese katastrophe wurde einerseits durch
Bdico (sie tötet Attila), an deren stelle Krienihild trat, andererseits durch
die Germanenfürsten Ardarich, Walamer und seine brüder (sie besiegen die
söhne Attilas), deren rolle auf Detreh übertragen wurde, herbeigeführt.
Auf dieser stufe der entwicklung der sage, auf Avelcher die ungarische
Überlieferung steht, fand also noch keine Verschiebung in der dauer des
exils und dem Zeitpunkte des Verderbens der söhne Attilas statt. Als aber
in der deutschen Überlieferung (die pannonisch-ungarische blieb davon un-
beeinflusst) die kämpfe Theoderichs um den besitz Italiens gegen Odoakar-
Ermanarich eine immer grössere rolle einnahmen und die Ermanarichssage
immer weiter wucherte, trat die erinuerung an die befreiung der Germanen
von dem hunnischen joche vor der au die eroberung Italiens immer mehr
zurück. Sie konnte sich nur mehr als episode behaupten, und als solche
wird sie in der Eabenschlacht behandelt, wo beide Überlieferungen, die von
der befreiung vom Hunnenjoche und die von der begründung des Goten-
reiches in Italien, mit einander verschmolzen sind, freilich so, dass letztere
die Oberhand behielt. Auf die frage, warum die Rabenschlacht und somit
auch das verderben der söhne Etzels in der deutschen sage vor Etzels tod
verlegt und auf diese weise die zeit des exils von 20 auf 80 — 32 jähre
hinausverschoben worden sei, komme ich übrigens unten zurück. Vgl.
Jiriczek a.a.O. s. 163 ff. und Sijmous a. a.o. s. 692, mit denen ich jedoch.
518 BLEYER
auch hier eine historisch treuere prestalt der Überlieferung
bewahrt, als die deutsche. AVie Detreh seine unabhängipfkeit
wider erhielt, also wie das exil der deutschen sage ein ende
nahm, darüber soll im folgenden abschnitte gehandelt werden,
wo auch erörtert Avird, wie die Übereinstimmung beider sagen
zustande gekommen ist.
Auf den rat Detrehs entschliesst sich Etele zu einer heer-
fahrt gegen den westen. Der ganze bericht über die auslän-
dischen kriegszüge ') ist nicht aus der echten ung. Hunnensage
entnommen, sondern, wie schon Petz (a.a.O. s. 55 ff. und 87) deut-
lich nachgewiesen hat, aus ausländischen gelehrten geschichts-
werken. ^A''as erzählt wird, ist selbstverständlich nicht reine
und ungetrübte geschichte, sondern zeigt vielfache abweichungen
von den historischen tatsachen. Der grund der Verwirrungen
ist natürlich in erster reihe in dem umstände zu sehen, dass
die mittelalterlichen geschichtsschreiber in ihren Chroniken
nicht auf die ersten quellen, z. b. auf Jordanes, zurückgriffen,
sondern ihre berichte aus zweiter und zehnter band herüber-
genommen haben, woraus sich unwillkürlich immer griissere
Verschiebungen in der darstellung ergaben. Der kirchliche
Standpunkt der geistlichen Verfasser, die einwirkung legenden-
hafter Überlieferungen und locale einflüsse trugen dann noch
das ihrige dazu bei, um einzelne begebenheiteu oft fast bis
zur Unkenntlichkeit zu entstellen. Die mittelalterlichen Chro-
nisten hatten nicht nur für nüchterne kritik keinen sinn,
sondern kannten überhaupt keine grenze zwischen möglich
und unmöglich. Die berichte also, die der Verfasser der ung.
Hunnengeschichte aus ausländischen gelehrten quellen ent-
nommen hat, standen schon ursprünglich von der historischen
da die gnindanffassuiig eine verschiedene, in ■wesentlichen punktou nicht
einverstanden bin, namentlich glaube ich nicht, dass die Rabeuschiacht für
Dietrich ursprünglich einen unglücklichen ausgang gehabt habe. Vgl. die
ausführuugen über Dietrich im nächsten abschnitte.
') Kezai cap. 3. cap. 4, 10 — 13. Chron. Vind. cap. 5—9. Chron. Dubn. |
cap. 8—17. Chron. Pos. cap. 12—18. Chron. Bud. s. 20—28. H. v. Mügolns
Chron. d. Hunn. cap. 6 — 8. Turöczi cap. 15— 21. Olah cap. 1 — 16; die erzäh-
lung beider letzteren, besonders Olähs, ist der ursprünglichen Ilunnen-
geschichte gegenüber, wie sie bei Közai und den übrigen Chroniken erhalten
ist, bedeutend erweitert, natürlich aus gelehrten geschichtswerken.
DIE GERM, ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 519
Wahrheit weit ab; dass auch er noch aus nationaler rücksicht,
und um einen Zusammenhang mit der sage herzustellen, an
denselben Veränderungen getroffen hat, ist selbstverständlich.
Weil die ganze darstellung in sagengeschichtlicher hinsieht
wertlos ist, will ich sie nur kurz besprechen; ganz umgangen
kann sie jedoch nicht werden, da einzelne forscher, namentlich
Matthaei, in ihr auch echte sage gefunden zu haben glauben.
'Etele unterwirft auf seinem kriegszuge zuerst Illyrien.' ')
Von der Unterwerfung Illyriens weiss weder die sage, noch die
gelehrte geschichtsschreibung etwas; es ist auch aus dem zu-
sammenhange unmöglich zu entscheiden, ob es sich hier um
echte Überlieferung, gelehrte entlehnung oder willkürliche
combinatioü des Chronisten handelt. Es ist also kein grund
vorhanden, dass wir auf diesen bericht näher eingehen.
'Nach der eroberung Illj^riens zieht Etele an den Rhein,
überschreitet ihn bei Konstanz, besiegt und unterwirft den
könig Sigismundus bei Basel.' Matthaei sieht (a.a.O. s. 13 f.)
in diesem berichte eine entlehnung aus der bairischen volks-
sage und verweist wider auf Aventin, der (a. a. o. s. 2, 303, vgl.
auch 4,2,1139) erzählt: Ihi Gimdaricus et Segimundus reges
Burgundioniim armati occurrunt Attilam transitu BJieni amnis
prohibituri, sed facile ab exercitu Attilae caeduntur, funduntnr,
ad internicionem cum copiis delentur. Wir haben es hier
natürlich mit einem berichte über die niederlage der Burgunden
zu tun, die ihnen 437 von den Hunnen in vernichtender weise
zugefügt wurde, an der aber Attila nicht beteiligt war. Doch
schon frühe wurde dieser sieg der Hunnen infolge einer mis-
verstandenen notiz des Prosper Aquitanus^) zum j. 435 Attila
zugeschrieben und in seinen kriegszug, der mit der catalau-
nischen schlacht endete, eingefügt. So berichtet schon Paulus
Diac: Attila itaqiie primo impetu, mox ut Gallias ingressus
est, Gundicarium regem Burgundiorum sibi occurrentem pro-
trivitß) Daraus ergibt sich aber, dass weder die Hunnen-
^) Ich gebe in ' — ' nicht eine wörtliche Übersetzung, sondern nur einen
auszug.
'^) MG. Auct. ant. 9, 475. Die ganze Verwirrung wurde von G. Waitz,
Forschungen zur deutschen geschichte 1, 1 if. gelöst.
3) MG. Auct. ant. 2,202; vgl. auch MG. SS. 2, 262. — Die Huunen-
geschichte muss also nicht, wie Karäcsonyi a.a.O. s. 12f. behauptet, diese
520 BLEYER
geschiclite, nocli Aventiu in den bezüglichen berichten sagen-
hafte Überlieferung enthalten müssen, sondern beide kfinnen
(und dies ist in dem gegebenen zusammenhange ganz zweifellos)
lediglich gelehrte entlehnung enthalten, "\^'enn in der ung.
Chronik statt Gundicarius der spätere, bekanntere ßurgunden-
könig Sigismundus (516 — 523), oder bei Aveutin beide, Gun-
dicarius und Sigismundus, Attila gegenübertreten, so ist das
ebenfalls kein sagenhafter zug, sondern eine leicht erklärliche
verirrung, die wahrscheinlich älter als die ung. chronik und
Aventin ist. ') Hat die ung. Überlieferung wirklich etwas von
der Vernichtung der Burgunden durch Attila gewusst (ich
nehme dies entschieden an und werde es unten zu begründen
suchen), so muss ihre erzähluug ganz anders gelautet haben.
Der Verfasser der Hunnengeschichte hat aus ihr jedenfalls
nichts entnommen, was natürlich nicht beweist, dass es eine
solche nicht gegeben hätte. Der chronist verschmähte auch
sonst häufig die volkstümliche tradition, wenn ihm gelehrte,
in seinen äugen unvergleichlich höher stehende quellen zur
Verfügung standen.
•Von Basel rückt Etele gegen die Stadt Argentina, deren
mauern er niederreissen Hess, ut cunctis adeuntihus via lihcra
hahcretur . . . FroiHer quod cadcm ciuitas posiniodu))! Stroshurc
non Arijcntina usque hodie est vocata.^ Diese gelehrte etymo-
logie kommt zwar bei Kezai zuerst vor, ist aber später auch
anderwärts mehrfach belegt.'-) Dass sie aus einer ausländischen
und zwar von einem deutschen Verfasser herrührenden quelle
entnommen sein muss, ist klar.
erzählung- aus der chronik Martins von Troppau MG. SS. 22, 45-1: entnommen
haben. Ueberhaupt ist es Karacsoiiyi, wie sich weiterhin noch ergeben
wird, nicht gehingen nachzuweisen, dass der Verfasser der Hunnengeschichte
die chronik Martins von Troppau (verfasst zwischen 1265— G8) benutzt haben
müsse. Mithin ist ilim auch der nachweis mislungen, dass die Hunnen-
geschichte erst nach 1270 verfasst worden sein könne.
*) Matthaei beruft sich auch auf Ohxh, der Sigismundus bei Basel,
Gundacarius bei Strassburg besiegt werden lässt, und will hier, so scheint
es, eine Variante der ung. sage sehen; das ist selbstverständlich eine falsche
ansieht, da es sich auch hier um eine einfache coml)inatiun oder eine ge-
lehrte entlehnung des belesenen humanisten handelt.
>*) Vgl. Petz a. a. o. s. 58 ; auch W. Hertz , Deutsche sagen im Elsass,
1872, s. 92 und 240.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 521
Amoto mitem, fälirt die clironik fort, de loco illo sno exer-
citu Luxonimn, Bizantimn, CJialon, Masticoniam, Lingonenseni
et Lugäulum Burgundie destriixit civitates.^) Hierauf folgt die
scliilderuiig- der sclilaclit auf den catalaunischen felderii im
j. 451. Sie ist, wie in allen mittelalterlichen g-escliiclitswerken,
aus Jordanes (Getica cap, 36 ff.) entnommen, aber wie aucli
sonst, nicht unmittelbar, sondern in bedeutend abgekürzter
form auf indirectem wege. 'Attila zieht, so erzählt die
Chronik, aduersus Cathalanos und kämpft gegen Aetius a manc
usque nocteni in ccwipo Beluider."^) Im gegensatz zur geschichte
lässt die ung. clironik Attila einen vollkommenen sieg über die
Römer und Westgoten davontragen. Diese abweichung ent-
stand natürlich aus nationaler Voreingenommenheit des ung.
Verfassers für Attila. Der könig der Westgoten heisst in der
ung. Chronik nicht Theodorid oder Theoderich, sondern Älda-
ricus] das Chron. paschale hat, wie schon oben erwähnt, eben-
falls 'AXXaQixog, und so mag der Gotenkönig schon in der
gelehrten quelle, aus der die Hunneugeschichte schöpfte, ge-
heissen haben. Die Schilderung der schlacht enthält bei Jor-
danes entschieden sagenhafte züge; diese sind zum teil auch
in der ung. chronik widerholt 3), es findet sich aber kein ein-
ziger zug, der aus der ung. volkssage entnommen wäre. Die
catalaunische schlacht hat in der ung. Überlieferung, wie ich
schon oben gegen R. Heinzel betont habe, keine einzige spur
hinterlassen.
'Ein teil des hunnischen heeres war noch vor der cata-
launischen schlacht contra Miramammonam Soldanum scüicet
Marroqiiie cum electis ca/pitaneis gezogen. Als der sultan dies
') Die deutung- der nameu s. bei Szabo K., Kezai Simon mester mag-yar
kronikaja s. 25.
^) In den übrigen Chroniken kommen die formen Beivinde, Beuinder,
Beivind, Bewin vor. Karäcsonyi a.a.O. s. 10 deutet den sonst unbekannten
namen, wie es scheint, richtig auf Alvernia (Auvergne), wo nach Gottfried
von Viterbo, MG. SS. 22, 85 f. der grosse kämpf Attilas und des Aetius
stattfand.
') So von dem bache, der von dem blute der gefallenen anschwoll.
Karäcsonyi a. a. o. s. 13 behauptet, auch diese stelle müsse von dem Verfasser
der Hunnengeschichte aus der chronik Martins von Troppau, MG. SS. 22, iöi
herübergenommen worden sein. Doch findet sich dieser zug- fast in sämmt-
lichen Chroniken, so z. b. auch bei Paulus Diac, MG. auct. ant. 2, 202.
52i2 BLEYER
erfulir, de wie Sihilic fugiit ante Ilunos in Maroqniam hrachio
Sibilie transpassato. Diese Hunnen sind in Spanien zurück-
geblieben. Ex liis ctiani Hunis plnrcs fiicraiit in exercitu
capitanci constifnii, qni Hunorum Ihujua 8pani vocahantnr,
ex Quorum nominihus tota Ispania postmoilum est vocata, cum
primo vocati essent Katalauni.' Der ganze bericlit ist um der
gelehrten etymologie \villen {JUspanla aus ung. ispdn), zu der,
so scheint es, Isidorus^) den anlass gegeben hat, nicht ent-
lehnt , sondern gewis erst von dem Verfasser der Hunnen-
geschichte zusammengestellt "worden 2), und zwar auf grund
Gottfrieds von Ylterbo^) und irgend einer anderen riuelle über
die geschichte der span. Araber.*) Zu einer solchen com-
bination ward der ung. chronist gewis durch die Verwechslung
der campi Catalaunici mit der spanischen provinz Catalonia
verleitet.
'Nach der catalaunischen Schlacht zog Etele gegen die
ciuitas Tolosana, wo er cum laude summa empfangen wurde.
Von hier rückte er gegen die ciuitas Remensis, die er durch
feuer vernichtete. Als Etele Frankreich und Flandrien ver-
wüstet hatte, überschritt er den Rhein, gelangte nach Colonia,
wo die Hunnen die heilige Ursula, Britanorum rer/is fdiam%
samt elftausend Jungfrauen niedermetzelten. Äbinde Tur'mylam
intro<jressus in Isnaco curia celchrata super Dacos (1. Banos)
Noruagios Frisones Lituanos et Priitenos exercitum magmmi
destinauit, quihiis deuictis et Immiliatis sihi fecit snhiugari.''
Der bericht über die einnähme von Toulouse, Reims und Köln
kann natürlich nur aus gelehrter quelle stammen, ß) A\'enn
*) Ab Hispano Hispania cognominata est Orig. 14, 127. Ilispanus
ward dann von den Chronisten auf ung. ispän = (ober-) gespan gedeutet.
Vgl. Petz a.a.O. s. 61.
'■') Eine spur von eriunerungen aus der zeit der ung. kriegszüge gegen
den Westen, namentlich gegen Spanien, Avie von Sebcstyeu a.a.O. s. 438 an-
genommen wird, kann ich in der crzählung nicht finden.
ä) Speculum regum cap. 47, MG. SS. 22, 85.
*) Miramammona ist eigentlicli kein personenname, sondern ein titel
der maurischen kaufen = emir al mumcnin; historisch ist, dass Mohammed
Abdallah Annasir sich nach einer furchtbaren niederlage im j. 1212 bei Navas
da Tolosa über die meerenge bei Gibraltar (= hrachium Sibilie) nach Marocko
zurückzog. Vgl. Petz a.a.O. s. 59 f. und Karäcsonyi a.a.o. s. 7 und 11.
*) Im Chron. Vind. Dubn. Pos. Bud. Bructanorum regis filiam.
") Vgl. Sigebertus Gembl., MG. SS. G, 309 f. Gottfried von Viterbo, MG.
DIE GERM. ELEMENTE DER ÜNG. HüNNENSAGE. 523
Matthaei (a.a.O. s, 15) in Attilas Kölner auf enthalt bair. sage
vermutet, so ist das ganz irrig. Mag Attilas lioftag in Thü-
ringen immerhin auf sage beruhen, so ist doch zweifellos, dass
die Hunnenchronik auch diesen bericht nicht aus der uug.
Überlieferung, für die Matthaei auch hier bair. einfluss annimmt,
sondern aus gelehrter quelle entnommen hat, in welche die
erzählung vielleicht aus der deutschen volkssage aufgenommen
worden war. Auf dieselbe (unbekannte) quelle werden direct
oder iudirect auch Aventin (a. a. o. 2, 302), die Thüringische
Chronik (s. W.Grimm, D. heldensage^ s.343 f.) u.a. zurückgehen.')
Von der Unterwerfung der nord. Völker tut Sigebertus Gembl.^)
erwähnung: Attila . . . multarum aquüonarium gentium sihi
subiedarum aiixilio fultus a Pannonia egressus occidentale im-
pernim invadit. Diesen bericht mag die ung. chronik mit den
namen bekannter nord. Völker erweitert und noch hinter die
catalaunische schlacht gesetzt haben; oder was wahrschein-
licher, die chronik fand die ganze erzählung in einer (uns
unbekannten) geschriebenen quelle und nahm ihn einfach
herüber. Aus ung. Überlieferung ist er keinesfalls geschöpft.
An die rückkehr Eteles aus Eisenach knüpft die chronik
die erzählung von der ermordung Budas, über die ich schon
gehandelt habe. 'Nach dem tode Budas verweilte Etele fünf
jähre in Sicambria und stellte von hier nach den vier himmels-
gegenden mit den endpunkten in Köln, Litauen, am Don und
in Jadra (d. i. Zara) Wachposten auf, die von einander in hör-
weite entfernt waren und quorum voce et clamore quid Ethela
ageret, seu quali exercitationi deditus esset, miindi partes quatuor
poiuissent experirV Woher dieser merkwürdige bericht stammt,
ist unbekannt. Sebestyen meint, er sei im wesentlichen aus
der sage entnommen, die hier einen einfluss avarischer über-
SS. 22, 188. Petz a. a. o. s. 61 f. Wenn Karäcsonyi a. a. o. s. 10 behauptet, dass
der bericht über Reims und der heil. Ursula bis Sigebertus einschliesslich
unbekannt sei, so ist das falsch.
*) Vgl. Petz a. a. o. s. 63 f. Ich glaube nicht einmal, dass die beziehungen
des ung. künigshauses zn dem thüringischen hofe die aufnähme dieses be-
richtes veranlasst hätten, wie W.Grimm, Altd. wälder 1, 261, anm. 14 und
Sebestyen a. a. o. s. 438 f. annehmen. Er wäre gewis auch ohne diese be-
ziehungen aufgenommen worden, einfach darum, weil er in der von dem
ung. Chronisten benutzten quelle vorhanden war.
2) MG. SS. 6,309. Vgl. Petz a.a.o. s.64.
524 BLEYER
lieferung-en zeige.') Zugleich verweist er darauf, dass nach
der erzähl uiig der Hunnenchroiiik (Kezai cap. 2, 6) die Huni
siue Jlioigari iisqne ad icmpora ilucis GeicJie ftlii 'Tocsum durch
precones zur heerfahrt aufgeboten worden seien. 2) Es ist ja
möglich, dass derlei iiberlieferungen den Chronisten bewogen
haben, die grenzen des hunnischen weitreiches auf diese weise
zu umschreiben; doch ist die ganze Vermutung so unsicher,
dass daraus für die sage selbst keine Schlüsse gezogen werden
dürfen.
'Nach diesen fünf Jahren zog Etele (unterwegs nimmt er
eine grosse anzahl von Städten ein) gegen Aquileja. Die be-
lagerung blieb lange ohne erfolg, bis die Hunnen, durch die
flucht eines Storches aus der Stadt ermuntert, einen neuen,
heftigen ansturm machten, dem die Stadt endlich zum opfer
fiel.' Die belagerung Aquilejas wird mit derselben sagenhaften
ausschmückung schon von Jordanes (Getica cap. 42) erzählt,
und ist aus diesem, sicher durch Vermittlung anderer Chroniken,
in die ung. Hunuensage aufgenommen worden (vgl. Petz a. a. o.
s. 65). In die erzählung von der erstürmung Aquilejas ist der
bericht über die Langobarden und die gründung Venedigs
eingeflochten, worüber schon im vorigen abschnitte gehandelt
wurde.
'Von Aquileja rückte Etele nach der einnähme mehrerer
Städte gegen Eavenna. Hier residierte ein arianischer bischof,
der dem Hunnenküuige die tore der Stadt öffnete und ihm
versprach, dass er ihn in der Unterwerfung ganz Italiens unter-
stützen werde, wenn Etele sich dem arianismus anschliesse
') A.a.O. s. 450 ff. Er beruft sich auf den berieht des Saugaller
mönches MG. SS. 2, 748, wo es heisst, dass bei den Avaren inter hos igiiiir
aggeres ita viel et villae erant locatae, i/( de aliis ad alios vox hnmana
posset audiri, lind de circulo qitoqtie ad circidum sie erant possessioncs et
hahitacida ujidique uersum ordinata, ut dangor tuhurum intcr singula
posset cuiusqiie significativus adverti.
') So erzählt noch J. Lipsius, De militia Romana, Lib. v, dial. ix (Ant-
werpen 1G02) in der zweiten hiilfte des IG.jh.'s: Petrus Bellonius diligens
uiilisque ohservator momiit, itcviqiic amiciis noster Carohis Clusius, Pan-
nones idem factitarc (wie die Römer), qiii clare et mtituo sibi accimmt:
Szollai), Szollaif virratzto, Szolküj, id est, Vigila, vigila, vigü, vigila. Et
cum sub auroram sc reciphmt, camtnt: ira>/n(d vagijon s:epp{ros, haynal
lutynal-vagyon, hoc est, Erumpit jam elegans riibens (scilicet aurora vt dies)
erumpit jam.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 525
und die übrigen Christen verfolge. Etele willigt ein. Dies
erfährt aber der papst Leo, geht dem Himnenkönig entgegen
und bittet ihn, von seinem entschlusse abzulassen. Etele sieht
über dem haupte des papstes einen mann mit einem Schwerte
drohend schweben, er wird von furcht erfasst und leistet der
bitte der Römer genüge. Nun kehrt er nach Ravenna zurück
und tötet den bischof sammt seinen anhängern.' Die begegnung
Attilas mit dem papste Leo ist historisch und wird auch von
Jordanes (Getica cap. 42) erzählt; der zusatz, dass Attila aus
furcht vor dem mit einem Schwerte drohenden manne zurück-
gewichen sei, ist schon bei Paulus Diac,') vorhanden. Auch
die erzählung von dem bischofe in Ravenna findet sich in einer
zwar abweichenden fassung schon in der geschichte der bischofe
von Ravenna des priesters Agnellus"^), und in die ung. chronik
kann sie nicht anders als aus einer gelehrten quelle aufgenommen
worden sein. Eben deshalb ist die Vermutung Matthaeis (a.a.O.
s. 44), dass irgend welcher Zusammenhang zwischen dieser er-
zählung der ung. chronik und der Rabenschlacht der deutschen
sage vorhanden sei, sammt den Schlüssen, die er daraus zieht,
ganz hinfällig.
'Während Etele sich in Ravenna aufhielt, zog Zoard, der
capitaneus princeps militie regis, mit dem hunnischen beere auf
beute aus und gelangte usqne montem Cassinum, worauf er zu
Etele zurückkehrte.' Schon K. Szabo^) hat wahrscheinlich
gemacht, dass es sich hier eigentlich um eine episode aus den
kriegszügen der Ungarn zur zeit der ung. landnahme gegen
Italien handle. Unter einem anführer namens Salardus ver-
wüstete nämlich ein ung. beer nach dem berichte Ijiutprands
(MG. SS. 3, 303 f.) im j. 924 Ober-Italien, und schon vorher im
j. 922 fielen die Ungarn nach dem Chronicon Monasterii Casi-
nensis (MG. SS. 7, 619) in Apulien ein und raubten im j. 937
das kloster zu Monte Cassino aus. Der bericht stammt also
(wenn Zoard mit Salardus identificiert werden darf, was sehr
plausibel) jedesfalls aus ung. Überlieferung; doch lässt es sich
1) MG. auct. ant. 2,205; er muss also nicht aus Martin von Troppau,
MG. SS. 22, 418 entnommen sein, wie Karäcsonyi a. a. o. s. 13 behauptet.
'') MG. SS. rer. lang. s. 299 ff. De Sancto Joanne 20. Vgl. auch Am.
Thierry, Histoire d' Attila et ses successeurs 2^, 245 fi'. und Petz a. a.o. s. 65 f.
3) A.a.O. s. 34, anm. 2. Vgl. auch Sehestyen a.a.O. s. 390 ff.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. 35
520 RLEYEU
kaum entscheiden, ob er auf volkstiimlicliem wege in die
Hunnensage geriet, oder aber nur durch einen irrtum des Chro-
nisten in die Hunnengeschiclite aufgenommen wurde.
Mit der kurzen erwähnung, dass P^tele im sinne geführt
liabe, Ägypten, Ass^'rien und Afrika zu unterjochen, schliesst
die erzähhmg von den lieerfahrten Eteles. Sie bietet also,
vielleicht mit ausnähme der episode, die von Zoard erzählt,
nichts, was der echten volkstümlichen Überlieferung angehiiren
könnte. Sie beruht durchgängig auf gelehrten entlehnungen,
ohne aber wirkliche geschichte zu enthalten. Daraus folgt aber
nicht, dass die sage selbst von solchen lieerfahrten nichts ge-
wusst hätte. Im gegenteil, es ist höchst wahrscheinlich, dass
Eteles mächtige gestalt auch in der ung. Hunnensage von dem
glänze ruhmreicher schlachten und glänzender heldentaten
umwoben w^ar.
Einen directen beweis liefert uns für diese annähme die
Chronik selbst, indem sie erzählt, dass Etele auf den rat De-
trehs seine heerfahrten gegen den westen unternommen habe.
Diese angäbe gehört unzweifelhaft sammt dem berichte über
die curia soiemnis der echten sage an. Denn auch nur mit
den wirren historischen kenntnissen eines mittelalterlichen
Chronisten betrachtet ist sie in geschichtlicher hinsieht ein
unsinn. Es ist aber klar, dass die in der Hunnengeschichte
erzählten kriegszüge nicht mit denjenigen identisch sein können,
über welche die sage zu berichten wusste. Darüber freilich,
g^g&w wen die heerfahrten in der sage gerichtet waren und
wie sie verliefen, können kaum schüchterne Vermutungen auf-
gestellt W'erden. Um nur eine ahnung in dieser liinsicht zu
erhalten, müssen wir einen blick auf die deutschen Überliefe-
rungen W' ei'fen. Im Waltharilied zieht Attila gegen den Franken-
könig Gibich, den Burgundenkönig Herrich und gegen den
könig Alpliere von Aquitanien. In der piörekssaga kämpft
Attila nach der eroberung Hunalands gegen kCtnig Osantrix
von Vilcinaland und wird darin auch von piörekr unterstützt
(Ungers ausg. cap. 41 ff. 135 ff. 291 ff.). Ebenso leistet ihm
pic'^rekr hilfe in den kämpfen gegen den könig Valdemar von
llolmgarör, den bruder des königs Osantrix (a. a. o. cap. 293 ff.).
Im Biterolf wird von heerfahrten Etzels gegen die könige von
Preussen und Polen erzählt; im Wenezlan kämpft Dietrich
I
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 527
für Etzel ebenfalls geg-en den könig von Polen. ^) Und endlicli
in der Klage (v. 1728 f.) sagt Dietrich von Wolf hart: M^el der
Tiünec here Hat manegen sig von dir genomen, an denen natür-
lich auch Dietrich teilgenommen hatte. Von etwas ähnlichem
oder verwantem muss auch die ung. sage erzählt haben; auch
war Etzels wesen in der ung. tradition gewis historischer,
also tatenkräftiger und heldenhafter geblieben, als in der
piörekssaga und den deutschen dichtungen, und auf grund der
resultate, zu denen wir unten gelangen werden, glaube ich
sogar, dass wenigstens ein teil dessen, was uns die deutsche
sage überliefert, aus ostgot. traditionen, der grundlage der ung.
Überlieferungen, in die deutsche sage übergegangen sein müsse.
An den kriegerischen Unternehmungen muss aber natürlicher-
weise Detreh einen bedeutenden anteil gehabt haben, und durch
diese heerfahrten muss sein zwanzigjähriger aufenthalt am
hofe Eteles einen Inhalt erhalten haben, also das exil der
deutschen sage rühm- und tatenreich ausgefüllt worden sein.
War doch auch das leben der Ostgoten während der regierungs-
zeit Attilas kein ruhiges und müssiges, sondern ein von steten
kämpfen mächtig bewegtes. Wenn Detreh in der erzählung
von Attilas ausländischen kriegszügen nicht ein einziges mal
genannt wird, obgleich sie nach der eigenen angäbe der chronik
auf seinen rat unternommen wurden, so ist das ebenfalls ein
deutlicher beweis, dass die volkstümliche tradition von solchen
heerfahrten wusste, dass sie aber von den gelehrten Chronisten in
der fülle gelehrten, kirchlichen Stoffes ganz verschmäht wurde.
4) Eteles tod; der Untergang seines reiches.
a) Während sich Etele mit neuen kriegsplänen trug, ward
ihm ein mädchen'^), die tochter des regis Bractanorum, namens
^) Vgl. auch über Witzlän künec von Beheiin im Biterolf v. 6536 ff. —
Mögeu die kämpfe gegen die slav. Völker immerhin in den zügen der
deutschen kaiser aus dem sächsischen hause, besonders Ottos IL, Ottos III.
und Heinrichs III., ihre historische grundlage haben (vgl. Jiriczek a.a.O.
s. 172 ff. und Sijmons a. a. o. s. 702), so sind sie im gründe doch sicher nur
Übertragungen älterer Überlieferungen auf neuere ereignisse, wie z. b. auch
in der piörekssaga die Verschiebung des locals aus Ungarn nach Norddeutsch-
land secuudär ist, was freilich R. C. Boer in seinen neuesten Untersuchungen
(s. unten) bestreitet.
2) Kezai cap. 4, 14. Chron. Vind. cap. 10. Chron. Dubn. cap. 18. Chron.
35*
528 BLEYER
31'icolt^), zugeführt. Tn der brautnadit aber, cum i2)scim (d.i.
Micolt) carnaJ/tcr coynouissct, plus ercesserai more solito in
pofando, et usu coitus puelle consnmato, ex eins narihus
supine donnienti sanguis est egressus, qiii locum liberum non
hahcns e.rcunäi, in mc.ainm gutturis introiuif, uhi coagnlando
prepicdiens anhelitum, metuni orhis suffocauit. Micolt nero de
somno excitata, dum suuni dominum crcbris motibus cxcitasset,
nee se motiere potuisset, corpus cernens frigidatum et priuatum
calore naturali, eiulando cubicularios regios ad se euocans,
suum dominum exclamauit introisse uniuerse viam carnis. Qui
quidcm tcrribilitcr cxclamantes ad palatii hostia uniuersos vigiles
fccerunt cursitare.'^) Sepelierunt cum in loco superius memorato,
cum Wela KaducJia et aliis capitaneis.
Der bericht über Eteles letzte liebe und seinen tod stammt
natürlich aus Jordanes (Getica cap. 49), ■\vahrsclieinlicli nicht
direct, sondern durch eine jüngere chronik vermittelt, und hat
mit der ung. sage zweifellos nichts zu schaffen. Die darstellung
der Hunnenchronik weicht von der des Jordanes nur unbedeu-
tend ab. Vor allem ist sie stark gekürzt, wie das ja in unserer
chronik mündlicher sage, wie schriftlicher quelle gegenüber
fast immer der fall ist. Bei Jordanes heisst das mädchen
Ildico, und die form Micolt in den ung. Chroniken ist hiichst
wahrscheinlich durch einen paläograpliischeu oder vielmehr
durch einen Schreibfehler aus Ildico-Hildico entstanden 3), wie
z. b. aus Ilaliurunae in Kezais prolog der name Baltrame.
Sprachgeschichtlich konnte sich im ungarischen aus Ildico
niemals ein Micolt entwickeln, und die Vermutung, dass die
form Micolt etwas 'orientalisches'^) an sich habe, ist aus der
Pos. cap. 19. Chrou. Eud. s. 28 f. H. v. Mügelus C'hroii. d. H. cap. 9. Turoczi
cap. 22. Oldh cap. 16, 4.
') Chr. Vind. Dubn. und Bud. j'diam regis Bractanorum Micolch\ Chr.
Pos. filiam regis Baractanorum nomine Micoloth; H. v. Mügelu des kuniges
iochter hritanorum, die hiess michcdoch; Turüczi uud Oh'ih Bactrianormn
regis gnatam, cid nomen Mi/colth fuit.
*) Turüczi fügt noch hinzu: Bex, qui mxütarum fudit sanguincin gen-
tium, ipse proprio sanguine suffocatus est (fast wörtlich wie Otto von Frei-
singen, Chron. 4, 28^; auch den träum des kaiscrs Marcian von dem zer-
brochenen bogen Attilas erwälmt Turöczi hier. So auch Ohlh.
*) So erklärt Micolt schon Fr. Riedl a. a. o. s. 33G.
*> So W. Grimm, Altdeutsche wälder 1, 262. Matthaei a. a. o. s. 21.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNEEN8AGE. 529
liift gegriffen. 3IicoU ist sonst ganz unbekannt'), und dass
dieser name auch zur zeit der Chronisten unbekannt war, be-
weist die verschiedenartige Schreibung, aus der sich nicht nur
orthographische, sondern auch phonetische ab weichungen er-
geben, die lautgeschichtlich nicht begründet sind. Jordanes
erwähnt nicht, Avas für einem volke Ildico angehört habe; der
name selbst aber macht es höchst wahrscheinlich, dass sie ein
germ. mädchen gewesen. Die ung. Chroniken nennen sie eine
filia regis Bradanomm. Matthaei sieht hier anlehnung an
einen Alexanderroman, da auch für Alexander 'seine Vermäh-
lung mit der baktrischen Roxane verhängnisvoll wird '.2) Dies
ist zwar möglich (natürlich wäre es dann eine gelehrte ent-
lehnung), aber 'ausser Zweifel' steht es nicht. Auch ung.
gelehrte, so namentlich bereits Turöczi und Oläh, dachten an
die Badriani, die nach Isidorus Scythen waren (Orig. 9, 243;
vgl. Petz a.a.O. s. 67); doch betonte K.Szabo (a.a.O. s.35, anm. 7)
mit recht G-. Pray gegenüber, dass der name Bradani in den
älteren Chroniken bis Turöczi stets Bradani und nicht Bac-
triani geschrieben wird und in den ung. Chroniken auch sonst
belegt ist. So wird die heilige Ursula von Köln zwar von
Kezai und Heinrich von Mügeln eine filia regis Britanorum,
aber von den übrigen Chronisten eine ßia regis Bradanorum
genannt; ausserdem berichtet Kezai (cap. 4, 16) und das Chron.
Vind. (cap. 10), dass nach dem abzuge der Hunnen Zuataplug
. . . princcps . . . in Polonia . . . Brada suhiugando Bidgaris
Blessianisque imperahat Freilich sind wir auch dadurch nicht
gefördert, da Brada ebenfalls ganz unbekannt ist.^) Wie
aber weder die abstammung der heil. Ursula, noch die erobe-
1) L. Dezsi meint, der abschreiber habe vielleicht an die gattin Davids
gedacht, deren name in der Vulgata Michol geschrieben wird.
^) A. a. 0. s. 19 i¥. Matthaei sieht auch darin anlehnung an einen
Alexanderroman, dass Etele, wie Alexander ' inmitten ausschweifender plane
zur vüllendiing seiner eroberungen' stirbt. Dies muss aber gewis nicht ein
aus einem Alexauderromau entlehnter zug sein, denn wie hätte Attila in
geschichte und sage, im manuesalter so plötzlich dahingerafft, anders sterben
können oder sollen?
3) Podhradczkj-, Chron. Budense s. 29 weist eine illyrische insel Bractia
bei Plinius, Hist. nat. lib. 3 nach und fügt hinzu: Atüa ergo Micolcham
. . . VI Italiam profcctiis, aut inäc reäux, sihi desponsare poterat. Doch
entbehrt auch dieser hiuweis einer auch nur halbAvegs sicheren grundlage.
530 HLEYEK
ning Bractas durdi Zuataiiliif^ für die ung. Huniieiisage eine
bedeutung haben, so ist aucli die bezeiclnmng MicoJt, filia rcyis
ßradanornm^) ohne Wichtigkeit, da sie keinesfalls aus volks-
tümlicher Überlieferung stammt.
Eine andere, ebenfalls belanglose ab weichung finden wir
in dem gebahren Micolt-Ildicos nach dem tode Attilas: bei
Jordanes harrt sie ruhig mit niedergeschlagener miene und
verhülltem haupte weinend des anbrechenden tages; in der
ung. clironik aber bricht sie, nachdem sie Eteles tod bemerkt
hatte, sofort in Jammergeschrei aus. Es ist aber zweifellos, dass
diese abweichung nichts als eine mehr nüchterne und alltäg-
liche fassung der heroischen Schilderung bei Jordanes ist. und
irgend welche Schlüsse, wie es Matthaei^) tut, dürfen daraus
nicht gezogen werden. Nur der ort der best att ung könnte
der echten sage angehören: es ist die grabstätte bei Cuiceazoa,
wo die in den kämpfen um Pannonien gefallenen Hunnen-
fürsten beigesetzt worden waren. Doch ist es auch möglich,
dass es sich hier um eine blosse combination des Chronisten
handelt, die gewis sehr nahe lag. Am wichtigsten ist die Über-
einstimmung mit Jordanes in dem berichte, dass Etele in der
brautnacht eines natürlichen todes gestorben und nicht von
seiner letzten gemahlin ermordet worden sei. Hier weicht
jede sage von der darstellung des Jordanes ab, und auch die
erzählung der ung. chronik würde ohne zweifei abAveichen,
wenn sie wirklich der sage entnommen wäre.'')
Sebestyen will (a. a. o. s. 458 IT.) auch hier zwar nicht eine
sage, aber doch spuren volkstümlicher Überlieferung finden.
Von solchen zeugen seiner ansieht nach die namen MicoU und
Bnictani; auch müsse die todesart Eteles in der ung. sage
mit der erzählung des Jordanes übereingestimmt haben, und
sei nicht erst von dem Chronisten mit dem berichte des Jor-
*) Heinrich v. Mügeln hat auch hier des kuniges tuchter britanorum.
*) A.a.O. s. 19f. Zugleich will ich Matthaei gegenüber bemerken, dass
das mädcheu die schmeichelform Ildico gewis uiclit erst bei den Hunnen
muss erhalten haben, sondern mit derselben schon im eiternhause kann be-
nannt worden sein.
') Von einem teile der Chroniken wird auch der träum Marcians er-
wähnt; selbstverstäittllich ist auch dies eine gelehrte entlehnung, die auf
Jordanes zurückgeht. Kezai erwähnt den träum nicht.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 531
daues in einklang- gebracht worden. Ich glaube, nach dem
gesagten, und was ich noch auszuführen gedenke, darf ich eine
directe Widerlegung der Vermutungen Sebestyens unterlassen.
Geradezu echte sage sieht aber in dieser erzählung der
Hunnengeschichte ^Matthaei (a.a.O. s. 18 ff.), natürlich eine sage
bairischen Ursprungs. Er beruft sich auf Aventin, der erzählt*):
Dum cum nova nupta Hyldegunda, filia Herrici reguli Fran-
cornni, sese ohledat, subito invitam exlialavit animam. cantatur
cqmd nos antiquis carminihns, Sycambriae, quam nos Ophen,
XJgri jBudam vocare solent, Attilam hahitasse et opetiisse. Müllen-
hoff bemerkt (Zs. fda. 12, 432) zu dieser stelle Aventins: 'Hier
wird zuerst die Ildico des Jordanes mit der Hildegunde des
Waltharius, den Aventin aus einer Regensburger hs. kannte,
zusammengeworfen.' Müllenhoff hat gewis recht: der belesene
Aventin schöpfte auch hier aus mehreren quellen und com-
binierte sage und geschichte bewusst und vielleicht auch un-
bewusst. Wahischeinlich ist, dass er den bericlit über Attilas
tod, aber nicht auch den über seine Vermählung mit Hilde-
gunde, aus den ung. Chroniken entnommen hat; jedenfalls
schöpfte er ihn nicht aus volkstümlicher Überlieferung, obwol
er trotzdem behauptet: cantatur apud nos antiquis carminihns.
Auch daran kann nicht gezweifelt werden, dass die Kaiser-
chronik (v. 13856 f.), Otto von Freisingen (Chron. 4, 28) und
Heinrich von Mügeln (vgl. Zs. fda. 12, 316), die von Matthaei
ebenfalls herangezogen werden, sich ihre kenntnis vom tode
Attilas nicht aus der sage, sondern aus Jordanes oder anderen
geschichtswerken erworben haben. Ihren bericlit schmückten
sie dann (darin folgt ihnen auch Turuczi) mit einem mönchi-
schen urteile vom blutvergiesser aus, der im eigenen blute
ertrunken sei. Von einem tode, wie er in der ung. chronik
und in allen gelehrten geschichtswerken erzählt wird, weiss
die Klage (v. 4323 ff.) nichts, die doch alle möglichkeiten auf-
zählt, an die sie denken konnte.
. 'Die ung. tradition (sagt Matthaei a.a.O. s. 21) zeigt ihre
verwantschaft mit der bair. Hildegundensage auch darin, dass
in beiden Kriemhild neben dieser nova nupta, mit der sie
1) A.a.O. 2,306; in der Chronik a.a.O. 4,2,1143 heisst es: do er mit
derselben hochzeit, freud xind wunn het, zue nacht sich übersaufen het, fand
man in zue morgen toten im ^et.
532 DLEYER
eigentlich identisch ist, als eigentliche gattin Attilas galt', wie
denn Aventin tatsächlich einige Seiten vorher (a. a. o. 2, 302 und
4, 2, 1137 f.) von einer Vermählung Attilas mit Grymilda. der
tochter des königs Günther von Thüringen, berichtet. P^s wird
allgemein und gewis mit recht angenommen, dass die Bur-
gundensage zum teil durch die identiflcieruny lldicos und Kriem-
hilds mit der sage oder dem gerüchte von Attilas tod verknüpft
worden sei. ') Ist dem aber so, so können bei Aventin Hjide-
gunda und Grymilda, in den ung. Chroniken Micolt und Krem-
held nur infolge einer Verwirrung nebeneinander als zwei
verschiedene personen auftreten. Da nun aber Kremheld
zweifellos aus der echten ung. Überlieferung stammt, kann
Micolt nur eine gelehrte entlehnung sein, wie dies schon oben
aus ihrem verschriebenen namen selbst deutlich hervorgieng.
War einmal Ildico mit der burgundischen Kriemhild identiti-
ciert, so niusste die erinnerung an das mädchen, von dem die
geschichte meldet, notwendigerweise verloren gehen. Die Über-
einstimmung also z\vischen Aventin und der ung. Hunnenchronik
beruht nicht etwa auf einer Übereinstimmung der volkstümlichen
tradition in Baiern und Ungarn, sondern auf einem gemein-
samen misverständnis der Verfasser.
Da die darstellung der ung. Hunnengeschichte in bezug auf
Eteles tod nicht als echte Überlieferung betrachtet werden darf,
drängt sich die frage auf, ob denn die ung. sage überhaupt
nichts wusste von der art und weise und den näheren umständen
des todes Eteles. Einen directen beweis bietet uns die chronik
weder für eine bejahende, noch verneinende antwort; wir sind
auch hier auf blosse folgerungen angeAviesen. Ich glaube, in
der pannonisch-ung. Überlieferung kann die erinnerung an
Attilas tod nicht verloren gegangen sein. Attila steht im
mittelpunkte der ung. sage, und sein tod fand unter solch
eigentümlichen umständen statt, dass das erlöschen einer
solchen erinnerung ganz unerklärlich wäre. Die annähme.
') Diese auuahme wh-d neuestens von R. 0. Boer, Zs. fdph. 37, 485 und
38,42 wenn auch nicht bestritten, so doch als nberfiüssig erklärt. Ich
glaube, mit unrecht, denn wenn irgend etwas, musste der geheimnisvolle
tod Attilas, von der band eines germ. mädcheus, auf die germ. heldeu-
sage einwirken. Von Boer wird überhaupt, so meine ich, das historische
viel zu wenig berücksichtigt.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 533
dass die ung. sage auch vom tode Eteles zu erzählen wusste,
wird auch durch andere erwägungen wahrscheinlich gemacht.
Der abschliessende teil der Hunnengeschichte, der aus echter
sage geschöpft ist, meldet von dem untergange des Hunnen-
reiches unter den söhnen Eteles. Die eigentliche, wenn auch
nicht unmittelbare Ursache des Unterganges war, wie in der
geschichte so auch in der ung. sage, der tod Attilas; seine
sühne waren untereinander uneinig geworden und viel zu
schwach, um den verfall des riesenhaften, aus den verschieden-
sten elementen zusammengeschweissten reiches verhüten zu
können. Die unterjochten Völker, in erster reihe die Ostgoten
und Gepiden, verdankten ihre freiheit dem plötzlichen hin-
scheiden Attilas. Eine neue epoche begann hiermit in ihrem
geschichtlichen leben, und wäre es nun denkbar, dass die
Goten, vornehmlich diejenigen, die in Pannonien zurück-
geblieben sein müssen, den tod Attilas frühzeitig vergessen
hätten? Er bildete einen Wendepunkt in ihrer geschichte und
musste auch der bedeutendste und festeste punkt in ihrer sage
bleiben. Ich glaube also, wenn überhaupt noch eine sage von
den Hunnen in Pannonien lebendig war, als es von den Ungarn
erobert wurde, musste auch noch eine tradition von dem tode
Attilas vorhanden sein; und wenn viel unbedeutendere teile der
sage von den Ungarn herübergenommen wurden, so konnte auch
die Überlieferung von Attilas tod nicht ausser acht gelassen
werden. Ward diese Überlieferung aber von den Ungarn herüber-
genommen, so konnte sie von ihnen, die Etele als nationalheros
feierten und sein reiches erbe, das seine söhne niclit zu erhalten
vermochten, als seine und seines Volkes nachkommen angetreten
hatten, unmöglich vergessen werden. Die Vermutung also, dass
die pannonische tradition von dem tode Eteles wusste, und
dass an dieser tradition auch in der ung. sage festgehalten
wurde, ist wol begründet und trägt alle merkmale der Wahr-
scheinlichkeit an sich.
Wie war nun die Überlieferung geartet, die von dem tode
Eteles berichtet? Jordanes weiss noch nichts davon, dass
Attila von Hdico in der brautnacht getötet worden wäre. Es
ist aber bekannt, dass sich alsbald das gerücht verbreitete,
Attila habe durch die band des mädchens sein leben verloren,
und zwar sei dies, so lautet die Überlieferung später, eine tat
534 BLEYElt
der rtu'lie geAvesenJ) An diese auffassung^, die doch hüchst-
walirsclieinlich auch in Pannonien verbreitet war. knüpft nun
die nord. und in weiterer entwickhing die deutsdie sage an.
Aus der deutsdien und vor allem der nord. Überlieferung
müssen wir eine antwort auf die gestellte frage zu geben
suchen.
In der Edda, avo die sage von Atli bekanntlich schon mit
der Nibelungensage verbunden ist, weissagt an einer stelle-)
Bryiihildr, Atli werde nach dem tode seiner söhne von Guöri'in
mit einem scharfen eisen in seinem bette getötet werden. An
einer andern stelle») heisst es, Guöriin habe die söhne Atlis
ermordet, ihr fleisch Atli zum mahle vorgesetzt und ihn dann
selbst, als er trunken zu bette gegangen sei, getötet. Und
an einer dritten^) stelle wird berichtet, dass Atli im schlafe
von Guörün ermordet Avordeu sei und zwar mit beihilfe Hni-
flungs, des sohnes Hoguis. Guörün-Kriemhild handelt hier aus
räche für den tod ihrer brüder, der durch Atli herbeigeführt
worden Avar. Im übrigen steht aber die erzählung der Edda
auch in nebensächlichen eiuzelheiten der des Jordanes so nahe
(Atli ist trunken, sein tod erfolgt im bette schlafend), dass
wol an der historischen grundlage der nord. sage nicht ge-
zweifelt werden kann. In der piörekssaga wird Attila zwar
nicht von Grinihildr getötet, die schon vorher in dem kämpfe
der Nibelungen und Hunnen durch piöreks band gefallen war^);
immerhin aber ist eine gewisse Übereinstimmung mit der Edda
vorhanden, denn auch hier verliert Attila sein leben durch den
söhn Hognis (Ungers ausg. cap. 393 und 423), der, wie auch
Grimhilds söhn von Attila (Ungers ausg. cap. 379), Aldrian
heisst. Die Klage weiss nichts sicheres mehr über den tod
Etzels zu berichten, und das Nibelungenlied, avo Krienihild von
Hildebrand in dem kämpfe der Hunnen und Burgunden er-
*) Die belege s. bei W.Grimm, D. heldeusage^ s. 9f.
^) SiguröarkviÖa eu skamma, Hildebraud-Geriugs ausg. str.59. Vgl. auch
Guörünarkviöa 2, str. 38 ff. uud A'olsuugasaga cap. 33.
3) Atlakvii'ia a.a.O. str. 3(1 ft. ' "
"J Atlamni a.a.O. str. 83 ff. und A'ulsungasaga cap. 88.
'■') Es geschah mit Attilas einwilliguug, denn wie piörekr sagt: slict
scnnu villdi hon homa per i hei oc mer. ef put mette hun. Ungers ausg.
cap. 392.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSÄGE. 535
schlagen wird, erwähnt das ende Etzels gar nicht mehr. Es
ist unmöglich, hier nicht eine conseqnente entwicklung der
tradition, die mit der weiteren Umgestaltung der ganzen sage
organisch zusammenhängt, zu bemerken: in der Edda wird
der schuldige Atli von Guörün-Kriemhild aus räche getötet,
und zwar von dem söhne Hogni-Hagens unterstützt; in der
piörekssaga überlebt der schuldlose Attila, infolge einer secun-
dären Verschiebung, die schuldbeladene Grimhildr, aber auch
er muss durch Hognis söhn eines gewaltsamen todes sterben.
Durch diese entwicklung musste das Interesse an Etzels tod,
der für die handlung der sage keine bedeutung mehr hatte,
allmählich ganz verschwinden, wie er denn auch in der deutschen
tradition völlig vergessen wurde.
Wenn die Vermutung begründet ist, dass die ung. Über-
lieferung von dem tod Eteles gewusst habe, so ist an der band
der nord. und deutschen sage nicht schwer festzustellen, wie
und unter was für umständen er notwendigerweise erfolgt sein
müsse. Denn wie das schlusscapitel der Hunnengeschichte,
wie wir noch sehen werden, entschieden beweist, war die ung.
Hunnensage mit der Burgundensage verknüpft worden: aus ihr
stammt Kremheld, Eteles germanische gattin. Sie überlebt
Etele und nimmt an dem grossen kämpfe der C4ermanen und
Hunnen teil, der das verderben der söhne Eteles herbeiführt. Hir
söhn von Etele heisst Aladär, der, da er mütterlicher Seite ger-
manischer abstammung ist, sich mit den unterjochten Germanen
verbündet und einen zweiten söhn Eteles, der an der spitze
der Hunnen steht, in einer nach Kremheld benannten Schlacht
besiegt und aus Pannonien nach dem osten vertreibt. Ueber
diese Schlacht und die sühne Eteles werde ich unten ausführ-
lich handeln und den nachweis unternehmen, dass Aladär mit
Aldrian und beide mit dem Gepidenfürsten Ardarich identisch
waren. Wir erhalten also einen typus: Kremheld und Aladär-
Aldrian führen nach Eteles tode den Untergang der Hunnen
herbei, — ein typus, dessen verwantschaft mit der fassung in
der Edda auffallen muss, namentlich wenn wir in Atli nicht
nur den individuellen Attila, sondern zugleich auch den
repräsentanten der Hunnen, was er doch ist, vor äugen halten.
Nach einer Verknüpfung der Nibelungensage mit der sage von
den Hunnen kann entweder Kriemhild Attila, oder aber Attila
5SG IJLEYEK
Krienihild überlebt liabeii. ^^"ar letzteres der fall, so "war
Attilas tod entweder ein gewaltsamer (wie in der Ini^rekssaga),
oder aber er ward vergessen (so in den deutschen dichtiingen).
Ueberlebt aber Kriemliild Attila, so muss der tod Attilas un-
bedingt durch Kriemhild verursacht worden sein; dies folgt
nicht nur daraus, dass uns dieser typus in der Edda tatsäch-
lich bewahrt ist. sondern auch a priori notwendigerweise aus
dem ganzen geiste der sage auf dieser entwicklungsstufe.
Wenn also die ung. Überlieferung noch etwas näheres von
Eteles tod Avusste (und dies kann doch kaum bezweifelt
werden), so kann ihre erzählung nur gelautet haben: Krem-
held tötet aus räche den trunkenen Etele im schlafe, nach
seinem tode weiht sie, immer noch von räche getrieben, mit
liilfe ihres sohnes Ardarich-Aladär und der übrigen Germanen-
fürsten auch sein hunnisches reich und seinen zweiten söhn
dem verderben. Ob nun Kremheld in der ung. sage, als sie
Etele vermählt worden war, ein mädchen oder witwe ge-
wesen, lässt sich kaum entscheiden. Ersteres ist gewis wahr-
scheinlicher, i) Jedesfalls aber führte sie den mord nicht in
der brautnacht aus, sondern einige jähre später, wie in jeder
anderen fassung der sage, als ihr söhn von Etele zu einem
brauchbaren Werkzeuge herangewachsen war; oder aber es
muss die zweite hälfte ihres rachewerkes, die Vernichtung des
Hunnenreiches, auf einige jähre nach dem tode Eteles auf-
geschoben worden sein.
Das von dem tode Eteles gesagte wird, so meine ich, durch
die folgenden ausführungen noch bekräftigt werden. Es bleibt
uns auch hier nur noch übrig, die frage zu beantworten, warum
die Chronisten ihren bericht über Attilas tod aus gelehrten
quellen schöpften, wo ihnen doch die heimische sage zur Ver-
fügung stand? Wir hatten schon einige male gelegenheit.
^) Freilich wenn der uanie Grhnhild (wie allgemeiu angenommen wird,
vgl. Sijmons a.a.O. s. 657 und 6C!Ü und G. Mattliaei, Beitr. z. gesch. d. Sieg-
friedssage, progr. d. gj'mu. zu Gr.-Lichterfelde, 1905, s. 16) schon eine Ver-
bindung mit der mytliischen Mbelungensage bedeutet, so kann Kronheld
auch in der ung. sage nur eine witwe Sigfrids gewesen sein. Ich halte
aber dieser auffassung gegenüber die wol begründete ansieht von Ph. We-
gener, Zur sage von den Nibelungen, Greifswalder progr. l'J(X), 1901, dass
Kriemhild der historischen Burgundeusage angehöre, für wahrscheinlicher.
DIE OERM. ELEMENTE DER ÜNG. HUNNENSAGE, 537
walirzunelimen , dass der Verfasser der Hunnengescliichte sich
nur da auf die sage stützt, wo er dazu gezwungen ist; sonst
bevorzugt er stets die gelehrten quellen, wie dies ja bei einem
geschichtsschreiber natürlich ist. Die erzählung von der besitz-
ergreifung Pannoniens durch die Hunnen nalim die Hunnen-
chronik nur deshalb aus der volkstümlichen tradition herüber,
weil sie darüber in gelehrten geschichtswerken nichts finden
konnten, durch die nationale auffassung aber, Pannonien sei
schon einmal von den vorfahren der Ungarn erobert worden,
gezwungen war, über die eroberung Pannoniens einen bericht
zu bringen. Den bericht über die ermordung Budas, der der
geschichte gegenüber nicht so sehr abgeändert, als sagenhaft
erweitert ist, entnahm der chronist gewis nur deshalb aus der
lebendigen volkssage, weil diese durch eine ansprechende ety-
mologie, wie sie dem geschmacke der mittelalterlichen gelehrten
so sehr entsprach, eine erklärung der namen Biida und El^el-
hiirg bot. Die erzählung von dem aufenthalte Detrehs am
hofe Eteles und seinem einflusse auf letzteren konnte deshalb
nicht unterdrückt werden, da sonst das eingreifen Detrehs in
die geschicke des Hunnenreiches nach dem tode Eteles, wie
wir sehen werden, ganz unbegründet wäre. Ueber die heer-
fahrten Eteles gegen den westen fand der chronist in aus-
ländischen schriftlichen quellen überreiches material, er war
also auf die volkssage nicht angewiesen und verschmähte ihre
erzählung. Den bericht aber über den verfall des Hunnen-
reiches, zu dessen erörterung wir uns gleich wenden werden,
musste der Verfasser der ung. Hunnengeschichte unter allen
umständen der mündlichen Überlieferung entnehmen, da nur
auf diese weise eine erklärung der verwantschaft zwischen
Hunnen und Ungarn, also eine rechtfertigung der ung. land-
nahme gegeben werden konnte, ohne welche eine ung. chronik
in den äugen der öffentlichen meinung lückenhaft sein musste.
Zur herübernahme des berichtes aber über Eteles tod aus der
volkssage zwang den Chronisten weder ein nationaler gesichts-
punkt, noch mangelhaftigkeit der ausländischen gelehrten
literatur. Diese beiden umstände werden den Verfasser der
Hunnengeschichte veranlasst haben, von der volkstümlichen
tradition über den tod Eteles abzusehen und sich an eine
gelehrte quelle von autorität anzulehnen.
538 RLEYER
b) Den für die sage wichtig-sten teil der Hunnengeschiclite
bildet das sclilusscapitel'), in •welchem der verhäugiiisvolle
streit zwischen den sühnen Eteles und der Untergang des
Hunnenreiches dargestellt wird:
Diuulgato ergo eins (d. i. Ethelae) obitu obstiipuit orbis terre, et
utnnn plangerent inimici eins, vel gaiiderent besitabant; raultitiidinem
filiorum forinidantes, qui qnasi popuhis vix poteraut inimerari. rmira
etenini ex tiliis post ipsiiin credebant regnatnriiin. Sod Ditrici astutia
Veronensis ac priuciimm Allamaunie, qiiibus rex Etbela in collo residebat
imperando, in partes diuersas Hunorum comunitas est diuisa, ita quidem
ut quidani Cbabam''') regis Etbele filium ex Greconim iniperatoris filia seu
Honorii geuituni, alii Aladaiium •'') ex Creniildi*) Germanie principissa pro-
creatum prcficere in regem post Etbelam nitebantur. Quia vero pars sanior
Cbabe adberebat, extera autem natio^) Aladario, eapropter utrique incepe-
runt imperare. Tuuc Ditrici*^) astutia, qui fauebat Aladario'), prelium
inter anibos suscitatur.*') lu primo ergo prelio Aladarius snperatur; in
*) Kezai cap. 4, 15. 16. Mit einigen abweichungen, vorzüglicb in der
reibenfolge des erzäblten, von denen ich die für uns wicbtigen anführen
werde, im Chron. Yind. cap. 10. Chron. Dubn. cap. 18 — 20. Chron. Pos. cap.
20—23. Chron. Bud. s. 29-33. H. v. Mügelns Chr. d. H. cap. 10. Turoczi cap.
23—24. Oläh cap. 17—18.
*) Bei H. V. Mügeln infolge falscher lesung Kala.
^) Bei H. V. Mügeln Ahlrhts und Alahrius.
*) Chron. Vind. domina Criuuhehlina ; Chron. Dubn. und Bud. domi'na
Crimiheldina; Chron. Pos. domina Curhinid/na; H. v. Mügeln fnaren Kri-
miltcn . . . , die ein tochter icaz des Icuniyes von hurcjundia ; Turöczi de
illustri prosapia Germaniae ducum orta, Domina Kremheyich:, Oläh (dter
Chaha, ex Herriche, Honorii Graecorum Iviperatoris filia: alter Aladarius,
ex matre Kreinheiltz, filia Ducis Bauariae, yeniti.
^) In einigen Chroniken extera natio cum paucis lliuiis. Turöczi fügt
noch hinzu Detricus vero, et caeteri Germaniae principes, erya llunos recto
non erant cordc.
<*) Oläh Detricus, rpd neptcm Atilae ex sorore, vxorem duxisse dicitur.
') In einigen Chroniken (jui (d. i. Detricus) iUo tempore Sicambrie Ala-
dario adherehat. Turoczi Erant tunc Sicamhriae, principes Germaniae
vndti, oh inetum illius, coacta seruitute alliyati, inter quos Detricus de
Verona, excellcntiam hahehat non idtimam.
^) In den übrigen clirouiken In istis itaque preliis scnq^er Chaha et
Hunt rictoriam hahuentnt. l'ostmodum vero Detricus de Verona per tradi-
inentum (traditamentum, proditamentum) Chaham fecit supcrari. Deuicerat
enim jjrimitus Chaha fratrcm suum, scd tandem in ultimo est dcuictus, ttt
vix XV milia ex parte Chahe rcmanerent, aliis Hunis et fUiis Atyle totaliter
deletis et occisis. Mortuo itacpie Atila tarn filii sui, cpiam Huni inter se
sunt necati. Deuictus itaque Chaha et yermani sui, fdii Aide reyis, qui ei
DIE GERM. ELEMENTE DER ÜNG. HUNNENSAGE, 539
secuudo antem quod Sicambrie per XV dies contiui\o committitur, exercitus
Chabe sie deuincitur^) et prostratur, quod perpauci filii Ethele Himique
remanereut. Istud eniin est prelium, quod Hnni prelium Crumhelt^) usque
adbuc nominantes vocauerunt. In quo quidem prelio tantus sauguis Ger-
manicus est effusus, quod si Teutonici ob dedecus non celarent, et vellent
pure reserare, per plures dies in Danubio aqua bibi non poterat, nee per
homines, nee per pecus, quoniam de Sicambria usque urbem Poteutie san-
g'uine inundauit.
Dass hier echte sage reicher und vollkommener fliesst, als
in den übrigen partien der Hunnengeschichte, muss auf den
ersten blick auffallen. Die Überlieferung ist aber auch klarer
und ungetrübter, die gelehrsamkeit des Chronisten tritt seltener
und weniger störend hervor, als auch in dem capitel von der
eroberung Pannoniens. Freilich bietet die Hunnenchronik
auch hier nur eine skizze, allerdings eine skizze, die ein ge-
mälde grossen stils ahnen lässt. Der Chronist wäre aber nicht
ein gelehrter des mittelalters gewesen, wenn er nicht auch
hier in die reine sage einiges gelehrte beiwerk hätte unter-
laufen lassen, wie er anderwärts der reinen geschichte fabel-
und legendenhafte elemente beimischt.
Gelehrten Ursprungs ist entschieden die auffassung von
einer polygamie Eteles. Diese wird zwar in der Hunnen-
geschichte nicht ausdrücklich erwähnt, geht aber aus der
ganzen darstellung deutlich hervor. Micolt-Ildico wird aller-
dings nicht als gattin Eteles bezeichnet (sie wird ihm ad
amandum zugeführt), aber Kremheld und die tochter des
griech. kaisers werden in solcher weise nebeneinander genannt,
als ob sie zu gleicher zeit Eteles gattinnen gewesen wären.
Ausdrücklich spricht aber für eine solche auffassung die be-
merkung, Etele habe so viele söhne gehabt, dass sie quasi
populus vix poterant nwnerari. Auch sonst erwähnt die chronik
söhne Eteles, die im kämpfe gefallen seien oder denselben über-
lebt hätten, und brüder Chabas (lies Csaha = Caba), die mit
assisterant ex aduerso, numero sexaginta, cum quinclecim milibus Hiinorum
ad Honorium auunculuni suum fugisse perJiihentur.
*) Olah Aladaricus in praelio cecidit. Victor primum Chaha.
*) Chron. Yind. quod Iluni Crnmheld prelium vocant usque in diem
istum; Chrou. Dubn. und Bud. prelium Crimiheld; Chron. Pos. Crimheled
prelium; H-Y-Mügeln fraiven Krimhilden streyt; diese bezeichnung- fehlt bei
Turoczi und Oläh.
540 BT.EYER
diesem nach dem osten geflohen seien; nanicn werden aber
nicht genannt. Es ist eine dentliclie Übereinstimmung mit
Jordanes (Getica cap. 49), der sagt, dass die anzahl der söhne
Attilas per licenfiam HhicJinis pene poimlus fuit, und erwälint,
dass Attila Ildico j^osf innumerahiles uxores, ut mos erat gentis
Ulms, zur gattin genommen habe. Die ung. Überlieferung, wie
sie im volksmunde lebte, wusste sicher nichts von einer anzalil
von kindern und auch nichts von einer polygamie Eteles. War
auch eine solche Vorstellung, weil historisch, in der ältesten
ostgot. Überlieferung vorhanden, so war sie, wie die deutsche
und nord. tradition beweist, zweifellos früh verschwunden; und
als die sage von den Ungarn herübergenommen w^urde, so
konnte diese auffassung, da sie ihrer eigenen sitte fremd war,
von ihnen auch nicht hineingetragen werden, wie denn auch
Chaba in der specifisch ung. Weiterbildung der sage nur eine
gattin aus dem korosminischen stamme hat. In der deutschen
Überlieferung heisst Eteles erste gattin Helche, nach deren
tode er sich mit der burgundischeu königstochter Kriemhild
vermählt. Von einer polygamie Atlis weiss oder vielmehr
will auch die Edda nichts wissen; sie macht eben aus diesem
gründe Herkja zu einer magd Atlis, die vorher seine bei-
schläferin gewesen sei. Lebte Attila in der sage nicht in
polygamie, so konnte ihm auch nicht ein ganzes volk von
kindern zugeschrieben werden. Die nord. und deutsche tra-
dition kennt nur zwei bez. drei sühne Attilas, und auch die
ung. Chronik weiss, wie von zwei gattinnen, so auch nur von
zwei söhnen Eteles wirklich etwas zu melden. Inhalt wie
geist der sage, wie sie uns in der Hunnengeschichte erhalten
ist, schliessen eine polj'gamie Eteles aus, und die oben an-
geführten äusserungen in der Hunnenchronik können nur ein
gelehrter zusatz des Chronisten sein.
Von dieser, der echten sage fremden Vorstellung und einigen
andern gelehrten anlehnungen, die im folgenden angedeutet
werden sollen, abgesehen, ist alles echte Überlieferung, an der
der Chronist nicht rüttelte, da er vom nationalen Standpunkte
daran nicht rütteln durfte.
Etele hatte also in der ung. tradition zwei söhne von zwei
gattinnen, deren eine die tochter des Jlonorii Gtecorum im-
peratoris war. Es ist natürlich schon längst bemerkt worden,
DTE GERM. ELEMENTE DER DNG. HUNNENSAGE. 541
dass hier ein misverständnis vorliegt. ^) Es kann sich nämlich
nicht nm die tochter des kaisers Honorius, sondern nur um
Honoria, die Schwester kaiser Valentinians und die nichte des
kaisers Honorius handeln, von der Priscus (Corp. scr. Byz.
s. 151 f.) und nach ihm Jordanes (Getica cap. 42) mitteilen,
dass sie sich Attila zum g-atten gewünscht habe, und dass dies
ihr verlangen von letzterem politisch ausgebeutet worden sei.
Dass der bericht der Hunnengeschichte auf gelehrter com-
bination beruht, ist klar: eine Vermählung fand zwar in Wirk-
lichkeit nicht statt, aber auch die bloss beabsichtigte Verbin-
dung Attilas mit einer kaiserstochter konnte der nationale
stolz des Chronisten nicht unverwertet lassen. 2) Wer war
also Chabas mutter? Wir sind auch hier wider auf blosse
Vermutungen und folgerungen aus der nord. und deutschen
Überlieferung angewiesen. Oläh nennt die mutter Chabas
Herriche, ohne an der auffassung, dass sie eine filia Honorn
Graecorum imperatoris gewesen, etwas zu ändern. Es kann
aber kaum angenommen werden, dass Oläh diesen namen aus
der ung. sage geschöpft hätte 3), vielmehr wird er ihn aus einer
deutschen, schriftlichen quelle herübergenommen haben, wie
sich uns auch noch weitere belege für eine anlehnung Olahs
an deutsche aufzeichnungen ergeben werden, namentlich an das
Heldenbuch, wo für Helclie ebenfalls die form Herriche ge-
braucht wird.-*) Ich glaube aber, dass Oläh von einem ganz
1) Vgl. W. Grimm, D. Mdensage ^ s. 343; und Am. Thierry a.a.O. 2^ 379,
der dieses misverständnis freilich der sage selbst zvischreibt, wie auch Se-
bestyen a. a. 0. s. 497 f.
*) Karäcsonyi a. a. 0. s. 18 sieht auch hier nur eine ganz willkürliche
fabelei des Chronisten und glaubt, dass der ganze l)ericht über Honoria und
die beiden söhne Eteles nur ein nachklang ungarischer geschichte aus der
zweiten hälfte des ll.jh.'s sei: könig Gyecse I. hatte eine griech. gattin
namens Synnadene, und zwei uneinige, aber nicht von ihr geborene söhne,
Koloman und Almos, von welchen der eine später vor der grausamkeit
seines bruders nach Griechenland fliehen musste. Vgl. Pauler Gy., A magy.
nemz. törtenete V, 225 und 488. Es ist sonnenklar, dass durch diesen hin-
weis weder die namen, noch der inhalt der erzählung in der Hunneu-
geschichte erklärt und gedeutet wird.
2) Wie Matthaei a.a.O. s. 21 anzunehmen scheint, der auch diesmal
nicht nur bei Oläh, sondern auch bei Callimachus und Siglerus echte Über-
lieferung sucht und gefunden zu haben glaubt.
*) Vgl. W.Grimm, D. heldensage^ s. 335.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. 36
542 BI.EYER
richtigen gefülil geleitet worden war, als er sich hier an die
deutsche Überlieferung anlehnte.
Die erste gattin Attilas führt in der deutschen sage den
namen Jlclche, der ohne zweifei mit KQtxa oder 'Pbxav bei
Priscus (a.a.O. s. 197 und 207) identisch ist. In der Edda (GutV
rünarkvit^a 3) wird erzählt, dass Herkja-Helche, eine magd
Atlis, fi"üher seine beischläferin, Gudrun des ehebruchs mit
pjoörekr geziehen habe; Guörüns Unschuld sei aber durch ein
gottesurteil bekräftigt worden, worauf Atli Herkja in einen
faulen moor versenken lassen habe. Herkja aber, eben wie
l)jöÖrekr, gehört nicht der ältesten Schicht der nord. Xibe-
lungensage an, sondern ist erst bei einer zweiten Wanderung
der deutschen sage nach dem 9. jh. nach dem norden ge-
kommen (vgl. Sijmons a. a. o. s. 632 und 663. Auch E. Mogk,
Pauls Grundr. 2'\ 644). Der neue stoff, der dem norden auf
diese weise zugeflossen war, wurde natürlich mit der vorhan-
denen sage contaminiert; da jedocli diese in der nord. dich-
tung schon eine geschlossene gestalt hatte, war für Herkja
(über pjoörekr s. unten) keine rolle mehr vorhanden, und so
wurde sie zum kebsweibe Atlis gemacht und in der Verbin-
dung mit dem weitverbreiteten märclien von der unschuldig
angeklagten königin (vgl. Jiriczek a.a.o. s. 161 f.) zu GutMi'in
in eine secundäre beziehung gebracht. Da also das auftreten
Herkjas in der Edda und die rolle, die ihr zugeteilt ist, nicht
als ursprünglich betrachtet werden darf, düi'fen aus ihr auch
keine Schlüsse für die ältere sage gezogen werden. In der
piörekssaga heisst Attilas erste gattin, eine tochter des sla-
vischen königs Osantrix (Ungers ausg. cap. 38) Erka, in der
deutschen Überlieferung, wie schon erwähnt, Helche, und ist
des hünic Usenches Jcint.^) Sie spielt bis zu ihrem tode eine
hervorragende rolle in dem heldenkreise, der um Etzel ver-
') Biterolf v. lt)02. Mit Usericb = Osauüix mag' jedenfalls der uame
(tsinrin zusammenhäugeu, wie Attilas gattin im Wallhaiiiied v. 123, 396
heisst. Beide sind aber unliistorisch , und sieber anderswoher entnommen.
Uspirin kann immer nur eine Variante gewesen sein, neben der oder von
der unabhängig Helche von anfaug au als der historischen Überlieferung
angehörend fortbestand. Vgl. K. Miillenhoft', Deutsche altertumsk. 5, 397, mit
desseu erklärungsversuch aber meine ausführungen im übrigen nicht überein-
stimmen.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 543
sammelt ist, und es kann kaum bezweifelt werden, dass sie
nicht nur ihrem namen, sondern auch ihrer ganzen erscheinung
nach mit der historischen EgExa identisch ist, die am hunnischen
königshofe eine bedeutende repräsentative Stellung einnahm,
und von der vornehme ausländische gesante, unter ihnen auch
Priscus, empfangen wurden. Ihre gestalt weist also auf ein
ununterbrochenes fortleben in der Überlieferung von Attilas
bevorzugter gattin hin. Schon bisher haben wir gesehen, dass
das Verhältnis der ung. sage zur deutschen doch eigentlich
kein contrastierendes ist, ja es haben sich bereits tiefe zu-
sammenhänge ergeben. Die Vermutung also, dass die mutter
Chabas in der ung. tradition mit Helche in der deutschen sage
identisch sei, darf doch gewis für etwas mehr als eine blosse
conjectur gelten. Vielleicht wird diese annähme durch noch
einen umstand bekräftigt: in der Hunnengeschichte ist Chabas
mutter (Honoria) eine tochter des griech. kaisers, obgleich
Valentinian III., wie auch ihr vater Constantius und ihr oheim
Honorius, weströmische kaiser waren; und so ist es wol mög-
lich, dass ihre griech. abstammung aus der sage entnommen
ist, wie denn auch Chabas flucht nach Griechenland unzweifel-
haft der echten Überlieferung angehört. Nun ist aber bekannt,
dass in der deutschen sage die begi'iffe 'slavisch' und 'grie-
chisch'') als identisch oft mit einander abwechseln; also ergibt
sich auch daraus eine gewisse ähnlichkeit zwischen der mutter
Chabas in der ungarischen und Helche in der deutschen tra-
dition, deren vater nach der piörekssaga ein slavischer
könig war.
Ist nun die aufgestellte Vermutung richtig, so folgt aus
ihr mit entschiedenheit, dass die mutter C'habas zur zeit der
grossen katastrophe schon tot, und Kremheld Eteles zweite
gattin gewesen sein müsse. Es wird denn auch in der
Hunnengeschichte tatsächlich mit keinem worte angedeutet,
dass Chabas mutter in dem letzten kämpfe irgendwelche rolle
gespielt hätte, während nach Kremheld der ganze kämpf be-
nannt ist. Eine abweichung zeigt sich allerdings darin, dass
in der deutschen sage Helche zwei söhne zugeschrieben werden,
während die ung. chronik nicht erwähnt, dass Cliaba auch
1) Vgl. Müllenhoff, Zs. fda. 10, 1G6 und Jiriczek a. a. o. s. 182.
36*
544 BLEYER
mütterliclier seile noch briider gehabt hätte. Die darstelhmg
der Huiineiigeschichte halte icli in diesem punkte für treu und
glaube, dass die ung. tradition der deutschen gegenüber teils
ursprünglicher ist, teils aber meine ich, dass beide in ihrer
entwickliing von einander unabhängig sind. Jedesfalls zeigt
die ung. fassung, wie ich unten des näheren ausführen werde,
keine secundäre Verschiebung, wenn sie als sühne Chaba der
griech. königstochter und Aladär der deutschen Kremheld
zuweist.
Sicherere anhaltspunkte als für die mutter Chabas bietet
die Hunnengeschichte für die mutter Aladärs. Ihr name lautet
bei Kezai Cremücl, Crunihelt (lies Krömhelt) und Criniild', in
den übrigen Chroniken (doniina) Crumheldina, Crwiihcldtna,
Curlmndina und {iwelium) Cmmheld, Crimiheld, Crimheled,
Crnmheldhium, Crhnihddinuni, Cuminlnddinum. Bei Turoczi
und Oläh kommt der name nur je einmal vor: bei jenem lautet
er Krcmheylch, bei diesem Kreinheütz. Die beiden letzteren
kannten den namen wahrscheinlich nicht melir aus dem volks-
munde, daher die lautgesetzlich nicht begründeten abweichungen
von e : ei, d : ch, tz. ') Vergleichen wir die angeführten formen
unter einander, so können zwei (das -in- ist gewis eine lat.
Weiterbildung) als typisch bezeichnet werden: KrimhiJd-Krim-
held und Krömhcld-Kremhild. Wir haben hier dieselbe laut-
liche entwicklung wie bei Ditricus > Detricus > Detreh; nur
ist die chronologische folge in den formen für Kriemhild nicht
so pünktlich wie in den formen für Dietrich. Die ursprüng-
liche form lautete Grimhild, wie sie nach dem noi'den in die
Edda und piörekssaga gelangt ist. Wie sich aus Grimhild
die oberdeutsche form Kricmhdd entwickelt hat, ist noch immer
nicht aufgeklärt.^) Die sage von der räche der bürg, königs-
tochter an Attila kann natürlich nur aus Deutschland zu den
pflegern der ostgut. heldensage gelangt sein, und zwar zweifellos
durch sehr frühe oberdeutsche, genauer bair, Vermittlung. Der
^) Bei Turoczi wird ey für e zu lesen sein, wie er denn auch für
Veszprem die form Wezprein (cap. 24) bat. Bei Oläh scheint sich deutscher
einfluss geltend gemacht zu haben; vgl. die form Krcimhilt beiW. (irimm,
D. heldensage» s. 22G. 313. 479.
3) Vgl. K. Müllenholf, Zs. fda. 12, 299 ff. R. Koegel, Gesch. der deutscheu
lit. 1, 2, 205 f. und K. Bohnenberger, Kriemhilt, Beitr. 24, 221 ff.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 545
name der königstocliter wurde also in der form Krienihild{t)
in die pannonische sage lierübergenommen. Sollte aber diese
form für so frühe zeit nicht angesetzt werden dürfen, so
müssen wir auch hier, wie bei Dietrich, annehmen, dass der
deutsche taufname KriemhUd auch später noch auf die namen-
gebung in Ungarn, also indirect auch auf den namen in der
sage von einfluss gewesen. Wir müssen, um die formen in
den Chroniken erklären zu können, unbedingt die obd. form
Kricmhüd{t) ansetzen, was natürlich ebensowenig wie der
name Detrehs beweisen kann, dass die ung. Chroniken Krem-
held aus dem Nibelungenliede oder einer andern mittelalter-
lichen deutschen dichtung entlehnt hätten. Das ie in Kriem-
hild musste, da i tontragend und im ung. ein derartiger
diphthong nicht vorhanden ist, zu i werden, das sich (ebenso
auch das i in der zweiten silbe) zu geschlossenem e oder (damit
mundartlich abwechselnd) zu ö entwickeln konnte. Dadurch
entstanden also die formen Krimhüd > KremhiU, Krimheld,
Kremheld und Krömheld. Aber auch in diesen formen ist der
name der ung. zunge fremd und schwierig; daher keine ein-
heitlichen oder wenigstens in chronologischer reihenfolge sich
abwechselnden formen und ein widerholter versuch, den namen
mundgerechter zu machen, z. b. Crimiheld, Crimheled, Curhund
{u = o). ') In ung. Urkunden kommt der name, so weit ich sehe,
nicht vor 2); bei der Seltenheit der frauennamen kann aber
dieser umstand nicht auffallen. Aus allen formen geht mit
entschiedenheit hervor, dass der name Kremheld im ung.
volksmunde lebte, wenn vielleicht auch nicht als taufname, so
doch als ein name der sage. 3)
') Cuminlmld kann nur verschrieben sein.
*-*) Tholt T., Az Ö-budai Feheregyhäz es Arpäd sirja. Archaeologiai
ertesitö. Üj foly. 2, s. lxxxii führt ein Crumhelt ferdeje (= Kriemhilds bad)
aus dem j. 1380 an. Vgl. auch Märki S., Maria Magyarorszag kirälyneja
1370 — 1395, 1885, s. 158. Ob diese angäbe als ein beleg für den taufnamen
KriemhUd oder gar als ein zeuguis für die Hunnensage selbst betrachtet
werden dürfe, lässt sich nicht entscheiden, um so weniger, da T. Tholt seine
quelle nicht angibt.
3) Häufig bringt man das bei Ofen am fusse des Blocksberges gelegene
KelenföJd (urkundlich Kreynfeld, Kreenfeldw.a.w.) mit dem namen A>/e»H-
hild in Zusammenhang. Vgl. z. b. Podhradczky, Chron. Budense s. 31. K. J.
Schröer, Germ. 17, 73. Zwar würde diese deutung zu dem berichte über den
510 BLEYER
Xqu Kreiulield wird in der Jlunneiigescliiclite gemeldet,
dass sie eine germ. königstochter gewesen, die von Etele
einen söhn, namens Aldariiis, hatte; ausserdem sei nacli ihr
die Schlacht zwisclien Hunnen und (iermaneu prdium Cnim-
hell bis auf die zeit der clironisten benannt worden.
Ueber Kremhelts abstammung wird sonst nichts näheres
berichtet, auch über die umstände nicht, unter welchen ihre
Vermählung mit Etele stattgefunden habe. Wenn Heinrich
von Mügeln sie ein tochter des Imnigcs von hur(jnnäia nennt,
so ist dies gewis aus seiner deutschen sagenkenutnis heriiber-
genommen. Auch Oläh wird die bezeichnung fdia diicis Ba-
uariae aus irgend einer deutschen schriftlichen quelle entlehnt,
oder aber, da Kriemhild, so weit bekannt, sonst niemals die
tochter eines bair. herzogs genannt wird, selbst erfunden haben.')
Es ist völlig unwahrscheinlich, dass er diese angäbe aus der
ung. sage entnommen hätte.
Aus dem schweigen der ung. Chroniken folgt natürlich
auch in diesem falle nicht, dass die sage selbst nichts genaueres
von Kremheld gewusst hätte. Aus der verhängnisvollen rolle,
die die mutter Aladärs im kämpfe der Hunnen und Gei-manen
spielt, ergibt sich mit entschiedenheit, dass die ung. Über-
lieferung über sie ausführlich zu berichten gewusst haben
müsse. Dies zu erschliessen, sind wir auch diesmal auf einen
vergleich mit der nord. und deutschen sage angewiesen. Die
zweite hälfte der Xibelungensage beruht auf historischen Über-
lieferungen-): im j. 437, so berichtet Prosper Aquitanus-*), illiim
(d.i. den Burgundenkönig Gundicarius) Chunnl cum popido
suo ac stirpe deleverunt, zwar nicht unter der anführung
Attilas, doch muss dieser nicht nur in der gelehrten geschichts-
schauplatz des prelium Crumhelt stimmen, si)rachlich ist sie aber doch un-
möglich. E. Föistemann, Altd. namenb. 2', 421 führt aus Deutschland an:
CreginfeJt, L'reienfelt, Creinfelt, das mit dem ung. Kclenföld etymologisch
identisch sein dürfte; eine ableitnng aber von ahd. krüia — krä >» mhd. krCt,
uhd. krähe, wie sie Förstemann und auch Borovszky S., A honfoglaläs tör-
tenete 1894, s. 90 angeben, ist gewis unrichtig.
') S. eine Zusammenstellung bei W.Grimm, D. heldeusage' s. 505.
'^) Nach Beer a.a.O. ist sie nur mit historischen traditionen verschmolzen;
ich halte es aber Boer gegenüber für zweifellos, dass in Kriemhild, wie ich
schon oben erw.ähnt habe, IJäico lebt.
^) Vgl. oben im vorigen abschnitte.
DIE GEKM, ELEMENTE DER UNG. HÜNNENSAGE. 547
Schreibung, sondern noch viel mehr in der volkstümlichen
tradition alsbald an die spitze der Hunnen gestellt worden
sein. Attila starb im j. 453 in der brautnacht mit Ildico,
welche ihn (so lautete das gerücht schon sehr frühe) aus räche
für ihre von Attila vernichteten angehörigen ermordete und
auf diese weise den Untergang seiner söhne und seines reiches
herbeiführte. Ildico trat alsbald in die westdeutsche Über-
lieferung von der Vernichtung der Burgunden ein, wo sie zur
tochter des Burgundenkönigs und zur Schwester der burgun-
dischen königssöhne gemacht wurde. Die westdeutsche sage
lautete also auf der ersten stufe ihrer entwicklung, die noch
ins 5. jh. fallen muss: Attila vernichtete an der spitze der
Hunnen das burgundische herscherhaus; Ildico > Kriemhild,
eine tochter des burgundischen königs, die Attila zur gattin
nahm (wie Balamber die nichte Winithars, was vielleicht
irgendwie als anknüpfungspunkt für Attilas heirat dienen
konnte), ermordet den Hunnenkönig und verursacht dadurch
das verderben seiner söhne und den verfall seines reiches.
Die Verbindung dieser beiden ereignisse zu einer sage konnte
nicht mehr durch die Burgunden selbst vollzogen werden, da
sie schon im j. 443 ihr land am Rhein verlassen hatten und
nach der landschaft Sabaudia (Savoyen) übergesiedelt waren.
Ph. Wegener') hat wahrscheinlich gemacht, dass die Ver-
knüpfung (jedesfalls noch im 5. jh.) bei den alem. nachbarn
der Burgunden vor sich gegangen sei. Mit der eigentlichen
Nibelungen- oder Sigfridssage ward die Überlieferung von den
Burgunden und Attila erst durch die Franken im anfange des
6. jh.'s verbunden, und zwar willkürlich oder vielmehr absicht-
lich. Die Franken wollten nämlich (so führt Wegener an-
sprechend aus) durch die Verknüpfung der beiden sagen die
besitz ergreif ung des alten Burgundenlandes, das sie den Ale-
mannen unter Chlodovech im j. 496-) in erbittertem kämpfe
endlich abgerungen hatten, rechtlich begründen. 3) Kriemhild
1) Zur sage von den Nibelungen, Greifswalder progr. 1900 — 1901.
") Vgl. F. Dahu, Urgesch. d. germ. und rom. Völker 3, 48 f.
^) 'War der fränkische stanimesheld Siegfried mit der bürg. Kriem-
hild vermählt, und war der manuesstamm des küuigsgeschlechtes ausgerottet,
aber ein söhn der Kriemhild und des Siegfried vorhanden, und von einem
solchen weiss die gesammte Sagenüberlieferung-, dann hatte erbansprüche an
5 48 ULEYEK
wurde auf diese weise die gattin Sigfrids, und die Burgunden
mit den Nibelungen der fränk. sage identificiert, was durch
das Elieingold, das für den Nibelungenliort galt, noch gefördert
wurde.') Dadurch entstand aber ein Widerspruch in der be-
gründung der räche Kriemhilds (sie musste den tod ihres ersten
gatten an ihren brüdern. den tod ihrer briider an Attila rächen),
der zu weitgehenden Umgestaltungen führte. Die fassung in
der Edda lautet: Sigurör = Sigfrid. der gatte der Guöri'in =
Kriemhild wird von einem seiner schwäger ermordet; Guörün
wird mit Atli vermählt, der, um den schätz der schwäger zu
erwerben, diese vernichtet; Guörün ermordet nun aus räche Atli
und ihre söhne von Atli. In der Edda hat schon eine doppelte
Verschiebung stattgefunden: der Schauplatz des kami)fes zwi-
schen Hunnen und Nibelungen ward (vielleicht unter dem ein-
flusse der fränk. Volsungasaga^)) in die bürg Atlis verlegt,
wohin die Nibelungen von Atli eingeladen worden waren;
ausserdem musste Guörün von ihrer mutter ein vergessenheits-
trank gegeben werden, dass sie die erinnerung an den tod
ihres ersten gatten, des glänzendsten germanischen beiden.
das biirg. land allein der köuigliche stamm, dem Siegfried nach der ge-
schichte oder sage angehörte, d. h. die Franken. Einen solchen rechtstitel
des fränk. königshaiises in dem streite der Alemannen um den besitz des
AVormser gebietes zu construieren und in fränk. liederu vortragen zu lassen,
wird bei der germ. anschauung über die heiligkeit und Unverletzbarkeit
des landbesitzes entschieden als höchst wünschenswert für die Frankenköuige
erschienen sein ' : Ph. AVegener a. a. o. s. 24 f.
') Vgl. Fr. Vogt, Zs. fdph. 25, 411 ff.
■'') Die einwirkung der Volsungasaga auf die Nibelungensage bestreitet
R. C. Boer, Zs. fda. 47, 125 Ö'., der annimmt, dass auch schon ursprünglich
eine fortsetzung der Sigfrid.'^sage existiert habe, die auf grund gewisser
anknüpfnngspunkte mit der historischen Burgundensage cuutaniiniort worden
sei ; eine alte Variante dieser vorauszusetzenden fortsetzung der Sigfridssage
sei in dem Finnsburgfragment erhalten. Es ist klar, dass die ausführungen
Boers, auch wenn sie stichhaltig sind, an den ergebnissen, zu welchen ich
durch die Untersuchung der ung. Hunnensage gelange, nichts ändern können.
Von unserem gesichtspunkte ist es schliesslich gleichgiltig, ob die Umgestal-
tungen an der historischen Burgundensage durch die consequenzen der uns
tatsächlich erhaltenen Nibelungeusage, oder aber infolge einer cuutainination
mit einer vorausgesetzten fortsetzung der Sigfridssage veranlasst wurden.
Namentlich die Verlegung der Burgundenschlacht nach Fannonien an den
hof Attilas kann gewis nicht ursprünglich sein, mag sie nun wie immer
erklärt werden.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 549
verliere und ihn nicht rächen wolle. In der deutschen fassung
der Nibelung-ensage ist der Schauplatz des kampfes ebenfalls
in die bürg Etzels verlegt; die Vernichtung der burgundischen
königssühne aber wird von Kriemhild vollführt, die an ihren
brüdern den tod ihres ersten gatten rächt. Etzel ist somit
aller schuld enthoben, der tod seiner schwäger kann an ihm
nicht gerächt werden, da er ihn nicht verursacht, demzufolge
muss er in ganz folgerechter weise die grosse katastrophe
überleben.
Dass die sage von Kriemhild, wie ich schon erwähnte, von
Deutschland her nach Pannonien verpflanzt wurde, braucht
gewis nicht erst bewiesen zu werden. Der name Kriemhild
allein verbürgt dies schon mit voller gewisheit. Es fragt sich
nur, in was für einer fassung sie aus Deutschland nach dem
heutigen Ungarn gelangte. Ich glaube in einer form, welche
die historische Burgundensage hatte, als sie mit der sage von
den Nibelungen noch nicht verknüpft war, also noch vor dem
ende des 5. jh.'s. Einen directen beweis gibt es zwar für diese
annähme nicht, aber eine solche fassung passt ganz ungezwungen
in das gefüge der uug. Hunnensage hinein. Ich schliesse mich
also in dieser hinsieht den ausführungen Wegeners über die
entwicklung der Nibelungensage an. ^) Doch will ich betonen.
^) Boer gelangt in seinen neuesten uutersucliungen über den iirsprung
und die entwicklung der Kibelungensage, wie ich bereits angeführt habe,
in der Zs. fdph. 37, 289 if. und 438 ff. 38, 39 ff', zu resultaten, die Wegeners
auffassung von der ausgestaltung der Nibelungensage, dem ich mich bei
meinen erörterungen auschliesse, vielfach widersprechen. Meine arbeit war
schon abgeschlossen und der redaction der Beitr. eingeschickt, als Boers
Untersuchungen zu erscheinen begannen. Sie konnten eben deshalb nicht
mehr in dem masse berücksichtigt werden, Avie es mir lieb gewesen wäre.
Ich v.'ill nicht bestreiten, dass Boer in seinen scharfsinnigen ausführungen
teilweise zu wichtigen und bedeutenden resultaten gelangt ist, aber trotz-
dem fühle ich mich nicht veranlasst, au dem wesen meiner auffassung, so
weit sie für die ung. Hunnensage von principieller bedeutung ist, etwas
zu ändern. Im wichtigsten punkte (wenn ich Boer richtig verstehe, da er
in seinen neuesten Untersuchungen darauf nicht näher eingeht), nämlich
darin, dass eine historische Burgundensage existiert hat und dass diese mit
der abgeschlossenen Nibelungensage verknüpft oder contaminiert worden
ist, besteht zwischen ihm und mir kein Widerspruch. Also wenn auch
Wegeners auffassung sich nicht behaupten könnte, änderte dies, wenigstens
im wesentlichen, nichts au den resultaten, zu denen ich bezüglich des ver-
550 IlMiYlCU
(lass auch eine fassung, in welclier die Biirgundensage mit der
Nibelungensage schon verknüpft war, bei der erklärung der
ungarischen Hunnensage keine bedeutenden Schwierigkeiten
machen würde.
Ich nehme also folgende urform der Burgundensage als die
nach Ungarn vermittelte an: Attila hatte das bürg, königs-
geschlecht vernichtet und zwar (von einer einladung an den
hof Attilas wird die tradition kaum etwas gewusst haben)
auf bürg, gebiete am Khein; nachher vermählte er sicli mit
einem mädchen oder einer witwe aus diesem geschlecht, die
an ihm den tod ihrer angehörigen und die Vernichtung ihres
Volkes rächte. Diese sage wurde, als sie nach Pannonien ge-
kommen war, mit der reichen Überlieferung der Ostgoten von
Attila und den Hunnen zu einem ganzen verschmolzen. Natür-
lich musste durch diese Verknüpfung die pannonische tradition
wenigstens teilweise eine Umgestaltung erfahren, und Kriemhild
Avurde nicht nur die mörderin Attilas, sondern auch der eigent-
lich treibende geist in der empörung der Germanenstämme gegen
die Hunnenherschaft und die söhne Attilas. Die ursprüngliche
pannonische Überlieferung wich von der geschichte gewis nur
in sehr geringem masse ab, vielleicht nur darin, dass Hdico
im Volksglauben schon zur mörderin Attilas geworden war.
Nach der contaminierung mit der Burgundensage und als
Detreh (darüber unten) schon in die sage eingetreten war,
muss die neue fassung gelautet haben: den rachedurst Kriem-
hilds löscht der tod Attilas nicht; wie er das ihrige, will auch
sie sein geschlecht und sein ganzes volk, cum populo siio ac
stirpe, der Vernichtung weihen; der Gepidenkönig Ardarich,
Attilas liebling, wurde in der sage zu Kriemhilds söhne, den
sie gegen seinen bruder und das volk der Hunnen aufhetzt,
so dass ein furchtbarer kami)f entsteht, in welchem das
Hunnenreich, nachdem sich Kriemhild mit den unterworfenen
Germanen (für ihren Stammeshelden galt alsbald Detreh) ver-
bündet hatte, untergeht. Die bezeichnung des kampfes als
prelium Crumhelt ist, sobald ein solcher Inhalt aus dem dürf-
hältnisses der mig. sage zur deut.schen nicht Juicli theoretische combination,
soudern aus dem tatsächliclieu material der ung. lluuueusage gehxngt bin.
G. Matthaeis andersgeartete ausfiihnmgen (progr., Gr.-Lichterfelde, 1905)
konnten, soweit sie für uns in betracLt kommen, mich nicht überzeugen.
DIE GERM. ELEMENrE DER UNG. HUNNENSAGE. 551
tigen berichte der Himnenchronik reconstruiert wird, wol be-
gründet lind die benennung wahrlich bedeutungsvoll.
Die gewaltige rachetat Kremhelds war nach der anschauung
des germ. heldenzeitalters keine schuld, die neue räche herauf-
beschworen hätte. Kremheld ist in der ung. sage ebenso un-
schuldig wie in der nordischen; es ist daher unwahrscheinlich,
dass die pannonische tradition A^on einem tode Kremhelds
während oder nach der Vollendung ihres rachewerkes etwas
gewusst hätte. ') Yon hunnisch-ung. Standpunkte ist sie natür-
lich schuldig, ebenso wie Detreh, dem eine schuld ausdrücklich
vorgeworfen wird. Eine Umgestaltung der sage führte aber
diese auffassung bei den Ungarn schwerlich herbei. Kremheld
scheint überhaupt in der ung. tradition immer mehr in den
hintergrund getreten zu sein, und Turoczi und Oläh scheinen von
ihr nur noch ganz wenig gewusst zu haben: sie erwähnen sie
zwar noch als die mutter Aladärs (ihr name ist aber in auf-
fallender weise verschrieben), die bezeichnung prelium Crum-
helt kommt jedoch in ihrer darstellung nicht mehr vor. Die
ung. sage verlegte sich immer mehr und mehr auf die aus-
gestaltung der Csaba-episode, die infolge der ideutiticierung
der Hunnen mit den Ungarn von nationalem Standpunkte der
allerwichtigste teil der sage war.
Es braucht nicht erst hervorgehoben zu werden, dass die
angäbe Istud enim est prelium, qiiod Huni (in andern Chro-
niken Himgari) usquc adJmc (oder usque in dieni istum) no-
minantes vocauerunt (oder vocant), neuerdings ausdrücklich ein
leben der sage im ung. volksmunde bis zur zeit der einzelnen
Chronisten beweist, was aus dem Inhalte der sage ohnedies
^) Die geschichte weiss nichts von dem Schicksale Ildicos nach dem
tode Attilas. Die historische Burgundensage konnte die rächerin des hur-
gnndischen geschlechtes (wenn sie auch die räche am eigenen galten aus-
übte) ursprünglich kaum mit dem tode strafen. Es ist daher sehr fraglich,
ob die Nibelungensage in einer älteren fassung, als sie in der Edda erhalten
ist, Kriemhild (wie Signy) ihrem gatten in den tod folgen Hess, und wenn
doch , ob dies nicht erst in einer secundären Weiterbildung, dem geiste der
germ. Weltanschauung gemäss, etwa unter dem eiuflusse der Volsungasaga,
geschehen ist. In der Edda (GuÖrünarhvnt) will sich Guörün zwar nach
dem tode Atlis ertränken, tatsächlich aber kommt sie lebendig in dem lande
könig Jönakrs an; allerdings lässt sie sich nach der dritten ehe auf dem
Scheiterhaufen verbrennen.
552 BLEYER
Diit grösster sicherlieit hervorgellt. Wie sehr die Vorstellung
von dem inclium Crumhelt im volksbewusstsein lebendig war,
zeigt auch eine stelle in der rngarngeschichte Kezais (lib. 2,
cap. 1, 19) ganz deutlich, wo von AVerbulchu. einem der sieben
ung. hauptleute, die unter der anfiihrung Arpads Ungarn er-
oberten, gemeldet wird: Fro co cnim Werhulchu est vocatus,
quia cum auus ckis in iirelio Crwiiläino per Teutonicos fuisset
intcrfcdus, et id ei iiro certo constitisset, volcns recipere vin-
dictam super cos, plurcs Germanicos assari fecit super vcru, et
tanta crndclitatc in cos dicitur exarsisse, quod quorundam quo-
que sanguincm hihit sicut vimi^n.^)
Ich will nur noch kurz auf die ausführungen Matthaeis^)
eingehen, der in der ung, sage auch bezüglich Kremhelds bair.
Überlieferung sieht. Er stützt sich auf eine stelle bei W. La-
ziuS'^), wo es heisst: Cuins (d.i. Ärdarici) ßiam Chrymlicldcm,
Attilae desponsatam, ipsumque adco Ilunnum in eins nuptiis
snffocatum fuisse, gentilicii Hungarorum annales refenmt: et
proptcr quam ÄtJiila cxtincto, Gotlios Gepcdasque cum Hunnis
Aihilaeque filiis cruentum Ijcllum gessisse, vidgarcs cmn canfi-
lenae nostrae gentis, tum vero rythmi Uli dcmonstrcmt, in antiquo
codice Athilae historiam continente, a me reperti (es folgen die
verse Nib. A 1894, 1—1900,1: Ortliebs ermordung) et quae
sequntur de illo cruento proelio filiorum Athilae cum Gepedarum
ac Gotliorum irrincipihus propter Chrymiliildcm Ärdarici Gepi-
darum regis, filiam Athilae sponsam, cxcitato in ipsis nuptiis,
in quibus et suffocatus ex ira interiit Athila. Aus dieser stelle
ergibt sich nach Matthaei: '1) Lazius kannte eine volkstüm-
liche ung. epische tradition, welche von der bei Keza vor-
liegenden sage darin abweicht, dass Kriemhild nicht als
mutter, sondern als tochter Ardarichs gilt und der ausbruch
des kämpf es in die hochzeitsfeier verlegt ist, wobei Attila
') Wir haben hier eine Volksetymologie, die auf das sagenhafte ^rc//»»»
Crumhelt zurückgeht und den uamen WcrJndchn in echt volkstümlicher
weise aus dem bluttrinkeu {ccr 'blut') erklären will. Die deutuug super
veru ist natürlich gelehrt und unsinnig.
*) A.a.O. s. 21ff. — Die behauptung Karäcsonyis (a. a. o. s. 19), das
prclium Crumhelt sei Aveiter nichts als das furchtbare genietzel in Kelen-
föld im j. lOiG, das mit dem tode des h. Uerhard endete, braucht nach den
bisherigen ausführungen wol nicht erst widerlogt zu werden.
*) De gentium alit^uot migratiouibus, Francf. 1600, s. 603.
DIE GERM, ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 553
durch einen zornausbrucli erstickt, so dass also Kriemhild zu-
gleich in die rolle der Micolt eingetreten ist; 2) er kannte
österreichische Volkslieder, welche ebenfalls davon meldeten,
dass Kriemhild, die tochter Ardarichs, jenen grossen krieg
anstiftete oder doch verursachte, der schon in den nuptiae
begann, in welchem nach Attilas tode Goten (Dietrich) und
Gepiden (Ardarich) das hunnische joch abschüttelten); 3) er
hielt die ermordung Ortliebs für eine kampfesscene aus diesem
prelium Crimildinum. '
Es ist hier nicht der ort (in bezug auf die heldensage
würde es sich auch sonst nicht lohnen), das ganze bunte gewirr
von geschichte, sage und willkürlicher combination, das Lazius
an dieser stelle bietet, klarzulegen. Ich will deshalb nur auf
einen punkt hinweisen, der schon allein eine sagengeschicht-
liche Verwertung dieser stelle auf das entschiedenste verbietet.
Es ist von vornherein ganz unwahrscheinlich, dass Lazius in
der zweiten hälfte des 16. jh.'s aus der lebendigen ung. volks-
sage hätte schöpfen können. Er beruft sich auch tatsächlich
nicht auf mündliche Überlieferung, sondern auf 'volkstümliche
ungarische annalen', nach welchen Kriemhild eine tochter Ar-
darichs gewesen und Attila in der brautnacht in seinem blute
erstickt sei. Letzteres kann Lazius allerdings aus den ung.
Chroniken entnommen haben, aber dafür, dass Kriemhild Ar-
darichs tochter gewesen sei, hätte er unmöglich eine einzige
ung. Chronik anführen können. Davon findet sich in den er-
haltenen ung. Chroniken keine spur, und dies beweist bei der
beträchtlichen anzahl derselben entschieden, dass eine solche
ung. Chronik, in welcher diese angäbe enthalten gewesen wäre,
auch niemals existiert haben kann. Am. Thierry gibt (a. a. o.
1^, 246 und 272) gibt an, dass Attila tatsächlich eine Schwester
Ardarichs geheiratet habe, von der ihm ein söhn namens
Fito/joc geboren worden sei. Es steht ausser zweifei, dass
Lazius seinen bericht aus einer ähnlichen quelle geschöpft
haben muss'), deren darstellung er dann mit der erzählung
') Es ist übrigens möglich, dass Lazius (auch Thierry?) diese angäbe
selbst erdichtet hat. Er verlegt nämlich die ganze katastrophe unmittelbar
hinter die brautnacht, also konnte von ihm Kremheld nicht als die mutter
Aladärs, sondern wol nur als seine tochter aufgefasst werden. Oder sollte
L. überhaupt nicht bemerkt haben, dass Ardarich und Aladär identisch sind?
554 BLEYER
der ung. clironiken ooiitaininierte, um gescliichte und sage
einander nillier zu bringen. Ist dies streben doch bei den
liunianistisclien gescliielitssclireibern tyi)iscli. Bei Lazius tritt
es auch in seinem weiteren bericlite ganz deutlich liervor, und
es liegt auf der band, dass er die vulgares cantilenae nostrae
geniis auf dieselbe weise verwertet und umgedeutet hat, wie
die gentilicü Hungaronnn annales. 7a\ einer solchen contami-
nierung wurde er durch die freilich nur teilweise richtige
entdeckung verleitet, dass der kämpf der Burgunden und
Hunnen im Nibelungenliede mit dem untergange der Hunnen-
macht in der geschichte identisch sei.
Matthaei knüpft an diese stelle des Lazius und an die
erzählung der ung. Chroniken von j\ricolt') Aveitgehende Schlüsse
für die ganze entwicklungsgeschichte der deutschen helden-
sage. Da aber die stelle bei Lazius, wie auch der bericht über
Micolt für die sage wertlos sind, müssen alle folgerungen Mat-
thaeis, Avie scharfsinnig sie auch sein mögen, als ganz und gar
hinfällig betrachtet werden. Aus der darstellung der ung.
Chroniken folgt in bezug auf Kremheld mit entschiedenheit
nur so viel, dass die pannonische Hunnensage mit der histo-
rischen Burgundensage verknüpft worden war. Daraus ergibt
sich weiterhin mit grüsster Wahrscheinlichkeit, dass die ung.
sage von Kremhelds burgundischer abstammung und von der
Vernichtung ihres geschlechtes durch Attila (jedesfalls nach
Dass dies möglich, zeigt die uug. forsclniiig, wo diese identität erst ziem-
lich spät wahrgenommen wurde.
*) Matthaei zieht auch noch einige andere quellen heran, die aher
ebenfalls völlig belanglos sind. So ist der bericht Aveutins a.a.O. 4, 2, llGü:
Der Gej)itze7i künifi Ilardreich tras der erst im harnesch, der griff' die
Ilawien mit teerender hant an, erscldueg im streit den eltisten sun kitnig
Atzeis, mit namen Hellach, erscldueg mit sumht im dreissig tausend Hannen
(vgl. auch 2, 329), zweifellos direct oder indirect aus Jordanes entnommen.
"Weiterhin ist die ganze erzählung L. Suntlioims (W. Grimm. P. heldensage^
s. 479) von Etzelburg, Tättu oder Tehen, und von ilem grossen, blutigen
streit heschehen zwischen künig Etzels sünen ganz bestimmt aus ung. quelle,
namentlich aus Turoczi herübergenommen. "Wenn aber die Kaiserchronik
(her. von Massmann 3, 95fi, anni. 3) und M. Beheim (W. Grimm, T>. liclden-
sage' s. 322) von einer höchzit Kricmhilds mit Etzel melden, zu welclier
ihre brüder eingeladen und dann erschlagen worden seien, so ist es klar,
dass hier unter dem einllusse ihrer geschichtlichen kenntuisse das höchzit
der sage ('hohes fest') fälschlicli auf nujjliac gedeutet wurde.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 555
Biirguiiden gedacht) kenntnis hatte, und dass sie Etele durch
die hand Kremhelds umkommen und dessen reich durch Krem-
held dem verderben entgegenführen Hess.
Wenn wir nun Kremheld aus der ung. sage ausscheiden,
in welche sie ursprünglich nicht gehörte, so erhalten wir eine
fassung, in welcher die historische Überlieferung vom unter-
gange des hunnischen reiches mit grösster treue bewahrt ist,
mit einer treue, die wider nur durch die localisierung der sage
in Pannonien und durch das milieu des historischen lebens da-
selbst erklärlich wird, lieber das welthistorische ereignis hat
Jordanes (Get. cap. 50) folgenden bericht: nach dem tode Attilas
brach unter seinen zahlreichen söhnen ein streit um das grosse
erbe aus. Es ward von ihnen eine gieichmässige Verteilung
der unterworfenen Völker gefordert, so dass die kriegerischen
könige mit ihren Völkern wie sclaven verlost worden wären.
Darüber entrüstet erhob sich als erster der Gepidenkönig Ar-
darich gegen die söhne Attilas, dem alsbald die übrigen Völker
folgten. Es entspann sich eine blutige Schlacht an dem flusse
Nedao, in welcher Ardarich und seine anhänger den sieg er-
hielten, nachdem von den Hunnen und andern Völkern, die
neben diesen partei genommen hatten, dreissig tausend getötet
worden waren. Unter den gefallenen befand sich auch Ellac,
Attilas ältester söhn, den dieser vor allen seinen söhnen lieb
hatte. Nach dieser niederlage flohen die übrigen söhne Attilas
an die küste des Pontischen meeres, wo vorher die Goten ge-
sessen hatten. Ein jüngerer söhn Attilas, namens Hernac,
wählte sich als Wohnsitze für die seinigen die äussersten teile
von Kleinscythien. Ädeo discidium, fügt Jordanes hinzu, per-
niciosa res est, ut divisi corruerent, qui adiinatis viribus terri-
tahant. Hierauf nahmen die Gepiden das bisherige gebiet der
Hunnen für sich in anspruch, die Ostgoteu aber erhielten von
Rom Pannonien. Doch die söhne Attilas (so berichtet Jordanes,
Getica cap. 52 f. weiter) konnten sich in die neue läge nicht
fügen und griffen Walamer, den könig der Ostgoten, an, wurden
aber von diesem geschlagen, so dass sie nur mit einem kleinen
reste ihres volkes nach Scythien an den fluss Danaber (Dnjepr)
entkamen, welchen linyua sua Hiinni Var apellant. Den
letzten angriff auf die Goten machte der Hunnenkönig Din-
556 BLEYER
tzici), ein söhn Attilas, indem er gegen Basiana in Pannonien
vordrang; die Goten schlugen ihn aber so sclmiählich aus dem
lande, dass von dieser zeit an die Hunnen, die der Vernichtung
entgangen waren, sich vor den waften der Goten fürchteten.
In dem berichte über die Schlacht zeigt die Hunnen-
geschiclite wider ein paar reminiscenzen aus Jordanes (diesmal
nur in stilistischer hinsieht), die aber auch hier gewis nicht
aus unmittelbarer benutzung der Gotengeschichte des Jordanes
stammen. So heisst es bei Jordanes: Divkluntur regna cum
j)Oimlis, ßimtque ex uno corpore memhra divcrsa, und in der
Hunnengeschichte: in partes diuersas Hunorum communitas est
dktisa. Auch folgende stelle scheint durch die bekannte Schil-
derung der catalaunischen schlacht bei Jordanes 2) beeinflusst
zu sein: In quo quidam prelio tantus sanguis Germanicus est
effusus, quod si Teutonici oh dedecus non celarent, et vellent
pure reserare, per plurcs dies in Danuhio aqua hihi non poterat,
nee per homines, nee per pecus, quoniam de Sicumhria usquc
urhem Potcntie sanguine inundavit. Ist hier die ähnlichkeit
in der Schilderung nicht zufällig, so kann sie nur auf gelehrter
anlehnung beruhen: eine einwirkung der catalaunischen schlacht
auf die ung. sage ist, wie ich schon widerholt hervorgehoben
habe, ganz ausgeschlossen. Eine andere miiglichkeit ist aber
gewis vorhanden, nämlich die, dass die Schilderung in der
Hunnengeschichte aus der sage von der schlacht am flusse
Nedao selbst stammt; und so wäre es nicht unmöglich, dass
die Schilderung des kämpf es zwischen den Hunnen und Bur-
gunden im Nibelungenliede (str.2087. 21 U. 2117), worauf Petz »)
hinweist, ebenfalls aus der sagenhaften erinnerung an diese
schlacht herrührt. Aus der ersten hälfte der angeführten
stelle spricht eine scharfe antideutsche tendenz. Diese musste
sich, nachdem Hunnen und I^ngarn identificiert waren, aus
1) Bei Priscus, Corp. scr. Byz. s. IGl f. heisst dieser söhn Attilas . kyyt'Cix.
*) Diese selbst ist in dem berichte der Hunnengeschichte über die cata-
launische schlacht, wie schon oben erwähnt, fast wörtlich widerholt, nnd so
kann sie den Chronisten an dieser stelle ganz unwillkürlich und unbewusst
beeintiusst haben.
3) A.a.O. s. 77. Freilich wird auch hier allgemein eine einwirkung
der catalaunischen schlacht angenommen. Vgl. K. Heinzel, WSB. 114, 518
und 10!», G73.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 557
der g-anzeii anläge der sage ergebeu, wo es sich in erster reihe
nm einen kämpf des Hnnnentums und Germanentums handelt.
In der prägnanten fassung aber, wie sie uns hier entgegen-
tritt, wird sie kaum aus der sage geschöpft sein, sondern von
dem Chronisten selljst herrühren; sie enthält überhaupt einen
Widerspruch, denn da die Hunnen besiegt wurden, müssen
logischer weise sie das meiste blut vergossen haben.
Nach der darstellung der Hunnengeschichte fanden zwei
schlachten statt: in der ersten wird Aladär besiegt, in der
zweiten aber wurden die Hunnen vernichtet. Diese aus-
schmückung des historischen ereignisses stammt zweifellos aus
der sage, die einen kämpf mit wechselndem glücke (so geeignet
zur hervorrufung einer Spannung) liebt. Jordanes weiss von
nichts dergleichen. Der Schauplatz der Schlacht ist der ganzen
localisierung der sage gemäss nach Ofen verlegt; Potentia =
Potentiana gehört auch hier entschieden nicht in die echte
Überlieferung. Nach Jordanes findet die Schlacht an dem
flusse Nedao statt; dieser name kommt sonst nirgends vor,
und trotz der vielen Vermutungen, die schon ausgesprochen
wurden, weiss man ihn auch jetzt noch nicht zu deuten, i)
In der Hunneuchronik ist neben Kremheld der eigentliche
anstifter des bruderkrieges Detreh. Er ist Etele, so lange
dieser lebt, treu ergeben, nach seinem tode aber (und dieser
zug beruht wider auf genauer historischer Überlieferung von
dem verhalten Ardarichs, Walamers und seiner brüder) fühlt
er sich seiner vasallen treue enthoben und ist entschlossen, die
einheit der Hunnenmacht aufzulösen und sein volk von der
knechtschaft zu befreien. Es war zu erwarten (so berichtet
die Hunnenchronik auf die sage gestützt), dass nach dem tode
Eteles einer seiner söhne die obermacht antreten werde. Aber
durch die astutia Detrehs und der übrigen deutschen fürsten
wurden die Völker in zwei parteien geteilt: der besonnenere
teil der Hunnen hielt zu Csaba, ein kleiner rest von ihnen
und die übrigen fremden nationen schlössen sich Aladär,
dem söhne der germanischen Kremheld, an. Eine Zeitlang
herschten Csaba und Aladär neben einander, doch entstand
1) Auch der neueste versuch Veghs (Szazadok, Jahrg. 1905, s. 911 ff.)
ist sprachhistorisch ein unmöglicher.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche, XXXI. 37
558 «LEYER
zwisclioii ihnen alsbald, durcli die asi)(tia Detrehs angefacht,
ein lieisser kämpf, in "wek-lieni Csaba^)^?- iraditamcnimn Detrelis
vollkommen besiegt wurde. Detreli tritt aucli hier als der
repräsentant des (4ermanentums, besonders aber des Goten-
tums, auf. In dem prclium CrcmhcU sind all die kämpfe der
g-erm. fürsten gegen die sühne Attilas sagengemäss zusammen-
geflossen, und Detreh ist an die stelle der Gotenfürsten Wa-
lamer, AVidemer, Theodemer und des Gepidenfürsten Ardarich
zugleich getreten. Schon in den Gesta Theodorici (MG., Scr.
rer. Mer. 2,202; vgl. Matthaei a.a.O. s. 23) wii'd Walamer in
diesem kämpfe durch seinen nefCen Theodoricus unterstützt:
Walamer conylohatis suis iluce Thcodorwo fratrudi suo snjyer
llunos irruit. Ob Detreh in der Überlieferung unmittelbar
an die stelle der genannten fürsten getreten, oder ob schon
vor ihm eine einheitliche Vertretung des Germanentums (viel-
leicht durch Walamer) in der sage vorhanden gewesen ist,
kann auch hier, wie bei der tradition von der eroberung
Pannoniens, nicht mit Sicherheit gesagt werden. Theoderich
selbst nahm diese Stellung gewis erst in der zweiten hälfte
des G. jh.'s ein, zu einer zeit also, wo die pannonische Hunnen-
sage mit der historischen Burgundensage schon verknüpft und
Kriemhild in die pannonische Überlieferung eingetreten war.
Es wird allgemein angenommen '), dass Dietrich erst infolge
seiner Verbindung mit Etzel, also secundär und unorganisch,
in die Burgunden- Nibelungensage aufgenommen sei. Diese
behauptung ist, wie die ung. Überlieferung beweist, nur teil-
weise richtig. Die historische sage von der Vernichtung der
Burgunden durch Attila konnte selbstverständlich ohne den
einfluss einer fremden sage von Attilas tod ganz selbständig
zum abschlusse gebracht werden: man erfuhr in Westdeutsch-
land bald nach dem ereignisse, dass Attila durch ein germ.
mädchen, namens lldico, wie das gerücht lautete, ermordet
worden und das Hunnenreich unter den söhnen Attilas zu-
sammengestürzt sei. Eine besondere rolle scheinen die Goten,
oder ein bestimmter Gotenfürst, in dieser ersten nachricht
(wenigstens so weit sie für die sage verwertet wurde) nicht
*) Vgl. Sijmons a.a.O. s. 703. W. "Wilmanns, Der nutergaug der Nibe-
luuge s. 15; letzterer leugnet, aber gewis mit unrecht, überhaupt den histo-
rischen Ursprung der Burgunden- und Jlunncnsage.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 559
gespielt zu haben. Die Burg-undensage wiircle durch diese
nachriclit abgeschlossen und in den folgenden Jahrzehnten
durch die Franken mit der fränk. Nibelungensage verbunden.
In dieser gestalt wanderte die nunmehr verknüpfte und mit
einander, so gut es gieng, in organischen Zusammenhang ge-
brachte Burgunden- Nibelungensage nach dem norden, wo sie
nicht ohne specifisch nordische Zusätze in der Edda fixiert
wurde. Also bezüglich dieser form der Nibelungensage ist die
behauptung richtig, dass Dietrich erst später und secundär
in die Nibelungensage eingetreten sei. Anders entwickelte
sich der ganze sagencomplex in Pannonien. Die rolle Detrehs
war in der ursprünglichen Hunnensage in Pannonien schon
vorhanden, bevor diese mit der Burgundensage verknüpft
wurde: dem repräsentanten der Hunnen (Attila) gegenüber
stand der Vertreter oder standen die Vertreter des Germanen-
tums (Walamer, oder er und seine brüder). Theoderich selbst
kann freilich erst in der zweiten hälfte des 6. jh.'s in die
sage eingetreten sein, aber seine rolle selbst ist so alt, wie
die Überlieferung von Attila und den Hunnen selbst, sie war
schon vorhanden, als die Hunnensage mit der Burgundensage
verknüpft und Kriemhild in die pannonische sage aufgenommen
wurde. Wie ist nun Dietrich in die deutsche Nibelungensage
eingetreten? Icli glaube diese frage durch folgende hj^pothese
beantworten zu können. Ich nehme nämlich an, dass die ost-
got. Hunuensage entweder direct aus Pannonien oder aber aus
Italien, wo die pannonischen traditionen sicher noch eine zeit
bei den Goten lebendig blieben, ebenso nach Deutschland ge-
langt ist, wie die historische Burgundensage nach Pannonien.
Diese Wanderung (so nehme ich weiterhin an) geschah aber
erst nach der Verknüpfung der pannonischen Hunnensage mit
der Burgundensage, und zwar damals, als Theoderich in der
Überlieferung schon die rolle des Vertreters des Germanentums
eingenommen hatte, also frühestens in der zweiten hälfte des
6. jh.'s. In Deutschland war zu jener zeit die historische
Burgundensage mit der sage von den Nibelungen schon ver-
bunden und abgeschlossen, ja bereits nach dem norden gelangt.
Es fand also eine contamination der Burgunden-Nibelungensage
mit der pannonischen Hunnensage statt, die zur folge hatte,
dass neue motive und neue personen (unter ihnen Dietrich)
37*
500 BLEYER
in die deutsche Nil)eliiii<^oiisage aufgenommen wnrden.') In
dieser hinsieht ist also die beliauptnng, als ob Dietrich ganz
unorganisch, bloss durch die person Etzels vermittelt, in die
Nibclungensage eingetreten wäre, unrichtig. Auf der neuen
fassung der sage, die durch die erwähnte contamination herl)ei-
geführt wurde, beruhen, freilich mit mannigfachen späteren
Verschiebungen, die piörekssaga und das Nibelungenlied; aber
auch die Edda zeigt deutliche spuren dieser contamination.
Es kann hier nicht näher erörtert werden, was für folgen
die Verschmelzung mit der pannonischen Hunnensage für die
deutsche sage, wie sie in deutschen dichtungen und der piöreks-
saga auf uns gekommen ist, hatte; nur auf die Gu(')ri'inarkvi(>a
2 und 3 will ich noch kurz l)ezug nehmen. Diese beiden lieder
repräsentieren, wie ich schon oben bei Herkja =- Hei che zum
teil angedeutet habe, eine zweite sagenschicht, welche im 9. bis
10. jli. nach dem norden gelangte, eine sagenschicht also, in
welcher die contamination der Burgunden-Xibelungensage mit
der pannonischen Hunnensage schon vollzogen war. Eben
Herkja = Helche selbst, die mit der mutter Csabas identisch
sein wird, kann kaum anderswoher als aus der pannonisch-
ung. tradition in die deutsche Überlieferung aufgenommen
sein, der sie ursprünglich fremd ist. In der prosaischen
einleitung der Guörünarkviöa 2 heisst es: Pjolnxlcr honumjr
var mc]) AÜa oh hafjji J>ar Idtit fJesia cüla menn sina.
Pjöjnrlr oh Gul)n\n hcerj}ii harma sin d milli. In der
Guc'iriinarkviöa 3 wird nun berichtet, was für ein leid sich
I)j6(M-ekr und GuÖrün gegenseitig geklagt haben: GucMnin be-
klagt die ermordung ihrer brüder durch Atli, pjnörekr den
Verlust seiner mannen. Die Verlegung der angeführten Situation
vor den tod Atlis kann nur secundär sein, und ward diu'ch den
ebenfalls secundären und gerade deshalb nur schwer unterzu-
bi'ingenden bericht über Herkja und durch die combination des-
^) Schon K. Lacbmami, 7a\ den Nibelungen und der Klage, 1836, s. 347 ff.
gelangte auf grnnd der ung. Hunnengeschicbte in einigen jiunkten zu iüm-
licbem resnltate, da ibni aber das verbältnis der deutseben und nord. sage
zur ung. Überlieferung nicbt klar war, glaubte er 'auf die ung. sage viel-
leicht doch zu viel gewicht gelegt' zu haben, und so liess er den gedankeu
fallen. — Eine ähnliche auffassung von der rolle Dietrichs in der deutschen
sage deutet auch (I. Heinrich in Pallas nagy lexikona 5, 249 kurz an.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 561
sellbeu mit dem märclien von der uuschiüdigen künigiii veranlasst.
Sie ist ursprünglich nur nach dem tode Attilas und nach dem
grossen Hunnenkampfe denkbar. In der uug. sage sind Detreh
und Kremheld in ihrem streben einig, und nach der blutigen
Schlacht zwischen Germanen und Hunnen, wo auch so manche
mannen der Germanenfürsten gefallen waren, ist die klage
Detrehs und Kremhelds, die trotz des vielen blutes ihr ge-
schlecht nicht mehr erwecken konnte, wol begründet und ver-
ständlich.') Nachdem die pannonische Hunnensage mit der
deutschen sage verschmolzen war, konnten Dietrich und Kriem-
hild neben einander nur als verbündete den Hunnen und ihrem
repräsentanten (nach dem tode Attilas dem söhn Helches) gegen-
über auftreten. In der deutschen Überlieferung wird Kriemhild
allerdings durch Hildebrand, den Waffenmeister Dietrichs (so
im Nibelungenlied und der Klage) oder durch Dietrich selbst
(in der piörekssaga [Ungers ausg. cap. 392] und in dem anhang
zum Heldenbuch [W. Grimm, D. heldeus.^ s. 337] ) getötet. Sonst
weiss aber auch die deutsche sage nichts von einem feindlichen
Verhältnisse zwischen Dietrich und Kriemhild, und Kriemhilds
tod durch Dietrich kann nur eine späte entwicklung sein, als
das Verhältnis Dietrichs zu Etzel in der deutschen tradition
schon alle historischen beziehungen verloren hatte und Dietrich
ein auf die gnade des (an dem verderben der Burgunden
schuldlos gewordenen) Etzel angewiesener Schützling geworden
war. In der viel historischeren ung. tradition ist Detreh als
repräsentant des unterworfenen Germanentums zwar ein vasall,
aber nicht ein begünstigter Schützling des Hunnenkfjnigs, an
dem Kremheld gerechte räche genommen hat.
Obgleich Detreh mit Kremheld zu der Vernichtung der
Hunnenmacht verbündet ist, darf daraus doch keineswegs ge-
schlossen werden, dass Detreh etwa auch an der ermordung
Eteles, dem er, so lange er lebte, treu ergeben war, beteiligt
oder doch irgendwie mitschuldig gewesen wäre. Dies scheint
') Aus dieser erklärung folgt, dass pjöörekr seine mannen nrsprüng-
lich nicht in der historischen Burgundenschlacht (437), auch wol nicht in
den hunnischen kämpfen um Pannouiens besitz, sondern in der Hunnen-
schlacht vom j. 453 verloren hat. Auch geht aus dieser deutung hervor,
dass in dem freundlichen Verhältnis zwischen pjöörekr und GuÖrün kein
Widerspruch (wie Jiriczek a. a. o. s. 159 glaubt) vorhanden ist.
562 BT.EYER
ausgeschlossen zu sein, denn sonst liätte es der clironist gewis
angeführt. So konnte denn in seiner rolle, die er in dem
grossen kämpfe um die freiheit der unterjochten germ. viUker
einnimmt, ursprünglich gar nichts unehrliches oder verräte-
risches gesehen Avorden sein. Wenn daher die ung. Hunnen-
chronik, gewis auf die anschauung der volkssage gestützt'),
von der tücke und dem verrate Detrehs spricht, so kann diese
Vorstellung nur secundär von dem Ungarntum in die sage
hineingetragen worden sein, von dessen Standpunkt eine be-
schuldigung Detrehs und eine misgunst gegen ihn allerdings
verständlich und natürlich ist.
Wie von Kremheld, wird in der Hunnengeschichte auch
von Detreh nach dem kämpfe zwischen Hunnen und Germanen
nichts weiter gemeldet. Aus der ganzen läge aber, in welche
Detreh durch den sieg der Germanen gekommen, ergibt sich
deutlich, dass er sein früheres besitztum, namentlich Pannonien,
wider zurückgewonnen habe. Elr war als könig von Rom
von den Hunnen unterworfen worden und musste infolgedessen
als Vasall an Eteles liof verbleiben und an seinen kriegerischen
Unternehmungen teilnehmen. Nach der niederlage der Hunnen
war er wider zur freiheit gelangt, und nichts stand ihm mehr
im AAege, mit dem reste seines lieeres, der ihm nach so vielen
kämpfen, besonders nach der blutigen Hunnenschlacht, ver-
blieben war, in sein altes reich, nach Italien zurückzukehren.
Hiermit endet sein aufenthalt in Pannonien, und also das exil
der deutschen sage. Es waren zwanzig jähre, die er ausser-
halb Italiens verbracht, und zwanzig jähre des exils waren,
Avie ich schon oben s. 516 f. hervorgehoben habe, bis zur Kaben-
schlacht verflossen, in welcher Etzels söhne gefallen sind und
Dietrich trotz seines sieges über Ermanarich nach Hunnenland
-'o^
wider zurückkehrte. Der eigentliche grund der rückkehr ist
aus der deutschen sage nicht ersichtlich. Ich glaube ihn durch
folgende erklärung angeben zu können. Es ist nämlich ganz
klar, dass die Überlieferung von dem untergange des Hunnen-
reiches und dem verderben der söhne Attilas an zwei ganz
') Es darf sicher keine bewusste anlubimug des clirouisten au die
möncLisch-gelelirte literatur des mittelaltcrs, avo religiöser hass ein Zerrbild
Theodoricbs gezeichnet hatte (vgl. Jiriczek a. a. o. s. 149), vorausgesetzt
werden. Vgl. übrigens L.Schmidt a.a.O. 8.162.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 563
verschiedenen stellen des deutschen sagenconiplexes eiug-efügt
wurde: einmal in der eigentlichen Dietrichssage, wo sie secundär
mit der Eabenschlacht, also mit der tradition von der eroberung
Italiens durch Theoderich, contaminiert wurde; ein zweites mal
in der Burgunden- Nibelungensage, wo sie ebenfalls secundär
mit der sage von der Vernichtung des burgundischen königs-
geschlechts verknüpft wurde, deren Schauplatz unursprüuglich
an den hof Etzels verlegt worden war. In der Eabenschlacht
hatte Dietrich selbstverständlich seine feste rolle; er hatte sie
aber nach der contaminierung mit der pannonischen Hunnen-
sage auch in der Nibelungensage. Die pfleger der sage von
der Eabenschlacht waren natürlich auch die pfleger der Nibe-
lungensage; es ist also klar, Avaruni Dietrich nach der sieg-
reichen Eabenschlacht nach Hunnenland zurückkehrte: er
musste den kämpf der Hunnen und Burgunden abwarten
(hierdurch ward die zeit des exils von 20 auf 30 — 32 jähre
hinausgeschoben), um in demselben seine alte rolle, die er von
seinem vater und seinen vatersbrüdern angeerbt hatte, zu
übernehmen.
Der darstellung der Hunnenchronik gemäss kann Detrehs
rückkehr nach Italien avoI nur eine friedliche gewesen sein.
Auch in einem teile der deutschen sagenquellen i) kehrt Diet-
rich friedlich in sein altes reich zurück. Warum aber erst
jetzt? Die sage antAvortet: weil sein feind Ermanarich gerade
damals nach der katastrophe der Burgunden und Hunnen ge-
storben war. Dass diese antwort der sage eine willkürliche
und nur notgedrungene ist, liegt auf der hand; und so gab
denn die forschung die w^eitere begründung: Ermanarich
musste eben sterben, da es Dietrich infolge der grossen Schlacht,
wo er und sein gönner Etzel alle ihre mannen verloren hatten,
nicht mehr möglich war, Italien von Ermanarich durch heeres-
macht zurückzuerobern. 2) Es ist augenscheinlich, dass die
*) So in der piörekssaga a.a.O. cap. 395ff., wo mir Sibich Aviderstaud
leistet; und in der Klage, die auch von diesem widerstand nichts weiss.
Diese friedliche rückkelir braucht nicht, wie sich ergeben wird, für unursprüng-
lich angesehen zu Averden, wie allgemein angenommen wird, vgl. Sijnions
a. a. 0. s. 692.
^) Vgl. K. Heinzel, Die ostgot. heldensage s. 60 f. und Sijmons a. a. o.
s. 692 f.
561 BLEYEK
frage weder durch die sage genügend heant wertet, noch durch
die forschung richtig gelöst ist. Dazu kommt, wodurcli die
frage noch verwickelter wird, dass in anderen deutschen
(luellen') die rückkehr keine friedliche, sundern eine kriege-
rische ist. Ich glaube, dass es sich auch hier eigentlich um
zwei sagentypen handle. Die eine ist in ursprünglicher rein-
lieit in der pannonisch-ung. Überlieferung erhalten: Detreh
kehrt, nachdem er das hunnische joch abgeschüttelt hatte,
friedlich in sein altes land nach Italien zurück. Diese Über-
lieferung gelangte bei der Wanderung der pannonischen Hunnen-
sage auch nach Deutschland und ist in der piörekssaga und
Klage fixiert. In Deutschland gab es aber auch noch einen
andern typus^), der sich aus den Überlieferungen von den
kämpfen Theoderichs in Italien gegen Odoaker entwickelt
hatte, wie ihn das Hildebrandslied vorauszusetzen scheint und
wie er uns deutlich in den Quedlinburger aunalen, aber auch
in der Überlieferung von der Rabenschlacht vorliegt; dieser
lautet: Dietrich zieht an der spitze eines hunnischen heeres,
welches ihm Attila zur Verfügung gestellt hatte, gegen Odoaker-
Ermanarich, besiegt ihn bei Ravenna = Raben und erobert
Italien auf diese weise zurück. Während also die ganze ung.
Dietrichssage von der eroberung Pannoniens bis zum unter-
gange des Hunnenreiches durch die Überlieferung von den
kämpfen Theoderichs gegen Odoaker unbeeinflusst blieb, wankt
die deutsche sage beständig zwischen beiden Überlieferungen,
woraus sich meist ein contaniinierter typus ergibt. Den Inhalt
beider Überlieferungen zusammengefasst, ergibt sich folgende
parallele: 1) Dietrich geht seines landes verlustig, ursprünglich
durch Attila — nach beeinflussung durch die italische tradi-
tion: durch Odoaker-Ermanarich; 2) Dietrich zieht an den hof
Attilas, ursprünglich als vasall — nach beeintlussung durch
die italische tradition: als Attilas Schützling ins exil; 3) Diet-
*) So vermutlich im Hildebrandslied und deutlich in den Quedlinburger
anualeu, W.Grimm, D. heldensage' s. 3G.
-) Diese Voraussetzung trifft zu, Avenu die pannoiiische sage direct aus
Paunonien nach Deutschland gelangte; wurde sie aber aus Italien über-
mittelt, so konnte eventuell die pannonische sage schon in Italien mit den
Dietrich-Odoaker-überlieferuugen contaminiert werden und so nach Deutsch-
land gekommen sein.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNÖ. HUNNENSAGE, 565
ricli kämpft neben Attila, ursprüngiicli wahrscheinlich gegen
westliche Völker — nach beeinflussung durch die italische
tradition: gegen Odoaker-Ermanarich; 4) Dietrich verursacht
das verderben der söhne Attilas, ursprünglich absichtlich nach
dem tode Attilas — nach beeinflussung durch die italische
tradition: nicht absichtlich in der Eabenschlacht; 5) Dietrich
kehrt nach Italien zurück, ursprünglich friedlich nach Attilas
tode und dem stürze der Hunnenmacht — infolge der beeinflus-
sung durch die italische tradition: mit heeresmacht gegen
Odoaker-Ermanarich zu Attilas lebzeiten und von ihm unter-
stützt.
Da sich in der Hunnenchronik keine spur einer einwirkung
der Überlieferung von den kämpfen in Italien finden lässt, wird
die ung. sage nicht nur von Odoaker-Ermanarich, sondern auch
von Hildebrand, Witege und den übrigen beiden des Sagen-
kreises von dem Berner Dietrich nichts gewusst haben. In
der Hunnenchronik wird allerdings öfter von 'deutschen' und
'germanischen fürsten' gemeldet (wol auf grund der sage), und
so dürfte sie vielleicht z. b. von dem markgrafen Rüdiger
kenntnis gehabt haben, der wahrscheinlich mit dem Heruler-
könig Eodulf, einem Zeitgenossen und freunde Theoderichs
d. gr., identisch ist. ') Schwerlich aber wird der bericht Olahs,
der in den übrigen Chroniken nicht vorkommt, aus der volks-
sage entnommen sein: (Detriciis) neptem Atilae ex sorore vxorcm
duxisse dicitur; die Übereinstimmung mit dem anhang des
Heldenbuches-) ist auch hier auffallend, wo es heisst: do nam
er (d. i. Dietrich) Herrot Idinig Etzel scJnvester tochfer. Sonst
ist Herrad diu Heichen sivester iochter.^)
Von der beteiligung Dietrichs an der Zerstörung des
Hunnenreiches weiss die deutsche sage nichts mehr, wie denn
Überhaupt die erinnerung an dieses mächtige und bedeutungs-
volle ereignis bei den deutschen stammen teils verblasste, teils
bis zur Unkenntlichkeit entstellt wurde. Nur die Kaiserclironik
(her. von E. Schröder v. 13856 ff.) zeigt auch hier, wie bei der
') Ro(hi]f hatte in Oberungarn ein mächtiges reich gegründet, das
durch den Langohardenköuig Tato um 512 zerstört wurde. Vgl. G. Matthaei,
Zs. fda. 43, 305 f.
") W. Grimm, D. heldensage^ s. 343 und 335.
^) Vgl. W. Grimm a. a. o. im register unter Herrad s. 516.
50G BLEYER
erübening: Pannoniens, eine gewisse iibereiiistiniiming mit der
iiiig'. tradition. Sie meldet uämlicli etwas ähnliches, wie die
Hunnenofeschichte. zwar nicht von Dietrich, von dem sie wusste,
dass er kein Zeitgenosse Attilas gewesen, sondern von Dietmar,
dem söhne des alteti und vater des jungen Dietrich. Nachdem
Etzel in seinem blute erstickt war, zog Dietmar nach hieran,
von wo Etzel seinen vater, den alten Dietrich vertrieben hatte;
die söhne Etzels forderten ihn nun auf, Meran zu verlassen
oder Iribut zu zahlen, was aber Dietmar verweigert, so dass
es zum kami)fe kommt, in dem die Hunnen besiegt werden
und die söhne Etzels fallen. Es scheint, dass hier wirklich
echte Überlieferung vorliegt, die aber durch die gelehrten
kenntnisse des Verfassers historisch corrigiert und getrübt ist.
Natürlich darf auch in diesem falle aus der Übereinstimmung
nicht auf einen bair. Ursprung der ung. sage geschlossen
werden; es handelt sich wahrscheinlich um eine sagenhafte
Variante, die in letzter (luelle auf pannonische Überlieferung
zurückgehen wird.
Der söhn Eteles von Kremheld heisst Aladarius. Er ist
entschieden, wie ich schon öfters erwähnte und bereits AV. Grimm
(Altd. Wälder 1,2G0) erkannte, mit dem Gepidenfürsten Ardarich
bei Jordanes identisch, Aladarius, oder ohne die lat, endung
-itis, Aladär ist ein volkstümlicher ung, name, der in den Ur-
kunden häufiger belegt ist,') Das wort aladdr kommt aber
nicht bloss als personenname vor, sondern im altung. auch als
nomen comm, in der bedeutung 'centurio cohortis praetoriae',-^)
Das w^ort stammt im ung, nach H. Yambery^) aus dem persisch-
türkischen: 'fahnen- oder regimentsinhaber, besitzer einer
truppe'; nach B, Munkäcsi^) aus dem ossetischen: 'Vorsteher,
befehlshaber'. Wir haben jedenfalls auch hier wider, mag
nun A'ämberys oder Muukäcsis erklärung richtig sein oder
nicht, einen volkstümlich -ung. namen, der nicht aus gelehrter
quelle, sondern nur aus der volkssage entnommen sein kann.
') Vgl. NagyG., Är])ä(lkori szemelyuevek. Tnrul. 9, 113.
') Vgl. Simonyi-Szarvas, Magyar uyelvtörteneti szötar 1, 53. Diese
(leiitung ist aber, worauf micli J. Jlelich nachträglich aufmerksam macht,
falsch,
ä) Ursprung d. Magyaren s. 170; vgl. auch Pallas nagy lexikoua 1, 2G0.
*) Alan nyelvemlekek szökiucsünkbeu. Ethuographia 5,8.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 567
Wo die clironiken nicht aus der volkstümliclien tradition
schöpften, haben wir denselben nanien in gelehrter form, so
in der erzählniig von der cat alaunischen Schlacht Äldaricus,
und bei Kezai in seiner einleitung- in die chronik ebenfalls
Äldaricus. Die ableitung des namens Äladdr von Ärdarich
kann keine schwierig-keiten machen: das l in Äladdr entstand
infolge der dissimilation des ersten r in Ärdarich, was eine
allgemeine sprachliche erscheinung ist, und so haben wir schon
bei Otto von Freisingen (Chron. 4, 26; vgl. Matthaei a.a.O. s. 23)
für den Gepidenkönig den nanien Äldaricus] die weitere Um-
gestaltung geschah durch anlehnung an den vielleicht schon
vorhanden gewesenen personennamen Äladdr. Oder wenn der
name ursprünglich kein ungarischer, sondern aus der Helden-
sage in die ung. nonienclatiu' herübergenommen wäre, so finden
wir auch in diesem falle eine ganz ähnliche entwicklung in
andern namen: so z. b. Heder aus Hedrilc, und nach Karäcsonjd ')
Ecser aus Äscrik, Odor aus Udalrik, Felder aus Friderik u. dgl.m.
Aladär ist aber nicht nur dem namen, sondern auch der
rolle nach, die er in dem grossen entscheidungskampfe spielt,
mit dem Gepidenkönig Ärdarich identisch. Dieser war zwar
nicht ein söhn Attilas, wie in der ung. Überlieferung Aladär,
er stand aber in einem solch intimen Verhältnis zu Attila, der
ihn siq^er ceteros regnlos diligehat, dass die Verschiebung in
der pannonisch - ung. tradition, durch welche er zum söhne
Attilas Avurde, leicht erklärlich ist. Fanden wir doch schon
in gelehrter quelle (bei Thierry, s. oben s. 553) eine angäbe
von einem verwantschaftlichen Verhältnisse zwischen Attila
und Ärdarich. Als söhn Attilas von einer germ. mutter ist
Aladär in der Hunnenchronik den Germanen zugetan und
kämpft gegen Csaba und die Hunnen. In der geschichte ist
Ärdarich der eigentliche führer der germ. Völker, in der ung.
sage scheint er nur ein Werkzeug Kremlields und Detrehs ge-
wesen zu sein. Näheres erfahren wir nicht über ihn, nur so
viel, dass er, wie der historische Ärdarich, die Hunnen in
einer furchtbaren schlacht geschlagen habe, aber erst nachdem
er im ersten treffen von Csaba besiegt worden war. Ueber
1) Szent Istvän elete, 1904, s. 17. Vgl. auch J. Melicb, Magyar iiyelv,
Jahrg. 2 (1906), s. 50. Ueber die entstehuug des zweiten «, wie z. h. auch
in alsimüsa aus sIoy. almuzna, vgl. J. Melich a.a.O. s. 160.
568 ÜLEYER
sein weiteres Schicksal schweigt die Iluimeiig-eschichte, gerade
wie über das Kreiiihelds und Detrehs. Dass die ung. Über-
lieferung selbst Yon ihm mehr gewusst hätte, ist nicht wahr-
scheinlich. Oläh berichtet allerdings, dass Aladaricus in praelio
cccidit und zwar schon im ersten treffen; ich glaube aber nicht,
dass dieser bericht aus der sage entnommen wäre. Oläh kannte
ohne zweifei die darstellung des Jordanes, nach welcher Attilas
ältester söhn, Ellac, im kämpfe fiel, und da er dies von Csaba,
von dem die Hunnenchronik auch noch weiteres meldete, nicht
annehmen konnte, übertrug er diese angäbe des Jordanes auf
Aladaricus, von dessen Schicksal in der Hunnenchronik nichts
genaueres mitgeteilt Avar. Aus der Hunnengeschichte folgt
nur das mit grösster Wahrscheinlichkeit, dass Aladär in der
ung, Überlieferung der jüngere söhn Eteles gewesen. War
nämlich Kremheld (was ich oben s. 543) nachzuweisen versuchte)
Eteles zweite gattin, mit der er sich nach dem tode der mutter
Csabas vermählte, so konnte Aladär natürlich nur der jüngere
söhn Eteles sein. Heinrich von Mügeln sagt zwar, Csaba ica^
der letzt siin hinig ctzels\ doch scheint dies ein misverständnis
zu sein, denn in allen übrigen Chroniken steht dafür: Csaba
fdius Ethele est Icgitimns. Aus der deutschen sage dürfte sich
vielleicht noch das eine vermuten lassen, dass Aladär, wie
Aldrian (vgl. unten), an der ermordung Eteles irgendwie be-
teiligt gewesen sei oder der Kremheld irgendwelchen Vorschub
geleistet habe.
Es bleibt nur noch übrig, die frage zu erörtern, ob auch
die deutsche sage eine erinnerung an den Gepidenkönig Arda-
rich bewahrt habe? Schon Kiedl (a.a.O. s. 336 f.) und Petz
(a.a.O. s. 78) haben auf die ähnlichkeit des namens Aluddr
mit Aldrian, wie Grimliilds söhn in der piörekssaga heisst,
hingewiesen. Ich glaube, diese Vermutung ist ganz richtig.
Interessant ist für uns, wie R. Heinzel (lieber die Walther-
sage, WSB. 117, 78f.) den uamen Aldrian, welchen auch zu-
gleich Hagens vater und söhn führen, zu deuten versucht:
'der name kann, wenn man ihn seiner romanischen Umhüllung
entkleidet'), kaum etwas anderes sein als Aldarich oder Ala-
') Für die enduug -an vermutet Bugge, Arkiv 2, 166 slav. urspnuig.
Vgl. R. Ileiuzel, Die ostgot. Leidensage s. 83.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. IIUNNENSAGE, 569
ricJi. . . . Das d in Aldrian kann dem worte ebenso gnt von
lians aus angehören als eingeschoben sein, s. huldrian aus
Valeriana, quendel, spindel, spendling. . . . Auf einen Aklarich
führt niclits, bei Alaricli aber war anlass, ihn als vater des
Aetius und als ahnherrn der gallisch -römischen dynastie der
Volksmeinung aufzufassen, neben den dunkeln Alaneus und
Paulus.' Lautlich ist also auch nach Heinzel eine erklärung
des namens Aldrian aus Aldarich leichter und einfacher, als
aus Alarich\ inhaltlich aber ist die identificierung mit Arda-
rich, wie sich ergeben wird, viel mehr wahrscheinlich, als die
mit Alaricli.
Aladdr < Ardarich in der ung. sage kann also sprachlich
ohne Schwierigkeit mit dem namen Aldrian in der deutschen
Überlieferung gleichgestellt werden.') Es fragt sich nun, wie
sich Aldrian seiner Stellung nach, die er in der deutschen sage
einnimmt, zu Aladär < Ardarich in der ung. tradition verhält?
Zur beantwortung dieser frage wollen wir die nordische und
deutsche Überlieferung von Attilas söhnen kurz prüfen. In
der Edda heissen Atlis und zugleich Guönins söhne Erpr und
Eitill, die von Guörün getötet und Atli als speise aufgetischt
werden; nachher ermordet Guörün Atli und zwar nach Atla-
kviöa allein, nach Atlamol mit hilfe Hniflungs, des sohnes H^gnis
(V^lsungasaga). In der piörekssaga hat Attila zwei söhne von
Erka-Helche: Erpr und Ortvin, die auf piöreks heerfahrt gegen
Erminrekr von Viöga erschlagen werden (s. üngers ausg.
cap. 316ff.), und einen von Grimhildr, namens Aldrian, der in
dem grossen kämpfe der Nibelungen und Hunnen von Hogni
enthauptet wird (a.a.O. cap. 379); Aldrian aber heisst in der
I)iörekssaga auch noch der vater der nibelungischen königs-
sölme (Gunnars, Gislers, Guthorms und Hognis)"'^) und Grim-
hilds (a.a.O. cap. 1G9); ausserdem der nachgeborne solin Hognis,
den Attila lieb hatte und an seinem hofe erziehen Hess, der
ihn aber in einen berg führte, um ihm den Nibelungenhort zu
zeigen, und ihn dort verhungern liess (a. a. o, cap. 423 ff.). Im
Biterolf heissen Etzels söhne von Helche Ort und Erpfe
1) Andere deutnugen des namens Aldrian, namentlich die von W.Müller,
Myth. der deutschen heldensage s. 37 f., sind ganz unwahrscheinlich.
*) Er ist eigentlich nur Aldrians pflegesohn, da ihn Aldrians gattin
von einem elfen empfieng.
570 BLEYER
(Deutsches heldenb. 1, v. 3334), in der Rabeiisclilaclit Orte und
Scliarpfe, die, wie in der Ijic^rekssaga, von Witeg^e ersclilayen
werden (Deutsches hehlenh. 2, str. 397 ff.). Im Nibelungenlied
heisst der vater Hagens Aldrian (der der burgundischen königs-
söhne Dancrat), der sühn Etzels von Kriemhild Ortlieb, den
Hagen, wie in der piörekssaga, enthauptet.
Trotz wichtiger abweichungen lierschen doch auch gewisse
Übereinstimmungen unter den angeführten nanien. Besonders
die grundform Orte kehrt öfters wider: Orte, Ortvin, Ortlieh.
Ich vermute, dass auch diese namen mit Aldrian, Aladär, Arda-
rich zusammenhängen. Arda-rich, got. richtig ^Arda-reiks, ist
ein compositum, und es ist bekannt, dass bei den Germanen
von zusammengesetzten personennamen oft nur der eine be-
standteil gebraucht wurde. Lassen wir bei ^Arda-reihs das
zweite compositionsglied weg, so erhalten wir "^Arda. Diesen
stamm ziehe ich nicht wie F. AVrede (Ueber die spräche der
Ostgoten s. 159) zu got. hardus 'hart', da auf diese weise der
name Ärda-rciks oder Harda-reiJcs •) keinen rechten sinn geben
würde, sondern mit W. Brückner (a.a.O. s. 161, anm. 2) zu as.
ard, ags. eard 'stammgut', das besonders in ags. namen als
compositionsglied häufig ist, und auch im langob. öfter belegt
ist, z. b. Ärdericus, Arduimis, Arderadus, Ardemannus u. s.w.
(vgl. W. Brückner a.a.O. s. 226). Dieses "^Arda musste zu ahd.
Arto > mhd. Arte werden.'^) Nun ist aber im ahd. für germ. a
nicht selten o eingetreten, besonders vor l und r^), so dass
wir neben oder für Arte auch die entwicklung Orte anzu-
nehmen berechtigt sind^), wie denn einer der söhne Etzels im
Biterolf und in der Rabenschlacht heisst. Wir haben also
neben einander mehrere namen mit demselben grundwort (got.
Ardareiks, ung. Aladdr, deutsch Aldrian, Orte, Ortivin, Ortlich),
Avas im germ. eine häufige erscheinung ist, z. b. ostgot. Guda,
') Das schwanken in der scbreibnng des anlautenden h geht hekanut-
lich auf lom. einfluss zurück. Vgl. W. Brückner, Die spräche der Lango-
barden, 1895, 3. 160 f.
") Im dentschen als Ardo = Arto, namentlich in Zusammensetzungen,
öfter belegt; vgl. E. Försteraanu, Altd. namenb. 1, fälschlich unter hardus.
') Vgl. W. Braune, Ahd.gramm. § 25, anm. 1 und S. Singer, Beitr. 11. 287.
*) So wechseln z. b. auch OrtyiU und llarlnit ab; vgl. K. MüUeuhuff,
Zs. fda. 12, 349 und 352.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 571
Gildila, Gnäerith, Giahvin, G^iäilen}), Gnclinand; Oäeric, Oäinn,
Odtvidf u.sAX. (Wrecle a.a.O. s. 71 f. und 83 f.; vgl. auch oben
s. 459 bei Buda).
Jeder dieser verwanten namen bezeichnet in der sage einen
solm Attilas. Es ist kaum denkbar, dass in solchem zusammen-
hange die ähnlichkeit der namen rein zufällig wäre, sondern
sehr wahrscheinlich, dass sie ursprünglich aus einer und der-
selben alten tradition stammen. Diese alte tradition ist meiner
ansieht nach wider in der uug. sage am treuesten bewahrt.
Ich will versuchen, im anschlusse an meine bisherigen erörte-
rungen das Verhältnis der deutschen und nordischen Überliefe-
rung von Attilas söhnen zu der in der ung. sage erhaltenen
tradition sagengeschichtlich zu erklären.
Ich habe schon ausgeführt, dass die deutsche sage von
Attilas tod und dem verderben seiner söhne sich bei den
deutschen stammen selbständig und zwar alsbald nach dem
ereignisse gebildet habe, dass sie weiterhin vermutlich von
den Alemannen mit der Burgundensage und später von den
Franken mit der Nibelungensage verknüpft, in dieser gestalt
nach dem norden verpflanzt und in der Edda fixiert worden
sei. Die deutschen stamme erhielten die nachricht, dass Attila
von Ildico aus räche im schlafe trunken getötet worden sei,
worauf sie alsbald die weitere, nicht minder bedeutungsvolle
und überraschende nachricht erfuhren, dass die söhne Attilas
in einer furchtbaren Schlacht geschlagen und das Hunnenreich
zerstört worden sei, und zwar mittelbar oder unmittelbar (was
für ein schluss hätte sich aus den beiden, rasch auf einander
folgenden ereignissen dem fernstehenden in natürlicherer weise
aufdrängen können?) durch Ildico herbeigeführt. Nach der
Verbindung dieser schon sagenhaften gerüchte von Attilas tod
und dem verderben seiner söhne mit der historischen Burgunden-
sage musste die Überlieferung lauten: Ildico -Kriemhild, die
Schwester der Burgundenkönige, habe ihr geschlecht an Attila
gerächt und rachesüchtig auch die söhne Attilas (in weiterer
entwicklung: von Kriemhild) und das Hunnenreich dem ver-
derben geweiht. Diese fassung der sage besitzen wir in der
Edda, wo beide söhne Atlis, Erpr und Eitill (ihre namen sind
vielleicht aus wirklichen historischen namen zweier söhne
572 BLEYER
Attilas entstellt')) von Guörün abstamnKin. Erpr und Eitill
werden in der Edda noch vor dem tode Atlis getiUet, dass
die räche an Atli um so gransamer erscheine: eine Veränderung,
die leicht vor sich gehen konnte, da der Untergang des Hunnen-
reiches für die von Pannonien weit entfernten germ. Völker
nicht von interesse war, also eine selbständige bedeutung (wie
in Pannonien) nicht hatte, so dass dem naturgemässen streben
der sage nach Individualisierung der historischen ereignisse
nichts im wege stand. Von der angeführten sagenform un-
abhängig entwickelte sich die Überlieferung in Pannonien, wie
sie uns in der Hunnenchronik erhalten ist. Wie ich schon
oben s. 559 ausgeführt habe, wanderte die pannonische Hunnen-
sage, nachdem sie mit der deutschen Burgundensage verknüpft
war, wahrscheinlich direct aus Pannonien, oder aber über
Italien nach Deutschland und wurde mit der Burgunden-
Nibelungensage contaminiert. Diese neuen elemente führten
zu neuen Umgestaltungen, wobei die söhne Attilas neue namen
erhielten: Orte, Ortvin, Örtlich, Äldrian (< Aldarich) und
Scliarpfe, die mit den alten durcheinander geworfen wurden.
Die so entstandene fassung mag etwa gelautet haben: Kriem-
hild tötet (von Dietrich unterstützt) die beiden söhne Attilas,
von welchen der eine (Orte, Ortwin, Ortlieb, Aldrian, der unter
dem einflusse der pannonischen tradition an die stelle des
Eitill trat) von ihr abstammt, der andere aber von Helche
(Scharpfe, neben welchem aber auch der alte name Erpr-Erpfe
beibehalten blieb);, hierauf ermordete Kriemhild Attila selbst
und zwar (vermutlich unter dem einflusse der pannonischen
tradition) mit hilfe Aldrians, der aber in der deutschen sage
nicht mehr als der söhn Kriemhilds gelten konnte, da ja in
der älteren Überlieferung, die uns die Edda erhalten, beide
söhne Attilas nicht mehr am leben waren, sondern zu einem
Nibelungensprössling (Hniflungr) gemacht werden musste und
zwar zu dem söhne des grössten nibelungischen Hunnenfeindes,
nämlich Hagens. Dass aber dies nur eine secundäre Verschie-
bung sein kann, beweist zur genüge der umstand, dass Aldrian
') So leitet z. b. Bugge, Erpr og Eitill. Skrifter udg. af videuskabssel-
kabet i Christiania, 2, hist.-phil. kl. iio. 5, s. 5 den uameii Erin- von dem
liistoriscben Ernac ab. Vgl. Fr. Pauzer, l>eutscbe beldeusage im Breisgaii,
1904, 8. 45 uud 77, anm. 65.
DIE GERM. ELEMENTE DER ÜNG. HUNNENSAGE. 573
in ganz nnnatürliclier weise ^) von dem totwiinden Hagen un-
mittelbar vor seinem tode von einer sonst nie erwälinten
Hunnin^) erzeugt wird.
Aus dieser Überlieferung gelangten bei der zweiten
Wanderung der deutschen sage nach dem norden nicht nur
Herkja und pjuörekr (wie ich oben s. 560 naclizuweisen suchte)
in die Edda, sondern auch Aldrian, mit dem Hniflungr,^), der
söhn HQgnis zweifellos identisch ist, so dass der name nur zu-
fällig verschwiegen oder vergessen sein kann. Anders gieng
die weitere entwicklung der deutschen sage selbst vor sich;
wir sehen hier dieselbe Spaltung, wie bei der Überlieferung
von Dietrich. Nachdem einerseits die Hunnenschlacht mit der
Eabenschlacht unter dem einflusse der tradition von der erobe-
rung Italiens combiniert worden war, musste der tod der söhne
Etzels vor die Vermählung mit Kriemhild verlegt werden, also
musste die sage beide söhne Etzels, auch Orte-Ortwin, der
ursprünglich (wie Aladär) ein söhn Kriemhilds war, von Helche
abstammen lassen; andererseits aber ward auch die Burgunden-
schlaclit mit der Hunnenschlacht contaminiert, wo es hiess,
Kriemhild habe in ihrer räche auch ihren eigenen söhn nicht
verschont, und so begegnen wir auch hier Ortlieb - Aldrian <
Ardarich, aber in ursprünglicher form als dem söhne Kriem-
hilds, wider, der in secundärer Verschiebung (welche durch
die Übertragung der schuld von Etzel auf Kriemhild ver-
anlasst wurde) von Hagen enthauptet wird. Ardarich > Aldrian
als beteiligter an der ermordung Etzels musste wegfallen, da
die deutsche sage von dem tode Etzels nichts mehr weiss.
Aldrian wurde aber wahrscheinlich eben dadurch in der
deutschen Überlieferung zum vater Hagens, des furchtbaren
mörders der Hunnen, gemacht, wie denn das Nibelungenlied
(ausg. von K. Bartsch str. 1755, 1 f.) Etzel von Aldrian sagen
') Vgl. M. Eieger, Die Nibelungensage, Germ. 3, 197.
') Dass sie eine Huuuin gewesen, ist zwar nicht ausdrücklich erwähnt,
geht aber aus dem schauplatze und dem ganzen Inhalt der erzählung hervor ;
Aldrian war also Halbgermane, eben wie Aladär.
^) Dass Hniflungr erst der zweiten sagenschicht angehören könne,
geht auch aus andern gründen deutlich hervor. Vgl. A. Edzardi, Kleine
beitrage zur geschichte und erklärung der Eddalieder, Germ. 23, 412.
Beiträge lur geschichte der deutschen spräche. XXXI. 38
574 RT-EYER
lässt: ^^'ol erkande ich Aldriänen, wau tlor was uiin man.
lob und michel ere er hie bi mir gewan.
Also ähnlich, wie die piiM-ekssaga von Aldrian, dem söhne
Hoofnis. berichtet, dass er sich am liofe Attilas aufg:ehalten
habe. All die Verschiebungen, die wir in der P'dda und in
den deutschen dichtungt-n wahrnehmen können, spiegeln sich
ganz deutlich in der pic^rekssaga wider, die altes und neues,
nordisches nnd deutsches sagengut bunt durcheinander wirft.
Die vei-schiedenen formen der namen aus und für Ardarich
sind in der nordisch-deutschen Überlieferung gewis durch zeit-
liche und locale unterschiede in der püege der sage bedingt:
die älteste form ist zweifellos Aldrian. die dem gotischen laut-
bestande am nächsten steht und wahrscheinlich infolge der
Spaltung der ursprünglichen rolle Ardarichs beibehalten blieb,
infolgedessen zwei namen nötig waren; jünger als Aldrian
wurd die form Orte sein, und die jüngsten Ortivin und Örtlich.
Die wesentlichste abweichung der nord.- deutschen sage
von der ung. Überlieferung besteht darin, dass erst ere die
söhne Attilas in dem grossen kämpfe umkommen lässt '), wäh-
rend letztere zwar von ihrem stürze, aber nichts von ihrem
tode weiss. Doch ist diese abweichung leicht zu ei'klären.
Auch in der ung. sage verlieren Eteles söhne macht und reich:
Csaba wird aus Pannonieu vertrieben, und sicher wird auch
Aladär die frucht seines sieges, zu dem ihm Detreh verholten,
an diesen abgetreten haben, denn als Vertreter der Germanen
niusste Detreh nach der niederlage der Hunnen die herschaft
über die Germanen zurückgewinnen. In der deutschen sage
aber, \vo infolge des mangels jedes nationalen Zusammenhanges
mit den historischen ereignissen die Überlieferung immer mehr
persönlich-individuell aufgefasst wurde, bedeutete für die söhne
Etzels der verlust ihrer macht notwendigerweise ihren tod,
um so mehr, als der Untergang des Hunnenreichs selbst in der
westlichen Überlieferung (weil für die deutsche Xibelungensage
ohne bedeutung) schon früh vergessen wurde, und also nicht
mehr als eine Vergeltung für die Vernichtung des burgundischen
königsgeschlechtes gelten konnte. Dieser von der pannonischen
') Nur von Huiriungr-AlJriaus tode weiss weder die Edda, noch die
piörekssage etwas; nach letzterer erobert er sogar mit Bryuhilds hilfe nach
dem tode Attilas das land der Nibelnngeu zurück; Uugers ausg. cap. 427.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNO. HUNNENSAGE. 575
tradition abweichenden auffassung- ward auch wahrscheinlich
durch die nacliricht von dem tode Ellacs und vielleicht noch
anderer söhne Attilas Vorschub g-eleistet.
So viel geht aus dem gesagten entschieden hervor, dass
die ung. sage auch hier reinere und historisch treuere Über-
lieferungen bewahrt hat, als die nord.-deutsche. Auch das ist
höchst wahrscheinlich, dass die pannonische sage auch in bezug
auf Aldrian - Orte - Ortlieb auf die deutsche Überlieferung ein-
gewirkt hat, die sich aber (gerade wie bei Dietrich) erst
geltend gemacht haben kann, als die historische Burgunden-
sage unter dem einflusse der nachrichten von Attilas tod und
dem verderben seiner söhne und seines reiches zum abschluss
gebracht und mit der fränkischen Nibelungensage schon ver-
knüpft worden war.
Der zweite sohu Eteles hiess Chaba, 1. Csaha = Caha
(vgl. Melich J., Szhlv jövevenyszavaink 1,2,20 ff.). Er stammte
von der griechischen königstochter Honoria = Helche. Nachdem
er von Aladär und Detreh besiegt worden war, floh er aus
Pannonien :
Fugiit ergo Chaba (so wird in den clironiken der oben mitgeteilte
hericht fortgesetzt) cum XV milibns Hnnorum in Greciiim ad Hoiioriuin, et
quaniuis retiuere voluisset, et Grecie incolam efücere, non permansit, rediens
in Scithiam ad patris nationes ac cognatos. ") Qui dum Scithiam introisset,
mox incepit suadere quod peuitus redireut in Panuouiam, ultionem de Ger-
nianicis accepturi. Eemanseraut quoque de Hunis virorum tria milia ex
prelio Crimildino erepti per fuge interfugium, qui timentes occidentis nationes
in campo Chigle usque Arpad permanserunt, qui se ibi non Hunos, sed Za-
culos vocauerunt. ^) Isti enim Zaculi Hunorum sunt residui, qui dum Hungaros
in Pannoniam iterato cognouerunt remeasse, redeuntibus in Euthenie finibus
occurrerunt, insimulque Panuonia conquestata partem in ea sunt adepti,
non tarnen in piano Panuonie, sed cum Blackis in montibus confiniis sortem
habuerunt. Unde Blackis commixti literis ipsorum uti perhibentur. ä) Isti
^) In den übrigen Chroniken hinzugefügt: Manserat namque Chaha in
Grecia cum Honorio annis Hill, sed rediit in Scythiam anno uno propter
viarum discrimina, et difficultatem passagiorum, worauf der bericht über
Csabas corosminische gattin folgt.
") In den übrigen Chroniken: per fuge interfugium erepti de prelio
Criimheldino (Chr. Pos. Cuminhtddino) in campium Chigla mezei se colligere
procurarunt. Qui cum timerent occidentis nationes ne eos inuaderent ex
abrupto, ad Erdeelew intrauerunt, non se Hungaros, sed Zeicul (Sicidos)
alio nomine vocauerunt.
'■') Ausführlicher berichten darüber TurOczi und Oläh.
38*
57C bLeyer
qiiilipe Zaculi in Grecia periisse Cbabani putaueriuit. Uiule vulgiis adhuc
Inquitur in coiuimmi: Tunc redire »lebeas, quando Chaba de Grecia reuertetur.
Iste itrit'ir filius Etlicle ost lef,ntiiiins"), ex filia Honorii iiiii)orat()ris Gn'corum
geuitus, cui Edeiueu et Ed tilii snut vocati. Edcmeii autfiii, cum llniigari
in Pannouiara secniidario sunt reuersi, cum maxima familia patris sui et
niatris introiuit, nam mater eins de Corosmiuis orta erat. Ed vero in Scitia
reiiiaiisit apud patrem. Ex isto eiiiiii Cbaba f;;eneratio Abe est egressa. Cum
igitur Chaba adieiis in .Scitiam nobilitate genitricis in communi se iactaret,
Hunoruni nobilitas ipsuni contempuebat, asserentes eum non verum esse
ahimpnium regui Scitie, sed quasi niissitaliuni extere nationis. Propter
quod e Scitia uxorem non acco])it, sed traduxit de gente Corosmina. '-') —
Püstquam autem filii Ethele in prelio Crumhelt cum gente Scitica fere
quasi deperiissent, Pauuonia extitit X annis sine rege, Sclauis tautummodo
Grecis Teutonicis Messianis et Vlabis aduenis remanentibus in eadem, (jui
viuente Ethela popuhiri seruitio sibi seruiebant. Surrexit tandem Zuatapulg
lilius Morot, prineeps quidera in Polonia, qui Bracta subiugandu Bulgaris
Messianisque iraperabat, incipiens similiter in Pannonia post Hunoruni ex-
terminium dominari. Hunc quidem Hungari . . . cum tota militia pereme-
runt, et äc Pannonie populis, qui superius sunt uotati inceperuut dominari.
Was noch weiter berichtet wird, gehört nicht mehr zur
eigentlichen Hunnensage; die clironologie von der regierung
Attilas im Chron. Vind. und einigen anderen Chroniken ist
natürlich gelehrte combination.
AVie ich schon oben s. 551 hervorgehoben habe, war dieser
teil der sage vom ungarisch-nationalen Standpunkte der wich-
tigste: er bot die begründung der Identität der Hunnen und
Ungarn und die rechtfertigung der ung. landnahnie. Eben
deshalb ist die selbständige Weiterbildung der germ. Über-
lieferung durch die Ungarn hier am weitesten gediehen. Aus
den speciflsch ung. elementen dieser partie der Hunuen-
geschichte ergeben sich probleme, die zu den umstrittensten
der ung, Urgeschichte gehören. An diese stelle sind nament-
lich die Szeklerfrage und die frage der ung. kerbschrift ge-
knüpft. Für unsere aufgäbe sind sie aber nicht von unmittel-
barer Wichtigkeit; eben deshalb ist es nicht nötig, dass ich
hier eine Übersicht, geschweige eine kritik der mehr oder
weniger begründeten antworten gebe (auch die neuesten haben
') Bei H. V. Mügf'ln: Derseih kaha waz der letzt sun Jnoiig etzels.
^) In den übrigen Chroniken: i/jc (Cbaba) ni<<c»i in Sct/tidi», paternam
scilicet sedem adiendo, iixorem de Scitia non accepit, sed tradiuit de Co-
rosmina, de consilio Bendekiiz aui srii, quetn sanum, sed nimis decrepitum
diciinr inuenisse.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 577
meiner überzeng-ung nach die einzelnen fragen nicht in ihrem
ganzen umfange geklärt), mit denen eine lösimg der auf-
gestellten Probleme bisher versucht wurde.
Die deutung des namens Csaba macht Schwierigkeiten.
Im allgemeinen nimmt man an, dass er der specifisch ung.
tradition angehöre. Im ung. heisst eine pflanze (aber nur
mundartlich und auch so höchst selten ') ) Csaba-ire (Csaha-irem)
'pimpinella germanica saxifi'aga'. Ihren namen erklären ältere
botaniker durch die erzählung, die wahrscheinlich auf gelehrter
invention beruht (die pimpinella hat auch im glauben der germ.
Völker eine wundenheilende und blutstillende kraft), dass Csaba
seine 15000 verwundeten mannen, mit denen er nachher nach
Griechenland floh, mit dieser pflanze geheilt habe. 2) Ausserdem
heisst die milchst rasse im ung. (sie hat auch andere namen)
hadalc-üfja *via belli', welche bezeichnung in einem märchen^)
zweifelhaften Ursprungs folgendermassen erklärt wird: Csabas
mannen seien auf dem sternenpfade, der seither von den hufen
ihrer rosse sprüht (milchstrasse) herabgestiegen und haben den
bedrängten Szeklern in ihrer not beigestanden.^) Auf die dar-
stellung in der Hunnenchronik und auf diese höchst unsicheren
mythischen züge gestützt halten manche ung. gelehrte die
ganze figur Csabas für mythisch, die aus dem ung. mythos in
die Hunnensage übergetreten sei.^)
Der name 'Csaba' wird auch von dem anonymen notar
(cap. 45) erwähnt: Zuardu in eadem terra duxH sihi uxorem,
et pojndus iUe qiii nunc dicitur sohamogera (lies Csaba magyera
'der Ungar Csabas'), mortuo duce Zuard in grecia remansit. Et
1) Vgl. Borbäs V., Magyar nyelvör, jahrg. 1896, s. 553.
2) Vgl. Ipolyi Arn., Magyar mythologia s. 253, und Sebestyen a.a.O.
s. 531 ff.
^) Vgl. Ipolyi Arn., Magyar mythologia s. 581. Lugossy J., Osmagyar
csillagismei közlemeny. Üj. magy. müzeum, 5. jahrg. (1855), 1, 115 ff. Sebe-
styen a. a. 0. s. 535 ff. Vgl. auch Ipolyi Arn., Zs. f. d. myth. 1, 160 ff.
") Eine andere deutung gibt A. Szirniay, Huugaria in parabolis: Ha-
daJcüUija ex eo vocatnr: quocl ex Asia egressi (Hungari) ductiim consteUa-
tionis huJKS in Etiropam secuti fuerunt. Diese erklärung, die augenschein-
lich eine ganz willkürliche ist, fand auch in J. Grimms Deutsche myth.'^ s. 331
eingang.
*) So Ipolyi Arn., Magyar mythologia s. 159f. 354 ff. u. ö. Marczali H.,
A sz6kelyek eredet6rol, Buda-pesti szemle 25, 142. Auch Petz a. a. 0. s. 80.
578 ULKYKK
idco dldus est sola sccundum grecos, id est stulfiis jiojndus,
quia mortito domino suo nlani non diJc.rit redire ad pntriam
suam. Dass zwischen diesem berichte des anoii3'meii notars
und dem der Hiinnengeschichte über Csaba ein zusammenliang'
vorhanden sein muss, kann kaum bezweifelt werden. In der
versilimähung des geschwätzes der Spielleute aber deutet der
gelehrte notar leider auch hier seine sagenkenntnis nur eben
an, und zieht ihr augenscheinlich eine einfältige, gelehrte ety-
mologie vor: sola < griech. oxo^- (anklingend an ung. ostoha:
ein slavisches lehnwort, == 'dumm'). So bleibt denn der Zu-
sammenhang dunkel, und die herangezogene stelle bei dem
notar kann uns in der deutung der Csaba-sage kaum fördern.
Der umstand, dass hier ein ung. yolksstamm als Csaba nuujycra
bezeichnet wird, führt G. Nagy ') zu der annähme, dass Csaba
eigentlich mit dem volksnamen der hunnischen Saviri oder
Sabiri identisch sei, die von Jordanes (Getica cap. 5), so scheint
es, auch Ilunuguri genannt werden. Die Hiinuguri hält Nagy
für 'Ungarn' und auf den bericht kaiser Constantins^) über
die 2^aßaQroiaöcfaXoi gestützt schliesst er, die Sabiri seien
eigentlich ein ung. volksstamm gewesen, und Csaba sei dem-
gemäss ein eponymus und sei infolge der erinnerung an die
Übersiedlung eines teiles der Hunnen nach dem untergange
des Hunnenreiches an die untere Donau im römischen reich
in die specifisch ung. sage von den Hunnen aufgenommen
worden. Wie scharfsinnig diese hypothese auch sein mag, so
ist sie doch, auf wissenschaftlich nicht beweisbaren ansichten
aufgebaut, kaum mehr als ein blosses spiel der phantasie.
Eine andere erklärung gibt Sebestyen (a.a.O. s. 549 ff.), der
auch hier avarische beeinflussung der germ. Überlieferungen
sieht. Er hält die deutung des ausdruckes hadaJc ülja durch
das erwähnte märchen für alte und echte tradition und gründet
darauf seine hypothese von Csaba. Er führt die bekannte
sagenhafte erzähhing AVidukinds^) von dem untergange des
') Adatok a szekelyek eredetehcz es egykori lakhelyehez s. 130, und
Pallas nagy lexikona 4, 380 f.
') De adm. imp. cap. 38. A magyar boufoglaläs kütf oi, szerk. Pauler
Gy. CS Szilägyi S., 1900, s. 120 f.
*) MG. SS. 3, -420 ff. Die sage ist uns auch in anderen quellen erhalten ;
vgl. K. Miillcnhoft, Zs. fda. 17, ö7 if. R. Koegel, Gesch. d. deutschen litcratur
1, 1, 124 if. SijmoDS a. a. o. s. 608-
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. IIUNNENSAGE. 579
tliüringisclien reiches an: Irminfrid, der letzte thüringisclie
köuig-, flielit mit weib und kindern bei dem nächtlichen über-
falle der Sachsen, die mit dem Frankenkönig Thiadricus, dem
Schwager Irmiufrids, verbündet waren. Thiadricus lässt Irmin-
frid zurückrufen und überredet durch falsche Versprechungen
Iring, den vertrauten ratgeber des unglücklichen königs, seinen
eigenen herrn zu töten. Nach vollendeter tat wird aber Iring
statt der erwarteten belohnung des reiches verwiesen, worauf
er den Frankenkönig aus räche ersticht und sich mit dem
Schwerte einen Aveg bahnt. Widukind selbst bezweifelt die
Wahrhaftigkeit des berichtes, fügt aber hinzu: Mirari tarnen
non possumus, in tantam famam praevaluisse, nt Iringis no-
mine, quem ita vocüant, ladeus coeli circulus usque in praesens
Sit notatus. Ausser dieser sage zieht Sebestyen auch das
Nibelungenlied heran, wo Irnfrit und Iring am hofe Etzels
weilen, da sie nach der Klage (v. 373 ff.) in des reiches acht
seien. Weiterhin weist Sebestyen einen historischen Avaren-
fürsten Iring nach, der, so berichtet Eegino^), 796 von herzog
Heinrich von Friaul aus seinem westpannon. besitztum vertrieben
worden und zu dem deutschen kaiser geflohen sei. Auf diese
historische gestalt müssen nach Sebestyen die angeführten sagen-
haften Überlieferungen bei Widukind und im Nib.-l. zurück-
geführt werden, die im gründe mit der ung. tradition von Csaba
(dieser sei ursprünglich ebenfalls ein vertriebener Avarenfürst)
identisch und aus Pannonieu nach Deutschland verpflanzt
worden seien. Die ganze identificierung der deutschen Über-
lieferung von Iring dem epischen und Iring dem mythischen
beiden mit der ung. Csaba-sage ist aus vielen gründen unmög-
lich; es genügt aber vollkommen der hin weis, dass die behaup-
tung, Iring sei ein historischer Avarenfürst gewesen, auf einem
'groben misverständnis' Reginos beruht, der aus Hringus
'Avarenring' einen Avarenfürsten namens Iring gemacht hat.^)
1) MG. SS. 1,561, ad. a. 796.
*) Bei Regiuo heisst es: Henricus, dux ForoManorum ... Irimjum
(jentis Avarorum principem . . . improvise expoliavit. Vgl. die bezügliche
stelle bei Eiuliard, MG. SS. 1, 183 ad a. 796: eiu teil des Schatzes, (luaii
EricHS äiLV Forondiensis, spoliata Hunonun regia quae Hringus vocahatur,
eodem anno regt de Pannonia detiderat, wiirde dem neu erwählten papst
Leo zum geschenke nach Rom geschickt. Aus Eegiuos chronik geriet das
misverständnis auch in andere Chroniken. Vgl. Abel-Simon, Jahrbücher des
f.
so BLEYEU
Die angeführte orkläniiig der Csaba-sage ist der wichtigste
inmkt in der beweisfiihrung Sebestyens; da aber diese erklä-
rung falsch ist, muss seine ganze Szekler- Avaren- theorie in
beziig anf die sage als verfehlt nnd niislungen bezeichnet
-werden.
Den namen Csaha selbst leitet H. Vämbery (Der Ursprung
der Magyaren s. 109) etymologisch aus dem türk. her; er meint,
er sei 'mit dem türkischen cajmJc »einer, der einen einfall
macht, ein krieger«, identisch, und zwar ein nonien agentis
von der Stammsilbe äq}, cab »einfallen, angreifen«'. Ob diese
etymologie richtig ist, mag dahingestellt sein: sicher ist nur
so viel, dass Csaha im mittelalter ein häufiger und volk.stüm-
licher ung. name war, der als personenname in den Urkunden
oft belegt und auch in Ortsnamen erhalten ist.')
Es ist klar, dass uns die Vermutungen über Csabas person
und namen, die bisher aufgestellt wurden, in der deutung der
Csaba-sage wenig oder gar nicht fördern können. Die rolle,
die Csaba in der ung. Hunnensage inne hat, halte ich nur
teilweise, und zwar nur in ihrem abschlusse, für si)ecitisch
ungarisch, ihrem kerne und ihrer ganzen anläge nach beruht
sie auf historischer grundlage und ist germanischen Ursprungs.
Wie ich schon oben s. 541 f. ausführte, ist es höchst wahrschein-
lich, dass die mutter Csabas mit Helche in der deutschen sage
und mit Kreka in der geschichte identisch ist. Aus dtr Hunnen-
chronik geht es deutlich hervor, dass Csaba Aladär gegenüber
der liebling der Hunnen, und wahrscheinlich auch der Attilas
war. Von einem liebling Attilas, 'Jl^rax oder Jl^räc, der
sein jüngster söhn gewesen, sagt Priscus (Corp. scr. Byz. s. 161
und s. 206), dass er deshalb bevorzugt worden sei, weil
von ihm geweissagt wurde, dass er das gestürzte geschlecht
fränkischen reiches unter Karl d. gr. 2 (1883), 99, und Forschungen zur
deutschen geschichte 14, 135.
>) Auffallend ist, dass Schaha als name eines ung. hecrführers in der
schlaolit bei Augs1»nry in Aventins Amialen a.a.O. s. 13 und 15 und Chronik
5, 1, 272 und 273 erwähnt ist. Andere quellen wissen, soAvcit ich sehe, von
diesem Schaha nichts, und wie er in Aventins werke geraten ist, ist un-
bekannt. Mit der Hunneusage darf aber ein Zusammenhang kaum an-
genommen werden. Vgl. Nagy G., Adatok a szekelyek eredetehez es egykori
lakhelyehez s. 15G.
DTE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 581
Attilas wider erheben werde. Zu elDen dieser zeit war nach
Priscus (a.a.O. s. 197 und 207) Kreka die bevorzugte gattin
Attilas; der orientalischen sitte gemäss stammte also der be-
vorzugte söhn Ernac wahrscheinlich von der bevorzugten
gattin Kreka. Von diesem jüngeren söhne Attilas, Hernac,
meldet weiterhin Jordanes (Getica cap. 50), dass er sich mit
dem reste seiner Hunnen nach der Schlacht bei dem flusse
Nedao in den äussersten teilen Kleinscythiens niedergelassen
habe. Ich glaube nun, dass die ung. tradition von Csaba
wesentlich auf Überlieferungen von dem Schicksale dieses
lieblingssohnes Attilas beruht. Die Übereinstimmung ist auf-
fallend, und die ung. sage zeugt auch hier wider von einer
merkwürdigen historischen treue. Das Schicksal Ernacs ist
in jeder hinsieht mit dem Csabas identisch: Ernac ist wahr-
scheinlich der söhn Krekas, wie Csaba vermutlich der Kreka
= Reiches; Ernac ist der liebling Attilas, wie Csaba der der
Hunnen; von Ernac ist geweissagt, dass er das geschlecht
Attilas wider erheben werde, wie Csaba in der ung. sage der
eigentliche Urheber der rückeroberung Pannoniens durch die
Hunnen = Ungarn und der ahne des hauses Ärpäd ist; und
wie Ernac flieht auch Csaba mit dem reste seines heeres nach
Scythien zurück. In der gescliichte ist Ernac zwar der jüngste
oder jüngere söhn Attilas, Csaba aber in der ung. sage der
ältere; doch ist es ganz deutlich, dass dies nur eine secun-
däre, durch die aufnähme Kremhelds bewirkte Verschiebung
sein kann.
Wie merkwürdig nun auch die Übereinstimmung sein mag,
so ist die erzählung in der Hunnengeschichte doch keinesfalls
aus gelehrter quelle, sondern aas der ung. volkssage entnommen.
Ich glaube, dies braucht nicht erst besonders bewiesen zu werden.
In der Edda heissen Atlis söhne, wie ich schon oben
s. 569 erwähnt habe, Erpr und Eitill. An stelle des letzteren
ist in der deutschen sage durch einwirkung der pannonischen
tradition der söhn Kriemhilds, Ardarich > Aldrian - Orte -
Ortwin - Ortlieb getreten. Von Erpr hat schon, wie ich be-
reits s. 571 hervorhob, Bugge wahrscheinlich gemacht, dass
er mit dem historischen Ernac, also mit Csaba in der ung.
tradition, identisch ist. Erpr kehrt in der deutschen sage als
Erpfe wider, für den wir aber auch den uamen Schar^^fe
582 BLEYER
liaben. Ich glaube, aucli dieser iiame ist mit Anlaricli >
Aldriaii-Orte aus der pannonisdien tradition in die deutsche
sage lierübergenommen worden. Im ostgerm. muss dieser name
*>S/>Y07)a geblutet haben'), und ich vermute, dass Csaha sich
zu *lSharpa ebenso verliält, wie Aladdr zu Ardarich, d. h. dass
Shvjni im ung. zu Csabd umgeformt wurde, vielleicht unter
dem einflusse eines schon vorhandenen ung. Personennamens.
In der deutschen und nord. Überlieferung überlebt, wie Kitill
= Aldrian = Ortlieb, so auch Erpr = Scharpfe den tod Attilas
und die katastrophe des Hunnenreiches nicht. Die ung. tra-
dition hingegen weiss wie von dem tode Aladärs, so auch von
dem Csabas nichts; ja an letzteren sind noch weitere und
wichtige Überlieferungen geknüpft, die, ob zwar ostgotisch-
pannonisch und nicht specifisch nng. Ursprungs, in die deutsche
sage keinen eingang gefunden haben. Der grund ist auch
hier Avie sonst darin zu finden, dass die deutsche sage kein
selbständiges interesse für Attila und den Untergang des
Hunnenreiches bewahrt hat.
Von der erzählung der Hunnenchronik über Csaba halte
ich folgendes für pannonisches sagengut, das von den Ungarn
nach ihrer ein Wanderung lierübergenommen worden war:
Csaba, ein söhn Eteles von einer Griechin, wird von den
Hunnen zum nachfolger seines vaters erwählt; gegen ihn
tritt Aladär auf, besiegt ihn im zweiten treffen und vertreibt
ihn nach Griechenland. Auch der glaube an eine rück-
kehr Csabas wird noch der pannonischen tradition angehört
haben. Der bericht des Priscus zeigt, dass dieser glaube unter
den Untertanen Attilas verbreitet war, er kann also in der
pannonischen Überlieferung wol erhalten geblieben sein; für
die ung. volksphantasie bildete er aber einen punkt in der
sage, der zu einer nationalen anknüpfung und fortsetzung
geradezu aufforderte. Freilich ward an die rückkehr Csabas
nicht mehr recht geglaubt, denn isti quippe Zaculi in Grecia
perlisse putauerunt] daher das Sprichwort {vulgus adhiic loquitur
in communi), das wider einen ausdrücklichen beweis für die
echtheit der sage liefert: Tunc redire dcbcas, quando Chaba de
Grecia rcuertetnr^) Die bezweiflung der rückkehr Csabas, die
1) Vgl. E. Försteiuaiin, Altd. namenbuch l unter Scarpa. *
^) Sebestyeji a. a. o. s. 495 ff. uimmt au, dieser zug sei von Tbeoderich,
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 583
mit der fortsetzimg der erzäliliing- eigentlich im Widerspruch
steht, beweist gerade die Volkstümlichkeit der Überlieferung, wo
widersprechende Unebenheiten zu den häufigsten erscheinungen
gehören. Es wurde an dem zw^ifel festgehalten, unbekümmert
darum, dass der specifisch ung. zusatz lautete: die Hunnen =
Ungarn in Scythien, zu denen Csaba zurückgekehrt war, folgten
dem rate Csabas, drangen nach dem westen vor und eroberten
unter Ärpäd, dessen ahne Attila war, Pannonien. Diese fort-
setzung wurde von der specifisch ung. sage (zum teil gewis
auch willkürlich von dem clironisten) durch heranziehung
genealogischer und anderer ung. Überlieferungen ausgeschmückt.
Hierher gehört w^ahrscheinlich die Vermählung Csabas mit
einem mädchen aus dem stamme der Corosumü^)-, der bericht
über Csabas söhne, Ed und Edenien; die anknüpf ung des ge-
schlechtes ÄLa an das Csabas, und natürlich alles, was mit
der Überlieferung von der ung. landnahme in unmittelbarem
zusammenhange steht.
der in Griecheuland weilte und von seinem volke erwartet wurde, auf Csaba
übertragen worden. Aber abgesehen davon, dass Theoderich nicht vergebens
erwartet worden war, wie Aväre diese Übertragung vorstellbar und was hätte
sie veranlassen sollen? Ich kann dieser Vermutung nicht beipHichten.
1) Die deutuDg der Corosrnmi ist, so meine ich (vgl. jedoch Yämbery,
Ursprung d. M. s. 176) noch nicht gelungen. Sollten sie vielleicht mit den
liosomini identisch sein? Von diesen meldet Jordanes, Get. cap. 2-t, dass
aus ihrem geschlechte die Sunilda entstammt sei, die Ermanarich wegen
der trügerischen flucht ihres gatten an wilde pferde habe binden und aus-
eiuanderreissen lassen. Der name Bosomini ist schwerlich historisch, son-
dern episch (vgl. Jiriczek a.a.O. s. 57 ff. und Sijmons a.a.O. s. G82f.), wie
denn der ganze bericht bei Jordanes entschieden aus der ostgot. sage ent-
nommen ist. "Wenn die Corosmini mit den Bosomini identificiert werden
dürften, so ergäbe sich ausser der oben angeführten Vermutung, dass Ernac
<C Er}))- mit C'saha identisch sei, noch eine weitere Übereinstimmung der
natürlich nicht specifisch ungarischen, sondern pannonischen tradition mit
der nord. sage, und zwar mit der Ermanarichsage , wo auch der Stiefsohn
Guörüns (einbastard: vielleicht weil er ursprünglich von Herkja, der magd,
abstammt?) E)-pr heisst, der von seinen brüdern ermordet wurde (= der
hunnische bruderzwist in der geschichte und ung. sage?), als sie auf GuÖ-
rtins aulforderung auszogen, den tod ihrer Schwester Svanhildr an Jormun-
rekkr ^ Ermanarich zu rächen (vgl. GuÖrünarhvot und HamÖesm^l). Doch
Avill ich diese Vermutung hier nicht weiter verfolgen, und nur noch erwähnen,
dass sich daraus auch für die Verachtung, auf die Csaba bei den stamm-
verwanten stösst, und deren folge seine Vermählung mit einem fremden
mädchen ist, eine erklärung ergeben würde.
584 BLKYER
Ungarische weiterhiMiing wird nui^li die erzälilunj": von
den Szeklern, von ilirer niederlassung auf dem felde Chi<jla =
Csigla (oder Cz'kjIü'^ (liüjhi mezcÄ 'campi Cliiglae')') in Eräcdew
(=7->(/(7// 'Siebenbürgen'), und ihrem anschlusse an die Ungarn
in Euthenien sein; der bericlit von den Wallaclien und der
kerbsclirift ist natürlich von dem Chronisten in die sagenliafte
erzälihing eingesclialtet. Der glaube an die hunnische ab-
stammung war bei den Szeklern. auch nachdem die sage längst
ausgestorben war, tief eingewurzelt geblieben und wird auch
heute noch nur mit Widerwillen aufgegeben. Auch der skep-
tische notar könig Relas vermochte sich ihm nicht zu entziehen:
Siculi, qui primo erant pojndi athyle regis (cap. 50). Aus diesem
ihrem zähen glauben und daraus, was von ihnen im zusammen-
hange mit den Hunnen in der sage erzählt wird, ergibt sich
deutlich, dass die Szekler die eifrigsten pfleger der Hunnen-
sage gewesen sein und sich vor allen übrigen ung. stammen
in nächster beziehung zu den Hunnen gedacht haben müssen.
Was die veranlassung zu dieser auffassung gegeben, ist dunkel
und wird wahrscheinlich erst eine erklärung finden, wenn das
Szekler-problem endgiltig und in seinem ganzen umfange gelöst
sein wird. Die deutung des namens allein, wie sie Karacsonyi
vielleicht gelungen ist {szeldi aus sloven. sclcati 'einer der
^) Uelier Chiyla siud schon vielfaclie Ycrmutuiigen aufgestellt worden.
Eine richtige deutung ist, so meine ich, Karacsonyi a.a.O. s. 73 durch den
hinweis auf eine hügelgruppe namens Czigla hei Band, Kienes und Bazed
im coniitate Maros-Torda in Siehenhürgen gelungen. "Wenn aber Karacsonyi
behauptet, dass der chronist den bericht über die niederlassung der Szekler
und ihren anschluss an die Ungarn selbst erdichtet habe und zwar auf
grund gewisser episoden der Tartareninvasion (12-11—42), so ist das ent-
schieden irrig. Diese erzählung gehört zweifellos der echten Überlieferung
an, und es ist nicht unmöglich, worauf AI. Domanovszky mich aufmerksam
macht, dass hier ein gewisser Zusammenhang mit der niederlassung eines
teiles der Hunnen in Dacien vorhanden ist, worüber Jordanes, Get. cap. 4
meldet und zwar unmittelbar nach dem berichte über Hernac: Hernac
qnoque hmior Attilue lilixs cum suis in e:vtrema miuoris Scythiae sedes
ddeyit. Evoictzur et VHziudur consanguinei eius in Dada ripcnse Vto et
Jlisco Ahnoque potiti sunt, mxdtiquc Ihinnorum passim prorucntes tunc sc
in Eomana dediderunt, e quihus nunc usque Sacromontisi et Fossntisii
diruntur. In diesem falle würde natürlich die bezügliche erzählung ur-
sprünglich der pannonischeii tradition angehört haben und wäre erst später
auf den ung. stamm der Szekler von den Ujigarn übertragen und weiter
ausgestaltet worden.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG, HUNNENSAGE. 585
bäume fällt, wege liaut'), ist keine endgiltig-e iiiiii allseitige
lösung der frage: diese kann zwar aus der Hunnenclironik
allein sicher nicht gefunden werden, aber sie kann auch eben-
sowenig befriedigend sein, wenn sie gegen dieselbe versucht
wird. Der bericht der Hunnenchronik über die Szekler beruht
zweifellos auf echter sage und ist keine willkürlich zusammen-
gestellte, gelehrte fabelei des Chronisten. Eben deshalb muss
eine endgiltige lösung des Szekler-problems auch eine erklärung
der sage bieten. Denn echte sage enthält immer tiefe, wenn
auch misverstandene und misgedeutete historische beziehungen:
sie darf in historischer hinsieht von der literarischen forschung
nicht überschätzt, aber auch nicht vom historiker als wertlos
verschmäht werden. Die sagenforschung bietet für die Wahr-
heit dieses princips unzählige belege.
Es hat sich also bei der erörterung des abschliessenden
teiles der Hunnenchronik dasselbe resultat ergeben, wie bei
den vorhergehenden ausführungen: die ung. Hunnensage ist ger-
manischen, namentlich ostgotischen Ursprungs und baut sich auf
hunnisch-germanischen historischen Überlieferungen auf. Eine
deutsche entlehnung ist ausgeschlossen; deutsche einwirkung
zeigt sich aber in der erzählung von Kremheld. Doch ward
auch von der pannonischen sage ein einfluss auf die deutsche
Überlieferung ausgeübt: als nämlich die Burgundensage ab-
geschlossen, mit der Nibelungensage verknüpft und schon nach
dem norden verbreitet worden war, wurde die pannonische
sage (eventuell in einer schon mit der Dietrich -Odoaker- sage
in Italien verknüpften form) in Deutschland mit der Nibe-
lungensage contaminiert, wodurch sich wichtige Verschiebungen
in der deutschen sage einstellten. Hei che, Dietrich, Aldrian-
Orte und wahrscheinlich auch Scharpfe stammen aus der
pannonischen sage, die mit merkwürdiger, aber leicht erklär-
barer treue an den historischen traditionen festhielt. Diese
treue wurde auch von den ung. pflegern der sage bewahrt,
und eine specifisch ung. Weiterbildung zeigt sich nur in dem
letzten abschlusse der Csaba-sage und in der anknüpfung der
Hunnensage an die Überlieferungen von der ung. landnahme.
586 BLEYER
III. Znsainmonfrtssiing.
1) Urs \) V u n g der sag e.
Aus d(Mi bisherigen ausfüliniiigen ist gewis zur genüge
hervorgegangen, dass die sagenliaften bestandteile der ung.
irunncngescliichte keine gelehrte entlelmung, sondern echte
Überlieferung sind, die im nördlichen teile Pannoniens localisiert
im munde des ung. volkes lebte. Dies wird, wie wir gesehen
haben, in den Chroniken des öfteren ganz ausdrücklich hervor-
gehoben; aber mehr noch als diese geständnisse, beweist den
echt sagenhaften Charakter bedeutender partien der Hunnen-
chronik der inhalt der bezüglichen erzählungen selbst. Es
fragt sicli nun, ob diese Überlieferungen vom volke nur erzählt,
oder aber von ungaiischen spielleuten als epische dichtungen
melodisch vorgetragen w^urden. Ich glaube, die Hunnensage
ist in Ungarn ebenso gepflegt worden, wie anderwärts ähnliche
sagen, nämlich vom volke in erzählender und von den spiel-
leuten in poetischer form zugleich. Dass die sage in liedern
vorgetragen wurde, bezeugt Olah ganz ausdrücklich, indem er
sich auf cantiones, more Gracco liistoriam rethientes beruft, iu
denen von Detreh gesungen worden sei. Beide aber, die er-
zählende und liederform, bezeugt der anonyme notar, wenn er
im Prologus seiner chronik von falsae fahulac rusticorum und
yarndus cantus ioculatorum spricht. Diese angäbe des notars
bezieht sich gewis nicht allein auf die specifisch ung. sagen,
sondern zweifellos (vielleicht sogar in erster reihe) auch auf
die sage von den Hunnen. Ist doch letztere, soweit wir
kenntnis von der ung. volkspoesie früherer jahrhundeile haben,
entschieden die grossartigste, abgeschlossenste und bedeutendste
aller ung. volkssagen. Dass sie auch dem anonymen notar be-
kannt war, braucht nicht erst hervorgehoben zu werden.
Der zweck meiner Untersuchungen war, die germ. bestand-
teile der ung. Hunnensage und ihr Verhältnis zur deutschen
überliefeiung festzustellen. Schon nach den erörterungen von
Petz konnte bei unbefangenen forschern kein zweifei darüber
bestehen, dass fast der ganze complex der ung. Hunnensage
germanischen Ursprungs ist. Specifisch ungarische elemente
dürfen nur am anfange und abschlusse der sage angenommen
DIE GEKM, ELEMENTE DER UNG. HÜNNENSAGE. 587
werden: dort sind sozusagen nur ausätze vorhanden, hier eine
bedeutungsvolle Weiterentwicklung in ungarisch -nationalem
sinne. Unter diesen elementen mögen immerhin reste noch
älteren ungarischen sagengutes vorhanden sein, die zum teil
vielleicht noch aus der asiatischen Urheimat stammen; aber
es lässt sich keine einzige auch nur halbwegs sichere spur
nachweisen, die bezeugen würde, dass die Ungarn aus dem
Osten solche Überlieferungen mit nach Europa gebracht hätten,
in denen schon ursprünglich von Attila und den Hunnen ge-
meldet worden wäre.
Ich glaube aber, dass es mir gelungen ist, den begriif des
germanischen näher zu bestimmen und den nach weis zu er-
bringen, dass die germ. bestandteile der ung. Hunnensage
gotischen, namentlich ostgotischen Ursprungs sind. Nach dem
abzuge unter Widemer, Theodemer und Theoderich d. gr. blieb
gewis ein nicht unbedeutendes bruchstück der Ostgoten in
Pannonien zurück; wie denn auch einige jähre später nur
diejenigen Theoderich von der Balkanhalbinsel nach Italien
folgten, qui ei praehuerunt consensum (Jordanes, Get. cap.57). Sie
hielten, wie die ung. Hunnensage beweist, an ihren Überliefe-
rungen von mächtigen ereignissen, in denen sich der Hunnen
und ihr eigenes Schicksal sjjiegelte, fest und gestalteten die-
selben poetisch immer mehr aus. Die Wanderung von Völkern,
besonders von solchen kriegerischen sinnes, darf nie so vor-
gestellt werden, als ob alle stammesgenossen sammt und sonders
die alten wohnstätten verlassen hätten: ein teil wird immer mit
den gegebenen Verhältnissen zufrieden gewesen sein, ein anderer
zum kriegerischen aufbruche nicht lust oder kraft besessen
haben. Die niederlassuug neuer einwanderer oder eroberer
in den verlassenen oder erkämpften Wohnsitzen darf auch
nicht als eine ausrottung der zurückgebliebenen betrachtet
werden: ein teil wird bei dem zusammenstosse gewis unter-
gegangen sein, aber der andere teil wird sich den neuen Ver-
hältnissen gefügt und friedlich weitergelebt haben, bis eines
der beiden Völker in dem andern mehr oder weniger spurlos
aufgieng. So ist zweifellos auch nach der Zerstörung des
Hunnenreiches ein nicht geringer rest von Hunnen in dem
heutigen Ungarn zurückgeblieben, der aber nach ein paar
generationen von den in cultureller hinsieht überlegenen und
588 BLEYER
ohnedies viel zalilreielieren Germanen assimiliert werden miisste.
Nach dem abzuge der Ostgoten bemächtigten sich die Gepiden
allmälilicli auch des ostgot. besitzes jenseits der Donau'),
und es ist wahrscheinlich, dass die Ostgoten nunmehr in den
nahe verwanten Gepiden alsbald aufgiengen. Die alten Über-
lieferungen, die ja zum teil gewis schon infolge der gemeinsam
erlebten ereiguisse gemeingut beider stamme waren, wurden
w^eiter gepflegt, vermehrt und mit fremden elementen conta-
miniert. Aus Italien kam zweifellos künde von den ruhm-
reichen taten Theoderichs zu den stammverwanten, er wurde
der grösste und glänzendste held der germ. Völkerwanderung
und trat als repräsentant des Germanentums auch in die
pannonische sage von den Hunnen und Goten ein. Aber auch
die historische Burgundensage w^ard nach Pannonien gebracht
und bot (gewis sehr erwünschten) aufschluss über die beweg-
gründe der zerstörenden und befreienden tat Ildicos, und so
ward Kriemhild in die pannonische Hunnensage noch vor
Theoderich aufgenommen. Nun traten neben den friedlich
immer mehr vordringenden Slaven um die mitte des 6. jh.'s
neue Völker in Pannonien kriegerisch auf, nämlich die Lango-
barden und Avaren. Heftige kämpfe entspannen sich, die
infolge des bündnisses der Langobarden und Avaren mit der
niederlage der Gepiden und der Vernichtung ihrer macht
endeten. Bald darauf verliessen auch die Langobarden Pan-
nonien und zogen unter Alboin (5G8) nach Italien ab. Die
Gepiden aber wurden den Avaren unterworfen und schnmch-
teten nun unter dem joche neuer knechtschaft "weiter, indem
ihre zahl immer mehr und mehr abnahm. In der zweiten
hälfte des 9. jh.'s werden sie zusammen mit den Avaren zum
letzten male erwähnt'^), und seither sind sie spurlos ver-
schwunden. Wir sind also kaum berechtigt anzunehmen, dass
Gepiden in namhafter anzahl noch existiert hätten, als Pan-
nonien von den Ungarn am ende des 9. jh.'s erobert wurde.
Ja es ist wahrscheinlich, dass sie ein menschenalter nach der
') Vgl. F. Dalni, Urgeschichte der germ. uud rom. Völker 1,569.
") Die Cüiiversio Bagoariorniu VI. (A inagyar honfoglahis kütfoi, szerk.
Szilägyi S. es Fauler (ry. s. 30G) erwähnt um 871: de Gepüh's aidem quidam
tidhuc ihi (in Pannonien) resident. Vgl. auch K. Zeuss, Die Deutscheu uud
die nachharstämrae, 1837, s. 440 f.
ftlE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 589
letzten erwälinuiig in der Conversio zur zeit der ung. land-
nalime in den sie ringsum umgebenden Slai^en bereits auf-
gegangen waren. Sie werden in ung. quellen nicht ein ein-
ziges mal als Insassen Ungarns zur zeit der landnalnne erwähnt,
und ihre existenz hat auch sonst keine einzige sichtbare spur
hinterlassen.') Wir sind also wissenschaftlich auch nicht
berechtigt anzunehmen, dass die Ungarn die Hunnensage von
den Gepiden, mit denen der rest der Ostgoten verschmolzen
war, unmittelbar herübergenommen hätten.
Wer mögen nun die vermittler der germ. sage gewesen
sein? Am einfachsten wäre mit Matthaei zu antworten: die
Baiern. Nun machen aber diese annähme schon historische
riicksichten unwahrscheinlich. In dem heutigen Ungarn sassen
zur zeit der ung. landnahme keine Baiern, nur an der west-
lichen grenze bis zur Raab und den Plattense gab es bairisch-
fränkische ansiedlungen, deren bewohner schon im j. 907 nach
dem blutigen kämpfe der Baiern und Ungarn meistenteils ver-
nichtet oder vertrieben wurden.'^) Wir finden weder in der
geschichte noch in der spräche der Ungarn irgend eine spur,
die auf eine intensivere berührung der Ungarn mit den Baiern
in den ersten Jahrhunderten nach der eroberung Ungarns hin-
wiese. Berührungen mit den Baiern und andern deutschen
Stämmen fanden zur zeit der kriegszüge der Ungarn gegen
den Westen allerdings häufig statt, doch waren diese nicht
geeignet, irgendwelchen culturellen eiufiuss auf die Ungarn
auszuüben. Auf diesen kriegszügen wurden häufig Deutsche
als Sklaven nach Ungarn mitgeschleppt; es wurden auch von
deutscher seite versuche gemacht, die Ungarn dem Christentum
zuzuführen; später wurden seit der regierung des fürsten
Gyecse deutsche ritter in Ungarn angesiedelt: aber all diese
umstände können nur von minimalem einfluss auf die cultur-
verhältnisse in Ungarn gewesen sein, da sich nichts dergleichen
') Borovszky S., A honfoglalas törtenete, 1894, s. 83 ff. behauptet, dass
noch bedeutende leste germanischer Völker zur zeit der niederlassung der
Ungarn vorhanden gewesen seien. Doch ist dies entschieden eine irrige,
auf fehlerhafte oder falsch gedeutete etymologien von Ortsnamen gegründete
ansieht.
*) Vgl. Pauler Gy., A magyar nemzet törtenete Szent Istvänig s. 28 f.
und 0. Kaemmel, Die anfange deutschen lebens in Oesterreich s. 271 ff".
Beiträt^e zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. 39
590 BLEYER
deutlich nachweisen lässt. Ein intensiver deutscher eintluss
beginnt erst um die mitte des 12. jh.'s. als unter Gj'ecse IL
planmässige deutsche ansiedlungen zu stände kamen, die auch
in der folgezeit mit eifer fortgesetzt wurden. Die ältesten
deutschen bestandteile des ung. Sprachschatzes hat J. Melich')
in einer lichtvollen abhandlung- untersucht, und er ist zu dem
ergebnisse gelangt, dass die berührung der Ungarn mit dem
bair.-österr. Sprachgebiete in den ersten Jahrhunderten keine
spuren in der ung. spräche hinterlassen hat; die ältesten
deutschen elemente seiner cultur verdankt das Ungartum
nicht den Baiern, sondern den Mittelfranken, und somit müssen
die deutschen ansiedlungen im 12. und 13. jli. aus mittelfränk.
Sprachgebiete herstammen.
Also schon diese historischen und sprachhistorischen be-
trachtungen sprechen gegen die annähme, dass die ung.
Hunnensage eine bair. entlehnung sei. Die prüfung des in-
haltes der ung. sage ergab aber deutlich, dass tatsächlich
keine berührungspunkte zwischen der ung. und specifisch bair.
Überlieferung vorhanden sind. Wenn in der Kaiserchronik
leise spuren von einer tradition, die über die begründung und
Zerstörung des Hunnenreiches handelt, zum Vorscheine kommen,
so dürfen wir daraus nicht bair. einfluss auf die unverhältnis-
mässig reichere und in sich abgeschlossene ung. sage annehmen,
sondern nur panuonische einwirkung auf die bair. Überlieferung.
Ebenso aber ist die Vermittlung durch einen andern deutschen
stamm ausgeschlossen: die ung. Hunnensage ist in ihrem in-
halte als ganzem und in ihrer composition von der deutschen
grundverschieden, und die Übereinstimmungen, die in den ein-
zelnen elementen der ung. und deutschen sage vorhanden sind,
müssen entweder auf gleiche historische traditionen oder aber
auf eine ältere gemeinsame quelle, auf die Überlieferungen der
Ostgoten, zurückgeführt werden. Wie wir also von einer un-
mittelbaren ostgotisch-gepidischen entlehnung der ung. Hunnen-
sage absehen müssen, so darf auch keine deutsche oder specifisch
bair. Vermittlung angenommen werden.
J. Sebestyen hat ganz richtig erkannt, dass die ung.
') Melj'ik iij-elvjäräsböl valök a magyar nyelv regi uemet jöveveny-
szavai? Akad. ertek. a nyelv- es szeptudomäuyok kürebül bd. 17, uo. -l, 1900.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG, HUNNENSAGE. 591
Himnensage, wie sie inhaltlich und formell gestaltet ist, nur
auf dem boden des heutigen Ungarn entstanden, nur von hier
sesshaften Völkern bewahrt und den Ungarn übermittelt worden
sein kann. Für solche vermittler hält er nun die Avaren, die
die Hunnensage von den Gepiden herübergenommen und selb-
ständig weiter entwickelt hätten. Zu dieser ansieht wird er,
wie ich widerholt erwähnt habe, durch seine theorie von den
Szeklern geführt, in denen er zum teil nachkommen der Avaren
sieht. Aus den obigen ausführungen ist aber deutlich hervor-
gegangen, dass sich specifisch avarische elemente in der ung.
Hunnensage nicht nachweisen lassen, und dass die lösung der
Csaba-frage, wie sie Sebest3^en versucht, auf einem einfältigen
misverständnisse Eeginos beruht. Aber auch sonst ist eine
avarische Vermittlung ganz unwahrscheinlich, viel unwahr-
scheinlicher als eine gepidische, denn letztere könnte doch
wenigstens durch die ostgerm. form der personennamen und
die treue und reinheit der tradition unterstützt werden. Avaren
werden in Pannonien zuletzt um 863 in den Sangaller
annalen'), um 871 zusammen mit den Gepiden in der Salz-
burger Conversio Bagoariorum (a. a. o. s. 304) und um 850 in
dem heutigen Kroatien von Konstantin Porphyrogennetos^)
erwähnt. Aber sie waren nach den Vernichtungskämpfen Karls
d. gr. kein selbständiges volk mehr geblieben, sondern schon
dem untergange in dem sie umringenden slavischen meere
geweiht. 'Verschwunden wie die Avaren', wird als eine rus-
sische redensart in der chronik Nestors'^) angeführt, und zur
zeit der ungarischen landnahme können in dem heutigen
Ungarn nur mehr ganz unbedeutende reste von Avaren, und
diese schon halb slavisiert, vorhanden gewesen sein. In ung.
quellen werden sie kein einziges mal erwähnt, ebensowenig
wie die Gepiden, und in der ung. spräche und cultur haben
sie ebenfalls keine sichtbare spur hinterlassen.
Nach dem heutigen stände unseres Wissens kann auf die
frage der Vermittlung nur eine antwort gegeben werden: die
1) A magyar honfoglalas kütfoi s. 301.
2) De admin. inip. cap. 30. A magyar houfoglaläs kütfoi s. ll-t.
') Inde apHcl Eussos usqiie ad Imnc diem proverhium est: perierunt
sicuti Avares, quorinn neque stirps neqiie progenies restat. Uebers. von
Y. Jagic (A magyar houfoglaläs küti bi s. 368).
39*
592 HLKYEK
vermittler können nur die Slaven. nanientlidi die pannonisrhen
Slovenen, gewesen sein. Diese antwort folgt nicht aus dem
inlialte der sage selbst, sonderu aus allgemeiiieu historischen
und culturhistorischen gründen. Zur zeit der ung. landnahme
war das heutige Ungarn, von minimalen resten anderer Völker-
schaften abgesehen, durcliaus slaviscli. Dies wird direct durch
verschiedene historische quellen und indirect durch die alten
slavischen fluss- und Ortsnamen in dem heutigen Ungarn
deutlich erwiesen, und braucht hier nicht näher ausgeführt
zu werden. Die Slaven wurden natürlich von den Ungarn
besiegt und unterjocht, sie giengen zum teil in dem Ungartum
auf, zum teil behielten sie ihre slavische nationalität bis auf
den heutigen tag im norden, westen und Süden Ungarns.
Deutlicher aber als alle historischen quellen spricht von
der existenz der Slaven in dem heutigen Ungarn zur zeit der
ung. landnahme und von ihrem grossen culturellen einfluss auf
das Ungartum die ung. spräche, deren geständnis nicht nur
objectiver und sicherer als das der schriftlichen quellen, son-
dern auch vielseitiger und inhaltsreicher ist. Aus den slav.
lehnwörtern, die zur zeit der ung. landnahme und nach der-
selben in den ung. Sprachschatz aufgenommen wurden, ergibt
sich mit überzeugender kraft, dass das Ungartum die ersten
und grundlegenden elemente seiner westlichen cultur den Slaven,
in erster reihe den pannonischen Slovenen verdankt. Die
Verbreitung des Christentums unter den Ungarn ist, wie die
kirchlichen und christlich-culturellen lehnwörter unwiderlegbar
beweisen, ihr verdienst. Die ersten christlichen kirchen ent-
standen unter slovenischem einflusse, aber auch die ersten
schulen: die Schrift haben sich die Ungarn von den Slovenen
angeeignet.') Aber nicht nur die christliche terminologie ist
in ihrem ältesten bestände fast durchgängig slovenisch, son-
dern auch eine ungemein grosse anzahl anderer slavischer
lehnwörter ward in den ung. Sprachschatz aufgenommen, die
sich auf Staats- und kriegswesen, ackerbau und Viehzucht, auf
handel und gewerbe, öffentliches und privates leben, haus und
familie, küclie und kleidung u.s.w. beziehen.'^) Es ist selbst-
*) Vgl. Melich J., A magyar kereszteuy teriniuologia, Akaderaiai ertesitö
14 (1903), 113 ff.
'^) Vgl. Fr. Miklosich, Die slav. elemeute im magyarischeu, Deukschr.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 593
verständlich, dass mit den Wörtern auch die begriffe und ein-
riclitungen von den Slaven herüberg-enommen wurden.
Es war also die möglichkeit vorhanden, dass die Ungarn
den Slaven bez. den pannonischen Slovenen eine volkssage
entlehnten. Die älteste belegte benennung des ung. spielmannes
ist igricz.^) Dieses wort ist entschieden slavischen Ursprungs,
mit dem wort muss aber natürlich auch der begriff eine slav.
entlehnung sein. Den Ungarn, als sie nach Europa kamen,
fehlte es nicht an beruf ssängern, und wenn sie trotzdem das
slav. wort her übernahmen, so muss dies eine specifische art
von Spielleuten bezeichnet haben, die in ihrer kunst inhaltlich
und formell von den übrigen ung. berufssängern abwichen.
Es ist kaum anders anzunehmen, als dass dieselben in ihren
gesängen auch epische Stoffe behandelten; dass sie nur der
komischen, derben belustigung gedient hätten, ist eine behaup-
tung, die schon öfter widerholt ist, aber durch nichts begründet
werden kann. Ausser diesem lehnwort ist aber slav. einfluss
auf ung. spielmanns- und volksgesang auch sonst nachweisbar'-),
und so steht auch in dieser hinsieht der annähme nichts im
wege, dass die pannonische Hunnensage von Slaven an die
Ungarn vermittelt worden sei.
Unter den von den Hunnen unterworfenen Völkern be-
fanden sich auch Slaven, die aber während der Hunnenherschaft
keine namhafte rolle spielten. Nach dem untergange des Hunnen-
reiches lebten sie meist friedlich neben germ. Völkern, nament-
lich den Ostgoten und Gepiden.s) Die zahl der Slaven nahm
immer mehr zu, die der Ostgoten und Gepiden aber immer
mehr ab, bis sie ebenso wie die Avaren in den Slaven auf-
gegangen waren. In diesem stillen kämpfe waren schliesslich
die Slaven die sieger, und ihre wertvollste beute waren gewis
der Wiener akad., phil.-hist. kl. 21 (1872), 1 ff. Das ganze material ist sprach-
nnd cultnrgeschichtlich mit musterhafter methode und scharfsinnig bearbeitet
von Melich J., Szläv jövevenyszavaink (bisher erscliieneu hd. 1, 1— 2, 1903
—1905).
') Vgl. Jankö J., Igriczek a Biharhegysegben, Erdeljn müzeura 11, 32 ff.
Munkäcsi B., Regi magyar uepenekesek, Ethnographia 5, 373 f. iiud Mol-
dovän G., Erdeljä müzeum 11, 31:6 ff.
'') Vgl. Sebestyen Gy., A regösök, 1902, s. 246, und Kuhac F., A regö-
senekek dallamairol, Ethnographia 12, 214.
•'') Vgl. Gr. Krek, Einleit. in die slav. literaturgeschichte^ (1887) s. 258 ff.
504 BLEYER
die culturscliätze der höher stellenden Germanen, darunter (so
müssen wir annehmen) auch die ostgotisch-gepidisrhe helden-
sage. Volkssage nnd volksgesang war den Slaven schon zur zeit
der Völkerwanderung nicht fremd '). wie denn die Slaven, nament-
lich die Südslaven auch heute noch einen ungemein grossen sinn
und eine grosse empfänglichkeit dafür besitzen. Freilich fehlt
es an directen Zeugnissen für eine slav. Hunnensage, aber auch
für andere Überlieferungen, ohne die doch ein epischer volks-
gesang nicht denkbar ist entbehren wir solclier Zeugnisse. Ich
glaube übrigens, dass eine eingehende, methodische Untersuchung
alter slavischer Chroniken auch directe beweise für diese frage
erbringen könnte-): wie denn der bericht des anonj-men notars,
dass die Slaven die eindringenden Ungarn für nachkommen
der Hunnen gehalten hätten, höchst Avahrscheinlich ein beweis
lebendiger, slavischer Überlieferung von den Hunnen ist. Schon
oben s. 449 habe ich die annähme, dass den Ungarn der glaube
an die verwantschaft mit den Hunnen von den Slaven zu-
geführt worden sei, durch diesen öfter widerholten bericht des
anonj^men notars zu begründen gesucht. Ist diese annähme
aber richtig, so haben wir darin einen directen fingerzeig für
die frage über die Vermittlung der ganzen ung. Hunnensage.
Dass die ostgotisch-gepidische Hunnensage von den panno-
nischen Slaven nicht nur angeeignet werden konnte, sondern
auch wahrscheinlich angeeignet w^urde, wird auch durch ander-
w^eitige betrachtungen nahe gelegt. Fast auf dem ganzen
gebiete, wo Deutsche und Slaven neben oder untereinander
Sassen, sind in grösserem oder geringerem niasse einflüsse der
deutschen heldensage auf slav. sage und dichtung bemerkbar,
so bei den Cechen'^), bei den Russen^) und am augenfälligsten
bei den Polen, bei denen die deutsche Waltharisage aufnähme
gefunden hat und selbständig weiter entwickelt worden ist.^)
') Vgl. P. J. Schafarik, Slawische alertümor 1 (1843). 231 f.
'■') So sagt z. b. Eogiiiihalus, Mon. Pol. bist. ed. A. Bielowski 2, 472:
Quorum (d. i. Hungarorum) rex Tyla nomine, qui in scripto)-is Atyla
nominatur.
3) Vgl. K. Müllenhoff, Zs. fda. 12, 417 ff. K. W. Titz, Zs. fda. 25, 253 ff.
Jahresbericbt über die erscboimuigen auf dem gebiete der gerra. pbil. 14, 241,
w. 3. w. *) K. Mülleuboff a.a.O. s. 344 ff".
■■) Vgl. R.Heiuzel, Ueber die Waltbersage, WSB. 117,27 ff. und 88 ff.,
und Sijmons a. a. o. s. 704.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 595
Der annalime also, dass die ostgotisch-gepidisclie Himneiisag-e
von den pannonisclien Slaven heriibergenommen und an die
Ungarn vermittelt worden sei, steht nichts im wege; ja sie
wird, so meine ich, durch die obigen betrachtungen wol be-
gründet. Eine analogie hätten wir auch auf sprachlichem
gebiete: die ältesten germ. bestandteile des ung. sprachscliatzes
sind ebenfalls nicht direct, sondern durch slav. Vermittlung
aus dem germ. entlehnt.')
Nun müsste ich noch ausführen, wie sich zu dieser hypo-
these die personennamen der uug. Hunnensage verhalten, die
ich auf ostgerm. formen zurückzuführen versucht habe. Leider
fehlen mir aber dazu die nötigen kenntnisse auf dem gebiete
der slav. Sprachgeschichte, und so muss ich diese frage, wie
wünschenswert und wichtig auch ihre beantwortung wäre,
unerörtert lassen. Auch vom Standpunkte der ung. Hunnen-
sage kann ich den wünsch von K. Müllenhoff (Zs. fda. 12, 354)
nur widerholen, dass von slavischer seite die frage nach dem
einfluss der germ. lieldensage auf slav. sage und dichtung in
ihrem ganzen umfange untersuclit und mit liilfe des materials,
das nicht eben dürftig zu sein scheint, gelöst werden möge.
2) Ergebnisse.
Ich bin am Schlüsse meiner Untersuchung angelangt und
will nur noch kurz die ergebnisse meiner ausführungen zu-
sammenfassen:
1) Der glaube an die Identität der Hunnen und Ungarn
entwickelte sich bei dem Ungartum erst in Europa, und zwar
höchst wahrscheinlich unter slavischem einfluss. Die abstani-
mung beider Völker, wie sie in der Hunnengeschichte dargestellt
ist, ist in sagengeschichtlicher hinsieht dunkel.
2) Die eigentliche Hunnensage beginnt mit der eroberung
Pannoniens, in dessen nördlichem teile die sage localisiert ist.
Die sage von der eroberung Pannoniens hat sich aus Über-
lieferungen entwickelt, die auf historische kämpfe der Hunnen
•) Vgl. eine freilich nur vorläufige Zusammenstellung auf grund der
abhaudlung von Uhlenbeck, Archiv für slav. phil. 15, 481 ff. von Simonyi Zs.,
Szläv szavaink eredetehez, Nyelvtudomänyi közlemenyek 25, 53 ff. Vgl. auch
Melich J., Magyar nyelv, jahrg. 2, s. 100 ff.
596 BLEYKR
und Goten, namentlich auf die kriegszüge Balambers gegen
"Winitliar und Athanaricli zurückgelien. An Balanibers stelle
trat Etele (eine spätgotische form für Attila), an die ^yhn-
thars und Athanarichs in der zweiten hälfte des 6. jh.'s Detreh
= Theoderich d. gr.; jener ist der repräsentant der Hunnen,
dieser der Vertreter der Germanen. Von dieser ostgot. Über-
lieferung linden wir kaum eine spur in der deutscheu sage;
dass sie jedoch auf die deutsche tradition von einfluss war,
zeigt mit grösster Wahrscheinlichkeit Dietrichs exil, das nur
mit der niederlage Detrehs, des kaisers von Eom, wie sie in
der ung. sage dargestellt ist, genügend erklärt werden kann.
Die specifisch ung. zusätze in der sage von der eroberung
Pannoniens sind unbedeutend und für die composition der sage
belanglos.
3) Etele herscht anfangs mit seinem bruder Buda (ein
name aus got. zeit) gemeinsam, ermordet ihn aber aus macht-
begierde. Die erinneruugen an Buda = Bleda und an die
gemeinsame herschaft der beiden brüder sind in der ung. sage
voll leben und historischer treue, in der deutschen Überliefe-
rung aber, wo sie ebenfalls nicht entlehnt, sondern historischen
Ursprungs sind, verworren und grösstenteils verloren gegangen.
Etele zieht auf Detrehs rat gegen den westen und. begründet
das hunnische weitreich. Die erzählung von diesen heerfahrteu
selbst ist jedoch in der Hunnengeschichte gelehrten Ursprungs;
trotzdem kann kein zweifei darüber bestehen, dass die unga-
risch-pannonische sage auch hier ihre eigenen Überlieferungen
hatte, von denen sich noch spuren in der deutschen sage er-
halten zu haben scheinen. Durch diese kriegerischen Unter-
nehmungen erhielt die Etelesage, wie auch die sage vom exil
Dietrichs (Detreh vertritt hier \\'alamer und seine brüder)
epischen Inhalt.
4) lieber den tod Eteles berichtet die Hunnengeschichte
aus gelehrten quellen; doch kann kaum bezweifelt werden,
dass die sage auch hier eigene Überlieferungen besass, die von
der geschichte und gelehrter geschichtsschreibung abwichen.
Da die ungarisch - pannonische sage mit der Burgundensage
verknüpft war, kann der tod Eteles nur tragisch gewesen und
durch die band Kremhelds verübt worden sein.
Die GERM. ELEMENTE DER UNG. HUNNENSAGE. 597
5) Kremlield war Eteles zweite gattin; die erste, eine
griechische kaiserstochter, sclieint mit Kreka = Helche in
der deutschen sage identisch gewesen zu sein. Der solin
letzterer heisst Csaba, der in seiner rolle mit Ernac in der
geschichte und wahrscheinlich mit Erpr, Erpfe, vielleicht auch
Scharpfe, in der deutsch -nord. sage identisch ist. Kremhelds
söhn heisst Aladär und ist identisch mit dem Gepidenfürsten
Ardarich in der geschichte und mit Aldrian-Orte-Ortwin-Ort-
lieb in der deutschen Überlieferung. Detreh als Vertreter der
Germanen nimmt auch bei der Zerstörung der Hunnenmacht
die stelle der Germanenfürsten ein, die zur zeit Attilas den
Hunnen unterworfen waren und nach Attilas tode das hunnische
joch abschüttelten.
6) Die deutsche Burgundensage ward nach der Zerstörung-
des Hunnenreiches durch naclirichten von diesem gewaltigen
ereignisse zum abschlusse gebracht. Die Verknüpfung mit der
Nibelungensage geschah wahrscheinlich erst nach dieser ab-
rundung der burgundischen Überlieferungen. In solcher gestalt
gelangte die Burgunden-Nibelungensage nach dem norden. Auf
diese erste fassung, in der weder Helche, noch Dietrich, noch
Ardarich eine rolle spielen und in welcher Attila mit unsym-
pathischen Zügen gezeichnet ist, hat die ostgotisch-pannonische
tradition nicht eingewirkt. Einen einfluss erfuhr aber die
pannonische sage durch die deutsche Burgundensage (vor 500),
und zwar vermutlich zu einer zeit, als diese mit der fränkischen
Nibelungensage noch nicht verknüpft war. Die folge dieser
einwirkung war, dass Kriemhild in die pannonische sage ein-
trat, die dadurch bedeutende Umgestaltungen erfuhr. Krem-
lield führt nicht nur den tod Eteles herbei, sondern auch das
verderben seiner söhne und den Untergang des Hunnenreiches,
so dass der Vertreter der Germanenfürsten, die sich gegen
Attilas söhne empörten, seine rolle mit ihr teilen musste. Bald
darauf aber, als Detreh =^ Theoderich als repräsentant des
Germanentums in die pannonische sage eingetreten war (etwa
um die mitte des 6. jh.'s), wurde auch die deutsche Nibelungen-
sage entweder direct von Pannonien aus, oder aber (was
weniger wahrscheinlich ist) indirect über Italien von der ost-
gotischen tradition beeinflusst: Helche, Dietrich, Aldrian-Orte
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXI. ^Q
598 BLEYER
und walnscheinlich auch Scharpfe wurden in die deutsche sage
aufgenommen, und der Charakter Attilas verlor seine antipathi-
schen züge. Durcli diese eiiiwirkung wurde natürlich auch das
gefüge der deutschen sage mehrfach umgestaltet, was in erster
reihe die bedeutenden abweichungen erklärt, die zwischen der
fassung in der Edda und der in den späteren bearbeitungen,
in der piörekssaga, in dem Nibelungenliede, der Rabenschlacht
u. a., bestehen. >) Nach der Zerstörung der Hunnenmacht kehrt
Detreh friedlich in sein land Italien zurück (das exil Dietiichs
in der deutschen sage nimmt ein ende): Überlieferungen von
der eroberung Italiens durch Theoderich d. gr. haben die reine
Hunnensage in Pannonien nicht getrübt.
7) Der abschluss der ungarischen sage: Csaba ermuntert
sein Volk, die Hunnen-Ungarn, Scythien zu verlassen und das
erbe Eteles in Pannonien zurückzuerobern, ist eine specifisch
ungarische Weiterbildung, wodurch die ganze sage einen unga-
risch-nationalen Charakter erhielt.
8) Aus dem inhalte der erzählung, wie aus directen Zeug-
nissen der Chroniken ergibt sich deutlich, dass die Hunnen-
geschichte neben gelehrten (luellen aus echter ungarischer
volkssage geschöpft hat. Diese volkssage selbst ist, von wenig
specifisch ungarischen Zusätzen abgesehen, entschieden germa-
nischen, und zwar mit ausnähme der Krimhildssage ostgotischen
Ursprungs. Sie kann aber kaum von den Ostgoten oder Ge-
piden selbst an die Ungarn übergeben worden sein; auch eine
avarische Vermittlung kann durch nichts begründet werden,
eine deutsche, speciell bairische aber ist ganz ausgeschlossen.
Nach unseren heutigen kenntnissen auf dem gebiete der uug.
Urgeschichte in Europa kann die ostgotisch-pannonische Hunnen-
sage nur durch die Slaven, namentlich die pannonischen Slo-
venen an die Ungarn übermittelt worden sein.
9) Die ung. Hunnensage steht mit ihrem inhalte und ihrer
conception der geschichte ungemein nahe. Die historische treue
der Überlieferung wird durch die geographischen und geschicht-
') Meine auffassung von der beeintlussimg der deutschen sage durcli
die ostgotisclie sowie von den abweichungen, die zwisdien der deutscheu
und nord. Überlieferung be.sleheu, habe ich zusamnieuhäugeud dargelegt iu
Egyet. philül. közlöny 30 (1Ü06) s. 257 ff.
DIE GERM. ELEMENTE DER UNG. HÜNNENSAGE. 599
liehen Verhältnisse, unter denen die sage entstanden war und
weiter gepflegt wurde, erklärt und beg-reiflich gemacht. In
der ung. sage ist an der auffassung eines kampfes zwischen
dem Hunnentum und Germanentum, wie er in der geschichte
abgelaufen, festgehalten. Durch die national -ungarische und
antideutsche tendenz ward die sage von dem siege des Ger-
manentums bis zu einem siege des Hunnen -Ungartums, d.i.
bis zur ung. landnahme, fortgeführt. Dadurch erhielt die
pannonische Hunnensage eine wunderbare Vollendung in ihrer
composition und verlor ihr germanisches gepräge. In ihrem
Inhalte und ihrer Weltanschauung ist sie von dem gewaltigen
und unverfälschten geiste der Völkerwanderung, die in dem
Donau- und Theisstale erst durch die ungarische Staatsbildung
zum abschlusse gekommen war, erfüllt und getragen. Die
sage war zwar schwerlich bis zu einem einheitlichen epos
gediehen, ihre klare und abgerundete composition beweist
aber entschieden, dass sie zur zeit der abfassung der Hunnen-
geschichte einem solchen sehr nahe stand. Bei der tragik des
conflictes, der grosse und macht der conception, der tiefe der
auftassung ist das unterbleiben einer aufzeichnung der sage
in ihrem ganzen Inhalt und ihrer epischen form wahrlich nicht
bloss für die ungarische literatur ein beklagenswerter verlust,
10) Aber auch so, wie wir die sage in einzelnen bruch-
stücken, mit allerlei gelehrten Zusätzen untermischt und entstellt,
in der Hunnengeschichte besitzen, bleibt sie ein bedeutungs-
voller schätz der ungarischen literatur- und culturgeschichte.
Sie bietet aber zugleich auch für die geschichte der germ,
heldensage, die noch in manchen punkten der aufklärung be-
darf, wichtiges und wertvolles material. Wird einmal die
deutsche forschung die ung. Huunensage einer grösseren auf-
merksamkeit aus richtigeren gesichtspunkten würdigen, so
werden sich, ich habe die Überzeugung, noch weitere, nicht
unbedeutende ergebnisse aus der Hunnengeschichte der unga-
rischen Chroniken gewinnen lassen, die auf manche dunkle
stelle der germanischen und ungarischen sagengeschichte
erwünschtes licht zu werfen geeignet sind.
BUDAPEST. JACOB BLEYER.
EIN GOTISCHES LEHN\YORT IM
ALTPREUSSISCHEN.
Preuss. ihnis 'bark' (V-oc. 234).') Das niederdeutsclie wort
hark bezeichnet 'eine sclieune ohne wände, aus einem auf
vier pfählen ruhenden dache bestehend, zum aufbewahren von
Stroh u. dgl.', vgl. mnd. harch, barg, herch 'scheune ohne wände,
Schutzdach auf pfosten ruhend' und das nd. lehn wort lit. haräyas
'ein auf Stangen hinauf- und hinabscliiebbares dach über einem
häufen heu oder getreide', lett. hraga 'dach auf vier pfosten,
zum schütze von heu im freien', poln. hrog 'ds.' (s. Nessel-
mann, Thes. linguae pruss. 50. Prellwitz, Die deutschen be-
standteile in den lett. spr. 1,39). 2) Das preuss. wort ist bisher
völlig unaufgeklärt.
Nschwed. dial. (hjälm) jä'lm m. ist u.a. 'freistehendes dach
(scheune ohne wände), worunter heu und getreide aufbewahrt
Avird, ein zwischen bäumen errichtetes dach zum schütze von
heu und laub'3), nnorw. hjelm 'hinauf- und hinabscliiebbares
dach über einem getreide-, heu-, torfschober; getreideschober
unter einem kleinen dach', adän. hiahn^), awnord. hialmr m.
'Vorrichtung zum aufbewahren von heu und ungedroschenem
getreide' {liey-, l'orn-hialmr).
*) Dass ümis und nicht, wie auch uiüglicli, ilinis zu lesen ist, Avird
sich unten ergeben.
*) Das fragliche preuss. wort kommt in der reihe Schewne — Banse
— Tenne — Ikirk — Schewer vor. Schon daraus lässt sich seine bedeutung
annähernd bestimmen.
s) Ihre, Dial.-lex. (1706) s. 72. Hylt§n-Cavallius, Wärend '2.93.
Möller, Ordb. iifver halUindska landskapsmalet 73. Rietz, Dial.-lex. 280a.
Landtmanson, Yästgötamalets 7- eck r-ljud 4(5.
*) Eoss, Norsk ordb. 32Ga. Aasen, Ordb. 293b. Mulbech, Dansk
gloss. 3i3.
EIN GOT. LEHNWORT TM AT/ri'REUSSISCIlEN. ßOl
Ne. heim in der bedeutung- 'a shed biiilt on posts, an open,
roofed slielter for cattle etc., a slied in the flelds for the shelter
of cattle wlien tiirned out to pasture' kommt ausschliesslich in
nordenglischen mundarten vor (s. Bosworth-Toller, Dict.
s. V. heim. Wright, Engl. dial. dict. 3, 137. Murray, NED. 5,
207 a), beruht also unzweifelhaft auf skandinavischem einfluss.
Ob auch cjanr. heim in der bedeutung 'a Stack, a rick' (helmu
'to Stack') so zu erklären ist, kann zweifelhaft sein, denn ae.
heim kann, besonders dichterisch, auch 'a covering' bedeuten;
es ist also nicht ganz ausgeschlossen, dass die im nord. vor-
liegende technisch - landwirtschaftliche bedeutung dem altengl.
nicht fremd gewesen sei.')
Das nordische wort bezeichnet demnach genau dieselbe
Sache wie ilmis — bark Nun ist bekanntlich nord. hialmr
'Schutzdach für getreide etc.' identisch mit awnord. hialmr, as.
ahd. heim ' Schutzbedeckung für den köpf, heim'. 2) Setzen wir
voraus, dass das entsprechende got. wort hilms 'heim' auch
erstere bedeutung gehabt hat, so ergibt sich preuss. ilmis
als eine entlehnung aus urgot. "^hilmas. — Das got. h- ist nach
allgemeiner annähme ein ziemlich schwach ausgesprochener
hauchlaut gewesen und wird bei seiner widergabe in fremden
sprachen sehr häufig weggelassen (vgl. Braune, Got. gr. § 61.
Streitberg, Got. elem.-buch §22,5. Wrede, Sprache der Ostg.
175. Sprache der AVandalen 107 f. Loewe, Eeste der Germ, am
Schwarzen meere 1471). Das preuss., dem dieser laut fehlte,
hat ihn weggelassen. — Die eudung -is vertritt im preuss.
vocabular normal ein halt. -as.
Der vocal i beweist gotischen Ursprung. Da germ. helma-
in der fraglichen bedeutung bisher nur im nord. sicher nach-
gewiesen ist, ist preuss. ümis nicht ohne bedeutung für die
frage von den besonderen beziehungen der Goten zu den Nord-
germanen, wie es auch von culturgeschichtlichem gesichtspunkte
aus ein erhebliches Interesse bietet.
Unter den alten germ. lehnwörtern im balt. bez. preuss.
1) Die bautechnische bedeutung 'kuppel, helmdach u.dgl.' des nhd.
heim ist damit nicht zu vermischen; vgl. auch russ. Möniü 'heim; giebel,
dachfirst, Schutzdach'.
'■*) Unrichtig Johansson, Beitr. 14,297.
602 MDitN, EIN (JÜT. LKHNWOKT IM AI/rPKKUSSISCHEN.
ist die zahl der beweisbar g:otisclieii eine geringe, vgl. die
zusaninienstelhingen von Hirt, Beitr. 23, 846 ifJ)
Genn. hvhna- in der bedeutung •heim' hat, vielleicht sogar
in zwei verschiedenen formen, in das prenssische eingang ge-
funden: a) laimis 'hut' (Voc. 474, bei Grünau c/ie/^no), das ent-
weder einer nicht-gotischen germ. spräche entstammt oder ein
früh urgotisches *yßmas zur grundlage hat (vgl. Hirt a. a. o.
347. Berneker, Die preuss. spr. 298). b) Auch sahnis 'heim'
(yoc.42) geht mittelbar vielleicht auf altgerm. *;^e/?«a^ zurück,
\gl. lit. szdlmas, asl.s?r«»7, rn&s. selöniu, solomu, ä\t. \)o\n. s^tom
U.S. w., s. J.Schmidt, Kuhns und Schleichers Beitr. 5, 467
(Uhlenbeck, Arch. f. slav. phil. 15, 491 f. Etym. wb. d. got. spr.2
s. 77). Brückner, Slav. fremdwörter im lit. 1, 140. 195. Arch. f.
slav. phil. 20, 499. Hirt a.a.O. 341. 847. Berneker a.a.O. 317.
Loewe, KZ. 39, 317. Nach Brugmann, Vergl. gr. 2, 164 und
Torbiörnsson, Gemeinslav. liquidametath. 1, 100 ist lits^dlmas,
preuss. salmis vielmehr einheimisch baltiscli, was auch mir
wahrscheinlich scheint.
^) Ueber lit. litis, lytis, lyte 'gestalt, aussehen' aus got. {*wliU's) iclits
s. Li den, Ein balt.-slav. anlautgesetz 15 f.
GOTENBURG (Schweden), im december 1905.
EVALD LIDEN.
Druck von Ehrhardt Karra«, Halle a. S.
\
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PF
3003
B5
Bd. 31
Beiträge zur Geschichte der
deutschen Sprache und
Literatur
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