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Full text of "Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur"

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v/  ^Cl^- 


BEITRÄGE 


ZUR 


GESCHICHTE  PER  DEUTSCHEN  SPRACHE 
UND  LITERATUR 


UNTER     MITWIRKUNG     VON 


HERMANN  PAUL  UND  WILHELM  BRAUNE 


HERAUSGEC4EBEN 


VON 


EDUARD    SIEVERS. 


XXXI.  BAND. 


HALLE  A.  S. 

MAX    NIEMEYER 

77/78  GR.  STEINSTRASSE 
1906 


-PF 

3^ 


■| 


INHALT. 


Seite 

Das  Kärntner  scbuaderhüpfel.    Von  E.  K.  Blümml l 

Beiträge  zur  westgermanischen  grammatik.    Von  H.  Weyhe  .     .  43 
(D.  Zur  Synkope  nach  kurzer  tousilbe  im  altenglischen :  II.  Zu 
den  formen  des  wortes  für  milch,  s.  43.  —  E.  Zur  üexion  der 
s-stämme  im  altenglischen,  s.  78). 

Die  alliteration  im  eddischen  fornyröislag.    Von  H.  Wenck    .     .  91 

Zur  lehre  von  den  actionsarten.    Von  Hj.  Lindroth      .     .     .    ,  239 
Ivens  saga  und  Bevis  saga  in  cod.  Holm,  chart.  46,  fol.    Von  A. 

Tr.  Bödtker 261 

Zu  Beitr.  29,  457  ff.    Von  Ph.  Strauch 271 

Zum  nom.  und  acc.  plur.  der  ä-stämme  im  ags.  Von  J.  H.  Kern  272 

Die  Substantivflexion  seit  mittelhochdeutscher  zeit.    II.    Neutra. 

Von  H.  Molz 277 

Auslautend  g  im  oberdeutschen.    Von  K.  Bohnenberger  .    .    .  393 

Die  germanischen   elemente  der  ungarischen  liunuensage.    Von 

J.  Bleyer 429 

Ein  gotisches  lehnwort  im  altpreussischen.    Von  E.  Li  den     .     .  600 


DAS  KÄRNTNER  SCHNADERHUPFEL. 

Eine  metrische  studie. 

Eine  veröffentliclnmg  kärntnerisclier  sclmaderhüpfel  er- 
folgte durch  Karl  Liebleitner  (Dreissig  echte  Kärntnerlieder. 
Flugschriften  hg.  von  dem  Deutschen  volksgesangverein  in 
Wien,  Wien  1903),  der  nicht  weniger  als  125  solcher  Vierzeiler 
sammt  den  dazu  gehörigen  melodien  bringt.  Wenn  hier  von 
einem  Kärntner  schnaderhüpfel  gesprochen  wird,  so  ist  das 
nicht  so  zu  verstehen,  als  ob  diese  vierzeiligen,  die  hier  be- 
trachtet werden  sollen,  mir  in  Kärnten  allein  vorkämen,  viele 
sind  ja  auch  in  anderen  alpengegenden  nachweisbar,  sondern 
es  ist  das  so  zu  verstehen,  dass  aus  allen  den  Vierzeilern, 
die  in  Kärnten  gesammelt  wurden,  ohne  rücksicht  darauf,  ob 
dieses  oder  ein  anderes  land  ihre  heimat  ist,  das  facit  gezogen 
wurde,  um  so  allmählich  zu  allgemeinen  und  differenzierenden 
gesichtspunkten  in  betreff  des  Volksliedes  zu  gelangen.  Die 
eingehende  statistische  Untersuchung  der  texte  und  melodien 
ergab  nun  folgendes: 

A)    Reim  und  strophenbau. 
I.    Taktarten. 

Ausnahmslos  herscht  der  ungerade  und  zwar  der  3/,-takt, 
wobei  in  bezug  auf  die  Zeilen  folgende  einteilung  zu  machen  ist: 

a)  Zweihebig  monopodische  kurzzeile  (die  eingeklammerten 
zahlen  bezeichnen  die  strophenzahl  der  betr.  lieder):  no.  1  (4). 
2  (3).  3a  (4).  b  (2).  4a  (2).  b  (2).  5a  (3).  b  (2).  6  (3).  7, 1,  2  (2). 
8  (3).  9a  (3).  b  (3).  10a  (3).  b  (4).  11  (4).  12  (3).  13a  (3). 
b  (2).  14  (3).  15  (5).  17  (1).  18  (2).  19a  (4).  b  (2).  20a  (4). 
b  (3).  21a  (3).  b  (2).  22  a  (2).  b  (3).  23  (4).  24  (1).  26  a  (4). 
b  (2).  27  (3).  28  (4).  29  (4).  30  a  (3).  b  (2);  —  zusammen 
116  Strophen. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXI.  ^ 


"l  BLUMML 

ß)  ZAVeiliebig  moiiopodisclie  kiirzzeile  und  dieiliebig  mono- 
podisclie  laiigzeile:  25  (3);  —  zusammen  3  Strophen. 

y)  Zweihebig  monopodische  kurzzeile  und  vierliebig  dipo- 
dische  langzeile:  7,3  (1)  [eventuell  auch  24  (1),  s.  unten  l)ei 
II,  b,  1,  «]. 

S)  Dreihebig  monopodische  langzeile:  16  (5);  —  zusammen 
5  Strophen. 

II.    Reimarten. 

a)  Yierzeilige  Strophe.  1)  Eeini  aaaa:  a)  zweihebig 
monopodische  kurzzeile:  3a,  3,  29,3;  —  zusammen  2  Strophen. 

s  geat  scho  tagalat  her  unt  mei  püa  kimp  nix  raclir, 

unt  mei  püa  kimp  uix  mehr,  o  du  mein  got  unt  her!  3a,  3 

2)  Keim  aaba :  a)  zweihebig  monopodische  kurzzeile :  2,  2.  3. 
10b,  4.  20a,  3.  22a,  1.  26a,  3;  —  zusammen  6  Strophen. 

Fiihr  ur  hin,  fahr  nr  hin  s  wert  di  wöl  amal  kroin, 

in  dein  närischu  sin,  wan  i  dein  neanir  pinl  2,2 

3)  Reim  aabb:  a)  zweihebig  monopodische  kurzzeile:  1,2. 
2,1.  3a,  1.  3b,  1.  9a,  1,3.  9b,  2.  12,1.3.  13a,  1,2.  13b  (2).  14,1. 
18(2).  20a,  1.  20b,  1,3.  21a,  2,  3.  22b,  3.  26a,  4.  27,3.  28,3. 
29,1,2;  —  zusammen  27  Strophen. 

Awr  diarndle,  was  mänst,  schau  i  ä  wol  in  di 

wän  du  herschaust  unt  wänst,  unt  wan  dena  nit  i.  1,2 

4)  Reim  abab:  a)  zweihebig  monopodische  kurzzeile:  6,3. 
12,2.  15,3,5.  30  b,  1;  —  zusammen  5  Strophen. 

Unt  s  diarndl,  das  i  gern  hän,  hat  a  hilzans  kitle  an, 

is  in  keler  tiaf  drüntn,  is  mit  räflan  puntn.  G,  3 

5)  Reim  abcb:  a)  zweihebig  monopodische  kurzzeile:  1,1,3.4. 
3a,  2, 4.  3b,  2.  5a  (3).  5b  (2).  6,1,2.  7,1,2  (2).  8  (3).  9a,  2. 
9b,l,3.  10a  (3).  10b,l-3.  11  (4).  13a,3.  14,2,3.  15,1,2.4. 
19a  (4).  19b  (2).  20a,  2, 4.  20b,  2.  21a,  1.  21b  (2).  22a,  2. 
22b,  1,2.  23(4).  26a,  1,2.  26b  (2).  27,1,2.  28,1,2.4.  29,4. 
30  a  (8).  30  b,  2;  —  zusammen  70  Strophen. 

Unt  hiaz  müass  i  weit  äufe,  denk  nr  ämal  af  mi, 

weit  abewändrü,  wan  du  liawst  an  andn'i.  1,  1 

ß)  Zweihebig  monopodische  kurzzeile  (z.  1—3)  und  vier- 
hebig  dipodisclie  langzeile:  7,  3  (1  Strophe). 


DAS   KÄRNTNER  SCHNADERHUPFEL.  3 

Wä  mr  jüug  sein,  sei  mr  hägglig,  hagglig, 
schan  mr  uit  an  iade,  nit  au  iacle  an; 
wä  mr  alt  warn,  wer  mr  froa  sein, 
wa  mr  a  weanig  a  tüdl  wem  liäbm. 

y)  Dreiliebig-  monopodische  langzeile:  16  (5  stroplien). 

Unt  wan  is  meine  diarndlan,  pauandr  hiat, 

stölat  is  äiif  nach  dr  zeil; 

so  glangätn  dö  Sünnseitn  aufe 

unt  dö  schattseitn  a  no  a  weil.  16, 1 

b)  Fünfzeilige  stroplie:  1)  Reim  abcdb:  a)  zweiliebig 
monopodische  kiirzzeile:  24  (1  stroplie). 

Ja  klanvrdraht  is  mrs  gangän  aussn  seint  se  nit  gang, 

pän  Prentlhüttufeustär;  dö  vrflixtn  meutschar!  24 

eine  pin  is  nit  körn, 

Z.  3  und  4  könnten  auch  zu  einer  zeile :  eine  pin  is  nit  Mm,  aussn 
seint  se  nit  gäng,  zusammeugefasst  werden,  dann  hätten  wir  einen  Vier- 
zeiler der  form  abcb  (z.  1,  2,  4  wären  zweihebige  monopodische  kurzzeilen, 
z.  3  vierhebige  dipodische  langzeile). 

c)  Aclitzeilige  stroplie:  1)  Reim  aabbcdcd:  a)  zwei- 
liebig  monopodische  kiirzzeile  4b,  2  (1  strophe). 

Ja,  dei  liaw  unt  dei  treu  Tuast  me  allweil  foppn, 

unt  dei  einschmeichlärei,  von  dir  nimm  is  an, 

unt  dei  klöanverdrahts  herz  werst  me  lei  so  lang  foppn, 

afu  düughaufn  kherts.  pis  is  selwr  guat  kan.  4b,  2 

2)  Reim  aabbcded:  a)  zweihebig  monopodische  kiirzzeile: 
17  (1  Strophe). 

A  diarndle  hau  i  z  Pässring,  fünfe  in  dr  Herrngässn, 

zwä  af  dr  Fölling,  söchse  in  dr  Lö'liug  drin, 

dreie  in  Öwrpach,  •■       ja  weil  i  a  lüstigr 

viere  in  Öwrdach,  Krapfeldr  pin!  17 

3)  Reim  ababcded:  a)  zweihebig  monopodische  kiirzzeile 
(z.  5 — 8)  und  dreihebig  monopodische  langzeile  (z.  1 — 4):  25, 2, 3 
(2  Strophen). 

Dr  äne  steat  dröbm  af  dr  lätr, 

der  andre  steat  hintr  dr  tür; 

dr  dritte  ligg  drin  äs  a  pratr, 

rödtn  diarudlan  vu  heirätn  fiir. 

zerscht  müasst  de  hält  a  weaiii  schleichu, 

unt  di  tückn  pan  zäun, 

unt  uachr  muasst  a  weani  pfeifn, 

wer  wol  äussngean  schäun !  25,  2 

1* 


1  BLUMML 

4)  Reim  abcbddee:  a)  zweiliebig  monopodisclie  kurzzeile: 
4  a,  1  (1  Strophe). 

Deine  stöanbaitn  lödu,  awr  diarudle,  das  sag  i  dir: 

deine  eiskaltu  wört  für  alls  kau  i  nit  drfür, 

wernt  de  wöl  amal  kröinan,  an  toal  pist  wol  sehvr  schult, 

scliaxi,  du,  dlarndle,  wärt,  wiirtl  gea,  leids  mit  gedult.  4a,  1 

5)  Reim  abcbdefe:   a)  zweihebig  mouopodische  kurzzeile: 
4a,  2.  4b,  1  (2  Strophen). 

Stiaglsteigu  und  Pergkräuiau  uut  liiaz  wer  i  mir  selwr 

is  iä  weitr  wol  schwär,  an  ähvle  einzäün, 

wän  nar  i  amal  dröbn  unt  i  mag  ja  nit  allweil 

afn  Kiegälau  war!  so  a  züaf ährer  sein.  4a,  2 

ß)  Zweihebig  monopodische  kurzzeile  (z.  5 — 8)   und   drei- 

hebig  monopodische  langzeile  (z.  1 — 4):  25, 1  (1  Strophe). 

Pän  lätrlan  da  steig  is  niamr  äufe, 

dr  gänkpam  dr  is  mr  zhoach  dröbm; 

gea  liawr  durch  dö  lähm  schean  leisa, 

kirn  wol  ä  amal  äufe  afn  pödu. 

zerscht  müasst  de  halt  a  weani  schleichn, 

unt  di  tückn  pan  zäun, 

unt  nachr  muasst  a  weani  pfeifn, 

wer  wol  äussngean  schäun !  25, 1 

m.    Reim. 
1)  Binnenreim,  a)  no.  5b.  Schnaderhüpfel  2  hat  die  form: 

a(«a)bc(77)b: 

Zwögn  meinr,   zwögn  deinr, 

du  mei  liawr  pua, 

spirt  dr  vatr,   dö  muatr 

das  kömatle  zua.  5  b,  2 

b)  no.  23.  Schnaderhüpfel  2  und  3  zeigen:  a(rta)bcb: 

Mi  z  ä  1  e ,  Moi  z  ä  1  e , 

herst  me  nix  rüafn?  ...  23,2 

Mi  z  ä  1  e ,   Moi  z  a  1  e , 

sei  nit  so  zwidr !  . . .  23,  3 

c)  no.  27.  Schnaderhüpfel  1  weist:  a(a«)bcb  auf: 

Pei  dr  wischpank,   pei  dr  waschpank, 

ja  pän  üwrstiegl,  ...  27, 1 

d)  no.  28.  Schnaderhüpfel  1  hat:  a(«(01j^*^- 

Awr  Wigrle,  Walgrle, 
gea  walg  zä  mir  her,  . . . 


DAS   KÄRNTNER  SCHNADERHUPFEL.  5 

2)  Identischer  reim.    Derselbe  findet  sich  11  mal: 

a  :  a  10a,  1,2.  13a,  3,  auf:  «?</' '22  a,  2,  einarg  sehr  iebm  :  aussn- 
gschriebm  15,  5,  foj^pji  :  fopim  -Ib,  2,  liähm  :  häbm  16,  3,  nix  :  nix  15,  3, 
wilst  :  tviht  9  a,  2,    tcol  :  toi  :  ivol  26  a,  3,    loundrn  :  tvundrn  15,3. 

3)  Unreiner  reim.  Es  sind  23  fälle,  meist  assonanzen, 
nur  einiges  weist  auf  andere  dialekte  (s.  unten  5). 

an  :  häbm  7,3,  danöbm  :  segn  6,2,  denn  :  bänändrstean  13a,  1,2, 
drobm  :  2^odn  25, 1,  frägn  :  häbm  12,  3,  glia^)  :  gäJcriagg  12,  3,  ^/^/«iJ  : 
Jcriagg  29,2,  gräbm  :  schlägn  14,1,  i^oif/s  :  frumms  28,3,  /cZans  :  mons« 
20  b,  3,  «/i  :  schriat  5  b,  1,  7mf2  :  vrpufzt  21a,  3,  pägräbm  :  «%«  30b,  1, 
pist  :  is  3b,  2,  pleip  :  Ze/«/*/  9  a,  3,  re//"  :  schneips  12,1,  rosnkränzJcrettz  : 
wetfs  9b,  2,  s%n  :  7ifl&jn  29,2,  schianr  :  »/f<mr  19b,  1,  staut  :  hamp  (lies 
hämp)  11,  3,  sr«m  :  flfsztn^/  :  um  10b,  4,  weitKm  :  gsung  20  a,  2,  zitrschlägn  : 
/«rt&m  18,  2. 

4)  Eeimkünste.  Diese  bestehen  a)  darin,  dass  in  zwei 
fällen  (uo.  3  a,  3  und  29, 8),  wo  das  schema  aaaa  ist,  die  beiden 
mittleren  a  gleich  sind:  3a,  3  s.  oben  unter  II,  a,  1,  a,  und  29,  3: 

s  diarndle  bat  weisse  knia, 
weiss  wia  dö  kerschnplüa, 
weiss  wia  dö  kerschnplüa, 
äwr  trägn  tuant  se  nia. 

5)  Textkritisches  aus  den  reimen.  Hier  ist  nur 
weniges  zu  bemerken: 

5b,  1  weist  nit  :  schriat  auf  niat  :  schriat. 

13a,  1,2  das  denn  :  bänändrstean  deutet  auf  ursprüngliches  -stehn. 

IV.    Refrain. 

Kommt  nur  ein  einziges  mal  vor  und  zwar  in  no.  25,  wo 
er  drei  schnaderhüpfel  zusammenhält,  von  denen  1  abcb,  2  und  3 
abab  zum  Schema  haben  und  dreihebig  dipodische  langzeilen 
sind,  während  der  refrain  defe  zum  Schema  hat  und  aus  zwei- 
hebig  dipodischen  kurzzeilen  besteht:  s.  II,  c,  3,  a  und  II,  c,  5,  ß. 

V.   Tabellarische  Zusammenfassung  von  I  und  II. 

a)  Reimarten. 

Es  herscht  beinahe  durchgehends  die  zweihebig  raonopo- 
dische  kurzzeile  (116  fälle),  während  die  dreihebig  monopodische 
langzeile  nur  in  5  fällen  vorhanden  ist.  Von  den  reimarten 
steht  abcb  mit  76  fällen  an  der  spitze,  dann  folgt  in  ziemlich 


6 


BLLMML 


weitem  abstände  aabb  mit  27  fällen,  alle  anderen  möglichkeiten 
sind  nur  durch  verschwindend  kleine  zahlen  vertreten;  hervor- 
zuheben wäre  noch  aaba  mit  6  fällen  und  abab  mit  5  fällen. 


Reimaiteii 

2  heb. 
mon.  kz. 

2  heb. 

mon.  kz. 

4  heb. 

dip.  Iz. 

3  heb. 
mon.  Iz. 

3  heb. 
mon.  Iz. 

2  heb. 
mou.  kz. 

Summe 

aaaa 

2 

— 

— 

2  (VI) 

aaba 

6 

— 

— 

n(m) 

aabb 

27 

— 

— 

27  (n> 

abab 

5 

— 

— 

— 

öilY) 

abcb 

70 

1') 

5 

— 

7(1  (I) 

ahcdb 

V) 

— 

— 

— 

1  (Yll) 

aabbcdcd 

1 



— 

— 

1  (TH) 

aabbcded 

1 

— 

— 

— 

1  (VH) 

ababcded 

— 

— 

— 

2 

2  (VI) 

abcbddee 

1 

— 

— 

— 

l(VII) 

abcbdefe 

2 

— 

— 

1 

S(V) 

Summe 

116(1) 

1^)(IV) 

5ai) 

3  (in) 

125 

b)  Häufigkeit  der  Strophen. 

Vierzeiler    116     (I) 
Füufzeiler       1")    (EI) 
Achtzeiler       8     (II) 

Die  Vierzeiler  nehmen  mit  116  fällen  eine  beherschende 
Stellung  ein,  sodass  die  achtzeiler  mit  8  fällen  davon  bedeutend 
abstechen. 

c)  Taktarten. 

Es  herscht  durchweg  der  ^,4-takt,  über  dessen  Verteilung 
man  unter  I  das  nähere  erfährt. 


•)  Gilt  die  zweite  auffassuug  von  11,  b,  1, «,  so  haben  wir  zwei  fivlle. 
")  Vgl.  aber  auch  das  unter  II,  b,  1,  a  gesagte. 

8 


)  Vgl.  dazu  aber  das  unter  II,  b,  1,  a  gesagte. 


DAS   KÄRNTNEE   SCHNADERHÜPFEL.  7 

VI.  Ergebnisse. 
Das  Kärntner  schnaderhüpfel  ist  durchwegs  3/4 -taktig  und 
weist  vorwiegend  zweihebig  monopodische  kurzzeilen  auf 
(116  fälle).  Als  Strophe  überwiegt  der  Vierzeiler  (116  fälle), 
als  reimart  steht  abcb  oben  an  (76  fälle),  weiter  ab  steht  aabb 
(27  fälle).  Binnenreim  ist  ziemlich  selten  (5  fälle);  identischer 
reim,  obwol  im  allgemeinen  gemieden,  findet  sich  doch  11  mal, 
und  auch  unreiner  reim,  meist  durch  assonauzen  wirkend, 
tritt  23  mal  auf.  Sehr  selten  (1  fall)  ist  der  refrain  und  ebenso 
selten  sind  die  auf  dem  princip  der  widerholung  beruhenden 
reimkünste  (2  fälle). 

B)    Rhythmus. 

I.   Untersuchung  der  einzelnen  texte. 

Da  durchwegs  der  ^  4-takt  herscht,  so  kann  die  besprechung 
der  texte  der  reihe  nach,  wie  sie  im  buche  gegeben  ist,  erfolgen. 

1)  Hiaz  niiiass  i  iveit  aufe. 

1  ;;!  j'.  ;j  j^;,  ji 

Str.  1    Unt  hiaz  |  müass  i  weit  äufe,      weit 


2  JJ.  J^^J,^JJ 

äbewandrü,      denk  nr 

3  J.  J^  J  j'   ,  ;  J   I 

ämrtl  af  mi,      wän  du 

4  J .  ;  J  J  I 

liawst  an  ändrü. 
Abweichungen : 

Str.2,1   ^  J^IJ'.  ;  J  j.  ,;  Jl 

Awr  I  diarndle,  was  mänst,      wän  du  |  herschaust  , 

3,  1    J  I  j.  ;  J  J.  ;  J  I 

ja  I  griass  di  got,  griass  di  got  1  is  a  scheans  .  .  .  . 

3    I   J.  ;  J  j'.  ;  J   I 

äwr  I  pflat  di  got,  neamr  körn  |  das  säg  ... 

4,1    Jlj'   ;  J  J.  J^^^,  J   I 

mei  piawl  is  gwändrt,  kimp  |  neamr  .... 


8 


BLLMML 


3  j.  j^j  j.  ;^,ji 

uut  warn  |  täusent  no  kommen,      is  |  käur 
2)  Utit  i  pitt  di. 

1  .NM  J  J  J  J ,  J.  .^  I 

1     Unt  i  I  pitt  di  ums  ph'iat,      gea,  mei  | 

2  JJj'^.N,;.  ;i 

dianulle,  sei  mr  guat,      schau  ka  | 

3  JJJJN.  J^l^ 

tierle  frisst  s  gras,      was  von  | 


Abweichungen: 


J  J  J  J 
d  äiglan  wert  nass! 


Str.2,2  J  J  J  J,   J.  «T  I 

in  dein  |  närischn  sin,      swert  di  |  w61  .. 

3,1  ji  jj  ji;  J.,  JM 

ja  I  dirndlan  gibts  üwräll,      äwr  |  ... 

2  JJJ>;J.,J\I 

meins  is  in  Lafnttäl;      wan  | 

du  amal  übrekimst,      so  | 
3.  ab)  Ter f st  nit  aufrhlicJcn! 

1  ;.  .^  I  j'j  J  j'.  J  J I 

a  1    Terfst  nit  |  äufrblickn,      terfst  nit  | 

2  j. ;  j  j, ;.  .M 

griasslan  schicki'i,      khalt  dö  | 

3  jjjj,JJ 

cäiglan  in  zäm      unt  dö  | 

4  J.  ;  J  j 

griasslan  drliäml 
Abweichungen : 

a    Str.  2,1    J   I  J  J  J  J  J,  J   I 

AVrum  I  scholt  is  nit  träum,      wäns  | 


DAS   KÄRNTNER  SCHNADERHÜPFEL.  *  9 

3  jjJj'j,JI 

traiirt  |  s  ständle  aufn  ran  dl  an,      wäus  1 

4.1    Jl   jj   J  J3   J   Jl 

mei  I  lierzl  is  klän      wia  a  | 

b    Str.  1,1    J  I   j'j  J  j',  J  J   I 

das  I  diaudle  is  klän,      kau  uit  | 

4,  ab)  Deine  stoanhärtn  rödn. 

1  jl;-/  I  j  j.  ^i^*-,  :j'  J"  I, 

a  1    Deine  |  stoanhärtn  rödn,  •/ ,  deine  | 

2  J  J.  j^  j',  JL;.  .M 

eiskältn  wort      wernt  de  | 

wol  amäl  kröinan,  •? ,  schau,  du  | 

diarndle,  wart,  wärt!      äwr  | 

5  j  j.  J^i. -h  j.,yj 

diarndle,  das  säg  i  dir:      für  | 

6  j  j. ;/.  i^  j.,;^i 

alls  kän  i  nit  drfür,      an  | 

toal  pist  wol  selwr  schult,      gea  | 

8  j  J.  -;  J. 

leids  mit  gedültl 
Abweichungen : 

a    Str.  2,  2    j.  J^  J  J. ,  J^_^.  ^  | 

Is  ja  I  weitr  wol  schwär,      wan  nar  | 

5  j  J.  ;  jj.,;i 

imt  hiaz  |  wer  i  mir  selwr      an  | 

6  j  J  J  j,  j^;i 

älwle  ein  zäun,      unt  i  | 

mag  ja  nit  ällweil      so  a  | 


10  '  BLÜiMML 

b  Str.  1,1    ;;.  /  I  j  J.  J^>;'',.^^/  I 

a  pissl  I  falsch  sein  is  lüsti,      a  ])issl  | 

2  =  a  Str.  2,  2    falsch  sein  is  feiu,      awr  | 

3  j.  J^  J  J  %  iL/.  .M 

so  falsch  wia  du,  * ,  möcht  i  | 

4  j.  J^  J  J,  J   I 

deua  uit  sein.       i   | 

6    =  a  Str.  2  :  6    sis  |  alas  drlooii,      deine  | 

Str.  2,1   ^J..^  I  J  J.  ;  J7,,r>,M 

ja  dei  |  liaw  unt  dei  treu      uut  dei  1 

2  ^  a  Str.  2,  2  einschmeichlarei,     unt  dei  | 

3^1)  Str.  1,  3  kloanverdrahts  herz      afn  | 

5  =  a  Str.  2,  5  tuast  |  me  ällweil  föppn,      von  | 

6  =  a  Str.  2,6  d  i  r  n  i  m  m  i  s  a  n ,      w  e  r  s  t  m  e  | 

7  =  a  Str.  2,  7  lei  so  lang  föppn,      pis  is  | 

5,  ab)   Dr  wint  vrträgg  s  laiv. 

1  ; ;  1  j  j  j  J,  j^ ;  I 

a  1    Unt  dr  |  wint  vrtragg  s  law,      unt  dr  | 

reif  vrprennt  s  gras,      jii  wan  dö  | 

3  JJJJ.,;JI 

fälscliheit  uit  war,      a  scheans  | 

4  J.  ;  J  j.  -7  I 

diarudle  war  das! 
Abweichungen : 

a    str.2,1    J  I   jj  J>  J'^i,  J   I 

Di\  I  steig  is  nit  äufn  i      das  | 

2  JJJJ.,J.  I 

is  uit  mei  schätz,      das  | 

3  jj;;>J^hJ^;i 

is  lei  s  sege  diarudle,  i,      der  da  | 

Str.3,1   J  I  jj  J^  J^  J^}i,;^  J^  I 

gea  I  diarndle,  tua  de  scharaman  }  ,      hast  lei 


DAS  KÄRNTNER  SCHNADERHÜPFEL.  11 

2  jjj  j.,jy  1^ 

striklan  pän  pöt,      dass  dö  | 

3  J  J  J  j,  JJ 

piiabm  magst  drhabm,      sist  | 
b    Str.  1,  1  =  a  Str.  2  : 1   mei  |  piawle  muass  gröass  sein  i  ,     an  | 

3    j  J  J  J,  ;  ;  I 

drweil  a  |  klänr  a  stunt  geat,      mächt  dr| 

Str.2,1    ;  J^  I  j  Ji^  J^>;h  J 

zwögn  I  meinr  z w ö g n  d e i u r  }  ,      du  | 

2  =  a  Str.  3  :  2    mei  liawr  püa,      s  p  i  r  t  d  r  | 

3jjji;^ji 

vätr,  dö  müatr  i,      das  | 
6)   Wäns  pergle  nit  war. 

1    Unt  wäns  |  pergle  nit  war,      unt  dö  | 

2  j'j.  J^J,JJ1 

säggrische  hea,      unt  so  | 

8  JJ.  ;jJ.,-h^l 

kömat  mei  piawle      um  a  | 

4  ■      j.  ;  j  j 

halwe  stunt  ea. 
Abweichungen: 

Str.  2,  2  J  J.  J^  i  J^ ,   J  J  I 

unt  das  |  gstäid  nit  drnöbm,      ja,  da  | 

3  JJ.  ;j'j.,j^ 

kint  i  mein  diarndlan,      ins  | 

Str.3,1   J   li;  J.  J^  j  J.,  J^  J^   I 

unt  I  s  diarndl,  das  i  gern  hau,      is  in  | 

2  jj.  ;jj,;;i 

keler  tiaf  drüntn,      hat  a  | 

3  }^J.  ;j,J.  ^ 

hilzans  kitle  an,      is  mit  | 

4  j  J  J  i 

räflan  puntn. 


12  BLÜM ML 

7)   Dianulh',  du  niiiaiist  ntr  s  z  uissn  mächn. 

1  j  I  j ; ;  j^ ; ;  .N^  j\ ;  j^  I 

l  Gea  I  diarndle,  du  muasst  nirs  zwissu  luachn,     Avia  dr  | 

vigl  vogl  schian  siiigg  in  wält;      gea,  | 

3  JJ.  J^i/Jl 

diarndle  mäch  s  fenstrl  auf, 

4     In  j. "  I 

mir  is  scho  kalt. 
Abweichungen : 

str.2,1  j  I  j;;;;;;;  j^,  j  I 

gea  I  piawle,  log  di  nr  eiur,  einr,      u  ii  t  | 

3  j  J.  J^  J  J   I 

dass  I  ünsare  kindr  | 

■        Str.3,1    :  n   J  j;;;^;.N.^.M" 

wä  mr  I  jung  sein,  sei  mr  hägglig,  hagglig,    schau  mr  | 

nit  an  lade,  nit  an  lade  an;      wämr  | 
3  (==  Str.  2,3)  alt  wern,  wer  mr  fr 6a  sein  | 

4       j.  .r^j  j.  ;  j  I  j'  ;  J  i  I 

wä  mr  a  weäuig  a  tüdl  wem  habm. 
8)  Biarnäle,  du  Jungs. 

1  ;.M  J'J  J  J.  J  Jl 

1     Awr  I  diarndle,  du  ji'iugs,      und  äs  | 

2  JJJJ,   JJI 

war  dr  vrgünnt,      jft,  i  | 

3  JJJJJ,;;i 

gäw  dr  mei  herzle,      wäu  is  | 

4  J  J  J  j 

änssrnöhm  künnt! 
Abweichungen : 

Str.2,1    ;;i  j  J  J  j  J,  J   I 

ja  du  I  herzig  scheans  diarndle,      pei  | 


DAS  KÄENTNER  SCHNADEßHÜPFEL.  13 

2  J  J  J  i,  J  ;  J^  I 

dir  steat  dö  wähl,      schau!  känst  an  | 

3.1  ;;i  j'j  j  j  j,;^i 

pfiat  di  I  got,  mei  liaws  diarndle,      gschiedn  | 

9,  ab)   Bö  Klägnfurtnr  Jierrn. 

1  ;^.  ^i  J.  J^J  J'.,;;.  -h  I 

a  1    Unt  dö  |  Khagnfurtnr  herrn,      segu  mei  | 

diarndle  so  gern,      nnt  dr  | 

3  J.  ^  J  J,  J  I 

gruf  von  Obutul,      der  | 

4  j'.  ;  J  j. 

kriaggs  nit  aiuäl. 
Abweichungen : 

a    Str.  2,  1    J'J.  .h  I  j.  j^  J  }  j^  •?,  J^^cT.  ^  I 

klane  |  kiaglan  muasst  giassn,  *f ,    wänst  an  | 

3  j.  ;jJhJI 

klane  |  diarndlan  muasst  liahm  l,      wanst  | 

3,3  j.  ;j>,r;i 

wännr  |  s  pötstatle  pleip,      wo  mei  1 

b  Str.  1,1  ;>  j^  1  j. :  j^j"  :^,  :j-  j^  i 

unt  hiaz  |  hau  i  ka  diarndle  "f,      unt  i  | 

3  j.  ■;j;;^i,ji 

unt  zän  |  Ferlachr  kirchtigi,      da  | 

2,  3  =  a  Str.  3,  3    unt  mei  |  rosukränzkreuz      unt  mei  | 

3,  1  =  a  Str.  2,  1  häw  an  |  kläuzrissnän  jäuggr  7  ,  unt  ka  | 
3  =  b  Str.  1,3  äwr  |  simedreissg  diarndlan,  i,    wia  | 

10,  ab)   Fist  a  lugnerle  du! 

1  J  ^  i  j  J  J  J,  J-  -ri 

a  1    Pist  a  I  lugnerle  du      uut  a  | 

2  JJJJ.,J.   I 

schlanggrle  ä,      sägst  | 


14  BLÜM ML 

3        Jjjjj,,rj^i 

mi  tast  dns  liahiii,      lial)st  an  | 

4  JJJ^J. 

audrn  puabin  a. 
AbweiLliungen: 

a    str.oi    j;i   j'jj  j'j.,;i 

So  viel  I  gelt  as  wia  dii  hast,      so  | 

2  j'jJj'.,JJ^I     ^ 

viel  hau  i  ä;      gfir  a  | 

3        Jj,r;j'j,Ji 

scbäfl  hast  du  ä  nit,       uut  | 

3,  1  =  a  Str.  2,  1     hat  me    |    s  diarndle  vrlassn,      wia  | 
2  =  a  Str.  2,  2  lädig  pin  i ;      w  e  r  a  | 

b    Str.  1,  1  =  a  Str.  2,  1    piawle   |   wanst  lui  wilst  liabm,       so  | 

2  =  a  Str.  2,  2  liaw  i  di  ä      und  wän  | 

3  J  J  J  j  J  J  I 

du  mr  a  püssle  gibst  | 

2, 1  =  a  Str.  2,  1  dr  her  |  pf arr  af  dr  k  ä  n  z  1      h  a  t  | 

2  =  a  str.  2,  2  dreimal  vrkiudt:      pei  an  | 

3, 1  =  a  Str.  2,  1  steig  uar  |  äufr,  schloif  einr,      pei  | 

2  =  a  Str.  2,  2  mir  is  guat  liegu,    h  ä  t  a  u  | 

3  jjjj,  ;^l 

iadr  pua  gsagg,      der  da  | 

4,  1  =  a  Str.  2, 1  suni  sum  |  sura  unt  sum  sümsum   häts| 
11)   W(hi  is  hanigca  von  dkirndlan. 

1  .f^  J^l  J  J-;  J  J,  Jl 

1     Wän  is  I  hämgea  von  diarudlau,      da  | 

2  JJ.  .^J,  Jl 

Icichtet  das  uiöos,      scheau  | 

3        j'j.  ;^jj,ji^ 

grüasslaitn  hört  nia       von  | 

4  J  J.  J^  I  j 

Weruwergr  gschloss. 


DAS  KÄRNTNER   SCHNADERHÜPFEL.  15 

Abweichungen : 

Str.2,1    ^.^I   j'j.  ;  j,  J  JI 

üwrs  I  raoos,  üwrs  moos,      üwrs  | 

2  J  J.  ^  j,  ;  ;  I 

moos  schleicht  dr  pna,      d  a  s  s  das  | 

3,  1  =  str.  2,  1    unt  dö  |  gamslan  in  gwänt     hämp  an  | 

2  =  Str.  2,  2  gfährlichn  stänt;      segn  | 

3  J  J.  ;;.  ^  J,  J   I 

diarndlan  geats  j  ü  s  t  a  s  o ,      dö  | 

4,1    J   I   J  J.  J^j,  J  J   i 

gea  I  diarndle,  mach  äf,      läss  mi  | 

2  =  str.  2,  2    eine  zä  dir,      pin  an  | 

3  j  J.  i^  J  ,  J  J   I 

ärmr  kapluu,      wer  wohl  | 

12)   In  Althof n  da  fällt  a  reif. 

1    In  Alt-  I  höfn,  da  fallt  a  reif;      in  Sunct  Do-  | 
uät,  da  schneips;      in  Maria  | 

3        j.  ;;j^j.,  j^;;^! 

Sääl,  da  geat  a  wiut,      in  Klägn- 

fürt  d?i  gips  ka  sint. 
Abweichungen : 

Str.  2,1    J   I  J.  J^  J^  J^  j  J^  J^,  J^  J^  I 

mei  I  püa  der  hat  a  liabstraukl,      odr  | 

2  j.  J^JJ.^J.  1^ 

wia  as  denn  mächt?      bei  | 

tag  säg  i:  pist  a  häuptschlanggl,    und  i  | 

3,1  j  I  jjy  ;  j,;^;^! 

häw  I  zwä  zwa  diarndlan  gliap,      hat  dö  | 


16  BLÜMML 

2  J.  J^jJ,J^J^I 

ninatr  gakriagg.      piu  in  | 

3  j.  ;j^J^J,JI 

VJitr  gäugUn  fragn,      liiit  | 

4  J.  J^  J  i 

ä  gwüllt  ans  habm. 

13,  ab)  Diarnäle,  icäs  dcnlxst  clr  denn? 

1  I       I       I       s         fei] 

a  1     Dianulle,  was  denkst  dr  denn. 

2  J  J  J  ;.  0^  J  I 

wä  mr  bäuandrstean? 

3  J  J  J  j'    J^  J  I   ^ 

i  denk  uir  allezeit: 

4  j.  ;  j  j  i 

du  pist  mei  freid! 
14)   In  LöHnyer  grähni. 

1  j  I  j.  ;ji/,  j- J^j 

1     lu  Lulinger  gnibiu,      tuat  a  | 

2  j. ;  j  i  j^,  j. :  I 

wiiclitäle  scblägn,      wan  is  | 

3  j.  j^  j  j,  j.  j;  I 

wächtäle  hör,      pin  is  | 

4  .'.   0^  J  i 

scbläfrig  nix  uiebr. 

Abweicbuugeu : 

Str. 2,1 : :\  j'j.  j^  j'j. ;i 

meine  |  scbüacb  sein  aus  füchslödr 

2       j  j.  j^  j ,  j. :  i 

füchslödr  gmacbt,      uut  sie  | 


DAS  KÄRNTNER  SCHNADERHÜPFEL.  17 

3, 1  j^  ^  I  j.  ;  j  j',  j.  j'^  I 

uut  i  I  h;in  (Irs  sclio  gstigg,      wia  mas  | 

2  J.  j^  J  j',  J.  J^  I 

turle  aufmacht,      dass  dö  | 

15)   s  is  iveitr  wohl  ivälir. 

1  ji  jj  j  j,  j.  ;i 

1    s  is  I  weitr  wohl  wahr,      bei  dr  | 

2  j.  ;  J  J,  ^^  ^^\ 

liaw  is  dr  sögn;      wau  dr  | 

3  j  J  J  J,  J.  i^  I 

äne  pua  geat,      kimp  dr  | 

4  j.  J^  J  j 

andäre  zwögu. 
AbweichiTDgen: 

Str.  3,1    Jl   jj  J  j  J.,  J^l 

dö  I  leit  toamp  se  wüudru,      i  | 

3  >J^JJJJ.,;i 

imt  se  I  werdn  se  erst  wündrn,      hiaz  | 

5,  1    J   I   j  J  J  }.  ^  J.  ;  I 

dr  I  käisr  hat  einargschriebm  | 

2  J.  J^  J  j,  J   I 

um  dö  scheau  leit,      dö  | 

16)  Wän  is  meine  diarniUan  pänändr  hiat. 

1  J I  j.  J^ ;  ;^j  J  J  i-  J^  J I 

Und  I  Avan  is  meine  diarudlau  pänändr  hiat  | 

2  j.  j;j  j.  j^j  j,  Ji 

stölat  is  auf  nach  dr  zeil;      so  | 

3  J.  J^j/j  Jij^i,  Jl 

glängätu  d  sunnseitu  äufe  i      uut  | 

4  j  J.  J^  J.  ;  J  j 

d  schättseitü  ä  no  a  weil. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXXI.  2 


18  BLÜM. ML 

Abweichungen: 

Str.  2,2   j.  .f^  J  J.  j^  J  ji  I 

stül  i  niirs  her  nach  dr  zeil  i  | 

3  j.  i^  J  J  J  J  >.  w^  J  I 

sötz  i  mci  hiatl  niicli  dr  st'-itn  auf  | 

4  j.   j^  J  j.  ;  J  j 

trutz  mit  anr  iadn  a  weil.  | 

3,  1    J.  ;  J  j'  J  J  i.  .^  J  I 

ä  diarudle  zwa  diarndh\n  niug  i  nit  | 

2  =  Str.  2,  2    drei  und  vier  niiiass  i  lei  h  ;i  b  m  l  \ 

3  ^  Str.  2,  3    liiuf  und  söchs  kinänts  ja  ä  no  sein 

4  =  Str.  2,  4    da  SS  i  an  wecLsl  kan  häbni.  | 

•i,  1   =   Str.  3,  1     wan  is  a  zrissn  und  zlüniiut  pin  | 

2  =   Str.  2,  2    wuu  i  nr  tanzn  schean  k  a  n  /  | 

3  j.  i^  J  J  J  J  i  J^  i  i   I 

liiss  mr  dö  fetzn  ur  flatrn  i  i   | 

4  =  str.  2,  4     was  geats  denn  andre  leit  ;in.  | 

5.  1    J   I   j-  J^  J  J  J  J  i.  .^  J   I 

iint  I  liiiitr  mein  vätr  sein  städahm  | 

3  =  Str.  2,  3    da  |  hat  r  a  grüslat  khms  järazle  | 

4  =  Str.  2,  4    huckt  dr  uiir  alleweil  drän.  1 


-') 


17)    A  diarndle  liän  i  z  Fassring. 

1  j  I ;.  jN  j  j  j  I 

A  I  diarudle  hau  i  z  Pässring,  | 

2  j  J.  J^  J  J  I 

zwä  af  dr  Fölling,  | 

3  j  J.  ;  i  ;  J   I    ^ 

dreie  in  öwrpacb,  | 

4  j  J.  j^  i  ;  j  1  ^ 

viere  in  Öwrdach,  | 

5  jj.^yjj.  ;i 

fünfe  in  dr  Hörrngassu,  | 


DAS  KÄRNTNER  SCHNADERHÜPFEL.  lO 

6      j  J.  ^^  .h  ;.  ^  J.;  j^  1 

söchse  in  dr  Löliug  driu,      ja  | 

7  j  J.  J^  J.  ^  J   I 

weil  i  a  lüstigr  | 

8     j  j. ;  j 

Kräpfeldr  piu! 

18)  Af  dr  Zigulln. 

1  Af  dr  Zi-  I  giillu,  da  häw  is  meine  feldr,  7  in  Pücbsu-  | 

stän,  da  häw  is  meine  wäldr,  7  von  Klägn- 1 

fürt  nnt  Maria  Saal      khernt  äle  | 

4  '^  ^  ^  ^  ^  ^  l 

mädlan  mein  pis  Obmtal. 
Abweichungen : 

Str. 2,1  ;;^;i  jj^^;  j-r,  j^  j^;i 

wögn  mein  |  w  i  s  c  h  p  1  n ,  wögn  m  e  i  n  s  i  n  g ,  7  ,  wögn  mein  | 

2  ^        J  J^,h;  J7,  j^j^j^l 

tänzn,  wögn  mein  spring  •/,  wögn  mein  | 

schean  fein  zitrschlagn      wil  me  | 
19,  ab)   I  pin  a  Idans  päiierle. 

1  j  I  j  j.  ;,r.  .h  j,  j  I 

a  1    I  1  pin  a  klans  päuerle,      hän  | 

2  j.  ;jj,j^;i 

nix  wia  a  gäss,      unt  zä  | 

3  j  J  J^  J^i.  .h  J,;;| 

oastrn  wert  se  kitzlan  kriagn,      mane  | 

drei,  was  i  wäss. 

2* 


20 


BLUM ML 


Abweichungen : 

a    str.oi    ;;|   J  J.  ;  j,  J  Jl 

hiin  a  I  weanig  au  walt,       lian  a  | 

3  j  J  J"^  J^  J,  J.  ;  I 

unt  a  ]  (lianulle  uiuass  i  hähm,       wia  a  [ 

3,1  Jl>.  .N.  i^  j,  J  Jl 

a  I  diarndle  luuass  i  ha  hm,      was  von  ] 
fuass  aufrecht  steat,      uut  vor  | 

q  j    J      I     i      I  hl 

scbcauheit  kaum  herschaut,       vor  | 

4,1    Jl  jj.  J^J  J,  Jl 

uiei  I  schätz  is  a  hölzkueeht,      hat  | 

hat  au  I  köhlschwärzu  sclinäuzpiirt    uut  | 

b    Str.  1,  1    J   I   j  J.  ;  J  J.  ,  J^  I 

äwr  I  müatr,  wia  tüa  nir,      tlr  | 

2       j.  ;j;  J^lr,  J^l 

püa  is  a  s c lii a u r  i  •• ,      und  | 

3  jj.  ;jJ,JI 

läss  uiru  uit  eiur,      so  | 

kimp  r  uns  uiamr!  l 
2,  1  =  a  Str.  4,  1    du  |  uärischas  diarndl,      dass  d  | 

2     j.  ;^jj,ji 

gär  a  so  pist;      er  | 
3  =  b  Str.  1,3    schöl  dr  hiaz  hergian,      so  | 


20,  ab)    Ohne  diarndl,  ohne  wein. 

1  J^  J^  I  J.  J^  J^  J^  J,  ;  .T  I 

a  1     Ohne  |  diarndl,  ohne  wein,      möcht  dr  | 

2  J.  J^  J  i,  J  I 

teuxl  pua  sein,      von  | 


DAS   KÄRNTNER   SCHNADERHÜPFEL.  21 

wein  kriag  i  schneid      unt  van  | 

4        j.  -r  J  j 

diarndl  dö  freud. 
Abweichungen : 

a    .tr.2,1    J^  J^  I  J.  ^  J  j,  J^  J^  I 

pin  a  I  lustig r  püa,      dr  fi-  | 

2  J.  i^  J  j,  J^  ^  I 

delste  weit  um,      pin  schon  | 

3,  1  =  a  Str.  2,  1    pin  a  |  lüstigr  püa,      läss  n  | 

2  =  a  Str.  2,  2    töifi  ka  rüa,      unt  d  ö  | 

3  j.  J^  J  j.  J^,  J  i 

englan  in  himbl,      dö  | 

1,1  Ji  j.  j^  Ji,rh  Ji 

an  I  gäras  hän  igschossn,      häu| 
2  =  a  Str.  2,  2    gmant,  war  a  pock,      wia  is  | 

b    str.1,1   J  1  j.  ;  J  j,;/| 

das  I  Ausseer  salz,      unt  das  | 

2  =  a  str.  2,  2    bergrische  schmälz,      unt  dr  | 

wo  i  I  nächtn  pin  gwösn,      gea  is  | 
2  =  a  str.  2,  2    heint  neanir  hin,      toamp  se  | 
3,  1  =  a  str.  2,  1    o  du  |  diarndle  d  u  kldns,      wia  viel  | 

21,  ab)   s  diarndle  in  dr  nächprscliäft. 

1        j  J.  ;  ;.  -h  J.  7  I 

a  2    Diarndle,  dei  ding,  dei  ding  •?  | 

2    j  j.  ;  i.  ^  j  1 

dei  scheanr  fingerring  | 

3         j  j  J  ;.  .^  J  I 

hat  me  ums  gerschtle  prächt  | 

1         j.   ;  J  j  .> 

ünt  in  vrdächt. 


22  BLÜMML 

Abweichungen : 

a    Str.  1,  1    J  !  }.  .^  J.  ;  >.  .'^  J.  ,  J^  I     ^ 

und  I  s  diarndle  in  dr  niichprschuft,      das  | 

2     jj.  •rj,j.  ;i 

schickt  mr  an  grüass,      unt  sie  | 

3, 1  >.  •h  j  i.  .'^  j.  7 1 

i  nit  schean,  du  nit  schean,  f  | 
b    Str.  1,  2  =  a  str.  1,  2    hiat  i  zwa  küah,      unt  dö  | 
2,  2  =  a  str.  1,  2    das  si  nit  ri'ihrt,      unt  das  | 

22,  ab)   1)1  Karntn  is  s  a  prüclit. 

1  ;  J^  I  J.  J^  J  J',  j.  J^  I 

a  2     Wäu  dö  |  nachtigal  schlägg,      s  diarndl 

2  J.  ;  J  j,  J.  J^  I 

s  ti\rle  maclit  auf:      sei  nar  | 

3        j.  .r  j  j ,  j.  ;  1 

leisä,  mei  püa,      wöck  du  | 

4  J.;  J  j 

raüatr  nit  auf! 
Abweichungen : 

a    Str.  1,1    J   I  }.  .N  J  j,  J.  .ri 

in  I  Kärntn  is  s  a  pracht,      wamr  | 

b  Str.  1,1  ;;  I  j.  J^J  J  J.,.^.'^J 

gea  is  I  aufe  af  d  Albmän,      steig  is  | 

3  J.  ;  J  ;.  .N  I 

ja,  ka  I  khins  diarndle  mag  i  nit,  | 

3,  1  J.  J^  J  J  ,  J.  J^  I 

herzigr  schätz,      in  mein  | 

23)   Stanmüadr  kirn  is  kam. 

1  j  J.  J^  .^  -Nil 

1    Stänmüadr  kirn  is  ham  l  \ 

2  j.  .r  j  >  J^  u  I 

lüg  is  mi  niedi'  l  l  | 


DAS  KÄRNTNER  SCIINADERHÜPFEL.  23 

3  j  j. ;  i.  ^  j  i ! 

kimp  (lö  vrpante  liaw,  l  \ 

auf  muass  i  widr  l  l . 
Abweichungen : 

Str.  2,  1    j'.  J^  J  >.  ^  J  n 

Mizäle,  Möizäle  ^  | 

4  j. ;  j  i^  j^  u  I 

kän  i  uit  schliafn.  l  l  \ 
3, 1  =  Str.  2, 1    Mizäle,  Möizäle  }  \ 
4  =  Str.  2,  4    giw  drs  wol  Avidr  i  }  | 

4,1  JJ.  ;  J  JH 

log  di  när  ziiawr  l  \ 

2    j.  J^J  Jh  Jl 

stützl  du  kläns  i ,  in  | 

3  j  j. ;  j  j  n^ 

liaw  häm  mr  gheirät  l,  \ 

4  j  j.  j^  j  i  n  ^ 

häus  häm  mr  käns.  l  l  | 
24)   Klanvrdraht  is  mrs  gängän. 

Ja  klanvr-  |  dräht  is  mrs  gängän      pän  ( 

Prentlhüttufeustär:      eine  | 

pin  is  nit  körn,      aussn  1 

seint  se  nit  gang,      dö  vr-  | 

5  j.  ;^  J  j  -r  I 

flixten  mentscliär! 


24  BLÜMMIi 

25)   Pdn  hüyJan. 

1  Jl  JJ. -TJ-^J  J';-.  Jl 

2    I'r  I  äne  steat  drobiii  iif  dr  lätr,      der  | 

2  j  J.  J^  j'    ;  J  i,  J   I 

andre  steat  hiutr  dr  tür;      dr  | 

dritte  ligg  drin  as  a  prütr,      rüdt  "u  | 

4     jj.  ;j. ;;  j.  j  I 

diarudlau  vn  heiratn  für.      Zerscht  | 
nu'iasst  de  hält  a  weaui  schleichn,      nnt  di  | 

6      j.  •rjj,ji 

tiickn  pän  zäun,      unt  | 

niiclir  muasst  a  weani  pfeifn,      wer  wol  | 

8  J.  J^  J  J 

äussngean  scbäun! 
Abweichungen: 

Str.  1,1    J   |>.  .N-  ;j.  ;^;  jj^",  Jl 

pan  I  lätrlan  da  steig  is  nianir  änfo,      dr  | 

kirn  wol  I  ä  amal  äufe  afn  pödn;      zcr.sclit 

3,2      j  j.  ;  j.  j^j  jh  j  I 

dö  I  muatr  schreit  gschwint  um  a  liacht  },    das 
20.31"))    ]Vän  dö  niuair  a  grcinf. 

1   ;;i  J  J  J  i,  J. -Tl 

a  1    wau  dö  |  nuiatr  a  giöint,      unt  dr  | 
vatr  nix  sagg,       unt  dö  | 

3  JJJJ,  J.  ;! 

nuiatr  allän,      iniicht  nie  | 

4  J .  J^  J  J 

u6  uit  vrziigg. 


DAS  KÄRNTNER  SCHNADERnÜPFEL.  25 

Abweichungen : 

a   Str.  2,1     J   I   J  J  J  j,  J.  J^  I 

dr  I  vatr  hat  gsagg-,      sollt  a  | 

3  jjjj,J.  ^/I 

nnt  (lü  I  inüatr  hat  gmänt,      i  hiat  clü  | 

3:2  j.    j^^jj,J| 

wol,  das  I  piawle  is  töl;      gär  | 
4,  1  =  a  Str.  2,  1    schean  |  grean  is  dr  klea,      wan  ar  | 

2  =  a  Str.  3,  2  aufgeat  in  d  hea,      Avia  | 

b   str.  2,  2  =  a  str.  3,  2    du,  Silwr  |  ö'ggr  patär,      liegst  | 

3  JJJJJ.,; 

sehvr  pan  diarudlan,     äwr  | 

27)   Pei  dr  ivischpänh. 

Pei  dr  |  wischpänk,  pei  dr  wiischpank,      ja  pan  | 

2  j  J_J  J,  ;.  ^  I 

üwrstiefi'l,       uut  mei  | 

schätz  hat  me  ghalsn,      ja  der  | 

4  j  J  J  j 

tündrsnig'l! 
Abweichungen : 

Str.2,1    ;.  ;|   j  J  J  h,  J   1 

s  diarndle  |  sagg:  log  de  züachr,      mei  | 

3,1  ;.  •M  j  J  J^^  j,  j;.  J^  I 

uusrn  I  pfänir  hau  is  p eicht,      ja  s  diarndle  | 

3  ^       j  J  J  J,  ;.  j^   I 

sagg  dr  I  pfärar  za  mir:      geat  mr  | 

28)   Wüjrle,  Wälgrle. 

1  jj^i  j'j.  ;i;j.,^j^i 

1    Awr  I  Wigrle,  Walgrle,      gea  | 


26  BLÜMML 

2  jjJJ,;j.   I 

w;\lg  zä  nir  her,      ja  heiut  | 

3  jj  J  J^;  J.,  J^J 

pist  ja  mei  "Wiilgrle,      lei  | 

4  j  J  J  j. 

morgn  nix  mehr. 
Abweichungen: 

Str.  2,1    j;i;  J^J.  J;jj.,^J^| 

iint  a  I  schwiilbm  macht  kan  sümmr,      a  | 

3  ^     j'j  j/j.,  J^ 

ja  unt  I  wanst  me  willst  hulsn,      so  | 

3,1     J  J^l   j  J.  .N',  J.  J^i 

0  du  I  diaruille,  du  jüngs,      o  du  | 

lämple  du  frümms,      ja  mit  dö  | 

3  JJJJ.J.  J^l 

püab  man  tua  schean,      wert  dr  | 

4,1  j;i  j  J.  «r  jJ,J^•M 

pfiat  de  I  göt,  du  scheaus  diarndlo,      pfiat  de 

2  =  Str.  3,  2       göt,  du  scheaus  häus,      ja  u u t  z ä  | 

3  =^  Str.  2,  3       dir  gea  is  ueamr,      dö  | 

29)   s  diarndle  is  Manvertvögn. 

1  j.  ;  J  J^  J^  J  I 

1  s  diarndle  is  klänverwögn,  | 

2  J.  ;  J  J.  i^  J  I 

is  pan  an  kühlr  glögn;  I 

3  j.  •rjjj^Ji 

schwarz  is  äs  wia  a  räw,  | 

4  j.  ^  j  j  n 

geat  uiamr  iiw.  \ 


DAS   KÄRNTNER   SCHNADERHÜPFEL.  27 

Abweichungen : 

Str.  2,  3    j.  J^^J  j,  J  J   1^ 

was  wert  se  sagn,      wän  i  | 

3.3    j.  J^  Ji.  ^  J,  j^  J^l 

weiss  wia  dö  kerschnplüa,      äwr  | 

s  diarndl  hat  mr  d  liaw  aufgsägg  | 

2    j.  JN  J.,;j  I 

ünt  dö  treu  ä,      unt  hiaz  | 

o 

30,  ab)   Zivisch  Altliofn  unt  SmiJd  Veit. 

1  J^.  ^1  J  J.  i^  J,  Jl 

a  1    Zwisch  Alt-  |  höfn  nut  Sänkt  Veit      und  | 

2  j'j.  J^J\J.  ^1 

Sänkt  Florian,      is  s  pän  | 

3  J  J.  i^  j',  J.  ;! 

diarndlan  guat  schlafn,      hat  ka  | 

4  j'j.  ;J 

hömätle  an. 
Abweichungen : 

a   Str.  2,  1    J^.  .M   J  J.  J^  J  J. ,  J^  I 

von  dr  |  leimät  a  gwäntle,      you  j 

2  JJ.  j^j,jl 

ströa  an  hüat,      das  | 

3  J'j.  ;i.^^  J.  ;i 

steat  hält  an  ländlärischn  | 

3.1   Jl  J  J.  ;i.,  J^J^.M 

unt  I  wän  i  a  lei,      a  rupfans  | 

2  jj.  ;J3j|^ 

pfätle  anhän,      dö  | 

3     j  j.  j^j^'.  i^  j.,;^  I 

plawlan  pleinip  steanpeimir,      unt| 


28  BLÜMML 

b   str.2,1    ;.  .M  jj-/  J,  J.  .ri 

mit  (Ir  I  hiislnusskeni      trcilit  drei  | 

3  JJ.  J^j'j-.J^ 

ziarcb  di  |  aus,  lüg  di  eiur,   .  sei  | 

II.   Der  zweihebig  raonopodische  kurzvers. ') 

a)   Der  auftakt. 

Die  verweiKlung  des  auftaktes  ist  vollkoiinnon  frei  und 
wechselt  in  den  verscliiedenen  zeilen  ein-  und  desselben  schnader- 
liüpfels. 

A)  Betreffs  der  silbenzalil  der  auftakte  ergibt  sich 
folgendes: 

a)  Einsilbiger  auftakt: 

•r;^  I  j.  j^j  j.  ;,  j 

u)it  kiuz  I  viüass  i  tveit  uufe,  weil  1,1,1.  —  Ebenso  1,3,1.  4,1.3. 
2,3,1—3.  3a,  2, 1.8.  4,1.  1),  1,1.  4a,  1,5-7.  b,  1,4.  oa,2, 1.2.  3,1.3. 
b,l,l.  2,1.3.  G,2,3.  3,1.  7,1,1.2.  2,1.  8,2,1.  9a,l,3.  10a,l,2. 
2,1.8.  :U.  b,l,l.  2.1.  3,1.  4,1.  11,1,1-3.  12,2,1.2.  3,3.  14,1,1. 
15,1,1.  3,1.3.  5,2.  17,1,1.6.  19a,  1, 1.  3,3.  4,3.  b,  1, 1— 3.  2,2.3. 
20a,  1,2.   3,3.  4,1.   21a,  1,1.    22a,  1,1.   23,4,2.  24,1,1.  25, 2,  C.   2Ga,2, 1. 

3.2.  4,2.  b,2,2.  3.  27,2,1.  28,1,1.3.  30a,  1, 1.  2,1.2.  3,2.3.  b,  2, 3 
(znsammcu  79). 

ß)  Z-weisilbiger  auftakt: 

j  J-  J^  i,  .  J 

weit  I   äbewandr»,      denk  nr    \    äwal  ...     1,1,2.     —     Ebenso  1,1,1.  3. 

2. 1.  2, 1, 1—3.   3a,  1, 1—3.   4a,  1, 1—4.   2,  C  7.    b,  1,  (i.   2,  (>.  7.   5a,  1, 1.  3. 

2.3.  3,2.  b,  1,3.  2,2.  6,1,1-3.  3,1—3.  7,1,1.  3,1.  8,1,1-3.  3,1. 
9a,  1,1.  2.  3,3.  b,2,3.  10a,  1, 1.  3.  2,2.  3,2.  b,  1,2.  2,2.  3,2.  11,1,1. 
2,1.2.  3,1.2.  4,1-3.  12,1,1.  2,1.3.  3,1.2.  14,1,1-3.  2,1.  3,1. 
15,1,1-3.  18,2,3.  19a,  1,2.  3.  2,1.3.  3,1.  20a,  1,  1.  3.  2,2.  3,2.  4,2. 
b,  1,  2.  2,  2.  21a,  1,  2.  b,  1,  2.  2,  2.  22a,  2,  1-3.  b.  1.  1.  24,  1.  2-4. 
25,2,5.7.    26a,  1,1-3.   27,1,1-3.    28,1,1.2.   3,1.3.    4,1.   29,2,1.    3,3. 

4.2.  30a,  1,1— 3.    b,  2, 1    (zusammen  112). 

y)  Dreisilbiger  auftakt: 


')  Die  zableubelege  beziebeu  sich  nicht  auf  sämmtliche  (125)  sclmader- 
biijifcl,  sondern  nur  auf  die  die  im  abschnitt  I  ilire  erläuteruns:  gefunden 
haben. 


DAS    KÄRNTNER   SCHNADERIIÜPFEL.  29 

a  pissl  I  fälsch  sein  is  lüsti,    a  pissl  |  ...  4b,  1, 1.    —   Ebeuso  5a,  1,2. 

8.2.2.  12,1,1-3.  18,1,1-3.  24,1,1.  2Ga,2,3.  27,3,1.  28,3,2.  4,2. 
30  a,  3,1    (zusammen  15). 

Ergebnis.  Das  Verhältnis  der  häufigkeit  ist  also:  ß  :  a  :  y 
=  112  :  79  :  15  =  7,16  :  5,26  :  1  -=  ca.  7  :  5  :  1.  Zweisilbiger 
auftakt  ist  also  am  häufigsten;  ihm  nahe  kommt  der  einsilbige, 
während  der  dreisilbige  ziemlich  selten  vorkommt. 

B)  Bezüglich  der  Verkürzung  des  zAveiten  kolons  durch  den 
auftakt  ergibt  sich  (alles  auf  achtel  zurückgeführt): 
a)    i/s  Verkürzung: 

,  Ji  jj  ji,rj.,  j^i 

ja  I  dirncllun  yihis  üwräll  äwr  \  2,3,1.  —  Ebenso  2,3,2.  3.  4a,  1,5— 7. 
2,7.    b,2,7.    6,1,3.    2,3.    3,1.    7,1,2.     10a,  2, 1.    3,1.    b,  1, 1.    2,1.    3,1. 

4.1.  15,3,1.3.  17,1,6.  19a,  3,  3.  4,3.  b,  1, 1.  2.  2ia,l,  1.  22b,  1, 1. 
26b,  2,  3.    28,1,1.3.    30a,  2,1.    3,3.    b,  2, 3    (zusammen  33). 

ß)  2/^  Verkürzung: 

i^^l  j.  ;j  J.  J^,  J  I 
unt  hiaz  \  viüass  i  tccil  diife,      weit  \    1,1,1.    —   Ebenso  1,4,3.   3a,  1,2. 

2.1.3.  4a,  1,4.  2,6.  b,  1,4.  6.  2,6.  5a,  1, 1.  2,1.3.  3,3.  b,  1, 1.  3. 
2,1.3.  6,3,2.  7,1,1.  2,1.  8,1,3.  3,1.  9a,  1,3.  3,3.  b,  2, 3.  10a,  1, 3. 
2,3.  11,1,1-3.  2,2.  3,2.  4,2.  12,2,1.3.  15,1,2.  5,2.  18,2,3. 
19a,l,  1— 3.    b,l,3.    2,2.3.      20a,l,  1.  2.    2,2.    3,2.3.    4,1.2.     b,  1, 2. 

2.2.  23,4,2.  24,1,1.3.  25,2,5-7.  26a,  1,2.  3,  2.  4,  2.  b,  2,  2.  27,1,1-3. 
2,1.    28,4,1.    29,3,3.    30  a,  1, 1    (zusammen  71). 

y)   3/^  Verkürzung: 

denk  nr  |  ämäl  af  ml,  wän  du  |  1,1,3.  —  Ebenso  1,2,1.  4a,  1, 1—3. 
b,l,l.  5a,  1,2.  3.  2,2.  3,2.  b,  2, 2.  9a,  1,1.  2.  10a,  1,  2.  2,2.  3,2. 
b,l,2.  2,2.  3,2.  12,1,1-3.  2,2.  3,1-3.  18,1,1-3.  20a,  1,3.  24,1,2.4. 
29,4,2.    30  a,  3,1    (zusammen  34). 

<5)  4/g  Verkürzung: 

J  J.  ;  J,  J  J  I 

weit  I  äbetvändhi,  denk  nr  |  1,1,2.  —  Ebenso  2,1,1—3.  3a,  1,1.  3. 
6,1,1.2.  3,3.  8,1,1.2.  2,2.  10a,  1, 1.  11,2,1.  3,1.  4,1.3.  14,1,1-3. 
15,1,1.  3.  19a,  2,1.  3.  3,1.  21a,  1,2.  b,  1,  2.  2,2.  22a,  2, 1—3.  26a,  1,1.  3. 
2,  3.  27,  3, 1.  28, 1,  2.  3, 1-3.  4,  2.  29,  2, 3.  30  a,  1,  2.  3.  2,  2.  3,  2.  b,  2, 1 
(zusammen  46). 

Ergebnis.  Das  Verhältnis  der  häufigkeit  ist:  ß  :  ö  -.  y  :  a 
=  71  :  46  :  34  :  33  =  2,15  :  1,4  :  1,03  :  1.  Die  häufigste  Ver- 
kürzung ist  die  um  2/0;  nahekommt  ihr  die  um  V«;  doch  sind 


30  BLÜMML 

auch  die  ^^  und  Vs  Verkürzungen,  die  beinalie  durcli  gleiche 
zalHen  vertreten  sind,  nicht  selten. 

C)   Furm  des  auftakts: 

a)  bei  Vs-verkürzung:  a)  J^:  2,!},  1-^-  4a,  1,5— 7.  0,2,3.  7,1,2. 
lüa,2, 1.  3,1.  b,  1, 1.  2,1.  3,1.  4,1.  15,3,1.3.  17,1,6.  19a,  3, 3.  4,3. 
b,l,l.  2.  21a,l,l.  26b,2,3.  28,1,1.3.  30a,2,l.  3,3.  b,2,3.  — 
(i)  J^  ^•.  4a,  2,  7.  b,2,  7.  6,1,3.  3,1.  22b,  1,1.  —  b)  bei  •%-verkürzinig: 
«)Jj':  1,1,1.  2,1,1.  4a,  1,4.  2,6.  b,l,6.  2,6.  5a,  1, 1.  2,3.  b,l,3. 
6,1,1.  3,2.  7,1,1.  8,1,1.3.  3,1.  ya,3,3.  b,  2, 3.  10a,  1,3.  b,  3, 3. 
11,1,1.  2,2.  3,2.  4,2.  12,1,1.  2,1.3.  3,1.2.  14,2,1.  3,1.  18,2,3. 
19a,  1,2.  3.  2,1.  20a,  1,1.  2,2.  3,2.  4,2.  b,l,2.  2.2.  22a,  1,1.  24,1,3. 
25,  2,  5.  7.  26a,  1, 1.  2.  29,  3,  3.  —  ß)  J".  j^  :  3a,  1, 1.  2.  15,  1,2.  27, 1, 1-3. 
28,4,1.  30a,  1,1.  —  j')J:  1,1,1.  3,1.  4,1.3.  2,3,1.  3a,  2, 1.3.  4,1. 
b,l.l.  4b,  1,4.  5a,  2,1.  3,3.  b,l,l.  2,1.3.  6,3,1.  7,1,1.  2,1.  8,2,1. 
9a,  1,3.     lüa,2,3.      11,1,1-3.     12,2,1.    3,1.3.     14,1,1.     15,1,1.    5,2. 

17.1.1.  19a,l,l.    b,l,3.   2,2.3.    20a,l,2.   3,3.   4,1.   21a,l,l.   22a,l,l. 

23.4.2.  24,1,1.  25,2,6.  26a,  2,1.  3,2.  4,1,2.  b,  2, 2.  27,2,1.  30a,  1, 1. 
3,1.  —  c)  bei  3/,-verkürznng:  o)  j"  J"  J":  öa,  1,2.  12,1,1-3.  18,1, 
1—3.  30a,  3,1.  —  ß  JV/.  ^  :  4a,  1, 1—3.  9a,  1,1.  2.  24, 1,2.  —  y)  J'J"-^: 
4b,  1,1.  24,1,1.  —  ())^J:  1,1,3.  2,1.  5a,  1,3.  20a,  1,3.  29,4,2.  — 
f)  J  J':  5a,3,2.  b,  2,  2.  10a,  1, 1.  2,2.  3,2.  b,  1,  2.  2,2.  3,2.  24,1,4, 
28,1,1.  —  'Q  J.:  5a,2,2.  10a,  1,2.  12,2,2.  —  d)  bei  %-verkürzung: 
«)  J  :  30a,  2,  2.  3,  2.  —  /9)  J  J :  1, 1,  2.  3a,  1, 1.  3.  6, 1,  2.  8, 1, 1.  2.  11,  2, 1. 

3.1.  4,1.3.    19a,  2,1.    3,1.   29,2,3.   —  >')  J  J"  .^  8,  2,  2.   —   «J)  J  j".  / : 

27,  3, 1.  —  f)  J.  J" :  2, 1, 1.  3.  6, 1, 1.  3,  3.  lüa,  1, 1.  14, 1, 1—3.  15, 1, 1.  3. 
19a,  2,  3.    21a,  1,2.   b,  1,  2.   2,2.   22a,  2, 1—3.   26a,  1,1.  3.   28,3,1.3.  30a, 

1.2.  3.  b,2,l.  -  -C)  J.^J^:  26a,  2,  3.  -   »/)  J^  J.  :  28,1,2.  -  .9)  J^  J  J^ : 

28,  3, 2.  4,  2. 

b)  Die  zwei  kola, 

I.  Das  erste  kolon  (JJJ).  Die  formen  des  ersten  kolons 
sind  mannigfaltig  und  lassen  sich  folgendermassen  übersichtlich 
zusammenstellen: 

1)  Reineform:  j  J  J:- J^;  1  J  J  J  J,  J.  J^  1 

nnl  i  I  i^itt  di  ums  lilüat,  gea  mei  |  ...  2,1,1.  —  Ebenso  2,1,3.  4. 
2,2.  3,2.  3a,l,  1.  3.  4a,  2, 6.  b,l,6.  2,6.  5a,  1, 1—3.  6,3,4.  7,1,2. 
8,1,1—4.  10a,  1,1-4.  13a,  1,1— 3.  15,1,1.3.  19a,  3,  3.  21a,  2,  3. 
26  a,  1, 1.  3.    27, 1,  2—4.    2, 1.    28, 1,  2—4. 

2)  Auflösungen  von  JJJ: 

A)  Auflösungen  nach  dem  ersten  glied: 

a)   >,r  J  J:    -    i;j  J  J  J.,; 

nnt  se  \  werdn  se  erst  u-ü)uh'n,      i  \     15,3,3. 


DAS   KÄRNTNER   SCHNADERHÜPFEL,  31 

pän  \  prentlhüttnfenstär:      eine  \    24,1,2. 

ß)  h  t^  n--  -  } :  ^  j' : : } :  ^',  :\ 

schau  mr  \  itit  an  lade,  nit  an  iade  an;  ivmnr  \  7,3,2.  Ebenso  18, 1,  4. 

b)    i.^^  J  J:    -    J  I  >.  ^  J  J  J  J  I 
a  I  diarndle  hän  i  z  Pässring  \     17,1,1.    Ebenso  22a,  1,1. 

müasst  de  hält  a  iceuni  schleichn,     unt  di  \     25,2,5.    Ebenso  25,2,7. 

B)  AuflüsiTugen  nach  dem  zweiten  glied: 

gea  \  diarndle,  du  muasst  mrs  zwissn  mächn  loia  dr  \  7,  1,  1. 
Ebenso  12,2,3. 

C)  Anflüsungen  nach  dem  dritten  glied: 

d)  j'j  J^J':    -    J  J  J^;j,  J.  J^l 

gea  mei  |  diarndle,  sei  mr  giiat,  schau  ka  |  2,1,2.  Ebenso  5a,  2,  3. 
3,1.    b,2,l.    7,3,1.     10a,  2, 3.     12,3,1.     17,1,5.     18,1,3.     19a,  1,3. 

e)  J  j;.J^:    -    ;..h|  J  j;.^  J  J,  ;.^  I 
2}ei  dr  \  uiischpänk,  pei  dr  wäschpänk,      ja  pan  |     27,1,1. 

ivögn  mein  \  wischplyi,  tvögn  mein  sing  *f ,  icögn  mein  \  18,2,1. 
Ebenso  18,2,2. 

3)   Coiitraliieruiig-en  von   J  J  J: 

a)  j. ;  j:  -  ;;^i  j.  j^j  j. ;,  Ji 

unt  hiaz  \  mtiass  i  weit  äufe  weit  \  1,1,1.  Ebenso  1,1,3.4.  3a,  1,2.  4. 
4a,  1,3.  4.  2,2.  b,  1,  2.  2,2.  5a,  1,4.  6,1,4.  7,1,4.  9a,  1,1— 4.  12,2,2. 
8,2.4.  13a,  1,4.  14,1,1—4.  15,1,2.4.  19a,  1,2.  b,l,4.  20a,  1,2— 4. 
2, 1.  3, 1.  4, 1.  b,  1, 1.  2, 1.  3, 1.  21  a,  2,  4.  22  a,  2, 1—4.  23, 1,  2.  2, 1.  4. 
3,1.4.    24,1,1.3—5.    25,2,6.8.    26a,  1,2.  4.    29,1,1—4. 

in  AU-    I   höfn,   da   fällt  a  reif;      in  Sänct  Do-    \    nat 12,1,1. 

Ebenso  12, 1,  3.  4.     18, 1,  3.    20  a,  1, 1.    29,  4, 1. 

af  dr  Zi-  \  giilln,  da  hätv  is  vi  eine  feldr  */  ,  in  Püchsn-  \  stün  .... 
18, 1, 1.    Ebenso  18, 1,  2. 

b)   J  J.  ^:    -    J  J.  /  j',  J  Jl 
weit  I  äbewändrn,    denk  nr  \  1,1,2.    Ebenso  4a,  1, 1.  2.  5 — 8.  6,1,1 — 3. 


32  BLÜMML 

7,1, ;{.      11,1,1-4.     14,'J,1.  •_'.     17,  1,2— i.  7.  8.     19a,  1,  1.  1.     :',,2-    -1,3. 
b,l,3.    2,n.    21a,2,  1.  2.     2:\,\,\.  'A.  i.     2S,  1, 1.     :?0a,  1, 1— 4. 

«)  j  j. ^.^:  -  j j. .'^.'^>. -'^ ;^;i 

s Ochse  in  der  Lülhuj  diiti,      ja  \     17,  1,(j. 

iint  I  s  diarndl,  das  i  gern  hau,     is  in  \  6,8,1.    Ebenso  0,8,3.   28,2,1. 

7)  i.  jN;,r:  -  Ji;.  .N- ;  J',  J  Jl 

a  I  didrndle  vinass  i  hitbm,       was  ran  \     19a,  8,1.     Ebeuso  21a,  1,1. 

^i)  i.  ^  J:  -  i-^  Ji.  .N.  r  I 

i  nii  sehe  an,  da  nit  schean  •*  |     21a,  3,  1. 

c)   jj:    -    j  J  j.,;  J^i^i 
in  Sänct  Do-  \  nät,  da  schnei2)s;      in  Maria  \     12,1,2. 

«)    JJ.  ;:    -    JJ.   ;j,  J   I 
von  I  Sir  6a  an  huat,      das  \     30a,  2,  2. 

11.  Das  zweite  kolon.  Das.selbe  bildet  hier  den  vers- 
ausgaiig  und  da  ist,  der  monopodie  wegen,  nur  stumpfer  aus- 
gang-  J  J  J  I  J  J  J  möglich.    Dieser  ausgang  ist  nun  entweder: 

A)  Einsilbig  stumpf;  dabei  sind  folgende  formen  möglich 
(nur  in  den  Schlusszeilen): 

a)  j'il:   -   jj.  J^  Jii  I 

]idus  ham  vir  Je  ans  l  l  .     23,  4, -1.     Ebenso  24,1,5. 

b)  j.  "  >:    -    J'J.  J^  J'.  "H 

(jca  \  Uids  mit  (jediilt  *^  i  \  4a,  1,  8.  Ebeuso  5a,  1,  4.  7,1,4.  9a,  1,4. 
10  a,  1,4.    18,1,4.    28,1,4. 

c)  ji:  -  .1.;  j in 

tvän  du  I  Uawst  an  ändrn  l  \  1,1,4.  Ebenso  2,1,4.  8a,  1,4.  0,1,4. 
8,1,4.  11,1,4.  12,1,4.  13a,  1,4.  14,1,4.  15.1,4.  17,1,8.  19  a,  1,4. 
20  a,  1,4.    21a,  2,  4.    22  a,  2, 4.   25,2,8.    20  a, -1,4.   27,1,4.    2!»,  1,4.    80  a,  1.4. 

Es  kann  jedoch  auch  auftakt  (z.  1— 3)  auftreten,  und  es 
ergeben  sich  dann  folgende  formen: 

^   a,  1)   j,  J  J:    -    j  J.  J^J,  J  J  I 
tveit  I  dbewandfn,    denk  nr  1,1,2.    Ebenso  3a,  1,1.  3.    0,1,2.  8,1,1.2. 
11,2,1.    3,1.    4,1.3.     19a,  2,1.     3,1.    29,2,3. 

2)    j,  J^  J^:    -    J  J  J  J,  J^i^i 
X>ei  I  dir  sleal  du  wähl,  schuld  haust  an  |     8,2,2. 


DAS   KÄRNTNER   SCHNADERHÜPFEL.  33 

3)  J,  J.  J^:    -    J^-M  J  J  J  j,  J.  J^l 

unt  i  I  pitt  di  wns  plüat,  gea  mei  \  2,1,1.  Ebenso  2,1,2.  3.  6,1,1. 
3,3.  10a,  1,1.  l-t,l,3.  2,2.  3,1.2.  15,1,1.3.  19a,2,*3.  21a,  1,2.  b,  1, 2. 
2,2.    22a,  2, 1—3.    2Ga,  1,1.  3.     28,3,1.3.    30a,  1,2.  3.    b,  2, 1. 

4)  J,  J.  ^^:    -    J  J  J  j,  J-  j^^  I 
imt  dö  I  müatr  hat  gmänt,      i  hiat  da    \     26a,  2,  3. 

unsm  \  pfärar  liän  is  p eicht,      ja  s  diarndle    \     27,3,1. 

6)  i,  ;j.:    -    J'J  J  J,  ^J.  I 
gea  \  wälg  za  mr  her,      ja  he  int  \    28,1,2. 

7)  J,  ;  j;:    -    j'j  J  i,  ;  J  J^l 

0  dxi  I  lämple  du  fr  um  ms,      ja  mit  dö    \    28,3,2.    Ebenso  28,4,2. 

8)  J,  J:    -    JJ.  ^  J,  J  I 

von  I  ströa  an  hüat,      das    \     30a,  2,  2.    Ebenso  30a, 3,  2. 

9)  Jh  J:    -    J.  ;  J  J'h  J  I 

klane  \  diarndlan  vinasst  liahm  l,   w'änst   |    9a,  2,  3.    Ebenso  23,. 4,  2. 

b,  1)  j.,  J^J:    -    J.  J^  J  j.,;  J  I 
denk   nr    \    ämäl   af  mi,      tvän   du     \     1,1,3.     Ebenso  1,2,1.     5a,  1, 3. 
20a,  1,3.    29,4,2. 

aussn  I  seint  se  nit  gang,  dö  vr-  \  fixten  21,1,4.  Ebenso  5a,  3, 2. 
b,:2,2.     10  a,  2, 2.    3,2.    b,  1,2.   2,2.    3,2. 

3)  J.,  J.:^  -   jj  J  j.,  J.  I 

das  \  is  nit  mei  schätz,      das    |     5a,  2,  2.     Ebenso  10a,  1,  2.    12,2,2. 

4)  j.,;  J^J^:    -    J  J  J  j.,  J^^J^I 

iint  dr  1  reif  vrprennt  s  gras,  ja  ivän  dö  \  5a,  1,  2.  Ebenso  12,1,1 — 3. 
18,1,3.    30  a,  3,1. 

deine  \  eisJcältn  %v6rt      wernt  de    \    4a,  1,2.     Ebenso  9a,  1,1.  2.    24,1,2. 

äwr  I  so  fälsch  toia  du  *? ,      möcht  i   \    4b,  1,3.    Ebenso  4b,  2, 1.  3. 

wögn  mein  \  icischpln,  wögn  mein  sing  *? ,  wögn  mein  \  18,2,1.  Ebenso 
18,  2,  2. 

Beiträge  ziir  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXI.  3 


34  BLÜM  ML 

c,  1)   J,  J:    -    j'j  J  j,  J  1 
das!;   du    \   püahm    vidf/st   drhuhm,      sist    \     äa,  3, 1).     Ebenso   4b.  1,4. 
9a,  1,3.    11,1,2.     12,3,3.     15,0,2.     19b,  2,  2.    2Üa,  1,2.   25.  2,  ü.    20a,  3,  2. 

4.2.  b,2,2.    30a,  1,1. 

2)  j',  j;;^:  -  j.  j^j  j,;;i 

diurndle,  wärt,  u-iiril  äwr  \  4a,  1,  4.  Ebenso  4a,  2,  G.  b,  l,(j.  2,  G. 
5a,  1,1.  b,  1,3.  9a,  3,  3.  b,  2,  3.  10b,  3, 3.  11,2,2.  3,2.  4,2.  12,3,1.2. 
18,2,3.    19a,  1,2.    20a,  1,1.   2,2.   3,2.  4,2.   b,  1,2.  2,2.   24,1,3.    2Ga,l,2. 

3)  j,  J^.  .^:    -    j.  ;  J  j,  J^.  .^  I 

terfst  nit  \  griasslan  schick ti,  khält  dö  \  3a,  1,2.  Ebeuso  15,1,2. 
27,1,2.    3,3. 

IJ)  Zweisilbig  stumpf;  folgende  formen: 

a)  >;n:  -  j.  ;  j.f^;n  I 

so  I  Jcivqi  r  uns  niümr\  l  \  \     19b,  1,4.     Ebenso  23,  1,2.  4. 

b)  J  Ji:    -    J  J.  J^  J  Ji  I 

log  dl  när  züatvr  l  \    23,4,1.    Ebenso  23,4,3. 

c)  J  J:    -    J  J.  J^  j'jl 

dass  \  ünsare  Jcindr   \    7,2,3.    Ebeuso  7,3,3.  —  17,1,1.  2. 

Tritt  auftakt  ein,  so  ergibt  sich: 

a,  1)   >  J^,  J  J:  -   J  J.  J^ij\  J  Jl 

lud  das  I  gstaid  }iit  drnöhm,      ja  da    \     0,2,2. 

^    2)    i^,  J.  ;:    -    J  I  j.  ;j>J^,  J.  J^l 
in  I  Lölinger  grab  vi,       tiiat  a    |     14,1,1.     Ebenso  14,1,2. 

dr  I  jji(a  is  a  schianr  l  *f ,      und    \     19b,  1,2. 

4)  i  J^i,  J:    -    Jl  jj  J>;i,  J  I 

da  I  sieig  is  nit  änfn  i,    das  \  5a,  2,1.    Ebenso  5  b,  1, 1.  2,1.3.   9  b,  1,3. 

3.3.  20a,  4,1.  24,  1,  1. 

das  I  is  lei  s  scge  diarndlc  l,      der  da    \     5a,  2,  3.     Ebeuso  5a,  3,  l. 

af  dr  Zi  \  gidln,  da  hdir  is  nteiiic  fcld r  **,  in  l'i'ielis>i  \  stau  .  .  18, 1,  1. 
Ebenso  18,1,2. 

deine  \  stöanhärtn  rödn  *', ,  <leine  \  4a,  1,  1.  Ebeuso  4a,  1,3.  9a,2,  l. 
b,  1,1.    3,1. 


DAS   KÄRNTNER  SCHNADERHÜPFEL.  35 

b,  1)    jj,  J:    -    Jl  J  J  J  jj,  J  I 
wrum  I  schalt  is  nit  träum,    tväns    \    3a,  2,1.    Ebenso  3a,  2,  3.    8,2,1. 
10a,  2, 3.     11,1,1.3.     19a,  4,1.    b,l,3.    2,1.3.    27,2,1. 

2)  jj,  J^  j^:    -    j  J.  ;  jj,  J^i^l 

is  hl  I  Jceler  tiaf  drüntn,  hat  ä  \  6,3,2.  Ebenso  8,1,3.  3,1.  10a,  1,3. 
20  b,  2, 1.    25,  2,  5.  7. 

3)  j'^J,;.  j^:    -    J  J  J  J  J,  J^.  .hl 

unt  viel  I  schätz  hat  me  ghälsn,  ja  der  \  27,1,1.  Ebenso  27, 1, 3. 
28,  4, 1. 

4)  j  j.,;:  -  j  j. ;  J  j.,i^i 

iint  hiaz  \  icer  i  mir  selwr  an  \  4a,  2, 5.  Ebenso  4b,  2, 5.  6,2,3. 
10a,  2,1.  3,1.  b,  1,1.  2,1.  3,1.  4,1.  15,3,1.3.  19a,  3, 3.  4,3.  b,  1, 1. 
26  b,  2,  3.    28,2,1.3.    4,3.    30  a,  2, 1.   b,  2,  3. 

5)   J  J.,  J'^:    -    j'j.  ;j  J.,j^^  I 
tint  i  I  mag  ja  nit  allweil    so  a  \    4a,  2,  7.     Ebenso  4b,  2,  7.    6,1,3.   3,1. 
22b,  1,  1. 

unt  hiaz  \  müass  i  weit  ciufe,    tveit   |     1,1,1.    Ebenso  1,4,3.    20a,  3,  3. 

C)  Dreisilbig  stumpf;  folgende  formen: 

a)   J  J  J:    -   J  J  J  J  J  J  I 
und  wän  \  dk  mr  a  pussle  gibst  \     10b,  1,3.    Ebenso  29,1,3. 

t>)   jj.  J^:    -    ;;i  J  J.  ;  j'j.  J^l 
meine  \  schüach  sein  aus  füchslödr   |     14,2,1.    Ebenso  17,1,5. 

c)  ;  j^  J:    -    J  J.  J^i  j^  J  I 

gea  \  diurndle  mäch  s  fenstrl  auf  \     7,1,3.    Ebenso  17,1,3.  4. 

d)  ;.  ^  J:    -    J  J  j;.  ^  Jl 

diarndle,  tcäs  denkst  dr  denn  \  13a,  1,1.  Ebenso  13a,  1,2.  21a,  2,  2.  3. 
22  b,  1,  3. 

e)  i.  ^  Ji:    -    J  J.  J^i.  .h  JH 
kmp  dö  vrpänte  Hau-   \    \    23,1,3.    Ebenso  23,1,1. 

f)  i.  ^  J.  r:  -  j'j.  ;  J^.  /  J.  7  1 

diarndle  dei  ding ,  dei  ding   *l    \    21a, 2,1. 

g)   j.  ;  J:    -    Jl  j.  ;j  J.  ;JI 
ja   I   griass  di  got,   griass  di  got    \     1,3,1.     Ebenso  1,3,3.     13a,  1,3. 
17, 1,  7.    29, 1, 1.  2. 

3* 


36  BLÜMML 

Tritt  auftakt  ein,  so  ergeben  sich  als  furmen: 

a,  1)  j : :,:  :■■  -  j  i  j.;  j^.n';  j^,  j^;i 

mei  I  jn'ia  der  hat  a  li'obstrankl,     odr   \    12,2,1.    Ebenso  12,2,3. 

c,  1)  i  j^j.,.^  -  Ji  j  j  j>.^j-,,ri 

ja    I   diarndlan  gibts  üivräll,    äur   \    2,3,1.    Ebenso  2, 3, 2.  3.    7,1,2. 
28,1,1.  3. 

d,  1)   A.^^J.,;:    -    J  J.  J^i.  .N.,;i 

äwr  I  diarndle,  das  sag  i  dir:    für  \   4a,  1,5.   Ebenso  4a,  l.d.  7.  17,1,6. 
21a,  1,1.    80a,  3, 3. 

e,  1)   i.  .N,  J:    -   JJ.  ;/.  .N,  Jl 

segn  \  diarndlan  geatsjüst  a  so,    dö    \     11,3,3.    Ebenso  19a,  1,1. 

unt  sä   I   oastrn  wert  se  kitzlan  Iriayn,     ntaiie   |     19a,  1,3.    Ebenso 
29,  3,  3. 

D)  Viersilbig-  stumpf;  folgende  form: 

a)   i.  .N.  ;:    -    Jl  j'j  J^.N.  .ri 
dr  I  käisr  hat  cinurgschricbm    \    15,5,1.     Ebenso  30a,2,3. 

Tritt  auftakt  ein,  so  findet  sich: 

a,  1)  i;  j^;^,  j:  -  j  N;.^;^;i;;,r,  j  I 

gea  \  piatvle  lüg  dl  nr  einr,  einr,    unt   |    7,2,1. 

gea  \  diarndle,  du  muasst  mrs  zwissn  mächn,    ivia  dr   \    7,1,1. 

III.    Dei*  dreihebig  monopodischo  langvers. 

Derselbe  ist  ein  um  einen  takt  (kolon  J  J  J)  vermehrter, 
zweihebig  monopodischer  kurzvers  und  bleibt  trotz  der  Ver- 
mehrung monopodisch;  kommt  dann  noch  ein  takt  hinzu,  so 
tritt  dipodische  gliederung  ein  und  wir  erhalten  den  viei'hebig 
dipodischen  langvers. 

a)  Der  auftakt.    Er  ist 

«)  Einsilbig:   j.  .^  J  j.  ;  J  j,  J  I 

sliilui  is  auf  nach  dr  seil;    so    |    10, 1,  2.    Ebenso  IG,  1, 1.  3.   25,  2,  1.  2.  4. 

ß)   Zweisilbig:    j  J.  J^  j.  J^  J  j  J^-,  J^/  I 
dr  I  drhte  ligg  drin  äs  a  prütr,     rödt   in    |    25,2,3. 


DAS  KÄRNTNER  SCHNADERHÜPFEL.  37 

Er  verkürzt  das  vorausg-ehende  kolon  um  ^!^: 
J.  ;  J  J'.  J^  J  J,  J  I 

stölat  is  auf  nach  dr  zeil;    so    \    16,1,2.    Ebenso  16,1,3.    25,2,1 — 1. 

Seine  form  ist:  «)  J:  16,1,1—3.  25,2,1.  2.  4. 
ß)}  J":  25,  2,  3. 

b)  Die  drei  kola. 

I)  Das  erste  kolon  (JJJ): 

^    a)  J  J.  J>:    -   jj.  J^J.  J^J  jil 
tmt  I  d  schättseitn  ä  no  a  weil,  l  \     16,1,1.    Ebenso  25,2,1 — 4. 

pän  I  lätrlän  da  steig  is  niamr  dufe,    dr    \    25,1,  1. 

c)  ;.;;;:-   J|j.^;;j'jj;.  ^Jl 
und  I  wän  is  meine  diarndlan  pänändr  hiat   \     16,1,1. 

d)  jl  j^  J:    -    jl  ;j  J.  ;ji,  J  I 

stölat  is  auf  nach  dr  zeil;    so    \     16,1,2.    Ebenso  16, 1, 3.   2,4.   3,1.4. 
4, 1.  4.    5, 1.  4. 

II)  Das  zweite  kolon  (JJJ): 

a)  j'j  J:   -   J  I  j.  i^;;  jj  j;.  .^  J  I 

und  I  tcan  is  meine  diarndlan  pänandr  hiat  \   16,1,1.    Ebenso  16, 1,  3. 

b)  j:;;j^:  -  j  i;..N-;j.;j^;j>r,  J  I 

pan  I  Idtrlän  da  steig  is  niamr  dufc,    dr   |     25,1,1.    Ebenso  25,1,4. 

C)  j:  J^  J:    -    jl  j^J  j'.  i^J  J,  J  I 
stölat  is  auf  nach  dr  zeil;    so  \     16,1,2.    Ebenso  16,1,4.    25,2,1 — 4. 

III)  Das  dritte  kolon  (JJJ).    Auch  hier  ist  nur 
stumpfer  ausgang  möglieh;  derselbe  ist  nun: 

A)  Einsilbig  stumpf ;  folgende  form  in  den  schluss- 
versen:  a)  j  J :  -  J  J.  J^  j.  /  J  j  }  | 

mit  I  d  schättseitn  ä  no  a  tveil.   \   \     16,1,4.    Ebenso  16,2,2.    3,2.   4,2. 

Bei  eintritt  von  auftakt  ergibt  sich: 

a,  1)  j,  J:- J.  ;j  j.  ;j  j,  Jl 

stölat  is  auf  nach  dr  Zeil;    so    |     16,1,2.    Ebenso  25,  2, 2.  4. 

2)  jh  J:-  jj.  J^  J.  J^J  j'i,  Jl 
dö  I  müatr  schreit  gschwint  um  a  liacht  \,    das    \    25,3,2. 


38  BLÜM  Mr. 

B)  Zweisilbig:  stumpf: 
lass-  mr  dö  fetzn  nr  flätrn  H  \     16,4,3. 

Bei  eintritt  von  auftakt: 

a,  i);;i,  j:- j.  ;j  j  j  j^j^h  Jl 

so  I  glangätn  d  stonifiettn  äufe  l     xni    |     16,1,3. 

2)^",  J:  -  Jl  J  J.  J^j'.  J^J  j';-,  Jl 
dr  I  (hic  steat  dröbm  af  dr  Intr,    der   \    2ö,  2, 1. 

3)  j>%,r;:  -  *'j.  .r  j:  .r  j  j;r,  j^;i 

dr  I  driite  ligcj  drin  äs  aprätr,    rödt  in    \    25,2,3. 

C)  Dreisilbig  stumpf: 

a)>.  .^  J:-JJ  j.  J^;;  j'j  J  i..*^  J  I 
und  I  ivän  is  meine  diantdhin  pänandr  hiat    \     16,1,1. 

IV.    Der  vierhobig  dipodische  langvers. 

Wir  haben  nur  eine  einzige  zeile  (7, 3, 4)  dieser  form,  die 
3  monopoder  al)scliliesst.  Auftakt  ist  keiner  vorhanden;  hervor- 
gegangen ist  sie  aus  zwei  monopodischen  kurzversen  ( J  J  J  J  J  J 

ff  f 

+  JJJJJJ)'  die,  der  vierhebigkeit  wegen,  dipodisch  (J  J  J 
JJJJJJJJJ)  wurden.    Das  erste  kolon  zeigt  den  bau: 

J*  J^  J  ••  J^  J   I  '^'^^  *"'*  ^  wcanig  a..., 

das  zweite  kolon  hat  klingenden  ausgang: 

••  J^  J  J  ^  "  '''"^'  ^(^<^^'^  habm  l  \ 

C)  Widerholutigen  einzelner  worte,  sätze  u.  dgl. 
(s.  auch  A,  III,  4). 

a)  Widerholung  desselben  ausdrucks: 

ja,  griass  di  gott,  griass  di  gott  .  .  1,3, 1,  fahr  »r  hi)i,  fähr  nr  hin  . . . 
2,2, 1,  a  i}issl  fälsch  sein  is  lusti,  a  pissl  fälsch  sein  is  fein  ...  -ib,  1, 1  f., 
iizcrs  moos,  iiivrs  moos,  ütcrs  moos  schleicht  der  pua  ..  11, 2  f.,  dass 
das  tvosr,  das  wosr  11,2,3,  hau  a  iceanig  an  ivält,  hän  a  weanig  a  feit 
19  a,  2,1  f.,  diarndle,  dei  ding,  dei  ding  ..  2i&,  2,1,  i  nit  schcan,  du  nit 
schean  . .  21  a,  3,1,  i  nix  nutz,  du  nix  nutz  ..  2la,  3,  3,  in  mein  pöt  hast 
kan  platz,  in  mein  pöt  hast  ka  rua  ...  22b,  3,  2  f. 

b)  Widerholung  desselben  Wortes : 

wia  dr  vigl  vogl  schian  singg  in  wält   7, 1,  2,     gea,  piawle  log  di  nr 


DAS  KÄRNTNER  SCHNADERHÜPFEL.  39 

einr,  einr  7, 2, 1,  unt  liäh  mi  Misch  gern,  husch  gern  7, 2, 2,  loä  mr 
jung  sein,  sei  mr  hnggh'g,  liagglig,  schau  mr  nit  an  iaäe,  nit  an  iade  an 
7,  3, 1  f.,  gschiedn,  gschiedn  mtiass  sein  8,  3, 2,  sum  sum  sum  ^mt  sum 
swn  stwi  10b,  4,1,  häiv  zioa  ziva  diarncUan  gliap  12,3,1,  äivr  muatr 
lool,  icol,  tcol  26  a,  3, 1. 

c)  Die  anfange  zweier  Strophen  correspondieren: 

unt  tcäns  pcrgle  nit  war  ...  6, 1, 1  und  6,  2, 1,  diarndle  (piawle),  iväs 
denkst  dr  denn,  tcä  mr  hanändrstean?  13a,  1, 1  f.  imd  13a,  2, 1  f.,  unt  wän 
is  meine  diarndlan  panändr  hiat  (häw),  stölat  is  anf  (stöl  i  mirs  her)  nach 
dr  Zeil  16, 1, 1  f.  und  16,  2,1  f.,  jpm  a  lustigr  pua  20a,  1,1  und  20a,  2,1, 
3Iizäle,  Moizäle  ...  26,  2, 1  und  26,  3, 1. 

(1)  Das  ende  der  einen  Strophe  ist  der  anfang*  der  nächsten: 

In  Karntn  is  s  a  praclit,  wan  dö  nachtigal  schlagg, 

wä  mr  geat  pa  dr  nacht,  s  diarudl  s  türle  macht  auf: 

wän  dö  nachtigal  schlagg,  sei  nar  leisä,  mei  pua, 

s  diarndl  s  türle  aufmächt.  wöck  dö  muatr  nit  auf!       22a,  1,2 

D)  Historischer  überblick  und  Zusammenfassung. 

Oscar  Brenner  (Festschrift  für  Karl  Weinhold,  Strassburg 
1896,  s.  1 — 12)  lieferte  die  erste  wissenschaftliche  arbeit  über 
die  metrik  des  schnaderhüpfels.  An  gelegentlichen  bemerknugen 
fehlte  es  vor  dieser  arbeit  nicht;  zu  erinnern  wäre  an  Ign.  F. 
Castelli,  Deutsche  mundarten  3  (1856),  178  f.,  Friedr.  Hofmann, 
Deutsche  mundarten  4  (1857),  78,  L.  v.  Hörmaim,  Schnader- 
hüpfelu  aus  den  Alpen  3,  Innsbruck  1894,  s.  xxivf.,  Hans  G-ras- 
berger,  Nix  für  unguet!,  Leipzig  1884,  s.  xxi,  und  Die  natur- 
geschichte  des  schnaderhüpfels,  Leipzig  1896,  s.  30 — 33  und 
L.  Bückmaun,  Der  vers  von  sieben  hebungen  im  deutschen 
Strophenbau,  progr.  Lüneburg  1893.  Grundformen  stellten  K. 
A.  Kaltenbrunner,  Alm  und  zither,  Wien  1846,  s.  234,  Fritz 
Guiidlach,  Tausend  Schnadahüpfln,  Leipzig  [1892],  s.  16ff.  und 
L.  ßückmann  a.  a.  o,  auf.  Kaltenbrunner  nimmt  drei  grund- 
formen  an: 

1.     ^|— v^w  |— ^  2.   _^^|_^^  3.      v^|_v./v^|_a 

v_y|    —  v_^\_^  I    —  a  —  >.^\_>|    —  a  \^v_^]     —  \^v->|     —  b 

\_j  \^     [    —  \_j  \^  I     —  ' — '  —  v_>  \^     I     —  ^^  ^_>  \^  \^     I     —  ^—y  ^-^     j     —  a 

\_x|     —  \^  \-y  I    —  a  —  ^^v^l    —  a  >».^v^|—  >.^^^l    —  b 

Man  sieht  jedoch  sofort,  dass  diese  drei  formen  die  mannig- 
faltigkeit  der  schnaderhüpfel  nicht  erschöpfend  zur  darstellung 
bringen  können.    Dasselbe  gilt  auch  von  den  drei  grundformen 


40  blCmml 

Guiullaclis.  der  ein  daktylisch  liiipfendes,  ein  anapästiscli  stür- 
mendes und  ein  anipliibracliiscli  wiegendes  versmass  annimmt; 
docli  können  eine  grosse  anzalil  schnaderhUpfel.  die  starke 
auflüsnngen  zeigen,  in  diesem  System  nicht  untergebraclit 
^Yerde^.  Bücknianns  aufstellungen,  die  an  das  Nibehmgen- 
versmass  anschliessen  und  von  denen  wol  Brenner  angeregt 
Avurde.  können,  da  er  den  schnaderhiipfeln  dipodisclien  Charakter 
beilegte,  was  grösstenteils  unzutreffend  ist,  trotz  seiner  son- 
stigen vorzüglichen  bemerkungen  hier  übergangen  werden. 
Es  bleibt  daher  nur  noch  Brenners  arbeit  zu  betrachten. 

Obwol  Brenner  über  seine  Vorgänger  weit  hinauskommt, 
so  hat  doch  auch  er  die  sache  nicht  erschr»pfend  behandelt, 
denn  er  hat  leider  die  musik  zu  wenig  berücksichtigt.  Die 
schnaderhüpfel  sind  doch  ganz  und  gar  dem  musikalischen 
takte  unterworfen  und  ihre  metrik  ist  daher  nur  mit  hilfe  des 
musikalischen  rhythmus  erschöpfend  zu  behandeln.  Die  ein- 
teilung  Brenners  ist  nun  folgende: 

I.  gruppe.  1)  kurzzeilen,  1  =  2,  3  =  4;  reime  stumpf  oder 
klingend  oder  wechselnd;  aabb; 

2)  kurzzeilen,  1  =  3,  2  =  4;  abab; 

3)  kurzzeilen,  1 — 3  gereimt  und  gleich  oder  1  =  2^4 
oder  2  =  3  =  4;  aaab,  aaba,  abbb. 

Dabei  ist  klingend  nicht  im  sinne  A.  Heuslers  ( J  J  J  J ) 
gefasst,  denn  Heuslers  auffassung  (Zur  geschichte  der  alt- 
deutschen verskunst,  Breslau  1891,  s.  52)  ist  nur  bei  dipodisclien 
versen  möglich,  während  beim  schnaderhüi)fel,  das  monopodisch 

ist,  nur  Heuslers  stumpfer  tj^pus  (JJ  =  J  =  j  j'J'),  der  dann 
ein-,  zwei-  und  dreisilbig  reimen  kann,  möglich  ist  und  diesen 
typus  bezeichnet  Brenner  mit  klingend. 

IL  gruppe:  langzeilen  mit  folgenden  formen: 

l)x|xxx|xx    xlxxxlx    und  s  diendl  hat  Mahnerin, 

da  Idclits  u'oJd  damit. 

2)  (x)  I  X  x  X  I  X  X  X  x  x  X  I  X  tvegn  mcma  magst  hin,  ivost  iviillst, 

i  hrauch  di  nit. 

3)(xx)|xxx|x    xxlxxxlxx  hin  a  lüstiger  hüe, 

hin  mein  vdter  nachgrdten. 


DAS  KÄRNTNER   SCHNADERHÜPFEL.  41 

4)  XX  I  XXX  I  X     XX  I  XXX  I  X     lin  a  lustiger  hüa, 

lass  n  teufel  M  rtia. 

5)  XXX  I  XXX    XXX  I  XXX    tvcinn  nur  das  ivdmi  nit  ivar, 

tvdr  (jwiss  lioan  K'dstn  lar. 

o)xxx|xx     (x)|xxx|xx 

7)  xxxx  I  xxxx  I  xxxx  I  XX-    schneid  an  hirnlam, 

schneid  an  hiixbam 

schneid  an  hirnhuxbamen 

Iddn.  1) 

8)  XXX  XXX  I  XXX  XXX  XXX  I  X    siün  moa  tdiiheln  am 

tdnnabaiim, 

fliegn  sivoa  täuheln  davön."^) 

Trotzdem  nun  Brenner  8  typen  aufstellte,  gibt  es  doch 
eine  grosse  anzalü  sclmaderliüpfel,  wie  ja  die  analysen  im 
abschnitt  B  zeigen,  die  sich  diesen  tj^pen  nicht  fügen.  Darauf 
hat  übrigens  schon  K.  Reuschel,  Volkskundliche  streif züge, 
Dresden  1903,  s.  108  f.  aufmerksam  gemacht.  Der  grund  dafür 
ist  eben,  dass  Brenner  nur  8  specialfälle  aus  der  zahl  aller 
möglichen  fälle  herausgegriffen  hat,  und  es  bleibt  daher  noch 
immer  die  aufgäbe  zu  lösen,  typen  aufzustellen,  die  in  ihrer 
allgemeiuheit,  einer  mathematischen  formel  gleich,  alle  mög- 
lichkeiten  in  sich  begreifen  und  die  jeden  fall  durch  einfache 
Vorgänge  aus  sicli  hervorgehen  lassen. 

Auf  grund  der  analysen  im  abschnitt  B  und  eines  reich- 
lichen anderweitigen  materials  gelange  ich  zur  aufstellung  von 


1)  Richtiger  ist  dieser  typus  jedoch  mit  auftakt  zu  fassen  und  auf 
folgende  weise  zu  bezeichnen: 

XX  I  XXXX  I  xxj     XX  I  xxxx  I  — 

-)  Dieser  tj-pus  ist  besser  als  mouopodische  langzeile  zu  fassen  (siehe 
unten  typiis  b): 

XXX    I    XXX    I    XXX       II       XXX    I    XXX    Ix- 

Ein  beispiel  dafür  ist  ein  Egerländer  Vierzeiler  (A.  John  und  J.  Czerny,  Eger- 
länder  Volkslieder,  1  [1898],  8,  no.  2): 

jj     jJJ  jJj  ^**^s  zwäa  schnämeissa  täuivala 

J  J  J^  j    J  ,     J  flöign  üwa  ma{n)  föld ,  ma  \  mäidl 


42 


BLl'MML,   DAS   KÄRNTNER   SCnNADERHUPFEL. 


drei  typen,  die  eine  befriedigende  lösnng  nach  jeder  riclitung 
hin  geben.    Diese  typen  sind  folgende: 

a)  die  raonnpodische  kurzzeile:    J  J  J  |  J  J  J; 

/  /  t 

h)  die  monopodische  langzeile:   JJJIJJJIJJJ; 

I  y  t  \ 

c)  die  dipodisclie  langzeile:  JJJIJJJIJJJIJJJ- 

Diesen  drei  typen  ist  als  urelement  die  form  J  J  J ,  die  einem 
takte  des  3/4 -taktigen  schnaderhüpfels  entspricht,  gemeinsam, 
und  aus  diesem  urelement  ist  durch  contraction  einerseits,  durch 
auflösung  andererseits  oder  durch  die  Verbindung  von  auf- 
lösung  und  contraction  eine  reihe  von  Varianten  zu  erzielen, 
die,  wie  abschnitt  B,  II — IV  zeigt,  auch  tatsächlich  in  äusserster 
mannigfaltigkeit  vorkommen.  Dazu  kommt  dann  noch  die  Ver- 
kürzung der  einzelnen  kola  durch  den  auftakt.  Bei  der  be- 
trachtung  der  einzelnen  typen  ist  dann  wider,  wie  ich  es  schon 
im  abschnitt  B  durchgeführt  habe,  ein  unterschied  zu  machen; 
so  ist  bei  a  zwischen  kolon  1  und  2,  bei  h  zwischen  kolon  1,  2 
einerseits  und  kolon  3  andererseits,  bei  c  zwischen  kolon  1 
(zweitaktig)  und  kolon  2  (zweitaktig)  zu  scheiden. 


WIEN. 


E.  K.  BLUMML. 


I 


BEITRÄGE  ZUR  WESTGERMANISCHEN 
GRAMMATIK.') 

D.    Zur  Synkope  nach  kurzer  tonsilbe  im  altenglischen. 

II.   Zu  den  formen  des  wertes  für  milch. 

Mehrfach  ist  in  letzter  zeit  die  frage  erörtert  oder  ge- 
streift worden,  wie  die  grundg-estalt  des  ae.  Wortes  für  mücli 
anzusetzen  und  der  entwickhmgsgang  von  ihr  aus  bis  zu  den 
historisch  belegten  formen  mioloc,  meoloc,  meolc,  müc  verlaufen 
sei.  Es  dreht  sich  dabei  um  den  vocalismus  der  ersten  sowol 
wie  der  zweiten  silbe,  und  verschiedene  auffassungen  sind  zu 
Worte  gekommen.  Während  man  gemeinhin  die  urgerm.  form 
als  '^mehiJi-  ansetzt,  nimmt  Kaluza,  Hist.  gr.  der  engl,  spräche 
1,  §  65  f.  urgerm  i,  Bülbring,  EB.  §  136  wgerm,  i  an;  wenn 
Dieter  mit  anderen  an  zweisilbigem  stamme  festhält  (z.  b. 
Laut-  und  formenlehre  der  altgerm.  dialekte  s.  774),  zieht  Bül- 
bring  (EB.  §  136.  Anglia,  Beibl.  9,  96.  11, 115)  einsilbiges  *mük- 
als  ausgangspunkt  vor.  Schon  aus  diesem  widerstreit  letzthin 
geäusserter  meinungen  dürfte  die  Schwierigkeit  der  beurteilung 
erhellen,  die  es  rechtfertigen  mag,  wenn  auch  bei  dem  folgenden 
versuche,  diesen  formen  näherzutreten,  vielleicht  etliches  hypo- 
thetische mit  unterläuft. 

Wie  die  verwantschaft  mit  griech.  aijeXyco  gleich  ae. 
me(o)lcan  und  genossen,  ferner  afries.  meloJc  (belegt  im  instr. 
meloJion)  sowie  aisl.  niioUc  mit  nur  bei  e,  nicht  i  möglicher 
M-brechung  lehren,  hat  der  urgerm.  consonantische  stamm,  den 
got.  milids  vertritt,  in  der  ersten  silbe  ein  indog.  e.  Hierüber 
dürfte  keine  nieinungsverschiedenheit  möglich  sein;  dagegen 
ist  man  des  öfteren  im  zweifei  gewesen,  ob  das  got.,  jener 


1)  S.  Beitr.  30,  55  ff. 


44:  WEYHE 

zuverlässigste  zeuge,  wo  es  sicli  um  urgerni.  mittelvocale  lian- 
delt,  mit  seinem  zweisilbigen  miJul.s  die  einzige  urgerm. 
formation  des  Wortes  vertrete  und  nicht  vielmehr  einsilbige 
Stammformen  daneben  existiert  hätteUj  einsilbig  wie  im  verbum 
ahd.  mdhm,  ae.  me{o)lcan,  in  einigen  adj.  wie  mhd.  melk  oder 
im  subst.  lat.  mclca,  rj  iitly.a,  der  bezeichnung  einer  milch- 
speise,  die  die  R<)mer  aus  einer  germ.  spräche  entlehnt  haben 
(vgl.  Kluge,  Pauls  Grundr.  1-,  330)').  Diese  zweifei  hallen  ihren 
grund  in  der  anscheinenden  Unmöglichkeit,  tatsächlich  belegte 
formen  der  einzeldialekte  mit  einem  germ.  ^meluJc-  zu  vereinen ; 
dabei  aber  ist  charakteristisch,  dass  sich  nicht  selten  in  folge 
genauerer  Untersuchung  der  einzelsprachlichen  lautregeln  nach- 
träglich ein  gerader  weg  zu  der  im  got.  ältest  belegten  germ. 
form  ergeben  hat.  Wenn  Brate,  BB.  11, 185  das  i  von  ahd. 
miluh  aus  urgerm.  '^melk-  bez.  "^milki-  neben  "^meliiJc-  erklären 
zu  müssen  glaubte,  so  zeigte  Kögel,  Lit.-bl.  1887,  sp.  108,  dass 
*meh(]c  unmittelbar  zu  miliih  geführt  hat;  wenn  Xoreen,  Abriss 
der  urgerm.  lautl.  s.  87  für  agutn.  )nielk  zweifelnd  einsilbigen 
stamm  ansetzte,  so  wird  das  z.  b.  durch  die  erörterungen  von 
Axel  Kock,  Beitr.  20, 123  f.  (ebda.  s.  137  mit  anm.  3  zu  aschw. 
micelk  neben  miolJc,  miellc)  oder  von  Noreen  selbst  in  seiner  i 

Aschw.  gr.  §  98,  anm.  2  (vgl.  §  118)  als  überflüssig  erwiesen;  t 

auch  das  neben  dialektischem  mjcellc  und  mjelh  stehende  dän. 
melk  endlich  (Brate  a.a.O.  Xoreen,  Abriss  a.a.O.)  lässt  andere 
erklärungen  zu;  Torp  og  Falk,  Dansk-norskens  lydliistorie  s.  128 
und  247  erinnern  an  die  möglichkeit  von  entlehnung  aus  dem 
nd.  oder  dialektischen  Schwundes  von  j.  Es  dürfte  daher  auch 
bei  erörterung  der  ae.  formen  wie  milc,  mcolc  auf  alle  fälle 
geraten  sein,  nicht  von  vornherein  mit  Noreen  (a.a.O.  zweifelnd 
für  milc)  oder  Bülbring  (für  milc  und  mcolc,  doch  unter  gleich- 
zeitiger aurechnung  der  möglichkeit  von  sj-nkope)  einsilbige 


')  Doch  wäre  bei  diesem  seit  dem  zweiten  nacbchristl.  jh.  belegten 
Worte  möglicherweise  auch  syukoiie  iuuerhalb  des  lat.  in  betracht  zu  ziebeu, 
vgl.  z.  b.  lat. /V/ca  aus /'(///ca  'blässluünr,  Ciardi-Dupre  BB.  26,  IUI;  gleich- 
falls Synkope  (iuuerhalb  des  übermittelnden  germ.  dialektes)  nimmt  Loewe, 
KZ.  39,  317,  vgl.  s.  383,  für  die  Urform  des  aus  dem  germ.  entlehnten  abulg. 
mKko.  *mdlio,  au.  Wie  das  zweisilbige  *meluk-  zu  erklären  sei  (vgl.  die 
unsichere  Vermutung  urgermanischer  auaptyxc,  andrerseits  z.  b.  Streitberg, 
IT.  3, 387),  ist  hier  gleichgiitig. 


ZUR  WESTGERM.   GRAMMATIK.  45 

stammesg-estalt  zum  ausgang"  zu  wählen,  vielmehr  so  lange 
an  der  Identität  mit  urgerm.  *7nelu]c-  festzuhalten,  bis  die  not- 
wendigkeit  des  gegenteils  bewiesen  ist. 

Von  jener  urgerm.  also  untersclieiden  sich  die  ae.  formen 
in  doppelter  weise.  Hätte  der  stamm  ^mchik-  in  den  engl, 
dialekten  ohne  sonstige  beeinflussung  das  8.  jh.  erlebt,  so 
müssten  überall  in  der  ersten  silbe  die  einzeldialektischen  ent- 
sprechungen  von  «-umlaut  des  e  erscheinen.  Diese  sind  in  den 
angl.  dialekten  nirgends  belegt:  alle  angl.  formen  zeigen  i  der 
ersten  silbe;  aus  dem  Süden  ist  in  der  allein  entscheidenden 
CP.  (vgl.  Sievers,  Zum  ags.  voc.  s.  39  f.)  nur ^ ein  beispiel  und 
dies  nur  in  einer  hs.  vorhanden:  aber  auch  dieses  zeigt  ein  io, 
das  auf  i  zurückgeht  (459, 18  H;  vgl.  Sievers,  Ags.  gr.^  §  105,  2). 
Hierzu  kommt  eine  zweite  besonderheit:  sämmtliche  angl.  und 
viele  südliche  formen  haben  statt  theoretisch  zu  erwartender 
dreier  silben  zwei,  statt  zweier  eine  silbe;  milc,  milcum  im 
angl.,  mcolc,  meolcum  im  Süden. 

Fassen  wir  zuerst  die  südengl.  formen  in  hinsieht  auf  den 
letzten  punkt  ins  äuge,  so  kann  es  keinem  zweifei  unterliegen, 
dass  das  hier  nicht  selten  belegte  o  {ii)  der  endung  (z.  b.  mioloc 
CP.459, 18,  meoluc,  -oc  Bibl.  ags.  pr.  1,  Gen.  18,  8.  Ex.  3, 17.  Deut. 
32,  14.  ^Elfr.  gr.  Zupitza  73,  6.  315,  4.  Hom.  Th.  2,  518,  11. 
Heil.-l.  7, 45.  Mart.  Herzfeld  2, 18.  10,  6)  tatsächlich  die  unmittel- 
bare fortsetzung  des  urgerm.  lautes  darstellt;  seine  häuflgkeit 
allein  würde  verbieten,  an  ae.  vocalentfaltung  innerhalb  einer 
ursprünglichen  gruppe  Ic  zu  denken  ähnlich  der  anaptyxe,  die 
sich  vereinzelt  etwa  in  frühen  formen  wie  Aluch-  statt  Alh- 
oder  in  späten  wie  weornc  statt  lueorc  findet.  Hieraus  folgt, 
dass  der  vocal,  \\'0  er  fehlt,  secundär  geschwunden,  synkopiert 
ist.  Nur  das  unterbleiben  dieser  sjmkope  aber  wäre  auffällig, 
da  ihr  jedes  u  in  dieser  Stellung,  d.h.  in  der  folge  -lue-  nach 
kürze,  anheimfällt.  Als  beispiele  kommen  etwa  folgende  in 
betracht : 

geoloca  'eigelb',  urengl.  stamm  *gelnl-an-,  *gelolain-  (der  seinerseits 
auf  *^elual;an-  ziu-ückgehen  kann),  ableitiiiig  von  ^gelna-  'gelb'  vgl. 
ce^ergeoht  'eigelb':  ohne  syukope  z.  b.  gwleca  Boeth.  Metr.  20,170  oder 
^eolocan  Lchdm.  2,  38,  7,  mit  synkope  geolcan  Hom.  Th.  1, 40,  28  oder  Lchdm. 
2,102,-1:;  zum  suffix  vgl.  ahd.  Äm-^w/i  'harz'  neben  harz,  mni. pidek  'mark' 
neben  ae.  2^iSa. 

healoc-  (a?)   'winkel,  ecke':   ohne  synkope  dat.  pl.  healocum  Lchdm. 


46  WEYHE 

2,  204,  5  (täcn  ähcardodre  lifre  ,sC  on  päm  Uppinim  ond  hmlocum  ond  ß- 
vieniini);  mit  Synkope  healciim  ebda.  20G,  7.  2(14,20  (on  päm  liferholum  ond 
htaleum).  Healoc-  ^leicli  nie.  halkc,  da.s  also  siclicr  nicht,  wie  Kitter,  Anglia, 
Ik^ibl.  15,  302  meint,  mit  ae.  hcalh  identisch  i-^t  (ebensowenig  natürlich  mit 
gelegentlichem  halc,  sirenaes  hak  im  lat.  Beda,  vgl.  OET.  489,  wo  halc 
vielmehr  neben  halch,  hdlh  =  ws.  healh  steht  wie  alc-  neben  alch-,  alh-  = 
WS.  ealh).  Gleichen  Stammes  wie  ae.  healh,  mag  auch  das  Verhältnis  beider 
Wörter  und  die  grundform  von  healoc-  {*hulwak-'i  oder  *haltd--  mit  beeiu- 
tlussung  des  tonvocals  durch  die  Hectierten  formen  von  healh?)  nicht  ganz 
klar  sein.  Verwant  mit  nhd.  hülle  als  'winkel  zwischen  ofen  und  wand', 
'schueiderhülle',  'aufliewahrungsraum  im  schiffe',  mnd.  hallick  'räum  im 
bauernhause  zwischen  darre  und  backofen',  s.  Kluge,  Et.  wb.  s.  hellbank; 
zum  suftix  vgl.  holoc-  neben  hoUi,  sowie  hiüc. 

holoc- ^)  'hüblung,  hohlraum':  ohne  synkope  dat.  pl.  holocum  Lchdni. 
2, 206, 7  {on  pOere  lifre  holocum  gleich  204, 20  on  päm  liferholum),  mit 
Synkope  /io/cio«  ebda.  148,7.  160,26;  holoc-  gleich  nie.  holk  'hohlraum' 
(z.  b.  von  der  brusthöhle  gebraucht;  das  wort  war  also  mit  recht  von  liitter 
a.a.O.  anm.  2  von  ae.  holh  getrennt),  aisl.  holkr  'röhre  am  ende  eines 
Schaftes',  adän.  holk  (hulke)  'etwas  hohles,  hohlgefäss',  aschwed.  holker, 
norweg.  dial.  holk  'hölzernes  gefäss',  dazu  mnd.  me.  holken  'aushöhlen' 
(Karsten,  Studier  öfver  de  uordiska  sprakens  primära  nominalbildning  1,  2. 
2, 40).  Nach  ausweis  des  unsynkopierten  ae.  holocum  wird  eine  directe 
Ä--ableitimg  von  *hola-  'hohl'  vorliegen,  wie  in /to?/t  eine  solche  mit /j-suffix, 
so  dass  Hellquists  Verbindung  (im  Arkiv  f.  nord.  fil.  7, 14  f.,  vgl.  auch  142  f.) 
von  aisl.  holkr  mit  ae.  holh  durch  ansatz  eines  urgerm.  '^'hul^nä-  kaum 
wahrscheinlich  bleibt.  Dem  hinweis  desselben  gelehrten  darauf,  dass  eine 
reine  />ableitung  beinahe  einzig  dastehen  würde,  lassen  sich  fälle  entgegen- 
halten wie  ae.  purroc  'kielraum  des  Schiffes'  gleich  mnd.  dork  'platz,  wo 
der  schmutz  sich  sammelt,  besonders  der  unterste  teil  des  Schiffes,  wo  sich 
das  Wasser  sammelt;  abzug.sgraben,  siel'  (urspr.  wol  'platz  zur  trocken- 
legung',  zu  aisl.yj«7T,  got. paürstis,  vgl.  aisl. /)H/-Äa 'trocknen');  iiM.  sulch, 
solche  'pfuhl,  Vertiefung,  wo  sich  das  regen wasser  sammelt'  neben  ae.  sol 
und  sohl  '.suhlort'  (l)Wb.  10, 1448.  1450);  auch  ae.  eoZc  (Middendorf,  Ae. 
llurnamenbuch  s.  29),  afiieä.  kolk,  mnd.  kolk,  kulk  'mit  wasser  gefülltes 
erdloch'  neben  mnd.  krde,  nhd.  kaide  'Vertiefung'  (hier  wol  ohne  mittel- 
vocal,  st.  *kolka-,  vgl.  D"\Vb.  5, 1613  und  Siebs  in  den  Beitr.  zur  Volkskunde, 
festschrift  für  AVeinhold,  Breslau  1896,  s.  187). 

seoloc  'seide',  ae.  grundform  *silnk  aus  lat.  *sPricum  (s.  Sievers,  Zum 
ags.  voc.  s.  11):  ohne  synkope  z.  b.  dat.  sioloce  Boeth.  Metra  7,  24,  seolocenra 
'seidener'  Boeth.  Sedgeüeld  33,  30;  synkopiert  seolce  Lchdm.  2,  358,  25  oder 
seolcen  WrW.  195,  16. 

u-eoloc  'eine  muschelart,  purpursclinecke',  st.  *wiluka-  gleich  nl.  wulk 
(ivclk.  v'ilk,  icullok,  ivillok,  Franck,  Et.  wb.  s.  1190),  zum  suftix  des  tiernamens 

■)  Sweet,  Stud.  dict.  verzeichnet  das  wort  als  neutralen  n-stamm:  ^holc 
n.  hoUow,  cavity'. 


ZUR  WESTGEBM.   GRAMMATIK.  47 

Khige,  Nom.  st.^  §  61b:  unsynkopiert  z.  b.  tveoloc  WrW.  261,  22,  weoJocas 
212,30,  weolocreaä  2\S,2S\  synkopiert  «cco/c  Napier,  OE.  gU.  1,5193,  iveolc- 
read  5217,  xvolcread  5319;  vgl.  feruer  (Sievers,  Ags.  gr.^  §  188,  anm.  2)  von 
synkopiertem  wolcread  in  anlehnung  an  wolcn  ueugebildetes  icolcnread, 
wozu  die  möglichkeit  wol  durch  den  consonantenscbwund  in  fällen  wie 
beorhthivU,  hrcegponne,  mce^prymness,  cistheam  u.dgl.  neben  hearhtm,  hrce^en, 
messen,  eisten  gegeben  war. 

Hierzu  kommen  einige  Wörter,  für  die  mir  unsynkopiert e 
formen  nicht  bekannt  sind,  vocalverlust  aber  wie  nach  dem 
alter  der  texte  möglich,  so  aus  anderen  gründen  wahrschein- 
lich ist: 

heolc(a?)  'reif,  von  Bosworth-Toller  s.  529  belegt  mit  Ps.  Lamb.  118 
swä  sivä  bytfe  on  lieolcan  'sicut  uter  in  pruiua'.  Ursprünglichen  mittel- 
vocal  nahm  hier  bereits  Paul,  Beitr.  6,  50  an,  allerdings  aus  gründen,  die 
heute  nicht  mehr  stichhaltig  sind  (für  die  dort  gleichfalls  besprochenen 
heolstor  und  heolfor  sind  inzwischen  die  unsynkopierten  formen  helostr, 
hclnstras  und  helabr  bekannt  geworden);  doch  legt  die  etymologie  diese 
annähme  tatsächlich  nahe:  wie  geolca  zu  *gelwa-,  wird  sich  heolca  'reif 
zu  ahd.  MaM,'a  'spreu',  mhd.  hilwe  'feiner  nebel'  ('gesprüh')  verhalten  und 
aus  urengl.  *helul:an-  entstanden  sein. 

Imlc  'tugurium,  hütte',  z.  b.  belegt  in  Verbindung  mit  scrcef  'höhle, 
hütte'  0«  ...  screafum  odöe  Imlcum  Hom,  Th.  1,  54:-4,  30;  gleich  me.  hulc 
'hütte',  der  grundbedeutuug  nach,  wie  die  ableitung  me.  hulken  'ver- 
bergen' zeigt,  aber  ' verberguugsort ,  Unterschlupf,  vgl.  ahd.  helid  'tugu- 
rium', gegenüber  der  in  as.  helidhelm,  ae.  heolodhelm  erhaltenen  allgemeinen 
bedeutung.  Hulc  ist  ableitung  von  dem  im  me.  vorliegenden  subst.  hule 
'hütte,  obdach',  das  wol  im  gründe  mit  ae.  Jadn  'hülse'  identisch  ist.  Als 
ältere  form  daher  vermutlich  mit  Kluge,  Nom.  st.^  §  61  a  (ebenso  Eckhardt, 
ESt.  82, 3i6)  *hulnc  anzunehmen. 

liwylca,  belegt  durch  WrW.  161,17  uarix  —  ctvydele  uel  Mvylca,  ist 
gleich  nl.  wcJcl-e  'pustula'  (Kilian,  Etj-mologicum  teutonicae  linguae  s.  798) 
sowie  gleich  me.  ivliellce,  quelJce  und  ne.  ivhelk,  verwant  mit  ae.  hwelian 
(zur  etymologie  vgl.  Zupitza,  Germ.  gutt.  s.  57)  und  abgeleitet  von  dem  in 
me.  loliele,  ne.  loheal  vorliegenden  gleichbedeutenden  Substantiv.  Wie  in 
dem  bedeutungsverwanteu  ae.  sicelca  (pustula  ctvydele,  uel  pustella  sivelca 
WrW.  112, 15,  zu  ae.  gesicell,  ahd.  sivello  'geschwulst')  wird  suftix  -ukan- 
vorliegen,  vgl.  das  ^•-suffix  in  dem  bedeutungsverwanteu  afries.  pl.  lesoka, 
mnd.  leske,  lesche  'runzel(n)'  neben  ahd.  lesa  'runzel'  und  ae.  hjswen  'eiterig', 
in  ahd.  zitaroh  'kratze'  neben  ae.  teter  'eine  art  haiitkrankheit'  (Kluge, 
Nom.  st.2  §  68b),  ahd.  cheluch,  kelah,  chelch,  mhd.  kelch  'struma',  nhd.  dial. 
Z;eZc/t 'unterkiun'  zu  ahd.  Ä'e/a  'kehle'  (DWb.  5,  50-1),  ferner  in  mnd.  hoverik 
neben  ae.  Jiofer  'höcker',  vgl.  auch  ae.  pl.  puducas  'strumas,  geschwulst'. 
Vermutlich  steht  also  hivylca  in  kent.  Schreibung  für  *hweolca,  wie  anderswo 
ysle  'dem  esel'  für  eosle,  iosle.  An  sich  wäre  nach  der  gestalt  des  textes 
auch  *hivelca  als  vorform  möglich,  wie  Sweet,  Stud.  dict.  vermutet;  es 


48  WEYIIE 

könnte  eine  form  olme  !/-nnilaut  zu  jn'i'iKle  liegen  und  //  geschiiehen  sein 
wie  im  gleichen  glossar  widtuflt  WrW.  118,  9  (vgl.  Bosworth-Toller  s.  1217 
unter  ividnelt).  bt/sm  127,  13,  st)/>i^;;  139,  37,  nylle  IGl,  1,  viijne  152,  31,  hnysce 
151,38,  di/fejwrn  149,32,  auch  heopbn/mel  138,37. 

stah'ian  'verstohlen,  bohntsani  gehen',  gleich  ne.  stalk,  im  ws.  belegt 
bei  ..Elfric  in  stakt(ii(je  llom.  Th.  2, 138,  G  (Bosworth-Toller  s.  913  gibt  ver- 
sehentlich sieuJcunge  an)  und  hestalcodc  Heil.-l.  32,  40.  Das  wort  ist  eine 
ableitung  von  subst.  stalu,  verb.  stnlian  '.ttehlen,  verstohlen  gehen';  da  die 
secundären  verbalen  Z;-ableitungen  (häufig  im  mnd.,  liUcken  h'Uen,  lallekcn 
lollen,  runelcen  runen,  slirilccn  sliren;  grcneken,  korken,  hurkcn,  neddckin, 
sniddeken,  vorsiilkken,  vJenseken,  wisierken)  zumeist  ursprünglichen  mittel- 
vocal  zeigen  oder  voraussetzen,  vgl.  aus  dem  ac.  heorcnian  zu  got.  huusjun, 
ieldctan,  ckian  zu  ahd.  cdtih  (Kluge,  Noni.  st.-  §  213),  bedccian,  fer{c)cian, 
stenecian,  slyfcciun,  äswefecian,  da  ferner  ws.  ulalckin  der  brechung  zu  ea 
entbehrt,  wird  *skdakD-  bez.  *stali(kü-  vorliegen. 

Endlicli  gehört  hierher  das  praeteritum  von  lacan  'spielen', 

ae.  kok  gleich  got.  lailaik.  Die  form  unterscheidet  sich  von  den  vor- 
genannten dadurch,  dass  sie  nur  in  der  poesie  erscheint  (Sievers,  Ags.  gr.=» 
§394,  anm.  2),  sowie  dass  sie  einen  langen,  doch  schon  ureugl.  gekürzten 
vocal  eingebü.sst  hat.  Im  pl.  Heläkun  gieng  der  mittelvocal  vor  dem  u 
der  eudsilbe  in  n,  o  über  (Bülbriug,  EB.  §377b)  und  wirkte  umlaut  wie 
in  eofot;  entwicklungsgaug  *klucun  >>  '^kolucun  >■  *kukun,  dann  kok. 
Vgl.  Brugmann,  Grundr.  2, 1251.  Streitberg,  Urgerm.  gr.  s.330.  Kluge,  Pauls 
Grundr.  l»,  lUOS. 

Dagegen  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden,  ob  auch  äalc 
und  halca,  wie  Sievers,  Ags.  gr.^  §  80,  anni.  3  vermutet,  synkope 
erfahren  haben.  Ae.  dalc  'spange',  im  avs.  belegt  z.  b.  durch 
ilalc  ^Elfric  gr.  Zupitza  44,  3,  daneben  dolc  in  der  hs.  J  ^A'rW. 
313,  22,  wie  auch  nie.  äolc  neben  iMc  steht,  ist  nach  Kluge, 
Pauls  Grundr.  P,  929  ebenso  aus  dem  kelt.  entlehnt  wie  an. 
(/«7/iT  'tuclinadel,  messer'  nach  Bugge,  BB.  3,  99;  andere  halten 
ir,  dely,  cjnnr.  dal,  com.  delc  mit  der  gi'undbedeutuug  'dorn, 
Stachel'  vielmehr  für  urverwant,  vgl.  genaueres  bei  IMikkola, 
BB.  25,  74.  Eventuell  wäre  also  dolc  und  dalc  sammt  deutschem 
dolch,  älter  tolcli,  dolUch,  dolcJc  aus  -hlolak,  *doloIc  u.s.w.  ent- 
standen. Von  halca  kenne  ich  nur  den  acc.  halcan  Boeth. 
(hs.  B)  Sedgefield  37,  8,  dessen  a  Avegen  der  dialektischen  fär- 
bung  des  textes  allein  nicht  beweisend  ist,  vgl.  beispielsweise 
in  derselben  hs.  allnnya  69, 30.  Auch  halc  'porca'  WrW.  147,20 
(porca,  spatium  inter  duos  sulcos  Diefenbach)  gleich  aisl.  halh- 
'Scheidewand,  ahteilung'  (daneben  aisl.  ?>;V///./,  vgl.  finn.  j)t'//.7ro), 
schwed.  huJk  'Scheidewand,  rücken  zwischen  zwei  furchen',  nhd. 


ZUR  WESTGERM.   GRAMMATIK.  49 

hallxe  ('wenn  beim  pflügen  zwischen  je  zwei  aufgeworfenen  furclien 
ein  streifen  ungerodeten  bodens  wie  auf  dem  weinberg  zwischen 
den  Zeilen  ein  freier  erdraum  liegen  bleibt,  gilt  dafür  . . . 
...  der  name  haVce''  DWb.  1, 1089)  ist  ohne  beweiskraft,  da  im 
gleichen  glossar  widerum  mehrfach  ungebrochenes  a  begegnet. 

Die  Synkope  innerhalb  der  vorliegenden  lautfolge  ist  auf 
südengl.  boden  erst  in  verhältnismässig  später,  historischer  zeit 
eingetreten.  Dies  zeigt  der  umstand,  dass  ein  wort  wie  seoloca, 
in  dessen  sämmtlichen  formen  u  mittelvocal  war,  nicht  allein 
?«-umlaut  erfahren  hat,  sondern  in  texten  des  10.  jh.'s  sein  «  (o) 
sogar  in  der  schrift  noch  aufweist.  Hieraus  geht  nun  zwar 
bei  dem  gleichzeitigen  vorkommen  synkopierter  belege  nicht 
hervor,  dass  der  vocal  damals  auch  in  der  gesprochenen  spräche 
überall  noch  vorhanden  war.  Aber  abgesehen  davon,  dass  ein 
solcher  Schwund  nicht  mit  einem  schlage  noch  in  allen  gegenden 
gleichzeitig  einzutreten  pflegt,  ergibt  sich  doch  für  den  Vollzug 
der  Synkope  eine  erst  kurz  zurückliegende  zeit,  nicht  lauge 
genug,  als  dass  die  alten  formen  auch  in  der  schrift  schon 
verdrängt  wären.  Hierzu  kommt  ein  weiteres.  Es  ist  für 
synkopierungen  von  der  art  der  vorliegenden  charakteristisch, 
dass  die  synkope,  die  zuerst  natürlich  die  mittelvocale  trifft 
(vgl.  Morsbach,  Me.  gr.  §  74.  Koeppel,  Archiv  104, 63),  sehr  bald 
auch  auf  die  endsilben  ausgedehnt  wird;  von  einem  Stadium, 
wo  orcl,  pyrel  neben  se^erla,  pyrlum  bestehen,  geht  die  ent- 
wicklung  schnell  auch  zu  orl,  pyrl  u.  s.  w.  über.  Diese  rasch 
überwundene  mittelstufe  aber  ist  auch  bei  der  gruppe  Lluc- 
noch  zu  verfolgen. 

Die  Lchdm.  2,  1  f.  abgedruckte  hs.  der  Lceceböc')  stammt 
nach  Cockayne  aus  der  ersten  hälfte  des  10.  jh.'s.,  nach  anderen 
aus  der  zeit  zwischen  960  und  980;  sie  ist  copie  einer  älteren 
vorläge  und  bietet  gerade  was  die  synkope  angeht,  noch  einen 
ziemlich  altertümlichen  stand  (sie  stimmt  z.  b.  in  der  flexion 
von  micel  mit  dem  älteren  ws.,  Beitr.  30, 121,  vgl.  ferner 
winestre  'links'  neben  ivinsire  u.  älinl.).  Während  nun  die 
wenigen  formen   des  Boeth.   (gioleca,  siolocc,  seolocenrd)  etwa 


[0  Die  neuausgabe  dieses  textes  durch  G.  Leonhardi  iu  Grein  -Wülkers 
Bibl.  der  ags.  prosa  6, 1  ff.  ist  uubrauchbar,  da  sie  Cockaynes  text  nur 
selten  in  kleinigkeiten  verbessert,  an  zahllosen  stellen  aber  wesentlich  ver- 
schlechtert.   E.  S.] 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXI,  4 


50  WKYllE 

die  zeit  widerspiegeln  mögen,  wo  übeiliaupt  noch  keine  synkope 
yorlianden  "war,  liaben  wir  in  der  Liecebüc  die  flexion  seoliic 
10,  IG.  106, 22,  stoloc  50,  8,  aber  scolcc  50,  7.  358,  25  (in  einem 
Satze  56,7  seoiva  mid  seolce  fcesie,  smire  Jionne  mid  Juerc 
sccdfe  nfan  ond  innan  wr  sc  scoloc  rofl^c),  und  dem  entspridit 
der  formenbestand  des  häufiger  belegten  meoluc: 

meoluc,  meoloc,  mm.  und  acc.  28, 8.  23.  32,  7.  3i,  12.  40, 19.  42, 5. 
68,13.    108,22.    138,29.    188,11.13.14.    202,12.10.    218,24.27.    222,13. 

266. 19.  272, 1.  19.  276,  17.  18.  292, 29.  302, 27.  308, 18.  310, 5.  320, 17. 
338,  8.  340, 23. 

meoke,  geu.  354,2;  dat.  36, 24.  54,7.  50,2.  58,11.  60,11.  64,25. 
100,24.  128,3.  144,21.  22.  228,31.  272,2.  278,20.  292,27.  308,12.  312,1. 
314,8.   318,4.   320,12.  15.   330,4.  11.   338,6.   346,8;   (acc?)  358,24. 

meolcum,  instr.  sg.  (doch  schon  als  plural  aufgefasst:  päm  meolcum) 
36,25.    218,22.    266,13.   268,18.    274,6.    292,5.    296,19.    320,15.    324,15. 

328.20.  346,24.   354,9.   356,13. 

meolccn,  adj.  'von  milch"  14,18;  mylccn,  subst.  'milchspeise'  142,14 
(ableituug  von  meoluc  wie  z.  b.  bri/pcn  142, 15  von  hrop). 

In  einem  satze  z.  b.  320,11  hcicyl  pära  meolcc  priddau 
dcel  pwre  ivyrtc  of  päm  meolcum,  sccäd  liivcüten  mcla  pcür  on 
ond  etc  pone  hrtw  cealdne  and  supc  pä  meoluc  (dass  der  satz 
eine  Verderbnis  enthält,  ist  hier  gleiohgiltig),  oder  270,  29  dö 
on  hüor  sivCi  on  iv'in  sicü  on  peorfc  meoluc,  $if  pü  pära 
üderra  näicper  mehhc:  6'fpti  on  ivine  ivyrce  oppc  on  mcolce  . , . 
Die  ausnahmen  sind  verschwindend;  den  29  meoluc  steht  ein 
mcolc  52, 13,  den  41  meolcc,  -um,  -cn  zwei  mcolucc  102,  15 
(dat.).  348, 1  (gen.)  gegenüber.  Diese  regelmässigkeit  in  der 
flexion  von  meoluc  und  seohic  nun  macht  ganz  den  eindruck, 
als  entspräche  sie  dem  spracligebrauche  des  Schreibers;  in 
anderen  Wörtern  herscht  dagegen  schwanken.  Wenn  102.  4 
scolcan  erscheint,  so  ist  dies  sicher  die  form  der  lebenden 
spräche,  während  ,^eolocan  38,  7  der  vorläge  entstammen  dürfte, 
und  dasselbe  wird  von  den  oben  citierten  healocum  neben 
heulcum,  holocum  neben  holcum  gelten,  werten,  von  denen 
ich  nicht  nachweisen  kann,  ob  ihr  nom.  healoc  bez.  holoc  ge- 
lautet hat. 

Man  wird  hiernach  kaum  fehlgreifen,  wenn  man  die  süd- 
engl.  sj'ukope  des  mittleren  u  der  grui)pe  -lue-  etwa  in  den 
ausgang  des  9.  jh.'s,  die  zeit  um  900,  den  Schwund  innerhalb 
der  endsilben   aber  in   den  verlauf  des  10.  jh.'s  verlegt  (vgl. 


ZÜB   WESTGERM.   GRAMMATIK.  51 

den  ganz  älmlichen  gang  bei  der  synkope  zwischen  r  und  l, 
Beitr.  30, 135  f.,  wo  die  erlialtiiDg  der  vocale  vor  dem  10.  jli. 
mehrfach  bezeugt  ist).  Zwei  belege  für  meole  mit  synkope  in 
endsilbe  bietet  schon  der  ja  nicht  nur  dialektisch,  sondern 
auch  zeitlich  yon  den  übrigen  aws.  texten  abstehende  Orosius 
(3,  26.  162,  7),  in  ^Ifrics  Gr.  und  Hom.  gehen  meolc  und  meoloc 
nebeneinander  her  (gelegentlich  begegnet  selbst  meohice,  -ece 
Bibl.  ags.  prosa  1,  Ex.  3,  8.  33,  3.  Deut.  31,  20),  und  auch  sonst 
sind  schriftformen  wie  mcoluc  auch  im  11.  jh.  noch  nicht  aus- 
gestorben. 

Gegenüber  diesem  südengl.  formenbestande  nun  bietet  das 
angl.  ein  ganz  anderes  bild:  überall  tritt  uns  hier  einsilbiges 
milc,  zweisilbiges  v.i'dcum  entgegen  (vgl.  die  Zusammenstellung 
der  belege  bei  Bülbring,  Anglia,  Beibl.  11, 116.  117).  Nicht  nur 
die  north,  denkmäler  des  10.  jh.'s  haben  müc  und  sCiuUcwi, 
nicht  nur  der  merc.  Psalter  des  angehenden  9.  jh.'s  bietet  müc 
(über  milc  im  original  der  Bedaübers.  s.  Deutschbein,  Beitr. 
26,  239),  auch  in  den  überhaupt  ältesten  quellen  aus  der  ersten 
hälfte  des  8.  jh.'s  herschen  diese  formen  bereits:  mücmn  in  den 
merc.  Blickling-glL,  thrimüci  in  des  Northumbrers  Beda  schritt 
De  temporum  ratione.')  —  Die  'unflectierte'  form  scheint  leider 
in  dieser  frühesten  zeit  nicht  belegt,  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  war  aber  auch  sie  damals  einsilbig;  das  darf  man  viel- 
leicht aus  einigen  fehlschreibungen  der  alten  glossare  schliessen, 
so  wenn  die  Erfurter  gll.  638  milcapuldr  haben  statt  milsca- 
puldr  {milsc  aus  milisc  wie  mersc  aus  meoisc,  ersc  aus  erisc 
u.  a.),  oder  wenn  die  Werdener  gll.,  Kluge,  Ags.  Ib.-  II,  22 
dulcacidum  simr  milc  schreiben  statt  smirmilsc,  'saure  milch' 
statt  'süsssauer'.   —   Das   ergibt   also   folgenden   tatbestand: 


^)  ^emilciga  'milchen,  milch  geben  oder  nehmen,  säugen  oder  saugen', 
deuomiuativum  wie  aisl.  miolka  und  nhd.  milchen  {milchende  Jcuh);  thri- 
milci  sc.  münath  'quia  tribus  yicibus  in  eo  per  diem  pecora  mulgerentur' 
nicht  als  urgerm.  '''-millii-\ia-  verbaladj.  zu  tne(o)lcan  'melken'  etwa  wie 
got.  nncDidusöks  'unbestreitbar'  oder  ae.  iivlfere  'zwiefach  zugänglich',  da 
dann  doch  wol  Schwundstufe  (wie  in  yöfynde  'leicht  auffindbar')  zu  erwarten 
wäre,  vor  allem  aber  'dreimal  melkbar'  zwar  auf  eine  kuh,  nicht  aber  einen 
monat  passt,  sondern  possessives  compositum  'dreimilchig'  (wäre  urgerm. 
*primeliiliia-\  das  sich  zu  milc  verhält  M'ie  pnfete  'dreifüssig'  zu  föt  oder 
bei  Beda  selbst  thrilidi,  das  jähr,  das  drei  monate  des  namens  lida  hat 
zu  L'iöa. 


52  WEYIIE 


Avälireiid  das  siulengl.  formen  -wie  ,sColocan  mit  erlialtung  des 
mittleren  u  oder  wie  mcohw  mit  erlialtung-  innerlialb  der 
eudsilbe  noch  im  10.  und  11.  jh.,  dem  ausgaiige  der  ae.  zeit, 
aufweisen  kann,  ist  für  das  angl.  miJcum,  ihrimllci  schon  im 
frühen  8.,  milc  sicher  mindestens  im  beginn  des  0.  jh.'s  belegt. 

Ein  solcher  abstand  von  zweihundert  und  mehr  jähren 
lässt  sich  von  vornherein  schwerlich  mit  dem  an  anderen 
fällen  (vgl.  abschnitt  I.  Beitr.  30, 95  f.)  zu  verfolgenden  früheren 
eintritt  der  synkope  im  angl.  erklären.  Aber  wir  haben  auch 
positive  Zeugnisse  dafür,  dass  auf  angl.  boden  ein  u  der  Stellung 
J  lue  in  der  ersten  hälfte  des  8.  jh.'s  noch  nicht  geschwunden 
war.  Ganz  absehen  kann  man  hierbei  von  dem  oben  be- 
sprochenen leolc,  das  zwar  in  südl.  hss.  der  poesie  und  auch 
in  einem  südl.  gedichte  wie  der  Gen.  B  begegnet  (jedoch  hier 
neben  forUc),  seinem  Ursprünge  nach  aber  doch  wol  sicher 
ebenso  angl.  ist  wie  die  übrigen  reduplicierendeu  praeterita 
dieser  formation  (vgl.  Sievers,  Ags.  gr.»  §  394,  anm.  2;  poetische 
dialektentlehnung  gleich  mcedl  und  anderen),  das  somit  für  angl. 
synkope  nach  Vollzug  von  «-umlaut  ttnd  ebnung  ins  treffen 
geführt  w'erden  könnte,  absehen  auch  von  einem  eigennamen 
wie  Alnca  LV.  285  (vgl.  Müller,  Untersuchungen  über  die  namen 
des  north.  LV.  s.  74),  da  das  u  der  diminutivendung  durch 
formen  wie  Baduca  (LV.  s.  217.  228.  353)  gehalten  sein  kann, 
in  denen  synkope  nicht  eingetreten  ist  (vgl.  Beitr.  30,  89): 
aber  durchweg  heisst  es  in  texten,  die  jenem  milcum  und 
tlirimilci  gleichaltrig  sind,  ituylocas  Ef.  267,  uilucas  1109;  uiiiloc- 
read  Ep.  169,  uuüncsccl  182,  uuylucsccl  Ef.  182;  uihichqsu, 
niluchesu,  uylochaso  Kluge,  Ags.  Ib.^  III,  53;  ferner  mit  voll  ent- 
wickeltem w-umlaut,  aber  gleichfalls  ohne  synkope  und  natür- 
lich ohne  ebnung  in  den  eher  schon  in  die  zweite  hälfte  des 
8.  jh.'s  gehörenden  CorpusglL:  uuiolocas  542,  tvioloc  594,  wioloc- 
read  496,  uiolucscel  1487  (gleichgiltig,  dass  hier  fälschlich  das 
ilvsse^6  Ep.  781  durch  ein  anderes  wort  widergegeben  ist),  dazu 
u'ilocsccl  499. 

Die  folgerung  ist  also  nicht  zu  umgehen,  dass  angl.  milc, 
milcum  tatsächlich  kein  ii  eingebüsst  hat.  Ob  darum  auch 
die  weitere,  dass  es  einen  bereits  urgerm.  einsilbigen  stamm, 
und  sein  /  ein  durch  ebuung  w'ider  beseitigtes  brechungs-Z^t 
fortsetze  wie  das  von  Ep.  628  milcij)  'er  melkt'?    Ich  glaube 


ZUR  WESTGERM.   GRAMMATIK,  53 

nicht;  es  bietet  sich  ein  andrer  weg,  der  in  rücksicht  auf  den 
oben  ausgesprochenen  grundsatz  durchaus  vorzuziehen  sein 
dürfte. 

Beitr.  30, 95  ff.  ist  von  mir,  wie  ich  hoffe,  der  nachweis 
erbraclit,  dass  bei  der  ae.  synkope  auf  kurze  tonsilbe  folgender 
niittelvocale  vor  l  die  qualität  des  vocals  eine  wichtige  rolle 
spielt:  i  schwindet  weit  früher  als  u.  Beispielsweise  das  i  von 
neue  ist  schon  vor  der  zeit  des  historischen  ae.  gefallen,  das 
u  von  Avs.  swutole  bleibt  erhalten  und  fällt  in  ae.  zeit  über- 
haupt nicht;  der  i-schwund  von  tjfla  gehört  dem  urengl.  an, 
der  «-Schwund  von  südengl.  naf{o)la  beginnt  erst  auf  der 
schwelle  des  nie.  Wie  zu  erwarten,  macht  sich  ein  ähnlicher 
unterschied  auch  in  dem  vorliegenden  falle  geltend.')  Auch 
das  i  der  gruppe  Clic  ist,  wie  wenigstens  für  das  angl.  fest- 
steht, schon  in  urengl.  zeit  synkopiert;  in  denselben  Ep.-gll., 
die  mälocread,  mcilucscel  bieten,  heisst  es  sU^uiielci  842 
i^hwaWia-]  zur  urspr.  länge  des  mittelvocals  vgl.  oben  über 
leolc),  oe^huuelci  709,  suilcae  98;  dem  uilucas,  umßucscel  der 
Ef.-gll.  entspricht  in  gleicher  weise  silmelci  842,  oeghuelci  709, 
suilce  98;  vgl.  auch  Cp.-gll.  uuiolocas,  ivioloc  neben  suelce  75, 
suüce  238,  ^ehwelci  1700,  oe^lnvelce  1442.  Und  man  darf  nicht 
einwenden,  dass  bei  der  synkope  dieser  formen  die  in  manchen 
Verwendungen  vorhandene  satzunbetontheit  im  spiele  sei;  ein 
anderer  beleg  tut  dar,  dass  dieselbe  synkope  auch  hinter  dem 
hauptton  galt,  ja  dass  sie  sich  im  angl.  des  8.  jh.'s  schon  auf 
die  'unflectierte'  form  erstreckte;  aus  einer  zeit,  die  von  Cp.- 
gll.  ivioloc  nur  wenig  abstehen  kann,  ist  belegt  celc  'kelch' 
aus  wgerm.  ^ImUh  gleich  afries.  tzilich,  ahd.  Tcelih  (Pogatscher, 
Lehnworte  §  216;  zum  e  auch  Bülbring,  Anglia,  Beibl.  9,  293, 
anm.  1),  in  dem  Ortsnamen  ceJcliyÖ  'kelchhafen'  ('merc.-kent.' 
or.-urk.  Offas  von  788,  OET.  Ct.  18,3  =  Birch  no.254;  vgl. 
auch  Celcltyd  in  den  "almost  contemporary  charters'  Birch 
no.  247  vom  jähre  785  und  248  von  786),  dazu  der  gen.  celces 


^)  Hat  derartiges  schon  Kluge  ausdrücken  wollen,  wenn  er  Pauls 
Grundr.  1^,1053  sagt:  'selbständig  vollzieht  das  urengl.  eine  synkope  von 
i  nach  l  . .  /  (unter  den  beispielen  hici/lc,  swylc,  elcor),  und  er  dann  fort- 
fährt: 'auch  t(-synkope  nach  l  kommt  vor  . . . '  (unter  den  beispielen  ^eolca 
aus  *^eluko)? 


54 


WEYIIE 


im  meiv.  Pj^aller  (15,5)  aus  dem  anfaug-  des  0.  jli.'s.')  Noch 
weiter  zurück  führt  dann  eiu  blick  auf  die  poetischen  texte: 
ein  vers  wie  Beowulf  990 b  Ixua  pc  on  sivi/Ic  staruö  zeigt, 
dass  fürs  angl.  diese  a-synkope  in  endsilbe  bereits  der  urengl. 
zeit  angehört. 

In  den  niditangl.  dialekten  fehlen  einschlagende  Zeugnisse 
aus  dem  8.  jh.  Im  anfang  des  9.  war  die  synkope  nach  aus- 
weis  der  in  den  kent.  Urkunden  begegnenden  formen  {'^Invilc 
OET.  Ct.  37,  35  (805—831),  suilc  39, 14,  cshuyke  39,  9,  swclc 
39,9  (um  831)  gleichfalls  selbst  in  der  'unflectierten'  form 
schon  eingetreten,  und  es  hindert  nichts,  sie  auch  für  das  süd- 
engl.  schon  in  vorhistorische  zeit  zu  verlegen. 

Als  belege  aus  späterer  zeit  wären  noch  zu  nennen  die 
alte  entlehnung  (Pogatscher  §  115)  pi/Jcc  gleich  me.  pilclic  aus 
*2)iliJ,-{ö{n),  ursprünglich  lat.  pdVicia  (Pogatscher  §  282.  Kluge 
in  Pauls  Grundr.  1^,  342)2),  sowie   elcor  'anderweitig,   anders- 


1)  caelichjUi  OET.  Ct.  12, 2  =  Bircli  no.  201  in  merc.  or.-urk.  aus  der 
zeit  um  800  (vgl.  in  oopien  Cdicluß  Birch  uo.  852.  35!^.  850  neben  ('<Tlchj/de 
387,  Celchide  302,  Cclchijld  577)  ist  mit  seiner  yocaleihaltung  dagegen  mi.sch- 
form  dureh  einfluss  der  gelehrten  entlelmung  cah'c,  wie  R'  avlic,  bvJic 
neben  ccplc  und  (alic,  Lind,  ceelic  neben  ccvlc,  calces,  ccclce,  ccrlcas  und  calic, 
calica,  vgl.  auch  YPs.  celces  und  calic,  calices,  R-  celc,  calce  und  cctW". 
Gelehrte  entlehnung  wie  calic  und  uusynkopiert  wie  dieses  ist  auch  ciUc 
'ciliciunf  Lind.  Mt.  11,  21  (Pogatscher  ^  127),  beide  worte  überdies  ab- 
weichend dadurch,  dass  das  zweite  c  wahrscheinlich  mit  roniau.  assibilierung 
übernommen  ist,  Pogatscher  §  357.  358.  Bülbring,  .Vnglia,  Beibl.  9,  2l»3.  — 
Das  dem  merc.  CekJiyö,  Ca^lichf/Ö  in  der  Chron.  Parker-hs.  785  entsiirechende 
WS.  CeakhTjp  scheint  auf  falscher  Umsetzung  ins  ws.  zu  beruhen,  'kalkiiafen' 
(ws.  cealc,  spätws.  celc)  statt  'kelchhafen'. 

'^)  Als  ae.  uormalform  wird  gewöhnlich,  doch  gewis  mit  unrecht,  pilece, 
mit  mittelvocal,  angegeben.  Von  den  mir  zu  geböte  stehenden  belegen 
bieten  pylcan  (pykca)t)  .Elfrics  Sigewulli  interrogatioues  283  (Anglia 
7,1  f.)  und  j)j/Zce  .Elfrics  gll.  Zupitza  315,3  die  reguläre  form;  beide  male 
begegnet  eine  Variante  mit  mittelvocal ,  dort  pilecan  in  der  bereits  dem 
12.  jh.  angehörenden  lis.  b,  \\\^y  piilccc;  dios  pi/lcce  (=  WrW.  328, 11)  stammt 
aus  der  mit  keuticismeu  durchsetzten  hs.  J  (vgl.  Bülbring,  Anglia,  Beibl. 
11,92,  anm.2),  geschrieben  um  die  mitte  des  ll.jh.'s.,  und  dass  der  vncal 
hier  auf  einer  secundären  entwicklung  beruht,  wie  sie  auch  anderswo  in 
so  weitem  masse  die  alte  synkopierung  aufgehoben  hat,  lässt  sich  nicht  be- 
zweifeln, wenn  man  sieht,  dass  frühkentischem  ilca  (ilcan  OET.  Ct.  37,  IG 
[805-831].  42,15  [837];  auch  45,36  [Surrey,  871—889])  in  der  dialektisch 
ähnlich  wie  jene  .Elfric-hs.  zusammengesetzten  hs.  A  der  Benedictiuerregel, 


ZUR  WESTGEEM.   GRAMMATIK.  55 

wo(hm)'  (beleg'e  bei  Klaeber,  Anglia  27,  261)  z.  b.  elcur  Lind. 
Lc.  5,  36.  37,  falls  (Kluge  in  Pauls  Grundr.  l^,  1053)  gleich  alid. 
clichör  und  aus  einem  *elicor  herzuleiten,  das  haplologisch  aus 
*eliltkör  entstanden  ist  (vgl.  Beitr.  30,  92). ') 

Es  ergibt  sich  also,  dass  die  synkopierungsverhältnisse 
eine  zurückführuug  von  angl.  müc  auf  ^miUh  ebenso  anstandslos 
gestatten,  wie  sie  der  herleitung  aus  einem  ^müulc  entgegen- 
stehen, das  in  urengl.  zeit,  etwa  zwischen  der  periode  der 
brechung  und  des  «-umlauts,  synkope  oder  in  frühae.  zeit 
nach  ablauf  des  «-umlauts  synkope  +  ebnung  erfahren  hätte; 
dass  wir  zu  der  auffassung  berechtigt  sind,  angl.  milcnm  des 
8.  jh.'s  verhalte  sich  zu  dem  gleichzeitigen  uilucas  nicht  anders 
als  WS.  sicelc  des  9.  jh.'s  zu  seinem  Zeitgenossen  mioloc. 

Der  ansatz  eines  urangl.  ''^miJik  mag  zuerst  auffällig  scheinen 
und  geeignet,  den  formenwirrwarr  zu  vergrössern;  die  erinne- 
rung  an  den  nicht  minder  auffälligen  vocalismus  von  ws.  mioloc 
jedoch  berechtigt  zu  der  hoffnung,  dass  vielleicht  im  gegenteil 
gerade  von  hier  aus  auch  das  zweite  problem,  das  unsere 
formen  bieten,  die  frage,  wie  sich  das  i  ihrer  tonsilbe  zu  dem 
e  der  urgerm.  grundform  verhalte,  der  lösung  näher  geführt 
werden  kann. 

Dass  ein  urangl.  *niüili  nichts  ursprüngliches  darstellt,  ist 
klar;  kein  germ.  dialekt  bietet  einen  anhält  für  ansetzung 
eines  urgerm.  "^mclik,  "^milik,  das  zu  ^'mcluh  im  ablaut  stände. 
Dagegen  liegt  es  nahe,  die  Verschiedenheit  des  stammsilben- 
vocalismus   (urengl.  '^mililc,  *mihiJc   gegen  urgerm.  ^meluk)   in 


geschrieben  um  1000,  häufiges  ileca  entspricht ;  vgl.  bei  Schröer  yleca  40,  9, 
ylece  3-1,  9.  39,  6. 10,  ilece  41,  3,  ijlecan  27, 13.  35, 12.  17.  39,  6.  41,  4.  70, 16, 
üican  4,9.  69,16.  22,  ilicum  64,3;  Aveitere  belege  a\is  den  übrigen  hss.  in 
den  Varianten  und  vgl.  Sievers,  Ags.  gr.^  §  339.  Von  hier  aus  wäre  also 
nichts  dagegen  einzuwenden,  wenn  man  iKllicia  noch  mit  II  entlehnt  sein 
Hesse;  dass  tatsächlich  einfaches  l  und  daher  sj^nkope  nach  kürze  vorliegt, 
machen  jedoch  die  von  Pogatscher  §  72  zusammengestellten  parallelen 
wahrscheinlich. 

1).  Doch  könnte  das  daneben  in  normaler  Vertretung  von  got.  aljalcikös, 
an.  elh'f/ar  ohne  silben&chichtung  belegte  clUcor  die  ältere  form  darstellen, 
aus  der  elcor  durch  secundäre  sj-nkope  nach  länge  hervorgegangen  wäre 
(Sweet,  Stud.  dict.  verzeichnet  ein  einmaliges  adv.  ellcra),  vgl.  etwa  die 
spätae.  synkope  in  pißc  aus  pyl{l)ic  aus  pyslic  saramt  der  Zwischenstufe 
Bibl.  ags.  prosa  1,  Gen.  39, 10  piUum,  Deut.  18, 12  pilcon  neben  Num.  22,  30 
piUic  und  11,  33  püic. 


56  WEYHE 

zusaiunienliang  zu  bringen  mit  der  vocaldifferenz  der  urspriing- 
liclien  flexionsvocale  des  consonantischeu  Stammes. 

Als  urgerm.  paradigma  haben  wir  anzusetzen:  nom.  ^luehd; 
gen*mduke^,  dat.  (loc.)  *mcluJci,  mstr*mdukumi,  SiCC*mchdu{m). 
Während  zur  Weiterentwicklung  von  imiii.  und  acc.  nichts  zu 
bemerken  ist,  bedürfen  die  drei  übrigen  casus  einer  näheren 
erürterung. 

Dass  die  wgerm.  dialekte  urgerm.  auslautendes  -c-,  welches 
später  über  -iz  zu  wgerm.  -/  wurde,  sowie  urgerm.  auslautendes 
i  (gleichgilt ig  für  uns,  ob  ursprünglich  betont  oder  nicht)  bei 
Stellung  in  zweiter  silbe  ebenso  behaiulelt  haben  wie  ursprüng- 
lich -b  derselben  Stellung,  steht  fest.  Im  ae.  nom.  pl.  Jinyte 
'nüsse'  ans  urgerm.  "^Imutez  ist  das  urspr.  e  (dann  i)  ebenso 
bis  in  historische  zeit  gewahrt  wie  in  ivine  'freund'  aus  ^iviniz, 
im  pl.  ae.  hcßc,  bcc  'bücher'  aus  urgerm.  "^höTicz  ebenso  erst  nach 
der  umlautszeit  geschwunden  wie  in  Gcst,  est  'gnade'  aus  ur- 
germ. "^anstü]  entsprechend  dat.  sg.  hiyte  aus  urgerm.  */niiiti, 
dat.  sg.  böcc,  hec  aus  urgerm.  *5ö/.-/.  Dagegen  bleibt  fraglich, 
wie  die  wgerm.  entwicklung  in  anderen  als  zweiten  silben 
verlaufen  ist.  Hier  finden  wir  den  vocal  in  den  belegten 
formen  der  einzeldialekte  nirgends  mehr  vor,  das  einzige 
kriterium  für  die  zeit  dieses  Schwundes  aber  bildet  (abgesehen 
von  ein  paar  alten  wgerm.  namen)  das  Vorhandensein  oder 
fehlen  von  einwirkungen  auf  den  vocalismus  der  vordersilben. 
In  letzter  zeit  haben  über  diese  frage  gehandelt  Walde,  Die 
germ.  auslautsgesetze  s.  120  f.  126  f.  und  van  Helfen,  Beitr.  28, 
522  f.;  beide  gelehrte  kommen  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  ge- 
nannten vocale  in  dritter  silbe  früher  als  in  zweiter,  dass  sie 
hier  sicher  vor  der  ae.  umlautszeit  gefallen  wären.  Danach 
hätte  urgermanischem  *meluJie,i'  und  '"^mclnJci  ein  urengl.  ^mehüc, 
urgermanischem  *mcluhi)ni  ein  urengl.  *mcluJaim  entsprochen. 

Besteht  diese  annähme  durcligängigen  frühen  Schwundes 
in  dritter  silbe  zu  recht?  Mir  scheint  es  von  vornherein  zweifel- 
haft, ob  der  hier  angelegte  massstab  der  silbenzahl  allein  im 
Stande  ist,  apokopierungserscheinungen  gerecht  zu  werden, 
deren  grosse  compliciertheit  i)arallelen  historischer  zeit  klar 
erweisen.  Gewis  ist  bei  apokopierungen  die  silbenzahl  von 
Wichtigkeit:  aber  bedeutet  es  nicht  schon  eine  Verallgemeine- 
rung, gerade  von  dritter  silbe  zu  reden,  wo  vielfach  auch  die 


ZUR  WESTGEEM.   GRAMMATIK.  57 

vierte  in  frage  kommt?  Wo  von  vornherein  wahrsclieinlich 
ist,  dass  z.  b.  in  dat.  pl.  ^haiibiatumiz  gleich  ae.  heafdum  'den 
häuptern'  das  i  anders  betont  war  und  demgemäss  hiutgesetz- 
lich  zu  andrer  zeit  schwand  als  in  *Jiofu)ni^  gleich  ae.  liofum 
'den  höfen',  dass  es  in  "^(tömnonpi  gleich  ae.  demaü  'sie  urteilen' 
zu  andrer  zeit  fiel  als  in  *deron])i  gleich  ae.  beraä  'sie  tragen'? 
Wo  notgedrungen  sich  auch  analogisclie  ausgleichungen  ein- 
gestellt haben  werden?  Hierzu  kommt  ein  weiteres:  in  den 
controlierbaren  apokopierungen  speciell  der  hier  in  frage 
kommenden  wgerm.  einzeldialekte  (wo  wir  zugleich  die  starken 
analogiewirkungen  beobachten  können)  spielt  die  zahl  der 
Vordersilben  an  sich  keine  rolle;  sie  kommt  in  betracht  als 
ein  die  betonung  mit  bestimmendes  element,  dem  jedoch  als 
gleichwichtig  die  quantitätsverteilung  innerhalb  der  anfangs- 
silben  zur  seite  steht:  ein  urgerm.  '■'raliiitö  hat  andere  Schick- 
sale als  *Jiandi(ctö,  das  eine  ergibt  ae.  reccd,  das  andere  vielmehr 
heafodu,  vgl.  im  as.  ivater  'wässer'  (st.  *watera-),  aber  nötüu 
'rinder'  (s.  Holthausen,  As.  EB.  §  153).  In  der  tat  macht  denn 
auch  z.  b.  Walde  solcher  rücksichtnahme  auf  die  accentuierung 
Zugeständnisse,  die  seine  sonstige  regel  direct  durchkreuzen: 
er  wirft  die  frage  auf,  ob  formen  wie  ae.  (ws.)  frund  'freunde' 
nicht  damit  zu  erklären  seien,  dass  -i  nach  nebenton  in  dritter 
Silbe  ebenso  behandelt  wurde  wie  sonst  nach  zweiter. 

Beschränken  wir  uns  auf  das  ae.,  das  unter  den  wgerm. 
sprachen  wegen  der  im  vocalismus  sichtbaren  nachwirkungen 
erhaltener  i  hauptsächlich  in  frage  kommt,  und  mustern  wir 
das  material  mit  rücksicht  auf  die  quantitäten,  so  ist  als 
isoliertes,  dem  verdachte  analogischer  beeinflussung  nicht  aus- 
gesetztes beispiel  am  ehesten  gerade  angl.  milcum,  ws.  meolciim 
zu  betrachten.  Wäre  hier  das  i  bis  in  die  urengl.  umlautszeit 
bewahrt  geblieben,  so  hätte  es  in  ^'meluhumi  mindestens  das  u 
der  voraufgehenden  silbe  umgelautet,  und  diese  wäre  über 
-ym,  -im  zu  -em  geworden.  In  der  flexion  des  singulare  tantum 
wäre  angl.  *mücem,  ws.  ^'meolcem  nicht  auffälliger  gewesen  als 
das  belegte  -um,  wäre  also  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ebenso 
wie  dieses  beibehalten  worden.')    Ganz  gleich  behandelt  mit 


')  Bekanntlich  ist  eine  endung  -em  im  ae.  tatsächlich  belegt  (Sievers, 
Ags.  gr.3  §293,  anm.  2);  Schlüsse  auf  die  apokope  lassen  sich  aus  mmem, 
pissem  etc.  nicht  ziehen,  da  pclm  und  hwtem  aus  *pami,  'hwaimi  daneben 


58  WEYHK 

mcolcum  ist  min  eine  andere,  siclier  lantgrsetzliclie  bildung-, 
der  alte  ^en.  und  dat.  sg-.  der  .v-stäninie  (Sievers,  Ags.  ^v? 
§  289);  da  bei  den  .v-stänimen  mit  teihveis  erlialtenem  r  der 
flectierten  casus  die  langsilbigen  in  der  melirzalil  sind,  bat  der 
gen.  sg.  angl.  aüfur  aus  ^kalditzez,  die  dative  wie  düÄor,  halor, 
hrödor  aus  '^UtösU^i  offenbar  als  lautgesetzlicb  zu  gelten,  wäli- 
rend  der  einzige  kurzsilbige  dat.  si^or  (dazu  auch  sulorc  für 
älteres  *salor)  ausser  betracht  bleiben  muss  (vgl.  hierzu  unten 
den  abschnitt  E):  danach  ist  in  *mclnkumi  wie  in  ^äösuzi  das 
i  allerdings  schon  vor  der  ae.  umlautszeit  geschwunden.  Der 
parallelisnius  der  bildungen  springt  ins  äuge;  in  einem  falle 
geht  dem  endungs-/  länge  +  kürze  (_^^|2),  im  andern  falle 
zwei  küren  +  kürze  {^^^\i)  voraus:  zwei  kürzen  dürften 
hier  ebenso  gleich  einer  länge  gewirkt  haben  wie  in  dem 
späteren  rcccd  aus  *rccidu  gleich  word  aus  *icordii. 

In  den  für  /-Schwund  dritter  silbe  vor  der  umlautszeit 
geltend  gemachten  fällen  stehen  mm  überall  die  folgen  -^\i 
(bez.  v^wv^  I /)  neben  ^^\i.  Schwund  vor  ae.  umlautszeit  an- 
zunehmen ist  nach  dögor,  mcolcum  für  die  erste  kategorie  un- 
bedenklich. So  werden  dat.  pl.  föiiun,  nom.  pl.  hnnfan  u.  s.  w. 
lautgesetzlich  entstanden  sein,  und  in  der  tat  weisen  die  alten 
wgerm*  dat.  pl.  mit  /-Schwund  in  dritter  silbe  (Valrinis  und 
Ajlinis]  dazu  Saitchanüms)  lange  erste  silbe  auf.  Dasselbe 
wird   nach   massgabe  von   nom.  pl.  nwnaö  'monate',   nrgerm. 

*mmöpcz,  auch  für  die  folge |/  gelten  (bei  erhalt ung  des  i 

wäre  *mönc(!f  zu  erwarten,  vgl.  hofrede  aus  -ödi,  Sievers,  Zum 
ags.  voc.  s.  19),  so  dass  auch  3.  pl.  liclpad  'sie  helfen'  aus 
"^hclpouj)!  lautgesetzlich  ist,  während  bei  der  folge  ^-\i  der 
dat.  sg.,  nom.  acc.  pl.  ws.  pcnd,  fricnd  für  erhaltung  des  -i 
wenigstens  bis  ins  urengl.  hinein  ins  gewicht  füllt.') 

stehen.  Ebensowenig  ist  der  ae.  instr.  sg.  (vt  Mafdum  verwertbar,  d.i  ein 
etwaiges  *hcafdem  stark  der  lunbildung  nach  dem  opposituin  cct  fötum  aus- 
gesetzt war,  das  in  eine  andere  kategorie  gehört. 

')  Für  erhaltnntr  bis  ins  urengl.  liiiu'iii.  kaum  dagegen  für  orlialtung 
bis  über  die  t-umlautszcit  liinaus.  Iteiin  die  annähme  scheint  unuingiing- 
lich,  dass  diese  beiden  ursprünglich  zweisilltigen  consonantischen  stamme 
(wgerm.  *fi-and-  [-Und-]  und  *fn-iind-  {-ond-],  s.  van  Helten,  Beitr.  15,  467  f.) 
schon  frühzeitig  durch  eintritt  von  contraction  einsill)ig  geworden  sind, 
wodurch  urengl.  ^f'nind-  u.  s.  w.  entstand,  vgl.  die  ausführungen  Bülbrings, 
Anglia,  Beibl.  9, 106.    Die  contraction  des  erst  im  Avgerm.  aus  urgerm.  -y- 


ZUR   WESTGERM.   GRAMMATIK.  59 

Wie  aber  ist  die  folge  ^w|^  lantg-esetzlicli  belianclelt? 
Formen  wie  nom.  pl.  hanan,  dat.  pl.  hofum  können  für  auf- 
stellung  einer  regel  nicht  in  frage  kommen,  da  in  diesen  die 
verschiedensten  bildungen  umfassenden  kategorien  der  tj'pus 
steorran,  nafolan  oder  u'ordum,  reccdum  (ganz  abgesehen  von 
formen  wie  nietnum  aus  *nautfmimü)  verallgemeinert  sein 
kann.  Dagegen  haben  wir  nun  eine  anzalil  consonantischer 
stamme,  die  solchem  verdachte  nicht  ausgesetzt  sind.  Die 
vier  Stämme  "^alujh  'hier',  ^magal)-  'Jungfrau',  "^hali])-  jup-  ^mann, 
held'')  und  */;/<?/«/.•- 'milch'  weisen  in  den  betreffenden  formen 
sämmtlich  die  folge  ^■^\i  auf;  ihnen  steht  nur  das  eine  '^mcuöj)- 

'mond,  monat'  mit \i  gegenüber,  und  da  ferner  der  gedanke 

an  einwirkung  der  einsilbig  langsilbigen  wie  ae.  hoc,  hcc  auf 
so  einzigartige  Paradigmata  wie  calu,  caloä  u.s.w.  (vgl.  unten) 
für  ausgeschlossen  gelten  kann,  sollten  wir,  wenn  irgendwo, 
in  diesen  singulären  bildungen  spuren  des  lautgesetzlichen  zu 
finden  erwarten.    Hat  aber  der  parallelismus  von  *mdu-lcwn{i) 


hervorgegangenen  -t-  mit  dem  folgenden  velarvocal  ist  nach  ausweis  von 
ahd.  fiant  und  genossen  erst  einzchlialektisch  und  gewis  mit  recht  von 
Eülbring  in  das  frühe  urengl.  verlegt.  Und  da  ein  in  späterer  zeit  auf  ws. 
boden  eingetretener  analogischer  umlaut  des  dat.  sg.,  nom.  acc.  pl.  von  ur- 
engl. nom.  *fmnd  sehr  uuAvahrscheinlich  ist  —  man  sieht  die  muster  nicht, 
denn  das  einzige  göddönd,  pl.  göddcnd  (Sievers,  Ags.  gr.^  §  28ö)  kann  kaum 
in  hetracht  kommen  ■ — ,  wird  tatsächlich  eine  entwicklung  von  iirgerm. 
dat.  *fijondi  über  wgerm.  '■'fi-andi  zu  urengl.  ^-'fiundi  anzunehmen  sein; 
*fitmdi  fiel  nun  mit  einsilbig-langsilhigeu  wie  dat.  "^böki  gleich  ae.  bec  zu- 
sammen und  bewahrte  wie  diese  sein  -i  bis  zu  der  Wirkung  des  umlauts. 
Als  chronologische  Schlussfolgerung  würde  sich  daraus  ergeben,  dass  bei 
ungestörter  lautlicher  entwicklung  auch  formen  wie  3.  pl.  beraÖ  -<  wgerm. 
*heranpi  ■<  urgerra.  *bero)ipi,  mit  urgerm.  kurzer  erster  silbe  (zweifelhaft 
dagegen,  ob  auch  solche  wie  JieJpaö  aus  u)'germ.  *]idponpi  oder  pl.  mönaö 
aus  urgerm.  ^maidpcz,  mit  urgerm.  langer  erster  silbe)  ihr  -i  bis  in  die 
zeit  jener  frühurengl.  contractiou  bewahren  mussten  und  erst  zwischen 
dieser  zeit  und  der  periode  des  j-umlauts  apokope  erfuhren. 

1)  Einen  nom.  *halep  setzte  Platt,  Beitr.  9,  368  au  (-?_/)  mit  dehnstufe 
des  nom.,  M"ie  er  auch  ae.  ealo  von  *alrip  ableitete),  andere  gelehrte  (z.  b. 
Kluge,  Et.  wb.'^  s.  Jiehl  und  Pauls  Grundr.  1^,  -1:22)  giengen  dann  auch  für 
die  obliquen  casus  des  ae.  Avortes  Ünvleö,  -a,  -um)  von  *Jicdrp-  aus,  um  das 
CB  der  tonsilbe  zu  erklären :  entbehrlicherweise,  da  wie  Sievers  gezeigt  hat, 
die  im  germ.  tatsächlich  belegten  ablautsformen  '^halup,  *hahp  {-ip  im 
ae.  bezeugt  durch  hdibum  Leid,  räts.,  worauf  Dieter,  Jahresber.  20,  196 
aufmerksam  machte)  zur  erklärung  genügen ;  vgl.  auch  unten. 


60  WEYIIE 

iiiul  *fTö-xu^(i)  einerseits,  von  ae.  rccc(l{(t)  nud  i(ord(i()  gegen 
falu  andrerseits  iiberliaupt  irgendwelche  beweiskraft,  so  kann 
man  im  liinblick  anf  gen.  dat.  sg.  höc  aus  *Mlcez,  *böJci  neben 
hnytc  aus  *hnutc2,  Vinnti,  über  die  theoretische  construction 
der  Weiterentwicklung  von  gen.  ^meluhez,  dat.  *meliiki  nicht 
im  zweifei  sein:  man  wird  annehmen,  dass  nach  zwei  kürzen 
so  gut  wie  nach  einer  länge  das  (im  dat.  urgerm.,  im  gen. 
aus  urgerm.  -ez  entstandene)  i  bis  über  die  zeit  des  nrengl. 
Umlauts  erhalten  blieb  und  erst  dem  gleichen  apokopierungs- 
gesetz  zum  opfer  gefallen  ist,  das  aus  urgerm.  *anstü,  ae. 
wsf,  est  hervorgehen  Hess.  Die  urgerm.  flexion  von  *mchik 
wäre  dann  im  urengl.  in  folgender  weise  erhalten  geblieben: 
nom.  *meluJi,  gen.  dat.  ^meJulii,  instr.  ^mehihim,  acc.  *meh(lH. 

Hier  steht  h3i)othese  gegen  hypothese.  Wie  gesagt,  be- 
ruht jene  annähme  durchgängigen,  schon  vor  der  urengl. 
umlautszeit  eingetretenen  2 -Schwundes  in  dritter  silbe  auf 
Schlüssen,  die  lediglich  aus  der  lautgestalt  der  voraufgehenden 
Silben  gezogen  sind  (vgl.  z.  b.  auch  Kluge,  Pauls  Grundr.  1-,418: 
'urgerm.  aluj),  halcp,  menüj)  als  locat.  sg.  zu  den  consonant. 
Stämmen  alujj-,  hcdejj-,  menöj)-  [umlautslose  dat.  sg.  ae.  eahö, 
mUnad]  anzusetzen  ist  möglich').  Haben  wir  dagegen  aus- 
sieht, mit  unsrer  annähme  gerade  sonst  unerklärliche  besonder- 
heiten  im  vocalismus  der  vordersilben  begreiflich  zu  machen, 
so  dürfte  die  innere  Wahrscheinlichkeit  des  ergebnisses  zugleich 
für  die  richtigkeit  der  prämissen  zeugen. 

Welche  Wandlungen  musste  im  laufe  der  engl.  Sprachent- 
wicklung eine  form  "^meluJci  erfahren?  Hier  zeigt  Sievers  den 
weg,  der  ja  durch  den  nachweis  weitgehender  Scheidung  von 
etymol.  eu  und  iu  jeglicher  herkunft  innerhalb  der  ae.  dialekte 
(Beitr.  18,  411.  Zum  ags.  voc.  s.  26f.)  eine  genaue  vergleichung 
des  ae.  materials  mit  dem  der  anderen  germ.  sprachen  in  fragen 
wie  der  vorliegenden  überhaupt  erst  ermöglicht  hat.  Zum  ags. 
voc.  s.  32  bespricht  dieser  gelehrte  die  angl.  nachkommen  von 
urgerm.  *sehun  'sieben'.  Er  constatiert,  dass  der  (nord-)north. 
dialekt  von  Li.  mit  seinem  scofo  constant  e- vocalismus,  der 
(süd-)  north,  dialekt  von  R'^  mit  seinem  siofo  (vgl.  auch  sifu 
in  der  copie  eines  dem  anfang  des  8.  jh.'s  angehörenden  north. 
Originals  bei  Napier,  OE.  gU.  iio.  54)  und  der  merc.  von  Ep.  Cp. 
mit  S2Z<!(w- constant  i- vocalismus  aufAveisen.  'Die  erklärung  liegt 


ZUR  WESTÖERM.   GRAMMATIK.  61 

auf  der  liaud.  Zu  gründe  liegt  offenbar  ein  alter  weclisel 
*sedun-  :  *sidin-  (ansgegiiclien  zu  "^sehun-  :  *sidun-  =  ags.  scofini 
:  siofun),  sei  es  nun  dass  dieser  auf  eine  art  secundärer  suffix- 
abstufung  zurückgeht,  oder  etwa  mit  dem  Wechsel  unflectierter 
und  flectierter  form  {*sediin,  flectiert  *sidim)  zusammenhängt,' 

Unter  den  beiden  hier  zur  wähl  gestellten  erklärungs- 
müglichkeiten  für  ^sidin-  wird  man  von  vornherein  geneigt 
sein,  diejenige  vorzuziehen,  die  nicht  auf  secundären  suffix- 
wechsel  zurückzugreifen  braucht,  sondern  rein  lautliche  ent- 
wicklung  annimmt:  ^scbuni  zu  ^slljini.  Ist  ein  derartiger 
Übergang  im  ae.  an  sich  wahrscheinlich  und  durch  anderweitige 
belege  als  lautgesetzlich  erweisbar? 

Da  dürfte  denn  zuerst  sicher  sein,  dass  für  die  entstehung 
eines  ""siTjini  aus  ""seduni  der  gewöhnliche  regressive  i-umlaut 
nicht  in  frage  kommen  kann;  die  annähme  ist  so  gut  wie 
ausgeschlossen,  dass  das  end-i  allmählich  die  voraufgehenden 
consonanten  und  vocale  palatalisiert  hätte,  erst  "^sebyni,  dann 
mit  entrundung  *sedini  entstanden  und  daraus  etwa  zur  selben 
zeit  *sidmi  hervorgegangen  wäre,  wo  urengl.  ^fcedira  'patruus' 
(gleich  frühae.  fcedra  mit  sj^nkoi^e)  aus  *fa(Uria,  älterem  *fa- 
äyrm,  *faäurio  erwuchs.  Denn  die  entrundung  eines  derart 
entstandenen  ij  ist  innerhalb  des  urengl.  ein  so  junger  Vor- 
gang, dass  eine  von  solchem  /  ausgegangene  Wandlung  voraus- 
gehender e- laute  zu  i  auf  keinen  fall  mit  dem  alten,  wol  ur- 
wgerm.  (zum  hohen  alter  des  entsprechenden  Übergangs  in 
lehnworten  wie  ahd.  hirsa,  ae.  ciris-  s.  Pogatscher,  Lehnworte 
s.  78f.)  Wandel  in  fällen  wie  a.M.  ist  'er  ist'  aus  urgerm.  *e5^^ 
in  parallele  gestellt  werden  kann. 

Dagegen  ist  nun  schon  des  öfteren  bemerkt  worden,  dass 
auch  andre  wgerm.  dialekte  in  urgerm.  lautfolgen  der  art  von 
'^scdimi-  ein  auffälliges  i  an  erster  stelle  aufweisen;  man  hat 
daraus  auch  weitere  Schlüsse  gezogen.  So  setzt  Siebs,  Pauls 
Grundr.  12, 1197  als  wgerm.  flectierte  grundformen  für  die  afries. 
zahlworte  vier,  sieben  und  neun  *f}^uri-,  ^s'ibuni-,  *nisuni-  an, 
während  urgerm.  *fe^nri-  u.s.w.  galt,  und  Kluge  sagt  ebda. 
s.  488:  'das  i  des  ags.  nison,  ?^s.  ni(ßin  (Sitries.  nkigun)  erklärt 
sich  aus  einem  wgerm.  flectierten  nisuni  neben  nc$un!  Mag 
nun  das  wort  für  neun  vielleicht  als  unsicher  ausscheiden,  da 
das  s  erst  nach  der  entstehung  von  "^niimi  aus  ^neutii  auf- 


62  WEYIIE 

gekommen  sein  kann  (hierüber  zuletzt  iloltliansen.  Archiv  107, 
381),  so  Avird  die  hier  vertretene  aiift'assiing-  für  die  beiden  anderen 
zalilworte  dag;e,i;en  noch  durch  as.  sihioi  nel)en  sctun  gestützt, 
indem  mau  aucli  hier  das  i  lieber  mit  Bülbring,  Eß.  §  23G 
aus  *sidi(ni  ableiten,  als  es  mit  Kögel,  IF.  3,  280  für  ein  er- 
gebnis  satzunbetonter  Stellung  halten  wird  (für  die  annähme 
analogischer  Umgestaltung  von  "^'scdioii  zu  '^sihiini  neben  *setim 
nach  "^niiüii  neben  '^nciiu  bietet  weder  der  ae.  noch  der  as. 
formenbestand  einen  anhält). 

In  der  tat  würde  sich  nun  ein  Übergang  von  urgerm, 
*scbuni  in  urengl.,  urfries.,  uras.  *sifjum  olme  scliwierigkeit 
anderen  lautwandlungen  der  gleichen  dialekte  anscliliessen 
lassen.  ]\ran  braucht  nur  anzunehmen  —  und  diese  annähme 
hat  vermutlich  auch  die  bisherige  praxis  schon  bestimmt  — 
dass  in  der  lautfolge  c  +  silbisches  n  -\-  i  (oder  /)  das  e 
ebenso  und  wol  zu  gleicher  zeit  auf  das  niveau  der  folgenden 
yocale  gehoben  worden  w'äre  (vgl.  über  diesen  Vorgang  Sievers, 
Phonetik^  §  76G),  wie  in  der  folge  c  +  tautos3ilabisches  u  -\-  i: 
'"^scduni  zu  ""'sidimi  wie  *teiiJiis  'du  führst,  ziehst'  zu  '■tinhis.^) 
—  Wann  der  Übergang  von  cu  zu  iu  stattgefunden  hat,  ist 
nicht  ganz  sicher.  Darf  man  den  fränk.  namen  des  G. — 7.  jh.'s 
glauben  schenken,  die  für  urgerm.  cu  noch  cu  (eo)  haben 
(Braune,  Ahd.  gr.-  §  47,  anm.  1),  so  hat  er  erst  im  einzel leben 
der  wgerm.  dialekte  platz  gegriffen,  und  in  dieselbe  zeit,  also 
z.  b.  das  frühe  urengl.,  wäre  denn  auch  die  ev.  entstehung  von 
*sidu7ii  zu  verlegen. 


')  Dagegen  z.  b.  früliae.  steiq)(su)nt)  mit  eu  wie  feht{spysci)  mit  e—ti. 
Für  die  gleiche  bebandluug  vou  e  +  ii  +  i  und  eu  +  i  fehlt  es  im  geim. 
nicht  an  parallelen.  Urgerm.  ei  wird  zu  u  (später  7)  wie  e  +  i  zu  i  +  i: 
urgerm.  '^stei^ö  gleich  gr.  axit/u)  zu  *slii^ö  (später  *s/T^ö,  ahd.  stigu  'steige') 
wie  urgerm.  *ivell~  gleich  lat.  rchs  zu  *(r//L',  ahd.  wili  'du  willst';  oder, 
was  noch  näher  liegt,  ahd.  'fcltt  wird  zu  filu  'viel'  wie  ahd.  (obd.)  */eHp 
zu  liiq)  'lieb'.  In  *sebuni  wird  also  das  u  höhere  Zungenstellung  gehabt 
haben  als  in  *sil)un;  genauer  zu  untersuchen  bliebe,  üb  auch  im  ahd.  der 
Übergang  von  e  zu  /  vor  germ.  ;<  in  ursprünglich  dreisilbigen  Wörtern  von 
dem  vocalismus  der  dritten  silbe  abhängt  (ebur  aus  *ebura-  gegen  bibar 
aus  *bebru,  sicehur  aus  *swehura-  [vgl.  frühae.  pl.  suehoras']  gegen  swigar 
aus  *sice^^)u  etc.?),  vgl.  den  o-umlaut  von  unsilb.  u  in  htotan  ans  *bni(lan, 
auch  in  halo  aus  *baloa-,  genii.  ^f'uhui-,  Jellinek,  Zs.  fda.  36,  2G8.  Sievers, 
Phonetik  a.  a.  o. 


ZUE   WESTGEUM.   GEAMMATIK.  63 

Sehen  wir  uns  nun  nach  etwaigen  weiteren  heispielen  für 
diese  lautentwicldung  um,  so  bleibt  zu  berücksichtigen,  dass 
die  urgerm.  hiutfolge  c — u — /  an  sich  nicht  häufig  ist;  andrer- 
seits zeigt  sclion  das  paar  urgerm.  *sedun,  *scluni,  dass  nicht 
in  allen  et3'mologisch  zusammengehörigen  formen  auf  e — u 
noch  ein  i  folgte.  Wir  können  daher  nur  auf  wenige  beispiele, 
und  müssen  auch  bei  diesen  auf  manche  Störungen  rechnen. 
So  hätte  ja  urengl.  '-^siduni  bei  lautgesetzlicher  entwicklung 
nach  der  zeit  des  /-umlauts  zu  dem  von  Sievers  vorausgesetzten 
*sidini  führen  müssen.  Dieses  ist  nirgends  belegt,  und  das 
überlieferte  material  verrät  nicht,  ob  ein  '^sidinl  unter  dem 
einfluss  der  untlectierten  form  zu  *sil)uni  rückgebildet  ist  oder 
ob  die  unflectierte  form  das  eintreten  des  umlauts  in  der  flec- 
tierten  überhaupt  verhindert  hat. 

Als  nicht  ganz  sicheres  beispiel  aus  dem  as.  und  afries. 
sei  Hei.  M  4918.  4928.  5265  fiteriun  gegen  C  fdcron,  dazu  das 
denominativum  afries.  fiieria  genannt:  as.  afries.  '^'fituria-  neben 
*fetura-,  vgl.  aisl.  ßgiurr,  ae.  fe{o)tor\  nicht  ganz  sicher  wegen 
des  überlieferten  as.  e  als  mittelvocal  (das  e  von  afries.  fderia 
kann  i-umlaut  von  «  sein;  vgl.  afries.  federia,  fidiria  gleich 
ae.  fcedra,  ahd.  faturco,  aind.  piiyvija-)^  das  jedoch  bei  fiteriun 
ebenso  auffällig  wäre,  wollte  man  von  urgerui.  "^fdcra-  neben 
^fetiria-,  "^fitiria-  ausgehen.  Aus  *fetaria-  ist  fiteriun  ohne 
annähme  secundären  suffixwechsels  nicht  ableitbar. 

Im  ae.  kann  midmesi  aus  urgerm,  *meäu7nista-  neben  ae. 
one{o)duma  u.s.  w.  für  ebenso  lautgesetzlich  gelten  wie  lcei(e)- 
mest  aus  ^latiumstu-\  ein  lautgesetz  könnte  man  auf  keins  von 
beiden  bauen,  da  Icet  und  midd  (urindog.  ^medhio-)  daneben 
stehen;  vgl.  ahd.  mlttamo,  dessen  tt  mindestens  aus  mitti  stammt, 
Paul,  Beitr.  6,  201,  anm.  1. 

Sicher  dürfte  dagegen  der  folgende  fall  sein.  A.&.  frido, 
synonymum  von  ^~i fernes,  z.  b.  slo  ofermiclo  friclo  'übermässige 
essgier',  ist  durch  synkope  aus  "^fridlu  entstanden,  vgl.  Beitr. 
30, 121.  Es  stellt  ein  adjectivabstract  dar  von  der  art  von 
ahd.  ubarclicdi  'übermass  im  essen',  uhartrunchaU  'übermass 
im  trinken',  und  das  alter  des  in  der  gewöhnlichen  spräche 
vermutlich  häufigen  Wortes  geht  schon  daraus  hervor,  dass  es 
seiner  bildung  nach  im  ae.  allein  zu  stehen  scheint.  Wie  ahd. 
uharchali  einem  ae.  oferetol  entspricht,  setzt  nun  "^fricilu  ent- 


64  WEYHE 

weder  ein  *frccul  voraus,  das  seinerseits  Weiterbildung  zu  ae. 
free  'begelirlicli,  gefrässig',  alid.  frech,  aisl.  freier  ist  wie  ae. 
])iccoJ,  ]>ijnno]  zu  ])>cce  und  J>i/>nie,  oder  "^freluhn-  ist  früh  nach 
anderen  mustern  unmittelbar  zu  *frela-  gebildet  worden.  Die 
annähme  eines  ui'sprüngliclien  "^f'rikil-  ist  hingegen  dadurch 
ausgeschlossen,  dass  adjectiva  auf  -il  im  germ.  nicht  productiv 
sind  (Kluge,  Nom.  st.^  §  190;  über  eine  secundäre  Verwendung 
im  an.  —  genyilhc'ma  im  ersten  compositionsglied  gegen  ggmjuU 
—  Hj.  Falk,  Beitr.  14,  40;  über  ascliw.  gönicl  und  athnggil 
Karsten,  Nominalbildning  2, 97).  Entwicklungsgang  also:  wgei-m. 
*fyelidin-,  im  früh-urengl.  *fril:nh-,  im  spät-urengl.  mit  umlaut 
*frilil-,  erst  in  bist,  zeit  mit  sj^nkope  frido.  —  Das  /  von 
spätnorth.  fric  'vorax'  Li.  Mt.  11,  19  statt  sonstigem  ae.  free 
beruht  offenbar  erst  auf  secundärer  Übertragung  gerade  aus 
formen  wie  friclo,  wo  es  lautgesetzlich  war. 

Nur  auf  dem  hintergrunde  des  gleichen  frühen  lautwandels 
vermag  ich  ferner  die  ae.  und  afries.  formen  des  Wortes  für 
Silber  zu  verstehen.  Der  stammvocal  dieses  Wortes  geht  in 
ae.  texten,  die  etj'uiol.  eu  und  in  scheiden  (Sievers  a.  a.  o.),  teils 
auf  altes  e,  teils  auf  i  zurück.  In  dem  north,  dialekte  von 
Li.  herscht  c:  sculfrcs  J.  P.  188,9.  P.  188,10  (nicht  beweisend 
suHfre  J.  P.  188,  5,  sulfre  Mt.  10,  9);  ebenso  in  dem  zugehörigen 
stoffadjectiv  seol ferne  Mt.  I  22.  5.  Desgleichen  im  Eit.:  scolfre 
24, 18,  seol f eres  81, 17  (nicht  beweisend  auch  hier  formen  wie 
sulfcre  4,  3,  sidfer  hl,  9).  Ebenso  durchgehend  bieten  dagegen 
im  WS.  die  übereinstimmenden  belege  der  hss.  C  und  H  der 
CP.  io :  siolofrcs  268, 4  =  siolufres  269,  4,  siolfor  368,  13  = 
siolfer  369, 13.  Derselbe  Wechsel  kehrt  im  fries.  wider.  Nach 
Siebs,  Pauls  Grundr.  1-.  1196  weist  das  wort  hier  formen  mit  e 
und  mit  i  gleichfalls  in  dialektischer  Scheidung  auf,  von  denen 
die  mit  e  (selover,  selver,  selvir)  auch  afries.  belegt  sind. 

Die  et3'mologie  des  Wortes,  das  seinem  baue  nach  in  ae. 
heolfor,  helabr  eine  parallele  hat,  ist  bekanntlich  leider  dunkel, 
annähme  von  entlehnung  aus  anderen  iiidog.  oder  nicht  indog. 
sprachen  unsicher;  eine  aufkliirung  über  den  ursprünglichen 
tonvocal  fehlt  also  vorläufig  von  dieser  seite.  Aber  die  engl.- 
fries.  formen  scheinen  mir  doch  einen  genügenden  anhält  zur 
beurteilung  zu  bieten.  Der  t-vocalismus  kann  nicht  zufällig 
iu  den  beiden  schwestersprachen  widerkehren;  dem  ausätze  von 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK.  65 

ursprünglicliem  /  stellt  er  ein  kaum  zu  überwindendes  liindernis 
entgegen. 

Die  north,  formen  mit  eo,  eu  hat  Luick,  Archiv  107,  415, 
anm.  1  durch  die  annähme  'umgekehrter  Schreibung'  aus  dem 
wege  zu  räumen  gesucht  (geschriebenes  seolfre  statt  gespro- 
chenem sulfre,  wie  seolf  'selbst'  neben  sulfne  stand);  aber  der 
Urheber  dieser  gewis  geistreichen  Vermutung  wird  sie  sicher 
selbst  nur  als  notbehelf  ansehen:  notbehelf  schon  deswegen, 
weil  die  Schreibung  eben  gleicher  weise  in  zwei  verschiedenen 
texten  und  in  mehreren  belegen  auftritt,  i)  Dass  im  ae.,  wo  i 
selbst  durch  folgendes  a  unbeeinflusst  blieb  (vgl.  Sievers,  Zum 
ags.  voc.  s.  33),  das  e  aus  einem  von  u,  o  gefolgten  i  entstanden 
wäre,  ist  natürlich  ausgeschlossen.  Ebensowenig  aber  kann 
man,  so  viel  ich  sehe,  auf  diesem  wege  mit  afries.  selover 
fertig  werden.  Auch  im  afries.  wird  natürlich  ein  i  vor  u 
nicht  zu  e  (ein  vereinzeltes  to  hiselceriane,  van  Helten,  Aofries. 
gr.  §  10,  ist  ohne  gewicht),  wie  es  ja  denn  in  dem  ältesten 
afries.  texte,  der  allein  noch  unsynkopiertes  selover  bietet,  stets 
siliur,  sikurade  etc.  heisst.  Nun  steht  allerdings  in  selover 
kein  u,  sondern  o,  und  es  scheint  fast,  als  hätten  van  Helten 
und  Siebs  a.a.o.  ihre  annähme  eines  Übergangs  von  i  zu  e 
auch  vor  o  einzig  auf  selover  gebaut  {fretho  kann  wegen  des 
daneben  stehenden  fretJia  nicht  in  betracht  kommen).  Aber 
auch  dieser  ausweg  ist  abgeschnitten:  seit  Axel  Kocks  schöner 
und  überraschender  entdeckung  (Beitr.  29,  179  f.)  wissen  wir, 
dass  die  entstehung  dieses  o  umgekehrt  das  Vorhandensein  des 
e  bereits  voraussetzt,  dass  das  auch  etymologisch  ja  auf  u 
zurückgehende  o  von  selover  erst  durch  junge  Wirkung  der 
vocalharmonie  aus  ^selnver  entstanden  ist  (ebda.  s.  184.  191  f.). 

So  scheint  mir  in  der  tat  nichts  anderes  übrig  zu  bleiben, 
als  für  das  afries.  wie  für  das  ae.  und  das  germ.  überhaupt  e 
als  den  ursprünglichen  laut  gelten  zu  lassen,  der  durch  das  i 
von  got.  siliihr,  aonfrk.  silver,  ahd.  süabar,  silihar  (mit  assi- 
milierung des  M  teils  an  das  svarabhakti-a,  teils  und  seltener 
an  das  i  der  ersten  silbe)  lautgesetzlich  vertreten  wird.  Gleich- 


*)  Auch  daran  darf  erinnert  werden,  dass  nach  den  glossaren  von  Cook 
nnd  Lindelüf  in  Li.  hei  seolf  nur  ein  einziges  sulfne  mit  u  gegen  95  formen 
mit  eo,  im  Rit.  hier  aber  überhaupt  keine  «-form  belegt  ist. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXI.  k 


OG  ■vrEYiiE 

falls  e-vocalisnuis  nimmt,  ohne  niiliere  begründiiiic:,  übrigens 
auch  V.  (irienberger  an  in  seiner  etymologischen  deutung, 
Unters,  z.  got.  wortkunde  s.  180. 

Der  Avechsel  von  Li.  senlfrcs  und  CP.  siolofrcs  wird  nicht 
anders  zu  ei'klären  sein  als  der  von  Li.  scofo  und  Ep.  sibun-, 
von  and.  scdioi  neben  sidim.  Neben  urgerni.  ^seluTjra-  stand  das 
stofl'adjectiv  *seli(hylna-,  vgl.  got.  siluhr,  siluhreins,  ahd.  silahar, 
süherln,  and.  sihitar,  siludrin,  ae.  scolfor,  sylfrcn,  afries.  sclvir, 
selvirn]  ausserdem  gab  es  andere  ableitungen  mit  2- haltigem 
Suffix,  wie  ae.  syJfrin^,  ahd.  süaharlinij  'silberling'  oder  das 
denominativum  'versilbern',  vgl.  ahd.  iihersilhcrtiu,  (jcsilhetiun, 
ae.  hesißfran,  aonfrk.  fcrsilucnkro.  So  mussten  nach  lautgesetz- 
licher entAvicklung  in  den  wgerm.  dialekten  nebeneinander 
stehen  *seliibrn-,  *süudrma-  '^{bi-)siliidnan,  *silutjringa-.  Der 
Wechsel  des  stammvocals  je  nach  dem  vocale  der  dritten  silbe 
und  ohne  merkbare  tangierung  des  mittelvocals  war  jedoch 
etwas  derart  singuläres,  dass  sich  ein  gefühl  für  den  Zusammen- 
hang des  lautAvechsels  mit  der  functionellen  Verschiedenheit 
nicht  herauszubilden  vermochte;  *scludra-,  *siluVrina-  konnte 
unmöglich  als  auf  einer  linie  stehend  mif  '■•-^oljui-,  *giilj)hia- 
'gold,  gülden',  *crpU;  ^irjnna-  'erde,  irden'  empfunden  werden. 
Wie  bei  *stl>iin,  *sidimi  entledigte  sich  die  spräche  des  an- 
scheinend willkürlichen  wechseis,  indem  sie  eine  der  beiden 
vocalstufen  durchführte;  sie  konnte  das  um  so  leichter,  als 
auch  von  anderen  Stoffbezeichnungen  adjectiva  auf  -Ina-  ohne 
Veränderung  des  stammvocals  gebildet  wurden  wie  ae.  stocccn, 
siveflen  zu  siocc,  sivefl  (Sievers,  Beitr.  27,  208),  ahd.  crdln,  fcllln 
zu  erda,  feil  (Braune,  Ahd.  gr.2  §  30,  anm.  1),  derart,  dass  auch 
hier  subst.  und  adj.  im  vocalismus  vollkommen  übereinstimmten. 

Die  ausgleichungen  vollzogen  sich  in  verschiedener  weise. 
Das  and.  des  Hei.  verallgemeinerte  die  /-formen:  sihtdar  wie 
sihtyin.  Ueber  die  Scheidung  von  c  und  i  je  nach  den  dia- 
lekten im  fries.  s.  Siebs  a.a.O.;  mit  afries.  scluir  stimmt  das 
adj.  scluirn  im  vocalismus  überein. 

Im  ae.  wären  nach  eintritt  des  /-umlauts  und  vur  eintritt 
der  synkopierungen  nach  kurzer  silbe  und  des  «-umlauts,  als 
ideale  fortsetzungen  der  alten  formen  zu  erwarten  subst.  *seh(dr, 
adj.  *silidym,  denom.  *silibr{i)an.  Dass  im  north,  dialekte  von 
Eit.  und  Li.  die  e-stufe  erhalten  blieb,  zeigen  die  angeführten 


ZUR    WESTGEEM.  GRAMMATIK.  6l 

belege;  entsprechend  das  ^dj.  scolfern  wie  afries.  5e?i??Vn. <)  Im 
merc.  des  VPs.  scheint  umgekehrt  die  i- stufe  durchgeführt. 
Der  gegensatz  von  VPs.  seolfur,  seolfrcs,  seoJfre  und  hcsifrede 
(67, 14)  wird  am  ehesten  verständlich,  wenn  man  von  ^silut»; 
*bisüidr{i)an  ausgeht;  das  unvollständig  überlieferte  hesifrede 
ist  sicher  als  hesilfrcde  zu  nehmen.  Dazu  würde  stimmen,  dass 
in  dem  von  R'  repräsentierten  merc.  dialekte  die  stufe  *silidr 
auch  ins  nomen  übertragen  zu  sein  scheint:  das  y  von  sylfiir 
10,9  kann  mindestens  auf  i  zurückgehen,  vgl.  ryft  'mantel' 
27,  28  etc. 

Wider  anders  verlief  die  entwickluug  im  ws.  Das  für  die 
ur-Cura  anzusetzende  siolofr,  siolfor  hat  in  dem  seolfrcs,  seolfre 
des  Or.  seine  reguläre  fortsetzung,  und  scolfor  ist  auch  die 
normalform  des  späteren  ws.  Adj.  und  denom.  fehlen  in  CP., 
im  späteren  ws.  finden  wir  als  normalform  sylfrcn,  sylfrms. 
Für  die  erklärung  dieses  y  nun  dürfte  es  bedeutungslos  sein, 
dass  der  Or.  formen  mit  mittelvocal  wie  ofersylefrcdan  138,  31, 
ofersylcfrcde  146,  23  neben  sijlfrene  216,  2  bietet;  das  sind  gegen- 
über der  schon  in  CP.  belegten  sj-nkope  des  u  doch  wol  reine 
Schrift  formen.  Man  wird  für  sylfrcn  kaum  von  "^silidrln  aus- 
zugehen brauchen,  derart,  dass  das  y  des  Or.  auf  i  zurück- 
gienge  wie  in  den  aws.  belegten  synrceden  oder  symle  (Cosijn, 
Aws.  gr.  1  §  35,5);  im  Süden  formen  zu  finden,  die  wie  diese 
eine  lautlich  vollkommen  ungestörte  entwicklung  aufwiesen, 
dürfte  schwer  fallen,  es  käme  wol  nur  gelegentliches  silcen 
(z.  b.  silicen)  Napier,  OE.  gll.  1,  462,  silcen[re)  Zs.  fda.  9,  417,  37) 
aus  *silicin  neben  ^siluc,  scoloc  und  angelehntem  seolocen,  seolcen 
in  betracht.  Dagegen  kann  z.  b.  die  beurteilung  eines  y  nicht 
zweifelhaft  sein,  das  dem  stammvocal  von  sylfrcn  conform  sich 
in  dem  stoffadjectiv  hyrten  zu  heorot,  heort  'hirsch'  findet  (Gen. 
liyrtcncs  Ijchdm.  1,  216, 15  H  gegen  heortenes  der  übrigen  hss.). 
Wie  die  in  sämmtlichen  dialekten  belegten  alten  formen  zeigen 
(vgl.  Jordan,  Die  ae.  säugetiernamen  s.  183  f.),  ist  im  ae.  bei 
dem  stamme  Vieruia-  eine  form  ohne  mittelvocal,  wie  man  sie 
für  ahd.  hir^  voraussetzt,  nicht  vorhanden,  eine  zurückführung 


1)  Die  runeninschrift  des  bleirings  von  Coquet  Island,  Nortlmmberlaud 
(OET.  s.  128)  ist  nicht  verwertbar ;  ob  etwa  in  andern  north,  dialektgebieten 
die  «-stufe  verallgemeinert  war,  vgl.  R^  siofo  gegen  Li.  seofo,  ist  vom  ae. 
aus  nicht  zu  entscheiden. 

5* 


G8  WEYIIK 

von  hyrtcn  auf  *hicr(cn  mit  brecliuiifr  daher  unmöglieli.  Andrer- 
seits ist  es  bei  der  Seltenheit  des  adjectivs,  für  das  auch  Jordan 
nur  den  einzigen  angeführten  beleg  beil)ringen  kann,  so  gut 
wie  ausgeschlossen,  dass  altes  *hiruHn,  *hir{})tm  sich  erhalten 
hätte;  das  durchs  subst.  rückgebildete  oder  erhaltene  *herutln 
liegt  in  heortcn  vor.  So  kann  hyrten  sein  y  nur  auf  analogi- 
schem wege  erhalten  haben,  derart  dass  nach  der  sjiikope 
von  heorot  zu  hcort  auf  grund  anderer  muster  ein  hyrtcn  neu- 
geschaffen wurde,  wie  etwa  neben  hcorte  'herz'  das  verbum 
hyrtan  stand;  lautlich  war  ja  brechungs-ro  mit  dem  durch 
?<-umlaut  entstandenen  vollkommen  identisch,  vgl.  dass  in  der 
Lsceböc  htorotcs  'des  hirsches'  neben  hcortes  (Lchdm.  2, 120,  26. 
282, 1),  ebenso  aber  auch  lustiger  weise  heorotccc,  Morotece 
'herzweh'  (60, 11. 14)  neben  hcortece  steht.  So  wird  man  denn 
auch  am  einfachsten  ws.  sylfrcn,  hesylfran,  sylfrinj  als  neu- 
bildungen  zu  s^'ukopiertem  scolfor,  ihr  y  als  normalen  (ana- 
lugischen)  umlaut  zu  co  auffassen;  wenn  das  y  schon  im  Or. 
erscheint,  so  sind  auch  aws,  schon  formen  wie  syhd,  üsyldan 
belegt  (Cosijn  a.  a.o.).i) 

Während  nun  bei  seolfor  die  etymologie  im  Stiche  lässt, 
steht  für  ein  anderes  ae.  wort  die  urgerm.  lautfolge  e—u — i 
etymologisch  fest.  Got.  fairgani  'berg'  hat  nach  kelt.  {F)Er- 
cynia,  aisl.  Fjgryyn,  vgl.  lit.  Ferhinas,  ebenso  wie  der  ahd. 
wald-  und  gebirgsname  Viryunnia,  Viryuuna  altes  e  der  ersten 


^)  Gegen  den  hier  angenommenen  e-vocalismus  in  silbcr  scheint  das 
an.  silfr  (nicht  siolfr  mit  ?<-brecliung)  zu  streiten.  Für  annähme  eines  ab- 
lautenden *silibra-  wird  man  sich  bei  der  uukLaren  natur  des  suffixes  (falls 
es  überhaupt  eins  ist)  kaum  auf  ae.  helostr  neben  got.  huh'str,  ac.  heoloÖ- 
hehn,  ahd.  heloihelm  neben  as.  helidhchn,  an.  Jmh'dsJijalnir,  ac.  ^eloslr  neben 
^illistr  u.dgl.  berufen  dürfen.  Dagegen  scheint  es  unbedenklich,  an.  silfr 
als  lelunvort  aus  einem  ostgenn.,  ev.  auch  aus  einem  wgerm.  dialekte  auf- 
zufassen, in  dem  das  wort  i  besass.  Die  sache  ist  ja  den  nordleuten  sicher 
von  Süden  her  zugeführt;  silber  kommt  nach  Sophus  Müller,  Nord,  alter- 
tumskuude  1,4.jG  in  funden  aus  der  broncczeit  nur  in  Südeuropa  und  Asien 
vor  und  erscheint  im  norden  erst  (ebda.  2,  55  f.)  in  rümi.scher  zeit,  also  dem 
1.  bis  3.  nachchristl.  Jh.,  und  aus  dem  4.  jh.  kennen  wir  bereits  das  got. 
silubr,  dessen  i  weit  älter  sein  kann.  Zur  mögliclikeit  von  entlehiiung  aus 
dem  ostgerm.  vgl.  Thomsen  über  got.,  wahrscheinlich  gerade  in  die  ersten 
jhh.  uusrer  Zeitrechnung  fallende  entlelinungen  ins  finnische,  lieber  den 
einlhiss  der  germ.  sprachen  auf  die  finnisch -lappischen  s.  123  f.  Auch  aisl. 
järn  hat  man  bekanntlich  als  (kelt.)  lehuwort  aufgefasst. 


ZUR   WESTGERM.   GRAMMATIK.  69 

Silbe.  Seine  entsprecliung-  findet  sich  im  ae.  als  erstes  com- 
positionsglied  in  poesie  wie  prosa,  und  zAvar  erscheint  es  auf 
angl.  gebiet  in  der  ersten  hälfte  des  8.  jh.'s  als  firghi-  (Ep.  Ef. 
560  firgingactt,  Leid.  49  firsivgata,  vgl.  Ahd.  gll.  1,  496,  32  firy- 
sin^attam),  in  späteren  südlichen  hss.  als  firsen-  und  fyr^cn- 
(s.  Bosw.-Toller,  dazu  auch  firinssät,  fyren^ähwi,  fyregäte;  vgl. 
über  die  hier  vorliegenden  späten  Wandlungen  innerhalb  der 
zweiten  silbe  Jordan  a.a.o.  s.  142,  wo  auch  weitere  belege).  i) 
Bei  diesem  worte,  wo  altes  e  der  ersten  silbe  sicher  und  sufflx- 
ablaut  ausgeschlossen  ist,  werden  wir,  glaube  ich,  direct  zu 
der  annähme  genötigt,  urgerm.  *fersu)ii{-a,  -o)  sei  im  frühen 
urengl.  (oder  noch  früher,  s.  oben)  zu  ^firsuni-  geworden;  im 
angl.  führte  *ßrgimi-  nach  Wirkung  der  brechung  und  ebnung 
sowie  des  /-umlauts  {-yni,  entrundet  -hii)  zu  dem  überlieferten 
fir^in-,  im  ws.  entstand  aus  *firguni-  mit  brechung  des  ton- 
vocals  und  primärem  /-umlaut  des  «  vorerst  "^fiur^in-,  woraus 
dann  nach  eintritt  desselben  secundärumlauts,  der  z.  b.  das  (b 
von  cemergc  gleich  aisl.  emiyrja  hervorrief,  *fier^en-  erwuchs, 
die  grundform  der  überlieferten  späteren  firgen-,  fyrsen-. 
Wollte  man  dagegen  annehmen,  die  urengl.  form  hätte  noch 
wie  die  urgerm.  *ferjuni-  gelautet,  so  würde  man  frühangl. 
statt  firgin-  vielmehr  fergin-,  mit  ebnung  aus  *fcurgin-  erwarten, 
da  im  angl.  /-umlaut  von  brechungs-e«t  kaum  angenommen 
werden  kann,  vgl.  dass  das  angl.  keinen  /-umlant  des  tu  z.  b. 
in  iorre  'zornig'  kennt.  Im  ws.  aber  müsste  man  nach  mass- 
gabe  des  in  diesem  dialekte  bei  langem  eu  belegten  secundär- 
umlauts zu  lo,  späterem  eo  (z.  b.  "^'alijjeudig  >  elöiodig  >  el- 
deodig,  Sievers,  Zum  ags.  voc.  s.  45),  aws.  fiorjen-,  später  feorgen- 
antreffen,  statt  deren  eben  die  auf  "^fiergen-  zurückweisenden 
fyrgen-,  firgeu-  erscheinen.  — 

Kehren  wir  nunmehr  zu  *melnk-  zurück,  so  dürfen  wir 
jetzt  Avol  das  oben  als  wahrscheinlich  bezeichnete  frühurengl. 
paradigma  in  folgender  weise  modificieren:  nom.  "^meluk,  gen. 
dat.  miluki,  instr.  *melukum,  acc.  *meluku  (bez.  schon  *meluk, 
dem  nom.  gleich  gemacht),  und  diese  flexion  darf  ohne  bedenken 


1)  Als  unsicher  ausser  betracht  bleiben  muss  das  fernen  (fergenberig) 
des  Clermonter  runenkästchens ,  das  man  hierher  gezogen  hat;  ebenso  cet 
Feregenne  Birch  no.  1256. 


70  WEYllE 

auch  für  die  urzeit  der  übrij^en  wgonn.  dialekte  angenoiiinien 
werden.  Widerum  beginnt  auch  hier  das  mehrfacli  beobaclitete 
spiel  der  ausgU^ichunpen.  Im  afries.  ist  in  mclokon  das  c  be- 
wahrt. Das  im  as.  einzig  überlieferte  beispiel,  der  gen.  miliihis 
in  den  Prudentiusglossen  aus  AVerden  (endung  natürlich  neu- 
bildung),  zeigt  dagegen  mit  seinem  i,  für  dessen  entstehung 
bereits  Loewe,  KZ.  39, 317  die  müglichkeit  'secundären  laut- 
wandels  im  germ.'  ins  äuge  fasste,  dass  im  dialekte  dieses 
denkmals  die  stufe  des  gen.  dat.  verallgemeinert  war;  die  form 
wird  so  des  verdachtes  niederfi-änkischer  entlelinung  (Kögel, 
IF.  3, 280)  überhoben.  Im  urengl.  musste  nach  Vollzug  des 
/-Umlauts  und  vor  dem  eintritt  des  «-umlauts  und  der  synkope 
das  paradigma  lauten:  nom.  acc.  *inch(l;  gen.  dat.  *mih'k,  instr. 
*melu]cum.  Im  angl.  drang  wie  im  dialekte  der  Werdener  gll. 
die  stufe  des  gen,  dat.  durch,  es  hiess  danach  auch  nom,  acc, 
*mililc  und  instr.  "■inilihmi,  woraus  mit  regulärer  bereits  urengl, 
synkope  die  belegten  formen  milc,  milciun  hervorgegangen  sind: 
Bedas  thrimilci  braucht  dabei  natürlich  nicht  selbständig  aus 
urgerm,  *J)rimehilia-  entstanden,  sondern  kann  vom  fertig  aus- 
geglichenen substantivum  aus  gebildet  sein,  wie  auch  bei  dem 
denominativum  ^imilcndun  u.s.w.  *iiiiliJ{ö-  sicher  erst  secundär 
an  stelle  von  *nielukö-  getreten  ist.  Auch  die  entstehung  von 
WS,  *miluJc  aber  bereitet  keine  Schwierigkeit:  es  ist  eine  con- 
tamination  von  *mchtJc  und  *milik,  deren  entstehung  man  sich 
etwa  so  vorstellen  kann,  dass  das  betonte  i  des  gen.  dat.  zuerst 
in  den  nom,  acc.  instr.  drang  C^miluk,  ^miliJc  neben  Jinitn,  *liniti 
und  höc,  hcPc)  und  dann  wider  das  neuentstandene  *iiiilak  das 
*mili/c  des  gen,  dat.  verdrängte,  mr)glicherweise  in  Zusammen- 
hang mit  der  teilweisen,  durch  gen.  dat.  mcoke  bezeugten 
Überführung  in  die  ö-flexion,  die  ja  auch  bei  den  einsilbigen 
Stämmen  genitive  wie  löce,  ^ate,  dative  wie  stude  mit  dem- 
selben vocalismus  wie  im  nom.  acc.  hervorgerufen  luit;  über 
mijlcen  neben  meolccn  vgl.  oben  zu  sylfrcn  und  hijrten. 

In  si)äterer  zeit  hat  dann  das  ae.  pai'adigma  auf  flialek- 
tiscli  begrenztem  gebiete  nochmals  ausgleiehung  erfalnn-n,  indem 
nun  auch  ein  durch  einfluss  der  verschiedenen  vocalischen  uui- 
gel)ung  neueutstandener  Wechsel  des  stammauslautenden  con- 
sonanten  beseitigt  wurde.  Ws.  meolc  und  north,  milc  haben 
in  me,  zeit  ihre  lautgesetzliche  fortsetzung  in  melk  des  Südens 


ZUE  WESTGERM.   GRAMMATIK  71 

(auch  Kents),  milh  des  nordens.  Im  merc.  dagegen  hätte  ur- 
sprünglich ein  Wechsel  von  miU  (so  wahrscheinlich  noch  im 
8.  Jh.,  s.  Beitr.  30, 117),  später  miU  neben  milcum  und  gemilcian 
bestehen  müssen,  doch  wurde  bei  der  natürlich  eintretenden 
ausgleichung  auch  hier,  wie  bei  derartigem  Wechsel  häufig  im 
mittelland  (vgl.  ]\Iorsbach  bei  Björkman,  Scaud.  loanwords  1, 149 
in  der  anm.),  die  unpalatalisierte  form  verallgemeinert.  Auf 
das  merc.  und  north,  niilc  geht  ne.  mülc  zurück. 

• 

Die  hier  versuchte  deutung  des  Verhältnisses  von  ws 
mioloc  zu  angl.  niUc  sammt  der  herleitung  beider  aus  der 
gemeinsamen  urgerm.  grundform  "^inelnk  mag  vielleicht  den 
eindruck  zu  grosser  künstlichkeit  erwecken.  Einmal  setzt  sie 
mehrfach  ausgleichungen  voraus:  da  wird  ein  blick  auf  die 
drei  anderen  oben  angeführten  zweisilbig- kurzsilbigen  con- 
sonantischen  stamme,  auf  *halip- j  iij)-,  *mas(ilj-  und  "^aluj)-  von 
wert  sein,  indem  er  zeigt,  mit  wie  starken  ausgleichungen  des 
consonantismus  sowol  als  des  vocalismus  bei  der  weitgehenden, 
durch  rein  lautliche  entwicklung  herbeigeführten  differenzieruug 
des  Paradigmas  derartiger  stäuniie  tatsächlich  gerechnet  werden 
muss.  Sodann  wurde  vorausgesetzt,  dass  ein  urgermanischem 
-e.2  und  -i  entsprechendes  wgerm.  -i  nach  zwei  kurzen  silben 
nicht  anders  behandelt  wurde  als  nach  einer  langen:  auch 
hierfür  sind  jene  Schwesterstämme,  isolierte  gebilde  gleich 
*mcluh-,  heranzuziehen.  Bei  ihnen  müssen  wir,  ist  unsere 
Voraussetzung  begründet,  ähnliche  vocalverhältnisse  wie  bei 
*meh(k-  vorzufinden  erwarten,  und  es  dürfte  sich  in  der  tat 
ergeben,  dass  der  vocalismus  von  allen  dreien  jene  annähme 
teils  erlaubt,  teils  aber,  was  entscheidend  ist,  fordert. 

Die  ae.  fortsetzuug  des  Stammes  ""lialip-  /  uj)-  bietet  deutlich 
greifbare  ausgleichungen  erstlich  am  Stammausgang.  Die  ur- 
sprüngliche flexion  des  nur  in  der  poesie  gebräuchlichen  wortes: 
hcele  im  nom.  sg.,  dem  früh  bereits  der  acc.  gleich  gemacht 
war,  sonst  hceled  (-«,  -uni\  ist  in  den  vorliegenden  poetischen 
texten  nirgends  mehr  rein  erhalten.  Sie  tritt  zwar  noch  darin 
hervor,  dass  liwle  nicht  allein  auf  den  sg.  beschränkt  blieb, 
sondern  nach  ausweis  von  Greins  Sprachschatz  hier  tatsächlich 
nur  innerhalb  seiner  alten  grenzen,  im  nom.  und  acc,  belegt 
ist  (für  den  gen.  Judes  Ph.  554a,  den  Grein  und  Platt,  Beitr. 


72  %VEYHE 

9,368  anfüliren,  bietet  Wiilker  vielmehr  JkvIc),  so  dass  man 
genau  g^enommen  von  einem  übertritt  des  alten  nominativs  in 
die  ?-klas.se  nicht  reden  kann.  Aber  ein  ausgleich  in  Um- 
gekehrterrichtung zeigt  sich,  indem  die  Stammform  der  obliquen 
casus  wie  bei  as.  heliö^,  ahd.  hcliä  auch  in  den  nom.  dringt 
(gen.  dat.  sg.  laut  Grein  unbelegt,  im  plural  ganz  vereinzelt 
zwei  licelcöas,  ein  hcelcöe  später  texte);  nicht  sicher  ist  dabei 
zu  entscheiden,  wie  weit  das  gleichzeitige  vorkommen  von  nom. 
Jicehd  und  IueU  in  denselben  gedichten  tatsächlich  ein  über- 
gangsstadium  innerhalb  der  originale  widerspiegelt,  wie  weit 
es  etwa  auf  rechnung  der  Schreiber  zu  setzen  ist. 

In  bezug  auf  den  vocalismus  hatte,  von  der  gleichen  an- 
schauung  über  die  Schicksale  von  urgerm.  -ez  und  -i  ausgehend, 
bereits  Sievers,  Ags.  gr.^  §  50,  anm.  2,  vgl.  §  132.  133,  das  ce 
von  gemeinae.  hcele{d),  frühae.  laeJid-  einer  Verallgemeinerung 
des  z.  b.  im  nom.  pl.  *halii]ji{z)  >  '^JudiJ)  lautgesetzlichen  zu- 
geschrieben. Diese  auffassung  war  jedoch  insofern  unsicher, 
als  nicht  feststand,  ob  das  ae.  wort  lediglich  auf  die  Stammform 
^halul)-  zurückgeht,  neben  der  sich  ja  das  Vialijj-  von  aisl. 
halr,  as.  hcliJ,  ahd.  Jielid  (aschw.  hälilh)  findet.  So  erklärt 
Sievers  das  ce  jetzt  Zum  ags.  voc.  s.  22,  vgl.  Ags.  gr.^  §  89, 3  aus 
einem  urengl.  '^halijj-  statt  ViculiJ)-  mit  aus  *hah(])-  bezogenem  a. 
Siciierlich  würde  aber  auch  in  diesem  falle  eine  ausgleiclmng 
innerhalb  des  paradigmas  vorliegen,  auf  welches  ip  und  iip 
in  irgend  einer  weise  verteilt  waren,  vgl.  das  an.,  wo  in  der 
Lieder- Edda  dem  i^g.  halr  aus  *//fl//(7j)  mit  übertritt  in  die 
/-klasse  gegenüberstehen  die  pluralformen  gen.  JiqJJxi,  dat.  lußlmm 
aus  *hah(P-  (auch  nom.  holjxu;  acc.  hgljxi  neben  halcr,  hole), 
Gering,  Vollst,  wb.  zu  den  liedern  der  Edda,  spalte  1398.  Hier 
wäre  also  mittelst  durchführung  der  compromissform  *//t(/?7' 
der  ursprüngliche  Avechsel  *h(Eli]),  "^halnp  ebenso  beseitigt  wie 
durch  die  ws.  compromissform  *milul-  der  Wechsel  *milüi,*meluk, 
durch  bildung  der  im  me.  weiterlebenden  nominativform  hfrleÖ 
die  Verschiedenheit  des  consonantismus  von  luvle,  hcclcd  (-«,  -um) 
ebenso  aufgehoben  wie  durch  merc.  milc,  me.  nii'l/c  der  Wechsel 
von  milc,  milcum,  gemilcian.^) 

')  Ueber  die  Verteilung  von  ip  und  !0  auf  das  urengl.  paradigma  und 
die  entstehung  von  hcelid-  s.  eine  Vermutung  im  folgenden  abschnitt,  die 


ZUR   WESTGERM.   GRAMMATIK.  73 

Dagegen  steht  nun  für  ae.  mce^eö  die  germ.  Stammform 
^magaj)-  fest  durch  got.  mogajjs,  as.  magad,  ahd.  magatln  sowie 
ahd.  mayaä,  flectiert  nmgadi,  magedi,  in  alter  zeit  stets  ohne 
Umlaut  der  ersten  silbe  (Braune,  Ahd.  gr.^  §  27,  anm.  4).  Auch 
bei  diesem  worte  finden  wir  ausgleichungen  erstens  in  der 
gestaltung  des  Stammausgangs. 

Der  lautform  des  ae.  nom.  hcele  lässt  sich  nicht  ansehen, 
ob  ein  urgerm.  dehnstufiger  nom.  ^halej)  (in  ablaut  mit  obliqu. 
Viali])-,  i(J)-)  zu  gründe  liegt  oder  ein  Viali(])),  dessen  /  erhalten 
blieb  und  später  zu  ae.  e  wurde  wie  das  von  urgerm.  *mari 
'meer'  gleich  ae.  mere;  die  lautgestalt  von  ae.  ealu  verrät 
nicht,  ob  sie  auf  den  von  Platt  angenommenen  nom.  *alH{J)) 
zurückgeht  oder  auf  ein  ^cüu{Ij),  dessen  u  ebensowenig 
schwinden  konnte  wie  das  von  urgerm.  "^felu,  ae.  fcohi  'viel'. 
Beide  möglichkeiten  auch  bei  dem  stamme  *t)tosap-  voraus- 
gesetzt, hätte  dagegen  ein  dehnstufiger  nom.  urgerm.  *magö{J)) 
(neben  obliqu.  ^nuisop-)  im  ae.  "^niosu  ergeben  (nach  van  Helten, 
Beitr.  28,  512,  anm.  2  "^maso)  wie  *^c5c7  'gäbe'  ae.  gkfu,  wäh- 
rend aus  einem  nom.  '^masa{l))  lautgesetzlich  ae.  *wa?^  hervor- 
gehen musste,  äusserlich  dieselbe  form  also  wie  mces  'ich  kann', 
das  einem  urgerm.  "^maga  entstammt.  Wenn  sich  nun  ergibt, 
dass  die  ae.  entwicklung  in  diesem  falle  dehnstufigen  nom.  als 
Urform  ausschliesst,  so  wird  man  darin  wol  eine  weitere  stütze 
der  auffassung  sehen  dürfen,  die  auch  für  ealu  und  licele  von 
urgerm.  *ah((p),  *hali{p)  ausgeht  und  auf  ansatz  eines  nom. 
*hale{2))  oder  gar  flectierter  formen  mit  durchgeführter  delin- 
stufe  verzichtet. 

Man  hat  bisher  nicht  beachtet,  dass  ein  ae.  fem.  mce^ 
'Jungfrau,  weib'  tatsächlich  überliefert  ist.  Es  findet  sich  in 
der  dichtung,  auf  die  auch  i)i(e^{e)^  'Jungfrau,  weib'')  ab- 
gesehen von  compositis  (vor  allem  mces{e)Öhäd)  im  wesent- 
lichen beschränkt  scheint,  und  wurde  bisher  mit  langem  vocal 
angesetzt  auf  grund  einer  etymologischen  erwägung,  die  das 
wort  mit  dem  masc.  ae.  mw^  'verwanter'  (als  zweitem  com- 
positionsglied  auch  -mä^a)  gleich  got.  megs  oder  dem  hierzu 


zugleich  eine  art  compromiss  der  beiden  von  Sievers  gegebeneu  erklärungen 
darstellt. 

1)  Mit  derselben  bedeutungserweiterung  wie  z.  b.  bei  dem  poetischen 
meoivle. 


74  WEYUE 

gehöri.f^cn  fem.  ae.  ni(r,:;e  verband  und  eine  liypotlietisclie  Grund- 
bedeutung" 'verwante  frau',  dann  'weib  übeiliaupt,  Jungfrau' 
auffcilellte  (Grein:  ma\^  f.  [cognata]  femina,  virgo;  Sweet,  Stud. 
dict.:  kinswoniau,  woman). ')  Aber  einmal  gehört  mce^  seiner 
bedeutung-  nacli  engstens  zu  derjenigen  gruppe  dieses  Stammes, 
die  wie  ae.  nui^a  'solin,  mann'  oder  ae.  mogo,  mcec^as  gleich 
got.  maytis,  aisl.  mgyr,  wie  ae.  mcoivlc  'Jungfrau,  w^eib'  gleich 
got.  maicilö  oder  wie  got.  iiiatvi,  aisl.  m<ir  kurzes  c  besitzt; 
sodann  Aveist  es  in  seinem  formenbestand  dieselbe  eigentüm- 
lichkeit  auf  wie  hccle:  wie  dieses  nur  im  nom.  und  acc.  sg. 
begegnet,  kommt  ma's  nur  im  nom.  sg.  vor  (der  acc.  fehlt 
offenbar  zufällig).  Entscheidend  für  unsere  combination  ist 
jedoch  ein  anderer  umstand:  ))ia'^  bietet  in  seiner  Verwendung 
sogar  einen  noch  älteren  stand  dai'  als  Jude;  Avar  dort  die 
ursprüngliche  flexiou  hcelc,  luelcö  {-a,  -um')  aus  den  texten  nicht 
mehr  abzulesen,  so  ergibt  sich  *mosaJh  als  gemeinsame  mutter- 
form für  }iifr^  und  mce^ed,  genau  wie  nach  Platts  (bez.  Sievers') 
nachweis  (vgl.  Beitr.  10,  449)  *«/»7'-  ^^^^  "'^^  und  caloÖ,  aus  dem 
paradigma  der  denkmäler  selbst. 

Die  Gen.  A  bietet  die  flexiou  nom.  sg.  mccs  895.  1053. 
1827.  1849b  (bei  Wülker  zu  1850a  gezogen).  2226.  2730.  2781; 
dat.  sg.  mci'^ed  2797;  nom.  pl.  nuvs{(^)ö-)  2009.  2748;  gen.  pl. 
mcE^da  2604;  dat.  pl.  mcvsäum  1123;  acc.  pl.  ma\s{e)d  1252. 
1259.  2092;  hcalsmcesed  2155;  in  der  Jul.  stellt  nom.  sg,  mteg 
175.  257.  600  neben  gen.  pl.  ma\sda  551.  508  und,  gleichfalls 
bezeichnend,  neben  mcü^dliad  30;  während  in  der  El.  nur  der 
nom.  mw^  330.  609  belegt  ist,  lieisst  endlich  im  Gu.  der  nom. 
sg.  u-ijnma's  1319  neben  dat.  sg.  mcescö  1316,  nom.  pl.  nuvgd 
833  und  gen.  pl.  nup^da  1350. 


')  Veranlassung  hierzu  gab  vermutlich  El.  330  und  COO,  wo  Helena, 
die  niuttcr  Constantius,  als  cüsercs  lua^,  331  variiert  dnrdi  ^catolic  ^udciccii, 
bezeichnet  wird,  die  bedeutung-  'weib'  jedoch  gleichfalls  genügt.  Dazu 
kam  die  Unsicherheit,  die  bei  Grein  in  der  Scheidung  der  formen  von  ma^o 
vifvc^as,  nia^n,  w/rP,^  niä,^as,  mä,^n  herscht,  wie  denn  z.  b.  der  ansatz  hm- 
fodma^a  Sprachschatz  2,  43  (mit  a  statt  ä,  vgl.  hcctfudvur^)  gegen  wuldor- 
mäga  2,749  (Gu.  10G7;  mit  «  statt  a  wie  im  selben  gcdichte  masc.  ichWo;-- 
mago  1207  und  fem.  iculdres  wynmceg  1319)  eine  directe  umkehrung  der 
quautitäten  darstellt. 

-)  Die  zweisilbige  form  wird  metrisch  gefordert  2748a  und  2155b  und 
ist  vielleicht  überall  in  Gen.  A  einzusetzen. 


ZUR  WESTGERM.   GRAMMATIK.  75 

Ein  anschauliches  beispiel  hierfür  gewähren  die  verse  Gu. 

1316  f.:  Heßare  vicegeÖ  sceolde 

läce  geJcedan  läöspel  tö  Süd. 
Cwöm  pä  freor/^ferö,  pCer  sco  fcümne  ivces, 
widdres  icynma;^. 

Anraerkiiiig.  Die  gleiche  erscheinmig  wie  in  Jul.  ime^  neben  ma'^Öhäd, 
bewahnuig  des  stanunes  im  compositionseingang  unbeeinÜusst  von  der  no- 
minativform, zeigt  ursprünglich  auch  der  stamm  '''menöß-  'mond,  monat'; 
hier  hatte  sich  das  paradigma  schon  vorhistorisch  gespalten  (J.Schmidt,  KZ. 
2G,  B-i5f.),  indem  die  bedeutuiig  'mond',  die  für  den  Germanen  an  sich  bloss 
im  sing,  und  nur  bei  übertragenem  sinne  wie  ae.  twelf  mwe  mönan  'zwölf 
neumonde'  im  plural  möglich  war,  auf  die  nur  im  sing,  vorkommende  form 
ohne  p  eingeengt  Avurde,  die  Ijedeutung  'monat'  aber,  für  die  gerade  die 
pluralformen  von  Wichtigkeit  sind,  auf  die  mit  p  sich  beschränkte:  so  z.  b. 
ae.  'luna'  niöna,  mit  übertritt  in  die  n-klasse,  aber  'mensis'  mönaö,  welch 
letzteres  in  den  älteren  texten  o-flexion  des  Singulars  mit  erhaltener  cou- 
sonantischer  des  plurals  verbindet  (sg.  mötiad,  viönöcs,  viönÖe,  pl.  inünad). 
Dennoch  ist  hier  im  compositionseingang  auch  bei  der  bedeutung  'mond' 
der  stamm  ursprünglich  intact  geblieben  ^):  ae.  j«ö/trtc)/}/Ze« 'mondfülle,  voll- 
mondszeit'  neben  füll  mona  'vollmond",  ae.  mönadlic  'lunaris',  ae.  mönaö- 
seoc,  ahd.  mänödfaUönti,  mänödsioh,  and.  mämditimendig  'mondsüchtig'  trotz 
ae.  möna,  ahd.  and.  mäno  'mond',  wogegen  ae.  )nün(e')lic,  R^  mönsek,  mhd. 
mänsiech,  mnd.  mänselc  jüngere  neubildungen  darstellen.  Für  den  stamm 
*alup-  gelten  diese  durchaus,  so  and.  alofat,  ae.  ealofcct.  Wenn  dagegen 
mceg{e)dhäd  solcher  beeinflussung  entgangen  ist  (vgl.  auch  unten),  so  lag 
das  offenbar  eben  daran,  dass  das  simplex  der  alltagssprache  fremd  war 
(hier  coucurrierte  vielmehr  mccgden,  vgl.  mcv^dodiäd  neben  dem  älteren 
mcEgedhäd  gleich  nhi.magadhcit,  and.  magadhcd);  übrigens  war  vkc^,  obliqti. 
mcegcd,  mcegöa,  -um  bei  seiner  Verwendung  auch  für  verheiratete  frauen  an 
sich  der  Zusammensetzung  mit  der  bedeutung  'Jungfräulichkeit,  keuschheit 
auch  von  mäunern'  ferner  gerückt. 

Auch  hier  beginnen  nun  widerum  die  ausgleichungen,  die 
in  doppeltei'  richtung  verlaufen.  Einmal  entsteht  ein  nom.  acc. 
mceg{c)d  entsprechend  der  neubildung  nom.  got.  magaßs,  ahd. 
magad  und  as.  magad.  Denselben  stand,  der  bei  luele  regel 
ist,  zeigt  hier  der  Crist,  indem  er  im  ersten  teile  noch  den 
nom.  moes  87  neben  nom.  niüe^d  36.  176  und  im  zweiten  teile 
den  acc.  mcp^ed  721  bietet;  lediglich  die  jungen  formen  er- 
scheinen in  der  Jud.  mit  je  vier  belegen  für  nom.  und  acc, 
und  ausserdem  findet  sich  (s  GreinJ  die  neubildung  noch  dreimal 
an  verstreuten  stellen:  B.  3016.  Hy.  11,16.  Met.  26,67.   Bezeugt 


')  Dies  ist,  wie  ich  nachträglich  sehe,  bereits  von  Kluge,  Pauls  Grundr. 
1S399  festgestellt  worden. 


76  WEYIIE 

ist  diese  neul)ildiiiig  für  den  siiden,  speciell  für  Kent,  und  zwar 
sowol  durcli  die  eben  genannte  stelle  der  ]\letra  (acc.  sg.  ma\sO), 
wie  durcli  die  einzige  form,  die  Bosw.-Toller  aus  der  prosa, 
und  hier,  was  kaum  zufällig  ist,  aus  der  gesetzessprache 
beibringt,  den  acc.  sg.  nice^Ö  in  den  gesetzen  des  kentisclien 
königs  Aethelberlit  77  (Liebermann,  Ges.  s.  7,  Textus  Eoffensis). 

Andrerseits  muss  sich  aber,  offenbar  in  anderen  gegenden, 
die  umgekehrte  ent Wicklung  vollzogen  haben,  durch  die  viel- 
mehr die  formen  auf  -J  verdrängt  wurden.  Das  endergebnis 
dieses  processes  sehen  wir  im  me.,  wo  (nach  den  wbb.  von 
StrJitmann-Bradlej'  und  Mätzner-Bieling)  die  form  auf  -(7  nui' 
noch  in  der  altüberlieferten  Zusammensetzung  maiölwd  weiter- 
lebt, die  lautgesetzliche  fortsetzung  der  ae.  nominativform  da- 
gegen als  matj  *maid,  virgin'  häutig  belegt  ist.  Ist  hierdurch 
das  (dialektisch  begrenzte)  weiterleben  von  ae.  mceg  während 
der  ganzen  ags.  zeit  sicher  gestellt,  so  wird  man  das  im  Crist 
bezeugte  nebeneinander  von  junger  und  alter  nominativbildung 
mit  grösserer  Sicherheit  als  bei  hceh  dem  (südl.)  Schreiber  zur 
last  legen  dürfen.  Als  interessant  ist  im  me,  noch  der  formen- 
bestand bei  Orrm  zu  erwähnen,  einmal  weil  hier  der  in  der  ae. 
Jul.  beobachtete  unterschied  des  Stammes  mces{e)d-  in  mcvsdhad 
und  des  nom.  mcv^  als  gegensatz  von  compositum  niagsPhäd 
und  Simplex  magÄ  seine  fortsetzung  findet,  sodann  weil  dieses 
(nur  einmal,  2489,  als  acc.  belegte)  ntoss:  noch  aus  dem  me. 
heraus  die  vocalkürze  von  ae.  7}ia\s  bestätigt.^) 

In  bezug  auf  den  vocalismus  ist  das  paradigma  von  mces 
insofern  product  von  ausgleichungen,  als  ein  im  acc.  sg.,  im 
dat.  und  acc.  pl.  lautgesetzliclies  *maÄoJ)-  verdrängt  ist,  vgl. 
van  Helfen,  Beitr.  15,  402. 2)  Die  ersetzung  der  accusative  durch 

')  Pa  Orrms  nio;;^,  sonstiges  me.  maif  dem  ae.  )»(r\:;  formell  soayoI  wie 
der  bedeutuug  und  Verwendung  nach  genau  entsiuücht  (vgl.  z.h.Jxilt  clene 
niag^  bei  Orrm  mit  s'io  üad^e  mag  im  Crist,  beide  male  von  der  Jungfrau 
Maria),  sehe  ich  keine  nütigung  mehr,  das  me.  wort  aus  dem  an.  herzuleiten 
(vgl.  Brate,  Beitr.  10.51.  585.  Björkinan.  Scand.  loanwords  1,04.  65);  Orrms 
nipghe  'cousin,  relation  (female)'  (Brate  a.a.O.  20.51.  Björkman  a.a.O.)  ist, 
wie  bereits  im  glossare  von  White-Holt  richtig  angegeben,  das  ae.  miPge, 
gen.  mägan  {mCSgan),  Rit.  ni^go  'weibliche  verwante'.  —  Heute  lebt  may 
noch  in  Schottland,  Cumberland  und  Irland  (Wright,  Engl,  dial.-dict.  15,  63); 
s.  auch  mayiceed  unten. 

*)  van  Kelten  bemerkt,  das  'für  diese  casus  iu  der  vorhist.  periode 


ZCTR  WESTGERM.   GRAMMATIK.  77 

die  nominativformen  ordnet  sich  der  allg-emeinen  ausgleicliungs- 
tendenz  ein  nnd  ist  insofern  gewissermassen  gesetzlich  (acc. 
sg.  hcele,  acc.  pl.  bec,  linyte  n.s.w.:  wenn  für  den  nom.  sg.  der 
kurzsilbigen  wie  linutu  die  accusativform  massgebend  wnrde, 
so  kam  hier  als  besonders  begünstigend  der  gleichlautende 
nom.  der  ö-stämme  wie  gicfu  hinzu),  der  dat.  und  ev.  auch  der 
gen.  pl.  (vgl.  anm.)  erlagen  dann  der  Übermacht  der  übrigen 
casus.  Unter  diesen  war  der  nom.  sg.  nueg  lautgesetzlich  aus 
urgerm.  '^masa{]})  entstanden;  aber  auch  aus  gen.  dat.  sg.  und 
nom.  pl.  wgerm.  ^mogapi  konnte  sicher  nichts  anderes  hervor- 
gehen als  das  überlieferte  mcesed  (jünger  mwsö),  vgl.  mm^den 
aus  *mo^aälna-,  frcefele  gleich  ahd.  fravali  (s.  Beitr.  30,  109), 
pl.  ceöelu  gleich  as.  aöali  (vgl.  Bülbring,  EB.  §  413;  zum  u  von 
an.  0])li  Noreen,  IF.  14,399);  und  in  gleicher  weise  kann  der 
afries.  pl.  megitha  (mit  secundärer  endung,  vgl.  den  übertritt 
von  got.  magajjs,  teilweis  auch  ahd.  magad  und  and.  magaÖ  in 
die  z-klasse)  über  ^niegith  auf  *7na^oJ)i  zurückgeführt  werden, 
wie  auch  im  afries  ^masaäina-  meiden  ergeben  hat. 

Als  letztes  beispiel  endlich  kommt  noch  *«7«7>  'hier'  in 
frage.  Dies  wort  steht  den  stammen  *hali])- [  iij)- uM  *ma^a])-, 
bezeichnungen  für  mann  und  weib,  dadurch  ferner,  dass  es 


auzunehmende  -m"^-'  scheine  spurlos  geschwunden  zu  sein;  ein  unter  ähn- 
lichen Verhältnissen  entstandenes  o  ist  jedoch  belegt,  und  zwar  in  dem 
vom  stamme  *magap-  abgeleiteten  ae.  nia^oöe,  mit  junger  synkope  ma^öe 
neben  magöa  'chamaemelon,  kamille'  (genaueres  über  die  damit  bezeich- 
neten kamillenarten  bei  Cockayne,  Lclidm.  2, 398),  vgl.  ahd.  'camomilla' 
meidehlume  (belege  Zs.  f.  deutsche  wortf.  3, 295),  mud.  'camomilla'  megede- 
hlomen  (beleg  z.  b.  ebda.  356, 137),  uM.  magdhlumen,  jnngfenikraut  (Pritzel 
und  Jessen,  Die  deutschen  volksnanien  der  pflanzen  s.  93.  95),  ne.  mayiveed 
(Mayiceed)  und  maidweed  gleichbedeutend  mit  maithes  und  maivth  (Britten 
and  Holland,  Plant-names  s.  327.  329),  was  zu  der  Vertretung  von  ahd.  -ado 
durch  ae.  -oöa,  z.  b.  ahd.  anado  gleich  ae.  anoöa  Cp.  gll.  902,  and.  scauatho 
gleich  ae.  sceufoöa  stimmt.  Doch  würde  die  behaudlung  dieser  erscheinung, 
bei  der  unter  anderm  die  eutwicklung  in  fällen  wie  *obata-  'obst'  gleich 
ahd.  obaz  zu  ae.  ofet,  vgl.  Cp.  gll.  919  obet  zu  beachten  ist  (s.  Bülbring, 
EB.  §  366,  3,  c.  412)  sowie  das  neben  mag{o)Öe,  -a  stehende  mce^Öe,  -a  zu 
erklären  wäre,  ein  eingehen  auf  die  frage  nach  den  Schicksalen  von  west- 
germ.  a  (urspr.)  mittlerer  silben  im  urengl.  überhaupt  nötig  machen,  was 
hier  zu  weit  führte  (vgl.  auch  Beitr.  30,  99,  anm.).  Es  mag  daher  vorerst 
dahingestellt  bleiben,  ob  auch  der  gen.  pl.  von  mce^  lautgesetzlich  *ma^oÖa, 
nicht  mce^Öa  heissen  müsste. 


78  WEYIIE 

seiner  iiatur  iiacli  so  gut  wie  ganz  auf  den  sg.  beschränkt  ist 
(einen  beleg  für  gen.  pl.  eaJoöa  bei  Platt,  Beitr.  9,  360),  eiufluss 
der  pluralcasus  liier  also  nicht  in  betracht  kommt.  Als  folge 
dieser  Sonderstellung  ist  vermuilich  die  innerhalb  des  ae.  im 
ganzen  vortreffliche  erhaltung  seines  wechseis  im  stammausgang 
anzusehen  (vgl.  auch  and.  alo  in  ulofat  gegen  magaö  und  lidiö). 
Im  gegensatz  zu  der  Verbreitung  der  neugebildeten  wfFj-ed^  und 
zumal  ludiö  hat  das  ae.  bei  *aln])-  den  ausgang  -?/,  -o  im  nora. 
acc,  -oö  im  gen.  dat.  gut  gewahrt,  erst  spät  treten  hier  in 
formen  wie  acc.  calad,  dat.  calode  ausgleichungen  auf  grund 
der  obli(iuen  casus  hervor  (vgl.  Sievers,  Ags.  gr.^'  §  281,2);  all- 
gemeinere geltung  können  diese  jedoch  ebensowenig  gewonnen 
haben  wie  die  entsprechenden  bildungen  von  mcüg,  da  die 
spätere  eutwicklung  wie  bei  jenem  worte  auf  dem  umgekehiten 
processe,  der  durchführung  der  alten  nominativform  beruht: 
me.  ne.  ale  wie  me.  ne.  may. 

Durch  diese  beschränkung  auf  den  sg.  aber  rückt  ^«Z?//»- 
gleichzeitig  dem  stamme  ''"»ichd--,  einem  getränknamen  wie 
ihm,  eng  zur  seile,  und  in  der  tat  hat  bei  beiden  der  voca- 
lismus  dieselben  Schicksale  erfahren.  Lautgesetzlich  musste 
das  Paradigma  flectieren:  nom.  acc.  *«/«,  gen.  dat.  "'a'liji.  Im 
north.  Avurde  wie  bei  ^mduJ;:-  einfach  die  eine  lautfolge  durch- 
geführt, dort  die  des  gen.  dat.  "^milil;  hier  die  von  nom.  acc. 
*alH',  es  hiess  danach  auch  gen.  dat.  *r/7u(T  (Rit.  alJes).  Im 
WS.  trat  die  gleiche  contamination  ein  wie  bei  niiohc,  indem 
sich  der  betoute  vocal  des  gen.  dat.  und  der  unbetonte  des 
nom.  acc.  zu  *(di(,  ^(bIuö  verbanden.  Hieraus  entstand  laut- 
gesetzlich (vgl.  Bülbring,  EB.  §  251)  das  überlieferte  cahi, 
calod,  formen,  in  denen  ein  ws.  w-umlaut  von  a  zu  ea  ebenso 
auso-eschlossen  ist  wie  in  mioJoc  ein  solcher  von  e  zu  io. 


^O' 


E.    Zur  flexion  der  s-stämme  im  altenglischen. 

Sieht  man  von  den  spuren  ab,  welche  die  eddische  flexion 
von  halr  aufweist,  so  ist  das  ae.  der  einzige  altgerm.  dialekt, 
der  die  urgerm.  flexion  der  ^stamme  noch  widerspiegelt.  Das 
legt  von  vornherein  die  frage  nahe,  ob  die  Angelsachsen  nicht 
auch  bei  einer  anderen,  nahe  verwanten  klasse,  bei  den 
s-stämmen,  altertümlichere  flexionsverhältnis.^e  bewahrt  haben 
als  ihre  ausserenglischen  stammesgenossen,  umsomehr,  da  hier 


ZUR   WESTGEEM.   GRAMMATIK.  79 

mindestens  in  einem  punkte  eine  derartige  altertiunliclikeit 
den  scliwesterspraclien  gegenüber  anerkannt  ist:  in  den  dativen 
wie  düsor,  denen  sich  nur  der  zweifelhafte  got.  gen.  sg.  hatis 
an  die  seite  stellen  Hesse.  Die  bejahung  dieser  frage  wäre 
gewis  willkommen:  setzen  doch  die  germ.  nachkommen  alter 
5-stämme  und  unter  ihnen  gerade  die  westgerm.  formen  einer 
sicheren  beurteilung  eben  darum  solche  Schwierigkeiten  ent- 
gegen, weil  bisher  kein  alter  flexionstypus  bekannt  war,  der 
einen  anhält  zur  beurteilung  hätte  bieten  können,  weil  man 
von  vornherein  als  gegeben  hinnahm,  dass  'schon  vor  dem 
beginn  zusammenhängender  Überlieferung  die  e.?- stamme  als 
selbständige  kategorie  im  germanischen  untergegangen  sind' 
(Streitberg,  Beitr.  15,  504). 

Ohne  mich  auf  eine  Untersuchung  des  gesammtgermanischen 
bestandes,  auf  ansetzung  urgermanischer  paradigmata  weiterer 
geltung  und  den  versuch  ihrer  einreihung  in  den  kreis  der 
indog.  erscheinungen  einzulassen  (voraussichtlich  würde  sich 
da  das  schwierige  problem  der  Vertretung  von  indog.  d  er- 
heben), möchte  ich  hier  im  anschluss  an  das  vorausgegangene 
kurz  den  nach  weis  zu  führen  suchen,  dass  das  ae.  auf  seiner 
ältesten  stufe  tatsächlich  noch  eine  consonantische  flexion  der 
5-stämme  in  bestimmtem  umfang  besass  oder  mit  Sicherheit 
erschliessen  lässt.  Es  wird  sich  auch  hier  vor  allem  darum 
handeln,  die  bekannten  hauptvertreter  der  klasse  (Sievers, 
Ags.  gr.3  §  289.  290)  genauer  auf  das  vorkommen  und  ins- 
besondere auf  das  nebeneinander  ihrer  formen  innerhalb  der 
einzelnen,  zeitlich,  örtlich  u.s.w.  geschiedenen  texte,  auch  der 
poetischen  texte,  zu  prüfen:  auch  der  poesie,  denn  die  ge- 
bührende heranziehung  dieser  wichtigen  quelle  des  früh-ae.  ist 
gerade  in  fragen  der  flexionslehre  nicht  nur  ohne  bedenken, 
sondern  geradezu  unumgänglich. 

Das  zeitlich  älteste  paradigma  der  prosa  bieten  die  früh- 
merc.  texte,  und  zi^-ar  bei  dem  worte  ImH.  Im  8.  jh.  ist  hier 
nur  der  noni.  sg.  belegt:  caelf  Cp.  2144,  cucaclf  Cp.  2145.  Ei 
(und  Werd.  gll.)  1155,  hmdcaclf  Cp.  1147;  die  formen  weisen 
auf  ein  älteres  ""icaldi-  mit  i-umlaut  zurück,  zugleich  fehlt 
r  <  0]  daneben  steht  im  compositum  ceolborlomh  Cp.  752  die 
Stammform  H-eldic^-  mit  ablaut  der  Wurzelsilbe  gleich  ahd. 
MlhKr   (neben  Jiilburra,  Palander,  Die  ahd.  tiernamen  s.  129), 


80  WEYIIE 

deren  suffixgestalt  in  doppelter  weise  alnveicht:  sie  verbindet 
als  r  erlialtenes  z  mit  vorausgehendem  u.  Im  anfang  des 
9.  jli.'s  belegt  dann  der  merc.  Psalter  das  paradigma  mit  aus- 
reichenden formen,  und  zwar  linden  wir  hier  die  beiden  vor- 
genannten suflixgestaltungen  in  folgender  Verteilung  neben 
einander:  der  acc.  sg.  lautet  ca^Z/"  28,  6.  68,32.  105,19,  der  nom. 
pl.  caJfiir  21,13,  der  acc.  pl.  caJfur  50,21  und  calfcru  49,9; 
gleichfalls  calfur  aber  lautet  auch  der  gen.  sg.  105, 20.  Acc. 
und  gen.  sg.  stehen  in  widergabe  von  Ps.  105, 19.  20  nachbar- 
lich beisammen:  'et  fecerunt  vitulum  in  Choreb  et  adoraverunt 
sculptile  et  mutaverunt  gloriam  suam  in  similitudinem  vituli 
manducantis  faenum'  =  ond  üijänn  ccclf  in  Cliorch  ond  iveoröa- 
dun  greftas  ond  omccndun  ividdnr  Jus  in  gdicnisse  calfur  eo- 
tendcs  he^.  Dass  in  diesem  gen.  caJfnr  eine  versehentliche 
widergabe  von  vihdi  durch  den  nom.  pl.  vorläge,  wie  Sweet 
im  index  der  OET.  488  durch  sein  zeichen  für  'erroneous  and 
anomalous  forms'  andeutet  und  Jordan,  Die  ae.  säugetiernamen 
s.  176  vermutet,  scheint  mir  schon  durch  den  attributiven  gen. 
eotcndcs  ausgeschlossen;  wir  haben  sicher  in  cid f in-  ebenso  die 
lautgesetzliche  fortsetzung  des  urgerm.  gen.  H-aJhnzcz  vor  uns 
wie  im  dat.  dUsor  die  von  urgerm.  *dö^uzi. 

Aus  dieser  flexion  ergibt  sich  einmal  (hierzu  Paul,  Beitr. 
6,  227),  dass  der  umlaut  in  ccelf  nicht  von  dem  -i(z)  eines 
/-Stammes  herrührt  (vgl.  Brugmann,  Grundr.  2,  395,  anm.  2.  563), 
sondei'U  von  dem  eines  5-stammes  bewirkt  ist;  sodann,  dass  in 
der  flexion  dieses  5-stammes  eine  abstuf ung  von  -i(z)  des  nom. 
acc.  sg.  und  -iiz-  der  übrigen  casus  bestand.  Denn  auch  für 
die  hier  nicht  belegten  casus,  den  dat.  sg.  und  gen.  dat.  pl., 
ist  -tiz-  mit  Sicherheit  vorauszusetzen.  Die  plural formen  adfiir, 
auf  deren  fehlendes  -u  Avie  auf  das  einiger  gleichartigen  formen 
Joh.  Schmidt,  Pluralbildungen  s.  150  f.  hauptsächlich  seine  her- 
leitung aus  indog.  -Us  (mit  bewahruiig  oder  widerherstellung 
des  r  vom  gen.  dat.  pl.  aus)  begründet,  dürften  in  dieser  ricli- 
tung  so  lange  mit  vorsieht  zu  verwerten  sein,  bis  die  aus- 
nahmen der  regel  von  der  erhalt  ung  des  -u  nach  langer  betonter 
+  kurzer  silbe  ihre  glatte  erledigung  gefunden  haben;  der  VPs. 
selbst  weist  neben  calfur,  ccdfcru  auch  Juafud,  hvafudu,  irolcen, 
u'olcenu  u.  dgl.  auf,  vgl.  Zeuner,  Die  spräche  des  kent.  psalters 
§  57,  II,  2,  a. 


ZUR  WESTGERM.   GRAMMATIK.  81 

Das  spätnorth.  hat  die  alten  pluralformen  in  Rit.  calfero 
119, 14,  gen.  calfra  21,  6  bewahrt,  der  gen.  sg.  aber  lautet 
abweichend  mlfes  Li.  Mt.  I  7, 9,  celfes  I  7, 13.  I  8, 5.  Angesichts 
der  flexion  des  frühae.  Psalters  ist  es  unmöglich,  in  dieser  be- 
schränkung  von  -ur-  auf  den  pliu-al  eine  aus  dem  urindog. 
ererbte  altertünilichkeit  zu  sehen  (Joh.  Schmidt  a.a.O.  s.  135. 
142.  149),  vielmehr  ist  der  gen.  sg.  calfur  (und  sicher  ebenso 
der  gleichlautende  dat.)  durch  eine  neubildung  vom  nom.  acc. 
aus  ersetzt.  Das  paradigma  in  dieser  gestalt  entspricht,  was 
die  bewahrung  des  stammauslautenden  consonanten  angeht, 
genau  dem  stände  der  ausgleichung  von  gemeinahd.  sg.  ImW, 
-es,  -e,  pl.  l:dhiy  (chcdbir),  -o,  -um,  annähernd  auch  dem  von 
eddisch  nom.  sg.  lialr,  dat.  acc.  hol,  pl.  hgl^jar,  -a,  -um,  -a  (doch 
hier  auch  haUr,  -e),  während  es  mit  dem  letzteren  beispiel 
genau  übereinstimmt  in  der  Verteilung  der  stufe  -i  {-ip  und 
-iz)  auf  den  nom.  sg.  und  die  von  diesem  aus  nach  analogie 
der  t-klasse  neugebildeten  formen,  dagegen  von  u  auf  die  casus 
mit  erhaltenem  Jj  bez.  z. 

Dagegen  hat  nun  der  süden  die  alte  flexion  so  gut  wie 
vollkommen  aufgegeben.  In  seinem  wertvollen  buche  über 
'Die  ae.  säugetiernamen'  s.  175  f.  (vgl.  auch  Sievers,  Beitr. 
9,253)  kann  Jordan  hier  r -formen  reiner  texte  überhaupt 
nicht  mehr,  fortsetzungen  von  nom.  acc.  sg.  ViaWiz  nur  noch 
in  einigen  flurnamen,  so  cylflion^ra  in  Berks  neben  anderswo 
belegtem  cealfhan^ra  beibringen;  beschränkung  der  r- formen 
auf  den  pl.  mitsammt  beseitigung  der  umgelauteten  sg.-formen 
zeigt  z.  b.  der  dialektisch  gemischte  Eegius-Ps.  ed.  Boeder  mit 
sg.  ccalf,  calf,  calfes,  pl.  cealfru,  aber  selbst  ^Ifrics  flexion 
von  masc.  pl.  ccalfas  (neben  neutralem  sg.  cealf,  s.  Jordan)  ist 
im  Süden  schon  aus  dem  9.  jh.  belegt. 

Zusammengefasst  ergibt  das  also  folgende  entwickluug  des 
Paradigmas  von  Jialb,  wobei  ursprüngliches  Vorhandensein  des 
nom.  acc.  sg.  auf  -?>  auch  im  süden  auf  grund  des  umlauts  im 
ersten,  nach  dem  nom.  gebildeten  glied  der  erstarrten  namen 
für  erwiesen  angenommen  wird :  f rühmerc,  gleich  ältester  form : 
sg.  nom.  ccelf,  gen.  calfur,  dat.  *calfur,  acc.  ccelf,  pl.  nom.  acc. 
calfur,  -erii,  gen.  "^calfra,  dat.  ^calfrum;  spätnorth.:  sg.  nom. 
^'ccelf,  gen.  ccelfes,  pl.  nom.  calfero,  gen.  calfra  (Regius-Ps.:  sg. 
cealf,  calfes,  pl.  cealfru);  spätws.:  sg.  cealf  (bez.  daraus  ent- 
Beiträge zur  geschichte  der  deutschen  spräche.  XXXI.  Q 


82  WEYIIE 

staiidenes  cclf),  cealfes,  ccalfe,  \)\.  cedlfas,  cealfa,  cealfon.  ]\ran 
sieht  daraus,  dass  der  übertritt  eines  5-stammes  in  die  a-klasse 
vom  ae.  aus  nicht  ohne  weiteres  zum  ansatz  einer  nom.-acc- 
hihlung  auf  -az  als  directer  vorform  berechtigt,  die  Verhältnisse 
vielmehr  comi>licierter  liegen. 

Einen  ganz  ähnlichen,  doch  etwas  weiter  in  der  aus- 
gleichung  vorgeschrittenen  stand  finden  wir  bei  dem  worte 
lamm.  Das  spätnorth.  zeigt  hier  dieselbe  beschränkung  der 
r-formen  auf  den  pl.  {lomlor  R-,  lomhor,  lomhoro,  lomhro  Li.), 
der  umgelauteten  form  ohne  r  auf  den  sg.  {lemh  Eit.  47,  7.  18), 
eine  jüngere  entwicklungsstufe  tritt  jedoch  darin  hervor,  dass 
im  sg.  bereits  neugebildete  umlautslose  formen  überwiegen;  den 
beiden  lemh  stehen  im  Eit.  selbst  zwei  lomh,  drei  lomhcs  gegen- 
über, in  E2  und  Li.  sind  überhaupt  nur  diese  mit  zwei  bez.  vier 
formen  belegt.  Dasselbe  gilt  bereits  vom  frühmerc,  wo  der 
Ps.  nur  pluralformen  hat  {lomhiir  113,  4,  lomherii  113,  6,  gen, 
lomhra  [hs.  lohra]  Hy.  7,  26),  der  umlaut  des  nom.  acc.  sg.  aber 
schon  im  acc.  sg.  ceolborlomh  Cp.  752  beseitigt  ist.  Die  laut- 
gesetzliche, dem  gen.  calfur  entsprechende  ältere  singularform 
endlich  hat  das  angl.  auch  bei  diesem  worte  noch  einmal  auf- 
bewahrt, und  zwar  in  der  poesie,  wo  der  dat.  in  der  Verbin- 
dung ic  möt  . . .  godes  lomher  . . .  folsian  'dem  lamm  gottes 
folgen'  Gu.  1015b  {ond  soües  lomher)  belegt  ist.  Zwar  spricht 
Grein,  Sprachschatz  2, 154,  diese  form  als  acc.  an,  jedoch  sicher- 
lich nur,  weil  er,  der  lomh  und  hmhor  als  verschiedene  Wörter 
bucht,  den  dat.  grammatisch  nicht  zu  rechtfertigen  wusste; 
eine  nötigung  liegt  jedenfalls  nicht  vor,  gerade  in  diesem 
falle  die  seltene,  z.  b.  im  Beda  (Wülfing,  Sj'ut.  Alfreds  s.  190. 
Sarrazin,  Zs.  fdph.  29,  224.  Deutschbein,  Beitr.  26, 174.  Klaeber, 
Anglia  25,  281)  belegte  construction  von  folsian,  fyls{c)an  mit 
acc,  nicht  die  auch  in  der  poesie  gewöhnliche  mit  dat.  anzu- 
nehmen. Am  weitesten  in  der  ausgleichung  ist  auch  hier  der 
Süden,  wo  Jordan  a.a.O.  s.  155  f.  ausser  pl.  lamhru  Th.  Ps., 
lamhra  Spelm.  Ps.  nui'  formen  ohne  r,  und  zwar  pl.  lamh,  gen. 
lamha  widerum  schon  im  9.  jh.  belegt. 

Stehen  wir  dermassen  bei  lemh,  lamh  wesentlich  auf  einem 
trümmerfelde,  so  gestattet  dagegen  bei  einem  anderen  5-stamm 
die  poesie,  das  altangl.  paradigma  noch  unversehrt  aufzubauen. 
Für  hrcd  'rühm,  freude'  als  Simplex  oder  zweitem  compositions- 


ZUR  WESTGERM.    GRAMMATIK,  83 

glied  gewährt  Greiiis  Sprachschatz  neimzehii  belege,  die  sich 
auf  nom.  acc.  sg.,  dat.  sg.  und  gen.  pl.  verteilen.  Der  nom.  acc. 
sg.  lautet  hred  (drei  bez.  vier  mal),  der  dat.  hrödor,  liröder 
(sechs  mal)  sowie  liröörc  (fünf  mal),  der  gen.  pl.  lirödra  (vier 
mal);  dative  wie  Vireäe,  gen.  pl.  wie  '^lireöa  begegnen  ebenso- 
wenig wie  ein  nom.  acc.  sg.  "^hrödor.  Alle  vier  casus  sind 
z.  b.  im  Beowulf  belegt,  wo  das  möglicherweise  verderbte 
siseltreö  490  ausser  betracht  bleiben  mag,  sonst  aber  neben- 
einander stehen  der  nom.  sg.  819  Beoivulfe  weard  ^iiöhreö 
syfcde,  der  acc.  2575  swä  him  ivyrd  ne  ^escräf  hred  cet  hilde, 
der  dat.  2448  öonne  Ms  sunu  han^aÖ  hrefne  tu  hrüdre,  und  der 
gen.  pl.  2171  ivces  . . .  gelnvmöer  odrimi  lirüöra  semyndig^  in 
genauer  entsprechung  also  der  flexion  von  ccelf  im  merc. 
Psalter.  Eine  leichte  neubildung  stellt  lediglich  das  hier  wie 
noch  vier  mal  ausserhalb  des  Beowulf  belegte  hrüdre  neben  dem 
älteren,  sechs  mal  bezeugten  hrödor  {-er)  dar,  welch  letzteres 
übrigens  direct  in  den  Beowulftext  einzusetzen  sein  wird,  vgl. 
Sievers,  Beitr.  10, 245.  233  sammt  fussnote.  Einen  nom.  acc.  sg. 
"^hrödor  erfordert  eine  derartige  teilweis  wol  den  Schreibern 
zur  last  fallende  Umbildung  bei  dem  Vorhandensein  flexivisch 
den  a-stämmen  gleichender  pluralformen  natürlich  keineswegs, 
vgl.  das  für  das  älteste  ahd.  mit  Sicherheit  zu  erschliessende 
paradigma  sg.  chalb,  chalhires,  chalhire,  pl.  chalhir,  chalbiro, 
chalhirum  Paul,  Beitr.  4,  417,  fussnote  unten.  Der  alte  gen. 
sg.  kann  in  hrödorleas  (Höllenf.  62  hrödorJeasne,  hs.  hrojjor-) 
vorliegen,  vgl.  hrödra  leas  An.  1367:  hrödorleas  würde  sich 
zum  nom.  hred  verhalten  wie  im  VPs.  das  durchgängige  fea- 
durleas  zum  nom.  feder. 

Die  ableitungen  hredis,  hredan  (ohne  r  wie  si^orian,  oder 
s  wie  hcelsian)  gehen  entweder  von  einem  verschollenen  parallel- 
stamm aus,  vgl.  got.  hröjjeigs  neben  'PcodsoTeog  (?),  aisl.  hröjmgr 
neben  hr6J)r,  gen.  hröprs  {-rar)  und  HräreJcr  (nach  Liden,  BB. 
21, 105  <  ^Hröjjiü-r-),  oder  sie  sind  im  anschluss  an  den  nom. 
gebildet  worden;  dieselben  möglichkeiten  liegen  vor  zur  erklä- 
rung  der  lautform  im  compositionseingang,  wo  die  lebendigen 
Zusammensetzungen  umlaut  zeigen  {hredleas,  gen.  pl.  hredsisora, 
hredeadi^  gleich  an.  hröpraupiyr,  welchem  ae.  hrödorleas  auch 
entsprechen  kann),  während  die  schon  früh  belegten  personen- 
namen   zwischen    Hröd-   und   Hrwd-,  Hred-   schwanken,    vgl. 

6* 


84  WKYHE 

Sievers,  Beitr.  27, 207  unter  1.  ]\riiller,  Die  namen  des  north.  LV. 
s.  106.  Denn  auch  die  unilautslose  form  würde  der  zurück- 
fiihrung  auf  ein  ""hropi-,  das  vom  nom.  *hrö])iz  aus  nacli  ana- 
logie  der  /-stamme  ältere  bildungen  mit  z  (r)  verdrängt  hätte, 
niclit  widerstreben,  vgl.  Sievers  a.a.O.  unter  2  über  Saherht 
neben  Scrherht. 

Wie  bereits  Juh.  Schmidt  a.a.o.  s.  151  erkannt  zu  haben 
scheint,  herscht  die  spätnorth.,  bei  ccelf,  pl.  calfero  und  lemh, 
pl.  lomhor  {-oro,  -ro)  zu  beobachtende  Verteilung  weiterhin  auch 
bei  dem  sg.  dw^,  pl.  dösor  'tag'  in  Li.  Nach  dem  glossar  von 
Cook,  dessen  anordnung  diesen  Zusammenhang  allerdings  nicht 
zur  geltung  bringt,  ist  hier  der  plural  belegt  im  dat.:  cefter 
hicem  do^rnm  'post  biduum'  Mt.  I  22,  4.  26,2.  Mc.  14, 1,  oifter 
örüm  do^rum  'post  triduum'  Lc.  2,46,  sowie  im  acc.  drco  do^or 
'triduum'  Mc.  14,58,  ^rio  do^or  'triduo'  Mt.  15, 32.  Mc.  8, 2. 
Dieselbe  stammgestalt  erscheint  ausserdem  in  einem  adjectivi- 
schen  compositum,  das  zur  glossierung  von  quadriduanus  an 
derselben  stelle  dient,  wo  die  got.  Übersetzung  TsragraroQ  mit 
fidiirdögs  v^id.ergiht;  J.  11, 39  'domine,  iam  faetet,  quadriduanus 
enim  est'  =  drihten,  uutudlice  stenccÖ,  feoer-doser  fordon  is  = 
fravja,  ju  fuls  ist,  fidurdogs  auk  ist]  ferner  J.  I  6,  8  'Lazarum 
quadriduanum  mortuum'  =  latzarum  feodordoser  dcad.  Wäh- 
rend in  dem  zweiten  glied  des  got.  Wortes,  einer  bildung  wie 
tiüalihivintrus  'zwölfjährig',  wahrscheinlich  ein  dem  a-stamm 
dags  paralleles  '^d'ösci-z  steckt  (vgl.  Kluge,  Pauls  Grundr.  l-,475), 
würde  man  im  ae.  die  fortsetzung  von  '^-äosuz-ki-  nach  art  von 
tiveifwintre  'zwölf  jähre  alt'  u.dgl.  erwarten,  bildungen,  deren 
zweites  glied  häufig  der  angleichung  an  das  simplex  erliegt, 
so  in  fiöer-  (>  fyder-)föte,  angl.  feodorfota  Li.  J.  4, 12  'vier- 
füssig',  ändcese  'einen  tag  dauernd',  drlseare  'drei  jähre  alt' 
(Sievers,  Beitr.  27,  208).  Auch  hier  werden  die  r- casus  des 
subst.  gewirkt  haben,  indem  nach  feoiver  dujor  'vier  tage' 
*feodor-  (feower-)  dö^re  'viertägig'  statt  "^feodordcösre  eintrat 
und  dann  von  den  übrigen  casus,  wie  dem  gen.  feodordösres, 
ein  neuer  nom.  sg.  masc.  fcoöordöser  abstrahiert  wurde.  In 
der  glossierung  von  cßiadriduanus  durch  R^  j^  n^  39  feoiver- 
dogor  ist  der  einfluss  des  simplex  auch  an  dem  vocal  der 
zweiten  silbe  deutlich,  während  die  ws.  fassung  der  Corp.-hs. 
gewant   übersetzt:    he  stin^d,  he  tvces  for  fcowur  da^on  dead. 


ZUR   WESTGERM.   GRAMMATIK.  85 

Im  sg.  des  subst.  dagegen  gilt  also  durcliaus  nom.  döej,  dat. 
acc.  döe^e,  dcej,  zusammen  bei  simi)lex  und  zweitem  zusammen- 
setzungsteil sammt  einem  doeghwcemlice  rund  vierzig  belege. 

Neben  diesem  5 -stamme  nun  geht  in  Li.  das  nach  der 
a-klasse  flectierende  dces,  pl.  da^as  einher:  insofern  bereits 
ohne  bedeutungsverschiedenheit,  als  in  den  fällen,  wo  dwj, 
dösor  verwendet  wird,  überall  auch  formen  von  dce^  belegt 
sind;  'post  triduum'  also  wird  auch  widergegeben  dui'ch  oefter 
drim  dagum,  neben  sunna-,  symhel-,  Wödnes-dmg,  döe^Jiw Wmlice 
bestehen  sunna-dceg  u.s.w. 

Ausserhalb  von  Li.  geht  dies  noch  weiter.  Li.  scheint 
der  einzige  ae.  text  zu  sein,  der  die  fortsetzung  von  nom.  acc. 
sg.  *äösis  noch  überliefert:  in  allen  anderen  ist  sie  durch  dce^ 
verdrängt,  selbst  in  W-,  wo  die  pluralformen  örio  dogor  Mc. 
8,2,  cefier  örim  do^rum  L.  2, 46  an  allen  den  stellen,  wo  Li. 
singularisches  dws  bietet,  vielmehr  dces  zur  seite  haben.  Es 
ist  schwierig  zu  entscheiden,  wann  diese  ersetzung  speciell  im 
merc.  stattgefunden  hat;  in  den  frühmerc.  quellen  der  OET. 
ist  der  stamm  nicht  vertreten,  formen  wie  du^rum  fehlen  ebenso 
wie  döe^. 

Wendet  man  sich  also  den  poetischen  texten  zu,  um  hier 
wenn  möglich  aufschluss  über  das  der  flexion  von  Li.  zu  gründe 
liegende  ältere  angl.  paradigma  zu  gewinnen,  so  wird  man 
diese  Verhältnisse  im  äuge  behalten  müssen.  Man  kann  nicht 
erwarten,  eine  form  döeg  oder  *dej  noch  unmittelbar  vorzufinden; 
eine  solche  wäre  sicher  von  den  südlichen  Schreibern  durch 
das  ihnen  geläufige  dce^  ersetzt,  das  metrisch  gleichwertig  war. 
Andrerseits  aber  ist  mit  der  mögiichkeit  zu  rechnen,  dass 
wenigstens  in  einem  teile  der  originale  das  paradigma  durch 
die  in  lebendiger  Sprachentwicklung  erfolgte  ersetzung  von 
döe^  durch  dce^  bereits  gesprengt  war,  so  dass  die  r- casus  in 
der  luft  hiengen  und  eine  neubildung  der  fehlenden  formen 
herbeiführen  konnten. 

Im  Beowulf  finden  wir  ausser  dem  compositum  dögorgerimes 
2728a  belegt:  den  gen.  sg.  ö^res  dolores  219b.  605b,  endedö- 
sores  2896  a,  für  urspr.  ^dösor\  den  instr.  sg.  pys  düsor  ]M 
1395a,  daneben  sicylce  J^y  dolore  1797  b,  forman  dolore  2573b, 
gleichfalls  für  in  den  text  zu  setzendes  dö^or,  s.  oben  das  citat 
bei  hrööre]    den  gen.   pl.  Imt  he  dö^ora  seliwmn  88a,    dosra 


86  WEYHE 

^cliwylcc  1090a.  dö^rra  dtvsrmi  823a;  endlich  den  dat.  pl.  ufaran 
(lösrum  2200b.  2392a.  Ein  nom.  acc.  sg.  *dögor  fehlt,  an  ent- 
sprechender stelle  steht  vielmehr  dcr,^;  beachtenswert  hierfür 
ist  besonders  die  flexion  von  cndcdcp,<;:  nom.  sg.  j)«  n'ces  endcdc^ 
{^ödum  gc^ovgen)  3035b,  gen.  sg.  {o7i  ivmum)  ended ösor es  2896 Si, 
acc,  sg.  o])de  cndcdmg  {. . .  s<^^idan)  637b. 

j\ran  wird  hieraus  schliessen  dürfen,  dass  das  original  des 
Beowulf  entweder  noch  die  flexion  nom.  acc.  sg.  das,  dat.  dö^or 
besessen  hat  oder  aber  dass  es,  falls  in  seiner  spräche  döe^ 
schon  durch  dcej  ersetzt  war,  die  r-formen  noch  gemäss  der 
technik  einer  zeit  verwante,  in  der  dßc^  lebte.  Zweifelhaft 
bleibt  es  dabei,  ob  für  den  überlieferten  metrisch  falschen  gen. 
dolores  gleichfalls  noch  dösor  oder  ob  vielmehr  schon  dösres 
einzusetzen  ist;  nach  tiexionen  wie  wom.  föt,  gen.fötes,  dat. /c/; 
hoc,  böce,  hec,  ws.  freond,  freondcs,  friend  kann  sehr  wol  die 
nach  art  von  ahd.  clialh,  clialbires  vorgenommene  analogische 
Umbildung  des  gen.  der  des  dat.  vorangegangen  sein,  gerade 
dadurch  eine  differenzierung  der  beiden  casus  bewirkend.  Dass 
der  um  mehr  als  ein  Jahrhundert  jüngere  merc.  Psalter  bei 
ccelf  noch  die  alte  genitivform  bewahrt  hat,  ist  hierfür  natür- 
lich nicht  strict  entscheidend. 

Ausserhalb  des  Beowulf  belegt  Grein  das  wort  einmal  im 
dat.  sg.:  py  fcoröan  dolore  Jud,  12  (hierzu  Luick,  Beitr.  11,  491 
unten),  und  einmal  im  dat.  pl.  ceftcr  dögruni  Hy.  4,  51,  ausser- 
dem den  gen.  pl.  in  den  formelhaften  Verbindungen  dö^ra  {-ora, 
-era)  rlm  (parallel  dem  compos.  dö^or(^e)nm)  und  dögm  sc- 
]nnjlce,sehwylcne,^ehicäm.  Einzige  ausnähme  macht  der  (jüngere) 
Gu.,  wo  dö^or  auch  als  nom.  acc.  sg.  erscheint.  Aber  wenn 
hier  der  nom.  und  acc.  sg.  endedögor  905.  1125.  1174.  1259, 
der  nom.  pl.  dö^or  1011  und  der  dat.  sg.  endedögor  1140  gleiche 
form  zeigen,  so  dürfte  schon  das  für  die  Jugend  des  paradigmas 
sprechen,  eines  gegenstücks  zu  der  flexion  von  nueg  in  der 
Jud.,  wo  in  ähnlicher  weise  der  neugebildete  nom,  acc.  sg. 
mcp^ö  (s.  oben)  mit  dem  gen.  sg.  (335)  und  dem  nom.  pl.  (135) 
identisch  ist. 

Im  Beda  finde  ich  den  gen.  pl.  Imra  nehstena  dosra  Füller 
1,  268, 12  und  den  dat.  sg.  to  ]mm  ytma'stan  {mUnuestan)  do^or 
1,286,2. 11;  in  der  südlichen  prosa  älterer  zeit  (über  das  ev, 
vorkommen  im  spätws.  fehlen  mir  Sammlungen)  begegnet  nur 


ZUR  WESTGERM.   GRAMMATIK.'  87 

noch  der  dat.  sg.  in  einer  formelhaften  Verbindung:  uferran 
dogor  'in  späterer  zeit'  kent.  urk.  v.  805  (OET.  Ct.  34, 16), 
yferran  dosre  kent.  urk.  v.  835  (ehda.  41,  23),  uferran  dolore 
CP.  281, 13,  uferan  dolore  Or.  168,  6  (vgl.  Cosijn,  Aws.  gr.  2,  52). 

Auch  hier  ergibt  sich  also  mit  einer  an  Sicherheit  grenzen- 
den Wahrscheinlichkeit  als  älteste  flexion:  sg.  döes,  *dösor,  dögor, 
dce^]  pl.  dösor,  dögra,  dögnim,  dUgor. 

Ausser  bei  den  genannten  vier  stammen,  ^TialTjis  I  uz-,  Ham- 
^izjus-,  Viröpiz  I  uz-  und  *d^öjiz  I  uz-,  ist  die  alte  flexion  der 
?>/w^- Stämme,  so  viel  ich  sehe,  nicht  mehr  direct  nachweisbar, 
was  zum  teil  an  den  Zufälligkeiten  des  materials  aus  älterer 
zeit  liegen  kann.  Wenigstens  hat  die  poesie  auch  sonst  noch 
vereinzelte  reste  bewahrt.  So  ist  zu  dem  nom.  sg.  *haüiz 
>  hml  'omen'  (glückliches)  Vorzeichen,  heil'  gleich  an.  hcill 
neutr.  (Kluge,  Anglia,  Anz.  5,  85),  vgl.  zur  bedeutung  Jml  gc- 
hleotan  'heil  erlangen',  eigentlich  'durch  losen  ein  günstiges  Vor- 
zeichen erhalten',  zur  Stammbildung  Juelsian,  hälsicm  'nach  Vor- 
zeichen schauen,  beschwören  u.s.w.',  noch  dreimal  der  dat.  hälor 
belegt  Jul.  327.  360.  440;  ebenso  begegnet  zu  sele  <  "^saliz 
'saal'  noch  zweimal  der  dat.  salore  in  der  Verbindung  tö  salore 
ladian  El.  382  b  {heo  tö  salore  eft)  und  552  a  {sec^as  tö  salore), 
an  versstellen  also,  wo  die  jüngere  neubildung  auf  -e  nach 
art  von  hröÖre,  dö^re  metrisch  sicher  steht,  i)  Klar  liegt  die 
ursprüngliche  Verteilung  von  auslautendem  -iz  des  nom.  acc. 
sg.,  inlautendem  -uz-  der  übrigen  casus  ferner  zu  tage  bei  dem 
stamme  ^sisizjuz-  'sieg',  der  sich  in  zwei  neue  paradigmen 
gespalten  hat,  nom.  si^e,  gen.  si^es  und  gen.  sl^ores,  nom.  sigor. 
Als  rest  der  alten  flexion  ist  hier  der  dat.  si^or  bekannt  (z.  b. 
E'  12,  20,  ivissigor  Beow.  1554),  auf  die  ursprüngliche  einheit 
des  Paradigmas  deutet  wol  auch  noch  das  durchgängige  i  von 
sigor  gegenüber  dem  e  der  urgerm  grundform  zurück  (ai.  sdhas-, 
anorw.  Siugurjyr  u.s.w.,  vgl.  Noreen,  Ark.  f.  n.  fil.  3,  15,  fuss- 
note);  im  sg.  des  alten  paradigmas  war  i  lautgesetzlich,  teils 
vor  dem  i  der  nächsten  silbe  i^si^Kz)),  teils  vor  der  folge  -u  —  i 
{*seguzi  >  ^st'^uri)]  schon  damals  wird  das  i  auch  in  die  plural- 

1)  Scel  dagegen  ist  M'oI  einfach  als  parallelstamm  nach  der  o-klasse 
aufzufassen,  neutrum  wie  z.  b.  Ms,  vgl.  das  denominativum  got.  saljan; 
heispiele  für  solches  nebeneinander  bei  Noreen,  IF.  4,  323.  Osthoff,  Beitr. 
13, 406.  Etym.  parerga  s.  309  f. 


88  WEYHE 

formen  wie  si^ora  gedrung-en  sein,  die  ihrerseits  im  verein  mit 
dem  lautgesetzlichen  gen.  dat.  sg.  der  überwiegenden  lang- 
silbigen  wie  calfur,  dusor  dem  gen.  dat.  sg.  -ur,  -or  (nicht  ■-ir, 
-er)  bewahrt  oder  widerhergestellt  haben. 

Durchgeführt  ist  das  -ur-  der  flectierten  casus  in  irildoy 
•wild',  das  dem  alid.  iriU,  dat.  pl.  uuildlrun  entspricht  (Sievers, 
Beitr.9,253.  10.486.  Wilmanns,  Deutsche  gr.  2'^  §253,2;  über 
ein  ev.  aus  dem  me.  zu  erschliessendes  ae.  *«-i7rf  Bosw.-T.  1224). 
Begünstigend  hat  hierbei  wol  die  frühzeitige,  schon  im  wild- 
deor,  wüdeor  des  merc.  Psalters  hervortretende  anlehnung  an 
deor  *tier'  mitgewirkt,  welch  letzteres  als  zweites  compositions- 
glied  über  -deor  zu  -dor  werden  konnte,  vgl.  Sievers,  IF.  14,32  f.; 
es  dürfte  daher  nicht  einmal  sicher  sein,  ob  das  -or  einer  form 
wie  ivildorlice  CP.  109,  23  H  auf  directer  fortsetzung  des  alten 
-uz-  beruht  oder  zu  dem  wildiorlice  von  C  im  gleichen  Ver- 
hältnis steht  wie  z.  b.  headorhund  'hirschhund'  zu  liea{h)deor 
'  hochwild,  hirsch '. ') 


1)  -or  ferner  in  dem  einmaligen  grondorleas  Jul.  271  gegen  au.  grand- 
latiss;  neben  aepw  'dodrans'  Ef.  316,  e^ur  Cp.  702  lind  poet.  ?(a)gor-here, 
-strMm  (dazu  Par-p-und,  -^ehland)  findet  sich  vom  nom.  aus  gebildetes  ?^- 
(e/i-,  Mh-)  strcavi,  ä'^-flota,  -weard;  falls  c^iir  aus  '^'(r^(H)uz-  entstanden  ist 
(Pogatscher,  ESt.  27,  223  f.),  kann  Pp  natürlich  auch  auf  noni.  acc.  "^(fj^/Xz), 
mit  g  statt  ?('  von  den  flectierten  casus,  zurückweisen.  Shdor  ist  adj..  s. 
Bosw.--Toller  s.  930;  zweifelhaft,  ob  Ä-stamm,  hocor  'spott',  das  Bosw. -Toller 
s.  54S  im  dat.  m/'d  hocere  und  in  der  Zusammensetzung-  hocorn-yrde  belegt, 
während  die  angaben  über  die  quantität  des  tonvocals  variieren  (für  länge 
kann  die  Zusammenstellung  mit  ahd.  huoh  [s.  z.b.  v. Bahder,  Yerbalabstracta 
s.  55],  das  h  hat,  vgl.  auch  and.  hoililc  'ridiculum'  AVadstein,  KAS.  92,2, 
ebensowenig  sprechen  wie  für  kürze  die  etymologische  Verknüpfung  mit 
ae.  Imx,  Mise,  da  bei  letzterem  worte  die  priorität  der  folge  -sk-  doch  wol 
durch  and.  AosÄ;,  mhd. /toscAe  'spott',  hoschen  'spotten'  gewährleistet  und 
auch  durch  das  neben  hyscan  begegnende  hyxan  nicht  widerlegt  wird: 
lautgesetzlich  konnte  das  palatale  sc  des  urspr.  *huskiaH  allerdings  keine 
metathese  erfahren ,  avoI  aber  im  Süden  ein  hyxa)i  nach  dem  regelrecht 
aus  hiisc  entstandenen  hüx  gebildet  werden,  vgl.  z.b.  Napier,  OE.  gll. 
1, 5201  hux,  5229  hihsendes).  Auf  einen  ausgang  -»(.~)  des  nom.  acc.  sg. 
deutet  dagegen  im  ae.,  so  viel  ich  sehe,  bei  den  allein  in  frage  kommenden 
kurzsilbigen  mit  Sicherheit  nichts  zurück  (kühne  herleituugsversuche  z.b 
von  socl  aus  *sdluz  bei  van  Helfen,  Beitr.  15,  4S2f.);  speoniliran  'suras'  Lor.- 
gU.  55  (OET.  173)  gehört  zu  spcanva  'wade',  und  Ep.  lOlS  spcrumiyrt 
kann  kaum  als  altertümlicliere  form  des  späteren  .ij^nriryrt  angesehen 
werden,  da  Ef.  vielmehr  smerumiyrt,  Cp.  smeoruicyrt  haben. 


ZUR   WESTGERM.   GRAMMATIK.  89 

Dieser  hauptgruppe  der  ae.  5 -stamme  stehen  ein  paar 
Wörter  gegenüber,  welche  jene  Verteilung  von  -iz!-uz-  ebenso- 
wenig mehr  nachweisen  wie  direct  erschliessen  lassen:  sie 
zeigen  das  r  des  Stammes  bez.  der  urspr.  obliquen  casus  auch 
in  Verbindung  mit  einem  vorausgehenden  e,  das  auf  i  zurück- 
geführt werden  kann  oder  muss.  Bei  linder,  hryder  'rind'  hat 
der  alte  nom.  sg.  nur  noch  in  Zusammensetzungen  wie  hnö- 
falä,  angl.  hridkioräc,  auch  dem  flurnamen  Hrldden  seine  spuren 
hinterlassen  (Sievers,  Ags.  gr.^  §  289,  anm.2.  Jordan  a.a.O.  s.l61  f. 
Middendorf,  Ae.  flurnamenbuch  s.  77);  wenn  hier  neben  über- 
wiegendem hryöer,  -eres,  -ere  u.s.w.  umlautslose  formen  wie 
pl.  hrüöeru  selten  sind,  so  kann  eine  ältere  flexion  "^hryö,  gen. 
VirüÖres,  lirüöra  u.s.w.  sammt  folgenden  ausgleichungen  eben 
nur  vermutet  werden.  Dasselbe  gilt  von  südengl.  ear  <  *ahus- 
'ähre'  gegen  north,  dat.  sg.  cehher  E^,  dat.  sg.  eher,  pl.  ehras, 
ehera  Li.  Qi  =  hli),  merc.  acc.  pl.  ear  Cp.  1892  neben  acc.  pl. 
cechir  R'  12, 1  (urspr.  nom.  sg.  ''^ahi^?  ^ahtviz?),  wo  die  formen 
mit  hh  an  sich  der  beurteilung  Schwierigkeiten  bereiten.  Wäh- 
rend die  flexion  sg.  cp^,  -es,  -e,  pl.  cegru,  -a,  -um  'ei'  über  die 
qualität  des  sjnikopierten  vocals  keine  auskunft  gibt  (Sievers, 
Ags.  gr.3  §  290,  anm.  1),  scheint  endlich  Ep.  429  ae^ergcUi  eher 
auf  "^aiiaz-  als  "^aiiuz-  zurückzuweisen:  hier  hätten  wir  even- 
tuell die  spur  eines  anderen  urgerm.  flexionstypus  der  s-stämme 
vor  uns.  Um  die  ursprüngliche  Verteilung  des  sufflxablauts 
auf  das  paradigma  der  i>/«^- stamme  kennen  zu  lernen,  wird 
man  sich  natürlich  an  die  Wörter  halten  müssen,  die  auch  in 
ihrer  flexion  als  consonantische  stamme  dem  ursprünglichen 
am  nächsten  stehen. 

Ergibt  sich  danach  für  die  überwiegende  mehrzahl  der  ae. 
5-stämme  mit  Sicherheit  ein  nebeneinander  von  auslautendem 
-iz  >  -i  des  nom.  acc.  sg.,  inlautendem  -uz-  >  -ur-  der  übrigen 
casus  in  urengl.  zeit,  so  darf  man  in  dieser  wie  immer  zu  er- 
klärenden Verteilung  zugleich  einen  massstab  für  entsprechende 
erscheinungen  des  sufflxablauts  anderer  kategorien  erblicken. 
Vorsicht  allerdings  ist  geboten  vor  allem  bei  einer  projicierung 
ins  urgerm.,  insofern  mau  von  dieser  sprachstufe  als  einer 
einheitlichen  urform  der  späteren  einzeldialekte  ausgehen  will; 
man  vergleiche  z.  b.  die  verschiedenen  rückschlüsse,  zu  denen 
das  an.  einerseits,  das  ae.  andrerseits  in  bezug  auf  die  abstufung 


00  WEYHE,   ZUR   -WESIGERM.   GRAMMATIK. 

germanischer  nachkommen  von  indog.  -vno-,  -ono-  geführt  liat 
für  das  urnord.  crschliesst  Noreen,  IF,  14,  399  f.  eine  fiexion 
nom.  sg.  *npinan  'offen'  >  ypinn,  aber  pl.  *niKmCn  >  opnir, 
indem  -in-  vor  sclnvächer,  -an-  vor  stärker  betonter  folgesilbe 
gestanden  liätte;  für  das  urengl  legt  Bülbring,  IF.  Anz.  12,  HO  f., 
andeutungen  von  Sievers  und  Chadwick  weiterführend,  das 
vei-hältnis  von  fiüihae.  gilaen  und  forslesinum  vermutungsweise 
dahin  aus,  dass  -aen  aus  -enas  erhaltung  des  e  (als  ce)  vor 
folgendem  minderbetonten  vocale,  -huim  dagegen  Übergang  von 
e  zu  i  vor  schwererer  endung  zeige. 

Dagegen  war  z.  b.  schon  oben  darauf  hingewiesen,  dass 
die  bei  dem  5-stamme  cwlf,  ebenso  bei  Icnih  und  dwg  im  spät- 
north,  zu  beobachtende  Umformung  der  singularflexion  nach 
dem  nom.  acc.  auf  -?(^)  unter  gleichzeitiger  bewahrung  des 
-?(/•-,  -or-  im  pl.  dem  stände  der  eddischen  tlexion  von  sg.  nom. 
Jialr  dat.  acc.  hal,  pl.  gen.  ]wl])a,  dat.  holpum  (nom.  holpar,  acc. 
hgljjü)  entspricht.  Da  nun  aus  dem  älteren  ae.  hervorgeht, 
dass  bei  den  ?>/tf^- stammen  auch  der  gen,  dat  ^g.  ursprüng- 
lich den  suffixvocal  ti  gehabt  hat,  wird  es  gerade  in  diesem 
falle  nicht  zu  kühn  sein,  die  an  früherer  stelle  für  den  ^stamm 
hcele  vorausgesetzte  urengl.  abstuf ung  halij)  j  up  nach  massgabe 
der  bei  den  5-stämmen  noch  in  historischer  zeit  belegten  Ver- 
teilung anzusetzen. 

In  der  tat  würde  sich  damit  zugleich  die  entstehung  der 
überlieferten  lautform  frühae.  h^lidum,  gemeinae.  liale,  ha'lcd 
am  ungezwungensten  erklären:  galt  *hali{J))  nur  im  nom.  (und 
acc.)  sg.,  sonst  aber  *h(duj);  so  wäre  der  im  gen.  dat.  sg.  und 
nom.  pl.  lautgesetzlich  entwickelte  vocalismus  (*Aa/»7"  >  */'«?(/> 
>  *hceli])  >  liceUd)  genau  in  derselben  weise  verallgemeinert 
worden  wie  bei  mcvg,  und  nur  die  beseitigung  der  in  diesem 
falle  im  vocalismus  abweichenden  nom.-acc.-form  käme  hinzu 
i^hali  statt  Viceli  oder  auf  jüngerer  stufe  *h(Eli  statt  *h('Ii); 
damit  hätte  dann  in  der  ausgleichung  des  vocalismus  von  mw^ 
und  hcele  dieselbe  übereinstimnning  geherscht  wie  auf  der 
andern  seite  bei  den  singularia  tantum  ws,  calti  und  mioloc. 

LEIPZIG,  december  1904.  HANS  WEYHE. 


DIE  ALLITERATION  IM  EDDISCHEN 
FORNYRDISLAG. 

Ein  beitrag  zur  keiintnis  des  altgermanisclieu 

satzaccents. 

§  1.  Nachdem  F.  Vetter')  im  jähre  1872  an  vorher- 
gehende bemerkungen  W.  Wackerna  gel  s^)  und  M.  Riegers  3) 
anknüpfend  endgiltig  die  unhaltbarkeit  der  vierhebungstheorie 
Lachmanns^)  und  seiner  nachfoiger  dargetan  und  so  für  ein 
richtiges  Verständnis  des  altgerm.  alliterationsverses  die  bahn 
geebnet  hatte,  gab  1876  M.  Rieger  zum  ersten  male  vom 
Standpunkt  der  zweihebungstheorie  aus  eine  ausführliche  dar- 
stellung  der  alt-  und  angelsächs.  verskunst  (Zs.  fdph.  1,  7  ff.). 
Das  hauptresultat  dieser  Untersuchung  war  die  wichtige  er- 
kenntnis,  dass  der  wgerm.  av.  die  tonabstufungen  des  ge- 
sprochenen Satzes  bis  ins  einzelnste  widerspiegelt,  dass  somit 
Versbau  und  alliteration  mit  dem  germ.  expiratorischen  satz- 
accent  eng  zusammenhängen.  Ferner  hatte  sich  ergeben,  dass 
die  aus  dem  Heliand,  Beowulf  und  Cynewulfs  werken  abstra- 
hierten alliterationsgesetze  in  der  jüngeren  ags.  dichtung  mehr 
und  mehr  an  geltung  verlieren.  Das  an.  schloss  Eieger  ('zu- 
frieden dessen  Übereinstimmung  in  allem  wesentlichen  erkannt 
zu  haben')  von  seiner  betrachtung  aus,  und  zwar  hauptsäch- 
lich deshalb,  weil  schon  zwei  jähre  vorher  K.  Hildebrand  in 
seiner  arbeit  über  Verstellung  in  den  Eddaliedern  (Zs.  fdph,, 


1)  F.  Vetter,  Zum  Muspilli  und  zur  altgermanischeu  alliterationspoesie, 
Wien  1872. 

^)  W.  Wackernagel,  Lit.-gesch.^  s.  45  f.  46,  anm.  4. 

3)  M.  Rieger,  Germ.  9,  295  f. 

'•)  Lachmann,  Ueber  ahd.  betonung  und  verskunst,  Schriften  1,  358  f. ; 
Ueber  das  Hildebrandslied,  Schriften  1, 407  f. 


92  WEXCK 

erg.-bd.)  dieselbe  frage  aufgeworfen  und  allerdings  mehr  an- 
deutend^) als  erschöpfend  beantwortet  hatte.  Somit  fehlt  bis- 
lang eine  eingehende  Untersuchung  der  eddischen  dichtung. 
Was  das  fornyröislag  angeht,  das  als  nächster  verwanter  des 
wgerm,  av.  an  erster  stelle  in  betracht  kommt,  so  gibt  Sievers^) 
nur  einige  allgemeine  bemerkungen,  deren  richtigkeit  durch 
das  verhalten  der  anderen  germ.  sprachzweige  gesichert  ist; 
betreffs  der  einzelheiten  verweist  er  ausdrücklich  auf  den  er- 
wähnten mangel.  Dagegen  übertragen  E.  Brate')  und  Holt- 
hausens)  die  von  Eieger  gewonnenen  sätze  ohne  weiteres  auf 
die  Eddalieder,  und  begnügen  sich  mit  dem  bemerken,  die 
alten  regeln  seien  besonders  in  den  jüngeren  gedichten  häufig 
dui'chbrochen. 

§  2.  Stellt  nun  der  Beowulf,  der  klassischeste  Vertreter 
der  wgerm.  alliterationsdichtung,  die  letzte  für  uns  erreichbare 
stufe  der  wgerm.  technik  dar,  so  wird  er  höchstwahrscheinlich 
im  wesentlichen  noch  die  altgerm.  technik  repräsentieren.  In 
diesem  falle  müssen  etwaige  abweichungen  der  eddischen 
technik,  speciell  im  fornyröislag,  als  product  einer  secundären 
entwicklung  angesprochen  werden.  Eine  definitive  entscheidung 
dieser  frage  ist  jedoch  nur  auf  grund  einer  Beowulfstatistik 
möglich,  wie  sie  bis  jetzt  nicht  vorliegt  und  späterer  Unter- 
suchung vorl)ehalten  bleiben  muss.  Die  folgende  Untersuchung 
beschränkt  sich  daher  zunächst  darauf,  ein  vollständiges 
bild  der  eddischen  technik  im  fornyrcMslag  zu  ent- 
werfen.') An  der  hand  der  Statistik  soll  weiter  der  versuch 
gemacht  werden,  in  die  kenntnis  des  altgerm.  satzaccents 
tiefer  einzudringen. 


•')  Die  Zahlenangaben  Hildebrands  s.  114f.  beschränken  sich  nnr  auf 
das  rcimverhältnis  von  adj.,  poss.  pron.,  gen.  zum  snbst.  nnd  lassen  vor  allem 
die  Scheidung  der  drei  eddischen  metra  vermit^seu. 

«)  Sievers,  Altgerm.  metrik,  Halle  1893,  §  46, 1.  §  38, 4  (im  folgenden 
als  Sievers  citiert). 

')  Brate,  Fornnordisk  metrik,  Stockholm  1898,  §  27. 

8)  Holthausen,  Aisl.  lesebuch,  "Weimar  1896,  s.  xvii  if. 

')  Diese  Untersuchung  ist  absichtlich  ohne  rücksicht  auf  die  z.  t. 
noch  schwebende  frage  der  Chronologie  der  einzelnen  Eddalieder  geführt, 
imd  zwar  hauptsächlich  um  einer  etwaigen  beeinflussung  durch  leicht  sieh 
einstellende  Vorurteile  bei  der  bctrachtung  zweifelhafter  fälle  vorzubeugen. 
Wenn  ihre  ergebnisse   z.  t.  mit   den   landläutigeu  Vorstellungen   von  der 


ALLITERATION   IM   EDD.    FOENYRDISLAG.  93 

§  :?.  Das  material  der  vorliegenden  arbeit  sind  die  fornyr- 
öislag-lieder  der  Edda:  VQluspc}^)  (Vsp.),  Hymiskvi]?a(Hym.), 
prymskvij^a  (prk.),  Baldrs  draumar  (Bdr.),  Rigsl?ula  (R}'.), 
Hyndluljop  (Hdl.),  VQlundarkvipa')  (Vkv.),  Grottas^ngr 
(Grt.),  Helgakvil^a  Hundingsbana  1  und  2  (HH.  1,  HH.2), 
Helgakvi]?a  Hjorvar]'SSonar  (HHv.),  Gripisspö  (Grp.), 
Brot  (Br.),  Gnjn'ünarkvil^a  1—3  (G]?.),  SigurparkviJ'a 
skanima(Sg.),  Helrei}?  Brynliildar  (Hei.),  Oddrünargratr 
(Od.),  GuJn'iinarliVQt  (Gbv.),  ferner  die  im  gleichen  metruni 
abgefassten  stücke  der  Reginsmyl  (Rg.)  und  Fäfnismol 
(Faf.).  Dagegen  sind  die  vereinzelten  sonst  eingesprengten 
Strophen  und  verse  bei  seite  gelassen  worden,  da  sie  die  resul- 
tate  nicht  im  geringsten  modiflciert  hätten. 

Als  text  lege  ich  S.  Bugges  Norroen  fornkvaeöi,  Kristiania 
1867,  zu  gründe.  2)    Doch  berücksichtige  ich  durchgehends  die 


Chronologie  der  eddischen  gedieh te  in  widersprach  geraten,  so  ist  daraus 
nicht  auf  die  absolute  richtigkeit  der  dargelegten  anschauungeu  zu 
schliessen,  eben  weil  die  Untersuchung  einseitig  geführt  ist.  Ich  will 
vielmehr  damit  nur  betonen,  dass  nach  meiner  Überzeugung  das  form- 
kriterium  bei  einer  endgiltigen  festlegung  der  chronolgie  eine  nicht  un- 
wichtige rolle  mitzuspielen  berufen  ist.  Denn  wenn  einerseits  chronolo- 
gische differenzen  zwischen  den  einzelnen  liedern  unbestritten  sind,  und 
andrerseits  ein  gradunterschied  in  der  technik  der  behandelten  gedichte 
festzustellen  ist,  so  dürfte  es  bei  der  klar  vor  äugen  liegenden  entwicklung 
des  ags.  av.  nicht  allzu  gewagt  erscheinen,  auch  bei  der  Edda  die  chrono- 
logischen unterschiede  mit  denen  der  technik  in  Zusammenhang  zu  bringen. 
Wenn  ich  daher  im  folgenden  von  'liedern  älterer  und  jüngerer 
technik'  rede,  so  verkenne  ich  die  Schwierigkeit  nicht,  die  sich  einer 
glatten  Verteilung  der  lieder  auf  diese  beiden  gruppen  (vgl.  §  67)  entgegen- 
stellt. Denn  für  die  beurteilung  der  technik  ist  nicht  nur  die  zahl  der 
Verstösse,  d.h.  der  abweichuugen  von  der  norm  (diese  sind  z.  b.  in  prk., 
Vsp.,  Hdl.,  Rp.  weniger  zahlreich  als  in  HH.2,  HH.l,  Gp.  2,  Sg.,  Hei.,  Ghv., 
Od.),  sondern  vor  allem  auch  ihre  schwere  in  rechuung  zu  stellen,  und 
gerade  über  den  letzten  punkt  kann  man  oft  verschiedener  meinung  sein. 
Ausserdem  ist  ja  gar  nicht  zu  leugnen,  dass  es  zu  allen  zeiten  gute  und 
schlechte  dichter  gegeben  hat,  d.h.  solche,  die  die  überlieferte  technik 
mehr  oder  weniger  beherschten ,  d.  h.  dass  der  unterschied  in  der  technik 
vielmehr  dem  einzelnen  dichter  als  der  zeit  zur  last  zu  legen  ist. 

')  Die  eingestreuten  malahättrverse  sind  ausgeschlossen  worden:  Vsp. 
20,5—8.  Ykv.  1,1-2.  6,5—8.  17,1—4. 

^)  Zur  vergleichung  sind  von  anderen  Eddaausgaben  nur  die  von 
K.  Hildebrand,  Paderborn  1876,  B.  Sijmons,  Halle  1888— 1901  und  teilweise 
auch  die  von  Fiunui"  Jonsson,  Halle  1888—1890  herangezogen  worden. 


94  WENCK 

wichtigen  ergebnisse  der  metrischen  untersnchungen  von 
Sievers'')  und.  wo  aus  nietrisclien  und  sinnesgriinden  eine 
änderung  geboten  ist,  die  der  textkritisclien  arbeiten  von 
Bugge,  Hildebrand.  Sievers  und  anderen.')  An  zweifelhaften 
stellen  folge  ich  der  handschriftlichen  lesart. 

Bei  der  Zusammenstellung  der  belege  für  die  im  folgenden 
behandelten  wortkategorien  habe  ich  im  gegensatz  zu  Rieger 
(für  den  in  der  liauptsache  nur  das  in  hebung  befindliche 
Sprachmaterial  bedeutung  hatte),  eine  strenge  Scheidung  der 
einzelnen  kategorien  für  unbedingt  erforderlich  gehalten,  weil 
die  Verstösse  gegen  den  satzaccent  zunehmen,  je  mehr  Wörter 
in  die  halbzeile  eintreten.  Mag  dieses  princip  auch  auf  kosten 
der  Übersichtlichkeit  durchgeführt  sein:  der  nachteil  wird 
reichlich  durch  die  grössere  Sicherheit  der  resultate  auf- 
gewogen. Abweichungen  von  dem  genannten  grundsatz  habe 
ich  mir  nur  dann  gestattet,  wenn  eine  änderung  der  ergebnisse 
ausgeschlossen  ist.  So  habe  ich  durchgehends  präpositionen, 
conjunctionen  und  partikeln  vernachlässigen  dürfen,  weil  sie 
eben  beständig  tonlos  sind  (vgl.  §  48). 

I.  hauptteil. 
Yerhiiltuis  der  alliteratioii  zum  satzaccent.') 

Cap.  I.    Zwei  nomina. 

§  4.  Auch  in  der  Edda  besteht  noch  das  alte  gesetz 
(Sievers  §  22. 2)  zu  recht,  nach  dem  von  zwei  Wörtern  der- 
selben nachdrucksstufe  das  erste  alliterieren  muss,  das  zweite 
am  reim  nur  teil  haben  kann.    Die  ausnahmen,  die  sich  im 


2)  Vgl.  Sievers  §  36,  wo  die  einschlägige  literatur  citiert  ist. 

*)  Bei  der  angäbe  von  textkritisclier  literatur  bin  ich  nicht  auf  Voll- 
ständigkeit ausgegangen,  da  solche  angaben  in  diesem  zusammenhange  doch 
nur  von  untergeordneter  bedeutung  sind. 

*)  Einfache  alliteratiou  auf  erster  hebung  wird  im  folgenden 
durch  die  (im  gegensatz  zu  Sievers'  tj'penbezeichuungen  wie  AI  etc.)  hoch- 
gestellte Ziffer  '  nach  dem  betr.  typenzeichen  angedeutet,  alliteratiou 
auf  beiden  hebungeu  desgl.  durch  *,  einfache  alliteratiou  auf 
zweiter  hebung  durch  ^,  fehlen  der  alliteration  durch  ".  ist  all- 
gemein von  'einfacher  alliteration  auf  erster  hebung'  etc.  die  rede,  so 
setze  ich  dafür  N',  bez.  N-  und  N^  —  Die  beiden  halbverse  werden  als 
I  und  II  unterschieden. 


ALLITERATIOX  IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  95 

fornyröislag  zu  dieser  wie  fast  zu  jeder  anderen  regel  finden, 
werden  uns  suis  locis  beschäftigen. 

Als  Wörter  gleiclien  tongewichts  gelten  im  ags.,  und 
wol  auch  in  der  hauptsache  im  an.,  die  nomina:  s  üb  stau - 
tivum,  adjectivum,  participium,  Infinitiv.  Als  fünfte 
Wortklasse  reiht  sich  diesen  das  numerale  an.  In  der  be- 
liandlung  des  Zahlworts  als  adj.  geht  nämlich  die  eddische 
technik  mit  der  des  Beowulf  zusammen  (während  im  Heliand 
auch  proklitische  Verwendung  der  Zahlwörter  nicht  aus- 
geschlossen ist:  Rieger  s.  20):  man  braucht  also  für  das  an. 
eine  besondere  kategorie  'numeralia'  neben  den  adj.  nicht  auf- 
zustellen. Dagegen  sind  innerhalb  der  vier  hauptgruppen  der 
nomina  noch  weitere  Scheidungen  vorzunehmen.  Da  nämlich 
einfache  alliteration  auf  erster  hebung  ein  dynamisches  über- 
gewicht dieser  hebung  über  die  zweite,  doppelalliteration  hin- 
gegen coordination  der  beiden  hebuugen  zum  ausdruck  bringt, 
so  ist  eine  weitere  trennung  nach  dem  syntaktischen  Ver- 
hältnis der  beiden  nomina  für  die  feststellung  der  stärke- 
abstufung  ebenso  wichtig  wie  die  nach  der  Wortstellung.  2) 
Weil  ausserdem  die  wähl  von  einfacher  und  doppelter  alli- 
teration auch  von  der  rhythmischen  qualität  der  einzelnen 
versarten  mit  abhängt,  so  sind  die  belege  weiterhin  nach 
den  rhythmischen  haupttypen  zu  ordnen.  Abgesehen 
davon,  dass  sich  hieraus  zugleich  sichere  Schlüsse  auf  die 
dynamische  abstufung  der  beiden  nomina  ziehen  lassen  werden, 
machte  auch  der  zweite  hauptteil  der  Untersuchung  eine  solche 
Spaltung  wünschenswert.  Ein  einfacher  verweis  auf  die  einzige 
vollständige  Zusammenstellung  der  alliterations- Verhältnisse 
des  eddischen  fornyröislag,  die  sich  bei  H.  Pipping,  Bidrag  til 
Eddametriken,  Helsingfors  1903  (Skrifter  udg.  af  Svenska 
litteratursällskapet  i  Finland  LIX)  findet,  wäre  mir  wegen 
der  abweichenden  bezeichnuugsweise  unmöglich  gewesen, 
selbst  wenn  ich  überall  der  rhythmisierung  Pippings  zu- 
stimmen könnte. 


2)  Eieger  scheint  allerdings  die  bedeutuug  der  begrifflich-grammatischen 
bindung  zu  unterschätzen. 


06  WKNCK 

A.    Substantivum. 

a)  Substantiv  +  Substantiv. 

1)   Substantiv  und  zugehöriger  geuetiv. 

§  5.     1)  ^raterial: 

(c)  Substautiv  +  genetiv:  Erste  balbzeile:  Typus  A:  Vsp. 28,3. 
37,  7.  Hym.  9, 1.  20,  3.  Grt.  8,  3.   HH.  1,  25,  5.  30,  7.  55,  3."  HH.  2,  25,  7.  Grp. 

27.5.  39,7.  Gp.  1,J4,7.  Sg.  G9,  3.  Hei.  11,7.  Gp.  2,  22,5(Ys.).  23,5.  0(1.21,7. 

32.3.  —  Typus  C:  Vsp.  21,  5.  25,7.  27,7.  28,13.  53,5.  Hym.  34, 1  (Sievers, 
Proben  s.  U).  prk.  31,  7.  32,  7.  Hdl.  50,  3.  Vkv.  24, 3.  34. 7.  Grt.  5, 3  (Fiunur 
Jonsson).  G,  7.  21,3.  HH.  2,4,3.  8,7.  3G,  5.  Gii).  49,7.  G^  2,13,3.  34,7. 
GJ?.  3,7,3.  0(1.  17,7.  —  Typus  D:  Vsp.  33,7.  Hym.  11,9.  IG,  3.  17,7. 
37,  3.  Hdl.  24,  5.  Vkv.  20, 7.  Grt.  9,  7.  HH.  2, 15, 3.  20,  7.  51, 3.  Br.  14, 3. 
Kg.  26,3.  G)?.  1,24,5.  Gj?.  2, 14,3.  IG,  1.  Gbv.  7,3.  —  Zweite  balbzeile: 
Typus  A:  Vsp.  5,2.  20,12.  24,  G.  30,10.  Hym.  23,6.  27,8.  prk.  27,6.  Hdl. 
11,  4.  41,  4.  Vkv.  13,  4.  32,  2.  14,  4.  Grp.  29,  4.  Eg.  23,  4.  Fäf.  32,  6.  Br. 
11,  6  (?).  GJ?.  2, 15, 6.  22,  8.  26,  G.  —  Typus  C:  Vsp.  43,  8.  Hym.  12,  6.  39, 2. 
Grt.  12, 2.  HH.  1, 12,  8.  39, 2.  HH.  2,  50,  4.  Grp.  15, 4.  15, 8.  43, 4.  Rg.  15, 8. 
Faf.  44,8.  G}?.  1,5,6  (=11,6.  12,8).  18,4.  Sg.  2,8.  34,8.  45,8.  &}>.  2,2,2. 

27.6.  Od.  8,4.  14,6.  22,4.  —  Typus  D:  Vsp.  1,4.  52,4.  55,2.  56,2.  prk. 
13, 6.  15,  8.  19,  4.   E)?.  3,  6.  5,  8.  17,  6.  19,  8.  30,  6.   Vkv.  2, 10.   16, 2.  25,  4. 

30. 2.  33,  8.  35, 8.   Grt.  2, 8.  10,  6.  HH.  1,  6, 2.  8, 8.  14,  8.  HH.  2, 8, 2.  Grp. 

19. 4.  36, 4.  Kg.  13, 2.  Br.  16, 10.  Sg.  31, 2.  38, 6.  42,  2.  64,  6.  Gp.  2, 22,  6. 
Gp.  3,10,4.  Od.  6, 2.  15,8.  34,8.  Gbv.  16, 8.  —  Typus  F:  Sg.  6, 2.  — 
Typus  G:  Ep.  11,4. 

ß)  Genetiv  +  Substantiv:  Erste  balbzeile:  Typus  A:  Vsp.  14,3. 
20,11.  31,3.  42,3.  Hym.  14,3.  19,7.  Drk.  22,  7.  Hdl.  17, 3.  24,3.  25,7.  30,5. 
35,  7.  Vkv.  10,  3.  17,  8.  HH.  1, 27, 7.  28, 3.  40,  7.  49,  3.  56, 7.  HH.  2,  46, 11. 
Gi-p.  23, 7.  40, 7.  41, 7.  47,  7.  Br.  9, 3.  Eg.  26,  7.  Fäf.  32, 3.  Sg.  31,  9.  Gp. 
2,7,7.  19,7.  31,11.  Od.  1,7.  20,3.  33,7.  —  Typus  B:  Bdr.  8,7.  9,5.  Grt. 
4,3.  HH.  1,31,7.  HH.  2, 13,9.  Grp.  52,  7.  Sg.52,5.  —  Typus  D:  Vsp.  40,  7. 
Hym.  22,3.  HHv.  10,3.  —  Typus  C:  Vsp.  4,1.  9,7.  Bdr.  3,3.  10,7.  Vkv. 

33.3.  33,5.  Gi-p.  17,5.  Fäf.  36,3.  Gp.  1,15,5.  Sg.  24,  7.  —  Typus  E:  Vsp. 
14,  7.  16,  7.  HH.  2,  50,  3.  HHv.  8,  7.  35,  7.  Fäf.  44,  7.  Gp.  2,  38,  3.  Od.  33, 3. 
—  Typus  F:  Gp.  1,  9,  7.  —  Zweite  balbzeile:  Typus  A:  Vsp.  8,  6.  19,8. 
28,10.  37,4.  38,8.  40,4.  56,6.  Hym.  16,2.  20,2  (=31,2).  22,4.  prk.  3,2. 
5, 4  (=9, 6).  5,6  (=9,4).  6,2  (=11,4.  22,2.  25,2.  30,2.  31,6).  12,6 
(=  15,  6.  17, 6.  19, 2).  29, 2  (=  32,  2).  30,  8.  Ep.  13, 10.  25,  8.  Hdl.  9,  2. 
10,6.  18,2.  20,2.  21,2.  21,4.  27,2.  27,6.  28,6.  28,8.  32,6.  35,4.  38,2 
(=43,4  =  Gp.  2,21,6).  Bdr.  3,8.  12,8.  13,8.  Vkv.  6,  2.  13,2.  30,8.  10,6. 
Grt.  1,6.  20,2.  HH.  1,  9,  4.  11,4  (=  Eg.  15,  2).  14,  6  (=  Grp.  9,  6).  17,2 
(=  HH.  2,  48,  8).  18,  4.  20, 2.  21,  6  (=  Fäf.  42,  8).  29,  G.  36,  6.  43,  6.  46, 2  = 
HH.  2,24,2.  53,6.  55,8.  HH.  2,7,4.  11,6.  16,6.  18,2.  25,8.  27,4.  31,6. 
31,8.  33,6.  43,4.  44,10.  HHv.  1,2  (=5,8).  1,6.  3,4.  10,8.  38,2.  43,6. 
Grp.  1,6.  3,8.  5,2.  13,2.  15,2  (=30,8).  19,2.  31,8.  35,6.  35,8.  Kg.  16,2. 
Fäf.  43,  4.  Br.  G,  2  (=  11,  2  =  G}'.  1, 12,  2.  IG,  2.  17,  2.  18,  2.  24,  2  =  Hei. 


ALLITERATION  IM  EDD.   FORNYRDISLAG.  97 

13,  2  =  G]x  2,  38,  G  =  Gp.  3, 2, 2  =  Ghv.  9, 2).   6, 6.  8, 2  (=  14, 2  =  Gp. 

1,  28,  2.  25,  2.  [27,  4.  =  Sg.  30, 2.  =  Hei.  4,  2.  Gp.  1,  3, 2.  4, 2.  6,  2.  19, 2. 
19,  4.  Sg.  2,  4  (-  30,  8).  16,  4.  47,  8.  55,  6.  56,  4.  63,  4  (=  Ghv.  14,  8).  68,  8. 
Hei.  5,  6  (=  Od.  28,  4).  8,  6.  Gp.  2, 11,  4.  15,  4.  15,  8.  25,  6.  33,  2.  39,  4.  Gp. 
3,4,2.  Od.  2,2.  31,4.  Ghv.  2,12.  5,2.  15,8.  —  Typus  B:  prk.  30,  6.  32,8. 
Hdl.  35,  8.  Ykv.  33,  4.  33,  6.  HH.  1, 18,  8.  27, 2.  Br.  16,  8.  Sg.  2,  2.  37,  6. 
Od.  14,2.  —  Typus  C:  Vsp.  4,6.  9,8.  14,2.  35,2.  40,8.  46,8.  52,2.  Hym. 
5,  4.  12,  2.  prk.  26,  4  (=  28,  4).  Hdl.  4,  6.  Vkv.  7,  2.  14,  2.  29, 10.  Grt.  1,  2 
(=  16,  2).  HH.  1,  9,  2.  11,  8.  52,  2.  54,  8.  HH.  2,  2,  2.  10,  8.  19,  6.  22,  8.  HHv. 

2,  8.  4, 4.  Grp.  13,  6.  32,  4.  52,  4.  Br.  9,  4.  Gp.  1, 13,  4.  Sg.  22,  8.  37, 10.  39,4. 
60,6.  66,4.  G]7.  2,34,8.  Od.  14,  4.  Ghv.  7,  8.  16,10.  —  Typus  D:  Vsp.  33,  4 
(=  Bdr.  11,  8).  62,  6.  Hym.  11,  8.  23,  8.  Hdl.  19,  2.  30, 2.  HH.  2, 12,  2.  12,  4. 
Grp.  41,2  (=52,2).  —  Typus  E:  Vsp.  56,10.  prk.  18,2  (=20,2).  HH. 
1,  5,  2.  11,  2  (=  HH.  2, 12,  6).  HH.  2, 4, 14.  47,  4.  HHv.  2,  2.  Gp.  3,  6,  2.  — 
Typus  F:  Hdl.  6,  8.  Bdr.  4,  4.  Vkv.  15,  4.  Sg.  64,  2. 

Somit  ergibt  sicli  folgende  tabelle: 

A  B  C  D  E  F  G 

a)  I   57  :   18  —  22  17  —  —  — 

II   83  :   19  —  24  38  —  1  1 

^)  I   63  :   84  7  10  8  8  1  — 

n  228  :  151  11  41  11  10  4  — 

2)  Aus  diesen  zahlen  geht  zunächst  hervor,  dass  die  voran- 
stellung  des  genetivs  namentlich  in  ii  bei  weitem  die  be- 
liebtere ist.  Diese  erscheinung,  die  mit  dem  stilprincip  der 
gesammten  altgerm.  alliteratiousdichtung  übereinstimmt,  ist 
zugleich  ein  wichtiges  kriterium  für  die  dynamische 
abstufung. 

Da  uämlich  die  zweite  hebung  von  ii,  die  uormalerveeise  vou  der 
alliteration  ausgeschlossen  ist,  einen  geringeren  nachdruck  besessen  haben 
muss  als  die  erste,  vräre  das  anschwellen  der  ii-ß-helege  (um  46,7  "/o)  sehr 
verwunderlich,  wenn  die  natürliche  touabstufung  der  rhythmischen  wider- 
sprochen hätte.  In  i  findet  zwar  auch  bei  ungleicher  stärke  der  beiden 
hebungen  ein  absteigen  von  der  ersten  auf  die  zweite  statt  (Sievers  §  9,  5), 
doch  nach  ausweis  der  alliteration  nicht  in  so  ausgeprägtem  masse.  Daher 
kann  es  auch  nicht  befremden,  wenn  sich  in  i  nur  eine  schwache  hiuneigung 
zur  Voranstellung  des  gen.  geltend  macht.  Die  nachstellung  des  gen.  findet 
sich  in  47,5  °/o  der  i- belege  gegen  26,3  °/o  von  ii.  Offenbar  rückte  das 
nachstehende  Substantiv  weit  mehr  in  enklise  zum  gen.,  als  umgekehrt  der 
gen.  zum  vorangehenden  Substantiv.  Das  gleiche  ergibt  sich  aus  dem  Ver- 
hältnis von  N'  zu  N'^.  Während  sich  bei  der  Stellung  ß  52  N^  und  11  N'^ 
gegenüber  stehen,  überwiegt  in  den  «-belegen  N^  mit  35  :  21  N^  fein  A^ 
Grp.  39, 7  ist  auszuscheiden). 

Wenn  also  im  ersten  falle  in  82,5  o/o  N'  für  genügend 
angesehen   wurde,    im   zweiten   die   62,5  7o   N^   eine   starke 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXXI.  7 


98  WENCK 

teiKleiiz  zur  doi)pelalliteration  dartun,  so  lässt  das  nur  die  eine 
interpretation  zu.  dass  gen.  +  subst.  eine  noniinalverbin- 
dung  bildeten,  deren  zweites  glied  (wie  im  nominal- 
compositum)  einen  schwächeren  hauptton  besass,  dass 
bei  umgekehrter  Stellung  jedoch  die  beiden  substan- 
tiva  ungefähr  gleich  stark  betont  waren. 

Darauf  dass  auf  dem  voraugelicuden  subst.  ein  grösserer  nachdruck 
gelegen  habe,  könnte  der  im  vergleich  zu  ß  N*  (=17,5**/«)  bedeutende 
procentsatz  von  a  N'  (=37,5°o)  hinzuweisen  scheinen.  Es  ist  aber  bei 
der  beurtcilung  dieser  differenz  zu  berücksichtigen,  dass  die  nomina  pro- 
pria  dem  dichter,  besonders  wenn  er  doppclalliteration  beabsichtigte,  ausser- 
ordentliche Schwierigkeiten  bereiten  uuissten  (Sievers  §  20,  2,  anm.  1).  In 
der  tat  finden  sich  weit  mehr  npr.  in  den  N'-  (32)  als  in  den  N*-versen  (11). 
Bringt  man  die  verse  mit  npr.  in  abzug  [a  i  N'  21  ( — 12)  =9;  —  N'  35 
(—8)  =27;  —  /?  I  N'  52  (—21)  =31;  —  N^  11  (—3)  =  8J,  so  verhält 
sich  «  N»  (=  75,0  Vo)  zu  /9  N'  (=  79,4  "/o)  ungefähr  wie  1 : 1,  und  die  oben 
berechnete  diiferenz  von  20,0  "/o  zwischen  a  N-  und  ß  N'  reduciert  sich  auf 
den  geringen  betrag  von  4,4  "/o-  Somit  müssen  subst.  +  gen.  im  nachdruck 
coordiniert  gewesen  sein. 

3)  Das  eben  festgelegte  naclidrucksverliältnis  von  gen. 
und  Substantiv  i^t  ohne  zweifei  das  altgermanische.  Dass  es 
in  der  Edda  nur  in  etwa  75  o/o  der  fälle  hervortritt,  zeigt  den 
secuudären  Standpunkt  der  eddischen  verskunst.  Um  dieser 
jedoch  völlig  gerecht  zu  werden,  sind  die  gründe  aufzusuchen, 
die  zur  abweichung  gedrängt  haben. 

a)  Zunächst  ist  für  die  a- belege  die  grosse  zahl  der  verse  charakte- 
ristisch, die  ein  nomen  proprium  enthalten:  c  i  N'  21  :  12  (^57,1  "/o)» 
c  II  Ni  =  83  :  45  (=  54,2  °!o)-  Da  die  npr.  sämmtlich  nachstehende  gen. 
sind,  ist  nach  dem  obigen  sicher  der  alliterationszwang  auf  erster  hebung 
das  treibende  motiv  gewesen. 

b)  Ferner  ist  der  einfluss  des  sprachniaterials  zu  berücksichtigen. 
Von  den  8  i  A'  entfallen  nicht  weniger  als  G  auf  den  untertypus  A2k,  die 
beiden  anderen  i  A'  =  AI  weisen  ein  npr.  auf.  Von  den  19  il  A  (a)  sind 
nur  3  A2k,  sie  enthalten  aber  kein  npr.  Bei  der  angenommenen  dyna- 
mischen coordination  des  nachfolgenden  gen.  niuss  die  ziemlich  bedeutende 
zahl  von  C-versen  wegen  der  rhythmischen  Qualität  dieses  typus  (§52) 
sehr  befremden.  Doch  tritt  hier  als  compensation  N*  in  einem  bedeutend 
stärkeren  procentsatz  ein  als  im  typus  A,  ja  sogar  als  im  typus  D  (in 
i:  8  A'  :  9  A-;  8  D'  :  9  D»,  aber  22  C  :  17  C-  =  77,2  °  o)-  r»ie  5  C  von 
1  wiegen  daher  als  ausnahmen  um  so  schwerer.  Gerade  hier  zeigt  sich  der 
einfluss  der  metrischen  eigenschafteu  des  wortmaterials:  22  C  =  1  C  1  + 
7  C2  -h  14  C3.  Der  eine  Cl-vers:  ne  hgl  hrapra  6^.2,34,7,  wo  allein 
eine  Umstellung  hätte  eintreten  können,  ist  merkwürdigerweise  ein  C*. 
Unter  den  24  iiC  findet  sich  jedoch  eine  grössere  anzahl  (5)  Ci  (:  14C2, 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  99 

5  03).  Das  starke  hervortreten  des  typus  02  lässt  sich  dadurch  recht- 
fertigen, dass  die  euklise  der  zweiten  hebuug  durch  die  auflüsung  der 
ersten  hehung')  gemildert  ist  (vgl.  §  52).  Immerhin  kann  die  dynamische 
abstufuug  der  hehungen  im  typus  C  nicht  dem  natürlichen  nachdrucks- 
verhältnis  entsprochen  haben,  wie  das  procentuale  vorkommen  des  typus  0 
beweist:  «  i  22  =  38,6  °/o  (auf  alle  a  i-verse  berechnet)  :  ii  2i  (=  28,9  "/o), 
/9  1 10  (=  15,8  °'o)  :  n  J:l  (=  17,9  »/o).  Wenn  dagegen  die  zahl  der  «D-verse 
in  II  um  16,3  °/o  steigt  (i  17  =  29,4  »/o,  n  38  =  45,7  «/o),  ist  dies  ein  deut- 
liches zeichen  dafür,  dass  der  typus  D  dem  satzaccent  entsprochen  hat.  Be- 
treffs der  Verteilung  der  D-  und  E-verse  nach  den  beiden  Stellungen  vgl. 
§  62.  Ein  Verstoss  gegen  das  oberste  alliterationsgesetz  findet  sich  in  dem 
aufgeführten  material  nicht.  Grt.  22,  3  vigs  Halfdana  ist  eine  fehlerhafte 
conjectur.  Mit  Hildebrand  a.a.O.  s.  131  ist  das  hs.-liche  vip  Halfdana  zu 
belassen. 

2)   Zwei  substantiva  in  ungleichem  casus. 

§  6.  Die  hierher  gehörigen  verse,  in  denen  das  zweite 
nomen  meist  von  einer  präposition  abhängig  ist,  sind  wenig 
beliebt: 

Erste  halbzeile:  Typus  A:  Vsp.  10,7.  37,3.  55,7.  59,3.  66,7. 
Hym.  18,  3.  21,  7.  39,  7.  Vkv.  23,  3.  Grt.  15,  7.  HH.  2,  37,  7.  HHv.  33,  3. 
Grp.  12,  3.  17,  7.  24,  3.  35,  5.  40,  2.  44,  3.  Fäf.  43,  7.  Br.  5,  3.  Gp.  1, 26,  3. 
27,5.  Hei.  7,3.  Gp.  2,19,1.  Od.  16,7.  17,1.  Ghv.  19,7.  —  Typus  B:  Br. 
17,3.  —  Typus  C:  Vsp.  51, 3.  Hym.  6, 3.  25, 3.  Sg.  42, 3.  —  Zweite 
halbzeile:  Typus  A:  Ysp.  17,  4.  34,4.  Hym.  8,8.  29,4.  33,4.  prk.  23,  4. 
31,  2  (=  G]>.  3, 10,  2).  Rp.  15,  2.  16,  8.  35,  2.  Hdl.  3,  4.  49,  6.  Vkv.  18,  2. 
27, 2.  Grt.  10, 4.  21,  6.  24, 6.  HH.  1,  7,  8.  30,  6.  HH.  2,  5,  2  (=  6,  2).  14,  6. 
14,  8.  35,  6.  38,  4.  Grp.  16,  4.  Rg.  18,  6.  Faf.  44,  2.  Gj?.  1, 16,  6  (=  Sg.  29,  8). 
Sg.  12,  2.  18,  8.  44,  8.  65,  6.  Hei.  3,  2.  Gp.  2,  34,  6.  Od.  9,  6.  Ghv.  1,  8.  — 
Typus  C:  Hdl.  3,6.  Grt.  7,4.  HH.  2,45,10.  Sg.  29,2.  —  Typus  0:  Vsp. 
30, 12.  Hym.  4,  6.  Hdl.  2,  4  (=  HH.  1,  9,  6).  12,  6.  HH.  1,  38,  2.  Grp.  20,  6. 
Sg.  21,4.  40,4.  —  Typus  E:  Vsp.  51,8.  Grt.  11,8.  14,4.  Gp.  2,6,4.  — 
Typus  F:   prk.  8,  8  (=  11,  8.   22,  6). '  Sg.  29,  6. 

Aus  diesem  material  ist  zunächst  Sg.  12,  2  iepr  i  mmi  hervorzuheben, 
wo  der  hauptstab  auf  der  zweiten  hebung  liegen  muss  (vgl.  §  52).  Der 
fehler  wird  jedoch  durch  kreuzalliteration  gemildert  (vgl.  §  57  f.).  Der 
andere  anomale  ii-vers  Sg.  18,  8  vacegp  ä  moldo,  in  dem  sich  das  verpönte 
N-  findet,  beruht  auf  einen  Schreibfehler,  da  dieselbe  Wortverbindung  amoldo 
schon  zwei  zeilen  vorher  begegnet.    Mit  Bugge  420  b  ist  «  foldu  zu  lesen. 

Wegen  der  freieren  sj^ntaktischen  bindung  und  der  mit 
dieser  parallel  gehenden  grösseren  coordination  im  nachdruck 


1)  Im  anschluss  an  Sievers'  Proben  einer  metrischen  herstellung  der 
Eddalieder,  Tüb.  1885,  wird  auflösuug  auf  erster  bez.  zweiter  hebung  als 
vi  (bez.  v2)  abgekürzt. 

7* 


100  WKNCK 

ist  in  der  mclirzalil  der  fülle  X-  zu  erwarten.  In  der  tat 
stehen  sieh  in  i  20  N-  und  12  N'  gegenüber.  Dieses  Ver- 
hältnis sjntzt  sich  noch  schärfer  zu,  wenn  man  die  npr.  be- 
rücksichtigt: 14  N^  :  7  N'.  In  anbetracht  der  zweifellos  vor- 
handenen, wenn  auch  weniger  als  bei  subst.  +  gen.  ausgeprägten 
neigung  zu  X-  muss  das  anschwellen  der  ii-belege  auf  ungefähr 
das  doppelte  (60  :  32)  sehr  auffällig  erscheinen.  Das  völlige 
zurücktreten  des  typus  C  (ii  4  =  6,6  Vo,  i  4  =  12,5  "/u)  weist 
ja  deutlich  darauf  hin,  dass  das  erste  nomen  keineswegs  ein 
besonders  dominierendes  tougewicht  besessen  hat.  Ueberdies 
steht  in  2  der  i  C  (Vsp.  51, 3.  Hj-m.  6, 3)  doppelalliteration  (vgl. 
die  bemerkung  zu  C^  in  §  5);  ein  dritter  zeigt  ein  npr.  an 
zweiter  stelle:  Hjmi.  25,  3  svu  at  dr  Ilymir.  Doch  liegen  in 
diesem  vers  die  Verhältnisse  insofern  anders,  als  das  npr.  das 
in  der  vorhergehenden  langzeile  stehende  JQhinn  wider  auf- 
nimmt, somit  ohne  Verstoss  gegen  den  satzaccent  gedrückt 
werden  kann.  Der  restierende  iC-vers  sowie  3  der  iiC  ge- 
hören liedern  jüngerer  technik  au  und  sind  wie  die  anderen 
Cl:  HjTii.  6, 3.  Hdl.  3, 6,  durch  die  metrische  qualität  des  sprach- 
materials  bedingt.  Der  einzige  iiC-vers  aus  einem  älteren 
gedieht,  Hdl.  3,  6  cn  hrag  slcdläum,  gehört  nach  Mogks  ansieht 
(Lit.  centralbl.  1886,  sp.  769)  einer  interpolierten  Strophe  an. 
Das  starke  auftreten   der  in  rede  stehenden  grammatischen 


ö' 


bindung  in  ii  hängt  wol  auch  mit  der  erscheinung  zusammen, 
dass  zur  bildung  zweiter  halbzeilen  mit  Vorliebe  zwei  nomina 
verwendet  werden:  i  625  :  ii  1281.  Berücksichtigt  man  ferner 
die  einwirkung  des  sinnesaccents  —  der  logische  nachdruck 
liegt  fast  durchgehends  auf  dem  ersten  nomen,  während  das 
zweite,  z.  t.  eine  adverbiale  bestimmung,  für  den  Zusammenhang 
unwesentlich,  ja  völlig  entbehrlich  ist  — ,  so  kann  die  grosse 
zahl  von  ii-beispielen  nicht  mehr  als  fehlerhaft  bezeichnet 
werden. 

3)  Zwei  coordinierte  siibstantiva. 

§  7.  Zahlreicher  und  somit  beliebter  sind  die  verse,  in 
denen  zwei  nomina  grammatisch  coordiniert  sind: 

Erste  halbzeile:  Typus  A:  Vsp.  6,5.  6,9.  11,1.  11,3.  11,7.  11,9. 
12,1.  12,5.  12,7.  13,1.  13,3.  13,5.  13,9.  15,5.  15,7.  16,1.  16,3.  17,7. 
18,3.  36,3.  45,7.  45,9.  Rp.  2,9.  12,5.  13,5.  16,9.  24,7.  27,5.  38,5.  41,5. 
44, 5.  Hdl.  1, 3.  18,  7.  21, 1.  22, 3.  23, 1.  23, 3.  23,  5.  27, 1  (=  Grp.  37,  3). 


ALLITERATION   IM   EDD.    FORNYEDISLAG.  101 

32, 5.  37,  7.  Vkv.  15, 1.  Grt.  9, 5.  22,  7.  HH.  1,  8,  3.  8, 5.  11,  3.  14, 3.  14, 5. 
47, 5.  51,  5.  52,  3.  56,  9.  HH.  2, 10,  3.  25,  3.  26,  7.  Grp.  11,  7.  38.  3.  43,  3. 
50,  3.  Eg.  18,  7.  Sg.  8,  3.  23,  3.  36,  5.  49,  7.  Hei.  14,  3.  Gp.  2, 15,  7.  16,  7. 
28,7.  29,7.  33,3.  Od.  9,3.  —  Typus  B:  Hdl.  24,7.  HH.  1,21,3.  28,5. 
Gp.  2,39,3.  Gp.  3,3,7.  —  Typus  D:  Vsp.  13,7.  15,3.  Rp.  12,7.  12,9. 
Hdl.  28,  L  —  Typus  E:  Hdl.  18,5.  Vkv.  4,3.  —  Typus  F:  Vsp.  11.5. 
12,3.  EJ7.  11,7.  24,5.  41,3.  41,7.  Hdl.  22, 1.  -  Zweite  halbzeiie: 
Typus  A:  Vsp.  11,  2.  11,4.  11,6.  11,8.  12,2.  13,2.  13,4.  13,6.  13,8.  15,4. 
15,  8.  16,  4.  26,  6.  Ep.  12,  4.  12,  6.  12,  8.  13,  2.  25,  4.  25,  6.  46,  2.  Hdl.  2,  6. 
7, 10.  13, 4.  20,  8.  23,  4.  25,  2.  32,  4.  Grt.  1,  4.  HH.  1, 10,  8.  HH.  2, 1,  8. 
4, 12.  27,  2.  46,  4.  HHv.  7,  2,  Grp.  1,  8.  Er.  8,  4.  10,  6.  Gp.  1,  23,  4.  Sg.  66,  2. 
Ghv.  18,8.  —  Typus  C:  Hdl.  13,6.  —  Typus  D:  Vsp.  11,10.  15,6.  Hdl. 
22,2.  22,4.  23,2.  —  Typus  E:  Rp.  24,8.  —  Typus  F:  Vsp.  29,2.  Ep. 
41,  4.  41,  8. 

Die  a  priori  einleuchtende  völlig-e  coordination  im  nach- 
druck  gellt  zunächst  aus  dem  nahezu  völligen  verschwinden 
des  typus  C  hervor. 

Der  isolierte  iiC-vers  Hdl.  13,6  en  Yrmnd  möpir,  der  sich  überdies 
in  einer  metrisch  ziemlich  zerrütteten  Strophe  befindet,  muss  ohne  weiteres 
als  Verstoss  bezeichnet  werden.  Auch  die  anderen  typen  treten  sehr  zurück, 
mit  ausnähme  von  A  (die  F-verse  sind  sämmtlich  katalektische  A),  dessen 
rhythmischer  Charakter  somit  allein  der  tongleichheit  der  beiden  subst. 
entsprach.  Diese  erscheinen  meist  durch  o^•  verbunden,  doch  steigert  sich 
die  grammatische  coordination  in  einigen  fällen  bis  zum  asyndeton.  Letztere 
art  der  bindung  ist  wol  die  ursprüngliche  gewesen,  wie  der  metrisch  auf- 
fällige vers  der  Vkv.  15,1  Elapgnpr  oJc  Rerrgr  beweist,  i)  Was  die  alli- 
teration  anlangt,  so  findet  sich  in  HH.  1, 11,  3  mips  ok  hringa  ein  schwerer 
fehler  gegen  den  satzaccent.  Schon  die  Stellung  in  einem  jungen  liede 
kennzeichnet  den  anomalen  vers  als  ausnähme.  Da  der  zugehörige  zweite 
halbvers  Hundings  synir  ein  npr.  enthält,  ist  reimnot  als  grund  dieses 
lapsus  anzuziehen.  Eine  Umstellung  der  beiden  nomina,  die  in  Vsp.  29,  2 
hringa  oJc  inen  eine  parallele  haben  würde,  geht  kaum  an,  da  sich  in  HH.  1 
nur  ein  einziger  F-vers  findet:  25,1  tolf  hundrup,  und  zwar  an  einer 
stelle,  wo  aiisfall  einer  langzeile  anzunehmen  ist.  Bei  der  Verstümmelung 
des  Urtextes  ist  höchstwahrscheinlich  auch  die  eingangsseukung  des  ursprüng- 
lichen C-verses  (ok?)  verloren  gegangen.  Wenn  ferner  in  Vsp.  13,  6  Blldr 
ok  Büri  regelwidrige  doppelalliteration  auftritt,  so  darf  man  darin  keines- 
wegs ein  zeichen  dafür  erblicken,  dass  in  folge  der  nachdrucksgleichheit 
der  subst.  auch  in  ii  das  Schema  K^  angestrebt  worden  sei.  Vielmehr 
handelt  es  sich  lediglich  um  einen  metrischen  fehler,  den  man  dem  inter- 
polator  des  Dvergatal  sehr  wol  zutrauen  kann.  Dem  tonverhältnis  der 
beiden  nomina  entsprechend  erscheint  N-^  in  67  beispieleu,  das  sind  72,0 ",  o 
aller  i-verse  abzüglich  des  genannten  jS^,  also  ein  etwas  höherer  procent- 
satz  als  bei  den  in  §  6  behandelten  versen  mit  schwächerer  coordination 


^)  Vgl.  Sievers  §  45,  4,  anm.  2.  §  85,  2,  anm.  2. 


102  WENCK 

tlor  substantiva.  Piescr  erliobt  sich  sog'ar  auf  W),0  ",'„,  wenn  man  die  vorse 
mit  upr.  in  abzug  bringt:  N'  5  :  N'  20.  Gerade  diese  stellen  das  liaupt- 
contiugent  zu  den  aufgeführten  belegen:  i  N>  20,  N*  47  (=67)  :  ii  37. 
Ferner  sind  die  verse  zu  berücksichtigen,  in  denen  das  zweite  noraen  ein 
appellativum  oder  ein  titel  ist:  i  N':  Hdl.  1,3.  22,1.  22,3.  HH.  2,10,3. 
25,3;  ^■-:  ildl.  28, 1;  ii  Hdl.  13,4.  22,2.  22,4.  HH.  2,1,8.  27,2.  Offenbar 
handelt  es  sich  hier  nicht  mehr  um  das  gleiche  nachdrucksverhältnis,  da 
mir  ein  einziger  fall  doppelalliteratiou  aufweist.  Wie  in  der  prosa  das 
appellativum,  desgl.  der  titel  (z.b.  ,/o?-Z)  dem  npr.  regelmä.ssig  folgt,  ebenso 
steht  in  den  genannten  verseu  der  titel  durchgehends  nach,  das  appellativum 
ist  nur  Hdl.  22,  3  jc'misJcghlr  Pörir  jedenfalls  dem  reim  zuliebe  voraus- 
gestellt. ■  Der  unten  citierte  vers  Rp>.  45, 1  hann  vip  'Rig  jarl  beweist,  dass 
das  zweite  uomen  sich  im  ton  mehr  an  das  vorausgehende  nomen  anlehnen 
konnte.  Ob  ein  gleiches  für  prädicativisches  Verhältnis  (ii  HHv.  7,  2.  Hdl. 
32, 4.  Hdl.  13, 6,  s.  oben)  anzunehmen  ist,  bleibt  zweifelhaft. 

Mit  dem  bisher  erörterten  stimmen  die  verliältnis'se  der 
zweiten  lialbzeile  vollkommen  überein.  Namentlich  zeigt  das 
abnehmen  der  belege  bis  auf  ungefähr  die  hälfte  (49),  dass 
der  absteigende  zweite  halbvers  dem  satzaccent  widersprach. 
Auch  wenn  man  die  beispiele  mit  npr.  abzieht,  verhalten  sich 
I  und  II  ebenfalls  wie  2  :  1.  Die  ii- belege  sind,  will  man  dem 
Urtext  der  lieder  gerecht  werden,  noch  um  die  verse  des 
Dvergatal  zu  vermindern.  Sie  illustrieren  zugleich  aufs  beste, 
wie  empfindlich  man  gegen  eine  Vernachlässigung  des  satz- 
accents  gewesen  ist.  Bei  den  in  §  6  erörterten  verseu  mit 
schwächer  coordinierten  nomiuibus  Aväre  somit  das  ausgespro- 
chene amvachsen  der  ii-belege  unmöglich  gewesen,  wenn  sich 
nicht  vers-  und  Satzbetonung  gedeckt  hätten.  Dass  überhaupt 
II -verse  mit  coordinierten  nominibus  auftreten,  ist  zweifellos 
ein  indicimn  mangelhafter  technik.  Befand  sich  der  dichter 
jedoch  in  der  zAvangslage,  einen  ii-vers  mit  zwei  coordinierten 
nominibus  zu  bilden,  so  musste  er  sich  nach  einem  mittel  um- 
sehen, das  den  Verstoss  erträglich  machte.  Ein  solches  bot 
sich  ihm  im  endreim.  Denn  es  kann  kaum  zufall  sein,  dass 
sich  gerade  in  dieser  kategorie  von  verseu  der  gleichklang 
von  Silben  in  so  ausgeprägtem  masse  bemerkbar  macht.  Aller- 
dings musste  sich  der  reim  der  casusendungen  ungesucht  ein- 
stellen, dagegen  liegt  offenbar  in  den  fällen  absieht  vor,  in 
denen  der  gleichklang  sich  auch  auf  den  silbenanlaut  erstreckt. 
Dass  sich  der  endreim  auch  in  iN'--beispielen  findet,  kann 


ALLITERATION   IM   EDD.   FOKNYßDISLAG.  103 

nicht  befremden.    Hier  trägt  er  ohne  zweifei  zum  wohllaut 
bei  und  steigert  er  die  Wirkung  der  dopjjelalliteration. 

In  II  reimt  in  den  versen  mit  npr.  einsilbig  Vsp.  11,  2  Norßri  Supvi, 
Up.  12,6  Kefsii-  Fulnir,  2i,  8  BrattsJ^eggr  olc  Saggr;  zweisilbig  Ep.  13,  2 
Z^mmba  oTc  Jüimba,  25,  4  /Srarri  S^ml-Jd  (ungenau),  Grt.  1,  4  i^enja  o7c  il/enja. 
Zu  den  letzteren  tritt  von  den  versen  ohne  npr.  Sg.  66,  2  fjoldum  ok  sljql- 
dum,  zu  den  ersteren  HH.  1,10,8  Igndnm  ok  pegnum..  In  i  ist  der  ein- 
silbige reim  besonders  bei  npr.  vertreten,  und  zwar  weniger  in  N^ -fällen 
(Vsp.  11,3  ^l^stri  ok  Vestv'i,  Ep.  27,5  i'opir  ok  3Iöph-),  als  in  N^- versen: 
Vsp.  11,  7  BIM-T  Böhm;  Hdl.  21, 1  Jsolfr  Ösolfr,  23, 1  ITervarpr  Hjgrvarpr, 
HH.l,  8,  3  S'dZfjoU  *S';!fefjoll,  14,5  HJgrYM-'p  ok  fip'varp,  47,5  Svipup  ok 
Svegjulp,  51,  5  MeMr  ok  3Iyhnr,  Gp.  2,  83,  3  F/nbjorg  Valhjqrg.  Von  den 
versen  ebne  npr.  reimen  ebenfalls  mehr  N'^  (Vsp.  45,  7  skeggjqlä  ok  skalmqlä, 
45,  9  vindqlä.  vargqld,  Grp.  38,  3  litnm  ok  Zp'tum,  Gp.  2, 15,  7  /yprdrott  hjalm- 
drott),  als  W:  Gp».  1,7,1  =  Ep.  27,5  fapir  ok  mopir.  Zweisilbiger  reim 
findet  sich  nur  in  N*-versen  mit  npr.:  Vsp.  13,1  Fili  Kili,  15,5  Böri  Öri, 
15,7  Skirfir  Virfh:  Assonanz  der  Stammsilbe  begegnet  nur  in  N'^-versen 
mit  npr.:  Vsp.  11,5  Nar  ok  Näm»,  12,3  prär  ok  prä^m,  12,5  Nyr  ok 
'Njrctpr,  Ep.  41,  5  Nipr  ok  l^ipjnngr.  Auch  sie  verstärkt  die  Wirkung  der 
doppelalliteration. 

b)   Substantiv  -f  adjectiv. 
§  8.    Material:  1)  Gleicher  casus  der  beiden  nomina: 

a)  Substantiv  -\-  adjectiv:  Erste  halbzeile:  Typus  A:  Vsp. 
2,  7.  5,  3.  10,  3.  32,  3.  63,  5.  Hym.  4,  7  (=  30,  3  =  Fäf.  35,  3).  Drk.  24,  7. 
Ep.  15, 3.  Hdl.  6,  7.  9,  3.  33,  3.  33, 7.  Vkv.  1,  3  (=  3, 9.  10,  7).  HH.  1, 11,  7. 
49,  5.  50,  7.  HH.  2,  20,  3.  HHv.  1,  3.  Eg.  15,  7  (=  Gp.  2,  25,  5).  18,  3  (=  Sg. 
1, 3.  3,  5).  Gp.  1,  6,  7.  17, 5.  Sg.  2,  3.  2, 7,  4, 3.  8,  9.  18, 11.  32, 7.  38, 5.  Hei. 
4,3.  Gp.  2,15,5.  19,3.  25,7.  Od.  8,3.  Ghv.  12, 1.  21,1.  21,3.  —  Typus  B: 
Od.  11,7.  —  Typus  C:  Grt.  2,3.  HH.  2,16,3.  HHv.  41,7.  Gp.  2,  2,  5.  2,7. 
35,3.  —  Typus  D:  Vsp.  22,3.  39,3.  Hym.  13,  3.  23,3.  prk.  23,  3.  Ep.  29,5. 
29, 7.  Hdl.  28, 5.  Vkv.  1,  7.  9, 5.  Grt.  18,  3.  HH.  1, 9, 3.  18,  7.  22,  7.  31, 3. 
47,  5.  HH.  2, 11,  3.  35,  7.  44,  9.  HHv.  2,  3.  7,  3.  42,  7.  Eg.  13,  3.  Sg.  4, 1.  4,  9. 
6,  7.  25,  7.  G]?.  2, 14,  7.  Gp.  3,  4,  3.  Ghv.  17, 11.  18,  5.  —  Typus  F:  Ep.  8,  7. 
43,1.  Hdl.  7,9.  Eg.  5,3.  Gp.  1,24,9.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A: 
Vsp.  45,  8.  63,  4.  Hym.  8,  4.  19,  4.  prk.  29,  6.  Ep.  6,  6  (=  20,  6.  33, 10).  31,  6. 
Hdl.  12,  4.  12,  8.  16, 10  (=  17,  6.  20, 10.  21,  8.  23,  8.  24, 10.  26,  8.  27, 10. 
28, 12.  29, 10).  18,  8.  21,  6.  25,  4.  Vkv.  2,  4.  19,  4  (=  HH.  2,  35,  2  =  Faf.  40,  2 
-  Od.  21,  2  =  26,  2).  Grt.  7,  2  (=  Od.  8,  8).  HH.  1, 12,  6.  52,  4.  HH.  2, 14,  2. 
HHv.  4,  2.  36,  8.  Gi-p.  11,  2.  13, 4.  Gp.  1, 17, 4.  22, 2.  Sg.  9,  2.  13, 12.  33,  8. 
65,  2.  Gp.  2,  9,  2.  10,  2.  32,  6.  Gp.  3, 11,  6.  Od.  3,  2.  15,  2.  15,  6.  25,  8.  — 
Typus  C:  Vsp.  10,4.  18,4.  18,8.  30,6.  Hym.  11,2.  11,6.  prk.  15,4.  Ep. 
41,  2.  Hdl.  1,  8.  9.  6.  18,  6.  41,  6.  Vkv.  31,  4.  39,  4.  Grt.  18,  8.  HH.  1,  28,  4. 
35, 4  (=  HH.  2,  20,  4).  49,  4.  HH.  2,  51,  8.  HHv.  34,  4.  Grp.  37,  4.  Eg.  13,  6. 
Br.  7,  6.  Gp.  1, 1,  8  (=  Gp.  2, 11,  8).  5, 4  (=  11,  4).  19,  8.  Sg.  23,  2.  66,  6 
(=  67,  2).   Hei.  12, 2.   G]?.  2, 10, 4  (=  Od.  13,  4  =  Ghv.  1, 4).   14,  8.   37, 4. 


104 


WEXCK 


Od.  1,2.  —  Typus  D:  Vsp.  22,0.  n.%  4.   Ilym.  19,2.   R|>.  1,4.  10,4.  20,4. 

29.0.  38,6.  HJl.  43,8.  HII.  1,9,8.  10,4.  23,8.  29,4.  HH.  2,44,2.  HHv. 
9,0.  Grp.  2,6.  13,8.  45,6.  Reg.  11,2.  Sg.  12, 6.  19,4.  68,2.  Od.  8, 6. 
21,4.  21,6. 

ß)  Adjectiv  +  Substantiv:   Erste  halbzeile:   Typus  A:  Ysp. 
42,7.   43,7.  01,3.   Hym.  5,3.  10,3.  20,7.  25,1.  30,7.   prk.  8,3.  23,7.   Kp. 

11.1.  29,3.  32,5.  48,3.  Hdl.  30,9.  Bdr.  7,3.  Vkv.  36,7.  38,3.  41,5.  Grt. 
1, 7.  12,  7.  20,  3.  BH.  1,  4. 7.  6, 5.  12, 7.  33,  3.  37, 3.  38, 7.  53,  3.  56, 3.  HH. 
2,51,7.  HHv.  31,3.  33,7.  Grp.  14,3.  51,7.  Eg.  10,3.  Br.  2,7.  10,3  (=  Sg. 
30,3).  11,7.  19,3.  G]7.  1,4,7.  4,9.  12,5.  14,5.  16,7.  22,7.  Sg.  7,5.  20,3. 
22,  7.  37, 9  (=  45, 11).  52, 3.  54, 5.  60,  9.  68,  3.  70, 3.  Hei.  2, 3.  6, 3.  12, 7. 
G]\  2,19,9.  26,1.  41,7.  Od.  7,7.  29,9.  Ghv.  1,7.  7,5.  11,1.  14,3.  17,7.  — 
Typus  B:  prk.  25,7.  HH.  1,43,5.  HH.  2,18,3.  21,7.  35,3.  HHv.  6.7. 
Br.  4,7.  10,7.  Sg.  38,7.  42,7.  Hei.  6,7.  Od.  25,3.  Ghv.  3,9.  —  Typus  C: 
Hym.  17, 3.  Bdr.  14,  5.  Tkv.  5, 1  (=  6, 3).  HH.  1, 24, 1.  Grp.  47, 5.  Br.  9, 5. 
Sg.  4,7.  —  Typus  D:  HHv.  6,3.  —  Typus  E:  Vsp.  6,3  (=9,3.  23,3. 
25,3).  Hym.  5,7.  Hdl.  38,3  (=  GJ^.  2,21,7).  HH.  1,24,5.  35,3.  HHv.  4,3. 
Grp.  27,  7.  Gp.2,38,7.  —  Typus  F:  Kp.  37,  3.  HH.  1,  25, 1.  Sg.  30,  7.  Ghv. 
9,7.  —  Typus  6:  Ep».  8,9.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A:  Ysp. 
1,2.  4,8.  19,4.  22,8.  27,4.  27,6.  31,2.  39,2.  41,2.  41,4.  57,4.  59,2.  60,8. 
Hym.  4,  2.  9,  6.  22,  8.  23,  2.  35, 4  (=  Gj?.  1, 14, 2  =  Gp.  3,  4, 4  =  Od.  29, 2). 
prk.  9,  8.  14,  0  (=  Bdr.  1,  6).  16,  6  (=  19, 10).  24,  6.  26,  6  (=  28,  6).  29, 10. 
Rp.  1, 2  (=  Faf.  41, 2).  2, 2  (=  6, 4.  20, 4.  33,  8).  3, 4  (=  17, 4.  30, 4).  4, 6. 
5,6  (=19,6).  8,8.  8,10.  14,2  (=26,2).  25,2.  29,8.  32,2.  34,6.  36,10. 

38. 2.  39, 2.  44,  6.  48, 2.  Hdl.  3, 8.  15, 8.  18, 4.  45, 6.  46, 4.  49, 8  (=  Gp. 
1,  22,  8).  50,  6  (=  HH.  2,  46,  2).  Bdi-.  1,  8.  5,  4.  Vkv.  4, 2  (=  8,  6).  9,  4.  11,  6. 
Grt.  4,  2  (=  12,  6).  0, 6  (=  Grp.  15,  6).  15,  6.  18, 2.  HH.  1, 17,  6.  19, 2  (=  Gp. 
2,43,6).  25,2.  36,2.  47,6.  49,2.  HH.  2,13,4.  34,6  (=Gp.  1,25,3  =  Sg. 
27,  8).  38,  8.  43,  6.  45,  6.  HHv.  10, 2.  36,  4.  Grp.  29, 2.  45,  4  (=  Br.  3,  6  = 
Sg.  61,6).  48,0.  Eg.  26,2.  Br.  11,4.  Gp.  1,4,8.  13,8.  20,8.  24,8.  26,2. 
Sg.  1,6.  5,8.  31,4.  41,2.  43,4  (=  45,4).  49,8.  51,2.  53,4.  62,6  (=  Ghv. 
13, 6).  Hei.  6, 2.  Gp.  2, 2, 6.  7, 4.  17,  2.  20, 6.  36, 2.  Gp.  8,  3, 4.  9, 2.  Od.  2, 4. 
5,4.  6,4.  9,2.  13,2.  18,2.  19,4.  —  Typus  B:  Vsp.  6,8.  Vkv.  3,8.  8,8. 
HH.  1,56,4.  HH.  2,15,2  (=  Grp.  47,6.  Br.  10,4.  Sg.  30,4).  Br.  18,8.  Sg. 
9, 4.  31, 8.  54, 0.  55,  4.  00, 10.  Gp.  2, 12, 10.  Od.  3,  0.  9, 4.  Ghv.  9,  8.  18, 4. 
—  Typus  C:  Vsp.  3,4.  Hym.  13,6.  Hdl.  15,4.  42,6.  Br.  13,6.  Grt.  10,2. 
HH.  i,  36, 10.  HH.  2,  33, 10.  HHv.  8, 4.  Grp.  27,  6.  Eg.  13,  8.  Sg.  67, 6.  Gp. 
2,2,8.  Gp.  3,5,2.  —  Typus  D:  V.sp.  2,6.  42,4.  Hym.  39,8.  I3rk.  10,4. 
Hdl.  23,6.  HH.  1,49,8.  50,4.  53,12.  Grp.  26,2.  Br.  2,8.  Gp.  1,8,6.  24,10. 
Sg.  70,2.  Gp.  2,14,2.  —  Typus  E:  Hym.  3,2.  prk.  23,2.  27,4  (=  Vkv. 
7, 4  =  16, 4  =  30, 4  =  Od.  3, 8).  Hdl.  35, 6.  Grt.  13,  8.  Grp.  33, 6.  Eg.  14, 2. 
Sg.  14, 2.  Ghv.  20,  6.  —  Typus  F:  Ep.  37, 2.  Bdr.  2, 2  (=  13,  4).  Gp.  1,  7, 2. 
Sg.  26, 8.  32,  6.  Gp.  3,  8, 4. 

2)  Ungleicher  casus  der  beiden  nomina: 

«)   Substantiv  ■\-  adjectiv:    Erste  halbzeile:    Typus  A:    Vsp. 
48,7.  Hdl.  3,3.  HH.  1,34,7.  Eg.  23,7.  Sg.  50,3.  Od.  24,3.  —  Typus  C: 


ALLITERATION   IM   EDD.    F0RNYRDI8LAG.  105 

Sg.  11,9.  —  Typus  D:  HH.  2,33,9.  Sg.  53,3.  GJ>.  2,42,8.  —  Typus  E: 
Hyra.  28,3.  HH.  1,41,3.  HH.  2,  36,  9.  —  Typus  F:  Hell.  25,  9.  —  Zweite 
halbzeile:  Typus  A:  Vsp.  31,6.  64,2.  Hym.  5,  8.  15,2.  Hdl.  13,2  (=  Sg. 
67,  4).  Vkv.  23,  2.  HH.  2,  4,  6.  Rg.  17,  6.  Br.  4,  6.  Sg.  70,  4.  Hei.  12,  6.  Gp. 
2,8,6.  19,6.  —  Typus  B:  Grp.  7,8.  —  Typus  C:  Vsp.  51,6.  Vkv.  5,4. 
Grp.  33,2.  Qp.  2,24,0.  —  Typus  D:  Br.  16,6.  Sg.  33,6.  Hei.  1,8.  — 
Typus  F:  Ep.  4, 10.  G]x  1,  24, 12. 

ß)  Adjectiv  +  Substantiv:  Erste  halbzeile:  Typus  A:  Vsp. 
56, 11.  Hym.  9,  7.  21,  3.  27,  5.  Ep.  31,  3.  31,  7.  HH.  1,  5,  7.  15,^5.  42,  7.  53,  7. 
53,  9.  HH.  2,  48,  7.  Grp.  7,  5.  15,  3.  36,  7.  41,  3.  42,  3.  Sg.  31,  5.  34,  7.  35,  5. 
37,5.  51,3.  67,5.  Hei.  2,7.  Gp.  2,1,3.  42,7.  Ghv.  2,7.  -  Typus  D:  Grp. 
7,7.  8,3.  28,3  (=29,3).  —  Typus  E:  Sg.  41,3.  Gp.  2,44,3.  —  Zweite 
halbzeile:  Typus  A:  Vsp.  8,4.  21,2  (=24,4).  53,6.  Hym.  5,6.  13,4. 
21,  2.  37,  6.  prk.  14,  2  (=  Bdr.  1,  2).  14,  4  (=  Bdr.  1,  4).  15,  2.  17,  2.  Ep.  2,  8. 
Hdl.  5,  2.  14,  2.  15,  2.  15,  6.  HH.  1, 10,  4.  41,  6-  42,  4.  53, 10.  HH.  2,  30,  8. 
51,  6.  HHv.  39, 4  (=  43,  8).  Grp.  7,  2.  51,  2.  Rg.  5,  6.  14,  6.  Br.  16,  2.  Gp. 
1,15,2.  Sg.  27,4.  32,2.  53,6.  Hei.  5,2.  —  Typus  C:  Grp.  7,6.  G]?.  2, 18,  4. 
—  Typus  D:  Vsp.  44,8.  Hdl.  14,4.  Grp.  27,2.  Sg.  14,10.  —  Typus  E: 
HH.  1, 13,  8.  Sg.  22,  2. 

Dieses  nmfäng-liclie  material  bietet  zunächst  zwei  schwere 

Verstösse  gegen  das  alliterationsgesetz,  nämlich  Ykv.39,4  ineyna 

hrdhvitu  und  HH.  2,  35,  3  qU  Ycmdilsye. 

Während  im  ersten  fall  an  proklitische  Verwendung  des  subst.  nicht 
gedacht  werden  kann  (der  vers  ist  daher  als  D  mit  unregelmässiger  alli- 
teration  auf  zweiter  hebung  zu  nehmen,  vgl.  §  53),  könnte  man  im  zweiten 
(B  ist  durch  N^  festgelegt)  vorerst  eine  altertümlichkeit  erblicken  wollen, 
da  im  wgerm.  (Rieger  s.  23.  Sievers  §  27)  die  unbestimmten  quantitäts- 
adjectiva  zur  proklise  neigen  und  meist  nur  durch  die  accentuierung  der 
poetischen  spräche  so  viel  touge wicht  erhalten,  dass  sie  selbst  im  vorzug 
vor  einem  folgenden  nomeu  alliterieren.  In  der  Edda  werden  jedoch  adjec- 
tiva  wie  «?/;•'),  margr^)  mit  den  anderen  adj.  gleich  behandelt.  An  der 
tatsache  eines  fehlers  kann  gar  nicht  gezweifelt  werden,  da  gerade  die 
HH.  2  technisch  auf  sehr  tiefer  stufe  steht.  Ein  fehler  ist  in  diesem  liede 
jedoch  weniger  befremdlich  als  in  der  alten  Vkv.  Die  überaus  corrupte 
Überlieferung  der  Vkv.  legt  den  gedanken  einer  Umstellung  nahe.  Die 
dabei  notwendige  tilguug  des  artikels  kann  zwar  wenig  besagen,  doch 
wage  ich  die  einschlagung  dieses  auswegs  deshalb  nicht  zu  befürworten, 


1)  aUr  steht  vor  dem  subst.  und  alliteriert:  i  Br.  2,  7.  ii  Hym.  22,  8. 
prk.  29, 10.  HH.  2,  34,  6  (=  Gp.  1,  25,  4  =  Sg.  27,  8).  HH.  2,  38,  8.  15,  2 
(=  Grp.  47,  6  =  Br.  10,  4  =  Sg.  30,  4).  HH.  2,  33, 10  etc.  Nachstehend 
entbehrt  es  vielfach  des  reimes :  i  Vsp.  10, 3.  prk.  24, 7.  Hdl.  33, 3.  Gp. 
1, 17,  5.  GJ?.  2,  25,  7.  Ghv.  21, 1.  21,  3  etc. 

-)  Ebenso  steht  margr  nach  (i  HH.  1,49,5.  ii  Hdl.  21,6.  HHv.  4,  2) 
wie  vor  dem  subst.  in  hebung  ( i  Sg.  37, 9  =  45, 11,  wo  das  subst.  mit 
alliteriert,  ii  Gp.  2,  20,  6.  Ghv.  9,  8). 


106  WENCK 

weil  der  vcrs  einer  streng-  fiiufgliedrigen  strophe  angeliürt  und   überdies 
ein  E  im  zusamiueuhange  nielodiscli  anstössig  wäre. 

Wie  schon  erwähnt,  "wird  das  numerale  wie  ein  adj.  ge- 
braucht. Es  kann  nach  wie  vor  dem  zugehörigen  subst.  stehen, 
nimmt  aber  in  erster  Stellung  nirgends  an  der  alliteration  teil. 
Ebensowenig  alliteriert  das  nachfolgende  nomen  mit,  abgesehen 
von  versen,  wo  beide  Wörter  vocalisch  anlauten.  Der  grund 
dieser  erscheinung  ist  offenbar  in  der  Schwierigkeit  zu  suchen, 
einen  reim  auf  das  jeweilig  vom  Zusammenhang  bestinnnte 
Zahlwort  zu  finden.  Die  voranstellung  des  num.  scheint  be- 
vorzugter zu  sein:  1)  «  i  5,  ii  18;  ,:?  i  13,  ii  24;  —  2)  a  i  — , 
II  4;  ß  I  5,  II  5. 

Zur  Verdeutlichung  fassen  wir  die  obigen  belege  in  einer 
tabelle  zusammen: 


1) 


2) 


A 

B 

C 

D 

E 

F 

«)  I 

87 

= 

44 

1 

G 

31 

— 

5 

11 

116 

=: 

53 

— 

39 

24  • 

— 

■ — 

ß)  I 

109 

= 

70 

13 

8 

1 

12 

4 

II 

197 

= 

130 

19 

14 

14 

13 

7 

«)  I 

14 

= 

6 

— 

1 

3 

3 

1 

II 

24 

= 

14 

1 

4 

3 

— 

2 

ß)  I 

33 

= 

27 

— 

— 

4 

2 

— 

II 

45 

= 

37 

— 

2 

4 

2 

— 

Aus  diesen  zahlen  ergibt  sich  für  die  Stellung  des  attri- 
butiven adjectivums»),  dass  die  Stellung  vor  dem  zu- 
gehörigen subst.  in  beiden  halbzeilen  bevorzugt  wird,  in  i 
allerdings  sehr  wenig  (rund  56  o/o  :  ii  63  "/o)-  Iii  den  bei- 
spielen  unter  2)  ist  die  voranstellung  ebenfalls  beliebter  (i  70  o/o, 
II  60  o/o)  Zur  richtigen  beurteilung  ist  jedoch  wider  die  t ren- 
nung der  2 -belege  nach  der  S3'nt  aktischen  bin  düng  un- 
bedingt erforderlich. 

Ist  das  Substantiv  vom  adjectiv  abhängig,  so  geht 

3)  Prädicatives  adjectivum  begegnet  nur  vereinzelt  und  steht 
normalerweise  nach:  1«  :  i  :  N*:  0^.2,19,3  Eijmvpr  pripi,  Kp.  8,  7  fmgr 
digrir,  29,  5  Iran  bjartari,  29,  7  hals  hvitari,  Vsp.  10,  4  cn  Durinn  annarr, 
30,6  cn  Skggul  gnmtr,  E]'.  29,6  hrjüst  Ijösara,  41,2  cn  Barn  annat,  Grt. 
7,2  =  Od.  8,8  orjj  it  fyrra,  HH.  1,29,4  hofn  hringloga,  Grp.  37,4  m 
[/)/<,]  gramr  pripi,  Sg.  12,  6  hcfnd  Utiari.  —  Yoraustchend  findet  es  sich 
nur  I  Bdr.  14,5  es  hiiiss  Lolci,  Ykv.  5,1  =  6,3  cn  cinn  }\>h()uh;  Br.  2,  8 
einn  fulltrm. 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  107 

es  diesem  in  i  9  mal,  in  ii  15  mal  voraus,  es  folgt  ihm  2  mal 
in  I,  10  mal  in  ii: 

Vorausteilung  des  Substantivs:  Genetivisclies  Verhältnis  liegt 
vor:  I  :  N':  Sg.  33,  3  l'tfs  orvccna,  G]>.  2,42,3  glaums  andvani,  Ysp.  48,7 
vcgghergs  visir,  HH.  1,  34,  7  gnnnar  gjarnir,  HH.  2,  33,  9  avps  andvani, 
Bg.  23,  7  hjgrleiks  hvatir.  —  ii :  Br.  4,  6  meins  um  lysiir,  16,  6  glaums 
andvani,  Hym.  5,8  rastar  djiipan.  —  Superlativ:  Ep>.  4,10  Icräsa  bazir, 
Gp.  1,24,12  vifa  mest.  —  Dativisches  Verhältnis:  i  :  N' :  Hym,  28,  3 
prägirni  vanr,  HH.  2,  36,  9  gidlhitli  vanr;  —  N- :  HH.  1,  41,  3  vargldjöpum 
vanr;  —  ii :  Gp.  2, 8, 6  cezli  fegna,  19,  6  jgfriim  likir,  Sg.  70, 4  oplum 
göpir,  Hill.  13,  2  =  Sg.  67,  4  menjinn  ggfga;  beim  comparativ:  Vsp.  31,  6 
rgllum  hceri,  64,  2  sölu  fegra,  Hym.  15,  2  Jiofpi  skemra,  HH.  2,  4,  6  skgjum 
ofri,  Hg.  17,  6  hrondum  hceri. 

Nachstellung  des  Substantivs:  Dativisches  Verhältnis:  i  :  N^ : 
HH.  1,5,7  andvanr  ötu,  Sg.  34,7  ftdlgocdd  fei;  —  ii :  vacat;  —  gene- 
tivisches:  i:  vacat;  —  ii :  HH.  1, 10, 4  fimtdn  vetra,  53,10  altraupr 
flagar,  Grp.  7,6  en  gloggr  flugar;  —  beim  Superlativ:  I)rk.  15,2  hvitastr 
dsa,  17,  2  pritpgastr  dsa  (Sievers,  Prob.  s.  35,  anm.),  Hdl.  15,  2  oeztan  manna, 
15,  6  cezta  kvcnna,  14,  2  gflgastr  manna,  14,  4  ha;str  Skjgldunga,  Sg.  32,  2 
verpiist  kvenna. 

Diese  belege  lassen  zugleich  einen  unterschied  in  der 
Stellung  des  Superlativs  und  comparativs  bemerken:  wäh- 
rend bei  letzterem  nachstellung  regel  ist,  stehen  2  versen  mit 
Superlativ  in  gleicher  Stellung  7  mit  umgekehrter  Stellung 
gegenüber. 

Diese  differenz  ist  ohne  zweifei  durch  den  sinnesaccent  bedingt.  Ein 
comparativ  ist  ja  ohne  vergleichsobject  unverständlich,  dagegen  tritt  das 
Verhältnis  zu  anderen  objecten  beim  Superlativ  mehr  in  den  hintergrund, 
es  handelte  sich  denn  um  einen  gegensatz.  Ueberdies  neigt  der  Superlativ 
an  sich  zur  rhetorischen  hervorhebuug  und  kann  er  daher  im  einklaug  mit 
dem  satzaccent  selbst  in  ii  an  erstey  stelle  stehen.  In  der  Verschiedenheit 
der  Stellung  des  Substantivs  ])eim  comparativ  und  Superlativ  spiegelt  sich 
also  ein  nachdrucksunterschied  wider,  der  auf  das  logisch-rhetorische  element 
der  spräche  zurückgeführt  werden  muss. 

Ist  das  Substantiv  dem  adjectiv  übergeordnet,  so 

stehen  sich  in  i  Stellung  a  und  ß  mit  je  einem  beleg  (Hdl.  25, 9 

foJhim  grims  :  Sg.  41,  3  annarrar  ver  =  N^  gegenüber;  in  ii 

begegnet  Stellung  a  in  2  (Hei.  1,  8  vers  annarrar,  Grp.  33,  2  fyr 

sviJium  annars),  Stellung  ß  in  1  beispiel  (Sg.  14, 10  al^  fultrüa). 

Da  es  sich  hier  in  allen  fällen  um  ein  genetivisches  Verhältnis  handelt, 
so  widerstreiten  die  «-verse  dem  stilprincip,  die  ii  auch  dem  satzaccent 
(vgl.  §  5):  sie  müssen  also  mangelhafter  techuik  aufgebürdet  werden. 

Ist  keine  abhängigkeit  zwischen  den  beiden  no- 


108  WENCK 

minibus  vorliaiKlen').  so  ist  eine  Vorliebe  für  die  eine  oder 
andere  Stellung-  nicht  zu  erkennen  (i  3  N-  :  ji  1;  i  3  N- :  ii  3). 

In  den  noch  übrigen  versen,  in  denen  die  grammatische 
bindung  nur  eine  lockere  ist'^),  kann  jedoch  von  einer  aus- 
geprägten tendenz  zur  voranstellung  des  adj.  geredet  werden: 
a  I  1,  II  3  :  /^  I  27,  ii  31.  Obwol  das  subst.  den  adjectivbegriff 
näher  bestimmt,  ist  ein  Verstoss  gegen  den  satzaccent  deshalb 
nicht  anzunehmen,  weil  die  begriffliche  ergänziing  z.  t.  recht 
überflüssiger  art  ist.  Der  logische  nachdruck  liegt  in  der 
mehrzahl  der  beispiele  zweifelsohne  anf  dem  adj.  Die  voran- 
stellung des  subst.  würde  einen  gegensatz  verlangen,  der  tat- 
sächlich nicht  vorhanden  ist. 

Zur  beurteilung  des  Verhältnisses  von  N^  zu  N^  sind 
nach  der  bemerkung  s.  106  die  fälle  mit  numeralia  abzuziehen 
(die  procentzahlen  sind  in  ( )  zugefügt).  Ausserdem  sind  noch 
die  npr.  in  rechnung  zu  stellen  (procente  in  [  J ).  Es  ergibt 
sich  dann  folgende  tabelle: 

1)  «  :  I  :  N'  =  36,0  "/o  (32,10/0)  [27,90/0]  :  N«  =  63,9  "/o  (67,9  »/o)  [72,0  «.o], 
(9  :  I  :  N'  =  66,900  (63,50/0)  [65,1  o/„]  :  N*  =  33,0  o/«  (36,4  o'„)  [34,80/0]. 

Sonach  wird  N'  in  Stellung  ß  bevorzugt  in  Stellung  «  als 
ungenügend  empfunden.  Bei  einem  vergleich  dieser  procent- 
zahlen mit  den  in  §  5  berechneten  liegt  es  auf  der  band,  dass 
adj.  +  subst.  eine  den  nominalcompositis  analoge  tonische  eiu- 
heit  bilden. 

Beachtenswert  ist,  dass  die  eutsprechenden  rroceutzahlen  in  §  5  etwas 
höher  sind  als  die  hier  angegebenen.  Die  differeuz  berechtigt  wol  zu  dem 
schluss,  dass  adj.  +  snbst.  begrifflich  und  daher  auch  dynamisch  weniger 


")  Belege:  «  :  i  :  N'^:  Hdl.  3,3.  Sg.  11,9.  56,3;  11 :  Ysp.  51,6. 
Ykv.  5,4.  Sg.  33,6.  Hei.  12,6;  —  /?  :  i  :  N'^ :  Grp.  8,3.  41,3.  Gp.  2.42,7; 
II :  Hym.  5,  6.  21,  2.  Ysp.  44,  8. 

5)  Belege:  «  :  i :  N' :  Od.  24,  3;    11 :  Ykv.  23,  2.  Grp.  7,  8.  Gp.  2,  24,  6; 

—  ,9  : 1 :  N' :  Grp.  28,  3  (=  29,3).  36,7.  Sg.  35,  5.  67,  5.  Hei.  2,  7.  G}^  2, 44, 3; 

—  N'ä :  Ysp.  56, 11.  Hym.  9, 7.  21, 3.  27, 5.  Ep.  31, 3.  31, 7.  HH.  1, 15,  5  (vgl. 
Bugge  z.  St.).  42, 7.  53,  7.  53, 9.  HH.  2, 48,  7.  Grp.  7, 5.  7,  7.  15, 3.  42,  3. 
Sg.  31,5.  37,5.  51,3.  Gp.  2, 1,  3.  Ghv.  2,7.  -  ii:  Ysp.  8,  4.  21, 2  (=24, 4). 
53,6.  Hym.  13,4.  37,6.  R^2,8.  Hdl.  5, 2.  Bdr.  1,2.  1, 4  (=  prk.  14, 2.  14,4). 
HH.  1, 13, 8.  41, 6.  42,  4.  HH.  2,  30,  8.  51, 6.  HHv.  39, 4  (=  43, 8).  Grp.  7, 2. 
27, 2.  51, 2.  Rg.  5,  6.  14,  6.  Br.  16,  2.  Sg.  22,  2.  27, 4.  53,  6.  Gp.  1, 15, 2. 
G\>.  2, 18,  4.  Hei.  5, 2. 


ALLITERATION   IM  EDD.   FORNYRDISLAG.  109 

verschmelzen  konnten  als  gen.  +  snbst.  Dafür  spricht  anch  der  um  die 
hälfte  geringere  proceutsatz  des  typns  C :  ß  i  7,2,  ii  7,6  gegen  gen.  +  snbst. 

1  15,8,  II  15,9  °/o-  —  Ferner  ist  nicht  nnwesentlich,  dass  diese  C-verse 
sämmtlich  dem  untertypus  C  3  angehören,  also  durch  die  metrische  qualität 
des  Sprachmaterials  veranlasst  sind.  —  Bei  nachstellnng  des  adj.  ist  wie 
oben  coordinatiou  der  beiden  nomina  anzunehmen,  zum  mindesten  grössere 
Selbständigkeit  des  adj.  im  nachdruck.  Geht  dies  schon  aus  dem  starken 
procentsatz  des  typus  A  hervor,  so  wird  die  annähme  weiterhin  durch  die 
spärlichkeit  des  auftretens  von  typus  C  in  i  (6,9  "lo :  es  sind  sämmtlich  C  2, 
vgl.  §  5)  bestätigt.  Das  anwachsen  von  C  in  ii  ist  mit  dem  bisherigen 
unvereinbar  (ii  C  =  32,7  "/n)-    Die  einwirkuug  des  sprachmaterials  (32  C  2, 

2  C3,  -1  Cl)  reicht  zur  erkläruug  nicht  aus.  Ohne  zweifei  hat  hier  der 
alliterationszwaug  eine  bedeutende  rolle  mitgespielt,  da  besonders  lieder 
mit  jüngerer  technik  an  den  betreffenden  fällen  beteiligt  sind.  Dass  diese 
II C  aus  einer  notlage  erwachsen  sein  müssen ,  wird  durch  die  Verteilung 
des  typus  D  auf  die  beiden  Stellungen  deutlich  erwiesen:  a  i  31,  ii  24  : 
ß  I  1,  II  11.  Das  abweichende  verhalten  von  ii  bei  der  Stellung  ß  ist 
offenbar  dadurch  zu  erklären,  dass  9  der  ii  ß  D  ein  numerale  zeigen,  deren 
Voranstellung,  wie  erwähnt,  im  allgemeinen  beliebter  ist. 

Bei  ung-leichem  casus  der  beiden  nomina  überwiegt, 
der  meist  lockereren  grammatischen  bindung  entsprechend,  N^ 
in  beiden  Stellungen:  «  :  i :  N»  =  42,9  "/o,  N^  =  57,1 0,0;  ß-i- 
Ni  =  24,2  o/q^  N"''  =  75,7  Vo-  Zur  beurteilung  niuss  jedoch  aber- 
mals auf  die  Scheidung  nach  der  syntaktischen  abhängig- 
keit  zurückgegriffen  werden.  Wie  bei  nicht  vorhandenem 
rections Verhältnis  eine  bevorziigung  der  einen  oder  anderen 
Stellung  nicht  zu  erkennen  war,  werden  hinsichtlich  der  alli- 
teration  beide  Stellungen  gleich  behandelt,  insofern  N^  die 
regel  ist.  Die  11 -belege  (vgl.  anm.  4)  sind  daher  als  anomalien 
aufzufassen.  Bei  vorausgehendem  subordinierten  subst. 
verhält  sich  N '  :  N^  wie  4  :  5; 

Das  auftreten  von  N^  kann  jedoch  nur  zufällig  sein,  wie  das  anwachsen 
der  ii-belege  beweist.  Die  beiden  iN'  mit  nachfolgendem  abhängigen 
adj.  sind  schon  oben  als  fehlerhaft  bezeichnet  worden.  In  den  übrigen  verseu 
mit  lockerer  grammatischer  Verknüpfung  stehen  sich  ß:  20  N'^  und  7  N' 
gegenüber.  Trotzdem  findem  finden  sich  von  /?ii  31  fälle.  Der  Wider- 
spruch löst  sich  nur  durch  die  oben  constatierte  einwirkung  des  siunes- 
accentes.  Immerhin  ist  die  grosse  zahl  von  versen  aus  liedern  jüngerer 
technik  bemerkenswert.  Das  material  ist  jedoch  zu  dürftig,  als  dass  man 
feste  regeln  aufstellen  könnte. 

Schliesslich  ist  noch  hervorzuheben,  dass  der  bestimmte 
artikel  in  einigen  versen*^),   in   denen   er   zur  bilduug   der 


6)  Nämlich  1)  «  :  I :  Ni :  HHv.  1, 3.  Gp.  1,  6,  7.  Sg.  8,  9;  N^ :  Od.  8,  3; 


110  WENCK 

Senkung  erforderlicli  ist,  ausser  aclit  gelassen  werden  konnte, 
da  er  sich  (vgl.  §  40)  durch  viUlige  tonlosigkeit  auszeichnet.  Die 
mehrzahl  dieser  fälle  stammt  aus  ii.  Grössere  coordination 
scheint  der  artikel  somit  nicht  bewirkt  zu  haben,  wie  das 
auch  das  überwiegen  von  N'  (3)  in  i  über  N-  (1)  wahrschein- 
lich macht. 

c)    Substantiv  +  participium. 

§  9.  Material:  1)  Gleicher  casus  der  beiden  nomina: 

«)  Substantiv  +  participium:  Erste  halbzeile:  Typus  A: 
HH.  1,8,7.  39,3.  Br.  2,3.  Sg.  17,7  (=20,7).  Ghv.  1,3.  8,5.  -  Typus  C: 
HH.  2,7,3.  Gp.  2,17,11.  Od.  18,3.  —  Typus  D:  Rp.  36,3.  Hdl.  43,7. 
Ykv.  8,7.  HH.  1,37,7.  Gp.  2,22,7.  Ghv.  9,1.  —  Zweite  halbzeile: 
Typus  A:  Vsp.  27,2.  31,4.  Hym.  10,8.  prk.  7,8  (=8,2).  Rp.  32.6.  Hdl. 
11,2.29,2.  Vkv.  7,6.  11,8.  HH.  1,10,6.  18,6.  35,6.  HH.  2,7,2.  16,8. 
30, 4.  40, 8  (=  41, 8).  47,  2.  Grp.  5, 4.  Fäf.  41,  0.  Br.  12, 4.  Gp.  1, 4,  6.  21, 4. 
Sg.  20,6.  40,8.  Gp.  2,23,6.  40,2.  —  Typus  C:  Gp.  2, 23, 4.  25, 8.  — 
Typus  D:  Vsp.  39,8.  47,2.  66,2.  Hym.  36,2.  Rp.  1,6.  36,2.  Rg.  16,4. 
Gp.3,6,4.  Od.  3, 4.  —  Typus  F:  Hdl.  19,  8. 

ß)  Participium  +  Substantiv:  Erste  halbzeile:  Typus  A: 
Vkv.  29,7.  Sg.  47,3.  Gp.  2, 16,  3.  32,1.  Ghv.  7, 1.  —  Typus  E:  Vkv.  29,  5 
(=38,1).  —  Typus  F:  Rp.  8,  5.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A:  Ep. 
32, 8.  HH.  1, 3,  6.  49, 6.  HH.  2, 49, 2.  Grp.  46, 6  (=  Sg.  17, 6).  Br.  2, 2.  Sg. 
17,8  (=20,8).  28,6.  36,8.  Gp.  2,16,4.  19,10.  —  Typus  B:  Bdr.  7,2.  — 
Typus  C:  HHv.  42,  6.  Sg.  49,  6.  —  Typus  F:  Rp.  4,  2.  8,4.  11,8.  31,2. 

2)  Substantiv  abhängig  vom  participium: 

a)  Erste  halbzeile:  Typus  A:  Vsp.  64,3.  Rp.  32,3.  Grt.  21,7. 
HHv.  5, 9.   Br.  16, 11.   Gp.  1,  3,  3.   Sg.  17, 5.   Hei.  1, 3.   Gp.  2, 19, 11.   Ghv. 

17.3.  —  N'^:  Fäf.  40,7.  Gp.  1,16,7.  Gp.  2,26,7.  —  Zweite  halbzeile: 
Typus  A:   Hym.  21,6.    Rp.  42,2.   Vsp.  25,6.    Hdl.  41,2.    Bdr.  6,6.  Vkv. 

34. 4.  36, 6.  HH.  1, 15,  8.  48, 6.  HH.  2,  7,  6.  38, 6.  44,  6.  44, 8.  45, 4.  45, 12. 
Grp.  25, 8.  Rg.  16, 6  (=  Fäf.  32,  2).  Fäf.  42, 4.  Br.  7,  4.  Gp.  1, 14, 4.  14,  8. 
Sg.  69,4.  Gp.  2,4,6.  —  Typus  D:  Vsp.  56,12.  Hdl.  28,10.  —  Typus  F: 
Sg.  24,6.  —  ß)  Erste  halbzeile:  Typus  C:  Bdr.  5,7.  Gp.  1,25,5  (= 
Sg.  15,3.  56,9).  Gp.  2,  4,7.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A:  Vsp.  26,2. 
Rp.  4,4.  Br.  19,2.  Gp.  2,41,8.  -  Typus  C:  Od.  4, 6.  Bdr.  5, 6.  HH. 
1,23,4  (=  50,8).  HHv.  8,8.  Hdl.  12,2.  28,2.  Grp.  3,6.  —  Typus  F:  Hdl. 
10, 2.  Bdr.  6, 8. 

3)  Das  substantivum  (vom  präp.  abhängig)  bildet  eine 
adverbiale  bestimmung: 


—  II :  Hdl.  9, 6.  12, 4.  12,  8.  18,  8.  25, 4.  Grt.  7, 2  (=  Od.  8,  8).  HH.  1, 12, 6. 
52,4.  Grp.  11,2.  13,4.  Sg.  33,8.  Od.  15,2;  —  ß:i:  vacat;  —  ii:  Sg.  31,  8. 
Ghv.  18, 4;  —  2)  «  :  vacat j  —  ß  :  i:  vacat;  —  ii :  Gp.  2, 18,  4. 


ALLITERATION  IM  EDD.  FORNYKDISLAG.  111 

a)  Erste  halbzeile:  vacat.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  B:  Ykv. 
18,10.  -  Typus  C:  Vsp.  16,8.  Hym.  14,4.  32,4.  Hdl.  10,4.  33,8.  Grt. 
1,  8  (=  16,  4).  HH.  1,  36,  8.  HH.  2, 16,  2.  28,  4.  Grp.  44,  6.  Eg.  26,  4.  Br.  1,  2. 
Gp.  1, 18,  6  (=  Gp.  2,  2,  4).  18,  8.  Hei.  4,  4.  6,  4.  Gp.  2,  41,  6.  42,  6.  — 
/?)  Erste  halbzeiie:  Typus  A:  prk.  21,3.  Sg.  57,5.  Gp.  2,40,5.  40,7. 
Ghv.  20,7.  —  Zweite  halbzeiie:  Typus  A:  HH.  2,19,4.  46,10.  HHv. 
31,  6.  33,  6.  Grp.  28,  4.  Gp.  2,  40,  6.  35,4.  Ghv.  10, 4.  —  Typus  C:  Ghv.  4, 10. 

4)  Die  grammatisclie  binclung  ist  ganz  locker,  z.  t. 

gar  nicht  vorhanden: 

«)  Erste  halbzeiie:  Typus  A:  Br.  18,7.  HH.  1,1,7.  Br.  3,3.  Gp». 
2,30,3.  —  Zweite  halbzeiie:  Typus  A:  Hdl.  40,8.  HH.  2,3,2.  26,2. 
HHv.  38, 4.  Fäf.  36,  8.  42,  6.  Gp.  1, 14, 6.  Sg.  53,  8.  59,  4.  Od.  5,  2.  - 
ß)  Erste  halbzeiie:  vacat.  —  Zweite  halbzeiie:  Typus  C:  Hei.  4,  6. 
Gp.2,7,8.  26,  8.  —  Typus  D:  Grp.  30,  2. 

Diese  nicht  allzu  zahlreichen  belege  weisen  mehrere  Ver- 
stösse gegen  das  alliterationsgesetz  auf. 

In  Vkv.  8, 7  Yglimdr  lipandi  alliteriert  das  nachstehende  part.  in 
zweiter  hebuiig  eines  D-verses  allein  (vgl.  §  53).  Der  fehler  wird  jedoch 
durch  kreuzalliteration  gemildert  (vgl.  §  57  f.).  Hildebrands  Vorschlag  (a.  a.  o. 
s.  116)  oflangan  veg  zu  lesen,  würde  eine  syntaktische  härte  veranlassen, 
da  of  nach  dem  verbum  der  bewegung  durchaus  als  präp.  zu  fassen  ist 
(vgl.  Fritzner,  Ordbog  2,  500b  f.).  —  Sehr  auffällig  und  unzweifelhafte  an- 
zeichen  einer  sinkenden  technik  sind  ferner  Hdl.  12, 2  borinn  Insteüu, 
28,  2  borinn  Uroereki,  Grp.  3,  6  borinn  Sigmioidi,  die  dem  Schema  zuliebe 
zu  C  gezogen  worden  sind  (vgl.  §  53).  Umstellung  verbietet  sich,  weil 
diese  auf  lösung  der  Schlusshebung  bei  E  hervorbringen  würde.  Zwar  Hesse 
sich  eine  solche  durch  parallelen  aus  denselben  liedern  stützen  (Hdl.  1, 6. 
8,2.  32,2.  Grp.  5,  5),  doch  würde  Urcereki  borinn  Hdl.  28,2  als  E  minde- 
stens ebenso  fehlerhaft  sein ,  da  ein  vers  vom  Schema  L  ^X  L  zu  den 
metrischen  abnormitäten  gehört  und  nicht  erst  durch  conjectur  hergestellt 
werden  darf.  Ein  fehler  der  Überlieferung  ist  wol  wegen  der  grossen  ähn- 
lichkeit  der  fälle  ausgeschlossen.  —  Eine  weitere  ausnähme,  Ghv.  4, 10 
folgnar  i  \cdbl6pi  ist  für  die  beiirteilung  der  technik  des  fornyröislag 
weniger  schwerwiegend,  denn  wie  schon  die  inhaltliche  berührung  mit 
Hamp.  6.  7  nahelegt,  handelt  es  sich  hier  um  eine  ungeschickte  umdichtung 
einer  alten  mälahättrstrophe  (vgl.  Sievers,  Beitr.  6,  343  und  Sijmons  z.  st.). 
—  Jüngere  technik  zeigt  endlich  auch  Gp.  2, 35, 4  hafip  i  \agna.  Der 
fehler  ist  ganz  verständlich,  da  eine  Umstellung  der  beiden  nomina  ein  B 
mit  auf  lösung  der  zweiten  hebung  ergeben  hätte  (vgl.  dazu  Sievers,  Zs.  fdph. 
21, 106).  Eine  parallele  würde  Vkv.  18, 10  til  snu'pju  borinn  sein,  wenn 
der  vers  nicht  der  Interpolation  dringend  verdächtig  wäre.  Der  verschlag 
Finuur  Jcnssons,  in  i  \agn  hafip  zu  corrigieren,  erscheint  mir  satzmelodisch 
bedenklich.  Ausserdem  ist  die  aufeinanderfolge  von  zwei  C-versen  (vgl.  §  56) 
überaus  lästig. 


112  WENCK 

Hinsichtlich  der  Stellung-  des  particiitiums  er;iibt  sich 
aus  dem  angeführten  material  (von  der  syntaktischen  bindung- 
sei einmal  abgesehen)  eine  ausgeprägte  Vorliebe  für  nach- 
stellung.  Von  52  i  zeigen  nur  19  =  36,5  Vo?  von  146  ii  nur 
48  =  32,8  %  Voranstellung.  Ein  unterschied  zwischen  prä- 
dicativ  gebrauchten  und  attributivischeu  participien  ist  nicht 
zu  bemerken.  Nach  analogie  der  in  §  8  erörterten  Verhält- 
nisse wird  man  sagen  können,  dass  attributivisches  part.  -weit 
eher  vor  das  zugehörige  subst.  zu  treten  vermochte,  als  prä- 
dicativisches.  Beachtenswert  ist  namentlich  das  anschwellen 
der  belege  in  ir.  Diese  erscheinung  ist  offenbar  bedingt  durch 
die  charakteristische  eigenheit  des  strophischen  Stils,  die  syn- 
taktischen einschnitte  an  den  schluss  der  langzeile  zu  verlegen : 
nur  bei  einer  fortführung  des  satzes  war  die  möglichkeit  ge- 
geben, besagte  Verbindung  in  i  zu  verwenden  (s.  unten). 

AYas  die  alliteration  anlangt,  so  ist  die  grammatische 
Verknüpfung  näher  ins  äuge  zu  fassen.  Bei  gleichem  casus 
(und  meist  prädicativischem  Verhältnis)  der  beiden  nomina 
stehen  sich  in  Stellung  «  7  N'  und  8  N2  (1  N3  =  Vkv.  8,  7  ist 
auszuscheiden),  in  Stellung  (3  5  N'  und  8  N^  gegenüber.  "Wiewol 
Stellung  ß  als  das  normale  betrachtet  werden  muss,  zeigt  sie 
in  stärkerem  grade  N^,  als  die  ausnahmestellung  ß. 

Diesom  merkwürdigen  verhältuis  widerspricht  die  hiiuligkeit  der  beiden 
Stellungen  in  ii,  insofern  Stellung  a  in  zwei  dritteln  der  ii-beispiele,  dagegen 
Stellung  ß  (die  in  i  mehr  Is' -fälle  aufweist)  nur  in  einem  drittel  (20)  be- 
gegnet. Wegen  der  grösseren  zahl  der  ii- belege  (ii  60  :  i  24)  kann  man 
in  der  beurteilung  dieser  Ungereimtheit  nicht  schwanken.  Die  belege  für  i 
sind  zu  spärlich,  um  sichere  Schlüsse  auf  ihnen  aufbauen  zu  können.  Die 
unverständliche  Verteilung  von  N'  und  N-  ist  daher  in  erster  linie  spiel 
des  Zufalls.  Es  ist  jedoch  zu  berücksichtigen,  dass  4  von  den  5  /'?N*  ein 
npr.  enthalten,  aber  nur  ein  vers  von  den  7  ßls'.  Bei  den  «i-versen 
überwiegt  N'   in  typus  A,  dagegen  N*  in  typns  C  (vgl.  §  5)  und  D  (§  53). 

Bei  ungleichem  casus  der  beiden  nomina  sind  ver- 
schiedene möglichkeiten  gegeben,  die  streng  auseinander  ge- 
halten werden  müssen.  Ist  die  grammatische  bindnng  nur 
eine  lockere  (sub.ject,  object  [gen.,  dat.]  und  part.)  oder  über- 
haupt nicht  vorhanden  (wie  z.  b.  in  Hdl,  40,  8  Bijk'ists  Icomit, 
G]'.  1, 14, 6  iyllds  lijmar),  so  stehen  bei  der  in  i  allein  auf- 
tretenden Stellung  «  3  N-  gegen  1  N'  (Br.  18, 7).  Trotzdem 
wächst  die  zahl  der  «-belege  in  ii  (lOj. 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  113 

Der  Widerspruch  ist  zu  lösen  wie  s.  112,  al.  3.  "Wenn  es  sich  um  eine 
dynamisch  coordiuierte  Wortverbindung  handelte,  wäre  das  anschwellen  nach 
ausweis  der  §  7  behandelten  verse  unmöglich.  Stellung  ß  kann  in  den  4 
ii-belegen,  da  sie  in  i  fehlt,  nur  durch  besondere  gründe  veranlasst  sein, 
und  zwar  hat  weniger  das  alliterationsbedürfnis,  als  die  metrische  eigenschaft 
des  Wortmaterials  die  anomale  Stellung  bewirkt.  Der  eine  D-vers  ist  ein 
D  3,  die  3  C  gehören  dem  untertj'pus  C  2  an.  Ein  npr.  findet  sich  in  Grp. 
80,  2  \a(jt  Sigurpi,  Gf>.  2,  26,  8  um  gefinn  Atla. 

Eindeutig  sind  die  Verhältnisse  in  den  versen.  in  denen  das 
Substantiv  (dat.-instr.)  vom  particip  abhängig  ist  (s.  110 
no.  2)  und  eine  wichtige  ergänzung  des  verbalbegriffs  enthält, 
Dem  entsprechend  überwiegt  N^  (nur  tj^pus  A  belegt:  10  A>  : 
3  A2)  bei  der  durch  das  stilprincip  geforderten  voranstellung 
des  Substantivs.  Dazu  stimmt  das  anwachsen  der  verse  mit 
gleicher  Stellung  in  ii  (27).  Unregelmässig  ist  die  nachstellung 
des  subst.,  die  sich  auch  nur  in  einem  geringen  bruchteil  der 
hierhergehörigen  verse  findet. 

Dass  es  sich  hierbei  um  eine  anomalie  handelt,  geht  aus  dem  auf- 
treten des  typus  C  hervor,  der  bei  der  Stellung  «  fehlt,  hier  dagegen  die 
mehrzahl  der  belege  liefert.  Da  die  5  iC  und  8  iiC  (die  oben  erwähnten 
Hdl.  12,  2.  28,  2.  Grp.  3,  6  ausgenommen)  sämmtlich  dem  typus  C2  angehören, 
liegt  der  einfluss  des  Sprachmaterials  auf  der  band.  Dass  nicht  die  alli- 
terationsbequemlichkeit  der  treibende  factor  gewesen,  zeigen  die  5  iC,  die 
alle  N'^  haben.  Bei  den  A- versen  (desgleichen  in  den  als  F  bezeichneten 
versen  Hdl.  10,  2.  Bdr.  6,  8,  wofern  diese  nicht  durch  Versetzung  der  partikel 
lim  zu  C2  zu  machen  sind)  ist  jedoch  die  reimnot  als  bedingender  factor 
anzuerkennen,  da  hier  eine  Umstellung  metrisch  möglich  gewesen  wäre. 
Darauf  weist  auch  die  tatsache  hin,  dass  der  typus  A  nur  in  ii  auftritt. 

Unterordnung  des  participiums  unter  das  subst.  ist 
nirgends  belegt. 

Bei  den  s.  110  unter  3)  aufgeführten  versen  wird  voran- 
stellung des  Substantivs  ebenfalls  vom  stilprincip  gefordert. 
Trotzdem  begegnet  in  i  nur  die  Stellung  ß  (5  A).  Die  ab- 
weichende Wortfolge  ist  jedoch  sicher  nur  durch  das  sprach- 
material  bedingt  (bei  Umstellung  würde  sich  ein  anstössiger 
auftakt  ergeben  haben),  da  N^  in  der  mehrzahl  der  beispiele 
vorhanden  ist.  Der  eine  N'-vers  Ghv.  20,  7  \>rungit  um  Jijarta 
beruht  bloss  auf  conjectur.  In  ii,  wo  N-  unmöglich  ist,  muss 
diese  Stellung  natürlich  zurücktreten:  A  8  (C  1  ist  auszu- 
scheiden, s.  oben):  «  ii  B  1,  C  20. 

Dass  sie  gegen  den  satzaccent  ist,  wird  durch  das  genannte  beispiel 
Gf».  2,  35,  i   hafip  i  -vagna   illustriert.    —    HH.  2,  46, 10  hyrgpar  i  haugi, 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXI.  3 


1 11  WENCK 

HHv.  31,6  sto}:t  ör  landi  müssen  jcflorh  als  normal  gelten,  da  der  beo-riff- 
liclie  uacbdruck  auf  dem  jiart.  ruht,  wiilireud  das  subst.  für  den  Zusammen- 
hang irrelevant  ist  und  unbeschadet  der  Verständlichkeit  getilgt  werden 
könnte.  In  den  andern  fällen  ist  der  eiufluss  des  spraclnnaterials  ganz 
evident.  Die  normale  Wortfolge  war  nur  dann  metrisch  möglich,  wenn  das 
subst.  einsilbig  oder  zweisilbig  verschleif  bar  und  das  verbum  zweisilbig 
unverschleifbar'),  oder  das  subst.  zweisilbig  nn  verschleif  bar,  das  verbum 
einsilbig,  aber  nicht  zweisilbig  verschleif  bar'')  war.  Wo  diese  Vorbedingungen 
erfüllt  sinf  und  trotzdem  die  ausnahmestellung  eingetreten  ist,  müssen  be- 
sondere gründe  vorliegen.  Betreffs  Hllv.  31,  G  s.  oben.  In  HIIv.  33,  G  &icfnt 
iil  eyrar  ist  vielleicht  auch  einwirkung  des  siunesaccents  anzunehmen.  Ein 
unzweifelhafter  Verstoss  ist  Grp.  28, 4  ioedd  at  Heimis,  der  mangelhafter 
beherschung  der  technik  seitens  des  dichters  zur  last  gelegt  werden  muss. 

Sonach  hat  sich  ergeben,  dass  das  part.  nur  ausnahms- 
weise vorangestellt  werden  kann,  und  selbst  in  attributiver 
Verwendung  gewöhnlich  dem  subst.  nachfolgt.  Bei  der  stark 
absteigenden  versbetonung  in  ii  kann  das  anschwellen  der 
II -belege  nur  dahin  gedeutet  werden,  dass  das  part.  dyna- 
misch dem  subst.  untergeordnet  gewesen  ist.  Die  nachdrucks- 
differenz  ist  jedoch  offenbar  nicht  sehr  gross  gewesen,  wie 
sich  aus  dem  folgenden  ergeben  wird  (§  19).  Deshalb  sind 
die  verse,  in  denen  das  part.  dem  subst.  reimlos  voransteht, 
unbedingt  als  zeichen  verfallender  technik  anzusprechen. 

d)   Substantiv  +  Infinitiv. 
§  10.    Material: 

a)  Substantiv  +  Infinitiv:  Erste  halbzeile:  Tj'pus  A:  Vsp. 
55,3.  Hym.  35,7.  R]?.  9,3.  22,5.  22,7.  35,5.  35,7.  35,9.  35,11.  43,7.  44,3. 

45. 7.  47,  7.  48,  7.  Grt.  19, 3.  HH.  1, 21, 7.  44,  3.  45, 3  (=  HH.  2, 23,  3).  HH. 
2,  39,  3.  39,  5.  Grp.  13,  5.  15, 7.  50,  7.  Br.  14,  7.  Sg.  55,  5.  Gp.  2, 8, 5.  8,  7. 
18,3.  18,7.  18,9.  18,11.  20,3.  20,7.  27,7.  Od.  12,7.  23,7.  —  Typus  C: 
Grt.  6,3.  HHv.  34,7.  Gp.  2,11,3.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A: 
Vsp.  6, 10.  9,  6.  23,  6.  23, 8.  24, 8.  32, 8  (=  Bdr.  11,  4).  34, 2.  45, 4.  45, 14. 
55,  6.  56,  8.  62,  2.  63, 2.  64, 6.  64, 8.  Hym.  17, 8.  prk.  3, 6.  12, 2.  18,  6.  20,  4. 

25. 8.  27,  8.  30, 4.  Rp.  3,  2  (=  5, 2.  17,  2.  19, 2.  30, 2.  33, 2).  9, 2.  9, 4.  22,  4. 
27, 6.  35,  6.  35, 8.  35, 10.  35, 12.  43,  6.  43, 8.  44, 4.  45, 8.  47,  6.  48, 6.  48, 8. 
Hdl.  2,  8.  5, 6.  8,  4.  44, 8.  45, 4.  49, 4.  Bdr.  4, 6.  8, 8  (=  9, 6).  Vkv.  1, 4 
(=3,10).  2,2.  26,2.  HH.  1,7,2.  10,2.  11,6.  12,4.  17,8.  21,4.  33,8.  35,2. 
45, 6.  46,  8  (=  HH.  2, 24,  8).  48,  4.  50, 12.  52, 6.  52,  8.  55, 2.  HH.  2,  3, 4.  5, 8 
(=6,8).  14,4.  17,4.  20,2.  21,6.  22,2.  23,6.  26,4.  31,2.  39,6.  44,12.  46,6. 


')  In  dieser  beziehung  verstösst  Vsp.  16,  8  iil  Lofars  hafat  (vgl.  Sievers, 
Proben  z.  st.). 

")  Hiervon  ist  Vkv.  18, 10  til  smißju  horinn  eine  ausnähme  (s.  oben). 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  115 

47,  6.  49,  4.  HHv.  5, 6.  6,  2  (=  11, 2).  11,  8.  34,  6.  36, 2.  38,  8.  41, 4.  42,  8. 
Grp.  3, 2.  4,  2.  9,  2.  17,  2.  23,  4.  26,  4.  30,  6  (=  Fäf.  41,  8).  31,  9  (=  37,  2  = 
Gp.  3,  3,  2).  32,  6.  36,  6.  40,  6.  42,  2.  Eg.  16,  8.  Fäf.  33,  8.  43,  2.  44,  6.  Bdr. 
1, 4.  3, 2.  3,  4.  4,  8.  5,  6.  Gp.  1,  6, 4.  12, 6.  21, 6.  Sg.  15, 6.  15, 8.  16, 6.  16, 8. 
36,  4.  38,  4.  41,  4.  44, 12.  50,  8.  51,  8  (=  62,  4).  60,  4.  Hei.  1,  6.  8,  4.  14,  6. 
Gp.  2,  8, 4.  9,  6.  12, 2.  12,  8.  17, 10.  18,  2.  18,  8.  18, 10.  20, 2.  21, 2.  25, 2. 
27,  4.  28,  2.  29,  2.  29,  4.  31,  6.  31,  8.  41,  2.  42,  2.  43,  4.  43,  8.  Gp.  3, 1,  6.  Od. 
1,  8.  7,  4.  8,  2.  19,  2.  29,  6.  30,  8.  33,  4.  Ghv.  2, 4.  5,  8.  8,  4.  12,  4.  — 
Typus  C:  Vsp.  14,4.  44,4  (=49,4.  54,4.  58,4).  45,2.  53,4.  56,4.  61,4. 
Hym.  9,  4.  17,  2.  prk.  16,  4  (=  19,  8).  Rp.  22,  6.  47,  8.  Hdl.  2,  2.  49,  2.  Bdr. 
8,6   (=  9,4.  =  Grp.  11,6.  =  Eg.  5,  4  =  Gp.  1,21,8).    10,8.    Vkv.  20,6. 

39. 6.  Grt.  6,  4.  22,  2.  HH.  2, 17,  2.  21,  4.  39, 4.  Grp.  16,  6.  52, 6.  Gf .  1, 9, 6. 
Sg.  16,  2.  37, 4.  44,  4.  Gp.  2,  3, 6.  5,  2.  27, 2.  43, 2.  G]?.  3, 10, 6.  Od.  22,  6. 
23,8.  Ghv.  9,4.  —  Typus  B:  Gp.  1,  1,6  =  Gp.  2,11,6. 

ß)  Infinitiv  +  substautiv:    Erste  halbzeile:   Typus  B:   Grt. 

19.7.  Od.  13,3.  —  Typus  C:  HH.  1, 44,  7.  —  Zweite  halbzeile: 
Typus  A:  Vsp.  53,8.  prk.  16,2  (=19,6).  Ep.  35,  4.  44,2.  47,4.  Grt.  22,  4. 
HH.  1,  44, 6.  HH.  2, 10,  4.  25,  4.  50,  6.  HHv.  40,  6.  Grp.  2,  8.  6,  8.  19,  8. 
33,  4.  34,  2.  35,  2.  Sg.  4,  8.  10,  2.  14,  8  (=  44,  2).  20,  2.  63.  6.  Gp.  3,  8,  8.  Od. 
29,4.  —  Typus  B:  Rp.  22,8.  —  Typus  C:  HH.  1,45,4  (=  HH.  2,23,4). 
55, 4.  Br.  5,  8.  Sg.  11, 6.  Gp.  2,  27, 8. 

Somit  ergibt  sich  folgende  tabelle: 

ABC 

a)     I         40  37        —  3 

II        220        174  2        44 

/?)      I  3  —  21 

II         33  26  1  6 

Hinsiclitlicli  der  Wortfolge  lehrt  diese  tabelle,  dass  die 
natürliche  Stellung  subst.  +  inf.  gewesen  ist.  Ebenso  notwendig 
folgt  aus  dem  aufgeführten  material  ein  nachdrucksunterschied 
zwischen  subst.  und  inf.  Die  tondifferenz  wird  nicht  nur  durch 
das  ungemein  starke  anschweller  der  a- belege  in  ii  (auf  die 
5V2-fache  zahl  der  i-beispiele)  gefordert,  sondern  auch  durch 
das  Verhältnis  von  N^  zu  N^. 

In  den  «i-versen  stehen  sich  30  N^  (davon  2  mit  npr.)  und  10  N'^ 
(1  mit  npr.)  gegenüber.  Lässt  mau  die  minimale  zahl  von  versen  mit  npr. 
ausser  acht,  so  ist  N'  in  75  "/o  als  genügend  angesehen  worden.  Die  stärke- 
abstufung  des  nominalen  und  verbalen  nomens  wird  man  mit  der  der  beiden 
hebungen  des  typus  A  gleichsetzen  dürfen,  da  dieser  versart  92,50/0  aller 
I-,  79,0  "/o  aller  ii-beispiele  angehören,  um  so  auffälliger  ist  das  procentuale 
anwachsen  des  typus  C  in  11  (um  13,5  "/o).  Da  von  den  44  11 C  29  C2-, 
8  C  3  -  verse  sind,  ist  der  einfluss  des  sprachniaterials  wider  augenscheinlich. 
Dasselbe  gilt  für  die  3  iC  =  C3.  In  den  7  11  Gl  (prk.  16,  4  [=  19,  8].  Rp. 
47,  8.  HH.  2, 17,  2.  Sg.  37, 4.  44, 4.  Gp.  3, 10,  6)  wäre  die  enklise  des  inf.  nur 

8* 


IIG  WKNCK 

durch  eine  abwcicluuig  von  der  iiurmulen  Wortfolge  zu  uuigclien  gewesen. 
Die  Voranstellung  des  inf.  würde  einen  gegensatz  voraussetzen,  der  in  Wirk- 
lichkeit nirgends  vorhanden  ist.  Einen  solchen  lassen  auch  die  ,?-verse 
vermissen.  Nur  hei  R}'.  35,  4  \cy(/j(t  strctigi  könnte  die  chiastische  Stellung 
beabsichtigt  sein.  —  Ganz  evident  ist  der  zwang  des  sprachniaterials. 
I>ie  C-verse  des  Schemas  ßi  und  ii  entfallen  sänimtlich  auf  den  uuter- 
typus  C2.  In  8  der  iiA-verse  hängt  das  subst.  von  einer  präp.  ab,  die 
bei  gewöhnlicher  Wortstellung  einen  anomalen  auftakt  ergeben  hätte.  — 
Von  weit  grösserem  einriuss  ist  aber  das  reimbedürfuis  gewesen,  denn 
3  der  II A  enthalten  selbst  ein  npr.,  von  14  andern  die  dazugehörige  erste 
halbzeile.  —  Betreffs  Rj?.  22,  8  oJc  keyra  plüg  vgl.  §  57.  Für  die  technik 
der  jüngeren  licder  ist  es  daher  sehr  bezeichnend,  dass  gerade  diese  das 
liauptcontingcnt  zu  diesen  ausnahmeversen  stellen.  Von  einer  Überein- 
stimmung mit  dem  satzaccent  kann  auch  deshalb  nicht  die  rede  sein,  weil 
selbst  die  ßiB  und  C  (der  typus  A  ist  in  i  überhaupt  nicht  belegt)  trotz 
ihrer  abneigung  gegen  doppelalliteration  N-  aufweisen.  Der  eine  N'-fall 
(Od.  13,  3  at  U'IJa  hgl)  ist  ebenso  fehlerhaft  wie  die  ii-verse. ')  Da  in  Grt. 
19,  7  olc  hrenna  htc  die  natürliche  Wortfolge  leicht  durch  eine  Umstellung 
zu  C  herbeizuführen  gewesen  wäre,  reimnot  jedoch  wegen  N*  ausgeschlossen 
ist,  scheint  der  fall  ein  anzcichen  dafür  zu  sein,  dass  enklise  des  inf.  ge- 
mieden wurde.  Allerdings  können  den  dichter  auch  rhj'thmisch-melodische 
gründe  zu  der  abweichenden  Stellung  geführt  haben. 

B.    Adjectivum. 
a)   Adjectiv  +  adjectiv. 
§  11.    Material: 

Erste  halbzeile:  Typus  A:  Vsp.  1,3.  17,3.  Hym.  15,7.  Rf.  1,3. 
1,  5.  4,  3.  7,  3  (Sijmous  z.  st.).  21, 5.  39,  7.  Vkv.  28, 7.  HH.  1, 40, 3.  HH. 
2, 45,  7.  45, 11.  HHv.  8,  3.  Grp.  38,  7.  Hei.  9,  3.  G\>.  2,  21,3.  Ghv.  2,  9.  5, 3. 
—  Typus  B:  Hym.  12,7.  Gp.  2,35,7.  35,9.  G^  3,  4,  7.  —  Typus  D:  HH. 
1,28,3.  Ghv.  2, 11.  —  Typus  E:  Hym.  9,  3.  Grt.  1, 3  (=13,3).  —  Zweite 
halbzeile:  Typus  A:  Hdl.  40,6.  43,2.  HH.  1,25,4.  HH.  2,28,2.  HHv. 
8,  G.  Sg.  15, 2  (=  Hei.  11, 6  =  Ghv.  10,  6).  Gp.  2, 3, 4.  12, 6. 

Für  die  beurteiliing'  des  nachdrucksverliältnisses  der  beiden 
adjectiva  ist  wider  die  Scheidung  der  belege  nach  der  syntak- 
tischen verkniii)fung  von  Wichtigkeit.  Völlige  coordina- 
tion  (asyndetische  folge  in  A:  HH.2,45,7.  45,11;  in  D:  HH. 
1,38,3.  Ghv.  2, 11)  begegnet  dem  in  §7  erörterten  gemäss  nur 
in  I  (16  belege  =  14  A  +  2  D). 

Die  vom  satzaccent  geforderte  doppelalliteration  findet  sich  in  zwei 
A-versen  nicht  (Hei.  9,3  xaupum  ok  hvHum,  Ghv.  2,  9  YivUum  ok  svgrtmn; 


*)  In  Prk.  IG,  2  (=  19,  6)  und  Sg.  20,  2  ist  der  mangel  durch  gekreuzte 
bez.  parallele  alliteratiou  etwas  verdeckt  (vgl.  §  57  f.). 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG,  117 

Rf>.  7,  3  ist  ganz  unsicher).  Dieser  mangel  war  jedoch  kaum  zu  umgehen, 
da  für  farbbegriffe  dem  dichter  nur  je  ein  ausdruck  zu  geböte  stand.  — 
Auch  hier  tritt  wider  als  ersatz  der  endreira  auf,  allerdings  nur  durch 
Casusendungen  gebildet:  Rp.  1,  5  rainman  oh  rgskvan,  und  ähnlich  Rp.  4, 3. 
21,  5.  Hei.  9,  3.  Ghv.  2,  9.  5,  3.  —  In  den  restierenden  A-verseu  (Hym.  15,  7 
cinn  mep  gUu,  Grp.  38,  7  cüalt  mep  gllu,  Ykv.  28,  7  allra  neina  einna)  ist 
die  grammatische  coordination  nicht  so  vollständig,  doch  steht  durchgeheuds 
N^  (allerdings  bei  vocalischem  anlaut). 

Attributivisclies  Verhältnis  der  beiden  adj.  zeigen 
die  B-verse  (ausgenommen  Hym.  12,  7)  und  die  E-verse,  die 
durch  ein  numerale  an  zweiter  stelle  charakterisiert  sind. 

Die  consequente  nachstellung  des  num.  ist  sicher  nicht  allein  durch 
die  reimbequemlichkeit  veranlasst,  da  nirgends  ein  logischer  accent  auf  dem 
schon  durch  den  Zusammenhang  bestimmten  zahlbegriff  liegt.  Die  einfache 
alliteration  auf  dem  adj.  zeigt  deutlich  dessen  dynamisches  übergewicht. 
Nur  bei  Hym.  12,  7  en  afr  i  ivau  hätte  vielleicht  wegen  der  lockeren  be- 
grifflichen binduug  doppelalliteration  eintreten  sollen. 

Ist  ein  adjectiv  vom  andern  abhängig  (i :  A  :  HHv. 
8,3.  HH.  1,  40,  3;  —  ii  :  10  A),  so  steht  regelrecht  das  unter- 
geordnete voran  (gen.  vor  Superlativ,  dat.  vor  comparativ). 
Dass  dieses  auch  das  grössere  tongewicht  besass,  zeigt  das 
anschwellen  der  belege  in  il  Die  doppelalliteration  in  den 
beiden  i-beispielen  (in  HH.  1, 40,  3  vocalischer  anlaut)  kann 
daher  nur  zufällig  sein. 

b)   Adjectiv  +  participium. 
§  12.    Wie  oben  ist  auch  hier  die  nachstellung  des 
particips  als  die  normale  folge  zu  bezeichnen. 

Voranstelluug  ist  nur  durch  zwei  beispiele  in  ii  zu  belegen,  die,  nach 
der  völligen  abwesenheit  von  parallelen  aus  i  zu  schliessen,  sicher  durch 
den  alliterationszwang  hervorgerufen  sind.  Die  beiden  anomalen  verse 
gehören  überdies  liedern  jüngerer  technik  au:  Hei.  4,7.  8  oh  htii peira  \ 
\iru(jpü  göpu  verstösst  obendrein  gegen  das  Hildebrandsche  gesetz,  schema- 
tisch auch  der  zweite  fall :  Od.  23,  3.  4  Jcvöpusk  okJcr  hafa  |  orpit  hcepi,  doch 
ist  die  drückung  des  zahlbegriifs  insofern  verständlich,  als  derselbe  bereits 
im  dual  des  pron.  liegt.  —  Wie  in  §  9  lässt  sich  ein  anwachsen  der  ii- bei- 
spiele bemerken:  i  5  :  ii  14.  —  Bei  gleichem  casus  der  beiden  nomina 
(1  A:  Hdl.25,5.  Sg.o0,5;  C:  Grp.  7,  3;  ii  A:  Vsp.  10,  2.  Hym.  14,  6.  Grt. 
11,3.  Grp.  4,  4.  21,6.  43,2.  Br.  2,  4.  Sg.  56,  6)  findet  sich  in  i  mu  W\  eine 
weitere  stütze  für  die  obige  auf fassung  von  « N^  (§  9).  Dem  entsprechend 
überwiegen  die  fälle  mit  prädicativischem  part.  in  ii  ganz  bedeutend.  Bei 
ungleichem  casus  und  mangelndem  rectionsverhältnis  stehen 
sich  in-i  1  N'  (HH.  1, 18,  3)  und  1  N^  (Grp.  42,  7)  gegenüber;  in  ii  begegnen 
vier  analoge  verse:  A:  HH.  1,  36, 12.  HHv.  32, 2,  D:  Vsp.  17,  6.  20, 2.    Diese 


118  WENCK 

beweisen,  dass  das  part.  auch  dem  adjectiv  an  tonirowicht  nachfrcstanden 
hat.  Bei  nngleichem  casus  nnd  vorhandener  grammatischer 
abhängigkeit  miiss  das  subordinierte  (es  begegnen  nur  zwei  ii-beispiele 
mit  abhängigem  adj.:  A:  Br.  17,  6;  F:  Sg.  8, 2)  voransteben  und  alliteriert 
es  in  den  genannten  versen  vermöge  seines  grösseren  nachdrucks  allein. 

c)   Adjectiv  +  Infinitiv. 
§  13.    Material: 

«)  Adjectiv  +  infinitiv:  Erste  halbzeile:  Typus  A:  Vsp.  30,  3 
(=30,11).  Hym.  8,7.  HH.  1,  7,  7.  Grp.  0,  7.  Hei,  10,  3.  Gp.  2,  30,  7.  -  Typus  C: 
Grp.  19,3.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A:  Hym.  IG,  6.  18, -4.  prk.  17,  4. 
Ep.  38,  4.  Hdl.  5,  8.  29,  6.  Vkv.  33,  2.  Grp.  6,  2.  HH.  1, 2,  6.  2,  8.  38, 6.  iS,  2. 
46,  4  (=  HH.  2, 24, 4).  56, 6.  HH.  2,  22,  4.  48, 2.  HHv.  2, 4.  39, 6.  Grp.  14, 4. 
53,  6.  Br.  8,  6.  Sg.  17, 4.  37,  8.  59, 2.  09,  8.  Hei.  3, 6.  14,  4.  Gj>.  2,  34, 4.  Od. 
32,8.  Ghv.  19,6.  20,  4.  —  Typus  C:  Grp.  6,  2. 

p')  Infinitiv  +  adjectiv:  Erste  halbzeile:  vacat.  —  Zweite 
halbzeile:  Typus  A:  Grp.  38,6.  Fäf.  40,4.  Sg.  61,4.  —  Typus  F:  Sg. 
13,  8.  13, 10. 

"Wie  das  part.  zu  subst,  und  adj.  ein  gleiches  verhalten 
zeigt,  ebenso  der  infinitiv.  Die  anormale  voranstellung  des 
Inf.  begegnet  nur  in  ii,  und  zAvar  in  versen  jüngerer  lieder. 

Sg.  61,4  at  iyhjja  daupum  fehlt  in  R  und  ist  von  den  herausgebern 
aus  den  papierhss.  aufgenommen.  Der  vers  ist  schon  durch  den  auftakt 
genugsam  als  Verstoss  charakterisiert:  offenbar  handelt  es  sich  um  eine  fehler- 
hafte coujectur  des  Schreibers,  die  keine  beachtung  verdient.  —  Da  Sg.  13, 10 
\inna  hazt  nur  eine  lästige  widerholung  von  Sg.  13, 8  \inna  scvmst  ist, 
darf  der  vers  vielleicht  als  interpolation  aufgefasst  werden  (vgl.  Sijmons 
z.  st.).  —  Von  den  drei  dann  noch  übrigen  belegen  kann  höchstens  Fäf. 
40,  4  kvißa  mgrgu  als  rhetorische  ausnähme  gelten,  die  beiden  andern  sind 
anzeicheu  niedergehender  technik.  —  Ebenso  fehlerhaft  wie  die  abweichende 
Wortfolge  in  ii  ist  die  enklise  des  inf.  bei  normaler  Stellung.  War  die 
Grp.  schon  au  den  /9-fällen  (38,6)  beteiligt,  so  finden  sich  die  beiden  aC 
gleichfalls  in  diesem  liede:  i  19,3,  ii  6,2. 

Wie  in  §  10  ergibt  sich  auch  hier  eine  nachdrucksdifferenz  der  beiden 
nomina,  nicht  nur  aus  der  4'/.2  fachen  auzahl  der  «ii- belege,  sondern  auch 
aus  dem  Verhältnis  vou  N'  zu  N-.  Die  zwei  N--beispiele  (Hym.  8,7. 
Gf>.  2, 30, 7)  können  den  6  K' -fällen  gegenüber  nur  als  zufällig  angesehen 
werden. 

C.    Participium. 

a)   Particip  +  particip. 

§  14.  Es  begegnen  nur  zwei  beispiele:  GJ\  2,  22,  3  r/5/«?V 
ok  rojinir  zeigt  die  der  grammatischen  coordination  entspre- 
chende doppelalliteration.    Der  ii  -  beleg  HH.  2,  37,  2  Ivcedda 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  119 

QQrva  ist  ebenfalls  regelmässig-,   da  das  abhängige  part.   (der 
liauptträger  des  siunes)  vorausstellt  und  allein  alliteriert. 

b)  Particip  +  infiniv. 
§  15.     Verse  mit  part.  und  inf.  finden  sich  nur  in  ii,  und 
zwar  mit  consequenter  nachstellung  des  inf.,  zu  dem  das  part. 
die  nähere  bestimmung  ist.    Der  einklang  dieser  beispiele  mit 
dem  satzaccent  liegt  auf  der  hand. 

Belege:  Typus  A:  Bdr.  10,  Ö.  Grt.  22,  6.  HH.  1,  22,  4  (=  HHv.  36,  6). 
Grp.18,4.  Gp.2,'10,4.  Od.  16,  6.  30,6.  —  Typus  C:  Vkv.  22,  4.  Gp.2,20,4. 

D.    Infinitiv. 

a)  Infinitiv  +  Infinitiv. 
§  li».  Zwei  infinitive  erscheinen  ebenfalls  in  nur  wenig 
versen.  Der  einzige  beleg  für  i,  Gl>.  2,  39,  7  \üma  oh  Iwima, 
zeigt  die  infinitive  völlig  coordiniert  und  hat  daher  N^,  In 
II  ist  wegen  der  energisch  absteigenden  versbetonung  die  ge- 
nannte syntaktische  bindung  ausgeschlossen. 

In  sämmtlichen  beispielen  von  ii  (A:  Hym.  14,8.  HH.  1,37,6  (=  Sg-. 
58,2).  HHv.  37,6.  Grp.  35,4.  Sg.  56,8.  Gp.  2,39,6.  Od.  16,4.  Ghv.  3,6; 
C :  Od.  29, 10)  ist  daher  ein  inf.  dem  andern  untergeordnet.  Letzterer  muss 
nach  dem  stilprincip  wie  nach  dem  satzaccent  voransteheu.  Nur  in  zwei 
beispielen  (Grp.  2,  4  gnnga  at  mcela,  34,  4  ganga  at  eiga)  folgt  er  dem  über- 
geordneten nach.  Diese  verse  illustrieren  aufs  beste  die  technische  unbeholfen- 
heit des  dichters  der  Gripisspo.  —  Der  zugehörige  erste  halbvers  des  zweiten 
beispiels  enthält  ein  upr.  —  Betreffs  der  parallelen  alliteration  in  Grp.  2,  4 
vgl.  §57  f. 

§  17.  Die  verse,  die  ausser  zwei  nominibus  noch 
anderes  wortmaterial  enthalten,  werden  bei  den  betreffenden 
hinzutretenden  Wortklassen  abgehandelt.  Diese  im  ganzen 
weniger  häufigen  fälle  unterliegen  hinsichtlich  der  alliteration, 
soweit  sie  die  beiden  nomina  in  hebung  zeigen,  der  bisherigen 
beurteilung.  Die  abweichungen  und  Verstösse  gegen  das  alli- 
terationsgesetz  werden  besonders  hervorgehoben  werden.  Für 
die  w^eitere  Verwertung  der  gewonnenen  sätze  empfiehlt  sich 
eine  kurze  Zusammenfassung. 

Zunächst  hat  sich  ein  nachdrucksunterschied  zwischen 
nominalem  (subst.  adj.)  und  verbalem  nomen  (part.  inf.) 
ergeben,  der  sich  namentlich  beim  inf.  geltend  macht.  Dass 
er  beim   part.   weniger   deutlich   hervortrat,   rührt   offenbar 


120  WEXCK 

dalier,  da.ss  der  part.  wegen  seines  adjectivisclien  nrspnings 
und  der  attributiven  bez.  prädicfttiven  verwendungsweise  mehr 
im  connex  mit  den  nominalen  noniinibus  geblieben  ist  als  der 
Inf.,  der  seinerseits  stärker  in  das  bereicli  des  verbums  eiu- 
bezirkt  worden  ist. 

Diese  (bisher  übersehene)  differenz  ergibt  sich  nicht  allein 
aus  dem  starken  anschwellen  der  belege  in  ii  (die  Skepsis 
Riegers  gegen  die  ii-beispiele  ist  unberechtigt),  sondern  auch 
aus  dem  überwiegen  von  N'.  "Während  N'  ein  zeichen  für 
abstufung  des  tongewichts  ist,  bringt  N-  dynamische  coordina- 
tion  zum  ausdruck.  Letztere  ist  in  erster  linie  die  folge  syn- 
taktischer coordination  zweier  Wörter  derselben  kategorie,  bei 
enger  grammatischer  bindung  (genetiviscliem,  attributivischem 
Verhältnis)  aber  die  folge  einer  abweichung  von  der  normalen 
Wortstellung  und  einer  mit  dieser  parallel  gehenden  grösseren 
coordination  im  nachdruck.  Bei  der  natürlichen  w^ortstellung 
dagegen  bewirkt  enge  logische  Verknüpfung  Unterordnung  des 
zweiten  nomens.  Die  tonstärke  des  letzteren  gleicht  der  des 
zweiten  gliedes  eines  nominalcompositums.  Mit  dem  stärKc- 
grad  eines  schwächeren  haupttons  konnte  auch  der  nachdrucks- 
grad  der  verbalnomina  gleichgesetzt  "werden.  Ausserdem  besitzt 
N2  deutlich  den  Charakter  eines  compromissproductes,  da  es 
sich  in  fällen  einstellt,  in  denen  die  Satzbetonung  mit  der 
versbetonung  im  Widerspruch  steht.  Ferner  ist  hervorzuheben, 
dass  bei  schwächerem  grade  der  grammatisch -begriiYlichen 
bindung  der  logische  accent  die  wähl  von  X'  oder  N-  bestimmt, 
insofern  der  hauptträger  des  sinnes  alleinige  alliteration  als 
auszeichnung  vor  dem  weniger  sinnvollen  nomen  beansprucht, 
und  demnach  vorangestellt  werden  muss. 

Die  hier  entwickelten  Verhältnisse  bestehen  in  der  Edda 
zwar  nicht  in  absoluter  reinheit,  aber  sie  lassen  sich  aus  den 
erörterten  procentsätzen  abstrahieren,  welche  deutlich  auf  eine 
ältere  feste  technik  hinweisen.  Die  abweichungen  "\'on  dieser 
technik  sind  teils  Verstösse  gröbster  art.  die  auf  technischen 
niedergang,  namentlich  bei  jüngeren  liedern  schliessen  lassen, 
teils  sind  sie  durch  die  die  alliteratio]i  erschwerende  Wirkung 
der  npr.  oder  die  die  ^vortstellung  beeinflussenden  eigenschaften 
des  Sprachmaterials  zu  erklären. 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  121 

Cap.  II.    Drei  nomina.^) 

§  18.  1)  Stehen  drei  nomina  in  einer  halbzeile,  so 
ist  notwendig-  eines  derselben  von  der  liebung-  aus- 
geschlossen, auf  die  es  wegen  seines  natürlichen  tongewichts 
an  sich  das  gleiche  anrecht  besitzen  würde  wie  die  beiden 
anderen.  Wenn  sich  der  dichter  somit  nicht  in  einen  Wider- 
spruch mit  den  forderungen  des  satzaccentes  verwickeln  wollte, 
so  konnte  er  nur  dann  drei  nomina  zur  bildung  einer  halb- 
zeile  verwenden,  wenn  mindestens  zwischen  zweien  derselben 
ein  grammatisches  rectionsverhältnis  bestand.  Denn  nach  dem 
erörterten  hat  die  sj^itaktische  Unterordnung  (jedoch  nur  bei 
normaler  Wortfolge)  unbedingt  eine  Unterordnung  auch  im 
nachdruck  zur  folge.  Nur  bei  engem  grammatischen  Verhältnis 
war  das  übergeordnete  nomen,  das  sich  an  das  vorausgehende 
abhängige  enklitisch  anlehnt,  soweit  zu  drücken,  dass  es  ohne 
Verstoss  gegen  den  satzaccent  an  eine  versstelle  treten  konnte, 
die  nur  einen  nebenton  gestattete  oder  forderte. 

Diese  regel  scheint  im  wgerm.  mit  grosser  consequenz 
eingehalten  zu  sein.  Für  die  beurteilung  des  eddischen  ma- 
terials,  namentlich  auch  im  vergleich  mit  dem  material  des 
Beowulf2)  ist  widerum  tunlichste  Scheidung  nach  der  syntak- 
tischen binduug  der  drei  nomina  erforderlich.  Bei  der  geringen 
anzahl  der  hier  zu  besprechenden  verse^)  und  der  grossen 
mannigfaltigkeit  der  grammatischen  Verknüpfung  aber  kann 
es  nicht  verwundern,  wenn  hie  und  da  ein  fall  isoliert  steht. 
Unsicherheit  des  Urteils  folgt  aber  daraus  nicht,  da  die  durch- 
sichtigeren Verhältnisse  der  verse  mit  zwei  nomina  eine  feste 
grundlage  für  die  beurteilung  abgeben. 


^)  Eieger  s.  21  ff.  Sievers  §23,3,  vgl.  aucli  N.  Sobei,  Die  accente  iu 
Otfrids  evang-elienbuch,  QF.  48  (Strassb.  1882),  44,  und  Piper,  Beitr.  8,  231  f. 

-)  leb  citiere  im  folgenden  nacb  Heyne-Socin,  Beowulf ',  Paderborn  1903. 

^)  Die  geringe  beliebtbeit  erklärt  sich  offenbar  aus  der  grossen  Schwierig- 
keit, die  der  Verwendung  dreier  nomina  seitens  der  ausgeprägten  viergliedrig- 
keit  des  fornyröislag  entgegenstand.  Ein  dreihebiger  streckvers  stand  dem 
Nordländer  ja  im  allgemeinen  nicht  zur  Verfügung.  Das  überwiegen  der 
genannten  Avortverbiudung  in  den  schwellverseu  (jedoch  nur  der  ersten 
halbzeile)  des  Heliand  (vgl.  Kauffmann,  Beitr.  12, 283)  weist  deutlich  auf 
den  engen  Zusammenhang  hin,  der  zwischen  der  Verwendung  von  3  nomi- 
nibus  (bes.  iu  der  Variation)  und  der  ausbildung  dieses  specifisch  wgerm. 
versmasses  besteht. 


122  WENX'K 

2)  Nach  dieser  regel,  die  in  unserem  fall  die  hindun«^ 
zweier  nomiua  zu  einer  nominalformel')  fordert,  ist  es  von 
vornherein  ausgeschlossen  (vgl.  Sievers  §  142),  drei  völlig 
coordinierte  nomiua  in  einer  halbzeile  zu  vereinigen.  Im 
Beowulf  findet  sich  denn  auch  kein  einziges  beispiel  dieser 
art,^)  Um  so  mehr  müssen  einige  verse  der  Vsp.  und.  R]>. 
befremden,  in  denen  die  regel  durchbrochen  ist  und  die  ohne 
zweifei  eine  besondere  erklärung  fordern. 

Erste  halbzeile:  N^.  ygp  39^7  Gunnr,  Hildr,  Ggmlul,  E}'.  25,3 
Snöt,  Bn'ifir,  Svanni;  —  N':  K}'.  25,5  F//0I/),  Sprttml  o1;  Vif.  —  Zweite 
halbzeile:  Vsp.  12,  4  DeÄlr,  Litr  olc  Vitr,  R]i.  24,  4  Uolßr,  Prrjn  ok  Smipr. 
Von  diesen  gehören  die  N*-beispiele  nach  ausweis  der  alliteration  zum 
typus  A*,  die  N'-beispiele  dagegen  können  offenbar  nur  zu  E  gerechnet 
werden.  Die  erklärung  der  abweichung  von  der  theoretisch  zu  erwartenden 
betonungsform  liegt  in  der  allgemein  menschlichen  abneigung  gegen  völlige 
accentuelle  gleiclibehandlung  unmittelbar  auf  einander  folgender  glieder 
von  reihenaufzählungen:  vgl.  etwa  unser  eins,  ztvei,  drei,  vier,  oder  Karl, 
Ma.K  und  Hans  (typus  E)  bez.  Max,  Uiins,  Mdriiz  (typus  A2).  Ueberall 
w4rd  in  solchen  fällen  das  mittelglied  ein  wenig  gedrückt.  Namentlich 
aber  prägt  sich  diese  (zwaugs-)  abstufung  in  dem  musikalischen  satzaccent 
aus,  wie  man  an  den  nhd.  beispielen  deutlich  erkennen  kann.  —  Für  die 
beurteilung  der  tecbnik  der  eigentlichen  Edda  sind  übrigens  nur  die  bei- 
spiele  aus  der  E|'.  zu  berücksichtigen,  da  die  der  Vsp.  sämmtlich  dem  inter- 
polierten") Dvergatal  angehören.  Dass  gerade  die  Ep.  derartige  unpoetische 
reihenaufzählungen  bietet,  stimmt  vortrefflich  zu  Mogks  annähme  (Lit.- 
gesch.  §  52),  dass  das  lied  skaldischen  Ursprungs  sei. 

3)  Die  Verbindung  von  genetiv  mit  nachfolgendem 
Substantiv,  die  nach  §  5  zur  bildung  einer  formel  besonders 
geeignet  ist,  begegnet  in  folgenden  fällen. 


*)  Unter  'nominalformel'  (vgl.  Sievers  a.a.  0.)  verstehe  ich  im  folgenden 
stets  eine  zu  tonischer  einheit  verschmolzene,  syntaktisch  eng  verknüpfte 
Verbindung  zweier  nomina. 

5)  Selbst  in  den  schwellversen  des  Beowulf  (Sievers,  Beitr.  12, 454)  wie 
des  Heliand  (Kauffmann  a.a.O.)  werden  drei  coordinierte  nomina  gemieden. 
Es  braucht  diese  erscheinung  nicht  unbedingt  auf  verschiedene  stärke  der 
hebungen  zurückgeführt  zu  werden  (nach  der  von  Luick,  Beitr.  13,301,  anm.l 
mitgeteilten  ansieht  von  Sievers  ist  die  dritte  [nur  ausnahmsweise  mitalli- 
terierende] hebung  minder  betont  als  die  beiden  ersten),  da  alle  drei  hebungen 
principiell  gleichberechtigt  sind  (vgl.  Sievers  §  92.  §  184).  Vielmehr  zeigt 
sich  darin  die  gemeinwgerm.  abneigung  gegen  die  im  norden  so  beliebten 
ii^l  (nafjia  JnilurI). 

*)  Wie  Sievers  bei  seinen  sprachmelodischen  erörterungen  hervorzuheben 
pflegt,  fallen  die  interpolierten  Strophen  des  Dvergatal  auch  melodisch  aus 
dem  Zusammenhang  heraus. 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  123 

In  der  nicht  durch  die  formel  besetzten  hebung  steht: 

a)  Ein  Substantiv,  das  zur  nominalformel  keine  nähere 
syntaktische  beziehung  hat: 

Erste  halbzeile:  vacat.  —  Zweite  halbzeile:  Ilym.2,ßYggs 
harn  i  prg^  34,  6  \iver  Sifjar  verr.  Als  einzige  parallele  hierzu  aus  dem 
Beowulf  ist  2795  b  frean  ealles  ßanc  anziiführeu.  Während  Hym.  S-t,  6 
nach  §  5  dem  typns  D  zugerechnet  werden  muss,  ist  die  rhythmisierung  des 
Beowulfverses  wegen  der  sonstigen  behandlung  der  allgemeinen  quantitäts- 
adjectiva  zweifelhaft^)  (s.  no.  8). 

b)  Ein  adjectiv,  das  grammatisch  zu  dem  enklitischen 
subst.  der  formel  gehört: 

Erste  halbzeile:  prk.  13,3  a??r  asa  sah;  Hdl.  11, 11  (=  IG,  9)  mest 
manna  vol.  Analoge  beispiele  sind  im  Beowulf  ziemlich  zahlreich:  i  341. 
400  =  1628.  849.  1138.  1933.  2514.  2775  (über  das  fehlen  von  belegen  in  ii 
s.  no.  8).  —  Die  consequente  voranstellung  des  adj.  hat  in  der  §  8  als  normal 
bezeichneten  Wortfolge  ihre  parallele.  In  den  Beow.-beispielen  147a  twelf 
winira  tid,  545  a  (vgl.  auch  Hei.  2G8a  [citiert  nach  Behaghel '■*] )  ist  enklise 
des  an  dritter  stelle  befindlichen  subst.  iu  folge  der  veränderten  logischen 
bindung  ausgeschlossen  (s.  4,  a). 

c)  Ein  particip,  das  sich  syntaktisch  an  das  enklitische 
subst.  der  formel  anlehnt: 

Erste  halbzeile:  Gf».  2,23,7  ^vins  lifr  sopin.  —  Zweite  halb- 
zeile: Vsp.  25,  8  Ößs  mei/  gefna,  Hei.  2,  8  R  manns  hlöp  pvegit  (Np.  gefit). 
Einen  offensichtlichen  Verstoss  enthält  der  vers  Ghv.4, 9  ropnar  i  yers  dreyra, 
der  wie  erwähnt  (s.  111)  auf  eine  ältere  mälahättrstrophe  zurückgeht.  Die 
Unregelmässigkeit  des  verses  tritt  bei  einem  vergleich  mit  Beow.  2285  a 
onhoren  hea^a  liord  deutlich  hervor. 

d)  Ein  Infinitiv: 

Erste  halbzeile:  vacat.  —  Zweite  halbzeile:  Vkv.  9, 2  ben« 
hold  steiJcja.  Entsprechende  Beowulfverse  sind  i  757  seca>t,  äeofla  ^edneg, 
2423  secean  säwle  horä,  2526  oferiUon  totes  treni;  ii  1279  sitna  deaÖ  tvrecan 
mit  der  angemessenen  (s.  no.  8)  nachstellung  des  inf.  Von  den  genannten  bei- 
spielen  enthält  nur  757  a  einen  fehler  gegen  die  alliterationsregel  (s.  no.  5). 

e)  Eine  bedeutende  abweichung  des  Beowulf  von  der 
eddischen  teclmik  zeigen  folgende  verse,  in  denen  subst.  +  gen. 
(bei  dieser  Stellung  des  gen.  überwiegt  in  den  Eddabeispielen 
N2,  vgl.  §  5)  die  notwendige  nominalformel  bilden: 

I  90  ^wutol  san^  scopcs,  571  bcor/tt  \)eacen  godes,  1486  geseon  sunu 
Hrckdles.  Der  einzige  ii-vers,  der  hierher  gezogen  werden  könnte  (2026 
^ladum  suna  Frödan)  ist  jedoch  besser  als  A  zu  nehmen  (s.  no.  8).  —  Aus 


')  Vgl.  Sievers,  Beitr.  10,  259. 


124  WEXCK 

dem  cddisclicn  fornyi-Mslaff  können  nnr  zwei  beispiele  bei<?ebraoht  werden, 
in  denen  ebenfalls  ein  nachstehender  gen.  zum  zugehörigen  snbst.  in  enklise 
getreten  ist:  i  Hei.  2,  5  R  pü  liefr,  \<jr  gulz,  und  vielleicht  ii  Ghv.  4,  4  \eiifa 
dvp  H[)gna.^)  Bei  der  völligen  Isolierung  dieser  fälle")  und  ihrer  Stellung 
in  jungen  liederu  wäre  die  crhaltnng  einer  altertünilichkeit  (vorausgesetzt 
dass  der  Beowulf  in  diesem  punkte  den  ursiirüuglithen  stand  der  techuik 
repräsentiert)  sehr  merkwürdig.  Zudem  stammt  Ghv.  4, 4,  wie  schon  wider- 
holt bemerkt  wurde,  aus  einer  mälahättrstropbe,  für  die  a  priori  eine  Un- 
regelmässigkeit wahrscheinlicher  ist,  als  die  erhaltung  einer  altertümlich- 
keit (Sievers  §  51).  Im  zweiten  fall  aber  steht  der  lesart  von  K  im  Np. 
das  technisch  einwaudsfreie  ßü  hefr  \grgum  gegenüber.  Selbst  wenn  man 
mit  Sijmons'")  die  grössere  Originalität  R  zuerkennt,  ist  es  doch  immer 
gewagt,  der  lesart,  die  allein  den  in  §  .5  entwickelten  Verhältnissen  wider- 
streitet, den  Vorzug  zu  geben,  zumal  da  die  andere,  regelmässige,  ebenfalls 
dem  zusammenhange  gerecht  wird.  —  Die  eigentümliche  technik  des  Beow. 
hat  übrigens  auch  im  Hei.  ihre  parallelen,  z.b.  i  626  Hoflandes  ward, 
41'2  faf/ar  iolc  r/odes,  2666  (ji\wren  that  harn  (jodcs  etc.,  ii  1121  mJirj  harn 
gudes  etc.  Den  versuch  einer  erklärung  dieser  erscheinung  muss  ich  mir 
versagen,  da  hier  nur  eine  vollständige  Statistik  über  die  wgerm.  verse 
mit  gen.  und  zugehörigem  subst.  eine  entscheidung  bringen  könnte.") 

4)  Die  nominalverbindung  adjectiv  (niimerale)  -f  Sub- 
stantiv, die  nach  §  8  zur  bildung  einer  formel  ebenso  geeignet 
ist  wie  gen.  -f  subst.,  begegnet  in  folgenden  versen.  In  der 
durch  die  forme!  freigelassenen  hebung  steht: 

a)  Ein  Substantiv,  das  als  attributiver  genetiv  zu  dem 
enklitischen  subst.  der  formel  gehört: 

Erate  halbzeile:  Ysp.  1,7  forn  spjgll  iira,  "^Tiv.  2,  3  fogr  ma:r  iira, 

*)  Die  rhythmisierung  als  D*  ist  nicht  sicher.  "Wenn  man  die  nhd. 
betonung  des  nachstehenden  gen.  zum  vergleich  heranzieht,  könnte  man 
ein  A*  2  annehmen  (vgl.  Sievers  §  50,  5). 

")  Von  den  anderen  orts  discutierten  versen,  die  ausser  zwei  uominibus 
noch  weiteres  Sprachmaterial  enthalten,  weisen  in  i  7  (typus  A3:  HH.  2,  2,  3. 
Rg.  13,  7.  Fäf.  35,  7,  typus  D:  Vsp.  41,  3.  prk.  21,  7.  Hym.  35,  3.  Grt.  16,  7); 
in  II  4  (typus  D:  Hei.  14,8.  G\\  3,1,2;  typus  E:  Bdr.  4.8.  Grp.  42,6).  die 
normale  Stellung  gen.  +  subst.  in  der  formel  auf.  Zu  den  i-beispielen 
darf  noch  Od.  12, 5  gezogen  werden,  wo  der  gen.  ein  adj.  ist. 

'")  Sijmons,  Zs.  fdph.  12,89  gegen  E.  Wilken,  Untersuchungen  zur  Snorra 
Edda  s.  8f)f.;  vgl.  auch  Heinzel,  Eddacommentar  z.  st. 

")  Nach  den  versen  mit  drei  nomina  zu  schliessen.  wird  im  Beowulf 
subst.  4-  gen.  nur  ungern  zur  formel  verbunden.  Subst.  +  gen.  erscheint 
in  I  dreimal  (90.  571.  1486),  in  ii  einmal  (2026?),  gen.  +  subst.  dagegen  in 
11  belegen  von  i  (341.  400  =  1628.  849.  1138.  1933.  2285.2423.2514.2526. 
2775)  und  1  beispiel  aus  ii  (1279).  Selbst  in  den  streckversen  ist  die  nor- 
male Stellung  häufiger:  2  (1707a.  1169a)  gegen  1  (1167a). 


ALLITERATION   IM   EDD.    F0RNYRDI8LAG.  125 

HH.  1,49,7  gofiigt  lip  gylfa,  Gp.  3,  7, 1  sjciu  luindriip  manna.  —  Zweite 
halbzeile:  Gp.3,  5,4:  prigcija  tega  manna.^'^)  Ferner  gehört  hierher  Vkv. 
7,  7  sjau  hundrup  allra,  wo  der  gen.  ein  adj.  ist. 

Da  hier  der  nachstehende  gen.  teils  alliteriert,  teils,  wenn  er  des  reimes 
entbehrt,  doch  die  zweite  hebung  einnimmt,  so  zeigt  sich  wider,  dass  subst. 
+  gen.  im  foruyröislag  normalerweise  nicht  zur  formelbiidiing  verwendet 
werden.  Es  begegnen  jedoch  auch  im  Beowulf  beispiele,  in  denen  subst. 
und  gen.  nicht  mit  einander  verwachsen  sind:  ii  202G  ■^ladum  suna  Frodan, 
2279  pre'o  Imnd  icintra.  Ferner  wäre  i  2965  'Eofores  hme  dorn  zu  er- 
wähnen, wo  der  gen.  stilgemäss  vorangestellt  ist.  Bei  einem  vergleich 
dieser  verse  mit  den  oben  citierten  fällen  ergibt  sich,  dass  für  die  tonische 
Subordination  im  ags.  (desgl.  im  alts.)  in  erster  linie  die  logische  bindung 
massgebend  gewesen  ist.  Während  90  san^  scopes  ('dichtergesang'),  571 
beacen  ^odes  ('gotteszeichen'),  (Hei.  1121b  barn  godes  ['gotteskind]), 
weniger  1486  siinu  HrceÖles  ('  der  HreÖlinj ')  zu  einem  einheitlichen  begriif 
verschmelzen,  ist  dies  in  2279b  hund  tvintra  (desgl.  2965  a:  daher  die  voran- 
stellung  des  gen.).  Hei.  268a  thes  wtdon  rtkeas  giwaruP^)  ausgeschlossen, 
ebenso  in  HH.  1,  49,  7  lip  gylfa,  Gp.  3,  7, 1  hundrup  manna,  vielleicht  auch 
Vsp.  1,  7  spjgll  fira.  Sonach  wäre  Hei.  2,  5  vgr  gidz  als  kenning  für  'weib' 
weniger  anstössig.  Doch  wird  die  s.  124  gegebene  auffassung  dadurch  ge- 
stützt, dass  bei  Vkv.  2,3  fogr  mcer  fira  'das  schöne  menschenkind'  die 
mögliclikeit,  ein  subst.  mit  nachfolgendem  gen.  zur  formel  zu  vereinigen, 
gegeben  war  und  doch  nicht  benützt  ist.  Offenbar  würde,  was  im  wgerm. 
eine  freiheit  war,  im  norden  als  fehler  empfunden  worden  sein.  Es  kommt 
hinzu,  dass  die  tonische  Verschmelzung  von  subst.  mit  nachfolgendem  gen. 
dem  grundprincip  der  germ.  nominalcomposition  zuwider  ist:  ein  wider- 
sprach, der  zu  ernstlichem  zweifei  an  der  ursprünglichkeit  der  in  rede 
stehenden  erscheinung  berechtigt. 

b)  Ein  adjectiv,  das  zu  dem  subst.  der  formel  gehört: 

Erste  halbzeile:  Od.  6,5  timm  vetr  alla,  14,7  fmm  vetr  eina. 
Diesen  versen  entsprechen  im  Beow.  i  1559  (=  2617  =  2981).  1664;  ii  909. 

c)  Ein  particip,  das  attributiv  oder  prädicativ  zum  subst. 
der  formel  construiert  ist: 

Erste  halbzeile:  Vsp.  19,  3  hör  bapmr  ausinn,  Ghv.  1,  3  iraup  mgl 
taltp  (so  Bugge,  der  vers  kann  jedoch  auch  zu  den  versen  mit  zwei  nomiua 


^^)  Der  alliterationslose  vers  ist  auch  metrisch  anstössig  und  deshalb 
mit  Hildebrand  s.  137  zu  bessern.  Auf  keinen  fall  darf  der  mangel  eines 
reimstabes  durch  eine  conjectur  in  dem  völlig  regelmässigen  ersten  halb- 
vers  beseitigt  werden,  wie  G.  Vigfusson,  CPB.  1,  561  Ufa  prir  einir  vor- 
schlägt. 

^^)  Bei  Hei.  2870a  gröt  craft  godes,  wo  begriffliche  bindung  des 
zweiten  uomens  sowol  nach  vorn  ('allgewalt')  wie  nach  hinten  ('gottes- 
kraft')  möglich  war,  entspricht  allein  die  durch  die  alliteration  festgelegte 
dem  Zusammenhang. 


12G  WKNCK 

[§  9]  gezogen  werden  [Hildebrand  u.a.]);  zweite  halbzeile:  IUI.  1.7,4 
güp  Or  komin,  42,6  mart  skeip  ripit,  Gp.  2,13,2  fimm  dctgr  tulip.  Für 
das  subst.  ist  ein  substantiviertes  part.  eingetreten  in  HH.  2, 9,  4  Vdt  ateikt 
etit.  Der  Beowulf  bietet  nur  eine  iiurallcle:  i  2988  hcard  sweord  hilted. 
—  Die  consequente  nacbstelluug  stimmt  zu  dem  oben  erörterten. 

d)  Ein  Infinitiv: 

Erste  halbzeile:  HH.  2,  49,  3  h'tta  fnlvan  jö  enthält  einen  allitera- 
tionsfehler, der  auch  durch  Sievers'  conjectur  (Beitr.  G,  'M'.>)  nicht  beseitigt 
wir<l.  Eine  Umstellung  würde  jedoch  rhythmisch  wenig  emj) fehl ens wert 
sein.  Ich  ziehe  bei  dem  merkwürdigen  zusammengehen  dieses  liedes  mit 
dem  Beowulf  vor,  den  hs.-lichen  text  zu  belassen  (s.  no.  5).  —  In  der  zweiten 
halbzeile  begegnen  folgende  verso  (mit  regelrechter  nachstellung  des 
inf.):  Hdl.  50,8  qll  gup  duga,  HH.  2,7,8  hräit  kjgt  eta,  HHv.  40,4  hinztr 
fundr  vesa,  Grp.  9,  4  aUs  harms  reka,  Sg.  65, 4  hinzt  bosn  vesa,  Gp.  3,  8,  6 
diks  harms  reka.  Aus  dem  Beowulf  ist  anzuziehen:  i:  voranstehender  inf. 
1905  drefan  ileop  tva'ter;  nachstehender  2314  hcvrht  liufii  harnan. 

e)  Die  enge  der  grammatischen  bindung  von  adj.  und  subst. 
ermöglicht  es,  die  nominalformel  von  dem  dritten  nomen 
abhängig  zu  machen: 

a)  Von  einem  Substantiv:  Erste  halbzeile:  Gp.  2,  23,  3  wrt  &tls 
vipar,  25,  3  ijyilp  alls  Uar.  Die  aulfällige  Stellung  der  alliteration  in  dem 
zuletzt  genannten  beleg,  die  dem  in  §  8  festgestellten  widerspricht,  darf 
nicht  ohne  weiteres  als  fehlerhaft  bezeichnet  werden.  Während  nämlich  in 
23,  3  der  logische  nachdruck  dem  quantitätsadj.  zukommt,  liegt  er  in  25,  3 
wol  auf  dem  zweiten  subst.  Es  ist  daher  nicht  ausgeschlossen,  dass  die 
ausnähme  von  der  regel  dem  besondern  einfluss  des  sinnesaccents  zuzu- 
schreiben ist.  —  Dagegen  dürfen  in  der  zAveiten  halbzeile  Hdl.  24,6 
bpZ  viargs  konar,  Hei.  10, 4  K  her  cüls  v/por  dem  typus  D  zugewiesen 
werden:  der  erste  vers  um  so  eher,  als  margs  konar  häufig  als  ein  wort 
gefasst  wird  (Hildebrand  z.  st.  Gering,  Glossar).  —  Bemerkenswert  ist  die 
stilgerechte  nachstellung  des  übergeordneten  Satzteiles  in  den  hierher  ge- 
hörigen Beowulfversen  i  147  twclf  wintra  tid,  545  fif  nihta  fgrst. 

ß)  Von  einem  adjectiv,  das  wie  das  subst.  unter  «  in  der  Edda 
gegen  das  stilpriucip  vorangeht:  Erste  halbzeile:  G}>.  2,10,3  traupr 
gdps  hugar,  37,3  hdl  ills  hugar;  zweite  halbzeile:  Hym.  9,8  ggrr  tlls 
huyar.  Die  lautliche  entwicklung  der  Wörter  illüp,  Illugi  schliesst  jeden 
zweifei  an  der  rhythmisieruiig  dieser  verse  als  D  aus.  —  Parallelen  aus 
dem  Beowulf  fehlen. 

f)  Ferner  begegnen  in  der  Edda  noch  zwei  zweite  halb- 
verse  (E]>.  9,  6  liris  gerstan  dag,  Grp.  31,  6  gestr  eina  noil),  in 
denen  ein  subst.  keine  nähere  beziehung  zur  formel  hat. 
Die  rhjihmisierung  als  D  darf  nach  §  8  als  gesichert  an- 
gesehen werden.    Der  Beowulf  meidet  offenbar  den  maugel  au 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  127 

gTammatiscliem  Zusammenhang:   schon  nnter  3,  a   konnte  nur 
ein  zweifelhafter  fall  beigebracht  werden. 

g)  Ausserdem  finden  sich  in  der  Edda  noch  einig-e  verse, 
in  denen  (dem  in  §  8  festgestellten  ton  Verhältnis  zuwider)  Sub- 
stantiv +  adjectiv  eine  nominalformel  bilden.  Auch 
hier  kann  das  dritte  nomen  verschieden  sein  und  in  verschie- 
denem syntaktischen  Verhältnis  zu  teilen  der  formel,  wie  zur 
formet  selbst  stehen.  Doch  kommt  dies  bei  der  frage  nach 
der  berechtigung-  der  anomalen  nominalformel  nicht  in  betracht. 
Es  handelt  sich  um  folgende  fälle: 

Erste  halbzeile:  HHv.  35,  3  iljop  eitt  es  Hepin,  Vsp.  26,  7  m<ß  gll 
meginUg,  41,  7  Yeßr  gll  \älynd,  HH.  1,  6,  3  Aoegrs  eins  gamall,  Vsp.  62,  3 
\)gls  mun  alls  'hatna'^^);  zweite  halbzeile:  Hym.  15,  8  yxn  tvä  Hymis, 
prk.  24, 10  sp7(:?  prjü  mjapar. 

In  dem  andern  orts  noch  zn  discutierenden  yersmaterial  begegnet  die 
unregelmässige  gestalt  der  formel  (snbst.  +  adj.)  noch  in  19  i  (typus  A: 
Vkv.  5,  3.  21,  7.  Vsp.  6, 1  (=  9, 1.  23, 1.  25, 1).  23,  7.  25,  5.  66,  3.  Ep.  47,  3. 
HH.2, 18,5.  40,1.  41,1;  typus  C:  HH.  2,  50,  9.  Gj7.2,  26,3;  typus  E:  Vsp. 
26,1.  Hym.  25,6.  HH.  1,53,1.  Grp.  25,7)  und  9  ii  (typus  A:  Hym.  24,4. 
33,8.  Grt.  7,6.  Br.  10,2.  Sg.  2,6.  68,6.  Gp.  2,23,2;  typus  E:  Vsp.  53,2. 
Hym.  26,  2),  die  regelmässige  (adj.  +  subst.)  noch  in  10  i  (typus  A:  Br.  7,5. 
Kg.  14,  7.  Grp.  42,  5.  Gp.  1, 18,  7.  Gp.  2,  2,  3.  9,  7.  Hei.  10,  5;  typus  D:  Vsp. 
47,3.  HH.  1,1,3;  typus  E:  Grp.  26,  3)  und  15  ii  (typus  A:  Vkv.  1,  8.  Rp. 
6,2  (=20,2.  33,6).  HH.  1,29,2.  Grp.  10,2.  Fäf.  33,6.  Gp.  2,35,6.  35,10; 
typus  D:  Sg.  13,4.  23,4.  48,2;  typus  E:  Vkv.  3,2.  Grp.  49,2.  Od.  11,4). 
Es  besteht  also  keine  ausgeprägte  differenz.  Nimmt  mau  die  oben  auf- 
geführten verse  mit  drei  nomina  hinzu  (Gp.  2,  25,  3  ist  auszuscheiden),  so 
überwiegt  die  normale  gestalt  der  formel  wenigstens  in  ii  ganz  bedeutend 
(31  [^73,8%  aller  ii- belege]  :  11),  während  beide  formen  sich  in  i  die 
wage  halten. 

Da  auch  die  lieder  älterer  technik  an  diesen  beispielen  beteiligt  sind, 
darf  auch  bei  der  anomalen  gestalt  der  formel  hewahrung  des  satzaccents 
angenommen  werden,  d.h.  es  zeigt  sich  auch  hier  der  einfluss  des  logischen 
accents.  Das  adj.  allr,  das  in  der  mehrzahl  der  fälle  nachgestellt  erscheint 
(i  10  :  II  2)  ist  bei  voranstellung  (i  2  :  ii  4)  z.  t.  sicher  rhetorisch  gehoben, 
z.  b.  Sg.  13,  4  sat  um  allan  dag  (vgl.  oben  Hdl.  50,  8.  Grp.  9,  4).  —  Ebenso 
ruht  auf  dem  zahlbegriff  ehm  in  dem  einzigen  vers,  wo  es  voransteht 
(Hei.  10, 5  pcn-  bap  efnn  pegn)  der  logische  nachdruck.  Doch  hätte  in 
einem  der  fälle  mit  nachstelluug  (i  7  :  ii  2),  nämlich  in  Sg.  68,  6  hep  einn 


")  Die  Stellung  des  hilfsverbums  wäre  höchst  befremdlich,  wenn  nicht 
die  vollkommene  Verschmelzung  desselben  mit  dem  vorausgehenden  nomen 
durch  Sievers'  Untersuchungen  (Beitr.  6, 320.  8, 60.  Altg.  metrik  §  36, 12)  ge- 
sichert wäre  (vgl.  unten  §  20). 


128  WENCK 

siigum,  iiacli  unserem  gefühl  die  nntürliclie  Wortfolge  (einn  hep)  eintreten 
sollen.  —  Aelinlich  verhält  es  sich  mit  margr. 

Selbst  wenn  das  adj.  nicht  einen  qnantitäts-  oder  zalil- 
bcgriff  enthält,  kann  die  naohstellung  nicht  fehlerhaft  genannt  werden, 
sobald  das  adj.  eine  bereits  im  wesen  des  subst.  selbst  liegende  eigenschaft 
ausdrückt:  z.  b.  Ykv.  5,3.  21,7  (juU  rautt,  HH.  2,18,5  mar  vng  (ebenso 
ßeow.  2019a  hyre  geonge),  aber  HH.  1, 1,  3  heiltig  nptn,  Br.  7,  5  grär  jör, 
Grp.  26, 3  goß  lyß  etc.  —  Rp.  47, 3  Konr  ungr  darf  der  neigung  des 
dichters  zu  etj-mologischer  Spielerei  zugeschrieben  werden.  —  Bei  Hyni. 
33,  7.  8  stoß  at  hc^';«  i  hvcrr  kyrr  fyrir  liegt  der  begriff  des  adj.  bereits  im 
vorausgehenden  verbura.  Die  enklise  desselben  kann  also  trotz  der  prädi- 
cativen  Verwendung  nicht  befremden. 

Andere  fälle  sind  zweifelhaft,  z.  b.  Vsp.  66,  3  naßr  fränn,  Gf».  2,  26,  3 
gnU  fagrt.  Zum  teil  mag  daher  die  reimbequeralichkeit  die  anomale 
bildung  der  formel  veranlasst  haben.  So  ganz  zweifellos  in  den  versen, 
wo  es  sich  um  ein  numerale  (vgl.  §8)  handelt:  vgl.  oben  prk.  24,10. 
Hym.  15,8.  Ferner  konnte  die  häufige  einsilbigkeit  der  verwendeten 
uomiua  bei  der  füllung  der  vier  glieder  des  verses  Schwierigkeiten  bereiten: 
in  solchen  fällen  war  es  bequem,  etwaige  lücken  durch  hinzufügung  weniger 
bedeutsamer  adjectiva  auszufüllen.  So  hat  allr  in  der  mehrzahl  der  verse, 
in  denen  es  nachsteht,  offensichtlich  den  Charakter  eines  füllscls.  Ein  eigent- 
licher Widerspruch  gegen  die  regel  des  satzaccents,  die  nach  §  8  dynamische 
coordination  des  subst.  imd  nachgestellten  vollsinnigen  adj.  erfordert,  tritt 
also  nicht  ein.  Dass  im  Beowulf  die  uuregelmässige  gestalt  der  formel  in 
den  versen  mit  drei  nomina  ganz  fehlt,  spricht  für  die  trefflichkeit  seiner 
techuik.  Immerhin  zeigt  jedoch  der  citierte  vers  2019  a  \)(.i:dde\)yre  geonge, 
dass  unter  den  angegebenen  bedingungeu  auch  im  ags.  subst.  mit  uach- 
gestelltem  adj.  sich  gelegentlich  zu  einer  uachdruckseinheit  verschmelzen 
konnten. 

5)  Neben  den  bislier  besprochenen,  im  allgemeinen  regel- 
mässigen versen  findet  sich  in  der  Edda  noch  eine  beschränkte 
anzahl  angenscheinlicher  an om allen. 

HH.  2,39,7  gefa  svi'mwi  &oß  mit  voranstehendera  inf.  zeigt  denselben 
alliterationsfehler,  der  uns  oben  4,  d  im  gleichen  Hede  ('49,  3)  und  ebenso  3,  d 
im  Bcow.  (i  757.  822)  begegnet  ist.  Bei  der  .sonst  üblichen  bebandlung  des 
voraustehenden  inf.  in  der  Edda  (§10)  wie  im  Beow.  (iD:  1486  geseon 
SM»m  Hntöles,  und  ähnlich  1905.  2423.  2526),  desgl.  in  den  schwellversen 
des  Beow.  (1164  a)  und  Heliand  (i  560  (=4396).  602.  899.  1096.  1686.  3072. 
5721.  5892  etc.)  und  des  vorangestellten  part.  (Beow.  i  1291.  2285,  desgl. 
Hei.  2666a)  sind  die  genannten  ausnahmen  sehr  auffällig. 

Eine  parallele  in  der  bebandlung  des  voranstehenden  part.  bietet  nur 
die  Edda:  Ghv.  4,9  roßnar  i  \ers  dreyra.  Dieser  fall  gibt  in  Verbindung 
mit  den  citierten  vier  D- versen  des  Beow.  (vgl.  auch  Gliv.  4,  4  \cyfa  d^ß 
Uognu)  einen  anhaltspunkt  für  die  rhythmisierung  der  anomalen  beispiele. 
Wie  nämlich  Ghv.  4,9  auch  als  D*'  genommen  werden  könnte,  da  die 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  129 

g-rammatische  Verknüpfung  der  beiden  anderen  nomiua  völlige  enklise  des 
zweiten  gestattet  (vgl.  Sievers  §  50,  5  und  7a),  ebenso  darf  HH.  2,  49,  3  läla 
iglvan  jö  als  D^  angesprochen  werden,  da  die  nämliche  bedingung  erfüllt 
ist.  Die  annähme  eines  metrisch  fehlerhaften  D^  ist  nicht  zu  gewagt 
(vgl.  §  53). 

Die  beurteilung  der  Beowulfverse  ist  wegen  der  doppelallitera- 
tion  nicht  ganz  sicher.  Man  könnte  schwellverse  des  tjpus  AB 
annehmen  wollen,  für  den  Sievers,  Beitr.  12,  i71  ein  stärkeres 
schwanken  der  alliteration  auf  erster  und  zweiter  hebuug  einerseits, 
auf  zweiter  und  dritter  andrerseits  constatiert.  Doch  würde  der 
getragene  gang  eines  reinen  streckverses  dem  Zusammenhang  wenig 
entsprechen.  Damit  ist  jedoch  nicht  die  möglichkeit  ausgeschlossen, 
diese  fälle  als  übergangsformeu  vom  normalvers  zum  schwellvers 
(vgl.  Sievers  §  90)  aufzufassen :  vgl.  den  vers  Ghv.  4,  9,  der  als  C* 
gefasst  dem  part.  eine  nebeuhebung  zuweisen  würde.  Ausserdem 
ist  zu  berücksichtigen,  dass  doppelalliteration  durchaus  nicht  ein 
zeichen  absoluter  coordination  der  hebuugen  sein  muss,  und  es  hier 
um  so  weniger  sein  kann,  als  die  enge  der  gTammatischen  bindung 
dem  ersten  der  beiden  alliterierenden  nomina  das  dj^namische  über- 
geAvicht  sichert.  Durch  das  zurücktreten  der  zweiten  hebung  wird 
der  inf.  notwendig  aus  seiner  proklitischen  Stellung  gehoben.  Somit 
kann  die  rhythiuisierung  der  schematischen  B*-verse  nicht  die  von 
reinem  B  gewesen  sein.  D4  ist  wegen  der  doppelalliteration  unmög- 
lich, also  bleibt  nur  eine  Übergangsform  D—B  übrig  (die  existenz 
einer  solchen  wird  sich  im  folgenden  beweisen  lassen),  die  gewis 
der  dynamischen  abstufung  der  drei  nomina  am  besten  entspricht. 
Die  drückuug  des  inf.  kann  dadurch  gerechtfertigt  werden,  dass 
secan  an  beiden  stellen  einen  vorausgehenden  inf.  variiert  bez.  wider 
aufnimmt  (s.  unten). 

Als  grober  Verstoss  bleibt  also  nur  HH.  2,  89,  7  gefa  svinum  sop  be- 
stehen, da  eine  rhythmisierung  als  D — B  wegen  des  mangels  einer  engeren 
grammatischen  bindung  der  beiden  alliterierenden  nomina  ausgeschlossen 
ist.  In  syntaktischer  beziehung  ist  dieser  vers  somit  den  unter  2  citierteu 
zu  vergleichen.  Die  fehlerhafte  proklise^^)  des  inf.  muss  daher  auf  das 
conto  der  schlechten  technik  des  zweiten  Helgiliedes  gesetzt  werden.  Ein 
fehler  der  Überlieferung  ist  weniger  wahrscheinlich,  da  das  am  rande  nach- 
getragene gefa  für  den  Zusammenhang  unentbehrlich  ist. 

Dagegen  darf  der  Verstoss  in  HH.  2,  51,  7  daupir  dolgar,  mcer,  nicht 
dem  dichter  selbst  zur  last  gelegt  werden.  Durch  tilgung  des  überflüssigen, 
offenbar  nachträglich  zugefügten  vocativs  (Sievers,  Beitr.  6, 343)  wird  der 
vers  regelmässig.  Dagegen  stünde  die  alliteration  der  beiden  glieder  der 
nominalformel  (die  uns  freilich  oben  in  den  Beowulf  beispielen  begegnet  ist) 


**)  Nach  Sievers  §  49, 2,  anm.  1  kommt  hier  dem  inf.  gefa  doch  viel- 
leicht ein  nebenton  zu. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.  XXXI.  Q 


130  WENCK 

in  der  Edda  ganz  isoliert.  Die  conjectnr  Fiiinur  Jönssons  in  HH.  1.9,3 
alnis  iwT  borinn  bringt  also  einen  fehler  in  den  einwandsfreien  lisl.  text 
hinein  und  ist  daher  abzulehnen. 

"Weiterhin  verstösst  prk.  2,  8  oss's  stoliiw  Immri  nicht  mir  gegen  das 
stilprincip  (insofern  das  abhängige  nomen  nachgestellt  ist),  sondern  auch 
gegen  den  satzaccent,  da  ein  prädicatives  part.  nach  sonstiger  eddischer 
technik  (§  9j  nicht  in  euklise  zu  dem  vorangehenden  nomen  treten  kann. 
Attributives  part.  bildet  nachstehend  mit  dem  zugehörigen  subst.  eine 
nachdruckseinheit  in  HH.  1,51,1  venni  rpJcn  bitlup.  Prädicatives  part. 
zwingt  das  zugehörige  nomen  nur  Grp.  23, 2  \oij})  nri pir  in  enklise  zu  sich 
(vgl.  §  44).  Leide  belege  stehen  jedoch  in  liedern  jüngerer  technik  und 
sind  deshalb  schon  zweifelhaft.  Der  vers  prk.  2, 8  ist  sonach  sehr  bemerkens- 
wert, da  er  von  einem  schwanken  der  technik  auch  in  älteren  ge- 
dichten  zeugt. 

Ein  einziges  mal  stehen  ferner  in  der  Edda  zwei  adjectiva  vor 
dem  subst.:  Od.  34,3  mor^  ill  lun  slcgp.  Hier  sind  zugleich  die  beiden 
glieder  der  nominalformel  durch  ein  nicht  verschleifbares  (vgl.  oben  Ysp. 
62,3.  prk.  2,8)  und  sinnloses  flickwort  getrennt:  ein  deutliches  zeichen 
für  sinkende  technik.  An  der  rhjthmisierung  als  D  zweifle  ich  jedoch 
nicht  (vgl.  Hei.  4:40a  \iCla<j  hiviilisc  harn). 

6)  Wiewol  sich  in  der  Edda  eine  grössere  zahl  von  versen 
mit  drei  nomina  vorfindet  als  im  Beownlf,  sind  aus  dem 
fornyröislag  zu  einigen  versarten  des  Beowulf  keine  parallelen 
beizubringen.  Zum  teil  mag  dies  nur  zufall  sein,  wie  z.  b.  bei 
der  Verbindung  von  zwei  coordinierten  uoniinibus,  deren  zweites 
zu  einem  zugehörigen  adj.  in  enklise  getreten  ist:  Beow.  i  2510 
\\ond  ond  \\eard  swcord  u.  ä.  2G39.  3106.  Dagegen  entspricht  es 
den  eddischen  Verhältnissen  (vgl.  §  8),  wenn  den  im  Beowulf 
offenbar  beliebten  versen'''),  in  denen  abhängiges  subst.  +  über- 
geordnetes adj.  als  nominalformel  fungiert,  kein  einziges  Edda- 
beispiel gegenüber  gestellt  werden  kann. 

7)  Auch  hinsichtlich  des  Verhältnisses  von  N'  :  N- 
ergibt  sich  ein  ausgeprägter  unterschied  zwischen  wgerm.  und 
an.  technik.  "Während  die  genannten  40  i  des  Beowulf  (9  A, 
2  B  [757.  822],  27  D,  2  E)  sämmtlich  doppelalliteration  auf- 
weisen, halten  sich  N*  und  N-  in  den  oben  im  einzelnen  an- 
geführten 28  Eddabelegen  für  den  ersten  halb  vers  (10  A  [N'  7  : 
N2  9],  2  B  [1  :  Ij,  IC  [mälahättr],  8  D  [4  :  4],  1  E«)  vollständig 
die  wage  (14  :  14). 


«)  Beow.  I  97'J.  1039.   1287.   13G5.   1370.  1595.  1907.  2179.  2G88.  — 
1333.  —  1291  j   II  vacat. 


ALLITERATION  IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  131 

Diesem  verhältuis  von  N*  :  N'  entspricht  auch  in  beiden  denkmälern 
mit  anifallender  genaiiigkeit  die  Verteilung  der  belege  auf  i  und  ii:  der 
Beowulf  hat  40  i  :  5  ii  (4  A,  1  E  [2795] ),  die  Edda  aber  28  i  :  27  ii  (17  A, 
6  D,  3  E,  1  G^).  Der  Beowulfdichter  empfand  also  doppelalliteration  als 
unerlässliche  forderung  und  vermied  es  aus  diesem  gründe,  die  zweite  halb- 
zeile  mit  drei  nominibus  zu  bilden.") 

8)  Eine  weitere  abweichimg  des  fornyröislag-  vom  Beowulf 
lässt  ebenfalls  den  secundären  Charakter  der  eddischen  technik 
erkennen.  Da  das  erste  glied  der  nominalformel,  um  über  das 
zweite  dominieren  zu  können,  ein  besonders  grosses  nachdrucks- 
gewicht  erhalten  niuss,  ist  es  im  Beowulf  durchgehends  träger 
der  alliteration.  1^)  Sollte  in  ii  diese  forderung  erfüllt  werden, 
so  musste  die  nominalformel  an  erste  stelle  des  verses  treten. 
Daraus  erklärt  sich  auch  das  fehlen  verschiedener  sonst  üblicher 
syntaktischer  Verbindungen  in  ii.  Besonders  eclatant  ist  der 
unterschied  zwischen  i  und  ii  bei  den  unter  3,  b  aufgeführten 
Versen.  Ebenso  darf  die  consequente  nachstellung  der  verbal- 
nomina  in  ii  (gegenüber  der  in  i  typischen  voranstellung)  auf 
diese  tendenz  zurückgeführt  werden.  Demnach  sind  Beowulf 
II  2026  iladum  suna  Fröclan,  2279  preo  hund  wintra,  deren 
rhythmisierung  zweifelhaft  war,  dem  typus  A  zuzuweisen, 
2795  b  irean  calles  danc  aus  demselben  gründe  zu  E  zu  ziehen, 
wie  bereits  Sievers  a.a.O.  vermutet  hat.  Abgesehen  von  den 
augenscheinlich  anomalen  versen  der  Edda  alliteriert  das  erste 
glied  der  formel  nicht  überall  oder  steht  es  (was  in  ii  mit  alli- 
teration  gleichbedeutend  ist)  in  erster  hebung  von  ii.  Fehler- 
haft sind  in  dieser  beziehung  3  i  (G}^.  2, 10,  3.  37,  3.  Od.  34, 3) 
und  6  II  (Hym.  9,  8.  34,  6.  R]'.  9,  6.  Grp.  31,  6.  Hdl.  24,  6.  Hei. 
10,4).  Die  tatsache,  dass  auch  ältere  lieder  in  diesen  bei- 
spielen  vertreten  sind,  zeigt,  dass  auch  deren  technik  bereits 
ins  schwanken  geraten  war  (vgl.  oben  prk.  2,  8).  Die  Hym. 
offenbart  auch  hier  wider  ihren  skaldischen '9)  Charakter.   — 


")  Diese  neiguug  erstreckt  sich  auch  auf  die  schwellverse.  Der  Beow. 
hat  kein  beispiel  aufzuweisen;  aus  dem  Hei.  habe  ich  v.  1309^  notiert. 

1*)  Charakteristisch  ist  die  beliebte  Stellung  des  ersten  gliedes  der 
formel  in  zweiter  hebung  der  D-verse;  vgl.  dazu  §  53. 

^^)  Sievers,  Proben  s.  38.  —  Mit  skaldisch  meine  ich  hier  die  neigung, 
den  hauptstab  ohne  rücksicht  auf  den  satzaccent  auf  die  erste  silbe  von  ii 
zu  setzen. 

9* 


132  WENX'K 

Allitonitioiiserscliwerende  wii'kung  eines  npr.  ist  bei  Hym.  34,6 
iiiul  Grp.  31,  G  anzuerkennen. 

Cap.  MI.    Verbum  finitum.') 
A.    Verbum  flnitum  und  ein  nomen. 

§  19.  a)  Will  man  das  nachdrucksverliältnis  von 
verbum  finitum  und  nomen  feststellen,  so  muss  man  in 
erster  Knie  von  den  versen  ausgehen,  in  denen  ausser  einem 
nomen  und  einem  verb.  ün.  nur 2)  noch  eine  tonlose  partikel, 
conjunction,  präposition  steht,  in  denen  also  verb  und  nomeu 
normalerweise  träger  der  hebungen  sind. 

Dass  das  verb.  fin.  ein  geringeres  tongewicht  besitzt  als 
das  nomen,  ist  bekannt  und  wird  sich  auch  aus  dem  folgenden 
wider  ergeben.  Dabei  ist  in  der  Edda  ebensowenig  wie  im 
w'germ.  ein  unterschied  in  der  behandlung  der  verschiedenen 
arten  der  nomina  zu  bemerken,  und  das  ist  ein  sicheres  zeichen 
dafür,  dass  einerseits  der  dynamische  unterschied  zwischen 
nominalen  und  verbalen  nominibus  relativ  gering,  andrerseits 
der  abstand  zwischen  nomen  und  verb.  fin.  relativ  sehr  gross 
gewesen  ist.  Doch  verhalten  sich  voUverb  und  hilfsverb  keines- 
w'egs  gleich,  so  dass  auch  hier  eine  getrennte 3)  behandlung 
notwendig  ist.  Für  die  Scheidung  des  materials  kommt  somit 
die  Verschiedenheit  der  nominalklassen  nicht  in  betracht,  von 
um  so  grösserer  Wichtigkeit  ist  die  Stellungsfrage. 

An  einschlägigen  versen  finden  sich  in  der  Edda  folgende: 

1)  Mit  vollverbum: 

ß)  Nomen  +-  verbum:  Erste  lialbzeile:  Typus  A:  Unterform  A' 
(über  die  bedeutung  dieser  'unterformeu' A' etc.  s.  s.  94,  fussn.  1):  Vsp.  5, 5. 


»)  Eieger  s.  24.  Sievcrs  §  24. 

')  Der  bestimmte  artikel  ist  uultcriicksiclitigt  gobliebeu  bei  llyni.24,  3. 
Drk.  13,  5.  15,  7.  32,  1.  Grt.  23,  7.  Sg.  GC,  5.  Od.  IG,  5  (vgl.  §  40). 

3)  Die  scbeiduiig  zwischen  voUverb  und  hilfsverb  ist  in  praxi  nicht 
reinlich  durchzuführen,  da  einerseits  das  vollverb  in  periphrastischcr  Ver- 
wendung sich  dem  hilfsverb  nähert,  andrerseits  das  hilfsverb  bei  absolutem 
gebrauch  den  Charakter  eines  voUverbs  annimmt.  Die  zweifelliaften  fälle 
sind  aber  so  wenig  zahlreich,  dass  es  die  richtigkeit  der  hauptresultate 
nicht  beeinflussen  kann,  wenn,  wie  im  folgenden  geschehen  ist,  die  normale 
Verwendung  des  betreffenden  verbums  als  für  die  Zuordnung  des  verses  zur 
einen  oder  anderen  kategorie  ausschlaggebend  betrachtet  wird. 


ALLITERATION   IM   EDD.   FOENYRDISLAa.  133 

5.7.  5,9.  6,7.  7,5.  7,7.  Kym.  13,  7.  23,5.  E]'.  12, 11.  28,3.  12,3.  lfi,3.  Bdr. 
6,1.   7,7  (=9,7.  11,9).   Vkv.  3,7.   HH.  2,2,5.   HHv.  1,7.    Grp.  1,5.  6,1. 

45.5.  Sg.  14,1.  Gp.  2,1,7.  12,5.  Od.  6,1.  Ghv.  16,9.  —  Uuterform  A^*: 
Vsp.  18, 1.  22, 1.  52,  5.  Hym.  24, 1.  Ep.  12, 13.  37,  7.  38,  7.  40,  7.  42,  5.  45,  3. 
HH.  2,42,7.  Eg.  17,7.  —  Unterform  A^:  Sg.  44,7.  —  Typus  B:  Unter- 
form B»:  Vsp.  33,5.  37,5.  43,5.  53,3.  Hym.  8,5.  32,3.  38,7.  prk.  17,5. 
Hdl.  29,3.  40,3.   Bdr.  4,7.  HH.  1,10,5.   HH.  2,8,5.    Grp.  5,7.  28,7.   Fäf. 

36,  5.  GJJ.  1,  27,  7.  Gp.  3, 10,  3.  Od.  3,  3.  22, 1.  31,  3.  Ghv.  13,  7.  —  Unter- 
form B^:  Vsp.  33,3.  Bdr.  11,7.  HH.  1,3,3.  —  Typus  C:  ünterform  C^: 
Vsp.  8,  5.  17, 1.  Hdl.  45,  3.  Vkv.  33, 11.  HH.  1, 19,  5.  HH.  2,  4,  7.  38,  9.  Grp. 

22.7.  Br.  16,5.  G]?.  1, 16,  3.  Od.  28,  3.  Ghv.  3,  7.  4,5.  —  Unterform  C'^:  Vsp, 

63.3.  Bdr.  12,7.  Yky.  33,13.  HH.  2,43,5.  G}>.  3,1,7.  —  Typus  D:  Unter- 
form D':  Hym.  33,5.  Gp.  1,15,3.  Od.  17,5.  —  Unterform  D'^:  prk.  21,5. 
Od.  14,3.  —  Typus  E:  Unterforra  E':  Hym.  39, 1.  HH.  1,  27,  5.  30,3.  33,1. 
Br.  19,1.  Sg.  47,5.  —  Typus  F:  Unterform  F':  Bdr.  11,5.  Sg.  71,5. 

Zweite  halbzeile:  Typus  A:  Vsp.  4,  2.  4,4.  6,6.  10,6.  21,4.  47,8. 

50. 8.  59, 8.  60,  4.  Hym.  1, 2.  3,  8.  4,  8.  17, 4.  30,  2.  34,  8.  37,  8.  Drk.  5, 2 
(=9,2).  6,4.  10,6.  10,8.  14,8.  23,8.  29,4.  31,4.  31,8.  Ep.  11,6.  23,8. 
28,  4.  33,  4.  34,  2.  36, 4.  42, 4.  45,  2.  Hdl.  45,  8.  46, 8  (=  47,  8).  50,  4.  Bdr. 
2,4  (=Od.2,8).  3,6.  14,8.  Vkv.  3,4.  3,6.  10,2.  14,6.  17,6.  24,4.  27,4. 
34,8.  41,8.  Grt.2,4.  2,6.  6,8.  17,8.  HH.  1,  2,  2.  2,4.  3,8.  4,2.  15,4.  15,10. 

17,  4.  24,  2.  26,  2.  26,  6  (=  HH.  2,  43,  8).  45,  8  (=  HH.  2,  23,  8).  47,  2.  51, 10. 

54.6.  HH.  2,1,4.  4,4.  4,10.  5,4.  8,8.  12,8.  13,6.  13,10.  32,8.  36,6.  37,6. 

40,  6.  41, 6.  42, 4.  44,  4.  46,  8.  49,  8.  50,  8.  HHv.  4,  8.  6,  8.  35,  4.  37, 8.  41,  6. 

41,  8.  42.  4.  Grp.  1,  4.  6, 4.  16,  8.  27, 4.  27, 8.  32, 8.  37,  8.  46,  4.  47, 4.  49,  8. 
53,  4.  Fäf.  32,  8.  43,  6  (Sijmous  z.  st.).  Br.  6, 8.  7,  2  (=  Sg.  17,  2.  45,  2).  8,  8. 
10,  8.  13,  4.  13,  6.  15,  8.  17,  4.  Gp.  1, 10,  4.  21, 2.  22,  6  (=  Sg.  3,  2).  23,  6. 
26,  4.  27,  6.  Sg.  4,  6.  5,  2.  11,  8.  11, 10.  14,  6.  18,  4.  18,  6.  32,  4.  36,  2.  36, 10. 
86, 12.  42,  4.  46,  4.  50, 4.  55,  2.  71, 4.  71,  6.  Hei.  6,  8.  9,  4.  9,  8.  11,  4.  Gp. 
2, 1,  6.  3,  8.  5,  8.  10,  8.  13,  4.  31, 12.  32,  4.  35,  8.  38,  2.  Gp.  3,  2,  4.  2,  8.  10,  8. 
Od.  10, 10.  17, 2.  17,  8.  26, 4.  26,  8.  28, 6.  28,  8.  30, 4.  33,  6.  Ghv.  2, 8.  11,  6. 
17,12.  19,4.  21,2.  —  Typus  B:  Vsp.  24,2.  26,4.  28,4.  Hym.  29,2.  35,2. 

37,  2.  E)7.  37,  4.  37,  8.  HH.  1,  34,  2.  HH.  2, 1,  2.  30, 10.  HHv.  7, 4.  25,  6. 
29,8.  38,6.  Fäf.  35,8.  —  Typus  C:  Vsp.  7,6.  10,8.  16,6  (=  Grp.  23,6. 
41, 6).  26,  8.  33,  2.  45, 12.  46,  2.  47,  2.  50,  6,  51,  4.  52, 6.  52,  8.  Hym.  1, 4. 
1,6.  7,4.  7,8.  15,6.  17,6.  19,8.  24,2.  28,4.  28,6.  28,8.  prk.  16,8.  19,12. 
Ep.  23, 10.  40, 8.  Hdl.  24, 8.  42, 4.  42,  8.  Bdr.  11, 6.  Vkv.  18, 6.  31,  8.  33, 10. 
Grt.  8,  4.  12,  8.  13,  4.  14,  6.  15,  8.  HH.  2,  4,  2.  10,  6  (=  11,  4).  33, 12.  39,  8 
(=  45,  8).  50,  2.  51,  2  Grp.  8,  4  (=  30, 4).  10,  4.  12, 4.  29,  6.  47,  8.  52,  8.  Eg. 

18,  2.  26,  8.  Fäf.  32,  4.  35,  2.  35,  6.  Br.  4, 4.  12,  6.  Gp.  1,  4, 10.  6,  8.  Sg.  3,  6. 
5,  6.  12,  8.  27,  2.  34, 4.  36, 6.  Gf.  2, 17,  6.  20,  8.  21,  4.  23, 8.  28,  8.  36, 4. 
37, 2.  39,  2.   Gp.  3,  2,  6.  7,  2.  7,  4.  Od.  6,  6.  14,  8.  16,  8.   Ghv.  5,  4.  7,  4.  7,  6. 

8.8.  10,8.  17,4.  17,8.  —  Typus  D:  Vsp.  7,8.  Hym.  12,8.  31,8.  Drk.  6,6. 
Vkv.  10,  4.   Grt.  4,  4.  23,  2.  HH.  1,  31,  8.  41,  8.  43,  4.  Eg.  15, 4.  Gp.  1,  8,  8. 

15.4.  Gf).  3,11,4.  —  Typus  E:  Vkv.  2,6.  Grt.  21,4.  HH.  1,36,4.  HH. 
2,34,8.  48,6.  Fäf.  44,4.   Gp.  1,23,8.  -  Typus  F:  Gp.  1,7,4. 

ß)  Verhum  +  nomen:  Erste  halbzeile:  Typus  A:  Unterform  A^: 


134  WEN'CK 


Vsp.24,  1.  AI.  40,7.  47,5.  4S,  5.  Hym.  1,5.  22,5.  25,5.  l)rk.  9,7.  R}\  19,3. 
2K,7.  'M,3.  40,;}.  Bdr.8,  1  (=  10, 1.  12,  1).  Vkv.  .5,  5.  16,5.  22,5.  26,5.  31,5. 
34,1.  Grt.  5,5.  HH.  2,20,5.  30,  .5.  HHv.  35,1.  36,1.  Grp.  53,1.  Br.  12,5. 
15,1.  Gp.  1,13,1.  Sg.  48,1.  Gp.  2,7,1.  10,1.  14,1.  Ghv.  13,1.  —  Unter- 
form A':  Vsp.  8,1.  41,1.  57,3.  59,5.  Hym.  3,  3.  7,5.  7,7.  17,5.  22,1.  24,3. 
27,7.  36,1.  I)rk.  23,1.  27,1.  Rp.  23,9.  39,1.  Hdl.  15,1.  Vkv.  14,5.  21,1 
(=23,5).  Grt.  3,3.  5,7.  14,1.  21,5.  23,1.  23,5.  23,7.  HH.  2,6,5.  14,1. 
28,5.  HHv.  1,1.  Gp.  1,7,5.  13,5.  20,1.  Sg.  1,5.  25,5.  40,1.  43,1.  G)i. 
2,13,1.  16,5.  24,5.  28,1.  Gp.  3,6,1.  Od.  3,5.  14,5.  23,1.  Ghv.  16,1.  — 
Unterform  A^:  Vsp.  7,1.  17,5.  29,1.  31,5.  32,1.  40,5.  52,3.  50,5.  57,5. 
60, 1.  66, 5.  Hym.  1,  7.  2, 5.  13, 1.  16, 1.  19, 1.  27, 3.  29,  7.  31, 3.  35, 5.  36, 3. 
prk.  3, 1.  10,  3.  12, 1.  13,  5.  25,  5.  27, 7.  30, 5.  32, 1.  Ep.  39,  3.  Hdl.  6, 3. 
10.5.  15,3.  20,7  (=25,1).  47,1.  49,3.  Bdr.  2,7.  6,3.  Vkv.  2,  9.  7,1.  11,5. 
13,1.  Grt.  8,5.  10,1.  11,5.  12,1.  13,5.  14,3.  20,5.  HH.  1,3,1.  6,1.  7,3. 
9,7.  12,1.  14,1.  19,1.  21,1.  23,5.  29,3.  48,1.  48,7.  50,1.  50,5.  52,1.  54,1. 
HH.  2,6,3.  12,5.  16,5.  28,1.  36,7.   HHv.  3,1.  7,5.  9,5.  34,1.   Grp.  5,1. 

13,  7.  15, 1.  29,  7.  31, 7.  Rg.  11, 1.  Fäf.  33, 5.  41, 1.  43, 1.  Br.  14, 1.  16, 1. 
17,1.   Gp.  1,1,5.  2,1.  3,1.   12,7.   Sg.  1,7.  10,1.  18,1.  21,3.  22,1.  22,5. 

26.3.  28,5.  38,1.  40,3.  42,5.  47,1.  66,5.  67,1.  68,1.  Gl).2,7,5.  11,5.  31,1. 
Od.  1, 1.  2, 5.  16, 5.  19, 7.  25, 1.  30, 1.  31, 1.  Ghv.  3, 1.  7, 7.  20, 3.  —  Unter- 
form A'^:  Ss:.  50,1.  G]>.  3.5,3.  —  Typus  B:  Unterform  B':  Vsp.  50,8. 
Hdl.  2,1.  Sg.  61,7.  Gp.  2,3,3.  —  Uuterform  B'^:  HH.  2,10,7.  27,7.  — 
Unterform  B':  Eg.  11,3.  —  Typus  C:  Unterform  C:  Vsp.  27,1.  30,1. 
38, 5.  47, 1.  Hym.  20, 1.  prk.  26, 1  (=  28, 1  =  Hdl.  2, 5.  3,  7.  41, 3).  46, 5 
(=  47,  5).  50,  7.  Bdr.  4, 5.  Vkv.  10, 1.  25, 3.  25,  7.  35,  7.  36, 3.  39, 5.  HH. 
1, 13, 1.   32, 1.   40,  3  (=  HH.  2,  24, 3).   52,  7.   HH.  2, 1, 1.   19,  3.  51,  5.  HHv. 

11.7.  40,5.    Grp.  20,5.  32,3.  45,3.   Br.  3,5.    Gp.  1,10,5.    Sg.  46,1.  50,7. 

—  Unterform  C-:  Hym.  2,1.  Gp.  1,1,3.  13,3.  Gj?.  2,11,9.  Od.  22,7.  Ghv. 
12,5.  —  Typus  0:  Unterform  D':  Hym.  27,1.  Rp.  28.1.  Hdl.  49,5.  Od. 
30,5.  —  Unterform  D-:  Vsp.  51,5.  Hym.  29,3.  prk.  31,1.  Vkv.  39,3.  HH. 
2,19,7.   45,5.   Grp.  10,5.   Gp.  1,27,3.  Gp.  2,5,1.  —   Unterform  D*:  Vkv. 

18.1.  —  Typus  E:  Unterform  E«:  Tip.  21,3.  —  Typus  F:  Unterform  F»: 
Rp.  16,  3.  23,  7.  27,  3.  29,  1.  Grp.  12,  5  (=  18,  5).  -  Unterform  F^':  G)'.  3,  9, 1. 

Zweite  halbzeile:    Typus  A:   Vsp.  22,4.  Hym.  10,6.   18,6.  27,2. 
prk.  27,2.  np.  5,4.   7,2  (=21,2).    12,10.   12,12.  14,8.   16,4.   19,4.  21,6. 

23.4.  23,6.  27,4.  28,6.  28,8.  37,12.  40,4.  41,6.  42,6.  43,2.  46,4.  Bdr. 

14,  6.  Vkv.  1,  6.  16,  6.  21, 2  (=  23,  6).  29, 2.  29,  4.  29, 6  (=  38,  2).  29, 8. 
30,  6.  Grt.  3,  4.  5,  6.  14,  2.  HH.  1,  32,  6.  34,  4.  35,  8.  HH.  2, 10,  2.  33,  4.  HHv. 
4,6.  Grp.  20,8.  24,2.  Rg.  15,6.  Br.  15,0.  Gp.  1,1,2.  21,10.  27,2.  Sg.  1,2. 
3,  4.   8, 8.    13, 10.  24, 8.  35, 4.  48, 4.  50, 2.   58, 10.   Hei.  13, 4.   Gp.  2, 16, 2. 

21.8.  32,2.  42,4.  Gp.  3,4,8.  8,2.  Od.  12,2.  12,4.  18,8.  20,2.  32,6.  Ghv. 
1,6.   7,2.    15,2.   18,10.  20,8.  —  Typus  B:  lip.  31,8.  —  Typus  C:  Vsp. 

19.2.  42,2.  prk.  22,4.  Vkv.  5,2  (=6,4).  20,2.  25,8.  36,4.  Grt.  5,2.  13,6. 
HH.  2,36,4.  Gp.  2,9,8.  28,6.  33,6.  Ghv.  2,2.  -  Typus  0:  Hym.  10,2. 
Hdl.  29,  8.  Grt.  12,  4.  Vkv.  24,  8.  35,  4.  HH.  1,  27,  4.  HH.  2,  34,  4.  Gp.  2, 1, 8. 

—  Typus  E:  G)'.  1,22,4.  —  Typus  F:  Hym.  34,2.  Hp.  4,8.  7,4.  10,0. 
12, 14.  16,  2.  10, 10.  28,  2.  31,  4.  37,  6.  Sg.  8,  6.  60,  8. 


ALLITERATION  IM   EDD.    FORNYKDISLAG.  135 

2)  Mit  hilfsverbum: 

a)  Nomen  +  verbum:  Erste  halbzeile:  Typus  A:  Unter- 
form A':  Hdl.  9,7.  Eg".  16,5.  Gp.  2,3,5.  Gp.  3,4,5.  -  Typus  B:  Unter- 
forra  B»:  Hym.  29,7.  Hdl.  12,3.  19,7.  28,7.  32,3.  44,7.  HH.  1,10,3.  HH. 

2,  3,  3.  45,  3.  HHv.  11, 1.  Grp.  3,  7.  8,  7.  Fäf.  36,  7.  Br.  1, 8.  Sg.  60,  3.  — 
Typus  C:  Unterform  C:   HH.  1,55,5.  HH.  2,46,3.   Od.  2,3.  19,3.  24,1. 

—  Unterforra  C^:  Hym.  38,1.  HH.  1,46,7  (=  HH.  2,24,7).  HHv.  43,5.  — 
Typus  E:  Unterform  E^:  HH.  1,  42,  3.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A: 
Vsp.  2,  4.  8,  2.  18,  2.  61,  6.  Drk.  4,  2.  Hdl.  24,  2.  Vkv.  41, 10.  Grt.  2,  2.  15,  4. 
HH.  1,  28,  6.  29,  8.  31,  4.  HH.  2, 16,  4.  42, 10.  47,  8.  HHv.  2,  6.  39,  8  (=  Sg. 
35,  8).  Grp.  17,  4.  34,  6.  Faf.  36,  4.  Br.  9,  8.  17,  8.  Gp.  1,  2,  6  (=  5,  2.  11,  2). 
Sg.  3,  8.  18, 12.  30,  6.  38,  8.  57,  4.  65,  8.  Gp.  2,  22, 4.  42,  8.  Gp.  3,  3,  8.  Od. 
10,8.  11,8.  20,4.  27,4.  —  Typus  B:  Grt.  18, 6  (=  B^).  HHv.  35,2. 
Grp.  26,6.  41,4.  -  Typus  C:  Hym.  33,2.  I)rk.  32,4  (=  Gp.  1,3,8).  Grt. 

3,  6.  HH.  1, 14,  2.  20,  4.  HH.  2, 15,  4.  HHv.  10,  4.  34,  2.  35,  6.  Grp.  22,  6. 
28,  2.  37,  6.  38,  4.   Eg.  18,  4.   Fäf.  40,  8.  43,  8.   Br.  2,  6.  18, 2.    Gp.  1, 12,  4. 

19. 6.  Sg.  1, 4.  Hei.  12,  4.  Gp.  2, 24, 2.  44, 2.  Od.  21,  8.  Ghv.  13,  8.  21,  6.  — 
Typus  E:  HH.  2,28,8.  —  Typus  F:  Ykv.  5,10. 

ß)  Verbum  +  nomen:  Erste  halbzeile:  Typus  A:  Unter- 
form A^:  Vsp.  1,5.  Hym.  8,3.  Hdl.  30,7  (=  Grt.  9,  3).  HH.  1,36,11.  Gp. 
1,9,5.  Ghv.  15,7.  —  Unterform  A":  Hym.  16,  5.  26,1.  prk.  15,  7.  Hdl.  27,  7. 
Bdr.  13, 1.  13,  5.  Grt.  20,  7.  23,  3.  HH.  1, 18,  5.  HHv.  2, 1.  10, 1.  36,  7.  42,  5. 
Grp.  23,1.  26,1.  36,5.  49,1.  Gp.  1,18,5.  Sg.  39,5.  52,1.  56,5.  59,3.  Hei. 
14,1.  Gp.  2,15,1.  22,1.  29,1.  31,9.  Od.  17,3.  30,7.  Ghv.  5,5.  12,3.  13,3. 

—  Typus  B:  Unterform  B':  Hdl.  17,1.  19,3.  Fäf.  33,7.  —  Unterform  B^: 
Hym.  39,3.  HH.  2, 33, 7.  —  Unterform  B^:  HH.  2, 48, 9.  —  Typus  C: 
Unterform  C:  Ysp.  45,3.  62,1.  prk.  7,7.  8,1,  10,1.  11,1.  Hdl.  29,1.  Bdr. 
8,  3  (=  10,  3.  12,  3).  Grt.  14,  5.  24,  5.  HH.  1,  23,  7.  25,  3.  34,  5.  38,  5.  45, 1. 
45,  5.  HH.  2, 16, 1.  24,  9.  40,  7.  41,  7.  HHv.  5, 1.  Grp.  33,  3.  35,  3.  44,  5 
(=  47, 1).   Eg.  16,  7.    Fäf.  44, 5.  Br.  5,  7.  Gp.  1,  6,  3.   Sg.  19,  3.  58, 1.  63,  5. 

64.7.  Od.  5,3.  —  Typus  Fc^ :  Fäf.  40,  3.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A: 
Hym.  26,  4.  32,  6.  iJrk.  3,  8.  4,  4.  Bdr.  14,  2.  Grt.  11,  2.  HH.  2,  31,  4.  G]?. 
1,2,8.  Sg.  71,2.  Gp.  2,9,4.  17,12.  Ghv.  3,4.  —  Typus  C:  Hdl.  31,2 
(=34,2.  36,2.  39,2).  Grt.  24,4.  Br.  16,  2.  Sg.33,2.  Gp.  2,  33,4.  —  Typus  D: 
Grp.  45, 2. 

Somit  ergibt  sich  folgende  tabelle: 


A 

B 

C 

0 

E 

F 

1)  «)  I 

96 

= 

40 

25 

18 

5 

6 

2 

II 

303 

= 

173 

16 

92 

14 

1 

ß)  1 

273 

= 

201 

7 

43 

14 

7 

II 

115 

= 

78 

1 

15 

8 

12 

2)  a)    I 

29 

= 

4 

15 

9 

— 

— 

11 

73 

= 

39 

4 

28 

— 

1 

ß)    I 

82 

= 

39 

6 

36 

— 

— 

1 

II 

21 

= 

12 

— 

8 

1 

— 

— 

136  WENCK 

1))  Die  Zahlenverhältnisse  dieser  tabelle  sind  so  charakte- 
ristisch, dass  ein  zweifei  nirgends  aufkommen  kann. 

AVas  zunächst  die  Stellung  des  verbum  finitum  angeht, 
so  macht  sich  ein  fundamentaler  unterschied  zwischen  i  und  ii 
geltend.  A\ährend  nachstellung  des  verbums  72,4  o/o  aller 
II  aufweisen,  überwiegt  andrerseits  in  i  die  Voranstellung 
mit  73,9  "^/o.  Ganz  genau  so  verhält  es  sich  mit  dem  hilfsverb: 
II  a  73  (==  77,7  o/o)  :  i  /:/  82  (=  73,8  ^o)-  Wenn  somit  die  in  i 
typische  voranst eilung  in  ii  in  einem  ebenso  geringen  procent- 
satz  vertreten  ist  wie  umgekehrt  die  für  ii  specifisehe  nach- 
stellung  in  i,  so  ergibt  sich  daraus  nicht  nur  die  neigung  des 
strophischen  stils,  i  steigend,  ii  fallend  zu  bilden  (vgl.  §  56), 
sondern  auch  wegen  der  rhythmischen  eindeutigkeit  der  zweiten 
halbzeile  die  bereits  constatierte  mindertonigkeit  des  verbums. 
Diese  wird  ferner  durch  die  behandlung  der  alliteration  ge- 
fordert. Zu  einer  richtigen  beurteilung  müssen  jedoch  erst 
die  verse  aus  dem  aufgeführten  material  ausgeschieden  werden, 
in  denen  das  verb  in  Senkung  steht. 

In  dieser  beziebinig  verhalten  sich  die  beiden  Stellungen  ganz  ent- 
gegengesetzt. Das  nachgestellte  verb  steht  nämlich  dnrchgehends  in  hebung. 
>'nr  Grp.  2, 8  ncma  pü  mey  ser  macht  davon  eine  ausnähme.  Zur  be- 
seitigung  des  alliterationsfelilers  ist  aber  die  contrahierte  verbalfonn  aufzu- 
lösen, wodurch  das  verb.  fin.  in  die  zweite  hebung  eines  regelmässigen  C- 
verses  rückt.  Pagegen  steht  das  verb  vor  dem  nomen  widerholentlich  in 
Senkung.  So  überlässt  es  in  4  A''-versen  (Ildl.  15,  3.  H1I.2, 12,  5.  IG,  5.  Od. 
19,  7)  aus  rhythmischen  gründen  einer  vorausgehenden  partikel  bez.  conj.  die 
erste  hebung.  In  2  i-B-versen  (Vsp.  50,  3.  Hdl.  2, 1)  wird  es  durch  das 
beide  hebungen  einnehmende  nomen  in  die  eiugangssenkung  gedrängt.  Im 
typus  C  scheint  die  proklitische  Stellung  überliuujit  die  normale  zu  sein 
(38  von  zus.  43  i  C).  Dagegen  trägt  es  in  den  i-C^-versen  (abgesehen  von 
Hym.  2, 1  sat  herghüi,  wo  das  zweite  glied  des  compositums  mitalliteriert) 
die  erste  hebung,  zwingt  also  das  höher  betonte  nomen  in  enklise  zu  sich 
(vgl.  das  s.  98  zu  C-  bemerkte).  AVegen  des  Widerspruchs  der  versbetonuug 
gegen  die  Satzbetonung  könnte  man  versucht  sein,  in  den  genannten  verseu 
mit  Vernachlässigung  des  gleichen  anlauts  des  verbums  eine  gleiche  rhyth- 
misierung wie  in  den  oben  citierten  A''-bolegen  eintreten  zu  his.'jen.  Ganz 
abgesehen  davon,  das  dann  die  iD-  als  C  genommen  werden  müssten  und 
die  Ignorierung  eines  zweiten  alliterationsstabes,  soweit  sie  nicht  durch 
eine  vorhergehende  Untersuchung  als  notwendig  erwiesen  ist,  auf  schwere 
principielle  bedenken  stösst  (die  grundlage  der  discussion  würde  ja  hin- 
fällig sein,  zum  mindesten  stark  erschüttert  werden),  verbietet  sich  die 
annähme  eines  A'  in  den  aufgeführten  beispielen  durch  die  ,9iiD-  und  9 
der  (9 II C- verse,   in   denen  das  verb.  fin.  den  h^fuöstaf  trägt.     Dass  die 


ALLITERATION  IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  137 

alliteration  für  die  Zuordnung-  zu  den  einzelnen  typen  bestimmend  ist,  gclit 
ferner  aus  den  restierenden  6  /?iiC  hervor,  in  denen  das  proklitische  verb 
ebensowenig  gleichen  anlaut  mit  dem  nomen  aufweist,  wie  in  den  9  ßiiD- 
versen  das  nomen  mit  dem  verbum  (vgl.  das  abweichende  verhalten  des 
hilfsverbs  unter  c).  Sonach  Avürde  das  vollverb  proklitisch  sein,  aber  auch 
vor  dem  nomen  selbst  bei  eukli.se  desselben  alliterieren  können:  ein  wider- 
sprach, der  schwerlich  im  satzacceut  seine  begründung  hat.  Vergleicht 
man  die  ßiiy-  mit  den  /?iC'-versen,  so  kann  kein  zweifei  darüber  be- 
stehen, dass  die  gleiche  sprachliche  füllung  eine  gleiche  rhythmisierung 
verlaugt.  Bei  der  rhythmischen  verwautschaft  der  typen  C  und  D  (vgl. 
§53)  liegt  die  annähme  einer  übergangsform  C — D  auf  der  haud.  Diese 
allein  vermag  den  Widerspruch  zu  lösen  und  die  scheinbaren  gegensätze 
ZM'anglos  zu  vereinigen.  Damit  eröffnet  sich  zugleich  eine  perspective  auf 
das  natürliche  tongewicht  des  vollverbs.  Da  die  zweite  helmng  der  C-, 
bez.  die  nebeuhebung  der  D-verse  von  einer  sprachlich  nebentonigen  silbe 
eingenommen  wird,  andrerseits  das  verb  im  vorzug  vor  dieser  alliteriert, 
so  kann  man  die  nachdrucksstärke  des  vollverbs  ohne  weiteres  der  eines 
sprachlichen  nebentous  gleichsetzen.  Selbst  wenn  es  sich  um  composita 
handelt,  ist  die  vorgeschlagene  rhythmisierung  angängig,  weil  das  zweite 
gewöhnlich  durch  einen  schwächeren  hauptton  ausgezeichnete  glied  des 
compositums  ohne  fehler  gegen  den  satzacceut  bis  zur  stärke  eines  blossen 
nebentous  gedrückt  werden  kann  (vgl.  die  analoge  behandlung  der  gleich- 
betonteu  uominalformeln  in  den  versen  mit  drei  nomiua,  §  18).  Der  isolierte 
C'^-vers  (Hym.  2, 1),  in  dem  der  zweite  bestandteil  des  compositums  mit- 
alliteriert, kann  auch  nicht  die  annähme  proklitischer  Verwendbarkeit  des 
vollverbs  wahrscheinlich  machen  (vgl.  Ef».  28, 1  so/  hüsyumi),  da  die  sprach- 
liche betonuug  dieselbe  bleibt.  In  den  genannten  2  /?iB,  wo  das  nomen 
ein  compositum  ist,  kann  somit  auch  die  übergangsrhythmisierung  Di  —  B 
eintreten.  Fehlerhaft  ist  die  enklise  des  nomens  in  den  C- versen.  Sie 
wird,  wie  erwähnt,  in  den  iC- versen  durch  N-  gemildert.  Die  genannten 
verse  entfallen  übrigens  vorwiegend  (in  i  sämmtlich)  auf  lieder  jüngerer 
technik  und  sind  teilweise  (C2)  durch  die  metrische  qualität  des  sprach- 
materials  bedingt.  Da  ein  typus  C^  rhythmisch  unmöglich  (vgl.  §  52),  so 
müssen  die  verba  fin.  in  den  citierten  A^-versen  der  an  sich  tonschwächeren 
conj.  bez.  part.  die  erste  hebung  überlassen. 

Nach  al3zug  der  discutierten  verse  bleiben  /3  i  N^  ^=  47 
(20,8  o/o)  :  W-  =  65  (28,3  »/o)  :  N3  =  114  (50,4  o/o).  Bei  einem 
vergleich  mit  «  i  N'  =  73  (76,0  o  o)  :  N2  =  22  (22,7  %)  : 
N3  =  1  ergibt  sich,  wie  das  verschwinden  von  N^  in  der  Stel- 
lung a  lehrt,  dass  nachstehendes  vollverb,  wenn  es  auch 
stets  eine  hebung  beansprucht,  doch  nur  mit  alliterieren  kann. 

Der  isolierte  «A^-vers  Sg.  44,  7  vita  ef  meini  ist  daher  sehr  aiiffällig. 
Offenbar  handelt  es  sich  um  ein  übergreifen  des  §  21  erörterten  gesetzes, 
dass  das  abhängige  verb.  fin.  ein  grösseres  nachdrucksgewicht  besitzt  als 
das  regierende   und  deshalb  nachstehend   allein   alliterieren  kann.    Auch 


138  WENCK 

hier  liogt  der  sinnesaccent  auf  dem  verb.  fin.,   uicht  auf  dem  verbalnomen 
(vgl.  Sievers  §  23,  2). 

N2  findet  sich  in  beiden  Stellungen  in  ung;efähr  gleichem 
procentsatz.  Das  geringe  überwiegen  in  Stellung  ß  erklärt 
sich  daraus,  dass  sich  in  den  typen,  in  denen  die  alleinige 
alliteration  der  zweiten  hebung  gemieden  wird,  doppelallitera- 
tion  nötig  macht.  Bei  der  Stellung  a  ist  ein  rhythmischer 
einfluss  auf  die  alliterationssetzung  nur  im  typus  D  denkbar 
(vgl.  §  53).  In  den  anderen  versen  ist  X-  sicher  auch  beabsich- 
tigt, und  trägt  hier  zur  erhöhung  der  dichterischen  Wirkung 
bei.  Der  procentsatz  der  N'-- fälle  ist  nicht  so  bedeutend,  dass 
für  die  A-verse  ebener  rhythmus  eingeräumt  werden  müsste. 
Vielmehr  dürfen  die  A-  im  allgemeinen  (denn  ausnahmen  sind 
ohne  weiteres  anzuerkennen:  vgl.  Sievers,  Metr.  stud.  1,  §  48, 2), 
je  nachdem  das  nomen  vorangeht  oder  nachfolgt,  rhythmisch 
dem  A'-  oder  A^-typus  gleichgesetzt  werden.  Daran  ist  wegen 
des  starken  hervortretens  von  ^iN^,  worunter  sich  sogar  ein 
B'  (vgl.  §  51)  befindet,  gar  nicht  zu  zweifeln.  Aus  diesem 
gründe  ist  es  auch  höchst  befremdlich,  dass  in  47  ßi  (d.h.  12,7  Vo 
aller  i-verse)  und  109  ß  ii  (26,4  ''/o  aller  ir-belege)  das  vollverb 
allein  alliteriert.  Da  der  Beowulf  nach  Eieger  nur  3  zweifel- 
hafte I-  und  10  sichere  ir-verse  der  art  aufweist,  sind  die 
i?N '-fälle  für  die  beurteilung  der  eddischen  verskunst  von  aus- 
schlaggebender bedeutung. 

Nicht  alle  diese  beisinele  sind  fehlerhaft  zu  nennen.  Bei  Überein- 
stimmung zweier  zusammengehöriger  halbzeilen  im  fehler  liegt 
sicher  absieht  vor,  da  in  solchen  versen  der  für  die  Edda  typische  paralle- 
lismus  membrorum  zum  Vorschein  kommt  (vgl.  Sievers  §  30,2  c):  z.  b.  H^-m. 
27, 1  gckk  Hlorn'Jji,  greip  at  stafni,  Vkv.  IG,  5  stci/j  ä  golß,  stilii  r^ddu, 
Bp.  16,  3  hreidcli  fapin,  bjt)  iil  väpar,  19,  3  reis  frei  borpi,  vep  at  sofna, 
27,  3  sp7«  hjön,  s()usk  i  augu,  28, 1  sat  Jiüsgumi,  ok  sneri  strong,  28,  7  s,irauk 
um  ripti,  sterti  ermar,  Grt.  5,5  s/f/  d  anpi,  soft  ä  (h'ini,  -ferner  V?p.  42,  2. 
I3rk.  22,4.  27,2.  Vkv.  20,2.  21,2.  28,  G.  Rp.  5,4.  Grt.  18,  G-  U,  2.  Gp. 
1,  27,  2.  Gf».  8,  8,  2  etc.  —  Ebenso  unleugbar  ist  die  absieht  der  alliterations- 
setzung auf  dem  vollverb  bei  chiastischer  Wortstellung.  Besonders 
ausgeprägt  ist  diese  stilistisch -rhetorische  erscheinung  in  derKj'. :  23,7 
hjoggu  hjön,  hciiiga  deihht,  46,4  kolfi  ilcygpi,  \iyrpi  iogia,  ferner  Ep.  12,  4, 
besonders  12, 9— 14.  Sonst  begegnet  sie  nur  in  vereinzelteu  halbzeilen: 
Hj'ra.  1,  5  hristu  teina  ok  ä  hlaut  sgu,  22, 5  gern  vip  agni  süs  gop  fia,  Br. 
12,5  sofnupH  (tllir  es  i  sccing  kvömu,  Ysp.  24,1.  G|'.  2,  1,8  etc.  Der  rhe- 
torik  dieser  verse  steht  das  moderne  fühlen  allerdings  ziemlich  kühl  gegen- 
über.   Doch  empfinden  wir  noch  deutlich  die  alliteration  des  voranstehcudcu 


ALLITERATION   IM    EDD.   FORNYRDISLAG.  139 

imperativs  in  Bdr.  8, 1  etc.  pegjattu  vglva,  Hei.  14,  8  (§  20,  anm.  6)  etc.  als 
poetische  feinheit  imd  verstehen  auch  die  klansrmalerei  in  R|>.  7, 1  y>p  öl 
Edda,  josH  vatni,  desgl.  21, 1.  —  Ferner  liegt  ebenfalls  unserem  empfinden 
entsprechend  öfters  (die  fälle  sind  z.  t.  in  den  eben  genannten  enthalten) 
bei  lebhafter  Schilderung  (Sievers  §  24, 3)  der  hauptnachdruck  auf 
dem  verb.  fin.,  so  dass  die  alleinige  alliteration  desselben  als  berechtigt 
angesehen  werden  muss. 

In  dem  immer  noch  bedeutenden  rest  der  beispiele  ist  jedoch  ebenso 
sicher  die  reimbequemlichkeit  im  spiele,  in  den  zahlreicheren  ii-belegen 
der  alliterationszwang.  Sehr  deutlich  ist  wider  der  eiufluss  der 
nomin a  propria.  In  dieser  bezichung  besteht  zwischen  Edda  imd  Beo- 
wulf  nur  ein  gradunterschied,  da  die  erwähnten  10  ii  des  Beow.  sämmt- 
lich  einen  eigennamen  enthalten.  In  der  Edda  enthalten  7  i  (Vsp.  24, 1. 
prk.  9,  7.  Gp.  2, 10, 1.  14, 1.  Hym.  27, 1.  Hdl.  49,  5)  und  4  ii  (Vkv.  24,  8. 
35, 4.  G}'.  2, 1, 8.  HH.  2, 10, 2)  selbst  ein  npr.  Ein  npr.  enthält  die  zu- 
gehörige halbzeile  von  7  i  (Ysp  43, 1.  46,7.  HH.  2,  26,  5.  30.5.  HHv.  36, 1. 
G]?.  1, 13, 1.  G\>.  2,  7, 1),  von  28  ii  (Bdr.  14,  6.  Vkv.  29,  4.  29,  6  (=  38,  2). 
29,  8.  HHv.  4,  6.  Grp.  20,  8.  Gp.  1, 1,  2.  21, 10.  Sg.  1,  2.  8,  8.  13, 10.  24,  8. 
Hei.  13,  4.  Gp.  2, 16,  2.  32,  2.  Gp.  3,  8,  2.  Od.  12, 4.  20,  2.  32,  6.  Ghv.  7,  2. 
15,  2.  18, 10.  G\>.  1, 22, 4.  Hym.  34,  2.  Ep.  16, 10.  Sg.  8,  6.  60, 8). 

Eine  weitere  kategorie  von  versen,  in  denen  die  ausnähme  verständ- 
lich ist,  bilden  diejenigen,  in  denen  sich  X  ^  aus  r  h  y  t  h  m  i s  c  h  e  n  g  r  ü  u  d  e  n 
verbot.  Der  fehler  besteht  hier  in  dem  mangel  von  N'':  z.  b.  Sg.  61,  7  epa 
ietti  [Jion]  hug,  Gf».  2,  3,  3  etc.  Dass  es  sich  überall  da,  wo  eiuwirkungen  des 
rhetorischen  bez.  sinnesaccents  nicht  wahrscheinlich  gemacht  werden  können, 
um  eine  Vergewaltigung  des  satzacceuts  handelt,  beweisen  die  beiden  ii 
A^-verse:  Sg.  3,  4.  35,4  (vgl.  §50,5),  sowie  eine  auzahl  notorisch  schlechter 
verse:  Ykv.  5,  5  \iikpi  alla  lindbauga  vel  verstösst  gegen  das  Hildebrandsche 
gesetz,  desgl.  34,1.  Sg.  48,1.  Od.  30,5.  Ghv.  13,1.  Es  verdient  ferner 
hervorgehoben  zu  werden,  dass  die  alleinige  alliteration  des  vorangehenden 
verbums  dem  crescendo-decrescendo  des  altgerm.  satzes  (vgl.  Sievers  §  166. 
Eies,  QF.41,  33f.)  zuwider  ist.  Betreffs  i  Ysp.  48,  5.  HHv.  35, 1.  Br.  15, 1; 
II  Ysp.  42,  2.  Ep.  23,  4.  46,  4,  in  denen  der  alliterationsfehler  durch  parallele 
bez.  gekreitzte  alliteration  abgeschwächt  ist  (vgl.  §  57  f.). 

c)  Das  abweichende  verhalten  des  hilfsverbs  ist  durch 
dessen  geringere  tonstärke  bedingt.  Diese  ergibt  sich  deutlicli 
aus  der  tatsache,  dass  alle  erscheinungen,  die  oben  auf  ge- 
ringeren nachdruck  des  vollverbs  hindeuteten,  hier  in  ver- 
stärktem grade  auftreten. 

Hinsichtlich  der  Stellung  in  den  beiden  halbzeilen  geht  wie  erwähnt 
das  hilfsverb  mit  dem  voUverb  zusammen.  Ebenso  ist  ihnen  beiden  die 
Stellung  in  hebung  bei  vorausgehendem  nomen  eigen.  Bei  nachfolgendem 
nomen  erhält  in  9  lA  (A'^:  Hdl.  30,  7  [=  Grt.  9, 3].  Ghv.  15,7;  A»:  Hdl. 
27,  7.  HH.  1, 18, 5.  HHv.  36,  7.  Grp.  36,  5.  Sg.  51, 1.  Gp.  1, 18,  5),  ebenso  in  8 


140  WENCK 

iiA'-vcrsen  (pik.  4,  4.  Bdr.  14,  2.  Oliv.  3, 4)*)  eine  partikel  oder  coiij.  an 
enster  versstelle  die  erste  lieimng'.  iMit  solchen  tonlosen  Wörtern  zusammen 
tritt  das  bilfsverb  ganz  regelmässig')  in  eingangs.senknng,  wenn  beide 
hebungen  im  nomen  liegen.  —  Auch  ohne  die  partikel,  selbst  bei  gleichem 
anlaut  (prk.  7,  7.  8,1)  ist  das  bilfsverb  in  den  iC-(B-F-)versen  [iruklitisch, 
wie  zunächst  der  völlige  niaiigel  von  iD'-versen  lehrt  und  ferner  Br.  IG,  2 
ernp  eiprofa  unbedingt  fordert.  Damit  ist  zugleich  die  tonlosigkeit  des 
bilfsverbs  erwiesen.  —  Die  iiC'-verse,  in  denen  das  nomen  in  enklise  zum 
alliterierenden  bilfsverb  getreten  ist  (allerdings  weniger  in  den  C2-bei- 
spielen:  Hdl.  31,2  etc.  oJc  nrumtm  jleira,  Grt.  24,4  sem  mit)nim  ha-tla,  als 
in  den  Cl -fällen:  Gp.  2,  33,  4  ef[Jm]  \ill  ßigja'^):  hierher  ist  auch  Grt.  18, 6 
fs.  unten]  zu  stellen),  sowie  der  isolierte  iiD'-vers  Grp.  45,  2  m('(it[u]pcgja 
/)o  (die  rhythmisienuig  ist  jedoch  zweifelhaft)  enthalten  grobe  Verstösse 
gegen  den  satzaccent,  die  sinkender  tccbnik  zur  last  gelegt  werden  müssen. 

Nach  abzug  der  verse,  in  denen  das  bilfsverb  in  Senkung  steht'), 
bleiben  zur  erörterung  der  alliteration  ßi  Is>  0  :  N-  G  (=  18,1  <*/o)  :  N^  27 
(=81,8%)  :  /?ii  IG  N'.  Vergleicht  man  mit  diesen  zahlen  «l  N*  =  25 
(=  86,2%)  :  Js"'*  =  4  (=  13,7%)  :  N^  =  0  :  «ii:  72  N'  :  1  N^,  so  ergibt 
sich,  dass  in  der  Stellung  a  X^  wie  beim  vollverb  angeschlossen  ist  (der 
isolierte  N^'-vers  dieser  Stellung,  der  sich  in  ii  vorfindet  und  obendrein  dem 
typus  B  [vgl.  §  51]  angehört:  Grt.  18,  G  ef\Jjt(]  hlypa  \iU,  darf  durch  Um- 
stellung gebessert  werden);  ebenso  in  Stellung  ß  in  i  N'.  Dieser  maikante 
gegeusatz  zu  den  versen  mit  vollverb  erhärtet  von  neuem  die  tonlosigkeit 
des  bilfsverbs. 

Somit  hat  als  normale  alliterationsstellung  in  Stellung  «  >.',  in  Stel- 
lung p'  N^  (darunter  ein  B-":  HH.  2,  48,  9)  zu  gelten.  Doppelalliteratiuii  ist 
daher  sicher  nur  in  den  zwei  ,?B-  (Hym.39, 3.  HH.  2, 33, 7)  beabsichtigt 
und  durch  die  abneigung  des  typus  B  gegen  N'  veranlasst  (vgl.  §  51).  Die 
16  N^  von  cu  Verstössen  gegen  den  satzaccent;  beachtenswert  ist,  dass 
solche  fälle  sich  auch  in  älteren  liedern  vorfinden  und  somit  das  oben  ab- 
gegebene urteil  über  deren  techuik  bestätigen  helfen.  Nur  Hym.2G,  4  cjxi 
heim  hvaJi  \  haf  iil  hujar  kann  als  normal  bezeichnet  werden,  da  das 
Ilildebrandsche  gesetz  die  alliteration  des  absolut  gebrauchten  bilfsverbs 
fordert.    —    Bei   zwei   versen   (HH.  2, 31, 4.   Gp.  2, 33, 4)   weisen   die   zu- 


*)  Ghv.  3,4  sem  ra.s  Uoffui  kann  durch  Umstellung  zu  einem  metrisch 
regelrechten  B'-vers  gemacht  werden.  In  den  beiden  anderen  versen  ist 
eine  besserung  wenig  wahrscheinlich  (vgl.  §  50). 

*)  Der  gleiche  fall,  der  beim  vollverb  nur  in  HH.  1,46,3  (=  HH. 
2,  24,  3) /)o  (h<(fiy  aiJdniyum  begegnet,  ist  ein  grober  Verstoss,  der  durch 
Streichung  der  conj.  beseitigt  werden  muss. 

*)  Wird  von  Sijmons  als  unecht  eingeklammert.  Zu  Hdl.  31, 2  etc. 
Grt.  24,4  vgl.  Sg.  71,  2  miimlak  fleira  und  G)\l,2,  8  mimdi  [hon]  sjirinya. 

')  Es  sind  dies  bedeutend  mehr  als  beim  vollverb:  bilfsverb  in  i  49 
(=  59,7  o/o)  :  in  II  5  (=  23,8  «/o),  dagegen  beim  vollberb  in  i  44  (=  16,3  "/o)  : 
in  II  6  (=  5,2  o/o). 


ALLITERATION  IM  EDD.   FORNYRDISLAG.  141 

gehörigen  halbzeilen  ein  npr.  auf.  In  prk.  3,  8  mcettak  hitta  wird  der  fehler 
durch  die  parallele  alliteration  (vgl.  §  57  f.)  gemildert. 

Der  hier  hervortrende  Widerspruch  mit  dem  satzaccent  hat  begreif- 
licherweise zu  conjecturen  herausgefordert  (so  liest  Bugge  Qp.  2, 17, 12 
Yifi  gjalda,  Sijmons  Grt.  2-1,  4  sem  m^mr  ofhvatti).  Da  diese  beispiele  nicht 
isoliert  stehen  und  beinahe  ein  specificum  eddischer  technih  genannt  werden 
können,  darf  die  berechtigung  zii  einer  correctur  der  handschriftlichen  lesart 
nur  dann  eingeräumt  werden,  wenn  der  sinn  unbedingt  eine  solche  erheischt. 

Verbimi  finitum  und  nomen  begegnen  noch  in  zalilreichen 
anderen  versen,  die  aber  ausser  nomen  und  verbum  noch 
weiteres  Sprachmaterial  enthalten  und  demnach  erst  unten 
abgehandelt  werden  können.  Soweit  in  ihnen  verbum  und 
nomen  träger  der  hebungen  sind,  gilt  auch  für  sie  das  eben 
gesagte. 

B.    Verbum  finitum  und  zwei  nomina. i) 

§  20.  Stehen  zwei  nomina  und  ein  verb.  fin.  in  einer 
halbzeile,  so  muss  das  verbum  als  schwächer  betontes  wort  in 
Senkung  treten;  doch  kann  es  auch  in  hebung  stehen,  sobald 
die  nomina  eine  formel  in  dem  oben  s.  122  festgestellten  sinne 
bilden.'^)  Von  grösster  Wichtigkeit  ist  daher  die  Stellung  des 
verbs,  insofern  bei  dessen  mittelstellung  trotz  enger  gramma- 
tischer bindung  der  nomina  eine  enklise  des  zweiten  nomens 
unmöglich  ist. 

1)  Material  3): 

a)  Vollverba:  a)  Verbum  +  nomen  +  nomen:  Erste  halb- 
zeile: Typus  A:  AI;  Gp.  3,11,1.  —  A^:  Ysp.  48,  3.  Hym.  28,  5.  Hdl.41,5. 
Eg.  14,7.  —  Typus  B:  BM  Vsp.  56,3.  62,5.  Hym.  3,5.  15,5.  prk.  1,7. 
24,  9.  Ep.  24,  3.  Hdl.  45, 1.  Ykv.  22, 1.  HH.  1,  8, 1.  13,  7.  54,  7.  HH.  2, 17, 1. 
Gp.  1,14,3.  Hei.  8,5.  Od.  7,3.  —  B^:  Rp.  48,1.  HH.  1,13,5.  17,3.  27,1. 
27,3.  47,7.  54,3.  Eg.  11,  5.^)  —  Typus  C:  C:  Ysp.  46, 1.  55,5.  56,9.  Drk. 

26. 5.  28,  5.  Hdl.  35, 1  (=  43, 1).  40, 1.  Grp.  8, 1.  lü,  1.  Gp.  1,  20, 5.  Sg.  12, 1. 
Od.  3, 1.  29, 5.  —  C2:  Ysp.  28, 11.  29,  3.  39,  9.  50,  7.  52,  7.  57, 7.  Hym.  30,  5. 
Hdl.  1, 1.  Ykv.  29,  9.  HH.  1,  4,  5.  HH.  2,  50,  9.  HHv.  10,  5.  31, 1.  Eg.  17,  5. 
Gp.  1,25,3.  Hei.  11,1.  G)?.2,26,3.  —  Typus  D:  D^:  Ykv.  20,5.  —  D-: 
Ysp.  41,  3.  47,3.  prk.21,  7.  Grt.  16,  7.  HH.  1, 1,  3.  51,1.  —  Typus  E'^:  Br. 
16,3.  —  Typus  Fe':  Ef.  46,1.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A:  prk. 

21.6.  HH.2,40,4.  HHv.  9,  8.  Grp.  17,  8.  —  Typus  B:  Ep.  47,  2.  Ykv.  22,  2. 


>)  Eieger  s.  25.  Sievers  §  24, 2. 

'^')  Betreffs  der  formel  subst.  +  adj.  vgl.  §  18,  4,  g  (s.  127). 
")  Ysp.  29,  3  lese  ich  mit  EttmüUer  fekk  s^j^ill  s^aklig,  Eg.  11,  5  mit 
Sijmons  fä  meyjti  mann. 


142  WENCK 

(i^  1, 13,G.  —  Typus  C:  Vkv.  23,4.  IUI.  1,5,G.  Br.  ir,,4.  G)'.  1,20,4. 
Sg.4,2.  4,10.  CtJ?.2,5,6.  —  Typus  D:  Sg.  13,  4.  23,4.  Ilel.  14,8.  Od.  16, 2. 

—  Typus  E:  Ysp.  57,  2.  Grp.  83. 8.  —  ß)  Nomen  +Terbum  +nomen: 
Erste  halbzeile:  Typus  A:  A':  Vsp.  1,1.  2,5.  19,1.  35,1.  38,1.  G4, 1. 
Hym.  8,1.    prk.  1,5.   6,1.   23,5.  31,5.   Rp.  22,3.  34,1.  35,3.  37,5.  37,11. 

38. 3.  44, 1.  Hdl.  18, 1.  41, 1.  49, 1.  Grt.  5, 1.  19, 1.  HH.  1, 12, 5.  HH.  2, 18, 7. 
HHv.  8, 1.  40, 1.  Grp.  45,  7.  Fäf.  40, 5.  43, 5.  Br.  12,  7.  13, 1.  Sg.  27, 7.  29, 1. 
Gp.  2,4,1.  Ghv.  10,1.  18,1.  —  A':  Vsp.  18,5.  18,7.  28,7.  30,5.  41,5. 
44,5.  50,5.  57,1.  Hym.  3,1.  17,1.  32,1.  prk.  24,5.  Rp.  7,1.  21,1.  37,9. 
Hdl.  3,5,  15,5.  42,1.  Bdr.  9,1.  11,1.  Grt.  16,5.  HH.  1,5,5.  HH.  2,17,3. 
34,  5.  Gp.  1, 12,  3.  Sg.  9, 1.  57, 1.  Gp.  2, 18, 1.  —  A":  Hdl.  30,  3.  HH.  1,  24,  3. 

29.1.  HH.  2,6,1.  45,1.  —  A*:  Sg.  13,1.  —  Typus  E:  E':  llyni.  31,1. 
Hdl.  40,5.  HH.  1,2,1.  —  E^:  Br.  5,1.  —  Typus  F:  F' :  Ep.  41,9.  — 
Zweite  Laibzeile:   Typus  A:   Vsp.  18,6.   32,4.   prk.  1,6.   23,6.   Rp. 

21.4.  34,4.  36,6.  37,10.  Vkv.  4,4.  Grp.  11,8.  Br.  13,2.  Gp.  2,5,4.  Ghv. 

10.2.  18,2.  —  }')  Nomeu  +  uoHieu  +  verbum:  Erste  halbzeile: 
Typus  A:  A'^:  Sg.  71,7.  —  Typus  E:  E':  Vsp.  26,1.  Od.  12,5.  —  E^: 
Hym.  32,5.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A:  Vkv.  1,8.  Grt.  7,6.  Br. 
10,2.  Sg.  68,6.  Gp.  2,35,6.  35,10.  -  Typus  D:  (irp.  16,2.  —  Typus  E: 
Bdr.  4, 8.  Grt.  24,  2.  Od.  11, 4. 

b)  Hilfsverba:  u)  Erste  halbzeile:  Typus  A:  A-:  Grp.  42,5. 
Ghv.  10,  3.  —  A':  Vsp.  23,  7.  Gp.  1, 18,  7.  Sg.  51,  5.  Gp.  2,  2,  3.  —  Ty  p  us  B : 
B»:  Grp.  30,5  (Fimiur  Jonsson).  42,1.  Fäf.  33,  3.  Hei.  6,  5.  —  B-:  Vsp.  3,  3. 
HH.  2,35,5.  Grp.  52,5.  Od.  8,1.  Ghv.  20,5.  —  Typus  C:  C':  Vsp.  56,  7. 
Rp.  4,9.  Vkv.  40, 1.  Hdl.  30, 1.  33, 1.  Grt.  19,5.  HH.  1,42,1.  HHv.  31,  7. 
Grp.  2, 1.  11, 1.  48,  3.  50, 1.  50,  5.  Fäf.  44, 1.  Gp.  1,  4,  5.  —  C^ :  Vsp.  24,  7. 
Hym.  11, 1.  37,  5.  Rp.  15,  3.  26, 5.  Bdr.  5,  5.  Grp.  25, 5.  Sg.  10, 7.  12, 8.  54,  3. 

—  Zweite  halbzeile:  Typus  A:  A=*:  Vkv.  21,  7.  —  Typus  B:  Grt.  22,  2. 
Sg.  47,6.  —  Typus  C:  Vsp.  62,4.  Grt.  4,6.  HH.  1,39,4.  HH.  2,30.10. 
Grp.  9,8.  53,2.  Gp.  2,19,8.  19,12.  —  j9)  Erste  halbzeile:  Typus  A: 
A':  Vsp.  44,3  (=49,8.  54,8.  58,3).  Hym.  31,5.  Rp.  4,  7.  16,5.  16,7.  32,7. 
41, 1.  Hdl.  4, 1.  7, 1.  9, 5.  Vkv.  15, 8.  Grt.  24, 3.  HH.  1, 41, 1.  HH.  2,  2, 1. 
30,1.  84,1.  HHv.  4,1.  39,5.  Grp.  2,5.  19,5.  27,1.  36,1.  39,1.  Fäf.  42,1. 
Sg.  24,1.  34,1.  44,3.  61,1.  Gp.  2,  26,  5.  Gp.3,8,5.  —  A'^:  Vsp.  8, 1  (=  HH. 
1,1,1).  24,5.  45,1.  45,5.  prk.  7,5.  Rp.  10,3.  34,7.  Hdl.  6,1.  12,5.  14,5. 
82, 1.  Vkv.  21, 3  (=  23, 7).  Grt.  9, 1.  17, 1.  18, 1.  HH.  1, 5, 1.  HHv.  9, 1.  9, 3. 
Grp.  12,1.  14,5.  16,1.  Rg.  13,5.  26,5.  Br.  11,5.  19,5.  Gp.  2, 1, 1.  Od.  11, 1. 

28.1.  —   A^:   Vsp.  14,1.   Vkv.  2,5.  HH.  1,14,7.  55,1.  56,5.  HH.  2,11,5. 

21.5.  25,5.  44,7.  Grp.  31,5.  Sg.  6,5.  16,3.  21,1.  Gp.  2,4,5.  —  Typus  D': 
Vsp.  8,7.  Sg.  56, 1.  —  Typus  E:  E':  Br.  8,5.  —  E-:  Rp.  10,5.  Typus  F: 
F':  Rp.  34,5.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A:  Vsp.  45, 10.  46,6.  48,4. 

51. 2.  Rp.  2,  4.  2,  6  (=  14,  6).  14,  4.  15,  4.  15, 6.  16,  6.  26,  6.  29,  2.  82, 10. 
41,10.  Grt.  16,8.  HH.  1,16,8.  25,6.  33,4.  HHv.  9,2.  83,2.  40,2.  Grp.  18,2. 
31, 4.  40,  2.  42, 8.  Rg.  18, 8.  Br.  11,  8.  12, 2.  14, 6.  Gp.  2, 4, 2.  Gp.  8,  9,  6. 
Ghv.  13,2.  —  A^:  prk.  7,6.  —  A»:  Bdr.  6,2.  Vkv.  15,2.  HH.  2,42,6.  — 
Typus  F:  Rp.  27,2.  —  y)  Erste  halbzeile:  Typus  D":  Vsp.  32,5.  — 
Zweite  halbzeile:  Typus  D:  Grt.  17, 2.  —  Typus  E:  HHv. 33, 12. 


ALLITERATION 

IM 

EDD. 

FORNYRDISLAG. 

^01] 

ait 

erg- 

ibt sich  folg 

:ende  tabelle: 

A 

B 

C 

D 

E 

F 

a) 

a) 

69 

5 

24 

31 

7 

1 

1 

20 

4 

3 

7 

4 

2 

— 

ß) 

76 
14 

71 
14 

— 

— 

— 

4 

1 

r) 

4 

1 

— 

— 

— 

3 

— 

10 

6 

— 

— 

1 

3 

— 

b) 

a) 

40 

6 

9 

25 

— 

— 

— 

11 

1 

2 

8 

— 

— 

— 

ß) 

82 

77 

— 

— 

2 

2 

1 

38 

37 

— 

— 

— 

— 

1 

7) 

1 

— 

— 

— 

1 

— 

— 

2 

— 

— 

— 

1 

1 

— 

143 


2)  Die  drei  mögiiclien  Stellungen  sind,  wie  aus  den  vor- 
stehenden zahlen  ersichtlich,  nicht  gleich  häufig.  Namentlich 
zeigen  die  beiden  lialbzeilen  wegen  ihrer  rhythmischen  Ver- 
schiedenheit (vgl.  §  56)  ein  abweichendes  verhalten.  In  i  über- 
wiegen beim  vollverbum  wie  hilfsverbum  (bei  ersterem  aller- 
dings nur  um  wenige  procente:  4,7  "/^  gegen  33,9  o/o  beim  hilfs- 
verbum) die  verse  mit  Zwischenstellung  {ß)  des  verb.  fin.  über 
die  mit  voranstellung  (a)  (vollv.  46,3  Vo  :  Inlisv.  32,7  o/«).  Die 
Stellung  7  tritt  in  beiden  halbzeilen  fast  ganz  zurück  (besonders 
beim  hilfsverb).  In  ii  macht  sich  ein  unterschied  zwischen 
vollv.  und  hilfsv.  geltend,  insofern  bei  ersterem  die  Stellung  a 
(45,4  o/o)  über  die  Stellung  ß  (31,8  o/^)  überwiegt  —  also  un- 
gefähr ebenso  stark  wie  stellang  ß  über  Stellung  a  in  i  — , 
dagegen  beim  hilfsv.  wie  in  i  Stellung  ß  (74,5  o/o,  vgl.  i  ß  82 
=  66,6  o/o)  über  Stellung  a  (ii  11  =  21,5  o/q)  dominiert.  Die 
differenz  ist  nur  unter  der  Voraussetzung  verständlich,  dass 
ein  zwischengestelltes  vollv.  durch  den  ihm  zukommenden 
nebenton  zu  stärkerer  coordiuation  der  hebungen  zwang  als 
es  dem  rhythmischen  Charakter  der  zweiten  halbzeile  entsprach, 
dass  das  hilfsv.  dagegen  keinen  nachdruck  besass  und  deshalb 
auch  die  enklise  des  zweiten  nomens  nicht  verhindern  konnte, 
soweit  diese  von  der  satz-  bez.  versbetonung  gefordert  war. 
Daraus  erklärt  sich  ferner  das  abnehmen  der  belege  für  « 
und  ß  in  ii  (vollv.  i  145  :  ii  34,  hilfsv.  i  122  :  ii  49).  Die 
tatsache,  dass  das  hilfsv.  in  ii  stärker  vertreten  ist  als  das 
vollv.,  während  es  doch  in  i  diesem  gegenüber  zurücksteht. 


144  WENCK 

ist  ein  deutlielier  beweis  für  das  eben  gesagte.  Anders  ver- 
hält es  sich  mit  der  stelhmg  /,  deren  beispiele  beim  vollv.  in 
II  nm  20  o/o  anwachsen.  Diese  erscheinung  darf  mit  der  in 
§  18, 8  (s.  131)  erörterten  stilregel  in  Zusammenhang  gebracht 
werden.  Audi  hier  zeigt  sich  eine  nicht  unbedeutende  differenz 
zwischen  den  beiden  verbalkategorien.  Obwol  das  hilfsv.  mehr 
ii-belege  aufweist  als  das  vollv.  (51  :  44),  liefern  die  beiden 
/-ii-bcispiele  nur  ein  fünftel  der  belegzahl  der  entsprechenden 
II  mit  vollverb.  Ein  analoges  Verhältnis  ist  uns  schon  in 
§  19,  a  (s.  tab.)  begegnet.  Bei  der  Stellung  ß  (vorausstell ung 
des  verbums:  die  fälle,  wo  es  in  Senkung  steht,  sind  natur- 
gemäss  auszuscheiden)  ist  das  Verhältnis  von  i  :  ii  mit  auf- 
fallender genauigkeit  für  vollv.  und  hilfsv.  2:1,  bei  der 
Stellung  a  (nachstellung  des  verb.  fin.)  verschiebt  es  sich  in 
ungefähr  gleichem  masse  wie  hier  zu  guusten  des  ersteren: 
1  :  3,1  (hilfsv.  1  :  2,5).  Offenbar  widerstrebte  es  den  dichtem, 
dem  tonlosen  hilfsv.  die  bei  vorausgehendem  nomen  obligato- 
rische Stellung  in  hebung  einzuräumen. 

3)  Bei  der  vorausstellung  des  vollverbs  begegnen 
zunächst  eine  grössere  anzahl  auffälliger  verse. 

Da  auflösuiig  der  zweiten  hebung  dem  rhythmisclieu  Charakter  des 
typus  C  widersprechen  Avürde,  musste  Vsp.  48,3  gnyr  allr  jgtunhcmr  zu 
A^  gezogen  werden.  Der  dadurch  hervorgerufene  alliterationsfehler  ist 
nicht  zu  schwer,  weil  der  sinnesaccent  auf  dem  subst.  liegt.  Ebenso  kann 
man  Hym.  28,  5  kvaßat  mann  Tcimman  und  Ildl.  41,  5  varp  Loptr  kvipugr 
wegen  N*  nicht  nach  C  rhythmisieren  (vgl.  §  52).  Die  drückung  eines 
nomeus  unter  das  normale  tongewicht  ist  in  den  citierten  versen  ganz  ver- 
ständlich. —  In  Ilym.  28,5  nimmt  vtann  in  fast  pronominaler  functiou'') 
('den  mann',  'ihn')  das  vorausgehende  ßör  wider  auf;  in  Hdl.  41,5  ist 
Ijoptr  =^  Loki  im  anfang  der  Strophe  erwähnt.  —  Ganz  sicher  ist  die 
enklise  des  ersten  nomeus  zum  vcrb.  fin.  in  HHv.  9,  8  ycrpr  napr  hala,  wo 
napr  die  widerholuug  des  synonymischen  orm  ist.  Sonach  gilt  das  nhd. 
gesetz  von  der  raindertonigkeit  des  bekannten  (Behaghel,  Pauls  Cirundr. 
1',  553)  auch  für  die  Edda.  —  Andere  fälle,  in  denen  das  verbum  trotz  des 
fehlens  einer  nominalformel  in  hebung  steht  und  alliteriert,  sind  zweifel- 
hafter natur,  namentlich  betrefl's  der  rhythmisierung.  Es  sind  dies  folgende: 
I  Br.  1(3,  3  svalt  alt  i  sal,  G}?.  3, 11, 1  aäat  mapr  armlikt;  —  li  prk.  21,6 
hrann  jorp  loga,  HH.  2,  40,  4  ripa  memi  daxipir,  Gr^.  17,  8  lif  Iteill  konungr, 
Od.  16, 2  hap  hjahn  geta,  Vsp.  57,  2  s/r/r  fohl  i  mar,  Grp.  33,  8  Aregr  [hon] 
vel  at  gram. 


*)  Vgl.  Kluge,  Pauls  Grundr.  1»,  398. 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYßDISLAG.  145 

Beachtenswert  ist,  dass  diese  beispiele  meist  jüngeren  liedern  und 
besonders  dem  zweiten  halbvers  angehören.  —  Grp.  17,  8,  avo  die  hervor- 
hebuug  des  verbums  (vgl.  HHv.  31, 1  kom  heul,  Hepinn,  oder  Schiller:  lebt 
wol,  ihr  berge,  . . .  Lebet  ivol)  als  sinnwidrig  bezeichnet  werden  muss,  weist 
deutlich  auf  mangelnde  beherschung  der  techuik.  Die  alleinige  alliteration 
des  verbums  ist  nur  da  berechtigt,  wo  es  sich  um  lebhafte  Schilderung 
handelt:  Br.  16,  3.  prk.  21,6.  Ysp.  57,  2,  ferner  HHv.  9,  8.  —  Unverständlich 
ist  die  rhetorische  hervorhebung  des  verbums  in  HH.  2,  40,  4  (es  reuen  die 
töten),  zweifelhaft  bleibt  G]?.  8, 11, 1^):  die  stelle  darf  wol  wie  die  anderen 
verse  der  reimnot  des  dichters  zugeschrieben  werden.  —  Ebenso  fehlerhaft 
ist  es,  wenn  das  verbnm  in  dem  isolierten  i  D'  Vkv.  20,5  ^rifu  ungir 
tveir^)  und  den  ii  D^  (sämmtlich  liedern  jüngerer  technik  angehörig) ^)  vor 
der  formel  allein  alliteriert.  —  Wo  keine  formel  vorhanden  ist,  kann  der 
gleiche  anlaut  des  verbums  (es  sind  dies  nur  zwei  fälle :  Hdl.  40, 1  öl  vdf 
Loki,  Rp>.  24,  3  het  Halr  olc  Drengr)  nicht  berücksichtigt  werden.**)  —  Die 
proklise  des  vollverbs  bleibt  anstössig  auch  in  den  anderen  B-  und  C-versen, 
wofern  sie  nicht  ein  enges  syntaktisches  Verhältnis  der  beiden  nomina  auf- 
weisen. Denn  im  falle  grammatischer  Subordination  darf  selbst  bei  doppel- 
alliteration  die  rhythmisierung  D— B,  D — C  angenommen  werden  (s.  oben 
s.  129.  137).  Vor  allem  ist  in  den  versen  mit  lockerer  grammatischer  bin- 
dung,  die  an  sich  (in  erster  linie  die  C-verse)  dem  satzaccent  widerstreiten  ^), 
der  einfluss  des  Sprachmaterials  zu  berücksichtigen:  i  7  Gl,  4  C2,  21  C3; 
II  2  Gl,  4  02,  1  C 3:  für  die  hebungsfähigkeit  des  verbums  ist  ohne  zweifei 
die  silbenzahl  der  nomiualformel  massgebend:  Rg.  14,  2  pri/mr  ttm  gll  Igncl, 
HH.  2,  50,  9  oJc  Arifr  äröU  gll,  Gf.  2,  26,  3  ok  gera  gull  fagrt.  ^'')  Ferner  ist 
das  logische  moment  nicht  zu  unterschätzen.  Schon  oben  (s.  132,  anm.2)  wurde 
darauf  hingewiesen,  dass  Übergangsstufen  vom  vollverb  zum  hilfsv.  anzu- 
nehmen sind.  Die  weniger  begriffsvollen  verba  stehen  (sicher  im  einklaug 
mit  dem  satzaccent)  proklitisch,  das  hilfsv.  auch  bei  gleichem  anlaut  und 
enger  grammatischer  bindung  der  beiden  nomina:  Hei.  6, 5  vask  \etra  tolf. 
Die  fehlerhafte  enklise  des  inf.  in  Grp.  30, 5  mim  ek  mey  nä  darf  daher 
durch  einsetzung  der  partikel  um  beseitigt  werden,  wenn  man  nicht  die 
auf  lösung  der  contrahierten  form  nä  zu  näa  vorziehen  will.  —  Selbst  wenn 


5)  Vgl.  Kluge,  Pauls  Grundr.  1^,  398. 

*)  Zwei  attributiv  verbundene  adjectiva  begegnen  als  nominalformel 
nur  noch  in  Sg.  71,  7  satt  eitt  sagßak.  Da  der  hauptbegriff  das  erste  glied 
der  formel  bildet ,  ist  das  s.  127,  g  zu  (subst.  +  adj.)  bemerkte  auf  diese 
beiden  fälle  auszudehnen.    Vgl.  Vkv.  22, 1  koinip  einir  tveir. 

')  Nur  Hei.  14,  8  sekkst,  gygjar  kyn  kann  als  rhetorische  ausnähme 
gelten  (s.  §  19,  b). 

8)  Vgl.  Rieger  a.  a.  o.  Sievers  §  23,  3  d. 

^)  Zweisilbiges  unverschleif  bares  verb  kann  auch  in  diesen  versen  nicht 
völlig  proklitisch  gewesen  sein:  i  B:  HH.  1, 17,  3;  C:  Vsp.46,1.  (Hym.  30,5). 
Vkv.  29, 9.  Gp.  1,20,5.  Sg.  12, 1  (vgl.  D^:  HH.  1,  51, 1).  —  ii  C:  Vkv.  23, 4. 
Br.  16,  4.  G]>.  1,  20,  4.  Sg.  4,  2. 

»»)  Zu  den  beiden  C^  vgl.  s.  136. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche-    XXXI.  J[^Q 


14(3  WENCK 

die  reKfoIinässig^e  noniiiialfonnel  nur  zweisilbig:  ist  (A-verse  in  i  niid  ii), 
überlüsst  das  hilfsv.  die  erste  Lebung'  einer  voranjj^ehendcn  coiij.  oder  Par- 
tikel. Ntir  Sg.  51,5  vilkal-  wann  tratipan^*)  und  Ghv.  10,3  vask  ßrivir 
\enim  steht  es  an  erster  versstelle  in  hebuiig.  Da  durch  die  alliteration 
des  zweiten  nomens  die  forniel  zerrissen  wird,  ein  C^  jedoch  ansgeschlosseu 
ist  (§  52),  wird  der  zweite  vers  wol  eher  zu  U'  zu  ziehen  sein  (vgl.  die 
§  19,0,  s.  140  citierten  iiC).  Der  gleiche  anlaut  der  uebenhebung  ist  aber 
ohne  zweifei  fehlerhaft. 

Die  normale  vorausstellung  des  hilfsverbs  ist  durch  die  metrischen 
eigenschafteu  des  Sprachmaterials  veranlasst,  wie  die  Verteilung  der  C-verse 
auf  die  untertypen  deutlich  zeigt:  i  1  Ol,  6  C2,  17  C3;  ii  1  Cl,  4  C2, 
4  C3.  Vsp.  62, 4  Baldr  mun  koma  ist  mit  Sievers,  Proben  durch  voran- 
stellung  des  hilfsv.  zu  C  überzuführen.  Ein  gleiches  wäre  in  E|>.  27, 2 
golf  ras  strait  vorzunehmen,  wenn  nicht  gerade  die  Ep.  eine  besondere 
verliebe  für  katalektische  verse  an  den  tag  legte  (vgl.  §  55).  In  Grp.  50, 1 
mun  horskr  G-unnarr,  wo  die  so  bevorzugte  Zwischenstellung  metrisch 
möglich  gewesen  wäre,  ist  sie  durch  die  enge  grammatische  bindung  ver- 
hindert worden,  in  dem  einen  iiCl-vers  Ykv.  40, 1  cs[})at]  satt,  Bapvildr 
ist  sie  durch  die  in  der  frage  notwendige  vorausstellung  des  hilfsverbs  be- 
dingt. Aehnlich  verhält  es  sich  mit  den  oben  genannten  C-versen  von 
gruppe  a,  in  denen  die  Stellung  ß  hätte  eintreten  können.  Hier  ist  sie 
z.  t.  aus  rhetorischen  gründen  unterblieben :  das  erste  nomen  bekommt  in 
erster  hebung  eines  C-verses  mehr  touge wicht  als  in  erster  hebuug  eines 
A-verses.  Man  vgl.  Gp.  1,25,  3  veldr  einn  ktli,  wo  der  logische  nachdruck 
auf  dem  einn,  mit  Sg.  27,  7  e/»  veldr  Bnjnhildr,  HH.  2,34,  5  e/««  veJdr  Öphm, 
in  denen  er  eher  auf  dem  npr.  liegt  (s.  ferner  prk.  2G,  5.  28,  5).  —  Daneben 
ist  auch  die  Wirkung  des  rhythmisch -melodischen  elementes  der  dichtung 
nicht  zu  unterschätzen. 

4)  Die  belege  mit  zwisclieustellung  des  verbums  (ß) 
weisen  ebenfalls  eine  grössere  anzalil  Verstösse  gegen  das  alli- 
terationsgesetz  (§  4)  auf. 

Bdr.  11,2  (V)rindr  berr  Ycila  ist  mit  Sievers,  Proben  zu  A*  gestellt 
(vgl.  aber  Sijmons  z.  st.).  ^^)  —  Die  5  A^  von  a,  ji  enthalten  bis  auf  HH. 
1,  24,  3  ein  npr.  ''■')  und  zeigen,  wie  gross  die  durch  solche  nanieu  bereitete 
Schwierigkeit  für  die  cddischeu  dichter  gewesen  sein  muss.  —  HH.  1,  24,  3 
sehit  kiajxtt  Xclja  kann  im  hinblick  auf  HH.  2, 49, 1  mäVs  mcr  at  xipa 
(Sievers  §  23, 2)  als  nomial  angesehen  werden.  —  Von  den  A"  von  b,  ß 
wären  hier  Sg.  16, 3  göti's  at  räpa,   21, 1  dcelt  ras  at  egg,ja  anzui  eihen. 


")  Das  argumcnt  von  Sijmons  (z.  st.)  gegen  die  von  Sicvers,  Beitr.  6,342 
vorgeschlagene  tilgung  des  mami  ist  nicht  stichhaltig.  Nur  die  Überein- 
stimmung mit  den  obengenannten  versen  könnte  für  die  beibehaltung  des 
hsl.  textes  ins  feld  geführt  werden. 

")  Mogk  hält,  wie  er  mir  persönlich  mitteilt,  die  erste  langzeile  der 
11.  Strophe  (der  einzigen  zehnzeiligen  dos  ganzen  gedichtes)  für  interpoliert. 

'*)  Von  den  A^  von  b,  ß  gehören  hierher  Vkv.  2,  5.  Grp.  31,  5.  Sg.  6, 5. 


ALLITEKATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  147 

Unser  modernes  empfinden  gibt  für  die  beurteiluug  dieser  und  ähnlicher 
fälle  nur  einen  sehr  unsicheren  massstab  ab.  Nur  auf  gruud  der  coincidenz 
der  ausnahmeverse  können  wir  absichtlichkeit  annehmen.  —  Gegen  den 
satzftccent  verstösst  HH.  2,  6, 1  Hamall  Icetr  iljöia,  da  das  npr.  für  den 
gedaukenfortschritt  ein  novum  ist:  vgl.  5,1  hverr  Icetr  üjöta.^*)  —  Ebenso 
ungerechtfertigt  ist  die  Stellung  der  alliteration  auf  dem  zweiten  nomen 
in  HH.  1,  55, 1  heill  sJcalt  v/s/,  56,  5  heul  skalt  hnßlungr,  HH.  2, 11,  5  maryir' 
rü  hvassir,  25,  5  lipin  es  sevi,  da  der  logische  uachdruck  auf  dem  ersten 
nomen  liegt,  namentlich  in  HH.  2, 11, 5,  wo  es  sich  um  einen  gegensatz 
handelt.  Dagegen  lässt  sich  HH.  2,  44,  7  allr  es  vis/,  Gp.  2,  4,  5  gll  vgru 
sgpiddfjr  eher  zu  den  berechtigten  ausnahmen  zählen.  Vielleicht  dürfen 
auch  Ysp.  14, 1  mal  es  dverga,  HH.  2,  21,  5  mal  es  'Rophroddr'^^)  im  vergleich 
mit  dem  citierten  HH.  2, 49, 1  als  normal  angesehen  werden.  —  In  HH. 
1, 14,  7  farit  Jiafpi  S.IM  \  (sett  geirmimis)  ist  allerdings  dem  Hildebrandschen 
gesetz  genüge  geleistet,  doch  bleibt  die  reimlosigkeit  des  vorausgestellten 
part.  fehlerhaft.  —  Ein  inf.  entbehrt  trotz  seiner  abweichenden  Stellung 
vor  dem  nominalen  nomen  der  alliteration  in  HH.  1,  29, 1.  Sg.  6,  5  (er  alli- 
teriert aber  Vsp.51,2.  Hdl.  15,5.  HH.  2, 17,  3),  ein  part.  in  i  HH.  2,25,5. 
Grp.31,5;  ii  HH.  2,  42,  6.  Vkv.  15,  2  (verderbt?)  (es  alliteriert  aber  i  Vsp. 
24,  5.  Hdl.  9, 5.  Grt.  24,  3.  Grp.  16, 1.  19,  5.  Br.  5, 1 ;  ii  Br.  11,  8.  Grp.  18,  2). 
In  Rg.  26,  5  E  engr  vas  fremri  ist  der  lesart  von  Nf».  (fdr)  der  Vorzug  zu 
geben  (vgl.  §  43).    Betreffs  der  ii  A^  von  b  vgl.  §  50,  zu  N^  in  prk.  7, 6  §  58. 

Die  beiden  hebungbildenden  nomina  stehen  meist  in  sehr 
weitem  grammatischen  Verhältnis  (subject :  object).  Bei  engerer 
grammatischer  bindung  kann  das  verbum  nur  dann  dazwischen 
treten,  wenn  die  nomina  schon  durch  die  von  der  natürlichen 
abweichende  Stellung  begrifflich  getrennt  sind.  Während  der 
gen.  nie  vor  dem  zugehörigen  subst.  steht,  begegnet  attribu- 
tivisches  adjectiv  in  erster  hebung  widerholt:  a:  Vsp.  2,  5.  Hym. 
32,1.  Hdl.  40,  5.  GhvlO,  1.  10,2,  h:  HH.  2,  44,  7.  Gl?  2,  4,  5,  wo 
jedoch  mit  der  anomalen  tremiung  unzweifelhaft  eine  poetische 
wii^kuug  beabsichtigt  ist.  Prädicativisches  adj.  geht  jedoch 
ebenso  oft  voran,  wie  es  nachfolgt. 

Wenn  somit  beide  nomina  (die  grammatische  Verknüpfung 
sei,  welche  sie  wolle)  im  nachdruck  coordiniert  sind,  muss  in 
der  mehrzahl  der  fälle  doppelalliteratiou  erwartet  werden.  Ein 
überschuss  an  solcher  tritt  nur  dann  zu  tage,  wenn  man  die  verse 
mit  npr.  berücksichtigt  und  ausserdem  die  mit  einem  verbalnomen 
(spec.  inf.)  in  zweiter  hebung  abzieht  (24  A',  7  A^,  in  ii  11  Ai). 


1^)  So  lese  ich  mit  Sijmons  (s.  z.  st.). 

^^)  Die  Vermutung  Gruudtvigs:  mdl's  Hgphroddi,  ist  zurückzuweisen, 
da  die  geringe  zahl  der  D=*  nicht  durch  conjectur  vergrössert  werden  darf. 

10* 


148  WENCK 

Das  vollverb  erhält  in  der  niittelsenkung  dos  vorwiegend 
anftretenden  tyi)us  A  den  ihm  gebiilirendtMi  nebenton  und  kann 
ohne  weiteres  zum  träger  der  nebeiiliebung  eines  E-verses 
gemacht  werden.  Das  liilfsverb  lehnt  sich  enklitiscli  an  das 
vorhergehende  nonien  an  und  ist  teilweise  mit  ihm  zu  ver- 
schmelzen: D:  Ysp.  3,7.  Sg.  56, 1  (vgl.  Sievers  §30,10—12). 
Sicher  nur  ausnahmsweise  bildet  es  in  Br.  8, 5  die  nebenhebung 
eines  E-verses,  denn  wenn  sich  auch  noch  mehr  beispiele  der 
art'6)  im  fornyröislag  finden,  so  ist  ihre  zahl  im  Verhältnis  zu 
den  versen,  in  denen  überhaupt  ein  hilfsverb  auftritt,  ausser- 
ordentlich gering. 

5)  In  den  belegen  mit  endstell ung  des  verbums  (y) 
steht  das  vollverb  durchgehends  in  zweiter  hebung  mit  aus- 
nähme von  Grp.  10,  2  hrü]))-  mcela  ich;  wo  es  periphrastisch 
gebraucht  ist. 

Die  an  sich  mögliche  zwischenstellung  des  verbs  ist  oifenbar  deshalb 
unterblieben,  weil  der  inf.  in  zweiter  hebung  eines  D  einen  seiner  sinufülle 
entsprechenden  grösseren  uachdruck  erhalten  konnte  als  in  zweiter  hebung 
eines  A,  noch  dazu  in  zweiter  hebung.  Dasselbe  ist  für  Grt.  17, 2  \\aUr 
standa  mun  anzunehmen.  —  In  zwei  anderen  versen  mit  vollverb  und 
ebenfalls  ohne  uominalforrael  trägt  jedoch  das  verb  die  zweite  hebung:  in 
Hym.  32,5  ka>7  orp  um  \ivap  nach  ausweis  der  alliteration,  und  in  Grt. 
2-t,  2  hrupr  orp  %an  kvap  nach  massgabe  des  erstercn  verses.  Es  handelt 
sich  hier  um  eine  formelhafte'')  wendung  des  epischen  Stils,  die  in  der 
band  eines  schlechten  dichters  zum  fehler  geworden  ist.  Der  Verstoss  tritt 
aber  nicht  sehr  hervor,  da  der  begriff  des  gedrückten  nomens  schon  im 
verbalbegriff  mit  enthalten  ist.  —  Aus  sinnesgrüuden  muss  sogar  ein 
(absolut  gebrauchtes)  hilfsv.  trotz  des  mangels  einer  nominalformel  in  HIlv. 
33,12  gorask  sUkt,  ef  skal  die  zweite  hebung  tragen.  —  Für  die  tonschwäche 
des  hilfsv.  ist  besonders  charakteristisch  Vsp.  82,  5  Baldrs  hröpir  vas  '^),  wo 
beide  glieder  der  formel  alliterieren.  Doch  ist  der  einfluss  des  sinnesaccents 
ganz  augenscheinlich,  da  der  logische  uachdruck  auf  dem  zweiten  uomeu 
ruht.  Betreffs  der  nomiualformeln  in  den  beispieleu  von  a  vgl.  s.  121  f.  — 
Abzulehnen  ist  die  conjectur  Finnur  Jönssous  zu  Sg.  68,  6  etiin  hcp  stigu7)i : 
der  hsl.  text  ist  auf  jeden  fall  zu  belassen. 

Die  verse,  die  ausser  zwei  nominibus  und  einem  verbum 
noch  ein  ad  verb  oder  pronomen  enthalten,  werden  bei  diesen 
Wortklassen  behandelt  werden. 


>«)  Ich  habe  mir  folgende  notiert:  Hym.  9,2.  Vkv.  33,1.  Hdl.  14,1. 
HH.  1,40,1.  Grp.  53,5.  E)'.  13,1.  47,5.  Gp.  1,23,3.  20,5.  Sg.  15,1.  37,7. 
C5, 1.  Gp.  2, 17, 3.  20, 1.  Ghv.  4, 3.    —    ")  Vgl.  Bdr.  4, 8.  Od.  11, 4. 

'*)  Die  Verstellung  Bugges  ist  nach  Hildebraud  a.  a.  a.  s.  99  berichtigt. 


ALLITERATION   IM    EDD.   FORNYRDISLAG.  149 

C.    Zwei  verba  finita.  >) 

§  21.  In  folgenden  versen,  in  denen  zwei  verba  finita 
die  hebungen  bilden,  ist  zur  Vermeidung-  nutzloser  Zersplitte- 
rung der  an  sich  spärlichen  belege  das  in  Senkung  bez.  neben- 
hebung  befindliche  Sprachmaterial  (prou.,  adv.)  unberücksichtigt 
gelassen. 

a)  Bei  deutliclier  Subordination  [i:  A^:  Rp.  12,  3  (=  Hdl.  13,  3). 
Hdl.  17,8  (=18,9).  31,3  (=34,3.  36,3.  39,3).  Vkv.  10,5.  —  A»:  Hym. 
6, 1.  HH.  1, 17,  5.  —  II :  A :  Gp.  2,  38,  4]  besitzt  nach  aiisweis  der  beiden  A^ 
das  nachstehende  abhängige  verb.  fin.  wie  im  wgerm.  das  grössere  nach- 
drucksgewicht.  Die  A*-verse  müssen  daher  in  rhythmischer  beziehung  dem 
A^-typus  beigeordnet  werden.  Der  isolierte  zweite  halbvers  Gp.  2,38,4 
verstüsst  daher  R  yüdi  at  repak  gegen  den  satzaccent.  —  Weniger  deutlich 
ist  die  abhäugigkeit  des  zweiten  verb.  fin.  in  i  A':  Vsp.  22,  5,  A^:  Hym. 
12,1,  B':  HHv.2,  7;  ii  A:  Sg.  57,6.  Od.  4,  8.  Das  vorwiegen  von  N^  in  i 
macht  es  wahrscheinlich,  dass  auch  die  beiden  ii  mit  dem  satzaccent  in 
einklang  stehen  (vgl.  Beow.  1380b  sec,  gifpü  dyrre).  Ein  zweifei  ist  jedoch 
nicht  ausgeschlossen,  namentlich  nicht  bei  Sg.  57,  6  \aslc  mepan  lifpak.  — 
Bei  völliger  co Ordination  [i:  A:  Ai;  Hei.  12,1.  Od.  10,  5.  34,1.  Ghv.  13,  5. 
—  A-^ :  Rp.  11,  5.  32,  9  (=  Sg.  2,  5).  Hdl.  15,  7.  Grt.  4, 1.  HH.  2, 14,  5.  —  B- : 
Hdl.  2,  3.  HH.  1,9,  5.  —  D^:  Vkv.  20, 1.  —  ii:  A:  Rp.  12,  2  (=24,2).  Ghv. 
11,  2]  überwiegt  die  nach  §  7.  11.  16  zu  erwartende  doppelalliteration.  Die 
4  A^  von  I,  die  sämmtlich  jüngeren  liedern  angehören,  zeugen  von  tech- 
nischer unbeholfeuheit,  die  3  zweiten  halbverse  vergewaltigen  die  Satz- 
betonung und  fallen  daher  bei  einer  beurteilung  der  kunst  der  betr.  dichter 
mehr  ins  gewicht  als  die  4  A>  von  i.  In  Ghv.  11,  2  ist  allerdings  der  text 
etwas  unsicher.  —  Die  beiden  verse  der  Rp.  sprechen  wider  für  skaldische 
techuik. 

b)  Hier  seien  noch  zwei  verse  erwähnt,  in  denen  ausser  zwei  verba 
fin.  noch  ein  uomeu  steht.  Hym.  10, 7  vas  karh  es  kom  bestätigt  die 
mindertonigkeit  des  hilfsverbs,  Sg.  31, 10  hyJcJc  at  ieig  seir  die  grössere  ton- 
fülle  des  untergeordneten  verbums.  Da  das  erste  verbum  sich  dem  Charakter 
eines  hilfsv.  nähert,  kann  die  proklise  nicht  befremden.  Allerdings  wäre 
auch  die  rhythmisierung  D — C  (s.  137)  angängig. 

Cap.  IV.    Adverbium. 1) 

§  22.  Das  tongewicht  der  adverbia  ist  im  einzelnen 
schwer  genau  festzustellen.  Vor  allem  mangelt  den  adverbien 
wegen  ihres  verschiedenen  Ursprungs  die  einheitlichkeit  des 
Charakters.     Ferner  können   sich   bei   ihnen  die  begriffliche 


1)  Rieger  s.  28.  Sievers  §  25. 
')  Rieger  s.  26  f.  Sievers  §  26. 


150  WENCK 

binclung  (die  oft  den  bereicli  einer  lialbzeile,  z.  t.  auch  einer 
langzeile  überschreitet),  die  einwirkung  des  rhetorischen  accents 
und  die  metrisch -rhythmischen  einfliisse  auf  Wortstellung  und 
alliteration  wol  gegenseitig  verstärken,  weit  öfter  aber  kreuzen 
und  sogar  aufheben.  Kein  wunder  also,  wenn  das  verfügbare 
material  sehr  verschiedene  behandlung  aufweist.  Zudem  sind 
neigungen,  die  man  als  technisch  bezeichnen  könnte,  teilweise 
nur  sehr  schwach  ausgeprägt.  Die  reste,  die  auch  bei  minu- 
tiöser Scheidung  der  belege  einer  sicheren  erklärung  wider- 
sprechen, legen  daher  die  annähme  nahe,  dass  man  noch  nicht 
zu  endgiltiger  regelung  der  mannigfach  abgestuften  tonverhält- 
nisse  gelangt  ist,  und  das  umso  mehr,  als  auch  Eieger  für  das 
wgerm.  grosse  Willkür  in  der  behandlung  der  adverbia  zugibt. 
Eine  delinitive  entscheidung  ist  nur  auf  gruud  einer  sorg- 
fältigen Statistik  des  gesammten  wgerm.  materials  möglich. 
Immerhin  kann  man  auch  jetzt  schon  sagen,  dass  sich  die 
adverbia  in  zwei  grosse,  durch  einen  markanten  nachdrucks- 
unterschied  charakterisierte  klassen  zerlegen:  1)  adverbia 
pronominaler  herkunft,  —  2)  adverbialpräpositioneu  und 
adverbia  nominalen  Ursprungs:  letztere  Avollen  wir  als 
volladverbia  bezeichnen.  Ausserdem  sind  noch  Übergangs- 
stufen  anzunehmen. 

So  schwanken  namentlich  die  temporal-  und  local- 
adverbia.  Im  folgenden  werden  sie  mit  der  zweiten  klasse 
gemeinschaftlich  behandelt. 

A.    Adverbium  und  verbum. 

Wegen  der  engen  begrifflichen  bindung  des  verbs  mit  dem 
adv.  werden  die  nominalen  verbalformen  im  allgemeinen  mit 
den  finiten  gleich  behandelt.  Eine  trennung  der  belege  mit 
part.  oder  inf.  von  denen  mit  verb.  fin.  ist  somit  nicht  er- 
forderlich. 

§  23.  Pronominales  adverbium  kommt  in  Verbindung 
mit  einem  hilfsverb  allein  begreiflicherweise  gar  nicht  vor, 
da  der  bedeutungsgehalt  der  halbzeile  zu  dürftig  gewesen 
wäre,  ganz  abgesehen  davon,  dass  in  den  meisten  fällen  die 
Silbenzahl  zur  bildung  eines  hemistichs  kaum  ausgereicht  haben 
würde;  Verbindung  mit  einem  voll  verb  zeigt  sich  dagegen 
in  einigen  vereinzelten  bei.spielen: 


ALLITERATION   IM  EDD.    FORNYRDISLAG.  151 

a)   Das  adverbinm   voraustehend:    i:  Typus  A':    G\>.  2, 24,  1. 

—  Typus  C>:  E]?.  45,5.  —  ii:  vacat.  —  ß)  Das  adverbium  nacli- 
stehend:  i:  Typus  A':  Gp.  1, 17, 7.  —  Typus  B»:  Vsp.  40, 3.  60,5. 
Sg.  68,  7.  —  II :  T  y  p  u  s  C :  Hym.  4,  4.  Grp.  14,  ü.  Vorangehend  («)  steht 
das  pron.-adv.  in  Senkung :  Ep.  45,  5  pä  qplaßisk  nimmt  das  verbum  beide 
hebungen  ein,  Gp.  2,24,1  en  pä  gleympah  überlässt  das  adv.  die  erste 
hebung  einer  voranstehenden  conjunction.  In  den  belegen  von  ii  steht  das 
adv.  dnrchgehends  nach,  und  zwar  stets  in  hebung,  ähnlich  wie  das  hilfsv. 
wol  nur  aus  rhythmischen  gründen.  Das  pron.-adv.  ist  sonach  normaler 
weise  tonlos  und  steht  in  Senkung.  Nur  bei  abweichender  Stellung  erhält 
es  so  viel  tongewicht,  dass  es  in  hebung  treten  kann. 

§  24.  Adverbium  vöii  anderer  als  pronominaler 
herkunft  +  voll  verbum  begegnet  in  einer  weit  grösseren 
zahl  von  versen: 

«)  Das  adverb  vorausstehend:  Erste  halbzeile:  Typus  A: 
AI:  Vsp.  21,  7.  Grp.  44,7.  —  A^:  Hei.  1,7.  —  Typus  B:  B':  Hym.  34,3. 
prk.  5,  3  (=  9,  3).  5,  5  (=  9,  5).  27,  3.  Hdl.  48,  3.  Grp.  20,  3.  Sg.  22, 3.  Gp. 
3,9,3.  Od.  3,7.  —  B^:  G\>.  2,12,3.  —  Typus  C:  C^:  prk.  10,5.  Hdl.  11,  3. 
Vkv.  8,1.  Grp.  13,3.  Sg.  33,7.  G\>-  2,6,1.  Od.  15,7.  27,3.  —  C^:  Sg.  26,7. 

—  Typus  D:  Vkv.  23,1.  Eg.  23,3.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A: 
Vsp.  2,  2.  12,  8.  21,  8.  30,  2.  Hym.  15,  4.  20,  4.  33,  6.  38,  4.  prk.  1,  8.  8,  6 
(=  11,  6).  13,  4.  21,  2.  Hdl.  4,  4.  Vkv.  37,  4.  HH.  1,  24,  8.  34,  6.  51, 8.  HH. 
2,  21,  8.  32,  4.  HHv.  37,  2.  Grp.  8,  2.  28,  6  (=  47,  2).  44, 2.  49,  4.  Br.  19,  6. 
19,  8.  Sg.  6,  4.  10,  4.  40,  6.  45,  6.  54,  2.  58,  4.  64,  4.  Hei.  10,  6.  G\>.  1,  9,  4. 
Od.  12,  6.  22,  2.  23,  6.  27,  2.  G]>.  2,  29,  6.  —  Typus  B:  HH.  2, 18,  8.  Grp.  12,  6 
(=18,6).  —  Typus  C:  Vsp.  21,10.  Hym.  25,2.  Ep.  8,2  (=22,2).  40,2. 
45, 4.  Vkv.  4,  6.  8,  2.  18,  4.  21,  4.  23,  8.  28,  2.  HH.  1,  22, 6.  28,  2  (=  53,  2). 
HHv.  6,  6.  33, 10.  Grp.  43,  6.  Eg.  23,  2.  23,  8.  Br.  9,  2.  13,  8.  14,  8.  Fäf.  36,  6. 
Sg.  54,  4.  —  Typus  D :  Hdl.  47,  2.  Br.  5,  4.  Od.  26,  6.  32,  2.  Ghv.  15,  4. 

ß)  Das  adverb  nachstehend:  Erste  halbzeile:  Typus  A: 
A^:  Hym.  24,5.  Vkv.  3,1.  Grt.  13,7.  G]>.  3,8,3.  —  A^:  Vsp.  37,1.  Hym. 
5, 1.  7, 1.  35, 1  (=  37, 1).  HH.  1, 11, 1.  48,  3.  HHv.  5,  5.  Sg.  27, 1.  G]>.  2,  44, 1. 

—  Typus  B:  B^:  Grt.  10,5.  Grp.  5, 3.  Gp.  1,1,7  (=  Gp.  2,11,7).  16,5 
(=Sg.  29,7).  Sg.  29,5.  -  B^:  Grt.  10,7.  -  Typus  C:  C:  Hdl.  44,3- 
HH.  1, 16, 1.  22, 1.  30, 5.  Fäf.  43,  3.  Ghv.  9,  3.  —  C^ :  Vkv.  17, 9.  —  T  y  p  u  s  D : 
D^:  Grp.  36,3.  —  D-:  Hym.  23,1.  HHv.  36,  5.  —  Typus  F:  pi;  Vkv.  31,  3- 

—  F^:  Vkv.  31,1.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A:  Grp.  21,4.  25,2. 
Hei.  1,  2.  Od.  24,  2.  Gp.  1,  26,  6.  Gp.  2,  28,  4.  Bdr.  3,  4.  Sg.  18,10.  —  Typus  B: 
Grp.  12,2.  —  Typus  C:  Vsp.  32,  6.  prk.  24,  2.  Grp.  46,  8.  —  0=»:  Hym.  20,  8. 

—  Typus  D':  prk.  25,  4.  —  D-:  prk.  25,  6.  —  Typus  F':  Gp.  1,26,8.     • 

Somit  ergibt  sich  folgende  tabelle: 


A 

B 

C 

D 

E 

F 

u) 

I 

26 

3 

12 

9 

2 

— 

— 

II 

75 

42 

3 

25 

5 

— 

— 

ß) 

I . 

34 

14 

8 

7 

3 

— 

2 

II 

16 

8 

1 

4 

2 

— 

1 

152  WENCK 

Aus  diesen  zahlen  ergibt  sicli  liinsiclitlicli  der  Stellung, 
dass  in  ii  die  voranstellung  des  adverbs  bevorzugt  wird,  wäh- 
rend in  I  die  nachstellung  stärker  vertreten  ist.  Diese  (jedoch 
im  ganzen  schwach  ausgeprägte)  tendenz  zui-  nachstellung  in 
I  erklärt  sich  aus  dem  crescendo- decrescendocharakter  der 
langzeile  (s.  §  56).  Bei  dem  fallenden  Charakter  der  zweiten 
halbzeile  kann  nun  kein  zweifei  darüber  bestehen,  dass  dem 
vorangehenden  adv.  das  grössere  tongewicht  zugekommen  ist. 
Dies  wii'd  ferner  durch  das  überwiegen  von  N'  bei  gleicher 
Stellung  in  i  bestätigt:  21  N'  (2  unten  aufgeführte  anomale 
fälle  sind  ausgeschieden)  :  2  N^  :  1  X^,  Die  beiden  N-,  die 
sich  in  verstypen  mit  ausgesprochener  abneigung  gegen  doppel- 
alliteration  (B,  C)  vorfinden,  können  nur  zufällig  sein.  Bei  der 
umgekehrten  Wortfolge  (ß)  verschiebt  sich  das  Verhältnis  der 
alliterationsstellungeu  ganz  beträchtlich:  11  N'  (4  unten  dis- 
cutierte  ausnahmen  sind  unberücksichtigt  geblieben)  :  9  N-  : 
10  Nl  Wegen  des  hervortretens  von  N^  einerseits,  dem  ab- 
nehmen der  i^-belege  in  ii  andrerseits  muss  auch  dem  nach- 
stehenden adv.  ein  grösserer  naclidruck  zuerkannt  werden. 
Das  Verhältnis  der  doppelalliterationen  in  gruppe  ß  zu  der 
von  «  zeigt  jedoch,  dass  das  verbum  keineswegs  in  proklise 
steht,  wie  es  nachstehend  in  enklise  sinkt,  sondern  dass  es  sein 
normales  tongewicht  besitzt. 

An  (liesem  resiiltate  ändern  einige  ausnahmen  nichts.  Die  enge 
der  begrifflichen  bindung,  die  dem  adv.  erst  die  dominierende  tonfülle 
sichert,  fehlt  in  dem  isolierten  «N^  Hei.  1,7  heldr  cn  \itja.  Dass  das 
nomen  vermöge  seines  grösseren  nachdrucks  allein  alliteriert,  ist  somit  ganz 
natürlich.  —  Ein  anderer  fall:  Od.  27,  3  j6iv'[«jf  \\t-ldr  vita  \  (/*',>//«  ski/ldi), 
wo  heldr  vor  einem  iuf.  allein  alliteriert,  ist  für  Hei.  1,7  nicht  beweis- 
kräftig, da  hier  das  Hildebrandsche  gesetz  in  wirknng  tritt.  Offenbar  ist 
vornehmlich  die  bedeutungsfülle  ausschlaggebend  gewesen,  da  bei  ähnlicher 
begrifflicher  bindung  das  verb.  fin.  in  zwei  ii  (Grp.  8,  2  gorr  an  sjyyrjal; 
Sg.  54,  2  snemr  an  [pi'<]  lu/ijgir)  schwächer  betont  ist.  —  Ebenso  besteht 
keine  logische  bindung  zwischen  adv.  und  verbalnomen  in  iJrk.  10,  5  opt 
sitjandi:  das  adv.  gehört  zu  dem  adv.  fin.  der  zugehörigen  halbzeile.  — 
Ein  fehler  ist  nach  dem  schema  entschieden  G}'.  2,  6, 1  \cngi  hvarfapak. 
Das  adv.  ist  hier  jedoch  nicht  völlig  proklitisch  und  ist  ausserdem  durch 
die  anaphorischc  widerholung  genügend  aus  seiner  unbetonten  Stellung  ge- 
hoben. Der  logische  nachdruck  liegt  überdies  auf  dem  verb.  flu.  —  Der 
umgekehrte  fall,  dass  das  verb.  fin.  in  eingangssenkung  eines  C  steht,  be- 
gegnet nur  in  i,  in  4  C:  HH.  1, 16, 1.  22,  1.  30,5.  (ihv.  i),  3.  Im  hinblick 
auf  die  übrigen  /9iC  und  namentlich  die  3  /9iD  (von  denen  einer  sogar 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  153 

ein  D'  ist)  dürfen  die  genannten  fälle  als  nener  beweis  für  die  oben  s.  137 
angesetzte  übergangsform  D  -C  angesprochen  werden. ')  Eine  andere  rhyth- 
misieruug  vermag  den  widersprach  mit  dem  satzaccent  nicht  zu  lösen.  — 
In  HH.  1, 48, 3,  wo  der  hsl.  text  sggpu  stripliga  ebenfalls  ein  verbum  in 
proklise  zeigen  würde ,  ist  mit  Sievers,  Beitr.  6,  317  die  ältere  nebenf orm 
des  adv.  einzusetzen.  Ausserdem  findet  sich  noch  in  ii  ein  zweifelhafter 
fall:  Hym.  20,  8  at  rüa  lengra,  in  dem  gegen  die  regel  von  der  Stellung 
des  hauptstabes  und  besonders  gegen  die  rhythmische  qualität  des  typus  C 
(§  52)  die  all  Iteration  auf  zweiter  hebung  steht.  Eine  Umstellung  zu  F, 
wie  sie  bereits  die  Kopenhagener  ausgäbe  vorgenommen  hat,  ist  zum  min- 
desten möglich. 

Zu  den  obigen  11  /?Ni,  die  zu  bedenken  anlass  geben  könnten,  ist 
noch  zu  bemerken,  dass  7  von  ihnen  auf  den  typus  B,  6  auf  den  typus  C 
entfallen,  also  auf  typen,  in  denen  N^  rhythmisch  austössig  gewesen  wäre. 
Das  fehlen  von  doppelalliteration  (sie  steht  nur  in  2  beispielen :  Vkv.  17,  9. 
Grt.  10,  7)  zeugt  von  mangelhafter  beherschuug  der  technik.  —  Der  einzige 
N'-vers:  Hdl.  44,  8 /)o  porik  eigi  darf  als  regelmässig  bezeichnet  werden 
(s.  s.  155).  Die  A^  von  ß  sind  demnach  in  rhythmischer  beziehung  zu  A^ 
zu  stellen.  Aus  diesem  gründe  würden  die  ii  von  ß  gegen  die  natürliche 
betonung  Verstössen.  Es  ist  jedoch  zu  berücksichtigen,  dass  ebenso  wie 
das  verb.  vorausgehend  sein  normales  tongewicht  gewahrt  hat,  auch  dem 
vorausstehendeu  part.  bez.  inf.  die  betonungsstärke  der  nomina  zugekommen 
sein  muss.  Während  bei  der  Stellung  f;  beide  halbzeilen  einen  annähernd 
gleichen  proceutsatz  von  verbalnomina  aufweisen  (i  10  =  38,5  "/o  :  H  34 
=  45,3  "/o),  stehen  sich  in  Stellung  ß  i  2  =  5,8  "/o  nnd  ii  11  =  73,3  «/o 
(von  15  Versen ,  da  Hym.  20,  8  besser  auszuscheiden  ist)  gegenüber.  Die  4 
Testierenden  ii  von  ß  mit  verb.  fin.  (Bdr.  3,  4.  Sg.  18, 10  [vgl.  Bugge,  Beitr. 
22, 121].  Grp.  12,  2  Gp.  1,  26,  8)  müssen  als  fehlerhaft  gelten.  Wie  diese 
werden  auch  die  nominaverse  zum  guten  teil  durch  die  reimbequemlichkeit 
veranlasst  worden  sein.  Die  zugehörige  halbzeile  enthält  ein  upr.  bei 
Grp.  25,  2  ^egja  ggrva  (vgl.  Grp.  28,  6  =  47,  2  ggrva  segja).  bei  Vsp.  32,  6 
um  'bor/nn  sm'mma.  —  Auch  die  nominaverse  können  dem  satzaccent  nicht 
völlig  entsprochen  haben:  das  adv.  wird  mindestens  gleich  stark  betont 
gewesen  sein,  sobald  es  der  bedeiitungsgehalt  gestattete.  Als  beweis  dafür 
darf  vielleicht  prk.  25,  6  hlta  hreipara  mit  regelwidriger  doppelalliteration 
(vgl.  §  53),  desgl.  prk.  25,  4  b?7a  hvassara  mit  kreuzalliteration  angesehen 
werden.  ■ —  Die  stärkere  betonung  des  nachstehenden  adv.  geht  ferner  aus 
der  häufigkeit  des  typus  C  hervor:  u  i  34,6  "/o  :  ß  i  10,0 "/o  (4  D— C  sind 
ausgeschlossen),  a  ii  33,3  "/o  :  /?n  =  20,0%  (Hym.  20,  8  ist  ausgeschieden). 
Die  C-verse  von  ß  sind  sichtlich  durch  das  Sprachmaterial  bedingt:  i  2  02, 
1  03  :  II  3  C2.  Ferner  ist  zu  bemerken,  dass  die  voranstellung  der  adv.-präp. 
sicher  wegen  der  engen  begrifflichen  bindung  von  adv.-präp.  und  verb.  weitaus 
die  beliebtere  ist.  Das  verbum  geht  nur  in  7  i  voran  (Gj?.  1, 1,  7  [=  G]?. 
2,11,7];  Fäf.43,3.  Gp.  1, 16,  5  [=  Sg.  29,  7].  Sg.  29, 5.  Grp.  21,  4),  in  ii  nie. 


1)  Vielleicht  darf  auch  für  prk.  10,  5  o^tt  sitjanda,  desgleichen  Gp.  2,  6, 1 
\engi  hvarfapaJc  eine  gleiche  rhythmisierung  angenommen  werden. 


154  WENCK 

§  'l'y.  VoUadverbium  und  liilfsverbum  bilden  fol- 
gende verse: 

«)  Das  adverbiinii  voraiistehend:  Erste  halbzeile:  Typus 
A':  Od.  22,  5.  -  Typus  B>:  Grp.  23,  5.  Sg.  41, 1.  —  Typus  C:  1111.1,35,5. 
HH.  2,21,1.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A:  Ykv.  U,  8.  41,6.  HH. 
2,1,6.  —  Typus  B:  Sg.  62,2.  Od.  33,2.  —  ß)  Das  adverbium  nach- 
stehend: Erste  halbzeile:  Typus  A:  A' :  Grp.  40,  5.  —  A'':  im.2,r2,l. 
49,5.  Hei.  1,1.  —  Typus  B^:  HH.  1,16,5.  —  Typus  C:  Grp.  2,7.  — 
Zweite  halbzeile:  Typus  A:  Br.  18,6. 

Dem  in  §24  entwickelten  ganz  entsprechend,  halten  sich  beide  Stel- 
lungen in  I  die  wage;  in  ii  ist  nur  die  voranstellung  des  adv.  berechtigt. 
Der  isolierte  (?ii-vers  enthält  daher  einen  schweren  Verstoss.  —  Fehlerhaft 
ist  die  alleinige  alliteration  des  tonlosen  hilfsverbs,  wenn  es  vorausgeht: 
Grp.  40,  5  \ildaJi  eigi  (vgl.  HH.  1, 16,  5  ef  vildi  heim),  und  wenn  es  nach- 
folgt: Od.  22,  5  peygi  [vit]  möttinn  (vgl.  Sg.  41, 1  at  ]>ey(ji  skal).  Sonst  alli- 
teriert das  voUadv.  vor-  wie  nachstehend  allein,  ohne  rücksicht  auf  die 
begriffliche  bindung,  die  wie  in  HH.  1, 16,  5  auch  in  Grp.  23,5  über  das 
niass  einer  langzeile  hinausgeht.  —  Wie  oben  begegnet  auch  hier  ein  fall, 
in  dem  beide  hebungen  im  nachstehenden  adv.  liegen  (HH.  1, 48, 3  villi 
iljotliga)  und  das  hilfsv.  regelrecht  proklitisch  gebraucht  ist.  Zu  einer 
änderung  vil  de  {IJötIa  (vgl.  Grp.  35,  7:  Sievers,  Beitr.  6,  317)  ist  ein  anlass 
nicht  gegeben. 

§  2u.  Zwei  adverbia  +  verbnm  begegnen  in  folgen- 
den beispielen: 

a)  Voll  verbura:  Stellung  «:  Verb  um  4-  adv.  +  adv. :  au)  Beide 
adverbia  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  B-:  Vsp.  29,5.  Vkv.  4,  5. 

—  Typus  C:  Rp.  37,1.  Bdr.  2,5.  A'kv.  7,3.  Grt.  22,1.  HHv.  3,7.  — 
Zweite  halbz.:  Typus  C:  Grt.  21,8.  —  ßß)  Verbnm  und  ein  adv. 
in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  A-:  prk.  15,3.  —  Typus  0:  D^:  R)i. 
5,3.  Hdl.  46,1.  —  D':  Vkv.  11,1.  —  Typus  E>:  Gp.  2,18,7.  —  Zweite 
halbz.:  Typus  A^:  Vkv.  38,  4.  —  Typus  E':  HHv.  43,  2.  —  Stellung  ;:;: 
Adv.  4-  verbum  -f  adv.:  Erste  halbz.:  Typus  A'*:  Sg.  8, 1.  —  Typus 
Fa':  l\p.  35,1.  —  Typus  E':  Ep.  23,1.  25,1.  42,1.  Sg.  62,1.   Gp.  2,'l9,  5. 

—  Zweite  halbz.:  Typus  A:  Vsp.  44,6.  Hdl.  20,6.  —  Typus  B:  Sg. 
27,  6.  —  Typus  C:  Gp.  3, 1,4.  —  Stellung  /:  Adv.  +  adv.  +  verbum: 
Erste  halbz.:  Typus  C:  Sg.  45,  5.  —  Zweite  halbz.:  Typus  A: 
Vsp.  1,6  (H).  —  Typus  C:  Vkv.  18,8.  Sg.  68,4. 

b)  Hilfsverbum:  Stellung  «:  ««)  Erste  halbz.:  Typus  B': 
Grp.  19,7.  —  Typus  C:  C:  Grp.  18,3.  —  C'^:  Vsp.  16,5.  —  ßß)  Zweite 
halbz.:  Typus  D:  Hdl.  17,8  (=18,10.  31,4.  34,4.  36,4.  39,4).  — 
Stellung  ß:  Erste  halbz.:  Typus  A:  A>:  Grp.21,5.  —  A":  Vsp.  61, 1. 
Grp.  41, 5.  —  Stellung  y:  Zweite  halbz.:  Typus  B:  Sg.  11,2. 

1)  Am  einfaclisten  und  klarsten  liegen  die  Verhältnisse 
bei   der   mittel  Stellung  (ß)   des  verbums  (vollv.),   insofern 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  155 

dieses  mit  ausnähme  von  zwei  ii  (Sg.  27, 6  hvi  gegnir  nü,  G}?. 
3, 1,  4  hvi  [pi(]  hlcer  [Jjh]  ceva),  wo  der  adverbiell  gebrauchte 
instr.  des  interrog.-pron.  ganz  normal  proklitisch  ist,  überall 
zum  vorausgehenden  adv.  in  enklise  tritt,  nach  den  obigen 
erörterungeu  auch  bei  gleichem  anlaut:  El\  35, 1.  42,1  (voca- 
lisch).  Das  nachdrucksverhältnis  von  volladv.  zu  nachfolgen- 
dem vollverb  ist  also  dem  oben  für  gen.  +  siibst.,  adi.  +  subst. 
festgestellten  ganz  analog.  Infolgedessen  kann  das  zweite  adv., 
ganz  gleichgiltig  welcher  herkunft,  stets  die  zweite  hebung 
einnehmen.  Nur  einmal  (Sg.  8, 1  o^H  gengr  innan)  alliteriert 
es  (ein  volladv.)  mit. 

Bei  den  Stellungen  a  und  /,  bei  denen  beide  adv.  neben- 
einander stehen,  kommt  es  auf  die  begriffliche  bindung  an. 
Bei  Stellung  «  trägt  das  vorausgehende  verb  in  den  i  und  ii 
von  ßß  die  erste  hebung,  eines  der  adv.  muss  also  in  Senkung 
treten. 

Die  rhj'thmisierung-  der  N'-fälle  ist  z.  t.  etwas  zweifelhaft.  Nur  prk. 
15,3  yissi  xel  fram  ist  diirch  die  doppelalliteration  festgelegt,  und  zwar 
ist  die  enklise  des  zweiten  adv.  nach  §  27  normal.  Vkv.  11. 1  sat  svä 
lengi  ist  trotz  der  schwankenden  behandlung  von  svd  (s.  unten)  als  D^  zu 
nehmen,  da  ein  A^  nach  §  21:  fehlerhaft  sein  würde  (vgl.  unter  2:  Hdl.  17,  8 
etc.).  Gy.  2, 18,  7  sitr  eigi  her  und  HHv.  43,  2  'kom'k  enji  äpr  sind  E,  wie 
weitere  parallelen  unten  zeigen  werden.  Vgl.  den  genannten  vers  Hdl. 
44,  3  (§  24,  s.  153).  In  Übereinstimmung  mit  dem  satzacceut,  aber  im  wider- 
sprach mit  den  metrischen  regeln  (vgl.  §  50)  befindet  sich  Vkv.  34,  4  sat 
pä  e,ptir,  der  zugleich  die  tonlosigkeit  und  füllselnatur  des  pron.-adv.  gut 
illustriert.  Die  beiden  restierenden  i:  Hdl.  46, 1  ?,nuÖu  braut  hepan,  Rp.  5,  3 
reis  [/(«n«]  upp  papan  sind  D^:  das  nachstehende  adv.  besitzt  (vgl.  §  24) 
im  vergleich  zum  vollverb.  das  höhere  tongewicht,  muss  also  zweite  hebung 
erhalten :  das  zweite  adv.  kann  um  so  leichter  gedrückt  werden,  als  es  be- 
grifflich dem  ersten  adv.  nichts  wesentliches  hinzufügt  und  für  den  Zu- 
sammenhang entbehrt  werden  könnte.  Jedes  bedenken  wird  durch  die 
C-verse  der  gruppe  aa  zerstreut,  in  denen  bei  völlig  gleicher  logischer 
Verknüpfung  das  zweite  adv.  zum  ersten  in  enklise  getreten  ist.  Da  pro- 
klise  des  vollverbs  fehlerhaft  sein  würde,  ist  wie  in  §  24  die  rhythmisierung 
D— C  anzunehmen,  und  zwar  um  so  eher,  als  durchgehends  N^  steht.  Das 
verbum  muss  allerdings  die  eingangssenkung  der  zwei  B-verse  der  gruppe 
au  bilden,  da  die  beiden  adverbien  vollständig  coordiniert  sind  (wegen  der 
doppelalliteration  vgl.  §35,2):  Vsp.  29,5  sä  [hön]  \itt  oh  ritt,  Vkv.  4,5 
genyii  üt  oTc  hin  (vgl.  s.  145,  anm.  8). 

Bei  Stellung  /  sinkt  das  zweite  adv.  ebenfalls  in  enklise 
zum  ersten,  wenn  es  mit  diesem  begrifflich  verbunden  ist: 


15C  WENCK 

Vsp.  1,6  yd  fram  teljaJ:^)  (vg-1.  prk.  15,  3).  Gehört  aber  das 
zweite  adv.  logisch  zum  verhuni,  so  muss  es  unbedingt  die 
liebung  erhalten. 

Ein  pron.-adv.  (Sg.  ib,i)  ßnrs  [ho)i]  ajytrhorhin)  kann  ohne  weiteres 
proklitiscli  gebraucht  werden,  zweifelhafter  ist  dies  bei  srä  (Sg.  68,  4  srd 
endr  lagip)  (vgl.  §  27)  und  sicher  fehlerhaft  bei  dem  teraporal-adv.  (r  in 
Ykv.  18,  8  (E  ijar{ri\  borinn.  Da  adv.  +  part.  (fjarhorinn  ist  metri  caiisa 
zu  lesen,  vgl.  Fritzuer,  Ordbog)  eine  toneinheit  (verbalformel)  bilden,  kann 
das  adv.,  wie  hinter  der  verbalformel,  so  auch  vor  derselben  in  hebung 
treten.  Wofern  man  nicht  D''  anzusetzen  beliebt,  darf  die  rhythmisierung 
D — C  für  sicher  gelten. 

2)  Wie  das  vollverbum,  so  steht  auch  das  hilfsverbum 

bei  Stellung  ß  in  Senkung,  ohne  jedoch  die  nebenhebung  eines 

E  zu  tragen  (vgl.  die  fünf  E  unter  a,  (i).    Bei  Stellung  a  steht 

es  daher  regelrecht  proklitiscli,  mag  die  grammatische  biudung 

der  adv.  sein,  welche  sie  wolle. 

Der  eine  stefartige  vers  ii  Hdl.  17,  8  etc.  \ili  enn  lengra  (der  trotz  des 
fehleus  eines  Stabes  auf  dem  ersten  adv.  als  D  zu  rhythmisieren  ist,  vgl. 
Grt.  21, 8  =  22, 1)  ist  daher  sehr  befremdlich.  In  dem  isolierten  beispiel 
von  }'  bildet  das  hilfsv.  zweite  hebung,  das  erste  adv.  (ein  pron.)  steht  ganz 
correct  proklitisch.  Da  in  i  das  hilfsv.  durehgehends  in  Senkung  steht,  so 
zeigen  diese  verse  aufs  beste  den  nachdrucksunterschied  zwischen  sinn- 
vollerem und  bedeutungsschwachem  adv.  (meist  pronominaler  herkunft). 
Letzteres  rauss  in  erster  oder  zweiter  hebung  stets  dem  ersteren  die  alli- 
teratiou  überlassen.  Doppelalliteration  findet  sich  nur  einmal:  Vsp.  16,5 
pat  mtin  se  nppi,  wo  beide  adv.  für  deu  Zusammenhang  gleich  wichtig  sind. 

3)  In  einem  vereinzelten  fall  stehen  drei  adverbia  und 
ein  vollverb  nebeneinander:  Ghv.  8,  3  svd  kemsk  meirr  aptr. 
Ein  Widerspruch  gegen  den  satzaccent  ist  nicht  ersichtlich 
(vgl.  §  35,  3). 

B.    Adverbium  und  nomen. 

Das  tonverhältnis  und  damit  die  alliterationsstellung  bei 
der  Verbindung  des  adv.  mit  einem  nominalen  nomen  hängt 
allein  von  der  frage  ab,  ob  zwischen  den  beiden  zur  halb- 
zeile  vereinigten  Worten  ein  logischer  Zusammenhang  besteht 
oder  nicht. 

a)    Adverbium  und  adjectivuni. 

§  27.  Da  das  einfach  steigernde  und  das  begriffsadver- 
bium  (Sievers  a.a.O.)  sich  zum  adj.  genau  so  wie  zum  parti- 

*)  Die  la.  von  R  yd  fyrteljak  ist  zu  §  24  zu  ziehen,  da  fyrtelja  eines 


ALLITERATION  IM  EDD.  FORNYEDISLAG.  157 

cipialadj.  und  adv.  verhalten,  sind  die  beispiele  mit  participial- 
adj,  bez.  adj.  im  folgenden  mit  denen  mit  adj.  zusammen  be- 
handelt: 

«)  Das  adv.  vorausteheiid:  Erste  halhzeile:  Typus  A:  A': 
Vkv.37,7.  —  A^:  Sg.  18,  7.  Grp.21,7.  Ghv.  3,  3.  —  Typus  D''^:  Grp.  10,  3. 
—  Zweite  halbzeile:  Typus  A:  Vkv.  27,  6.  HH.  2,  24, 10.  Fäf.40,6.  Sg. 
13,6.  Hei.  14,2.  —  Typus  C:  Sg.  25,6.  Od.  18,6.  —  Typus  D:  Hym. 
16,4.  Hdl.  44,2.  —  ß)  Das  adv.  nachfolgend:  Erstehalbzeile: 
Typus  C-':  Br.  8,7.  —  Typus  E':  Vsp.  8, 7.  Hdl.  35, 3.  49,7.  HH. 
2,47,3.   Hei.  5,3.   —   Zweite  halbzeile:   Typus  A:   Hym.  19,6.  HH. 

1,  45,  2  (=  HH.  2,  23,  2). 

Das  material  ist  sehr  spärlich,  doch  sind  zur  erörterung 
der  nachdrucksabstufung  gerade  diese  beispiele  in  erster  linie 
zu  berücksichtigen,  weil  fremde  einflüsse  hier  so  gut  wie  aus- 
geschlossen und,  wenn  vorhanden,  leichter  zu  controlieren  sind.') 
Nach  den  aufgeführten  beispielen  zu  urteilen,  kann  der  für  das 
wgerm. -)  aufgestellte  nachdrucksunterschied  zwischen  rein 
steigerndem  und  begriffsadv.  in  der  Edda  wenigstens  nicht  mehr 
in  so  ausgeprägtem  grade  vorhanden  sein:  das  rein  steigernde 
adv.  ist  der  analogie  des  begriffsadv.  gefolgt,  doch  schwankt 
die  behandlung.  In  proklitischer  Verwendung  solcher  adverbia 
ist  somit  eine  altertümlichkeit  zu  erblicken.  —  Was  die  Stel- 
lung anlangt,  so  ist  bei  keiner  der  beiden  adverbialkategorien 
in  I  eine  Vorliebe  für  die  eine  oder  andere  Stellung  bemerkbar, 
in  II  dominiert  Stellung  a.  Daraus  ergibt  sich  ein  grösseres 
nachdrucksgewicht  für  das  voranstehende  adv. 

Es  sind  jedoch  die  verse  zu  berücksichtigen,  in  denen  das  bloss  stei- 
gernde adv.  in  eingangsseukung  vorausgeht:  ii:  svä  Sg.  25,  6,  heldr  Od.  18,  6 
(vgl.  Hei.  1,7,  s.  152).  In  i  stehen  diesen  eine  weit  grössere  zahl  beispiele 
gegenüber:  Grp.  21,7  ne  in  heldr  iramviss,  wol  auch  Ghv.  3,3  tie  in  heldr 
hugpir.  Vkv.  37,  7  ne  svä  gfliujr  verstösst  gegen  den  satzaccent  (vgl.  §  48). 
Stets  proklitisch  werden  in,  at  (vor  comparativ),  til  gebraucht:  Sg.  18,  7  ne 
in  mcetri  (vgl.  §  30).  Werden  diese  wörtchen  selbst  wider  durch  ein  adv. 
gesteigert,  so  treten  sie  zu  diesem  in  euklise:  Hei.  1,  4  als  til  lengi,  HH. 

2,  24, 10  'helzti  snjcdlir.  In  i  würde  somit  nur  in  Grp.  10,  3  heldr  horskliga 
das  voranstehende  adv.  hebung  und  alliteration  tragen  (s.  unten).  —  Nach- 
stehend nimmt  das  adv.  stets  die  zweite  hebung  ein,  es  alliteriert  jedoch 


der  wenigen  echten  verbalcomposita  des  an.  ist  und  deshalb  auch  als  ein 
wort  geschrieben  werden  muss. 

')  Vgl.  besonders  §  30, 1. 

2)  Rieger  s.  26.  Sievers  §  26, 1.  2. 


158 


WENCK 


unr  in  dem  isolierten  C  Br.  8,7  ef  [liauii]  \enffr  \itli<  mit,  und  zwar  wol 
nur  deshalb,  weil  die  versbetounug  dem  satzacccut  widersprach.  Die  Stel- 
lung ji  ist  in  den  A-beispiclen  von  ii  offenbar  dem  reim  zuliebe  eingetreten 
(die  zugehörigen  halbzeilen  von  IIH.  1,45,2  =  HH.  2,23,2  enthalten  ein 
npr.),  in  den  E  von  i  ist  sie  ohne  zweifei  beabsichtigt:  bei  normaler  Stellung 
(«)  hätte  das  adv.  (dnrchgchends  nijpk)  in  erster  hebung  eines  D  stehen 
müssen  und  die  zweite  (dominierende,  vgl.  §  53)  hätte  das  enklitische  adj. 
erhalten:  ein  unüberbrückbarer  gegensatz  zwischen  vers- und  Satzbetonung, 
den  man  zu  vermeiden  bestrebt  war.  Denn  in  den  beiden  D-beispielen  von 
II  mit  Stellung  a  war  der  ausweg  einer  Umstellung  ebenso  unmöglich  wie 
proklitische  Verwendung  des  adv.  (vel,  enn)  fehlerhaft  gewesen  wäre.  Bei 
einem  vergleich  mit  den  C-beispielen  derselben  Stellung  erscheint  es  daher 
sehr  zweifelhaft,  ob  der  gleiche  anlaut  von  hcldr  in  Grp.  10,  3  für  die  Zu- 
ordnung zu  D  als  entscheidend  angesehen  werden  darf. 

b)   Adverbium  und  substantivum. 

§  28.    a)  Volladverbium.    Bestellt  keine  logische  bin- 

dung-  zwischen  adv.  und  nomeu,  wie  es  beim  subst.  der  fall 

ist,  so  macht  sich  das  natürliche  nachdrucksgewicht  der  beiden 

Wörter  wider  geltend.    Folgendes  material  steht  der  discussion 

zu  geböte: 

ß)  Adverbium  +  substantivum:  Erste  halbzeile:  Typus  A 
A»:  HH.  2,12,3.  —  A-:  Hdl.  8,1.  Gj'.  1,19,7.  Sg.  12,7.  —  A":  HHv.  3,5 
Gp.  1,2,5  (=5,1.  11,1).  21,1.  —   Typus  B:  B':  Hym.  21,5.  —  B^:  HH 

2.8.3.  —  Typus  C:  C:  Hym.  1,1.  Rg.  15,5.  —  C*:  Hym.  26,3.  28,1 
Vkv.  4,9.  —  Typus  D-:  V.«p.  62,7.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A 
Vsp.  38,  6.  Hym.  10,  4.  23,  4.  prk.  32, 10.  Hdl.  19,  6.  46,  6  (=  47,  6).  Vkv 
33,14.  40,4  (=41,4).  Grt.  19,6.  HHv.  11,6.  Grp.  2,2.  22,4.  Br.  5,2.  G|> 
2,16,8.  —  Typus  B:  Bdr.  4,2.  Grt.  19,2.  G\>.  2,7,6.  —  Typus  C:  Grt 
16,6.  HH.  2,13,2.  —  Typus  D:  Hym.  27,4.  Vkv.  20,4.  —  Typus  F 
Sg.  14,4. 

ß)  Substautivum  +  adverbium:  Erste  halbzeile:  Typus  A: 
A':  Hym.  19,3.  22,7.  Hdl.  14,3.  Grp.  21,3.  —  A-^:  Vsp.  65,3.  Hym.  23,7. 
Hei.  14,7.  —  Typus  B':  HH.  1,12,3.  Sg.  50,3.  —  Typus  C:  C:  Gp. 
2,43,7.  —  C»:  Vkv.  8,3.  Grt.  12,3.  —  Typus  D:  D':  Od.  22,3.  -  D-: 
Hym.  18,5.  Bdr.  6,7.  —  Typus  E' :  HHv.  43,3.  Br.  18,3.  Hei.  8,3.  — 
Typus  F^:  HH.  2,21,3.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A:  Hym.  2,2. 
18, 8.  27, 10.  29, 6.  31,  6.  37,  4  prk.  26, 2  (--  28, 2).  Bdr.  9, 2.  Vkv.  1,  2.  HH. 

1.4.4.  12,2.  13,6.  27,8.  30,2.  54,2.  HH.  2,36,8.  HHv.  40,8.  Grp.  20,4. 
28,8.  51,6.  Gp.  1,16,4.  Gp.  2,29,8.  Sg.  12,4.  -  Typus  C:  Vsp.  2,8. 
41, 6.  43, 6  (=  prk.  8, 4  =  Grt.  11,  4).  Hym.  29, 8.  35, 6.  Bdr.  3,  2.  Vkv. 
37,10.  HH.  1,41,4  (=  HH.  2,  33,  8).  Grp.  22,2  {=  Gp.  1,17,6).  Br.  14,4. 
Sg.  58,6.  69,2.  Od.  1,6  (C-).  —  Typus  D:  Hym.  7,2.  Grt.  20,6.  21,2. 
HH.  1,42,8.  Grp.  49,6.  Sg.  22,6.  Od.  10,4.  —  Typus  E:  Hym.  8,  6.  36,4. 
HH.  1,26,2.  HHv.  7,6.  Gp.  1,  2,2.  —  Typus  F :  Br.  12,8. 


ALLITERATION   IM    EDD.   FORNYKDISLAG.  159 


Somit  ergibt 

sich  folg 

ende  tabelle: 

A 

B          C 

D 

E 

F 

a)      I      17 

:           9 

2          5 

1 

— 

— 

II      24 

:         16 

3          2 

2 

— 

1 

ß)      I      19 

:           7 

2          3 

3 

8 

1 

II      54 

:         24 

—        17 

7 

5 

1 

Die  mindertonigkeit  des  adv.  geht  deutlich  aus  der  liäufig- 
keit  der  beiden  Stellungen  in  ii  hervor,  insofern  sich  die  nach- 
stellung  des  adv.  in  69,2  ^!q  aller  ii  vorfindet.  In  i,  wo  wegen 
der  grösseren  rhythmischen  freiheit  weder  die  eine  noch  die 
andere  Stellung  vorherseht,  zeigt  sich  der  geringere  nachdruck 
der  adv.  in  der  alliterationsstellung.  Nach  abzug  der  unten 
zu  erörternden  ausnahmen  ergibt  sich  für  die  Stellung  a: 
3  N'  :  8  N2  :  5  N3  (A»),  für  die  Stellung  /?:  11  N'  :  8  N^.  Wie 
das  vollverb,  so  kann  auch  das  volladv.  nur  voranstehend,  und 
zwar  nur  ausnahmsweise,  allein  alliterieren. 

Verschiedene  gründe  können  zur  erklärung  dieser  anomalien  angeführt 
werden.  HH.  2, 12,  3  gcer  ä  morgtm  ist  mit  Hdl.  46,  6  =  47,  6  tti  ä  nötium 
zu  vergleichen,  wo  ebenfalls  ein  adverbial  gebrauchter  nominaler  ausdruck 
zu  gunsten  des  voraustehenden  adv.  der  alliteratiou  entbehrt.  Wahrschein- 
lich ist  also  auch  hier  der  satzaccent  gewahrt  (vgl.  auch  Grt.  19,  6  hinig 
af  bragdi).  .In  den  beiden  anderen  N' -fällen  von  i  wäre  N^  rhythmisch 
anstössig  gewesen.  Das  fehlen  von  doppelalliteration  besonders  in  Rg.  15,  5 
ef  meirr  tyggja  \  (mtoiar  cd  scekja)  verrät  schlechte  technik.  Wirkung  der 
reimverlegeuheit  zeigt  sich  deutlich  bei  dem  verse  Hym.  21,  5  en  aptr  i 
shut,  dessen  zugehöriger  zweiter  halbvers  ein  upr.  enthält.  Dem  alliterations- 
bedürfnis  verdankt  auch  die  bedeutende  zahl  der  «-beispiele  von  ii  ihren 
Ursprung.  Ein  npr.  enthalten  Hdl.  19,  6.  Grp.  22,  4.  Br.  5,  2.  G]?.  2, 16,  8. 
Vkv.  20,  8.  0  Nicht  minder  häufig  ist  die  voranstelluug  des  adv.  durch  das 
Hildebrandsche  gesetz  veranlasst:  Vsp.  88,6.  Hym.  10,4.  28,4.  Hdl.  46,6 
(=  47,  6).  Vkv.  40,  4  (=  41, 4).  Grt.  19,  6.  Grp.  22,  4;  ganz  eclatant  in  Hym. 
27,4  vatt  mep  austri  \  wpp  Jggfüki  und  Vkv.  20,8  vel  gerpi  heldr  \  hvatt 
Nipapi  (vgl.  s.  157).  Rhetorisch  verständlich  ist  HHv.  11,  6  ia^st  at  lifi,  desgl. 
Grt.  16, 6  en  ofan  Jculpi  wegen  des  gegensatzes.  In  Grp.  2,  2  heima  i  landi 
enthält  das  subst.  eine  überflüssige  bestimmung  des  adverbialbegriffs ,  es 
kann  daher  unmöglich  ein  grösseres  tongewicht  besessen  haben.  —  Ferner 
müssen  die  verse  als  normal  bezeichnet  werden,  in  denen  das  adv.  prä- 
positionale  functiou  angenommen  hat  und  der  natürlichen  Wortfolge  gemäss 
voransteht:  Vkv.  33,14  hman  Jiallar'^),  Br.  5,2  sunnan  Binar,  desgl.  Bdr. 


')  Die  zugehörige  erste  halbzeile  enthält  ein  npr. :  prk.  32, 10  (ist  höchst- 
wahrscheinlich prosa).  Hdl.  19,  6.  Vkv.  40,  4  (=  41,4).  Br.  5,  2.  Gp.  2, 16,  8. 
Bdr.  4, 2. 

2)  Vgl.  Paiüs  Grundi-.  1^  896. 


160  WENCK 

4, 2.  Grt.  19, 2.  Ebenso  wird  die  alliteration  der  iiomiiialeu  adv.  regel- 
mässig sein:  heim  Hyin.  10,4,  heima  Grp.  2,  2,  /)/>•  handan  G\>.  2,7,6,  vgl. 
auch  HHv.  11, 6  fccst  at  lifi.  Die  nicht  unbedeutende  zahl  der  verse  mit 
doppelalliteratiou  zeigt  deutlich,  dass  das  voUadv.  nicht  ganz  unbetont  ge- 
wesen ist.  Zur  beurteilung  der  a  mit  doppelalliteration  vergleiche  man  das 
s.  137  zu  C'^  bemerkte.  Ausserdem  ist  zu  berücksichtigen,  dass  das  Ililde- 
brandsche  gesetz  auch  in  i  seine  Wirkung  ausgeübt  hat  (vgl.  oben  Rg.  15,  5. 
Hym.  26,  3.  Vkv.  4,  9).  Der  isolierte  zweite  halbvers  Od.  1,  6  fi/r  jorp  ofan 
(ii)  zeigt  jedoch  schlechte  technik,  ebenso  wie  zwei  weitere  ausnahmen,  in 
denen  das  adv.  in  eingangssenkung  vorausgeht:  Hym.  1, 1  är  xaltivar,  HH. 
2,13,2  fyn-  ä  langskipum.^)  Im  zweiten  fall  kann  der  fehler  durch  Strei- 
chung des  entbehrlicheu  adv.  (Sievers,  Beitr.  6,  341)  beseitigt  Averden,  im 
ersten  ist  wider  die  rhythmisieruug  D — C  möglich.  Beachtenswert  ist  die 
Übereinstimmung  dieser  beispiele  mit  den  in  §  24  (s.  153,  anm.)  erörterten 
ausnahmef allen ,  in  denen  es  sich  gleichfalls  um  ein  temporales  adv.  handelte. 
Doch  kann  man  wcgeu  dieser  beispiele  nicht  von  grösserer  mindertouigkeiit 
der  temporaladverbia  reden,  wegen  der  grösseren  zahl  regelmässiger  verse 
(vgl.  etwa  Hdl.  19,  6.  Sg.  14,  4  etc.).  Hinsichtlich  der  nachdrucksstärke  des 
adv.  sind  die  5  A^  von  «  sehr  instructiv,  insofern  da  die  erste  hebung  von 
eigi,  peygi,  svä  gebildet  wird,  deren  geringere  begriffs-  und  tonfülle  schon 
oben  s.  154.  155.  156.  157  hervorgehoben  wurde. 

§  29.  ß)  Das  pronominaladverbium  iiiiiss  in  Verbindung 
mit  einem  nomen')  wegen  seiner  tonlosigkeit  (s.  s.  150)  auch  bei 
gleicliem  anlaut  (Hym.  14,  7.  HH.  2,  5, 3.  Br.  18, 5)  in  eingangs- 
senkung stehen,  sobald  das  nomen  beide  hebungen  in  sich  ver- 
einigen kann.  Nimmt  das  nomen  nur  eine  hebung  (in  i  die 
zweite)  ein,  so  überlässt  das  adv.  die  erste  hebung  stets  einer 
vorangehenden  part.  bez.  conj.  Nachstehend  trägt  es  durch- 
gehends  die  zweite  hebung  (in  i  ohne  mit  zu  alliterieren). 

Die  beiden  einzigen  beispiele,  in  denen  des  adv.  in  erster  hebung 
allein  alliteriert,  (ii:  Gp.  1, 10,  6  \we7-gi  in  betra'^),  10,  8  hvergi  verri),  müssen 
als  regelmässig  angesehen  werden,  da  die  adv.,  abgesehen  von  der  rheto- 
rischen hervorhebuug  (anapher),  von  einem  indefiniten  pron.  (vgl.  §  43)  ab- 


^)  Die  falsche  Verstellung  Bugges  in  HHv.  3,  5  cigi  hriipir  pcvr  \\ ,  die 
eine  gleiche  proklise  des  adv.  zur  folge  hat,  ist  mit  Hildebrand  berichtigt 
worden. 

')  «)  Adverbium  +  subs taut ivum:  Erste  halbzeile:  Typus 
A^:  HH.  1,23,1.  Gp.  2,  4,  3.  G);.  3, 11,3.  Od.  30,  3.  —  Typus  C:  Hym.  14,  7. 
Hdl.  16,7.  HH.  2,5,3.  Br.  18,5.  Gp.  2,36,1.  —  Zweite  halbzeile: 
Typus  A:  Gp.  1,10,6.  10,8.  —  Typus  C:  Hdl.  16,4.  16,6.  —  ß)  Sub- 
stantivum  +  adverbium:  Erste  halbzeile:  Typus  E':  Grp.  34,5. 
—  Zweite  halbzeile:  Typus  A:  prk.  2,6.  HH.  1,21,2.  -  Typus  C: 
Vsp.  3, 8. 

*)  Betreffs  in  vor  comparativen  vgl.  s.  157. 


ALLITERATION   IM   EDÖ,   FORNYRDISLAG.  161 

geleitet  sind.  Gegen  diese  auffassnng  spricht  prk.  2, 6  jarpar  hvergi,  wo 
das  abhängige  nonien  dem  stilprincip  gemäss  vorausteht,  ebensowenig  wie 
Vsp.  3,  8  en  gras  hvergi,  da  hier  der  nachdruck  auf  dem  snbst.  liegt. 

Stehen  zwei  pron.-adv.  in  der  halbzeile,  wie  in  Gp.  3, 11, 3 
lu'ß  par  d  Rerlya,  desgl.  Od.  30,  3,  so  erhält  das  erste  aus  rhyth- 
mischen gründen  die  erste  hehung. 

c)   Adverbium  und  zwei  nomina. 

§  30.  In  den  versen  mit  zwei  nomina  +  adv.  gibt  der 
grad  der  logischen  bindung  für  die  hebungsfähigkeit  den 
ausschlag. 

1)  Das  eine  nomen  ist  ein  adjectivum  (adjectivisch  ge- 
brauchtes part.),  zu  dem  ein  adv.  als  Steigerung  oder  nähere 
begriffliche  bestimmung  construiert  ist: 

Erste  halbzeile:  Typus  A^:  Vsp.  31,7.  Hym.  2,3.  Sg.  66,3.  — 
Typus  D^:  Ysp.  35,7.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A:  Sg.  18,2.  64,8 
(=  Gp.  2, 10,  6).  Ghv.21,i.  —  Typus  E:  Hdl.  32,  2. 

Diese  beispiele  bieten  eine  weitere  stütze  für  das  s.  157  festgestellte, 
insofern  das  adv.  (injgk,  vel)  in  i  durchgehends ,  in  ii  nur  Hdl.  32,2  höti 
haztr  sona  das  zugehörige  nomen  in  enklise  zu  sich  zwingt,  indem  es  mit 
ihm  eine  tonisch  einheitliche  adverbialformel  bildet.  Hinsichtlich  der  alli- 
teration  muss  es  als  normal  gelten  (vgl.  s.  131,  8),  wenn  das  erste  glied  der 
formel  in  i  stets  mit  alliteriert,  mag  es  nun  die  erste  oder  die  zweite 
hebung  einnehmen ,  ebenso  wenn  es  in  dem  genannten  ii  Hdl.  32,  2  allein 
alliteriert.  —  Betreffs  der  proklitisch  erscheinenden  inn,  at  in  den  4  anderen 
II  vgl.  §  27. 

2)  In  den  anderen  fällen  ohne  begriffliche  bindung  des 
volladv.  mit  einem  der  nomina  ist  die  Stellung  des  adv. 
wichtig,  da  es  als  schwächer  betontes  wort  nur  dann  eine 
hebung  beanspruchen  kann,  wenn  die  nomina  in  einem  engen 
rectionsverhältnis  stehen.  Es  zeigt  sich  hier  ein  ähnliches 
bild  wie  s.  141  f.:  ein  grund  mehr,  die  nachdrucksstärke  des 
volladv.  der  des  voUverbs  gleichzusetzen.  Folgendes  material 
steht  zui'  Verfügung: 

Stellung  «:  Adverb  +  nomen  +  nomen:  i:  Typus  C:  HH.  1, 
36,9.   —  Typus  D^:  Hym.  35,3.   —   ii:  Typus  D:  Hym.  2,8.  G^  3,1,2. 

—  Stellung  ß:  Nomen  +  adverb  +  nomen:  i:  Typus  E:  Br.  13,  7.  — 
ii:  Typus  E:  Hym.  34,  4.  Grt.  23,  8.  HH.  1,  50,  2.  —  Stellung  y.  Nomen 
+  nomen  +  adverb:    i:    Typus  A:    A':    G]>.  2,9,7.   —   A'«:    Vsp.  66,3. 

—  Typus  E':  Grp.  26,3.  —  ii:  Typus  A:  Hym.  24,4.  33,8.  Ep.  6,2 
(=  20, 2.  33, 6).  HH.  1, 29, 2.  Grp.  10,  6.  Fäf.  33, 6.  Sg.  2,  6.  Gp.  2, 23, 2. 
Od.  31,  2.  —  Typus  E:  Vsp.  53, 2. 

B  S.träge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXI.  ][J_ 


1G2  WENCK 

Wie  oben  ist  bei  zwisclienstellung-  des  adv.  (,?)  die  bilduiig  einer 
nomiualfoimel  ausgeschlossen.  Das  adv.  ist  jedoch  träger  der  nebeuhebung. 
Die  bedeutung  der  begrifflichen  bindung  zeigen  prk.  24,4  ql  fram  horit, 
Grt.  17, 6  \\vilp  vel  gefa,  in  denen  bei  gleicher  Stellung  das  adv.  die  zweite 
hebung  (eines  D)  erhalten  kann,  da  es  mit  dem  zweiten  nomen  (=  inf., 
part.)  zur  verbalformel  (s.  152)  verschmilzt.  Die  Stellung  a  ist  sehr  schwach 
vertreten,  und  jedenfalls  deshalb  so  unbeliebt,  weil  das  adv.,  wenn  es  nor- 
malerweise in  erster  hebung  stand,  mit  dieser  Stellung  zugleich  die  alli- 
teration  (in  ii  die  alleinige'))  und  das  dynamische  übergewicht  bekam, 
andrerseits  wenn  es  in  Senkung  vorausgieng,  ebenso  unnatürlich  gedrückt, 
wie  es  im  ersten  fall  erhöht  wurde.  Unregelmässig  ist  also  HH.  1, 3G,  9 
opt  sp>  ?,ogin  (vgl.  s.  152.  160),  wo  das  adv.  (temp.)  proklitisch  sein  muss. 
Ebenso  fehlerhaft  ist  H}Tn.  2,8  opt  sumhl  gera,  wo  dasselbe  adv.  trotz 
mangels  einer  formel  in  erster  hebung  steht:  ein  untrügliches  zeichen  für 
skaldische  techuik.  —  Die  Stellung  /  ist  am  allerhäufigsten,  besonders  in  ii, 
wo  sich  wider  das  §  18, 8  (s.  131)  erörterte  stilprincip  geltend  macht.  Das 
adv.  trägt  durchgehends  die  zweite  hebung  (vgl.  §  20,  5,  s.  148).  Ist  dies 
in  den  versen  mit  einer  nominalformel  (vgl.  §  18,  3  und  -1)  ohne  weiteres 
klar,  so  könnte  man  bei  Od.  31,2  iar  sund  yfir  schwanken.  Die  anomale 
enklise  des  zweiten  subst.,  das  zum  ersten  nicht  in  einem  rectionsverhältnis 
steht,  lässt  sich  dadurch  rechtfertigen,  dass  hier  der  einzuschlagende  weg 
schon  im  begriffe  des  schiffes  eingeschlossen  ist. 

3)  Pronominales  adverb  stellt  in  Verbindung  mit  zwei 
nominibus,  wie  zu  erwarten,  nie  in  hebung.  In  den  beiden 
belegen  (Sg.  46,3.  Hei.  3,7)  ist  es  proklitisch. 

C.    Adverbium,  verbum  finitum  und  nomen. 

a)  Yolladverbium  +  verbum  +  nomen. 

§  31.     1)  Vollverbum.    Material: 

Stellung  1:  Nomen  +  verbum  +  adv.:  Erste  halbz.:  Nomen 
und  adv.  in  hebung:  Typus  A:  A':  Vsp.  50,1.  51,1.  —  A^:  Ysp.  3,5. 
4,5.  5,1.  28,1  (=Sg.  6,1).  36,1.  52,1.  HHv.  6,5.  —  Typus  E:  E':  Hdl. 
44,5.  Sg.  7,1.  —  V:  Vkv.  20,3.  —  Zweite  halbz.:  vacat. 

Stellung  2:  Nomen  +  adv.  +  verbum:  «)  Nomen  und  adv.  in 
hebung:  Erste  halbz.:  Typus  D>:  HH.  1,23,3.  Gji.  2,36,3.  —  Zweite 
halbz.:  Typus  D:  Sg.  51,4.  —  ß)  Nomen  und  verbum  in  hebung: 
Erste  halbz.:  vacat.  —  Zweite  halbz.:  Typus  E:  Hym.  14,  2. 

Stellung  3:  Verbum  -\-  nomen  +  adv.:  u)  Verbum  und  nomen 
in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  A^:  Hym.  34, 5.  —  Typus  D-:  Hdl. 
42,3.—  Zweite  halbz.:  Typus  D:  Vsp.  50, 2.  59,6.  66,6.  Grt.  23,  6.  HH. 
2,2,6.  —  ß)  Nomen  und  adv.  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  B': 
Ghv.  6,1.  —  Typus  C:  C':  HH.  2,50,5.  —  C^:  HH.  2,10,5.  —  Zweite 


')  Vgl.  s.  131, 8.  144, 3. 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNTEDISLAG.  163 

halbz.:  Typus  B:  HH.  1,56,2.  —  Typus  C:  Hyrn.  12,4.  Bdr.  7,4.  HH. 
1,  37, 4.  41, 2. 

Stellung  4:  Verbum  +  adverb  +  nomen:  a)  Verbum  und  nomen 
in  hebuug:  Erste  halbz.:  Typus  A:  A^:  prk.  2,3.  22,3.  30,3.  HHv. 
39,1.  Sg.  53,1.  G]->.  3,8,1.  —  A'^:  Vkv.  24,7.  35,3.  HH.  1,49,1.  Sg.  2G,  1. 
Gf .  3,  9,  5.  —  A^:  Vkv.  24, 1.  34,  5.  Grt.  3,  5.  Grp.  5,  5.  Sg.  65,  5.  Gp.  2, 40, 1. 

—  Typus  E:  E':  Hym.  10,5.  —  E^:  HH.  2,36,1.  —  E^:  Ysp.  33,1.  HH. 
2,51,1.   Sg.  34,5.  —  Zweite  halbz.:   Typus  A^:  Gp.  2,1,4.  Ghv.  14,2. 

—  Typus  El;  HH.  1,26,8.  33,2.  Gp.  1,15,6.  Sg.  23,6.  25,4.  Typus  Fa»: 
Ep.  38, 8.  —  ß)  Adverb  und  nomen  in  hebung:  Erste  halbz.: 
Typus  B:  B^:  Vsp.  19,  7.  —  B^:  Grp.  35,  5.  —  Typus  C»:  HjTn.  14,  7.  21, 1  A. 

—  Zweite  halbz.:  Typus  C:  Ghv.  18,  6. 

Stellung  5:  Adverb  +  nomen  -\-  verbum:  «)  Nomen  und  ver- 
bum in  hebung:  Erste  halbz.:  vacat.  —  Zweite  halbz.:  Typus  C: 
Sg.  44,10.  Gp.  2,6,2.  —  ß)  Adverb  und  verbum  in  hebung:  Erste 
halbz.:  vacat.  —  Zweite  halbz.:  Typus  E:  prk.  2,  2  (=  3,  4.  9,10.  12,4 
=  Br.  6, 4  =  Od.  3, 10). 

Stellung  6:  Adverb  +  verbum  +  nomen:  «)  Adverb  und 
nomen  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  A:  A':  Ep.  2,5  (=14,5). 
Hdl.  11, 1.  Bdr.  3,  5.  14, 1.  Vkv.  9, 3.  Gp.  1, 14, 1.  Gp.  3, 11, 7.  Od.  7,  5.  — 
A^:  Vsp.  26,5.  27,5.  40,1.  46,5.  Hym.  12,5.  29,3.  prk.  29,1.  Hdl.  10,7. 
Bdr.  2, 1.  Vkv.  4,  7.  HH.  1,  36, 1.  HH.  2, 14,  3.  Sg.  25, 1  (=  29,  3).  —  A^:  Ep. 
1, 1.  Bdr.  7, 1.  14,  3.  Vkv.  16, 1  (=  30, 1).  36,  5.  39, 1.  HH.  1, 10, 1.  26, 1. 
48,  5.  HH.  2, 15, 1.  38, 1.  42, 1.  Br.  6, 1.  Sg.  33,  3.  42, 1.  (}\>.  3,  5, 1.  Od.  4,  5. 

—  Typus  E':  Fäf.  41,8.  —  Zweite  halbz.:  Typus  A:  HH.  1,4,8.  HH. 
2,25,6.   Grp.  38,8  (=50,8).   Od.  7,  6.  —  Typus  E:  Vsp.  38,4.  Ep.  26,4. 

—  /9)  Verbum  und  nomen  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  C:  Vkv. 
19,1.  —  Zweite  halbz.:  vacat. 

Als  stärkst  betontes  wort  hat  das  nomen  stets  eine  liebimg 
zu  beanspruchen. 

Nui-  in  einem  öfters  widerkehrenden  vers  der  Stellung  5:  prk.  2, 2  etc. 
slls  fyrst  um  Icvap  ist  es  (ein  adj.)  von  der  hebung  ausgeschlossen,  und 
zwar  mit  recht,  da  es  mit  dem  steigernden  adv.  zu  einer  adverbialformel 
verschmolzen  ist  (vgl.  s.  157.  161,1).  Das  andere  extrem,  nach  dem  beide 
hebungen  im  nomen  liegen  würden,  kommt  neben  einem  voUverb  begreif- 
licherweise nicht  vor. 

Somit  erhebt  sich  die  frage,  welcher  der  an  sich  gleich- 
berechtigten concurrenten  die  zweite  hebung  einzunehmen  hat. 
Hier  ergeben  sich  erhebliche  Verschiedenheiten  nach  den  sechs 
möglichen  Stellungen. 

Die  einzelnen  Stellungen  sind  nicht  gleich  häuüg.  Am  bevorzugtesten 
ist  in  I  Stellung  6  (43  von  90  i),  am  nächsten  kommt  ihr  Stellung  4  mit  27 
belegen,  die  übrigen  sind  niu-  spärlich  vertreten  (Stellung  1 13  mal,  Stellung  3 
5 mal,  Stellung 2  3 mal),  die  Stellung 5  fehlt  ganz,  weil  sie  dem  satzaccent 
zuwider  sein  würde  (s.  unten). 

11* 


1G4  WENCK 

In  II  bietet  sich  ein  ganz  anderes  bilil.  Das  abnehmen  der  belege  in 
II  (I  DO  :  II  31))  zeigt  schon,  dass  man  die  in  rede  stellende  versfiillung  in 
11  nur  ungern  verwendete:  kein  wunder  also,  wenn  hier  ein  scharf  aus- 
geprägter gegensatz  der  Stellungen  nicht  vorhanden  ist:  Stellung 3  10 mal, 
Stellung  4  9  mal,  Stellung  5  8  mal,  Stellung  6  7  mal,  Stellung  2  Imal,  Stel- 
lung 1  fehlt  vollständig. 

Da  die  verscliiedene  liäufigkeit  ein  untrüglicher  massstab 
für  normalität  der  einen,  anomalität  der  anderen  Stellung  ist, 
darf  es  als  gesichert  gelten,  dass  die  in  i  vorhersehende  Stel- 
lung 6  die  natürliche  Wortfolge  darstellt  und  dem  gegenseitigen 
nachdrucksverhältnis  der  drei  Wörter  am  besten  entspricht. 
Da  das  adv.  nach  §  24  die  erste  hebung '),  das  stärker  betonte 
nomen  aber  die  zweite  einnimmt,  war  diese  Stellung  zugleich 
für  die  aufsteigende  erste  halbzeile  besonders  geeignet.  In 
gleichem  masse  widerstritt  sie  dem  absteigenden  rhvthmus  des 
zweiten  halbverses.  Für  ii  wäre  daher  Stellung  2,  bei  der  das 
nomen  vorangeht  und  ebenfalls  die  bildung  einer  verbalformel 
ermöglicht  ist,  sehr  passend  gewesen.  Doch  ist  sie  ganz  und 
gar  abhängig  von  der  metrischen  qualität  des  Sprachmaterials, 
weil  das  adv.  nur  in  zweiter  hebung  eines  D^)  uachdi'uck  genug 
erhalten  konnte,  um  anstandslos  über  das  folgende  verbum 
zu  dominieren  (s.  oben  s.  1G2).  Eine  Umstellung  zu  Stellung  2 
wäre  also  nur  in  den  6  E  angängig  gewesen.  Es  ist  somit 
ganz  erklärlich,  dass  sich  nur  zwei  belege  für  Stellung  2  in  ii 
finden:  Hj'm.  14,  2  Imgr  vel  ])ds  sd  muss  als  E  genommen 
werden,  da  das  adv.  begrifflich  zu  dem  in  i  stehenden  verb. 
fin.  gehört. 

Bei  der  invertierten  Wortfolge :  verbum  +  adv.  (Stellung  1 
und  4)  besitzt  nach  §  24  das  adv.  unzweifelhaft  das  grössere 
tongewicht,  ohne  dass  das  verbum  proklitisch  wäre.  Tritt 
also  ein  nomen  vor  verbum  +  adv.  (Stellung  1),  so  steht  das 


*)  Nur  in  dem  isolierten  beleg  für  ß,ß:  Vkv.  19,1  nü  ben*  Bgpvildr 
steht  das  temp.-adv.  in  eingangssenkung  (vgl.  §  19,  b.  32, 1). 

2)  Die  bildung  eines  D-veises  war  durch  die  einsUbigkeit  der  adv. 
(adv.-präp.,  da  enge  begriffliche  bindung  Voraussetzung  ist)  sowie  der  verb. 
fin.  sehr  erschwert,  wenn  man  nicht  zu  flickwörtern  seine  zullucht  nehmen 
wollte:  Sg.  51,4  orp  vipr  um  Jcvap  (vgl.  s.  130).  Trotz  des  fehlens  von  N" 
in  den  zwei  belegen  kann  nur  rhythmisierung  als  D  eintreten,  wie  auch 
aus  Otfrids  accentuicrung  hervorgeht:  vgl.  Otfr.  1,20,9b  zahuri  üz  fluzzun 
(s.  §  53). 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  165 

adv.  ganz  correct  in  zweiter  hebung,  während  das  verbiim  in 
der  Senkung  der  A  den  ihm  eigenen  nebenton  erhalten  kann, 
in  den  E  regekecht  die  nebenhebung  bildet.  Stellung  1  wäre 
also  auch  für  ii  geeignet  gewesen,  da  das  nomen  die  erste 
hebung  und  den  hauptstab  bekommen  hätte.  Das  starke 
hervortreten  der  doppelalliteration  in  i  erklärt  jedoch  das 
fehlen  der  Stellung  1  in  ii  (s.  unten).  Tritt  dagegen  ein  nomen 
hinter  verbum  +  adv.  (Stellung  4),  so  steht  bei  Schema  a  in 
22  beispielen  von  i  und  8  von  ii  das  adv.  dem  bisher  erörterten 
zuwider  in  Senkung.  Ebensowenig  können  a  priori  bei  schema  ß 
die  3  C  und  2  B  von  i  und  das  1  C  von  ii,  in  denen  das  adv. 
die  erste  hebung  bildet,  dem  satzaccent  entsprochen  haben, 
da  das  nomen  trotz  seines  grösseren  tongeAvichts  die  schwächere 
hebuug  des  verses  einnimmt  und  in  den  C  sogar  in  enklise 
zum  adv.  steht.  Zur  richtigen  beurteilung  ist  wider  die  be- 
griffliche bindung  ins  äuge  zu  fassen. 

Die  rhythmisieruug  «  ist  zunächst  bei  den  versen  normal,  in  denen 
das  adv.  (ein  rein  steigerndes)  zum  nomen  gehört.  Wie  oben  bemerkt,  ist 
es  als  nach  Wirkung  alter  technik  zu  betrachten,  wenn  svä  in  HH.  2,  36,  1 
sitlri  svd  scel  nach  analogie  von  HH.  2,  51,1  verß[u  eigi]at  svä  cßr  (Sievers, 
Beitr.  6, 321),  Sg.  65,  5  Iät[tn]  svä  \>reipa  und  til  in  Sg.  34,  5  varpJcaJc  til 
ßngp^)  (Bugge,  Ark.  2, 119),  Sg.  26, 1  ä/t  til  wngan  in  Senkung  (bez.  neben- 
hebung^)) steht.  Ferner  ist  die  tonlose  Stellung  dem  natürlichen  gewicht 
einiger  localer  und  temporaler  adv.  (nü,  vgl.  anm.  1)  ohne  zweifei  angemessen. 
Bezeichnend  ist  es,  dass  diese  wörtchen  (es  handelt  sich  hauptsächlich  iim 
Mr:  HH.  1,49,1.  HHv.  39, 1.  Grp.  5,  5.  Gp.  2,40,1,  und  nü:  Drk.2,  30-  Gp. 
3,  8, 1.  9,  5)  metrisch  z.  t.  (her  an  allen  stellen,  nü  in  Gp.  3,  8, 1)  überflüssig 
und  wol  mit  Sievers  (§  36, 13)  zu  tilgen  sind.  Höchst  unsicher  ist,  ob  ütan 
in  Vkv.24,7  sveip  [hann]  ütan  silfri  (ähnl.35,3)  normalerweise  in  Senkung 
steht.  In  einem  weiteren  fall ,  Vsp.  33, 1  pö  ceva  hendr,  kann  man  wegen 
N^  zwischen  den  beiden  rhythmisierungen  a  und  ß  schwanken.  Erstere  («) 


3)  AVährend  svä  nach  unten  zu  citierenden  versen  (§  33)  als  neben- 
hebung ganz  angemessen  erscheint,  ist  die  stärkere  betonung  des  gewöhn- 
lich proklitisch  verwendeten  tu  sehr  auffällig:  die  hsl.  la.  varpek  til  muj 
wäre  als  Fa^  zu  nehmen. 

*)  Da  in  prk.  2,  3  h.eyr\J)u\  nü,  LoJci  dem  temp.-adv.  Avegen  der  Ver- 
kürzung der  zweiten  hebung  ein  nebenton  zukommen  müsste,  ist  eine  Um- 
stellung vorzunehmen:  vgl.  Vkv.  19, 1.  Die  enklise  des  subst.  ist  wenig 
bedenklich,  da  es  sich  um  einen  vocativ  handelt.  Das  im  folgenden  hervor- 
zuhebende, besondere  verhalten  des  voc.  ist  auf  dessen  melodischen  eigen- 
schafteu  als  eingeschalteter,  selbständiger  satz  zurückzuführen:  vgl.  z.  b. 
nhd.  friss,  vogel,  oder  stirb. 


166  WENCK 

dünkt  mich  wahrscheinlicher,  da  das  tenip.-adv.  kanni  mehr  als  eine  nefjation 
ist  (vgl.  ei(ji  s.  IGO)  nnd  jiroklise  des  sinnvolleren  verh.  fin.  fehlerhaft  Aviire 
(vgl.  Ysp.  19,  5  sicndr  Je  of  grocnn  [so  nach  Sijmons  etc.]).  Sehr  auffällig 
ist  Grt.  3,  5  hap  enn  meyjar  |  (at  mala  sl-i/hJtt).  Vielleicht  darf  umgestellt 
werden.  Gegen  den  satzaccent  Verstössen  entschieden  die  verse  von  ff,  in 
denen  es  sich  um  eine  adv.-präp.  handelt  (erster  halbvers:  Tj'pus  A: 
prk.22,3.  30,3.  Vkv.  24,1.  34,5.  Sg.  53,1.  —  Typus  E:  Hym.  10,5.  — 
Zweiter  halbvers:  Typus  F:  E}).  38, 8.  —  Typus  E:  EH.  1,26,8. 
33, 2.  G\>.  1, 15, 6.  Sg.  23,  6.  25, 4).  —  Bei  der  schon  oben  s.  164  betonten 
abnähme  der  belege  in  ii  ist  es  selir  merkwürdig,  dass  sich  in  ii  eine  gleich 
grosse  zahl  dieser  anomalen  verse  vorfindet.  Die  Vermutung,  das  reim- 
bedürfnis  möge  dabei  eine  rolle  mitgespielt  haben,  ist  daher  ^^■ol  nicht  von 
der  band  zu  Aveiseu.  Entscheidend  werden  wol  rhythmische  gründe  gewesen 
sein.  Wie  in  H^'m.  14,  7  baji  senn  jgtunn  \  (ajößa  ganya)  wäre  auch  in 
den  5  A  von  i  das  nomen  in  enklise  zum  adv.  getreten,  wenn  dieses  die 
erste  hebung  hätte  tragen  sollen.  Wegen  des  bedeutenden  tonübergewicbts 
des  nomeus  über  alle  anderen  Avortklasseu  muss  eine  solche  widernatürliche 
drückung  als  fehler  empfunden  worden  sein.  Dafür  spricht  auch  die  iso- 
lierung  (s.  unten)  des  genannten  C-verses,  ferner  die  beiden  /?  i  B :  Grp.  35,  5 
heiir  iljötl{ig\a  igr,  A'sp.  19,  7  siendr  x  of  grocnn,  in  denen  das  adv.  nur 
deshalb  die  bebung  erhalten  hat,  weil  das  nomen  eine  rhythmisch  selb- 
ständigere hebung  einnehmen  konnte.  Allerdings  müssen  dann  die  E  dop- 
pelt befremden.  Da  in  i  nur  1  E  begegnet,  in  ii  aber  5,  dürfte  hier  das 
reimbedürfnis  in  anschlag  zu  bringen  sein.  Zweifelhafter  ist  es,  ob  auch 
eiufluss  des  logischen  accents  (vgl.  §  18,  4,  g,  s.  127)  anzunehmen  ist:  z.  b. 
Hym.  10,  5  gclck  inn  i  sal,  desgl.  Sg.  53, 1.  25,  4,  avo  die  durch  die  adv.- 
präp.  veranschaulichte  richtung  durch  das  verb  der  bewegung  und  das 
nom.  schon  bestimmt  ist.  Was  die  tonstärke  des  nachgestellten  adverbs 
anlangt,  so  muss  dieses  nach  ausweis  der  E  und  von  prk.  30,3  \)erip  inn 
liamar  (desgl.  Vkv.  24, 1.  34,  5,  wenn  da  nicht  die  ältere  form  haufuß  einzu- 
setzen ist)  einen  starken  nebenton  besessen  haben.  Dasselbe  gilt  auch  von 
ütan  (Vkv.  24, 7.  35, 3)  und  würde  auch  auf  die  beiden  A^  von  ii  (Gp. 
2, 1,  4  unnalc  vel  hroeprum,  Ghv.  14,  2  Jnigpumk  fyrr  hetra)  zu  übertragen 
sein,  wenn  sich  nicht  der  gedanke  an  besserung  durch  umstellen  (vgl.  die 
unter  Stellung  3  aufgeführten  belege)  so  gewaltsam  aufdrängte.  Die  letzt- 
citierten  beiden  verse  illustrieren  den  anomalen  Charakter  der  verse  oben 
z.  6  f.  aufs  beste.  Von  einer  Übereinstimmung  mit  dem  satzaccent  kann 
nicht  die  rede  sein:  auch  nhd.  ist  die  nachgestellte  präp.  stärker  betont 
als  das  verb.  fin.  Ausserdem  ist  nicht  aus  dem  äuge  zu  verlieren,  dass  die 
beispiele  für  iN'  und  Ji  den  s.  138  besprochenen  ausnahmen  anzureihen 
sind.  Von  den  ^-i^-beispielen  sind  i  Vsp.  59,1  ser  Mpp  koma,  ii  Ghv.  18,  G 
?(W[/j<]  \\in!g  renna  wegen  der  begrifflichen  bindung  des  adv.  mit  dem 
verbalnomen  (vgl.  §  30,  2)  ganz  correct.  Einer  rbytbmisierung  D— C  steht 
ebenfalls  nichts  im  wege.  Die  beiden  C  von  ß  sind  offenbar  durch  das 
sprachniaterial  (C3)  hervorgerufen.  In  Hym.  14,7  macht  sich  ausserdem 
das  Hildebrandsche  gesetz  geltend.  Hym.  21, 1  drü  mein-  Hymir  ist  wol 
überhaupt  auszuscheiden,  da  die  la.  von  K  m^rr  technisch  einwandsfrei 


I 


ALLITERATION   IM  EDD.   FORNYRDISLAG.  167 

und  trotz  Bugges  bedenken  (z.  st.)  zu  bevorzugen  ist.  Hinsichtlich  der 
alliteration  sind  Hjm.  14,  7  (Hym.  21, 1  A)  wie  Vsp.  19,  2  wegen  des  mangels 
von  doppelalliteration  fehlerhaft. 

Sind  adv.  und  verbum  getrennt  (Stellung  3  und  5),  so  kann 
das  adv.  nur  dann  im  einklang  mit  dem  satzaccent  voranstellen, 
wenn  es  mit  dem  nomen  begrifflich  gebunden  ist  (vgl.  prk.  2, 2 
etc.  und  das  fehlen  von  i- belegen  flu-  Stellung  5). 

Die  ii-heispiele  der  Stellung  5:  Sg.  44,10  enn  mein  Tcomi,  G}\  2,6,2 
\en(ji  hiigir  deildusl;  in  denen  das  adv.  zum  verhum  gehört,  sind  sichere 
zeichen  mangelhafter  technik ,  weniger  vielleicht  der  vers  Gp.  2,  6,  2,  auf 
den  das  s.  153  fussnote  zum  zugehörigen  ersten  halbvers  bemerkte  auszu- 
dehnen ist.  Wegen  der  Unsicherheit  des  sinnes  (vgl.  Gering,  Gl.  s.  211,  28) 
ist  in  Sg.  44, 10  Verderbnis  nicht  ausgeschlossen. 

Wie  bei  Stellung  4,  so  zeigt  sich  auch  bei  Stellung  3,  in 
der  das  adv.  an  letzter  stelle  steht,  ein  schwanken. 

"Wähi'end  in  1  B,  2  C  von  ß  i  und  in  5  ii  (1  B,  4  C)  das  nomen  die  erste, 
das  adv.  die  zweite  hebung  einnimmt,  steht  nach  ausweis  der  alliteration 
in  den  1  A^,  1  D-  von  «i  und  öD^  von  ii  das  verbum  in  erster  hebung, 
das  nomen  in  zweiter,  ohne  dass  eine  andere  begriffliche  bindung  eingetreten 
wäre.  Der  Widerspruch  ist  nur  durch  die  annähme  der  rhythmisieruug 
D— C  (D — B)  zu  lösen,  die  dem  verbum  und  adv.  gleich  viel  nachdruck 
verleiht.  Die  alliteration  des  verbums  in  den  5  D  von  «ii  [Vsp.  50, 2  hefsk 
lind  fyrir  etc.]  ist  durch  die  lebhaftigkeit  der  Schilderung  veranlasst  (vgl. 
§  19,  b,  s.  139).  Die  enklise  des  adv.  in  den  D  einerseits,  den  C  (B)  andrer- 
seits, noch  stärker  ausgeprägt  in  Hym.  34,  5  hd/sZ;  «  hgfiip  upp,  hat  im 
nhd.  ihre  parallele:  er  schoss  die  flinte  ab,  er  Jiob  das  bündel  auf  etc.  Die 
tilgung  von  ujyp  in  Hym.  34,  5,  die  Sievers,  Beitr.  6,  301  vorschlägt,  ist  also 
nicht  unbedingt  notwendig.  Die  hebungsfähigkeit  des  adv.  in  der  genannten 
Stellung  hängt,  wie  die  beispiele  zeigen,  von  der  silbenzahl  ab  (s.  unten). 
Der  eine  fall  mit  doppelalliteration  ist  sicher  nui'  zufällig  und  kann  kein 
argument  gegen  den  ansatz  der  rhythmisierung  D— C  (D — B)  sein. 

2)   Hilfsverb  um.    ]\Iaterial: 

Stellung  1  (vgl.  s.  162  f.):  Nomen  und  adv.  in  hebung:  Erste 
halbz.:  Typus  A:  A*:  Eg.  13, 1.  Bdr.  5,  8.  —  A^:  Fäf.  42,  3.  —  Typus  E: 
E':  HH.  2,50,1.  —  E^:  Hdl.  14,1.  Ykv.  33,1.  —  Zweite  halbz.:  vacat. 

Stellung  2:  vacat. 

Stellung  3:  «)  Nomen  und  adv.  in  hebung:  Erste  halbz.: 
vacat.  —  Zweite  halbz.:  Typus  B:  Grp.  5,  6.  —  Typus  C:  HH.  1,  43,  8. 

—  ß)  Conj.  und  nomen  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  A^:  HH. 
1,  50,  3. 

Stellung  4:   cc)  Verbum  und  nomen  in  hebung:   Erste  halbz.: 
Typus  A^:  HH.  1,50,11.  —  Fa^:  Fäf.  36,1.   —   Typus  E^:  HH.  2,33,11. 

—  Zweite  halbz.:  vacat.  —  ß)  Adv.  und  nomen  in  hebung:  Erste 
halbz.:  Typus  C'-:  Sg.  11,1.  45,9.  Od.  29, 1.  —  C-:  Od.  14, 1.  —  Zweite 


168  WENCK 

halbz.:  Typus  C:  IIH.  2, 27, 8.  G}\  1,24,6.  Sg.  32,8.  50,6.  Bdr.  8,4 
(=10,4.  12,4).  Ykv.  10,8.  —  y)  Verbuni  und  adv.  in  liebuug:  Erste 
halbz.:  Typus  D':  Hdl.21,5.  —  Zweite  halbz.:  Typus  D:  prk.  21,  4. 

Stellung  5:  vacat. 

Stellung  6:  «)  Adv.  und  nomen  in  hebung:  Erste  halbz.: 
Typus  A:  A' :  Vsp.  30,  9.  HH.  1,  28, 1.  HH.  2,  3,  5.  Br.  8,  3.  12, 1.  —  A'^:  Vsp. 
34, 3.  22, 7.  HH.  2, 20, 1.  Grp.  9, 1.  Kg.  15, 1.  Br.  7, 3.  Gp.  1, 18,  3.  Gp. 
2,2,1.  Ghv.  15,5.  —  A^:  I)rk.  14,1  (=21,1  =  Bdr.  1,5).  26,7  (=28,7). 
Hdl.  27, 5.  Bdr.  13, 3.  13,  7.  Vkv.  28, 5.  Grt.  1, 1  (=  16, 1).  17, 5.  HH.  1,  53, 5. 
HH.  2, 13, 7.  HH.  2, 22, 1.  37, 1.  44, 1.  46, 1.  46,  9.  HHv.  6, 1.  Grp.  14, 1. 
43,1.  Kg.  17,1.  18,5.  G)?.  1,2,7  (=5,3.  11,3).  22,1.  Sg.  28,7.  49,1. 
G^  2,28,5.  35,1.  Gp.  3,10,5.  Od.  34,7.  —  Zweite  halbz.:  Typus  A: 
Vsp.  12,6.  66,8.  Hym.  39,6.  Bdr.  7,8  (=9,8.  11,10).  Sg.71,8.  —  /)  Das 
nomen  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  C:  Grp.  25,1. 

Die  hier  auftretenden  Verhältnisse  sind  von  den  eben 
erörterten  notwendig  verschieden.  Denn  erstens  ist  nur  in 
den  seltensten  fällen  eine  begriffliche  bindung  zwischen  adv. 
und  verbum  vorhanden.  Dafür  stellt  sich  ein  logischer  Zu- 
sammenhang zwischen  adv.  und  nomen  ein,  das  hier  natürlich 
weit  öfter  ein  verbalnomen  ist  als  in  den  unter  1  behan- 
delten versen.  Ferner  erhebt  sich  hier  bei  der  frage,  welches 
der  beiden  anderen  Wörter  die  hebung  einzunehmen  hat,  kaum 
noch  eine  Schwierigkeit,  da  das  verbum  als  das  mindert onige 
wort  hinter  dem  adv.  zurückstehen  niuss.  Ton  64  i  zeigen 
nur  4  das  verbuni  in  hebung,  von  den  18  ii  nur  ein  einziger, 
dagegen  trug  oben  das  vollverb  in  26  i  von  90,  in  21  ii  von 
36  die  hebung.  AVegen  der  tonlosigkeit  des  hilfsverbs  begegnet 
hier  auch  der  fall,  dass  beide  hebungen  im  nomen  liegen:  Grp. 
25, 1  nü  sJial  Sigtirjii  (vgl.  Sievers  §  38,  3  und  unten  §  32, 2). 
In  einem  anderen  vers,  wo  das  einsilbige  adv.  in  enklise  zum 
nomen  steht  (HH.  1,  50,  3  ])ö's  i  Sogn  üt),  überlässt  das  hilfsv. 
einer  vorangehenden  conj.  die  erste  hebung.  Wie  oben  s.  164, 
so  nimmt  auch  hier  die  zahl  der  belege  in  ii  bedeutend  ab. 

Hinsichtlich  der  häufigkeit  der  einzelnen  Stellungen  ergeben 
sich  einige  diffcreuzen.  Stellung  2  begegnet  wegen  des  mangels  einer 
logischen  Verknüpfung  des  adv.  mit  dem  verbum  weder  in  i  noch  in  ii; 
desgl.  fehlt  die  oben  s.  163  als  anomal  bezeichnete  Stellung  5.  Dagegen 
stimmt  CS  zu  dem  oben  erörterten,  wenn  Stellung  1  in  ii  durch  kein  bei- 
spicl  vertreten  ist,  wenn  ferner  Stellung  6  in  i  weitaus  die  beliebteste 
ist  (49  =  76,5  " 'o  [vollv.  :  43  =  45,2  «/o]  )■  Betreffs  der  berechtiguug  der  7  ii 
gleicher  Stellung  s.  164.  —  Am  zweithäufigsten  ist  die  Stellung  4  mit 
8  belegen;  in  ii  hat  sie  sogar  die  überhand  (9).    In  sämmtlicheu  belegen 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  169 

von  II  (mit  ausnähme  des  verses  HH.  2, 27,  8  vas  ä  hrott  Tiofup,  der  als 
Verstoss  zu  betrachten  ist)  und  in  den  unter  ß  und  y  angeführten  i-belegen 
bilden  adv.  und  nonieii  (inf.)  eine  verbalformel.  Der  Widerspruch  gegen  die 
normale  tonlosigkeit  des  hilfsv.  ist  daher  weniger  stark,  wenn  dieses  in  den 
beispielen  von  y  (Hdl.  21,  5  skaZi  til  ieija,  prk.  21,  4  skyldu  vel  renna)  die 
erste  hebung  einnimmt.  Ebenso  ist  es  in  den  3  beispielen  von  a  träger 
der  ersten  hebung,  da  HH.  1,50,11  muna  nii  Relgi  das  temp.-adv.  kaum 
mehr  als  ein  füllsei  ist  (s.  165),  in  Fäf.  36, 1  esat  svä  horskr  das  wort 
svä  regelmässig  proklitisch  steht,  und  in  HH.  2,33,11  hefpir  eigi  mat^) 
die  negation  ganz  correct  die  nebenhebuug  bildet.  —  Die  Stellung  3  ist 
in  I  nur  durch  den  s.  168, 12  v.u.  augeführten  vers  HH.  1,  50,  8  (mit  völlig 
enklitischem  adv.)  vertreten.  In  den  ii  steht  das  adv.  in  zweiter  hebung 
eines  B  oder  C,  in  Stellung  1  ebenfalls  in  zweiter  hebung.  In  den  3  E 
der  Stellung  1  muss  das  hilfsv.  die  nebenhebung  tragen. 

3)  Was  die  bisher  nur  gelegentlicli  berührte  allite ratio n s- 
st eilung-  angeht,  so  sind  zunächst  die  verse  auszuscheiden, 
deren  hebungen  vom  nomen  und  verbum  eingenommen  werden 
da  sie  sämmtlich  der  s.  137  f.  gegebenen  beurteilung  unterliegen. 
Hier  kommen  in  erster  linie  die  fälle  in  betracht,  in  denen 
adverbium  und  nomen  träger  der  hebungen  sind. 

Steht  das  adv.  in  zweiter  hebung  (Stellung  1 — 3),  so  alliteriert  es 
nur  in  Stellung  1  in  der  mehrzahl  der  fälle  (8  A^:  vollv.).  Die  beiden  A^ 
enthalten  npr.  in  erster  hebung,  die  beiden  E^  das  temp.-adv.  nü  in  zweiter 
hebung.  Das  isolierte  E^  Vkv.  20,  3  vel  gorpi  heldr  verstösst  gegen  die 
rhj'thmische  qualität  des  typus  E  ebenso  wie  gegen  den  satzaccent  {\gl. 
s.  152).  Das  fehlen  von  doppelalliteration  ist  auch  in  den  D  der  Stellung  2 
auffällig,  da  das  adv.  als  erstes  glied  einer  verbalformel  ein  über  das  nor- 
male hinausgehendes  tongewicht  besessen  haben  muss  (vgl.  s.  161).  Wegen 
der  enklise  des  adv.  in  Stellung  3  ist  N^  ganz  correct  (zu  dem  isolierten 
N2  vgl.  s.  129):  kein  wunder  also,  dass  sich  in  Stellung  3  fünf  ii  und  drei  i, 
in  Stellung  1  dreizehn  i  und  kein  ii  gegenüberstehen.  Die  belege  der 
Stellung  2  sind  zu  dürftig,  als  dass  sie  zu  einem  bindenden  Schlüsse  be- 
rechtigen könnten.  Die  belege  der  Stellung  3  beim  hilfsv.  gehen  mit  denen 
beim  vollv.  zusammen.  Bei  Stellung  1  ergibt  sich  ein  unterschied,  insofern 
N^  und  N^  (je  2)  gleich  stark  vertreten  sind.  N^  ist  nur  in  HH.  2,  50, 1 
berechtigt,  wo  das  adv.  nü  die  zweite  hebung  einnimmt.  Das  fehlen  von 
doppelalliteration  muss  bei  der  abweseuheit  von  ii- belegen  der  Stellung  1 
der  mangelhaftigkeit  der  techuik  zugeschrieben  werden. 


5)  Es  ist  daher  kaum  nötig,  mit  Sievers,  Beitr.  6,  321  hefpir  mafki  zu 
lesen;  es  würde  damit  zugleich  der  einzige  grund  wegfallen:  die  abneigung 
des  typus  E  gegen  N^,  der  für  die  alleinige  alliteration  des  absolut  ge- 
brauchten hilfsv.  angeführt  werden  könnte.  Der  mangel  von  W  bleibt 
allerdings  fehlerhaft,  kann  aber  nach  dem  bisher  erörterten  im  zweiten  Helgi- 
liede  kaum  befremden. 


170  WENCK 

Pas  a»lver1»iniii  sti-lit  in  1.  hebung  bei  stellinipf  4  mid  6.  AVasstel- 
lung  4  betrifft,  so  ist  bereits  s.  165  festgestellt,  dass  in  3  N'-belspielen  von  i 
(Hym.  14,  7.  21, 1  Ä.  Vsp.  19,7)  wegen  des  Widerspruchs  zwischen  der  vers- 
nnd  satzbetoining  doppelalliteration  erforderlich  gewesen  wäre,  dagegen  in 
den  übrigen  fallen  ^''  der  natürlichen  betonung  der  verbalformel  entspricht. 
In  den  fällen  mit  hilfsv.  herscht  logische  bindung  des  adv.  und  verbal- 
nomeus  vor.  Nur  der  genannte  ii-vers  des  zweiten  Helgiliedes  (27, 8)  bildet 
eine  ausnähme.  Pas  anwachsen  der  belegzahl  in  ii  ist  ein  neuer  beweis 
für  die  tonische  Verschmelzung  der  adv.  mit  dem  inf.  (part.). 

Für  die  Stellung  6  erhalten  wir  nach  abzug  des  einen  «-belegs 
(typus  E)  von  i  (Fäf.  41,3  iram  visa  sJcgp)  im  typus  A  folgende  zahlen: 

a)  vollv.   1  9  A»  (5  upr.)     14  A»  (5  npr.)     18  A»  (11  npr.)  |  ii  7  =  5  A»,  2  E' 

b)  hilfsv.  I  5  A'    (— )     I    9  A«  (5  npr.)  [  34  A^   (7  upr.)  |  ii  7  A«. 

Pie  N-''  zeugen  für  raindertonigkeit  des  adv.  Per  unterschied  zwischen 
den  Versen  der  gruppen  a  und  b  ist  deutlich:  in  a  überwiegt  N^  weit  weniger 
über  N^  und  N'*  als  in  b.  Per  grund  dieser  differenz  ist  jedoch  nicht  in 
der  Verschiedenheit  des  nachdrucksgrades  der  beiden  verbalkategorien  zu 
suchen,  sondern  in  der  Verschiedenheit  der  begrifflichen  bindung,  die  in 
den  beispielen  unter  a  hauptsächlich  zwischen  adv.  und  vollv.,  in  den  fällen 
unter  b  vorzugsweise  zwischen  adv.  und  nomen  (verbalnomen)  besteht. 
"Während  im  ersteren  fall  das  adv.  als  erstes  glied  einer  verbalformel  ein 
grösseres  tongcwicht  als  gewöhnlich  besitzt  und  deshalb  auf  alliteratiou 
ansprach  erhebt,  wird  im  letzteren  fall  die  notwendige  folge  enger  logischer 
Verknüpfung,  die  enklise  des  zweiten  Wortes,  durch  das  zwischentretende 
verbum  aufgehoben  (vgl.  s.  146  f.).  Ausserdem  ist  ein  unterschied  zwischen 
adv.-präp.,  nominalem  adv.  und  localem  und  temporalem  adv.  zu  bemerken. 
Pie  letzteren  sind  besonders  zahlreich  in  den  bei.spieleu  von  b  und  erklären 
das  überwiegen  von  N*.  Ebenso  findet  sich  in  den  verseu  von  a  mit  den 
genannten  adverbien  N*  in  der  mehrzahl,  während  bei  den  adv.-präpositionen 
und  adverbien  nominalen  ui-sprungs  doppelalliteration  beliebter  ist  als  N' 
(a:  adv.-präp.  5  :  3).  Ist  daher  für  diese  die  doppelalliteration,  für  jene  N^ 
das  normale,  so  müssen  die  verse  mit  N'  als  ausnahmen  gelten.  Auch  hier 
zeigt  sich  wider  die  alliteratiouserschwerende  ■N^irkung  der  npr.  (vgl.  die 
eingeklammerten  zahlen  der  tabelle).  Nach  abzug  dieser  verse  würde  in 
gruppe  a  doppelalliteration,  in  gruppe  b  N^  am  stärksten  vertreten  sein. 
Von  den  N^  von  a  bleiben  nur  4  übrig:  Hdl.  11,1  m'i  lat  forna  \  {m'pja 
talpa)  verstösst  ausserdem  gegen  das  Hildebrandsche  gesetz.  Ykv.  9,  3  (h 
braun  hrisi  ist  wol  verderbt:  R  här.  In  Kp.  2,  5  =  14,  5  i»«  nam  at  ganga, 
Avo  die  verbalformel  zerrissen  ist,  vertritt  offenbar  die  parallele  alliteration 
die  fehlende  doppelalliteration  (§  58).  Pie  N^  von  b  Aveisen  selbst  ein  npr. 
nicht  auf.  In  dem  zu  Vsp.  30,  9  nü'  rü  talpar  gehörigen  zweiten  hemistich 
steht  ein  solches.  Zu  HH.  2,  3,  5  heldr  es  samri  vgl.  s.  157.  Br.  8,  3  \el 
sJcuhiß  njöta,  12,1  iram  ras  kvelda,  HH.  1,28, 1  svä  vas  at  hci/ra  scheinen 
rhetorisch  beabsichtigt  zu  sein.  Wenn  man  jedoch  für  srü  in  gruppe  a 
1  A',  2  A»,  3  A^*,  in  gruppe  b  1  A',  3  A^,  7  A^  findet  und  ferner  ii  Sg.  71,8 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  171 

svd  mimJc  lata  mit  i  Gp.  2,  28,  5  svd  sJcalt  lata  oder  ii  Hym.  39,  6  xel  shdu 
drcklca  mit  i  HH.  2,  46, 1  vel  slculu  äreJcIca  vergleicht,  so  sieht  man  wider, 
wie  unsicher  diese  annähme  ist. 

Wegen  der  augenscheinlichen  willkür  in  der  alliterationssetzung  ist 
auch  die  beurt eilung  der  ii  unsicher.  Die  ii  mit  typus  A  in  gruppe  a 
gehören  sämmtlich  jüngeren  liedern  an,  und  könnten  somit  dem  niedergang 
der  technik  zugeschrieljen  werden.  Nur  Od.  7,  6  rikt  göl  Oddrün  (vgl.  §  58) 
steht  als  rhetorisch  gerechtfertigte  ausnähme  wegen  des  parallelisraus  mem- 
brorum  fest.  Ausser  den  s.  170  f.  erwähnten  ii  der  gruppe  b  begegnen 
noch  5  II,  die  sämmtlich  das  temp.-adv.  nü  aufweisen.*')  Vsp.  12,6  m'i 
hefk  dverga  darf  dem  iuterpolator  als  fehler  angerechnet  Averden.  In  den 
übrigen  beispielen :  Vsp.  66,  8  n«  mun  [/lOw]  seMcvasJc,  Bdr.  7,  8  etc.  nü  munlc 
pegja  ist  die  absieht  rhetorischer  hervorhebung  des  adv.  nicht  ausgeschlossen. 

—  Zu  den  genannten  N'  mit  inf.  (part.)  in  zweiter  hebung  ist  noch  zu  be- 
merken, dass  die  verbalen  nomina  mit  den  nominalen  gleichbehandelt  werden: 
Gruppe  a:  inf.:  je  2  N',  N^,  N»;  i)art.:  — ;  —  Gruppe  b:  inf.:  2  N',  1  N^, 
6N3;  part.:  INS  4  N'*. 

Ferner  sind  die  vereinzelten  verse  zu  erörtern,  in  denen  adverbium 
und  verbum  träger  der  hebungen  sind.  In  prk.  2,2  etc.  alls  fyrst  um 
kvap  ist  die  alleinige  alliteration  des  adv.  regelrecht,  da  es  als  erstes  glied 
einer  formel  grösseren  nachdruck  als  das  vollv.  besessen  hat.  Aus  diesem 
gründe  sind  die  beiden  D'  (hilfsv.)  von  i  y,  in  denen  ein  hilfsv.  vor  der 
verbalformel  allein  alliteriert,  fehlerhaft,  da  dem  zusammenhange  nach  ein 
anlass  zur  besonderen  auszeichnung  des  hilfsv.  nicht  gegeben  ist. 

b)  Pronominales  adverbium  +  verbum  +  nomen. 
§  32.    1)  Material: 

a)  Vollverbum:  Stellung  1  (vgl.  s.  162  f.):  Nomen  und  adv.  in 
hebung:  Erste  halbz.:   Typus  E^:  Kj'.  2,7  (=  U,  7).  15,1.  Hdl.  11,5. 

—  Zweite  halbz.:  vacat. 

Stellung  2:  vacat. 

Stellung  3:  «)  Verbum  und  nomen  in  hebung:  Erste  halbz.: 
Typus  A:  A^:  Vsp.  42,1.  Gp.  3,10,1.  —  A^:  E}?.  36,1.  Vkv.  4,1  (=8,5). 
HH.  1,31,1.  Er.  10,1  (=  Sg.  30,1).  G}7.  2,8,1.  —  Typus  E^:  Gp.  3,11,5. 

—  Typus  F:  Drk.  5,1  (=9,1).  Ep.  16,1.  —  Zweite  halbz.:  vacat.  — 
ß)  Adverbium  und  nomen  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  C: 
Vsp.  39, 1.  —  Zweite  halbz.:  vacat. 

Stellung  4:  u)  Verbum  und  nomen  in  hebung:  Erste  halbz.: 
Typus  A:  A':  prk.  15,5.  19,1.  —  A^:  Hdl.  18,3.  —  A^:  G}?.  2,5,5.  — 
Zweite  halbz.:  vacat.  —  ß)  Nomen  und  adv.  in  hebung:  Erste 
halbz.:  Typus  C:  Ep.  26, 1.  G]7.2,ll,l.  —  Zweite   halbz.:  vacat. 

Stellung  5:  Nomen  und  verbum  in  hebung:  Erste  halbz.: 
Typus  ßi:   Hym.  18,7.    Od.  1,3.   —   Typus  C:   C^:   Grp.  37,5.  43,5.  — 


0)  Nk  begegnet  in  i  gruppe  a  2  mal  (:  1  NS  1  N«:  kein  verbalnomen), 
in  I  gruppe  b  11  mal  (:  1  N'  [part.],  10  N^  [3  inf.,  4  part.]). 


172  WENCK 

C:  11(11.  7,5.  im.  2,1,7.  —  Zweite  halbz.:  Typus  B:  Ysp.22,2.  28,2. 
28,8.  RJ>.39,4.  45,6.  —  Typus  C:  Vsp.  3,  2.  5,6.  5,10.  HH.  1,47,8.  53,8. 
HH.  2, 9, 2.  Sg.  19, 2.  Od.  24,  4. 

Stellung  ß:  «)  Adverb  und  nomen  in  hebung:  Erste  halbz.: 
Typns  A:  A*:  HH.  1,22,5.  —  A^:  Ysp.  19,5.  20,1.  39,7.  53,1.  55,1.  5<),  1. 
65,1.  G6, 1.  prk.  20,1.  25,3.  E}>.  4,1.  10,1.  18,1.  31,1.  Hdl.  42,5.  44,1. 
Bdr.  4, 1.  Vkv.  13, 1.  26, 1.  34, 3.  HH.  1, 4,  3.  9, 1.  15, 1.  HH.  2, 14, 7.  Faf. 
33, 1.  G]->.  1, 4, 1.  9, 1.  Hei.  8, 1.  Gp.  2, 17, 1.  Od.  13, 1.  32, 1.  Gliv.  1, 1.  - 
Zweite  halbz.:  vacat.  —  ß)  Yerbum  und  noraen  in  hebung:  Erste 
halbz.:  Typus  C:  C:  G|>.  1,15,1.  —  C^:  Vsp.  35,5.  Grp.  4,1.  Fäf.  32, 1. 
01^.1,16,1.  —  Zweite  halbz.:  vacat. 

b)  Hilfsverbum:  Stellung  1.  2.  4:  vacant.  —  Stellung  3:  «)  Ver- 
bum  und  nomen  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  A':  prk.  24,1.  — 
RJ\8,  3.  —  Zweite  halbz.:  vacat.—  ^9)  Adv.  und  nomen  in  hebung: 
Erste  halbz.:  vacat—  Zweite  halbz.:  Typus  C»:  HHv.  33,  8. 

Stellung  5:  Nomen  und  verbum  in  hebung:  Erste  halbz.: 
vacat.  —  Zweite  halbz.:  Typus  A:  Od. 25, 6. 

Stellung  6:  a)  Adverb  und  nomen  in  hebung:  Erste  halbz.: 
Typus  A:  A':  Rp.  13,9.  —  A^:  Hym.  14,5.  HH.  2,7,1.  7,7.  —  A^:  Vsp. 
15,1.  34,1.  53,7.  63,1.  64,5.  prk.  18,5.  27,5.  Ep.  25,7.  Hdl.  19,5.  41,7. 
42, 7.  Bdr.  1, 7.  HH.  1, 1, 5.  33, 5.  35, 1.  HHv.  33, 11.  Grp.  44, 1.  Sg.  11,  5. 
37,1.  41,5.  G]?.  2,43,1.  —  Typus  E':  Sg.  37,  3.  —  Zweite  halbz.: 
Typus  A:  Grp.  38,2.  —  ß)  Nur  nomen  in  hebung:  Erste  halbz.: 
Typus  C:  Vsp.  10,1.  Hdl.  16,1.  16,3.  Grp.  6,7.  38,5.  51,1.  —  Zweite 
halbz.:  Typus  C:  Hdl.  16,  2. 

2)  Yollverbiuii.  Der  bereits  s.150  festgestellte  naclidrucks- 
unterscliied  zwischen  pron.-adv.  und  volladv.  wird  hier  Aveiter 
gestützt  durch  das  häufigkeitsverhältuis  der  sechs  mög- 
lichen Stellungen. 

Stellung  2  fehlt  wegen  des  mangels  einer  begrifflichen  biudung  des 
pron.-adv.  mit  dem  vollv.,  in  ii  ausserdem  noch  alle  anderen  bis  auf 
Stellung  5,  die  oben  s.  163  als  anomal  zu  bezeichnen  war,  hier  jedoch  wegen 
der  proklitischen  Verwendbarkeit  des  adv.  berechtigt  ist.  Nur  ganz  ver- 
einzelt empfängt  das  pron.-adv.  so  viel  tongewicht,  dass  es  selbst  ein  verbal- 
uomeu  in  euklise  zu  sich  zwingt,  a)  Ysp.  39,1  sä  [hon]  ]yar  vajja;  — 
b)  HHv.  33,8  sJcylaJc  ])ar  koma.  Können  Avir  die  rhetorik  dieser  verse 
auch  nicht  nachempfinden,  so  ist  doch  absieht  hier  ebensowenig  abzuleugnen, 
wie  unten  beim  demonstrativum.  —  Bei  Stellung  6  («)  verdankt  das  adv. 
die  erste  hebung  nur  rhythmischen  gründen  (vgl.  s.  166  zu  Stellung  4). 
Nur  ein  einziges  mal  alliteriert  es  mit:  HH.  1,22,5  papan  beiß  ]>en(jiU: 
ob  nur  zufällig,  lässt  sich  nicht  entscheiden,  da  nach  ausweis  der  eben  an- 
geführten beispiele  rhetorische  betonuiig  möglich  ist.  —  In  derselben 
stellnng  6  muss  das  adv.,  wie  Gf».  1, 15, 1  pn  hm  Giipntn  zeigt,  unbedingt 
in  eingangssenkung  treten,  sobald  das  vollv.  gleichen  aulaut  hat  wie  das 
nomen  (vgl.  s.  136).    "Wenn  s.  164 '  ein  analoger  fall  bei  nü  (Vkv.  19, 1)  be- 


ALLITERATION   IM  EDD.   FORNYRDISLAG.  173 

gegnete,  so  ist  dies  ein  sicheres  zeichen  für  die  berührungen  der  temp.-adv. 
mit  den  pron.-adverbien  (vgl.  s.  170  f.)- 

Steht  das  adv.  unmittelbar  hinter  dem  verbum  und  folgt  das  nomeu 
in  zweiter  hebung,  so  rückt  das  adv.  unweigerlich  in  die  Senkung,  und 
kann  es  bei  seiner  natürlichen  tonlosigkeit  (meist  ist  es  reines  flickwort, 
z.  t.  metrisch  entbehrlich)  auch  nicht  den  rhythmischen  nebenton  getragen 
haben,  den  ihm  prk.  5, 1.  9, 1  flö  pä  Lok/,  Ep.  16, 1  sat  par  kona  wegen 
der  Verkürzung  der  zweiten  hebung,  desgl.  Gp.  3, 11,  5  leiddu  pä  mey  aus 
rhythmischen  gründen  zu  vindicieren  scheinen.  In  I)rk.  5, 1  etc.  ist  also 
Umstellung  vorzunehmen  (vgl.  oben  s.  165,  anm.  4  und  Gp.  1, 15, 1),  ebenso 
in  Gp.  3, 11,  5  nach  analogie  der  unter  Stellung  4,  a  aufgeführten  beispiele. 
Rp.  16, 1  ist  als  F  beizubehalten  wegen  der  Vorliebe  dieses  liedes  für  drei- 
gliedrige verse  (vgl.  §  55). 

In  Stellung  1  erhält  das  adv.  stets  eine  hebung  (vgl.  s.  151).  Tritt  das 
nomen  zwischen  verbum  und  adv.  (Stellung  4),  so  sinkt  das  einsilbige  adv. 
in  den  4  Ä^)  von  a  in  völlige  enklise  zum  nomen.  Auch  das  zweisilbige 
adv.  steht  in  zweiter  hebung  der  4  C  von  ß  in  enklise  zum  nomen,  so 
dass  zur  Vermeidung  fehlerhafter  enklise  des  vollverbums  die  rhythmisierung 
D — 0  eintreten  kann.  Daran  ist  um  so  weniger  zu  zweifeln,  als  in  Stel- 
lung 5  das  prou.-adv.  regelrecht  proklitisch  ist,  wie  auch  das  alleinige  auf- 
treten dieser  Stellung  in  ii  dartut. 

Hinsichtlich  der  alliteration  in  den  versen  mit  verbum  und  nomen  in 
den  hebungen  vgl.  s.  138).  In  den  anderen  versen,  in  denen  adv.  und  nomen 
die  hebungen  tragen,  steht,  abgesehen  von  den  genannten  6  versen  mit 
doppelalliteration,  nirgends  die  alliteration  auf  dem  adverbium. 

3)  Hilfsverbum.  Die  besonders  in  ii  geringe  zahl  der 
belege  mit  Mlfsv.  ist  auf  die  Stellungen  3.  5.  6  beschränkt. 
Da  hilf  SV.  und  pron.-adv.  gleich  tonlos  sind,  ist  hier  die  mög- 
lichkeit  gegeben,  dass  beide  hebungen  im  nomen  liegen  und 
das  adv.  sammt  dem  verbum  in  die  eingangssenkung  gedrängt 
werden:  s.  die  fälle  unter  6  ß  s.  168  (vgl.  Grp.  25, 1  in  §  31, 2). 

Proklise  von  adv.  +  verbum  dürfte  übrigens  an  die  bedingung  ge- 
knüpft sein,  dass  beide  mit  einander  verschmolzen  werden  können.  Da 
diese  bedingung  bei  Hdl.  16, 1.  2  nicht  erfüllt  ist,   darf  mit  Sievers,  Beitr. 


1)  Der  tilgung  des  adv.  in  Gp.  2, 5,  5  hnipnapi  Grani  pä,  die  Sievers, 
6,337  (freilich  noch  vor  aufstellung  des  typensystems)  vorschlug,  stehen 
grosse  bedenken  entgegen.  Bei  einem  vergleich  mit  G\>.  2, 7, 1  hnipnapi 
Gunnarr  ist  Gp.  2,  5,  5  metrisch  weniger  auffällig,  würde  jedoch  bei  Strei- 
chung von  pä  fehlerhaft  Averden,  da  einerseits  E-verse  des  Schemas  _  0  x  — 
zu  den  Seltenheiten  gehören,  andrerseits  Ev2  anomal  ist.  Schliesslich  würde 
die  alliteration  durch  die  änderung  auf  zweiter  hebung  eines  E  rücken :  ein 
rhythmischer  Verstoss  (§  54),  der  nicht  erst  durch  conjectur  hergestellt 
werden  darf. 


174  WENCK 

G,  340  das  liilfsv.  getilgt  werden.  Die  beiden  verse  wären  somit  den  in  §  29 
(s.  IGO)  behandelten  anzureihen. 

Stellung  G  i.st  auch  hier  die  bevorzugteste.  Ganz  unbeliebt  ist  Stel- 
lung 3,  die  nur  durch  2  belege  in  i  vertreten  ist.  Stellung  G  wäre  übrigens 
auch  hier  möglich  gewesen.  Der  eine  ii-beleg  dieser  Stellung  (HHv.  33, 8) 
ist  s.  172,2  erwähnt.  Stellung  5  begegnet  nur  in  ii  Od.  25,  G  Jmrs  "koma  nc 
sli/Idut.  Der  anomale  auftakt  ist  entweder  mit  Sievers,  Beitr.  6, 343  zu 
tilgen  oder  durch  Streichung  von  m  zur  eingangssenkung  eines  C  zu  machen. 

"Was  die  all  Iteration  betrifft,  so  ist  der  gleiche  anlaut  des  pron.-adv. 
(vom  interrogativpron.)  in  HH.  2,  7, 1.  7,  7  ohne  zweifei  zufällig.  Bei  dem 
von  dem  demonstrativprouoraen  abgeleiteten  adv.  ßar  (Hym.  14,  5)  ist  rhe- 
torische betonung  möglich.  Einen  fehler  enthält  der  isolierte  N'-vers  Ef>. 
13,  9  pajxin  cru  Ivomnar,  da  im  gleichen  liede  25,  7  derselbe  vers  die  regel- 
mässige alliterationsstellung  N^  aufweist.  Da  rhetorische  hervorhebung 
beim  interrogativum  und  ebenso  bei  dem  davon  abgeleiteten  adv.  sehr 
zweifelhaft  ist,  darf  der  isolierte  iiN'-vers  Gi*p.  38,2  \ivi  skulum  skipta 
trotz  der  anaphorischen  widerholung  des  adv.  (i  hvi  cfegnir  ßat)  mit  grösserer 
Wahrscheinlichkeit  auf  das  conto  der  niedergehenden  technik  gesetzt  werden. 
Die  alliterationsstellung  in  Sg.  37,  3  hvart  ^kyldak  \ega  entspricht  zwar 
dem  satzaccent,  jedoch  nicht  dem  rhythmischen  habitus  eines  E-verses. 
Als  weitere  anomalie  kommt  hier  die  auflösung  der  zweiten  hebung  hinzu. 
Umstellung  zu  C2  (hvart  vega  sh/ldak)  liegt  auf  der  liand  und  empfiehlt 
sich  auch  deshalb,  weil  man  nur  ungern  ein  hilfsv.  zur  bihluug  der  ueben- 
hebuug  heranzieht.  Die  Stellung  des  nachfolgenden  hilfsv.  in  zweiter  hebung 
ist  nach  s.  139,  c  normal. 

c)   Zwei  adverbia  +  nomen  +  verbuni. 

§  33.    1)  Material: 

Erste  halbzeile:  Typus  A:  A^:  Ykv.  14, 1.  — A*:  Vsp. 44,1  (=49,1. 
54,1.  58,1).  Hdl.  20,1.  —  A«:  HH.  2,43,1.  Br.  6,5.  Grp.  4,3.  G]>.  1,19,5. 
—  Typus  B:  B':  Grp.  53,3.  —  B«:  HH.  1,50,9.  —  Zweite  halbzeile: 
Typus  C:  Grt.  5,8. 

Nur  bei  dem  stefartigen  vers  der  Vsp.  44, 1  geyr  nü  Garmr 

mjfßi  handelt  es  sich   um  ein  A^ollverbum  (die  enklise  der 

beiden  einsilbigen  adv.  wird  dem  satzaccent  entsprochen  haben). 

Das  hilf  ST  erb  um  lehnt  sich  enklitisch  an  das  adv.  an  (wie  in 

HH.  2, 43, 1.  Grp.  4, 3.  Gl'.  1, 19,5.  Br.G,5)  —  mit  ihm  steht  es  in 

eingangssenkung  Grp.  53, 3.  HH.  1, 50, 9.  Grt.  5, 8  —  oder  an  das 

nomen:  Ykv.  14,1  gull  vas  J)ar  eigi,  Hdl. 20,1  Nanna  vas  ncestj)ar. 

Die  beiden  letzten  verse  sind  sehr  instructiv  hinsichtlich  des  nach- 
drucksverhältnisses  des  volladv.  und  des  pron.-adverbs,  insofern  das  pron.- 
adv.  sowol  proklitisch  als  enklitisch  zum  volladv.  stehen  kann.  Svä  erhält 
in  HH.  2,  43,  3  numk  svä  iegin  und  demnach  wol  auch  in  G}'.  1, 19,  5  numk 
svä  Vdil  einen  starken  uebeuton  (vgl.  s.  1G5,  aum.  3).  Die  proklitische  Stellung 


ALLITERATION  IM  EDD.   FORNYEDISLAG.  175 

ist  ebenfalls  correct.  Dagegen  steht  mtjlJu  in  HH.  1, 50,  9  in  erster  liebnng 
und  alliteriert  mit  (vgl.  s.  157).  In  Grt.  5,  8,  wo  das  adv.  allein  alliteriert, 
bildet  es  mit  dem  nomen  eine  verbalformel.  Die  alliteration  des  adv.  in 
Hdl.  20,1  ist  nach  s.  169f.  zu  beurteilen.  In  Grp.  4,3  her's  mapr  üti  (zur 
drückuug  von  mapr  vgl.  s.  144  und  unten  z.  33)  alliteriert  ganz  regelmässig 
das  sinnvollere  adv.  allein. 

2)  Ferner  sei  liier  ein  vereinzelter  vers  Hym.  21, 4  iipp 
senn  tvda  erwähnt,  in  dem  ein  nomen  in  Verbindung  mit  zwei 
adv.  steht:  die  alliteration  des  adv.  ist  durch  das  Hildebrandsche 
gesetz  veranlasst.    Zur  enklise  des  zweiten  adv.  Vgl.  s.  155. 

d)   Adverbium  +  zwei  nomina  +  verbum. 
§  U.    Material: 

In  hebung  steht  a)  nomen  und  nomen:  Erste  halbz.:  Typus  A: 
A^:  prk.  1,1.  —  A3:  prk.  13,1.  Vkv.  21,5.  —  Typus  B:  B^:  prk.  32,9. 
HH.  1,48,9.  Eg.  14,3.  26,1.  Sg.  67,7.  —  B'^:  HH.  1,20,3.  —  Typus  C: 
C:  Hym.  11,3.  HH.  2,3,1.  42,5.  Fäf.  41,5.  Sg.  55,1.  64,5.  —  C^:  Vsp. 
4,7.  Hdl.  1,5.  HH.  2,  4, 13.  Grp.  26,  5.  Od.  18,  1.  —  Zweite  halbz.: 
Typus  C:  Vsp.  55,8.  HH.  1,6,4.  56,10.  Sg.  44,6.  —  ß)  Verbum  und 
erstes  nomen:  Erste  halbz.:  Typus  A^:  Br.  7,5.  —  ZAveite  halbz.: 
vacat. —  y)  Adverbium  und  erstes  nomen:  Erste  halbz.:  Typus  A": 
Vsp.  6, 1  (=  9, 1.  23, 1.  25, 1).  HH.  2,  9, 1.  Fäf.  35,'  7.  Hei.  10,  5.  —  Zweite 
halbz.:  Typus  A:  Grp.  24,6.  —  ö)  Adverbium  und  zweites  nomen: 
Erste  halbz.:  Typus  B^:  Vkv.  37,  5. 

Ein  vollverbum  findet  sich  nur  in  sehr  wenigen  der  genannten  bei- 
spiele :  In  Br.  7, 5  gnapir  ce  grär  jör  konnte  es  die  erste  hebung  erhalten 
(vgl.  s.  166  zu  st.  4),  weil  die  nominalformel  nur  zwei  silben  umfasst.  In 
den  belegen  von  y,  wo  dies  auch  der  fall  ist,  überlässt  das  verbum  aus 
rhythmischen  gründen  dem  vorangehenden  (selbst  pronominalen)  adv.  die 
erste  hebung.  ünregelmässige  formelbilduugen  liegen  vor  in  HH.  2,  9, 1 
nü  es  sagt,  mcer,  wo  ein  vocativ  (vgl.  §  31,  anm.  4,  s.  165)  enklitisch  steht 
(vgl.  nhd.  etwa  mm  isfs  gut,  Jc/nd),  und  Grp.  24,  6  lagt's  alt  fyrir,  vgl. 
s.  127.  145.  Sehr  auffällig  ist  unter  6  Vkv.  37,  5  esat  svä  mapr  hgr  wegen 
der  zerreissung  des  begriiflich  zusammengehörigen  (betreffs  mapr\g\.  ob.  z.5). 

Nehmen  die  nomina  die  hebungen  ein  («),  so  tritt  das  verbum  nur 
sehr  selten  zwischen  sie  (in  A-versen).  Während  das  hilfsverb  ohne  weiteres 
mit  dem  ersten  nomen  zu  verschmelzen  ist  (vgl.  Grp.  24,  6),  ist  in  prk.  13, 1 
vreip  varp  pä  'Freyja  das  pron.-adv.  wol  zu  streichen ,  um  dem  voUv.  sein 
natürliches  nachdrucksgewicht  wider  zu  verleihen. 

Ebenso  fehlerhaft  ist  es,  wenn  adv.  und  vollv.  in  eingangssenkung 
stehen  müssen:  prk.  32,  9  svä  koni  Öpins  sonr  (vgl.  s.  159,  anm.  1).  Dagegen 
bilden  ganz  regelrecht  die  adv.  m«  (8mal),  ^a  (5  mal),  ^a?- (2  mal)  mit  dem 
hilfsv.  (mit  dem  sie  zu  verschmelzen  sind)  die  eingangssenkung')  der  B-  und 


J)  Zu  HH.  1, 20, 3  fyrr  mxm  iolga  Aynr  vgl.  s.  152.  160.  162. 


176  WENCK 

C-verse  von  a.  —  Einen  schweren  Verstoss  enthält  der  vers  HH.  2, 42,  5 
vjip's  haxufi-  lokinn,  der  der  ohen  s.  1G3  behandelten  Stellung  zu  vergleichen 
ist.  Die  an  sich  mögliche  Umstellung  zu  Stellung  2  (vgl.  s.  1G2)  wage  ich 
deshalb  nicht  zu  befürworten,  weil  auch  der  zugehörige  zweite  halbvers 
einen  alliteratiousfehler  aufweist  und  ausserdem  die  ganze  langzeile  für 
den  Zusammenhang  sehr  wol  entbehrlich  ist  (vgl.  s.  1G9,  aura.  5). 

Hinsichtlich  der  alliteration  sind  von  den  «-belegen  die  beiden  A^ 
von  1  als  zeichen  mangelhafter  technik  zu  betrachten.  Charakteristisch  ist 
die  Stellung  dieser  verse  in  den  ältesten  liedern.  I)rk.  1, 1  7-e>ßr  vast  pä 
Yhig/jörr  darf  durch  eiusetzung  von  yrc/pr  gebessert  werden  (vgl.  Grundtvig- 
s.  12).  —  In  den  versen  von  y  und  6  alliteriert  das  adv.  nirgends  mit. 

D.    Adverbium  und  adverbium. 

§  35.  1)  Steigerndes  oder  begriffsadverbiiiin  vor  adverLium 
s.  s.  157. 

2)  Zwei  deutlich  coor dinierte  adver bia  finden  sich  in 
folgenden  fällen: 

Erste  halbzeile:  Typus  A^:  HH.  2,48,  3.  —  Typus  B':  HH.  1,4, 1. 
Typus  D^:  Vsp.  21,9.  Hym.  32,  7.  —  Typus  E':  HH.  2,  36,  3.  —  Zweite 
halbzeile:  Typus  A*:  Gp.  1, 17,  8.  —  Typus  F:  Sg.  26,  6. 

Das  fehlen  der  durch  den  satzaccent  geforderten  doppel- 

alliteration  in  den  B-  und  E-beispielen  ist  zum  teil  durch  die 

rhj'thmischen  neigungen  dieser  versarten  bedingt, 

Doppelalliteration  in  ii  G}?.  1, 17, 8  nti  ne  inni  entspricht  zwar  dem 
satzaccent,  ist  aber  metrisch  anstössig,  Sg.  26,  6  svärt  ok  di'dt  ist  metrisch 
correct,  aber  gegen  die  Satzbetonung.  Zweifelhafter  ist  die  coordination 
in  folgenden  versen:  B':  Grt.  7,5.  Grp.  47,3.  Od.  26,3.')  Der  hauptnach- 
druck  liegt  offenbar  wie  in  dem  ii-beispiel  Hdl.  44,  6  iram  um  lengra  (vgl. 
Grp.  19,  7  Skala  fremr  en  svä)  auf  dem  ersten  adv.,  so  dass  N'  in  den  ge- 
nannten I  normal  ist.  Jedenfalls  verderbt  ist  Hdl.  48,4  a  hurt  liepun-): 
vgl.  z.  b.  Fäf.  36,  6  «  \)rott  koinask. 

3)  Ebensowenig  wie  drei  nomina  coordiniert  in  einer 
halbzeile  stehen  können,  ist  dies  beim  adverbium  möglich.  Die 
bedingung,  dass  eines  der  adv.  zum  vorausgehenden  in  euklise 
trete,  ist  in  Bdr.  14,  4  mein  aptr  d  vit  erfüllt  (vgl.  s.  156,  3). 

§  36.  Sonach  hat  sich  ergeben,  dass  der  nachdrucks- 
unterschied  der  beiden  oben  s,  150  aufgestellten  adverbial- 
klassen  mit  dem  der  beiden  verbalkategorien  (s.  132)  identisch 


^)  Die  Verstellung  bei  Bugge  ist  im  auschluss  an  Hildebrand  geändert 
(s.  z.  St.). 

=")  Vgl.  Bugge  s.405b. 


ALLITERATION  IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  177 

ist.  Uebergangsstufeu  sind  vorhanden,  aber  sie  sind  nicht  so 
reinlich  geschieden,  wie  Brate  s.  22  angibt.  Besonders  starke 
berührimgen  mit  der  tonlosen  klasse  des  pron.-adv.  weisen  die 
temp.-adv.  auf. 

Hervorzuheben  ist  die  bildung  von  formein  in  dem  s.  122, 
anm.  4  festgelegten  sinne.  Zur  toneinheit  verschmelzen  adv.  und 
verbum,  auch  verbalnomina  (verbalform el),  ferner  adverbia 
(rein  steigerndes  seltener,  ganz  gewöhnlich  begriff sadverbium) 
und  adjectiva  (adjectivisch  gebrauchtes  part.  oder  adv.:  ad- 
verbialformel).  Bedingung  ist  dabei  enge  begriffliche  bin- 
dung  und  vor  allem  normale  Wortfolge,  d.  h.  voranstellung  des 
adverbiums.  Bei  Umstellung  zerlegt  sich  die  tonische  einheit 
in  eine  dynamische  zweiheit.  Dem  voranstehenden  verb.  fin. 
kommt  ebenso  wie  dem  verbalnomen  das  natürliche  ton- 
gewicht  zu. 

In  Verbindung  mit  dem  verb.  fin.  besitzt  auch  nachstehen- 
des adv.  das  djaiamische  übergewicht.  Abweichungen  von 
diesem  nachdrucksverhältnis  müssen  auf  rhythmische  einflüsse 
zurückgeführt  werden.  Solche  machen  sich  namentlich  dann 
geltend,  wenn  noch  ein  nomen  in  die  halbzeile  eintritt.  Steht 
das  adv.  in  diesem  falle  in  enklise  zum  verbum,  so  besitzt  es 
einen  schweren  nebenton.  Als  erstes  glied  einer  formel  hat 
es  einen  grösseren  nachdruck  als  gewöhnlich:  es  steht  dann 
mit  dem  nomen  auf  gleicher  stufe.  Einwirkungen  eines  beson- 
deren rhetorischen  satzaccents  sind  vereinzelt  bei  minder- 
tonigen  adverbien  zu  bemerken.  Selbst  ein  pron.-adv.  (vom 
demonstrativstamm)  vermochte  gelegentlich  einen  folgenden 
inf.  in  enklise  zu  sich  zu  zwingen  (s.  172). 

Die  verse,  die  ausser  den  erörterten  Wortverbindungen 
ein  pronomen  aufweisen,  werden  in  §  45  bei  der  besprechung 
des  tonverhältnisses  von  adverbium  und  pronomen "  behandelt 
werden. 

Cap.  V.   Pronomen. 1) 

§  37.  Wie  Sievers 2)  nachgewiesen  hat,  sind  zahlreiche 
pronomina  der  Vorliebe  der  jüngeren  spräche  für  diese  wort- 
kategorie  entsprechend  erst  nachträglich  von  den  Schreibern 


1)  Rieger  s.  29.  Sievers  §  27,  vgl.  Sobel  s.  50  f. 

^)  Sievers  §  36, 13,  wo  die  einschlägige  literatur  citiert  ist. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXI.  ]^ 


178  WENCK 

der  liss,  in  die  alten  texte  interpoliert  worden.  Im  einzelnen 
falle  ist  aber  hier  ein  endgültiger  entscheid  über  ursprüng- 
lichkeit oder  unursprünglichkeit  eines  prononiens  nicht  immer 
möglich,  da  das  metrum  ziemlich  grosse  freilieiten  gestattet. 
Dass  bei  Streichung  von  pronominibus  der  vers  oft  an  äusserer 
glätte  gewinnt,  kann  also  auch  nicht  absolut  ausschlaggebend 
sein.  Die  folgende  untersuchuug  müsste  sich  also  damit  be- 
gnügen, nur  einen  gewissen  grad  von  Wahrscheinlichkeit  zu 
erreichen.  Avenn  nicht  die  gi'osse  mannigfaltigkeit  der  Ver- 
bindungen des  pron.  mit  den  behandelten  Wortklassen  ergänzend 

einträte. 

a)    Relativpronomen,  i) 

§  38.  1)  Das  relativum  tritt  gewöhnlich  in  Verbindung 
mit  dem  demonstrativum  auf,  erhält  dadurch  aber  nicht 
mehr  nachdruck  als  wenn  es  allein  steht.  Es  verschmilzt 
normalerweise  mit  dem  dem.,  und  es  tritt  in  eingangssenkung, 
sobald  das  nomen'^)  oder  verb.  fin.'*)  beide  hebungen  in  sich 
vereinigt.  Steht  es  in  erster  hebung,  so  kann  es  wegen  seiner 
tonlosigkeit  nie  mit  alliterieren,  selbst  in  ii  nicht:  Vkv.  34, 2 
peirrars  [Jni\  gerp'ir  (vgl.  §  50). 

2)  In  Verbindung  mit  nomen  und  verb.  fin.-*)  steht 
es  wie  in  den  unter  1  genannten  fällen  im  eingang  des  verses, 


>)  Sievers  §  36, 9. 

'^)  In  Verbindung  mit  einem  nomen  erscheint  es:  Erste  halbz.: 
Typus  A»:  Vsp.  4,3.  59,7.  HH.  2,31,3.  Fäf.  44,3.  —  Typus  B>:  HH. 
1,24,7.  —  Typus  C:  Vsp.  61,5.  prk.  29,3  (=32,3).  Vkv.  29,3.  HH. 
1,  2,  3.  51,  9.  HH.  2, 12,  7.  Grp.  16,  7.  Eg.  15,  3.  Br.  15,  7.  G\>.  1,  3,  7.  0]>. 
3,10,7  (=Ghv.  18,  9).  —  Zweite  lialbz.:  vacat. 

^)  In  Verbindung  mit  verb.  fin.:    Erste  halbz.:   Typus  A^:   Vsp. 

14.5.  HH.  1,13,3.   HHv.  11,3.    Sg.  65,9.   —   Typus  B':   Gp.  2,40,3.  — 
Zweite  halbz.:  Typus  A»:  Vkv.  34,  2.  —  Typus  B:  Hei.  13,  6. 

*)  In  Verbindung  mit  nomen  und  verb.  fin.:  Erste  haibz.:  Typus 
A»:  Bdr.  5,3.  HH.  1,55,7.  Sg.  5,5.  —  Typus  B>:  Vsp.  39,5.  prk.  26,3 
(=28,3).  HH.  2,38,7.  HHv.  43,7.  Grp.  1,7.  11,3.  22,3.  Sg.  39,3.  70,7 
Hei.  10,7.  —  Typus  E':  HH.  2,  30,  7.  —  Zweite  halbz.:  Typus  A:  Hym 
30,4.  Grp.  20,2.  21,8.  Od.  18,4.  -  Typus  B:  Vsp.  20,  4.  65,4.  Hym.  22,  2 
Hdl.  1, 4.  25, 10.  Bdr.  2,  8.  Vkv.  16, 8.  HH.  2,  2, 4.  HHv.  3, 6.  9,  4.  Grp.  40, 8, 
Hei.  10,8.  —  Typus  C:  Vsp.  19,6.  42,8.  Hym.  22,6.  39,4.  Drk.  24,8.  Hdl 
7,8.  8,6.  14,6.  Vkv.  7,  8.  21,6.  24,6  (=35,2).  26,4.  Bdr.  12,6.  HH.  1,1,2 
5,  4.  32,  4.  33,  6.  54,  4.  HH.  2, 19,  2.  40,  2.  41,  2.  HHv.  5, 10.   Kg.  5,  2.  23,  6 

26. 6.  G]?.  1, 16, 8.  Sg.  49, 2.  Gp.  2, 15, 2.  26, 2. 


ALLITERATION  IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  179 

und  zwar  in  Senkung  bis  auf  Bdr.  5,  3  es  JigfumJc  (lis.  wer  heßr) 
&uht,  wo  es  aus  rhythmischen  gründen  die  erste  hebung  em- 
pfangen hat  und  nur  zufällig  mit  alliteriert  (vgl.  §  48). 

Ueberaus  selten  ist  die  mittelstellung  des  rel. :  i:  HH.  1,55,7  jgfur 
ßanns  olli,  vgl.  ferner  Sg.  5,5.  HH.  2,30,7  (=  HHv.  39,3).   —   ii:  Hym. 

80. 4.  Grp.  20, 2.  21, 8.  Da  nomeu  und  verbum  die  hebungen  einnehmen 
(ausgenommen  Bdr.  5,  3),  ist  die  in  §  19  gegebene  beurteiluug  auf  die  ge- 
nannten verse  auszudehnen. 

b)   Interrogativum. 

§  39.  Ebenso  unbetont  wie  das  relativum  ist  das  Inter- 
rogativpronomen, wenn  es  fragend  gebraucht  ist. 

In  Verbindung  mit  einem  uomen  begegnet  es:  Erste  halbz.: 
Typus  A^:  HH.  2,1,3.  Br.  13,5.  —  Typus  C^:  Hym.  38,5.  Grp.  1,3.  — 
Zweite  halbz.:  vacat.  —  In  Verbindung  mit  einem  verb.  fin.:  Erste 
halbz.:  Typus  A':  Gp.2,ll,B. 

Nimmt  das  nomen  bez.  verbum  nur  eine  hebi;ng  ein,  so  erhält  das 
pronomen  die  andere,  ohne  jedoch  mit  zu  alliterieren:  Gf>.  2,17,3  hvat  ek 
vcera,  wo  es  allein  alliteriert,  beruht  sicher  auf  Verderbnis  (vgl.  Sijmons  z.st.). 

In  Verbindung  mit  nomen  +  verbum  begegnet  es  in  folgenden  versen : 
a)  Pronomen  +  verbum  +  nomen:  Erste  halbzeile:  Typus  A:  A^: 
HHv.  7, 1.  —  A2 :  HHv.  38,  1.  Sg.  12,  5.  —  A^ :  Vsp.  9,  5.  23,  5.  48, 1  (=  prk. 
7, 1).  Bdr.  6,  5.  8,  5.  12,  5.  Ykv.  12, 1.  HH.  2,  5, 1.  19, 1.  Grp.  30, 1.  46, 1. 
Br.  1,1.  Hei.  2,1.  Od.  5, 1.  —  Typus  B^:  Gp.  2, 17,  9.  —  Typus  C^:  Hdl. 

11.5.  11,7.  11,9.  HH.  1,32,3.  —  Typus  Fa'':  Od.  4,1.  4,3.  —  Zweite 
halbzeile:  Typus  A:  A' :  HHv.  31,2.  —  A^:  Vsp.  48,2  (=  prk.  7,  2).  — 
Typus  C:  Hdl.  11,  6.  11,8.  11,10.  —  ^)  Pronomen  +  uomen  + verbum: 
Erste  halbzeile:  Typus  C:  Grp.  3,  3.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  C: 
Ysp.  5,8.  G)7.  2,18,6.  —  y)  Nomen  +  pronomen  +  verbum:  Erste 
halbzeile:  Typus  B:  Ykv.  32,  3. 

Bei  normaler  Wortfolge  («)  erhält  das  pron.  in  den  i.  ii  des  typus  A 
lind  einem  F  (Od.  4, 1)  aus  rhythmischen  gründen  die  erste  hebung,  es  muss 
jedoch  in  eiugaugssenkung  stehen  (auch  bei  gleichem  anlaut:  ii  Hdl.  11, 10 
hvat's  hersborit,  i  Hdl.  11,  9),  sobald  das  nomen  zwei  hebungen  zu  tragen 
vermag.  Kann  aber  das  verbum  die  erste  hebung  einnehmen,  ohne  dass 
das  nomen  in  enklise  zu  ihm  treten  muss  (G)?.  2, 17,  9  hverr  vildi  soh),  so 
geht  ebenfalls  das  pron.  in  Senkung  voraus.  Es  entspricht  somit  der  ton- 
losigkeit  des  pron.  vollkommen,  wenn  es  bei  gleicher  Stellung  («)  in  Od.  4,  3 
epa  hvafs  hlezt  die  erste  hebung  einer  conj.  überlässt. 

Bei  der  Wortfolge  ß  ist  das  pron.  durchgehends  proklitisch.  Diese 
Stellung  ist  oiTenbar  bei  der  Stellung  y  in  Ykv.  32,  3  af  heilum  hvat  varp 
herbeizuführen,  da  ein  aA^  dem  satzaccent  ebenso  sehr  wie  dem  metrum 
widerstreiten,  ein  B'  wegen  der  zweisilbigen  mittelsenkung  anstössig  sein 
würde.    In  anbetracht  der  tonlosigkeit  des  pron.  kann  auch  kein  zweifei 

12* 


180  WEN CK 

bestehen,  dass  in  den  beiden  A-  von  i  die  doppelalliteration  nur  auf  znfall 
beruht.  Demnach  müssen  auch  die  beiden  N'-verse  (ein  und  desselben  liedes): 

I  HHv.  7,1  hvat  latr  fijhjja  {Helga  nafni)  und  ii  31,2  hvat  kant  segja 
(i  kom  heill  Hepinn)  als  Verstösse  gegen  den  satzaccont  aufgefasst  werden. 
Für  die  mangelhaftigkeit  der  technik  des  dichters  ist  charakteristisch,  dass 
die  zugehörigen  halbverse  nomina  propria  enthalten.    Betreffs  der  A'  von 

II  vgl.  §  50.  57  f. 

c)    Bestimmter  artikel. 

§  40.  Der  bestimmte  artikel  wird  ausscliliesslicli  prokli- 
tiscli  verwendet  und  konnte  daher  bei  einigen  der  oben  behan- 
delten verse,  bei  denen  die  tilgung  eines  ev.  metrischen  Über- 
schusses nicht  sicher  stand,  ausser  betracht  gelassen  werden. 

Er  findet  sich  in  Verbindung  mit  einem  uomen  allein  iu  der  ersten 
halbzeile:  Typus  A^:  Vsp.  28,9.  46,3.  Hym.  30,1.  prk.  19,3.  Vkv.  2,7. 
8,  3.  3,  5.  Grt.  10,  3.  HH.  2,  31,  5.  HHv.  3,  3.  Grp.  30,  7.  Sg.  18,  5.  G\>.  3,  3,  3. 
Ghv.  16,  7;  in  der  zweiten  halbzeile:  Typus  C:  HH.  1, 1,  6.  55,6.  HH. 
2,  48, 10.  HHv.  32, 4.  Ghv.  4, 2  (=  8, 2).  4, 8. 

Auch  wenn  das  nomen  nur  eine  hebung  einnimmt,  steht  der  art.  nie 
in  hebung,  sondern  überlässt  diese  einer  vorangehenden  conj.,  präp.  (z.  b. 
Vsp.  28,  9  /  iman  mara)  oder  einem  demoustrativ-pron. :  Grp.  30,  7  ]m  ina 
iggru  (das  jedoch  in  Grt.  10,  3.  Sg.  18,  5.  Ghv.  16,  7  zu  tilgen  ist). 

d)    Demonstrativum. 
§  41.     1)   Demonstrativum  +  nomen.    Material: 

Erste  halbzeile:  Typus  A:  A":  Hdl.  8,5.  45,5.  —  A'^:  prk.  2,1 
(=3,3.  9,9.  12,3  =  Br.  6, 3  =  Od.  3,9).  —  A^:  Grt.  2,1.  HH.  1,5,3. 
15,  3.  47, 1.  HH.  2,  38,  5.  Gp.  1,  7,  3.  26, 7.  Vkv.  24, 5  (=  35, 1).  Sg.  3, 3.  8,  5. 
15,7.  Gp.2,3,7.  Od.  18,  7.  28,5.  Ghv.  17, 1.  17,5.  17,9.  21,5.  —  Typus  B': 
Vsp.  47,7.  Hdl.  45,7.  Grt.  6,5.  HHv.  39,7.  Sg.  35,7.  49,  3.  —  Typus  C: 
Vsp.  10,  5.  Hym.  20,  5.  37,  7.  Hei.  4,  7.  Br.  13,  3.  —  Typus  E' :  HH.  1, 16,  3. 
—  Zweite  halbzeile:  Typus  A:  prk.  18,4  (=  Gp.  1, 24,  4).  Hdl.  27,4. 
27,  8.  30, 8.  44, 4.  Vkv.  2, 8.  24,  2.  25, 6  (=  36,  2).  HH.  1, 50, 10.  HH.  2, 8,  6. 
Grp.  1,2.  Gp.  2,17,8.  Od.  7,2.  Ghv.  18,4.  —  Typus  B:  Hym.  13,2.  — 
Typus  C:  Vsp.  17,2.  HH.  1,21,8.  30,4.  HH.  2,37,4.  Grp.  48,4.  Br.  15,  2. 
Sg.  4,4.  Ghv.  3,2.  —  Typus  D:  Hym.  6,2.  Grt.  9,  4.  15,2.  —  Typus  E: 
HH.  1,  23,  6.  32,  2.  Hei.  8,  8.  —  T  y  p  u  s  F :  Gp.  1,  8,  4. 

Das  demonstrativum  steht  vor  dem  nomen  meist  in 
Senkung  und  überlässt  einer  vorausgehenden  conj.  (nie  einer 
präp.)  die  erste  hebung,  oder  es  steht  mit  dieser,  z.  t.  auch 
allein,  in  eingangssenkung,  wenn  das  nomen  zw^ei  hebungen 
beansprucht : 

Vgl.  Vsp.  10,ö  pcir  manUkii)),  iihnl.  Hym.  37,7,  ebenso  Br.  13,5  hitt 
herylgtußr    trotz  gleichen  anlauts  wegen  des  fehleus  einer  engen  gram- 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  181 

matisclieu  binclung.  Allerdings  sind  es  meist  einsilbige  pronominalformen, 
die  diesergestalt  tonlos  gebraucht  werden,  indessen  begegnen  auch  mehr- 
silbige in  proklitischer  Verwendung:  HH.  1,5,3  oJc  peirri  mei/ju,  Sg.  15,7 
enpeirrar  meyjar,  Ghv.  21,  5  atpetta  tregröf:  ein  auftakt  würde  hier  fehler- 
haft sein. 

Nach  dem  nomen  (diese  Stellung;  ist  in  ii  besonders 
beliebt)  nimmt  das  pron.  stets  eine  liebung  ein,  und  zwar 
auch  nach  präp.:  Hym.  13,  2  en  einn  af  peim  (vgl.  die  E-verse 
von  i  und  ii). 

In  zweiter  liebung-  alliteriert  das  dem.  selbst  bei  enger 
grammatischer  binduug  nicht  mit,  dagegen  trägt  es  in  erster 
hebung  verschiedentlich  allein  die  alliteration. 

In  I  begegnen  nur  4  beispiele :  Hym.  20,  5  en  m  jghmn,  Sg.  35,  7  ok 
]>eira  (qv  (Ghv.  17, 1  en  sä  särastr  ist  das  prou.  nach  analogie  von  17,  5. 
17,  9  in  Senkung  zu  setzen),  das  verstärkte  dem.  sjä  in  Hdl.  45,  5.  HHv. 
89,7;  in  ii  jedoch  die  dreifache  zahl  der  i-belege:  A:  prk.  18,4  (=  Gp.  1, 
24,  4).  Hdl.  30,  8.  44,  4.  Vkv.  2,  8.  Gp.  2, 17,  8.  Od.  7,  2.  —  C :  Vsp.  17,  2. 
Er.  15,  2.  —  D :  Hym.  6,  2.  Grt.  9, 4.  15,  2. 

Diese  starke  hervorhebung  des  an  sich  tonschwachen  dem.  muss  in 
erster  linie  auf  rhetorischen  acceut  zurückgeführt  werden,  wenn  dessen 
anwendung  z.  t.  auch  für  uns  nicht  recht  verständlich  ist.  Da  jedoch  gerade 
die  II 1)  häufiger  sind,  wird  man  nicht  fehlgehen,  wenn  man  annimmt,  dass 
der  alliterationszwang  dabei  mitgespielt  habe:  um  so  Aveniger,  als  sich  in 
I  mehrere  fälle  vorfinden,  in  denen  die  Vorbedingung  enger  grammatischer 
Zusammengehörigkeit  erfüllt  ist,  ohne  dass  das  nomen  in  enklise  zum  dem. 
getreten  wäre,  in  Ghv.  17, 1  treten  müsste.  Sonach  ist  es  nicht  aus- 
geschlossen, dass  wir  in  einigen  fällen  wenigstens  anzeicheu  eines  Verfalls 
der  technik  zu  erblicken  haben :  man  vergl.  Vkv.  2,  8  peira  systir  mit  Hdl. 
27, 4  mstir  peira.  Dabei  lässt  sich  die  stärkere  betonung  des  poss.  gen. 
(Hdl.  30,  8.  Sg.  35,  7)  noch  eher  verstehen ,  als  die  eines  von  einem  inf.  ab- 
hängigen casus :  ii  Gp.  2, 17,  8  \>ess  at  ßpyrja,  Hdl.  44,  4  Ipann  at  nefna  (vgl. 
I  Grt.  6,  5  ne  h(pggva  pvi).  Derselbe  unterschied  zwischen  den  beiden  halb- 
zeilen  tritt  in  den  versen  zu  tage,  in  denen  das  pron.  von  einem  comparativ 
abhängt:  ii  Grt.  9,  4  ]>eim  gflgari,  Od.  7,  2  pvigit  fleira  (vgl.  s.  107),  aber  i  Sg. 
49,  3  ok  minna  pvi. 


^)  Nur  einmal  steht  in  u  das  vorausgehende  pron.  in  Senkung:  Ghv. 
3,  2  peim  Gunnari.  Es  ist  dies  jedoch  die  regelmässige  betonung  des  dem. 
in  der  specifisch  nord.  Verbindung  mit  einem  npr.  (pers.-pron.  s.  unten) : 
z.  b. :  I  Sg.  8,  5  es  pau  Gupyi-un,  Hdl.  45,  7  päs  peir  Angantyr. 

2)  Die  nachstellung  von  peira  ist  jedoch  in  i  (Hei.  4,  7  Hdl.  8,  5)  wie 
II  (HH.  1,  21,  8.  30,  4.  HH.  2,  37,  4.  Sg.  4,  4.  Gp.  1,  8, 4.  Hdl.  27,  4.  HH.  1, 
50,10.  HH.  2,3,6.  Ghv.  13,4  [betreffs  der  alliteration  vgl.  Bugge  z.  st.]) 
weitaus  beliebter  gewesen. 


182  WENCK 

2)  Demonstrativum  -f  verbum  finitum.    Material: 

a)  Demonstrativ  um  vor  zugehöriger  verbal  form:  Erste 
halbzeile:  Typus  A':  Br.  4,5.  Od.  25,5.  IUI.  1,3,5.  11,5.  —  Zweite 
halbzeile:  Typus  C:  HH.  2,11,2.  —  b)  Obliquer  casus  des  pron.: 
Erste  halbzeile:  Typus  A':  Hym.  4,1.  prk.  14,5.  —  Typus  B':  Sg. 
35,1.  Od.  10,3.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A:  A>:  Gf>.  3, 3,  G.  — 
A»:  Vsp.  6,4  (=  9,4.  23,4.  25,4.  27,4.  28,14.  39,10).  -  Typus  B:  Grp. 
53, 8.  —  Typus  C :  Gii).  25, 4.  Gp.  2,  30, 8. 

a)  Das  dem.  nimmt  vor  zugeliörio^er  verhalfoim  nur  HH. 
1,  3,  5  ]jce7'  um  greiddu  die  erste  liebung  ein,  sonst  steht  es  in  i 
(unmittelbar  vor  dieser)  proklitiscli  und  iiberlässt  einer  conj. 
die  erste  liebung. 

Um  so  auffälliger  ist  der  eine  zweite  halbvers  HH.  2, 11, 2  at  "peir  sei. 
Zwar  ist  der  uachdrucksunterschied  zwischen  dem  hilfsv.  und  dem  pron. 
nicht  sehr  gross,  doch  ist  die  eiuwirkuug  des  Sprachmaterials  (03)  so  evi- 
dent und  die  Stellung  dieses  isolierten  verses  (vgl.  §  42, 2,  a)  im  zweiten 
Helgilied  so  bezeichnend,  dass  die  annähme  eines  fehlers  nicht  zu  ge- 
wagt ist. 

b)  Wie   in   den   unter  1   beliandelten   versen    steht    der 

oblique  casus   des  dem.   hinter   dem  verbum   stets   in  zweiter 

hebung,  er  alliteriert  jedoch  nie  mit. 

In  I  iiberlässt  das  pron.  vor  dem  verbum  die  erste  hebuug  einer  conj. 
Zusammen  mit  einer  präp.  steht  es  in  Senkung :  prk.  14,  5  ol'  tan  pal  repu, 
desgl.  in  dem  formelhaften  vers  der  Vsp.  6, 4  etc.  ok  um  pat  gwttusk  (be- 
treffs A"*  in  II  vgl.  §  50).  Mit  ausnähme  des  zuletzt  angeführten  beispiels 
trägt  das  dem.  in  ii  voraussteheud  stets  die  erste  hebung:  Gp.  3,  3,  G  patki 
c'ittak  (i  enthält  ein  npr.),  Grp.  25,  4  til  \>ess  iieyjjir.  Da  es  sich  wider  um 
ausnehmend  junge  lieder  handelt  und  ferner  nur  ii  die  zweifelhafte  rheto- 
rische hervorhebung  aufweisen  würde,  darf  man  wie  oben  den  alliterations- 
zwang  als  treibendes  motiv  ansehen. 

3)  Demonstrativum  +  verbum  finitum   +  nomen. 

Material : 

a)  Das  pronomen  ist  =  dem  subject  des  verbums:  Stel- 
lung 1 :  K  0  m  e  u  +  V  e  r  b  u  m  +  p  r  0  n  0  m  e  n :  Erste  h  a  1  b  z. :  T  y  p  u  s  E' : 
Rp.12,1  (=24,1).  13,1.  HH.  1,7, 1.  —  E-:  llp.  23,  5.  —  Zweite  halbz.: 
Typus  E':  Hym.  11,10.  —  E^:  Vsp.  3G,  4.  —  Stellung  2:  Nomen + 
pronomen  +  verbum:  vacat.  —  Stellung  3:  Verbum  +  nomen  + 
p  r  0  n  0  m  e  n :  vacat.  —  8 1  e  1 1  u  n  g  4 :  V  e  r  b  u  m  +  p  r  o  n  o  m  e  n  +  n  o  m  c  n : 
Erste  halbz.:  Typus  A':  Od.  21, 1.  —  Typus  E»:  Vkv.  7,5.  Hdl.  25,«3. 
Br.9,1.  —  Zweite  halbz.:  Typus  A:  Ep.  39,  8.  —  Stellung5:  Pro- 
nomen +  nomen  +  verbum:  Erste  halbz.:  Typus  C:  C:  HH.  2, 
24,5.  Eg.23,5.  —  C«:  Vsp.  20,!».  Grt.  3, 1.  —  Zweite  halbz.:  TypusC: 
Vsp.  20, 10.  37,8.  —  Stellung  G:   Pronomen -h  verbum  +  nomen: 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  183 

Erste  halbz.:  Typus  A^:  Vsp.  2-i,  3.  43,3.  Hyra.  33,1.  Hdl.  9,1.  26,1. 
28,  9.  38,  4  (=  43,  3).  Bdr.  3, 1.  Grt.  1,  5.  HH.  1,  46,  5.  52,  5.  53, 11.  HHv. 
11,  5.  40,  3.  Grp.  4,  7.  Rg-.  14,  5.  Sg.  65,  3.  Gp.  2,  21,  5.  39, 1.  43,  5.  Gp.  3, 1,  5. 
Od.  19,  5.—  Typus  Fa»:  Rg.  5, 1.  —  Typus  B':  Hdl.  40,  7.  —  Typus  C: 
HH.2,22,  7.  Sg.55,3.  —  Zweite  halbz.:  vacat. 

1))  Obliquer  casus  des  pronomens:  Stellung  1:  Erste 
halbz.:  Typus  A':  Vkv.  2,1.  HH.  1,15,7.  HH.  2,4,11.  HHv.  8,5.  Gp. 
2,41,5.  42,5.  —  Typus  E':  Rp.  3, 1  (=  5, 1).  17,1.  19,1.  30,1.  33,1. 
Hdl.  35,5.  HHv.  33,9.  42,1.  Br.  15, 3.  —  Zweite  halbz.:  vacat.  — 
Stellung2:  Erste  halbz.:  Typus  A':  G)?.  2,  5,  7.  —  Zweite  halbz.: 
vacat.  —  Stellung  3:  Erste  halbz.:  Typus  A:  A^:  G]?.  2,33,5.  — 
A':  Grp.  32,5.  —  Typus  B^:  Rp.  14,1.  38,1.  Grp.  23,3.  —  Typus  D': 
Od.  18,5.  —  Typus  E»:  Grp.  30,3.  —  Zweite  halbz.:  Typus  B:  Grt. 
22,8.  —  Typus  C:  HH.  2,26,8.  —  Typus  D:  Grp.  36,2.  —  Typus  E: 
Grp.  48,  8.  —  Typus  6^:  Grp.  39,8.  —  Stellung  4:  a)  Verbum  und 
nomen  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  A:  A^:  Vkv.  18,9.  HH. 
1,34,1.  —  A^:  Grp.  34,1.  Sg.  5,7.  Gp.  2,23,1.  —  Typus  E:  E':  HH. 
2,32,5.  33,1.  Sg.  66,1.  —  E^:  Vkv.  19,3.  37,1.  HH.  2,32,1.  —  E^:  Vkv. 
31,1.  —  Zweite  halbz.:  Typus  A:  Grp.  51,8.  —  ß)  Nur  das  nomen 
in  hebung:  Ers-te  halbz.:  Typus  B:  Vsp.  8,3.  —  Zweite  halbz.: 
vacat.  —  Stelluugö:  Erste  halbz.:  Typus  B:  Gp.  1,  8,  5. —  Zweite 
halbz.:  vacat.  —  Stellung  6:  «)  Pronomen  und  nomen  in  hebung: 
Erste  halbz.:  Typus  A:  A' :  Od.  7,1.  —  A^:  Vsp.  21,1.  51,7.  Rp.  36,  7. 
Hdl.  29,  5.  43,  5.  Vkv.  6, 1.  HH.  1,  2,  5.  HH.  2,  27,  5.  HHv.  38,  7.  Grp.  28,  5. 
Fäf.  42,  5.  Hei.  9,  5.  Gp.  2, 10,  5.  30, 1.  34, 1.  Od.  2,  2.  8,  5  (=  15, 1).  19, 1. 
—  Zweite  halbz.:  Typus  A:  Hdl.  4,  2.  —  A-^:  Grt.  9,  8.  —  ß)  Verbum 
und  nomen  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  C^:  Fäf.  41,  7.  — 
Zweite  halbz.:  vacat. 

Zunächst  lässt  sich  hier  ein  aussergewöhnlich  starkes  ab- 
fallen der  belegzahlen  für  ii  wahrnehmen:  gruppe  a:  i  40  :  ii  5, 

gruppe  b:  I  59  :  II  8  (vgl.  §  42,  3). 

Der  grund  dieser  erscheinung  ist  darin  zu  suchen,  dass  die  normale 
Wortfolge  in  ii  durch  den  alliterationszwang  unmöglich  gemacht  war. 
Normal  ist  hier  offenbar  die  in  gruppe  a  und  b  (in  b  weniger)  am  stärksten 
vertretene  Stellung  6,  die  für  i  unter  gruppe  a  27,  unter  gruppe  b  21,  aber 
für  II  nur  zwei  belege  der  gruppe  b  aufweist.  Pron.  und  nomen  nehmen 
gewühulich  die  hebungen  ein,  doch  begegnen  drei  beispiele  mit  hilfsv.,  in 
denen  das  pron.  mit  dem  verbum  zusammen  in  eingangssenkung  steht  (vgl. 
s.  173,  3),  weil  beide  hebungen  im  nomen  liegen  (HH.  2,  22,  7.  Sg.  55,  3)  oder 
die  zweite  hebung  von  einer  nachgestellten  präp.  beansprucht  wird  (vgl. 
§  48) :  Hdl.  40,  7.  Nach  dem  in  §  19,  c  erörterten  kann  der  gleiche  anlaut 
des  hilfsv.  in  a)  Hdl.  26,1.  HH.  1,53,11  (auch  wegen  des  anomalen  auf- 
taktes),  b)  Fäf.  42, 5  für  die  rhythmisierung  nicht  in  betracht  kommen, 
obwol  in  Fäf.  41,  7  pä  raunt  Sigurßr  das  hilfsv.  die  erste  hebung  trägt : 
denn  bei  der  völligen  Isolierung  dieser  letzteren  halbzeile  in  i  liegt  der 
gedanke  an  Verderbnis  sehr  nahe  (vgl.  Sijmons  z.  st.). 


184  WENCK 

Stellt  das  nomen  an  erster  versstelle  (Stellung  1.  2),  so 
begegnet  die  nach  ausweis  von  Stellung  ß  (s.  oben)  als  normal 
zu  bezeichnende  folge  pron.  +  verbuni  (Stellung  2)  nur  in  einem 
einzigen  vers  der  gruppe  b:  G]\  2,  5,  7  ]ör  Jmt  vtssi,  in  dem 
der  eintritt  der  metrisch  möglichen  Stellung  1  durch  den  auf 
dem  verbalbegriff  ruhenden  logischen  accent  verhindert  worden 
ist.  —  Stellung  1  ist  in  i  besonders  in  gruppe  b  stark  ver- 
treten (gruppe  a:  i  5  :  ii  2  :  gruppe  b:  i  16  :  ii  vacat). 

Das  fehlen  jeglichen  heleges  für  ii  ist  hei  b  somit  doppelt  auffällig 
lind  durch  nichts  zu  rechtfertigen ,  da  ja  das  pron.  die  zweite,  schwächere 
hebung  hätte  erhalten  können.  3)  —  Ebenso  ist  die  folge  verbum  +  pron. 
bei  nachstehendem  nomen  (Stellung  4)  in  gruppe  a  weit  spärlicher  vertreten 
(i  4  :  II  1)  als  in  gruppe  b  (i  13  :  ii  1).  Daraus  ist  jedoch  mit  grosser  Wahr- 
scheinlichkeit zu  schliesseu,  dass  man  enklise  des  als  subject  fungierenden 
pron.  gemieden  hat,  während  die  proklitische  Stellung  des  zum  nom.  ge- 
hörigen (obliquen)  pron.  in  gruppe  b  nach  §  41, 1  als  regelrecht  bezeichnet 
werden  rauss.  In  gruppe  a  ist  das  pron.  kaum  mehr  als  ein  flickwort,  das 
zur  fülluiig  des  verses  dient  (i  Od.  21,1  hupii  pe/r  Atla).*)  In  den  E  von 
gruppe  a  und  b  (Stellung  4)  dagegen  muss  das  pron.  sogar  die  nebenhebung 
bilden.  Durch  tilguug  des  pron.  könnten  allerdings  regelmässige  Fa^ 
herbeigeführt  werden.  Indessen  darf  man  dem  pron.  sicher  das  gleiche 
recht  wie  dem  hilfsv.  (s.  148;  einräumen.  —  Ysp.  8,  3  vas  peim  xaHtcrgis  ist 
wegen  der  unverschleifbaren  zweisilbigen  eingangssenkung  anstüssig.  Daher 
ist  entweder  umzustellen  oder  das  pron.  zu  streichen.  Eine  dritte  mög- 
lichkeit,  die  einsetzung  der  seltneren  nebcnform  vctkis  (vgl.  Noreen,  An. 
gramm.3  §  4G6, 3)  würde  unserem  rhythmischen  gefühl  am  besten  ent- 
sprechen. 

Verbum  und  pron.  sind  nur  selten  von  einander  getrennt 

(Stellung  3.  5). 

Stellung  8  ist  in  gruppe  a  überhaupt  nicht,  in  gruppe  b  dagegen 
durch  7  i  und  5  ii  vertreten.  Dieser  unterschied  kann  nicht  zufällig  sein 
(vgl.  §  42, 3).  Das  fehlen  der  Stellung  3  in  gruppe  a  berechtigt  zu  dem 
Schlüsse,  dass  das  pron.  von  der  zugehörigen  verbalform  nur  dann  getrennt 
werden  durfte,  wenn  es  vorangieng  (vgl.  das  abweichende  verhalten  des 
adv.  s.  167).  Dazu  stimmt,  dass  gruppe  a  mehr  belege  der  Stellung  5 
(I  4  :  II  2)  aufweist ,  als  gruppe  b  (i  1  :  ii  0).  Die  kleiuheit  dieser  zahlen 
zeigt,  wie  wenig  man  geneigt  war,  pron.  und  verbum  auseinander  zu 
reissen:   kein   Avunder   also,   dass   wider  der   einiluss  des  sprachmaterials 


3)  Es  ist  jedoch  zu  berücksichtigen,  dass  "Rp.  17,  1  R///>"  kumu'  peim 
noch  5  mal  widerkehrt.  Ausserdem  ist  HH.  1,15,7  bn/«j«r  r^iru  peira  nur 
deshalb  hierher  gezogen,  weil  es  unsicher  ist,  ob  verbum  oder  pron.  getilgt 
werden  muss. 

*)  Zur  la.  von  R  ärla  vgl.  §  46,  2,  a,  Stellung  6. 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  185 

sichtbar  wird:  von  den  4  C  von  i  gehören  3,  ebenso  der  eine  zweite  halb- 
vers  Vsp.  20, 10  dem  untertypus  C  3  an.  Der  zweite  beleg  von  ii  (C  2)  Vsp. 
87,8  eil  sä  Brhm'r  heitir,  ist  anszuscheiden ,  wenn  man  die  tilgnng  des 
pron.  für  notwendig  hält.  Obgleich  die  proklitische  Stellung  des  pron.  in 
Stellung  5  ein  sicheres  kriterium  für  dessen  toulosigkeit  ist,  zeigt  sich  bei 
Stellung  3  ein  ähnliches  schwanken  in  der  rhj'thmisieruug ,  wie  es  oben 
s.  167  beim  adv.  festgestellt  worden  ist.  In  den  A-versen :  Grp.  32, 5  es 
sJcalJc  vip  mey  pä,  Gj?.  2,  33,  5  Qig  [pii\  um  aldr  pat  steht  das  verbum  in 
erster  hebung  oder  überlässt  es  dieser  einer  conj.,  und  das  pron.  steht  in 
völliger  enklise  zum  nomen.  Dagegen  steht  in  den  B  und  C  das  verbum 
in  eingangssenkuug  und  überlässt  dem  pron.  (nach  einer  präp. :  Ej?.  1-1, 1. 
38,1)  die  zweite  hebung.  Da  in  Od.  18,5  yasa  langt  af  pvi,  Grp.  36,2 
mciTi  Uta  pat  sogar  ein  hilfsv.  die  erste  hebung  eines  D-verses^)  einnimmt, 
ist  für  die  B  und  C  mit  proklitischem  vollverb  die  rhj'thmisierung  D — B 
bez.  D — C  anzunehmen,  wie  dies  die  völlige  enklise  des  pron.  in  den  an- 
geführten A-versen  erheischt.  Dasselbe  gilt  von  dem  als  G^  bezeichneten 
vers  Grp.  39,  8  ser  vcetr  fyr  pvi  ^) 

Was  die  alliteration  der  verse  mit  verbum  und  nomen 
in  den  Hebungen  anlangt,  so  ist  auf  s.  132  f.  zu  verweisen. 

Steht  das  pron.  in  erster,  das  nomen  in  zweiter  hebung  (Stellung  6), 
so  alliteriert  ersteres  weder  in  der  gruppe  a,  noch  in  gruppe  b  mit.  Der 
eine  zweite  halbvers  von  b :  Grt.  9,  8  peim  erum  hornar  ist  hinsichtlich  des 
satzaccents  ganz  correct  (vgl.  §  50).  Aus  demselben  gründe  sind  die  beiden 
N^  von  gruppe  b :  i  Od.  7, 1  yar  hi/Jck  nmliu,  ii  Hdl.  4,  2  pess  mun  [honi 
'hipja  sehr  befremdlich,  und  merkwürdig  zugleich  wegen  der  coincidenz  mit 
den  s.  181  unter  1  citierten  versen  mit  inf.  Die  annähme  rhetorischer  be- 
tonung  hat  nur  bei  Hdl.  4,  2  (avo  der  fehler  übrigens  durch  die  parallele 
alliteration  abgeschwächt  wird ,  vgl.  §  57  f.)  einige  Wahrscheinlichkeit  für 
sich.  Od.  7, 1  ist  sicher  ein  anzeichen  der  entartung  im  technischen.  In 
Stellung  1,  wo  das  demonstrativum  die  zweite  hebung  einnimmt,  alliteriert 
es  in  Rf».  23,5  Sngi-  heitir  sü  mit,  jedenfalls  nur  zufällig.  Der  eine  vers 
von  II  mit  doppelalliteration  Vsp.  36,  4  SNpr  heitir  sü  ist  ein  zeichen 
mangelhafter  technik  (vgl.  §  54).  In  den  B  und  C  der  Stellung  3,  wo  das 
pron.  gleichfalls  nach  dem  Schema  die  zweite  hebung  trägt,  alliteriert  es 
nirgends  mit:   eine  weitere  stütze  für  die  vorgeschlagene  rhythmisierung 


5)  Dass  das  nomen  die  zweite  hebung  erhalten  muss,  geht  aus  den  A- 
und  B-,  C-versen  notwendig  hervor.  Nur  Grp.  30,  3  ^^  48,  8  seg  Gripir  pat 
konnte  das  pron.  die  zweite  hebung  eines  E  erhalten,  da  es  sich  um  einen 
vocativ  handelt  (vgl.  s.  165,  anm.  4). 

^)  Die  conjectur  F.  Jönssons,  die  dem  mangel  eines  reimstabes  durch 
einsetzung  von  hyggsJc  abhelfen  will,  wäre  rhythmisch  ganz  passend.  Der 
zugehörige  erste  halbv.  föstru  Heimis  würde  dann  aber  einen  schweren 
Verstoss  gegen  den  satzaccent  enthalten.  Eine  Umstellung  wäre  daher  un- 
bedingt nötig,  weil  wir  selbst  in  einem  liede  mit  offenkundig  mangelhafter 
technik  keine  berechtigung  haben,  fehler  erst  durch  conjectur  herzustellen. 


186  WENCK 

D— B,  D— C.  —  In  Grp.  30, 3  =  48,  8  hat  das  pron.  in  zweiter  hebuug  auch 
keinen  anteil  an  der  alliteration. 

Da  die  tonlosigkeit  des  dem.  völlig  gesichert  ist,  kann  es 
nicht  Avunder  nehmen,  Avenn  das  Hildebrandsche  gesetz  hier 
keine  geltung  hat:  Br.  15,  3  tdr  hunni  peim  \\  iljöta  Utum. 

e)    Pronomen  personale  (reflexivum). 
§  4'2.     1)  Personalpronomen  und  nomen.    Material: 

Erste  halbzeile:  Typus  A:  A':  Wv.  5,9.  —  A«:  G\>.  2,9,1.  — 
A':  Grt.  15,3.  HH.  1,  43,  S.'öö,  1.  HH.  2,4,9.  46,7.  HHv.  4,5.  37,3.  41,5. 
42,3.  GJ7.  1,23,7.  Sg.  5,1.  8,7.  11,7.  13,9.  57,8.  60,7.  65,7.  68,5.  Gp. 
3,2,3.  2,5.  Gp.  2,1,5.  Od.  11,3.  Ghv.  8,7.  —  Typus  B:  B':  HHv.  10,7. 
Grp.  25.3.  Br.  17,7.  Gp.  1,10,3.  Sg.  18,3.  32,3.  —  B^:  Grp.  46,3.  —  B^: 
Gp.  1,26, 1.  Ghv.  19,3.  —  Typus  C:  Grp.  27,  3.  51,3.  Sg.  35, 3.  —  Typus 
E':  Grp.37,7.  —  Typus  F':  Sg.  4,  5.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A: 
Hdl.  17, 2.  Grt.  10, 8.  HH.  2,  20,  8.  46, 12.  HHv.  31, 8.  Grp.  26,  8.  45, 8. 
Fäf.  35,4.  Br.  3,8.  18,4.  Sg.  6,8.  7,4.  42,8.  52,6.  61,8.  Ghv.  11,4.  19,8. 
Od.  25,4.  —  Typus  B:  Grp.  39,2.  Od.  10,2.  17,4.  29,8.  —  Typus  C: 
Vkv.  26, 6.  Grt.  9,  2.  HH.  2, 18,  6.  HHv.  3, 2.  Grp.  50,  2.  Kg.  14,  4.  Br.  19,  4. 
Sg.  49,4.  Oel.  12,8.  —  Typus  D:  Bdr.  5,2.  —  Typus  E:  Hyra.  32,2. 
Grt.  8,2.  HH.  2,13,8.  Grp.  10,2.  -  Typus  F:  Sg.  39,6. 

Nachstehend  (in  i  A':  Vkv.  5,9;  alle  B'  und  B^;  C: 
Grp.  51,3;  E':  Grp.  37,7;  in  ii  A:  Grt.  10,8;  alle  B;  C:  Grp. 
50,2.  Br.  19,4;  E:  Grt.  8,2.  HH.  2, 13,8.  Grp.  10,  2)  empfängt 
das  pron.  pers.  stets  die  zweite  hebung,  es  alliteriert  jedoch 
(aus  Zufall)  nur  einmal  mit:  Grp.  46,  3  es  \clar  \cr.  Der  iso- 
lierte zweite  halbvers  mit  doppelalliteration  in  demselben  liede: 
Grp.  50, 2  at  \\vQtun  \\ennar  enthält  einen  groben  metrischen 
Verstoss.  Yoranstehend  tritt  das  pron.  sehr  selten  in  hebung 
(A:  Sg.  5, 1.  G]>.  3, 2,  3;  2  B^;  vgl.  s.  179).  Es  bildet  die  eingangs- 
senkung,  wenn  das  nomen  beide  hebungen  in  sich  vereinigt 
(C),  oder  überlässt,  wenn  das  nomen  nur  die  zweite  füllt,  die 
erste  einer  conj.,  ein  einziges  mal  einer  präp.:  HHv.  37, 3  vi])  ])iJc 
Svdfa,  und  zAvar  aus  rh3'thmischeu  gründen,  wie  die  beiden  B-' 
von  I  zeigen.  Die  art  der  grammatischen  Verknüpfung  ist  dabei 
ziemlich  gleichgiltig. 

Steht  das  pron.  vor  zugehörigem  vocativ  (HHv.  37, 3.  HH. 
1,  56, 1)  oder  steht  es  zum  folgenden  nomen  im  Verhältnis  von 
subject  zu  object  oder  object  zu  subject  (das  ist  die  mehrzahl  der 
fälle)  oder  geht  das  pron.  die  s.  181,  anm.  1  erwähnte  Verbindung 
mit  einem  iipr.  ein  {Gp.  3, 2,  5  at  ])U  l)j6J)rckr),  selbst  wenn  es 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  187 

attributiv  zu  dem  nomen  construiert  ist  (Sg.  57,  3  ])ds  mik  sdra, 
68,  5  J)ds  vit  hcejji),  so  nimmt  es  stets  die  Senkung  ein. 

Es  ■wäre  daher  sehr  verwunderlich,  wenn  das  nomen  in  Sg.  65,7  at 
vnd[ir]  oss  gllum  zum  pron.  in  euklise  treten  sollte,  zumal  da  auf  ihm  der 
logische  nachdruck  liegt  und  das  pron.  üherflüssig  ist  (vgl.  die  folgende 
langzeile).  Auch  wenn  man  das  pron.  beibehalten  Avill,  kann  nur  der  an- 
satz  von  A^  dem  satzaccent  gerecht  werden. 

Im  gegensatz  zu  seinem  verhalten  in  i  alliteriert  das 
vorausgehende  pron.  gewöhnlich  in  ir.  Nur  in  wenigen  fällen 
geht  es  in  Senkung  voraus. 

Der  metrische  fehler  in  Sg.  7,  i  en  ck  Gunnars  wie  Ghv.  19,  8  darf 
durch  Umstellung  gebessert  werden,  da  der  sich  aus  dem  logischen  gegen- 
satz ergebende  grössere  nachdruck  des  pronomeus  für  dieses  Stellung  in 
hebung  fordert.  In  den  beiden  anderen  versen  steht  das  pron.  in  enklise 
zu  einer  präp.,  die  sogar  in  HH.  2,  20,  8  und  sik  prungit  im  vorzug  vor 
einem  (verbal-)  nomen  alliteriert.  Im  anderen  falle,  einem  vers  des  gleichen 
liedes :  46, 12  hjä  oss  h'pmim,  ist  Umstellung  möglich.  Diese  merkwürdige 
behaudlung  des  pers. -pron.  im  Verhältnis  zu  einer  präp.,  wie  sie  sich  nur 
in  den  technisch  entarteten  Helgiliedern  (vgl.  HHv.  37,  3,  s.  186)  vorfindet, 
kann  keine  altertümlichkeit  sein,  da  durch  eine  unmenge  von  andern  bei- 
spielen  die  proklitische  Verwendung  der  präp.  durch  alliteration  und  metrum 
festgestellt  wird.  Ein  zweifei  ist  völlig  ausgeschlossen  durch  einen  C-vers 
wie  Sg.  49, 4  at  mcr  piggja,  da  hier  selbst  das  tongewicht  eines  nomens 
beeinträchtigt  worden  ist  von  dem  bestreben,  das  des  von  einer  präp.  ab- 
hängigen pers.-pron.  zu  wahren.  Zur  beurteilung  der  anderen  ii,  in  denen 
das  pron.  erste  hebung  und  alliteration  trägt,  ist  wider  auf  die  begriff- 
liche bin  düng  zu  achten,  die  hier  von  entscheidender  bedeutung  gewesen 
zu  sein  scheint.  Verständlich  ist  ohne  weiteres  die  alliteration  auf  dem 
poss.  gen.  (vgl.  s.  181, 1)  Hdl.  17,  2  ]iennar  möpir,  vgl.  Fäf.  85,  4.  Grt.  9,  2. 
HHv.  3,  2,  desgl.  auf  dem  vom  nom.  abhängigen'  pron. :  Sg.  61,  8  oss  um 
likan,  39,  6  jpr  um  likr.  Ebenso  sind  vielleicht  die  fälle  mit  verbalnomen 
(inf.)  noch  als  regelmässig  zu  betrachten :  A :  HHv.  31, 8  oss  at  finna, 
Br.  3,  8.  18,  4.  Sg.  42,  8.  52,  6.  Ghv.  11,  4.  Od.  25,  4 ;  C :  HH.  2, 18, 6.  Sg.  49, 4, 
desgl.  mit  part. :  Eg.  14,  4  incp  oss  kominn,  Hym.  32,  2  vaer  genginn  frei 
(vgl.  §  48).  Die  ziemlich  grosse  zahl  dieser  fälle  scheint  allerdings  Über- 
einstimmung mit  dem  satzaccent  wahrscheinlich  zu  machen,  doch  ist  es 
bemerkenswert,  dass  sie  sich  nur  in  liedern  jüngerer  technik  und  der  skal- 
discheu  Hym.  finden.  Die  annähme  rhetorischer  betonung  ist  nicht  so  ein- 
leuchtend, dass  mau  die  möglichkeit  partieller  eiuAvirkung  des  alliterations- 
zwanges  ableugnen  könnte.  Diese  annähme  wird  ferner  gestützt  durch  den 
mangel  analoger  belege  in  i,  ausserdem  durch  verse  mit  nominalem  nomen 
in  zweiter  hebung,  in  denen  rhetorische  betonung  des  pron.  widersinnig 
Aväre :  Grp.  26,  8  aer  fyr  hgndum,  45,  8  ser  at  licfndum,  Sg.  6,  8  mcr  at  armi. 
—  Bdr.  5, 2  meV  ökunnra  ist  vielleicht  mit  Sg.  89,  6.  61,  8  zusammenzu- 
stellen. Dagegen  sind  Ykv.  26,  6  nema  per  einum,  Od.  12,  8  nema  mer  einni 
ganz  normal  und  sprechen  für  rhetorischen  einfluss. 


188  WENCK 

2)  Personalpronomen  und  verbum  finituni.  Material: 

a)  Erste  halbz.:  Typus  A«:  Vkv.  18,5.  33,7.  Grt.  2,7.  RH.  2, 13,  3. 
Sg.  3,7.  Hei.  3,3R.  Ghv.  16,3.  —  Typus  B':  Sg.  39,9.  Od.  25,7.  — 
Typus  C:  HH.  2,4,5.  Sg.  53,7.  G}\2,28,3.  —  Zweite  halbz.:  Typus 
A»:  HH.  2,33,2.  Od.  15,4.  —  Typus  C:  E^  48,4.  Bdr.  13,2.  Vkv.  33,  12. 
HH.  1,40,4.  Sg.58,8. 

b)  Erste  balbz.:  Typus  A:  A':  Ysp.42,5.  Rg.  11,3.  Sg.45,3.  Ghv. 
3,5.  —  A»:  Sg.  69,1.  -  A':  Hym.  11,7.  14,1.  prk.  11,7.  16,1.  19,5.  Ep. 
40,1.  HH.  1,19,3.  40,5.  Sg.  13,  9.  61,5.  69,5.  70,1.  Gp.2,3,1.  —  Typus  B: 
B':  prk.  8,7.  13,9.  Grp.  48,5.  Hei.  13,7.  Gp.  2,12,7.  12,9.  Od.  9,5.  11,5. 
29,7.  Ghv.  2,  3.  —  B^:  Gp.  2,  20, 5.  Ghv.  19,  5.  —  Zweite  halbz.: 
Typus  A:    A':   Vsp.  21,6.   Hym.  18,8.  Gp.  1,2,4.  —  A^:  Vkv.  12,4.   HH. 

2.32.2.  32,6.  —  Typus  B:  Vsp.  28,6.  Hdl.  6,2.  Od.  34,2.  —  Typus  C: 
Vsp.  32,  2.  Hym.  18,  2.  E}\  40,  6.  Vkv.  22,  8.  HH.  2,  41,  4.  HHv.  7,  8. 
Gp.  3,  1,  8. 

a)  Das  pers.-pron.  steht  gewöhnlicli  vor  der  zugeliürigen 
verbalform.  Bei  typus  A  überlässt  es  in  i  und  ii  mit  ausnähme 
von  Sg.  3,  7  hann  um  setii  (vgl.  s.  182, 2  a)  die  erste  hebung  einer 
conj.,  in  HH.  2, 4,  5  (C)  steht  es  in  eingangssenkung  vor  dem 
beide  hebungen  füllenden  verb.  fin.,  es  ist  also  normalerweise 
proklitisch  gewesen.  Trotzdem  trägt  es  in  den  C  von  i  und  ii 
die  erste  hebung  und  zwingt  das  folgende  nii'gends  mit  alli- 
terierende verbum  in  enklise  zu  sich. 

Da  diese  C  vorwiegend  dem  uutertypus  C3  angehören  (es  sind  in  i 
2  C3,  in  II  2  C3  :  Hp.  48,  4.  HH.  1,  40,  4),  ist  der  eiufluss  des  spraehmaterials 
stark  in  anschlag  zu  bringen.  Ausserdem  handelt  es  sich  hauptsächlich 
um  hilfsverba,  mit  denen  das  pers.-pron.  dynamisch  ungefähr  auf  gleicher 
stufe  steht.  Wenn  man  Hei.  3,  3 /)ö?  ek  vaT« ')  und  namentlich  die  beiden 
A^  von  II  mit  den  oben  angeführten  versen  vergleicht,  so  erscheint  die 
hervorhebung  des  pron.  als  zeichen  mangelhafter  technik.  Der  metrische 
fehler  der  A^  von  ii  (vgl.  §  50)  kann  durch  Umstellung  beseitigt  werden 
(vgl.  die  B  von  i,  in  denen  das  nachgestellte  pron.  die  zweite  hebung  ein- 
nimmt). In  Vkv.  33, 12  päs  ir  kiDinip  ermöglicht  die  gekreuzte  alliteration 
die  beibehaltung  des  hsl.  textes. 

b)  An  sich  ton  voller  scheinen  die  obliquen  casus  des 
pers.-pron.  zu  sein. 

In  I  steht  es  allerdings  nur  einmal  (Ghv.  3,  5  hennar  }nondup[ü\)  in 
erster  hebung  und  alliteriert  vor  dem  hilfsverbum  allein,  während  es  sonst 
vorausgehend   conjunctionen  die  erste   hebung   überlässt    (prk.  11,7.   HH. 

1.19.3.  40,5.  Sg.  13,9.  61,5.  69,5.  70,1.  Gp.  2,3,1).  Nachstehend  trägt 
es  hinter  einem  voll  verbum  (diese  Stellung  ist  in  i  besonders  beliebt,  vgl. 


')  Zur  la.  von  Nj'.  pöt  va'ralc  fyrr  vgl.  §  25  (s.  154). 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  189 

§  5G)  nicht  niTr  die  zweite  hebung',  sondern  auch  alleinige  alliteration,  soweit 
dies  metrisch  möglich  ist  (A^:  Hym.  11,  7.  14,1.  prk.  16, 1.  19,5.  E)?.  40, 1), 
aber  keineswegs  überall.  In  A  (Vsp.  42,  5.  Rp.  11,  3.  Sg.  45,  3)  alliteriert 
das  vorausgehende  vollverbum  allein,  ebenso  in  der  mehrzahl  der  B.  Ob 
das  isolierte  A*  Sg.  69, 1  hrijnja  hgnum  [ßd]  nur  zufällig  doppelalliteration 
aufweist,  lässt  sich  nicht  entscheiden.  Dagegen  ist  diese  in  den  B^  von  i 
sicher  beabsichtigt,  da  die  erste  hebung  von  einem  hilfsv.  gebildet  wird  (vgl. 
Ghv.  8, 5). 

In  II  steht  das  pron.  meist  voran  und  alliteriert  in  erster  hebung. 
Nur  in  den  A^  von  ii  steht  es  vor  dem  verbum  in  Senkung.  In  den  3  B 
von  II  folgt  es  dem  verbum  in  zweiter  hebung.  Diese  nachstellung  wäre 
auch  in  der  mehrzahl  der  übrigen  belege  von  ii  möglich  gewesen  (in  den 
A^  von  11  könnte  sie  den  metrischen  fehler  beseitigen),  und  sie  müsste 
daher  durch  das  alliterationsbedürfnis  veranlasst  sein,  was  widerum  wegen 
der  beteiliguug  von  liedern  mit  älterer  technik  unwahrscheinlich  ist. 
Rhetorische  hervorhebung  anzunehmen  ist  wegen  der  A^  von  i  unnötig. 
Diese  können  jedoch  trotz  der  A^  von  i  und  der  zahlreichen  B^  von  i^  iü 
denen  das  vorangehende  verbum  allein  alliteriert,  nicht  als  Verstösse  gelten. 
Sie  stünden  als  solche  isoliert,  da  auch  in  der  Edda  (vgl.  Sievers  §  22,  2) 
das  mindertonige  wort  nie  an  zweiter  stelle  allein  alliterieren  kann.  In 
den  B'  von  i  lässt  sich  das  fehlen  von  doppelalliteration  aus  der  rhyth- 
mischen abneigung  des  typus  B  (vgl.  §  51)  erklären.  Die  A^  von  i  wären 
unzweifelhaft  fehler,  wenn  sich  hier  nicht  kreuzend  das  logische  element 
bemerkbar  machte.  In  Vsp.  42,  5.  Rf>.  11,  3  handelt  es  sich  um  Schilderung 
(vgl.  §  19,  b,  s.  139),  in  Sg.  45,  3  letia  [mapr]  häna^)  liegt  der  nachdruck 
auf  dem  verb.  fin.  Wenn  also  in  i  die  mit  hebungsstellung  verbundene 
nachstellung  des  pron.,  in  ii  die  mit  alleiniger  alliteration  verbundene 
vorausstelluug  bevorzugt  wird,  dagegen  in  den  beisinelen  der  gruppe  a 
Vorausstellung,  d.h.  proklitische  Verwendung,  durchgehends  beliebter  ist, 
und  ferner  die  alliteration  des  pron.  in  ii  metrisch  gefordert  war,  so  müssen 
die  obliquen  casus  des  pers.-pron.  im  Verhältnis  zum  verb.  fin.  ein  grösseres 
tongewicht  besessen  haben  als  der  casus  rectus  (das  subject  der  verbalform). 

c)  Hier  seien  noch  zwei  verse  erwähnt,  die  von  zwei 
verba  und  einem  pers.-pron.  (obliquer  casus)  gebildet 
werden. 

Br.  14,  5  livetiß  [mik]  eßa  leiip  mik  darf  als  normal  angesehen  werden, 
da  die  beiden  coordiuierten  verba  notwendig  die  hebungen  einzunehmen 
haben  (betreffs  des  mangels  ^)  von  doppelalliteration  vgl.  s.  149).  Dagegen 
zeigt  Gi-p.  6,  5  seg  [pii]  mer  ef  [pu\  veizt  einen  groben  Verstoss,  da  das  be- 
grifflich betonte  verbum  zum  pron.  proklitisch  steht.  Der  fehler  ist  viel- 
leicht durch  Umstellung  zu  mer  seg  . . .  zu  bessern  (vgl.  unten  Grp.  42, 4 
=  Grp.  44,  4). 


2)  Vgl.  s.  175. 

'■')  N'  wäre  durch  die  rhythmische  abneigung  des  typus  E  (vgl.  §  54) 
zu  erklären,  Avenn  statt  des  ersten  das  zweite  pron.  zu  tilgen  ist. 


190  WENCK 

3)  Personalpronomen,  verbnm  finitum  und  nomen. 
a)  ]Matenal: 

a)  Stellung  1  (vgl.s.  1S2):  Xonien  und  pro  nomen  in  Lebung: 
Erste  halbz.:  Typus  E":  E)>.  39,  5.  HH.1,39,1.  40,1.  43,1.  HH.2,10,1. 
Grp.  24,5.  Sg.71, 1.  —  Zweite  halbz.:  Typus  E:  HHv.  41,2.  —  Stel- 
lung 2:  Nomen  und  v  erb  um  in  bebung:  Erste  halbz.:  Ty  pus  A': 
Grp.  3,5.  —  Typus  E^:  Grp.  29,5.  —  Zweite  halbz.:  Typus  E:  lldl. 
1,  6.  8,  2.  —  Stellung  3:  vacat.  —  Stellung  4:  Verbum  und  nomen 
in  hebuug:  Erste  halbz.:  Typus  A:  A':  Grt.  18,5.  Fäf.  40,1.  Od. 
26,1.  Ghv.  18,3.  19,1.  —  A^:  Gp.  1,24,3.  —  A^:  Rp.  2,  3.  14,3.  Vkv.  30,  7. 
Grt.  8,1.  20,1.  Grp.  22,5.  49,5.  G]>.  1,21,5.  Sg.  14,  7  (=44,1).  Ghv.  20,1. 

—  Typus  E:  E':  Vkv.  40,3.  41,3.  —  E-^:  G\>.  1,27,1.  —  E':  R)).  26,3. 
Ghv.  14,1.  —  Typus  F^':  prk.  18,  3.  —  Zweite  halbz.:  Typus  A:  Grt. 
18,4.  —  Stellung  5:  «)  Nomen  und  verbum  in  hebung:  Erste 
halbz.:  Typus  B':  prk.  32,5.  —  B'':  Sg.  45,7.  —  Zweite  halbz.: 
vacat.  —  i^)  Pronomen  und  nomen  in  hebung:  Erste  halbz.: 
vacat.  —  Zweite  halbz.:  Typus  D:  Hym.  36,  6.  38,6.  —  Stellung6: 
a)  Pronomen  und  nomen  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  A: 
A»:  Ysp.  2,1.  Hdl.  48,1.  Bdr.  3,7.  Grp.  31,1.  37,1.  Gp.  3,  6,  3.  —  A^:  Ysp. 
31, 1.  Hym.  2,  7.  E^  8, 1  (=  22, 1).  Hdl.  12, 1.  50,5.  Bdr.  9,3.  HH.  1,36,5. 
37, 1.  38, 1.  HH.  2,  20,  5.  30, 3.  39, 1.  HHv.  32, 3.  Grp.  9, 5.  11, 5.  13, 1.  15, 5. 
33, 1.  41, 1.  Eg.  14, 1.  Sg.  10,  3.  20, 1.  58, 5.  Hei.  4, 1.  4,  5.  Gy.  2, 30, 5.  31,  5. 

—  Zweite  halbzeile:  Typus  A':  HH.  1,  6,  8.  —  A^:  Bdr.  6,  4.  Od.  32,  4. 

—  ß)  Verbum  und  nomen  in  hebuug:  Erste  halbz.:  Typus  B': 
Od.  6,  3.  —  Typus  C*:  Gj?.2,17,5.  —  Zweite  halbz.:  vacat.—  y)  Nur 
das  nomen  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  B":  Grp.  4,5.  — 
Zweite  halbz.:  Typus  C :  Hym.  30,6. 

b)  Stellung  1:  «)  Nomen  und  pron.  in  hebung:  Erste 
halbz.:  Typus  A':  Sg.  2,1.  —  Typus  E:  E':  Hdl.  31,1  (=34,1.  36,1. 
39,1).  Eg.  18,1.  Fäf.  32,5.  35,1.   Sg.  65,1.  Gp.  2,12,1.  —  E-:  Grt.  17,3. 

—  Zweite  halbz.:  Typus  E:  Hdl.  7,  2.  46,2.  Hym.  21,  8.  —  ,?)  Nomen 
und  verbum  in  hebung:  Erste  halbz.:  vacat.  —  Zweite  halbz.: 
Typus  A:  HH.  2, 42,  8.  —  Stellung  2:  Nomen  und  verbum  in 
hebung:  Erste  halbz.:  Typus  A':  Hdl.  10, 1.  —  Typus  E':  Grp. 24,  7. 

—  Zweite  halbz.:  Typus  A:  Gp.  2,  1, 2.  7,2.  —  Stellung  3: 
ß)  Nomen  und  pron.  in  hebung:  Erste  balbz.:  Typus  B':  Grp. 
2,3.  17,1.  33,5.  39,5.  46,5.  Hei.  5, 1.  —  Typus  C:  Hdl.  20,  3.  —  Zweite 
halbz.:  Typus  B:  HH.  1,44,8.  Sg.  53,2.  —  ß)  Verbum  und  nomen 
in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  D-:  Hdl.  46,3.  —  Zweite  halbz.: 
vacat. —  >')  Conj.  und  nomen  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  A': 
prk.  4,1.  —  Zweite  halbz.:  vacat.  —  Stellung  4:  «)  Verbum  und 
nomen  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  A:  A':  prk.  12,5.  Vkv. 
26,3.  HHv.  41,1.  43,1.  Grp.  45,1.  Sg.  33. 1.  Hei.  7, 1.  Gp.3,5,7.  Gp.2,21,1- 
37,1.  —  A'^:  Vkv.  28,1.  HH.  2,26,1.  Sg.  43,3.  Gp.2,25,1.  41,1  (=42,1). 
Ghv.  6,3.  —  A^:  prk.  3,5.  29,5.  Hdl.  4,5.  5,3.  37,3.  47,3.  HH.  1,41,5. 
41,  9.  42,  5.  46, 1  (=  HH.  2, 24, 1).  HH.  2, 25, 1.  47,  5.  HHv.  2, 5.  Grp.  21, 1. 


ALLITERATION   IM   EDD.    FORNYRDISLAG.  191 

Gp.  1,21,7.  Sg.  9,3.  16,1.  58,7.  Hei.  9,1.  Qp.  3,2,1.  5,5.  Gp.  2,38,5. 
39,5.  Ghv.  5,1.  —  Typus  E:  E' :  HH.  2,13,1.  —  E^:  HH.  2,19,5.  — 
Zweite  lialbz. :  Typus  A:  Ghv.  12,2.  —  /?)  Verbum  und  pron.  in 
hebung:  Erste  halbz.:  Typus  D-:  Sg.  23, 1. —  Zweite  halbz.:  vacat. 
—  Y)  Pron.  und  nomen  in  hebimg:  Erste  halbz.:  Typus  C:  Od. 
23,3. —  Zweite  halbz.:  vacat.  —  Stellung  5:  Nomen  und  verbum 
in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  B':  Hdl.  37, 1.  HHv.  38,  5.  Sg.  58,  3. 
Od.  23,5.  —  Zweite  halbz.:  Typus  B:  Hdl.  37,  2.  Vkv.  37, 6.  — 
Typus  C:  HH.  2,8,4  (=  Hei.  2,6.  5,4.  6,6).  Grp.  51,4.  Sg.  25,8.  31,6. 
35,2.  G}?.  2,  26,4.  30,6.  39,8.  —  Stellung  6:  a)  Pron.  und  nomen  in 
hebung:  Erste  halbz.:  Typus  A:  A-:  Br.  5,5.  Gp.1,4,3.  Sg.  62,  5.  — 
A^:  prk.  17,3.  Hdl.  37,  5.  HH.  2,  31, 1.  HHv.  34,  5.  35,5.  37,1.  37,5.  Br.  2, 1. 
3,1.  Grp.  35,1.  Sg.  56,7.  59,1.  64,1.  Od.  15,5.  16,3.  —  Typus  E^:  Sg. 
28,1.  —  Zweite  halbz.:  Typus  A:  Bdr.  8,2  (=10,2.  12,2).  Grp.  42,  4 
(=44,4).  —  ß)  Verbum  und  nomen  in  hebung:  Erste  halbz.: 
Typus  B':  Vkv.  37,3.  —  Typus  C^:  Drk.  13,  7.  HH.  2,35,1.  —  Zweite 
halbz.:  vacat.  —  y)  Nomen  allein  in  hebung:  Erste  halbz.: 
Typus  C:  HH.2,23,1.  —  Zweite  halbz.:  vacat. 

b)  Die  hier  zu  erörternden  Verhältnisse  sind  den  s.  182  f. 
behandelten  analog',  nur  sind  sie  schärfer  ausgeprägt  als  jene. 

Stellung  6  ist  am  häufigsten  in  gruppe  a  vertreten,  kann  also  als 
normale  Wortfolge  betrachtet  werden.  Dagegen  überwiegt  in  gruppe  b  die 
Stellung  4  ganz  bedeutend,  die  in  gruppe  a  an  zweiter  stelle  steht,  wie 
umgekehrt  Stellung  6  in  gruppe  b. 

In  Stellung  6  bildet  das  pron.  gewöhnlich  die  erste  hebung,  es  steht 
jedoch  mit  dem  hilfsv.  zusammen  in  eingangssenkuug,  wenn  das  nomen 
■  beide  hebungen  in  sich  vereinigt  (a :  i  Grp.  4,  5  hann's  itarligr,  ii  Hym.  30,  6 
hann's  harpari,  b:  i  HH.  2,  23, 1),  oder  wenn  das  verb.  fin.  die  erste  hebung 
tragen  kann,  ohne  das  nomen  in  enklise  zu  sich  zu  zwingen  (a:  i  Od.  6,  3 
kann  \arpi  meij,  b:  Ykv.31,S  nepik  ■vüjakYglundr:  das  npr.  zu  tilgen?)''). 

Das  vollverb  muss  auch  dann  die  erste  hebung  einnehmen,  wenn  es 
den  gleichen  anlaut  hat  wie  das  nom.  (vgl.  Stellung  6,  ß,  C-).  Beim  hilfs- 
verb,  das  sich  in  der  mebrzahl  der  beispiele  vorfindet,  ist  dies  nach  s.  139,  c 
ausgeschlossen  (HHv.  37, 1  mik  heßr  Uelgi  ist  A  3).  Der  eben  citierte 
zweite  halbvers  Hym.  30,  6  hann's  harpari  beweist  zugleich,  dass  die  doppel- 
alliterationen  nur  zufällig  sind.  Ein  N'  begegnet  daher  in  i  begreiflicher- 
weise nicht.  Selbst  in  einem  der  wenigen  ii-belege  (Stellung  6,  a :  Bdr.  6,  4 
ek  mun  ur  heimi)  hat  die  Satzbetonung  den  sieg  über  die  metrische  con- 
venienz  bezüglich  des  hauptstabes  davongetragen.  Die  andern  ii  von  Stel- 
lung 6,  in  denen  das  pron.  alliteriert,  sind  anzeichen  für  ungenaue  arbeit. 

Bei  Stellung  4  nimmt  das  verbum  in  i  fast  stets  die  erste  hebung 
ein  (nur  Od.  23,  3  kvgpusk  okkr  hafa  macht  eine  ausnähme,  vgl.  s.  189,  2,  b). 
Für  II  ist  deshalb  diese  Stellung  ungeeignet,  weil  sie  hier  dem  verbum  den 


*)  Sg.  28,1  mir  tmni  moer  ist  besser  als  E   zu  nehmen,   da  ein  B^ 
zwar  verständlich,  aber  metrisch  anstössig  wäre. 


192  WENCK 

hiauptstab  golien  würde  im  vorzng  vor  dem  vei*sschliesseiiden  nomen^ 
So  findet  sich  denn  hier  tatsächlich  auch  nur  ein  beleg  für  diese  Stellung : 
Ghv.  12,  2  he<[«]A;  mer  ot  rünum. 

Das  nomeu  steht  gewöhnlich  in  zweiter  hebung  (Sg.  23, 1  h»«,'  ha«s 
um  (lolf))-  ist  verderbt).  In  den  anderen  beispieleu  steht  das  pron.  in  Senkung 
und  wird  nur  ausnahmsweise  zur  bilduug  einer  nebenhebung  herangezogen: 
Tgl.  die  E  von  gruppe  a. 

Die  vier  anderen  Stellungen  sind  nur  spärlich  vertreten.  —  Bei  Stel- 
lung 3  fehlen  charakteristischerweise  belege  für  gruppe  a  (vgl.  s.  184). 
Somit  darf  auch  das  pers.-pron.  nur  dann  von  der  zugehörigen  verbalform 
getrennt  werden,  wenn  es  vorausgeht.  Für  Stellung  5  sind  die  verhältnis- 
zahlen: a:  I  2  :  II  2;  ^  b:  i  4  :  ii  13. ')  Das  anwachsen  der  zahl  der  ii 
bei  Stellung  5  ist  bei  dem  sonst  allgemeinen  abnehmen  der  beispiele  von  ii 
(a:  i  71  :  ii  10,  b:  i  95  :  ll  27)  befremdlich,  doch  ist  es  zweifelhaft,  ob 
die  oben  mitberechneten,  aber  z.  t.  tilgbaren  pronomina  wirklich  im  text 
zu  belassen  sind.  Obvvol  das  pron.  ganz  regelmässig  proklitisch  steht,  be- 
gegnen zwei  belege  (Stellung  5, /9) :  Hym.  36,  6  hann  alla  drap,  38,  ö  ho»H 
lauyi  um  feH;  in  denen  es  die  erste  trägt  und  allein  alliteriert.  Das  ist 
wider  durchaus  gegen  den  satzacceut  (vgl.  die  doppelalliteratiou  in  Sg.  45,  7 
hon  krgng  um  kowi)  und  ein  deutliches  merkmal  des  skaldischen  Charakters 
der  Hym.  In  den  belegen  der  Stellung  ß  dagegen  tritt  umgekehrt  das 
hilfsv.  in  eiugangssenkung  und  das  pron.  erhält  die  zweite  (schwächere) 
hebung,  ohne  je  mit  zu  alliterieren.  In  prk.  4, 1  ßö  mundak  gefa  per,  wo 
das  pron.  enklitisch  ist,  könnte  das  verbum  die  erste  hebung  erhalten, 
"vvenn  es  an  erster  versstelle  stünde.  Ein  vollverb  begegnet  nur  zweimal: 
I  Hdl.  4G,  3  i(cr  [pu]  fätt  af  mcr,  wo  es  seinem  tougewicht  entsprechend 
mit  alliteriert,  und  ii  HH.  1,  49,  8  deili  g)ym  vip  pik,  avo  nach  D— B  zu 
rhythmisieren  ist. 

Steht  das  nomen  an  erster  versstelle  (Stellung  1  und  2),  so  begegnet 
die  folge  pron.  +  verbum  (Stellung  2)  nur  vereinzelt  (für  gruppe  a  und  b 
nur  je  2  i  und  ii).  In  Gp.  2, 1,  2.  7,  2  (ii,  gruppe  b)  ist  das  pron.  metrisch 
tilgbar,  dagegen  ist  es  in  den  E-versen  beider  gruppeu  zur  bildung  der 
nebenhebung  erforderlich.  —  Beliebter  ist  Stellung  1,  in  der  das  pron. 
hinter  dem  verbum  in  hebung  tritt  (vgl.  s.  184.  188  f.).  Doppelalliteration 
findet  sich  nur  einmal:  Ort.  17,3  mcdit  hefk  fyr  mik  (dagegen  zählt  natür- 
lich der  gleiche  anlaut  selbst  des  voUverbs  in  Eg.  18, 1  Unikar  kein  mik 
ebensowenig  mit  wie  der  des  pron.  in  Gi-p.  24,  7  mcerr,  mer  ef  {pu\  vilt). 

Hinsichtlich  der  alliterationsstellung  in  den  versen  mit 
verbum  und  nomen  in  hebung  vgl.  s.  137  f. 


*)  Gj7.  2,  30,  G  R  unz  pik  aldr  vipr  enthält  einen  metrischen  fehler  und 
einen  Verstoss  gegen  den  satzaccent.  Der  vers  ist  durch  einsetzung  von  um 
zu  B*  überzuführen. 


ALLITERATION    IM    EDD.   FORNYRDISLAG.  193 

f)    Pronomen  possessiviim,  indefinitum  und  sjalfr. 

§  43.  Am  stärksten  von  allen  pronominibus  ist  das  pron. 
poss.  und  indefinitum  (desgl.  das  indefinit  gebrauchte  interroga- 
tivum)  betont;  ihnen  schliesst  sich  das  hervorhebende  sjalfr  an.i) 

1)  Diese  pronn.  bilden  in  Verbindung  mit  einem  uomen 
folgende  verse  (in  der  überwiegenden  mehrzahl  ist  es  ein  pron. 
poss.,  das  attributiv  zum  nomen  construiert  ist): 

a)   Pronomen  +  uomeu:    Erste  halbz.:    Typus  A:    A':    Grp. 

53.7.  Sg.  10,5.  67,3.  -  A^:  Ykv.  13,5.  Grp.  46,7.  G]>.  1,19,3.  —  A^:  Gp. 
1,22,3.  —  Typus  B':  Sg.  36,  7.  39,7.  51,7.  62,3.—  Typus  Ci;  Drk.  1,  3. 
3,7.  18,7.  Br.  4,3.  Hdl.  27,3.  —  Typus  D:  D':  Gp.  1,9,3.  —  D»:  Gp. 
1,20,3.  —  Typus  Fl;  Sg.  63, 7.  —  Zweite  halbz.:  Typus  A:  Hdl. 
45,  2.  50,  2.  Ykv.  5,  8.  36,  8.  Grt.  9,  6.  17,  4.  HH.  2, 11,  8.  39,  2.  HHv.  11,  4. 
33,  4.  37,  4.  Grp.  7,  4.  18,  8.  Eg.  5,  8.  Gp.  1,  9,  8.  20,  6.  Sg.  25,  2  (=  29,  4). 
Hei.  12,8.   Gp.  3,4,6.  11,8.   Od.  23,2.  Ghv.  2,6.  3,8.  —  Typus  B:  Grp. 

22.8.  —  Typus  C:  Hdl.  3,2.  Vkv.  27,8.  —  Typus  D:  Hym.  13,8.  Gp. 
1,3,6.  —  Typus  F:  Sg.  5,  4.  Gp.  2,  3,  2. 

ß)  Nomen +  pronomen:  Erste  halbz.:  Typus  A:  A':  prk.  6,  3. 
29,  9.  Vkv.  22,  7.  33,  9.  Grt.  18,  7.  HH.  2,  28,  3.  HHv.  32,  5.  Grp.  33, 7.  39,  3. 
Sg.  61,3.  —  A^:  Sg.  60,  5.  —  Typus  B':  Hei.  12,  3.  Gp.  2,  10,  7.  — 
Ty  p  u  s  C :  C  :  Hym.  39,  5.  prk.  6,  5.  Ykv.  27,  3.  27,  5.  HH.  1,  34,  3  (=  44,  5). 
36,7.  41,7.  HH.  2,32,7.  34,3.  Br.  6,7.  G]>.  2,32,5.  Od.  21,3.  —  C^:  Rp. 
3,5  (=5,7.  17,5.  19,7.  30,5).  HH.  2,40,5.  41,5.  Gp.  1,20,7.  -  Typus 
F':  G\>.  1,17,9.  Sg.  70,5.  —  Zweite  halbz.:  Typus  A:  Ysp.  28,12. 
40,  6.  Hym.  1,  8.  30,  8.  prk.  29,  8.  Hdl.  19,  4.  Ykv.  19,  2.  28,  6.  32,  4.  34,  6. 
HH.  1, 18,  2.  48,  8,  HH.  2, 18,  4  (=  20,  6).  43,  2.  HHv.  34,  8.  Grp.  8,  8.  12,  8 
(=  14,  8).  17,  6.  21, 2.  43,  8.  Sg.  8,  4.  11,  4.  33, 4.  38,  2.  41, 6.  47, 2.  52, 2. 
61,2.  70,8.  Hei.  1,4.  2,4.  9,6.  Od.  25,2.  Ghv.  16,6.  —  Typus  B:  Ghv. 
17,2.  —  Typus  C:  Ysp.  29,  6.  57,8  (=  Hdl.  42,  2  =  HH.  2,  38, 10).  Hym. 
11,  4.  Hdl.  5,  4.  9,  8.  HH.  1,  38,  8.  44,  4.  HH.  2,  35,  8.  Grp.  5,  8.  Rg.  13,  4. 
17,4.  Sg.  28,2.  Gp.  2,8,8.  Od.  34,6.  Ghv.  8,10.  15,  6.  —  Typus  D:  Sg. 
56,2.  —  Typus  F:  Gp.  1,  25,  6  (=  Sg.  56, 10). 

Das  anwachsen  der  belege  beider  Stellungen  des  pron,  in  ii 
(a  I  19  :  II  31;  ß  i  36  :  ii  58)  beAveist,  dass  es  sich  hier  um  ein 
ähnliches  tonverhältnis  handelt  wie  bei  der  Verbindung  von 
attributivem  adj.  mit  einem  subst.  (s.  103  f.).  Es  wird  dies 
weiterhin  durch  die  alliteration  in  i  bestätigt:  a  13  N'  (ein 
ausnahmefall  ist  beiseite  gelassen)  :  4  N^;  /3  27  N'  :  9  N^). 

Das  überwiegen  von  N^  in  beiden  Stellungen  ist  beim  auftreten  enger 
grammatischer  Verknüpfung  so  zu  erklären,  dass  das  jeweilig  nachstehende 


1)  Vgl.  Rieger  s.  31. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche,     XXXI.  1^ 


li»4  WKNCK 

wort  zum  voraugehenflen  in  cnklisc  getreten  ist.')  Beim  vergleich  unserer 
prononiinalverliindungon  mit  den  adjcitivformoln  Cs.  124  f.)  flillt  es  zwar  auf, 
(lass  die  uaclistellung  des  pmn.  in  beiden  liulbzeilen  gleich  stark  bevor- 
zugt wird  (sie  erscheint  in  rund  65  "/o  aller  betr.  beispiele),  doch  spiegelt 
sich  darin  wol  nur  der  bekannte  Sprachgebrauch  auch  der  prosa  wider, 
welcher  ebenfalls  naelistelluug  der  betr.  pronomina  bevorzugt. 

Yorausstehcndes  pronomen  trägt  (im  gegeusatz  zum  wgerm.)  in  der 
Edda  stets  die  alliteration:  der  isolierte  halbvers  i  mit  N»  Gp.  1,22, 3 /)«'s 
mhin  Sigurßr  ist  nach  analogie  von  (thv.  17, 2  es  fieir  Siffta-p  viinii  zu 
einem  B'  umzugestalten;  in  Vkv.  13,5  vära  aura  ist  schon  aus  gramma- 
tischen gründen  die  ältere  sprachform  öra  (Noreeu,  An.  gramm.^  §  -457, 2) 
einzusetzen.  Ebenso  beruht  HHv.  5,  2  ok  el-ki  eyrindi  auf  Verderbnis.  Die 
Streichung  der  conj.  allein  würde  ein  für  ii  fehlerhaftes  D-  ergehen.  Der 
vers  kann  nur  durch  tilgnng  des  pron.  und  der  conjunction  und  einsetzung 
von  HC  gebessert  Averden. 

Eine  andere  als  die  attributive  l^indung-  begegnet  nur  ver- 
einzelt. 

Die  doppelalliteration  in  Grp.  40,  7  enga  efnda  ist  ebenso  normal  wie 
in  G}».  1, 19,  3  hverri  hcei-i,  da  die  grammatische  Verknüpfung  eine  lockerere 
ist.  —  Genetivisches  Verhältnis  tindet  sich  in  zwei  beispielen  (Vsp.  40, 6. 
Sg.  56,  2),  in  denen  die  alleinige  alliteration  des  vorausgehenden,  abhängigen 
Wortes  sicher  dem  satzaccent  entspricht.  —  Kein  engeres  rectionsverhältnis 
besteht  in  i  Hdl.  27, 3  ok  ii  sama  Giiprün,  Hym.  39, 5  eii  wear  hverjan, 
II  Hdl.  3,2  en  sumum  aura.  Um  so  auffälliger  ist  der  vers  Br.  4,  3  sumir 
Gottonni,  der  als  D'  gefasst  werden  kann,  da  schon  aus  dem  bisher  ge- 
sagten die  nominale  betonung  des  pron.  hervorgeht.  Wenn  man  jedoch 
berücksichtigt,  dass  sumir  hier  widerholung  ist  und  deshalb  leichter  ge- 
drückt werden  kann,  darf  man  die  rhythmisierung  D — C  mit  regelmässiger 
alliteratiousstelluiig  für  wahrscheinlicher  halten. 

Die  nachdrucksverhaltnis.se  des  pron.  illustrieren  am  besten  die  verse, 
in  denen  es  vor  einem  verbalnomen  steht :  Hdl.  50, 2  en<7M  räpa,  HHv.  37, 4 
ajalfa  at  maila,  ähiü.  Rg.  5,  8.  Hei.  12,  8.  Unregelmässig  sind  andere  ii,  in 
denen  das  verbalnomen  vorausgehend  alliterieren  muss  (Grp.  8,  8  genginn 
Jiimnn,  vgl.  17,  6.  Sg.  52,  2),  schon  weil  da  das  nildebraudsche  gesetz  ver- 
nachlässigt ist.  Dieses  ist  ausser  diesen  fällen  nur  noch  in  Hym.  39,  5  en 
vear  hverjan  durchbrochen. 

2)  Pronomen  possessivum  bez.  indefinitum  und 
verbum  finitum.    Material: 

Erste  halbzeile:  Typus  A:  A':  Gj>.  1,17,3.  Hei.  12,5.1  Od.  1,5. 

-;  N-  ist  .somit  zufällig;  die  grosse  zahl  der  doppelalliterationen  in 
gruppe  ß  rührt  daher,  dass  ein  und  derselbe  vers  des  öfteren  widerkehrt. 
Betreffs  u  Vkv.  13, 5.  Grp.  46,  7.  Gp.  1, 19,  3  s.  oben  z.  10.  18  ff.  In  ß  HH. 
2,40,5.  41,5  ist  die  doppelalliteration  vocalisch. 

*)  So  schon  bei  Kunisch,  Zur  kritik  u.  metrik  der  HamJ\  s.  35. 


ALLITERATION   IM   EDD.    FORNYRDISLAG.  195 

—  A":  Grt.  7,1-  —  A«:  Hym.  33,7.  Grt.  11,7.  HH.  2,26,3.  HHv.  41,3.  — 
Typus  B>:  l3rk.  2,5.  Grp.  51,5.  Sg.  36,3.  40,7.  Od.  8,7.  —  Typus  D^: 
Grt.  2,5.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A:  Hym.  20,6.  25,4.  Grt.  8,8. 
HHv.  10,  8.  Hei.  3,  8.  7,  4.  Hym.  26,  6. 

Das  nominale  tongewiclit  des  pron.  zeigt  sich  ganz  evident 
in  der  alliteration: 

Voraussteheud  wie  nachstehend  in  Verbindung  mit  hilfsverh  oder  voU- 
verb  alliteriert  das  pron.  allein.  In  den  B-verseu  steht  es  durchgehends 
in  der  ersten  stärkereu  hebung.  Das  verbum  nimmt  nach  dem  pron.  stets 
die  zweite  hebung  ein,  überlässt  dagegen  voranstehend  die  erste  hebung 
zuweilen  einer  conj.  (betrelfs  des  A^:  Grt.  7, 1  enn  [hann]  kvap  ekki  vgl.  §  48). 
Wenn  jedoch  ein  vollverb  gleichen  anlaut  hat  wie  das  pron.,  so  ist  es  un- 
bedingt in  erste  hebung  zu  setzen:  Grt.  2,  5  hei  [hann]  ]wäri(jri.  In  ii  muss 
das  pron.  voransteheu,  um  die  alliteration  erhalten  zu  können.  Der  isolierte 
fall  Hym.  26,  6  iestir  okkarnj  wo  es  in  zweiter  hebung  von  der  alliteration 
ausgeschlossen  ist,  ist  ein  neuer  beweis  für  die  skaldische  technik  dieses 
liedes.  Der  vers  enthält  zugleich  einen  Verstoss  gegen  das  Hildebrandsche 
gesetz. 

3)  Pronomen  poss.  etc.,  verbum  finitum  und  nomen. 

Stell ungl:  Pron.  -f  verbum  +  nomen:  Pron.  und  nomen  in 
hebung:  Erste  halbz.:  Typus  A' :  Ep.  36,5.  Gp.  1,8,1.  —  A^:  HH. 
1,7,5.  HH.  2,45,9.  Eg.  23,1.  Gp.  1,8,3.  Gp.  2,  9,  5.  —  Zweite  halbz.: 
Typus  A^:  Gp.  1,  8,  2.  —  Stellung  2:  Pron.  +  nomen  +  verbum: 
Nomen  und  verbum  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  C^:  Br.4,1. 

—  Zweite  halbz.:  Typus  C:  Br.  4,2.  —  Stellung  3:  Verbum  + 
pron.  +  nomen:  Erste  halbz.:  Typus  B':  Vsp.  45,11.  HH.  1,37,5. 
51,7.  HH.  2,46,5.  Sg.  53,5.  —  Typus  C^:  Hym.  5,5.  9,5.  HH.  1,18,1. 
HH.  2,16,7.  Eg.  5,7.  —  Typus  D^:  Grt.  21,1.  Sg.  13,3.  —  Zweite 
halbz.:  Typus  C^:  Hdl.  1,2.  —  Stellung  4:  Verbum  +  nomen  + 
pron.:  ß)  Nomen  und  pron.  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  B^: 
Hdl.  50,1.  Gp.  1,24,7.  —  Typus  C:  C:  Sg.  32,5.  Hei.  6,1.  —  C^:  Hdl. 
3,1.  —  Zweite  halbz.:  Typus  C:  Hdl.  25,8.  —  ß)  Verbum  (conj.) 
und  nomen  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  A^:  Hdl.  5,7.  6,5. 
7,  3.  Hei.  10, 1.  —  Zweite  halbz. :  vacat.  —  Stellung  5:  Nomen + 
pron.  +  verbum:  Nomen  und  verbum  in  hebung:  Erste  halbz.: 
Typus  AI:  Od.  34, 5.  —  Typus  E^:  Hdl.  50, 1.  —  Zweite  halbz.: 
Typus  E:  Sg.  28,  4.  —  Stellung  6:  Nomen  +  verbum  -|- pron.: 
Nomen  und  pron.  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  A^:  HHv.  5,3. 
Grp.  22, 1.  Ghv.  4,  7.  —  Typus  E':  Hym.  19,  5.  —  Zweite  halbz.:  vacat. 

Bei  mittelstellung  des  verbums  (Stellung  1.  6)  nehmen 
nomen  und  pron.  die  hebungen  ein.  In  Stellung  6  trägt  das 
nomen  allein  die  alliteration,  dagegen  zeigt  sich  bei  Stellung  1 
ein  schwanken. 

Während  atttributivisches  Verhältnis  in  Stellung  6  allein  auftritt,  be- 
gegnet es  nur  zweimal  bei  Stellung.  1  (die  zerreissung  des  grammatisch  eng 

13* 


lOf)  WKNCK 

verbundenen  scheint  somit  nur  bei  naclistollniiij;-  fies  pron.  nnimal  zu  sein): 
Bf>.  3fi,  5  sitt  jiaf  heiti,  (i)'.  2, 0,  5  pHl  shfli  hjurla.  Der  zweite  fall  ist 
nach  dem  bisher  erörterten  als  Verstoss  zu  bezeichnen,  da  eine  besseruug 
durch  umstollnng  zu  B  oder  einsetzuny  von  pir  sich  melodisch  nicht 
emptiehlt.  Dasselbe  gilt  von  den  übrigen  anomalen  fällen,  in  denen  die 
Zwischenstellung  des  verbunis  wegen  der  lockeren  grammatischen  Ver- 
knüpfung angängig,  z.  t.  geboten  ist.  HJI.  2,  45,  9  hirrt  fellr  hlöpiigt,  Eg. 
23, 1  cngr  sJcal  i^iontui  weisen  denselben  alliterationsfohler  auf  wie  HH. 
1,7,5  sjalfr  f/clck  v/V/,  Gp.  1,8,3  «yV//'  shyhiak  h[))i(lla.  In  den  beiden 
anderen  versen:  Gf>.  1,8,12  sjglf  sJcijhlak  gofga,  sj{)lf  ski/ldak  g^itva  trägt 
sjalfr  sicher  nur  die  nebenallitcration  (vgl.  G|'.  1, 8,  3),  da  der  logische  nach- 
druck  auf  dem  uomen  liegt  (vgl.  §  57  f.).  —  Dasselbe  gilt  von  den  beiden*) 
belegen  der  Stellung  2:  Br.  4, 1  f.  s«»(/>  ulf  svipu,  sumir  orm  snipu  (vgl. 
§  43, 1.  58).  Dass  hier  nach  D  — C  zu  rhythmisieren  ist,  kann  nicht  zweifel- 
haft sein.  —  In  den  beispieleu  der  Stellung  5  nimmt  das  verb.  fin.  dem 
gesagten  entsprechend  (vgl.  s.  148)  die  zweite  hebuug  ein,  und  erhält  sie  voll- 
kommen regelrecht,  da  uomen  und  prun.  zur  toueinheit  verschmelzen.*)  — 
Hdl.  50, 1  ist  mit  Hildebrand  nach  skal  abzuteilen. 

Am  liäufigsteu  ist  die  voranstellung  des  verb  ums 
(Stellung  3.  4).  Wenn  nomeu  -f  pron.  eine  zweisilbige  formel 
bilden,  also  nur  eine*^)  liebung  beanspruchen  können,  so  steht 
das  verbum  (hilfsv.  und  vollv.  gleicherweise)  in  der  anderen 
(ersten)  hebung  (A^-verse  der  Stellung  4,  ,i/),  kann  diese  aller- 
dings aus  rhythmischen  gründen  auch  einer  conj.  überlassen 
(Hdl.  6, 5.  7, 5).  Ist  die  formel  dreisilbig,  und  vermag  sie 
daher  beide  hebungen  zu  tragen,  so  steht  das  hilfsv.  in  ein- 
gangssenkuug,  selbst  bei  gleichem  anlaut:  Eg.  5, 7  mun  mins 
fear,  dagegen  muss  das  vollv.  in  den  D-  von  3  in  erster  hebung 
stehen.  In  den  anderen  fällen,  wo  es  der  alliteration  entbehrt, 
ist  nach  D — B,  D— C  zu  rhythmisieren.')    Zweifelhaft  ist  dies 


*)  Od.  6, 6.  14,8.  Grp.  41,  4  würden  ebenfalls  hierher  gehören,  wenn 
nicht  das  proklitische  pron.  getilgt  werden  müsste. 

5)  Dass  uom.  4-  attributivem  pron.  poss.,  indef.  weit  eher  zu  einer 
formel  (pronominalformel)  sich  vereinigen  als  bei  umgekehrter  Stellung, 
beweist  auch  das  auftreten  des  typus  C  in  den  unter  1  behandelten  versen. 
Die  differenz  i  «  3  (C3) :  ß  20  (4  C2  +  16  C 1),  ii  «  1  :  /9  18  (15  C2  -H  SC  1) 
steht  in  keinem  Verhältnis  zur  bevorzugung  der  Stellung  ß. 

*)  Auffüllig  und  technisch  fehlerhaft  ist  daher  der  gleiche  anlaut  des 
zweiten  gliedes  der  formel  in  Hdl.  5,  7  vilkuk  mar  uiinn,  der  eben  weil  er 
nicht  zur  geltung  kommen  kann  (ein  typus  des  Schema  —  x  -^^ —  müsste 
notwendig  mit  A3b  zusammenfallen)  anstössig  gewesen  ist.  Man  beachte 
auch  die  häufung  des  poss. -pron.  in  der  str.  5. 

')  Auch  bei  geuetivischem  Verhältnis:  G]^.  1.  24.  7  rekr  \pik]  alila  hverr, 
vgl.  aber  F.  JouBson  z.  at. 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  197 

in  dem  einzigen  fall  mit  doppelalliteration :  Hdl.  3, 1  gefr  sigr 
mtmum,  weil  da  kein  rectionsverhältnis  vorhanden  ist  (vgl. 
oben  Br.  4,1 — 3  und  s.  145).  Für  das  tongewicht  des  pron.  ist 
das  eine  A2k  der  Stellung  5  sehr  instructiv,  insofern  es  be- 
weist, dass  nomen  und  pron.  poss.  bez.  indef.  auf  gleicher 
nachdrucksstufe  stehen,  s)  Die  tonische  eiuheit,  zu  der  bei 
attributivem  Verhältnis  das  (normalerweise  nachstehende)  pron. 
mit  dem  nomen  verschmilzt.,  ist  demnach  mit  den  der  bisher 
erörterten  formein  in  dynamischer  beziehung  identisch.  Wir 
können  sie  denselben  als  'pronominalformeln'  zur  seite  stellen. 

g)    Pronomen  und  zwei  nomina. 
§  44.    1)   Zwei  nomina  +  pronomen. 

Erste  halbz.:  Typus  A:  A»:  HH.  1, 16,  7.  HH.  2,  37, 3.  Br.  7, 1 
(=Sg-.17,l.  45,1).  Od.  4,  7.  15,3.  —  A^:  Ysp.  20,  3.  HH.  2,  22,  5.  Grp.  17,  3. 

—  A3:  E]7.  45,1.  Vkv.  14,  7.  —  Typus  B :  B>:  Sg.  58,9.  —  B'':  Vsp.  7,3. 
Hym.  3,7.  —  Typus  C:  C^:  HH.  2,1,5.  42,3.  Grp.  32,7.  Sg.  18,9.  Qp. 
2,35,5.  —  C'':  Gp.  1,2,3.  6,5.  —  Typus  E^:  HHv.  34,3.  —  Zweite 
halbz.:  Typus  A:  Hym.  16,8.  Hdl.  41,8.  Vkv.  39,2.  HH.  2,30,2.  Grp. 
4, 8.  23,  8.  41,  8.  46,  2.  Rg.  11,  8.  Sg.  8, 10.  Od.  19, 6.  Gp.  2, 22,  2.  35,  2.  40,  8. 

—  Typus  C:  Grt.  11,1.  Gp.  2,25,4.  —   Typus  D:  Hdl.  20,4.  Sg.  48,2. 

—  Typus  E:  Hym.  3,6.  24,6.  26,2.  Vkv.  3,2.  Grp.  23,2.  42,6.  49,2. 
Sg.  28,  8. 

Die  fälle  mit  pron.  possessivum  oder  indef  initum  stehen 
wegen  der  nachdrucksverhältnisse  dieser  pronomina  auf  gleicher 
stufe  mit  den  versen  mit  drei  nominibus  (s.  121  f.).  Wie  dort, 
ist  auch  hier  jeweilen  die  bildung  einer  formel  erforderlich. 

In  dieser  beziehung  sind  i  A :  HH.  2,  37,  3.  Od.  4,  7  und  ii  A :  Vkv. 
39,2.  Grp.  4,  8.  23,8.  Hdl.  41,  8  regelrecht  gebildet,  da  das  nomen  mit  dem 
nachfolgenden  pron. -poss.  (im  letztgenannten  vers  einem  indef.)  zur  ton- 
einheit  verschmelzen  kann.  Auch  pron.  +  nomen  begegnet  als  formel, 
häufiger,  wie  es  scheint,  beim  iudef.  (Od.  19,  6.  Gj?.  2,  22,  2.  35,  2)  als  beim 
poss.  (Grp.  41,  8.  Eg.  11,  8.  Hdl.  20,  4).  Der  letztcitierte  vers  mägr  pins 
fgpur  allein  verstösst  gegen  das  in  §  18,  8  (s.  131)  entwickelte  stilprincip. 
Ebenso  fehlerhaft  sind  Gp.  1,  6,  5  minir  ajau  synir  und  Gp.  2,  25,  4  at  pinn 
fgpur  daupan,  in  denen  das  pron.  proklitisch  steht.  Im  zweiten  fall  liegt 
die  tilgung  von  pjmn  auf  der  band  (vgl.  s.  196,  anm.  4),  im  ersten  darf 
man  zu  ^ynir  minir  umstellen.  Gegen  den  satzacceut  verstösst  Sg.  8, 10 
krp'n  frjä  sina,  insofern  ein  inf.  normalerweise  nicht  zu  einem  nomen  in 
enklise  treten  kann.  Auch  hier  kann  die  Unregelmässigkeit  durch  um- 
stellen (zu  E)  beseitigt  werden.    Betreffs  der  A2k  von  ii  vgl.  anm.  8. 


*)  Weitere  beispiele  in  §  44, 1. 


108  WEXCK 

Die  anderen  tonst'lnvaclien  pionomina  können  nor- 
maler "weise  nur  dann  eine  liebung  erhalten,  Avenn  die  beiden 
nomina  eine  zweisilbige  formel  bilden: 

Z.  b.  R}\  45, 1  kann  vip  Kig  jurl,  HHv.  34, 3  göps  verpr  fra  per, 
iihnl.  Hym.  2G,  2.  Ykv.  3,  2.  Grp.  42,0.  49,2.  Vielleicht  ist  auch  Grp.28,2 
]Qgp  (Fi'i  per  trotz  der  prädicativisohen  binduiig  hier  anzuziehen ,  da  (rvi 
das  vorausgehende  har/  wider  aufnimmt.  Vkv.  14,  7  es  vir  heil  hjii  wäre 
als  A2  wegen  des  gleichen  anlauts  der  beiden  bestandteile  der  formel  be- 
fremdlich (vgl.  s.  196,  anm.  6) :  der  vers  gehört  vielmehr  zu  C,  denn  es  ist 
zur  Vermeidung  der  härte  die  uncontrahierte  sprachfonn  hiu  (vgl.  Noreen* 
§127'^,  b,  2)  einzusetzen. 

Ist  die  nominalformel  dreisilbig,  so  steht  das  mindertonige 

pron.  ohne  zweifei  auch  bei  gleichem  anlaut  (ii  Grt.  11,1  ver 

Yetr  nni)  in  Senkung. 

Um  so  auffälliger  ist  deshalb  die  zeile  ii  Sg.  48, 2  ho/i  «  annan  reg, 
die  den  s.  192  citierten  anomalen  versen  der  Hym.  gleichzusetzen  ist.  — 
Als  erschwerendes  nioment  kommt  hinzu,  dass  die  formel  der  alliteratiou 
entbehrt. 

Besteht  keine  engere  gTammatische  bindung  zwischen  den 
beiden  nominibus,  so  ist  das  pron.  natürlich  proklitisch  bei 
Voranstellung,  und  ganz  tonlos  bei  mittelstellung  [i  HH.  2, 22, 5. 
Grp.  17,3.   Br.  7,1  (=  Sg.  17, 1.   45,1);    ii  HH.  2.30,2.    G^.  2, 

40,8>)]. 

Hym.  3, 6  seV  fccra  hver  ist  wider  ein  beispiel  skaldischer  technik  (vgl. 
8. 187  Hym.  32,  2  mer  genginn  fra).    Dagegen  darf  Gr\).  4fi,  2  hriipr  sii  taka, 

wo  die  Verkürzung  der  zweiten  hcbung  auf  schweren  nebenton  des  sonst 
tonlosen  dem.  hinweist,  durch  Umstellung  gebessert  werden  (vgl.  s.  187). 

Bemerkenswert  sind  noch  folgende  verse,  in  denen  ein  demoiistrativum 
das  folgende  nomen  in  enklise  zu  sich  gezwungen  hat  bez.  mit  ihm  eine 
rhetorische  formel  bildet:  HH.  1,  IG,  7  yä  nüit  fara,  Od.  15,3  sjü  inüpr  ko- 
nnngr  (wo  dem.  +  adj.  die  formel  bilden),  Hym.  24,  6  sri  fiskr  i  mar.  Pirect 
anstössig  ist  hier  die  hervorhebuug  des  pron.  nur  an  der  letztgenannten 
stelle,  die  abermals  der  Hym.  zufällt,  ebenso  wie  Hym.  16, 8  veV  prir  Ufa, 
wo  die  alliteratiou  des  pron.  geradezu  sinnwidrig  ist  (vgl.  Sg.  18,  9  und 
s.  187  zu  Sg.  18,  3.  65,  7). 

Ein  anderer  fall,  wo  poss.  gen.  mit  folgendem  nomen  zu  dynamischer 
einheit  verschmilzt:  Sg.  28,  8  \\ans  kvämir  vinr,  muss  nach  §  42, 1  als  regel- 
mässig angesehen  werden.    Ob  zu  den  obigen  versen  mit  einer  dem. -formel 


')  Per  auffassung  Bugges,  der  ti/ggva  in  G]\  2,  40,  S  als  ojitativ  nimmt, 
kann  ich  mich  nicht  anschliessen ,  da  nach  bipja  ganz  gewöhnlich  der  inf. 
mit  at  folgt  und  es  ausserdem  auffallen  würde,  dass  von  den  Schreibern 
kein  t7t  interpoliert  wäre. 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDTSLAG.  199 

auch  Vsp.  20,  3  prjär  6r  peim  seil  gestellt  werden  darf,  bleibt  einigermassen 
unsicher.  Die  rhythmisienmg  nach  E  würde  dem  pron.  die  nebenhebung 
anweisen  (vgl.  die  analogen  fälle  unter  2). 

2)  Zwei  nomina,  verbum  finitum  und  pronomen. 

Erste  halbzeile:  Typus  A:  A^:  Hdl.  13,1.  Vkv.  41,1.  Sg.  63,1. 
54,1.  Ghv.  10,5.  —  A^:  Hdl.  13,7.  14,7.  16,11  (=17,5.  20,9.  21,7.  23,7. 
24,9.  26,7.  27,9.  28,11.  29,9).  HH.  2,44,5.  Sg.  40,5.  —  A^:  Vsp.  25,5. 
prk.  12,  7.  20,  5.  Rp.  47,  8.  Hdl.  5,  5.  Vkv.  5,  3.  HH.  2,  2,  3.  18,  5.  40, 1. 
41,1.  49,1.  Sg.  7,3.  Hei.  2,5R.  Eg.  13,7.  —  Typus  B:  ßi;  Vsp.  32,7. 
38,7.  Bdr.  11,3.  HH.  2,4,1.  —  B^:  HH.  1,6,7.  G^  3, 1, 3.  —  Typus  C: 
C:  prk.  7,3.  Vkv.  18,7.  HHv.  40,7.  Grp.  3,1.  7,1.  52,3.  Rg.  17,3.  - 
C*:  Bdr.  10,5.  —  Typus  D:  D':  Hdl.  19,1.  —  D^:  prk.  11,3.  Hdl.  13,5. 
—  Typus  E:  E':  Hdl.  20,5.  HH.  1,53,1.  Grp.  25,7.  —  E'-*:  Gp.  1,23,3. 
Sg.  15,1.  —  Zweite  halbzeile:  Typus  A:  Hdl.  28, 4.  Vkv.31,6.  Grp. 
3,4.  —  Typus  B:  Hym.  32,8.  Sg.  7,6.  —  Typus  C:  Hdl.  30,4.  30,10. 
Grt.  19, 4.  HHv.  3, 8.  Sg.  15,  4. 

Die  eben  erörterten  Verhältnisse  kehren  hier  fast  in  gleicher 
gestalt  mder,  da  es  sich  meist  um  ein  tonloses  hilfsv.  handelt, 
das  sich  gewöhnlich  an  das  vorangehende  wort  anlehnt,  z.  t. 
mit  demselben  völlig  verschmilzt. 

Pron.  (dem.,  interrog.,  pers.)  und  verbum  stehen  in  den  genannten 
B-  und  C- Versen  von  i.  ii  durchgehends  in  eingangssenkung.  Auffällig 
sind  die  beiden  fälle  mit  vollverb  Vsp.  32,  7  sä  nam  Oßins  sonr,  Sg.  7,  6 
slcöpii  oss  \anga  prg.  Im  ersten  wird  das  periphrastisch  gebrauchte  verbum 
kaum  mehr  nachdruck  als  ein  hilfsv.  besessen  haben,  im  zweiten  ist  wegen 
der  engen  grammatischen  bindung  der  nomina  die  rhythmisierung  D— B 
möglich.  Die  proklise  des  pron.  steht  in  einklang  mit  dem  bisher  erörterten. 
Nur  Hdl.  30, 10  hans  vas  Skaßi  döttir  muss  wegen  der  trennung  des  syn- 
taktisch zusammengehörigen  und  der  sonstigen  behandlung  des  poss.  gen. 
(vgl.  Sg.  28,  8  und  unten  Hdl.  14,  7)  sehr  befremden.  Vielleicht  darf  man  an 
Umstellung  denken:  Skapi  vas  döttir  hans,  vgl.  Hdl.  13,5.  19,1,  wo  der 
poss,  gen.  ebenfalls  die  nebenhebung  trägt  (dazu  Sievers,  Beitr.  6, 340). 

Das  verbum  steht  in  der  mehrzahl  der  belege  an  zweiter  versstelle 
und  verschmilzt  mit  dem  pron.  Vorausstellung  des  verbums  findet  sich, 
abgesehen  von  Sg.  7,  6  (hier  wäre  bei  der  folge  oss  sJcöpu  die  dreisilbige 
eingangssenkung  anstössig  gewesen  und  die  für  den  vers  notwendige 
rhythmisierung  nach  D — B  unmöglich  geworden),  nur  noch  in  Gf>.  3, 1, 3 
es  per  hri/gt  i  ]ing  und  Rg.  17, 3  es  oss  hyrr  gefinn ;  im  ersteren  fall  ist 
sie  durch  die  frageform  des  Satzes  hervorgerufen. 

Das  pron.  poss.  findet  sich  als  zweites  glied  einer  formel  in  i  A: 
Hdl.  5,  5.  13, 1  (fehlerhaft,  weil  die  formel  nicht  mit  alliteriert).  16, 11  etc. 
HH.  2,44,5:  ii:  Vkv.31,6  (in  prk.  11,3  ist  das  76m»,  das  an  erster  stelle 
einer  formel  erscheint,  wol  mit  Sievers,  Proben  s.  34  zu  streichen).  Ebenso 
regelmässig  ist  die  alliteration  in  Hdl.  14,  7  hvarfla  pdttu  hans  verk  (vgl. 
Sievers,  Beitr.  6, 340).    In  den  übrigen  A-  und  E-versen  kann  das  pron. 


200  WKNCK 

mir  (liinii  in  liebniig  treten,  wenn  eine  zweisilbiji^e  nominalfonnol  vorliegt, 
uiitor  der  weiteren  voranspetznng,  dass  es  an  erster  versstelle  stehe:  sonst 
iiberlässt  es  dem  verbuni  oder  einer  conj.  die  erste  bebung  (i:  A:  Vsp.  25, 5. 
prk.  12,7.  20,5.=»)  R^  47,3.  Vkv.  5,3.  HH.  2,2,3.  18,5.  40,1.  41,1.  Rg. 
13,7.  Hei.  2,5.  —  E:  HH.  1,53,1.  Grp.  25,7). 

In  den  restierenden  beispielen,  in  denen  keine  nomiualformel  vorhanden 
ist,  steht  das  prou.  (pers.  oder  dem.)  in  mittelsenkung,  in  einigen  der  E 
nmss  es  jedoch  die  uebenhebnng  tragen:  Hdl.  20,5.  G]'.  1,23,3.  Sg.  15,1; 
einmal  steht  es  in  enklise  zum  zweiten  nomen:  Hdl.  13,7,  einmal  als  anomaler 
auftakt:  Grp.  3, 4.  Betreffs  der  allitcration  dieser  verse  vgl.  s.  94  f.  Gegen 
das  alliteration.^gesetz  Verstössen:  Hdl.  5,5  seimi  es  g<^Ur  pinn,  i^g.  7,3 
1a-(jns  huns  Guprttii.  Dagegen  ist  HH.  2,49,1  vu'il'^  »in-  at  r/'pa  als  aus- 
nähme berechtigt  (vgl.  Sievers  §  23,2). 

h)    Pronomen  und  adverbium. 
§  45,    1)   Pronomen  -f  adverbium.    a)  Material: 

Erste  halbzeile:  Typus  A:  A-:  Hym.  33,3.  —  A':  Grt.  13. 1.  Sg. 
34,3.  —  Typus  B:  Ysp.  2,3.  Hdl.  4,3.  Br.  3,  7.  -  Zweite  halbzeile: 
Typus  A:'a':  Sg.  60, 2.  —  A^:  Vsp.  35, 6.  —  Typus  C:  Hdl.  G,4. 
G^  2,  30, 4. 

In  I   alliteriert  das  adv,  in  Verbindung  mit  einem  pers.- 

pron.  stets  allein. 

Es  sind  lauter  i  mit  ausnähme  von  Hym.  33,  3  nt  ör  oru,  wo  das  adv. 
neben  dem  tonvolleren  poss.-pron.  nur  mitalliteriert.  In  Grt.  13.1  en  rit 
s//;aH,  desgl.  Sg.  34,  3  hves  ypr  s)ie))ima  steht  das  pron.  vor  dem  adv.  in 
Senkung,  weil  es  in  erste  hebung  tretend  das  adv.  gegen  den  sinn  in  enkli.se 
zu  sich  hätte  zwingen  müssen.  Für  Hdl.  (i,  4  ä  oss  paiinig  ist  die  haupt- 
stabregel  in  ansclilag  zu  bringen.  —  Ebenso  auffällig  ist  umgekehrt  die 
enklise  des  pron.  indef.  Gp.  2,  30,  4  en  framast  noJikvi.  Da  selbst  in 
zweiter  hebung  von  ii  in  Vsp.  35,  6  Pei/gi  6r  sinum  das  gleich  stark  be- 
toute pron.  poss.  allein  alliteriert  (vgl.  Hym.  33,3)  würde  der  genannte 
vers  doppelt  fehlerhaft  sein,  wenn  nicht  der  begriffliche  uachdruck  auf  dem 
adverbialen  Superlativ  läge.  —  Ein  dem.-proii.  lindet  sich  nur  Sg.  60, 2 
]>viyit  lenyra,  wo  es  dem  stilprincip  gemäss  vorausteht  und  allein  alliteriert 
(vgl.  Od.  7,  2  in  §  41, 1,  s.  181). 

b)  Wenn  zwei  adverbia  und  ein  pron.  in  einer  halb- 
zeile vereinigt  sind,  so  können  die  mindert onigen  pron.  nur 
dann  in  hebung  treten,  wenn  eins  der  adv.  pro-  oder  enklitisch 
zum  anderen  stehen  kann:  Br.  17,2  til  ggrvu  ].at  (vgl.  s.  157). 

2)  Die  merkwürdige  enklise  eines  uumerale  zu  einem  iuf.  {cit  skiihtm 
&ka  tvdr)  lässt  sich  nur  dadurch  rechtfertigen,  dass  der  zahlbegriff  bereits 
in  der  dualform  des  pron.  enthalten  ist.  Betreffs  der  anderen  formein  ist 
auf  s.  121  f.  zu  verweisen. 


ALLITERATION   IM    EDD.    FORNYRDISLAG.  201 

In  Gp.  2,38,1  svä  vu'Jc  nijl[ig]a  (vgl.  Sievers,  Beitr.  6, 317)  steht  das 
proii.  ganz  norinal  in  Senkung  (betreffs  der  alliteration  auf  dem  zweiten 
adv.  vgl.  s.  176). 

c)  Ebenso  reg^elmässig  ist  Sg.  43,  2  \iveim  ])ar  ser,  wo  das 
pron.-adv.  seinem  nachdruck  entsprechend  die  Senkung  ein- 
nimmt. Dass  das  indef.  allein  alliteriert  stimmt  zu  der  sonst 
festgelegten  Stärkeabstufung  der  pronomina. 

2)  Pronomen,  adverbium  und  v  erb  um  finitum. 
Material: 

a)  Vollverbum:  Stellung  j  :  Pronomen  +  adv.  -f  verbum: 
«)  Adv.  und  verbum  in  liebung:  Erste  halbz.:  Typus  B:  BM  Vkv. 
16,8  (=30,3).   HH.  1,10,7.   —   B-':  Vsp.  26,3.   —   Typus  C^:  Grp.  10,7. 

—  Zweite  halbz.:  Typus  B:  Vsp.  1,8.  -  Typus  C:  Vkv.  8,4.  12,2. 
37,2.  37,8.  Grp.  19,6.  Od.  10,  6.  —  ß)  Pron.  +  verbum :  Erste  halbz: 
vacat.  —  Zweite  halbz.:  Typus  A:  prk.  2,4.  —  Typus  E:  Gp.  2, -i,  4. 

—  Stellung  2:  Pron.  +  verbum  +  adv.:  a)  Pron.  und  adv.  in 
hebung:  Erste  halbz.:  Typus  A'':  Sg.  27,5.  —  Typus  E-:  Sg.  39,1. 
Zweite  halbz.:  Typus  A:  Sg.  34,2.  Gp.  2,44,4.  —  Typus  E:  Hyra. 
6,4.  —  ß)  Verbum  und  adv.  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  B^: 
E}?.  48,5.  Vkv.  27,1.  Grp.  1,1.  Eg.  16,1.  Gp.  1,19,1.  -  Typus  C:  Sg. 
19,1.  —  Zweite  halbz.:  Typus  B:  Grp.  36,8.  —  Stellung  3:  Adv. 
+  pron.  +  verbum:  a)  Adv.  und  verbum  in  hebung:  Erste 
halbz.:  Typus  A^:  Bdr.  4,3.  Vkv.  37,9.  —  Zweite  halbz.:  vacat.  — 
ß)  Pron.  und  verbum  in  hebung:  Erste  halbz.:  vacat. —  Zweite 
halbz.:  Typus  C:  Sg.  57,2. —  Stellung  4:  Adv.  +  verbum  +  pron.: 
«)  Verbum  und  pron.  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  B':  HH. 
2,  6,  7.  prk.  22,  5.  Grt.  15,  5.  Br.  2,  5.  18, 1.  Sg.  14,  9.  31,  7.  Hei.  5,  5.  Gp. 
2,8,3.  Od.  9,1.  —  Zweite  halbz.:  vacat.  —  ß)  Adv.  und  pron.  in 
hebung:  Erste  halbz.:  Typus  A^:  HH.  2,48,1.—  Typus  E:  E':Hym. 
13,  5.  EJ7.  3,  3  (=  17,  3.  30, 3).  5,  5  (=  19,  5).  32, 1.  40,  5.  43, 5.  Grp.  24, 1 
(=40,1).  38,1.  Hei.  1,5.  Ghv.  11,3.  —  E^:  Hym.  12,3.  Sg.  44,11.  —  E^: 
Grt.  15,1.  —  Typus  F':  Vkv.  5,7.-—  Zweite  halbz.:  Typus  E:  Bp. 
11,2. —  y)  Adv.  und  verbum  in  hebung:  Erste  halbz.:  Typus  D': 
Grt.  12,5.  Br.  11,  3.  Od.  33, 1.  —  Zweite  halbz.:  vacat.  —  Stellung  5: 
Verbum  +  adv.  +  pron. :  a)  Verbum  und  pron.  in  hebung:  Erste 
halbz.:  Typus  E:  E^ :  Grt.  7,3.  HH.  1,20,1.  HH.  2,18,1.  HHv.  33,1. 
Sg.  17,3.  31,3.  Hei.  3,1.  Gp.  2,27,5.  34,5.  Od.  10,1.  12,1.  21,5.  —  E^: 
HHv.  7,7.  —  Zweite  halbz.:  Typus  E:  Vsp.  33,  8  (=41,8.  48,8.  62,8. 
63,6).  Faf.  33,2.  Sg.  7,2.  —  ß)  Adv.  und  pron.  in  hebung:  Erste 
halbz.:  Typus  B':  Ep.  2, 1  (=6,3.  20,3.  33,7).  4,5.  6,  5  (=20,  5.  33,9). 
9, 1.  9,  5.  27, 1.  —  Zweite  halbz.:  vacat.  —  Stellung  6:  Verbum  + 
pron.  +  adv.:  Erste  halbz.:  Typus  E':  prk.  30,7.  Vkv.  31,7. 

b)  Hilfsverbum:  Stellung  1.  3.  6:  vacant.  —  Stellung  2: 
c.)  Erste  halbz.:   Typus  A^:  Sg.  14,3.  20,5.  —  Typus  E=:   Sg.  37,7. 

—  Zweite  halbz.:  vacat.  —  Stellung  4:  ß)  Erste  halbz.:  Typus 


202  WKNCK 

A«:  Sg.  15,5.  -  A":  Ort.  6,1.  —  Typns  E:  E':  Ep.  47,5.  HH.  1,44,1. 
Gni.  53,5.  Ghv.  4,3.  —  E'*:  R}'.  6,1  (=20,1.  33,5).  —  Zweite  halbz.: 
vncat.  —  y)  Nur  pron.  in  hehinig::  Er.ste  lialbz.:  Typns  C:  Br. 
12,3.  —  ytellung  5:  (c)  Erste  halbz.:  Typu.sE':  Gp.  2,27,1.  — 
Zweite  halbz.:  vacat.  —  /?)  Erste  halbz.:  Typus  B:  pik.  20,3.  — 
Zweite  halbz.:  vacat. 

a)  Die  begriffliclie  biiuluiig-  des  adv.  mit  dem  verlmm,  die 
■Wortstellung-,  die  festgelegten  iiaclidrucksimterscliiede  der  ad- 
verliien  und  pronomina.  aber  auch  rliytlimisehe  einflüsse  be- 
.stimmen,  welche  Wörter  die  hebungeu  einzuuehmeu  haben. 

Am  häiifigsteii  ist  stelluug-  4  (i  32,  ii  1),  die  daher  als  uonualc 
Wortfolge  betrachtet  werden  muss.  In  den  vier  beippielen  von  «  steht  das 
verbum  nach  answeis  der  alliteration  in  erster  hebnng,  das  nachfolgende 
prou.  (pers.,  dem.)  in  zweiter,  da  das  pron.-adv.  proklitisch  verwendet 
werden  kann  (s.  151).  Fehlerhaft  ist  diese  Stellung  jedoch  für  das  voll- 
adverhium.  HH.  2,  6,  7  cmslr  lysU'r  oss  verstösst  so  sehr  gegen  das  in  §  24 
erörterte  tonverhältnis,  dass  man  au  Umstellung  wird  denken  müssen  (vgl. 
Stellung  G),  trotz  der  schlechten  technik  des  liedes.  Dagegen  stützt  prk. 
22,5  HÜ  iar/p  mir  die  §31,  anm.  4  (s.  16.5)  vorgeschlagene  ändernng.  Ob 
auch  Od.  9,1  svä  \\jalpi  per  im  einklaug  mit  dem  satzaccent  steht,  muss 
nach  ß  Hym.  12,3  sr«  icera  ser  und  Vkv.  5,7  svä  beiß  hann  zweifelhaft 
erscheinen.  Allerdings  ist  die  begriffliche  binduug  zwischen  adv.  und 
verbum  nicht  so  eng,  dass  das  verbum  unbedingt  zum  adv.  in  enklise  treten 
müsste.  Dies  beweisen  ganz  deutlich  die  vereinzelten  D*  des  Schemas  y: 
Grt.  12,  5  srrt  dangpnm  vit,  Od.  33, 1  opt  nndrumk pat,  Br.  11,3  mjok  m(elir 
pH  (das  adv.  gehört  begriff  licli  zu  einem  adj.  in  ii,  miliar  ftrnor),  in  denen 
das  nachstehende  pron.  nur  die  nebenhebung  erliält,  aber  als  tonsclnvächstes 
wort  auch  kaum  mehr  beanspruchen  kann  (vgl.  die  analoge  behandlung 
des  hilfsv.  s.  148).  Falls  die  proklise  des  svä  in  Od.  9, 1  svä  hjalpi  per 
dem  satzaccent  widersprechen  sollte,  wäre  demnach  an  die  rhythmisierung 
B— D  zu  denken.  In  den  belegen  des  Schemas  ,■?  dagegen  muss,  selbst  wenn 
das  adv.  anomalerweise  keine  alliteration  trägt  (Grt.  15, 1  fram  heldum  \>vi), 
das  verbum  zum  adv.  in  enklise  treten  und  das  pron.  die  zweite  hebung 
erhalten.  Während  das  temp.-adv.  nü  in  HH.  2,  48, 1  )tü  kvcpk  enskis  aus 
rhythmischen  gründen  die  erste  hebung  empfängt  und  regelrecht  am  reim 
nicht  teil  hat,  ist  die  enklise  des  vullverbs  zu  einem  pron.-adv.  in  Sg.  44, 11 
f»«  löUmi  ])vi  undGrp.  38, 1  hvi  gegnrr pat  überaus  merkwürdig  (vgl.  «:  Br. 
18, 1  pä  xeyndi  pat  und  Sg.  31,  7  hvi  \\afnar  pü).  Da  es  sich  um  lieder 
jüngerer  technik  handelt,  ist  es  uiisiclur,  ob  man  an  rhetorische  hcrvor- 
hebuug  denken  darf.  Hinsichtlich  der  alliteration  weisen  die  verse  der 
Stellung  4  (abgesehen  von  dem  genannten  N^  Grt.  15,1)  keine  auomalie 
auf,  da  das  pron.  (meist  subject  zur  verbalform)  in  den  belegen  von  «  und  /i 
durchgeliends  des  reimes  entbehrt.  Der  isolierte  N^-vers  Sg.  44, 11  ]v't  hjtum 
\>vi  ist  eventuell  auf  das  conto  des  rhetorischen  accents  zu  setzen.  Trotz 
des  voriierschens  von  N'  in  i  findet  sich  für  Stellung  4  in  ii  nur  ein  bei- 
Bpiel.    In   11   überwiegt  welmehr  stelluug  1,  die  trotz   des  abuehmeus  der 


ALLITERATION   IM   EDD.    FORNYRDISLAG,  203 

ii-belege  zahlreichere  beispiele  in  ii  zeigt  als  in  i.  In  dieser  tatsache 
spiegelt  sich  nicht  nur  der  rhythmische  gegensatz  zwischen  i  und  ii  wider 
(ahneigung  des  letzteren  gegen  typus  B  und  E,  vgl.  §  56),  sondern  auch 
die  völlige  nachdruckslosigkeit  des  pron.  pers.^)  und  rel.  (meist  subject, 
seltener  object  zur  verhalform).  Um  so  schwerer  ist  daher  der  Verstoss  in 
dem  einen  ii  (ß)  prk.  2, -i  hvat  eJc  nü  mieli:  wahrscheinlich  ist  das  lästig 
widerholte  nü  (vgl.  i)  zu  streichen.  h\  dem  anderen  /?-heleg:  Gj?.  2,4,4 
^■jalfr  eifji  Jcom  ist  die  alliteration  des  pron.  berechtigt,  doch  ist  die  pro- 
klitische  Stellung  der  negation  bei  rhythmisiernng  E  ebenso  fehlerhaft  wie 
es  die  euklise  des  voUverbs  zu  derselben  bei  rhythmisieruug  D  sein  würde. 
Letztere  rhythmisierung  ist  auch  deshalb  nicht  empfehlenswert,  weil  die 
verbalforrael  der  alliteration  eutbehren  müsste.  Gegen  umgestelltes  Jcom 
eigi  ist  dagegen  weder  vom  metrischen  Standpunkt  noch  von  seiten  des 
satzaccentes  etwas  einzuwenden.  —  Die  folge  v  erb  um  +  adv.  (Stellung  2 
und  5)  ist  je  nach  der  Stellung  des  pron.  (ob  nach  oder  vor)  häufiger  (Stel- 
lung 5:  I  22  :  II  2)  oder  minder  häufig  (Stellung  2:  i  8  :  ii  4).  In  Stel- 
lung 2  nimmt  das  adv.  in  Übereinstimmung  mit  §  23.  24  die  zweite  hebung 
ein.  Das  verbum  kann  wegen  des  grösseren  tongewichts  des  adv.  normaler- 
weise nur  dann  in  die  erste  hebung  einrücken,  wenn  dadurch  nicht  die 
enklise  des  adv.  bedingt  ist  (wie  in  typus  C).  In  dieser  beziehung  ist  von 
den  /?- belegen  (das  pron.  pers.,  interrog.,  rel.  steht  vor  der  zugehörigen 
verbalform  regelrecht  in  Senkung)  nur  Sg.  19,  1  elc  \eit  ggrla  fehlerhaft, 
vgl.  (c  Sg.  27,  5  elc  veä  ggrla.  Da  rhetorische  betonuug  des  verbums  aus- 
geschlossen ist,  wird  das  reimbedürfnis  den  Verstoss  hervorgerufen  haben. 
Andrerseits  wäre  in  Sg.  39, 1  peim  hetumJc  pä  und  Hym.  6,  4  vit  gervimi 
tu  die  Stellung  des  verbums  in  erster  hebung  sehr  wol  möglich  gewesen. 
Während  sich  im  ersteren  fall  die  alliteration  des  dem.  rhetorisch  recht- 
fertigen lässt  (vorausgesetzt,  dass  die  allgemein  angenommene  ergänzung 
der  in  R  fehlenden  zugehörigen  zweiten  halbzeile  richtig  ist),  muss  der 
zweite  als  ausfluss  der  skaldischen  technik  der  Hym.  betrachtet  werden. 
Was  die  alliteration  betrifft,  so  darf  die  beständige  ausschliessimg  des 
nachstehenden  adv.  in  den  B  von  ß  i  nicht  allein  ai\f  die  rhythmische  ah- 
neigung des  typus  B  gegen  doppelalliteratiou  oder  auf  mangelnde  be- 
hcrschuiig  der  technik  zurückgeführt  werden,  sondern  auf  die  geringe 
sinnfülle  der  betreffenden  adv.  (z.  t.  pronominaler  abkunft:  pur  Eg.  16, 1, 
her  Grp.  1,1,  oJc  Gp.  1,19,1,  svä  Vkv.  27,1).  Die  i-belege  von  cc  sind 
vollkommen  regelmässig.  Der  eine  ii  von  a :  Hym.  6, 4  ist  auch  in 
dieser  beziehung  anstössig.  Dagegen  ist  die  alliteration  von  sjalfr  in  Sg. 
34,  2  sjalfr  veizt  ggrla  correct,  die  des  dem.  in  Gp.  2,  44,  4  pat  man'k  gerva 
rhetorisch  verständlich. 

Bei  Stellung  5  alliteriert  in  i  meist  das  verbum  («)  und  bildet  es 
die  erste  hebung  eines  E,  dessen  zweite  vom  pron.  (vorwiegend  einem  pers.- 
pr.,  seltener  einem  dem.  [Sg.  31,  3.  Od.  10, 1] :   einem  interrog.  nur  in  dem 


^)  Der  oblique  casus  des  pers.-pron.  begegnet  nur  in  versen  (Vkv.  37,  8. 
87,  2),  in  denen  die  Streichung  desselben  metrisch  möglich  wäre,  aber  eine 
Unklarheit  des  sinnes  zur  folge  haben  würde. 


20  i  WENCK 

stefartigen  ii:  Vsp.  33, 8  etc.)  eingenommen  wird.  Selbst  wenn  man  dem 
verse  IlHv.  7,7  [pi'ffg  ek]  ]>ikk  eigi  \>at  wegen  HH.  1,20,1  wgo!  eigi  pi'i 
keine  beweiskraft  zuofcstehen  will,  kann  man  nicht  zweifeln,  da.'^s  hier  nach 
E  zu  rhythmisieren  ist,  da  es  sich  in  den  i  von  (i  nur  um  cigi  (11  mal; 
vgl.  s.  153)  und  enn  (Od.  12, 1.  21,  5  uud  in  dem  genannten  ii  der  Vsp.),  also 
um  begrifflich  farblose  adverbia  handelt.  In  den  beispieleu  der  gruppe  (i 
(sie  gehören  sämmtlich  der  ersten  halbzeile  und  merkwürdigerweise  alle 
der  Rf>.  an)  alliteriert  dagegen  durchgehends  das  adv.  allein;  es  Avürde 
demnach  schematiseh  die  erste  hebung  von  B-versen  bilden,  deren  zweite 
ein  (vom  präp.  abhängiges)  dem.  trägt.  Da  aber  einerseits  die  tonschwäche 
des  pron.  feststeht  (.Stellung  4,  >')>  andrerseits  prokli.se  des  vollverbs  fehler- 
haft sein  würde,  ist  wider  nach  D— B  zu  rhythmisieren.  Der  gegensatz 
zwischen  rhythmisierung  von  gruppe  c.  und  gruppe  ^i  muss  hier  besteheu 
bleiben,  da  er  im  satzaccent,  d.  h.  hier  in  der  Verschiedenheit  der  bedeutungs- 
fUlle  der  adv.,  begründet  ist.  Zweifelhaft  sind  daher  zwei  ii:  Fäf.  33,2 
ra'Jjr  umb  riß  pik,  Sg.  7,  2  \prumk  eptir  pess.  Letzterer  vers  würde  als  D 
die  in  ii  verpönte  doppelalliteration,  ersterer  andrerseits  als  E  anomale 
enklise  einer  adv.-präp.  aufweisen,  die  hier  bei  einem  vergleich  mit  den  vier 
fällen  von  ;•  auch  nicht  durch  die  annähme  rhythmischer  einfUisse  (vgl. s.  165 f.) 
gerechtfertigt  werden  kann.     Beide  fälle  sind  also  technisch  mangelhaft. 

Ganz  untieliebt  ist  die  trenniing  des  adverbiums  vom 

verbum  (Stellung  3:  i  2,  ii  1;  Stellung  6:  i  2,  ii  vacat). 

Bei  Stellung  3  kann  es  sich  nach  dem  gesagten  normalerweise  nur 
um  pron.-adv.  handeln.  Dieses  erhält  in  den  zwei  i  aus  rhythmischen 
gründen  die  erste  hebung,  während  das  zwischengestellte  pers.-pron.  vor 
der  zugehörigen  verbalform  regelrecht  in  Senkung  steht  (§  42,  2,  a,  s.  188). 
Ebenso  stimmt  es  zu  dem  in  §  42,  2,  b  (s.  189)  erörterten,  wenn  in  ii  Sg. 
57,  2  hve  vip  mik  föru  der  oblique  casus  des  pers.-pron.  allein  alliteriert. 
—  Li  den  beispielen  von  Stellung  6  ist  das  pron.  (auch  die  obliquen 
casus  des  pers.-pron.:  prk.  30,  7)  von  der  haupthebung  ausgeschlossen,  da 
diese  von  dem  nachstehenden  adv.  gefordert  wird;  doch  ist  es  nicht  völlig 
tonlos,  weil  es  die  nebenhebung  eines  E  trägt.  Die  alleinige  alliteration 
des  verbums  in  prk.  30,  7  vujip  okkr  saman  darf  auf  rhythmische  einfiüsse 
zurückgeführt  werden.  In  dem  zweiten  fall  Ykv.  31,  7  \ihiutuk  pess  m'i 
ist  N'  völlig  berechtigt,  weil  es  sich  da  um  das  wenig  betonte  ««handelt. 

b)  In  dem  unter  a  mit  aufgeführten  vers  Od.  12, 1  mank 
enn  hvut  ]ih  ist  das  nebeneinander  zweier  pronomina  nicht  un- 
verträglich mit  dem  satzaccent;  in  GJ'.  3,  8,  7  nn  vcrp  cJc  »jglf 
fyr  mik  ist  dagegen  die  folge  von  adv.  +  verbum  für  die  ein- 
gangssenkung  zu  schwer:  dem  verse  kann  nur  durch  Streichung 
(von  nn?)  aufgeholfen  werden. 

c)  Aus  adverb  -f  hilfsverb  +  pronomen  werden  nur 
ganz  vereinzelte  verse  gebildet:  Stellung  1,  3.  und  G  fehlen. 

Am  häufigsten  ist  Stellung  4,   in  der  adv.  und  pron.  die  hebuugen 


ALLITERATION   IM   EDD.    FORNYRDISLAG.  205 

eiiiiiclimeu,  während  das  liilfsv.  iu  deu  E-verseu  die  uebeiihebniig-  trägt. 
In  dem  öfters  widerkehreudeu  vers  E]'.  6, 1  etc.  ]Hir  vas  liann  at  pat  liegt 
sie  jedoch  in  dem  prou.  pers.  (das  nicht  getilgt  Averden  darf,  weil  sonst  vas 
at  verschleift  werden  müssteu);  das  ras  ist  mit  dem  adv.  ßar  zu  ver- 
schmelzen, ebenso  wie  in  Br.  12, 3  ßd  vas  livl  yelna,  w^o  das  pron.  zAvei 
hebuugeu  einnimmt  (betreffs  C^  vgl.  §  52).  Hinsichtlich  der  alliteration 
bieten  diese  verse  nur  eine  anomalie :  Sg.  lo,  5  tyrr  sJcalk  minu,  insofern 
da  das  Hildebrandsche  gesetz  verletzt  ist:  vgl.  Grt.  6,  1  her  skyli  engi. 
Doppelalliteration  findet  sich  nur  Rji.  6,1:  vgl.  Sg.  37,7  (b,  Stellung  2). 
Das  adverbium  alliteriert  in  erster  hebung  allein.  Bei  Stellung  2,  Inder 
das  verbum  ebenfalls  von  der  hebung  ausgeschlossen  ist,  alliteriert  das  nach- 
stehende volladverb  in  den  A-verseu  allein,  das  pron.-adv.  in  dem  E-vers 
Sg.  37,7  pat  miindi  ]>d  mit.  Der  oben  s.  203  bei  Stellung  5  hervor- 
gehobene unterschied  zwischen  diesen  beiden  arten  von  adverbieu  macht 
sich  auch  hier  geltend.  Gp.  2,  27, 1  vil  eigi  eJc  darf  auch  im  vergleich  mit 
Sg.  14,  3  pat  vas  eigi  als  normal  betrachtet  werden,  da  vilja  hier  rhetorischen 
nachdruck  besitzt  und  auch  anderweitig  starke  berühruugen  mit  dem  voll- 
verbum  aiifweist.  Ebenso  regelmässig  ist  bei  Stellung  5,  ß  prk.  20, 3  munk 
ok  meß  ßer. 

3)  Bei  der  Stellung-  nomeii  +  pronomen  +  adverbium 
tritt  das  pron.  in  enklise  zum  nomen,  mag  es  nun  ein  pers. 
sein  (Gl?.  2,  38, 8:  zu  tilgen?),  oder  ein  poss.  (Hym.  38, 8.  Sg.69,6: 
beachte  die  Verkürzung  der  zweiten  liebung). 

Steht  das  adv.  an  erster  stelle  des  verses  unmittelbar  vor  dem  nomen, 
so  kann  es  nur  dann  in  hebung  treten,  wenn  es  mit  dem  nomen  begrifflich 
gebunden  ist:  Hym.  8,2  mjgk  leißa  ser  (vgl.  s.  161).  In  zwei  anderen  be- 
legen mit  gleicher  Wortfolge  (Grp.  20,  7.  Hei.  11,  3)  ist  das  adv.  (ein  pron.- 
adv.)  proklitisch,  das  pron.  (dem.,  poss.)  steht  in  zweiter  hebung,  ohne  mit 
zu  alliterieren.  Das  pron.  steht  vor  dem  adv.  in  Senkung  in  Sg.  71,  3.  Hei. 
9, 7,  alliteriert  dagegen  fehlerhaft  in  erster  hebung  von  ii  in  Hj'm.  3,  4 
hann  noist  viß  goß  selbst  im  vorzug  vor  dem  nomen  (vgl.  §  44, 1,  s.  198). 
Zu  Hei.  9,  7  es  hvergi  lands  vgl.  §  29  (s.  160).  Zu  C^  in  Sg.  71,  3  es  vier 
meirr  mjgtußr  vgl.  §  28  (s.  160).  Zur  enklise  des  localadverbs  in  Hdl.  24, 1 
ßeir  i  Bohn  austr  vgl.  HH.  1,  50,  3  ßö's  i  Sogn  üt  (vgl.  s.  169). 

4)  Nomen,  pronomen,  adverbium  und  verbum  fini- 
tum.   Material: 

Stellung  1:  Adv.  +  verbum  +  pron.  -1- nomen:  Erste  halb- 
zeile:  Typus  A:  A'^:  HH.  2,47,1.  —  A-^:  Drk.  15,1.  Rp.  47,1.  Grt.  4,5. 
HH.1,54,5.  HH.2,44,11.  HHv.5,7.  31,5.  Grp.  20, 1.  Br.  8, 1.  11,1.  Gp.  1,1,1, 
6,1.  12,1  (=17,1.  24,1).  18,1.  23,1  (=25,1).  Sg.  1,1.  69,7.  Hei.  8,7. 
Ghv.4, 1  (=8,1).  —  Typus  B>:  Eg.  11,  7.  —  B'^:  Hei.  13,  5.  —  Typus  E: 
E':  Grp.  18,1.  —  E^:  prk.  17,1.  22,1  (=25,1.  30,1).  —  E^:  prk.  18,1. 
HH.  2,33,5.  Br.  17,5.  —  Zweite  halbz.:  vacat.  —  Stellung2:  Adv. 
-f  verbum -}- nomen  +  pron.:  Erste  halbz.:  Typus  A^:  Hdl.  5,  1. 
10,3.  HH.  2,9,3.  —  Typus  B":  HH.  2,7,5.  —  Typus  C^:  Br.  10,9.    — 


206  WKNCK 

Zweite  lialliz.:  vacat.  —  St  el  1  u  iig-  ;{:  Adv.  +  itroii.  +  v  erb  um  4- 
uoinen:  Erste  lialbz.:  Typus  E-:  A'kv.  2!),  1.  —  Z  weite  lialbz.: 
vacat.  —  Stellung  4:  Pron.  +  verbum  +  adv.  +  nomen:  Erste 
halbz.:  Typus  A':  Sg.  ßO,  1.  —  A»:  Grp.  32,1  (=48,1).  Sg.  31,1.  HH. 
2,8,1.  —  Typus  B':  HHv.  32,1.  —  Typus  C:  Grp.  8,5.  12,7  (=  14,  7). 
18,7.  —  Typus  C-:  Grp.  26,  7.  —  Zweite  halbz.:  vacat.  —  Stellung  5: 
Prou.  +  verbura  4- nomen  +  adv.:  Erste  halbz.:  Typus  B':  Grp. 
16,5.  —  Zweite  halbz.:  vacat.  —  Stellung  G:  Verbura  +  pron. 
+  adv.  +  nomen:  Erste  halbz.:  Typus  B^:  Sg.  38,3.  —  Typus  E«: 
Sg.  6,3.  Vkv.  16,7.  —  Zweite  halbz.:  vacat.  —  Stellung  7:  Nomen 
+  verbum  +  adv.  +  pron.:  Erste  halbz.:  Typus  A':  Gj?.  2,  33, 1.  — 
Zweite  halbz.:  vacat. 

Der  zweite  halbvers  ist  hier  überhaupt  nur  durch  ein  beispiel  ver- 
treten: G]>.  3,  9,  8  hvc  sjti  hverr  veUi,  wo  prou.-adv.  +  pron.-dem.  (zu  tilgen?) 
regelrecht  in  eingaugssenkung  stehen. 

In  I  ist  Stellung  1  am  häufigsten,  in  der  normalerweise  das  [adv. 
(temp.,  loc:  vorwiegend  pronominaler  herkuuft:  22  pä,  1  fjar,  2  nü,  2  är) 
und  das  nomen  die  hebuugeu  tragen.  Nur  in  Sg.  69,1  pei/yi  miin  ör  for 
ist  das  nomen  von  der  hebuug  ausgeschlossen,  da  es  es  mit  dem  poss.-pron. 
eine  zweisilbige  formel  bildet.  Adv.  +  verbum  (hilfsv.!)  tritt  in  eingaugs- 
senkung, wenn  die  pronomiualformel  drei  silben  umfasst:  Rg.  11,  7/)«  inun 
'peirar  sonr.  In  den  E-versen  wie  ^pä  kraß  ßat  l)urr  prk.  17,1  (ebenso 
22, 1.  25, 1.  30, 1,  desgl.  ßä  kvap  put  hoJci  18, 1)  ist  die  enklise  des  vollv. 
durch  den  rhetorischen  accent  gerechtfertigt  (vgl.  §  32  und  §  45,  2).  N*  in 
prk.  18, 1  pü  kvap  pat  Loli  entspricht  dem  satzaccent,  denn  pd  alliteriert 
auch  in  den  A-versen  nirgends  mit.  Nur  ein  einziger  vers  mit  doppel- 
alliteration:  HH.  2,47,1  he>  hef[i  e]k  B.elyi  findet  sich,  auch  dieser  gewis 
nur  zufällig.    Betreffs  N^  in  Grp.  18, 1  n«  es  pvi  lokä  vgl.  §  31  (s.  171). 

Bei  den  genannten  beispielen  handelte  es  sich  vorwiegend  um  ein 
pron.  pers.  oder  dem.  Dagegen  ist  in  denen  der  Stellung  2  vorwiegend  das 
poss.  vertreten.  Ist  die  pronorainalformel  zweisilbig  (Hdl.  5, 1),  so  erhält 
das  adv.  die  erste  hebung,  umfasst  sie  mehr  als  zwei  silben,  so  müssen 
adv.  und  verbum  (hilfsv.)  die  eingaugssenkung  füllen:  HH.  2,7,5  hvi 
hrynja  pin,  Br.  16, 9  svä  imm  qll  ypur.  In  den  übrigen  beispielen  der 
Stellung  2:  Hdl.  16,3  nü  es  grjüt  pat,  wo  ein  dem.,  und  HH.  2,9,3  pvi 
vas  «  legi  vier,  vto  ein  pers.-pron.  in  enklise  zum  numen  steht,  hat  offenbar 
das  bestreben,  ein  E^  zu  vermeiden,  die  Wortstellung  bestimmt.  Eine  gleiche 
Stellung  verbot  sich  in  den  E'  der  Stellung  1  aus  rhythmisch -melodischen 
gründen. 

Begrifflich  mit  dem  verbum  verbundenes  adv.  begegnet  in  Stellung  3 
(adv.  +  prou.  +  verbum  +  nomen)  wie  zu  erwarten  nicht.  In  Vkv.  29,  1 
vel  ek,  kvap  Yglundr  gehört  das  adv.  zum  pron.  Nachgestelltes  adv.  kann 
vom  verbum  durch  ein  pron.  getrennt  werden  (vgl.  2,  Stellung  6,  oben  s.  204). 
Die  unbetontheit  des  adv.  in  Vkv.  16,  7  esa  sä  nu  h//>v  entspricht  der  regel. 
Zu  Sg.  G,  3  tiam  hon  svä  (^rt,  wie  mit  der  Kopenhagener  ausgäbe  zu  lesen 
ist,  vgl.  §  27.  31  (s.  157.  165).    Fehlerhaft  ist  Sg.  38,  3  lek  mcr  mein  i  mun, 


ALLITERATION   IM   EDD.    FORNYRDISLAG.  207 

da  iuicli  ausweis  von  2,  Stellung-  6  (oben  s.  20-i)  das  verlnim  regelwidrig  in 
der  eingaugsseukung  steht.  Das  pron.  ist  zwar  aus  gründen  der  deutlicli- 
keit  beizubehalten,  aber  dem  verbum  zu  suffigieren:  vgl.  §31,  Stellung  4 
(oben  s.  165  f.). 

Normal  ist  Stellung  7:  Gp.  2,33,1  hnd  gefk  enn  per  (vgl.  §31, 
Stellung  1,  oben  s.  165),  desgl.  Stellung  5:  Grp.  16,5  hvat  mun  snöt  at 
heldr  (vgl.  §  39,  s.  179). 

Häufiger  sind  die  belege  der  Stellung  4,  in  der  das  nomen  wie 
bisher  vermöge  seines  dynamischen  übergewichtes  auf  alle  fälle  eine  hebuug 
zu  beanspruchen  hat.  In  HH.  2,  8, 1  pat  vann  mest  nys  steht  das  nomen 
scheinbar  in  enklise  zu  einem  nominalen  adverb,  aber  der  vers  ist  sicher 
verderbt,  wie  schon  der  gleiche  anlaut  der  beiden  schliessenden  monosyllaba 
zeigt.  Es  ist  offenbar  zu  \utst  vann  pat  nys  umzustellen,  da  das  adv.  vor 
dem  verbum,  das  pron.  vor  dem  abhängigen  nomen  seinen  natürlichen  platz 
hat  (vgl.  auch  Sijmons  z.  st.),  ünregelmässig  ist  ferner  die  drückuug  des 
ok  in  dem  verse  Sg.  60, 1  pat  mim  ok  verpa,  der  dem  in  §  24  (s.  162  f.)  er- 
örterten zuwider  als  A  gelesen  werden  muss  (ein  D'  wäre  nach  §  36,  s.  177 
mindestens  ebenso  fehlerhaft),  vgl.  Grp.  8,  5  hvat  mun  iyrst  gorask,  desgl. 
Grp.  12, 7  (=  14, 7).  18, 7.  Die  alliteration  des  pron.  ist  rhetorisch  ver- 
ständlich (§41,3,  s.  185).  Ebenso  ist  die  alleinige  alliteration  des  adv.  in 
den  eben  erwähnten  versen  der  Grp.  normal  (§  24,  s.  152).  Die  doppel- 
alliteration  in  Grp.  26,  7  hvat  ä  synt  Sigurpr  weist  auf  ausgieich  zwischen 
vers-  und  Satzbetonung.  Ebenso  hätte  in  HHv.  32, 1  doppelalliteration  ein- 
treten sollen.  N'  entspricht  aber  wenigstens  dem  Hildebrandschen  gesetz: 
mik  hefr  miklu  gloepr  |  meiri  söttan.  Der  gleiche  anlaut  des  pron.  wirkt 
insofern  störend,  als  pron.  +  hilfsv.  nicht  verschleif  bar  sind.  Wie  bereits 
Sievers,  Beitr.  6, 333  erkannt  hat,  darf  man  hgfumk  schreiben,  obwol  zu  dem 
pron.  ein  prädicatives  part.  coustruiert  ist.  Was  Grp.  32, 1  (==  48, 1)  hvärt's 
pä  (jripir  und  Sg.  31, 1  hat  kvap  pä  Gunnarr  angeht,  so  ist  auf  die  be- 
merkungen  zu  den  A  der  Stellung  1,  oben  s.  206  zu  verweisen. 

i)    Zwei  pronomina. 
§  46.     1)  Zwei  pronomina  allein  bilden  folgende  verse: 

Erste  halbzeile:  Typus  A^:  Sg.  44,5.  —  A^:  HH.  1,30,1.  31,5. 
Gp.  1,8,7.  —  Typus  B':  Vkv.  27,  7.  HH.  2,  33,  3.  Gp.  2,24,7.  —  B^:  Grp. 

48.7.  —   Zweite  halbzeile:    Typus  A:    Od.  34,4.   —  Typus  B:   Grp. 

44.8.  Od.  33,  8.  —  Typus  C:  Sg.  10,  6. 

Nach  dem  bisher  erörterten  wäre  in  Sg.  44,  5  phia  mep  minum,  wo 
sich  die  grammatische  bindung  völliger  coordination  nähert,  doppelallitera- 
tion erforderlich  gewesen,  wenn  die  beschränkte  zahl  der  beim  pron.  mög- 
lichen anlaute  sie  gestattet  hätte.  Als  ersatz  ist  hier  der  reim  eingetreten 
(vgl.  s.  103).  Schlecht  ist  dagegen  die  technik,  wenn  sich  in  ii  coordinierte 
pron.  finden:  Od.  34,  4  mm  ok  peira. 

Die  übrigen  oben  aufgeführten  belege  enthalten,  abgesehen  von  Gp>. 
1, 8, 7  svä[a'\t  mer  mangi  (vgl.  Hildebrand  z.  st.)  alle  das  pron.  sjalfr. 
Dieses  steht  in  Verbindung  mit  einem  pers.  -  pron.   (refl. :  Grp.  48,  7)  in   i 


208  WKNCK 

stets  voran,  in  ii  plienfalls  Itis  auf  Sg;.  10.0  ok  mrr  sjalfii,  uiul  iiUitorieit 
gewöhnlich  allein.  Der  vereinzelte  vens  (irp.  48, 7  ok  <(  sja//V(  .>«•//.•  hat 
gewis  nur  zufällig  doppelalliteration.  Sonach  ist  die  auoiuale  alliteratiou 
in  Sg.  10, 6  ok  mer  sjalfri  offenhar  durch  das  reimhedürfnis  veranlasst. 
Dies  erhärten  namentlich  die  beiden  i-verse:  HH.jl.BO,  1  ch  pchn  sjdfmn, 
31,  ö  en  Jjcir  f>jctlfir,  in  denen  sjulfr  in  zweiter  hebuug  allein  alliteriert 
und  die  dein,  aus  rhythmischen  griinden  der  vorausgehenden  conj.  die  erste 
hebung  überlassen  müssen.  Das  bereits  erwähnte  i:  (t]\  1,  8,  7  würde  daher 
als  C  noch  weit  mehr  gegen  den  satzacccnt  Verstössen  als  Sg.  10, 6,  da 
hier  ein  engeres  grammatisches  Verhältnis  zwischen  den  pronomina  nicht 
existiert.  Ebenso  wie  s.  186  ein  pers. -pron.  selbst  bei  gleichem  anlaut 
vor  einem  nomen  (diesem  steht  das  indef.  im  nachdruck  gleich)  in  Senkung 
treten  musste,  darf  hier  die  rhj'tlimisierung  A'  für  sicher  gelten. 

2)  Zwei  pronomina  und  verbum  finitum.    Material: 

Stellung  1:  Pron.  +  pron.  +  verbum:  Erste  halbz.:  Typus  A': 
Hym.  11,5.  Sg.  13,7.  Vkv.  18,3.  —  Typus  C:  Sg.  26,5.  —  Zweite 
halbz.:  Typus  A^:   Gp.  2,17,1.   Ghv.  19,2.   —   Typus  Fa«:  Gp.  3,11,2. 

—  Stellung  2:  Pron.  +  verbum  +  pron.:  a)  Die  beiden  pron.  in 
hebung:  Erste  halbz.:  Typus  A:  A'^:  Hei.  3,5.  —  A":  Grt.  22,5.  Sg. 
33,5.  49,5.  Hei.  14,5.  —  Typus  E':  Hym.  15,1.  18,1.  Eg.  17,8.  Gp. 
2,20,1.  Ep.31,  5.  —  Zweite  halbz.:  Typus  A:  HH.  1,  5,  8.  —  Typus  E': 
Hym.  38,2.  —  E*:  Hym.  9,2.  —  ß)  Verbum  und  pron.  in  hebung: 
Erste  halbz.:  Typus  A':  Gp.  1,  3,  5.  —  Typus  B':  Vsp.  28,  5.  HH.  2,  5,  5. 
5,  7.  HHv.  35,  5.  Grp.  29, 1.  Gp.  1, 10, 1.  Sg.  13,  5.  32, 1.  Gp.  2, 18,  5.  — 
Typus  B^:  HH.  2,11,1.  —  Zweite  halbz.:  Typus  B:  Vkv.  40,2.  41,2. 

—  Typus  C:  Fäf.  33,4.  —  Stellung  3:  Verbum  +  pron.  +  pron.: 
Erste  halbz.:  Typus  A':  Vkv.  17,  7.  —  Typus  ß':  Grp.  43,  7.  — 
Typus  E':  Ep.  33,3.  Fäf.  35,  5.  —  Zweite  halbz.:  Typus  E:  Grp.  32,  2 
(=i8,2). 

a)  In  den  belegen  der  Stellung  1  steht  das  verbum  in 
zweiter  hebung  und  alliteriert  selbst  in  i  allein. 

Nur  in  Sg.  26,  5  ßeir  ser  hafa  entbehrt  es  des  reimes  und  steht  es 
in  enklise  zu  einem  obliquen  pers.-pron.  (vgl.  §  42,  2,  b,  s.  189).  Da  es  sich 
dabei  um  ein  hilfsv.  handelt,  braucht  man  einen  Widerspruch  gegen  den 
satzaccent  wol  nicht  anzunehmen,  immerhin  aber  dürfte  die  alliterations- 
stellung  von  der  metrischen  qualität  des  sprachmaterials  (C3)  beeinflusst 
sein  (vgl.  dagegen  Sg.  13,  7  livat  hgnum  -vari,  typus  A).  "Wenn  in  den  A 
(F)  das  erste  pron.  die  erste  hebung  erhält,  so  nimmt  es  doch  nie  an  der 
alliteration  teil.  Fehlerhaft  ist  dieser  ausschluss  vom  reim  nur  in  G)'. 
3, 11,  2  hveir's  pat  säat,  da  dem  pron.  indef.  ein  grösseres  tongewicht  zu- 
kommt als  einem  vollverbum.  Es  wird  also  das  überflüssige  Jtverr  zu 
streicluMi  si^in.'.    Das  zweite  pron.  ist,  abgesehen  von  Sg.  13,  7.  Gp.  3, 11,  2, 

')  \ielleicht  darf  man  zur  beseitigung  des  fehlers:  es  (px!)"^  sä  ei<ji 
lesen  mit  paralleler  alliteration,  die  zugleich  den  schematischen  allitcrations- 
verstoss  der  zugehörigen  ersten  halbzeile  abschwächen  würde. 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  209 

ein  Personalpronomen  oder  demonstrativum,  das  vor  der  zugehörigen  verbal- 
form regelrecht  proklitisch  gebraucht  ist  (sicher  auch  bei  gleichem  anlaut 
in  Hym.  11,  5  sä's  vit  \cetttim). 

Am  häufigsten  ist  in  beiden  halbzeilen  die  mittelstellung' 
des  verbums.  Das  zweite  pron.  stellt  durchgeliends  in  zweiter 
hebung,  das  erste  in  gruppe  ß  in  eingangssenkung,  und  zwar 
ganz  correct,  da  es  sich  meist  um  ein  pron.-pers.  vor  zugehöriger 
verbalform,  z.  t.  um  ein  interrog.,  in  den  ii  um  ein  relat.  handelt. 

Nur  Gp.  1, 3, 5  hver  sagpi  peira  verstösst  schwer  gegen  den  satz- 
accent,  da  das  indef.  nicht  proklitisch  stehen  kann.-)  Der  vers  ist  auch 
metrisch  anstössig  wegen  des  auftaktes.  Hinsichtlich  der  alliteration 
stimmen  die  übrigen  verse  zu  dem  oben  ausgeführten.  Nur  HH.  2, 11, 1 
hvat  vissir  ]>ü  (vgl.  §  42,  2,  a,  s.  188)  ist  fehlerhaft  bez.  verderbt  (vgl.  Sij- 
mons  z.  st.).  —  In  gruppe  «  nimmt  das  pron.  die  erste  hebung  ein,  imd 
das  verbum  rückt  in  Senkung  oder  erhält  in  den  E  die  nebenhebung.  Die 
enklise  des  verbums  in  den  E  verstösst  nach  dem  gesagten  gegen  den  satz- 
accent,  soweit  das  erste  pron.  ein  personale  oder  interrogativum  (subject 
zur  verbalform)  ist.  Es  ist  daher  sehr  charakteristisch,  dass  diese  fälle 
(i:  Rf>.  31,  5  hon  tök  atßat,  ii:  Hym.  9,  2  ek  vdjaJc  ykkr  (ein  B''  wäre  ebenso 
anstössig),  38,  2  hve7-r  kann  um  pat,  Eg.  17,  8  \iverr  spyrr  at  pvi)  vorzugs- 
weise dem  zweiten  halbvers  und  ausserdem  gerade  der  skaldischen  Hym. 
bez.  der  Rp.  (s.  §  18, 2,  s.  122)  angehören.  Rhetorische  betonung  des  inter- 
rog.  ist  schwerlich  anzunehmen  und  ist  selbst  in  Hym.  18, 1  \>ess  vcentir 
mik  beim  dem.  (wo  sie  eher  denkbar  wäre)  nicht  gerade  w^ahrscheinlich, 
weil  der  dichter  der  Hym.  bei  der  behandlung  der  pronomina  so  willkürlich 
verfährt.  Dagegen  ist  die  Stellung  in  hebung  dem  indefinit  gebrauchten 
interrogativum  ganz  gerecht :  Hym.  15, 1  hvern  Utu  peir,  Gf>.  2,  20, 1  hverr 
vildi  mer  (vgl.  §  48).  Ebenso  ist  die  Stellung  des  ersten  pron.  (bis  auf  Grt. 
22,  5  sä  mun  hennar  ist  es  ein  pron.  pers.  vor  zugehöriger  verbalform)  in 
erster  hebung  der  A  noch  als  normal  anzusehen,  da  sie  durch  den  rhythmus 
bedingt  ist.  Stünde  nämlich  das  verbum  in  erster  hebung  (höchstens  könnte 
ein  vollv.  in  betracht  kommen),  so  hätte  das  nach  ausweis  der  alliteration  ^) 
stärker  betonte  pron.  (obliquer  casus  eines  pers.:  Grt.  22,  5.  Sg.  33,  5.  Hei. 
3,5;  indef.  i  Sg.  49, 5,  ii  HH.  1,  5,  8,  poss.  Hei.  14, 5)  in  die  zweite  hebung 
eines  C,  also  in  enklise  treten  müssen.  Enklise  des  pron.  begegnet  nur  in 
dem  erwähnten  ii  C  Fäf.  33,  4  panns  irüir  liönum,  wo  sie  offenbar  durch 
die  form  des  sprachmaterials  veranlasst  ist.  Sie  darf  daher  in  HH.  1,  5,  8 
ek  veit  nakkvat  nicht  erst  durch  die  annähme  der  alliteration  von  vocal 
auf  V  (Gering,  Beitr.  13, 204)   herbeigeführt   werden,   und   wäre   ein   noch 


2)  Zu  der  Vermutung  von  Sijmons,  die  die  fehlerhafte  proklise  nicht 
behebt,  vgl.  §  45, 2  (s.  201  f.). 

8)  Nur  Hei.  3,  5  ek  mun  okkur  alliteriert  das  vocalisch  anlautende  erste 
pron.  mit. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.  XXXI,  ]_^ 


210  WENCK 

schwererer  vei-stoss   als  die  fehlerhafte  aliiteration  des  pers.-prou.  vor  dem 
iudefinitnm. 

Sehr  späiliclie  belege  finden  sicli  für  die  naclistellung  beider 
l>runomina. 

Das  vollvcrbnm  alliteriert  in  i  und  ii  stets  allein.  Die  zweite  hebung 
wird  in  den  E  von  dem  zweiten  (von  priip.  abliäng'iyen)  pron.  eingenommen, 
während  das  erste  die  nebenhebung  tragen  nuiss:  in  Ep.  .'J3, .'!  rc/.s  hmin  at 
pai,  Faf.  35, 5  \iygpi  hann  wn  sik  ist  es  ein  znr  verbalform  gehöriges  pron. 
personale.  Ein  solches  erhält  wol  in  Ykv.  17,  7  su/pip  er  hann  die  zweite 
hebung  eines  A,  da  das  oblique  pers.-pron.  kein  novum  enthält,  somit 
in  enklise  treten  kann.  Das  hilfsv.  hat  zwar  in  Grp.  43,  7  hefr  hverr  fyr 
Jiv'i  gleichen  anlaut  wie  das  alliterierende  indef.,  doch  kann  es  ohne  fehler 
gegen  den  satzaccent  in  eingaugssenkung  stehen. 

b)  Ein  einziger  vers  weist  ausser  einem  verbum  (liilfsv.) 
drei  pronomina  auf:  Grp.  28, 1  hvafs  mih  at  Pvi.  Sein  bau 
stimmt  zu  dem  bisher  erörterten. 

3)  Nomen  und  zwei  pronomina.    Material: 

Stellung  1  (s.S.  208):  Erste  halbz.:  Typus  A»:  G]\  1,23,5.  G^ 
2,14,5.  Ghv.  15,3.  —  Typus  B':  prk.  8,5  (=11,5).  —  Typus  C:  Hdl. 
29,7.  —  Zweite  halbz.:  vacat.  —  Stellung  2:  Erste  halbz.:  Typus 
B":  Sg.  86,1.  —  Typus  C:  Vkv.  41,7  (=41,9).  Gp.  2,82,3.  Ghv.  10,7. 
—  Zweite  halbz.:  Typus  E:  G)x  2,  31,  4.  —  Stellung  3:  Erste  halbz.: 
vacat.  —  Zweite  halbz.:  Typus  E:  Sg.  87, 2. 

Gehen  beide  pron.  voraus  (Stellung  1),  so  erhält  in  G]\  1,23,5.  G}'. 
2, 14, 5  das  erste  zweifelsohne  aus  rhythmischen  gründen  die  erste  hebung, 
es  alliteriert  aber  wegen  seiner  tonlosigkeit  nicht  mit.  —  Ist  das  zweite 
pron.  aber  ein  poss.  oder  indef.,  so  hat  dieses  unbedingt  die  aliiteration  und 
die  erste  hebung  zu  beanspruchen.  Im  vergleich  mit  Hdl.  29,  7  hann  suis 
hröpur,  prk.  8,  5  {=  11,  5)  hann  ongi  maßr  rauss  Ghv.  15,  3  es  minna  harna 
als  fehlerhaft  erscheinen  und  umgestellt  werden :  der  auf takt  hindert  nicht, 
da  er  auch  im  hsl.  text  vorliegt.  —  Bei  Zwischenstellung  des  nomens 
ist  ein  vorausgehendes  personale  oder  relativum  stets  i)roklitisch.  In  ii 
Gp.  2, 31,  4  poer  kindir  vier  ist  die  aliiteration  des  demonstr.  und  die  da- 
durch bedingte  enklise  des  nomens  durch  den  rhetorischen  accent  zu  recht- 
fertigen. Die  zweite  hebung  wird  stets  vom  zweiten  pron.  (einem  poss.  in 
Gp.  2,  32, 3.  Ghv.  10,  7)  gebildet,  an  der  aliiteration  nimmt  es  aber  nirgends 
teil.  —  Nachstellung  beider  pronomina  ist  nur  durch  den  vers  Sg.  37, 2 
hugr  mimt  um  pat  zu  belegen,  in  dem  das  poss.  mit  dem  nomen  zur  formel 
verschmilzt,  das  zweite  pron.  also  die  zweite  hebung  einnimmt. 

4)  Nomen,  zwei  pronomina  und  verbum  finitum.'') 
Bei  der  folge  pron.  +  verbum  -j-  pron.  +  nomen  erhält 

das  erste  pron.  die  erste  hebung. 

*)  Material:   i:   A»:   Hei.  13,1.  Gp.  3,1,1.  3,1.  Ghv.  16,5.  —  B':  Bdr. 


ALLITERATION   IM   EDD.    FORNYEDISLAG.  211 

Ist  dies  beim  hilfsv.  (Gp.  3, 1, 1.  Ghv.  16,  5,  desgl.  Gp.  1, 26,  5)  ohne 
weiteres  klar,  so  kann  man  bei  Vkv.  22, 3  ijkJcr  Icetk  pat  gidl  bedenken 
tragen,  weil  da  enklise  des  verbums  nicht  unbedingt  erforderlich  ist. 
Wegen  des  logischen  nachdrucks  auf  dem  pron.  und  der  geringen  begriffs- 
fülle  des  verbums  ist  jedoch  die  angenommene  rhythmisierung  als  E^  vor- 
zuziehen. Bei  Hei.  13, 1  ßvi  brä  mer  Guprün  gilt  das  §  45,  4,  s.  205  f.  zu 
Stellung  1  bemerkte:  der  auftakt  ist  durch  die  lesung  \>vi  brgumJc  zu  be- 
seitigen. 

Bei  der  folge  verbum  +  pron,  -[-  pron.  +  nomen  em- 
pfängt das  vollverbum  die  erste  hebung-  (Ghv.  14, 5  öl  eJc  mer 
jöp),  während  vom  pers.-pron.  der  casus  rectus  in  Senkung,  der 
casus  obliquus  in  nebenhebung  steht. 

HH.  2,  28,  6  \as  per  pat  skapat,  wo  das  hilfsv.  in  erster  hebung  allein 
alliteriert,  spricht  wider  für  die  mangelhaftigkeit  der  technik  dieses  liedes. 

—  Steht  ein  pron.  nach  dem  nomen,  so  tritt  es  nach  einsilbigem  nomen 
in  Senkung  {G\>.  3, 3, 1),  nach  zweisilbigem  aus  rhythmischen  gründen  in 
zweite  hebung:  Bdr.  5,1  livat's  manna  pjat,  Grp.  52,1  pvi  skal  \\ugga  pik. 
Da  im  letzten  fall  eine  Verschmelzung  des  pron.  und  hilfsv.  (vgl.  §  32) 
wegen  der  grösseren  zahl  der  consonanten  weniger  glatt  sein  würde,  darf 
das  zweite  pron.,  das  für  den  Zusammenhang  überflüssig  ist,  getilgt  und 
damit  der  vers  zu  A  gestellt  werden. 

§  47.  Sonach  hat  sich  ergeben,  dass  das  relativum,  das 
interrogativum  und  der  bestimmte  artikel  tonlos  sind 
und  deshalb  gewöhnlich  in  Senkung  stehen.  Nur  aus  rhyth- 
mischen gründen  können  relat.  und  interrog.  eine  hebung  er- 
halten. Alliterieren  sie  mit,  so  ist  dies  nur  zufall,  alliterieren 
sie  allein,  so  bedeutet  das  einen  Verstoss  bez.  schlechte  technik. 

—  Tonlos  sind  gewöhnlich  auch  demonstrativum  und  per- 
sonale. Doch  macht  sich  namentlich  bei  letzterem  ein  nach- 
drucksunterschied  zwischen  casus  rectus  und  casus  obliquus 
geltend.  Am  deutlichsten  ausgeprägt  ist  dieser  unterschied 
beim  possessiven  genetiv  des  personale  und  auch  des 
demonstrativ  ums.  Dieser  tritt  vorausstehend  in  hebung  und 
alliteriert  allein,  er  kann  sogar  das  folgende  nomen  in  enklise 
zu  sich  zwingen,  wenn  anderes  Sprachmaterial  auf  die  zweite 
hebung  ansprach  macht.  Ebenso  kann  das  normaler  weise 
proklitisch  gebrauchte  demonstrativum,  wenn  es  rhetorisch 
gehoben  ist,  das  zugehörige  nomen  in  enklise  zwingen,  wie  im 
westgermanischen.  —  Am  stärksten  betont  sind  von  allen 


5,1.  Grp.52,1.  —  E:  £2;  Ghv.  U,  5.  —  E^:  Vkv.  22, 3.  Gp.  1,26,5.  —  ii:  E: 
HH.  2,28,6. 


212  WENCK 

pronomiiiil)Us  die  pussessiva  und  iiulefinita  (indefinit  ge- 
bmuclite  interrogativa,  desgleichen  sjalfr  wegen  seines  speci- 
fisclien  rlietorisclien  accentes):  sie  stehen  einem  nomen  im 
naclidruck  gleich.  Sie  können  normaler  weise  nicht  proklitisch 
verwendet  werden,  sondern  dominieren  bei  enger  grammatischer 
bindnng  über  das  nomen.  —  Ebenso  bildet  auch  das  voran- 
stehende nomen  mit  attributivem  possessivum  oder  in- 
definit um  eine  toneinheit  (pronominalformel). 

Ein  bedeutsamer  unterschied  zwischen  den  verschiedenen 
klassen  der  pronomina  zeigt  sich  darin,  dass  possessivum  und 
iudefinitum  auch  bei  nachstellung  ihr  normales  (d.  h.  nominales) 
tongevvicht  behalten  (d.  h.  auf  die  folgende  zweite  hebung  ver- 
kürzend einwirken),  während  das  demonstrativum  und  personale 
nach  dem  nomen  tonlos  sind. 

Eine  bemerkung  erfordert  noch  das  Verhältnis  der  pro- 
nomina zu  den  präpositionen.  Wie  zu  den  nominalbetonten 
pron.  stehen  die  letzteren  auch  zu  dem  personale  und  demon- 
strativum in  proklise.  Die  vereinzelten  fälle,  in  denen  ein 
pers.  in  enklise  zur  präp.  steht,  Verstössen  ohne  zweifei  gegen 
den  satzaccent.  Dagegen  ist  es  wol  als  normal  zu  betrachten, 
wenn  präp.  und  pron.  zusammen  in  Senkung  stehen.  Beispiele, 
in  denen  beide  die  hebungen  einnehmen,  begegnen  in  der  Edda 
nicht  (vgl.  Kieger  s.31.  Kluge,  Pauls  Grundr.  1^,  397).  —  Ebenso 
regelmässig  tritt  der  bestimmte  artikel  in  enklise  zu  einer 
präp.,  womit  zugleich  wider  seine  völlige  tonlosigkeit  erhärtet 
ist.  In  der  behandlung  der  folge  präposition  +  demonstratimm 
oder  personale  trennen  sich  also  an.  und  westgermanisch. 
Worauf  das  beruht,  wüsste  ich  nicht  zu  sagen. 

Hinsichtlich  der  etwaigen  tilgung  metrisch  entbehr- 
licher pronomina  hat  sich  nur  ein  sicheres  kriterium  ergeben. 
Da  nämlich  possessiva  und  indefinita  in  der  Edda  nicht  pro- 
klitibch  stehen  können  (in  diesem  punkte  gehen  an.  und  west- 
germ.  ebenfalls  auseinander),  so  müssen  sie  in  allen  versen,  in 
denen  sie  proklitisch  gebraucht  zu  sein  scheinen,  getilgt  werden, 
falls  nicht  umgestellt  werden  kann.  —  Weniger  sicher  liegt 
die  Sache  bei  pronomina  (auch  Pronominaladverbien),  die  zwi- 
schen vollverbum  und  nomen  stehen.  In  den  versen  mit  der 
folge  Pronominaladverb  (pron.)  -f  vollverbum  +  pron.  (pron.- 


ALLITERATION  IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  213 

adv.)  +  nomen  wäre  enklise  des  vollverbs  zu  dem  voraus- 
gehenden pron.-adv.  (pron.)  anomal,  betonung  des  verbums  aber 
würde  einen  ebenfalls  anomalen  auftakt  schaffen.  Es  liegt 
also  nahe,  hier  das  pron.  bez.  pron.-adv.  zu  streichen.  Indessen 
kann  hier  auch  doch  wider  eine  rhetorische  betonung  des  pron. 
(pron.-adv.)  mit  hereinspielen,  welche  die  drückung  des  verbums 
ausreichend  erklärt. 

Cap.  VI.    Präpositionen,  conjunctionen  und  partikeln.^) 

§  48.  Präpositionen,-  conjunctionen  und  partikeln  bilden 
die  mindestbetonte  wortkategorie  und  konnten  daher  bei  dem 
bisher  behandelten  versmaterial  ganz  ausser  acht  gelassen 
werden.  Sie  stehen  gewöhnlich  in  Senkung,  und  können  nur 
aus  rhythmischen  gründen  eine  hebung  erhalten.  In  zahl- 
reichen versen  finden  sie  sich  in  Verbindung  mit  einem  nomen, 
verbum,  adverbium  oder  pronomen  allein,  und  zwar  diesen 
Wörtern  vorangehend. 

Nachstehend  begegnen  in  solcher  vei'Wudnng  nnr  präpositionen^), 
nud  zwar  in  vergleichsweise  verschwindend  geringer  anzahl:  i:  E':  Vsp. 
38,7.  Hym.  7,3.  —  ii:  A:  Vsp.  38,  2.  —  Fa:  Ghv.  4,  6.  —  E:  Bdr.  2,  6.  HH. 
1, 13,  2.  19,  4.  47,  4.  HH.  2,  50, 10.  51,  4.  Sg.  45, 10.  46,  2  (=  Gp.  2, 11,  2). 
Gp.  2,  41,  4.  Ghv.  16,  4. 

Die  tonlosigkeit  der  in  rede  stehenden  wörtchen  zeigt  sich  auch  darin, 
dass  sie  bei  B,  C,  Fe  auch  dann  in  der  eingangssenkung  stehen  dürfen, 
wenn  sie  gleichen  anlaut  haben  wie  eine  hebung,  und  zwar  sowol  in  i  wie 
in  II.  In  den  wenigen  (33)  A  von  i,  wo  das  nomen  nur  eine  hebung  (die 
zweite)  einnimmt,  ist  die  dem  nomen  vorausgehende  präp.  proklitisch,  und 
trägt  die  an  erster  versstelle  stehende  conj.  oder  part.  die  erste  hebung, 
und  zeigt  sie  in  einigen  beispielen  (i  Hdl.  8,  3.  HH.  2,  48,  5.  Od.  28,  7.  t)rk. 
24,  3.  Vkv.  28,  3)  gleichen  (meist  vocalischen)  anlaut  wie  das  nomen. 

AVegen  der  tonlosigkeit  der  partikeln  etc.  kann  mau  allerdings  fragen, 
ob  man  in  solchen  fällen  eine  'doppelalliteratiou'  empfunden  habe.  Sievers 
§28  entscheidet  sich  dafür,  dass  'ihr  [d.h.  der  partikeln  etc.]  anlaut  auch 
auf  schwacher  hebung  für  ebenso  gleichgiltig  gelten  darf,  wie  der  anlaut 
der  Senkungen'.  Das  ist  mir  jedoch  fraglich.  Rhythmisch  stehen  die 
fraglichen  verse  allerdings  den  A^  gleich:  aber  ich  möchte  doch  bezweifeln, 
dass  der  gleiche  anlaut  einer  hebung,  die,  wenn  auch  schwach,  trotz  der 
gewöhnlichen  tonlosigkeit  ihres  trägers  doch  eine  hebung  bleibt,  von 
einem  altgerm.  ohr  überhört  werden  konnte  (vgl.  §  57).  —  Das  eine  ii  A^ : 


1)  Rieger  s.  31.  Sievers  §  28.  38, 4. 
^)  Pauls  Grundr.  1^,  397. 


214  WKNCK 

Sg.  42,  G  o/i/)o  ymsir  kann  dnvch  einsetznng  der  nebenform  tjnu'ssir  (Noreen' 
§  418)  (und  Streichung-  der  conjunctiou?)  zu  einem  regelrechten  Cl  gemacht 
werden.  Die  umstelhuic:,  die  F.  Jönsson  hier  und  in  Sg.  6,  0  cpa  1)0  svella 
vornimmt,  liisst  sich  durch  keine  parallele  stützen,  dagegen  ist  sie  in  Ghv. 
17, 10  es  tu  hjarta  zur  beseitigung  des  alliterationsfehlers  angängig.  Denn 
nachstehende  präpositionen  erhalten  durch  die  abweichung  von  der  natür- 
lichen Wortfolge  so  viel  tongewicht,  dass  sie  unter  allen  umstünden  eine 
hebuug  empfangen  müssen,  selbst  wenn  noch  anderes,  normalerweise  stärker 
betontes  Sprachmaterial  in  der  halbzeile  steht:  vgl.  die  s.  187.  183  citierten 
verse  Hym.  32,  2  mer  gengin  fru,  Hdl.  40,  7  pat  vas  hröpur  frä.  Hym.  25,  G 
ist  daher  als  E  zu  nehmen:  Yeprs  annars  til. 

Die  nachstellung  scheint  nur  auf  einige  präpositionen  beschränkt  zu 
sein  {til,  frä,  ör,  ä,  fjarri);  beliebt  ist  sie  nur  bei  til  (10  beispiele,  denen 
in  den  versen  mit  vorausgehender  präp.  und  1  nomen  ebenso  viel  gegen- 
überstehen :  A :  Sg.  30,  ö.  —  B :  Od.  1,  4,  —  C  1 :  Hdl.  1,  7.  Od.  29,  3.  Ysp,  30,  4. 
—  C2:  Ysp.  14,8.  HH.  1,51,2.  —  C3:  HH.  1,51,6.  Grp.  8,  G.  Sg.  67,8). 
Die  rhetorisch  gefärbte  anastrophe  hängt  in  erster  linie  von  der  metrischen 
beschaifenheit  des  wortmaterials  ab,  insofern  bei  den  B  und  C3,  desgl.  C2 
eine  Umstellung  ungewöhnliche  E-verse  ergeben  haben  würde.  Bei  den  A 
und  Cl,  wo  eine  nachstellung  möglich  gewesen  wäre,  hat  sicher  die  melodik 
der  Strophe  oder  des  betreffenden  liedes  den  ausschlug  gegeben,  vgl.  Vsp. 
30,  4  tu  Goppjüpar  mit  Ghv.  IG,  4  Goppjöpar  iil.  Das  gleiche  gilt  für  das 
ags.  Man  lese  z.  b.  Beow.  18ff.  Beotculf  wcvs  brcme,  \  hldd  tcide  sprang  || 
Scyhles  cafcran  |  in  Scedclandui»,  und  man  wird  sofort  an  dem  tonsprung 
des  letzten  halbverses  austoss  nehmen  (weitere  beispiele  s.  Pauls  Grundr. 
l^  397). 

Betreffs  des  Verhältnisses  der  präpositionen  zu  den  pronomina  vgl. 
§  47,  s.  212. 

§  49.  Von  der  bisherigen  untersucliung*  sind  einige  verse 
ausg;eschlossen  worden,  die  als  verderbt  gelten  müssen.  Es  sind 
folgende:  i:  D^:  Vkv.  12,  3.  —  E":  Vkv.  5,  6.  —  6:  Vkv.  9, 1.  Ghv. 
2,1.  G^2,24,3.  —  ii:  E:  G^.  2,  24,  4.  —  G:  Od.  4,  2.  E]^.  32,  4. 
G)'.  2, 17, 4.  Zum  teil  sind  sie  unvollständig-,  zum  teil  wider- 
setzen sie  sich  einer  sicheren  Interpretation.  Eine  befriedigende 
lüsung  der  Schwierigkeiten  ist  bis  jetzt  noch  nicht  gefunden. 
Ausserdem  scheiden  aus  der  betrachtung  diejenigen  verse  aus, 
die  von  einem  nomen,  einem  verbum  finitum,  einem  adverbium 
allein  gebildet  werden.  Im  zweiten  hauptteil  sind  dagegen  alle 
diese  fälle  mit  berück.sichtigt. 


ALLITERATION   IM  EDD.   FORNYRDISLAG.  215 


IL  liauptteil. 
Das  Yerhältiiis  der  alliteratiou  zu  den  verstypen. 

Cap.  VII.     Die  rhythmische  quaütät  der  verstypen 
und  ihre  alliterationsneigungen.^) 

Im  laufe  der  imtersiichung  ist  widerholt  auf  die  kreuzenden 
einflüsse  aufmerksam  gemacht  worden,  die  der  rhythmische 
Charakter  der  einzelnen  verstypen  auf  die  alliterationssetzung 
ausübt.  Es  erübrigt,  diese  im  Zusammenhang  zu  untersuchen. 
Hierbei  ist  es  notwendig,  die  häufigkeit  der  versarten  in  den 
beiden  halbzeilen  oder  im  Verhältnis  zu  einander  mit  zu  er- 
örtern. 

§  50.    Typus  A.    1)  Typus  A  ist  der  beliebteste  von  allen 

fünf  t3q)en.    Im  durchschnitt  entfallen  auf  ihn  56,25  o/o  (=  1695 

belege)  der  3013  i  und  53,20  "/o  (=  1603)  der  ii.    Die  einzelnen 

lieder  schwanken  etwas,  jedoch  ohne  sichtbare  tendenz.    Zum 

teil  handelt  es  sich  dabei  offenbar  um  individuelle  ueigungen, 

zum  andern  teil  mag  sich  darin  die  Verschiedenheit  des  Stoffes 

und  der  darstellung  widerspiegeln. 

Bei  der  benrteihing  der  procentzalüeu  für  die  kürzeren  lieder  (iu 
Aveit  höherem  grade  gilt  dies  für  die  spärlich  vertretenen  typen  B,  D,  E) 
ist  überdies,  gerade  weil  die  zahlen  nur  klein  sind,  grosse  vorsieht  ge- 
boten, da  jeder  einzelne  plus-  oder  miuusvers  auf  dieser  oder  jeuer  seite 
das  Verhältnis  der  einzelneu  gruppen  beträchtlich  verschiebt. 

Die  ausgeprägte  verliebe  aller  lieder  für  den  typus  A  ist 
nicht  allein  darauf  zurückzuführen,  dass  der  regelmässige  Wechsel 
von  hebung  und  Senkung  dem  rhythmischen  gefühl  der  alten 
Nordländer  bereits  mehr  zusagte,  sondern  auch  auf  die  freiheit 
der  alliterationssetzung,  die  diesen  typus  vor  allen  anderen 
auszeichnet.    Hinsichtlich  der  alliteration  ist  somit  zwischen 


')  Für  das  wgerm.  vgl.  Ph.  Frucht,  Metrisches  und  sprachliches  zu 
Cynewulfs  Eleue,  Juliaue  uud  Crist,  Greifsw.  1887.  Matth.  Cremer,  Metr.  und 
sprachl.  Untersuchung  der  altengl.  gedichte  Andreas,  GüÖlac,  Phoenix  (Bleue, 
Jiüiane,  Crist),  Bonn  1888.  Sievers  §  20,  2,anm.l,  3,  anm.2.  §  80  ff.  M.Deutsch- 
beiu,  Zur  eutAvicklung  des  engl,  alliterationsverses,  (hab.-schrift)  Halle  1902. 

2)  Die  beiden  fehlenden  ii:  Ep.  8,  6.  18,2  sind  als  G  mitgezählt,  um 
bei  der  berechnung  von  procenten  für  i  und  ii  dieselbe  zahl  zu  gründe 
legen  zu  können. 


216  WENCK 

A',  A-,  A'  Fcharf  zu  sclieideii:  sie  sind  zwar  als  imterkategorien 
principiell  gleichberechtigt,  aber  nicht  gleich  häufig. 

2)  Ueber  den  rhytlimischen  Charakter  von  A^  sei  eine  be- 
nierkung  yorausgescliickt.  Nach  den  oben  gegebenen  dar- 
legungen  ist  doppelalliteration  erforderlich,  sobald  die  hebung 
bildenden  "Wörter  im  nachdruck  einander  coordiniert  sind. 
Tatsächlicli  ist  aber  die  doppelalliteration  nur  in  einem  brucli- 
teil  der  unter  A^  zusammengefassten  verse  auch  wirklich  aus- 
druck  dynamischer  coordination.  Die  übrigen  A^,  in  denen 
ein  mindertoniges  wort  (ob  die  geringere  nachdrucksstärke 
in  der  traditionellen  scala  der  wortkategorien  oder  in  der 
grammatischen  bindung  iliren  grund  hat,  kann  im  princip 
gleichgiltig  sein)  einem  tonvolleren  vorangeht  bez.  nachfolgt, 
sind  in  d3'namisch-rhythmischer  beziehung  zu  A^  bez.  A- 
zu  stellen.  Eine  glatte  Scheidung  in  der  angegebenen  rieht  nng 
ist  jedoch  nicht  durchführbar,  da  überall  mit  der  möglichkeit 
eines  rhetorischen  accents  gerechnet  werden  muss.  Im  folgen- 
den habe  ich  daher  für  die  Zuordnung  zu  A-  schematisch  den 
gleichen  anlaut  der  hebungen  ausschlaggebend  sein  lassen,  aucli 
deshalb,  um  in  §  56  mit  genauen  zahlen  für  A^  und  A^  arbeiten 
zu  können. 

B)  AI  findet  sich  in  505  =  29,79  o/o  aller  iA-verse.3)  In 
II  entfallen  der  hauptstabregel  wegen  fast  alle  iiA  (97,24  o/o) 
auf  AK  Das  anwachsen  der  belege  (1558)  auf  mehr  als  das 
dreifache  der  in  i  vorhandenen  zeigt,  dass  A'  ein  energisch 
absteigender  vers  war  (vgl.  §  56). 

4)  A2  begegnet  in  annähernd  gleich  liohem  procentsatz: 
486  =  28,67  o/q.  Offenbar  handelt  es  sich  hier  um  eine  kunst- 
form, die  im  anschluss  an  die  forderungen  des  satzaccents  aus- 
gebildet worden  ist. —  Beschwerung  der  Senkungen  durch 
nebentüne  wirkt  in  der  Edda  nicht  so  steigernd  auf  die  rela- 
tive häufigkeit  der  doppelalliteration  ein  wie  im  wgerm.-«) 

Von  den  480  A  mit  doppelalliteration  entfallen  uäujlich  199  (40,9-1: "o) 
auf  das  beschwerte  ('gesteigerte')  A2,  287  (59,05  "/o)  auf  das  normale  (un- 


ä)  Die  einzelnen  lieder  weichen  mehr  oder  weniger  vom  durchschnitt 
ah,  ohne  dass  sich  eine  entwicklungsreihe  construieren  Hesse.  Ein  gleiches 
gilt  für  die  anderen  typen. 

*)  Vgl.  Sievers  §  20, 3,  auch  Deutschbein  §  19  und  s.  32,  amn.  3. 


ALLITERATION  IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  217 

beschwerte)  AI.  Bei  A'  zeigt  sich  dagegen  ein  rückgang  des  beschwerten 
A  (A2)  auf  175  (=  34,65  %  der  A')  nnd  ein  ebenso  geringes  aufsteigen  des 
unbeschwerten  A  (A 1)  auf  330  (=  65,34  "/o)-  In  ii  überwiegt  allerdings 
wie  im  wgerm.  das  unbeschwerte  A  ganz  gewaltig  (1287  AI  =  82,  60°/o  : 
271  A2  =  17,39  "/o)-  Doch  ist  auch  hier  der  eddische  procentsatz  der  be- 
schwerten A2  in  II  (wie  auch  in  i)  bedeutend  höher  als  im  Beow.^)  (dort 
sind  es  i:  1418  A'-  ^  :  296  A 2  =  26,56  % ;  —  ii:  1114  A>  :  62  A2  =  5,56o/r, 
dagegen  in  der  Edda:  i:  991  [A' +  A^]  :  374  A2  =  37,74  «/„;  —  ii:  1558  A^  : 
271  A2  =  17,39  «/o).  Die  vereinzelten  ii  A'^  (Vsp.  13,  6.  Drk.  7,  6.  Gp.  1, 17,  8. 
Sg.  18,  8.  42,  6)  sind  als  anomalien  zu  bezeichnen.  Nur  prk.  7,  6  darf  als 
normal  gelten  (vgl.  §  58).  —  Für  die  beurteiluug  der  teehnik  ist  Vsp.  13,  6 
als  spätere  Interpolation,  desgl.  Sg.  18,  8  als  Schreibfehler,  jedenfalls  auch 
42, 6  (vgl.  §  48)  belanglos.  G]?.  1, 17,  8  nti  ne  inni  entspricht  dem  satz- 
accent,  verrät  aber  schlechte  teehnik. 

5)  A^  ist  in  rliythmischer  beziehiing-  von  den  absteigenden 

Ai  insofern  verschieden,  als  es  zn  den  aufsteigenden  versen 

(vgl.  Sievers  §  9,  5)  gehört.  —  A^,  d.  h.  alliteration  auf  zweiter 

hebung  allein  ist  bei  A  nicht  nur  gestattet,  sondern  häufiger 

als  AI  oder  A2  (in  der  Edda  stehen  699  A3  [=  41,23  o/o]  gegen 

505  AI  und  486  A^). 

In  einzelnen  liedern:  prk.  (52,23  «/o).  HH.  1  (53,54  %).  HH.  2  (55,67  «/o) 
entfallen  sogar  über  die  hälfte  aller  A  auf  A^:  eine  erscheinuug,  die  mit 
dem  wesen  des  strophischen  stils  (Sievers  §  30, 2,  c)  zusammenhängt. 

Da  ein  A^  dem  decrescendo  von  ii  (vgl.  §  56)  zuwider  ist, 
ist  die  grosse  zahl  von  38  A^  in  ii^)  recht  auffällig,  und  es 
fragt  sich,  wie  weit  man  da  etwa  principiell  zu  einer  änderung 
der  hsl.  la.  berechtigt  ist. 

Ohne  zweifei  sind  stilistisch-rhetorische  ausnahmen  von  der  hauptregel 
anzuerkennen.  Deutlicher  parallelismus  membrorum  findet  sich  in  Vsp.  48,  2 
(=  prk.  7,  2)  hvat's  mep  qsum,  \  hvaVs  mep  qlfum  (vgl.  §  59),  etwas  weniger 
ausgeprägt  in  Bdr.  6,  4  segpumk  [hs.  segpu  mer}  6r  helju,  \  ek  mun  or  heimi. 
Ebenso  sind  diejenigen  A^  von  ii  zu  belassen,  in  denen  die  alliterations- 
stellung  dem  satzaccent  entspricht,  eine  Umstellung  aber  diesem  zuwider 
wäre  (z.  b.  in  Vsp.  6, 4  etc.  ok  um  pat  gcettnsk,  wo  das  pron.  zur  präp. 
hätte  in  enklise  treten  müssen),  oder  metrische  anomalien  zur  folge  gehabt 
hätte  (so  die  auf  lösung  der  zweiten  hebung  in  Sg.  35, 4  ripii  at  gar/ji, 
einen  auftakt  in  prk.  4,  2p6t  vceri  6r  gitlli,  desgl.  prk.  4,  4;  eine  beschwerung 


5)  Die  zahlen  entnehme  ich  der  tabelle  bei  Deutschbein  s.  56,  ich  rechne 
aber  auch  A2k  mit  ein. 

«)  Vsp.  6,  4  etc.  35,  6.  prk.  7,  2  (=  Vsp.  48, 2).  4,  2.  4,  4.  Bdr.  6,  2.  6,  4. 
14,  2.  Grt.  9,  8.  Vkv.  12,  4.  15, 2  [17,  4  mälahättr].  34,  2.  38,  2.  HH.  2, 32,  2. 
32,  6.  33,  2.  42,  6,  46, 12.  Sg.  3,  4.  6,  6.  7,  4.  12,  2.  35,  4.  Od.  15,  4.  32,  4.  Gp. 
2, 1, 4.  16, 6.  35, 4.  Ghv.  3, 4.  14,  2.  17, 10.  19, 2.  19,  8. 


218  WENCK 

der  nüttelsenknng  des  tj-pns  B  in  Bdr.  14,2  ol-  res  hröpigr),   oder  eine 
unregelmässige  Avortfolge  bewirkt  hätte  (Vsp.  35,  G /)n/;/<  um  simnn  ||  [ver 
^■f'  gW"P]'    %•  12,  2  feßr  i  sinn/   [vgl.  §  (SO],    Grt.  9,  8  peim  erinn  hornar, 
Sg.  6,  6  epa  pö  svelta).    Yielleiclit  dürfen  auch  die  verse  angezogen  werden, 
in  denen  ein  pron.  (pers.  oder  dem.)  vor  der  zugeliürigen  verbalform  in 
Senkung  steht:    Vkv.  3+,  2.  HH.  2,33,2.  Od.  15,4.  G^  2,10,0.  ühv.  19,2. 
In  einigen  versen,  wo  die  alliteration  dem  satzaccent  widerstreitet,  hat 
sich  der  metrische  factor  als  stärker  erwiesen :  Vkv.  15, 2  borin  vas  'Blgpve, 
vgl.  HH.  2,  42, 0.   Gf>.  2,  35, 4.    In   der   abweichenden    alliterationsstellung 
mag  sich  zugleich  das  bestreben  zeigen,   die  eintönigkeit  des  sonst  allzu 
heständigen  decrescendo  von  ii  (vgl.  §  50)  etwas  zu  mildern.    Zum  teil  liegt 
also  bei  den  A'  von  ii  sicher  eine  beabsichtigte  feiuheit  vor.  Der  alliteration 
des  nachstehenden  gen.  in  Bdr.  6, 2  sonr  emh  Yaltams  ist  ferner  die  nhd. 
stärkere  betonung  des  gen.  zu  vergleichen;  eine  um.stellung  würde  überdies 
hier  klappernden  rhythmus  erzeugen.    Ueberhaupt  hat  offenbar  auch  das 
rhythmisch-melodische  element  hei  der  ganzen  frage  eine  bedeutsame  rolle 
gespielt.    Bei  der  parenthese  Od.  32, 4  hön  sJcyli  morna  stimmen  die  melodie 
und  der  steigende  rhythmus  des  verses  sehr  glücklich  zusammen.    Ebenso 
trägt  bei  Od.  15,  4  äpr  hann  stjUi  der  (von  den  herausgeberu  richtig  durch 
doppelpunkt  angedeutete)  hochschluss  der  zeile  im  verein  mit  dem  steigenden 
rhythmus  zur  belebung  und  fesselung  der  aufmerksamkeit  bei.    Vgl.  auch 
das  kräftig  abschliessende  sat  pä  Qptir  von  A'kv.  38,  4.    Vielleicht  ist  auch 
in  Vkv.  12,  4  oJc  mik  himchi  der  hsl.  text  beizubehalten,  da  die  alliteration 
auf  zweiter  hebung  den  melodischen  typus  des  fragesatzes  widerzuspiegeln 
scheint.  "Wo  jedoch  durch  die  abweichende  Stellung  der  alliteration  metrische 
anomalien  hervorgerufen  werden  (G]\  2, 1,  4  nunak  vd  hrapnti»,  desgl.  Ghv. 
14,  2),   wo  gar  Verstösse  gegen  den  satzaccent  vorliegen  (HII.  2,  46, 12  hjn 
oss  lipuum),  wo  ferner  die  satzmelodie  die  beibehaltung  der  hsl.  la.  nicht 
fordert,  wird  man  umstellen  dürfen:  Sg.  7,  4  en  ek  Gumiars,  vgl.  Ghv.  19,  8. 
—  Betreffs  der  verse  mit  paralleler  alliteration  (I)rk.  4, 2.  4,  4.  7,  2  [=  Vsp. 
48, 2J ),  oder  mit  gekreuzter  (Bdr.  14, 2.  Sg.  12, 2)  vgl.  §  57  f. 

§  51.  Typus  B.  1)  Typus  B  ist  im  vergleich  zu  A  durch 
sehr  wenig  beispiele  vertreteu.  In  i  begegnen  350  (=  11.61  ^lo 
der  i),  in  ii  sogar  nur  129  (=  4,18  o/o). 

Das  absinken  der  belegzahl  in  ii  hängt  offenbar  mit  der  rhythmischen 
eigenart  des  typus  B  zusammen,  der  als  rein  steigender  typus  dem  üblichen 
decrescendo  von  ii  nicht  entsprach  und  daher  gemieden  wurde.  Um  so 
geeigneter  wäre  er  an  sich  für  i  gewesen.  "Wenn  trotzdem  auch  dort  die 
B  nur  spärlich  auftreten,  so  wird  sich  das  aus  der  Schwierigkeit  ergeben 
haben,  jedesmal  die  zweite  hebung  mit  einem  einsilbigen  (nicht  einmal  einem 
zweisilbig  verschleif  baren)  wort  zu  besetzen. 

2)  Trotz  des  steigenden  rhythmus  heider  hälften  des  typus  B 
ist  die  betonung  des  ganzen  verses  nicht  aufsteigend  gewesen. 

B'  nimmt  im  durchschnitt  nicht  weniger  als  80  o/q  aller 
B  in   anspruch,   in  einigen  liederu  noch  mehr  (prk.  und  Od, 


ALLITERATION  IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  21Ö 

95,23  %,  Sg.  92,1  o/o,  Grp.  86,48  ^/o).    Folglich  stand  die  zweite 
liebung  von  B  hinter  der  ersten  an  nachdruck  bedeutend  zurück. 

B2  durch  62  belege  (^=  17,71  o/q)  vertreten,  kann  somit  kaum 
wie  A3  als  besondere  kunstform  angesehen  werden:  eher  ist  die 
doppelalliteration  hier  nur  das  resultat  eines  compromisses 
zwischen  vers-  und  Satzbetonung. 

Die  mehrzahl  der  verse  mit  doppelalliteration  enthalten  nämlich  in 
erster  hebung  ein  mindertoniges  wort.  Während  dieses  aus  rhythmischen 
gründen  die  alliteration  tragen  muss,  kann  das  die  zweite  hebung  bildende 
stärker  betonte  wort  der  alliteration  nicht  entraten,  wofern  der  satzaccent 
gewahrt  bleiben  soll.  Wo  vers-  und  Satzbetonung  übereinstimmen,  ist 
doppelalliteration  auf  rechnuug  des  zufalls  zu  setzen.  Dabei  ist  es  natür- 
lich nicht  unbedingt  ausgeschlossen,  dass  der  dichter  einen  sich  mühelos 
bietenden  Stabreim  gern  zur  erhöhung  der  formwirkung  angewendet  hat. 

3)  Zur  ausbildung  einer  besonderen  unterkategorie  B^  war 

bei  dem  absteigenden  Charakter  des  typus  B  kein  anlass  gegeben. 

Die  wenigen  fälle,  die  diese  anomale  alliterationsstellung  aufweisen 
(i:  Ykv.  37,  5.  HH.  1, 16,  5.  HH.  2, 11, 1.  48,  9.  Eg.  11,  3.  Gp.  1,  26, 1.  G\>.  2, 
17,9.  Ghv.  19,3.  —  ii:  Grt.  18,  6)  sind  mit  ausnähme  von  HH.  2, 11, 1.  Grt. 
18,  6  durch  den  satzaccent  bedingt,  da  das  stärker  betonte  wort  in  zweiter 
hebung  steht.  Dass  hier  das  metrisch -rh^'thmische  elemeut  des  verses  im 
kämpfe  mit  dem  satzaccent  unterlegen  ist,  kann  nicht  wunder  nehmen,  da 
Ja  in  II  auch  A^  auftritt  (oben  s.  217).  Doch  zeigen  die  unter  2  erörterten 
B-verse  mit  doppelalliteration  deutlich,  dass  durch  die  versbetonung  doppel- 
alliteration gefordert  wurde.  Das  fehlen  der  doppelalliteration  ist  also  ein 
zeichen  schlechter  technik.  Die  beiden  eben  erwähnten  B^  (HH.  2, 11, 1  und 
Grt.  18,  6),  die  der  vers-  und  Satzbetonung  zuwider  sind,  sind  daher  sicher 
zu  bessern  und  dürfen  nicht  den  dichtem  der  beiden  lieder  als  fehler  an- 
gerechnet Averdeu. 

§  52.  Typus  C.  1)  Typus  C  ist  nach  A  die  beliebteste 
versart,  und  zwar  in  i  wie  ii.  Doch  erhebt  sich  der  procent- 
satz  von  ii  mit  27,84  "/o  nicht  unbeträchtlich  über  den  von  i 
mit  nur  18,12  ^Vo-  Das  stimmt  wider  gut  zu  dem  absteigenden 
Charakter  des  typus  C  (Sievers  §  15,  anm.  4).  Die  tonische 
Unterordnung  der  zweiten  hebung  unter  die  erste  zeigt  sich 
schon  in  der  sprachlichen  füllung  der  C,-  insofern  die  zweite 
hebung  mit  grosser  Vorliebe  von  zweiten  gliedern  von  com- 
positis  oder  schweren  ableitungssilben  eingenommen  wird;  sie 
wird  ferner  bestätigt  durch  das  überwiegen  von  N'  ')  (i:  75,45  "Vo 
=  412).    C  ist  daher  als  norm  zu  betrachten.    Einzelne  lieder 


^)  Vgl.  die  accentuierung  Otfrids:  Sievers,  Beitr.  13, 142. 


220  AVENCK 

weisen  z.  t.  einen  noch  liölieren  procentsatz  auf  (Grp.  90,15.  Od. 
85,01.  IIII.I  87,80.  Hdl.85,71.  I)rk.  85.71).  Ausserdem  wächst 
das  in  ii  allein  mög-liche  C  in  ii  auf  das  doppelte  an  (in  i 
bildet  C  =  13,67%  aller  i,  in  ii  27,74  "/o  =  836). 

2)  Doppelalliteration  ist,  wie  schon  öfter  hervorgehoben 
Avurde,  im  typus  C  als  compromiss  zwischen  vers-  und  Satz- 
betonung anzusehen.  Sie  begegnet  in  24,17  %  aller  C  von  i. 
Die  wenigen  fälle,  in  denen  vers-  und  Satzbetonung  zusammen- 
stimmen, sind  als  zufällig  zu  betrachten.  —  Für  die  rhj-tli- 
mische  eigenart  des  t3'pus  C  ist  die  Verteilung  von  N'  und  X^ 
auf  die  untertypen  Cl,  C2,  C3  sehr  charakteristisch: 

1    Cl  =  200  161  (=  80,5  »'o)  39C=19,5«;o) 

I    C2  =    46  19  (=41,3%)  27  (=  58,7  »/o) 

I    C3  =  294  228  (=  77,5  o/o)  66  (=  22,4°/o). 

Sonach  überwiegt  doppelalliteration  nur  in  C2,  dagegen  ist  N» 
in  Cl  und  C3  gleich  stark  vertreten.  Trotzdem  nehmen  Cl 
und  C3  in  ii  ab  und  C2  zu  (ii  C  =  822,  darunter  Cl:  177, 
C2:  436:  C3:  209).  Ohne  zweifei  hat  der  steigende  eingang 
von  ClundCS  den  absteigenden  gesammtcharakter  des  vers- 
typus  (s.oben  1)  beeinträchtigt,  dagegen  nähert  sich  C2  x  ^  x  -  x 
durch  seinen  zweimaligen  Wechsel  von  betont  und  unbetont  dem 
typus  A',  der  ja  ebenfalls  in  ii  eine  Steigerung  seiner  häufig- 
keit  erfährt  (oben  s.  216).  Die  erste  silbe  von  C2  (sie  ist  in 
der  mehrzahl  der  fälle  ein  ganz  tonloses  Avort)  Avird  also  hier 
den  absteigenden  gesammtcharakter  des  typus  nicht  so  sehr 
beeinflusst  haben  wie  bei  Cl  und  C3.  Also  ist  auch  doppel- 
alliteration in  C2  (bei  der  rhythmischen  ähnlichkeit  dieser 
unterform  mit  A)  nicht  befremdend. 

3)  Eine  alliterationsstellung  C^  würde  dem  absteigenden 
Charakter  von  C  widerstreiten.  Die  beispiele  sind  daher  aucli 
sehr  .spärlich  und  z.  t.  zweifelhaft. 

Bei  Br.  12,  3  pä  vas  hvi  \e(na  ist  miigliclierweise  au  alliteratiou  von 
hv  :  V  zu  dcukeu^);  der  zweite  balbvers  Ilym.  20,8  at  roa  \cn<jra  (übrigeus 
ein  C2!)  erklärt  sich  durch  die  Satzbetonung.  In  fällen  des  scheraas  verbum 
+  noiueu  +  uomen  wie  Hdl.  41,  5  rarp  Loptr  knpugr,  in  denen  schematisch 
die  rhythmisierung  C  eintreten  müsste,  ist  doch  wirklich  nie  ein  C  zu  sta- 


'•*)  Vgl.  Hildebrand  z.  st.  Heyue-Socin,  Beowulf '  (Paderborn  1903)  s.  109 
zu  V.  2298. 


ALLITEEATION  IM   EDD.  FORNYßDISLAG.  221 

tnieren.  In  der  regel  lassen  sich  grimde  für  die  an  sich  anomale  drückung 
eines  uomens  (wie  des  Loptr)  in  solcher  Stellung  finden  (vgl.  s.  144).  In  Sg. 
12, 1  Igtum  son  tara  |  {fepr  i  sinni)  ist  die  hauptalliteration  demnach  nicht 
nach  II  zu  hestimmen. 

§  53.  Typus  D.  Typus  D  ist  wie  E  als  ung-leiclitaktige 
versart  wenig"  beliebt.  In  i  entfallen  auf  ihn  143  belege 
(=  4,73  o/o),  in  ii  dagegen  228  belege  (=  7,56  "  o)-  Aus  diesem 
zahlenverhältnis  ergibt  sich  für  D  absteigender  Charakter. 
Unter  allen  typen  bevorzugt  D  allein  die  doppelalliteration 
(D'O.  Sie  tritt  in  94  belegen,  d.h.  durchschnittlich  65,73  o/o 
aller  D  von  i  auf.  Einzelne  lieder  zeigen  sogar  noch  einen 
beträchtlich  höheren  procentsatz :  Vsp.  mit  92,88  "/o?  Hym.  mit 
73,33  o/„.  Diese  ausgesprochene  Vorliebe  ist  in  erster  linie 
rhythmisch  begründet.  Da  im  D  die  beiden  hebungen  zu- 
sammentreten (wie  im  typus  C),  so  kann  nur  die  erste  dyna- 
misch ausgezeichnet  sein,  und  sie  muss  es  sein,  weil  sie  allein 
dem  langen  zweiten  versstück  gegenübersteht. 

Die  zweite  hebung  wird  gegenüber  der  ersten  durch  Wechsel  der  ton- 
höhe  (also  durch  den  musikalischen  accent)  ausgezeichnet.  Das  ergibt 
sich  zunächst  für  den  ahd.  reimvers  direct  durch  die  art  der  '  accentuierung ' 
Otfrids,  der  bei  D-versen  wie  bekannt  fast  regelmässig  die  zweite  hebung 
diirch  einen  'accent',  richtiger  durch  ein  'tonerhühungszeicheu'  (eine  ueume) ') 
auszeichnet  (vgl.  z.  b.  verse  wie  0.1,5,4b  cliuri  ärunti,  6a  wega  wolkono, 
IIb  werk  v/irJcento,  16h  gote  zeizosto,  21b  magad  shmenta,  26,  8  ebaneivigan, 
50a  iuazicillonti,  die  ohne  weiteres  noch  alliterationsverse  sein  könnten 
(vgl.  Sievers,  Beitr.  13, 121  f).  ludirect  wird  aber  eine  ähnliche  art  der  aus- 
zeichnung  der  zweiten  hebung  auch  für  das  an.  durch  das  auftreten  einiger 
D^  wahrscheinlich  gemacht,  die  sicher  nicht  zu  dem  sonst  nahe  verwanten 
C  (vgl.  Sievers,  Beitr.  13, 142)  zu  stellen  sind.  So  Vkv.  8,  7  \glundr  Upandi 
(mit  kreuzalliteratiou,  vgl.  §57  f.);  ferner  Hdl.  12,2  borinn  Insteini,  28,2 
borinn  Urcereli,  Grp.  3,  6  borinn  Sigmundi,  Vkv.  39,  4  meyna  hrähvitu,  s. 
oben  §  9,  s.  111). 

Die  doppelalliteration  in  dem  vereinzelten  ii  prk.  25,  6  hüa 
\)rei])ara  ist  natürlich  fehlerhaft.  Das  alliterationsschema  D^ 
ist  dagegen  djmamisch  durchaus  gerechtfertigt.  Doch  tritt  es 
nur  in  48  belegen  (=  33,56  7o)  aller  D  von  i  auf,  und  steht 
daher  hinter  dem  ^normalen'  Schema  D^  beträchtlich  zurück. 
Viele  dieser  D^  Verstössen  überdies  gegen  den  satzaccent,  oder 
sind   durch   das   auftreten    alliterationserschwerender   nomina 


')  So  nach  den  Vorlesungen  von  Sievers,  der  demnächst  ausführlicher 
über  diese  frage  zu  handeln  gedenkt. 


222  WENCK 

propria  liervorgerufen  (von  den  48  belegen  enthalten  14  ein 
npr.,  bei  8  andern  steht  ein  solches  in  der  zugehfirigen  halbzeile). 
In  II  herscht  natürlich  allein  die  einfache  alliteration  des 
Schemas  D'  (es  erscheint  in  228  belegen,  =7,56  "o  aller  ii  gegen 
48  belege,  =  1,59  ",'o  aller  i).  Anch  hier  hat  also  das  dyna- 
mische princip  (ohne  einwirknng  des  musikalischen)  den  aus- 
schlag  gegeben. 

§  54.  Typus  E  nähert  sich  durch  den  namentlich  auch 
in  musikalischer  beziehung  stark  ins  ohr  fallenden  steigschnitt 
am  Schlüsse  {1.1x1  -)  ^^^'  gi'uppe  der  aufsteigenden  verse. 
Dem  entsprechend  begegnet  er  auch  in  i  223  mal  (=7,4%), 
in  II  aber  nur  137  mal  (=  4,54  o/,j).  Die  erste  hebung  ist  wie 
bei  B  (s.  218)  die  stärkste,  daher  ist  es  auch  nur  ganz  normal, 
wenn  das  alliterationsschema  E'  mit  159  belegen  (=71,3% 
der  E)  stark  überwiegt.  E^  ist  danach  (wie  B^  und  C^)  als 
resultat  eines  compromisses  zwischen  vers-  und  Satzbetonung 
aufzufassen  (die  beiden  E^  von  ii:  Vsp.  36,4  Slipr  heitir  sü, 
Hym.  9, 2  eJc  viljaJc  yJikr  verraten  schlechte  technik).  Anomales 
E^  ist  mit  22  belegen  (=:  9,86  "/o)  im  Verhältnis  zu  dem  ver- 
wanten  B^  (mit  8  belegen  =  2,28  "/n)  recht  stark  vertreten, 
aber  wie  dort  offenbar  durch  den  satzaccent  veranlasst.  In 
Vsp.  88, 1.  I3rk.  18, 1.  R]>.  26,  3.  Hdl.  25,  8.  Ykv.  7,  5.  16,7.  22,3. 
32,1.  HH.2,19,5.  33,5.  51,1.  Grp.5,5.  Br.  9, 1.  17,5.  G}'.  1,26,5. 
Sg.6,3.  34,3.  37,8.  Gp.3, 11,5.  Ghv.  14, 1  steht  nämlich  ein 
mindertoniges  wort  in  erster  hebung.  Dass  dieses  nicht  mit- 
alliteriert, weist  wider  auf  nachlässigkeit  der  technik. 

Schwerer  wiegt,  dass  zweimal  ein  scliwiicher  betontes  wort  in  zweiter 
hebung:  allein  alliteriert:  Grt.  15,1  fmm  hcJdum  \>vi  und  Ykv.  20,3  vel 
gorßi  [kann]  hcldr  (im  letzteren  verse  wird  die  alliteration  des  miuder- 
tonigen  wortes  allerdings  durch  das  Hildebraudsche  gesetz  gefordert).  Eine 
änderung  des  textes  ist  in  beiden  fällen  ausgeschlossen,  dagegen  kann  man 
bei  Sg.  37,  3  hvärt  [eJ:]  shjldak  \cga  und  G)'.  3, 11,  5  leiddu  pä  mey  an  Um- 
stellung denken.  Ausserdem  ist  die  Zugehörigkeit  einiger  der  angeführten 
verse  zu  E  nicht  ganz  sicher.  Grp.  5,  5  ßigußu  her,  Sigurßr  und  prk.  18, 1 
ßä  kvaß  ßat  Loki  könnten  allenfalls  schematisch  mit  tilgung  des  pron.  als 
A'  genommen  werden.  Ghv.  14, 1  gekk  ck  h  be/)  und  Sg.  34,  5  vurß  ck  til 
ung  ergeben  bei  anweiidung  des  bragarmäl  regelmässige  Fa'.  Bei  Ykv. 
22,  3  ykkr  lät  {c\k  ßat  gull  und  16,  7  esa  sd  nü  hyrr  kann  man  zwischen 
B^  und  E^  schwanken. 

§  55.  Typus  F  ist  zwar  schwach  vertreten  (in  i  58  be- 
lege =  1,75  "/o,  in  II  71  belege  =  2,87%),  aber  andrerseits 


ALLITERATION  IM  EDD.   FORNYRDISLAG.  223 

doch  auch  wider  zu  stark,  als  dass  man  seine  existenz  an- 
zweifeln dürfte.  Die  einzelnen  lieder  zeigen  ihm  gegenüber 
ein  verschiedenes  verhalten:  kein  beleg-  findet  sich  in  Grt. 
HHv.  Hei.;  eine  besondere  Vorliebe  ist  nur  in  der  R\>.  (i  16  : 
II  19)  und  Sg.  (i  8  :  II  18)  bemerkbar  (vgl.  Sievers,  Beitr.  6, 
308  f.).  —  Hinsichtlich  der  alliterationsstellung  schliessen  sich 
die  F  den  typen  an,  aus  denen  sie  durch  katalexe  entstanden 
sind.  F'"5  ist  somit  regelmässigerweise  auf  den  typus  Fa  be- 
schränkt. Von  dem  isolierten  Fa^  in  ii  Gp.  3, 11,  2  hverr  's  ])at 
sdat  gilt  das  in  §  50,  5  (s.  217  f.)  über  A^  in  ii  bemerkte. 
Beachtenswert  ist,  dass  F  in  ii  häufiger  ist  als  in  i,  und  dass 
lieder,  die  in  i  keine  F  aufweisen  (Hym.  Bdr.  Br.  G\\  2.  Gl».  3), 
solche  doch  in  ii  zeigen.  Das  hängt  offenbar  mit  der  durch 
die  katalexe  hervorgerufenen  pause  zusammen,  die  besser  an 
den  schluss  der  langzeile  als  an  den  der  ersten  halbzeile 
passte.  Vor  der  cäsur  wirkt  sie  im  allgemeinen  nur  dann 
nicht  störend,  wenn  auch  der  zweite  halbvers  ein  F  war. 
Dass  das  tatsächlich  empfunden  wurde,  scheint  aus  der  ver- 
hältnismässig grossen  zahl  der  (7)  belege  für  die  bindung 
F  :  F  hervorzugehen  (Rp.  11,  7  f.  41,  3  f.  41, 9  f.  Vkv.  31, 1  f. 
Gl\  1,  24, 1 1  f.  Fäf.  36, 1  f.  Od.  4,  3  f.). 

Es  begeguen  drei  zweigliedrige  verse:  i:  E]?.  8,9.  Gp.  1,26,8. 
—  II:  JUp.  11,4  (vgl.  Sievers,  Beitr.  6,  310  und  Altgerra.  metrik  §45,1).  — 
Ausserdem  sind  noch  einige  verse  zu  erwähnen,  die  als  verderbt  und  un- 
bestimmbar von  der  discussion  ausgeschlossen  werden  mussten:  i:  Gp.  2,  24,3. 
Ghv.  2,1.  —  II:  Rp.  32,4.  Grp.  39,8.  Gp.  2,17,4.  Gp.  3,5,4.  Od.  4,2.  — 
Ferner  konnten  oben  in  §  50  und  §  52  i  5  A^  (Grp.  39,  7.  Gp.  1,  4,  7.  Sg. 
13, 1.  50, 1 .  Gp.  3,  5,  3),  II  2  A^  (Gp.  1,  4,  8.  Sg.  50,  2)  und  i  1  C^  (Sg.  13,  2) 
wegen  des  mangels  eines  reimstabes  nicht  berücksichtigt  werden. 

Cap.  VIII.    Der  rhythmische  Charakter  der  langzeile. 

§  56.  1)  Wie  bereits  öfter  hervorgehoben  wurde,  stellt 
in  der  Edda  die  langzeile  im  wesentlichen  ein  crescendo - 
decrescendo  dar  (vgl.  dazu  mutatis  mutandis  Sievers  §  166). 
Dieser  Charakter  prägt  sich  deutlich  auch  in  der  für  die  beiden 
halbzeilen  verschiedenen  typen  wähl  aus.  Hier  steht  in  i  das 
Schema  A^  mit  29,19  o/o  voraus,  es  folgen  C  mit  18,12  "/o?  A^ 
mit  16,76%  [A2  mit  15,79  o/o],  B  mit  11,61  Vo,  E  mit  7,40  o/o, 
D  mit  4,740/0;  in  11  dagegen  erscheinen  an  A^  51,70  o/^,  an  C 
27,84  0/0,  an  D  7,56  0/0,  an  E  4,54  0/0,  an  B  4,18  0/0  [an  A3 1,26  0/0]. 


224  WENCK 

Somit  entfallen  in  i  auf  die  aufsteigenden  typen  {A\  B,  E:  zum 
letzteren  vg'l.  §  54  eingans)  42,20  "'/„,  auf  die  absteigenden  (C, 
A',  D)  39,62 'Vo,  in  ii  auf  die  aufsteigenden  (E,  B,  A3)  nur 
9,98  "/o,  auf  die  absteigenden  (A',  C,  D)  87,10  "/o  aller  (3013) 
I  bez.  II.  Das  starke  hervortreten  absteigender  typen  in  i, 
besonders  des  typus  C,  ist  darauf  zurilckzufiilircn,  dass  der 
germ.  satz  im  eingang  zwar  crescendo,  im  fortscliritt  eben  und 
auch  wie  der  satzschluss  decrescendo  gebildet  wurde  (Sievers 
§  ICG).  Von  4  zur  Strophe  gebundenen  langzeilen  gehören 
jedoch  gewöhnlich  zwei  erste  halbzeilen  dem  satzfortschritt 
an.  Auf  keinen  fall  ist  es  zulässig,  die  häufigkeit  der  C  in  i 
etwa  mit  Fischer  (Anz.  fda.  23,  50  ff.)  durch  eine  Unterscheidung 
zwischen  einem  fallenden  und  einem  steigenden  C  erklären  zu 
wollen,  noch  viel  weniger  mit  Deutschbein  (a.  a.  o.  §  8  und  anm.) 
C  überhaupt  den  aufsteigenden  versen  zuzurechnen.  Es  wider- 
spräche das  dem  in  §  52.  53  erörterten.  Selbst  wenn  man  für 
das  wgerm.  (Beow.)  ein  decrescendo  -  crescendo  der  langzeile 
einräumt,  so  kann  das  anwachsen ')  der  C  in  ii  (vgl.  Deutsch- 
bein, tab.  s.  69)  nicht  als  zeichen  aufsteigenden  gesammt- 
charakters  von  C  in  anspruch  genommen  werden.  Deutsch- 
bein hat  offenbar  zu  unrecht  nicht  zwischen  den  untertypen 
Cl,  C2,  C3  geschieden.  Berücksichtigt  mau  diese,  so  ergibt 
sich  für  den  Beow.  folgende  tabelle: 

Ci  C2  c^ 

Beow. :  i  504  C'-  '     200  (=  39,68  »/o)  90  (=  17,85  «/o)  214  (=  42,46  %) 

II  582  Cl    170  (=  29,20  °/o)  IM  (=  24,74  «/o)  268  (=  46,04  «/o) 

Edda:  i  540  C'-  ^  200  (=  37,03  «/o)  46  (=  8,510/0)  294  (=54,44%) 

II  822  C    177  (=  21,53  «/o)  436  (=  53,04  ",  0)  209  (=  25,42  "/o) 

Somit  erfährt  nur  C2,  für  das  wir  oben  s.  220  specifisch 
absteigenden  Charakter  annehmen  mussten,  in  11  eine  merkliche 
Steigerung.  Allerdings  ist  nicht  zu  verkennen,  dass  im  ags, 
wegen  des  starken  anschwellens  der  eingangssenkung  (bis  zu 
fünf  Silben)  der  steigende  eingang  des  verses  sich  stärker 
geltend  macht  als  im  altnordischen.  Für  den  absteigenden 
gesammtcharakter  ist  dies  aber  ebensowenig  von  ausschlag- 
gebender bedeutung  wie  der  musikalische  steigschritt  im  typus  D 


')  Dieses  ziemlich  uuwesentliche  steigen  könnte  vielleicht  auch  durch 
die  von  Deutschbein  §  5, 6  ziigegebeuen  ausnahmen  der  11  erklärt  werden. 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  225 

(oben  s.  221)  und  der  einleitende  fallscliritt  im  typus  E  (oben 
s.  222).  Ihr  rliytlimisches  speciflcum  scheinen  die  verstypen 
eben  vom  endstück  aus  bez.  von  dessen  Verhältnis  zum  vor- 
hergehenden zu  empfangen. 

2)  Die  häufigkeit  der  verschiedenen  typencombinationen 
in  I  -|-  II  hängt  in  der  hauptsache  nur  von  der  häufigkeit  der 
einzelnen  typen  in  den  einzelnen  halbzeilen  ab.  Vgl.  folgende 
tabelle:  n 


A 

C 

D 

E 

B 

A 

825 

512 

150 

85 

76 

A» 

371 

170 

73 

42 

24 

C 

337 

118 

35 

24 

18 

AI 

235 

186 

30 

11 

30 

B 

214 

81 

24 

14 

13 

E 

137 

63 

7 

8 

7 

D 

61 

52 

10 

5 

7 

Abweichungen  von  der  oben  aufgestellten  norm  sind  zwar 
vorhanden,  doch  kann  es  nur  auf  zufall  beruhen,  wenn  z.  b. 
die  belegzahl  der  combination  A^  +  B  grösser  ist  als  die  der 
A'  +  E,  die  der  E  +  E  grösser  als  die  der  E  +  D,  die  der 
D  +  B  grösser  als  die  der  D  +  E,  oder  die  der  E  +  D  kleiner 
als  die  der  D  +  D,  und  die  der  A^  +  E  kleiner  als  die  der 
B  +  E.  Nur  bei  dem  Verhältnis  der  186  A^  +  C  :  118  C  +  C 
und  sogar  170  A3  +  C,  ferner  bei  dem  der  30  A^  +  B  :  18  C 
+  B  und  24  A^  +  B  dürfte  der  abstand  von  der  norm  zu 
gross  sein,  als  dass  man  an  blossen  zufall  denken  dürfte. 
Eine  einleuchtende  erklärung  für  diese  Sachlage  weiss  ich 
freilich  nicht  zu  geben. 

Die  Verbindung  gleicher  typen  ist  entschieden  nicht 
beliebt:  sie  begegnet  nur  in  14,94  o/o  der  in  der  tabelle  auf- 
geführten 2407  langzeilen;  davon  entfallen  auf  A^  +  A^  9,76  f'/o, 
auf  C  +  C  4,90  'Vo,  auf  B  +  B  0,54  «/o,  auf  D  +  D  0,41  "/o,  auf 
E  +  E  0,33  o/o. 

Cap.  IX.    Die  alliteration  in  der  langzeile.^) 

§  57.  Bei  den  versen  mit  den  alliterationsschemata  N^ 
bez.  N3  ist  bisher  nur  die  eine,  normalerweise  alliterierende 


1)  Vgl.  Sievers  §  21,  d  uud  anm.  (wo  weitere  literatur  citiert  wird), 
sowie  §  46, 4. 

Beiträge  zur  geschichte  Uer  deutschen  spräche.    XXXI.  ^5 


226  WKN'CK 

hebung  jeder  laiijEfzeile  ins  äuge  gefasst  worden.  In  UC^lang- 
zeilen  liaben  aber  auch  die  von  dieser  liauptalliteration  aus- 
geschlossenen liebungen  gleichen  anlaut  (nebenalliteration). 
Je  nach  der  gegenseitigen  Stellung  von  hauptalliteration  (a) 
und  nebenalliteration  (b)  sind  hier  vier  verschiedene  combina- 
tionen  möglich:  einmal  mit  paralleler  alliteration  1)  abab; 
—  2)  baba,  sodann  mit  gekreuzter  3)  abba  und  —  4)  baab. 
Darüber  ob  das  kreuzende  zweite  System  gleicher  anlaute  als 
bewusste  kunstform  anzusehen  sei,  sei  es  im  germ.,  sei  es  im 
westgerm.2),  ist  viel  gestritten  worden.  3)  Selbst  darüber  sind 
die  meinungen  noch  geteilt,  ob  der  gleiche  anlaut  dieses  zweiten 
Systems  überhaupt  als  alliteration  empfunden  worden  sei.  Für 
die  Edda  dürfte  indessen  an  der  positiven  auffassung  Lach- 
manns (Kl.  sehr.  1,  430)  festzuhalten  sein,  denn  gerade  bei  der 
knappheit  des  fornyröislag  wäre  es  schwer  zu  verstehen,  dass 
die  so  rasch  auf  einander  folgenden  gleichen  anlaute  der  nicht 
an  der  hauptalliteration  beteiligten  beiden  hebungen  auf  das 
olir  nicht  auch  gewirkt  haben  sollten.  "Wenn  es  sich  dabei 
auch  oft  wirklich  nur  um  sinnesschwache  hebungen  handelt, 
so  handelt  es  sich  doch  immer  noch  um  hebungen,  die  als 
solche  ein  gewisses  tongewicht  voraussetzen,  durch  das  selbst 
an  sich  schwachbetonte  wortkategorien  im  verse  über  die  nor- 
male nachdrucksstärke  gehoben  werden  konnten  (vgl.  Sievers, 
Metr.  stud.  1.  §  48, 2).  Wie  doppelalliteration  in  einem  starken 
procentsatz  der  N-'- verse  als  compromiss  zwischen  vers-  und 
Satzbetonung  angesehen  werden  musste,  ebenso  glaube  ich, 
dass  die  'nebenalliteration'  als  beabsichtigtes  kunstmittel 
jedenfalls  überall  da  anzuerkennen  ist,  wo  die  hauptalliteration 
dem  satzaccent  widerspricht,  nicht  minder  da,  wo  ein  Verstoss 
gegen  die  allgemeinen  alliterationsneigungen  der  einzelnen 
typen  oder  gegen  das  hauptstabgesetz  vorliegt,  kurz  überall 
da,  wo  das  doppelsystem  als  eine  art  von  compensation  für 
die  nichtdurchführung  des  correcten  einzelsj'stems  angesehen 
werden  kann. 

Zu  demselben  Schlüsse  wird  man  geführt,  wenn  man  nach 


*)  Für  das  wgerm.  scheiden  die  combiuationen  2  und  3  natürlich  aus, 
da  dort  das  gesetz  von  der  Stellung  des  hauptstabes  streng  eingehalten  wird. 

*)  S.  zuletzt  Emerson,  Transverse  alliteration  in  Teutouic  poetry, 
Journal  of  Gemianic  Phil.  3, 127  f. 


ALLITERATION   IM   EDD.   FORNYRDISLAG.  227 

dem  beispiel  Friichts  (s.  75  f.)  [vgi.  Sievers  §  21,  d]  eine  walir- 
scheinlichkeitsrecliiiung  anstellt.  Für  die  Edda  scheidet  von 
19  möglichen  anlanten  einer,  nämlich  p,  praktisch  aus,  da 
dieser  bnchstabe  sich  nur  in  einem  einzigen  worte  {plög  R]?. 
22, 8)  vorfindet.  Das  zu  erwartende  Vit  der  verse  mit  dem 
alliterationsschema  N'  und  N^  (d.s.  2176)  wird  um  18  über- 
schritten: 146. 

Auch  auf  die  gesammtzahl  der  verse  berechnet,  bilden 
die  Eddabeispiele  einen  höheren  procentsatz  (auf  3013  lang- 
zeilen  kommen  146  fälle  [=  4,84  "/o] )  als  z.  b.  die  des  Heliaud, 
für  den  Eies  (QF.  41,  123)  118  fälle  (=  rund  2  «/o  auf  6000 
langzeilen)  namhaft  macht. 

Die  oben  erwähnten  vier  verschiedenen  combinationen 
paralleler  und  gekreuzter  alliteration  sind  nicht  gleichberech- 
tigt. Die  Schemata  baba  und  abba  Verstössen  gegen  das 
hauptstabgesetz  (vgl.  s.  226,  anm.  2)  und  sind  daher  nur  spär- 
lich belegt  (6  bez.  3  mal).  Am  häufigsten  ist  abab  (97),  wäh- 
rend baab,  das  dem  crescendo-decrescendo-charakter  der  lang- 
zeile  am  besten  entsprechen  würde,  nur  etwa  die  hälfte  dieser 
fälle  (40)  aufweist. 

§  58.  Das  Schema  abab  begegnet  in  folgenden  langzeilen: 

Vsp.  8,3.  10,3.  15,5.  19,3.  21,7.  28,5.  31,1.  35,1.  42,1.  42,7.  43,7. 
48,5.  Hym.  18,1  A;  21,1  A.  prk.  2,7.  3,7.  6,3.  7,5.  17,5.  18,7.  23,5. 
Rp.  2,  5  (=  14, 5).  4,  7.  8,  9.  11,  3.  23,  3,  31,  5,  32,  7.  41, 1.  41,  9.  43,  3.  46,  3. 
Hdl.  1, 7.  4, 1.  11, 9.  16, 5.  25,  7.  26, 5.  28,  5.  33, 1.  37, 1.  44, 7.  Vkv.  4,  3. 
7,  7.  25, 3  (=  35,  7).  27, 3.  HH.  1, 10,  3.  12, 5.  27,  7.  32, 5.  48, 9.  56,  9.  HH. 
2, 1, 1.  17, 1.  23,  7.  24,  7.  30, 1.  37,  7.  HHv.  35, 1.  88,  3.  Grp.  2,  3.  4,  5.  22, 1. 
25, 1.  30,  3.  43,  3.  45,  3.  Eg.  14,  3.  Fäf.  44,  7.  Br.  3,  5.  4, 1.  15, 1  (=  Sg. 
50, 1).  Gp.  1, 1,  7  (=  G]>.  2, 11,  9).  17,  5,  Gp.  2,  8,  7.  11,  3.  Sg.  15, 1.  27,  7. 
29,5.  44,5.  49,3.  67,5.  Hei.  12, 1.  Od.  6, 1.  10,1.  15,7.  16,1.  18,5.  Ghv.5,7. 
10, 1.  Grt.  15, 3.  19, 1. 

Statt  der  diirch  völlige  coordination  der  beiden  hebungen  eigentlich 
geforderten  doppelalliteration  ist  abab  eingetreten  in  Vsp.  15,  5  \iön  Öri  \ 
Düfr  kndvari,  HH.  1,  56,  9  sigrs  ok  landa.  |  nü's  sökn  lokit,  ferner  in  Vkv. 
4, 3.  Grp.  43,  3.  Sg.  44,  5.  Hei.  12, 1. 

II  ist  regelmässig,  i  verstösst  gegen  den  satzaccent  in  Vsp.  48,  5  siynja 
dvergar  \  fyr  %\eirAnrum,  HHv.  35, 1  reip  u  yargi  \  es  rekvip  \as,  Br.  15, 1 
{=  Sg.  50, 1)  \>Qgpu  ü.llir  I  vip  pvi  0)pi,  Od.  18,  5  \asa  langt  af  pvi  \  heldr 
välitit.  Vielleicht  ist  auch  Hym.  21, 1  A  drö  meirr  'Q.ymir  \  möpugr  hvali 
hierher  zu  stellen  (doch  beweist  die  parallelalliteration  nicht  gerade  für  die 
la.  von  A). 

15* 


228  ^ENCK 

I  ist  regelmässig,  ii  vcrstüsst  gegen  den  satzaccent:  pik.  3,  8  ef  minn 
hamar  \  mattaJc  hilUt,  H\>.  4,8  So/j  vas  i  holla,  \  sctli  ä  hjö/j,  40,4  kol/i 
ileygpi,  \  Vyrjniogla,  Hill.  4,  2  \iör  niun  hlöta,  |  \>ess  mun\ii/jja,  desgl.  HH. 
1, 32, 6.  Grp.  2, 4.  Rg.  14, 4.  Sg.  49, 4.  Od.  16, 2. 

Abweichende  Wortstellung  und  damit  verbundene  dynamisebe  coor- 
dination  ist  in  ii  sebr  oft  durch  parallele  alliteratiun  verdeckt:  nach- 
stehender abhängiger  gen.  begegnet  so  in  Vsp.  43,8.  RJ^.  11,4.  Vkv.  25,4 
(=35,8).  Grp.  43,4.  Fäf.  44,8.  Od.  6,2,  nachgestelltes  adj.  in  Vsp.  10,4. 
Rp.  41, 2.  Gp.  1, 1,  8  (=  Gp.  2, 11, 10).  Sg.  44, 6.  Hei.  12, 2. 

Ferner  finden  sich  noch  belege,  in  denen  wegen  grösserer  gramma- 
tischer coordination  zweier  uomina  doppelalliteratiou  angebracht  gewesen 
wäre:  I  Vkv.  7,  7.  Sg.  15, 1.  27,  7.  HH.  2,  30, 1.  37,  7.  Ghv.  10, 1 ;  —  ii  Rj>. 
2,6  (=  14,6;  auch  wegen  i:  hin  nam  at  ganga,  |  eldr  vas  a  golfi):  ferner 
41,10.  Vkv.  4, 4.  Sg.29,6.  Ghv.  10,2. 

I  und  II  Verstössen  zugleich  gegen  den  satzaccent  in  Vsp.  42, 1  sat 
par  ü  \\augi  \  oTc  %16  hgrim.  Nur  einmal  ist  das  zweite  alliteratioussystem 
dem  ersten  gleich:  prk.  7, 5  \Ws  mep  ösum,  \  Ulfs  mep  qlfum,  doch  steht 
gerade  hier  die  absichtlichkeit  wegen  der  wortwiderholung  und  antithese 
ausser  allem  zweifei. 

Bei  ausgeprägtem  parallelismus  membrorum  ist  das  Schema  abab  zur 
erhöhung  der  Wirkung  eingetreten  in  Vsp.  28,  5  hvers  iregni/j  mil:,  \  hvi 
ireisiip  min,  prk.  23,  5  ijglp  äk  meipma,  \  ijglp  äJc  menja,  Hdl.  37, 1  kann 
Qijglp  wn  bor,  |  hann  dreip  wn  bor,  Ghv.  10,  1  ]>rjä  rissak  elcla,  \  ]>rjä 
vissal:  a.rna.    "Weniger  deutlich  ist  dies  bei  Rf>.  8,  9.  43,3.  Hdl.  11,9.  16,5. 

Bei  wortwiderholung  dürfte  auch  gleicher  anlaut  von  Senkungen, 
wenigstens  der  beschwerten,  empfunden  werden.  Nur  unter  dieser  Voraus- 
setzung können  wir  Br.  4, 1  sumir  ulf  svipu,  \  sttmir  orm  snijni,  Gp.  2,  6, 1 
\engl  hvarfapak,  \  \engi  hugir  deildtisl;  Hdl.  1, 1  Yaki  mcer  mcijja,  \  Yciki 
m/n  -vina  verstehen.  Hierher  sind  ferner  A'kv.  25, 7  (=  36, 3)  slü  brjöst- 
kringlur,  |  sendi  Bgpvildi,  Ghv.  10, 1  ]>rjä  yissak  elda,  |  prjä  \issak  ar»o 
zu  stellen. 

§  59.  Von  den  versen  mit  dem  Schema  baba  sind  Vsp. 
48, 1  (=  prk.  7, 1)  livai's  mcj)  {}sum,  \  hvat's  mep  qlfum,  Od.  7,  5 
rikt  göl  Oddrün,  \  rumt  göl  Oddnm,  G]\  1,  8,  1  sjglf  skyldak 
%Qfg<^)  I  ^JQ^f  skyldak  qgtra  rhetorisch  bedingt. 

Die  Zuordnung  zu  baba  ist  nur  deshalb  erfolgt,  weil  dem  subst.  der 
hauptnachdruck  zugekommen  zu  sein  scheint.  Vielleicht  wären  von  den  in 
§  58  (schluss)  aufgeführten  fällen  die  verse  prk.  23,  5  und  Ghv.  10, 1  hierher 
zu  ziehen,  deren  zweite  lialbzeileu  gegen  das  hauptstabgosetz  Verstössen. 
Gerade  mit  der  abweichung  ist  ein  gut  teil  der  dichterischen  Wirkung 
verquickt. 

Die  beiden  anderen  fälle  mit  dem  schema  baba  (prk.  4, 1  —4)  sind  durch 
die  forderungen  des  satzacceuls  hervorgerufen  worden. 


ALLITERATION  IM  EDD.   FOßNYRDISLAG.  229 

§  CO.  Ein  ganz  sicheres  beispiel  für  das  Schema  abba 
ist  Sg.  12, 1  Igtum  son  tara  \  te])r  i  sinni.  Die  beiden  anderen 
(Bdr.  14, 1.  Vkv.  33, 11)  gestatten  in  ii  eine  nmstelhing. 

§  61.    Für  das  Schema  baab  bieten  sich  folgende  fälle: 

Vsp.15,1-  23,7.  Hym.7,1.  14,1.  26,1.  28,5.  prk.  16, 1  (=19,5).  25,3. 
Hdl.  26, 1.  27,  5.  27,  7.  42,  7.  47,  3.  Vkv.  2,  9.  8,  7.  37,  3.  HHv.  3,  5.  4,  5.  HH. 
1,  7,  3.  30, 1.  50,  3.  50,  5.  HH.  2,  6,  3.  Rg.  11, 1.  13,  7.  14,  5.  Gp.  1,  21,  3.  Sg. 
16, 1.  20, 1.  31, 1.  37, 1.  Hei.  8, 1.  8,  7.  9, 1.  Od.  2, 5.  18,  7.  25, 1.  G}>.  2,  5, 5. 
Grt.  2,  7. 

I  ist  fehlerhaft:  Vkv.  8,  7  Yglundr  Ußandi  \  um  \angan  weg;  —  ii:  prk. 
16,  2  {=  19,  6)  \gtum  und  hgnum  \  hrynja  liiMa,  vgl.  HHv.  4,  6  sefr  at  armi, 
Sg.  20, 1  ggrva  at  yigi,  Od.  18,  8  \issi  allar.  —  Ahweicheude  Wortstellung 
in  ii:  Vkv.  2, 10.  Rg.  11,  2.  Sg.  31,  2.  Grt.  2,  8. 

Cap.  X.    Resultate. 

§  62.  Die  abstufungen  des  dynamischen  satzaccents  sind 
zum  teil  traditionell  (vgl.  Sievers  §  22).  Entsprechend  der 
Unterscheidung  von  sprachlich  stark-  und  schwachhaupttonigen, 
nebentonigen  und  unbetonten  Silben  (ins  metrische  übersetzt 
würden  diese  stärkegrade  denen  der  ersten  bez.  zweiten  hebung, 
der  nebenhebung  und  der  Senkung  etwa  des  typus  E  entsprechen) 
lassen  sich  vier  hauptgruppen  oder  kategorien  von  Wortklassen 
aufstellen: 

Der  ersten  kategorie  gehören  an  das  substantivum 
(§  5 — 7),  adjectivum  und  numerale  (§  8.  11 — 13)  [auch  ad- 
jectivisch  gebrauchtes  particip  (§9.  14)],  pronomenpossessi- 
vum,  das  pronomen  indefinitum  und  sjalfr  (§  43),  der 
zweiten  die  verbalnomina  [particip  (§  9.  14.  17)  und  inflnitiv 
(§  10.  16)],  der  dritten  das  fiüite  vollverb  (§  19-21)  und  das 
volladverbium  (§  24—26.  28.  30.  31.  33.  34),  der  vierten 
das  hilfsverbum  (§  19.  20),  Pronominaladverb  (§  22.  23. 
26.  29.  30.  32 — 34),  die  pronomina,  abgesehen  von  den  unter 
der  ersten  kategorie  aufgeführten  (§  37—42.  44 — 47),  Präpo- 
sitionen, conjunctionen  und  Partikeln  (§  48). 

Ausser  diesen  vier  hauptklassen  gibt  es  noch  Zwischen- 
stufen: so  schwankt  das  participium  zwischen  erster  und 
zweiter,  das  periphrastisch  gebrauchte  vollverb,  desgleichen 
einige  adverbia  zwischen  dritter  und  vierter  stufe. 

Abweichungen  von  der  normalen  tonscala  ergeben  sich 
zunächst  durch  den  einfluss  der  begrifflichen  bindung.    In 


230  WENCK 

dieser  liinsicht  ist  iiamentlicli  die  furmelbildting  bedciUsani. 
p]s  sind  uns  im  ganzen  fünf  arten  von  fornieln  begegnet: 
1)  genetivformeln,  =  gen.  +  subst.  (§5.  18,3);  —  2)  ad- 
jectivformeln,  =  adj.  +  subst.  (§8.  18,4);  —  3)  verbal- 
formeln,  =  adv.  +  verb.  fin.  (inf.  part.)  (§  2-i.  26.  30);  — 
4)  adverbial  formein,  =  begriffsadv.  (seltener  rein  steigen- 
des adv.)  vor  adj.  (adjectiviscli  gebrauchtem  part.)  oder  adv. 
(§  27);  —  5)  pronominalformeln,  =  subst.  +  pron.  poss., 
oder  indef..  oder  pron.  +  subst.  (§  43). 

Das  erste  glied  der  forme!  erhält  wie  das  erste  glied  eines 
compositums  einen  starken  hauptton  (auch  das  adv.),  das  zweite 
gewölinlich  einen  schwächeren  hauptton,  es  kann  jedoch  auch 
bis  zur  stärke  eines  blossen  nebentons  herabgedrückt  werden. 
Wörter,  deren  natürliches  tongewicht  dieser  nachdrucksstufe 
bereits  entspricht,  werden  nicht  weiter  gedrückt. 

Dem  germ.  compositionsprincip  und  dem  stilprincip  der 
gesammten  alliterationsdichtung  gemäss  steht  das  begrifflich 
näher  bestimmende  an  ersterstelle,  und  es  verschmilzt  nur 
in  dieser  Stellung  mit  dem  folgenden  worte  zu  begrifflicher 
und  tonischer  einheit.  Denn  da  jede  abweichung  von  der 
natürlichen  Wortfolge  auch  eine  begriffliche  Spaltung  eigent- 
lich zusammengehöriger  Wörter  involviert,  so  geht  mit  ihr 
normalerweise  auch  eine  Spaltung  der  tonischen  einheit  hand 
in  hand.  Wenn  bei  den  nominal  formein  im  wgerm.  und 
an.  zuweilen  ein  subst.  im  nachdruck  über  den  nachfolgenden 
gen.  oder  das  attributive  nachgestellte  adj.  dominiert,  so  ist 
das  dem  einfluss  des  sinnesaccents  zuzuschreiben.  Die  enklise 
des  nachfolgenden  gen.  und  adj.  ist  ohne  zweifei  regelrecht, 
wenn  diese  Wörter  dem  substantivbegriff  nur  ein  in  ihm  bereits 
enthaltenes  oder  wenigstens  kein  wesentliches,  neues  merkmal 
hinzufügen.  Dies  gilt  in  erster  linie  für  das  adj.,  und  wird 
durch  das  besondere  verhalten  der  pronominalformeln  be- 
stätigt, insofern  das  begriffsschwache  pron.  gewtihnlich  hinter 
dem  hauptträger  des  sinnes  (dem  subst.)  steht.  Nur  dann 
kann  das  prun.  regelrecht  das  subst.  in  enklise  zu  sich  zwingen, 
wenn  auf  ihm  der  logische  nachdruck  ruht  (z.  b.  bei  einem 
gegensatze).  Dazu  stimmt  ferner,  dass  das  num.  häuiiger  voran- 
steht, wenn  das  nomen  die  zweite  liebung  einnehmen  kann, 
dagegen  folgt,  Avenn  es  in  enklise  zu  ihm  hätte  treten  müssen. 


ALLITERATION   IM  EDD.    FORNYRDISLAG.  231 

Ebenso  wie  die  nominalformeln  zerfalleu  bei  abweichender 
Wortstellung-  die  adverbial-  und  verbalformeln.  Das  nach- 
stehende adverbium  kann  normalerweise  nirgends  zu  dem 
vorausgehenden  wort  in  enklise  treten.  Die  wenigen  fälle,  in 
denen  es  dem  vorausgehenden  verb.  fin.  das  grössere  tongewicht 
überlässt,  müssen  als  ausnahmen  betrachtet  werden,  die  ver- 
mutlich durch  den  versrhythmus  hervorgerufen  sind.  Denn 
das  dem  verb.  fin.  folgende  adv.  besitzt  nachweislich  den 
grösseren  nachdruck,  ohne  dass  deshalb  das  vollverbum  pro- 
klitisch  wäre,  geschweige  denn  der  inf.  oder  das  part.  Viel- 
mehr erhalten  diese  wortkategorien  ihr  natürliches  tongewicht. 
Das  verbum  finitum  kann  allerdings  ohne  alliteration  voraus- 
gehen, der  Infinitiv  aber  muss  ebenso  notwendig  an  der 
alliteration  teilhaben  wie  das  erste  nomen  einer  aufgelösten 
nominalformel.  Dieser  umstand  ist  beachtenswert  gegenüber 
der  ansieht  Behaghels  (Pauls  Grundr.  1-,  C86),  dass  bei  der 
nach  seiner  meinuug  nur  scheraatischen  art  der  alliterations- 
setzung  die  z.  b.  dem  nhd.  geläufige  und  daher  auch  für  die 
alte  spräche  anzusetzende  stärkere  betonung  des  nachstehenden 
gen.  nicht  zu  erkennen  sei.  Wie  das  verhalten  der  verbal- 
formeln beweist,  ist  die  stärkere  betonung  des  nachstehenden 
genetivs  durch  die  art  der  alliterationssetzung  nicht  aus- 
geschlossen, um  so  weniger  als  die  (bei  subst.  +  gen.  vor- 
hersehende) doppelalliteration  nicht  unbedingt  ein  ausdruck 
für  dynamische  coordination  zu  sein  braucht.  An  der  richtig- 
keit  dieses  Schlusses  könnte  man  wegen  des  specifisch  wgerm. 
formeltypus  subst.  +  gen.  berechtigte  zweifei  hegen,  wenn  nicht 
einige  verse  [Bdr.  6,  2  sonr  cmJc  Yaltams  (siehe  §  50,  5);  Ghv.  4,  4 
\eyfa  ägp  Hggna  (vgl.  s.  124,  anm.  8)]  dem  nachstehenden  gen. 
eine  stärkere  ausgleichung  sicherten.  Bei  dieser  perspective 
gewinnt  auch  die  s.  99  constatierte  tatsache  bedeutuug,  dass  bei 
nachstellung  des  gen.  die  D  sich  mehren,  die  E  völlig  ver- 
schwinden, dagegen  bei  vorausstellung  des  gen.  die  zahl  der 
E-beispiele  die  der  D  sogar  um  ein  wenig  übersteigt.  Somit 
wird  nach  dem  s.  221  festgestellten  rhythmischen  Charakter  des 
typus  D  die  stärkere  auszeichnung  des  nachstehenden  gen. 
vorwiegend  musikalischer  natur  gewesen  sein.  Dass  dies 
musikalische  dement  sonst  nicht  stärker  zum  Vorschein  kommt, 
ist  fast  selbstverständlich,  da  der  dynamische  satzaccent  die 


232  WENCK 

grundlage  für  versbau  und  alliteration  bildet.  Ferner  ist  auch 
liier  der  einfluss  des  logischen  accents  zu  berücksichtigen. 
Der  nachstehende  gen.  kann  offenbar  nur  dann  in  höherem 
grade  (auch  d^'naniisch)  ausgezeichnet  gewesen  sein,  wenn  der 
begriffliche  nachdriick  auf  ihm  ruhte,  d.h.  wenn  das  voran- 
gehende subst.  für  den  gedankenfortschritt  kein  novum  enthielt. 
Wenn  beide  nomina  (subst.  und  gen.)  für  den  Zusammenhang 
gleich  wichtig  sind,  so  ist  nur  coordination  im  nachdruck 
möglich  (vgl.  das  nhd.),  dopi)elalliteration  also  gerechtfertigt. 
Diese  ist  zweifelsohne  das  normale.  Denn  jede  abweichung 
von  der  normalen  Wortstellung  läuft  auf  eine  begriffliche 
Spaltung  hinaus,  die  ihrerseits  in  dynamischer  beziehung 
coordination  (daher  doppelalliteration),  in  ästhetischer  hinsieht 
grössere  anschaulichkeit  bewirkt.  Gerade  auf  anschaulichkeit 
kommt  es  jedoch  dem  dichter  an.  "Wir  dürfen  daher  die 
Stellung  subst.  -|-  gen.  in  der  mehrzahl  der  fälle,  in  denen  sie 
begegnet,  als  vom  dichter  gewollt  ansehen.  Es  würde  also 
den  Intentionen  desselben  zuwider  sein,  wenn  der  nachstehende 
gen.  hauptträger  des  sinnes  wäre  und  dementsprechend  alleinige 
alliteration  beanspruchte,  weil  dann  nicht  mehr  von  begriff- 
licher Spaltung  und  durch  diese  hervorgerufener  anschaulich- 
keit die  rede  sein  kann.  Diesem  umstände,  glaube  ich,  ist  es 
zuzuschreiben,  dass  sich  nur  ganz  vereinzelte  beispiele  finden, 
in  denen  der  nachstehende  gen.  allein  alliteriert.  Zudem  wäre 
es  nicht  einzusehen,  warum  der  dichter  gerade  nachstellung 
des  Sinnesträgers  bevorzugt  haben  sollte,  da  es  allgemeines 
stilprincip  ist,  das  sinnvollere  vorauszuschicken.  Die  stärkere 
auszeichnung  des  nachstehenden  gen.  dürfte  somit  weniger 
der  poetischen  spräche  als  vielmehr  der  prosarede  eigen  ge- 
wiesen sein. 

Die  begriffliche  und  tonische  si)altung  der  bestandteile 
einer  formel  bei  abweichender  Wortfolge  geht  ferner  daraus 
hervor,  dass  diese  bestandteile  durch  anderes  zwischen  sie 
tretendes  Sprachmaterial  (auch  höherer  nachdrucksstufe)  ge- 
trennt werden  können.  Dagegen  dürfen  sie  bei  normaler 
Wortfolge  normalerweise  nicht  durch  andere  als  ganz  enklitische 
Wörter  von  einander  losgerissen  werden.  Die  wenigen  fälle, 
in  denen  die  zu  erwartende  bildnng  einer  formel  durch  ein 
zwischenstehendes   wort    (geringeren   nachdrucks)    verhindert 


ALLITERATION  IM  EDD.  FORNYRDISLAG.  233 

ist,  sind  auf  die  einwirkung  des  rlietorisclien  accents  ziirück- 
zuführen. 

Bei  anderer  begrifflich -grammatischer  bindung  als  der 
eben  erörterten  findet  eine  tonische  verschmelznng  nicht  statt, 
z.  b.  bei  abhängigem  subst.  mit  nachfolgendem  regierenden 
adj.  (part.),  weil  das  übergeordnete  wort  für  den  Zusammen- 
hang gleich  wichtig  ist  wie  das  untergeordnete. 

§  63.  Auch  der  rhetorische  accent  kann  in  die  nor- 
male tonscala  verändernd  eingreifen.  Seine  hauptwirkung 
besteht  darin,  dass  er  mindertonige  Wortklassen  aus  ihrer 
tonlosen  Stellung  heraus  selbst  bis  auf  die  oberste  nachdrucks- 
stufe  hebt.  Das  zeigt  sich  besonders  bei  den  pronominibus, 
z,  b.  bei  sjcdfr,  dessen  aufgäbe  gerade  die  rhetorische  hervor- 
hebung  ist.  Er  allein  kann  auch  die  bildung  von  formein 
erklären,  in  denen  minder  betonte  Wortklassen  den  Vorzug 
vor  an  sich  stärker  betonten  erhalten.  Dazu  gehören  genetiv- 
formeln  aus  possessivem  gen.  des  pron.  pers.  oder  dem.  +  subst., 
oder  adjectivformelu  aus  attributivem  demonstr.  +  subst.,  oder 
endlich  verbalformeln  aus  Pronominaladverb  +  verb.  fln.  (selbst 
iuf.  oder  part.).  —  Wenn  ein  steigerndes  adv.  mit  folgendem 
adj.  oder  adv.  zur  toneinheit  verschmilzt,  so  muss  dies  auch 
der  Wirkung  des  rhetorischen  accents  zugeschrieben  werden. 
Ferner  macht  er  sich  gern  bei  lebhafter  Schilderung  geltend, 
insofern  hier  das  verbum  finitum  selbst  im  Vorzug  vor  einem 
nomen  alliterieren  kann. 

§  64.  Nicht  minder  wichtig  ist  der  sinnesaccent.  Sein 
einfluss  war  namentlich  zur  erklärung  einiger  anomaler  alli- 
terationen  auf  dem  zweiten  nomen  heranzuziehen.  Auf  ihn 
ist  namentlich  die  stärkere  betonung  der  obliquen  casus  des 
pers. -pron.  im  Verhältnis  zum  verb.  fin.  zurückzuführen,  im 
gegensatz  zu  der  tonlosigkeit  des  casus  rectus. 

Der  logische  accent  ermöglicht  bei  abweichender  Wortfolge 
die  bildung  von  form  ein,  andrerseits  kann  er  aber  auch  bei 
normaler  Wortstellung  die  bildung  von  solchen  hintertreiben. 
Seinen  stärksten  ausdruck  findet  er  jedoch  darin,  dass  nomina 
(subst.)  unter  ihr  normales  tongewicht  bis  zur  dritten  stufe 
herabgedrückt  werden  können,  wenn  sie  ein  vorhergehendes 
nomen  (synonymisch)  wider  aufnehmen,  für  den  gedankenfort- 
schritt  also  keine  nova  bieten.    Dass  dieses  dem  nhd.  geläufige 


234  WENCK 

gesetz  auch  für  diu  alte  spräche  o-egolteii  hat  (allerdings  mehr 
für  die  prosarede  als  für  die  rhetorisch  gefärbte  dichtersprache), 
verdient  wegen  der  gegenteiligen  auffassung  von  Behaghel 
besonders  hervorgehoben  zu  werden  (s,  144). 

§  ()5.  Auch  der  musikalische  accent  (d.h.  der  ideelle, 
welcher  den  satz  als  solchen  charakterisiert:  Sievers,  Phonetik  ^ 
§  (355)  macht  sich  hie  und  da  geltend,  so  z.  b.  wenn  sich  die 
steigende  schlusscadenz  des  fragesatzes  ohne  fragewort  in  der 
t3'penwalil  (in  der  bevorzugung  von  E),  die  steigend -fallende 
des  fragesatzes  mit  fragewort  in  anomaler  Stellung  der  alli- 
teration  in  n  widerspiegelt.  In  anderen  fällen  deutet  die  ab- 
weichende Stellung  der  alliteration  in  ii  auf  das  nichtabsinken 
der  stimmhöhe  vor  directer  rede  hin,  oder  sie  illustriert  die 
conträre  tonlage  eines  parenthetischen  satzes.  Hierher  gehört 
ferner  die  z.  t.  abweichende  behandluiig  des  vocativs,  der  als 
selbständiger,  eingeschobener  satz  gedrückt  werden  kann. 
Anderes  ist  zweifelhaft, 

§  66.  Die  Wörter  der  ersten  und  zweiten  nachdrucksstufe 
erhalten  (abgesehen  von  den  fällen  mit  einer  formel)  normaler- 
weise eine  hebung  und  besitzen  ein  von  anderen  factoren  un- 
abhängiges tongewicht.  Dagegen  hängt  die  hebungsfähig- 
keit  und  das  gegenseitige  tonverhältnis  mindertoniger 
Wortklassen  sehr  von  der  Wortstellung  ab,  da  ihr  tongewicht 
rhythmischen  einflüssen  unterliegt,  und  eine  Veränderung  der 
Wortfolge  auch  eine  Verschiebung  der  satz-  bez.  versrhythmischen 
bedingungen  nach  sich  zieht.  So  tritt  z.  b.  das  einsilbige  voll- 
verb  vor  dem  nomen  gewöhnlich  in  Senkung  und  steht  es  in 
enklise  zu  an  sich  tonlosen  partikeln  und  conjunctionen.  Da- 
gegen nimmt  es  nach  dem  nomen  am  versschluss  stets  die 
zweite  hebung  ein.  Ebenso  verhalten  sich  die  normalerweise 
proklitisch  verwendeten  Wortklassen  (Pronominaladverb,  pron, 
in  Verbindung  mit  einem  verb.  fin.,  desgleichen  präpositionen 
in  Verbindung  mit  einem  nomen),  insofern  sie  nachgestellt  am 
versschluss  stets  eine  hebung  erhalten.  Wie  weit  hier  der 
versrhythmus  den  satzrliythmus  widerspiegelt,  ist  im  einzelnen 
nicht  sicher  festzustellen.  Aus  versrhythmischen  gründen  allein 
empfangen  ohne  zweifei  die  stets  vorangehenden  relativa,  in- 
terrogativa,  partikeln  und  conjunctionen  eine  liebung.  —  Von 
grossem  einfiuss  ist  endlich  die  silbenzahl.    So  nimmt  z.  b. 


ALLITERATION  IM   EDD.  FORNYRDISLAG.  23 


K 


eine  einsilbige  pronominalform  nach  zweisilbigem  luiversclileif- 
baren  nomen  die  zweite  liebung  ein,  tritt  dagegen  in  enklise 
zu  diesem,  wenn  es  zweisilbig  versclileifbar  oder  einsilbig  ist. 
Ebenso  verhält  es  sich  mit  dem  einem  nomen  nachgestellten 
adverbium. 

§  67.  Zur  technik  der  Eddalieder  im  allgemeinen. 
Die  im  vorhergehenden  besprochenen  regeln  für  den  satzaccent 
sind  sämmtlich  nur  nach  solchen  fällen  formuliert,  wo  die  für 
sie  sprechenden  beispiele  etwa  75  o/o  aller  einschlägigen  belege 
betragen.  In  solchen  fällen  darf  man  jedenfalls  ohne  bedenken 
von  ausgeprägten  neigungen  sprechen.  Dass  sich  nicht  alles 
den  aufgestellten  hauptregeln  fügt,  ist  nicht  befremdlich,  weil 
sich  neben  den  hauptfactoren  auch  nebenfactoren  kreuzend 
oder  störend  geltend  machen  können.  Zu  diesen  factoren  ge- 
hört vor  allen  dingen  öfters  auch  mangelhafte  beherschung 
der  technik  seitens  der  dichter.  Spuren  schlechter  technik 
zeigen  sich  in  allen  Eddaliedern,  aber  in  einigen  häufiger  als 
in  den  anderen:  man  kann  darnach  die  lieder  geradezu  in 
eine  gruppe  guter  und  eine  gruppe  schlechter  technik  zer- 
legen. Dass  der  gegensatz  der  beiden  gruppen  mindestens  zum 
teil  mit  der  Chronologie  zusammenhängt,  ist  nach  den  analogien, 
welche  der  entwicklungsgang  der  ags.  dichtung  aufweist,  sehr 
wahrscheinlich.  Für  beide  literaturen  ist  doch  ein  gemein- 
samer ausgangspunkt  vorauszusetzen,  und  von  diesem  ent- 
fernen sich  die  lieder  der  zweiten  gruppe  mehr  als  die  der 
ersten.  Zur  letzteren  gehören  ohne  zweifei  prk.  Vsp.  Hdl. 
Bdr.,  vermutlich  auch  das  Brot.  Ueber  die  nur  wenig  Strophen 
umfassenden  fragmente  der  Rg.  und  Fäf.  lässt  sich  etwas 
sicheres  nicht  aussagen.  Zur  zweiten,  schlechteren  und  ev. 
jüngeren  gruppe  wären  HH.  1.  HHv.  Sg.  G]'.  1 — 3.  Od.  Ghv. 
zu  ziehen,  und  jedenfalls  auch  die  HH.  2  mit  ihren  zahlreichen, 
schweren  anomalien.  Dass  das  zweite  Helgilied  relativ  jung 
sei,  kann  man  nur  insofern  bezweifeln,  als  es  sprachmelodisch 
nicht  einheitlich  ist,  und  daher  auch  ältere  bestandteile  neben 
notorisch  jungen  enthalten  kann.  Grössere  Schwierigkeit  be- 
reiten Hym.  und  Vkv.  Namentlich  das  verhalten  der  Hym. 
lehrt  deutlich,  dass  mit  der  einfachen  Scheidung  zwischen 
'älter'  und  'jünger'  nicht  auszukommen  ist.  Vielmehr  zeigt 
auch  in  dieser  beziehung  die  eddische  dichtung  eine  entwick- 


236  WENCK 

lang-  in  zwei  entgegengesetzten  riditungen.  Die  eine  (kunst- 
niilssige  oder  sk.ildisclie)  scliafft  tote  Schemata  für  die 
Setzung  der  alliteratiou  und  hält  sie  mit  grosser  consequenz 
ein,  gerät  aber  dafür  oft  mit  dem  satzaccent  in  collision.  Die 
zweite  (volksmässige)  ^\i\\  in  erster  linie  den  anforderungen 
des  satzaccents  gerecht  werden,  leistet  dabei  aber  den  tech- 
nischen regeln  nicht  immer  genüge.  Ein  t3^pischer  Vertreter 
der  ersten  richtung  ist  die  Hym.  (sie  legt  besonders  in  der 
behandlung  der  pron.  grosse  Willkür  an  den  tag),  ein  Vertreter 
der  zweiten  die  Vkv.  mit  ihren  schweren  alliterationsfehlern. 
—  Zwischen  beiden  richtungen  bestehen  übrigens  sieher  auch 
Wechselwirkungen,  namentlich  ist  der  einfluss  der  'skaldischen' 
richtung  auch  auf  gedichte  unverkennbar,  die  sonst  mehr  der 
volkstümlichen  richtung  folgen.  Als  beispiel  hierfür  kann  man 
HH.  1  anführen. 

§  68.  Die  Setzung  der  alliteration  hängt  in  erster 
linie  vom  satzaccent  ab:  ein  dynamisch  dominierendes  wort 
muss  zur  auszeichnung  vor  dem  mindertonigen  wort,  das  die 
andere  hebung  bildet,  alleinige  alliteration  erhalten,  zwei 
dynamisch  coordinierte  Wörter  müssen  beide  an  der  alliteration 
teil  haben.  Die  wähl  von  X'  und  X-  hängt  in  zweiter  linie 
von  der  v er sbe tonung  ab:  N^  wird  von  dieser  in  den  typen 
A,  B,  C,  E,  N2  nur  im  typus  D  gefordert.  Doppelalliteration 
im  typus  A  ist  eine  besondere  kunstform,  aber  sie  ist  in  der 
Edda  im  ganzen  wenig  beliebt  und  kein  zeichen  für  dyna- 
mische coordination  der  beiden  hebungen.  X^  ist  eigentlich 
nur  im  typus  A  gestattet  und  hier  zui'  besonderen  kunstform 
ausgebildet. 

Unter  solchen  Verhältnissen  war  oft  ein  widerstreit 
zwischen  vers-  und  Satzbetonung  unvermeidlich,  nament- 
lich bei  versen,  in  denen  die  Satzbetonung  das  Schema  X^ 
forderte,  die  versbetonung  jedoch  nur  X^  zuliess  (B,  C,  E). 
Bei  diesem  widerstreit  konnte  einer  der  beiden  factoren  unter- 
liegen, es  konnte  aber  auch  eine  ausgleichung  zwischen  ihnen 
stattfinden,  und  zwar  durch  das  eintreten  von  doppelalliteration. 
Dieser  ausgleich  ist  das  nächstliegende,  und  auch  das  normale 
im  gegensatz  zu  dem  einseitigen  sieg  eines  factors,  der  eben 
Avegen  seiner  einseitigkeit  stets  eine  gewisse  härte  involviert. 
Allerdings  ist  der  Verstoss  bei  den  Schemata  B^  und  E^  leichter 


ALLITERATION   IM   EDD.   FOBNYRDISLAG.  237 

als  bei  B'  und  Ei  bei  gleicher  sprachlicher  fülliing-.  Im  all- 
gemeinen erweist  sich  der  satzacceut  als  der  stärkere  factor. 
Wegen  der  unzulässigkeit  des  Schemas  C^  muss  in  C-versen, 
deren  zweite  hebung  ein  stärker  betontes  wort  einnimmt,  stets 
doppelalliteration  eintreten,  widrigenfalls  sind  sie  als  A''  zu 
nehmen.  Ein  überwiegen  des  rhj^thmisch-melodischen  princips 
ist  in  vereinzelten  versen  des  Schemas  D^  bemerklich.  — 
Stehen  satz-  und  versbetonung  mit  einander  im  eiuklang,  so 
muss  das  auftreten  von  doppelalliteration  in  B,  C,  E  als  zu- 
fällig gelten  und  kann  höchstens  als  ausfluss  einer  besonderen 
freude  an  alliterationshäufung  betrachtet  werden, 

Parallele  und  gekreuzte  alliteration  beruht  wie 
doppelalliteration  auf  einem  compromiss  und  ist  daher  im  all- 
gemeinen als  beabsichtigt  anzuerkennen.  Einzelne  beispiele 
mögen  freilich  durch  blossen  zufall  herbeigeführt  sein,  bei 
andern  mag  es  sich  um  ein  streben  nach  erhöhung  der  form- 
wirkung  handeln. 

§  69.  Beim  vergleich  mit  der  technik  des  ags.  (soweit 
ein  solcher  jetzt  schon  möglich  ist)  ergeben  sich  zunächst 
einige  abweichuugeu  bezüglich  der  formelbildung.  Subst. 
+  gen.  verschmelzen  im  wgerm.  öfters  zur  toneinheit,  in  der 
Edda  dagegen  nur  an  sehr  zweifelhaften  stellen  (s.  124).  — 
Pronomina  poss.  und  indef.  können  im  ags.  normalerweise 
proklitisch  gebraucht  werden,  zwingen  dagegen  in  der  Edda 
das  folgende  zugehörige  subst.  in  enklise  zu  sich.  —  Eine 
specifisch  wgerm.  formelart  scheint  die  Verbindung  von  ab- 
hängigem subst.  mit  übergeordnetem  adj.  (part.)  zu  sein, 
da  sie  in  der  Edda  nirgends  zu  belegen  ist.  Ferner  ist  noch 
die  verschiedene  behandlung  der  präpositionen  im  Verhältnis 
zum  pron.  pers.  und  dem.  hervorzuheben.  Während  hier  im 
an,  die  enklise  des  pron.  regelwidrig  ist,  scheint  sie  dem 
wgerm.  ganz  geläufig  zu  sein. 

Bezüglich  der  alliterationsneigungen  der  einzelnen 
versarten  dürften  die  beiden  sprachzweige  im  wesentlichen 
übereinstimmen.  Ein  directer  vergleich  ist  noch  nicht  mög- 
lich, weil  einerseits  die  vorliegenden  statistischen  Unter- 
suchungen über  wgerm.  dichtungen  nicht  zwischen  normal- 
versen  und  erweiterten  versen  scheiden,  andrerseits  für  den 
vergleich  mit  dem  an,  nur  die  ersteren  in  betracht  kommen, 


238  WENCK,   ATJJTERATION    IM    EDD.    FORNYRDISLAG, 

da  die  letzteren  (besonders  D*,  E*,  vgl.  Sievers  §  22.  8)  doppel- 
alliteration  bevorzugen.  —  Eine  weitere,  leichte  dil'l'erenz 
zwischen  wgerm.  und  an.  besteht  ferner  darin,  dass  die  be- 
schwerung  der  Senkungen  durch  sprachliche  nebentöne  im 
wgerm,  doppelalliteration  erfordert,  im  an.  aber  für  die  wähl 
von  X'  oder  N'^  belanglos  ist, 

[Bericbtigiing:   S.  157,  z. 2  lies  'bez.  adv.'] 

LEIPZIG,  october  190-i.  HERBERT  WENCK. 


ZUR  LEHRE  VON  DEN  ACTIONSARTEN. 

§  1.  Durch  Untersuchungen  auf  dem  gebiete  der  Semasio- 
logie —  und  zwar  über  den  Vorgang  bei  der  adjectivierung 
von  participien  und  deren  Ursachen  —  bin  ich  dazu  geführt, 
in  der  in  letzter  zeit  eifrig  debattierten  frage  von  den  actions- 
arten  Stellung  nehmen  zu  müssen.  Dabei  bin  ich  zu  ansichten 
und  erwägungen  gekommen,  die  m.  w.  nirgends  ausgesprochen 
sind,  und  diese  möchte  ich  hiermit  vorlegen. 

§  2.  Es  dürfte  wol  nunmehr  als  eine  allgemein  anerkannte 
Wahrheit  gelten,  dass  man  in  fragen  der  Semasiologie  von  der 
eigenen  spräche  ausgehen  muss.  Indessen  hat  diese  erkenntnis 
in  der  vorliegenden  frage  zu  fast  nichts  geführt.  Zum  grossen 
teil  hat  dies  sicherlich  seinen  grund  darin,  dass  bisher  die 
grammatische  seite  der  frage  im  Vordergrund  gestanden  hat. 
Man  hat  sich  daher  fast  ausschliesslich  mit  solchen  sprachen 
beschäftigt,  in  denen  die  actionsarten  grammatische  kategorien 
entwickelt  haben;  wogegen  man  sprachen  fern  gehalten  hat, 
in  denen,  wie  man  meinte,  die  formellen  kriterien  versagen 
oder  in  denen  wenigstens  keine  regelmässigkeit  zu  entdecken 
war.    Dabei  ist  aber  folgendes  zu  bemerken: 

1.  Es  mag  wol  richtig  sein,  dass,  wenn  in  der  mutter- 
sprache  eines  forschers  die  actionsarten  keine  grammatischen 
kategorien  sind,  er  sich  zuerst  an  eine  spräche  hinwenden 
muss,  wo  dies  der  fall  ist,  um  überhaupt  ein  richtiges  Ver- 
ständnis dafür  zu  gewinnen,  was  die  actionsarten  sind.  Dann 
aber  wird  es  sich  sicherlich  lohnen,  auch  die  erscheinungen 
der  eigenen  spräche  genauer  ins  äuge  zu  fassen.  Dadurch 
gewinnt  man  eine  tiefere  auffassung  der  psychologischen  seite 
des  Problems.  Und  leer  braucht  man  sicherlich  in  keinem 
falle  bei  einer  solchen  Untersuchung  auszugehen,  denn: 


240  LINDROTII 

2.  AVenu  aucli  von  keiner  grammatisclien  kateg-orie  die 
rede  sein  kann,  so  gibt  es  auf  alle  fälle  ersdieinungen  auf 
syntaktischem  oder  semasiologischem  gebiet,  die  licht  auf  die 
frage  werfen  können,  wenn  anders  die  actionsarten  überhaupt 
in  der  betreffenden  spräche  eine  rolle  spielen  (vgl.  Herbig,  IF, 
6, 194).  Und  dass  dies  nicht  durch  das  fehlen  der  graninia- 
tischen  oder  formellen  kategorie  ausgeschlossen  ist,  braucht 
wol  nicht  hervorgehoben  zu  werden. 

3.  Solche  ergebnisse,  die  dem  persönlichen  lebendigen 
Sprachgefühl  entstammen,  sind  (vorausgesetzt  dass  man  durch 
eine  richtige  methode  den  gefahren  eines  zu  grossen  subjectivis- 
mus  aus  dem  wege  zu  gehen  versteht)  m.  e.  viel  zuverlässiger 
als  die  durch  Interpretation  von  texten  einer  toten  spräche 
gewonnenen.  Dass  übrigens  auch  im  letzteren  falle  der  sub- 
jectivismus  eine  beträchtliche  rolle  spielen  kann,  ersieht  man 
leicht  aus  der  bisher  über  die  frage  erschienenen  literatur. 

§  3.  Dass  ich  meine  muttersprache,  das  schwedische,  als 
Untersuchungsgebiet  gewählt  habe,  hoffe  ich  durch  das  gesagte 
gerechtfertigt  zu  haben.  Es  bedarf  keiner  näheren  begründung, 
wenn  ich  die  Überzeugung  ausspreche,  dass  die  Verhältnisse 
im  deutschen  im  grossen  und  ganzen  nicht  anders  liegen. 
Soweit  die  gröberen  umrisse  in  betracht  kommen,  habe  ich 
das  selbst  constatieren  können:  sie  lassen  sich  gewis  ohne 
weiteres  auf  das  deutsche  übertragen.  Bei  der  auswahl  der 
beispiele  aber  gebot  die  vorsieht,  das  deutsche  nur  in  un- 
zweifelhaften fällen  heranzuziehen.  Im  folgenden  sind  nur 
die  deutschen  Wörter  als  beispiele  aufzufassen,  die  wie  die 
schwedischen  citrsiv  gedruckt  sind');  die  übrigen  wollen  nur  als 
erklärende  (mehr  oder  weniger  genaue)  Übersetzungen  gelten. 

§  4.  Unter  actionsart  verstehen  \\ir  die  art  und  weise, 
wie  die  handlung  eines  verbums  vor  sich  geht.  Daher  gibt 
es  natürlich  streng  genommen  ebenso  viele  actionsarten  wie 
Verbalhandlungen.  A^'enn  wir  aber  von  gewissen  bestimmten 
actionsarten  reden,  so  beruht  das  auf  einer  abstraction,  inso- 
fern wir  die  verbalhandliingen  nach  gewissen  allgemeinen  merk- 
malen  beurteilen  und  als  verwant  oder  unverwant  empfinden. 


^)  Damit  will  ich  jedoch  nicht  behaupten,  dass  sich  das  deutsche  wort 
iu  allen  beziehungen  mit  dem  entsprechenden  schwedischen  decke. 


ZUR  LEHRE  VON  DEN  ACTIONSARTEN.  241 

AVillkürlicli  kann  diese  abstraction  nur  in  dem  falle  genannt 
werden,  dass  die  dabei  massgebenden  gesiclitspunkte  keine 
wirkliche  psychologische  bedeutung  haben.  —  A  priori  ist  es 
dabei  natürlich  möglich,  dass  verschiedene  sprachen  sich  hier 
verschieden  verhalten.  Die  bisherigen  Untersuchungen  lassen 
uns  aber  vermuten,  dass  wir  es  mit  fragen  allgemeinster  art 
zu  tun  haben,  die  auf  eine  allgemein  menschliche  art,  die 
äusseren  (und  nach  diesen  die  inneren)  Vorgänge  aufzufassen, 
hindeuten.  Abweichungen  im  einzelnen  sind  natürlich  immer 
möglich. 

§  5.  Man  hat  sich,  wie  gesagt,  bisher  vorwiegend  mit 
den  actionsarten  als  grammatischen  kategorien  beschäftigt. 
Hier  werde  ich  dagegen  mehr  bei  der  psychologischen  seite 
verweilen,  bei  den  verbalvorstellungen  selbst,  und  zwar  zu 
anfang  unabhängig  von  der  frage,  ob  die  differenzen  zwischen 
ihnen  sprachlichen  ausdruck  erlangt  haben  oder  nicht.  Wir 
werden  nachher  sehen,  ob  sich  auch  für  die  spräche  etwas 
neues  ergibt.  —  In  die  Sprachpsychologie  gelangen  wir  durch 
die  spräche.  Ich  gehe  also  vom  sprachlichen  ausdruck  aus; 
dieser  ruft  eine  Vorstellung  bei  mir  hervor,  deren  nähere  natur 
ich  studieren  will.  Das  grammatische  verbum  muss  also  der 
ausgangspuukt  sein.  Da  aber  die  Vorstellung,  die  von  dem- 
selben wort  hervorgerufen  wird,  in  verschiedenem  Zusammen- 
hang eine  verschiedene  ist,  so  erhebt  sich  die  frage,  wie  und 
wo  am  verbum  sich  etwas  festes  und  greifbares  finden  lässt. 
Es  ist  uns  hier  nicht  darum  zu  tun,  zu  ermitteln,  wie  die 
actionsart  dieses  oder  jenes  grammatischen  verbums  beschaffen 
ist,  auch  nicht  darum,  feine  nuancen  zu  constatieren,  sondern 
wir  wollen  die  haupttypen  der  verbalvorstellungen  finden. 
Wir  suchen  also  nicht  nach  zufälligen  bestimmungen,  sondern 
nach  etwas,  was  einer  jeden  verbalvorstellung  anhaftet,  auch 
wenn  man  sie  in  abstracter  allgemeinheit  vergegenwärtigt. 
Daher  sind  die  isolierten  Infinitive  das  geeignetste  material. 
Durch  sie  gelangen  wir  zu  der  sog.  'bedeutung  des  verbums 
an  sich'.')    Doch  sind  dabei  einige  einschränkungen  zu  machen. 


1)  Ich  weiss  recht  wol,  dass  es  nicht  richtig  ist,  diese  'bedeutuug  an 
sich'  ohne  weiteres  mit  dem  begriff  'actionsart'  gleichzustellen,  nicht  ein- 
mal, wenn  man,  wie  hier  geschehen  ist,  unter  der  'bedeutung  an  sich' 
nicht  die  bedeutung  der  wurzel,  sondern  die  eines  wirklichen  grammatischen 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche-     XXXI.  J[(5 


242  LiNDuoTn 

1.  Die  gramniatisclien  verba.  welclie  in  verschiedenen  Ver- 
bindungen vun  einander  allzu  abweichende  bedeutungen  haben, 
liefern  kein  greifbares  material,  -weil  allzu  mannigfaltige  as- 
sociationen  einspielen  und  daher  das  gemeinsame  (wenn  über- 
haupt auffassbar)  zu  abstract  wird. 

2.  Wir  müssen  ferner  auch  die  grammatischen  verba  aus- 
sondern, durch  die  überhaupt  keine  verbal  Vorstellungen  aus- 
gedrückt werden,  wie  z.  b.  abhängen  (in  übertragener  bedeu- 
tung).  abstammen.  Es  ist  hier  nicht  der  platz,  auf  diese 
fi'age  näher  einzugehen. 

§  6.  Die  frage,  die  zunächst  beantwortet  werden  soll, 
ist  also  die:  welche  actionsarten  (d.  h.  welche  hauptsächlichen 
tj'pen  der  verbalvorstellungen)  lassen  sich  unter.>^cheiden,  wenn 
wii"  die  soeben  dargestellte  methode  auf  das  moderne  jetzt 
gesprochene  schwedisch  anwenden  (das  hier  natürlich  durch 
die  spräche  des  Verfassers  vertreten  ist)?  Da  die  frage  auf 
das  sprachpsj'Chologische  gebiet  hinübergeführt  worden  ist, 
so  ist  es  von  vornherein  zu  erwarten,  dass  die  Verschieden- 
heiten der  auffassuug  zwischen  den  einzelneu  sprachen  des- 
selben Sprachstammes  unerheblich  sind.  Handelt  es  sich  ja 
hier  nicht  um  einzelne  grammatische  verba  oder  um  den 
sprachlichen  ausdruck  dieser  oder  jener  actionsart,  sondern 
um  die  art,  wie  Vorgänge  aufgefasst  werden,  die  uns  die 
Wirklichkeit  selbst  vor  äugen  führt.  Die  geführte  discussion 
hat  mich  auch  in  der  Überzeugung  bestärkt,  dass  ich  auch 
von  meinem  Standpunkt  aus  das  recht  habe,  oline  weiteres  an 
das  anzuknüpfen  und  über  das  zu  urteilen,  was  bisher  von 
anderen  in  diesen  allgemeinen  fragen  vorgeführt  worden  ist, 
ohne  zu  fürchten,  dass  ich  mich  einer  unzulässigen  Übertragung 
auf  fremdes  gebiet  schuldig  mache  (vgl.  Herbig  a.a.O.  s.  193). 


verbums  versteht,  wie  sie  in  der  abstractesten  form  zu  tage  tritt.  So  haben 
wir  ja  z.  b.  die  verschiedenen  tompnsstänime,  deren  jeder  die  actionsart  des 
verbums  beeintlnsst,  mag  ihre  bihlung  noch  so  wenig  vom  verbalstamm  ab- 
weichen. Man  spricht  ja  von  perfectischer,  vielfach  auch  von  präsen- 
tischer actionsart.  Dahingehürige  fragen  (unter  anderen  die  behandlung  der 
fälle,  wo  die  'natürliche'  actionsart  des  verbums  mit  der  des  tcmpusstammes 
in  conflict  konuut)  habe  ich  hier  absichtlich  übergangen;  erst  habe  ich 
prüfen  wollen,  inwieweit  sich  meine  ausführungen  im  allgemeinen  be- 
währen. 


ZUR  LEHRE  VON  DEN  ACTIONSARTEN.  243 

Die  Vorführung  meiner  ansichten  wird  daher  zugleich  die  form 
einer  kritik  erhalten. 

§  7.  Vom  slavischen  hat  man  die  Zweiteilung  in  perfec- 
tive  und  imperfective  verba  entlehnt.  Die  erstere  klasse 
ist  dann  (auch  mit  benutzung  der  slav.  terminologie,  vgl. 
Miklosich,  Vergl.  gramm.  der  slav.  spr.  i,  279)  in  momentan- 
perfective  und  durativ-perfective  verba  eingeteilt  worden 
(Streitberg,  Beitr.  15,  71  ff.).  Gegen  diese  terminologie  sind 
nun  verschiedene  einsprüche  erhoben  worden. 

Pedersen,  KZ.  37,  220  (vgl.  dens.,  IF.  Anz.  12, 153)  meint, 
dass  wir  am  besten  tun,  die  slav.  ausdrücke  zu  vermeiden, 
weil  wir  im  germ.  nichts  dem  slav.  System  völlig  entsprechen- 
des finden  können.  Es  ist  nicht  zu  verkennen,  dass  dabei 
vorwiegend  das  fehlen  eines  regelmässigen  formellen  kenn- 
zeichens  der  perfectivität  gegen  die  terminologie  bedenken 
erregt  hat.  Das  liegt  denn  auch  in  dem  wort  'system'  aus- 
gedrückt. Gegen  eine  solche  auffassung  ist  mit  recht  von 
Streitberg,  IF.  Anz.  11,58  hervorgehoben  worden,  dass  es  die 
actionsarten  sind,  für  die  wir  bezeiclmungen  schaffen  wollen, 
und  nicht  die  mittel,  durch  die  sie  ausgedrückt  werden. 
Und  dann  muss  es  (besonders  vom  vergleichenden  gesichtspunkt 
aus)  völlig  bedeutungslos  sein,  wenn  in  einer  spräche  eine 
gewisse  actionsart  zu  einer  grammatischen  kategorie  gekommen 
ist,  in  einer  anderen  aber  nicht.  Ferner  wird  es  nur  geeignet 
sein,  den  blick  für  das  innerlich  zusammenhängende  zu  trüben, 
wenn  man  einen  in  jenem  fall  gewählten  ausdruck  nicht  auch 
in  diesem  zulassen  will.')  Natürlich  müssen  wii'  uns  aber 
davor  hüten,  was  in  verschiedenen  sprachen  verschieden  ist, 
mit  demselben  namen  zu  bezeichnen.  Und  hier  begegnen  wir 
gleich  einer  der  fragen,  über  die  am  meisten  gestritten  worden 
ist.  Es  ist  behauptet  worden  (von  Mourek,  Anz.fda.  21, 195  ff.), 
dass  der  sinn,  in  welchem  der  ausdruck  'perfectiv'  im  germ. 
gebraucht  worden  ist,  wenigstens  teilweise  ein  anderer  sei  als 
der  den  man  bei  den  slav.  sprachen  hineinlegt.  So  meint  M., 
es  sei  ein  contradictorischer  gegensatz,  von  durativ-perfectiven 


^)  Ich  bin  jedoch  nicht  blind  dagegen,  dass  die  betreffende  actionsart 
in  jenem  fall  sicher  auf  einer  höheren  stufe  der  bewusstheit  steht  und 
somit  auch  schärfer  von  anderen  actionsarten  abgegrenzt  ist.  Das  ist  aber 
hier  belanglos. 

16* 


244  LINDKOTII 

verbell  zu  sprechen.  P^s  scheint  mir  auch  klar  (obgleich  ich 
meine  Unkenntnis  der  slav.  siiraclien  bekennen  niuss),  dass  wirk- 
licli  eine  verscliiebung  des  begriffes  'i)erfectiv'  auf  germ.  boden 
vorliegt,  schon  bei  den  ersten  forschern'),  die  sich  bemüht 
haben,  diese  actionsart  im  germ.  nachzuweisen.  ^\'ir  sind  m.  e. 
verpflichtet,  einem  forscher  wie  ]\Iourek  glauben  zu  schenken, 
und  wenn  es  uns  klar  scheint,  dass  die  begriffe  'durativ'  und 
'perfectiv'  wol  vereinbar  sind,  so  müssen  wir  daraus  schliessen, 
dass  wir  von  verschiedenen  dingen  reden.  "\\'ir  mögen  viel- 
leicht der  meinung  sein,  dass  der  name  'perfectiv'  sich  besser 
für  das  eignet,  was  wir  damit  bezeichnen  wollen;  wenn  aber 
der  abAveichende  gebrauch  im  slav.  feststeht,  so  tun  wir  am 
besten,  uns  nach  einer  anderen  bezeichnung  umzusehen.  Erst 
wenn  wir  keine  passende  finden  können,  bleibt  der  notbehelf, 
denselben  ausdruck  in  neuer  (dann  aber  deutlich  klai-gelegter) 
bedeutung  zu  gebrauchen. 

Nun  liegt  aber  die  sache  so,  dass  auch  für  das  slav.  die 
fassung  des  begriffes  'perfectiv'  keine  völlig  einheitliche  ist. 
Delbrück,  Vergl.  syntax  2, 146  ff.  hat  nämlich  diesen  ausdruck 
nur  für  die  mit  präposition  zusammengesetzten  verba  in  an- 
sprach nehmen  wollen,  in  der  meinung,  dass  eine  verbalvorstel- 
lung  erst  durch  den  hinzutritt  einer  solchen  perfectiviert  werde, 
d.  h.  nach  ihm  kommt  erst  dadurch  der  nebenbegriff  der  Vol- 
lendung hinzu.  Die  einfachen  verba  enthalten  nach  D.  eine 
einfache  anschauung  und  können  deshalb  nicht  'perfectiv'  ge- 
nannt werden.  Auch  hier  liegt  offenbar  eine  umdeutung  (oder 
sogar  eine  unrichtige  auffassung)  des  begriffes  vor.  Was  ist 
dann  aber  die  richtige  auffassung?  Ich  muss  mich  aus  dem 
oben  genannten  gründe  (meiner  Unkenntnis  des  slavischen) 
enthalten,  eine  positive  antwort  zu  geben.  Es  scheint  mir 
aber  klar,  dass  die  von  Streitberg  'momentan -perfectiv'  ge- 
nannten verba  die  sind,  die  den  slav.  perfectiven  am  nächsten 
stehen.  Ob  diese  begriffe  sich  vollkommen  decken,  wage  ich 
nicht  zu  entscheiden. 

§  8.  Betrachten  wir  nun  die  germ.  Verhältnisse,  so  kann 
ich  nicht  umhin  zu  finden,  dass  man  in  der  terminologie  (eben 
weil  man  das  germ.  nicht  ohne  Vorurteile  ins  äuge  gefasst 


•)  üeber  weitere  verscliiebnngeu  siehe  §  2. 


ZUR  LEHRE  VON  DEN  ACTIONSARTEN.  245 

hat)  ZU  viel  gewicht  auf  nebensächliche  dinge  gelegt  hat. 
Man  hat  von  'durativen',  'momentanen',  'punktuellen'  verben 
gesprochen. 

Was  die  terminologie  Streitbergs  betrifft,  so  Hess  sie  den 
unterschied  zwischen  verben  wie  liehen  und  scldagen  (s.  u.)  un- 
beachtet. Auch  das  letztere  wird  von  St.,  Beitr.  15,73  als  imper- 
fectiv  bezeichnet.')  Man  kann  aber  scldagen  sehr  gut  auch  unter 
die  klasse  der  'punktuellen'  verba  bringen,  nach  der  allgemeinen 
definition,  die  Delbrück  a.a.O.  s.  2, 14  gibt:  'punktuell  ist  eine 
action,  wenn  durch  sie  ausgesagt  wird,  dass  die  handlung  mit 
ihrem  eintritt  zugleich  vollendet  ist'.  Gegen  den  ausdruck 
'punktuell'  ist  aber  einzuwenden,  dass  er  ein  nebensächliches 
moment  (das  zeitliche)  allzu  sehr  hervorhebt.  Die  kritik,  der 
Sarauw,  KZ.  38, 145  ff.  diesen  begriff  unterworfen  hat,  scheint 
mir  daher  vollständig  berechtigt.  Doch  muss  ich  gestehen, 
dass  ich  auch  nicht  dem  von  Yostokov  hervorgehobenen  und 
von  Sarauw  daselbst  gebilligten  gesichtspunkt  (dass  es  näm- 
lich bei  jenen  verben  darauf  ankomme,  dass  die  handlung 
durch  eine  einzige  bewegung  ausgeführt  wird)  die  Wichtigkeit 
beizulegen  vermag,  dass  er  einer  klassiiicierung  der  actions- 
arten  zugrunde  gelegt  werden  könnte. 

§  9c  Nein:  von  psychologischem  gesichtspunkt  aus  fällt 
etwas  anderes  ins  gewicht. 

Um  den  verschiedensn  haupttypen  der  Verbalvorstellungen, 
die  im  schwed.  vorkommen,  auf  die  spur  zu  kommen,  habe  ich 
zuerst  eine  menge  verba  in  der  abstractesten  form  (im  Infinitiv) 
gesammelt.  Aus  einer  solchen  Sammlung  ergibt  sich  bald,  wenn 
sie  hinreichend  gross  gemacht  wird,  nach  welchen  merkmalen 
wir  die  Vorstellungen  als  verwant  empfinden.  Ich  wähle  aus 
meiner  Sammlung  folgende  drei  musterbeispiele  als  Vertreter 
der  drei  haupttypen,  die  sich  mir  ergeben  haben:  älslia  lieben  — 
slä  sclilagen  —  utmatta  ermatten.  Den  ersten  typus  finde  ich 
sehr  gut  durch  den  ausdruck  'cursive  actio nsart'  bezeichnet. 
Was  ich  unter  diesem  ausdruck  verstehe,  brauche  ich  nicht 
näher  anzugeben,  da  ich  ihn  in  der  bisherigen  bedeutung 
nehme. 

Es  ist  offenbar,  dass  die  beiden  anderen  klassen  einander 

*)  Seine  äusserung  gilt  allerdings  dem  slav.  bäi. 


246  LINDROTII 

näher  stehen  als  irgend  eine  von-  ihnen  der  cursiven.  Das 
gemeinsame  für  sie  ist,  dass  sie  beide  eine  handlang  be- 
zeichnen, die  von  einem  anfang  bis  zu  einem  end- 
Itunkt  fortschreitet.  Dabei  ist  es  unwesentlich,  wie  lange 
zeit  die  handliing  dauert  oder  ob  sie  durch  eine  einzige  be- 
wegung  ausgefiilirt  wird  oder  nicht.  Wollte  man  darauf  eine 
einteilung  bauen,  dann  müsste  man  z.  b.  slä  schlagen  von 
tuJcta  mächtigen  trennen,  wozu  ich  (in  dieser  beziehung)  keinen 
grund  sehe.  Und  da  man  wol  gestehen  muss  (vgl.  Sarauw 
a.a.O.  s.  147),  dass  auch  die  kürzeste  handlung  anfang  und 
ende  hat,  so  scheint  es  mir  richtig,  auch  bei  einer  solchen 
von  einem  fortschreiten  zu  sprechen.  An  diesem  gemeinsamen 
kennzeichen  festhaltend  fasse  ich  die  beiden  klassen  unter  dem 
namen  successive  actionsart  zusammen,  die  ich  also  der 
cursiven  gegenüberstelle. 

Nun  wollen  wir  zusehen,  worin  der  wesentliche  unterschied 
zwischen  einem  verb  wie  utmatta  und  einem  wie  5/«  besteht. 
Man  hat  überhaupt  diesen  unterschied  zu  sehr  unbeachtet  ge- 
lassen. Bei  Delbrück  und  Brugmann  (Kurze  vergl.  gramm. 
s.  493  ff.)  finde  ich  ihn  nicht  bezeichnet,  ob  wol  die  beiden  ge- 
lehrten keineswegs  im  zweifei  sein  würden,  wo  sie  die  beiden 
genannten  verba  in  ihrem  s^-stem  unterzubringen  hätten. 

§  10.  Nach  meiner  meinung  liegt  der  wesentliche  unter- 
schied darin,  dass  bei  slä  die  handlung  selbst  das  wich- 
tige ist,  das  worauf  es  ankommt.  Ich  erhalte  die  Vorstellung 
einer  durch  anfang  und  schluss  deutlich  begrenzten  handlung. 
Dagegen  ist  bei  utmatta  das  resultat  der  handlung  das, 
Avorauf  es  besonders  ankommt.  Ich  weiss  wol,  dass  ich 
mit  diesen  Worten  nichts  sage,  was  nicht  überall  und  fast  von 
allen  anerkannt  wäre.  Es  scheint  mir  aber,  dass  man  die 
beiden  klassen  nicht  hinreichend  auf  einander  bezogen  hat. 
Die  erste  hat  man  vielmehr  der  'cursiven'  entgegengestellt, 
und  daraus  sind  die  ausdrücke  "'durativ'  und  'punktuell'  her- 
vorgegangen. 

Aus  einer  ähnlichen  betrachtungsweise  ist  denn  auch  die 
discussion  darüber  hervorgegangen,  ob  es  im  germ.  sog.  'punk- 
tuelle simplicia'  gibt  oder  nicht.  Streitberg  hat  Beitr.  15, 
103ff.  IF.  Anz.  11,  61  bekanntlich  die  existenz  solcher  verba 
angenommen.    Delbrück  trägt  dagegen  a.a.O.  2, 124 ff.  eine 


ZUR  LEHRE  VON  DEN  ACTIONSARTEN.         247 

abweichende  auffassimg-  vor,  er  macht  sich  aber  dabei  eines 
offenbaren  Widerspruchs  schuldig.  Er  geht  nämlich  davon 
aus,  dass  'punktuell'  (bei  ihm)  und  'momentan-perfectiv'  (bei 
Streitberg)  'im  vorliegenden  fall'  identische  begriffe  seien,  und 
da  er  (aus  gründen,  die  meistens  der  gotischen  textkritik  ent- 
stammen und  daher  wenigstens  zum  teil  zu  subjectiv  sind)  den 
betreffenden  verben  (darunter  auch  got.  giban)  eine  perfec- 
tivität  im  sinne  Streitbergs  nicht  zugestehen  kann,  so  können 
sie  bei  ihm  auch  nicht  'punktuell'  genannt  werden.  Er  nennt 
sie  terminativ.  S.  146  sagt  er  aber  von  dem  slav.  danii, 
dass  die  wui^zel  'die  einfache  anschauung  des  hingebens  ent- 
hält, und  diese  anschauung  setzt  sich  in  der  slav.  form  fort, 
die  deshalb  richtiger  punktuell  als  perfectiv  genannt  wird'. 
Dieser  Widerspruch  oder  diese  doppelheit  der  terminologie  ist 
von  Streitberg,  IF.  Anz.  11,61,  fussnote  herausgefühlt  worden, 
dem  es  'unklar  geblieben  ist,  in  welchem  Verhältnis  diese  art 
»terminativer«  simplicien  zu  einer  andern  klasse  von  verben 
wie  hausjan  und  taujan  steht,  die  nach  Delbrück  s.  156.  157 
gleichfalls  »terminative«  actionsart  haben'. 

Die  Sache  klärt  sich  vielleicht,  wenn  wir  den  begriff 
'terminativ'  bei  Delbrück  näher  ins  äuge  fassen.  Termi- 
nativ ist  nach  ihm  (a.  a.  o.  s.  15)  eine  action,  'wenn  ausgesagt 
Avird,  dass  eine  handlung  vor  sich  geht,  doch  so,  dass  ein 
terminus  ins  äuge  gefasst  wird,  sei  dieser  nun  der  ausgangs- 
oder  der  endpunkt'.  Dieser  fassung  des  ausdrucks  'terminativ' 
hat  sich  Meltzer,  IF.  12,  320  'ohne  vorbehält'  angeschlossen. 

§  11.  Zu  dieser  definition  ist  zweierlei  zu  bemerken. 
Erstens  muss  zugegeben  werden  (vgl.  auch  Meltzer  a.a. o. 
s.  320,  der  sich  jedoch  besonders  gegen  Brugraanns  definition 
wendet),  dass  die  grenze  zwischen  'terminativ'  und  'perfectiv' 
recht  fliessend  wird,  besonders  wenn  wir  dabei  festhalten,  dass 
diese  letztere  actionsart  eine  einfache  anschauung  ist,  dass 
also  von  keinem  'hinzutritt'  die  rede  sein  kann.  Zweitens 
frage  ich,  ob  wirklich  die  gegebene  definition  auf  die  verba 
passt,  die  D.  s.  124  ff.  zu  den  terminativen  rechnet.  Ich  setze 
dabei  voraus  (was  kaum  als  zu  kühn  betrachtet  werden  kann), 
dass  die  got.  simplicien  dieselbe  actionsart  haben  "wie  ihre 
(nhd.    und)   schwed.   entsprechungen,    dass   also   brigyan   sich 


2t8  LINDROTII 

ähnlich  wie  schw.  hringu '),  finjxin  wie  finna,  gihan  wie  gifva, 
liausjnn  wie  hära  u.s.w.  verhält.  Auf  die  verba,  bei  denen 
solche  entsprechungen  fehlen,  lasse  ich  mich  nicht  ein.  Be- 
trachten wir  zuerst  z.  b.  das  verb  finna.  Kann  man  sagen, 
dass  dies  in  seiner  allgemeinheit  eine  Vorstellung  ausdrückt, 
in  der  irgend  ein  bestinmiter  terminus  besonders  ins  äuge  ge- 
fasst  wird?  So  viel  ich  sehe,  ist  hier,  wenn  überhaupt  irgendwo, 
die  ganze  handlung  'in  einen  einzigen  punkt  zusammengedrängt'. 
Das  verb  müsste  daher  nach  Delbrück  'punktuell'  genannt 
werden,  und  würde  dies  zweifelsohne,  wäre  nicht  die  doppelte 
fassung  dieses  begriffes  hinderlich  gewesen. 

§  12.  Wenn  ich  nun  fifina  mit  slä  und  utnmita  (meinen 
oben  ausgewählten  beispielen)  vergleiche,  so  finde  ich,  dass 
das  für  slä  als  charakteristisch  hervorgehobene  auch  hier  zu- 
trifft. Nun  aber  z.  b.  hringa.  Hier  ist  es  unzweifelhaft  mög- 
lich, dass  die  handlung  eine  beträchtliche  dauer  in  anspruch 
nimmt:  aber  passt  nicht  auch  hier  das  von  slä  gesagte?  Oder 
ist  hier  wirklich  das  besonders  hervortretende,  dass  ein  terminus 
(hier  dann  natürlich  der  endpunkt)  hervorgehoben  wird,  im 
vergleich  zu  dem  die  handlung  selbst  in  den  hintergrund  tritt? 
Ich  gebe  zu,  dass,  wenn  ich  z.  b.  sage  bring  mir  das  buch, 
ich  meinen  wünsch  nicht  eher  als  erfüllt  betrachte,  als  ich 
das  Ijuch  in  der  haud  habe,  und  dass  es  hier  also  einen  ter- 
minus für  die  handlung  gibt.  Nur  kann  ich  nicht  finden,  dass 
dieser  endpunkt,  wie  Delbrück  sagt,  besonders  "ins  äuge  ge- 
fasst  wird',  was  wol  besagen  soll,  dass  die  handlung  selbst  in 
den  hintergrund  tritt.  Vielmehr  bezeichnet  bringa  eine  verbal- 
vorstellung,  die  durch  ihre  eigene  natur  an  einem  be- 
stimmten punkt  aufhört,  unabhängig  davon,  ob  dieser 
oder  jener  moment  der  handlung  besonders  ins  äuge 
gefasst  wird.  Und  nun  endlich  ein  solches  verb  wie  höra, 
got.  hausjan,  das  von  Delbrück  ebenfalls  "tcrminativ'  ge- 
nannt wird,  von  Streitberg  aber  (IF.  Anz.  11, 61,  fussnote) 
'zu  einer  anderen  klasse  von  verben'  gerechnet  wird.  Bei 
diesem  verb  ist  zuerst  zu  beachten,  dass  es  (isoliert  gesprochen) 
eine  ziemlich  unbestimmte  Vorstellung  hervorruft,  weil  es  in 


0  Nbd.  bringen  wird  ja  vou  D.  s.  15  ausdrücklich  als  termiuativ  be- 
zeichnet. 


ZUR  LEHRE  VON  DEN  ACTIONSARTEN.  249 

seiner  usuellen  bedeutung  mehrere  wesentlich  verschiedene 
Unterbedeutungen  vereinigt.  Bald  bezeichnet  es  'die  fähigkeit 
des  hörens  besitzen',  bald  'etwas  mit  den  obren  vernehmen', 
bald  endlich  noch  allgemeiner  'erfahren'.  Wir  haben  also  hier 
einen  fall  vor  uns,  wo  ein  und  dasselbe  verb  verschiedene  actions- 
arten  aufweist  (vgl.  §  18).  Daher  ist  es  nicht  geeignet,  als  typi- 
sches beispiel  zu  dienen.  Nun  handelt  es  sich  aber  im  vorliegen- 
den fall  (s.Delbrück  a.a.o.2,156)  um  die  bedeutung  'vernehmen'. 
Und  dann  gilt  auch  von  diesem  verbum  das  oben  gesagte. 

Aehnlich  scheint  mir  die  sache  zu  liegen  bei  allen  verben, 
die  man  (mit  recht,  vgl.  unten)  als  terminativ  bezeichnet 
hat,  wie  auch  bei  denen,  die  punktuell  genannt  worden  sind. 
So  viel  ich  sehe,  können  wir  diese  beiden  gruppen 
getrost  zusammenschlagen. 

§  13.  Wenn  es  nun  gilt,  für  diese,  durch  slä  exemplifl- 
cierte  gruppe  einen  nanien  zu  finden,  so  sehe  ich  nicht  ein, 
warum  wir  den  ausdruck  terminativ  nicht  beibehalten 
könnten.  Es  wird  dabei  in  das  wort  nichts  hineingelegt,  was 
nicht  schon  darin  liegt.  In  seinen  bisher  üblichen  anwen- 
dungen')  ist  es  dagegen  nicht  mehr  nötig:  —  wie  aus  dem 
gesagten  hervorgehen  dürfte.  Terminativ  nenne  ich  also 
die  verba,  die  eine  handlung  bezeichnen,  die  durch 
ihre  eigene  natur  zeitlich  begrenzt  ist  und  selbst 
das  centrale  in  der  Vorstellung  bleibt. 

§  14.  Ich  werde  nun  einige  beispiele  dieser  actionsart 
aus  dem  schwed.  (und  deutschen,  vgl.  §  3)  geben.  Dabei  ver- 
weise ich  auf  das  oben  §  5  gesagte,  in  Übereinstimmung  womit 
ich  nur  solche  beispiele  vorführe,  die  eine  verhältnismässig 
scharf  ausgeprägte  und  einheitliche  bedeutung  aufweisen. 

aga  vgl.  züchtigen  bringa    bringen 

antasta    antasten  byta    tauschen 

bedja    bitten;  beten  dyJca    tauchen 

bekänna    bekennen  clöma    urteilen,  richten 

besjunga    besingen  falla    fallen 

betala     bezahlen  fela  fehlen,  einen  fehler  begehen 

bita    beissen  finna    finden 


')  Dahin  zähle  ich  auch  die  von  Pederseu,  IF.  Anz.  12, 153  vor- 
geschlagene, da  sie  den  unterschied  zwischen  verhen  wie  slä  und  utmatta 


unberücksichtigt  lässt. 


250 


LINDhOTII 


fräga    fnnjen 

fuda    gehären 

förräda    verraten 

försiimnia    versäumen 

(jifva    gehen 

gissla    geissein 

glönuna    vergessen 

hejda    hemmen 

hitta  vgl.  finden 

hjälpa    helfen 

hugga    hauen 

häda  vgl.  lästern 

hämta    holen 

kasta     werfen 

lajssa    Jcüsscn 

l-öpa    Jiaufen 

Ijuga    lügen 

higga    zausen 

hjda  vgl.  gehorchen 

lyfta  (lüften),  heben 

läna    leihen 

mana    mahnen 

muta  vgl.  bestechen 

möta    begegnen 

narra    narren 

nicl'a    nicken 

niga  vgl.  knicksen 

nysa    niesen 

nämna     nennen 

uffra    opfern 

okvüda  vgl.  schimjyfen 

jiiska    peitschen 

plantera    pflanzen 

plikia    Hissen 

plocka    pflücken 

profva    probieren 

pri/gla    prügeln 

puffa    puffen 

ringa     klingeln,  läuten 

ropa    rufen 

röfva    rauhen 

rösta    stimmen,  votieren 

se    sehen 

segra    siegen 

sila    seihen 

skicka     schicken 

i<ki/mfa  {be)sch  impfen 


skädu    schauen 

skä)ika    schenken 

slunga    schleudern 

slä     schlagen 

smacka  vgl.  schnalzen 

smaka    kosten,  schmecken 

smäda    schmähen 

spola    spülen 

sporra    spornen 

spotta    spucken 

sticka    stechen 

stjäla    stehlen 

straffa    strafen 

studsa  vgl.  prallen 

störa    stören 

stöta   stossen 

sucka    seufzen 

svara    antworten,  erwidern 

svärja    schwören 

synda    sütidigen 

säga    sagen 

sülja    verkaufen 

sänila    senden 

tacka     danken 

tadla    tadeln 

taga     nehmen 

träffa     treffen 

tukta    züchtigen 

uppjrepa     widerholcn 

utkora   erküren,  erwählen 

varsna    erblicken 

vinna    gewinnen 

Visa    zeigen 

vittna    zexigen 

vülja    ivählcn 

vülkomna    bewillkommnen 

välsigna    segnen 

rärfva    werben 

värja    wehren 

ympa     impfen 

yttra    äussern 

äkalla     anflehen 

ärfra    erben 

öfverfalla    überfallen 

öfverläta    überlassen 

öfvcrsätla    übersetzen 

öfverträda    übertreten. 


ZUR   LEHEE   VON   DEN   ACTIONSARTEN.  251 

§  15.  Ich  gehe  nunmehr  zu  der  klasse  von  verben  über, 
die  ich  oben  durch  iiimatta  ermatten  exemplificiert  habe. 
Diese  sind  ja  diejenigen,  die  jetzt  allgemein  perfectiv  ge- 
nannt werden,  wenigstens  von  denen,  die  noch  die  einfache 
Zweiteilung  in  perfective  und  imperfective  verba  beibehalten 
haben  (s.  z.  b.  Paul,  Abh.  der  philos.-philol.  kl.  d.  k.  bayr.  ak.  d. 
wissensch.  22, 1, 162).  Ich  bin  oben  zu  dem  resultat  gelangt, 
dass  wir  vielleicht  beim  germ,  gut  tun,  den  ausdruck  zu  ver- 
meiden, unter  der  Voraussetzung,  dass  das  slav.  perfectiv  etwas 
anderes  ist,  etwas  was  für  unsere  auffassung  von  keiner  oder 
untergeordneter  bedeutung  ist.  Dagegen  ist  der  ausdruck 
resultativ  hier  an  seinem  platz'),  obwol  auch  er  mehrfache 
deutungen  erfahren  hat.  S.  hierüber  Herbig  a.a.O.  s.  204  ff., 
der  selber  den  begriff  'resultativ'  ausscheidet,  weil  er  keine 
'nennenswerten  ausätze  einer  grammatischen  kategorie  aufzu- 
weisen hat'.  Es  ist  eine  traurige  sache  um  alle  diese  aus- 
drücke, die  bald  in  einer,  bald  in  einer  anderen  bedeutung 
auftreten.  Meistens  rührt  diese  Verwirrung  davon  her,  dass 
man  zu  keiner  eiuigkeit  darüber  gelangt  ist,  welche  differenzen 
und  distinctionen  in  einer  gewissen  spräche  von  Wichtigkeit 
sind  und, welche  nicht.  So  lange  dies  der  fall  ist,  scheint  es 
mir  jedoch  besser,  einen  als  zweckmässig  befundenen  ausdruck, 
auch  wenn  er  schon  andere  Verwendung  gefunden  hat,  aufzu- 
nehmen, als  aus  dieser  oder  jener  rücksicht  einen  neuen,  viel- 
leicht weniger  passenden  zu  gebrauchen.  Die  forderung  klarer 
definition  muss  jedoch  immer  aufrechterhalten  werden. 

§  16.  Ich  gebrauche  also  für  die  in  rede  stehende  gruppe 
den  ausdruck  resultativ,  und  ich  bezeichne  damit  die  verba, 
die  das  erreichen  eines  resultates  ausdrücken,  und 
zwar  eines  solchen,  das  zugleich  als  das  ziel  eben 
dieser  handlung,  deren  ganzer  Charakter  dadurch  be- 
stimmt wird,  und  als  etwas  dem  verbum  gegenüber 
selbständiges  neues  aufgefasst  wird. 

Ich  werde  nun  einige  beispiele  dieser  actionsart  geben: 


')  Wie  ja  auch  Streitberg-  ihn  alternativ  in  demselben  siun  wie  'per- 
fectiv" gebraucht. 


I-IN1)K0TII 


afijöra    entscheiden 

(tßida  vgl.  sterben 

aflägsna     entfernen 

hedröfva     belrühcn 

brdnra     betören 

bedöfva     betäuben 

befläcka    beflecken 

befria     befreien 

bckläda     bekleiden 

belasta    belasten,  beladen 

bemanna    bemannen 

bereda    bereiten 

beslöja     versehleiern 

bestryka    bestreichen 

besudla    besudeln 

besä    besäen 

beisla    zäumen 

beveka    beicegcn 

beväpna    bewaffnen 

blanka  blank  machen 

blcka    bleichen 

blckna    erbleichen 

blidka     besänftigen 

blotta    cntblössen 

blända     blenden 

blöta    nässen 

bokna    molschen 

böja    biegen 

dämpa    dämpfen 

enn    einigen,  einen 

eröfra    erobern 

falnn    fahl  oder  falb  werden 

fjättra    fesseln 

fläcka    (be)flecken 

frälsa    erlösen 

fukta    (be)fcuchten 

fullhorda  vollführen,  vollbringen 

fnUkomna    vcrrollkommnen 

fi/lla    fidlen 

fänga    fangen 

fära    furchen 

färga    färben 

fasta    festigen 

förarga    ärgern 

fOrbittra    verbittern;  erbittern 

förblnffa     verblüff oi 

furdärfva    verderben 


förena    verein(ig)cn 

förenkla    vereinfachen 

förgylla    vergilben 

förse    versehen 

förstöra    zerstören 

förrandla     ver)ca)tdcln 

garfva    gerben 

gistna    leck  werden 

glädja    (er)freuen 

grtimla    trüben 

gräna    grau  werden,  ergrauen 

gidna     vergilben 

hclga    heiligen 

hvitna  weiss  werden 

hyfsa  vgl.  sittigen 

häpna    erstaunen 

härskna    ranzig  werden 

höja     erhöhen;  erheben 

indcla    einteilen 

i7mesluta    einschliessen 

inskränka  einschränken,  beschränken 

jämna     ebnen 

kullna    erkalten 

klacka  (einen  schuh)  mit  absatz 

versehen 
klarna    klar  werden 
khjfva    spalten 
kläda    kleiden 
korka    korken 
korsfästa    kreuzigen 
krgdda    Avnrzeu 
kröka    krümmen 
lindra    lindern 
Ijusna  hell  werden 
lossna  vgl.  loslassen  intr. 
higna     beruhigen 
Viagra     magern 
m  ildra     m  ildern 
minska  (ver)m  indem 
mjukna    enveichen  intr. 
mog)ia    reifen  intr. 
mnlna    sich  bewölken 
m  nrkna    (ver)m  ersehen 
inätta    sättigen 
mörkna    dunkel  werden 
remna    bersten,  reissen 
rensa    reinigen 


Zur  lehre  von  den  actionsarten. 


253 


släcka 

smutsa 

smälta 

snärja 

sonina 

splütra 


ruttna  {ver)fauJen 
rynka    runzeln,  falten 
rädda    retten 
samla    sammeln 
sjukna    erkranken 
skafta  Schäften 
skärpa    schärfen 
slapjJna    erschlaffen 
slockna    erlöschen  intr. 

erlöschen  tr. 

beschmutzen 

schmelzen 

umgarn  en,  um  stricken 

einschlafen 

{zer)splittern 
sprida  vgl.  zerstreuen 
spränga    sprengen 
stelna    erstarren 
stillna    still  werden 
stränga    besaiten 
stympa    verstümmeln 
styrka    stärken 
störta  tr.  stürzen 
surna  (ver)sauem 
svalka    abkühlen 
svullna  (an)schwellen 
svärta    schivärzoi, 
sära    verwunden 
sänka    senken 
söfva    (ein)schläfern 
Sandra    sondern 
tillfredsställa    befriedigen 
tillreda    zubereiten,  zurichten 
tjudra    tüdern 


tjtisa    entzücken 

tjära    (an)teeren 

torka    trocknen 

trötta    ermüden  tr. 

tröttna    ermüden  intr. 

tysta    beschivichtigen 

tystna    verstummen 

tämja  vgl.  bändigen 

tända  (an)zünden 

täta    dichten 

uppbygga    erbauen 

nppdaga    entdecken 

uppegga    antreiben,  aufstacheln 

uppenbara    offenbaren 

uppfostra    erziehen 

uppmuntra    ermuntern 

upprätta    aufrichten 

urarta    entarten 

utarma  verarmen  tr. 

utrota    ausrotten 

vakna    erwachen 

vaxa    ivachsen  tr. 

vecka     falten 

vidga     erweitern 

vissna    (ver)welken 

vänja    getvöhnen 

värma  {er)ivärm  en 

väta    nässen 

äterställa  widerherstellen 

ändra    ändern 

öfvertyga    überzeugen 

öka    vermehren 

öppna    öffnen. 


§  n.  Wer  diese  beispielsammluug  diirclimustert,  wird 
gewis  betreffs  des  einen  oder  andern  verbs  im  zweifei  sein, 
oder  meinen,  dass  ich  es  unrichtig-  beurteilt  habe.  Das  dürfte 
erstens  daher  kommen,  dass  die  mit  einem  (isoliert  aus- 
gesprochenen) grammatischen  verbum  verknüpften  associationen 
individuell  wechseln,  wobei  sich  denn  auch  die  usuelle  bedeu- 
tung  verschiebt.  Zweitens  ist  zu  beachten,  dass  die  actions- 
arten keine  starren  kategorien  mit  scharfen  grenzen  sind. 
Daher  sind  die  verschiedensten  stufen  zu  beobachten.  Wenn 
wir  also  auch  im  princip  die  verschiedenen  actionsarten  gut 


254  LINOROTH 

auseinander  halten  können,  so  stösst  docli  die  klassificierung 
einzelner  verba  oft  auf  sclnvierigkeiten.  Eben  deshalb,  weil 
es  in  der  praxis  so  viele  Übergänge  gibt,  müssen  wir  uns  bei 
der  constatierung  einer  actionsart  an  das  allgemeinste  halten, 
und  um  dieses  hervortreten  zu  lassen,  habe  ich  beispiele  in 
verhältnismässig  grosser  menge  vorgeführt. 

§  18.  Eine  beträchtliche  anzahl  von  verben  gehört  be- 
kanntlich verschiedenen  actionsart en  an,  und  der  isolierte 
Infinitiv  lässt  sich  daher  unter  keine  bestimmte  einzelart  sub- 
sumieren. Wie  schon  angedeutet,  finden  sich  gewis  solche 
auch  unter  den  oben  angeführten  beispielen;  aber  wenn  ich 
im  zweifei  war,  habe  ich  es  mir  zur  regel  gemacht,  nur  dann 
resultative  bez.  terminative  actionsart  anzusetzen,  wenn  mir 
die  zunächst  liegende  Umschreibung  des  verbalbegriffs  eine 
sichere  andeutung  gab.  Sonst  habe  ich  das  verb  weggelassen. 
Solche  verba,  die  sowol  terminativ  als  resultativ  fungieren 
können,  sind  z.  b.  nach  meiner  auffassung  hedraga  hetrügcn, 
hnjta  brechen,  gripa  greifen,  hölja  hüllen. 

§  19.  Ich  möchte  nun  einige  punkte  besprechen,  die  mit 
der  oben  gegebenen  klassificierung  in  Zusammenhang  stehen. 
Einige  verba  machen  unleugbar  eine  gewisse  Schwierigkeit, 
obwol  sie  eine  verhältnismässig  einheitliche  usuelle  bedeutung 
aufweisen.  So  z.  b.  slwna  schonen,  underläta  unterlassen.  Die 
Schwierigkeit  liegt  hier  darin,  dass  die  betreffenden  verba 
eigeiitiich  das  ausbleiben  einer  handlung  besagen;  wir  können 
ihnen  jedoch  (auf  grund  von  associationen  verbaler  art,  z.  b.  mit 
ihrem  gegensatz)  die  verbale  natur  nicht  absprechen.  —  Be- 
denken anderer  art  erregen  verba  wie  tyna,  das  leider  deutscch 
nicht  genau  widergegeben  werden  kann  (die  Deutschen  drücken 
ungefähr  dasselbe  mit  hinsiechen  aus,  das  doch  wol  unbedingt 
resultativ  ist).  Es  bezeichnet  eine  successive  handlung,  der 
aber  nicht  die  Vorstellung  von  einer  grenze  anhaftet.  Es  fällt 
unbestreitbar  ausserhalb  der  von  mir  (und  so  viel  ich  sehe  auch 
ausserhalb  der  von  anderen)  angenommenen  actionsarten.  Das- 
selbe scheint  der  fall  zu  sein  bei  tänja  dehnen,  sjunJia  sinlien, 
Icrympa  schrtwijifen,  äldras  altern.  Doch  dürften  die  fälle  nicht 
zahlreich  sein,  wo  in  der  lebendigen  rede  nicht  doch  irgend 
eine  begrenzung  durch  andere  Wörter  gegeben  wird.  Gewöhn- 
lich geschieht  dies  wol  durch  eine  präpositiou:  fgna  af{aftyna), 


Zur  lehre  von  den  actionsarten.  255 

tyna  hört  und  tänja  ut  (iittänja)  ausdehnen  sind  ja  viel  ge- 
wöhnlicher als  die  einfachen  verba;  tyna  kommt  eigentlich 
nur  in  der  Verbindung  en  tynanäe  tillvaro  vor.  So  lange  nicht 
nachgewiesen  ist,  dass  hier  eine  grössere  gruppe  vorliegt, 
können  wir  wol  für  diese  actionsart  einen  besonderen  namen 
entbehren. 

§  20.  Hiermit  bin  ich  auf  die  präpositionen  zu  sprechen 
gekommen.  Die  grosse  rolle,  welche  die  präpositionen')  bei 
der  'perfectivierung'  spielen,  ist  ja  von  den  meisten  forschern 
hervorgehoben  worden.  Delbrück  leugnet  ja  a.a.O.  s.  146 ff, 
sogar  ^perfective'  bedeutung  ausserhalb  der  composition.  Dies 
ist  mit  recht  bestritten  worden.  Doch  ist  zu  beachten,  dass 
die  einfachen  verba,  die  von  Streitberg,  Beitr.  15, 103  als 
'perfectiv'  bezeichnet  worden  sind,  im  allgemeinen  als  'termi- 
nativ'  betrachtet  werden  müssen.  Jedoch  ist,  wie  man  aus 
der  obigen  liste  ersieht,  die  anzahl  unzweideutig  resultativer 
einfacher  verba  im  schwed.  sehr  gross.  Doch  gibt  meine 
beispielsammlung  keine  rechte  idee  von  dem  Verhältnis  ein- 
facher und  zusammengesetzter  resultativer  verba,  einmal  weil 
sie  ohne  berücksichtigung  dieses  gesichtspunktes  aufgestellt 
worden  ist,  vor  allem  aber,  weil  im  schwed.  im  gegensatz 
zum  deutschen  die  präposition  bei  den  meisten  zusammen- 
gesetzten Verben,  den  sog.  unechten  compositis,  in  der  lexika- 
lischen form  dem  Infinitiv  nachfolgt.  Zwar  könnte  es  wahr- 
scheinlich dünken,  dass  wir  in  diesen  fällen  eine  auch  psycho- 
logisch losere  Verbindung  vor  uns  hätten  als  in  den  sog. 
echten  compositis.  Doch  dürften  im  schwed.  diese  letzteren 
im  allgemeinen  ihr  dasein  analogischer  Übertragung  aus  solchen 
formen  verdanken,  wo  die  fügung  immer  fest  ist:  aus  den 
part.  pass.  (act.  bei  den  intr.)  und  (in  älterer  zeit)  dem  verbuni 
finitum  in  nebensätzeu.  Eine  feste  composition  braucht  also 
nicht  eine  festere  psychologische  Verbindung  anzudeuten;  wir 
haben  völlig  das  recht,  auch  z.  b.  läsa  u})p  anfschliessen  (eine 
tür),  siwiclca  ut  aufbrechen  (von  blumen)  als  einheitliche  verba 
zu  betrachten.  Auch  im  schwed.  sind  vermutlich  die  mit 
präpositionen  zusammengesetzten  resultativa  in  der  mehrzahl. 
Doch  besteht   in   diesem   punkt  gewis   ein  unterschied   vom 


1)  Vom  jetzigen  Standpunkt  richtiger:  die  adverbien. 


256  LINDROTH 

deutschen,  das  verhältnismässig  wenig-  einfa<he  resultativa 
besitzt;  vgl.  jedoch  die  beispielsammlung. 

§  21.  Ebensowenig  nun  wie  wir  im  schwed.  nur  aus  der 
tatsache,  dass  ein  verbum  nicht  componiert  ist,  irgendwelche 
Schlüsse  betreffs  seiner  actionsart  ziehen  dürfen,  ebensowenig 
weist  umgekehrt  die  composition  auf  eine  bestimmte  actionsart 
hin.  Denn  ein  zusammengesetztes  verbum  kann  ebensowol 
cursiv  (z.  b.  heundra  heivundern)  oder  terminativ  (s.  oben)  sein 
wie  resultativ.  Ob  sich  für  diese  Verteilung  irgendwelche 
regeln  aufstellen  lassen,  darüber  w\age  ich  mich  nicht  zu 
äussern,  da  ich  entsprechend  umfangreiche  materialsammlungen 
nicht  besitze, 

§  2"^.  Unter  den  einfachen  resultativen  verben  ist  beson- 
ders eine  gruppe  zu  bemerken,  nämlich  die  verba  auf  -na. 
Diese  haben  ja  im  got.  ilire  entsprechung  in  den  verbis  auf 
-nan.  Diese  klasse  scheint  mir  bisher  nicht  richtig  beurteilt 
worden  zu  sein.  Man  hat  sie  'inchoativ'  genannt  (Egge, 
Amer.  Journ.  of  Phil.  7,  38  ff.  Streitberg,  Beitr.  15. 105  f.  und 
Urg.gr.  s.  278.  Braune,  Got.  gr.*  s.  81)  und  sie  ganz  richtig 
mit  griech.  verben  wie  yiiQaoxco  und  lat.  senesco  auf  eine  linie 
gestellt.  Sind  nun  diese  aber  wirklich  'inchoativ'?  So  viel 
ich  sehe,  müssen  wir  unter  einem  inchoativen  verbum 
ein  solches  verstehen,  das  den  beginn  oder  das  ein- 
treten einer  handlung  (irgendwelcher  art)  besagt. >) 
Also,  wenn  z.  b.  in  einer  spräche  ein  verbum  'anfangen  zu 
arbeiten'  bedeutet,  dann  liegt  ein  inchoatives  verbum  vor. 
Jene  verben  besagen  aber  (wie  allgemein  anerkannt)  das  ein- 
treten in  einen  zustand.  So  bedeutet  z.  b.  kallna  'kalt 
werden',  guhia  'gelb  werden'.  So  viel  ich  sehe,  haben  wir 
es  hier  mit  resultativen  verben  zu  tun,  die  sich  von  den  ge- 
wöhnlich sog.  perfectiven  in  keiner  weise  unterscheiden.  Auch 
habe  ich  nicht  gehört,  dass  man  die  entsprechenden  deutschen 
mit   er-    zusammengesetzten    verba    wie    erkalten,    erschlaffen 


')  Wenn  Streitberg,  Beitr.  15, 94  sagt,  ein  'inchoatives'  verb  be- 
zeichne nicht  'den  eintritt  schlechthin',  sondern  'die  allmälige  entwicklung, 
den  zusammenliitngcnden  Übergang  ans  einem  zustand  in  den  andern',  so 
kann  ich  darin  nur  eine  form  resultativer  actionsart  sehen.  Und  doch 
stellt  St.  eben  'inchoativ'  im  gegensatz  zu  'ingressiv',  das  nach  ihm 
'nur  eine  erscheinungsform  der  perfectiven  actionsart  ist". 


^ÜR  LEHRE  VON  DEN  ACTIONSARTEN.  257 

(scliw.  slappna),  ermüden  (schw.  tröUnu)  'inchoativ'  genannt 
liat.  Die  erklärung,  wie  man  zu  einem  solchen  ausdriick  ge- 
kommen ist  (eine  erklärung,  die  wol  in  erster  linie  die  ter- 
minologie  der  klassischen  sprachen  betrifft)  ist  wol  die:  man 
beobachtete  bei  diesen  verben  einen  eintritt  von  etwas, 
beachtete  aber  nicht,  dass  dies  etwas  ein  zustand  ist,  der  erst 
als  resultat  am  ende  der  durch  das  verbum  ausgedrückten 
handlung  hervortritt,  mag  diese  handlung  kurz  (das  ist  gewis 
das  gewöhnlichste  und  daher  am  leichtesten  irreführende)  oder 
verhältnismässig  lang  sein.  Das  letztere  ist  z,  b,  wol  gewöhn- 
lich der  fall  bei  tröttna  ermüden,  glesna  'dünn,  licht  werden'. 
Der  name  'inchoativ'  wäre  hier  nur  berechtigt,  wenn  z.  b. 
Jcallna  'anfangen  kalt  zu  werden',  gulna  'anfangen  gelb  zu 
werden'  bedeuteten.  Dass  sie  aber  dies  nicht  tun,  beweist  der 
umstand,  dass  man  ganz  gut  sagt:  den  sjuJces  händer  hörja 
redan  Imllna  'die  bände  des  kranken  fangen  schon  an  zu  er- 
kalten', löfven  hör  ja  gulna  'die  blätter  (der  bäume)  fangen  an 
gelb  zu  werden'. 

§  2B.  Die  zuletzt  behandelten  verba  bieten  ein  gutes 
beispiel  dafür,  wie  sich  die  begriffe  verschieben  können.  Wenn 
der  begriff  'perfectiv'  in  der  bedeutung,  in  der  er  jetzt  ge- 
wöhnlich (z.b.  von  Paul  a.a.O.)  genommen  wird,  damals  geläufig 
gewesen  wäre,  als  der  ausdruck  'inchoativ'  geschaffen  wurde, 
so  ist  es  nicht  unmöglich,  dass  man  auch  jene  verba  zu  den 
perfectiven  gezählt  haben  würde,  statt  einen  neuen  ausdruck 
zu  suchen.  Es  wäre  aber  unmöglich  gewesen,  dann  zugleich 
im  griech.  aorist  den  ausdruck  der  perfectivität  zu  finden. 
Diejenigen  die  das  getan  haben,  müssen  unter  'perfectiv'  etwas 
ganz  anderes  verstanden  haben.  Ich  glaube,  es  ist  sehr  rätlich, 
einen  so  vieldeutigen  ausdruck  zu  vermeiden. 

§  24.  Noch  viele  punkte  verdienten  hier  erörtert  zu 
werden,  ich  würde  aber  dadurch  zu  sehr  ins  einzelne  geführt. 
Eine  frage  muss  aber  beantwortet  werden,  ehe  ich  schliesse, 
die  nämlich,  ob  die  besprochenen  actionsarten  irgend  eine 
sprachliche  bedeutung  haben.  Man  hört  ja  vieles  gegen  die 
predigen,  die  nur  mit  logischen  gesichtspunkten  an  die  spräche 
herantreten.  Dies  kann  wol  in  vielen  fällen  seine  berechtigung 
haben.  Es  würde  aber  vieles  immer  uneiitdeckt  bleiben,  wenn 
mau  sich  stets  au  die  äussere  seite  hielte,  und  die  innerliche 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche,    XXXI.  YJ 


258  LINDUOTII 

nur  zur  controlle  heranzöge.  "Wir  müssen  oft  mit  der  logik 
(richtiger  der  psycliologie)  der  spräche  anfangen,  dann  aber 
auch  natürlicli  unsere  ergebnisse  mit  hilfe  der  spraclie  corri- 
gieren  —  wenn  möglich:  denn  das  ist  es  nicht  immer;  natür- 
licli gewinnt  aber  in  solchen  fällen  das  rein  logisch  erschlossene 
an  Sicherheit. 

§  25.  Die  actionsarten  sind  im  scliwed.  nicht  gramma- 
tische kategorien  in  dem  sinne,  dass  man  sogleich  aus  irgend 
einer  isolierten  verbalform  ersehen  könnte,  welche  actionsart 
vorliegt.  ^)  Dadurch  ist  aber  (wie  oben  in  §  2  hervorgehoben 
wurde)  nicht  gesagt,  dass  alle  sprachlichen  kriterien  versagen. 
Ich  verweise  in  dieser  beziehung  auf  das  von  Streitberg, 
IF.  Anz.  11, 61  gesagte,  wo  auf  ein  rein  syntaktisches  mittel, 
gewisse  actionsarten  zu  unterscheiden,  aufmerksam  gemacht 
worden  ist.  Gibt  es  auch  etwas  derartiges,  das  für  meine 
oben  gegebene  einteilung  spricht? 

§  26.  Was  erstens  die  Scheidung  zwischen  cursiver  und 
successiver  actionsart  betrifft,  so  finde  ich  dieselbe  auch  von 
sprachlicher  seite  gerechtfertigt.  Es  ist  nämlich  —  obgleich 
überraschend  spät 2)  —  erkannt  worden,  dass  ein  part.  pass. 
eines  cursiven  verbums  usuell  präsentische,  das  eines 
successiven  dagegen  präteritale  bedeutung  hat.^)  S.  hier- 
über z.  b.  N.  Beckman,  Spräkpsjivologi  och  modersmälsunder- 
visuing,  Lund  1899,  s.  88  und  Paul  a.a.O.  s.  162  ff. 

§  27.  Sodann  aber  der  unterschied  zwischen  termiua- 
tiver  und  resultativer  actionsart.  Diese  beiden  gehen  ja 
vielfach  in  einander  über,  viele  verba  fungieren  einmal  ter- 
minativ,  ein  anderes  mal  resultativ.  "Wir  können  demnach 
kaum  erwarten,  dass  sich  gemeingiltige  kriterien  aufstellen 


1)  Nur  die  vou  eiuem  adjectivuui  abgeleiteten  verba  auf  -)ia  scbeiuen 
im  allgemeinen  unzweideutig  zu  sein,  vgl.  jedoch  bcrijcH  hläna  i  fjärran 
'die  berge  blauen  in  der  ferne'. 

'■')  Und  obgleich  die  schulgrammatikcn  im  allgemeinen  nichts  davon 
sagen.  Auch  Biugmann  scheint  diese  allgemeine,  noch  immer  wirksame 
regel  nicht  erkannt  zu  haben,  wenn  er  IF.  5, 102  die  präsentische  bedeutung 
eines  part.  wie  lat.  laudatiis  aus  der  alten  nominalen  natur  des  part. 
herleitet. 

^)  Der  Satz  ist  natürlich  mit  hinsieht  auf  die  einteilung  in  imperfec- 
tive  (durative)  und  perfeclive  verba  formuliert  worden. 


ZUR  LEHRE  VON  DEN  ACTIONSARTEN.  259 

lassen.  Audi  weiss  ich  nur  eine  beobaclitung  von  grösserer 
tragweite  heranzuziehen,  und  zwar  eine  von  grösstenteils 
sprachgeschichtlicher  natur.  Sie  ist  der  erscheinung  ent- 
nommen, deren  Studium  mich  zu  den  hier  vorgeführten  an- 
sichten  geführt  hat:  der  adjectivierung  von  participien.  Die 
ergebnisse,  zu  denen  ich  gelangt  bin,  kann  ich  hier  weder 
näher  begründen  noch  im  einzelnen  vortragen.  Ich  muss  sie 
vorläufig  (insofern  sie  die  hier  behandelte  frage  betreffen)  nur 
in  der  form  einer  behauptung  hinstellen. 

Es  handelt  sich   um   die  adjectivierung  von  participien 
des  passivums.    Wenn  man  das  material,  das  sich  sowol  aus 
der  Sprachgeschichte  als  aus  der  lebendigen  spräche  darbietet, 
ein  wenig  überblickt,  so  ergibt  sich  bald,  dass  die  adjectivierten 
participien  teils  solche  sind,  die  ihre  bedeutungsverschiebung 
einem    speciellen    syntaktischen    Zusammenhang    oder    irgend 
einem  anderen  besonderen  umstand  verdanken,  teils  solche, 
wo  derartige  Ursachen  nicht  zu  entdecken  sind,  sondern  wo 
die  adjectivierung  lediglich  aus  der  natur  des  verbums  selbst 
hergeleitet  werden  muss.    Natürlich  kann  man  in  vielen  fällen 
im  zweifei  sein,  welcher  von  den  beiden  Massen  ein  particip 
angehört,  aber  in  allen  sicheren  fällen  der  letzteren  kategorie 
wird  man  finden,  dass  die  adjectivierung  der  resultativen 
actionsart  des  verbums  zuzuschreiben  ist.    Einige  bei- 
spiele  werden  das  eben  gesagte  deutlicher  machen.    Wenn  ich 
z.  b.  von  hlandade  Mnslor  gemischten  gefühlen  spreche,  so  ist  es 
klar,  dass  wir  es  mit  einem  fall  der  ersten  art  zu  tun  haben, 
weil  wir  uns  nicht  denken  können,  dass  das  moment  des  mis- 
billigens  oder  des  misvergnügten,  das  im  part.  liegt,  schon  am 
verbum  hafte:   es  entstammt  erst  dem  occasionellen  gebrauch 
des   particips.     Ebenso  wenn   ich   z.  b.  von   en  sola  kvicJxJiet 
einem  gesiicMen  iviUe  rede,  hinsichtlich  des  schlechten,  mis- 
lungenen.    Anders  liegt  dagegen  die  sache  z.  b.  bei  förvänad 
erstaunt,  framätlutad  vornüber  geneigt,  uttröttad  ermüdet.   Hier 
liegen  fälle  der  zweiten  art  vor.    Dem  gesagten  widerspricht 
nicht  die  tatsache,  dass  es  fälle  der  zweiten  klasse  gibt,  wo 
noch  specielle  umstände  hinzukommen,  die  isolierung  des  par- 
ticips vom  verbum  zu  veranlassen  und  demzufolge  den  adjec- 
tivischen  Charakter  noch  unstreitiger  zu  machen.    Ich  sage: 
noch   unstreitiger,  denn  auch  hier  (bei  der  Verschiebung  von 

17* 


2G0  LINDROTII,   ZUR   LEHUE   VON   DEN   ACTIONSARTEK. 

part.  zu  adj.)  handelt  es  sich  um  eine  entwicklung,  von  der 
die  verschiedensten  stufen  möglich  sind. 

Mit  diesen  andeutungen  muss  ich  mich  hier  begnügen. 
§  28.  Nach  alledem  scheint  es  mir,  dass  der  oben  em- 
pfohlene ansatz  einer  'cursiven'  und  einer  'successiven' 
actionsart,  welche  letztere  dann  in  'terminative'  und 
'resultative'  zerfällt,  sowol  den  sprachpsychologen  als  den 
Philologen  befiiedigen  könnte.  Es  bleibt  allerdings  noch  zu 
prüfen,  wie  weit  er  auf  andere  sprachen  anwendbar  ist,  als 
auf  die  hier  von  mii-  herangezogenen,  das  schwedische  und 
das  deutsche. 

LUND,  im  mai  1905.  HJALMAR  LINDROTH. 


IVENS  SAGA  UND  BEVIS  SAGA 

IN  COD.  HOLM.  CHART.  46,  fol. 

Unter  den  bücliern,  die  einst  dem  norwegisclien  bischof 
Arne  Sigurdsson  angehört  hatten  und  die  später  nach  Yad- 
stena  gebracht  wurden '),  befand  sich  eine  truia  saga  &  hrutus 
mg.,  die  V.  Gödel  versucht  hat  mit  der  wahrscheinlich  1G97 
verschollenen  bok  Orm  Snorrasons  zu  identificieren.^)  Für  die 
meisten  darin  enthaltenen  sagas  sollen  indessen  die  1690 — 91 
von  dem  isländischen  amanuensis  in  Stockholm  Jon  Vigfusson 
gefertigten  copien  einen  leidlichen  ersatz  gewähren.  3) 

Der  nach  weis,  dass  Yigfusson  das  buch  Arnes  (wol  ende 
des  13.  jh.'s  geschrieben)  direct  copiert  habe,  ist  für  unsere 
kenntnis  der  ursprünglichen  gestalt  der  suörlandasogur  und 
deren  späteren  Umarbeitungen  von  ganz  wesentlicher  bedeutung. 

Nun  ist  dabei  zu  bemerken,  dass  die  betreffenden  copien 
Vigfussons  in  besonders  schlechtem  rufe  stehen.  Dies  gilt 
nicht  bloss  von  der  modernisierten  sprachform,  den  Verunstal- 
tungen der  namen  u. s.w.,  sondern  von  der  redaction  selbst. 

Dass  Vigfusson  kein  sorgfältiger  copist  war,  steht  fest; 
für  kleinere  abänderungen  machen  wir  ihn  jedenfalls  verant- 
wortlich. Leider  sind  die  citate  Gödels  viel  zu  knapp,  als 
dass  wir  die  vorläge  mit  Sicherheit  beurteilen  könnten,  allein 
es  scheint  aus  seinen  belegen,  sowie  aus  seinen  sonstigen  be- 
merkungen  hervorzugehen,  dass  die  Verschlechterungen  im 
grossen  ganzen  schon  in  Orms  buch  vorhanden  waren. 

Für  mehrere  abschritten  ist  indessen  der  beweis  besonders 
schwach,  indem  davon  nur  gesagt  wird,  dass  die  betreffenden 


')  G.  Storm,  Norsk  bist,  tidsskrift,  2.  f.,  bd.  2,  185—192. 
2)  Antiqv.  tidskr.  för  Sverige,  bd.  16,  20—33. 
ä)  V.  Gödel,  Nordiska  studier  s.  357—374. 


202  BÖlJTKEIi 

ScOgas  im  inhaltsverzeiclinis  der  alten  membrane  ang-efülirt 
^varen,  und  dass  keine  andere  vorläge  nai-ligewiesen  ist.  Aber 
wie  steht  es  mit  der  vorläge  der  anderen  in  denselben  folio- 
bänden enthaltenen  abschriften  Vigfussons?  Woher  stammt 
z.  b.  seine  copie  von  Fertram  und  Plato? 

Wenn  wir  für  die  in  frage  kommenden  abschriften  eine 
sehr  alte  vorläge  annehmen,  so  ist  von  vornherein  zu  erwarten, 
dass  sie  mitunter  auch  ursprünglichere  züge  und  bessere 
lesungen  aufweisen  als  die  anderen  handschriften.  Das  trifft 
z,  b.  für  die  Erex  saga  zu,  wie  aus  den  vielen  von  Cederschiüld 
beigebrachten  belegen  zur  genüge  erhellt.  Vigfussons  copie 
der  Partalopa  saga  bietet  auch  in  vielen  beziehungen  einen 
ursprünglicheren  text  als  die  von  Klockhoff  benutzten  hand- 
schriften.") In  demselben  bände,  cod.  Holm,  chart.  46,  fol., 
sollten  noch  die  beiden  sagas  von  Iven  und  Bevis  aus  Orms 
buch  abgeschrieben  sein. 

Ich  bin  der  Verwaltung  der  kgl.  bibliotliek  in  Stockholm 
dafür  zum  dank  verpflichtet,  dass  sie  mir  die  hs.  in  Kristiania 
zur  Verfügung  gestellt,  und  mir  somit  ermöglicht  hat,  der  fi'age 
etwas  näher  zu  treten.  2) 

I.   Ivens  saga. 

In  beiden  ausgaben  der  Ivens  saga  lässt  Kölbing  cod. 
Holm.  Chart.  48,  fol.  unberücksichtigt,  da  er  darin  eine  späte 
redaction  sieht,  'wol  erst  aus  dem  17.  jh.,  die  für  unsere  zwecke 
ganz  wertlos  ist'  (Saga-bibl.  lieft  7,  s.  xiii).  Die  handschriften, 
die  er  für  seine  ausgaben  ausschliesslich  verwertet  hat,  sind: 

AM.  perg.  489,  4"  =  B  (Kälund,  no.  1261;  15.  jh.). 

Cod.  Holm.  perg.  6,  40  =  A   (Güdel,  Kgl.  bibl.  handl.  19, 

s.  401;  um  das  jähr  1400), 

AM.  Chart.  588a,  4«   =  C   (Kälund,  no.  1466;  ende  des 

17.  jh.'s). 

Da  Kölbing  C  für  eine  copie  von  A  hält,  hat  er  die 
erstere  hs.  einfach  zur  Vervollständigung  der  hs.  A  benutzt 
(gedruckter  text  s.  120,43  lionuni  bis  s.  122,25  ihngafnUan\  die 


^)  S.  meine  studie  über  Partenopeus  de  Blois,  Vid.-selsk.  skr.  2,  liist.-fil. 
kl.  no.  3,  Kristiania  l'JOi. 

')  Die  anderen  Codices  werden  von  mir  uicbt  untersucht  werden. 


IVENS   SAGA   UND   BEYIS  SAGA.  263 

absclirift  wäre  also  zu  einer  zeit  genommen,  wo  die  lücke  der 
Stockholmer  lis.  noch  nicht  vorhanden  war. 

Die  in  den  beiden  Codices  angeführten  notizen  über  ihre 
früheren  besitzer  machen  schon  diese  annähme  zweifelhaft. 
Die  ziemlich  ausführliche  mitteilung  Arne  Magnussons  über 
die  ihm  1703  von  Magnus  Markusson  geschenkte  hs.  C  ist 
hier  von  besonderem  Interesse.  Danach  hat  der  copist,  Magnus 
Olafsson,  dieselbe  nach  einem  exemplar  gefertigt,  das  von  (wol 
einem  andern)  Magnus  Markusson  geschrieben  sei,  und  dessen 
vorläge,  'wenn  Magnus  sich  recht  erinnere',  ein  buch  in  folio 
sein  sollte.') 

Vigfussons  copie,  die  vnr  als  V  bezeichnen  werden,  macht 
es  noch  unwahrscheinlicher,  dass  C  aus  A  abgeschrieben  sei. 

Dem  frz.  texte  v.  1814  entsprechend  bietet  B  s.  40, 14 
er  liom  or  Äbess  wtt;  A  ändert  den  namen  ab:  er  Jiom  ör 
Benjamins  cett.  C  gibt  dagegen  at  enginn  slikr  var  fceddr 
fyrr  ör  Cdins  cett  =  V  at  ehiginn  slikur  var  fcedäur  fyrr  or 
Cains  ^tt. 

Der  gemeinsame  fehler  und  die  gemeinsame  lesart  können, 
wie  unten  gezeigt  werden  soll,  schwerlich  aus  A  geflossen 
sein.  "Wir  können  nur  sagen,  dass  C  mit  A  sehr  nahe  ver- 
want  ist. 

Was  die  anderen  fünf  hss.  betrifft,  die  Kölbing  ebenfalls 
für  copien  von  A  hält,  so  habe  ich  keine  gelegenheit,  diese 
annähme  nachzuprüfen. 

B  A  C  weichen  sehr  unbedeutend  von  einander  ab,  wo- 
gegen y  meist  eine  davon  verschiedene  redaction  aufweist. 
Da  die  formen  hier  in  der  regel  modernisiert  sind,  können 
fast  nur  inhaltliche  Varianten  in  betracht  kommen. 


1)  Arne  IMaguiissou  bemerkt  ferner:  'seigest  Magnus  hafa  undaufellt 
mestann  ordafioldaun,  og-  alleiuasta  observerad  seusum  efnisseus,  og  bafi 
hitt  exemplared  vered  miklu  vitl^ftigra  og  ordfyllra  J^essu'.  Dies  stimmt 
scblecbt  zu  dem  umstand,  dass  C,  A  und  B  im  grossen  ganzen  dieselbe 
redaction  repräsentieren.  C  kann  also  nicbt  durch  eine  im  17.  jb.  vor- 
genommene durchgreifende  kürzung  entstanden  sein.  Die  kürzuug  ist 
jedenfalls  älter  als  B. 


261  BÖDTKER 

Gemeinsame  oder  ähnliche  lesarten  von  VA  bez.  C  gegen  B'): 
Stets  Ivcnt  (B  li-en  wuä  jfvoit);  s.  2, 1  Ä'o/noi/yj-]  fehlt,  6  *L(incelol  (B  Xou- 
telat,  vgl.  riiddarasügnr);  9,1  *i  hendi  skr  sleyyiu  eina  miJda  {B  eina  mar- 
slcij(iju);  29,  13  ^loiti  par  rhlandi  eirn  liiddan':  36,2  */j'"  ^''  ^'on  rar  henuar 
Ei'uJgiafci  (fehlt  in  B),  9  *(j€fi  hann  ßier;  38,8  "daiidur;  64,11  *sJcaut 
sier  Df/r  (B  fugla);  70,8  sfyrÄ  (B  emi  fi/rm  IH);  76,3  /«i  (B  h«),  6  wort- 
stellnng:    sneri pü  ...  ok  skreid;    78,4  desgl.:  undir  fyrr  nefnda  KeUdu, 

6  desgl.:    at  hann  fiell  näliga,    17  ek   (B  vier  ai):    80,3  seigir  (B  7a-«t)), 

7  *j6<vV  bera  at  micr  svik,  11  *ek  hefvur  meira  Harm  cnn  pü;  82,3  vid] 
fehlt;  83,8  Kothcer,  12  so/ca  erfiO"  s/ia(7«  (A  skada  gera,  B  nur  sa/ra); 
85,10  sva  framt  at;  86,12  er  litt  var  Ijüst;  87,8  diarßiga  (B  hart). 

VB  gegen  A  (wahrscheinlich  AC'^:  8.^,2  *Kcysari;  3,6  *Kale- 
hrand  (fehlt  in  A);  54,4  *her  kominn]  fehlt;  60,8  o/c  .svp  iS7{>^»r;  61,13 
we/V  Oiu  Tülf  Mänudir,  vgl.  frz.  v.  2678  und  schw.  v.  1969;  65,1  Wort- 
stellung: umm  Mgrkina  laupü;  67,12  Alias  (B  *Alies,  A  Aletis);  10,2  *ok 
fijlg  mier  til  Kastala  minnar  (fehlt  in  A);  71,8  Framrcid  (A  framggngu), 
10  ?v7ta  (A  friöa);  12,1  peirra  {Xpeniui);  15,7  Atburd  (X  hlut),  3  ihugadi 
(A  hugsadi),  veita  (fehlt  in  A),  11  gigrde  Grand  (B  granda,  A  nü);  16,5 
*siöan  i  sundr]  fehlt,  7  S)?en  (A  snyr),  8  rceifj  s?«  Trine  (A  scwi  /m»n  iv7rft 
hidja  ser  friÖar);  77,2  Fylgiara  (A  /^7</());  78,9  /V«  hgnv.mm  (fehlt  in  A); 
19.1  sialfsvolldimm  (X  själfs),  6  er  (A  vcrri);  80,3  par  sein  (A  pviat), 
4  pangad  sem  (A  /tccrf  er);  81, 13  nü  (fehlt  in  A);  83,  7  rikugligan  (A  s/cr- 
kligan),  3  saÄYt,  s.  oben;  85, 5  SrtHi«irt?fH  vgl.  B  srt»i/"oc(7(Z,  A  SflWi&on«; 
86,9  ftdlt  (A  «??»•))  87,2  *digur  okpruttinn  (fehlt  in  A),  3  hardi  (A  ^rtwit)/), 
4  härri  Bgddu  (fehlt  in  A),  7  hcrklceddur  (fehlt  in  A);  88,2  af  a/r//  fofc 
JrcHf  (A  er  eigi  kom  d  hann  svä,  at  hann  sakaöi),  A  Jgtnininnm  (Ahonum). 
B  schliesst  89, 4). 

Unsere  hs.  weist  eine  ganze  reihe  von  kiirzung-en.  nm- 
stellungen  und  g-esclimacklosen  Zusätzen  auf.  Einige  proben 
dieser  Verunstaltungen  des  textes  teilt  Kölbing,  Eiddarasögur 
s.  X  mit.  Bei  den  besonders  zahlreichen  abstreicliungen  kommt 
es  auf  den  sinn  des  satzes  gar  nicht  an;  z.  b.  s.  3, 1  lionumjr 
sat  i  hdsceti  sinu,  oh  fölkit  var  sem  gladast  heisst  in  V  einfach 
Kongurinn  sat  i  sinu  Hdsceti  sem  (jladastur.  Sonderbar  bleibt 
es  nur,  dass  der  gedruckte  text  s.  102, 0  bis  113,11  sich  fast 
■wortgetreu  in  V  widerfiudet.  Die  grosse  lücke  (s.  97,  14), 
welche  frz.  v  4692— 5115  und  schw.  v.  3584— 4039  umfasst''), 
ist  auch  in  \  vorhanden. 


')  Von  Vollständigkeit  der  belege  kann,  auch  wegen  des  knappen 
Variantenapparates,  keine  rede  sein,  rrsprüuglichcre  lesungeu  werden 
durch  ein  Sternchen  markiert. 

-)  Kölbing  führt  keinen  unterschied  au. 

8)  S.  Eiddarasögiir  s.  127. 


IVENS  SAGA  UND   BEVIS  SAGA.  265 

Neben  den  besprochenen  nenerungen  kommen  nun  aber  in 
V  mehrere  lesarten  vor,  die  in  keiner  anderen  lis.  überliefert 
sind,  und  die  wir  als  mehr  oder  weniger  ursprünglich  betrachten 
dürfen. 

S.  40, 14  s.  unten. 

S.  59, 14  3Iin  h'cera  Frü  =  frz.  v.  2549,  schw.  v.  1879  mm  hicertce  karce. 

S.  61, 15  (vg-1.  Kölbings  note):  Oh  eirn  Dag  sem  cd  Jiann  sat  sem  gla- 
dastur  meäiir  Kgppum  Artus  Köngss  i  hans  Hgll. 

S.  65,  3  gaf  hgnumm  Bigghrauä,  vgl.  frz.  v.  2849  D'orge  pestriz  atot 
la  paillc.  In  der  Eufemia  visa  lieisst  es  nur  v.  2126  bröäh.  Möglicherweise 
ist  Biggbraud  als  stereotyp  zu  fassen,  vgl.  Flovent  cai^.  v,  Fornsögur  s.  128, 17 
bgghleifa. 

S.  69,  6  nam  stadar  ä  einumm  Vetti  itndir  einu  Tre  =  frz.  v.  3016 
Bcrrierc  nn  graut  chasne  s'areste,  imcl  schw.  v.  2220  sidJian  bort  ij  sJco- 
ghin  gar. 

S.  89,  7  fiöra  syne  ydra  =  frz.  v.  4274  si  quatre  fd,  schw.  v.  3204  nur 
idhrce  sönir.  Die  möglichkeit  ist  freilich  da,  fiöra  dem  vorhergehenden 
fjöra  s.  86, 14  zu  entnehmen. 

S.  89,  9 — 12  lautet  in  V:  Hertiiginn  mcellte:  huad  sJcidumm  vier  setgia 
honumm  tili  huor  oss  liefvur  frelsat,  vgl.  frz.  v.  4285—88,  schw.  v.  8211 — 13. 

S.  90,  6  hon  var  alnoclct  =  frz.  v.  4322  trestote  nue  [an  sa  chem/se], 
vgl.  jedoch  A  Jion  var  i  engum  Ma^dtnn  ütan  nättserJc  und  schw.  v.  3261  ff. 
eij  flcre  Idcedhe  . . .  a;n  en  rifwcn  S(rrJc. 

S.  90,  9  göd  Gata  (A  rüm),  vgl.  schw.  v.  3251  och  giordo  honum  swa 
tvwgen  bred,  frz.  v.  4343  si  li  fönt  voie. 

S.  91,2  heinisl'ur  (A  vcsall).  Kölbiug  bemerkt:  'für  vesall  hätte  man 
hier  eher  f6l  erwartet,  entsprechend  schw.  v.  3295  galin  und  frz.  v.  4416  fos\ 
Die  lesart  von  V  gibt  ja  alles  was  Külbing  verlangt. 

S.  97, 15  hami  Jcemur  i  cina  Borg  störa  par  riedi  yfvir  eirn  Blämadur, 
hann  ccpti  pegar  at  Ivent  reid  at  portinu  oJc  mceUii  Snü  aptur  pu  Gaur 
oh  rid  a:igi  Innumm  petta  Hlid  ella  fccr  pü  shiötann  Dauda  i  Morgifl  af 
niier  oh  minum  Brodur,  eh  ridim  seigir  Ivent  huart  er  eh  vil  fgrir  pier, 
en  Lif  fer  sem  inä.  Hann  hleypir  Innumm  Portit  i  stadinn,  par  sä  hann 
ä  sliettumm  Velli  sitia  priü  Hundrud  Meya,  par  vorn  magrar  oh  hlrvd- 
lausar,  oh  pö  allara  Meya  fridastar  sumar  slogu  Güdvcf,  enn  sumar  vofvit 
Kkede,  sumar  spunnu  Gidl  edur  silhi^),  allar  vorn  pcer  grätandi  oh  sorg- 
fullar,  Ivent  reid  par  at  oh  spurdi  huat  pui  giegnde,  Ein  af  peim  svarar: 
Gud  giaii  ydar  Ilerra  oh  gödi  Eiddari,  hetur  va^ri  at  pii  hefdir  aUdreigi 
hier  homit,  pui  at  margur  Riddari  hefvur  fyrri  freistat  at  rida  i  poinann 
stad  at  frelsa  oss  af  vorri  Naud,  oh  hafa  peir  allir  Dauda  fcingit.    Seig 


')  Entsprechend  schw.  v.  4135  the  spimno  gid  och  vafno  ladh; 
frz.  V.  5195  Qui  diverses  oevres  feisoient 

De  fil  d'or  et  de  soie  ovroienf, 
aber  auch  v.  5229  Qui  dras  de  soie  et  orfrois  tissent,  wozu  etwas  kürzer  engl. 
V.  2967  und  2992.   Hartm.  v.  6196—6205  rechnet  verschiedene  arbeiten  auf. 


206  BÖDTKICR 

niicr  Vrü  scigir  Ivent  huat  til  her  ydrurs  Hanns  olc  skul  ck  lei/sa  cf  ck 
mä  (jiarnann  vil  ck  sei'gir  Marinn:  seifjia  ifdur.  Put  bar  sva  til  at  eirn 
Köngiir  lleinion  at  Nafnc,  af  li/'ke-lngaria^)  rcid  med  sät  Herf'ölk  i 
pcnnann  Stad,  Enn  kann  fürst  fijrir  tvcimur  Bh'iiuomtumm  Banuseltioum 
er  honum  hudu  Einviye  enn  kann  bardist  vidur  Jm'i  ok  vard  um  s/dir 
sigradiir  ok  leijsti  Lif  sitt  medur  pui  at  hann  skylldi  senda  jjcim  Prii'i 
Jliindrud  Mcija,  hinna  fridastit  ok  kurtcysastK  til  ßralkunar  par  til  at 
eirn  Biddari  kicemi  ok  frelsti  oss  ok  bceri  af  peim  badiimm  ok  feinrjc  ficim 
yfvir  komit  enn  sä  hefvur  enn  einginn  vordit.  Xü  r/dit  Herrn  til  eins 
Hiishönda  scm  at  hier  er  skamt  frä  ydur  ok  munii  pier  fä  par  güdar 
Vidtgkur,  enn  ä  Morgun  ofigi  pier  petta  Einvige  hcfta  ef  pier  viliet  oss 
frcha  ek  skal  ät  visu  seigir  Ivent  sva  gigra  reid  hann  pä  i  Gardinn 
Herranns  ok  var  honum  par  vel  fagnat  af  honum  ok  hanns  Düttur  sem 
at  Meya  var  fridust  i  pcirre  Borg  ok  ficck  hann  par  goda  Veitslu  ok  nii 
leid  sva  af  Nättinn.  —  ix.  cap.  Um  Morguninn  Arla  herkkedist  Ivent  til 
pessa  Vtgs  ok  hleyimr  hann  ä  sinn  Hest  ok  ridur  framm  ä  pann  Voll  Sem 
at  Mcyarnar  sdtu  nü  fyrir,  allar  bädu  hvnumm  vel  takast,  ok  jamskiött 
komu  par  tveir  Blämenn  alvopnadir  slikir  sem  Troll  ok  hurdla  Leidinn- 
leigir  Asyndum.  Pessir  kalla  ögurligri  Egddu  ä  Ivent,  pi'i  Gaur  (s.  100, 2, 
der  rest  ist  arg  entstellt). 

Wie  ein  vergleich  mit  dem  frz.  g-ediclit  lehrt,  ist  hier 
echtes  und  unechtes  bunt  durch  einander  geworfen,  aber  die 
stelle  hilft  uns,  ein  vollständigeres  bild  vom  urtext  zu  ge- 
winnen, und  zeigt  zugleich,  wie  die  bearbeiter  in  verschiedener 
weise  damit  verfahren  sind.  2) 

Das  handschriftenverhältnis  dürfte  erst  durch  genauere 
Untersuchung  der  hs.  C  und  der  andern  noch  nicht  verwerteten 
hss.  näher  festgestellt  werden  können.  Nehmen  wir  (ohne 
irgend  welche  mittelstufen  anzugeben)  den  Stammbaum  als 


B 


A  C 


')  Vielleicht  aus  li/kc  Vngmeya  =  Uiigmeyaland  entstellt,  vgl.  frz. 
V.  5257  li  rois  de  l'Isle  as  Bucelcs;  engl.  v.  3010  icc  er  al  af  Maydcn-land; 
Ilartni.  v.  032.5  ez  ist  unser  laut  der  Juncvrouu-en  urrt  genant;  scliw.  v. 4210 
een  konung  badhe  riik  ok  kaat  . . .  thz  land  ther  vi  äff  (pra. 

*)  Ich  hemitze  die  gelegenheit,  die  von  Külbing  s.  73,  6  angeführten 
poetisclien  vergleiche  aus  V  zu  erglänzen:  hans  frnyd  mun  fara  utnm  alla 
Verglldina  sem  Solar  Birti,  ok  ber  hann  af  gllumm  Mgnnumm  Heidur  ok 
J'ris  sem  Gull  af  Eyre  edur  Gimsteinar  af  Griöti. 


IVENS  SAGA  UND   BEVIS  SAGA.  267 

an,  so  sind  die  bis  s,  89, 4  erwähnten  stellen  aus  V  als  zufällig 
zu  betrachten.  Die  lesung  s.  40, 14  AB  er  Ixom  gegen  VC  cd 
enginn  slikr  var  foeddr  fyrr  erregt  auch  bedenken. 

Lassen  wir  V  und  B  die  stelle  wechseln,  steht  die  gemein- 
same lesung  in  VC  or  Cains  cett  gegen  B  or  Abess  mit  und  A 
6r  Benjamins  wU. 

In  Foersters  text  lautet  die  betreffende  stelle  v.  1812  f.: 

Seiguor  avroiz  le  plus  jantil 
Et  le  plus  franc  et  le  plus  bei 
Qui  oDques  fust  del  ling  Abel. 

Die  letzte  zeile  weicht  aber  in  der  hs.  A  ab:  Cainqties  fust 
des  le  tcns  Abel,  was  ja  insofern  logischer  ist,  als  Abel  keine 
kinder  hinterlassen  hat.  Dass  hier  etwa  Cain  (ques)  zu  irgend 
welchem  misverständnis  Veranlassung  gegeben,  und  somit  das 
Ckiin  hervorgerufen  habe,  erwähne  ich  nur  als  eine  möglich- 
keit.  Zwar  stammen  ja  sonst  die  unholde  aus  Cains  geschlecht, 
aber  die  stelle  lässt  sich  wol  so  erklären:  Iven  ist  der  vor- 
züglichste mensch,  der  in  dieser  sündigen  weit  geboren  ist, 
der  beste  dieses  grausamen  männergeschiechts.  Jedenfalls 
halte  ich  diese  lesung  für  ursprünglicher  als  Benjamins.  Ob 
die  letztere  aus  Abess  oder  Cains  hervorgegangen  ist,  lasse 
ich  dahingestellt. 

Die  ganze  stelle  lautet  in  Y:  eh  veit  pami  Biddara  seigir 
Mcerinn,  sva  sterlrinn  oJc  roslcvann  vcenann  oh  riJcann  at  einginn 
U.S.W.,  was  zu  dem  frz.  texte  vorzüglich  passt,  wogegen  BAC 
eine  mehr  abgeänderte  lesung  bieten.  In  B  zeigt  ausserdem 
oTi  {ollum  lüutuin)  Jjeim,  dass  der  sinn  des  satzes  dem  copisten 
unklar  oder  unverständlich  gewesen  ist. 

Wir  werden  demnach  vorläufig  annehmen  müssen,  dass  die 
lesung  at  —  Cdins  mit,  oder  vielleicht  er  liom  or  Abess  cett  aus 
einer  andern  hs.  übertragen  worden  ist.  Cclin  konnte  ja  als 
stereotyp  besonders  leicht  eingesetzt  werden.  Wahrscheinlich 
ist  also  V  von  der  gruppe  der  anderen  hss.  getrennt  zu  halten, 
woraus  sich  weiter  ergibt,  dass  die  grosse  lücke  (vgl.  s.  97, 19 ')) 
schon  in  der  gemeinsamen  quelle  sämmtlicher  hss.  in  sehr  alter 
zeit  vorhanden  war. 


1)  Die  zwei  Schwestern,  zusammentreffen  mit  Lunete  u. s.w. 


268  BÖDTKER 

Tl.    Bevis  sa£:a. 

Von  der  lis.  V  dieser  saga  lässt  sich  wenig;  gutes  sagen. ') 
Sie  ist  von  sclilecliten  neuerungen  ganz  überwucliert;  mehrere 
episoden  sind  so  umgestaltet  und  haben  derartige  unistelhmgen 
erfahren,  dass  wir  bisweilen  sogar  den  faden  der  erzählung 
verlieren.  So  hören  wir  z.  b.  erst  nachdem  der  dieb  Jupiter 
getötet  ist,  dass  Josvena  mit  Bevis  zusammentrifft,  und  dass 
Teri  die  Jungfrau  (hier  Susanna  genannt)  heiratet.  Für  den 
Verlust  ganzer  abschnitte  kann  uns  ein  frei  coniponierter  dialog 
über  heidenturn  und  Christentum  keinen  trost  gewähren.  ]\Iit 
namen  ist  Y  besonders  reich  ausgestattet.  Bevis  mutter  heisst 
Ö(ki,  der  botschafter  s.  210  Spyrant  u.s.w. 

Dass  V  nicht  abschrift  von  C  oder  yö  ist,  wie  Cederschiöld 
annimmt,  liegt  auf  der  band.  Külbing  hat  V  gänzlich  ausser 
acht  gelassen.  Um  das  Verhältnis  zu  den  anderen  hss,  einiger- 
massen  zu  bestimmen,  habe  ich  folgende  belege  zusammen- 
gestellt: 

YyS  gegen  B:  S.209, 14  Greifvinn  (so  stets),  29  Madur;  210, 14  ftccTc, 
2.5  liinn  gavila  Karl  Ginon,  28  Madur,  29  sier  Öfn'dar  Vonir,  30  hanns, 
34  cinsawann  ok,  40  stürliga,  42  Ihind  J£nsl;  57  talar,  59  nj)//>-;  211,44 
liiki,  47  Mi/skiniorkiHse  {Blödhundur);  212,56  Bicviis  JxicJcar:  213,29  e/.s- 
kuliyunn,  31  at  pa  rcenir  mik  a'ige  ininumm  Fodur  Arfi,  32  hit  lUa, 
33  pcigia  i  stad. 

VC  (bez.  VCj'r))  gegen  B:  S.  217,  23  //7  hanns,  06  MargJec,  3S Artindd 
hiet;  222,7  *Innsigh(t,  38  Fülmara;  223,  24  y>/t  mnit  hcra  Dnuda  piun  sva 
at  pu  väir  a;igi;  224-,  22  liefur  leigit;  225,  55  tu,  Artind.]  fehlt,  56  hardur, 
hl  *pyrdi  ai  koma;  229,  35  */am(Zrt»»;  2Z0,  od  stpann;  236,  35  *o?/(0«w, 
40  hcrja  nppä,  51  cnn,  put]  felilt,  52  Jdiöp,  b^  pann]  fehlt;  237.25  Balis 
Borgar  {C  Bolonia);  239,ö  gat  lockat;  244, 30  w/zi»,  39  Ji»;  245, 1  <//; 
267,  33  hui,  45  giorvu,  48  scctJiga. 

VB  gegen  y6\  S.  209,  3  nndir  sik  logtt,  6  hctri,  25  ditu,  28  fimiän; 
210,  G  fh/crsktdaud,  9  Ensknm  3Ionnim,  10  i  KöJnc,  11  far,  14  fiinnir, 
18  kimnugt,  24  päd,  27  p6,  Büdumm,  30  vicdur  Hundrad,  33  skal  ck  pd 
lata  par  koma  Ginon  Juri,  35  skipit,  36  optar,  50  restur  nmm  llaf;  211,31 
— 34  logdu  —  sdrumm,  39  sinn  bcstann  Kost;  212,43  2Idnu,  47  Laviba, 
57  Lamhanna;  213,13  cdur,  18  Id,  19  fi/rir  (Grcifaitn);  257,30  iiwdur  sicr 
Jupiter;  262,48  cf  at  a;igi  hefdi  svcrdit  hlaupit  af  framm  (von  B  etwas 
verschieden). 


')  Was  die  iibriyen  hss.  betrifft,  so  verweise  ich  auf  Cedcrschiülds  aus- 
gäbe und  Külbings  artikel  in  diesen  Beitr.  19, 1—130.  Auf  den  letzteren 
stütze  ich  mich  wegen  des  frz.  gedichtes  und  dessen  beziehungeu  zur  saga. 


IVENS   SAGA   UND   BEVIS  SAGA.  269 

VB  gegen  C  (bez.  Cyö):  S.  217,  7  Hijrd,  25  giarna;  225,40  fimtan, 
58  stall;  226,iJ)at,  49  epth;  57  sem  peir,  63  Icorn;  231,3  mwUti;  235,51 
Drottning;  236,37^6«/  a<  cÄ;  tv7  v«Z  Christne,  53  (Zi-ajj;  244,18—20  (fehlt 
in  C),  80  Justis,  39  staf  medur  Gull;  267, 42  sidann,  48  /ad»i. 

VCD  gegen  B:  S.  215,  82  *pui  at  peir  vissu  at  liann  var  sclldur; 
216,  25  Tolf.  —  VC  gegen  y^:  S.  220,  43  umm  ränga.  —  Yyö  gegen  BC: 
S.  220,  29  jjof.  83  dyrt.  —  VB  gegen  Dyd:  S.  214,  46  fyrir;  213,62  griet. 
—  VB  gegen  CD:  S.  215,  33  vetra  (CD  v.  gamall),  42  *Biddarar;  216,33 
(?)  sm«  (fehlt  in  CD).  —  VD  gegen  Byd:  S.  214,  45  i  pann  Tima.  — 
VD  gegen  CB:  S.  216,  6  medur  sinu  spiöti,  2%  peir.  —  VA  gegen  B/rf: 
S.  257,  31  Mr.  —  Y  Ay  gegen  BS:  S.  257,  31  sliethn:  —  Y  =  y  gegen  die 
anderen  hss.:  S.  219, 59  ok  af.  —  VC  gegen  BD:  S.  Z\5,2i  piöna.  — 
Yyö  gegen  BD:  S.  213,  61  cZrcj^a;  2H,4:1  Droüning.  —  YByS  gegen  B: 
S.  213,  62  Harm  Föstra  sins;  214,25  sockva,  26  i  siäfvar  (Diüp). 

Diese  unbedeutende  anzalil  von  Varianten  ist,  wenn  auch 
einige  wenige  nummern  dazu  kommen  sollten,  für  die  alo- 
weiclieude  redaction  der  lis.  V  sehr  bezeichnend;  man  vergleiche 
Kölbings  lange  liste  a.  a.  o.  s.  7 — 37.  Es  fällt  in  die  äugen, 
dass  der  anfang  der  saga  die  weitaus  meisten  belege  aufweist. 
In  der  tat  steht  hier  V  den  anderen  hss.  viel  näher  als  später. 
Uebrigens  darf  man  auf  solche  kleinigkeiten  nicht  zu  viel  geben, 
da  der  reinste  zufall  mit  im  spiele  sein  kann.  Mehrere  com- 
binationen  widersprechen  sich  ja  und  machen  jeden  Stammbaum 
unmöglich.  Es  scheint  indessen,  dass  die  vorläge  von  V  mit 
der  hs.  D  am  nächsten  verwant  war,  und  dass  die  darin  ent- 
haltene redaction  sehr  früh  ihren  eigenen  weg  gieng. 

Von  den  zügen,  die  sicher  nicht  alle  ursprünglich  sind, 
aber  vielleicht  aufmerksamkeit  verdienen,  führe  ich  an: 

S.  210, 14  finniir  Greifvann  i  Bisinnhorg,  vgl.  frz.  Eetefor?  engl.  Bi- 
foun,  V.  122. 

S.  210, 17  Herra  Plandis  (später  Plandus)  Greifva  sendir  Frü  Öda 
kvedju,  vgl.  engl.  M.  v.  102  Grete  ivell  sir  Mordoure  (Bropure  he  is  to  the 
Emperoiire). 

S.  211,  3  kysti  liann  medur  Myskunarlausumm  Svikumm,  engl.  v.  190 
ghe  ansiverde  ivip  tresoun  mest. 

S.  211,  6  ok  Tölf  sina  sveina,  vgl.  z.  8  peir  koma  (Kölbiug  a.  a.  o.  s.  70). 

S.  215,  51  i  hcedsta  Twni  Borgarinnar,  celt.  s.  522,  24  '  to  the  top  of 
the  highest  toioer  of  the  castle\ 

S.  216, 32  Nu  rida  at  hgnumm  fjörir,  richtigere  lesart. 

S.  216,  40  Bevis  tötet  erst  zwei,  dann  acht  ritter,  zwei  entfliehen,  engl, 
v.  886  ten  forsters  wer  feld. 


270  IJOOTKER 

S.  217, 38  Merkt,  engl.  v.  970  gonfauoun. 

S.  217,  39  (hihhar,  engl.  v.  970  dohheäe. 

S.  217,  41 — 43  V  sagt  vom  pfenle:  ccTci  var  hclri  funäinn  i  Äsia. 

S.  217, 60  lodhm  sein  sandur  =  engl.  v.  997  schep. 

S.  219, 42  min  hicer  Elsluge  ed  /»t  oI:  fyrir  piiia  slidld  hefver  ek 
U.S. w.,  vgl.  engl.  v.  1094  und  Külbing  a.a.O.  s. 79. 

S.  210, 60  und  220,37  fehlen. 

8.220,62  f.  heisst  hier:  fijn'r  pina  sendi  fcrd  gcfviir  cJc  pitl  Erindi 
cnn  eckert  Erindi  hefur  ek  iil  Köugss  Dötlur. 

S.  225, 52  ok  nü  eptir  Brmllaxipit  for  Ivorhis  Köngur  heim  i  sitt  liiki 
medur  sina  Drottning,  vgl.  engl.  v.  1483  (und  1507). 

S.  236, 58  —  237, 23  sind  ausgelassen ,  wie  zufälligerweise  auch  im 
englischen. 

S.  237, 25  Balis  Borgar,  später  ist  indessen  von  Kölni  die  rede:  s. 238, 51 
rida  ßau  Biskuj)  ok  Josuena  i  Kölne  par  rar  pö  fyrir  su  Juri  er  Kloin 
hiet  (vgl.  Kölbing  a.  a.  o.  s.  95). 

S.  238,  3  ^  Flandur,  engl.  v.  2916  Wight 

S.  240, 24  leiddu  til  skögar  (also  ausserhalb  der  Stadt,  wie  in  den  anderen 
Versionen). 

S.  259, 13  Sabaoth  stösst  dem  diebe  seinen  pilgerstab  i  Aiigat,  sva  at 
üt  gieck  umm  Hnackau.  Ob  der  Übersetzer  eye  misverstandeu  hat,  oder 
die  ihm  vorliegende  hs.  etwa  tieil  enthalten  hat?') 

S.  261,49  Ivorius  und  seine  verbündeten :  föru  tnedur  allann  sinn  Her 
i  Egijitaland  i  Bike  Miles  Kongss  ok  Bievtis  ok  brenna  ok  drepa  allt  päd 
sem  at  fyrir  rard. 

S.  262,  60  Von  der  cinmischung  Guions  in  den  Zweikampf  ist  hier  keine 
rede.  2)    Bevis  tötet  seinen  geguer  selbst. 

Der  umstand,  dass  die  anderen  hss.  einen  besseren  text 
überliefert  haben,  steht  nicht  im  wege,  V  als  eine  copie  von 


')  S.  259, 17  ff.  ist  ganz  entstellt:  Herra  Sahaoth  tök  nü  Hestinn  ok 
leiddc  hann  medur  sier  heim  til  Josuenar  Drottningar.  Danach  fahren  sie, 
Bevis  aufzusuchen. 

2)  Külbing  erinnert  hier  an  die  Partalopa  saga.  Zu  den  von  Kölbing 
erwähnten  typischen  Wendungen,  die  sich  in  den  beiden  sagas  widerfinden, 
füge  ich  folgende  aus  Y  (vgl.  text  s.  214,  cap.  v):  Die  ritter  fragen  Bevis, 
ob  er  den  tod  nicht  fürchte;  hann  svarar,  ok  seigist  vita  at  hann  mune 
cigc  eirn  Tima  at  deya  . . .  ok  i  pui  koma  at  pcim  Ilcydingiaskip  . . . 
S{)gdn  sidann  modnr  hanns  hann  daudan  vera.  Partalope  gibt  dieselbe 
antwort,  als  ihm  die  ritter  der  königin  drohen.  Dann  tritt  plötzlich 
Ura'kia  als  sein  retter  auf.  Später  berichtet  sie,  dass  P.  gestorben  sei. 
Diese  züge,  die  sich  in  allen  hss.  der  Part,  saga  finden,  beruhen  auf 
spätere  bearbeitungen. 


iVENS  SAGA  UND  BEVIS  SAGA.  —  STRAUCH,  ZU  BEITR.  29,  456  if.      271 

Orms  biicli  zu  betrachten.  Die  beiden  redactionen  der  Parta- 
lopa  saga  haben  sich  vielleicht  ebenso  weit  vom  original  ent- 
fernt als  die  in  V  enthaltene  redaction  der  Bevis  saga.  AVenn 
Gödels  ansieht  stichhaltig  ist,  wäre  die  Bevis  saga  wie  die 
Partalopa  saga  bereits  im  13.  jh.  gegenständ  durchgreifender 
bearbeitungen  gewesen.  Besser  haben  sich  die  romane  Chre- 
tiens  bewahrt. 

KRISTIANIA,  august  1905. 

A.  TRAMPE  BÖDTKER. 


ZU  BEITR.  29,  456  ff. 

Im  excurs  zu  seiner  Untersuchung  über  die  Überlieferung 
von  Rudolfs  von  Ems  Alexander  Ji:ommt  Junk  auch  auf  die 
Gleink-Linzer  weltchronik-hs.  zu  sprechen  und  constatiert  die 
völlige  Unabhängigkeit  der  dort  gegebenen  bearbeitung  von 
Rudolfs  Alexander.  Ich  erlaube  mir  dazu  auf  meine  Enikel- 
ausgabe  s.  xxviii  ff.  zu  verweisen ,  wo  eine  Inhaltsangabe  der 
hs.  auf  grund  mir  s.  z.  von  Joh.  Bolte  freundlichst  zur  Ver- 
fügung gestellter  excerpte  gegeben  und  der  in  ihr  erhaltene 
Alexander  mit  Ulrichs  von  Eschenbach  gedieht  identificiert 
worden  ist.  Die  von  Junk  s.  458  f.  ausgehobenen  verse  (lib.  1, 
cap.  6)  decken  sich  mit  Ulrichs  Alex.  v.  633  ff. 

HALLE  a.  S.  PHILIPP  STRAUCH. 


ZUM  NOM.  UND  ACC.  PLUR.  der  .1- STÄMME 

IM  AGS. 

Die  von  Sievers  in  diesen  Beitr.  17,  274,  fiissnote  2  ge- 
äusserte Vermutung,  dass  die  doppellieit  ags.  -a,  -e  (alt  -ce), 
alid.  -0,  -a  im  nom.  acc.  pl.  der  ä- stamme  auf  einen  einst- 
maligen unterscliied  zwischen  nom.  und  acc.  beruhe,  in  der 
weise,  dass  ags.  (ws.  und  kent.)  -a,  ahd.  alem.  (und  allgemein 
adjectivisches)  -o  die  alte  nom.-endung  (aus  -ö^  =  lit.  -ös),  ags. 
(angl.)  -e,  gemeinahd.  -a  die  alte  acc.-form  (aus  -öz  =  lit.  -as 
aus  gestossenem  -ös)  sei,  ist  neuerdings  von  v.  Helten,  Beitr. 
28, 508.  509  f.  512  wider  aufgenommen  und  näher  begründet 
worden,  unter  heranziehuug  des  afries.  -e  und  des  as.  aonfi'k. 
-a  =  ags.  -e,  ahd,  -ä  und  des  afries.  -a  =  ags.  -a. 

Es  ist  mir  der  gedanke  gekommen  nachzuprüfen,  ob  reflexe 
des  alten  zustandes  sich  im  ags.  noch  aufweisen  Hessen.  Für 
diese  Untersuchung  kamen  weder  die  jüngeren  quellen  über- 
haupt, noch  unter  den  älteren  die  anglischen  (welche  bekannt- 
lich nur  -ce  bez.  -e  aufzeigen),  noch  die  akent.  Urkunden  (welche 
nach  Sievers  a.a.O.  nur  -a  haben)  in  betracht;  nur  die  aws. 
quellen,  in  denen  neben  überwiegendem  -a  auch  einige  -f-formen 
belegt  sind,  waren  brauchbar. ')  Eine  Zählung  der  einschlägigen 
fälle  in  Cosijns  Aws.  gramm.  ergab  ein  überraschendes  resultat, 
das  ich  hier  vorlege. 

Einige  wenige  zweifelhafte  belege  für  -a  (7  im  ganzen) 
sind  nicht  mitgezählt;  jä-stämme  und  Avörter  auf  -tin^,  -ins 
sind  von  den  übrigen  getrennt;  nur  für  -c  sind  die  belege  an- 
geführt. Von  vornherein  muss  bemerkt  werden,  dass  die  formelle 
Übereinstimmung  zwischen  dem  acc.  pl.  auf  -e  und  dem  acc.  sg. 

')  In  dem  gesetzbucli  von  ..Elfred-Iue  uur  -a,  z.  b.  Öeoda  acc.  pl.  Lieber- 
mauu  1, 42, 17;  uom.  pl.  44, 19;  acc.  pl.  saida  44, 1.  4;  acc.  pl.  synna  58, 3  (E). 


AGS.    «-STÄMME.  273 

uns  der  gefahr  aussetzt,  g-elegentlich  einen  acc,  sg.  für  einen 
acc.  pl.  zu  halten,  aber  ebenso  gut  umgekelirt  (beide  möglicli- 
keiten  dürften  sich  die  wage  halten),  während  bei  der  a-form 
eine  ähnliche  möglichkeit  nicht  vorliegt,  und  beim  nom.  pl. 
eine  solche  Verwechslung  ausgeschlossen  ist.  Es  findet  sich 
nun  beim  Substantiv  folgender  tatbestand: 

I.  ä- Stämme  (ausser  den  unter  II.  und  III.  behandelten): 
nom.  pl.  auf  -a  33  belege  (8  HC,  5  H,  20  Or.),  acc.  pl.  auf  -a  65 
(23.  HC,  3  C,  11  H,  25  Or.,  3  Chron.),  nom.  pl.  auf  -e  kein  beleg, 
acc.  pl.  auf  -e  7  sichere  (2  HC,  3  H,  2  Or.),  5  wahrscheinliche 
(4  HC,  1  C),  2  zweifelhafte  (1  C,  1  H). 

Als  sicher  betrachte  ich:  si{^)fe  (^ocles  s-  accepta)  321, 10 '), 
adle  {siime  a.  .  . .  sume)  173,23,  adle  (dat.  ph  morbis)  457,2 
(nur  H),  u'unde  (morbos)  425, 12  (nur  H),  saide  {da  s.  de  . . . 
ansietaö,  C  saida)  367, 10,  hcalfe  (on  J)reo  h.)  Or.  184,  3,  (on 
twa  h.)  Or.  240,29;  als  wahrscheinlich:  cease  (iurgia)  177,11, 
wrohte  (iurgia)  357, 14.  22,  ivunde  (vulneribus)  275,  8,  öearfe 
(ungeachtet  lat.  utiiitatem)  44, 13  (H  öearfa)]  als  zweifelhaft: 
sprcece  (verba)  274,20  (K  si^rceca),  tvunde  (gen.  oder  dat.  sg.? 
vulnus)  123,  21  (C  ivunda). 

II.  Feminina  auf  -uns,  -ins:  nom.  pl.  auf  -a  6  (HC)  -),  acc. 
pl.  auf  -a  32  (23  HC,  7  H,  2  Or.),  nom.  pl.  auf  -c  kein,  acc. 
pl.  auf  -e  1  zweifelhafter  beleg. 

Der  einzige  beleg  von  -e  ist  Uotimse  Or.  102,  16,  womit 
wol  acc.  sg.  gemeint  ist. 

III.  jä-stärame  (Cosijns  belege  für  den  nom.  acc.  pl.  synna 
sind  nicht  vollständig:  von  43  sind  nur  5  aufgezählt;  zum  nom. 
pl.  auf  -a  sind  also  noch  etw?.  11,  zum  acc.  pl.  noch  etwa  27 
belege  hinzuzuzählen):  nom.  pl.  auf  -a  9  (6  HC,  1  H,  2  Or.), 
acc.  pl.  auf  -a  23  (9  HC,  6  H,  8  Or.)3),  nom.  pl.  auf  -e  kein 
beleg,  acc.  pl.  auf  -e  7  sichere  (5  HC,  2  C),  2  wahrschein- 
liche (HC). 

Als  sicher  sind  zu  betrachten:  pemenne  (sollicitudines) 
139, 23  (bei  Cosijn  unter  acc.  sg.),  di{o)golnesse  (secreta)  99,  7. 


^)  Belege  ohne  quellenaugabe  beziehen  sich  auf  die  Cura  Pastoralis, 
itnd  zwar  stehen  sie  in  beiden  hss.,  wofern  nichts  anderes  angegeben  ist. 

2)  Cosijn  2,  25  ist  {{eysmiga  239,  9  druckfehler  statt  /.  293,  9  und  (oli- 
cunga)  239,6  statt  239,16  (letzteres  acc.  sg.?). 

3)  Bei  Cosijn  2, 27  1.  cfej(c)«  179, 11  statt  c.  179,  9. 

Beiträge  lur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXI.  J^g 


274  KüUN 

259, 10,  cndclyrdnesse  (ordines)  319, 20,  hyrötnne  {oderra  h. 
tocacan  hiora  agnum,  lat.  ponderibus)  52, 1  (H  hyröcnna)^  ^ie- 
mcnnc  (curas)  138,19  (bei  Cosijn  sg.;  H  Riemen,  wol  Schreib- 
fehler oder  statt  der  abkürzung  sicmen  =  gicinnuie;  im  Yesp. 
Ps.  sind  ähnliche  abkürzungen  gar  nicht  iinge-\vöhnlicli.  -wie 
so(J  statt  sodlice  49,  8,  hierusal{em)  136, 6;  siviö{rc)  138, 10), 
hyrdcnnc  (pondera)  23,11;  als  zweifelhaft:  synnc  {da  s.  Öara 
yfvlena  weorca  causas  rapinae)  333, 19,  (peccata)  327, 13,  welche 
beide  singnlarisch  gefasst  werden  könnten. 

Dass  bei  den  Wörtern  auf  -uns,  -«'^cT,  bei  denen  die  endung 
-«  auch  im  Singular  eine  grosse  rolle  spielte,  -e  gar  nicht  sicher 
zu  belegen  ist,  kann  uns  nicht  wunder  nehmen;  bei  den  übrigen 
a-  und  den  jä-stämmen  aber  wären,  dem  sonstigen  Verhältnis 
der  belege  für  nom.  und  acc.  pl.  gemäss,  mindestens  3  oder  4, 
bez.  3,  nom.  pl.  auf  -c  zu  erwarten  gewesen,  umsomehr  als 
eine  Verwechslung  mit  dem  sg.  im  nom.  ausgeschlossen  war. 
Und  doch  findet  sich  kein  einziger  solcher  nom.  pl.I  Dies  be- 
rechtigt doch  wol  zu  dem  Schlüsse,  dass  der  unterschied  zwischen 
e-  und  a-formen  im  aws.  noch  nicht  ganz  aus  dem  bewusstsein 
geschwunden  gewesen  sei,  und  dass  -c  nur  im  acc.  gegolten  habe. 

Wie  stark  dieser  unterschied  eine  Zeitlang  gewesen  sein 
muss,  zeigt  sich  nun  weiter  auf  das  schlagendste  an  den  weibl. 
•/-Stämmen,  auf  welche  bekanntlich  das  -a  im  nom.  acc.  plur. 
von  den  «-stammen  aus  übertragen  wurde.  Bei  den  weibl. 
/-Stämmen  finden  sich  folgende  zahlen'): 

Nom.  pl.  auf  -a  37  (12  HC,  3  0,  4  H,  18  Or.),  acc.  pl.  auf 
-a  69  (34  HC,  1  C,  25  H,  9  Or.),  nom.  pl.  auf  -e  kein  beleg, 
acc.  pl.  auf  -e  5  sichere  (3  HC,  1  C,  1  H),  5  unsichere  (2  HC, 
1  C,  1  H,  1  Gr.),  3  höchst  zweifelhafte  (H). 

Die  sicheren  sind:  scylde  {he  ^edafade  öa  scylde  uniiitnode) 
123, 6,  (nequitias)  261,  l-^),  (vitiis,  abl.  pl.)  315, 1,  scyJde  (delicta) 
72, 19  (H  scylda),  ^esccafte  {ofcr  calle  oöre  s.,  super  omnia,  wie 
onsemans  eallam  oÖrum  sesccaftmn,  inter  omnia,  gleich  vorher) 
301, 12  (C  ^esceafta);  die  wahrscheinlichen:  biscnc  (exempla) 
191,  5,  scyJde  Ol,  15,  ansine  44,  21   (H  onsiena),  iincyste  (viro, 

>)  Nicht  mitgezählt  sind  die  belege  von  Mode  (nur  so  nom.  acc), 
masc.  plur. 

*)  Cosijn  2,39  hat  fälschlich  den  beleg  unter  scylda.  Sweet,  Fast. 
Care  s.  261  hat  scylöc  (s.  260  scylde),  wol  nur  druckfehlcr. 


AGS.   a-STÄMME.  275 

abl.  sg.)  47, 16  (C  uncysta),  sce^cne  (auspiciis,  abl.  pl.)  Or,  184, 26 ; 
die  zweifelhaften:  his{e)ne  (exempliim)  449,23.  27,  (opus  quod 
imitandum  est)  449,  31  (nur  in  H). 

Also  hier  wider  genau  dasselbe:  kein  einziger  noni.  pl. 
auf  -e.  Hiernach  wären  auch  die  angaben  in  den  granima- 
tiken  dahin  zu  modificieren,  dass  aws.  bei  den  «'-stammen  der 
alte  nom.  pl,  auf  -e  verschwunden  (sogar  dced,  das  nach  Cosijn 
2,  39  im  acc.  sg.  nur  dcBd  hat,  hat  nom.  pl.  {mis)d(jeda  21,  23. 
413, 18  H.  453,  7  H),  der  alte  acc.  pl.  nur  noch  in  trümmern 
vorhanden  sei  (im  gesetzbuch  von  yElfred-Ine  nur  -«:  acc.  pl. 
gesceafta  Lieberm.  1,  28, 1,  syf^d  30,  6,  cehta  48,  3,  misdceda  58,4). 

Die  aws.  quellen,  meine  ich,  gestatten  folgende  Schlüsse. 
Ehedem  gab  es  im  ags.  bei  den  «-stammen  einen  unterschied 
zwischen  dem  nom.  pl.  (endung  -a)  und  dem  acc.  pl.  (endung  -w, 
daraus  später  -c),  welcher  unterschied  im  ws.  zu  gunsten  der 
ersteren  form  ausgeglichen  wurde,  aber  spuren  des  alten  acc. 
(auf  -e)  lassen  sich  im  aws.  nachweisen.  Ein  nom.  pl.  auf  -ce 
oder  -e  hat  im  ws.  nie  existiert.  Jener  unterschied  wurde  auf 
die  /-Stämme  in  der  weise  übertragen,  dass  zunächst  die  dort 
altererbte  endung  -e  (aus  älterem  -i)  blieb,  aber  die  gleich- 
lautende endung  des  nom.  pl.  von  dem  -a  der  «-stamme  gänz- 
lich verdrängt  wurde;  nachher  wurde  dann  auch  hier  das  -a 
in  den  acc.  hinübergeschleppt,  und  ende  des  9,  jh.'s  war  der 
acc.  pl.  auf  -c  auch  bei  den  i-stämmen  nur  noch  in  resten  vor- 
handen. 

Im  kent.  wurde  bei  den  (7 -stammen  das  -e  des  acc.  pl. 
ebenfalls  schon  frühe  verdrängt:  in  den  Urkunden  bei  Sweet, 
OET.  finden  sich  acc.  pl.  saiila  444,  24.  43  (a.  805—831),  dearfa 
447, 12  (a.  835),  amhra  448,  30  (ebenso)  wie  nom.  pl.  saida  444, 40 
(a.  805— 831)0;  in  den  Beda-glossen  (Sweet  ebda.  180  ff.)  äa 
earman  lafe  paupercula  reliquia  25  (vgl.  46),  earfednisse  calami- 
tates  88,  wol  acc.  pl.  In  den  ältesten  glossensammlungen  (Ep. 
Erf.  Corp.  Leid.)  ist  umgekehrt  -a  ganz  verschwunden,  ebenso 
im  Psalter;  auf  die  paar  -a  in  Rushw.^  (1  acc.  ccestra,  1  nom. 
tvcüda,  1  nom.  cidfm  (?),  s.  Brown,  Rushw.  gl.  2,  §  56)  ist  nichts 
zu  geben;  und  auch  im  spätndhumbr.  liegen  die  Verhältnisse 
ganz  anders  als  im  ws.,  indem  dort  entweder  -e  oder  die  form 


')  Von  den  /-stammen  ist  belegt:  acc.  pl.  tide  i43, 8  (urk.  805— 831). 


276  KERN,    ACiS.    (i-STÄMME. 

der  scliwachen  feniinina  -o  im  iioiii.  acc.  pl.  vurliersclieiid  ge- 
Avordcn. ') 

Kiue  Untersuchung-  der  formen  des  nom.  und  acc.  \)\.  fem, 
beim  adjectiv  hat  für  unsern  zweck  deslialb  wenig  weit,  weil 
iDekanntlicli  dort  die  masculin-endung  -e  mit  iiineingespielt 
liaben  kann.  Es  mögen  folgende,  aus  den  von  Cosijn  2,  §  38  f. 
gegebenen  aws.  belegen  zusammengestellte  zahlen  genügen: 
nom.  pl.  fem.  auf  -a  7  (attributiv  vor  oder  gleich  nach  dem 
subst.:  2),  acc.  pl.  f.  auf  -a  8  (7),  nom.  pl.  f.  auf  -e  22  (12), 
acc.  pl.  f.  auf  -e  20  (16),  auf  -cc  2  (2).-)  Also  ganz  über- 
wiegend -6';  aber  auch  beim  neutrum  findet  sich  widerholt  -c, 
und  dort  kann  es  nur  vom  masc.  stammen.  Die  müglichkeit, 
dass  im  ags.  beim  adjectiv  einmal  -c  {-w)  die  einzige  form  des 
nom.  und  acc.  pl.  fem.  gewesen  sei,  wie  -o  im  ahd.,  ist  an  sich 
nicht  zu  bestreiten;  in  dem  falle  müsste  im  ws,  -a  vom  subst. 
auf  das  adj.  übertragen  worden  sein.  Erweisen  lässt  sich  jedoch 
hier,  bei  der  Zweideutigkeit  des  -c  gerade  beim  adjectiv,  nichts, 
und  die  uniformierung  der  endung  des  nom.  acc.  pl.  masc.  und 
fem.  steht  auch  wol  mit  den  sonstigen  tendenzen  der  spräche 
in  besserem  einklaiig  als  die  erschaffung  eines  neuen  Unter- 
schiedes zwischen  masc.  und  fem.  pl,  beim  adjectiv  es  täte. 
Ich  halte  es  demnach  für  wahrscheinlicher,  dass  eine  allein- 
herschaft  des  -c  im  nom.  acc.  pl,  fem.  der  adjectiva  im  ags. 
nie  bestanden  hat.  Auch  im  aofries.  (s.  v.  Helten,  Aofries.  gr. 
§  215)  finden  sich  im  adjectivischen  nom.  und  acc,  pl,  fem.  -a 
und  zweideutiges  -c  neben  einander. 


')  Bemerkenswert  sind  nur  tue  vier  «-belege  in  ßiisliw.-  bei  würtcru 
auf  -uns-  acc.  pl.  viersun^a,  KCira(hi)},^n,  droit:ii»,;;n,  nom.  pl.  smcaioi^a, 
neben  sonstigem  -e  (selten  -o).  s.  Lindelöf,  Südnthumbr.  nia.  s.  109. 

2)  Im  gesetzbucb  von  .E!fred-Ine  (bs.  E)  finde  ich:  nom.  pl.  auf  -a  1, 
acc.  pl.  auf  -a  4,  acc.  pl.  auf  -e  1,  alle  attributiv. 

GRONINGEN.  J.  H.  KERN, 


DIE  SUB>STANTIVFLEXION  SEIT  MITTEL- 
HOCHDEUTSCHER ZEIT. 

II.  teil:    Neutra. 

Die  vorliegende  arbeit  behandelt  die  flexion  der  neutra 
und  setzt  die  Beitr.  27,  209  ff.  begonnene  nntersucliung  über 
die  nhd.  flexion  fort.  Einleitend  habe  ich  dort  über  meine, 
aufgäbe  und  das  zu  geböte  stehende  hilfsmaterial  gesprochen. 
Eine  neue  aufgäbe  führt  neue  fragen  mit  sich,  und  ich  habe 
deshalb  mich  durch  eine  weitere  prüfung  von  texten  bemüht, 
den  neuen  anforderungen  gerecht  zu  werden.  Die  ausbildung 
der  nhd.  flexivischen  Verhältnisse  des  neutrums  liegt  zum  teil 
weit  zurück,  zum  teil  gehört  sie  erst  später  zeit  an.  Je  nach 
den  erscheinungen  musste  ich  die  textprüfuug  ausdehnen  und 
erweitern,  zuweilen  auch  bestimmten  gebieten  besonderes 
augenmerk  schenken.  So  reicht  die  durchsetzung  des  r-plurals 
in  die  älteste  periode  des  nhd.  zurück,  während  die  ji'a-stämme 
vielfach  erst  im  18.  jh.  zu  ihrer  schriftsprachlichen  form  gelangt 
sind.  Mehr  noch  als  seither  wendete  ich  meine  aufmerksam- 
keit  den  ostmitteldeutschen  denkmälern  zu,  .um  hervortreten 
zu  lassen,  wie  Luther  in  der  Überlieferung  und  dem  gang  der 
allgemeinen  entwickelung  mitten  inne  steht.  Und  um  eine 
brücke  von  der  spräche  Luthers  zu  den  dichtem  des  17.  jh.'s 
zu  schlagen,  griff  ich  zu  den  Übersetzungen  des  humanisten 
Riccius,  dessen  schriftstellerische  tätigkeit  in  das  ende  der 
sechziger  jähre  des  16.  jh.'s  fällt.  Auch  die  aufnähme  der 
ostmd.  Schriftsprache  in  Oberdeutschland  legte  eine  erweite- 
rung  der  Untersuchung  nahe:  ich  habe  deshalb  die  werke  von 
Birk  und  Greflinger  und  den  sog.  Französischen  Simplicissimus 
in  den  bereich  meiner  betrachtung  gezogen. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXI.  j^9 


278  MOLZ 

Die  titel  der  von  mir  frülicr  geprüften  texte  finden  sich 
Beitr.  27,  21-4  f.  und  die  angaben  über  die  zeit  der  entstehung 
jener  seliriften  s.  271f.  und  s.  280.  Ich  gebe  im  folgenden  die 
neu  geprüften  texte  nach  dem  ort  ihrer  entsteliung  in  zeitlielier 
reihenfolge  an.  Die  in  der  abhandlung  verwendeten  abkürzungen 
sind  meist  leicht  verständlich,  und  nur  der  Sicherheit  wegen 
führe  ich  sie  jeweils  nach  dem  titel  des  buches  auf. 

1)   Bairische  schrifteu: 

Urknndenbuch  ob  der  Enns  4—7  (=Urkb.E.). 

Das  buch  der  natur,  her.  von  Pfeiffer,  1350  (=  B.  d.  nat.)- 

Heinrieb  Mynsinger,  Von  den  falken,  pferden  und  hundeu,  Bibl.  d. 
lit.  ver.  71,  1450  (=  Myus.). 

Job.  Turmair  gen.  Aventinus,  Bairi-sclie  ebronik,  ber.  von  Lexer  2, 
s.  150-375,  1535  (=  Av.). 

Simon  Sebaideureisser,  Odyssea,  durch  ...,  der  fürstlichen  statt 
München  stattschreiber  zu  teutsch  tranfsferiert,  Augsburg  1537  (=  Schaidenr.). 

F.  Joann  Nass,  Widereinwarnung  An  alle  fromme  Teutschcn, 
Ingolstadt  1577  (=  Nass,  W.).  —  Sechs  wolgegründter,  nützlicher  haus- 
predig,  Ingolstadt  1571  (=  Nass,  H.).  Ex.  München,  hof-  und  staats-bibl. 
8°.  Polem.  1940. 

Albertinus,  Defs  irrenden  ritters  raifs.  Der  Avelt  eitelkeit  vnd  den 
weg  zu  der  ewigen  Seligkeit  begreiffend  . . .  Jetzo  aber  durch  Aegidium 
Albertimim  inn  die  teutsche  sprach  gebracht,  München  1594  (=  Albert.). 

Georg  Greflinger,  Seladons  weltliche  lieder  nebst  einem  anbang 
schimpff-  vnd  ernstbaffter  gedichte,  Franckfurt  a.  M.  1651  (=  Grefl.,  W.  1.). 

—  Der  Deutschen  dreyfsig-j ähriger  krieg  poetisch  erzählet  durch 
Celadon  von  der  Donau,  1657  (^  Grefl.,  Dr.  kr.).  —  Der  verständige 
g  ä  r  t  n  e  r ,  1667  (=  Grefl.,  Y.  g.). 

Sigismund  von  Birken,  Pegnesis  oder  der  Pegnitz  blumgenofs-schäfere 
feldgedichte  in  neun  tagzeiten:  meist  verfasst  und  hervorgegeben  durch  Flo- 
ridan,  München  1673.  Ex.  München,  hof-  und  staats-bibl.  8''.  P.  o.  germ.  l'26t. 
(=  Birk). 

2)  Alemannische  Schriften: 

Urkundenbuch  der  Stadt  Freiburg  1  und  2  (=  Urkb.  Fr.). 

Morgant  der  riese  in  deutscher  Übersetzung  des  16.  jh.'s,  Bibl.  d. 
lit.  ver.  189,  1530  (=  Morg.). 

Die  Haimonskinder  in  deutscher  Übersetzung  des  10.  jh.'s,  Bibl.  d. 
lit.  ver.  206,  1531  (=  Haimk.). 

Hierouymus  Boner,  Des  hochberümptesten  geschichtschreibers  Ju- 
stini warbafftige  hystorien  ...  Die  H.  B.  der  zeyt  scbultheys  zu  Colmar  / 
auss  dem  latein  inn  dils  volgend  teutsch  verdolmetscht  bat.  . . .  Angspurg 
1531.    Ex.  München,  hof-  und  staats-bibl.  2".  A.  lat.  b  403  (=  Boner,  Just.). 

—  Chronica  und  beschreibung  des  heyligen  Pauli  Orosij  ...  Und  aber 
yetzund  durch  den  aclitparn  und  weisen  hcrrn  Hieronymum  Bonern  diser 


NHD.  SUBSTANTIVFLEXION.    II.  279 

zeit  oberster  meister  der  löblichen  reichfsstadt  Colmar  in  obern  Elsafs  in 
dz  nachfolgend  teutsch  verdolmetscht  . . .  Colmar  1539  (=  Bouer,  Oros.).  Ex. 
München,  hof-  und  staats-bibl.  2°.  lat.  1117  e.  Derselbe  band  enthält  noch 
eine  Übersetzung  des  Cornelius  Nepos,  des  Sallust  und  des  Sueton  aus  dem 
jähre  1536,  die  ich  nur  Avenig  benutzt  habe. 

Wolfhart  Spaugenberg  und  Isaac  Fröreisen,  Griech.  dramen 
in  deutscheu  bearbeitungen,  her.  von  Oskar  Dähnhardt,  Bibl.  d.  lit.  ver. 
211.  212. 

Des  Frantzösischen  kriegs-Simplicissimi  hochverwunderlicher 
lebeus-lauff,  Freiburg  1682  (=  Simpl.). 

3)   Schwäbische  Schriften: 

Decameron,  Bibl.  d.  lit.  ver.  51,  1-160  (=  Decam.). 

Heinrich  Steinhöwels  Äsop,  Bibl.  d.  lit.  ver.  117,  14:70  (=  Asoj)). 

Augustin  Tüngers  Facetiae,  Bibl.  d.  lit.  ver.  118,  1486  (=  Tünger). 

N.  Federmanns  (und  H.  Stades)  Reisen  in  Südamerika  1529—1555, 
Bibl.  d.  lit.  ver.  47  (=  Federm.). 

Johann  Spreng,  Ilias  Homeri  und  Aeneis  Virgiliana  in  artige 
teutsche  reimen  gebracht  /  von  weiland  magistro  Johann  Sprengen  /  ge- 
wesenem kaj's.  notario  /  teutscheu  poeten  und  burgern  zu  Augspurg. 
Gedruckt  zu  Augspurg  duixb  Christoff  Maugen.  In  Verlegung  Elias  Willers 
anno  1610.  Ex.  München,  hof-  und  staats-bibl.  2°.  A.  gr.  a.  83  (=  Spreng, 
II.  und  Aen.). 

Ulrich  Kr  äfft,  Reisen  und  gefangenschaft  Haus  Ulrich  Kraffts.  Aus 
der  Originalhandschrift  her.  von  dr.  K.  D.  Hassler,  Bibl.  d.  lit.  ver.  61,  1616 
(=  Krafft). 

4)   Ostfränkische  schritten: 

Hans  Sachs,  Werke,  bd.  20,  Bibl.  d.  lit.  ver.  193. 

5)   Westmitteldeutsche  bes.  rheinfränkische  Schriften: 

Urkundeubuch  zur  geschichte  der  stadt  Speyer,  bis  1350 
(=  Urkb.  Sp.). 

Hans  Stades  Reisen  in  Südamerika  1529—1555,  Bibl.  d.  lit.  ver.  47 
(=  Stade). 

Hock,  Schönes  blumenfeldt,  1601.  Ex.  München,  hof- und  staats-bibl. 
4».  P.  0.  germ.  97  i  (=  Hock). 

6)   Ostmitteldeutsche  Schriften: 

Urkundeubuch  der  stadt  Leipzig,  l.bd.,  bis  1485  (=  Urkb.  L.). 

Der  veter  buch,  Bibl.  d.  lit.  ver.  72,  13.  jh.  (=  Veter  b.). 

Heinrich  von  Müglin,  Fabeln  und  miunelieder,  her.  von  Wilh.  Müller 
in  Gott.  Studien  2  (1847),  1350. 

Dalimils  Chronik  von  Böhmen,  Bibl.  d.  lit.  ver.  48,  hs.  aus  dem  j.  1389 
(=  Dal.). 

Johann  Roth  es  Thüringische  chronik,  Thüriug.  geschichtsquellen  bd.3, 
abf.  um  1425,  hs.  aus  der  zweiten  hälfte  des  15.  jh.'s  (=  Rothe). 

Luther.  Dass  diese  wort  Christi  'das  ist  mein  leib'  noch  feststehen, 
1527.  —  Ob  man  vor  dem  sterben  fliehen  möge,  1527.  Krit.  gesammtausg. 
bd.  23,  s.  64-283  und  s.  338-378. 

19* 


280  MOLZ 

Blanckcnberg,  Vom  Juncker  geytz  vnd  wucherteufel  durch  Alberuiu 
Blanckenberg,  Franckfurt  a.M.  1G63.  Ex.  Darmst.  hofbibl.  W2540/20.  Die 
erste  ausgäbe  erschien  Eisleben  1562. 

M.  Stephanus  Ricci us,  Bucolica  Virgilii  in  usura  puerorura  ger- 
luanice  reddita  per  M.  Steiihauum  ßiccium,  Eisleben  1570  (=  Rice,  Buc). 
Die  seitenzähluug  rührt  von  mir  her.  —  P.  Virgilii  Marouis  priores  duo 
libri  Georgicorum  in  usura  studiosae  iuventutis  germanice  redditi,  & 
editi  a  M.  Stephauo  Riccio  vSeuiore,  1571  (=  Rice,  G.).  —  Posteriores 
duo  libri  Georgicorum  P.  Virgilii  Maronis  ...  Leipzig  1572  (=  Rice, 
P.  G.).  Bucolica  und  Georgica  in  der  hof-  und  staats-bibl.  zu  München  in 
ein  yolumen  zusammengebunden  mit  der  sign.  A.  lat.  a  2:10-1. 

Martin  Opitz,  Trostgedichte  in  Aviderwertigkeit  del's  krieges» 
Leipzig  1633.  Es.  München,  hof-  und  staats-bibl.  ■i°.  P.  o.germ.  1.59  m  (=  Opitz, 
Kr.).  —  Joau  Barclai  Argeuis  verdeutscht  durch  Martin  Opitzen,  Amster- 
dam 1644  (=  Opitz,  Arg.). 

Philipp  Zesen,  Ibrahims  oder  des  durchleuchtigen  Bassa  und  der  be- 
ständigen Isabellen  wuudergeschichte,  3.uud4.  teil,  Amsteldam  16-45  (=Zesen). 

Buchholz,  Des  christlichen  deutschen  gross-fürsten  Herkules  und  des 
böhmischen  königlichen  fräulein  Valiska  wunder-geschichte,  Braunschweig 
1693,  erste  ausg.  1659,  s.  1  -455  (=  Buchh.). 

Christian  Weise,  Die  drei  ärgsten  erzuarren  in  der  ganzen  weit,  ab- 
druck  der  ausg.  von  1673,  Hallische  neudrucke  12 — 14  (=  Weise). 

Georg  Christian  Lehms,  Der  schönen  und  liebenswürdigen  Esther 
merkAvürdige  und  angenehme  lebensgeschichte  . . .  Leipzig  1713  (=  Lehms). 

Lessing,  Sämnitliche  Schriften,  her.  von  Karl  Lachmaun,  bd.  1,  1853. 
Untersucht  habe  ich:  Fabeln  drey  bücher,  Der  junge  gelehrte,  Die  Juden, 
Misogyn  und  Freigeist,  s.  163-198.  257—504. 

7)  Niederdeutsche  Schriften: 

Des  Thomas  Kantzo  w  Chronik  von  Pommern  in  hochdeutscher  mundart, 
her.  von  Georg  Gaebel,  bd.  2,  erste  bearbeituug,  Stettin  1898,  abfassung  um 
1535  (=  Kantz.). 

Jodocus  Hockerius,  Der  teufel  selbs  /  das  ist  warhafftiger  /  besten- 
diger  und  wolgegründter  bericht  von  den  teufein.  Am  ende:  gedruckt  zu 
Ursel  1568.    Ex.  München,  hof-  und  staats-bibl.,  phj'S.  m.  118  k  (=  Hocker.). 

Die  flexion  der  neutra  zerfällt  wie  die  der  masculiiia  in 
eine  vocalisclie  und  consonantisclie  declination.  Die  consonan- 
tisclie  declination,  die  im  mlid.  nur  durch  vier  Wörter  {herze, 
öre,  ou(je,  u-ange)  vertreten  Avird,  ist  im  nlid.  untergegangen 
und  hat  anlass  zur  bildung  der  gemischten  flexionsAveise  ge- 
geben. Die  vocalische  declination,  die  «-,  ica-  und  ja-stämme 
umfasst,  hat  besonders  durch  die  grosse  ausdehnung  des  r-plurals 
"wesentliche  gi-uppenverschiebungen  erlitten.  Vom  Standpunkt 
des  nhd.   unterscheiden  wir  starke   und  gemischte  flexionen. 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II.  281 

Die  starke  flexion  zerfällt  in  drei  abteilungen:  die  erste  klasse 
umfasst  die  reinen  a-stämme  und  die  reste  der  iva-  und  «-stamme, 
die  zweite  die  ja -stamme  und  die  dritte  klasse  die  urgerm. 
Ä-stämme,  die  in  nlid.  zeit  durch  den  übertritt  zahlreicher  a- 
und  j/"a-stämme  ausserordentlich  vermehrt  wurde.  Die  gemischte 
flexion  weist  zwei  gruppen  auf,  von  denen  die  eine  nur  durch 
lierz  vertreten  ist,  die  andern  durch  n-  und  ya-stämme.  Durch 
beispiele   erläutert  würde   sich   die  einteilung   so   darstellen: 

1.  Starke  declination:  1.  klasse:  hein,  ding,  schiff  w.a,.',  meld, 
vidi.  —  2.  klasse:  gedieht,  gesetzt  gehmide,  gedränge  und  die 
/a-stämme  (hett),  h-eids,  netz,  reich,  siiick]  erbe,  (ende)  u.a.  — 
3.  klasse:  Jcalh  —  Mlber,  kind  —  Mndcr  u.  a.;  hild,  gemüt,  ge- 
schleclit,  gespenst.   —   II.  Mischdeclination:  1.  klasse:  her2.   — 

2.  klasse:  äuge,  ohr\  hett,  hemd,  ende. 

Da  eine  einheit  erst  spät  durchgedrungen  ist,  sind  in  ein- 
zelnen drucksprachen  natürlich  Übergänge  und  berührungen 
der  verschiedenen  flexionsklassen  zu  beobachten,  die  nicht  zur 
allgemeinen  anerkennung  gekommen  sind.  Ich  behandele,  ent- 
gegen meinem  früheren  vorgehen,  diese  Schwankungen  unter 
der  klasse,  zu  der  sie  erfolgen.  Der  pl.  heiner  ist  ebenso  wie 
der  pl.  heiter  bei  der  erörterung  des  mit  r-suffix  gebildeten 
plurals  zu  finden.  Der  pl.  stücken  bereichert  die  klasse  der 
gemischt  flectierendeu  Substantive.  Diese  behandlungsweise 
ist,  wie  mir  scheint,  geeignet,  den  einblick  in  die  Wirksamkeit 
der  einzelnen  numerussuffixe  {-e,  -en,  -er)  zu  erleichtern.  Und 
begründet  ist  diese  anordnung  um  so  mehr,  als  bei  schwanken- 
der form  die  entscheidung  für  die  eine  oder  andere  flexionsart 
doch  von  mehr  zufälligen  factoren  abhieng. 

Starke  declination. 
I.  klasse:  «-stamme. 

Die  klasse  wird  dadurch  gekennzeichnet,  dass  in  der  nhd. 
zeit  nach  analogie  der  masc.  bei  allen  den  a-stämmen,  die  sich 
gegen  den  r-pl.  v,dderstandsfäliig  gezeigt  haben,  ein  e  im  nom. 
acc.  pl.  angetreten  ist.  Wie  die  umlautsfähigen  masc.  noch  im 
laufe  der  mhd.  zeit  zumeist  den  für  die  numeraltrennung  sehr 
geeigneten  «-pl.  angenommen  haben,  so  hat  in  dieser  gruppe, 
freilich  erst  in  der  nhd.  periode,  die  ausdehnung  des  r-pl.  zu 


282  MOLZ 

jrrossen  cinbussen  geführt.  In  der  schriftspraclie  haben  sich 
folgende  in  der  rt-flexion  behauptet:  heil  (mhd.  hilicr).  lein,  hier, 
hoot,  hrot,  ding,  feil,  fest,  floss,  haar,  jähr,  joch,  Idoss,  Jcnie,  los, 
mass,  Pfand,  recht,  reh,  riff,  röhr,  ross,  schaf,  schiff]  schtvein, 
seil,  Stift,  tau,  tier,  tor,  iverfc,  tcort,  zeit,  ziel.  Viele  von  diesen 
zeigen  in  unseren  texten  hin  und  wider,  zuweilen  sogar  häufig 
bei  einzelnen  Wörtern,  r-idurale;  doch  ist  gleich  hier  festzu- 
stellen, dass  nicht  ein  einziges  der  diese  abteilung  bildenden 
Wörter  in  irgend  einem  buche  nur  in  dem  gewande  des  r-pl. 
auftritt. 

Aus  meinen  sammlnngen  ergeben  sich  für  den  beginn  der  ansbreitnng 
des  flexi  vischen  c  auf  die  neutralen  «-stamme  folgende  tatsachen.  In  den 
bairischen  Urkunden  ist  der  mhd.  stand  bis  um  1800  fest  bewahrt, 
ap.  iure  Urkb.  o.  d.  E.  4, 177  (1292)  ist  ganz  vereinzelt.  Von  1300  an  beginnt 
ein  schwanken  in  den  formen.  Dem  np.  chinde  Urkb.  o.  d.  E.  4,  341  (1300) 
steht  der  np.  chint  ebda.  367.  393  (1300  und  1301)  gegenüber.  Dem  ap. 
chinde  ebda.  5,34  (1310)  hält  ap.  recht  ebda.  5,344  (1329)  widerpart.  Im 
gen.  pl.  ist  die  alte  form  erhalten;  doch  findet  sich  auch  schon  Übertragung 
der  flexionslosen  form:  gp.  meiner  chind  Urkb.  o.  d.  E.  4,413  (1302). 

In  den  Freiburger  Urkunden  haben  die  alten  Verhältnisse  längeren 
bestand.  Bis  1350  ist  hier  keine  Wandlung  eingetreten.  —  Die  untersuchten 
Urkunden  reichen  von  1275  bis  1454.  —  Neben  dem  ap.  iure  Urkb.  d.  st.  Fr. 
1,378  (1349J  finden  sich  ap.  kint,  ding  ebda.  Von  1350  au  aber  ist  eine 
allmähliche  mi«clinng  der  formen  zu  beobachten:  ap.  dinge,  iure  ebda.  410 
(1350),  np.  dinge  440.  441  (1350).  In  einer  Urkunde  von  13G8  ebda,  werden 
die  alten  formen  np.  ding,  herrenreht,  lantreht  518  neben  dem  np.  dinge 
519,  velde  516  und  ap.  dinge  515  gebraucht.  Aus  dem  jähre  1391  seien 
erwähnt;  np.  srhuff  2m.  ebda.  2,79  und  ap.  ire  sirert  ebda.  78;  ap.  scrhs 
schaffe  2  m.  ebda.  79  und  vH  schaffe  ebda.  Eine  Urkunde  des  Urkb.  d.  st. 
Fr.  2  aus  dem  jähre  1397  weist  folgende  formen  auf:  nap.  recht  om.  113. 
114.  119,  kint  114.  124,  pfant  3  m.  119,  ap.  ziceg  hrot  118.  —  nap.  dinge 
118.  124,  ap.  iure  4  m.  116—122,  sin  velde  117.  Die  echten  fonnen  über- 
wiegen hier  noch.  Später  scheint  sich  das  Verhältnis  nicht  wesentlich  zu 
verschieben.  Ich  finde  ap.  lande  ebda.  2,  370.  371  (1427)  und  slossc  ebda. 
370.  374;  ap.  land,  slofs  ebda.  375.  Und  noch  1454  haben  sich  die  acc  pl. 
hantwerch  und  tcort  oder  tverk  ebda.  2,  439.  440  analogischen  cinflüssen 
entzogen. 

Auf  rheinfränkischem  gebiet,  für  das  die  Urkunden  zur  geschichte 
der  Stadt  Speyer  und  Frankfurts  Reichscorrespondenz  1  benutzt  wurden, 
liegen  die  Verhältnisse  ähnlich.  Die  formen  mit  flcxivischem  e  stellen  sich 
neben  die  endungslosen:  ap.  ding  Urkb.  d.  st.  Sp.  1.54  (1287),  worteh(lä.22i 
n314j,  recht  369  (1333),  Hchaf'.M]  (1328),  pfcrt  307  (1328),  nap.  gut  328 
(1330;,  ap.  iar  382  (1.334),  nap.  kint  336.  413  (1331.  1340)  neben  ap.  stifte 
3  m.  170.  171  (1302;,  gelle  279  (1323),  OOO  pfunde  285  (1324),  KMX)  pfiinde 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II.  283 

hellere  328  (1330),  sicey  gantze  iare  346  (1332),  np.  etliche  dotschlecje  oder 
andere  vil  ttbelre  dinge  2  m.  359  (1332)  und  ap.  tverJce  328  (1330).  lu  einer 
Urkunde  von  1340  tritt  neben  den  neuen  ap.  oppherliehte  429  der  ap. 
zweintzig  lieht  2  m.  ebda.,  lielit  und  die  icort  ebda.  Ferner  np.  ander  gut 
und  pfände  ebda.  441  (1346)  neben  alle  ander  pfant  ebda.;  ap.  dinge  443 
(1347)  und  ding  468  (1349).  Die  alte  form  des  gen.  pl.  hat  sich  stets  er- 
halten. Aus  alledem  geht  hervor,  dass  das  bewusstsein  für  die  endungs- 
losigkeit  im  nom.  acc.  pl.  der  neutralen  n-stämme  um  die  mitte  des  14.  jh.'s 
noch  sehr  lebhaft  war.  In  Frankfurts  Eeichscorrespondenz  1  finde  ich  von 
1400  an  den  analogischen  plural  fast  allgemein:  ap.  knye  (1400),  pferde 
(1401),  dinge  (1411),  np.  stifte  (1437),  dorc  (1438)  neben  ap.  loort  (1411). 

Den  ostmitteldeutschen  stand  in  frühnhd.  periode  sollen  beispiele 
aus  dem  rrkundenbuch  der  Stadt  Leipzig,  aus  dem  Veter  buch,  dem  Evan- 
gelieubuch  des  Matthias  von  Beheim  und  aus  der  Chronik  des  Johann  Eothe 
erläutern.  Die  alten  formen  sind  im  Urkb.  d.  st.  L.  länger  bewahrt  als  sonst. 
Bis  1429  sind  hier  die  masc.  und  neutra  in  ihrer  flexionsweise  scharf  ge- 
schieden. Erst  dann  beginnt  ein  langsames  vordringen  der  auf  association 
beruhenden  formen:  ap.  unser  lande  Urkb.  d.  st.  L.  113  (1429),  kalbefsheuhte 
161  (1442),  andir  dinge,  pferde  175  (1444),  np.  hamverckc  188  (1446).  Den 
mhd.  formen  ap.  andre  dingJc  172  (1444),  nap.  die  schutzbret  250  (1455),  ap. 
brcth  274  (1460,  nap.  henbt,  cleinot  278  (1462),  ap.  fremde  bier  2  ra.  270 
(1459),  np.  kleine  ding  294  (1463),  ap.  bihr  297  (1463),  alle  gut  314  (1464;, 
fafs  315  (1464),  laut  341  (1466),  ufslendische  bier  342  (1466),  die  kertzen 
und  Hecht  381  (1470),  np.  ding  383.  402  (1471.  1475),  ap.  ampt  410  (1475), 
nff  die  gemelten  dreij  fest  ebda.,  thyer  414  (1476),  die  licht  426  (1481),  np. 
bier  427  (1481),  ap.  cleinot  447  (1485)  stehen  nur  einige  neugebildete 
a-formen  gegenüber:  ap.  stadrechte  3m.  265  (1458),  np.  lande  und  fürsten- 
tumb  262  (1458),  ap.  über  lande  und  stete  294  (1463),  ap.  ampte  409  (1475), 
uff  die  gemelten  feste  410  (1475).  Im  dat.  sing,  und  gen.  pl.  ist  das  endungs-e 
mit  consequeuz  bewahrt.  Im  Veter  buch  ist  acc.  pl.  lide  14,  8  neben  zahl- 
reichen alten  formen  ganz  vereinzelt.  In  Beheims  Evangelienbuch  erscheint 
pl.  haar  und  haare,  kastelle,  knie,  pfund,  schaf  und  schüfe,  sprue  und 
spriave,  tverk  und  iverke;  doch  ist  die  form  auf  e  noch  vereinzelt  (nach 
Bechstein,  einl.  s.  ausgäbe  s.  lxxiv).  Aus  Rothes  Thüring.  chronik  mögen 
einige  belege  hier  platz  finden:  ap.  lichte  28,  elemente  71,  na^i). pferde  3  m.  76, 
ap.  schiffe  76.  225,  beijne  80.  102,  tveder  beijne  noch  arme  186,  np.  seile  436, 
ap.  feste  533,  heere  (sing,  meist  heer)  83.  —  ap.  pfert  76,  np.  swein  90, 
thier  90,  ap.  hacr  117,  schiff  240,  thor  481  u.  ö.,  np.  tir  591,  ap.  seil  642. 
Das  endungs-e  ist  häufig,  doch  nicht  überwiegend,  in  der  mehrzahl  der  fälle 
läuft  die  alte  form  nebenher.  Nach  den  ja-stämmen  ist  gebildet  acc.  sing, 
und  pl.  kamele  240. 

In  den  liier  angezogenen  spraclidenkmälern  sind  die  flexi- 
visclien  und  stammhaften  e  dnrchgängig  erhalten,  und  es  ist 
daher  anzunehmen,  dass  die  ausdehnung  des  e  auf  den  nom. 
acc.  pl.  in  den  verschiedenen  gebieten  auf  dieselben  factoren 


284  MOLz 

zuriickzufüliren  ist.  Die  Ja-stämme  zeigen  erhaltiing'  des 
stammliaften  c  sowol  in  dem  Urkb.  ob  der  Eniis  wie  in  den 
F'reiburger  und  Speyrer  Urkunden,  von  den  Leipziger  Urkunden 
ganz  zu  schweigen,  l'nter  diesen  Voraussetzungen  war  der 
analogisclien  Wirkung  der  masc.  ein  henininis  entgegenge.^tellt; 
denn  die  gleicliförmigkeit  im  nom.  acc.  sing,  und  pl.  stützte 
die  überlieferten  formen  der  neutralen  a-stämrae.  Indes  schon 
im  mild,  machte  sich  der  einfluss  der  masc.  a-,  f-stämme  geltend. 
Vgl.  A\'einhold,  :\nid.  gr.  §  437,  s.  426,  und  Alem.  gr.  §  395,  s.  422. 
Die  berührung  mit  den  starken  masc.  war  durcli  die  Überein- 
stimmung der  form  im  ganzen  sing,  und  im  gen.  dat.  pl.  ge- 
geben. Warum  aber  verharrten  die  neutralen  rt-stämme  bei 
ilirer  alten  flexion  während  der  ganzen  mhd.  zeit?  Warum 
kam  es  nicht  damals  schon  zum  beginnenden  ausgleich  mit  dem 
masculinum?  Den  grund  hierfür  sehe  ich  in  dem  anwachsen 
der  mit  r-pl.  gebildeten  wortgruppe.  Hatte  schon  die  blosse 
Verminderung  der  «-klasse  ein  leichteres  hinüberziehen  zur 
form  des  masc.  möglich  gemacht,  so  war  durch  das  anscliwellen 
der  r-plurale  eine  neutrale  kategorie  entstanden,  die  den  wert 
und  die  Wirksamkeit  der  numeraltrennung  scharf  einprägte. 
Und  diesem  bedürfnis  nach  Scheidung  der  zahl  verhalf  dann 
die  analogie  der  starken  masc.  zum  siege.  Das  streben  der 
ja-stämme  (die  selbst  ins  wanken  gerieten),  die  bestehende 
formengleichheit  aufrecht  zu  erhalten,  trat  hinter  dem  über- 
mächtigen drängen  der  neutralen  r-pluralgruppe  auf  trennung 
der  numeri  zurück.  Die  anziehungskraft  der  masc.  wurde 
durch  bestellende  begriffliche  verwantschaft  noch  verstärkt: 
liferde  —  hiinde\  iveihe,  hinäe  —  mamic;  heine  —  arme,  fasse; 
jähre  —  tage,  monate]  scliafc  —  tvölfe;  tore  —  tische  u.  a.  Auch 
die  /-Stämme  des  femininums  konnten  bei  begrifflicher  Verbin- 
dung die  beseitigung  der  nacktheit  der  neutralen  «-formen  be- 
günstigen: lande  —  städte;  haare  —  häute]  heine  —  hände. 

Es  besteht  bei  der  ausbreitung  des  c-pl.  in  den  unter- 
suchten Urkunden  ein  unterschied:  am  frühesten  gewährt  die 
bair.  kanzleisprache  dem  neuen  pl.  eingang,  es  folgen  die  alem. 
und  rheinfränk.  kanzleisprache,  während  die  Leipziger  Urkunden 
• —  das  ostmd.  gebiet  • —  erst  spät,  um  1430,  die  neue  form 
aufweisen.  Das  eintreten  der  apokope  beim  Substantiv  auf 
dem  obd.  und  westmd.  dialektgebiet  bietet  eine  handhabe  zur 


NHD,   SUBSTANTIVFLEXION.   II.  285 

erklärimg-  dieser  tatsache.  Die  abstossung  des  end-e  kommt 
auf  den  genannten  Sprachgebieten  im  laufe  des  14.  jli.'s  in 
fluss.  Die  bewalirung  des  end-e  war  also  schon  zur  zeit,  als 
die  Urkundenschreiber  die  analogische  form  des  neutr.  zu  ge- 
brauchen anflengen,  uuvolkstümlich.  Das  Sprachgefühl  musste 
in  einer  auf  archaischem  stände  künstlich  erhaltenen  Schrift- 
sprache des  bewusstseins  für  die  ursprünglichkeit  der  endungs- 
losigkeit  des  nom.  acc.  pl.  langsam  verlustig  gehen,  besonders 
im  hinblick  auf  die  mangelhafte  art  der  Überlieferung-.  Die 
widerherstellung  bez.  die  traditionelle  bewahrung  des  endungs-e 
beim  masc.  hatte  leicht  eine  Übertragung  aufs  neutr.  zur  folge. 
Ganz  anders  auf  ostmd.  boden.  Hier  blieb  das  end-e  des  Sub- 
stantivs erhalten,  und  das  gefühl  für  die  endungslosigkeit  des 
nom.  acc.  pl.  des  neutr.  blieb  auch  im  volke  lebendig,  und  so 
geschah  das  vordringen  der  analogischen  Wirkung  des  masc. 
langsamer,  zögernder. 

Verfolgen  wir  den  weiteren  verlauf  der  entwickelung  auf 
den  einzelnen  dialektgebieten. 

Auf  bairischem  gebiet  bat  die  apokope  zur  endungslosigkeit  der 
starken  flexionsformen  gefübrt.  In  den  Sterziuger  spielen,  dem  Weisskunig, 
bei  Aventin  und  späteren  autoren  ist  daber  das  fehlen  des  flexiviscben  e 
beim  Substantiv  regel.  Einige  beispiele  mögen  genügen:  w^.liauhtlcut  Ay. 
2, 162, 17,  ap.  ivasserfUis  ebda.  163,  25,  np.  stet  ebda.  164,  23,  ap.  rät,  an- 
sclileg  165,  7,  tag  175, 13,  np.  hrief  211,  32.  —  ap.  ding  167,  27,  land  210,  4, 
np.  234,28,  ap.  for  247,  20,  mord  373,5,  nap.  jj/crfZ  279,  3.  293,5.  Scbaiden- 
reisser  bat  dieselben  formen:  uap.  hain  19.  23,  np.  ding  19,  nap.  srt?7  ebda., 
ro/s  23.  24,  np.  f/jo?- 37.  Vereinzelt  zeigt  das  masculinum  erbaltung  des  e: 
np.  süne  41,  ap.  hunde  23.  40,  wäbrend  bei  den  fem.  z- stammen  die  ab- 
stossung  allgemein  ist.  Nass,  der  in  seiner  Widereinwarnung  das  reforma- 
torische werk  Luthers  bekämpft,  gebraucht  ap.  werclce  56  ff.  und  lüerch  80  if. 
promiscue,  ferner  ap.  rechte  81,  aber  tliier  80  ff.  Ohne  frage  ist  die  e-form 
dem  einfluss  geistlicher  Schriften  Ostmitteldeutschlands  zuzuschreiben.  Auch 
die  fem.  «-stamme  zeigen  in  ihren  nicht  apokopierten  formen  ostmd.  einfluss. 
Neben  gp.  Mlnst  Widereinw.  16,  ap.  genfs  17,  frücht  85,  Icww  80,  np.  süw 
183,  mäufs  129  treten  ap.  fruchte  62,  np.  kiihe  129,  hätite  129  auf.  Alber- 
tinus  apokopiert  und  gebraucht  ap.  haine  95  und  np.  wercJce  170  nur  ver- 
einzelt. 1650  aber  ist  bei  Birk,  einem  mitglied  des  Pegnitzordeus,  die  nhd. 
form  (np.  röhre  95  und  ap.  aafse  162  ebenso  wie  ap.  schachte  161,  gp. 
Stämme  172,  np.  ströme  174)  durchgeführt.  Auch  der  Eegensburger  Gre- 
flinger  hat  im  anschluss  an  md.  Vorbilder  das  end-e  restituiert  und  auch 
auf  das  ueutrum  ausgedehnt. 

In  den  werken  schwäbischer  autoren  treten  der  gleichen  behandlung 
des  end-e  entsprechend  dieselben  Verhältnisse  zu  tage.  Erwähnenswert  sind 


286  MOLz 

nur  einige  orscheiiuingen.  Im  Asop.  einer  Übersetzung  Steinhöwels.  er- 
scheinen als  ausnabnicn:  np.  kinde  42,  gp.  icorte  114,  np.  iiere  184  und  ap. 
baine  267,  Audi  die  J«-stiinunc  zeigen  natürlich  apokope:  ap.  hiUl  71,  as. 
ffclubt  170,  wie  auch  sonst  die  endungslosigkeit  beim  Substantiv  regel  ist, 
Tgl.  . . .  hat  er  in  .sy«  fabeln  redend  fofjcl,  hörn,  irilde  und  zämc  Her,  hirs, 
trolf,  füchn,  löicen,  rindcr,  schauff]  gaifs  und  andere  gezogen  78.  Feder- 
mann gebraucht  den  uom.  acc.  pl.  der  neutra  ohne  eudung,  doch  ist  die 
apokope  bei  den  starken  masc.  und  den  fem.  /-stammen  nicht  streng  durch- 
geführt; die  plurale  icegc  35,  feinde  39.  45,  freunde  56,  lu>^te  69  haben  im 
neutr.  keine  entsprechung.  Nur  der  o-pl.  schiffe  85  macht  eine  ausnähme, 
doch  auch  der  nom.  sing,  lautet  vereinzelt  schiffe  85,  eine  form,  die  auf 
analogie  der  neutralen  jri-stäuinie  beruht.  Rei  Spreng  fehlt  das  endungs-e 
in  allen  decliuationsklassen  fast  durchgängig,  was  einen  weitgehenden  an- 
schluss  an  die  spräche  des  Volkes  bedeutet.  Bei  Krafft  und  Weckherlin 
macht  sich  die  eiuwirkuug  der  mundart  in  nicht  viel  geringerem  grade 
bemerkbar:  np.  maidtire  Krafft  107,  ap.  ihurc  (^=  ticre)  59.  np.  rauhsihüffe 
329,  np.  ihüer  78,  nap.  rhor  100.  101.  379,  np.  hergwercJch  379.  Dazu  wären 
np.  stein  Krafft  85,  np.  bäum  2  m.  94,  ap.  bäum  84,  np.  höfswichtt  140,  np. 
nast,  ap.  nüst  261,  ap.  tcirme  294,  np.  ort  295  zu  vergleichen.  Eine  aus- 
nähme von  allen  andern  Schriften  des  gebietes  macht  die  spräche  Ar igos, 
des  Übersetzers  von  Boccaccios  Decamerone.  Die  neutra  haben  hier  da.s 
epithetische  c  bereits  angenommen:  nap.  rf/H^re  1, 28.  2,22.  4,38.  5,12. 
28,23,  icercke  2,25.  11,34,  np.  hare  10,5,  ap.  rosse  328,33,  peine  446,11 
U.S.W.;  doch  erscheint  auch  öfter  die  dialektische  form  mit  abstossung  des  c. 
Auch  die  masc.  haben  meist  die  vollen  formen.  Einige  seltene  plurale 
seien  nur  erwähnt:  ap.  münde  5,16.  554,36,  np.  rcuche  220,21,  ap.  dorne 
370,  5,  np.  Jcremc  419,  27,  ap.  ~aumc  644,  24.  —  np.  stral  und  sträl  272, 16. 
276.  313, 19  u.  a.  Bei  den  neutralen  ja-stämmen  ist  das  e  auch  meist  wider- 
hergestellt. Die  Übersetzung  birgt  ausser  dem  unhistorischen  as.  gepoie 
47,30  noch  eine  fülle  unorganischer  c-formeu,  die  beweisen,  wie  sehr  dem 
autor  das  gefühl  für  die  richtige  Setzung  des  e  verloren  gegangen  ist. 
Nicht  nur  die  neutralen  a-stämme,  sondern  masculina  und  feminina  erhalten 
in  buntem  gemisch  ein  e  im  nom.  acc.  sing.:  as.  maule  4,  prote  ■tö,  iare2ö, 
tcercJce  17,  fehle  21,  holtze  37,  male  41,  ns.  dinge  6,  volcke  21,  plute  31, 
schiffe  104  und  ns.  tröste,  teyle  17,  geyste  30,  lone  23,  ringe  34,  abte  38, 
as.  tage  14.  16,  czweige  14,  sale  15,  atifange  16,  lobe  17,  lone,  sohle  19, 
teylc  24,  heile  31,  rate  35,  preise  39  und  ns.  note  17.  Dieses  deukmal  legt 
Zeugnis  ab,  wie  gelehrte  humanisten  l)ewusst  an  der  sprachlichen  restitution 
arbeiteten,  und  es  verdient  als  Vorläufer  der  im  17.  jh.  einsetzenden  be- 
wegung  alle  beachtung.  Dabei  ist  noch  zu  berücksichtigen,  dass  um  jene 
zeit  der  ostmd.  sprachtypus  einer  eindrucksvollen,  allgemeine  ancrkenuuug 
heischenden  literatur  ermangelte,  und  es  kann  doshalb  von  einer  abhängig- 
keit  nach  dieser  seite  bei  Arigo  keine  rede  sein;  er  wird  vielmehr  allein 
von  dem  bestreben  geleitet,  die  überlieferten,  von  der  Volkssprache  ver- 
kürzten formen  widerherzustellen. 

In  den  schritten  alemannischer  herkunft  ist  mit  strenger  consequenz 
das  end-e  beim  masc.  und  neutr.  Substantiv  abgestossen.    Die  Stretlinger 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II.  287 

Chronik,  Brant,  Pauli,  Manuel,  Morgant  der  riese,  die  Haimonskinder  — 
alle  weisen  apokope  in  allen  declinationsklassen  des  masc.  und  neutr.  auf. 
Erst  der  gelehrte  schnltheiss  von  Colmar,  Boner,  wendet  in  seinen  Über- 
setzungen zuweilen  den  analogischen  pl.  an,  oftenbar  unter  dem  einfluss 
nid.  Schriften:  g\).  tliier  Gros.  6,  a^.  seil  8i,  n^.  kleinot  117,  imyt.land  Justin 
7.  103,  ap.  thier  100,  ebenso  Avie  np.  leib  Justin  118,  mörd  77,  ap.  töd  Si, 
först  Gros.  14,  last  30,  u-äld  113  u.v.a.;  daneben  ap.  lande  Justin  2.  105, 
np.  Pferde  110,  ap.  schiffe  59.  Dasselbe  Verhältnis  Avaltet  bei  Wolfbart 
Spangenberg  ob  und  noch  in  dem  Frantzösischen  Simplicissimus  vom 
jähre  1682.  •) 

Den  Ostfranken  von  Eosenblut  bis  Ayrer  sind  alle  flexivischen  und 
stanimhaften  e  des  Substantivs  mit  einigen  ausnahmen  abhanden  gekommen, 
daher  auch  beim  neutrum  kein  e  im  ganzen  plural.  Nur  Albrecht  von  Eyb 
hat  mit  der  widerherstellung  des  end-c  beim  starken  masc.  und  fem.  auch 
auf  die  neutra  das  e  übertragen.  Neben  den  pl.  dinge,  pferde,  ifcrcke,  laiye 
erscheinen  bei  ihm  die  alten  endungslosen  formen. 

Von  den  rheinfränkischen  denkmälern  sei  erwähnt,  dass  Stade 
beide  formen  gemischt  auAvendet,  was  mit  seiner  dialektisch  gefärbten, 
stark  zur  apokope  neigenden  Schreibweise  in  eiuklang  steht:  ngp.  schiff 
100.  101,  ap.  ding  90.  113.  131.  132,  fest  122,  np.  ivort  132,  ap.  hott  162, 
np.  merschivein  162,  np.  thiei-  170  und  ap.  pferde  96,  nap.  schiffe  101.  106. 
112  u.  ö.,  ap.  fasse  108,  nagp.  dinge  91.  92.  93.  185.  196,  nap.  beinc  133. 
180.  190.  Im  Faustbuch  ist  das  seltene  vorkommen  der  e-form  auch  auf 
die  neigung  zur  apokope  zurückzuführen.  Es  erscheinen  nur  pl.  rche  -18, 12 
und  pferde  105,  3.  104, 12.  17.  Bei  Hock  (1601)  überwiegen  die  endungs- 
losen formen:  np.  schaff  16,  nap.  bein  24*.  35,  ap.  rofs  33;  ap.  lande  39*. 

Unter  den  ostmitteldeutschen  Schriften  greifeich  zu  dem  material 
über  Riccius  (1567).  Die  masc.  a-,  ^■-stämme  haben  das  endungs-c  mit  gering- 
fügigen ausnahmen  bewahrt:  np.  gürte  Georg.  44,  nap.  sterne  61.  66,  np. 
krauche  62.  64,  np.  streiiche  88,  ap.  stänune  37,  fö7'ste  150,  np.  hayne  144; 
nap.  forst  28.  111.  137,  ap.  hcdm  29  (man  beachte  den  niangel  des  umlauts; 
bei  pl.  forst  und  hcdni  wäre  sehr  wol  an  eine  rückwirkung  der  neutra  zu 
denken),  np.  hayne,  icelder  und  formte  Post.  Georg.  10,  np.  Sterne  25,  np. 
helde  38,  liichse  44,  nap.  hirsche  60.  87,  nap.  leibe  109.  164.  Ganz  anders 
sieht  es  bei  den  neutra  aus.  Die  ererbten  formen  halten  den  neuen  un- 
gefähr die  wagschale:  nap.  schaf  Buc.  153,  Georg.  144,  Post.  Georg.  2.  48. 
49,  nap.  schicein  Buc.  151.  Georg.  157.  Post.  Georg.  2,  np.  reeh  Georg.  135, 
ap.  rofs  Post.  Georg.  10.  11,  nap.  thier  10.  63.  94.  161,  ap.  netz  Buc.  44, 
ap.  landt  Georg.  156,  fest  158,  ioch  160,  ding  Post.  Georg  9.  93,  Schien- 
bein 11,  np.  icort  159.  —  ap.  schafe  Buc.  20.  Post.  Georg.  47.  49.  51.  61. 
62,  nap.  pferde  Georg.  160.  Post.  Georg.  9.  11.  26,  ap.  öhre  Buc.  89,  ap. 
netze  Post.  Georg.  132,    nap.  schiffe  Georg.  146.  147.    Post.  Georg.  51.  59, 


*)  In  diesem  werke  findet  sich  neben  der  correcteu  form  as.  bollwercJce 
441,  feuerioercke  452,  die  beweisen,  dass  obd.  Schriftsteller  in  dem  bestreben, 
ihre  Schreibweise  der  md.  Schriftsprache  anzunähern,  auch  fehl  griffe  tun 
konnten. 


288  MOLz 

ap.  bnude  Post.  Georg.  150,  leine  14.  80.  Eine  stelle,  <lie  recht  deutlich 
beweist,  dass  das  bewxisstsein  für  die  ursprüngliche  endungslosigkeit  noch 
rege  ist,  möge  hier  platz  finden:  wie  da  sind  schaff,  ziegen,  schwein,  hunde 
l\  Georg.  2.  In  Luthers  spräche  treten  die  neuen  formen  nur  manchmal  auf 
(Franke  s.  102),  und  auch  bei  Mathesius  ist  das  e  fast  durchgängig  noch 
nicht  angetreten.  Der  pl.  pfcrdc  ist  bei  ihm  vereinzelt.  Luther  und  Ma- 
thesius  zeigen  also  ältere  formen  als  die  rund  hundert  jähre  früher  ent- 
standene Thüring.  chrouik.  Opitz,  Zesen  und  andere  haben  den  aiisgleich 
durchgeführt. 

Der  Niederdeutsche  Kantzow  (um  1.535)  hat,  seinem  heimatlichen 
dialekt  entsprechend  (vgl.  Lübben,  Mud.  gr.  §  70,  s.  98),  den  auf  c  ausgehenden 
pl.  fast  stets  angewendet:  ap.  land  12.  13.  20.  117,  etliche  jar  \1,  drei/ jar 
18,  schaff  24.")  sind  die  wenigen  alten  Hexionsformen.  Daneben  erscheinen 
die  zahlreichen  neubildungeu:  na^.  lande  B.  144,  &^.vierzehenjare  18,  lange 
und  viele  jare  21,  ap.  böte  28.  224.  225,  nap.  stifte  31,  ap.  thore  37.  186. 
187,  dinge  50,  nap.  schiffe  5.  GO.  126.  150  (aber  ap.  taicsent  und  eilf  schiff 
60),  ap.  beine  149,  pferde  146.  245,  np.  schaffe  159,  ap.  rehe  247,  schiceine 
245,  np.  iyre  251.  Der  vereinzelte  acc.  sing,  stifte  118  (vgl-  auch  dazu 
Lübben  a.a.O.)  ist  der  aualogischen  Wirkung  der  Ja-stämme  zuzuschreiben. 
Hocker,  und  Julius  von  Braunschweig  stehen  den  Obersachsen  viel  näher 
als  Kantzuw.  Den  mhd.  formen  ap.  ding  Hocker.  1.  26.  253,  np.  die  haar 
283,  nap.  thier  287.  288,  np.  die  schaf  247,  ap.  sieben  tausent  schaf  244, 
drey  tausent  canicel  244  reihen  sich  an  ap.  thiere  71,  pferde  HO,  np.  schlacht- 
schafe  250.  Julius  von  Braunschweig  wendet  pl.  haar  stets  ohne  analogi- 
sches e  an;  neben  den  pl.  ding,  schicein,  urrk,  irort  erscheinen  die  pl. 
dinge,  pferde,  rechte,  schafe,  werke,  tcorte.  Auch  Job.  Arndt  (^^'ackernagel, 
D.  leseb.  3,  507  ff.)  kennt  noch  die  alten  formen :  ap.  ticr  und  nap.  icort ; 
daneben  erscheinen  ap.  ticre,  gj).  werke  uud  der  pl.  dinge.  Gryphius  und 
Simon  Dach  entbehren  die  mhd.  form.  Pülmann  1671  gibt  in  seiner  Gramm, 
das  uhd.  paradigma  von  bein  und  pferd. 

Xacli  diesen  feststelluiig-eu  ist  die  frage  noch  zu  beant- 
worten, wann  die  nlid.  formen  zur  allgemeinen  durclifüUrung 
gelangt  sind,  Haben  Luther,  ]Mathesius,  Eiccius,  Julius  von 
Braunschweig  und  sogar  Job.  Arndt  das  gef iihl  für  die  endungs- 
losigkeit  im  nom.  acc.  pl.  der  neutralen  a- stamme  noch  nicht 
verloren,  so  wird  bei  Opitz  im  Buch  von  der  deutschen  poeterei 
und  in  seiner  Argenis,  bei  Zesen  im  Ibrahim  die  durch- 
dringung  der  starken  flexion  des  masc.  und  neutr.  auf  den 
Schild  erhoben.  Die  grammatiker  schwanken  in  ihren  angaben: 
während  Clajus  schon  1570  das  nhd.  paradigma  von  schwcin  auf- 
stellt, verharren  Albertus  (1573),  Eitter  (1616)  und  Schoepf  (1625) 
bei  der  alten  flexion  mit  Schwund  des  e  im  gen.  pl.  Brücker 
(1620)  kennt  nur  noch  den  nom.  acc.  pl.  dinge,  pferde.  Freilich 
unterläuft  diesem  grammatiker  ein  grosser  irrtum  insofern,  als 


NHD.   8UBSTANTIVFLEXI0N.  II.  289 

er  im  gen.  pl.  pf erden  ansetzt,  eine  form,  die  ausserhalb  des 
alem.  gebietes  keineswegs  zur  regel  geworden  ist.  Scliottel 
gibt  als  muster  die  nlid.  flexion  von  schiff  mit  bewalirung  des 
e  im  gen.  und  dat.  sing.  Die  Verschiebung  der  neutralen 
a-stämme  ist  also  zu  anfang  des  17.  jh.'s  zu  ende  ge- 
führt worden. 

Eeste  der  alten  flexionslosen  form  haben  wir  in 
Zählungen:  dreimal]  drei  lot,  drei  pfund\  drei  stück,  drei  buch; 
drei  mass,  drei  schock.  In  älterer  zeit  ist  auch  jähr  in  der 
Zählformel  oft  ohne  e  erhalten:  vier  jähr  Weise  169,  und  sie 
sind  erst  zwanzig  jähr  alt  Lessing,  J.  gel.  316.  Die  flexions- 
lose form  findet  sich  aber  nicht  nur  in  Verbindung  mit  zahlen, 
auch  unbestimmte  numeralien  treten  mit  ihr  zusammen:  etliche 
pfund  pomade  Weise  32,  unsehliche  mahl  Lehms  107,  etliche 
mass  ivein  Buchholz  416.  Wenn  sich  in  solchen  formein  der 
alte  pl.  erhalten  hat,  so  liegt  das  einmal  an  der  grossen 
häufigkeit  ihrer  anwendung,  wie  Behaghel,  Germ.  23,  279  dartut, 
dann  aber  war  die  flexionseudung  in  zahl-  und  massangaben 
allerdings  entbehrlich;  denn  der  pl.  war  durch  das  zahlwort 
ausgedrückt,  die  blosse  bezeichnung  der  art  des  masses  genügte 
dem  Verständnis.  Im  nhd.  hat  der  dat.  seine  endung  in  der 
Zählformel  eingebüsst,  er  unterlag  der  einwirkung  des  nom. 
acc.  pl.:  z.  b.  mit  zivantsig  stuck  geschütz  und  hundert  pfund 
schiess-pulver  Simpl.  510.  Der  analogie  der  zählformeln  mit 
neutralem  massbegriff  folgen  nach  langem  schwanken  in  nhd. 
zeit  die  masc.  fuss,  schuh,  schritt,  soll.  Auch  ist  die  bewah- 
rung  des  alten  consouantischen  pl.  ma?in  durch  den  einfluss 
der  neutralen  massbestimmungen  begünstigt  worden. 

Berührung  mit  den  masc.  t-stämmen. 

So  Übereinstimmend  auch  die  flexion  der  neutralen  a-stämme 
mit  den  starken  masc.  ist,  so  unterscheidet  sie  sich  doch  wesent- 
lich dadurch,  dass  sie  dem  umlaut,  für  den  jede  historische 
grundlage  fehlt,  mit  ausnähme  einiger  neutra  auf  -er  keinen 
eingang  verstattet  hat.  Es  ist  bei  der  durch  das  geschlecht 
zusammengehaltenen  engen  gruppenverbindung  mit  den  neu- 
tralen j/a- Stämmen  erklärlich,  dass  die  anziehungskraft  der 
masc.  «-Stämme  im  allgemeinen  nicht  ausreichte,  einen  neutralen 
«■-pl.  hervorzurufen.    Wenn  trotzdem  hie  und  da  umgelautete 


290  MOLZ 

lilurale  auftreten,  so  geben  diese  einen  deutlielien  beweis  für 
die  stärke  und  nachhaltigkeit  der  niasc.  «-stamme.  Doch  das 
fehlen  des  umlauts  als  pluralischen  kennzeichens  innerhalb  der 
neutralen  wortgruppe  rief  solche  bildungen  immer  wider  in 
das  System  zurück,  kein  neutraler  v-pl.  wurde  in  der  spräche 
dauernd  befestigt. 

Wcinhüld,  Mlid.  gr.^  s.  487  belegt  i)\.  jyfcnde  (:  oide)  j.  Tit.  417o,2. 
Kelirein  s.lSOf.  gibt  folgende  beispiele:  gp.  sc/i ä//" 4.  BibeUibers.  1.  Mos.  40,32, 
up.  niiifs  Münster  154,  np.  rö/s  Dieteubergers  Bibel  4.  Kön.  3,  7,  scAä/ Marc. 
6,  34,  dp.  schäfen  Jud.  8, 7,  np.  hünd  1.  Mos.  49, 24.  3.  Mos.  26, 13,  ap.  länd, 
dp.  landen  Jud.  3,  9.  13,  nap.  höre  Hes.  5, 1.  Matth.  10,  30,  dp.  hären  Marc. 
7,38,  die  unterpfände  Spee,  dp.  heicei ['stimmen  ebda. 

Von  den  Wörtern  auf  -tum,  die  der  analogie  der  niasc.  irrlum,  reichtum 
ausgesetzt  waren,  gebraucht  Luther  heiligthüme  Hes.  21,  2,  gp.  fürstenthüme 
Spr.  28.  2  neben  ap.  hisiumb  und  fürstenthumm  (nach  Francke  s.  1G3  f.).  Arndt 
gebraucht  auch  den  pl.  furslenthümhe  (nach  Kelirein  s.  181).') 
Ich  habe  gefunden: 

I.  In  b airischen  denkmäleru: 

np.  die  thör  Aventin  1,  762, 31  np.  fänt  Aventin  1, 628, 18.  35 

ap.  die  tür  ebda.  2,273,2.  533,24  und  np.  die  spitäl  Nass,  Hauspr.  222  und 

ap.  die  tor  ebda.  1,028.  18.  35  ap.  spitäler  ebda.  243 

np.  thor  Schaidenreisser  37  ap.  müuh*  Mich.  Beheiiu  145. 

IL  In  schwäbischen  deukmäleni: 
ap.  furstentümb  Tünger  112  gp.  vil  der  blaicen  mühl  Spreng  331. 

III.  In  alemannischen  deukmälern:*) 

gp.  spitülen  Wyle  171, 11  dp.  hy  drü  tind  dryssig  jären  Mor- 

gant  323, 12. 

IV.  In  ostfränkischeu  denkmälern: 
pl.  mäfs  Albertus  85. 

V.  In  ostmitteldeutschen  denkmäleru: 

Im  md.  kommt  neben  hand(e)  pl.  hende  vor,  Lexer  1, 123. 
ap.  2)€rhjn  hende  ürkb.  d.  st.  L.  290  (1403) 
dp.  cmpten  Luther  23.  340  neben  gp.  amjHe  und  dp.  ampten 
pl.  ampte  und  empie  neben  cmpter  Luther  nach  Franke  s.  168. 


*)  Zu  haiq)t  bestand  die  nebenforra  hiiupt,  und  Kehreiu  setzt  den  pl. 
lumpte  fälschlich  unter  die  umgelanteteu  pluralformen.  Vgl.  us.  häupt 
Nass,  Widereinw.  93.  Greflinger,  Weltl.  lieder  20  und  anhang  35,  ds.  lumpte 
Opitz,  Argenis  42.  Aus  noch  älterer  zeit:  nap.  hexdjt  Urkb.  d.  st.  L.  278  (1402); 
ferner  ds.  heulte  Riccius,  Buc.  91  und  Zesen,  Ibrahim  000. 

^)  ap.  morde  Urkb.  d.  st.  Fr.  1,  561  (1308)  ist  offenbar  auf  rechnuug  des 
masc.  genus  des  wertes  zu  setzen.  Boner  wendet  mord  als  masc.  und  neutr. 
an  (Justin  20.  37),  Wolfh.  Spangenberg  nur  als  masc.  s.  254.  268. 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION,   IL  291 

VI.  In  niederdeutschen  denkmälern: 

ap.  böte  Kantzow  2190  "nd  "P-  ^''*«^  Gryphius  65,502 

ap.  böte  ebda.  221  ap.  armbende  Kantzow  2  ra.  7 

np.  fischerböte  Frenssen,  Getr.  5  ap.  bimde  Buchholz  185 

gp.  thöre  Sim.  Dach  238  pl.  bände  ebda.  333.  i02. 

Aus  Gortzitza  1  ist  noch  zu  nennen: 
pl.  röhre  An.  Grün,  Spaz.  pl.  arsenäle  H.  v.  Kleist. 

pl.  portale  und  portale  H.  v.  Kleist 

Der  pl.  pfände  ist  im  nhd.  nur  noch  hei  Aventin  und  Spee  belegt; 
brand,  rand,  stand  mögen  die  vermittelung  des  umlauts  bewirkt  haben. 
Die  formen  röss,  länd,  häre  in  Dietenbergers  Bibel ,  der  pl.  schuf  in  der 
4.  Bibelübers.  und  bei  Dietenberger  sind  überraschende  bildungen,  die  auch 
im  dialekt  der  betreffenden  gebiete  nicht  heimisch  sind  (vgl.  Friedrich  s.  53). 
Bei  dem  pl.  spitül  ist  zu  erinnern,  dass  bei  Nass  spitaler  auch  der  kranke 
im  spital  bedeutet  (Hauspr.  141).  Der  pl.  spitäler  konnte  doppelsinnig  sein. 
Für  den  eintritt  des  umlauts  sind  zur  erklärung  die  pl.  äl(e)  (z.  b.  bei  Spreng, 
Ilias  293.  297),  sül(e)  heranzuziehen.  Auch  die  formen  mal  und  teil  stehen 
damit  in  Zusammenhang,  bende  ist  ein  schon  im  md.  der  älteren  zeit  oft 
vorkommender  plural ,  der  ähnlich  wie  pfende  aus  der  analogie  der  func- 
tionell  gleichen  masc.  reimwörter  entsprungen  ist. 

Auf  masc.  geschlecht  beruht  dp.  flössen  Federm.  66.  67;  einen,  den  floss 
ebda.  24. 

Von  den  wa- stammen  miisste  auf  lid.  gebiet  strö  in- 
lautendes tv  lautgesetzlicli  einbüssen.  Ganz  vereinzelt  ist  das 
stammhafte  iv  des  gen.  und  dat.  sing*,  auf  den  acc.  übertragen: 
as.  stroiü  Äsop  168,  und  erhalten  ist  es  im  ds.  mit  einer  pusclüen 
stroiü  Haimonsk.  49, 29,  vgl.  as.  stro  Myusinger  79,  Albertinus 
57.  123,  ds.  stro  Kantzow  192.  Eine  weiterentwickelung  ist 
nicht  eingetreten.  In  as.  höiv  Äsop  168  kann  tv  nur  als 
g:raphischer  Stellvertreter  von  u  angesehen  werden.  Knie  hat 
nur  in  alem,  denkmälern  das  iv  des  Inlauts  gewahrt:  gdp. 
Jcnüwen  Stretl,  ehr.  139, 18,  ap.  Jcnüiv  Haimonsk.  69, 17.  Eine 
ausbreitung  des  tv  auf  den  nom.  acc.  sing,  und  pl.  ist  sonst 
nicht  erfolgt.  Eine  form  Vmih  ist  nicht  zu  belegen.  Erwähnens- 
wert ist  in  diesem  Zusammenhang  part.  perf.  gespihen  Nass, 
Widereinw.  137  und  praet.  spih  Spreng,  Aen.  57,  wo  inlautendes 
lü  zu  &  entwickelt  erscheint.    Die  3.  pers.  sing,  praes.  ind.  lautet 


1)  Die  form  kann  nicht  mit  voller  Sicherheit  für  den  t-pl.  in  anspruch 
genommen  werden.  Kantzows  hd.  ist  in  der  bezeichnung  des  umlauts  un- 
zuverlässig ;  es  findet  sich  z.  b.  as.  einen  söhne  220,  wo  gewis  kein  umlaut 
gemeint  ist. 


292 


MOLZ 


außspeyet  Nass,  W.  229  und  der  Infinitiv  {aufs)s])eihen  Spreng, 
Aen.  2G3. 

Der  «'«-stamm  7nel,  mcltves  bleibt  im  fiülinlid.  auf 
einem  grossen  teil  des  spradigelnetes  durch  den  Wechsel  des 
Stammauslauts  dem  völligen  anscliluss  an  die  a- stamme  fern. 
Nachdem  die  Wandlung  des  w  nach  l,  r  zum  labialen  ver- 
schlusslaut b  eingetreten,  bekam  das  paradigma  von  mel 
folgende  gestalt:  ns.  mel,  gs.  mclb{e)s,  ds.  melb{e),  as.  mel. 

Nach  dialektofebieten  gesondert  sind  anzumerken: 


ns.  mel  B.  d.  natur  385,  22.  413,  20 

ds.  melb  ebda.  349, 16.  389, 22.  403, 3 

as.  mel  ebda.  413,  4 

gs.  vielbs  Myusiuger  71.  86 

ds.  mel  ebda.  66.  67 

gs.  melbs  Angsbiirg  2  (um  1450), 

181, 10.  180, 1.  9 
ds.  melb  ebda.  179,  25 
as.  melb  ebda.  179,27.  180,4. 16.  1S1,7 
gs.  16000  vialter  melbs  Augsburg  3, 

193, 13  (1462) 
as.  melb  ebda.  209, 10  (1466) 
ds.  mele  Decam.  63, 31 

gs.  melwes  Geiler 
gs.  melbs,  mels  ebda, 
ds.  mal  Früreisen  226 

gs.  melbs  Nürnb.  4  (1450),  176,  9 
US.  haiclelmel  ebda.  176, 12 

as.  mel  SpejT.  urkb.  485, 25  (1350) 
gs.  meels  Mainz  1, 124, 1 

gs.  meles  Matth.  v.  Bebeim 

ns.  mehl  Urkb.  d.  st.  L.  2m.  274  (1460) 

as.  meel  ebda.  3  m.  173  (1444) 

nas.  mel  Job.  Eothe  652.  243.  441, 1 

gs.  mehls  Kautzow  123. 


as.  mel  ebda.  71 

gs.  mäls  Schaidenr.  8 

ds.  melb  ebda.  43 

as.  melb,  mal  ebda.  8 

ds.  meel  Grefliuger,  Dr.  kr.  104 

US.  senfmel  Äsop  325 
gs.  melbs  ebda.  312 
das.  mehl  Krafft  101.  133 
gs.  7)uihls  Spreng,  II.  150 
as.  vtchl  ebda.  151.  Aen.  75 


as.  meel  Bouer,  Suetou  77 
gs.  7necls  Simplic.  336 
as.  meel  ebda.  443 

gs.  melbs  4.  Bibelübers.  2.  Köu.  25, 14 


ds.  7)iell  (:  hell)  Hock  54 

ds.  mele  Job.  Rotbe  441 

gs.  meels  ebda.  483 

das.  mehl  Riccius,  Buc.  124 


Bei  dem  ««-stamm  mel  rangen  je  zwei  casus  miteinander 
um  die  herschaft.  Schliesslich  hat  die  form  des  nom.  acc.  auf 
dem  ganzen  gebiet  gesiegt,  aber  der  kämpf  war  in  den  einzelnen 
Sprachgebieten  von  verschiedener  dauer.  Es  tritt  hier  eine 
scharfe  Scheidung  zwischen  Ober-  und  Mitteldeutsch- 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II.  293 

land  hervor:  in  Mitteldeiitschland  haben  nom.  und  acc.  nach 
aiisweis  der  Urkunden  von  Spej^er  und  Leipzig-  und  nach  dem 
Zeugnis  von  Rothe  frühzeitig  die  oherhand  über  die  übrigen 
casus  erlangt.  In  Oberdeutschland  beobachten  wir  durchweg 
eine  lautgesetzliche  weiterentwickelung  der  mhd.  formen.  Im 
Buch  der  natur  finden  wir  noch  eine  sichere  trennung  der  casus 
durch  den  stammauslaut.  Auch  in  Steinhöwels  Äsop  (1470) 
und  in  der  4,  Nürnberger  chronik  (1450)  ist  noch  die  lautliche 
trennung  im  stammauslaut  der  casus  aufrecht  erhalten.  Doch 
ist  darauf  kein  besonderes  gewicht  zu  legen,  da  das  aus- 
schliessliche vorkommen  der  echten  formen  zufällig  sein  kann. 
Daneben  tritt  schon  um  dieselbe  zeit  bei  IVfynsinger  eine  ana- 
logische mischung  der  formen  mel  und  melb  auf,  und  in  den 
Augsburger  Chroniken  4  und  5  ist  zugleich,  im  reinen  gegen- 
satz  zur  md.  ent Wickelung,  die  tv-iorm  in  der  ganzen  flexion 
herschend  geworden.  Doch  blieb  die  nom.-acc.-form,  die  durch 
Zusammensetzungen  wie  mell-asten  gestützt  war,  vor  dem 
Untergang  bewahrt  und  dringt  in  der  ersten  hälfte  des  16.  jh.'s 
allgemein  durch.  Damit  war  dem  streben  nach  einheitlichkeit 
der  benennung  eines  so  wichtigen  Verkaufsgegenstandes  genüge 
geleistet.  Der  Münchener  Schaidenreisser  ist  der  letzte,  der 
die  form  meih  noch  kennt  und  im  Wechsel  mit  mel  anwendet. 
Die  Wörter  melher  und  melberei,  die  noch  heute  im  bair.  heimisch 
sind,  suchten  die  form  mclh  in  der  spräche  einzubürgern,  vgl. 
Schmeller,  Bayer,  wb.  1, 1587, 1. 

Das  fremdwort  plmlive,  phülive  swm.  zeigt  im  uhd. 
Verlust  des  iv,  das  sonst  in  der  lautgruppe  Itv,  nv  zu  h  ent- 
wickelt wurde.  Die  nhd.  form  findet  sich  schon  bei  Rothe: 
ap.  ^/io/e  {=  p fühle)  337;  vgl.  gs.  gelber  färb  ebda.  14  und 
später  bei  Riccius  dp.  pfiilen  G.  98,  nap.  pfüle  P.  Gr.  70.  In 
schwäbischen  Schriften  finde  ich  meist  g  als  Vertreter  des 
hd.  b:  as.  p>fidgcn  masc.  Krafft  150  und  ds.  pfulben  ebda.  88, 
vgl.  ns.  eine  falbe  durteltauh  132  und  sclimirben  208,  scJimir- 
bung  197;  ein  tveisser  pfulg  Henisch  340;  ap.  pfiilgen  Spreng, 
Aen.  19,  ap.  pfiilgen  Spreng,  II.  122.  Mit  Verlust  des  nach- 
consonantischem  iv.  2i^.  phulüen  Weckherlin  2,  286.  369.  Nach 
md.  Vorbild  schreibt  Greflinger  as.  pfiil  W.  1.  90*.  Die  discre- 
panz  in  der  lautlichen  entwickelung  muss  in  der  natur  des 
fremden  v  ihre  erklärung  suchen. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.  XXXI.  20 


294  MOLz 

Nach  /  finde  icli  noch  vereinzelt  bewahriing-  des  ic  in  np. 
schatwen  Riccius,  P.Georg.  85;  nsiS.  schatten  ebda.  94.  96. 

Der  ?<-stamm  vihe  ist  nnter  dem  einfluss  der  nentralen 
a-stämme  im  nlid.  seines  end-e  verlustig  gegangen. 

nas.  vihe  Urkb.  d.  st.  L.  161  (1442).  3ül  (14ü4).  Juh.  Rotlie  78.  40G. 
Eiccius,  Post.  Georg.  2.  12.  —  Kantzow  27.  284.  285.  Jul.  v.  Braunschw.  3  m. 

—  Faiistb.  113, 19.  Stade  187.  Hock  197  u.  ü. 

nas.  vih  Riccius,  Buc.  11.  P.  Georg.  2.  —  Kantzow  135.  —  Hock  48.  197. 
264.  274.    Luther  bat  meist  vieh. 

Der  «-stamm  verdient  noch  von  anderer  seite  beachtung.  Auf  obd. 
und  auch  md.  bodeu  tritt  seit  dem  ende  des  13.  jb.'s  mundartlich  an  stelle 
des  inlautenden  Ji  die  sp Irans  eh.  Die  form  vich  ist  in  allen  obd. 
Schriften  des  15.  und  16.  jb.'s  herschend.  Einige  belege  mögen  erwähnung 
finden,  nas.  vich  Schaidenreisser  36,  ap.  ebda.  75.  Nass,  Widerein w.  129. 
Albertiuiis  69,  ap.  ebda.  39.  Asop  168.  Federmann  6.  Zuweilen  besteht 
schwanken:  as.  vich  Krafft  90,  vieh  ebda.  59;  bei  Spreng  steht  die  mund- 
artliche form  neben  der  hochdeutschen;  ds.  vihe  Aen.  156,  gs.  viehes  II.  140. 

—  das.  vich  II.  21.  151.  265,  gs.  vichs  Aen.  156.  Von  den  Alonannen  ist 
Boner  noch  der  heimatlichen  form  treu:  gs.  vichs  Just.  7,  das.  vich  ebda. 
7.  74.  Der  Kheinfrauke  Hock  schwankt:  ds.  viech  Hock  22*.  48,  us,  vieh 
ebda.  48,  ds.  vihe  ebda.  266.  Im  osten  des  mittleren  Deutschland  ist  die 
form  viech  selten:  ns.  viech  Luther  23,  372.  Vereinzelt  ist  sie  bei  Kantzow 
ds.  viech  36.  Das  aufgeben  der  spirantischen  form  verrät  anschluss  an  die 
Ostmitteldeutschen.  Bei  Krafft  und  Spreng  herscht  schwanken.  Greflinger 
O'erst.  gärtn.  157).  Birk.  128.  Wolf  h.  Spangenberg  6.  7  geben  der  historischen 
ostmd.  form  den  Vorzug.  Schon  in  der  reformationszeit  blieben  die  Ober- 
deutschen von  der  md.  spräche  nicht  unbeeinflusst.  Neben  vich  gebraucht 
Nass  as.  viechstall  Widereinw.  131,  aber  von  diesem  viehischen  Jiumlslütumel 
ebda.  135,  vihisch  leben  ebda.  143.  Aehnlich  Albertinus  die  viechische  »»- 
keuschheit  2,  ein  viehisches  leben  76. 

Ich  schliesse  hier  die  betrachtung  von  rech,  rehes  stu.;  schuoch, 
schuohes  stm.  und  vlöch,  vlöhes  stm.  an.  Die  Schriftsprache  hat  nach 
verstnramung  des  h  im  inlaut  die  verkürzte  form  des  Stammes  verallgemeinert. 
Auf  ostmd.  boden  sind  in  der  Schriftsprache  nur  geringe  spuren  des  spiran- 
tischen auslauts  dieser  Wörter  nachweisbar;  ap.  sehne  Urkb.  d.  st.  L.  47  (1380). 
176  (1444),  dp.  schuen  ebda.  266  (1463)  und  mit  bewahruug  des  auslauten- 
den ch  US.  schlich  ebda.  176  (1444);  ap.  schu{e)  Rothe  69.  79.  173,  ap.  floe 
ebda.  14.  Der  Niederdeutsche  Kantzow  kennt  nur  np.  scho  193.  241,  ap. 
rehe  225.  245;  Hocker,  hat  ap.  schlich  64.  305.  Luther  hat  noch  in  der 
Bibel  von  1545  oft  schlich;  auch  begegnet  bei  ihm  noch  floch:  Franke  51  f. 
Später  noch  as.  schlich  Buchholz  118;  daneben  ns.  rehe  3  m.  ebda.  207.  In 
obd.  Schriften  hat  sich  ch  gehalten  und  wurdo  in  den  mit  h  gebildeten 
casus  durchgeführt.  Dabei  kann  allerdings  nicht  scharf  auseinander  ge- 
halten werden,  ob  es  sich  hier  um  den  sieg  des  ursprünglichen,  im  auslaut 
stehenden  ch  oder  vielleicht   um  eine  spätere  Wandlung  des  inlautenden  h 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXrON.   U.  295 

ZU  ch  handelt.    AVeiuhold,  AI.  gr.  §  222  und  Bair.  gr.  §  183.    Vgl.  dagegen 
Paul,  Prinz,  d.  sprachgesch.'  cap.  v,  s.  109. 

Einige  belege  aus  dem  15.  und  16.  jli.  seien  erwähnt: 

ds.  ap.  puntschiiech  Aventin  2,  153,  dp.  schtihen  Nass,  Hauspr.  155 

10.  11.  18  np.  flöh  ebda.  Widereinw.  129;  aber 

np.  schuech  ebda.  153, 13  gap.  flöhe  Grefl.,  V.  g.  39.  43 

ap.  Schuck  Schaidenr.  65.  Albert.  10  ap.  schuhe  ebda.  180 

dp.  hendschuhen  ebda.  100  ns.  re/t  Birk  103 
ap.  schlich  Nass,  Widereinw.  51.  91 

gp.  recher  Decam.  238.  35  ap.  schlich  :  tuch  Spreng,  II.  14: 

dp.  rechern  ebda.  93,  27.  94,  21  ap.  flöch  Krafft  284 

ngp.  Jientschuoch  Tanger  122  dp.  rehen  ebda.  78.  415 

s.  u.  p.  schuch  und  schuh  Krafft  54.  as.  rechbockh  ebda.  415 
83.  103.  204 

ap.  schuoch  Haimousk.  1, 24  gs.  flochs  ebda.  176 

agp.  floch  Boner,  Oros.  46  np.  flöh,  dp.  flöhn  ebda.  175.  198.  199 

dp.  flöhen  ebda.  ap.  schuh  ebda.  198-  206 

ap.  schuch  ebda.  52  as.  kindschuh  Wolf  h.  Spangenb.  55. 

nds.  floch  (:  noch)  Fröreisen  175.  205          186 

ns.  rech  Hock  69  pl.  rehe  Faustb.  48, 12 

gp.  floch  ebda.  56 

Beachtenswert  bleiben  die  formen  von  Schaidenreisser  und  Nass,  die 
beweisen,  dass  sich  der  dat.  pl.  dem  ausgleich  entzogen  hat.  Bei  Fröreisen 
ist  ch  im  ganzen  sing,  von  floch  durchgedrungen,  AA'ährend  sich  im  pl.  das 
h  behauptet  hat.  Greflinger,  Birk,  autoreu  des  17.  jh.'s,  haben  die  in  Mittel- 
deutschland meist  üblichen  formen  angenommen. 

Neutra  mit  -l,  -»*,  -n-suffix. 

Die  neutra  mit  -l,  -r,  -n-suffix  haben  im  nlid.  durch  den 
Untergang  einer  reihe  von  Wörtern  einbusse  erlitten:  lamel, 
stuodel,  vasel\  vluder,  serher\  houchen,  gamcn,  lacJien  u.  a.  sind 
in  Vergessenheit  geraten.  Im  nhd.  erscheinen  noch  folgende: 
hündel,  segel,  sieget,  rudel,  dunJcel,  mittel,  übel;  alter,  Itanner, 
feuer,  fieher,  fuder,  fiUter,  gatter,  gitter,  kloster,  Impf  er,  leder, 
lager  (läger),  laster,  luder,  matter,  messer,muster,  oi3fer,]}olster, 
pidver,  ruder,  silher,  ufer,  ivasser,  ivetter,  ivunder,  zepter,  nimmer; 
hecken,  eisen,  fohlen,  füllen,  gehrechen,  hissen,  lehen,  zeichen. 
Zu  den  auf  -n  gebildeten  Wörtern  treten  die  substantivischen 
inflnitive  wie  lehen,  wesen,  leiden,  mitleiden,  essen,  schreiben, 
verlangen,  versprechen.    Flexivisches   e  war  im  obd.  bei  den 

20* 


296  MOi.z 

nielir.-^ilbigen  Wörtern  auf  -7,  -r,  -n  stets  gcscliwuiulen.  Im  md. 
linden  sicli  in  der  friilinlid.  zeit  nocli  einige  formen  mit  voller 
endung:  gs.  Jchcncs  Veter  buch  44,  21.  4C,  25  neben  gs.  lehens 
C9,0,  ds.  Uhene  ebda.  6,4.  80,17.  81,6,  ds.Mostere  ebda.  73.4, 
seichcne  ebda.  44,9  neben  ds.  Idosicr  ebda.  77,1.  2.  17.  78,15, 
tva^^cr  11, 12.  14,  20.  In  den  Leipziger  Urkunden  und  bei  Eothe 
sind  solche  vollen  formen  nicht  anzutreffen.  Jüngeren,  rein 
analogischen  Ursprungs  ist  np.  clöstcre  Urkb.  d.  st.  Fr.  514  (1368) 
neben  düster  ebda,  und  Uöstcre  Hocker.  11.  vorr.  Als  ausnähme 
erscheint  ap.  ivassere  Kantzow  263.  Auf  die  volle  form  geht 
dp.  Ulmen  (=  leiten)  Rothe  253.  254  zurück,  vgl.  masc.  auf  -el, 
■er,  -en  Beitr.  27,  255. 

Nach  der  diphthongierung  der  alten  längen  musste  sich 
das  Paradigma  von  fiur  so  gestalten:  nas.  (euer,  gs.  feures, 
ds.  feiirc.  Dieser  Wechsel  Avurde  natürlich  früh  zu  gunsten 
der  nom.-acc.-form  beseitigt,  und  es  finden  sich  in  den  denk- 
niäleru  nur  wenige  spuren  seines  wirklichen  bestehens. 

ds.  feirre  Job.  Rothe  24.  223  neben  ds.  fiier  ebda.  26  und  nas.  feiier 
17.  90.  91.  99,  nap.  feu-er  99.  KantzoAv  hat  nas.  feicr  54.  80.  84.  210,  gs. 
fetires  85.  210,  ds.  fewre  2  m.  80  neben  dem  analogischen  ds.  feur  80.  Bei 
Eicciiis  ist  der  ausgleich  durchgeführt :  gs.  fcwcrx  Georg.  16,  das.  fcicer  ebda. 
17.  102.  Boner  hat  im  Justin  neben  der  lautgesetzlichen  form  as.  feüre  7, 
ds.  feur  7;  hier  ist  natürlich  nur  an  eine  hyperhochdeutsche  analogie  nach 
den  ja -Stämmen  zu  denken.  Im  obd.  Sprachgebiet  hatte  die  apokope  das 
Zustandekommen  der  lautlich  verschiedenen  formen  verhindert;  eine  aus- 
nähme macht  die  composition  ds.  fctnrsflavuu  Wolfh.  Spangeub.  54.  212; 
vgl.  geier  Beitr.  27,  265. 

Der  Umlaut  hat  im  plural  nur  äusserst  selten  eingang 

gefunden.    Herschend  geworden  ist  er  bei  Icloster  vom  an- 

beginn  der  nhd.  zeit: 

np.  düster  Urkb.  d.  st.  Fr.  1,  514  (1368),  dp.  Clustern  Decam.  10, 15. 208, 12 
u.  ö.  Bei  Joh.  Rothe  163  und  Kantzow  204.  243.  245  ist  der  ap.  dosier  wahr- 
scheinlich nur  als  graphische  uuvoUkommenheit  anzusehen. 

Der  pl.  ivässer  verhält  sich  zu  dem  pl.  irasscr  wie  händer 
zu  lande;  nur  ist  der  pl.  tcässer  nicht  so  allgemein  gebräuch- 
lich; er  ist  eine  kaufmännische  bezeichnung  für  versehiedene 
arten  von  mineralischen  tränken  und  zubereiteten  flüssigkeiten. 
Im  sinne  von  Avassermassen,  bächen.  Aussen,  seen,  meeren  ist 
allezeit  der  pl.  tvasser  in  anwendung  geblieben: 

in  diese  OstseJie  gehen  viele  schißreidie  tvasser  Kantzow  237,  die  wasser 


NHD,    SUBSTANTIVFLEXION.   II.  297 

und  die  hrmmen  all  Spreng,  II.  293  und  so  nap.  wasser  Decam.  419,  26. 
Haimonsk.  92,20.  Eicciiis,  Georg-.  78,  die  zwai  wasser  Aventin  1,  637, 
. . .  fontainen  mit  den  woMriechendsten  wassern  gefüllet  Lehms  211.  Einen 
frühen  beleg  für  den  umgelauteten  plural  bietet  das  Buch  der  natur:  vil 
wä^^er  mügent  die  lieb  niht  erlescJien  438,31.  Der  pl.  weisser  Avird  schon 
ganz  in  unserer  anwenduugsvveise  von  dem  Baier  Albertinus  gebraucht. 
Die  stelle  möge  hier  folgen:  es  waren  in  irer  apotecken  allerhand  spece- 
rcyen  vnnd  köstliche  distillirte  icässer,  von  purper,  Jcirschen  vnd  andern 
mehr  Sorten,  so  man  zum  anstraichen  der  fraicen  vnd  jungfrawen  angesicMer 
zu  brauchen  pfleget  51,  vgl.  pl.  ivasser  im  andern  sinn  bei  dem  Müuchener 
Schaidenreisser  8. 

Dieses  Verhältnis  der  beiden  plurale  ist  also  nicht  so  jungen 
datiims,  wie  es  vielleicht  auf  den  ersten  blick  erscheint,  und 
es  hat  sich  in  der  nhd.  zeit  bewahrt,  von  einigen  abweichungeit 
bei  Spee  {äher  tausend  ivässer)  und  Abraham  abgesehen. 
Albertus  und  Braun  setzen  den  pl.  ivässer  an,  und  es  liegt 
nahe  anzunehmen,  dass  beiden  dabei  die  kaufmännische  be- 
zeichnung  vorschwebt. 

Im  nhd.  hat  lag  er  das  mhd.  leger  verdrängt,  ebenso  wie 

legem  durch  lagern  ersetzt  worden  ist.    Vielleicht  beruht  die 

nhd.  form   auf  angleichung  an   läge  f.,  das  in  der  bedeutung 

'niederlage,  waarenlager'  mit  leger  in  Verbindung  steht.    Oder 

wurde  sie  legerten  in  sie  lagerten  nach  sie  lagen  umgebildet? 

Die  form  lager  erscheint  in  der  älteren  zeit  mit  leger  im  Wechsel;  so 
bei  Job.  Rothe  563.  609,  lager  Luther  23,  362,  Eiccius,  P.  Georg.  94.  Buc.  145. 
Kantzow  70.  127.  Die  alte  form  hält  sich  bis  weit  in  die  nhd.  zeit,  beson- 
ders in  Oberdeutschlaud.  Wilmauns  2,  §  215,  2  denkt  sich  den  sing,  lager 
aus  dem  pl.  leger  entsprungen.  Diese  herleitung  ist  deshalb  unwahrschein- 
lich, weil  in  ähnlichen  suffixalen  Worten  wie  in  der  ganzen  klasse  der 
neutra  der  uuilaut  als  pluralzeichen  so  gut  wie  nicht  besteht.  Auch  scheint 
mir  das  nebeneinander  beider  formen  gegen  die  von  "Wilmauns  gemachte 
annähme  zu  sprechen.  In  dem  pl.  läqer  bei  Lessing,  Schiller,  H.  v.  Kleist 
erblicke  ich  nur  eine  functionelle  Scheidung  der  vorher  bestehenden  formen 
lager,  leger.  Von  dauer  aber  konnte  diese  Unterscheidung  nicht  sein ;  denn 
dem  fehlen  eines  pluralische  fuuction  ausübenden  umlauts  im  neutrum  wider- 
strebte solche  trennung. 

Ausser  in  dem  pl.  Master  und  dem  begrifflich  beschränkten 
pl.  ivässer  hat  sich  der  umlaut  nicht  durchgesetzt.  Der  umlaut 
hat  im  neutrum  als  functionelles  unterscheidungsmittel  keine 
Stätte,  und  die  geschlechtsgemeinschaft  hat  die  neutra  auf  -er, 
-el,  -en  zurückgehalten,  sich  des  umlauts  als  eines  pluralischen 
kennzeichens  zu  bedienen.    Hinzu  kommt,  dass  die  neutra  auf 


298  MO LZ 

-er,  -vi,  -cn  auch  mit  den  männlichen  suffixalen  bildungen  durch 
den  gleichklang  des  auslauts  verbunden  sind.  Da  aber  die 
niehrheit  jener  masc.  des  umlauts  entbehrt,  ist  mit  dem  gleichen 
auslaut  der  masc.  und  neutr.  l-,  r-,  n-stämme  die  Übereinstim- 
mung der  form  in  sing,  und  plur.  verquickt.  In  der  ersten 
Periode  der  nhd.  sprachentwickelung  haben  eine  reihe  von 
männlichen  stammen  dieser  gruppe  den  pl.  umgelautet  und 
sind  später  durch  die  macht  der  nicht  umlautenden  Wörter  ihrer 
klasse  genötigt  Avorden,  das  pluralische  element  fallen  zu 
lassen.  •)  Es  will  scheinen,  dass  die  stärkere  oder  schwächere 
besetzung  mit  nicht  umgelauteten  pluralformen  in  der  in  rede 
stehenden  masc.  klasse  auf  die  suffixalen  neutra  nicht  ohne 
einfluss  geblieben  ist.  Freilich  kann  diese  abhängigkeit  bei 
der  engen  gruppenverbiudung  der  neutra  unter  sich  nur  sehr 
zufälliger  natur  sein.  Dietenberger,  der  auch  bei  den  «-stammen 
Aviderholt  den  umlaut  anwendet  (siehe  s.  290),  nimmt  auch  hier 
eine  Sonderstellung  ein.  Die  acc.  pl.  hrandöpffer  3.  Kön.  3. 4, 
schlachiöjiffer  J er.  6,20  (nach  Kehrein  181)  begegnen  sonst  nir- 
gends. Abraham  \mt  schiff' und  rüder  {-.hrüder)  Primeln  1700. 
Mir  ist  nur  begegnet:  piss  in  die  dunkel  der  nacht  Decam.  570,6 
und  ap.  pölster  Schaidenreisser  10  zu  ns.  pulsier  n.  81.  Der 
pl.  pölster,  den  ich  auch  bei  Aventin  belegt  habe  (siehe  unten, 
anm.),  ist  wol  noch  auf  rechnung  des  im  mhd.  üblichen  männ- 
lichen geschlechtes  des  Wortes  zu  setzen:  mit  dem  wandel  des 
geschlechts  war  der  umgelautete  pl.  nicht  gleich  erloschen, 
und  es  ist  dies  ein  schönes  beispiel,  wie  der  geschlechtswechsel 
die  grenze  in  der  function  des  umlauts  zwischen  masc.  und 
neutr.  ver-vAischt  hat. 


')  Ich  habe  Beitr.  27,  259  solche  formen  aufgezeichnet  und  die  hoffiiung 
ausgesprochen,  die  angeführten  belege  mehren  zu  können.  Es  sind  fast  alles 
masc.  mit  /--suffix,  die  hier  in  betracht  kommen: 


') 


ap.  änger  Decam.  388,  32  ap.  hcwschöber  Krafft  70 

dp.  ängern  ebda.  418, 2  dp.  in  im  sümmern  Urkb.  d.  st.  Sp. 

ap.  gätter,  dp.  gättern  Schaidenr.  33  485  (1350) 

ap.  gatier  Sachs  16,  411,  4;  vgl.  Beitr.  ap.  züher  Riccius,  Georg.  83 

27,  265  ap.  züher  Scliaidenr.  24 

ap.  Iceine  schiitzgaiter  Simpl.  322  &\}.brünnen(n.brtm>ien)Si)rcug,Il.29S 

dp.  polstern  Augsb.  1,  60, 14  ap.  kern  und  wüggen  Krafft  387 

ap.  jwlster  Aventin  1,  826,  3  dp.  stähcln  oder p feilen  Schaidenr.  72. 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II.  299 

Wie  die  suffixalen  stamme  auf  -l,  -r,  -n  werden  auch  die 
Wörter  auf  -sei  und  -tel  wie  rätscl,  drittel  flectiert. 

Ferner  scliliessen  sich  noch  die  mit  ge-  abgeleiteten  ja- 
stämme  auf  -er,  -el  an  wie  gefieder,  geflügel,  geländer,  gelächter, 
gelichter,  geschivister,  getämmel  und  die  deminutiva  auf  -lein 
und  -chen. 

Die  Wörter  auf  -nis  endigen  im  mhd.  auf  -nisse,  -nässe 
{-nusse),  und  sie  werden  als  neutra  oder  fem.  gebraucht.  Das 
Suffix  -nüsse  {-nusse)  ist  namentlich  in  Oberdeutschland  heimisch, 
-nisse  in  Mitteldeutschland;  i  hat  in  nhd.  zeit  den  sieg  davon- 
getragen, doch  hat  sich,  ü  bis  in  späte  zeit  erhalten.  Die 
meisten  Wörter  zeigen  den  jüngeren  umlaut  mit  ausnähme 
einiger  nhd.  bildungen.    Wilmanns  2,  §  270, 4  und  272, 2. 

Die  flexion  ist  im  mhd.  stets  stark;  als  neutra  stimmen 
die  Wörter  in  ihrer  flexion  mit  der  ja-gruppe  überein,  als  femi- 
nina  gleichen  sie  den  alten  «-stammen:  mhd.  da^  hildnisse,  pl. 
diu  hildnisse]  mhd.  diu  Icantnisse,  pl.  die  Jcanttiisse.  Im  nhd. 
kommt  das  schwanken  des  geschlechtes  der  meisten  Wörter  auf 
-nis  zur  ruhe;  das  neutrale  oder  feminine  geschlecht  wird  im 
einzelnen  festgelegt,  und  meist  wird  das  neutrum  herschend. 
Das  end-c  des  Suffixes  ist  im  nhd.  lautgesetzlich  nach  schAvach 
betonter  silbe  gefallen,  und  die  flexion  aller  Wörter  auf  -nis 
ist  die  der  neutralen  a-stämme.  Neben  den  neut.  pl.  bildnisse, 
Zeugnisse  stehen  die  fem.  pl.  Jcenntnisse,  hefugnisse. 

Wenn  das  geschlecht  der  Wörter  auf  -nis  für  ihre  flexion 
massgebend  sein  sollte,  mussten  die  neutra  im  pl.  ein  -e  an- 
nehmen und  die  feminiua  -en.  Neben  hildnisse  musste  sich 
'kenntnissen  stellen.  Eine  solche  Scheidung  der  flexion  nach 
dem  genus  ist  nun  nicht  eingeti-eten.  Das  gemeinsame  bildungs- 
suffix  wirkte  so  verbindend  auf  die  gruppe  ein,  dass  eine  ein- 
heitliche flexion  fast  stets  herschte.  Es  bestand  jetzt  für  den 
pl.  die  wähl  zwischen  der  endung  -e  und  der  endung  -en.  Das 
übergewicht  der  neutra  heischte  die  endung  -e,  die  auch  für 
das  fem.  massgebend  wurde.  So  ist  für  weibliche  substantiva 
die  neutrale  flexion  vorbildlich  geworden,  und  entscheidend  für 
das  heraustreten  aus  ihrem  System  war  die  gemeinschaft  der 
bildungsweise.  Diese  gleichheit  siegte  über  den  zusammenhält 
der  geschlechter,  ein  beweis,  wie  wichtig  bei  der  betrachtung 
der  flexivischen  erscheinungen  die  bildungsweise  der  Wörter 


300  MOLZ 

ist.  Bei  dem  Verlust  des  c  der  neutr.  j«-stänime  mit  fortis  im 
auslaut  werden  -wir  auf  eine  älinliche  erscheinung  stossen. 

Icli  gelie  über  zur  historischen  entwickelung.  Der  nom. 
sing,  büsste  nacli  minder  betonter  silbe  das  end-c  der  regel 
nacli  ein.  Ausser  bei  Dalimil  (as.  gcäecldnissc  56, 1  neben  ver- 
(hunpni^  ^0,2.  ns,  virlicngni^  182,33*)  sind  mir  nur  nocli  bei 
dem  Thüringer  Rothe  melirere  formen  mit  voller  endung  be- 
gegnet, die  weiter  unten  mit  aufgezählt  sind.  Bei  Luther 
herscht  die  regelrechte  nhd.  form,  im  gegensatz  zu  dem  häutigen 
vorkommen  der  weiblichen  endung  -ungc,  die  durch  analogie 
der  fem.  a-,  «-stamme  gestützt  war. 

Der  gen,  sing,  des  neutr.  musste  endungslos  werden,  wenn 
die  Synkope  nicht  durch  einflüsse  des  Systems  gehemmt  wurde. 
In  der  tat  ist  in  der  älteren  zeit  die  Verschmelzung  der  casus- 
endung  mit  dem  suffix  oft  anzutreffen:  gs.  des  huntniss  3  m. 
1 106  Frankf.  reichsk.  1,  des  gefengnifs  Kothe  607,  des  hegräbnifs 
Opitz.  Arg.  37,  gs.  ergernufs  Blauckenberg  28.  Aber  der  system- 
zwang Hess  einen  endungslosen  gen.  sing.,  me  er  in  diesem 
falle  bei  Luther  und  seinem  grammatiker  Clajus  durchgeführt 
ist,  nicht  bestehen  (Franke  167).  Neben  den  oben  angeführten 
belegen  erscheinen  in  denselben  Schriften:  gs.  hnntnisscs  3  m. 
1406  Frankf.  reichsk.  1,  hegrähnüsscs  Opitz,  Arg.  95,  hündnüsscs 
ebda.  94. 

Der  dat.  sing,  hat  die  volle  form,  die  mehr  und  mehr  im 
nhd.  zurücktritt,  noch  bei  Lessing  zuweilen  bewahrt:  mit  einem 
andern  älmlichen  geständnisse  Lessing  1,485;  dazu  ist  zu  ver- 
gleichen ds.  gedächtnüfs  Opitz,  Arg.  46,  ds.  hcirühnnfs  ebda.  47, 
heliäntnufs  ebda.  105  und  ds.  gUichnifs  Clajus. 

Der  plural  durfte  lautgesetzlich  kein  endungs-e  annehmen, 
gerade  wie  die  suffixalen  stamme  auf  -l,  -r,  -n.  Die  regel- 
rechte entwickelung  wurde  bei  diesen  trotz  aualogischer  ein- 
flüsse nach  dem  munde  des  Volkes  auch  in  der  Schriftsprache 
durchgeführt.  Die  weniger  zahlreichen  Wörter  auf  -nis  aber 
entrannen  der  einwirkung  der  «-stamme  nicht,  und  wir  finden 
schon  früh  den  analogischen  «-plural.  Für  die  form  des 
plurals  war  das  übergewicht  des  einen  oder  andern  geschlechtes 
in  der  gruppe  masi>gebend.  Es  zeigt  sich  bei  der  ver- 
gleichung  mitteldeutscher  und  oberdeutscher  denk- 
mäler  eine  grosse  kluft  in  der  geschlechtsgebung  der 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II. 


301 


Wörter  auf  -nis.  Die  Mitteldeutschen  entsclieiden  sich  meist 
für  das  sächliche  g-eschlecht,  die  Oberdeutschen  stets  für  das 
weibliche  geschlecht,  ausser  bei  gefängnis,  das  auch  als  neutr. 
auftritt.  Das  mhd.  schwanken  also  war  in  den  beiden  grossen 
Sprachgebieten  zu  ganz  verschiedenem  abschluss  gebracht 
worden.  Erst  das  17.  jh.  und  die  spätere  zeit  drängt  die  obd, 
geschlechtswahl  zurück  und  verhilft  der  md.  richtung-  zum  sieg'e. 

Ich  scheide  im  folgenden  die  Wörter  mit  angäbe  des  ge- 
schlechtes nach  den  dialektgebieten  des  ostnid.  einerseits,  des 
bair.,  schwäb.  und  alem.  andererseits. 


I.   Ostmitteldeutsche  formen 

US.  bedtitnifse  u.  Rothe  198 

begäbnüs  f.  Zesen  273 

begräbnifs  n.  Opitz  Arg.  105 
as.  beheltnifs  n.  Rothe  71 

bcMntnufs  n.  Opitz,  Arg-.  105 

bekäntnüs  f.  Zesen  393 

befsernifs  n.  Luther 

betrübnufs  n.  Opitz,  Arg.  47 

bilänafs  n.  ebda.  49.  68.  115 

bilänifs  n.  Lehms  129 

buntniss  n.  (1-406)  Fr.  reichsk.  1 

bändnufs  n.  Opitz,  Arg.  141 

crgernis  u.  Luther 

ergernufs  n.  Blanckenh.  28 

finsternufs  n.  Riccius,  Georg.  77 

ftnsternufs  f.  ebda.  P.  Georg.  156 

ftiistcrnifs  f.  ebda.  Georg.  77 

finsternufs  n.  Opitz,  Arg.  111" 
ds.  gedechtnüfse  n.  Eothe  293 

gedechtnus  f.  Kantzow  215 

gedechtmiss  u.  Eiccius,  Georg.  83 

gedächtnüfs  u.  Opitz,  Arg.  16.  46 

gedächtnifs  f.  Zesen  665 

gedächtnifs  f.  n.  Bachholz  9.  18.  59 

von  dirre  gevancnisse  f.  Veter  b.  44, 3 

IL    Oberdeutsche  formen  mit  angäbe  des  geschlechtes: 
a)  in  bairischen  Schriften: 
begrebnufs  f.  Schaideur.  4  erJcentnufs  f.  Albertinus  142 

betrübnufs  f.  Albertinus  78  gedächtnifs  f.  Schaidenr.  34 

bildnifs  f.  Schaidenr.  19.  46  gedächtnüfs  f.  ebda.  4.  Albert.  34.  112 

bildnufs  f.  Albertinus  20  gedächtnifs  f.  Grefl.,  W.  1.  anh.  25.  V. 

erkantniifs  f.  ebda.  178  g.  64 


mit  angäbe  des  geschlechtes: 

as.  gefengJcnifse  f.  Rothe  277 
ds.  gefenckenifse  n.  ebda.  45 
as.  gefenckenifs  n.  ebda.  514 
gefengnifs  f.  n.  ebda.  607.  624 
gefengnis  u.  Luther 
gefencknus  n.  Kantzow  181 
gefengnis  f.  Hocker.  2,  7 
gefängnifs  n.  Opitz,  Arg.  28 
gcfängnüs  f.  n.  Zesen  387.  388 
gefängnifs  n.  Lehms  3.  62  u.  ö. 
babylon.  gefängnifs  f.  Lehms  3 
gcheimnüfs  u.  Opitz,  Arg.  111 
geheimnüfs  n.  Lehms  103 
kümmernufs  f.  Opitz,  Arg.  79 
verbündtnüfs  n.  ebda.  147 
ds.  vorhengknifse  n.  Rothe  283 
verhängnüfs  n.  Opitz,  Arg.  45 
verhängnüs  n.  f.  Zesen  343.  349 
Verlöbnis  n.  f.  Buchholz  196.  423 
ns.  vorterpnifs  n.  Rothe  84.  134 
ds.  iciltnisse  f.  Dalimil  22,  2 
as.  loiltnifse  n.  Rothe  78.  90.  227 
loildnüs  f.  Zesen  387 
Zeugnis  n.  Luther. 


302 


MOLZ 


giduchtnuß  n.  f.  Grefl.,  Y.  g.  87.  120. 

162 
pefenchiufs  f.  Mynsinger  91 
gef'evyknufs  f.  Alber tiiius  \M 
gefängnifs  u.  Greflingcr,  Dr.  kr.  124 

b)  in  schwäbischen  Schriften: 
hegrebniiss  f.  Decam.  6,31.  139,4  gedechtmts  f.  Krafft  68 


geheim mifs  f.  Alhcrtinus  177 
gleichnnfs  f.  ebda.  10-1.  141 
rcrbihuhiitfs  f.  ebda.  146 
vcrhcngntifs  f.  ebda.  182 
zcugnifs  n.  Grefl.,  Dr.  kr.  61. 


hegrähnifs  f.  KrafFt  154 
hegrübnnfs  f.  ebda,  und  Spreng,  II. 

133.  2tJl 
betn'ebnus  f.  Krafft  345 
bihhuifs  f.  Spreng,  Aeu.  26 
bii)idtmtß  f.  ebda.  II.  38.  39 
erger  im  fs  f.  Krafft  73 
erkanntnus  f.  ebda.  391 
finsternufs  f.  Decam.  314, 12.  Äsop  47 
finsternufs  f.  Krafft  228 
finsternufs  f.  ( :  vcrdrufs)  Spreng,  II.  36 
gedechinüfs  f.  Decam.  61,  33.  647,  42 

u.  ö. 
gcdachnus  f.  Asop  76 
gedechinüfs  f.  Tünger  126 

c)  in  alemannischen  Schriften: 
begrcbnifs  f.  Boner,  Oros.  112.  Just.  34      gefcncknifs  f.  Boner,  Gros.  96.  Just.  21 


gefenchiüfs  f.  Decam.  573,  34 
gcfdnknufs  n.  ebda.  310,28 
gefcnkniis  f.  Asop  103 
gefenknus  f.  Krafft  88.  149 
gefengnüs  n.  f.  ebda.  145.  282 
gcfüngknufs  f.  Spreng,  II.  59 
hindernus  f.  Krafft  279 
verstandtmifs  f.  Spreng,  II.  154 
verzaichmis  f.  Krafft  421 
tcagnufs  f.  Spreng,  II.  158 
wildnitfs  f.  Decam.  94,  6 
iviltmts  f.  Äsop  236 
zeugnnfs  f.  Krafft  421 
zeugknufs  f.  Spreng,  II.  264. 


begräbnifs  f.  Wolf  h.  Spaugcub.  134 
büntnifs  f.  Boner,  Oros.  26 
finsternufs  f.  ebda.  lOS 
gedechtnis  f.  Boner,  Just.  61 
gedüchtnufs  f.  Simpl.  6 


gefängnifs  f.  "Wolf  h.  Spangenb.  66 
trübnifs  f.  ebda.  133 
wildnus  f.  Boner,  Just.  119 
zenknifs  f.  ebda.  Oros.  113. 


Zu  I  ist  ZU  bemerken,  dass  Zesen  abweichend  von  Eotlie, 
Opitz  hekenntnis,  gedäclünis,  Verhängnis  als  fem,  gebrauclit. 
Ich  denke  dabei  an  oberdeutschen  einlluss.  der  sicli  im  17,  jh. 
mit  der  reception  der  md.  schriftspraclie  wol  fühlbar  machen 
konnte.  Bei  dem  Baier  Greflinger  ist  andererseits  ostmd.  ein- 
fluss  unverkennbar;  denn  er  gebraucht  zcugnis,  gcdachtnis  auch 
als  neutra,  während  der  obd.  Schriftsprache  nur  das  fem.  bei 
beiden  Wörtern  geläufig  ist. 

Die  bildung  des  plurals  hieng  ab  von  dem  Übergewicht 
des  geschlechtes;  waren  die  meisten  und  häufigsten  worte  auf 
-nis  neutra,  so  mussten  sie  im  pl.  das  analogische  -c  der 
rt-stämme  annehmen,  waren  sie  feminina,  so  bildeten  sie  den 
pl.  nach  der  gemischten  flexion.  d.h.  sie  hängten  im  pl.  die 


NHD.    SUBSTANTIVFLEXION,   II.  303 

schwache  endung  -en  an.  Auf  md.  boden  müssen  wir  deshalb 
die  formen  gleichnisse,  Zeugnisse,  Jcenntnisse  u. s.w.  antreffen, 
auf  obd.  boden  die  formen  glekhnissen,  Zeugnissen  u.  s.  av.  Die 
a-forni  des  pl.  ist  in  der  Schriftsprache  herschend  geworden. 

Für  ihre  ausbreituug  einige  belege :  np.  vinstermsse  Veter  b.  47,  6,  ap. 
huntnisse  1406  Fr.  reichsk.  1,  np.  hindernisse  1411  ebda.,  ap.  Zeugnisse  Al- 
berus,  np.  geheimni fs  ebda.,  gp.  gJekhnifs  2üi.  Mathesius  neben  ap.  gleich- 
nissen  1  m.  ebda.,  pl.  gleichnisse,  Zeugnisse  Clajus,  pl.  verbündnüssc  Eitter, 
Opitz,  Arg.  109,  ap.  geheimnüsse  Zesen  295,  ap.  zeugnüsse  ebda.  592,  pl. 
gleichnisse,  hegrähnisse  Scliottel.  Diese  citate  entstammen  säramtlich  mittel- 
und  niederdeutschen  autoren.  Aber  aiich  einige  «-formen  sind  bei  Schrift- 
stellern des  nördlichen  gebietes  anzutreffen:  ap.  gefengnissen  Hocker.  2, 30, 
ap.  geheimhnussen  Hockl;  ferner  sind  bei  Buchholz  zu  belegen:  np.  diese 
bildnissen  202,  begehnissen  235.  323,  ap.  verhindernissen  205,  Verlöbnissen  104. 

Ueberraschend  ist  es,  dass  Buchholz  im  Widerspruch  mit 
dem  allgemeinen  schriftsprachlichen  usus  seiner  heimat  aus- 
schliesslich die  «-form  im  pl.  anwendet.  Es  kann  hier  nur 
oberdeutscher  einfluss  vorliegen;  denn  in  Mitteldeutschland 
war  die  a-form  im  pl.  der  Wörter  auf  -nis  ebenso  herschend, 
wie  es  in  der  obd.  drucksprache  die  w-form  sein  musste.  Sonst 
ist  mir  bei  Buchholz  keine  abhängigkeit  von  der  obd.  formen- 
gebung  aufgestossen. 

In  Oberdeutschland  gilt  natürlich,  dem  geschlecht  der 
Wörter  entsprechend,  die  w-form  des  plurals: 

np.  betriibnissen  Tünger  150,  ap.  pyldmissen  Boner,  Just.  67.  105,  np. 
btmtnnssen  Zimm.  ehr.  1, 147,  84,  finstermissen  Krafft  224,  verzaichnussen 
ebda.  827,  in  zico  vnderschidliche  schicere  gefenchms  ebda.  370,  pl.  alle 
geheimnissen  Kalloandro  1,  50,  bildnissen  ebda.  116,  ap.  bündnussen  Simpl. 
144,  zeugnüssen  ebda.  17.  66,  pl.  -nussen  Dornblüth  (1755). 

Ein  vergleich  der  a-  und  w-formen  mit  dem  wortgeschlecht 
in  den  einzelnen  dialektgebieten  gibt  zu  erkennen,  dass  fast 
durchweg  der  a-form  das  neutrale,  der  w-form  das  fem.  ge- 
schlecht zu  gründe  zu  legen  ist.  Nur  der  pl.  bildnissen  Buchh. 
202  kann  mit  Sicherheit  für  das  neutrum  in  anspruch  genommen 
werden,  wie  zu  dem  pl.  gefenchius  Krafft  370  das  fem.  bezeugt 
ist.  Die  erste  form  ist  nach  den  fem.  w-pluralen  der  Wörter 
auf  -nis  gebildet,  die  letztere  dagegen  steht  nicht  in  Überein- 
stimmung mit  den  übrigen  «-bildungen  bei  Krafft;  die  flexions- 
losigkeit  dieser  form  kann  daher  nur  auf  der  Stellung  des 
w^ortes  nach  dem  zahlwort  beruhen.    Eine  trennung  der  formen 


304  MOLZ 

nach  dem  gesclilecht  ist  mir  nur  bei  Greflinger  begegnet:  ap. 
finstcrnüsscn  f.  \.  g.  225;  ap.  gczeugyiüsse  der  h.  sehr  iß  n. 
ebda.  220. 

II.  klasse:  ,/r/- stamme. 

Der  flexion  der  ja- stamme  folgen  in  mlid.  zeit  noch  eine 
ganze  reilie  von  neutralen  Substantiven.  Tm  wesentlichen  sind 
es  folgende:  bette,  bilde,  ende,  erbe,  er^c,  gence  liie'ulwng.  griu;e, 
hefte,  hcre,  hönive,  hirse,  l;inne,  kitsc,  Icrccse,  Jcünne,  Jcüttc  schar, 
herde,  li'(j)2)c  gift,  mihe,  netze,  ccre,  riche,  siäppe  staub,  stäche, 
tülle,  venne  sumpf,  vletze,  iceppe  gewebe,  wette,  wtje  strafe; 
antlitze,  Meincete,  wildbrcete,  eilende;  die  fremdwörter  h-iuze, 
öle,  schrlnc  und  die  im  genus  schwankenden  Substantive  Idpfc 
n.  f.,  phiilice  m.  n..  rijuxi  n.  f.,  schirbe  und  scherbc  n.  f.,  sivelle 
n.  f.,  tenne  n.  f.  m.  Alid.  amhahti,  gawi,  haivi,  meri,  bcri  n.  f. 
sind  schon  mhd.  meist  endungslos  geworden.  Von  allen  anderen 
haben  sich  beim  neutrum  behauptet:  bctt,  bild,  ende,  erbe,  crz, 
flötz,  hcer,  hcft,  heii.  Mm,  kinn,  kreuz,  netz,  Öhr,  öl,  pfähl, 
reich,  stück ;  antlits,  elend,  klcinot,  wildbret.  Viele  der  übrigen 
sind  in  der  Schriftsprache  erloschen,  andere  sind  zum  fem. 
übergetreten,  mit  dem  sie  in  der  flexion  eine  Aveite  berührung 
hatten.  Auch  haben  noch  verwantschaf ten ,  Avortreihen  den 
geschlechtswandel  gefördert.  Ausser  den  genannten  meist  ein- 
fachen ja -Stämmen  gibt  es  noch  eine  zahlreiche  gruppe  von 
Stämmen  auf  -ja,  die  mit  der  partikel  ga-  zusammengesetzt 
sind.  Die  Zusammensetzung  mit  ge-  ist  bis  in  die  gegenwart 
lebendig  geblieben:  gcstät  zu  mhd.  stuot  f.;  gebäck,  gcdeck; 
gesträpp  zu  mhd.  struppe  f.;  gcbräu  zu  mhd.  brinicen  und 
brimve  f.  das  brauen  und  was  auf  einmal  gebraut  wird;  gc- 
bläse,  gefolge  sind  nhd.  bildungen.  Die  ererbten  worte  zeigen 
die  lautgesetzliche  entwickelung  des  stammvocals,  auch  jüngere 
Avie  gestät,  gebäck,  gesträpp  sind  den  alten  vollkommen  an- 
geähnelt. Daneben  aber  erscheinen  zahlreiche  neue  verbale 
ableitungen,  die  den  umlaut  meiden  und  den  präsensvocal 
fordern:  gtheulc,  grklopfe,  geschnatter,  gewinscl  n.  v.  a.  Diese 
Wörter  bezeichnen  den  begriff  des  verbums  und  stehen  ilim 
besonders  nahe.  Zum  ausgangspunkt  dienten  verbale  ab- 
leitungen mit  unveränderlichem  stammvocal  Avie  getichfe.  Die 
tendenz,  die  beziehung  zu  dem  verbum  in  solchen  Schöpfungen 


NHD,   SUBSTANTIVFLEXION.   II.  305 

ungetrübt  aufreclit  zu  erhalten,  gelit  so  weit,  dass  alte  verbal- 
abstracta  wie  gemärre,  geleufe  in  gemurre,  gelaufe  umgebildet 
werden.  Aus  dem  collectiven  sinn  der  partikel  ge-  ergab  sich 
leicht  die  iterative  oder  frequentative  bedeutung  solcher  worte. 
Ihrem  begrifflichen  Inhalt  nach  drücken  sie  tätigkeiten  aus, 
zu  denen  sich  unser  gefühl  ablehnend  verhält.  Sie  alle  wurzeln 
in  der  Umgangssprache.  Nach  Wilmanns,  D.  gr.  2,  §  193  er- 
folgte die  ausbildung  und  Verbreitung  dieser  wortgruppe  von 
Mittel-  und  Niederdeutschland  aus.  In  grossen  teilen  dieses 
gebietes  blieb  das  stammhafte  e  der  neutralen  r/a-composita 
gewahrt,  und  so  lässt  es  sich  begreifen,  dass  e  hier  zum  un- 
entbehrlichen bestandteil  von  analogen  bildungen  geworden  ist. 
Von  der  betrachtung  der  ererbten  j? a-stämme  mit  (/a-präfix 
lassen  sich  die  älteren  einfachen  mit  ga  zusammengesetzten 
bildungen  nach  der  a-declination  nicht  trennen.  Die  meist 
collective  bedeutung  der  ganzen  (/a-klasse  hat  zu  einer  engen 
lautlichen  berülirung  geführt.  Bis  ins  nhd.  haben  sich  folgende 
mit  ge-  abgeleiteten  neutralen  a-stämme  erhalten:  gehet,  gebiet, 
gehiss,  gebot,  gebund,  gefecht,  gefleckt,  geschoss,  geschrei,  gespann 
(mhd.  gespcm  das,  was  zum  heften  dient),  getuehr,  geivand,  gefeit; 
glied  (mhd.  gelit),  getier.  Vom  masc.  ist  mhd.  gemach  zum  neutr. 
übergetreten.  Im  mhd.  ist  die  gruppe  noch  etwas  stärker  be- 
setzt, doch  bleibt  sie  an  zahl  weit  hinter  den  auf  -ja  gebildeten 
collectiven  neutra  zurück.  Im  mhd.  kommt  es  nicht  selten  vor, 
dass  mit  ge-  zusammengesetzte  Wörter  nach  der  a-declination 
in  das  System  der  neutralen  ^a-stämme  gezwungen  werden; 
alid.  geiveb  und  geivebe;  alid.  gifeht,  mhd.  geveht,  geve}itc\  ahd. 
gifleht,  mhd.  gevleht,  gevlehte,  mhd.  gese^,  gesesse,  mhd.  geivahs 
und  'getvehse.  Andere  erlagen  auch  im  geschlecht  dem  über- 
gewicht der  neutra:  ahd.  mhd.  gehei^  m.  und  mhd.  geheime  n.; 
ahd.  mhd.  gelust  m.  f.  und  mhd.  gelüste  n.;  ahd.  mhd.  gemäht  f., 
im  mhd.  auch  gemehte;  ahd.  mhd.  gesiJit  f.  und  mhd.  gesihte  n.; 
ahd.  mhd.  gespanst  f.  lockung,  Verlockung  und  mhd.  gespunste 
n.  gespinst;  mM.  gewerb  m.  im^  geicerbe  n.  Im  nhd.  setzt  sich 
die  anziehung  der  neutralen  ja -gruppe  fort:  mhd.  gespunst  f. 
n.  (neben  gespiinne  n.)  und  nhd.  gespinst;  mhd.  gepac  n.  und 
nhd.  gepäch;  mhd,  ^'gelac  n.  und  nhd.  gelag,  gelage\  mhd.  gestat 
m.  n.  und  nhd.  gestade  n,;  mhd.  getrlb  n.  und  nhd.  gctriebe. 
Umgekehrt  trat  zu  den  a-ableitungen  nhd.  gelass  n.  m.  für 


30G  MOLZ 

mhd.  (jclcB^e  n.  niederlassuiig  und  zu  mhd.  gesiizse  erscheint  die 
nebenform  gcsatz  in  der  Stretl,  ehr.  181,  27  und  bei  Luther  nach 
Dietz  2, 90. 

Nach  diesen  einleitenden  bemerkung:en  komme  ich  zur 
abstossung  des  stammliaften  e  der  ja-stämme  in  nlid.  zeit;  vgl. 
Behaghel,  Germ.  23  (1878),  2G5  f.  Bojunga  155  ff.  AVihnanns  1, 
§  295.  Auf  die  jüngeren  verbalabstracta  mit  auslautendem  e 
ist  schon  hingewiesen,  und  sie  k()nnen  bei  der  ferneren  erörte- 
rung  ausscheiden.  Die  alten  ya- stamme  der  neutra  zeigen  in 
ihrer  entwickelung  zum  nhd.  eine  besonderheit.  Die  meisten 
Wörter  mit  unveränderlichem  Stammauslaut  sind  der 
analogie  der  «-stamme  erlegen  und  haben  das  e  am  wortende 
fallen  lassen.  Die  Wörter  mit  veränderlichem  stammaus- 
laut  haben  es  bewahrt,  wenn  nicht  besondere  einflüsse  die 
apokope  bewirkten.  Es  machten  sich  bei  den  Wörtern  mit 
auslautender  lenis  (ö,  d,  g,  s)  zwei  bestrebungen  geltend. 
Die  bewahrung  des  stammhaften  e  wurde  geheischt,  um  keinen 
Wechsel  zwischen  lenis  und  fortis  (media  und  tenuis)  innerhalb 
der  declination  aufkommen  zu  lassen.  Die  anziehung  der 
a-stämme  suchte  sie  des  e  zu  berauben.  Dieses  streben  erwies 
sich  dem  lautlichen  factor  gegenüber  zu  allen  zelten  als 
fruchtlos.  So  stehen  auf  der  einen  seite:  heft,  stück,  erz  u.a.; 
gerät,  geschiclc,  gefäss,  geschcnh,  gesetz  u.v.a.;  auf  der  andern 
Seite:  erbe,  ende,  gebäude,  gepränge,  gekröse,  gemüse.  Nhd. 
Schöpfungen  nach  den  ja -stammen  haben  sich  mit  ausnähme 
der  jüngeren  verbalabstracta  der  regel  gemäss  gestaltet:  gehäch, 
gepäck,  gedeck,  gestrüpp,  gestiit;  gefolge  begleitung,  gehläse,  ge- 
triehe  (neu  gebildet  zu  dem  part.  perf.  von  treiben  und  zu  trieb, 
mhd.  getrib).  Von  den  «-stammen  mit  veränderlfchem  stamm- 
auslaut  sind  übergetreten:  gestade  (mhd.  gcstat  n.,  stade  m.), 
gelage  (neben  gclag).  Ausser  diesen  finden  wir  noch  mit 
wechselndem  stammauslaut  im  nhd.  die  a-stämme  gebund  und 
getvand.  Bei  gebund  sind  lautlich -functionelle  Verbindungen 
mit  pfund\  bund,  fand,  griind,  hiind,  mund,  Schlund  dem  streben 
nach  ausgleich  im  endconsonanten  hindernd  in  den  weg  ge- 
treten. Bei  geivand  verbot  der  r-plural  eine  andere  form. 
Ausserhalb  der  mit  ge-  zusammengesetzten  neutra  gibt  es  von 
collectiven  nach  der  «- declination  mit  veränderlichem  end- 
consonanten nur  noch   leit,  leides;   ziuc,  ziuges.     Die  Wörter 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II.  307 

blieben  im  System  der  a-stämme;  doch  tritt  in  der  nhd.  zeit 
auch  bei  ihnen  consonantische  angleichung  des  nom.  acc.  an 
den  gen.  dat.  sing,  nnd  somit  übertritt  in  die  ja-gruppe  zu 
tage:  as.  iverlxzcuge  Lehms  634.  Auch  leid  muss  in  der  form 
leide  gebraucht  worden  sein,  wenn  J.F.Christ  im  16.  excurs 
seines  ViHaticum  (1746)  s.  185  f.  mit  recht  gebildeten  seiner 
zeit  die  unorganische  form  vorgeworfen  hat.  Aus  der  gemein- 
schaft  des  collectiven  sinnes  mit  dem  grösseren  teil  der  ja- 
gruppe  allein  können  die  formen  nicht  erklärt  werden.') 

Nicht  minder  spricht  die  hartnäckigkeit,  mit  der  bilde 
sich  lauge  neben  dem  r-pl.  behauptet  und  dadurch  ganz  ausser- 
halb jedes  flexionssj^stems  tritt,  für  die  kraft  der  lautlichen 
analogie  innerhalb  der  neutralen  ja-stämme.  Aus  alledem  geht 
zur  genüge  hervor,  dass  bei  den  neutra  das  gleichmachungs- 
streben  bez.  die  bewahrung  der  einheitlichkeit  im  stammauslaut 
tiefe  wurzeln  gefasst  hat,  und  die  erwägung,  dass  die  in  rede 
stehenden  ja-stämme  sich  allezeit  im  verlauf  der  ganzen  ent- 
wickelung  der  einwirkung  der  a-stämme  unzugänglich  erwiesen 
haben,  muss  diesen  eindruck  noch  verstärken. 

Ohne  rücksicht  auf  den  auslaut  büssten  nach  minder 
betonter  silbe  antlitse,  eilende,  Tdeincete,  ivildhrcete  ihr 
eudungs-e  ein. 

Der  Verlust  des  stammhaften  e  der  übrigen 
ja-stämme  mit  unveränderlichem  stammauslaut  ist 
ein  langsamer,  allmählich  durchdringender  anglei- 
chungsprocess,  der  noch  heute  nicht  völlig  ab- 
geschlossen ist.  Am  raschesten  geht  die  ent Wickelung 
noch  bei  den  einfachen  ja -stammen  vor  sich,  wenn  sich  auch 
hette,  netse,  stücke,  die  häufigst  gebrauchten  Wörter,  bis  ins 
18.  jh.  gehalten  haben.  Ihre  durch  den  Untergang  zahlreicher 
ia-stämme  verminderte  zahl  kam  früh  mit  den  «-stammen  in 
berührung.  Der  ja -stamm  gelücJce  zeigt  in  der  ausstossung 
des  e  des  präfixes  gleiche  entwickelung  wie  die  substantiv- 
ableitung  gelit.    Durch   diese  Verkürzung  trat  glücke  aus  der 

')  Sonst  sind  auf  dem  boden,  wo  das  end-e  fest  bleibt,  analogische 
e-formen  sehr  selten:  as.  ^"ame?e  Rothe  2iO,  as.  das  Jiole  (vgl.  höhle)  Riccius, 
Georg.  147,  us.  7-ehe  3  m.  Buchholz  207.  Bei  den  tiernamen  dürften  ochse, 
äffe,  löive  u.  a.  die  unechte  form  bewirkt  haben ;  der  grammatiker  Schöpf 
führt  rehe  und  vihe  an. 


308  MOLZ 

mit  [IC-  abgeleiteten  ja-grupiie  aus  und  gieng  so  der  stütze, 
die  das  präfix  für  die  erlialtung  des  endungs-e  innerhalb  der 
zur  einlieit  zusammengeschlossenen  ja-gruppe  bot,  verlustig; 
es  hatte  gleiches  Schicksal  wie  die  einfachen  j«-stämme.  Hier 
sei  auch  auf  die  ganz  junge  bildung  gleise,  gleis  für  gclcise 
hingewiesen. 

Langsam  und  mit  grossen  Schwankungen  bei  den  einzelnen 
Schriftstellern  vollzieht  sich  der  übertritt  der  mit  der  partikel 
r/rt-  zusammengesetzten  ^'«-stamme.  Im  mhd.  und  noch  in  der 
frühnhd.  zeit  hat  die  ja-gruppe,  wie  wir  gesehen,  manche  mit 
ga-  abgeleiteten  «-Zusammensetzungen  nach  ihrer  bildungs- 
weise umgeschafCen.  In  der  späteren  zeit  des  nhd.  sind  ana- 
logien  nach  dieser  seite  sehr  selten.  Gehiss,  gebot,  geschoss, 
geivand  sind  mir  niemals  in  der  ja -form  begegnet.  Die 
wenigen  beispiele,  in  denen  bei  anderen  a-stämmen  sich  die 
ja-bildung  vorübergehend  einstellte,  seien  hier  zusammengefasst: 
as.  gepiete  Kantzow  102.  108,  as.  gehüie  Zesen  818,  ns.  gehieihe 
Lohenstein  13,  ns.  gebete  Weise  107.  Lohenstein  8.  11  und  auch 
Luther  vereinzelt,  ns.  gctcehrc  Lohenstein  58.  Klopstock,  der 
eine  besondere  Vorliebe  für  collective  ^c-ableitungen  hat,  bildet 
den  sing,  geselle.  Bei  diesen  belegen  ist  zu  beachten,  dass 
nur  die  Wörter  das  e  der  ja-stämme  vereinzelt  annahmen,  die 
für  den  umlaut  unempfänglich  und  durch  ihre  collective  be- 
deutung  mit  den  ^e-ableituugen  auf  ja  verbunden  waren. 
Neben  gepiete  stellt  sich  bei  Kantzow  gebirge,  gehcge,  gerete, 
und  ähnlich  verhält  es  sich  in  den  anderen  fällen.  Als  fruchtbar 
hat  sich  also  die  ja-gruppe  den  «-stammen  gegenüber  nicht 
mehr  erwiesen.  Es  wird  die  reinliche  Scheidung  zwischen  den 
beiden  gruppen  in  älterer  zeit  aufrecht  erhalten  wie  im  Yeter 
buch,  bei  Matthias  von  Beheim,  in  den  Leipziger  Urkunden 
(die  ich  bis  1464  untersucht)  und  in  der  Chronik  von  Joh. 
Kothe.  Je  weiter  wir  uns  aber  von  der  mhd.  Sprachperiode 
entfernen,  um  so  mehr  geraten  die  j/a-stämme  ins  schwanken. 
Das  streben,  die  numeri  zu  trennen,  hatte  alle  übrigen  decli- 
nationsklassen  ergriffen.  Im  masc.  war  es  vorzüglich  der  um- 
laut, im  fem.  die  schwache  endung  -en  und  im  neutium  der 
r-pl.,  der  diesem  bedürfnis  entsprach.  Auch  die  j«-ableitungen 
der  neutra  heischten  ein  kennzeichen  des  plurals.  Innerhalb 
ihres  geschlechtes  standen  ihnen  zwei  wege  offen.    Sie  konnten 


NHD.   SUBSTANTIV  FLEXION.   II.  309 

sich  nach  den  neutralen  «-stammen  richten  und  in  Überein- 
stimmung- mit  diesen  und  der  zeitlichen  entwickelung  gemäss 
das  flexivische  e  ihrem  zwecke  dienstbar  machen.  Es  musste 
vom  g-en.  und  dat.  sing-,  und  vom  plur.  aus  ein  neuer  nom. 
acc.  sing,  geschaffen  werden,  und  das  paradigma  stimmte  mit 
den  «-Stämmen  überein.  Bei  dieser  nachbildung  des  «-typus 
kamen  dann  noch  die  mit  ge-  abgeleiteten  «-stamme  der  neutra 
zu  hilfe,  besonders  solche,  die  häufig  einen  pl.  bildeten  und 
noch  durch  ihre  sinnverwante  bedeutung  mit  den  ^«-stammen 
verknüpft  waren:  gehet,  gebot,  geschoss,  geivehr  sind  nach 
zweierlei  richtung  mit  gesetse,  gescliütze  zu  einer  sippe  vereint. 
Sie  teilen  die  fast  allgemeine  collective  bedeutung  der  ^«-com- 
posita,  und  sie  sind  synonyme.  Ausserdem  konnte  aus  dem 
nebeneinander  von  gehiss  —  beissen  und  gestellte  —  sehen,  gehöre 
—  hören  eine  neubildung  nach  den  a-ableitungen  (gesicht,  gehör) 
erfolgen.  Aber  auch  häufigkeit  des  pl.  allein  genügte  schon 
vollkommen,  eine  endungslose  form  im  anschluss  an  die 
«-ableitungen  entstehen  zu  lassen;  es  gelten  die  Proportionen: 
das  gebet,  gebot  :  die  gebete,  geböte  =  das  geschenJc,  gespräch  : 
die  geschenJce,  gespräche  u.s.w.  Die  meisten  Wörter  aber  mit 
^«-präfix  und  auslautender  lenis  konnten  in  diese  proportion 
nicht  eintreten,  weil  ihre  zufällig  fast  ausschliesslich  collective 
bedeutung  einen  pl.  nur  selten  zuliess.  Schon  ehe  die  neu- 
tralen «-Stämme  im  pl.  vollkommene  angieichung  ans  masc. 
erfuhren,  hebt  die  abstossung  des  e  der  J«-stämme  an.  Dann 
erhielten  sie,  wie  auch  vorher,  kein  pluralisches  zeichen,  und 
ihre  Verschiebung  gieng  mit  den  «-stammen  hand  in  band. 
Zum  abschluss  aber  kommt  die  entwickelung  noch  lange  nicht ; 
denn  so  lange  der  nicht  gefestigte  zustand  in  der  declination 
der  neutralen  «-stamme  herschte  —  ihre  Verschiebung  kam 
erst  im  anfang  des  17.  jh.'s  zu  ende  —  konnten  auch  die  ja- 
Stämme  nicht  recht  zur  endgiltigen  form  gelangen.  Die  ab- 
stossung des  e  im  sing,  konnte  in  jener  zeit  des  Schwankens 
der  «-Stämme  ebensowenig  die  numeraltrennung  unzweifelhaft 
machen  wie  die  bewahrung  des  e  im  plural.  Erst  als  die 
«-Stämme  die  nlid.  flexion  völlig  angenommen,  musste  die  tren- 
nuug  der  numeri  auch  in  der  durch  das  ^«-präfix  zusammen- 
gehaltenen j«-gTuppe  einsetzen,  während  die  flexion  der  ein- 
Beiträge zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXI.  21 


310  MOLZ 

fachen   ya- stamme   meist  schon  früher  dem  ansgleicli  mit  den 
«-Stämmen  erhig. 

Als  zweites  mittel  bot  sich  zum  zwecke  der  Scheidung 
der  numeri  der  r-plural.  Von  hause  aus  kommt  diese  bildungs- 
weise des  pl.  nur  den  alten  neutralen  5- stammen  zu,  die  im 
ahd.  mild,  einsilbig  sind.  Einer  übeitragung  auf  die  mit  ga- 
abgeleiteten  ja-stämme  setzte  sich  die  begriffliche  geschlossen- 
heit  der  ja-gruppe  und  ihre  geringe  flexivische  berührung  mit 
dem  r-tYi)Us  entgegen.  Auch  war  die  bedeutung  zweier  ja- 
ableitungen,  die  im  nhd.  in  dem  gewande  des  r-pl.  erscheinen, 
im  mild,  noch  eine  ganz  andere  als  heutzutage.  Gcnüieie  be- 
zeichnet im  mhd.  die  gesammtheit  der  gedanken  und  empfin- 
dungen,  gesiht  ist  mhd.  meist  fem.  und  hat  neben  der  jüngeren 
Umbildung  gesihte  n.  noch  einen  weiteren  bedeutungsinhalt  als 
in  späterer  zeit;  es  heisst  noch  anhlid;  ansieht.  Diese  gebrauchs- 
weise  der  beiden  Wörter  hat  einen  r-pl.  viel  weniger  nahe  gelegt 
als  die  nhd.  herschend  gewordene  bedeutung.  Wie  die  apokope 
bei  den  mit  der  vorsilbe  ge-  abgeleiteten  ja -stammen  an  den 
neutralen  «-composita  einen  anknüpfungspunkt  fand,  so  könnte 
man  versucht  sein,  auch  bei  dem  eindringen  des  >-pl.  in  die 
ja-gruppe  die  mit  gc-  zusammengesetzten  neutralen  a -stamme 
gelit,  gemach,  geivant  als  Überleitung  zu  betrachten.  Für  nid. 
gebiet  kann  das  nur  von  gelit  gelten,  das  bereits  mhd.  zuweilen 
den  pl.  gelider  bildet;  gemach  schreitet  erst  im  17.  jh.  zum 
r-pl.  vor,  als  schon  die  ja-stämme  ausser  gespenst  den  r-pl. 
gebildet  hatten;  gewand  ist  auf  dem  schriftsprachlichen  boden 
in  jener  zeit  im  pl.  nicht  zu  belegen.  Die  r-plurale  gcmüter, 
geschlechter,  gesichter,  gespenster  sind  Luther  noch  vollkommen 
ungeläufig.  Die  beantwortung  der  frage,  ob  hier  obd.  eintiüsse 
in  die  entwickelung  eingegriffen  haben,  muss  auf  die  beliand- 
lung  des  r-pl.  verschoben  werden.  Hier  ist  nur  festzustellen, 
dass  sie  in  der  zweiten  liälfte  des  IG.  jh.'s  in  Ostniitteldeutsch- 
land  begegnen.  Eiccius  kennt  die  pl.  gemüter,  geschlechter, 
gesichter;  aber  er  hat  nur  den  pl.  gespenste.  Es  war  das  die 
zeit,  wo  das  gefülil  für  die  endungslosigkeit  im  pl.  der  neutralen 
a-stänime  noch  nicht  erloschen  war.  ]\Iit  der  r-form  des  pl. 
war  die  volle  form  des  sing,  noch  nicht  untergegangen.  Sie 
musste  aber  beseitigt  werden;  denn  die  kleine  gruppe,  die  einen 
r-pl.  bildete,  konnte  der  Übermacht  der  zahlreichen  neutr.  und 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION,   II.  311 

masc.  Substantive  mit  ervi^eitertem  pl.  nicht  standhalten.  Der 
r-pluralform  entspriclit  allenthalben  ein  endungsloser  sing.,  und 
dieser  analogie  verdankt  das  allmähliche  erlöschen  des  stamm- 
haften e  bei  den  vier  genannten  Wörtern  seinen  Ursprung. 

Es  waren  also  gesets,  geschütz,  gehör \  gemüt,  geschlecJd, 
gesicht,  gespenst  durch  treibende  kräfte  innerhalb  der  mit  ge- 
gebildeten  neutra  endungslos  geworden.  Durch  formen  wie 
geschütz  und  gemüt  war  auch  die  Sicherheit  des  gefühls  für 
die  bewahrung  des  e  nach  umgelauteteni  stammvocal  ins 
wanken  gekommen  und  schliesslich  geschwunden.  Da  die  in 
der  ^fa-gruppe  selbst  erzeugten  endungslosen  ja -stamme  sehr 
häufig  gebrauchte  Wörter  sind,  war  durch  ihren  übertritt  im 
laufe  der  entwickelung  den  a- stammen  eine  wichtige  stütze 
zur  Seite  gegeben,  um  auch  die  übrigen  ja-bildungen  mit  un- 
veränderlichem endconsonanten  ihres  e  am  wortende  zu  ent- 
kleiden. Die  angleichung  ist  heute  noch  nicht  zu  ende  geführt, 
wie  der  vergleich  der  wortformen  verschiedener  Wörterbücher 
dartut;  gefalle,  gcläute,  geläste,  gerippe,  gesenlie  haben  meinem 
gefühl  nach  meist  noch  die  unverkürzte  form  bewahrt. 

Auch  in  jüngerer  zeit,  im  18.  und  19.  jh.,  als  die  verkürzte 
form  von  den  collectiva  gebüsch,  gehölz,  geräusch,  gerüst,  ge- 
sclinieiss,  gesträuch,  gestrilpp  u.  a.  endgiltig  festgesetzt  war,  und 
die  collectiva  gehäiide,  gebilde,  gelände,  geschneide,  getreide, 
gebirge,  gedräng  e,  handgemenge,  gepränge,  g  ehr  Öse,  gemüse  u.  a. 
ihr  auslautendes  e  bewahrt  hatten,  währte  infolge  der  gemein- 
schaft  der  collectiven  bedeutung  der  genannten  beiden  gruppen 
der  kämpf  um  die  herschaft  der  form  fort.  Meist  blieb  das 
werben  der  (/a-composita  mit  lenis  im  stammauslaut  vergeblich. 
Doch  hat  diese  beziehung  bis  heute  die  collectiven  ja-stämme 
gefalle,  gelüute,  gelüste,  gerippe,  gesenlie  und  zuweilen  noch 
andere  von  der  durchführung  der  apokope  zurückgehalten. 

Von  Wörtern  mit  veränderlichem  stammauslaut  ist  auch  in 
der  endungslosen  form  gebirg  üblich,  was  sich  sachlich  leicht 
auf  obd.  einfluss  zurückführen  lässt.  Auch  gebild  und  gepräng 
ist  Schriftdeutsch;  ge^iveig  ist  eine  neue  a-ableitung  von  zweig 
und  gehört  mehr  der  gehobenen  spräche  an. 

Jede  theorie,  die  anspruch  auf  giltigkeit  erhebt,  muss  sich 
auf  das  empirisch  festzustellende  gründen.  Für  den  grad  ihrer 
richtigkeit  ist  es  entscheidend,  inwieweit  sie  eine  dem  menscli- 

21* 


312  MOLZ 

Hellen  verstände  bequeme  Verknüpfung-  der  erscheinungen  bietet, 
in  welchem  masse  sie  die  erfalirungstatsaclien  mit  den  gesetzen 
der  Vernunft  in  einklang  bringt.  Ob  meine  sätze  über  die 
abstossung  des  e  bei  den  Ja -stammen  mehr  licht  verbreiten 
als  frühere  Untersuchungen,  sei  anderen  zur  entscheidung  an- 
heimgestellt. Das  gesagte  wurzelt  jedenfalls  in  einer  ein- 
gehenden Prüfung  des  tatsachenmaterials. 

Bei  der  aus  wähl  der  Schriftsteller,  deren  Sprachgebrauch 
ein  gesammtbild  von  der  entwickelung  vermitteln  soll, 
muss  ihre  heimat  massgebend  sein.  In  obd.  und  westmd. 
gegenden  hat  die  apokope  den  ja- stammen  ausnahmslos  das 
end-c  genommen.  Es  bleiben  also  nur  ostmd.  und  nd.  autoren 
übrig,  und  von  diesen  habe  ich  Johann  Eothe.  Luther, 
KantzoAV,  Riccius,  Julius  von  Braunschweig,  Zesen, 
Christian  Weise,  Buchholz,  Lehms,  Lessing  ausgewählt, 
um  aus  ihren  w^erken  den  jeweiligen  stand  der  Verschiebung 
festzustellen.  Ich  unterscheide  bei  den  Ja- stammen  vom  nhd. 
Standpunkt  aus  verschiedene  gruppen.  Die  erste  gruppe  um- 
fasst  die  belege  für  die  zusammengesetzten  ja-stämme  anflif^e, 
eilende,  Meincete,  ivildhrcete,  die  nach  massgabe  der  nhd.  laut- 
lichen entwickelung  nur  in  der  älteren  zeit  anzumerken  sind, 
und  die  ursprünglich  zweisilbigen  einfachen  ja -stamme.  Die 
zweite  gruppe  umschliesst  die  ja-ableitungen  mit  r/c-prätix  und 
auslautender  lenis.  Die  dritte  gruppe  bringt  unter  a  die  älteren 
einfachen  </e-zusammensetzungen  nach  der  a-declination,  unter 
b  die  mit  (je-  abgeleiteten  ja -stamme,  und  die  vierte  gruppe 
enthält  hilde  und  die  mit  ge-  zusammengesetzten  ja -stamme 
mit  r-plural.  Bei  diesen  führe  ich  auch  nach  möglichkeit  be- 
sonders in  der  älteren  zeit  den  pl.  mit  an.  Bei  schwankender 
form  wird  die  häufigkeit  des  Vorkommens  jeder  form  genau 
angegeben.  Als  beleg  für  den  endungslosen  nom.  acc.  sing, 
kann  natürlich  auch  die  flexionslose  form  des  dat.  sing,  und 
des  nom.  acc.  pl.  angesehen  w^erden. 

Bei   Rothe  (hs.   aus  der  zweiten  hälfte  des  lö.jh.'s)  zeigen  die  ja- 

Stämme  mit  </e-präfix  die  mlid.  Verhältnisse.    Es  kommen  nur  die  1.  und 

4.  gnippe  in  bewacht : 

I. 

as.  endende  299  ap.  aiupt  Uikb.  d.  st.  L.  -ilü  (1475) 

ap.  cleinot  Urkb.  d.  st.  L.  278  (14G2).      nas.  bette  94.  103.  115 

447  (1485;  as.  cndze  4  m.  144.  286 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II. 


313 


US.  heere  88 

nas.  heer  5  in.  3-i.  50.  90 

nas.  meer  39.  59.  89.  90 

das.  oel  277.  171 

nas.  reich  26.  555.  557 

as.  bilde  28.  92  u.  ö. 
ns.  bild  Sil 


ap.  reich  28 
nsp.  Königreich  26.  445 
ns.  stucke  43.  163 
as.  badehemde  262. 


IV. 


ap.  bilde  19.  156. 


Die  folgende  Zusammenstellung  der  neutralen  ja-stämme  bei  Luther 
ist  aus  Ph.  Dietz,  Wb.  zu  dr.  M.  Luthers  deutschen  schritten  entnommen. 
Die  ergebnisse  bei  Franke  164  ff.  und  Hertel  487  und  das  DWb.  sind  er- 
gänzend verglichen  und  herangezogen.  Begegnen  formen  mit  und  ohne  e, 
so  ist  die  häufigere  durch  voranstellung  ausgezeichnet.  Ungefähre  gleich- 
heit  im  schwanken  wird  durch  einen  bindestrich  zwischen  beiden  formen 
angedeutet.  Eine  ganz  überwiegend  gebrauchte  form  wird  durch  Sperr- 
druck kenntlich  gemacht.  Nicht  ausreichend  belegte  formen  setze  ich  in 
klammer.  Ja -ableitungen,  die  im  mhd.  noch  nicht  vorkommen,  sind  mit 
einem  Sternchen  versehen.  Die  mhd.  formen  sind  beigefügt,  wenn  die  Wörter 
schon  im  mhd.  zwischen  bewahrung  und  abstossung  des  e  geschwankt  haben. 


andlitz 

h'eer,  heere 

antlitse  noch  Matth.  v. 

Beb. 

,M.6: 

,16. 

meer,  meere 

elend 

[17 

ds.  nm-  Veter  b.  50, 8.  67,  6 

bette,  bett,  pl.  betten  Dietz  289 

netze 

creutz,  creutze 

öle 

ende,  end,  pl.  eyide  Dietz 

531 

(nadelöre) 

erbe,  erb 

reich  (königreiche  23,  66) 

ertz 

stück 

glück  —  glücke 

gelück  —  gelücke  vereinzelt, 

IL 

geprengc,  gcpreng 

gebirge 

ge dinge,  geding 

geschmeide 

gedrenge,  gedreng 

gesenge 

gefilde 

gesinde,  gesind 

gehege 

getreide,  getreid 

gelübde,  gelübd 

getrieb,  mhd.  getrtp 

gemeide,  gemeld 

gevierde 

gemenge 

geiverb,  geiverbe 

gemiise 

mhd.  geicerp  m.,  geiverbe  u. 

gepreg,  geprege 

geivelbe,  geivelb. 
III. 

a)  gebet,  gebete 

geschos 

gebifs 

geschrei 

gebot 

gewer 

geheis 

gezelt. 

31 1 


MOLZ 


b)  gebe  10,  gebetce 
gehein,  geheine 
*(jeheissc 
gebliit,  gebU'tte 
gebreme 
gepüsch 

gefcss,  gefesse 
*gcßicl;  geflicke 
gefress,  gcfresse 
*gegeck,  gegecke 
gehecke 
*gcheuh 
gehirn 

gehör,  gehöre 
gehl'dize,  gchültz 
gejegt,  rahd.  gejegede 
*gckirrc 
"gekretze 
gelenfft 

geleit,  gleit,  nihd.  geleite,  geleit 
gelenk 
*gelöhr 
geloet 

gcmccht,  mhd.  gemäht  f. 
mild,  gemtiite  n.  was  gemacht  wird 
gemerk 

*genmrre,  mhd.  gemürre 
genick,  mhd.  genicke,  genic 
geplerre,  geplerr,  mhd.  geblere 
gerete,  geret 

gericht,  gerichte,  mhA.  gerillte,  geriht 
gerächt  —  gerächte 
mud.  md.  gerächte 
gerast  —  geräste 
geschwär,  nilid.  gesiver 
gesess  —  gesesse 
gescheß't  —  gescheffte 

IV. 


mhd.  gescliefte,  gescheft 

geschenk,  geschenke 

geschirr 

*geschleppe 

gescJimeis 

geschcpfj' 

geschätz 

geschwetz,  geschicetze  23, 172 

geschivärvi,  mhd.  geswerme  , 

gesetz,  gesetze 

*gespei 

gesperr 

gespött  —  gespötte 

gcsprech,  gespreche 

gespüle 

gestell 

gestift,  rahd.  gcstift,  gestifte 

gestirn  —  gestirnc 

gestüle 

gedöne 

getrenck,  getrencke 

gewechs,  gewechse 

mhd.  geicahs,  geweJise 

*gcwesch 

geiverre 

gewicht  —  getvichte 

mhd.  geicihte,  geiciht 

*geicirke 

*geioirre 

gewölke,  gewülke 

gewärm  —  geioärme 

*gewärz 

gezenk  —  gezenke 

gezau,  mhd.  gezouwe 

gezäune 

gezerre,  mhd.  gezarre 

gezächt  —  gczächtc. 


bild,  bilde,  pl.  bild(e),  hilder 

gemüt,  gemäte,  pl.  gemäte 

geschlecht,  geschlechte,  pl.  geschlecht(e) 

gesicht  —  gesichte,  mhd.  gesiht,  gcsihte,  pl.  gesicht(e) 

gespenst,  gespenste,  pl.  gespetist. 

Der  niederdeutsche  chronist  Kantzow  (um  153."))  hat  folgende  formen: 

I. 
nas.  ertze,  ertz  255  as.  kreiitze  221,  kreutz  174 

US.  hcrc  1G8  as.  mehr  67 


NHD,    SUBSTANTIA^ FLEXION.   II. 


315 


n. 


uas.  reich  18.  25,  ds.  reich  121.  130 

as.  shicJce  109.  116 

as.  geluck,  gluck  212.  40. 

ds.  gepreng  42 

ns.  hofgesincle  228. 


in. 


as.  gelucke  64 

as.  »le^^e  238.  239,  ap.  «ef^re  239 

nas.  reiche  12.  17.  24.  116.  278 

as.  gehirge  13 
as.  gehegc  255 
ns.  gelubte  24 

a)  as.  ^ejj/eie  102.  108 
as.  gepot  9 

b)  as.  gleite,  gleit  228.  41 
ns.  gerete  50.  231 
as.  gerichte  207.  223 

nas.  &/Z(Ze  75.  83.  260 

nas.  bild  42.  169.  260 

np.  bilde  50,  ap.  bilder  2  m.  233 

nas.  gemilte  46.  203.  240 

as.  gesichte  235 

Auch  bei   dem  Osnabrücker  Hocker  hat  bild  noch  die  doppelformen 
nas.  bilde  1,248.  2,60;  ns.  bild  2,59,  ds.  Ol. 


as.  geheis  48 
ds.  gescJioss  225. 

ns.  geruchie  55.  202.  227 
das.  geschidz  188.  242. 


IV. 


»■P-  (4,  7)  cmgesicht  83.  84 
nas.  gesiecht  3.  52.  124.  201 
nap.  gesiechte  86.  167.  245.  257 
np.  gesiecht  64. 


Der  humanist  Ricciiis  (1565- 

as.  bette  G.  73 

nas.  heer  G.  120.  P.G.  77,  ap.  P.  G.  127 

asp.  meer  P.  G.  127 

das.  meer  G.  105 

ap.  netz  Buc.  44 

nas.  glück  P.  G.  107.  124.  149 


-1570) 

I. 
ap. 
as. 
ap 
ap 
ns. 
as. 


II. 
nas.  gebirge  G.  21.  P.  G.  61.  2  m.  156      as. 
ns.  gesause  P.  G.  121  ap. 

ns.  gesinde  G.  157  ns. 

nas.  getreide  G.  2.  52.  P.  G.  21.  82         as. 

III. 

a)  as.  gebet  P.  G.  163,  ap.  ebda.  157      as. 
ap.  gebot  P.  G.  163  nds 

b)  as.  gebeine  P.  G.  75 
as.  geplöcke  G.  150 
ns.  geplüth  G.  151.  152 
nas.  geblüte  P.  G.  52.  140 
as.  gebrumme  P.  G.  104 
ns.  gebrum  P.  G.  121 
nas.  gehirn  G.  152.  P.  G.  72 


zeigt  folgende  formen: 

netze  P.  G.  132 
erdreich  P.  G.  111 
(2,  3)  stück  P.  G.  2.  50 
stücke  P.  G.  21.  162 
stück  G.  89 
Unglück  G.  158. 

getvebe  G.  51 
Spinnengeweb  P.  G.  182 
eingeiveide  P.G.  139 
geivelbe  G.  133. 

gebis  P.G.  30 
geschrey  P.  G.  9. 


ns.  gekrache  G.  61 
as.  geleite  G.  149 
ns.  geniste  G.  29 
ns.  genist  P.  G.  131 
as.  gepfiitze  P.  G.  152 
as.  gerete  G.  31.  P.  G.  56 
US.  gereusche  G.  61 


316 


MOLZ 


as.  (jericht  G.  154 

as.  gerast  P.  G.  106 

as.  gi'schenk  P.  G.  162.  163 

as.  gesrhiesse  P.  G.  105 

Ulis,  (jcschirre  G.  31.  P.  G.  16 

as.  IrinJitjeschirr  G.  147.  P.  G.  1-17 

as.  geschwi'tr  P.  G.  74 

as.  g€S2)innc  P.  G.  132 

iias.  bilde  B.  21.  122.  P.  G.  5 
nas.  ehenbilde  P.  G.  90.  92.  137 
as.  eheuhihl  B.  21 
ngp.  bilder  G.  76.  78.   P.  G.  8.  157. 

B.  37 
nas.  gemüt  P.  G.  9.  157 
g'p.  gcniäter  G.  69 
nas.  geschlechte  G.  26.  107.   P.  G.  8. 

47.  77  + 3  m. 


IV. 


nas.  gestim  G.  37.  39.  41.    P.  G.  50. 

109.  129 
nas.  gcstirne  G.  37.  P.  G.  129 
ns.  gesum  P.  G.  121 
as.  gewirclce  P.  G.  120.  129 
as.  gcwirck  P.  G.  126 
ns.  gcirünnc  G.  33 
ns.  gezüchte  P.  G.  137. 

ns.  geschlecht  P.  G.  8.  124 
np.  geschlecht  P.  G.  127 
np.  geschlechter  P.  G.  125 
as.  angesicht  P.  G.  108 
as.  angesichte  P.  G.  129 
ap.  angesichter  G.  137 
np.  nachtgcspenste  G.  76 
np.  gcspenstc  G.  78.  P.  G.  150. 


Die  Schauspiele  des 

herzogs 

Julius  von  Braunschweig  (um  1600) 

geben  folgende  belege 

I. 
as.  bette  Hocker.  1, 185 

ns.  elende  1  \\\. 

das.  elend  2  m. 

as.  netz  1  m. 

ns.  Icleinot  1  m. 

ns.  ole  1  m. 

nas.  ivüdbret  2ra. 

as.  reich  1  m. 

glücke  :  glück  = 

1 

8 

nas.  stücke  und  stück 

ns.  bette  und  bett 

as.  hemde  2  m.,  hemd  1  m. 
II. 

gemüse  1  m. 

gesinde  2  ra. 

gepränge  1  m. 

geicölbe  2  m. 

m. 

a)  gebet  3  m. 

geschrei  häufig. 

gebot  1  ni. 

b)  gehirn  1  m. 

gerüchte  :  gerücht  =  3:1 

gehör  1  ni. 

gesetze  :  gesetz  —  2:1 

yerrt/e  1  ni. 

gespütt  1  m. 

gerichte  :  gericht  = 

4 

:  1 

gleite  1  m. 
IV. 

ns.  ebenbilde  1  m. 

geschlecht  2  m. 

as.  weibsbilde  1  m. 

gesichte  :  gcsicht  =^2:1 

np.  weibsbilde  1  m. 

angesicht  stets 

gcmnte  :  gemüt  = 

2 

:  1 

pl.  gesichter. 

Es  folgen  die  ja-stämme  bei  Zesen,  geb.  1610.  Die  belege  sind  dem 
3.  und  4.  teil  des  Djrahim-romans  entnommen,  der  1645  erschien.  Aus  Opitz' 
Kriegsliederu  und  aus  dem  Argeuis-roraau  sind  einige  ergänzungen  beigefügt. 


I 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II. 


317 


as.  anüüz  Op.,  Arg.  61 

as.  elend  312 

nas.  bette  51.  Op.,  Arg.  36.  44 

ns.  creutz  Op.,  Arg.  36.  Kr.  34.  90 

ns.  crexdze  Op.,  Kr.  39.  91 

US.  heer  316 

nas.  (ßülcke  4.  104.  124  +  3  m.    Op., 

Kr.  49 
nas.  glüTc  5.  17.  110.  111  +  26  m.  Op., 


as.  meer  257 j 

as.  näzze  305 

as.  reich  28.  29.  124.  Op.,  Kr.  76 

nas.  stükhe  295  +  2  m.  Op.,  Arg.  27. 

Kr.  83 
as.  stück  Op.,  Kr.  85 
as.  tmglükke  141.  180 

nas.  unglük  106.  108  -f-  17  m. 


Arg.  7.  21 

Im  dativ  ist  bei  glück,  Unglück  das  eudungs-e  meist  gewahrt. 


n. 


nas.  gepränge  14.  31.  68 
nap.  Sieges-,  hohf-geprünge  255.  272. 
281 

a)  as.  gebäht  581 

as.  gebet  Op.,  Arg.  114.  120 
as.  gebüte  318 

b)  ns.  geblühte  289 

as.  lobgedichte  Op.,  Arg.  117 

as.  gehirne  ebda.  181 

as.  gehör  36.  147  +  4  m. 

as.  gehöre  49 

ns.  gerüchte  183.  554.  Op.,  Arg.  16 

ns.  gerächt  319 

as.  geschänke  599 


as.  haus-gesinde  494 
as.  gestade  263. 


ni. 


IV. 


ns.  bild  240 

nas.  äbenbild  103.  106.  107 

nas.  weibesbild  47 

as.  traumbild  14 

ap.  weibesbilder  142 

nas.  gemühte  18. 43  4-  5m.  Op.,  Arg.  10 

nas.  gemüht  274.  606 

agp.  gemühier  458.  Op.,  Arg.  16.  64 

ns.  geschlächte  10.  Op.,  Arg.  25.  73 


das.  gebot  472.  556 
geheiss  Op.,  Arg.  40 
geschrey  ebda.  41  u.  ö. 

as.  geschenk  Op.,  Arg.  175 

as.  gesäzze  270 

ns.  gesäz  315.  Op.,  Arg.  118 

as.  geschöpfe  25 

ds.  geschüz  628 

nas.  gespräche  14.  62.  476.  Op.,  Arg. 

20.  63 
ns.  gesprähch  hlb.  Op.,  Arg.  93. 

ns.  geschlächt  106,  ds.  Op.,  Arg.  184 

ap.  geschlächter  338 

dp.  geschlechtern  Op.,  Arg.  100 

dp.  geschlechten  ebda.  107 

nas.  gesichte  326  +  2  m.  Op.,  Arg.  15 

as.  gesicht  14.  606  +  3  m.  Op.,  Arg.  61 

as.  angesicht  657 

np.  gesicht  er  108.  Op.,  Arg.  61. 


Buchholz,  geb.  1607,  bietet  in  der  Wundergeschichte  vom  Deiüscheu 
Herkules  1659  folgende  formen.  Ich  benutzte  die  ausgäbe  von  1693;  die 
citate  sind  entnommen  aus  1,  1 — 235  und  301—455. 

I. 

nas.  bette  108.  376.  409  ns.  reich  5  +  3  m. 

ds.  kinn  50  das.  stück  27.  140  u.  ö. 

as.  meer  435  nas.  glück  4.  8  u.s.w. 


318 


MOLZ 


nas.  HHcßücV  24  n.s.w. 
as.  erbe  58 


nas.  ende  119.  131  u.s.  w. 
as.  hemde  70. 


II. 


as.  (fcschmeyäe  139 

nas.  gesindc  52.  198.  454  +  6  m. 

ns.  (jewOlhe  135. 


as.  gednhific  403 

as.  gelübde  195.  204.  340 

ds.  dem  eingeweide  322 

as.  gepränge  19.  138.  392 

ds.  tinter  devi  getn'eb  und  anführung  143 

III. 
a)  as.  gebet  1.  20.  234.  402  as.  gebot  32 

das.  gebiet  201.  384  as.  gewchr  7.  23.  450  +  7  m. 

nds.  gebiss  151.  214 


b)  nas.  //e6rt?<  135.  182 
as.  gebeile  166 
nas.  sre^^Zwe  50.  96.  421 
as.  gedänn  435 
as.  gedickte  83.  84.  180.  189 
nas.  getickt  108.  373 
nas.  geßss  152.  416 
nas.  gefechte  36.  88  +  4  m. 
as.  gehacke  168 
as.  gehecke  140 
nas.  (/e/«eM?e  132.  182.  387 
ns.  gehirn  35.  431 
as.  gehöltze  352  2  m. 
as.  gehöUz  127 
as.  </eZe//e  329.  449 
as.  genick  234 
as.  gerüusche  7.  127 


uas.  ^er/c;i(  360.  401.  402.  454 

as.  gerichte  358 

as.  gerächte  107 

das.  gerächt  424.  437 

as.  gerippe  353 

as.  geschenk  66.  141.  421  +  3  m. 

as.  geschenke  100.  164 

as   geschirr  57.  140.  141.  438 

ns.  geschöpff  111.  115  2  m. 

as.  gesetz  58 

uas.  gesprüch  14.  25.  32  +  19  m. 

as.  gestrüuche  125.  133 

ds.  ungcstihn  25 

as.  gewicht  34 

as.  geicurm  40 

as.  gezänke  435. 


IV. 


ns.  fc/W  125.  202.  434 

as.  gemühte  9 

ns.  bilde  229 

ap.  gemühter  38 

US.  tceihesbilde  139 

as.  geschlecht  23.  181.  193.  411 

as.  iveibsbild  300.  392 

as.  r/es/c/<<  135.  331.  430  +  2  ni. 

ns.  mannesbilde  181 

nas.  angesicht  3.  50  +  10  m. 

as.  brustbilde  234 

as.  gesichte  152.  353.  355 

pl.  6/Wer 

ap.  gesichter  24 

nas.  gemüht  12.  77.  141  +  3  m. 

as.  gcspenst  25. 

Christian  "Weise,  geb.  1642,  weist  in  seinen  Erznarren  vom  jalire 
1673  folgende  formen  auf: 

as.  federbeite  95  as.  stücke  52  +  4  m. 

as.  totenbette  134  nas.  stück  120 

as.  netze  207  as.  kimststücke  27 

as.  ocl  91  as.  frühstück  13.  37 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II. 


319 


as.  goldstück  G2 
nas.  (jl'Hche  34  +  8  m. 
nas.  glück  3  +  6  m. 
nas.  xmglück  35  +  4  m. 

ns.  angebinde  170 
as.  gebiirge  215 
as.  gedienge  225 
as.  gedränge  116 

a)  as.  gebet  22 
ns.  gebete  107 

b)  as.  gehirne  160 
as.  gehirn  30 

as.  geleite  10.  47 
as.  gericht  124 
ns.  totengerqjpe  227 
as.  gesclienke  154 

as.  &?7r7  16  2  m. 

as.  ehenhild  9.  156 

nas.  gemüthe  33.  49.  133  +  2  m. 

ap.  gemüther  4 


ns.  Unglücke  189  2  ra. 
ns.  7ie>»d  11 
as.  hembde  126. 


II. 


m. 


IV. 


as.  gehäge  163 
ns.  geschmeide  172 
nas.  gesinde  43.  45.  123 
as.  gewölbe  105. 

as.  gewehr  100. 

ds.  geschirr  151 

ns.  gesöffe  62 

as.  gespräche  17.  153 

ns.  gespräch  37.  73.  89.  217 

as.  getränke  150  2  m. 

as.  gezichte  167. 

ns.  geschlechte  133 

as.  gesichte  19.  32.  45  +  6  m. 

ap.  affengesichte  3 

ap.  {affen)gesichter  69  2  m. 


Auch  bei  Eeuter  finden  sich  öef^e,  hemde,  frühstücke,  glücke,  gesichte, 
geschicke,  gespenste  und  gespenst. 


Lehms,  geb.  1684,  bietet  in 
Verhältnisse : 

as.  fce«e  201.  308.  350.  433 

as.  heer  276 

as.  meer  249  u.s.w. 

as.  wete  414.  669 

as.  netze  254 

as.  reich  154.  166 

nas.  stück  257  2  m.  272.  303.  565 

nas.  kunststück  122.  581.  641 

as.  gebäude  590 
as.  gebiirge  57 

a)  nas.  ^e&etÄ  430.  432.  437 
nas.  geboth  671.  685 

b)  ns.  geblüthe  24.  312 
as.  gehöre  594 


seiner  1713  erschienenen  Esther  folgende 


I. 


as.  kunststücke  116 
ns.  meisterstücke  391 
nas.  glück  14.  18  +  46  m. 
nas.  glücke  11.  16.  141 
nas.  Unglück  22.  110  +  16  m. 
nas.  ende  170  u.s.w. 
as.  werckzeuge  634. 


II. 


as.  gehäuse  153. 


m. 


as.  gewehr  390 
as.  gezelt  431. 

as.  geräusche  10 

nas.  geschenke  177.  334.  556 


320 


MOLZ 


as.  geseU  lil.  685 
as.  gespräche  98 
HS.  ffcspräch  125 

nas.  hild  202.  307  +  5  m. 

pl.  bihkr  312 

nas.  gemüthc  2.  190.  251  +  14  m. 

as.  gemiUh  248.  492.  640 

ds.  gcmiUh  690  (vereinzelt) 

ap.  gemitiher  95.  106 


as.  gcstirn  325 
ns.  geträncke  303. 


IV. 


nas.  geschkchte  265.  283.  292  + 2  m. 
nas.  geschlecht  107.  681.  690 
nas.  gesichte  19.  107.  156  +  11  m. 
(las.  </es/c/(f  399.  635 
as.  angesicht  261.  679  +  2  ni. 


Zum  Schlüsse  eebe  ich  die  formen  aus  Lessings  Fabeln  und  seinen 


ersten  lustspielen. 

ns.  haiisJü-eutz  278 

as.  stück  174 

voc.  oh  glücke  349  (ganz  vereinzelt) 

as.  gehäude  169 

as.  handgemenge  376 

as.  hochzeitgedichte  336 

as.  gefecht  173 

as.  gefühl  180 

as.  </e/tö;-  4:17 

ns.  geplürre  482 

as.  gerüthe  481 

as.  geschaffte  446 

nas.  geschaffte  stets  Geliert 

nas.  geschaffte  oft  Herder 

ns.  geschäft't  Frisch 


ns.  erbstück  279  und  andre  comp. 
as.  cjkZe  371. 


IL 


ni. 


(ds.  eingeweide  341) 
as.  geivülbe  404. 

nas.  geschenk  168.  183  +  6  m. 

ns.  geschick  440 

US.  ])faffengeschmeiss  439 

ns.  gcschöpf  165.  178.  181.  388 

nas.  geschwätze  439.  447 

ns.  geschtcätz  321 

ns.  gespärre  428 

as.  gespräch  403 

as.  gewäsche  325 

as.  gewürze  163. 


IV. 


ns.  ?y/7f/  169 

US.  Weibsbild  289.  389  u.  ö 

as.  ebenbild  4(X) 


nas.  </('»!»//{  181.  274.  277 

nsLS.  geschlcchtnO.  185. 195.393  +  4m. 

nas.  r/esicÄt  302.  357.  373.  390  +  5  m. 

Im  dat.  sing,  ist  das  e  meistens  bewahrt;  so  fast  ausnahmslos  ds.  ge- 
stellte, glücke  und  ds.  elende  481. 

Aus  diesen  Zeugnissen  ist  leiclit  ersichtlich,  dass  Luther 
dem  lieutigen  gebi'auch  schon  sehr  nalie  steht.  Von  den  häu- 
figeren "Worten  Averden  gehein,  gehüsch,  gefäss,  geliirn,  gelenJc, 
gemiit,  gericht,  geschieh,  geschirr,  geschlecht,  geschütz,  gesetz,  ge- 
stell  nur  oder  mit  geringen  ausnahmen  in  der  endungslosen 
gestalt  angewendet.  Auch  bei  Mathesius  macht  sich  die 
neigung  zur  apokope   sehr  bemerkbar.    In  dem  briefwechsel 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   IL  321 

des  Justiis  Jonas  finden  sich  ohne  c:  hett,  h'euU,  reich,  glück, 
unglücTi]  gemül,  gerücht;  überwiegend  ohne  e  erscheinen  gemüt, 
gescliäft,  gesetz]  nur  mit  e  hücle,  gehohe,  getvelhe.  Bei  Blancken- 
berg-  (1562)  begegnen  as.  bilde  55,  ap.  tveihshild  23,  stets  glüclc, 
unglücli  45,  as,  Jcömgreiche  59,  öle  100;  as.  gesetse  45,  as.  gesets 
52,  as.  gesichte  56.  Bei  Ricciiis  fallen  die  zahlreichen  neii- 
ableitungen  ins  äuge.  Im  übrigen  lässt  sich  erkennen,  dass 
besonders  die  ^e-zusammensetzungen  mit  ausgeprägtem  collec- 
tiven  sinne  ihr  end-e  behauptet  haben.  Dagegen  haben  gehirn, 
geschenJi,  gericht,  geriist  und  meist  auch  gestirn  das  e  ab- 
gestossen.  Bei  den  Niederdeutschen  Kantzow  und  Julius  von 
Braunschweig  ist  im  gegensatz  zu  dem  reformator  und  seinen 
anhängen!  der  mhd.  stand  besser  bewahrt.  Bei  dem  theologen 
Buchholz  ist  die  nhd.  richtung  scharf  -s'orgezeichnet,  während 
der  gleichaltrige  Zesen  und  der  31  jähre  jüngere  Weise  wider 
der  älteren  spräche  viel  näher  stehen,  und  noch  am  anfang 
des  18.  jh.'s  behält  bei  Lehms  die  volle  form  der  mit  ga-  ab- 
geleiteten y«- Stämme  die  Oberhand.  Die  erscheinung,  dass 
Zesen,  Weise,  Lehms  —  und  ich  könnte  auch  Opitz  nennen  — 
dem  romanschreiber  Buchholz  gegenüber  einen  älteren  sprach- 
stand aufweisen,  hat  seinen  grund  in  der  Verschiedenheit  der 
sprachlichen  Vorbilder.  Buchholz  war  mit  der  Luthersprache 
durch  seinen  beruf  und  durch  die  tendenz  seiner  erzähluug 
eng  verwachsen.  Opitz,  Zesen,  Weise  standen  mit  den  be- 
strebungen  der  Sprachgesellschaften  in  enger  beziehung.  Die 
pflege  der  muttersprache,  ihre  reinheit  und  die  genauigkeit 
der  form  auch  den  dialekten  gegenüber  zu  erhöhen,  war  eine 
f orderung  der  zeit.  Dem  streben,  dieser  f orderung  nachzu- 
kommen, ist  es  zu  verdanken,  dass  bei  den  Schriftstellern  des 
17.  jh.'s  sich  die  ^a- stamme  lange  in  ihrer  mhd.  gestalt  fort- 
gesetzt haben.  Die  nachwirkung  macht  sich  noch  im  18.  jh. 
fühlbar;  das  sehen  wir  an  dem  formengebrauch  von  Lehms, 
und  noch  bei  Geliert  besteht  bei  den  mit  ga-  abgeleiteten 
ja -Stämmen  mit  unveränderlichem  stammauslaut  schwanken 
zwischen  voller  und  verkürzter  form,  wde  Jellinek,  Abh.  z.  germ. 
Philologie  1898,  s.  101  ff.  gezeigt  hat.  Neben  hild  erscheint  bei 
Geliert  noch  bilde.  Bette  und  geschaffte  sind  nur  in  der  vollen 
form  belegt.  Auch  Herder  gibt  der  form  geschaffte  meist  den 
Vorzug,  die  auch  noch  bei  Lessing  anzutreffen  ist.    Gellerts 


322  MOLz 

sprachgebraucli  zeigt  beim  vergleich  mit  dem  von  Bucliholz 
keinen  fortscliritt  in  der  entwickelung  zum  nhd.  Aber  schon 
Lessing  bedeutet  in  der  ent wickehing  einen  gewissen  abschluss; 
die  einfachen  /a- stamme  zeigen  ihre  nhd.  form  und  alle,  die 
einen  r-pl.  bilden,  treten  endungslos  auf.  Schwanken  besteht 
nur  noch  zum  teil  bei  den  ja-composita  mit  unveränderlichem 
Stammauslaut. 

Gleichmässig  durch  alle  texte  hindurch  finden  wir  die  er- 
haltung  des  stammhaften  e  bei  den  Ja-stämmen  mit  auslautender 
lenis.  -Tellinek  s.  103  spricht  die  Vermutung  aus,  dass  unser 
heutiger  Sprachgebrauch  in  betreff  der  abstossung  und  be Wah- 
rung des  end-e  beim  subst.  gleichsam  ein  niederschlag  der  von 
Adelung  aufgestellten  regeln  sei.  Er  meint,  die  hervorragende 
teilnähme  der  Süddeutschen  an  der  literarischen  productiou 
habe  es  mit  sich  gebracht,  dass  Adelungs  grammatik  in  kleinig- 
keiten  wie  die  Setzung  oder  weglassuug  eines  e  bei  den  Süd- 
deutschen beachtung  und  nachahmung  fand.  Ich  glaube,  -Tel- 
linek hat  sich  hier  verleiten  lassen,  der  Adelungschen  Sprach- 
lehre zu  viel  gewicht  beizumessen.  "Wie  aus  Jellineks  darstellung 
s.  74  f.  zu  erkennen  ist,  hatten  doch  auch  schon  lange  vor 
Adelung  Christ  1746  und  Heinze  1759  im  wesentlichen  die 
heute  üblichen  formen  aufgestellt.  Zur  selben  zeit,  als  Geliert 
seine  Fabeln  schrieb  mit  vielen  altertümlichen  formen,  dichtete 
Lessing  seine  ersten  lustspiele,  die  im  wesentlichen  den  heutigen 
usus  zeigen.  LTnd  Lessing  starb  im  selben  jähre,  als  Adelung 
seine  Deutsche  Sprachlehre  erscheinen  Hess.  Die  ;a-ableitungen 
der  neutra  sind  in  der  üblichen  form  nur  auf  die  besprocheneu 
analogischen  Vorgänge  zurückzuführen.  Es  ist  doch  einleuch- 
tend, dass  sich  die  ja-stämme  bei  schwankender  form  schliess- 
lich für  die  endungslose  gestalt  entscheiden  mussten.  Lessings 
beispiel  ist  recht  geeignet,  meine  auffassung  zu  stützen.  Eine 
weitere  Umschau  in  der  vor  Adelungs  Sprachlehre  erschienenen 
literatur  würde  meine  behauptung,  dass  die  sprachliche  ent- 
wickelung unabhängig  von  Adelung  ihre  wege  gegangen,  nur 
noch  bestärken. 

Den  einfluss  der  lutherischen  spräche  sahen  wir  bei  Bucli- 
holz wirksam,  auch  bei  Lessing,  der  in  Verehrung  für  den 
reformator  aufwuchs,  dürfen  wir  eine  einAviikung  der  sprach- 
lichen form  Luthers  annehmen.    Bei  Luther  ist  die  ja -klasse, 


J 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II.  323 

wie  das  ganze  declinationssystem,  noch  sehr  im  fluss;  zur  zeit 
Lessings  aber  sind  alle  Scheidungen  und  durchdringungen  der 
einzelnen  Massen  abgeschlossen:  da  mussten  sich  erst  recht  die 
eingangs  erörterten  ausgleichenden  momente  in  der  ^a-klasse 
geltung  verschaffen. 

Mit  der  aufnalime  der  md.  Schriftsprache  in  Oberdeutsch- 
laud  werden  natürlich  auch  die  ja -stamme  nach  gewissen  Vorbildern  in 
bestimmter  form  herübergenoramen.  Der  Reg-ensburger  Greflinger,  der 
in  den  fünfziger  jähren  des  17.  jü.'s  schreibt  und  dichtet,  hat  sich  offenbar 
den  schlesischen  dichterkreis  zum  muster  genommen,  wenn  er  es  auch  nicht 
wort  haben  will,  dass  seine  Oberländer,  belangend  die  art  zu  schreiben,  den 
ä  la  modo  Teutschen  nachahmen  (vorrede  zu  den  Weltl.  liedern  7).  Die 
Ja-Stämme  heer  Dr.  kr.  21,  reich  ebda.,  creidz  W.  1.  82  erscheinen  im  nom. 
acc.  sing,  endungslos;  aber  die  meisten  ja-composita  haben  ihr  e  bewahrt: 
US.  geblüthe  :  gemüthe  W.  1.  17,  as.  gemählde  ebda.  90,  as.  gesicht  ebda.  40, 
ns.  glücke  ebda.  102  u.  ö.;  ferner  ns.  gehirne  Dr.  kr.  29,  as.  geliirn  :  stirn 
ebda.  128,  ns.  gehöre  ebda.  31.  53.  Nebenbei  sei  bemerkt,  dass  Greflinger 
das  lehnwort  öl  öfter  in  der  nd.  form  olie  V.  g.  82.  di,  ölie  ebda.  87.  104. 
105  und  vereinzelt  auch  ol  ebda.  206  anwendet;  daneben  erscheint  die  hd. 
form  öl  V.  g.  87.  109.  207.  —  Aus  dem  Kalloandro  1(1656)  habe  ich  mir 
nur  volle  formen  der  mit  ge-  zusammengesetzten  ja-substantive  angemerkt: 
geschlechte  78,  gesichte  ebda.,  gesprüche  79,  gerächte  84,  geschicütze  118, 
getränke  121,  angesichte  129.  —  In  dem  Verliebten  Europäer,  Wien 
1682,  stehen  einige  verkürzte  formen  neben  zahlreichen  vollen  formen:  as. 
bette  32;  gebet  219;  as.  gebläte  74,  gehirne  121,  gehölze  72,  ns.  gemilte  61, 
gemüt  173,  as.  gesichte  62,  ns.  gespenste  44,  n^.  gespenste  242;  herze  62.  — 
In  dem  Frautz.  Simplicissimus  überwiegen  die  formen  ohne  e;  neben 
bette  16  u.  ö.  steht  bett  47  u.  ö.,  neben  as.  gemüthe  94.  355  as.  gemäth  2, 
neben  as.  gesichte  94  as.  gesicht  96.  Besonders  bei  fem.  Substantiven  berscht 
in  dieser  erzählung  noch  vielfach  die  apokope.  Verrät  sie  schon  dadurch 
ihren  obd.  Ursprung,  so  tritt  dieser  auch  in  dem  dat.  sing,  gesind  51  her- 
vor, eine  form,  die  in  Ostmitteldeutschland  zur  selben  zeit  nicht  anzutreffen 
ist.  —  Haller  vermeidet  die  apokope.  Gesetze,  gehöre,  glücke,  geivichte, 
geschöpfe,  gemüthe,  geschicke  sind  die  formen,  die  Horak  1,6  aus  Hallers 
Schriften  citiert.  Der  schweizerische  dichter  lässt  aus  der  ausschliesslichen 
an  Wendung  voller  formen  erkennen,  wie  wenig  er  in  alle  einzelheiten  des 
hd.  Sprachgebrauchs  eingedrungen,  er  begnügt  sich  damit,  an  stelle  der 
heimischen  apokopierten  form  der  ja-composita  schematisch  die  volle  form 
einzusetzen,  obgleich  zu  seiner  zeit  bereits  die  teilung  der  formen  in  solche 
mit  und  ohne  e  zum  grossen  teil  durchgeführt  war. 

ill.  klasse.    Neutra  mit  -r-plural. 

Die  klasse  ist  durch  den  plural  auf  -er  gekennzeichnet. 
Die  endung  -ir  geht  auf  urgerm.  -iz  zurück  und  gehörte  Ursprung- 


324  MOLZ 

lieh  zum  stamm  (Streitberg,  Urgerm.  gramm.  §  181).  Die  neu- 
tralen 5-stämme  entspreclien  den  lat,  Wörtern  wie  opus,  opcris\ 
accus,  decoris.  Unter  westgerm.  einfluss  musste  das  5  des  nom, 
acc.  sing,  schwinden  und  nach  langer  silbe  büsste  der  5-stamm 
auch  den  endvocal  ein.  Damit  war  im  nom.  acc.  sing.  Überein- 
stimmung mit  den  a-stämmen  herbeigeführt.  Der  gen.  und  dat. 
sing,  gab  dann  in  angleichung  an  die  a- stamme  die  suffixale 
form  auf.  und  mit  ihrem  Verlust  war  das  wortbildungssufflx  -ir 
zu  einem  pluralischen  kriterium  erhoben.  Der  frühe  ausgleich 
im  sing,  lässt  auf  eine  schwache  besetzung  der  wortgruppe 
schliessen.  Wie  lange  hatten  doch  die  /-feminina  sich  dem 
ausgleich  im  sing,  widersetzt!  Aber  nicht  nur  Wörter  mit 
germ.  langer  Stammsilbe  wie  ris,  hiion,  luog,  die  nach  herschender 
annähme  den  endvocal  im  nom.  acc.  sing,  lautgerecht  verloren 
haben,  gehören  in  diese  klasse.  Auch  5 -stamme  mit  kurzem 
stammvocal  haben  sich  in  germ.  zeit  dem  System  der  a-stämme 
im  nom.  acc.  sing,  angeschlossen. 

Bei  vorhersehendem  gebrauch  des  pl.  siegte  die  erweiterte 
form  über  nom.  acc.  sing.;  so  erklärt  sich  ahir  älire;  nur  im 
pl.  sind  belegt  trebir,  trestir  (Bojunga  95). 

Im  sing,  sind  in  der  erweiterten  form  nur  noch  ds.  chal- 
hire  und  gs.  rindares  (für  rindires)  in  Rb.  belegt  (Braune,  Ahd. 
gramm.  §  197).  Das  ausschliessliche  auftreten  des  r-pl.  im  ahd. 
lässt  in  manchen  Wörtern  einen  5-stamm  vermuten,  und  frühe 
ableituugen  und  composita  auf  -r  bestärken  zuweilen  diese 
Vermutung  ("Wilmanns  2,  §  253).  Die  übereinstimmende  flexions- 
weise mit  -r  im  ahd.  und  ae.  macht  schliesslich  in  einigen 
Substantiven  die  echtheit  eines  alten  5-stammes  sehr  wahr- 
scheinlich. Durchgehends  bilden  ae.  J^mh,  ahd.  lamh;  ae.  cealf, 
ahd.  l;alh\  ae.  ce^,  ahd.  ei  den  plural  mit  -r;  hryder  hat  im  ae. 
auch  im  sing,  das  r-suffix  verallgemeinert.  Danach  dürfen 
folgende  Wörter,  die  auch  im  ahd.  nur  die  r-pluralbildung 
kennen,  als  alte  5-stämme  angesehen  werden:  lailh,  rind,  farh, 
huon,  ei,  ris,  blat,  luog  höhle,  tierlager.  Auch  lamh,  das  im 
ahd.  gewöhnlich  einen  r-pl.  bildet,  darf,  durch  die  ae.  flexion 
gestützt,  als  5-stamni  angesprochen  werden.  Die  übrigen  aber, 
bei  denen  auch  überwiegend  die  erweiterte  form  des  pl.  im 
ahd.  überliefert  ist:  hol,  rad,  grab,  louh,  krüt,  hr'et,  sind  in  betreff 
der  ursprünglichkeit  ihrer  bilduugsweise  zweifelhaft.    In  lou,h 


NHD.  SUBSTANTIVFLEXION.   II.  325 

wird  allerdings  noch  durch  ahd.  loiiharön  frondere  und  mhd. 
loiibertag  'lauberhüttenfest'  die  annähme  eines  alten  5-stamines 
nahe  gelegt  (Wilmanns  2,  §  253). 

Das  Suffix  -ir  kommt  also  von  hause  aus  einigen  haustieren 
und  neutralen  gegenständen  wie  ei,  hlat,  ris  zu.  Es  bezeichnet, 
nachdem  sich  die  ausschliessliche  pluralische  function  ein- 
gestellt, die  einzeln  sinnlich  wahrnehmbaren  gegenstände,  es 
bezeichnet  eine  einheit  mit  betonung  der  darin  umschlossenen 
Vielheit.  In  dieser  function  war  das  suffix  in  der  späteren 
sprachpeiiode  zu  einer  wichtigen  rolle  berufen.  Dabei  kommt 
noch  in  betracht,  dass  es  die  einzige  flexionsendung  ist,  die 
nur  pluralischen  wert  hat. 

Obgleich  im  ahd.  die  neutralen  a- stamme  weitaus  den 
s-stämmen  an  zahl  und  häufigkeit  überlegen  sind,  lässt  die 
brauchbarkeit  des  suffixes  die  neue  pluralbildung  in  einer  reihe 
von  a-stämmen  wurzel  fassen.  Ausser  den  genannten  Wörtern 
mit  überwiegendem  r-pl.  begegnet  bei  lidr,  holz,  abgot,  loh, 
bant,  fehl,  hüs  die  erweiterte  form  neben  der  kürzeren.  Und 
noch  bei  einer  dritten  gruppe  von  a-stämmen  tritt  der  r-pl. 
vereinzelt  in  erscheinung:  üer,  tal,  weif,  sivin,  Jcar  u.a. 

Im  mhd.  dringt  der  durch  -ir  bewirkte  umlaut  allgemein 
ein,  und  das  pluralische  kennzeichen  hebt  sich  jetzt  noch 
schärfer  hervor.  Zu  den  im  ahd.  vorhandenen  i-formen  treten 
neue;  doch  ist  meist  daneben  die  alte  form  bewahrt  oder  in 
fast  ausschliesslichem  gebrauch  (Paul,  Mhd.gramm.  §  123,  anm.2). 
Grimm  1^,597  führt  fürs  mhd.  folgende  jüngere  r-plurale  auf: 
hender,  hlöcher,  buecher,  dieher,  dörfer,  abgöter,  hiuser,  hinder, 
Ideider,  lieder,  lider,  löcJier,  örter,  pfender,  reder,  reher,  rieder, 
rösser,  telr,  titecher,  ivelfer,  wiber,  swier  (rami).  Ferner  führt 
Grimm  noch  eine  reihe  vereinzelter  r-plurale  auf  und  bemerkt, 
dass  von  den  meisten  auch  der  pl.  ohne  -er  zugleich  gilt.  Im 
mhd.  hat  der  r-pl.  wol  noch  eine  reihe  von  Wörtern  ergriffen, 
die  der  suffixalen  bildung  im  ahd.  fern  standen;  aber  zu  einer 
dauernden  festsetzung  der  form  kam  es  noch  nicht.  Das  ge- 
schieht erst  in  der  nhd.  sprachperiode,  und  zur  erklärung 
dieser  tatsache  seien  der  eigentlichen  Untersuchung  über  fort- 
schritt  und  ausbreitung  des  r-pl.  einige  worte  vorausgeschickt. 

Ich  muss  hier  etwas  weit  ausholen.    Im  mhd.  lautete  der 
bestimmte  artikel  im  nom.  acc.  pl.  neutr.  diu.    Die  masc.  und 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXI.  22 


326  MOLZ 

fem.  form  lautete  in  denselben  casus  die.  Bin  hat  sich  im 
bair.  lange  behauptet;  sowol  im  nom.  acc.  pl.  neutr.  wie  im 
nom.  sing.  fem.  ist  es  im  Buch  der  fiatur  meist  gewahrt.  Zu- 
weilen erscheint  hier  auch  die  diphthongierte  form  deu:  np. 
den  miflistcn  lämcrlcin  6, 18.  Die  erhaltung  des  alten  iu  bei 
sonstiger  durclifiilirung  der  dij)hthongierung  ist  aus  satzphone- 
tischen gründen  begreiflich.  Später,  zuweilen  schon  vor  1350, 
verdrängt  die  masc.  fem.  form  die  das  neutr.  diu  und  beherscht 
so  im  i)lural  alle  drei  geschlechter;  vgl.  diu  Her  B.  d.  n.  8, 1, 
diu  werk  8,21,  diu  Icindlcin  16,3  neben  die  Jierten  pain22,\0, 
die  andern  glirder  13,  17.  Somit  war  also  ein  dem  pl.  des 
neutr.  eigentümlicher  unterschied  von  den  übrigen  geschlechtern 
getilgt. 

Ferner  verdient  die  entwickelung  der  starken  flexion  des 
adjectivs  in  diesem  Zusammenhang  betrachtet  zu  werden.  Ent- 
sprechend den  formen  des  bestimmten  artikels  hiess  es  mhd.: 
hlinde  Hute,  schoene  stunde,  aber  hlindiu  schäf,  hlindiu  kint.  Auch 
dieser  unterschied  ist  im  Buch  der  natur  noch  bewahrt;  es  heisst 
ap.  süe^  früclit  323,21,  dürr  rösen  345,31  und  np.  ir  friicht  320,2 
neben  nap.  Jcalfeu  ding  10,11,  langen  jar  Slb,  11,  andren  dinch 
21,  23,  andren  Her  19,  23,  ireu  2mnt  15, 10.  Auch  dreu  dinch 
15,  28  sei  als  eine  nur  dem  neutr.  zukommende,  aber  bald  unter- 
gegangene form  angeführt.  Auf  obd.  boden  hat  dann  noch  im 
laufe  des  14.  jh.'s  ein  ausgleich  stattgefunden.  Die  endung  der 
stark  tlectierten  form  des  neutrums  wurde  zu  c  geschwächt, 
erlag  aber  nicht  mehr  der  apokope,  sondern  verbreitet  sich 
auch  auf  das  masc.  und  fem.,  die,  wie  wir  sahen,  im  Buch  der 
natur  endungslos  geworden  sind  (Behaghel,  Pauls  grundr.  12,710). 
In  den  späteren  texten  Oberdeutschlands  ist  es  regel,  dass  die 
stark  flectierte  form  des  adjectivs  durch  alle  geschlechter  im 
plural  e  hat.  Im  md.  geht  schon  zur  mhd.  zeit  der  nom.  sing, 
fem.  und  der  nom.  acc.  pl.  neutr.  des  stark  flectierten  adjectivs 
auf  -e  aus  (Paul,  Mhd.  gramm.  §  138,  anm.  2). 

Der  Verlust  dieser  beiden,  den  neutralen  plural  auszeich- 
nenden Unterscheidungsmittel  führte  es  mit  sich,  dass  man  jetzt 
eher  und  allgemeiner  zu  dem  bestehenden  r-\\.  griff,  um  auch 
fernerhin  den  pl.  des  neutr.  mit  einem  besonderen  pluralischen 
kennzeichen  zu  behaften.  Die  r-form  wurde  jetzt  fast  überall 
herschend.    wo  sie   frühei-  noch  vereinzelt  auftrat.     Mit  ihrer 


NHD.   SUBSTÄN  riVFLEXION,   n.  S27  " 

ausdeliiiung-  g-elit  dann  der  übertritt  der  a-stämme  zur  flexion 
der  masc.  band  in  liand,  und  nacbdem  der  r-pl.  weitaus  die 
mebrzahl  der  neutralen  a- stamme  augezogen,  unterliegt  die 
a-klasse  endgiltig  im  nom.  acc.  pl.  der  einwirkung  des  mas- 
culinums. 

Ich  wende  mich  jetzt  der  Verbreitung  und  ausbildung  des 
r-pl.  im  nhd.  zu.  Zwei  gruppen  sind  zu  unterscheiden:  der 
r-pl.  bei  den  s-,  a-stämmen  und  der  r-pl,  bei  den  ja-stämmen 
mit  einschluss  der  mit  ge-  abgeleiteten  a- Stämme.  Ich  stelle 
die  entwickelung  zur  nhd.  Schriftsprache  in  den  Vordergrund 
und  behandele  deshalb  in  beiden  klassen  die  heute  üblichen 
formen  zuerst  und  schliesse  die  dialektischen  formen  an.  Bei 
den  citaten  scheide  ich  nach  den  dialektgebieten.  Unter  1) 
gebe  ich  die  belege  aus  bairischen,  unter  2)  aus  alemannischen, 
unter  3)  aus  schwäbischen  quellen,  unter  4)  aus  süd-  und  ost- 
fränkischen Schriften,  5)  bietet  die  westmitteldeutschen,  be- 
sonders rheinfränkischen,  und  6)  die  ostmitteldeutschen  citate; 
7)  bringt  die  beispiele  aus  den  Schriften  niederdeutscher  autoren. 

I.  gruppe.     Der  r-plural  der  s-,  «- stamme. 

1)  Der  schriftsprachliche  r-plural. 

Das  eintreten  und  die  festsetzuug  des  r-plurals  ist  nicht 
bei  allen  s-,  a-stämmen  zu  gleicher  zeit  erfolgt.  Eine  anzahl 
neutra  nehmen  früh  den  r-pl.  an  und  beharren  bei  seiner  form, 
ohne  von  den  a-stämmen  weiter  beeinflusst  zu  werden,  andere 
ringen  durch  Jahrhunderte  hindurch  mit  der  alten  und  neuen 
bildungsweise,  wenn  auch  der  sieg  sich  schliesslich  stets  auf 
Seiten  der  neuen  form  neigte. 

Die  Wörter  ei,  huhn,  hilb,  lamm,  rincl  (mhd.  auch  pl.  rint) 
bilden  im  mhd.  nur  den  r-plural,  und  hlatf,  glas,  grab,  loch, 
maul,  trumm  begegnen  neben  den  erstgenannten  in  nhd.  zeit 
nur  mit  dem  r-plural.  Die  wenigen  a- formen  dieser  Wörter 
sind  besonderen  anlassen  zu  verdanken. 

Belege  für  den  r-pl.  von  ei,  huhn,  kalb,  lamm,  rind  beizubringen,  kann 
ich  mir  ersparen;  der  r-pl.  dieser  Wörter  ist  im  mhd.  herschend  und  bleibt 
es  im  nhd.  Einige  besouderheiten  seien  hier  erwähnt:  durch  das  reim- 
bedürfnis  ist  veranlasst  dp.  haselhunnen*  Ayrer.  Auf  momentaner  assimila- 
tion  beruht  diesen  ochsen  und  kalben  Riccius,  P.  G.  164.  —  Das  auslautende 
b  Ton  mhd.  lamh  ist  noch  erhalten  bei  Mynsinger  31:  gs.  lamb  und  noch 

22* 


328  MOLZ 

ende  des  IG.  jh.'s  bei  Albertimis  ns.  htmb,  gs.  hnnbs  193,  ebenso  as.  hanen- 
kamh  ebfliv.  10.  —  Beachtenswert  bleibt  dp.  lammen  Urkb.  d.  st.  L.  27S  n4tj2) 
neben  ap.  hmmere  ebda.  337  (14CG).  —  Im  reim  erscheint  ap.  riml  2  m. 
bei  Manuel,   während  schon  Ulrich  Boner  und  Pauli  nur  den  ;-pl.  kennen. 

Für  hlaü,  (/las,  grab,  loch,  tnaul,  tnimm   mögen  die  belege  des  r-pl. 

folgen : 

blatt: 

1)  r-pl.  B.d.nat.  440,24  u.ö.  Suchenw.      5)  r-pl.  Stade  174 

Myns.  39.  43.  45  0)  r-pl.  Dal.  182,  23*.  Veter  b.  58,  5. 

2)  r-pl.  Pauli  24.    Matth.  v.  Beb.    Eothe  15.  61. 

3)  r-pl.  Decam.  13, 15  u.  ü.  Augsb.  4,          Luther.  Mathesius 
325, 16.  Augsb.  5,  2, 12  7)  r-pl.  Purgoldt. 

glas: 

1)  r-pl.  Urkb.  E.  7,  344  (1354)  4)  r-pl.  Rosenbl.  Folz.  Eyb.  Nürnb.  5, 

3)  r-pl.  Augsb.  1,  229, 12  (1445).  De-  552,  4 

cam.  384,  6.  419,  25  u.  ö.  6)  r-pl.  Rothe  02.  Rice,  G.  30 

7)  r-pl.  Kantz.  184. 

grab: 

3)  r-pl.  Decam.  399, 11.  26  u.  ö.  Füet.  Rothe  84.  158.    Matthesiu.^.   Rice, 

Äsop.  61  G.  79.  Buc.  127 

5)  r-pl.  Urkb.  Sp.  417  (1340)  7)  r-pl.  Kantz.  43. 

6)  r-pl.    Dal.  174,  1.    Matth.  v.  Beb. 

loch: 

1)  r-pl.  B.  d.  nat.  45,  24.  Mjms.  23.  65.      4)  r-pl.  Rosenb.  Folz.  Eyb.  Wilwult 
78  5)  r-pl.  Stade  174 

2)  r-pl.  Pauli.  Manuel.  Hairask.  85, 13  6)  r-pl.  Veter  b.  20,  23.  Rothe  249, 30. 
8)  r-pl.   Mich.  Beh.    Decam.  248, 25.  Rice,  G.  34.  150  u.  ö. 

Füet.  Buch  d.beisp.  Äsop  229.  Augs-      7)  r-pl.  Purgoldt.  Kautz.  221. 
b.  2, 103,  21.  177,  2.  Augsb.  5, 214, 9 

maul: 

1)  r-pl.  Schaideur.  19.  Albert.  125  4)  r-pl.  Rosenbl.  Folz.  Ayrer 

2)  r-pl.  Pauli.  Manuel*  6)  r-pl.  mider  Rothe  218.  227.  Mathe- 

3)  r-pl.  Tünger  95.  Decam.  580, 17. 18.         sius.  Rice,  G.  89. 
19  u.  ö. 

Ob  'raund'  oder  'maultier'  gemeint  ist,  macht  keinen  unterschied  der 
form.  Bemerkenswert  ist  nur,  dass  im  Decam.  maul  =  maultier  als  mase 
erscheint;  so  Decam.  588,  25.  589, 3.  23. 

trumm  —  trüramer  m.  n. 
Der  sing,  ist  im  nhd.  selten  anzutreffen.  Bei  Schaidenreisser  erscheint 
er  von  dem  pl.,  der  in  seiner  bedeutung  eine  von  dem  sing,  abweichende 
richtung  eingeschlagen,  ganz  getrennt:  au  einen  trom  (-=  stumpf,  pllock) 
Scliaidenr.  71  und  >«  tritmment  ::crstosseii  ebda.  51.  Sonst  ist  mir  der  sing, 
nur  noch   bei    Kud.  Fischer  begegnet:   trumm  118.   —   Der  pl.   ist  in  der 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II.  329 

älteren  zeit  meist  in  Verbindung  mit  der  präposition  zu  gebräuchlich.  Nur 
einige  beispiele  seien  erwähnt:  ...  gingen  zu  trümmem  Wihvolt  159,  zu 
triimmern  stossen  ebda  100,  . . .  zu  irümmern  geschlagen  ebda.  36.  70,  zu 
trümmem  gehen  Sachs  16, 158, 18.  265, 2i,  zu  tausend  trihnmern  gehen  Opitz, 
Kr.  78.  Die  r-fonn  des  pl.  ist  von  Suchemvirt  bis 'Adelung  ohne  ausnähme 
in  geltung.  —  Den  sing,  trümmer  f.  {zu  meiner  trämmer  Herder)  denke  ich 
mir  aus  dem  x-pl.  irümmern  hervorgegangen;  vgl.  die  zweite  mischklasse 
der  neutra. 

Die  Wörter  buch,  dach,  geld,  (gras),  haus,  höh,  körn,  kraut, 
liest,  rad,  reis,  tuch,  volh  zeigen  in  nlid.  zeit  nur  noch  geringe 
reste  der  a-declination: 

buch: 

2)  a-pl.  U.  Boner  5)  e-pl.  Mainz  1,  285, 12 

3)  «-pl.  Buch  d.  beisp.  50,  33  6)  o-pl.  als  man  list  in  den  buochin 

4)  rt-pl.  Rosenbl.  Dal.  137,28*. 

1)  r-pl.  B.d.nat.  35,14.  390,19.  Urkb,         2,10.  148,6.  Decam.  164,  33.  525,2. 
E.  7,  344  (1354).   Myns.  13.    Schal-  29  u.  ö.  Asop  152.  B.  d.  beisp.  6  m. 
denr.  29                                                  5)  r-pl.  Rosenbl.   Folz  3  m.  Wilwolt 

2)  r-pl.  Pauli  6)  r-pl.  Matth.  v.  Beb.  Rothe  47.  48. 
4)  r-pl.  Augsb.  1, 115,  9  (1409).  287,6  Luther.  Rice,  P.  Ct.  2 

(1450).   Augsb.  3,  24,  20.   Augsb.  5,      7)  r-pl.  Kantz.  45.  47.  200. 

dach: 

3)  a-pl.  Mich.  Beb.  1  m.*  7)  a-pl.  (dp.)  Piirgoldt. 
6)  a-pl.  (dp.)  Mich.  Beb.  L.12,3.  (dp.) 

Rothe  482 

1)  r-pl.  B.d.nat.  9,  3.  Suchenw.  Urkb.  Beb.  3  m.  Tüuger.  Asop  106.  B.  d. 
E.  7,  344  (1354)  beisp. 

2)  r-pl.  Manuel.  Wolfh.  Spangenb.  1,  5)  r-pl.  Stade  104 
185  6)  r-pl.  Rice.  73 

3)  »--pl.  Augsb.  1, 248, 19  (1307).  Augs-      7)  r-pl.  Kantz.  27. 
b.  3, 29,  8.   Augsb.  4, 218,  28.  Mich.. 

geld: 
1)  r-pl.  Sterz,  sp.  276.  389  3)  r-pl.  Rud.  Fischer  oft. 

Bei  Rudolf  Fischer  86  begegnet  der  pl.  zinsgeld.  Aus  älterer  zeit  ist 
weiter  keine  r-form  zu  belegen,  die  auch  im  mhd.  noch  nicht  vorkommt, 
da  der  plural  überhaupt  nicht  gebildet  wurde.  In  der  composition  findet 
sich  der  r-pl.  ungelier  (=  steuern)  Chmel  199  (1498)  zu  dem  masc.  ungelt 
ebda.  Der  r-pl.  ungelder  auch  noch  Simpl.  109.  502.  In  den  singular  ist 
-er  eingedrungen  in  folgender  stelle:  )iime  mein  gewant  zu  vnd  gibe  mir 
alleine  dein  iopen  die  doch  gar  Meines  gelter  tvert  ist  Decam.  148, 11. 

gras: 
Im  mhd.  wird   kein   /--pl.  gebildet.    In  der  älteren  nhd.  zeit  scheint 
das  Wort  sich   auch   auf  seinen  sing,  gebrauch  zu  beschränken.    Ich  habe 


330 


MO  LZ 


nnr*  einen  beleg  zur  Verfügung,   wo  mau  don   ;-iiI.  erwarten  sollte:   die 
krcuter  und  (jrafs  auf  den  f eidern  abweidet  Schaidenr.  36. 

haus: 
5)  e-pl.  J  huse  Fr.  rchskr.  1  (1400)         6)  a-\}\.  Eothe  218.  596. 


1)  r-pl.  Urkb.  E.  5,  368  (1323)  u.  sp. 
Weizs.  1  (1374—1379).  Suchenw. 
B.  d.  nat.  16.  109  u.  ö.,Myns. 

2)  r-pl.  Urkb.  Fr.  1.  83  (1273).  Urkb. 
Fr.  2, 103  (1395).  Hairak.  43, 19. 
83,14 

3)  r-pl.  Augsb.  1, 114,22  (1408).  Augs- 
b.  3,  23, 10.  182,  8.  Decam.  7,  4.  81, 
34  u.  ö.  Äsop  106.  204 


4)  r-])\.  Rosenbl. 

6)  ;-pl.  Dal.  69, 28.  146,  5  u.ö.  Mattli. 
V.  Beb.  Urkb. L. 47  (1380).  80(1409). 
Veter  b.  70,  4.  Rothe  27.  89.  2.S3. 
Luther.  Rice,  G.  73.  146 

7)  ?--pl.  Kantz.  26.  27.  188. 


Der  alte  dat.  pl.   hat  sieh  festgesetzt  in  den  Ortsnamen  AdcJliui(><cii, 
JJiethausen,  Schafj'hausen  neben  späteren  z.  b.  Tiefenhäusern. 


7)  a-pl.  Purgoldt  1  m. 


holz: 


2)  r-pl.  Urkb.Fr.  1, 541  (1368).  Stretl. 
Chr.  Haimk.49,28 

3)  r-pl.   Mich.  Beb.    Decam.  84, 13. 
Augsb.  5,  378,  8 

4)  r-pl.  Eyb.  Ayrer 


5)  r-pl.  Mainz  2,  35, 12.  Stade  171 

6)  r-pl.  Urkb.  L.  48  (1381)  u.  ö.  Augsb. 
1,174, 14  (Prag  1392).  Rothe  21. 
Mathes.  Rice,  (i.  32 

7)  r-pl.  Purgoldt  1  m. 


koru: 
1)  o-pl.  B.  d.  nat.  413,  4  3)  . . .  rauhe  i)fefferkorn  Krafft  124. 

1)  ?--pl.  B.d.nat.  415, 19.  Myns.  23.  44.       4)  r-pl.  Rosenbl. 

45  6)  r-pl.  Rothe  75.  Rice,  G.  33. 

2)  r-pl.  Wyle  194, 3 

3)  r-pl.   Decam.  566, 17.   B.  d.  beisp. 
Federm.  28 

Den  pl.  körn  wendet  der  Verfasser  des  Buches  der  uatur  im  sinne  von 
'koniarten'  an,  körner  =  'einzelne  Samenkörner':  das  fjersten  körn  gibt 
nicht  so  giiot  mel  savi  andren  kam  B.  d.  nat.  413,  4,  wir  der  körner  fünf- 
zehenen  trink  ebda.  415, 19. 

kraut: 
6)  pl.  krüt,  kmte  M.  v.  Beb.,  M.  13, 32.      o-pl.  krut  Rothe  12. 


1)  r-pl.  B.d.nat.  3.  472  u.ö.  Suchenw. 
Myns.  33 

2)  r-pl.  Pauli.  Manuel 

3)  r-pl.  Augsb.  1,280,1  (1450).  De- 
cam. 93, 3.  610, 13.  Füet.  108.  Asop 
49.  283  u.  ö.  B.  d.  beisp. 


4)  r-pl.  Rosenbl.  Folz.  Eyb.  Sachs 

5)  r-pl.  Stade  187 

0)  r-pl.  Veter  b.  82, 23.  Mathes. 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II. 


331 


nest: 


4)  o-pl.  (dp.)  i.  Bibel 


1)  r-pl.  Myns.  10.  11 

3)  r-pl.  B.  d.  beisp.  Spreng,  Aen.  157 

4)  a-pl.  Rosenbl.'*' 

2)  r-pl.  Pauli 


6)  e-pl.  Matth.  v.  Beb. 
6)  r-pl.  Rice,  G.  66. 


rad: 


6)  r-pl.  Rothe  191.  Rice,  G.  75.  146. 


reis: 


1)  a-pl.  propf-  Grefl.,  Y.  g.  8 

3)  a-pl.  Angsb.  3, 91, 11.  Spreng,  II.  91* 


1)  ?--pl.  2^>'opff-  Grefl.,  V.  g.  66  2  m. 
4)  r-pl.  Stieler 


6)  o-pl.  Rothe  80. 

6)  r-pl.  Rothe  16.  Rice,  G.  84.  85.  93, 


2)  a-pl.  Ul.  Boner  2  m. 

3)  a-pl.  B.  d.  beisp.  127, 13 


tuch: 

5)  o-pl.  (dp.)  Fr.  rchskr.  1  (1415) 

6)  o-pl.  4  t.  Urkb.  L.  235.  236  (1452). 


1)  r-pl.  Urkb. E.  7, 344  (1354).  Suchen- 
wirt. Myns.  73.  Aventin,  Schaidenr. 
29 

2)  r-pl.  Urkb.  Fr.  1,  366  (1347).  Stretl. 
ehr.  Pauli.  Haimk.  79,  32 

3)  r-pl.  Decam.  15,  21.  522,  26  u.  ö. 
Augsb.  1,  60, 14.    Augsb.  3, 129,  7. 


Augsb.  4,  283, 12.   B.  d.  beisp.  öfter 
4)  r-pl.  Rosenbl.  Folz.  Eyb.  Nürnb. 
5,  460, 16.  Wilwolt 

6)  r-pl.  Matth.  v.  Beb.  Rothe  243.  Ur- 
kb. L.  315.  316.  353  (1464-1469). 
Luther.  Mathesius 

7)  r-pl.  Purgoldt. 


volk: 


2)  o-pl.  Vaniinm  die  landtzhereti  und 
lattdtvolck  die  Perser  in  der  stat 
belagert  hand  Haimk.  256, 2 

1)  r-pl.  Aventin  1.  641,  7.  Schaidenr., 
vorr.  3 

2)  ?--pl.  Manuel 

3)  r-pl.  B.  d.  beisp.  Zimm.  ehr.  oft. 
Federm.  5.  23 


7)  o-pl.  volgk  Purgoldt. 


4)  r-pl.  Folz.  Sachs 

5)  r-pl.  Faustb.  Stade  176 

6)  r-pl.  Luther.  Mathesius.  Rice,  G. 
99 

7)  r-pl.  Kantz.  3. 


Die  Übrigen  neutralen  Wörter  mit  r-pl.  schwanken  in  der 
nhd.  epoclie,  zum  teil  bis  in  späte  zeit,  und  bei  einzelnen  ist 
noch  heute  die  «-form  nicht  verschwunden.  Es  sind  folgende: 
hacl,  band,  brett,  daus,  {ding),  dorf,  fach,  fass,  feld,  gut,  liaupt, 
Jiorn,  Iclnd,  Jdeid,  land,  lied,  licht,  mal,  {mensch),  nest,  pfand, 
scheit,  Schild,  schloss,  schwert,  stift,  tal,  ivams,  lueib,  tvort  und 
die  Wörter  auf  -tum. 


332  MOLZ 

bad: 

1)  n-i)l.  Aventin  1,882,24  4)  a-pl.  Folz  oft  30.  1240  ff. 

2)  r-pl.  Pauli.  Hainik.  GO,  32.  Boner,      3)  r-pl.  Krafft  173.  382 
Suet.  44.  Früreisen  214.  Oelinger         1)  r-pl.  Schottel. 

Der  alte  ilat.  pl.  lebt  weiter  iu  ortsbezeichnungeu  wie  Wiesbaden  u.  a, 

band: 

nhd.  pl.  bände  =  'fesseln'  iind  'das  bindende'  in  übertragenem  sinne:  die 
bände  der  freumhchafi,  die  bände  des  bliites:  pl.  händer  =  'das  bindende' 
im  eigentlichen  sinne:  armbänder,  hahhänder,  Strumpfbänder  u.a.  Diese 
Scheidung  in  der  bedeutung  hat  sich  mit  dem  eintreten  des  r-pl.  ausgebildet 
und  ist  bei  Henisch  182.  183  bereits  durchgefiilirt.  Den  pl.  bändrr  im  sinne 
des  heute  gelimfigen  pl.  bände  kann  ich  nicht  belegen.  Aus  Opitz  möge 
für  die  trennung  der  bedeutung  ein  bei.spiel  hier  folgen:  diese  löselen  ihrer 
gesellen  bände  Arg.  181;  der  iodt  ...  eiyi  ihor  durch  das  der  geist  kömpt 
aus  des  leibes  bände  Kr.  91  und  hiiebänder  um  die  schenket  Arg.  186.  In 
den  folgenden  citaten  ist  die  n-pl.-fonn  natürlich  nur  im  sinne  der  heutigen 
r-pl. -form  gemeint : 

1)  o-pl.  Myns.  ()8.  Scliaidenr.  1(J.  42.  4)  armbänder  Ayrer,  pl.  armband 
halfsbänder  Nass,  W.  129  und  dp.  armbanden  ebda.* 

2)  pl.  annbande  Moscherosch  155  0)   pl.  hahsbender   Eothe  47,    r-pl. 

3)  o-pl.  Äsop  199  2  m.,  n-pl.  (au  den  Opitz,  Arg.  116.  Zesen  502.  Buch- 
türen) Spreng,  Aen.  28.  II.  343,  u-ir  holz  447 

lufsten    auf  die    sayl    und    band      7)  pl.  halsbande  Hocker.  1, 256,  r-pl. 
Spreng,  Aen.  59,     arm    und  hals-  Schottel. 

bänder  ebda.,  H.  262,  mit  einer 
einfachen  ßulden  köttin  und  zicayen 
armband  Kraft't  8 

brett: 

1)  /--pl.  Aventin.  Schaidenr.  92.  97  4)  r-pl.  Wilwolt 

2)  r-pl.  Pauli  5)  r-pl.  Urkb.  Sp.  485  (1350) 

3)  r-pl.  Mich.  Beb.  3  m.,  dp.  breiten  6)  «-pl.  Urkb.  L.  250  (1455).  Luther 
Mich.  Beh.*,  r-pl.  Augsb.  1,  280, 11  öfter  neben  r-pl.,  c-i)l.  Weise  171, 
(1450),    r-pl.   spil-   ebda.  325,25.  r-pl.  Buchh.  137 

Augsb.  5, 305, 26,  e-pl.  spil-  Decam.      7)  r-pl.  Kantz.  75.  192. 
16, 12,  r-pl.  Decam.  84, 14.  16.  373, 
34,  r-pl.  Augsb.  4,  298,  21 

daus: 

6)  r-pl.  täuser  Girbert.  4)  r-pl.  teuser  Stieler  91. 

7)  r-pl.  täuser  Schottel. 

ding: 

Der  pl.  dinger  hat  nur  besc  hräukte  geltung,  er  wird  in  verächtlichem, 

wegwerfendem  sinne  angewendet,   auch  von  weiblichen  personen.    Für  die 

ältere  zeit   trifft   eine  nüancieruug  der  boidon  plurale  nur  selten  zu.    Der 

r-pl.  tritt  im  allgemeinen   nur  selten  in  erscheinung;    die  normale  c-form 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II. 


333 


des  pl.  ist  der  j--form  gegenüber  so  überwiegend  im  gebrauch,  dass  es  über- 
flüssig erscheint,  für  die  übliche  form  weitere  belege  beizubringen. 


3)  r-pl.  (=  'ereignisse')  Federm.  3. 
52.  80,  gp.  tvnnderbarUcher  dinger 
ebda.  83 ;  pl.  ding  Federm.  4.  81 

4)  e-pl.  und  r-pl.  Stieler 

5)  r-pl.  (=  'gegenstände')  Stade  104. 
128.  170.  184;  pl.  ding{e)  ebda.  90. 
131.  132  u.  ö. 


G)  r-pl.  Luther  vereinzelt  in  der  Bib. 
V.45,  r-pl.  (=tiere)Eeuter,  Schelm., 
e-und r-pl.  Hempel,  r-pl. (=  'frauen- 
zimmer,  weiber')  Lessing  1,268. 


7)  r-pl.  und  e-pl. 
Klopstock. 


Schottel.,  r-pl.  zuw. 


dorf: 


1) 
2) 


3) 


4)  «-pl.  Eosenbl. 

5)  a-pl.  (dp.)  Fr.  rchskr.  1  (1439) 

6)  a-pl.  Urkb.L.  17  (1292).  258  (1457), 
(dp.)  Urkb.  Arn.  (1332),  a-pl.  Matth. 
V.  Beb.,  L.  9, 12.  Eothe  33.  59.  255. 
602.  681.  Luther  in  der  regel 

7)  e-pl.  Purgoldt 


r-pl.  Urkb.  E.  5,  26  (1309).   AVeizs.  1 

(1374)  u.  sp.  Weissk.  Aventin 
r-pl.  Urkb.  Fr.  1,  516  (13G8).  ebda.  2, 

363    (1426).    ebda.  2, 364    (1426). 

Haimk.  75,  2.  Pauli.  Boner,  Just.  72 
r-pl.  3  d.  Augsb.  1,  28,  5  (1372)  u.  ö. 

ebda.  311,  2  (1450).    ebda.  2,  5, 15. 

Decam.  364,  20.  Isop  5.  Tünger  115. 

Zimra.  ehr.  Federm.  49 
r-pl.  Eosenbl.  Folz  1  ra.  Wihvolt  41. 

Sachs  allg. 
r-pl.  Fr.  rchskr.  1  (1428u.l439).  Stade 

172 
r-pl.  Urkb.  Arn.  (1273-1452).  Urkb. 

L.  33  (1359).  139  (1437).  287  (1462). 

Matth.  v.Beh.  Dal.  202,  34*.  222, 14. 

Eothe  150  2  m.  254.    Luther,  bes. 

Bib.  T.  45.  Eicc,  G.  145 
r-pl.  Kantz.34.  100. 


fach:  mhd.  pl.  vach: 

6)  iceiildufige    fächer    des    gehirnes 
Opitz,  Arg.  90 

7)  r-pl.  Schottel. 

4)  pl.  fache  und  fächer  Stieler. 


fass: 


1)  a-pl.  Urkb.  E.  6,  200  (1336).  7,  359 
(1354).  Chmel  (1510),  dp.  7nit  fassen 
Dornbl. 

2)  a-pl.  Pauli  1  m. 

3)  a-pl.  Mich.  Beb.  2  m.*  Äsop  63.  306. 
307.  ö/".  Augsb.  5, 220, 9,  (dp.)  ebda. 
117, 13,  1000  f  Spreng,  II.  93,  '?  f 
Kraff't  32 


r-pl.  Schaidenr.  8.  98 


r-pl.  Muruer.  Manuel  Im.  Boner,  Just. 
64 

?-pl.  Mich.  Beb.  4  m.  Decam.  532,  26. 
539,24.  543,2.  Augsb.  4,  213,8  (dp.), 
,;?/:  Spreng,  II.  348.  Kraft"t20 


3;{4 


MO  LZ 


4)  «-1.1.  Rosenbl.*,  (<li).)  Wilw.  3fi 

5)  n-pl.  Urkb.  Sp.279  (1323),  a-,  e-pl. 
Stade  108 

C)  rt-i)l.  Matth.  V.  Bell.  Urkb.  L.  2.U. 
270.  315  (bis  U64).  Rothe  400.  632, 
f-pl.  ebda. 604,  a-,  c-pl.Ltither,  rt-pl. 
Rice,  (4.  ,S4 

7)  e-pl.  Purgoldt 


;-pl.  (dp.)  Wilw.  2  in.,  >-pl.  Ayror 
)■-])].  Faustb. 

?-pl.  Luther  seltener.  Rice, G.  137 


?--pl.  Schottel. 


Der  grammatiker  Heiupel  gibt  noch  1754  pl.  fasse  und  fässer  an. 


fehl: 

1)  a-pl.  4  f.  Schaidenr.  79  ^■ 

2)  c-pl.  Urkb.  Fr.  1,  516  (1368),  M-pl.      r 
(dp.)  Morgant  14, 15 


3)  c-pl.  Augsb.  1,  221  (1440) 


4)  r 

6)  a-pl.  Rothe  12.  18.  245,  (dp.)  Ur-      r 

kb.  Arn.  (1496).  Luther  meist,  (dp.) 

Luther,  Bib.  v.  45 
7) 

Der  alte  dat.  pl.  ist  erhalten  in 
fehlen,  Erfehlen,  lihcinfclden. 


pl.  Schaidenr.  3.  24.  Grefl.,  V.  g.  84 
pl.  hultser,  fehler  Urkb.  Fr.  1,541 

(1368).  Haimk.  32.  32.  Morg.  44, 17. 

Boner,  Oros.  15.    Just.  9.    Wolfh. 

Spangenb.  2,  47 
/•-pl.  Augsb.  1,  201  (1440).  Decani.  7, 

34.  159, 14.   160, 19.   161,  7.  558,  8 

u.  ö.  Zimra.  ehr.  allg.  Spreng,  Aen. 

46.  II.  301 

■pl.  Sachs  allg.  Ajrer 
pl.  Luther  (nap.  Luther,  Bib.  v.  45). 

Rice,  G.  26.  85.  145 

•pl.  Schottel. 

den  Ortsnamen   Bruckfelden,  Beer- 


gut: 


1)  r,-u\.  Urkb.  E.  4,83  (1312).  4,  231 
(1318).  4,234  (1319).  4,283(1321). 
6, 10  (1331).  —  c-pl.  Weizs.  1  (1374) 

2)  a-pl.  Wyle  186, 11 
3) 


4) 

5)  a-pl.    Urkb.  Sp.  369  (13.33).    413 
(1340) 

6)  r^pl.  T'rkb.L.43(i:!74).  48(1381). 
314  (1464).    Rothe  581  2  m.  uusn.! 


7)  o-,  c-pl.  Purgoldt 


;-pl.  Urkb.  E.  4, 186   (1293).    4,  317 

(1299>  5,231(1318).  5,547(1329). 

Weizs.  1  (1370-82).  Chmel.  Aven- 

tin  2,  259,  9.  Schaidenr.  15.  28 
;--pl.  Urkb.  Fr.  1,410.  411  (1350/51). 

Stretl.  ehr.  Wyle  190, 5.  Pauli 
/•-pl.  Decam.  4, 38.  66, 18  u.ö.  Tanger 

103.  137.  Augsb.2,200,5. 11.  ebda. 

4,  225,  33.    ebda.  5,  28,  5.   106, 4. 

Zimm.  ehr.  allg.  Federm.21 
r-pl.  Ruseubl.  Eyb  2  m.  \\'il\v.  Sachs 
r-pl.  Fr.rohskr.  1(1437).  Mainz  1,105,1. 

Stade  103 
/•-pl.  Urkb.  L.  134  (1436).  139(1437). 

252  (1459j.  Urkb.  Arn.  (1440-93). 

Rothe  150.  200.  253  u.  ö.   Luther. 

Miithes.  Rice,  Buc.  130  u.  ü. 
/•-pl.  Purgoldt  meist.  Kautz.lO.  118  u.  ü. 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II. 


335 


hanpt,  shä.  hoiibt't,  mhd.houbet,  houht,  houpt. 

Daraus  giengeii  nlid.  die  doppelformen  hüupt  und  hanpt  hervor,  die 
sich  bis  spät  in  die  nhd.  zeit  nebeneinander  gehalten  haben.  Noch  Buch- 
holz hat  s.  173  ns.  hintcrhä iipt  und  ns.  häuht.  Der  pl.  der  formen  nach  der 
«-declination  lautete  hai(pt{e),  lieupf(e)  iind  im  r-pl.  henpier.  Doch  erscheint 
auch  der  pl.  haupter,  eine  form,  die  nach  analogie  von  lieupt  —  henpier  zu 
haupt  neu  gebildet  ist.  —  Die  umgelautete  form  des  sing,  hat  auch  zu- 
weilen angleichung  an  die  ja-stämme  erfahren:  as.  heuhte  Rice,  Buc.  112. 
127.  —  Im  dat.  pl.  hat  sich  in  der  formel  zu  hünpien  und  ähnlichen  Ver- 
bindungen das  alte  himpt  erhalten.  Luther  hat  aiiff  seinen  hevhten  Bibel 
V.  43.  Offenb.  12, 3  (n.  Kehrein  181).  In  Oberdeutschland  war  in  solchen 
Wendungen  stets  der  unumgelautete  vocal  üblich :  zu  den  ha^ipten  auf  das 
pette  Decam.  83,  38,  zu  sinen  haupien  Augsb.  1,  GO,  15,  zun  haupten  Manuel, 
dasselb  (=  hemhd)  bedecJcte  mich  i-on  haupten  bis  zun  füssen  Albert.  109, 
bei  seinen  haupten  Sachs  20,  393,  4,  tcir  sind  auch  zun  haupten  gewachsen 
Mathesius.  Bei  der  formel  zu  haupten,  zu  ha%tpten  ist  nur  die  anwendung 
des  pl.  überraschend.  Sehr  wahrscheinlich  hat  sich  hier  eine  einwirkung 
von  zu  füssen  geltend  gemacht.  Auch  in  Ortsnamen  wie  Berghaupten,  üos- 
haupten  lebt  der  alte  dat.  pl.  fort. 


1)  a-pl.  B.d.nat.  488.  499,  100  h.  vidi 
Schaidenr.  71 

2)  a-pl.  ie  von  4  houpiten  1  den.  Ur- 
kb.  Fr.  1,551  (1369).  Stretl.  ehr. 

3)  a-pl.  Füet.  18,  800  haupt  vichs 
Augsb.  3,  22,  12,  7  grosse  häupt 
(—  hirsche)  Spreng,  Aen.  6 

4)  a-pl.  Rosenbl.  1  m.  Folz  3  m. 

5)  o-pl.  Mainz  1,  66, 16 

6)  pl.  houbite  Matth.  v.  Beb.,  a-pl. 
Dal.  196, 18.  Eothe  183.  225,  e-pl. 
Luther  meist,  dp.  heubten  Luther, 
Bibel  v.  45 

7) 


r-pl.  Schaidenr.  10,  100  h.  vichs  ebda. 

98,  haupter  Albert.  23.  33 
r-pl.    U.  Boner.     Stretl.  ehr.    Pauli. 

Haimk.  40,11,  haubter\Y.  Spangenb. 

2,95 
r-pl.  Füet.  43.    184.    Decam.  11,  33. 

162,  4.  246, 11.  B.  d.  beisp.  Augsb. 

1,  234, 6  (1440).  ebda.  3, 21, 25.  38, 

12.  Spreng,  Aeu.  56 
r-pl.  Folz  2  m.  AVilw.  Sachs 
r-pl.  Stade  137 
r-pl.  Luther.  Luther,  Bib.  v.  45  (ap.). 

Mathesius,  haupter  Opitz,  Arg.  29, 

häupter  ebda.  100.  Zesen  158 

r-pl.  haupter  Kantz.  75,  heupter  ebda. 
100.  165. 


horu,  nhd.  pl.  hörner,  hörne  (=  'hornsorten'): 


1)  a-pl.  Ost.  weist.  1,  291,  6  (1405), 
dp.  mit  hörnen  Dornbl. 

2)  a-pl.  U.  Boner  6  m.  (dp.)  Stretl.  ehr. 
4,  6.  (dp.)  Boner,  Just.  68 

3)  a-pl.  Äsop  202.  277.  285  (dp.  ebda. 
99.  157.  215.  268.  272.  285).  (hören) 
Spreng,  II.  41.  130.  ebda.  Aeu. 
142*.  149*. 


r-pl.  B.  d.  uat.  493,  29.  Schaidenr.  13 

r-pl.  Stretl.  ehr.  5, 12  (ap.).  Pauli 

?--pl.  Decam.  110,2.  144,5.  8  u.ö.  Äsop 
268.  348  (ap.).  Federm.  20.  Spreng, 
Aen.  261.  ebda.  II.  130 


336 


MOLZ 


4)  «-pl.  Rosenbl.  5  m.  ;--l»l.  Eyl»  1  m.,    einhönicr  "Wihv.  53. 

Saolis.  Ayrer 

5)  a-pl.  3  hörn  Hock  70  r-pl.  Hock  G9.  70 

6)  r-i>\.  Kothe  99.  100.  Mathesius 

1)  f-pl.  eiiihorne  Kautz.  213  r-pl.  Kautz.  50.  (dp.)  einh.  ebda.  213. 

Bei  dem  späten  rt-pl.  bei  Spreug  ist  zu  berücksichtigen,  dass  die  auf 
Schwab.  gel)iet  eingetretene  zerdebnung  von  ;;;  zu  ren  der  biUlung  des  r-pl. 
hinderlich  war;  vgl.  ns.  garen  Spreng,  11.206,  Icoren  ebda.  111  und  zoren 
ebda.,  steren  ebda.  41,  äs.  hören  ebda.  u.  s.  w. 


k  i  n  d : 


1)  a-pl.  Urkb.  E.  4, 170.  176  (1292). 
6,  450  (1326).  B.  d.  nat.  33, 26  u.  ö. 
Suchenw.  Aventin  1,  G14,  3.  2,  270, 
34.  (dp.)  Aventin.  1,  345,  20.  23. 
2,  270,  34,  a-pl.  Schaideur.  8.  (dp.) 
ebda.,  vorr.  4.  2.  7.  15.  65.  (dp.) 
Nass,  H.  1.50 

2)  a-pl.  Urkb.  Fr.  1,  72.  79.  80  (1273). 
U.  Boner.  Stretl.  ehr.  5  m.  Pauli 
meist.  Manuel  meist.  Morgant  3, 2. 
Haimk.  13,  31.  29,  3  u.  ö.,  e-pl.  Bo- 
ner, Just.  31.  45.  64  U.Ö.,  o-pl.  (dp.) 
Boner,  Oros.  10.  14.  82  u.  ö.  Boner, 
Just.  31.  59.  84  u.  ö.  W.  Spangenb. 
99.  100  u.  ö. 

3)  a-pl.  Mich.  Beb.  meist.  Füet.  5  u.ö. 
Decani.  92, 14.  93,  36  u.  ö.  (bes.  dp.). 
Äsop  49.  72  +  15  m.  B.  d.  beisp. 
Tanger  97  (dp.).  Augsb.  3,  61, 15. 
Augsb.  5,  111,  22,  a-,  c-pl.  Zimm. 
ehr.  67,  29  +  5  m.,  a-pl.  Federm.46. 
48.  72.  Spreng,  II.  165.  (dp.)  Spreng, 
II.  42*.  53.  56,  o-pl.  menschenkind 
Rud.  Fischer  119,  ausn.!  kind,  kin- 
dcn  ebda.  iV.  43*. 

4)  a-pl.  Rosenbl.  Fulz  vereinz.  Eyl) 
vereinz.  (dp.).  Sachs  16, 10,  4.  126. 
142.  Ayrer  fast  nur  im  reim 

5)  a-pl.  Urkb.  Sp.  219  (1314)  u.ö.  ebda. 
414  (1340) 

6)  a-pl.  Veter  b.  27,21  u.s.w.  Urkb. 
L.  43  (1374).  Dal.  (dp.)  203,  16*. 
192,18*.  Rothe  (dp.)  18.  21.  34. 
Luther  bes.  dji.  Mathesius  zuw. 


-pl.  Urkb.  E.  6,449  (1326)  ausn.! 
7,  645  (1359).  B.  d.  nat.  406,  33. 
Suchenw.  meist.  Sterz,  sp.  "Weissk. 
Aventin  1,  614,  .33  u.  ö.  Schaidenr., 
vorr.  4.  13.  Nass  allg. 


-pl.  Fauli.  Manuel.  Haimk.  88, 23. 
103, 19.  Boner,  Oros.  15  u.  ö.  Just. 
18  u.  ü.  ^^■olfh.  Spangenb.  meist 


-pl.  Mich.  Beb.  Füet.  selten  6,  De- 
cani. 92,  4.  6  meist.  Äsop  42.  49. 
261.  B.  d.  belsp.  meist.  Augsb.  1, 
280,  21.  Augsb.  5,  240, 6.  Zimm.  ehr. 
allg.  Federm.  53.  54.  73  u.  ö.  Spreng, 
Aen.  und  II.  allg. 


)•- 


pl.  Rosenbl.  selten.  Folz  meist.  Eyb 
11  m.  Wilwült.  Nürnb.  5,  746,  4. 
ebda.  5, 750, 6  (1468).  ebda.  5, 627, 2 
(1500).  Sachs  allg.  Ayrer  allg. 
pl.  Fr.  rchskr.  1  (1411).  Mainz  1, 
54, 13.  160, 24.  Stade  126. 171  u.  ö. 
Faustb. 

pl.  Urkb.L.28a352).  ebda.51  (1384) 
u.  sp.  Matth.v.Bch.  Dal. 21, 6  u.s.w. 
Urkb.  Arn.  (1345— 1487).  Rolhe  15. 
16.  ISu.s.w.  Lutburmeist. Mathesius 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II. 


337 


7)  a-pl.  l-indes-  Sim.  Dach  137  r-pl.  Kantz.  5.  45  u.  ö. 

Dichteriseh  ist  noch  heute  pl.  die  kmd,  Jcinde  nicht  ganz  ausgestorben : 
er  pHegt  die  fremden  Jcinde  Scheffel. 

kleid: 

?--pl.  B. d.nat.  424, 14.  443, 19.  Suchen- 
wirt meist 

r-pl.  Stretl.  ehr.  Pauli.  Murner.  Ma- 
nuel 


1)  a-pl.  Suchenw. 

2)  a-pl.  Murner  1  m.*  Manuel  2  m.* 


3)  a-pl.  Decam.  47,  22.  648,  38.   649, 
1.  3.  4.  5.  7.  15.  B.  <1.  beisp.  2  m. 


r-pl.  Augsb.  1,  230    (1440).    Decam. 

72,  6.  17.  94, 13. 16.  114, 16.  Mich. 

Beh.  oft.   Äsop  39.  44.  128.    Füet. 

B.  d.  beisp.  5  m.    Augsb.  3,  48,  4. 

54,  6.  ebda.  4, 174,  7 
r-pl.  Rosenbl.  Folz.  Eyb  oft.  Ayrer 
r-pl.  Urkb.  Sp.  219  (1314) 
r-pl.  Matth.v.Beh.  Veterb.2,5.  25,10. 

Dal.  206, 14.    Urkb.  L.  293  (1463). 

Rothe  80.  Luther.  Mathesius. 

land: 

Auf  dem  gesammten  Sprachgebiet  hat  der  kämpf  der  formen  lauge 
gedauert;  im  16.  jh.  ruht  die  Übermacht  noch  auf  selten  des  a-pl.,  doch  ist 
die  r-form  des  pl.  im  17.  jh.  zur  allgemeinen  herschaft  gekommen. 


4)  a-pl.  (dp.)  Ayrer  Im. 

5) 

6)  o-pl.  Luther,  S.  v.  d.  g.  w.  vereinz. 


1)  a-pl.  Myns.  13.  18.  Chmel  stets. 
Avent.  1,  593,  29.  ebda.  2,  200,  22. 
Schaidenr.,  vorr.3.  3.  Nass,  W.  114. 
Albert.  3 

2)  a-pl.  Urkb.  Fr.  2,370  (1427).  Stretl. 
ehr.  Murner.  Pauli.  Haimk.  20,  21 
u.  ö.  Morgant  306, 1.  Manuel  (dp.) 

3)  a-pl.  Decam.  126, 12.  44,  25  u.  ö. 
Mich.  Beh.  Füet.  Äsop  181.  Federm. 
80.  Spreng,  II.  66 

4)  a-pl.  Folz.  Eyb,  E.  68,  20  u.  ö.  Wil- 
w.  177.  Ayrer 

5)  a-pl.  Stade  90.  92.  93  u.  ö. 

6)  a-pl.  Matth.  v.  Beh.  Dal.  54,  17. 
203,  33  u.U.,  o-,  e-pl.  Luther,  «-pl. 
Mathesius  oft.  Rice,  P.  G.  127.  G. 
156 

7)  e-pl.  Kantz.  3.  293.  294 


r-pl.  Chmel  451  (1510).  Avent.  1,  615, 
13.  Schaidenr.  3.  61.  41.  83.  Nass, 
W.77.  Grefl.,  W.  1. 135.  Dr.  kr.  103. 
Birk  144 

r-pl.  Urkb.  Fr.  1, 287  (1333).  Murner 


r-pl.  Augsb.  4,  271,  32.  Zimm.  ehr.  1, 
1.  6.   Federm.  39.  51.  81.    Spreng, 
Aen.  43.  63.  242.  Kraft't  91 
r-pl.  Eyb,  E.  41, 11.  52,  24,  ei-  Stieler, 

vorr. 
r-pl.  Faustb. 

r-pl.  Luther  (bei  best,  angaben,  z.  b. 

(die  dieser  lender).  Mathesius  1  m. 

Rice,  G.  98.   P.  G.  63.  77.   Buc.  12. 

Opitz,  Kr.  23.  45.  Zesen  allg.  253. 

255.  326 

r-pl.  erb-  Kantz.  98. 

Noch  heute  ist  pl.   lande  in  gewählter  spräche  nicht  ungewöhnlich. 

Meist  wird  er  dann  in  dem  mehr  coUectiven  sinne  von  'ländereien,  gebiets- 

teile'  angewendet.    Zur  zeit  des  Schwankens  der  form  ist  diese  begriffliche 

Scheidung   meist   noch   nicht   eingetreten.    Es  werden  beide  plurale  ganz 


338 


MOLZ 


gleichbedeutend  nebeneinander  gebraucht:  durch  alle  la)id  (per  omnes  terras) 
Riccius,  P.  G.  127  und  in  fremhde  lamlt  ebda.  G.  150.  Federmann  80.  81 
schreibt  in  allen  indianischen  landen  und  der  indianischen  liinder  und  in 
kalten  landen  28;  Kraft't  317.  351  in  die  warme  lender  und  in  unscrn  Lallen 
landen ;  Gretlinger,  V.  g.  95  in  den  kurnländern. 

Poch  schon  bei  Luther  scheint  sich  die  trennnng  vorzubereiten.  Bei 
Spreng  las.sen  einige  stellen  den  unterschied  der  bedeutung  deutlich  erkennen: 
. . .  (jeirnngen  Uns  in  das  eilend  zu  hegeben  Und  andre  Kinder  auch  dar- 
neben Zusuchcn  /  da  wir  allermassen  uns  möchten  häuslich  niederlassen 
Spreng,  Aeu.  43;  Dann  in  disen  landen  tceit  Sich  mit  Ulysse  vor  der  zeit 
V'erirret  und  Verstössen  hett  Daher  er  sie  noch  kennen  thet  ebda.  59. 

Die  a-declination  ist  noch  fest  in  dem  pl.  eilande,  für  den  bei  Stieler 
und  Oehlenschläger  allerdings  die  r-forra  gilt.  Der  alte  dat.  pl.  hat  sich 
erhalten  in  Dcuxlanden,  Bolanden. 


lied,  lid: 


e-pl. 


1) 
2) 
4) 
5) 

6)  e-pl.  lide  Veter  b.  14,  8,    a- 
Luther  meist 

7)  «-pl.  (dp.)  Hocker.  1, 270 


1) 
2) 


3)  a-pl.  Decam.  404,31.  G33, 6.  653, 
28.  Füet.  106.  153.  Federm.  31 

4)  «-pl.  Eyb  1  m.  (dp.).  Wihvolt  8 

5)  fl-,  e-pl.  Urkb.  Sp.  429, 18  (1344) 


>-pl.  Aveutin,  äugen-  Grefl.,  W.  1. 28 

r-pl.  Manuel 

r-pl.  Ayrer 

r-pl.  Stade  133 

;-pl.  Luther. Mathesius. Rice, Bnc. CG 

;--pl.  Hocker.  1,  300. 


licht: 

r-pL  Aveutin.  Albert.  47 

;--pl.    I'rkb.  Fr.  1, 365.    367    (1347). 

Pauli.  Haimk.  222,  23.  Manuel  2m. 
r-pl.  Decam.  485, 15.  Augsb.  3,  75, 15. 

Zimni.  ehr.  allg.  Krafft  326.  386 
r-pl.  "Wihvolt.  Ayrer 
r-pl.  I'rkb.  Sp.  429,  23  (1344).  Stade 

102 
r-pl.  Rothe  638.  Mathesius.  Rice,  G.3. 


6)  a-pl.  Urkb.  Arn.  (1470).  Urkb.  L. 
381  (1470).  410  (1475).  426  (1481), 
a-,  e-pl.  Rothe  13.  28.  475,  e-pl. 
Rice,  G.  144 

7)  e-pl.  Kantz.  251.  256,  see-  ebda. 
152. 

mal: 

In  der  bildung  des  pl.  schwankt  das  wort  mit  seinen  Zusammen- 
setzungen denkmal,  gastmal,  grabmal  bis  in  die  gegenwart.  r-pl.  inäler 
(= 'flecke')  Mynsinger  13  zweimal  und  wol  nur  zufiillig  erst  aus  späterer 
zeit  flZ>e«r7»j<(7er  Na.ss,  W.  10.  Eyb  hat  im  sinne  von  'couvivia'  den  ap. 
«i«/e  E.  71, 1  und  Manuel  den  gen.  pl.  malen.  Ferner  seien  erwähnt:  pl. 
flecken  und  sommei-mähler  Grefl.,  V.  g.  60,  pl.  male  (=  'malzeiten')  Schottel., 
denkmäler  Kalloaudro  1,  93,  grabmahle  Lohenst.  64  u.  i>.,  pl.  male  und  tnäler 


NHD.   SUBSTAMTIVFLEXION.   II.  339 

Stieler,  pl.  7>u>7t'>- Gottsched,  Herapel,  pl.  f?en^>Hö7erHempel,  pl.  j/uf/er  (signa) 
Popowitsch,  pl.  maale,  denkmalüe,  yrabmahle  Klopstock,  pl.  gasimale,  denk- 
male,  denkmäler  Herder,  pl.  denkmale  Adelung-,  pl.  (jastmale  —  gastmäler, 
denkmale  —  denkmäler  Jac.  Grimm.  Die  heutige  spräche  zieht  im  sinne 
von  'merkzeichen,  flecken'  den  pl.  male  vor,  der  besonders  in  der  com- 
position  wundenmale  geläufig  ist.  Bei  den  übrigen  überwiegt  die  r-form. 
In  jüngster  zeit  haben  gelehrte  bestrebungen  zuweilen  zu  einer  bedeutungs- 
differenzierung  der  a-  und  )--form  des  pl.  geführt:  man  gebrauchte  denk- 
müler  =  'mouumenta'  und  denkmale  =  'schriftliche  erzeugnisse  älterer 
Zeiten".  Nur  in  der  «-form  aber  ist  der  pl.  von  merkmal  üblich:  z.  b.  pl. 
vierkmale  Lehms  282. 

mensch: 

mhd.  mensche  stn.  ohne  schlimme  nebenbedeutung.  Es  sei  kurz  darauf 
hingewiesen,  dass  Simon  Dach  156  das  neutr.  noch  in  gutem  sinne  an- 
wendet. Bei  Ayrer  zeigt  sich  keine  qualitätsverschlechterung,  während  bei 
Julius  von  Braunschweig  anfange  dazu  vorhanden  sind.  In  seinen  Schau- 
spielen begegnet  nämlich  das  wort  nur  in  Verbindung  mit  den  adjectiven 
arm,  betrübt,  elend.  Schöpf  gibt  schon  1625  an:  rfas  ?«e>jsc/i  = 'adolescens 
adulta'.  In  verächtlichem  sinne  ist  der  pl.  menscher,  der  durch  iveibs- 
bilder  beeinflusst,  im  Simpl.  86  anzutreffen.  Der  r-pl.  ('weibsstücke')  ferner 
bei  Hempel  und  oft  bei  Lessing.  Abraham  wendet  den  plural  noch  ohne 
üblen  beigeschmack  au. 

pfand: 

Der  ?--pl.,  der  schon  im  mhd.  belegt  ist,  ist  mir  ausser  bei  dem  Schweizer 
Rost  von  Sarnen  (pl.  pfender  lied  8,  3  um  1310)  nicht  begegnet,  «-pl.  Ul. 
Boner*,  d^.  pfänden  Urkb.  Fr.  1, 103  (1395).  Auf  md.  gebiet  a-pl.  Eothe  6-iO 
und  a-,  e-pl.  Purgoldt.  Noch  Girbert  1653,  der  sonst  die  üblichen  r-plurale 
bietet,  gibt  i^\.  pfände  an.  Das  schweigen  Gortzitzas  über  das  18.  und  19.  jh. 
spricht  für  die  giltigkeit  des  r-pl.  in  jener  zeit.  Opitz,  Arg.  135  schreibt: 
die  unierjjfande  der  heimlichen  treice,  eine  form,  die  analog  zu  bände 
noch  heute  dem  edleren  stil  eignet. 

scheit: 

Ai;f  obd.  boden  finde  ich  nur  den  r-pl.:  Chmel  366  (1510).  Sterz,  sp. 
25,36,  Scheiterhaufen  Schaidenr.  46,  r-pl.  Abraham;  r-pl.  Federm.  78;  Folz. 
dp.  scheiten  Ayi'er*.  Der  Ostmd.  Eiccius  hat  den  a-pl.  Buc.  105,  r-pl.  Gott- 
sched, pl.  scheite  Goethe.  Für  die  nhd.  Schriftsprache  gelten  die  pl.  scheite 
und  Scheiter,  aber  Scheiterhaufen.  —  Eine  fem.  nebenform  die  scheiter  be- 
gegnet bei  Klopstock,  Voss,  Rückert;  vgl.  die  zweite  mischkl.  der  neutra. 

Schild: 
mhd.  schilt  stm.  Eine  mischung  mit  dem  neutrum  begegnet  bereits  in  der 
Zimm.  Chr.:  schild  n.  1,17,9,  m.  372,33.  Später  ist  zuweilen  das  n.  bei 
Spreng  anzutreffen:  z.  b.  der  spiefs  durchtrang  das  schilt  nochmcds  11.88. 
Zum  geuuswechsel  sind  zu  vergleichen  hämisch  m.  Aen.  34,  n.  II.  178,  pantzer 
n.  II.  177.  Den  neutralen  r-pl.  gibt  bereits  Girbert  1653  an,  und  es  kann 
keinem  zweifei  unterliegen,  dass  er  die  aushängeschilder  damit  meint;  denn 


340 


MOLZ 


sonst  ist  stets  der  masc.  pl.  Schilde  in  gebrancli,  z.  1).  Bnchholz  ;iß.  Schottel 
gfibt  filr  (las  nentr.  den  pl.  schilde  an.  liei  Stieler  finden  wir  das  neutrnni 
verallgemeinert:  der  pl.  lautet  schilde  und  srluldn-  ohne  abgreuzung  der 
bedeutuug;  schilder  galt  für  Stieler  also  auch  im  sinne  von  'seliutzwafteu". 
Das  umgekehrte  Verhältnis  weist  der  alemannische  Simplicissinms  auf:  ap. 
schilde  ('wirtshausschilder')  masc.  137.  .\delung  fordert  den  r-\)\.  dos  neu- 
tnuns,  und  bei  Herder  ist  bedentung  und  flexion  des  wortcs  genau  wie 
heute  durchgeführt.  Vereinzelt  in  sjiäterer  zeit:  die  schilde  der  hütiser 
Tieck,  Nov. 

schl 

1)  e-pl.  Weizs.  1  (1382),  «-pl.  Chmel 
(1508,9) 

2)  e-pl.  Urkb.  Fr.  2,  370  (1427),  a-pl. 
Pauli  2  m.  300  —  Boner,  Oros.  52, 
gp.  schlössen  ebda.  94: 

3)  a-pl.  Tünger  115  2  m.  Füet.  94. 
B.  d.  beisp.  1  m.  .3 — Augsb.5, 223, 17. 
(dp.)  Augsb.  5, 105, 17 

4)  a-pl.  Nürnb.  4, 17  (1422).  Eosenbl. 
1  m.  Eyb  vereinz.  Wilwolt  11.  29. 
140  +  5  m.,  e-pl.  Nürnb.  5,  674, 14 

5)  e-pl.  Fr.  rchskr.  1  (1439) 

6)  a-,  e-pl.  Urkb.  Arn.  7m.  (1417-96). 
a-pl.  Urkb.L.  134  (1436).  263  (1458). 
Rotbe  37.  41.  59.  200.  653.  Zus.  z. 
Kothe  679 

7)  a-pl.  Purgoldt,  e-pl.  Kantz.  124. 
126  ausn.!  Hocker.  1,363 


oss: 
?--pl.  Chmel  177.  178  (1497).  Weis.sk. 

Avent.  2, 477, 27  u.  ö. 
r-pl.  Urkb.  Fr.  2,  371    (1427).    Pauli 

1  m.  Manuel.  Haimk.  24, 10.  71, 1. 

Morgant  6, 16.   80, 30.  37.    Boner, 

Oros.  111 
)--pl.  Decam.  67,11.  16.   81,34  u.  ü. 

Füet.341.  Augsb.  3,  247,  5.  Augsb. 

5,223,10.    299,8.    314,12.    821,6. 

Zimm.  ehr.  allg. 
r-pl.  Folz  1  m.    Eyb,  D.  129, 15.    E. 

87,32.  Wilw.  127.  Sachs  allg.  Ayrer 

;-pl.  Fr.  rchskr.  1  (1410).  Mainz  1,84,8 
j--pl.  (dp.)  Urkb.  Arn.  (1440).  Zus.  z. 

Eothe678.  Mathesius.  Rice,  (t.  146. 

P.  G.  102 

r-pl.  Kantz.  83.  87.  135  u.  ö. 


Die  lange  dauer  des  kampfes  der  furmen  ist  aus  der  häufigkeit  des 
Wortes  in  der  älteren  Sprachperiode  zu  bogreifen.  Doch  im  laufe  des  16.  jh.'s 
kommt  die  Verschiebung  zum  »'-pl.  allgemein  zum  abschluss,  wie  die  aus- 
schliesslicheu  r-formen  bei  Mathesius  und  Eiccius  dartuu. 

Mittlerweile  vollzog  sich  auf  obd.  boden,  bei  den  Schwaben  Kraft't 
und  Spreng,  eine  Scheidung  der  pl. -formen  schloss  und  schlüs^er 
nach  der  bedeutung  des  Wortes.  Die  alte  form  wurde  bewahrt  im 
sinne  von  * verschlussraittel,  riegel',  und  die  jüngere  »--form  wurde  nur  in 
der  bedeutung  von  'bürgen,  paläste'  augewendet.  Abgesehen  von  dem 
streben  nach  formaler  treuuung  der  verschiedeneu  Inhalte  geben  die  citate 
hinreichenden  aufschluss  für  die  gründe  dieser  erscheinung. 

1)  a-pl.  a//e  band  und  schlofs  Spreng,  Aen.  28,  die  schlofs  und  rugel 
ebda.  135,  mit  thiir  und  schlössen  ebda.  11.  194,  mit  band  und  schlössen 
wol  verwahrt  ebda  343.  Und  ohne  Verbindung  mit  einem  synonymen  begriff 
an  folgender  stelle: 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II. 


341 


Attch  hab  ich  lool  gemercket  sider  j 
Dafs  dich  allher  an  dise  statt  / 
Ein  gott  zu  mir  beleytet  hatt  / 
Dann  sonst  auff  erd  kein  mensch  hieher  / 
Wie  grofs  vnd  starcJc  er  jmmer  iver  / 
Hett  kommen  mögen  durch  die  port  / 
Vnd  also  zu  mir  tringen  fort  j 
Auch  vnvermerckt  der  tvächter  schar  / 
Die  schlofs  eröffnen  gantz  vnd  gar  /. 

(=  Si  563—567)  Spreng,  II.  349. 
ap.  eise  schlofs  (an  türen)  Krafft  105. 

2)  r-pl.  die  Pharacenser  Schlösser  Spreng,  Aen.  50,  die  Schlösser  in 
Campania  ebda.  148.  Und  äbn]ich  pl.  Schlösser  (=  'bürgen')  ebda.  160,  pl. 
Schlösser  (=  '  bnrgen ')  Krafft  112. 

Auch  bei  Bouer  begegnet  gp.  schlössen  (=  'riegel')  Oros.  94  und  r-pl. 
Schlösser  (=  'bürgen')  ebda.  111;  daneben  erscheint  aber  300  schlofs 
(= 'bürgen')  ebda.  52.  Die  belege  können  also  für  eine  Scheidung  der 
formen  nach  ihrem  iuhalt  noch  nicht  in  anspruch  genommen  werden. 

Der  pl.  schloss  (=  ' verschlussmittel')  war  also  durch  die  pl.  band, 
riegel  gestützt,  wie  der  pl.  Schlösser  (=  'bürgen')  durch  die  pl.  häuser, 
guter,  dörfer. 

Auf  anderen  gebieten  ist  eine  trennung  nach  dem  begrifflichen  Inhalt 
ebensowenig  eingetreten,  wie  sie  bei  dem  vordringen  der  md.  Schriftsprache 
im  Süden  von  dauer  sein  konnte.  Der  r-pl.  (=  'riegel')  begegnet  Mainz  1, 
84,3.  Kantzow  192  neben  den  anderen  r-formen  im  sinne  von  'bürgen'. 

Schwert: 


1)  a-pl.  (dp.)  Teuerd. 

2)  a-pl.  (dp.)  Manuel  1  m.  (dp.)  Boner, 
Oros.  112.  Just.  5 


3)  a-pl.Decam.320,11  (dp.).  2—  Mich. 
Beb.  1  m.  Füet.  8.  17.  23.  64.  65. 
Tünger  111.  (dp.)  Spreng,  U.  183. 
215.   (dp.)  Ki-afft  377 

4)  a-pl.  Eosenbl.  1  m.  Wilw.  54.  157. 
159.  Sachs  16, 371, 10*.  Ayrer  1  m. 

5)  e-pl.  Goethe  zuw. 

6)  a-pl.  Matth.  v.  Beb.  Dal.  168,  30. 
178,9*.  Rothe  85.  90.  266,  e-pl. 
ebda.  95.  149.  266,  a-,  e-pl.  Luther 
meist,  a-pl.  Nie.  Herrn.  69  (dp.).  Ma- 
thesius  1  m.  (dp.)  Herder 

7) 


r-pl.  Schaidenr.  69.  92.  Seb.  Frank 
r-pl.  Geiler.  Pauli  1  m.  Haimk.  9,32. 

39,  20.  Morg.  37, 16.  17.  62, 16.  24. 

Boner,  Suet.  71.  Wolf  h.  Spangenb. 

2,49 
r-pl.  Decam.  87,35.  88,6.   Augsb.  1, 

293.  231, 11.  ebda.  5, 141, 13.  Mich. 

Beb.  3  m.  Füet.  132.  205.  Federm. 

75.  Spreng,  U.  32.  225.  248.   Aen. 

148  u.  ö. 
r-pl.  Eyb2m.  Sachs  allg.  Ayrer  Im. 

r-pl.  Faustb. 

r-pl.  Luther,  bes.  Bib.  v.  45.  Rice,  G. 
80.  Buchh.  36  u.  ö.  Gottsched 


r-pl.  Kantz.  50.  84.  153.  242. 


Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXI. 


23 


342 


MOLZ 


In  kani])fesfr(jlier  zeit  wurde  das  wort  natürlich  häufiger  im  munde  ge- 
führt als  in  jüngerer  zeit.  Das  lange  beharren  der  alten  form  hängt  sowol 
mit  der  bäufigkcit  der  anwendung  des  wertes  als  mit  der  declinationsweise 
der  begriffsverwanten  spiesse,  Schilde  zusammen. 

Stift: 

rahd.  Stift  f.  m.  n.  Im  nhd.  hat  sich  im  sinne  von  'Stiftung'  das  neutrum 
durchgesetzt.  Das  niasc.  findet  sich  noch  bei  Aventin  2,  2H(),  29.  Zimm.  ehr. 
1,  101,  32.  Mathesius.  Cyr.  Spaugenberg  115.  Es  wird  aus  dem  nebeneinunder 
des  masc.  und  ueutr.  wortgeschlecbts  begreiflich,  dass  die  r-form  des  pl. 
nur  langsam  vorgedrungen  ist. 

1)  a-pl.  Aveutiu  2, 232, 11.  2, 281, 16. 
2,  790, 10.  Grefl.,  Dr.  kr.  20 

2)  a-pl.  Pauli 

5)  a-pl.  Urkb.  Sp.  279  (1328),  e-pl. 
Mainz  1, 343,  27 

6)  e-pl.  Luther  4  ni.  im  S.  v.  d.  g.  w. 
Justus  Jonas  oft.  Matbesius,  «-pl. 
(dp.)  Cyr.  Spangeub.  110 

7)  e-pl.  Kantz.  243  3  m. 

Bei  Just.  Jonas  lautet  die  stelle : 


r-pl.  Grefl.,  Dr.  kr.  31* 

r-pl.  Mainz  2, 17,  9 
?--pl.  Jonas  1,  356. 

. . .  dH7rh  diese  stedte,  Jclüster,  Stifter 
und  örtcr  gczofjen  1,  35G.  Von  den  grammatikern  fordert  Aichinger  den 
r-pl.  Die  form  stifte  ist  noch  jetzt  neben  Stifter  im  gebrauch,  doch  scheint 
mir  für  geistliche  Stiftungen  die  /-form  des  pl.  zu  überwiegen. 


tal: 


1) 


r-pl.  Ost.  weist.  (1405)  284, 6.  285,36. 


287, 33.  Schaidenr.  93.  Grefl., 

95.  165 
r-pl.  Bouer,  Oros.  14.  Just.  19 
r-pl.  B.  d.  beisp.  83, 15 


v.g. 


r-pl.  Eyb,  E.  41, 14.  82,  2 
r-pl.  Rice,  G.  137.  Girbert. 


2)  o-pl.  Stretl.  ehr. 

3)  a-pl.  Decam.  241,  14,  :  widerhal 
Spreng,  Aen.  156 

4)  a-pl.  Sachs  16,  268,  7* 

5)  a-pl.  Hock  71 

6)  a-pl.  Rothe  12.  Luther,  (dp.)  Rice, 
G.  109.  P.  G.  136 

Schottel  gibt  noch  pl.  ihäler,  thal  an,  und  der  pl.  ihale  ist  noch  von 

Klopstock,  Mess.  neben  der  r-form  gebraucht.     Poetisch  ist  talc  noch  heute 

üblich.    Der  alte  dat.  pl.  steht  in  den  ortsuamen  Feuertiuden,  Moostliahn, 

Seethalen. 

wams: 

mhd.  wambeis,  tcambes.    Nur  einige  formen  aus  dem   16.  und  17.  jh.  sind 

zu  belegen  —  allerdings  nur  r-formen.    Ohne  umlaut  des  stammvocals  und 

mit  erhaltnng  des  e  der  zweiten  silbe  begegnet  auf  obd.  bodeu:  dp.  watnesscrn 

Strassb.  poliz.-ordn.  von  1560,  ap.  wamesser  Augsb.  5,  309, 12.   Mit  ausstossung 

des  e  und  umlaut  habe  ich  pl.  wämscr  bei  Girbert,  Schottel,  Weise  44  und 

Stieler  91  gefunden. 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II. 


343 


weib 

1)  rt-pl.  B.  d.nat.  489.  Suchenw.  (dp.)      r 
Sterz,  sp.  33,  256  u.  ö. 

2)  a-pl.  wtb  U.  Boner  oft.  Mamiel  8  m.      r 
(dp.)  Boner,  Just.  69.  (dp.)  Mosche- 
rosch  vereinz.  152 

3)  e-pl.  wibe  Angsb.  1, 138,  22  (1368), 
a-pl.  Decam.  5,  25.  158,  37.  Micb. 
Beb.  öfter.  Äsop  69. 131.  258,  e-pl. 
Äsop  298,  a-pl.  Füet.  87.  B.d.beisp. 
55,  6  u.ö.  Tünger  101.  Federm.  48. 
72.  (dp.)  Zimm.  ehr.  1, 18 

4)  a-pl.  Rosenbl.  Folz  7  m.  Eyb,  E. 
10, 13  (dp.).  Sachs  zuw.  Ayrer  nur 
im  reim 

5)  a-pl.  Urkb.  Sp.  183  (1305),  e-pl. 
Mainz  1,  373,  25  (1428),  a-pl.  (dp.) 
Hock  7*.  20*.  89* 

6)  a-pl.  Veter  b.  41, 10.  22.  Mügeln 
924,  4,  a-,  e-pl.  Matth.  v.  Beb.  Dal. 
22,33.  24,21.  42,31,  a-pl.Urkb.L. 
134  (1436),  a-,  e-pl.  Rothe  18.  21. 
44  4-  8  m.,  a-,  e-pl.  Luther  meist 

7)  Ein  letzter  rest  des  alten  dat.  pl. 
taucht  noch  bei  Grimm,  Sag.  2.  347 
auf:  von  mann  und  weihen 


r- 


r- 


•pl.  Sterz,  sp.  meist.  Schaidenr.  6.  15. 

63 
•pl.  Pauli.   Manuel  17.   (dp.  ivibren 

ebda.  3  m.).    Boner,    Oros.  15  u.  ö. 

Just.  17  u.  0. 
•pl.  Decam.  6,  7.   67, 1.  24.   142, 14. 

Mich. Beb.  Äsop  72.  297.  B.d.beisp. 

76,  8  u.ö.  Augsb.5,  2,17.  58,  21  u.ö. 

Augsb.  4,226,29.  293,4.   Federm. 

67.  72  u.  s.  w.  Zimm.  ehr.  allg. 

pl.  Rosenbl.  selten.  Folz  11  m.  Eyb 
6  m.  Sachs  allg.  Ayrer 

-pl.  Stade  126.  127  u.  ö.  Faustbuch. 
Hock 


r-pl.  Eothe  19.  21. 
thesius 


j--pl.  Kantz.  45. 


96.   Luther.  Ma- 


wort: 

pl.  Worte  und  Wörter.  Den  pl.  ivorte  wenden  wir  meist  im  sinne  einer  durch 
den  Inhalt  zusammengeschlossenen  redeeiuheit  an,  unter  dem  pl.  tvörter  ver- 
stehen wir  einzelne  sinnvolle  lautverbinduugen  ausser  Zusammenhang;  doch 
kann  in  dieser  bedeutuug  auch  der  pl.  ivorte  eintreten,  während  der  pl. 
ivörter  für  den  pl.  ivorte  nicht  stellvertretend  sein  kann.  Der  unterschied 
in  der  bedeutung  der  beiden  plurale  hat  sich  früh  ausgeprägt. 

Ich  gebe  beispiele  aus  Eyb,  Kantzow,  Hock,  die  den  unterschied  kennen 
und  einige  beispiele  aus  Alberus  und  Hocker.,  die  die  trennung  in  der  be- 
deutuug nicht  durchführen: 

I)  Eyb:  1)  Tanhredus  empfände  die  grofsmütiglceit  der  tochter  und 
gedacht  nicht,  dafs  sie  thun  würde,  als  die  ivorte  vor  ihr  gelautet  haben 
E.  57,  3f.  —  2)  In  dem  munde  ist  beschlossen  die  sunge,  damit  die  Wörter 
werden  gemacht  und  erlcannt  mit  hilfe  des  gaumens,  der  zene  und  der  lebsen 
E.  43, 33  f. 

Kantzow:  1)  ...  und  dergleichen  wort  er  setrit  mehr,  die  grosse 
nachrichtung  thun,  das  Vandali  seint  Teutzsche  und  Sachsen  gewest  292. 
—  2)  und  Slafones  heifsen,  die  fuller  wort  seint  und  viele  schwetzens 
Jchonen  295. 

23* 


344  MOLZ 

Hock:  1)  Die  (jröslchöffli(jl;eit  crfalir  ivh  nur  mit  blossen  icorten  42. 
—  2)  . .  .  newe  deutsche  Wörter  cjemacht  82. 

Auch  bei  Aventiu  1,  G15,  27  und  Riccius,  P.  G.  70  ist  die  r-fonn  im 
beutigen  sinne  angewendet;  ebenso  Federniann  35  zehen  Wörter;  Birk  200 
reiinwörler.  Daneben  begegnet  oft  die  a-foiiu  in  der  bis  beute  geläufigen 
bedeutung. 

U)  Alberus:  pl.  worle  und  Wörter  promiscue;  so  aucb  pl.  lesterwörter, 

Hocker.:  1)  mit  so  schrecklichen  warten  malet  ttns  Paulus  die person 
1,283.  —  2)  Und  sind  dis  seine  werter  131.  —  Exempel  sind  vor  äugen  j 
Ist  derhalhen  unnvtiy  viel  Wörter  davon  zu  machen  183.  —  . . .  zu  falscher 
auslcgung  der  tvörter  goites  232.  —  Denn  woher  solten  tvörter  solche 
krafft  haben?  2,309. 

Der  plural  tvörter  begegnet  ferner  neben  der  a-form  bei  Murner,  der 
aucb  keine  begriffliche  nüancierung  kennt.  —  Der  pl.  sjjrichwörter,  der 
durch  Agricola  hinlänglich  bekannt  ist,  bestätigt  das  princip  der  spräche, 
dem  r-pl.  den  sinn  der  eiuheit  mit  hervorhebuug  der  einzelnen  glieder  bei- 
zumessen. Der  np.  sprichivort  kommt  in  der  Stretl.  ehr.  vor,  der  dp.  sprich- 
worten  Decam.  377, 22.  379, 3.  Sogar  noch  bei  Goethe  und  Hippel  findet 
sich  der  pl.  S2)richworie.  Aus  dem  pl.  spricliwörter  konnte  übrigens  leicht 
eine  trübung  des  Verhältnisses  von  icorte  zw  icörter  entstehen:  Sprichwörter 
sind  Sätze,  worte,  und  durch  eine  vertauschung  konnte  auch  der  pl.  Wörter 
für  den  pl.  worte  sich  einstellen.  Dies  dürfte  dazu  beigetragen  haben,  dass 
die  Scheidung  der  beiden  plurale  nicht  immer  streng  eingehalten  worden  ist. 

Die  neiitra  auf  -tum  haben  sich  der  ;--bildung  erst  spät 
beniäclitigt.  Das  eindringen  der  r-form  in  eine  ableitungssilbe 
war  natürlich  niclit  ohne  weiteres  möglich.  Zufällige  r-bil- 
dungen  mussten  immer  wider  der  «-form  weichen,  bis  schliess- 
lich die  ableitung,  durch  die  allgemeine  betonung  der  numerus- 
trenuung  in  anderen  klassen  gestützt  und  von  dem  übergewicht 
der  neutralen  r-formen  getrieben,  sich  im  17.  jh.  endgiltig  den 
erweiterten  pl.  aneignete.  Da  die  masc.  irrUnn  und  reicht  um 
dieselbe  form  wie  die  neutra  auf  -tu^i  angenommen  haben  und 
ganz  dieselbe  entwickelung  zeigen,  gebe  ich  deren  formen 
nochmals  an,  soweit  sie  nicht  bereits  Beitr.  27, 243  belegt  sind. 

Bei  der  wortgruppe  auf  -tum  sehen  wir  denselben  Vorgang 
wie  bei  den  Wörtern  auf  -nis;  die  bände  der  geschlechtsgemein- 
schaft  erweisen  sich  gegen  das  streben  nach  einheitlicher  flexion 
von  Wörtern  derselben  bildungsweise  als  nicht  widerstands- 
fähig. Die  zu  erwartenden  formen  irrtume,  rcichtume  oder  irr- 
tümc,  reichtiime  sind  durch  verlust  des  e  und  des  umlauts  gerade 
so  an  die  in  der  wortgruppe  auf  -tum  vorhersehenden  pl.  bis- 
tum,  fürstentum  u.  a.  angeglichen  wie  später  in  ihrer  form  an 


NHD.    SUBSTANTIVFLEXION.   II. 


345 


die  pl.  histümer,  filrstenfümer  u.a.;  vgl.  ap.  reichtwnh  Riccius, 
P.  G.  193,  ap.  irrthmub  Hocker.  2, 121.  Auch  bei  Luther  belegt 
Franke  169  nur  drei  endungslose  formen  von  den  beiden  mas- 
culina  auf  -tum. 

Der  einfluss  des  neutr.  zeigt  sich  auch  an  sporadischem 
übertritt  des  masc.  zum  neutr.:  da^  reichticm  Dalimil  128,  9; 
reichtum  masc.  ebda.  134,  30. 

Ich  lasse  die  belege,  die  zum  grossen  teil  dem  16.  jh.  an- 
gehören, folgen: 


1)  gp.  fws/ew<7iMw«&er  Weissk.  371,4, 
np.  erzbistiimb  Aventin  2, 160,  27, 
dp.  bistumben  ebda.  160,  15,  dp. 
bistumen  ebda.  251,  32,  dp.  chur- 
fürstentnmben  ebda.  164, 30,  pl. 
fürstentümer  Birk  143,  ap.  reich- 
tumb  Schaidenr.  25,  np.  jrrihumh 
Nass,  W.  111,  dp.  irrtumben  ebda. 
44.  192,  dp.  reiclitummen  Nass,  H. 
11,  nap.  irrtJmmber  Nass,  W.  2.  3, 
ap.  irrthummer  ebda.  192,  gp.  reich- 
thnmber  ebda.  96,  gp.  reichtlmmer 
Nass,  H.  144.  146,  ap.  irrtumb  Al- 
bertinus  110,  dp.  irrthumben  ebda. 
181,  ga^.  reichtiimb  ebda.  50.  85. 

2)  ap.  histum  Mani;el,  np.  die  vier 
keisertlmmb  Boner,  Oros.  18,  dp. 
irrthummen  ebda.,  Suet.  110,  ds. 
von  der  jrrtumb  ebda.,  ap.  reich- 
tinnb  ebda.  12,  ds.  nach  der  reich- 
tnvib  ebda..  Just.  104. 

3)  a^^.  heiligtumb  Becam.  4:00,18,  nap. 
reichtumb  Spreng,  IL  72.  116. 

4)  ap.  ßrstentum  Folz*,  dp.  fürsten- 
tumben  Wilwolt,  dp.  bistomben 
ebda.,  dp.  heiltumben  ebda.,  ap. 
fürstenttimb  Sachs  16,  3,  24. 

5)  ap.  fürstentumb  Fanstb.  55,  21  + 

Vereinzelt  ist  anf  md.  gebiet  im  17.  Jh.:    erbin  über  alle  schütze  und 
reichtuhm  Buchholz  419. 

Der  pl.   entbehrte  anfänglich  meist   des   umlauts  in  der 

schwächer  betonten  silbe  -tum,  gerade  wie  Meinot  meist  den 

pl.  Jäeinotter,  leilacJi  nur  den  pl.  leilacher  bildete.    Später  ist 

die  nicht  umgelautete  form  dem  ausgleich  mit  den  übrigen 


3  m.,    pi.  fürstentwne  Schöpf,    pl. 
fürsientumber  Zincgref  (1631). 

6)  dp.  hcrzo(jtumen  Dal.  71,  23*,  ap. 
fürstentumb  Urkb.  L.  262  (1458), 
ap.  bischtum  Rothe  172.  421,  pl. 
njchthumer  Agricola,  pl.  -tum(e), 
-tümer  selten  Luther,  np.  heilig- 
thum  Luther  23.  278,  pl.  irrtum, 
reichtum  und  zuw.  r-pl.  Luther, 
nap.  irrtum  Luther  23.  72,  np. 
fürstentumb  Jonas  1529,  ä-p.fürsten- 
tumen  ebda.  1542,  ap.  bistum,  heil- 
tum  Mathesius,  dp.  fürstentiimen 
ebda.,  ap.  fürstentumb  Rice,  P.  G. 
125,  dp.  fürstenthumen  ebda.  124, 
ap.  reiclitumb  ebda.  103,  rn^.  fürsten- 
tumb Arndt  530  bis  Wackernagel, 
dp.  fürstenthüviern  Opitz,  Arg.  95, 
np.  beweisthümer  Zeseu  145,  dp. 
groosherntühmern  ebda.  256,  np. 
reichtühmer  ebda.  604,  pl.  fürsten- 
tümer Gilbert,  pl.  reichtümer  ebda., 
pl.  irrthümer  Weise  163. 

7)  np.  fdrstentumbe  Kantz.  3,  dp. 
reichtumben  ebda.  110,  ap.  jrr- 
tumb Hocker.  2, 121,  ^^.jrrthumen 
ebda.  56. 


340  MOLZ 

.«?-,  r/- Stämmen  mit  unihiutsfäliigem  vucal  gewiclien.  —  Bei 
Lutlier  begegnen  in  der  Bibel  v.  1545  die  plurale  hciligthäme 
Hes.  21, 2  und  fürstcnthnme  Spr.  28, 2  (Franke  164),  bei  Arndt 
ap.  fürstenimnhe  und  bei  Spee  dp.  heiveistliümcn  (Kelirein  181), 
formen,  die  auf  einer  vermiscliung  mit  den  masculinen  auf  -tum 
beruhen.  Im  mhd.  bestanden  auch  die  umgelauteten  plurale 
der  masc.  auf  -tum,  z.  b.  pl.  sichtücm  B.  d.  n.  327,  29.  349, 27. 
405, 14  u.  ö.  Der  plural  rcichtäm  kommt  noch  in  den  Fast- 
nachtsspielen des  15.  jh.'s  vor.  Eine  Übertragung  des  umlauts 
auf  das  neutr.  konnte  leicht  stattfinden,  und  dies  um  so  eher, 
je  mehr  Wörter  auf  -tum  männlichen  geschlechtes  waren.  Mhd. 
siechtuom  m.  krankheit,  wistuom  m.  n.  sind  im  laufe  der  nhd. 
entwickelung  zum  neutr.  übergetreten  und  haben  die  masc. 
gruppe  in  ihrem  machtverhältnis  zum  neutr.  geschwächt. 
Dessenungeachtet  sind  die  pl.  irrtüme,  reklitiime  so  häufig  ge- 
brauchte bezeichnungen,  dass  sie  auch  allein  im  stände  sein 
konnten,  den  r-pl.  im  neutr.  auf  ■tum  zu  bewirken.  So  wären 
also  die  pl.  heiligtümc,  fürstentüme  bei  Luther  u.  a,  auf  die 
formen  reichtüme,  irriünie,  {siccliiümc)  zurückzuführen.  Die 
letzteren  bildungen  sind  von  Franke  nicht  belegt,  vielmehr 
bietet  die  Bibel  v.  1545  gerade  die  nicht  umgelauteten  plurale 
irrt  um,  reicht  um.  Das  spricht  nicht  gegen  meine  annähme; 
denn  die  Wirkung  der  einst  bestehenden  analogie  gibt  sich 
eben  nur  noch  in  jenen  vereinzelt  auftretenden  ?-pluralen  der 
neutra  zu  erkennen.  Bödicker  1690  schreibt  noch  unsers 
tverthen  Vaterlandes  altcrtühme. 

Bei  der  vergleichung  der  formen  in  den  einzelneu  muntlart- 
gebieten  ist  festzustellen,  dass  der  r-pl.  zuerst  auf  bair.-üsterr. 
boden,  im  Weisskunig,  erscheint  und,  von  Avenigen  beispielen 
bei  den  Ostmitteldeutschen  Agricola,  Luther  und  dem  Baier 
Nass  abgesehen,  im  16.  jli.  ganz  ungeläufig  bleibt.  Der  Ostmd. 
Riccius  kennt  nur  die  neutralen  «-formen,  während  um  die- 
selbe zeit  Nass  auch  die  r-form  schon  bietet.  Im  17.  jh.  ist 
bei  Opitz,  Zesen,  Birk,  AVeise  die  >--form  in  voller  geltung. 

Der  zeitliche  abschluss  der  Verschiebung  war  mit 
dem  ende  des  16.  jh.'s  im  allgemeinen  erreicht.  Von  den  in 
der  letzten  gruppe  behandelten  «-stammen  sind  im  17.  jh.  nur 
bei  den  häufig  gebrauchten  hrett,  hörn  (aus  lautlichen  gründen), 
kind,  licht,  Pfand,  schwcrt,  tal,  iveih  und  den  Wörtern  auf  -tum 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION,    II.  347 

meist  nur  uocli  vereinzelte  a-,  e-formen  des  pl,  zu  belegen. 
Der  a- stamm  scJdoss  zeigt  nur  in  obd.  denkmälern  (Spreng 
und  Krafft)  eine  Verteilung  der  pluralformen  nach  der  bedeu- 
tung,  vgl.  s.  340  f.  —  Die  a- stamme  band,  land,  die  die  ver- 
sclüedenlieit  des  pl.  allgemein  in  den  dienst  der  begrifflichen 
trennung  gestellt  haben,  sind  bis  1600  noch  nicht  durchweg  in 
ihrem  bestreben  nach  bedeutungsnüancierung  durchgedrungen, 
während  mal  mit  composita,  scJicit,  siift  ohne  unterschied  des 
Sinnes  den  e-pl.  neben  dem  r-pl.  bis  heute  festgehalten  haben. 
Nur  bei  ivort  scheint  sich  die  begriffliche  Scheidung  der  ver- 
schiedenen pluralformen  früh  eingebürgert  zn  haben.') 

Im  hinblick  auf  die  andere  Verschiebung  der  neutralen 
«-Stämme  —  ich  meine  die  annähme  des  e-pl.  —  ist  festzu- 
stellen, dass  zur  selben  zeit,  als  die  e-form  des  pl.  bei  den 
a-stämmen  fest  geworden  war,  eine  weitere  Überwucherung  des 
r-plurals  hintangehalten  wurde.  Neue  r-plurale  wurden  nach 
1600  kaum  mehr  in  die  Schriftsprache  aufgenommen.  Die 
Wörter,  die  so  lange  gegen  das  eindringen  des  r-plurals  sich 
widerstandsfähig  gezeigt  hatten,  fanden  jetzt  noch  an  der 
völligen  Übereinstimmung  ihrer  flexion  mit  dem  masc.  eine 
wichtige  stütze  in  ihrem  ablehnenden  verhalten  gegen  den 
r-plural. 

Ich  habe  bei  der  reihenfolge  der  belege,  mit  rücksicht  auf 
den  ausgangspunkt  der  sprachlichen  ent Wickelung,  stets  nach 
dialektgebieten  geschieden.  Die  r-bildung  des  pl.,  die  in  allen 
mundarten  die  an  zahl  stärkste  flexion  ist,  hat  sich  am  raschesten 
in  den  obd.  mundarten  ausgebreitet.    Das  zeigt  die  geschichte 


•)  Bei  den  grammatikern  Gilbert  und  Schottel  finden  wir  mit  geringen 
abweichnugen,  die  ich  im  einzelnen  angemerkt  habe,  die  nhd.  Verhältnisse, 
Pölmann,  Berlin  1671,  aber  führt  noch  eine  reihe  von  vrörtern  mit  schwanken- 
der form  auf,  die  um  jene  zeit  in  der  hd.  Schriftsprache  längst  die  r-form 
fest  angenommen  hatten.    Bei  ihm  besteht  schwanken  zwischen 

aase  —  üscr  glase  —  gläser 

bade  —  beider  gltede  —  glieder 

bände  —  bänder  Tcinde  —  Mnder 

fasse  —  fässer  rade  —  rüder 

felde  —  felder  thale  —  tliäler. 

'Auf  nd.  Sprachgebiet  erscheint  die  entwickelung  zum  r-plural  nicht  so  weit 
vorgeschritten',  sagt  Friedrich  54,  und  eine  beeinflussung  durch  den  dialekt 
dürfte  deshalb  bei  Pölmann  gewis  sein. 


348  MOi.z 

des  r-pl.  von  hrctt,  luiuf^,  schloss,  sclmert,  ial  u.  a.,  bei  denen  in 
obd.  gegenden  die  >--form  im  allgemeinen  etwas  früher  und 
fester  hervortrat  als  auf  (ost)md.  gebiet.  Luther  ist  dafür  ein 
treffendes  beispiel.  Auch  der  dialektische  r-pl.  des  neutrums 
hat  seine  statte  vorzüglich  in  dem  südlicheren  teile  des  Sprach- 
gebiets. Trotzdem  ist  bei  der  Verschiebung  die  ausserordent- 
liche gleichmässigkeit  der  entwickelung  bei  den  einzelnen 
wörtei'n  nicht  zu  verkennen;  wie  ein  fortlaufender  faden  um- 
spannt der  r-pl.  die  a-stämme,  und  der  consensus  aller  deutschen 
mundarten  führt  zu  den  in  der  Schriftsprache  geltenden  formen. 
Die  dialekte  sind  später  ihre  eigenen  wege  gegangen  und  haben 
dem  r-pl.  eine  ausdehnung  gegeben,  gegen  die  die  Schriftsprache 
weit  zurücksteht  (Friedrich  54). 

Bei  der  betrachtung  des  wortmaterials  macht  man  die 
beobachtung,  dass  Wörter  mit  auslautendem  r:  hier,  haar, 
jähr,  moor,  paar,  röhr,  Her,  tor,  wehr  in  dem  gebiete,  das  für 
unsere  entwickelung  zum  nhd.  entscheidend  war,  nie  (ausser 
bei  üer  ganz  vereinzelt)  einen  r-pl.  gebildet  haben.  Die  ja- 
stämme  here,  were  standen  dieser  bildungsweise  auf  ostmd.  boden 
ohnehin  fern,  weil  sie  ihr  end-e  (bes.  hcrc)  noch  im  nhd.  zuweilen 
gewahrt  hatten,  wodurch  die  beziehung  zum  r-pl.  eine  sehr 
dürftige  war.  Bojunga  146  glaubt,  dass  hier  der  r-pl.  aus 
gründen  des  wolklanges  verschmäht  worden  sei.  Ich  kann 
diese  auffassung  nicht  teilen.  Die  Wörter  röhr  und  Her,  ausser 
tor  die  einzigen  der  herangezogenen  stamme,  die  gleichmässig 
im  sing,  und  pl.  begegnen,  haben  nämlich  in  der  obd.  Schrift- 
sprache öfter  die  r-form  angenommen,  die  auch  in  den  dialekten 
heimisch  ist;  bei  haar  überwiegt  die  pluralische  anwendung  wie 
bei  hier  die  singulare;  jähr  w^ar  durch  die  für  das  w'ort  mass- 
gebende Zählformel  gegen  den  r-pl.  geschützt;  moor  (oberd. 
mos),  paar,  tvehr  sind  in  der  älteren  zeit  im  sing,  wie  pl.  so 
selten  in  anwendung,  dass  der  pl.  eine  stark  von  dem  sing, 
differenzierte  form  nicht  vertrug.  A\'enn  also  die  r-form  in  der 
Schriftsprache,  d.  h.  in  der  (ost)md.  sprachentwickelung,  keinen 
anklang  fand,  so  sehe  ich  darin  einerseits  eine  ununterbrochene 
Überlieferung  der  alten  form  {röhr.  Her,  tor;  zu  tor  vgl.  auch 
die  zweite  niischkl.  der  ntr.),  andererseits  das  bemühen,  seltenere 
Wörter  durch  die  pluralische  form  nicht  zu  sehr  von  dem  sing. 
zu  trennen.    Es  ist  hier  dasselbe  princip  wirksam,  das  ich 


NHD.    SUBSTANTIVFLEXION.   II.  349 

bereits  für  die  nhd.  ersclieinnng  geltend  gemacht  habe,  dass 
Wörter  wie  aal,  luchs  ihres  umlauts  im  pl.  verlustig  giengen. 

Das  Wortmaterial  legt  es  nahe,  noch  von  einem  andern 
gesichtspunkte  das  fehlen  des  r-pl.  zu  betrachten.  Ich  stelle 
der  Übersichtlichkeit  zuliebe  zunächst  die  in  betracht  kommen- 
den reihen  zusammen: 


l,a) 

floss  — 

flösse    II     der  flösser 

schaf  - 

—  Schafe    \\    der  schuf  er 

schiff  - 

-  schiffe    II     der  Schiffer 

seil  — 

seile    II     der  seiler 

spiel  — 

-  spiele    II     der  Spieler 

b) 

Stift  — 

Stifter  (stifte)     \\    der  Stifter 

Spital  - 

—  Spitäler    II     der  spitüler  bei  Nass 

c) 

grab  — 

-  grüher    \\    der  Schatzgräber,  totengräher 

land  — 

-  länder    \\     der  ausländer  u.  a. 

2) 

glas  — 

gläser    \\    der  glaser 

mal  — 

mäler    |j     der  maier 

scMoss 

—  Schlösser    \\    der  Schlosser. 

Bojunga  147  glaubt  sich  zu  der  annähme  berechtigt,  dass 
bei  den  unter  1,  a  genannten  neutra  die  r-bildung  unterblieben, 
um  einer  Verwechslung  mit  den  entsprechenden  nomina 
agentis  vorzubeugen.  Gewis  wird  das  ein  grund  gewesen 
sein,  die  a-form  zu  befestigen,  und  zwar  um  so  mehr,  je  enger 
die  wortreihen  durch  ihre  bedeutung  verknüpft  waren.  Aber 
nicht  immer  reichte  dieser  grund  aus,  die  r-bildung  zu  unter- 
binden; denn  der  pl.  Stifter  steht  neben  dem  subst.  der  Stifter. 
Für  das  lange  beha-rren  der  a-,  e-form  dieses  letzten  wortes  ist 
aber  das  schwankende  geschlecht  geltend  zu  machen,  wie  ich 
s.  342  gezeigt  habe. 

Von  den  unter  1,  a  genannten  Wörtern  hat  seil  in  obd. 
denkmälern  trotzdem  recht  häufig  den  r-pl.  gebildet,  wenn 
auch  die  a-form  nie  abhanden  gekommen  ist.  Auch  von  schiff 
und  floss  werde  ich  den  r-pl.  belegen.  Wenn  auch  der  existenz 
eines  mit  dem  r-pl.  gleichlautenden  nomen  agentis  eine  hem- 
mende Wirkung  für  das  eintreten  des  r-pl.  nicht  abgesprochen 
werden  kann,  so  ist  auch  wider  zu  berücksichtigen,  dass  schaf, 
schiff,  seil  sehr  oft  nach  zahlen  vorkommen  und  so  häufig  sind, 
dass  auch  rein  gedächtnismässige  Überlieferung  im  stände  sein 
konnte,  den  r-pl.  fernzuhalten.  Bei  den  unter  1,  c  und  2  auf- 
gefülirten  reihen  war  die  trennung  beider  wortreihen  durch 


350  MOT.Z 

coniposition  und  mang:el  des  umlauts  bei  den  noniina  actoris 
liinlänglicli  betont;  eine  für  die  r-i)luralbiKliing  hemmende 
Wirkung  ist  nicht  zu  tage  getreten. 

Für  die  bewahrung  der  flexion  der  zahlreichen  a-stämme 
lässt  sich  —  mit  ausnähme  der  unter  1,  a  aufgeführten  Wörter 
—  bei  der  überwiegenden  herschaft  des  r-pl.  im  neutrum  nur 
geltend  machen,  dass  sie  entweder  die  häufigkeit  ihres  Vor- 
kommens (auch  nach  zahlen:  schaf,  scJnvcin,  jähr,  j^fnnd)  in 
ungestörter  sicherer  Überlieferung  gegen  eine  änderung  ihrer 
form  schützte,  oder  die  Seltenheit  des  Wortes  oder  eines  numerus 
desselben  einer  weitgehenden  trenuung  der  numeri  nicht  ent- 
sprach. Andere  erklärungsversuche  halte  ich  für  nicht  stich- 
haltig; vgl.  die  a-stämme  s.  281  ff.  Die  pl.  tvorte  und  tcerJ;c, 
rechte  und  dinge,  Jmiee,  heine,  haare,  pferäe,  rosse,  (schafe), 
schivcine,  tierc,  tore  verdanken  nach  meiner  auffassung  die 
erhaltung  der  a-flexion  ihrem  häufigen  gebrauch. 

Von  einzelheiten  ist  über  die  declination  der  neutralen 
s-,  o-stämme  noch  folgendes  zu  erwähnen: 

Nach  zahlen  hat  sich  zur  zeit  des  Übertritts  zum 
r-pl.  die  a-form  oft  erhalten,  wo  heute  gleichfalls  der 
erweiterte  plural  erscheint.  Aus  den  citaten  seien  hier 
einige  fälle  zusammengestellt: 

m-cy  blat  Luther  (nach  Kehieiii  180),  vier  tuch  Uikb.  Leipz.  235.  236 
(1452),  yf  0  haiqjt  vichs  Augsb.  3,  22, 12,  viit  ein  paar  kraiithaupten  Weise  183, 
vier  feld  Schaidenreisser  79,  2icey  hörn  Hock  70,  drey  schlos  Aiigsb.  5, 
223,  17. 

Neben  der  a-form  nach  zahlen  begegnet  sonst  in  den 
erwähnten  Schriften  der  r-pl.,  und  ich  habe  an  ort  und  stelle 
die  formen  belegt.  Der  pl.  hiat  begegnet  nur  bei  Luther  und 
ist  als  eine  neue  analogiebildung  zu  der  nach  zahlen  oft 
widerkehrenden  flexionslosen  form  aufzufassen.  Durch  die 
Wahrung  der  flexionslosen  form  nach  zahlen  wurde  bei  der 
gleichzeitigen  Verschiebung  zum  e-  und  r-pl.  das  gefühl  für 
die  flexionslosigkeit  des  subst.  nach  zahlen  besonders  geweckt. 
Das  beweist  das  beispiel  Luthers  und  die  formen  26  mensche, 
hundert  mensche,  dreihundert  mensche  Rothe  90.  100.  450. 

Der  dat.  pl.  zeigt  eine  auf  den  ersten  blick  über- 
raschende festigkeit  der  form;  das  habe  ich  bei  den 
citaten  bereits  zur  genüge  hervortreten  lassen.    Einige  tref- 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II.  351 

fencle  beispiele  aus  spätererer  zeit  will  ich  aber  hier  trotzdem 
zusammenfassen: 

dp.  h'nden  Schaidenr.,  vorr.  4,  text  2.  7.  15.  65,  und  np.  Jcind  ebda.  8, 
gegen  nagp.  kinder  ebda.,  vorr.  4,  text  13.  63. 

Bei  Manuel  begegnen  folgende  formen  von  Icind:  np.  kind  :  liinder  = 
2:1,  ap.  Icind  :  kinder  =  7:1,  gp.  kinden  2  m.,  kind  2  m.*,  ^^.kinden 
4  m.  Auch  bei  Sachs,  der  die  r-pluralform  von  kind  fast  allgemein  durch- 
führt, ist  es  besonders  der  dat.  plur.,  der  die  alte  form  gewahrt  hat:  dp. 
kinden  IC,  10,  4.  126, 16.  142, 18  gegen  vereinzelten  ap.  kind  117,  30. 

dp.  weihen  Eyb,  E.  10, 13,  dp.  iveibern  ebda.  2  m.,  nap.  weiher  ebda.  4  m. 

dp.  fälden  Morgant  14, 15,    ap.  felder  ebda.  44, 17.  Haimk.  82, 82. 

dp.  thaUn  Rice,  G.  109.  P.  G.  136,   np.  tMler  ebda.  G.  187.  • 

dp.  ivelden  Rice,  Buc.  80.  90.  152.  G.  4.  35.  78,  gegen  dp.  iveldern  G. 
29.  30.  46  und  nap.  tüeldc)-  Buc.  39.  41.  68.  120.  152.  G.  4.  28.  37.  141. 
P.  G.  10. 

Auch  in  der  lutherischen  Bibel  von  1545  tritt  diese  er- 
scheinuug-  deutlich  zu  tage. 

Früher  habe  ich  bereits  bei  der  declination  von  maiin 
Beitr.  27, 248  auf  diese  erscheinung-  hingewiesen,  und  bei  dem 
dat.  pl.  schulen  habe  ich  oben  s.  295  gezeigt,  dass  er  gegen 
den  spirantischen  auslaut  ch  bei  den  Baiern  Schaidenreisser 
und  Nass  geschützt  blieb.  Ja  ein  fall  ist  mir  sogar  begegnet, 
wo  ein  alter  s- stamm  im  dat.  pl.  von  der  a-form  angezogen 
wurde:  dp.  lammen  Urkb.  d.  st.  Leipz.  278  (1462).  Das  -en  des 
dat.  pl.  verbindet  alle  stark  flectierten  Substantive,  und  die 
dativische  a-form  des  neutr.  (und  raasc.)  hatte  an  dieser  gleich- 
mässigkeit  der  form  der  vocaliscben  declination  einen  schütz 
gegen  das  eindringen  des  r-pl.  Ausserdem  entsprach  die  form 
vollkommen  den  anforderungen  einer  wirksamen  trennung  der 
numeri.  Für  ihr  aufrechterhalten,  wie  wir  es  bei  schicert, 
feld,  tal,  tvald  sehen,  ist  noch  die  häufigkeit  des  Vorkommens 
der  dativischen  form  von  bedeutung,  in  Verbindungen  wie 
mit  scliivertcn,  in,  auf  den  felden,  in  den  talen,  in  den  ivälden. 
Der  systemzwang  duldete  freilich  das  fortbestehen  dieses  Zwie- 
spaltes nicht  lange;  der  ausgleich  mit  den  übrigen  casus  war 
nur  eine  frage  der  zeit.  Sobald  sich  der  r-pl.  eines  Wortes 
dauernd  in  der  erinner ung  festgesetzt  hatte,  musste  auch  bald 
der  dat.  pl.  seine  besondere  form  fallen  lassen. 

Der  Verlust  der  casusendung  im  dat.  pl.  stellt  sich 
vereinzelt  nach  präpositionen  ohne  den  bestimmten  artikel  ein. 
Die  genaue  function  der  präposition  muss  in  diesem  falle  unter 


352  MOLZ 

der  scliwelle  des  bewusstseins  geblieben  sein.  Lutlier,  Matth. 
11,8  hat  si7ul  in  der  Vönige  heuscr.  Diese  form  wird  durch 
den  doppelten  casus,  den  in  nach  sich  hat,  leicht  verständlich. 
Daneben  aber  begegnen  bei  Luther  in  der  Bibel  v.  1545  mit 
(jniblücher,  mit  fcicrldciäer  (Franke  109).  Ferner  seien  die 
ganz  seltenen  formen  erwähnt:  mit  (juldin  tiichcr  Augsb.  4, 
298,23,  dp.  l-indcr  Decam.  92,  7,  also  das  sy  ufs  scyller  zöum 
ijcmacht  Haimk.  54, 18,  Der  Schwabe  Krafft  hat  seiner  heimi- 
schen raundart  so  gi'osse  Zugeständnisse  gemacht,  dass  er  im 
dat.  pl.  aller  vocalischen  declinationsklassen  die  endung  -cn 
meist  abwirft.  Am  anfang  des  17.  jh.'s  hatte  demnach  die 
Schwab,  mundart  bereits  die  richtung  eingeschlagen,  die  wir 
bei  Friedrich  35  vorgezeichnet  sehen. 

Der  r-plural  hat,  gerade  wie  die  neutralen  a- stamme, 
besonders  in  analogie  zu  den  masc.  ableitungen  auf  -er  zuweilen 
ein  pleonastisches  e  angenommen.  Weinhold,  Mhd.  gramm. 
§  437  und  Alem.  gramm.  §  396  gibt  schon  aus  der  mhd.  zeit 
belege  für  diese  erscheinung.  In  den  folgenden  citaten  lasse 
ich  im  einzelnen  unerwähnt,  dass  stets  volle  endungsformen 
der  masc.  ableitungen  auf  -er  neben  der  neutralen  unechten 
form  auftreten.  In  dem  Evangelienbuch  des  Matth.  v.  Beheim 
ist  die  unorganische  form  durchgeführt.  Der  pl.  lautet  da: 
hlettcre,  huchcre,  dörfere,  yrehere,  Unsere,  Jiinderc,  louherc,  welfere. 
Sonst  ist  mir  kein  denkmal  bekannt,  in  dem  die  unechten 
formen  überhaupt  die  echten  überwuchert  hätten.  Ihre  haupt- 
stätte  hat  die  analogische  form  in  der  kanzleisprache.  Aus 
dem  Urkb.  d.  st.  Leipz.  habe  ich  mir  angemerkt:  np.  lindere  28 
(1352).  50  (1384),  dorfere  33  (1359),  ap.  Jiiusere  80  (1409),  np. 
gutere  139  (1437),  Mbere,  lemmere  337  (1466).  Aus  dem  Urkb. 
d.  st.  Freiburg  seien  erwähnt:  np.  dörfjcre  1,516  (1368),  np. 
(juottere  ebda.,  ap.  (jiitere,  hüscre  2, 102.  103  (1395),  gp.  dorffere 
2, 363  (1426).  Auch  in  dem  Urkb.  d.  st.  Speyer,  bei  Weizs.  1 
und  in  der  1.  Mainzer  chronik  begegnen  solche  formen.  Aber 
überall  bleibt  ihre  zahl  hinter  den  echten  formen  zurück.  In 
den  Leipziger  Urkunden  der  späteren  zeit  und  in  den  Arn- 
städter  Urkunden  (ap.  dorfere  ebda.  1452  vereinzelt)  ist  mir 
eine  e-form  weiter  nicht  begegnet.  Bei  Kothe  ist  der  np. 
l-yndere  416  eine  grosse  ausnähme.  Auch  in  der  Zimm.  ehr. 
und  bei  Kantzow  sind  die  e-formen  als  Seltenheiten  anzusehen: 


NHD.   SÜBSTANTIVFLEXION.  II.  353 

iip.  heusere  Kantz.  187,  ap.  gutterc  ebda.  118.  226.  245.  Bei 
Luther  sind  noch  vereinzelte  pl.  hindere,  rindere  helegt,  die 
aber  in  späterer  zeit  (Bib.  v.  1545)  nicht  mehr  vorkommen,  vgl. 
Bei tr.  27, 255  ff.  Die  e-form  hat  sich  aus  zwei  gründen  bei 
dem  neutr.  r-pl.  nicht  so  wie  bei  den  masc.  ableitungen  auf 
-er  festsetzen  können.  Die  a-stämme  drängten  immer  wider 
zur  endungslosigkeit,  und  die  hinreichende  kennzeichnung  der 
pluralischen  function  machte  das  end-e  praktisch  wertlos,  ^anz 
abgesehen  davon,  dass  es  lautlich  unzulässig  war. 

Im  dat.  plur.  ist  das  e  der  endung  -en  besonders  in 
der  mittleren  zeit  des  nhd.  in  einigen  obd.  denkmälern  zuweilen 
anzutreffen.  Es  tritt  diese  erscheinung  nirgends  so  scharf 
ausgeprägt  hervor,  wie  bei  Johann  Spreng  und  Henisch. 
Während  bei  den  Schwaben  Krafft  und  Weckherlin  volle 
endungsformen  nicht  erscheinen,  sind  sie  bei  ihren  landsleuten 
Spreng  und  Henisch  die  regel.  Zwischen  die  lautgruppe  rn 
schiebt  Spreng  meist  ein  e  ein:  mit  erenst  II.  90,  das  hüren  96, 
lioren  111  u.s.w;  ebenso  meistens  in  den  dat.  pl.  aller  Wörter, 
die  auf  -er  ausgehen:  dp.  Ä;räM^erew  II.  37,  räderen  Q2,  tveiheren 
74,  hörneren  130;  dp,  eiteren  32,  schulteren  33,  r enteren  43, 
lugneren  44,  götteren  69.  74  u.s.w.  Aus  Henisch  seien  an- 
geführt dp.  federen,  weiheren  1445.  Bei  Harsdörffer  sind  auch 
die  dp.  hücheren,  völclxcren,  ivörteren  neben  den  schriftsprach- 
lichen formen  belegt.  Im  16.  jh.  sind  die  vollen  formen  beson- 
ders bei  Tschudi  und  Dietenberger  von  Kehrein  180  belegt. 
Bei  Spreng  handelt  es  sich  offenbar  um  einen  rein  lautlichen 
Vorgang;  inwieweit  das  auch  bei  den  anderen  Schriftstellern 
zutrifft,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden.  Eine  analogie- 
bildung  ist  sehr  wol  möglich.  Mir  sind  volle  dativformen  in 
den  zahlreichen  obd.  texten  aus  dem  15.  und  16.  jh.  sonst 
nicht  begegnet.  —  Interessant  bleibt  bei  der  form  des  dat.  pl., 
dass  Krafft  die  endung  meist  abwirft,  während  Spreng  sie  voll 
ansetzt.  So  grosse  unterschiede  in  der  eigenen  heimischen 
Schriftsprache  waren  wenig  geeignet,  ihr  ansehen  zu  heben 
und  ihre  ausdehnung  zu  fördern.  Welche  gleichmässigkeit 
und  Übereinstimmung  der  form  herscht  da  doch  in  den  ost- 
mitteldeutschen denkmälern  z.  b.  bei  Luther  und  dem  huma- 
nisten  Riccius  und  bei  den  dichtem  des  17.  jh.'s. 


354  MOLZ 

Fremdwürter  mit  r-plural. 

In  der  Schriftsprache  haben  nur  sjJttal  {hospitul)  und  regi- 
nient  den  r-plural  angenommen: 

spital:  ap.  sjiital  Luther  23.  352,  i\).  spitalen  ebda.  355,  sip.  spitüler 
Nass,  H.  243  trotz  was  die  alten  catholischen  den  armen  und  spiltälcrn 
vor  jaren  gewidmet  Nass,  W.  141.  r-pl.  Simpl.  3-1:0.  Popowitsch.  Adelaug. 
Bei  Hempel  ist  das  wort  masc.  geschleclits  uud  bildet  den  r-\A. 

regiraent:  in  zwei  bedeutuugen  tritt  das  wort  auf:  1)  herschaft,  — 
2)  truppenschar.  Bei  Kantzow  ist  auch  schon  das  nomen  agentis  zu  einem 
regimenter  14:  anzutreffen.  Im  IG.  jh.  dringt  die  r-form  noch  nicht  ein: 
dp.  regimcntcn  Mathesius,  gp.  regimenten  Hocker.  2,  253.  Riccius,  G.  75.  Der 
erste,  bei  dem  ich  die  r-form  linde,  ist  Opitz:  np.  j-e<//»)ent  (= 'herschaften') 
Arg.  110  uud  gp.  regimenter  ('herschaften')  ebda.  107;  im  sinne  von  'truppeu- 
abteilung'  ap.  regimenter  ebda.  52.  Später  ist  die  r-form  des  pl.  im  sinne 
Ton  'truppenscharen'  bei  Grefi.,  Dr.  kr.  89.  Moscherosch.  Simpl.  329  (dp.  re- 
gimenteren).  Lehms  168  zu  liuden.  Hempel,  Popowitsch,  Adelung  fordern 
den  ?-pl.  Heute  ist  der  r-pl.  für  'truppenteile'  allgemein  üblich;  dagegen 
für  die  seltenere  bedeutung  'herschaften'  wenden  wir  den  a-pl.  an. 

Ich  schliesse  gleich  die  übrigen  fremdwürter  an,  die  vorübergehend  den 
r-pl.  gebildet  haben.  Gortzitza  1843  nennt  ausser  den  behandelten  drei 
Wörtern  noch  purlament,  das  regelmässig  den  r-pl.  annehme.  Der  pl.  par- 
lamenter wird  von  Popowitsch,  Nast  und  Adelung  angegeben.  Heute  ist 
er  M'ider  durch  die  a-form  ersetzt.  Hempel  führt  noch  den  pl.  complimenter 
neben  complimente  an,  und  Weise  bildet  den  pl.  losamenter  zu  dem  heute 
fast  vergessenen  losamente.  Gegen  die  pl.  Icapitäler  Goethe,  Lessing; 
^•a^»!e/<er  Heine,  Reiseb.,  Hippel;  hilleter,  präsenter  Schiller  hat  die  Schrift- 
sprache sich  abweisend  verhalten;  der  o-pl.  dieser  würter  ist  heute  allein- 
giltig.    Nur  der  Studentensprache  gehören  die  pl.  sJcandähr,  loläler  an. 

Untergegangene  Wörter  mit  r-plural. 
In  der  Schriftsprache  sind  im  laufe  der  nhd.  entwickelung 
folgende  neutra  mit  r-pl.  in  Vergessenheit  geraten:  block  'block, 
klotz';  diech  'Oberschenkel';  hol  'höhle';  mos  'sumpf,  moor'; 
weif  'junges  von  hunden  und  von  wilden  tieren';  Icilach  'bett- 
tuch'.  Laiih  hat  seinen  >--pl.  aufgegeben  und  gerade  wie  sprcu, 
das  noch  zum  fem.  übergetreten,  die  collect ive  bedeutung  des 
pl.  dem  sing,  beigelegt.  Mhd.  mät  f.  ni.  hat  im  nhd.  sein  weib- 
liches geschlecht  allein  zur  geltung  gebracht.  Ich  führe  die 
/•-pluralformen  nach  der  hier  beobachteten  reihenfolge  auf: 

bloch:  r-pl.  Urkb.  Sp.  485  (1350).  Decam.  1G7,  4.  G.  Wilw.  Popowitsch. 
diech:  e-pl.  Rothe  13,   a-pl.  Myns.  3,   r-pl.  Myns.  3.  11,   r-pl.  Decam. 
306, 7.  389, 11,  diech  masc.  Schaidcnr.  83,  o-pl.  Schaidenr.  31.  77. 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II.  355 

hol:  r-pl.  Angsb.  1,280,2  (1450).  Eyb,  E.  77, 24.  82,2,  dp.  houlern 
Asop  131,  r-pl.  Schaidenr.  36.  44.  Riccius,  Gr.  63.  150,  dp.  heileren  Spreng, 
Aen.  48. 

mos:  ?--pl.  Augsb.  1,279  (1440).  Wilw.46.  194.  Boner,  Oros.  15.  Just. 
113.  118. 

weif:  pl.  tvelfere  Mattii.  v.  Beheim. 

leilach:  dp.  leilachen  Fröreisen  168,  pl.  leilacher  Krafft  327.  Henisch 
340.  Simpl.  134. 

laub:  r-pl.  loubere  Matth.  v.Beh.  Marc.  11,  8,  r-pl.  läuber  Eyb  bis  Immer- 
mann. Tieck;  pl.  laube  Klopstock. 

spreu:  r-pl.  Urkb.  Leipz.  407  3m.  (1340).  Roseubl.  Boner,  Oros.  117. 
Krafft  116.  Moscherosch  129. 

mad:  )--pl.  müder  Spreng,  11.252,   as.  ein  schönes  ivismad  ebda.  266. 

Zu  dem  neutr.  fellis  Simpl.  13  =  lid.  felleisen  ebda.  116  wurde  land- 
schaftlich beschränkt  der  r-pl.  gebildet:  mit  fellisern  und  fleuthen  beladen 
Simpl.  13. 

Nur  in  der  composition  hat  sich  noch  das  mhd.  no!;  n.  'vieh, 
rind'  mit  r-pl.  erhalten;  np.  rindesnosser  Riccius,  P.  G.  59  und  ap.  rindes- 
nösser  ebda.  164.  Zu  dem  fehlen  des  Umlauts  in  dem  ersten  citat  kann 
der  schwächere  ton  der  silbe  anlass  gegeben  haben. 

2)   Der  dialektische  r-plural. 

Ich  fasse  hier  die  neutralen  a-stämme  zusammen,  die  nur 

sporadisch  und  in  bestimmten  teilen  des  gebietes  den  r-plural 

angenommen  haben.    Nur  drei  Wörter:  hein,  seil,  Her  haben 

dem  r-pl.  eine  etwas  mehr  als  rein  vorübergehende  existenz 

eingeräumt : 

bein:  der  r-pl.  tritt  erst  spät  auf.  Den  frühesten  beleg  findeich  bei 
Wolfh.  Spangenberg  1, 134  neben  dem  a-pl.  2,  36.  Dann  erscheint  die  mund- 
artliche form  im  anfang  des  17.  jh.'s  bei  Spreng,  der  von  allen  obd.  Schrift- 
stellern dem  r-pl.  beiner  den  weitesten  Spielraum  gibt.  Er  wendet  zwar 
nur  den  pl.  bein  =  'gliedmassen'  an,  für  den  pl.  bein  =  'gebeine,  knochen' 
aber  setzt  er  sehr  häufig  den  pl.  beiner: 

1)  pl.  bein  (='gliedmassen')SpreDg,  Aen.  140.  150.  158.  164*.  11.183. 
212*.  251.  295.  333. 

2)  pl.  bein  (=  'gebeine')  ebda.  Aen.  84  u.  ö,  11.296*.  322.  331. 

3)  pl.  beiner  (= 'gebeine')  ebda.  Aen.  111.  114.  115.  11.21.  180  u.  ö., 
dp.  todtenbaineren  ebda.,  Aen.  243,  Und  zwölff'  der  edlen  jüngling  tverth  ver- 
brennen I  deren  beiner  zart  Zu  kennen  seind  nach  jhrer  art  /  Aber  Pa- 
irocli  äschen  frey  Und  seine  b  einer  auch  darb ey  Die  wollen  wir  jetzt 
allermassen  Bald  in  ein  giüdin  schal  einfassen  Spreng,  II.  322. 

Auch  bei  Henisch  259 — 261  ist  der  unterschied  der  formen  gewahrt: 
auff  die  bein  helfen  —  der  Jcurtze  bein  hat  —  dem  die  bein  aufswerts  ge- 
krümmt sind  u. s.w.,  aber  scMnbein  j  Hat  zwey  beiner  oder  röhr  261. 


35C  MOLZ 

Dann  ist  mir  der  r-pl.  Schienheiner  Sirapl.ö'W  begegnet;  sonst  heisst 
der  pl.  stets  heine  in  diesem  werke.  Noch  später  ist  bei  Abraham  der  ?--pl. 
anzutreffen,  und  die  beiden  obd.  graminatikcr  Braun  und  Nast  setzen  den 
pl.  heine  und  heiner  an.  Auf  dem  nürdlichen  gebiet  ist  bei  Gryphius  der 
pl.  menschenheiner  G7,  it'iG  anzutreffen  neben  dp.  heincn  G9,  599. 

Dem  15.  jb.  ist  der  r-pl.  auch  auf  obd.  boden  noch  fremd:  z.  b.  f-pl. 
Decam.  389.  446  u.  ö.  Äsop  267,  und  im  16.  und  17.  jh.  tritt  er  nur  zuweilen 
bei  Schriftstellern  mit  starken  mundartlichen  anklängen  hervor. 

seil:  dieser  «-stamiu  ist  noch  am  häufigsten  auf  obd.  boden  zum  r-pl. 
übergetreten.  Der  r-pl.  ist  in  der  älteren  zeit  auf  das  alem.  und  Schwab, 
gebiet  beschränkt.  Den  frühesten  beleg  des  r-pl.  seiler  bietet  Wyle  49, 18, 
und  es  folgen  weitere  Schriften  alem.  herkunft:  pl.  seiler  Haimonsk.  42,  23. 
54,  18.  181,  4,  dp.  seilen  Morgaut  154,  37,  dp.  seilern  Seb.  Münster.  Boner, 
Oros.lOO,  dp.  in  wiltsaylen  ebda.,  Just.  119.  Schwäbischen  Schriften  des  lö.jh.'s 
bleibt  die  r-bilduug  unbekannt;  pl.  seiler  zuerst  Zimm.  ehr.  1, 50, 10  und 
Meichsner  70;  dann  wider  bei  Spreng,  Aen.  77.  101.  103.  II.  15.  258,  pl. 
schiff saijler  ebda.,  Aen.  101,  ap.  schiffsayl  Aen.  77*,  dp.  so^cre«  11.  9;  ferner 
r-pl.  bei  Weckherlin  und  ap.  schüff-Suiller  Krafft315.  —  "Während  Schaidenr. 
19  den  a-pl.  anwendet,  gebraucht  sein  landsmann  Abraham  rund  150  jähre 
später  den  r-pl.,  den  der  bair.  grammatiker  Braun  allein  gelten  lässt.  Nach 
Muth  ist  der  r-pl.  dem  bair.-österr.  dialekt  geläufig.  —  Kitter  (Marburg 
1616)  führt  den  pl.  seiler  und  beiler  an.  Stieler  seile  und  seiler,  ebenso  Nast. 

tier:  der  r-pl.  ist  zuweilen  auf  alem.  gebiet  vertreten,  vereinzelt  auf 
rheiufränk.  und  ostmd.  boden:  pl.  tiercr  Morgaut  24,  27.  40,36  und  Haimk. 
52,  30.  53,  26.  68, 19.  34  +  3  m.  neben  häufigerem  o-pl.  Morgaut  35.  39  u.  ü. 
und  Haimk.  28.  29.  49.  54,  36.  225,  31.  Bei  ^Yolfh.  Spaugenberg  erscheint 
ap.  tier*  2,66.  Bei  Boner,  Just.  100  u.  ö.  ist  der  o-pl.  regel;  vereinzelt  ist 
bei  ihm  voll  schlangen  nnd  giftiger  tierer  Sallust  39.  Auf  schwäb.  gebiet 
habe  ich  von  Tünger  104  bis  Federmann  44  und  Krafft  78  nur  den  a-pl. 
gefunden.  Schliesslich  ist  die  r-form  noch  bei  Stade  170.  173.  191.  192 
neben  pl.  thier  170.  173  zu  belegen.  Stades  landsmann.  Hock,  aber  hat  nur 
pl.  thier  28.  67.  Den  frühesten  beleg  bietet  Dalimil  auf  ostmd.  boden:  gl). 
tyrer  15,5;  pl.  tir  ebda.  231,31.  Auch  bei  Luther  stellt  sich  anfänglich 
zuweilen  der  r-pl.  ein ,  der  im  Serm.  von  d.  guten  werken  in  verächtlichem 
sinne  anwendung  findet. 

Die  Übrigen  fälle,  in  denen  der  r-pl.  ganz  vereinzelt  er- 
scheint, seien  im  folgenden  zusaminengefasst: 

feil:  von  den  vellern  miner  schaff  4:.Bihe\. 

haar:  wann  alle  hdrer  gdnd  mir  ohsich  Haimk.  112,  20  neben  icann 
da  tvurdcnd  vgl  hären  zertzogen  und  rücken  zerrgssen  ebda.  27,  20.  21. 

reh:  g^.  recher  Decam.  238,  35,  ij).  rechern  ebda.  93,27.  94,21.  30,  dp. 
rehern  Meichsner,  register. 

röhr:  \)\.rhörrer  Krafft  101  neben  pl.  r/jor  100.  101.  379,  lA.  die  rarer 
(an  den  Müssen)  Spreng,  II.  297.  Die  form  ist  dem  schwäbischen  eigentüm- 
lich, Friedrich  54. 

schiff:  r-jd.  Schiffer  Decam.  75, 23  vereinzelt,    ...  und  so  bald  etlich 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   11.  357 

galJeen  oder  scJiyffer  inn  dis port  7iommenäMoYg.2ö8,S2,  ap.  sc7w^' Morg. 
224,  33.  Die  bildung-  konnte  natürlich  nur  eine  rein  zufällige  sein ;  denn 
das  eng  Terbundene  nomeu  agentis  Schiffer  Hess  sie  nicht  fest  werden. 

werk:  pl.  bergiverker  Dornblüth,  vgl.  np.  bergiverkfi  Krafft  379,  pl. 
festuiigsiverker  Drollinger,  pl.  loerke  und  toerher  z.  h.  hei  einer  festung  Nast, 
pl.  hollwerke  und  hollwerker  ebda.,  pl.  die  voricercker  H.  v.  Kleist. 

zeit:  pl.  zeiter  Hof raannswaldau ,  Ged.  und  bei  den  grammatikern 
Gottsched,  Aichinger,  Popowitsch  und  Braun,  pl.  zelte  und  zeiter  Hempel 
und  Nast.    In  der  Schriftsprache  ist  mir  nur  pl.  zelte  begegnet. 

Eine  andere  gruppe  von  neutren  erscheint  nur  in  grammatiken  im 
r-plural: 

aas:  pl.  ase  und  äser  Stieler,  pl.  aafs  Schöpf,  aafse  Birk  162. 

heil:   pl.  beiler  Ritter,    beile,  beiler  Nast. 

blech:   pl.  bleche  und  blecher  (= 'blechgefässe')  Nast. 

floss:   pl.  flösser  Gottsched,  Hempel;  trotz  der  flösser. 

joch:  pl.  yöc/je>- Aichinger,  jocZte  und  Jöc7ier  Popowitsch,  Nast,  pl. 
jöcher  Spindler,  Vogelh. 

kamel:   pl.  kameler  und  kamele  Hempel. 

klotz:   n.  pl.  klötzer  Popowitsch. 

Ausser  den  vereinzelt  auftretenden  pl.  menschenheiner, 
tierer  und  weiter  und  den  von  md.  grammatikern  geforderten 
pl.  weiter,  flösser,  Itameler  (neben  Mmele)  sind  alle  diese  r-plural- 
formen  dem  obd.  Sprachgebiet  entsprossen,  und  es  wird  dadurch 
erwiesen,  dass  Oberdeutscliland  in  der  f-plm-albildung  des 
neutrums  fruchtbarer  war  als  die  anderen  teile  des  Sprach- 
gebietes, Besonders  ausgedehnt  erscheint  die  r-form  gerade 
auf  alem.  und  scliwäb.  gebiet.  Das  stimmt  zu  dem  heutigen 
dialekt  (Friedrich  54). 

Wenn  auch  md.  dialekte,  insonderheit  das  obersächsische 
und  thüringische,  dem  r-pl.  eine  über  den  schriftsprachlichen 
zustand  hinausgehende  ausdehuung  gegeben  haben,  so  kann 
diese  weitere  Verschiebung  erst  dann  vor  sich  gegangen  sein, 
als  die  Schriftsprache  bereits  rückgrat  genug  besass,  sich  gegen 
mundartliche  einflüsse  zu  schützen.  Nach  den  Zeugnissen  der 
md,  grammatiker  Gottsched  und  Hempel  besass  zu  ihrer  zeit 
der  dialekt  die  r-pl.  flösser,  kameler,  weiter,  die  er  zur  zeit 
Luthers  und  Riccius'  noch  nicht  kannte.  Mit  Luther  aber 
beginnt  die  festigung  und  ausbildung  der  Schriftsprache,  die 
im  hinblick  auf  die  neutra  mit  r-pl.  bereits  gegen  ende  des 
16,  jh.'s  fertig  war,  von  einigen  ausnahmen  abgesehen.  Mit 
dem  abschluss  der  Verschiebung  der  neutralen  a-stämme  zur 
declination  der  masc.  a-stämme  war  dem  weiteren  vordringen 

Beiträge  zur  gescbichte  der  deutschen  Sprache.    XXXJ.  24 


358  MOLZ 

des  r-pl.  in  der  Schriftsprache  ein  dämm  entgegengesetzt.  So 
erklärt  es  sicli,  dass  spätere  bildungen  wie  flüsscr,  lamclcr, 
seiter  niclit  mehr  zur  anerkennung  gekommen  sind. 

Der  dialektische  r-pl.  hatte  die  «-form  nie  aus  dem  sattel 
gehüben,  und  noch  heute  herscht  in  den  mundarten  vielfach 
schwanken  zwischen  der  a-  und  ?-form,  wie  ein  vergleich  der 
ausführungen  von  Friedrich  s.  51  und  54  zeigt.  Für  das  meist 
nur  seltene  hervortreten  der  dialektischen  >-form  ist  natürlich 
auch  der  einfluss  der  md.  Schriftsprache  geltend  zu  machen. 
Bei  aller  Sonderstellung,  die  die  obd.  Schriften  des  16.  jh.'s  ein- 
nehmen, konnte  es  doch  nicht  ausbleiben,  dass  bei  der  grossen 
schriftstellerischen  production  auf  md.  gebiet  sich  die  fäden 
des  Sprachgebrauchs  auch  schon  im  16.  jli.  nach  Oberdeutsch- 
land spannten.  Die  dialektischen  r-plurale  reichen,  ungeachtet 
des  Zeugnisses  der  grammatiker,  im  wesentlichen  nur  bis  zu 
dem  anfang  des  17.  jh.'s.  Spreng  ist  da  der  typus  der  obd. 
Schriftsprache.  Greflinger  und  Birk  sind  ganz  mit  dem  md. 
schriftusus  vertraut.  Schliesslich  wird  durch  die  Übereinstim- 
mung der  schriftsprachlichen  Verhältnisse  mit  dem  Sprach- 
gebrauch der  md.  denkmäler  bestätigt,  dass  unsere  Schrift- 
sprache in  betreff  des  r-plurals  der  neutra  ganz  in  dem  md. 
Sprachtypus  wurzelt. 

Der  r-plural  der  masculina. 

Ich  nehme  hier  gelegenheit,  auf  den  r-pl.  der  masculina 

zurückzukommen,  da  ich  einige  wichtige  belege  nachzutragen 

habe  (vgl.  Beitr.  27,  242  ff.). 

mann:  für  den  phiral  mann  er  bietet  den  weitaus  frühesten  beleg 
eine  Urkunde  vom  jähre  1340  in  dem  Speyrer  urkundenbuch :  »ine  kint  laid 
iochiermenre  413.  414  und  dp.  sinen  Tcindcn  unde  sinen  iochiermenren  414. 
Sonst  erscheint  nur  dp.  mannen  429  (1344),  hurgmannen  455  (1349),  gp. 
mit  der  viertzchen  ai  daß  wannen  ingesigell  503  (1350).  Die  r-l)ildung  ist 
für  jene  frühe  zeit  überraschend,  zumal  der  r-\i\.  linder,  weiher  in  jener 
zeit  erst  selten,  in  den  Speyrer  Urkunden  überhaupt  nicht  hervortritt. 
Gleichwol  ist  auch  hier  schon  eine  formenübertragung  von  den  genannten 
neutralen  r-pluralen  anzunehmen;  denn  es  ist  sicher,  dass  die  >--plurale  im 
munde  des  Volkes  eher  als  in  der  schrift  lebendig  waren,  und  es  ist  wol  ein 
Zufall,  dass  der  pl.  tochtermänner  in  jenen  Urkunden  sich  vor  dem  r-plural 
der  begrifflich  verwanten  neutra  einstellt.  Der  r-pl.  erscheint  im  15.  jh. 
schon  im  Decam.  11,  35.  52,  2G.  201, 19  und  ohne  nmlaut  manner  ebda.  10,  27. 
G41,  20,   ferner  bei  Rothe  pl.  menner  34.  90,    dp.  mennern  G62.    Der  Ale- 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II.  359 

manne  Boner  zeigt  noch  um  die  mitte  des  16.jh.'s  abueigung  gegen  die 
r-form:  np.  viwtn  Boner,  Just.  69,  np.  menner  ebda.  68  und  dp.  iren  mannen 
gehorsam  sein  ebda.  68.  71,   von  aufslendisehen  mannen  Oros.  15. 

Der  w-pl.  mannen  ist  im  Morg.  21, 16.  174,37.  269,33.  235,37  neben 
den  napl.  Iwnden  314, 4,  diehen  217, 22.  234, 23.  35.  322,  17  imd  den  pl. 
hruodeni  und  hräedern  14,10.  17,24;  17,5.  35,4  u.  ö.  anzutreffen.  Schon 
aus  dem  dat.  pl.  mannen  entsprungen  betrachte  ich  die  «-form  bei  Hock 
79.  87  u.  ö.  neben  dem  r-pl.  70.  89. 

bösewicht:  dp.  gottshöfswichten  Nass,  W.  160,  np.  böfswichtt  Krafft 
140,  np.  hofse  wichte  Rothe  167,  r-pl.  Luther  23.  369.  Lehms  166. 

gott:  dp.  goten  Rothe  237.  Während  bei  Luther  der  r-pl.  schon  häufig 
anziitreffen  ist  und  bei  Eyb  und  Aventin  allgemein  ist,  hat  Boner  noch  den 
■i-,  a-pl.  neben  dem  r-ph :  np.  göt  Just.  32,  dp.  götten  ebda.  13.  67.  77,  dp. 
ahgötten  Oros.  14;  äji.  gölten  ebda.  64. 

hundsfott:  pl.  hundsvötter  Lessiug  1,641. 

leib:  aus  dem  16.  jh.  noch  einen  beleg  für  den  r-pl.:  ap.  iei&er  Riccius, 
P.  G.  123  neben  nagp.  leihe  P.  G.  53.  109.  164.  Dann  gleich  zu  beginn  des 
17.jh.'s:  r-pl.  bei  Spreng,  IL  17*.  18*.  292  u.  ö.,  dp.  Ze/ieru  Krafft  39.  Später 
pl.  leiher  Opitz,  Arg.  98.  Birk  210. 

rand:  r-pl.  Riccius,  P.  G.  98,  dp.  an  den  ufern  und  rendern  ebda.  70 
und  dp.  rendern  oder  ufern  bei/  dem  ivasser  G.  85,  vgl.  nuch  den  rant  am 
tvasser  P.  G.  5. 

Strauch:  pl.  Sträuche  Grefl.,  V.g.  43,  dp.  lorhersträuchen  ebda.,  W.1.48, 
anh.,  np.  streuche  Riccius,  G.  88,  ap.  sträucher  Buchholz  141  und  dp.  Sträuchen 
ebda.  55,  dp.  sträuchern  Lehms  251.  590. 

wald:  pl.  ioeld{e)  Haimk.  108,22.  111,35.  Boner,  Oros.  103.  Spreng, 
Aeu.  99.  266.  II.  224.  277.  Rothe  468.  Kantzow  71.  248.  282.  Hocker.  1,  336. 
2, 100.  Aus  dem  15.  und  16.  jh.  habe  ich  bei  Eyb,  Mathesius  je  eine  r-form 
des  pl.  belegt  (Beitr.  27,  252).  Bei  Riccius,  Buc.  80.  90  u.  s.  av.  ist  der  r-pl. 
bereits  herschend;  nur  der  dat.  pl.  hat  noch  oft  seine  2-form  gewahrt,  vgl. 
s.  351.  —  Aus  dem  anfang  des  17.  jh.'s  dp.  wäldern  Hock  80  und  dp.  hols- 
loälder  Krafft  82. 

wurm:  pl.  ivürm{e)  Nass,  W. 40.  Albert.  61.  Grefl.,  V.g.  19.  42.  43. 
W.  1.  68,  anh.  —  r-pl.  Grefl.,  V.  g.  17.  20.  38.  43.  W.  1. 16,  anh.  —  np.  erd- 
loirm  Krafft  81,  np.  ivürm,  dp.  wärmen  Spreng,  IL  314.  268.  —  r-pl.  Rice, 
P.  G.  140.  Opitz,  Kr.  95.  Buchh.  191,  dp.  wurmen  ebda.  42.  —  r-pl.  Hocker. 
1,  397. 

Es  wären  also  alle  masc.  Wörter,  deren  r-pluralbildung- 
auch  in  der  Schriftsprache  aufnähme  gefunden  hat,  in  dieser 
neuen  form  bereits  im  16.  jh.  hinlänglich  belegt. 

Ich  schliesse  gleich  die  dialektischen  r-pl.  des  masc.  an: 

bach:  die  bächer  oder  fliessende  wasserströme  sind  stille  gestanden 
oder  versigen  Rice,  G.  78,  an  den  bechern  oder  ufern  G.  142,  an  den  grünen 
bechern  P.  G.  113,  ap.  bächer  P.  G.  5. 

blitz:  vil  plitzer  Spreng,  Aen.  48,  ausnähme!    Sonst  stets  pl.  blitz. 

24* 


300  MOLZ 

•lärm:  n\>.  rlärmer  Opitz,  Kr.  5G,  vpfl.  n:\i). ///''/•»)  Hainik.  122, .').  12"),  2r>. 

doru:  r-pl.  Albert.  ö8.  85.  Birk  \)d.  Grell.,  ^'.  g.  4,  d\).dunic)i  ebda.  18L5. 

halm:  pl.  helmer  Rice,  G.  35  neben  pl.  höhnen  Rice,  G.  22  2  m.  und 
aj».  halm  ebda.  55.  56,  vgl.  Beitr.  27,  219. 

hals:  k/n  iren  heißem  fur  uho  feiver  Rotbe  neben  ap.  heiße  ebda.  3G0 
und  dj).  heißen  125. 

hinterlialt:  dp.  hinierhälter  Kantz.  71. 

kloss:  ap.  klösser  Rice,  G.  18.  117,  np.  erdenldüsser  ebda.  18  neben 
np.  erdenklösse  ebda.  21.  lU.  117,  »--pl.  Gottsched. 

klotz:  dp.  klötzern  Rice,  P.  G.  97,  vgl.  &\}.  gold  klotzen  vnnd  schollen 
Boner,  Jvist.  119. 

mund:  pl.  münder  Scbaideur.  99  neben  pl.  münd  ebda.  15  und  Alber- 
tinus  150. 

pfropf:  ap.  pfröpffer  Rice,  G.  87  (= 'propfreiser'). 

Unflat:  pl.  vnfläter  Nass,  H.  250. 

Nach  Friedrich  s.  47  conceutriert  sich  der  gebrauch  der 
masc.  r- formen  auf  das  bair.-ostfränk.  und  auf  das  thüring.- 
obersächs.,  während  das  aleni.  und  schwäb.  auffallend  wenig 
mit  r-pluralen  beteiligt  sind.  Bestätigt  wird  diese  erscheinung 
der  mundarten  durch  meine  citate.  Der  pl.  leiher  geht  von 
ostfränk.  gebiet  aus,  und  der  pl.  icälder  begegnet  vereinzelt 
bei  Eyb  und  unternimmt  seinen  siegeszug  von  den  ostuid. 
Schriften  eines  ]\rathesius  und  Riccius.  Auch  die  belege  für 
die  pl.  dörner,  hähner  gehören  dem  von  Friedrich  angegebenen 
gebiet  au.  Auch  die  frühen  belege  für  den  pl.  götter  ent- 
stammen dem  ostfränk.-bair.  und  ostmd.  gebiet. 

Aus  meinen  citaten  geht  aber  ferner  hervor,  dass  das  ost- 
md. Sprachgebiet  am  fi-ühesten  die  ausdehnung  des  r-pl.  auf 
das  masc.  bewerkstelligt  hat.  Das  zeigen  die  citate  zu  mann, 
hösewicht  und  tvurm,  wo  bei  gleichzeitigen  denkmälern  das 
obersächs.-thüring.  zuerst  den  r-plural  aufweist.  Und  gerade 
wie  das  schwäb.-alem.  beim  neutralen  r-pl.  über  den  rahmen 
der  Schriftsprache  hinausgegangen  ist,  sehen  wir  bei  autoren 
ostmd.  herkunft  dieselbe  erscheinung  beim  masc.  r-plural. 

"\\^enn  die  pl.  hächer,  därmer,  dörner,  hälmer,  Jdösser,  Idötser 
nicht  in  die  Schriftsprache  aufgenommen  wurden,  so  muss  das 
an  dem  widerstand  des  westmd.  (fränk.)  Sprachgebiets  gelegen 
sein.  Dort  sind  nach  Friedrich  s.  48  die  schriftsprachlichen 
r-i)lurale  und  die  pl.  sträncher,  dörner  heimisch,  während  die 
übrigen  dialektischen  »--formen  auf  das  ostmd.  gebiet  beschränkt 
bleiben.    Westmitteldeutschland  hat  sich  noch  im  laufe  des 


NHD.    SUBSTANTIVFLEXION.   IL  361 

16.  jh.'s  bemülit,  besonders  im  hinblick  auf  bewalirimg  des  end-e, 
seine  Schriftsprache  der  des  östlichen  gebietes  anzunähern. 
Dadurch  war  eine  schriftsprachliche  form  geschaffen,  die  sich 
kaum  von  der  Luthers  und  der  anderen  autoren  jener  östlichen 
gegenden  unterschied,  und  formbildende  einflüsse  auf  die  heutige 
Schriftsprache  konnten  von  ihr  sehr  wol  ausgehen. 

II.  gruppe.     Der  r-plural  der  ja-stäiaxae  mit  einschluss 
der  mit  ge-  abgeleiteten  f«-stämme. 

1)   Der  schriftsprachliche  r-plural. 

Die  Verbreitung  des  r-pl.  auf  die  j«- stamme  ist  im  mhd. 
nur  sehr  selten  vorgekommen  (Paul,  Mhd.  gr.  §  123,  anm.  2). 
Im  nhd.  sind  an  dieser  Verschiebung  beteiligt:  amt,  hild\ 
gemüt,  geschlecht,  gesicht,  gespenst  und  die  mit  ge-  ab- 
geleiteten Wörter  nach  der  a-declination:  glied,  gemach,  ge- 
tvand.  Die  letztgenannten  neutra  ziehe  ich  mit  in  die  be- 
trachtung  des  r-pl.  der  mit  ge-  abgeleiteten  ja-stämme  hinein, 
weil  die  änderung  ihrer  form  mit  der  der  j«-stämme  band  in 
band  gieng.  Nur  amt  und  glied  weisen  schon  im  mhd.  r-plurale 
auf,  die  in  besonderen  umständen  ihre  begründung  finden. 

Die  ja-stämme  wurden  durch  ihre  flexion,  die  nur  im  gen. 
und  dat.  sing,  mit  der  der  5 -stamme  übereinstimmte,  zurück- 
gehalten, einen  r-pl.  zu  bilden.  So  lange  nicht  die  form  des 
nom.  acc.  sing,  durch  apokope  mit  den  «-stammen  in  einklang 
gebracht  wurde,  konnte  bei  der  geringen  macht  der  obliquen 
casus  des  Singular  eine  r-form  nicht  hervortreten.  Die  mit 
ge-  abgeleiteten  a-stämme  waren  ebenfalls  für  den  r-pl.  in  der 
älteren  zeit  unempfänglich,  wenn  auch  ihre  flexion  im  singular 
mit  den  5-stämmen  gleich  war.  Das  bildungspräflx  ga-,  das 
die  abgeleiteten  a-  und  ja-stämme  vereinte,  schützte  sie  gegen 
die  einwirkung  des  r-plurals.  Ich  gebe  zunächst,  nach  dia- 
lekten  getrennt,  die  geschichte  der  flexion  dieser  Wörter,  soweit 
mein  teilweise  dürftiges  material  das  vermag,  und  füge  im 
einzelnen  einige  hinweise  über  förderung  und  hemmung  des 

r-plurals  hinzu. 

amt: 

mhd.  amhciMe,  amhehte,  ammeht,  ambet,  ammet,  mnht,  ampt,  amt.  Ausser 
vereinzeltem  gs.  amechiis  und  as.  amecht  in  der  Thüringischen  chronik 
568.    593    (neben    amptmanne   662)    haben    sich    in   nhd.    zeit    nur   die 


3G2 


MOLZ 


formen  amht,  amjit,  amt  fortgesetzt.  Die  letzte  form  tritt  in  der  älteren 
zeit  noch  ganz  zurück.  Der  c-lose  nominativ  gestattete  früh  auf  dem  ganzen 
gebiet  dem  r-plural  eintritt. 


1)  f-pl.  Weizs.  1  (1374) 

2)  «-rl.   (dp.)  Urkb.  Fr.  2, 114. 
(1397)  4  m.  Pauli  1  m. 

3)  a-pl.  Decam.  410,  31 


177 


4)  a-pl.  (dp.)  Eosenbl.*  Eyb,  E.  33,  20. 
43, 24.  (dp.)  AVihv.  17.  l'J5.  (up.) 
ebda.  18 

5)  . . .  zu  grossen  ampten  und  ehren 
. . .  iviU  heßrdert  werden  Hock  45 

6)  fl-pl.  Dal.  35,  O'^.  36,  4*.  Trkb.  L. 
410  (1475)  3  m.,  e-pl.  ebda.  409, 
fl-pl.  (dp.)  Urkb.  Arn.  (1496),  a-,  e- 
und  /-pl.  Luther,  a-pl.  Jonas  1541 
2  m.  {=  gp.  kirchenamt) 

7)  e-pl.  Purgoldt  2  m. 


r-pl.  I'rkb.  E.  7,  6G4  (1359).  Chmel  211 

(1500)  U.S.W.  Aventin 
r-pl.  L'rkb.  Fr.  1,  541   (1368).    Stretl. 

ehr.  73, 22.  100, 27  u.  ö.  Pauli  oft 
r-pl.  Tünger.  Augsb.  4,  172,  20.   22. 

ebda.  5, 115,  7.  Zimm.  ehr.  allg. 
r-pl.  amhteren  "Wilw.    (dp.).    Nümb. 

5,  786, 14.  Ayrer 

r-pl.  Chmel  (1495)  a.  Worms   (dp.). 

Alberus.  Hock 
r-pl,  Luther.  Jonas.  Mathesius.  Rice, 

G.  152.  153.  P.  G.  117 


r-pl.  Kautz.  124.  201. 


Auch  ohne  umlaut  erscheint  die  r-form  nur  bei  Luther,  Kantzow  124 
und  Riccius,  G.  152.  153.  Diese  erscheiuung  findet  ihre  erklärung  in  dem 
auch  von  Luther  gebrauchten  /-plural  des  wortes:  zum  pl.  ampt{e),  empte 
bildete  man  ampter,  empier.  Der  nicht  umgelautete  r-pl.  ampier  bleibt  auf 
Liither  uud  die  ihm  nahestehenden  Kantzow  und  Riccius  beschi-änkt:  in 
Oberdeutschland  ist  die  form  nicht  anzutreffen.  Wol  ist  aber  in  Ober- 
deutschland der  pl.  haupter  vertreten,  weil  die  formen  das  haupt,  heupt 
auf  dem  ganzen  .Sprachgebiet  nebeneinander  hergiengen,  während  der  f-pl. 
emptc  eine  rein  md.  form  ist,  die  mir  nur  bei  Luther  entgegengetreten  ist. 
Dies  noch  zur  begründung  meiner  auffassung:  der  umlaut  herscht  sonst 
durcbgehends  in  dem  r-pl.  der  einfachen  Wörter  mit  umlautsfähigem  vocal, 
und  wenn  sich  dann  zu  umlautslosen  formen  (amptrr,  haiqjtcr)  erklärnngen 
bieten,  wie  ich  sie  versucht,  scheint  mir  ihre  zulässigkeit  auf  sicherem 
gründe  zii  stehen.  —  Eine  ähnliche  contamination  liegt  vor  in  as.  hole  n. 
Rice,  P.  G.  147  und  da^  hol  Schaidenr.  38.  51  neben  da^  hol  ebda.,  vorr.  6. 38. 

bild: 
mild,  hilde.    Bei  den  citateu  kürze  ich  mannshild  und  iceihshüd  durch  m. 
und  IC.  ab. 


1)  a-pl.  B.d.uat.  4,33.  34.  Aventin 
2, 259, 9,  m.  Schaidenr.  27,  (dp.)  lo. 
ebda.,  vorr.  6 

2)  fl-pl.  Wyle  2m.  (dp.)  Pauli,  (dp.) 
w.  Boner,  Just.  107.  (dp.)  Seb.  Mün- 
ster 1  m. 


r-pl.  Avent.  1,604,8.  666,15.  2,274,1. 

Schaidenr.  12,  tv.  ebda.  80.  96,  r-pl. 

Nass,  W.  65  u.  ö.  Albert.  62 
r-pl.  Boner,  Just.  33.  Gros.  30.  99.  Seb. 

Münster  Im.  "\Volfh.Spangenb.204. 

240 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II. 


363 


3)  a-pl.  Asop  71 


r-pl.  Decain.  636,  2,  iv.  Zimm.  ehr.  1, 
312, 85,  r-pl.  Spreng,  Aeu.  127.  Krafft 
72.  176.  386 

r-pl.  w.  Sachs  20, 166, 15,  m.  ebda. 
16, 141,  82,  götterbüder  ebda. -415,  3, 
7)1.  Ayrer 

r-pl.  Dieteub.  1  m.  Faustb. 

v-pl.  Luther.  Luther,  Bibel  v.  45.  Ma- 
thesius  allg-.,  iv.  ebda.  1  m.  Kicc, 
Buc.  37.  P.  G.  8.  157  u.  ö.,  tv.  Cyr. 
Spangenb.  40,  r-pl.  Zeseiil42.  Buch- 
holz 


4)  a-pl.  Roseubl.  Folz,  w.  Wilwolt 
88,  m.  Sachs  16,98,35  (dp.),  lo. 
Ayrer 

5)  a-pl.  Dieteiib.  1571  2  m. 

6)  e-pl.  Eothe  19. 156,  a-,  e-pl.  Luther 
meist,  e-pl.  (dp.)  Luther,  Bib.  v.  45. 
(dp.)  Mathesius  4  m.  (dp.)  iv.  ebda. 
1  m.,  a-pl.  Blanckenb.  23,  e-pl.  vor- 
bilde Cyr.  Spaugenb.  145,  vorbilde 
Leibnitz,  LTnv.  ged. 

7)  e-pl.  Kantz.  50.  (dp.)  Hocker.  2,  58      r-pl.  Kantz.  238  2  m.    (dp.)  Hocker. 

2, 62.  78. 
HS.  bild,  pl.  bilde,  bilder  noch  Pölmann  1671. 
Die  letzten  a-,  e-formen  haben  sich  in  der  composition  gehalten.  Mit 
dem  ende  des  16.jh.'s  ist  der  /'-plural  herschend,  wenn  auch  die  form  des 
nom.  sing,  noch  lange  nicht  die  ja-gestalt  durchweg  aufgegeben  hat.  — 
Auf  das  eindringen  des  r-plurals  wirkten  die  gleichzeitigen  bilduugen  ab- 
götter,  götter  fördernd  ein;  vgl.  z.  b.  eusserlicJie  bilder  oder  abgötter  Nass, 
W.  65,  pl.  abgötter,  bilder  Boner,  Oros.  99. 

glied: 
mhd.  gelit,  glit.    Die  volle  form  hat  sich  bis  spät  ins  16.  jh.  gehalten.    Schon 
mhd.  bestand  der  pl.  gelider,  glider  neben  dem  o-pl.  gelit,  glit,  weil  das  ein- 
fache subst.  lit,  lides  mit  derselben  bedeutung  einen  r-pl.  bildete. 


1)  a-pl.  Suchenw. 


2)  a-pl.  (dp.)  Manuel  1  m.* 


3)  a-pl.   Mich.  Beb.* 
165.  204.  265.  341 


4)  a-pl.  Folz  6  m. 


Asop  163.  164. 


6)  a-pl.  Matth.  v.  Beh.,  M.  5,  29.  30. 
(g-^.glede)  Rothe298,  a-,  e-pl.  Luther 


r-pl.   B.  d.  nat.  3,  6.    17,33    u.s.w. 

Suchenw.    Aventin.    Schaidenr.  39. 

Albert.  14 
r-pl.  U.  Boner.  Stretl.  ehr.  100,  29  u.  ö. 

Pauli.  Haimk.34,3.  178, 35.  Manuel. 

Boner,  Just.  41 
r-pl.   Decam.  190,31.   578,26.    Äsop 

216.  270.    Füeterer.    B.  d.  beisp. 

Tünger  132.    Spreng,  H.  192.  199 

u.s.w. 
r-pl.    Rosenbl.    Folz  4  m.    Eyb  2  m. 

Wilw.  3  m.  Nürnb.  5,  621,  6.  Ayrer 
r-pl.  (dp.  gelidirn)  Dal.  52,  38.  Luther 

meist.  Rice,  G.  100.  P.  G.  80. 


Meist  ist  die  verkürzte  form  üblich.  Doch  erscheint  immer  wider  zu- 
weilen die  volle  form  gelider:  ^l.  gelider  Schaidenr.  95,  glider  ebda.  39.  Im 
Asop  und  Decameron  ist  sogar  nur  die  volle  form  anzutreffen:  pl.  gelid, 
gelider.  Auch  noch  Riccius  wendet  gelieder  G.  100  im  Wechsel  mit  glieder 
P.  G.  80  an.  Und  noch  für  Spreng  ist  die  volle  form  nicht  erloschen:  gelider 
Ilias  189*. 


364  MOLz 

gemach: 
nihd.  gemach  m.  n..   im  sinne  von  'zimmer,  wohnuug'  gewölinlich   neutr.; 
pl.  gemach,  gcmcch  Lexer  1,832.    Das  wort  schwankt  auch  in  nhd.  zeit 
noch   in   seinem   geschlecht,   nnd   die   flexion  weist  deshalb  verschiedene 
formen  auf: 

1)  ?-pl.  Schaidenr.  28.  95,  gemach  m.      r-pl.  Albert.  50,  gemach  n.  ebda.  57, 
ebda.  4,  schlafgemach  m.  ebda.  80  /'-pl.  gold  —  Birk  7Ü* 

2)  a-pl.  Bouer,  Oros.  108.  Fischart  n. 
DWb.  4, 3137 

3)  gemach  m.  Füet.  127,    gemach  n.      r-\\\.  (dp.  gemacheren)  Hen.  151)7 
Zimm.  ehr.  316,  31,     gemach    m. 

Spreng,  11.22,  ?-pl.  Spreng,  Aen.  33. 
II.  21,  gemach  n.  Heuisch  1180, 
/-pl.  ebda.,  a-pl.  ebda.  Kraift  Gß 

4)  «-pl.  Wihv.  198.   Sachs  16, 219, 7. 
Ayrer 

5)  n-pl.  Faustb.  64, 16  (dp.).  Zincgref 
n.  DWb. 

6)  a-pl.  Rothe  41.  Luther,  (dp.)  Rice,      r-pl.  Schottel.   Weise  7.  Buchh.  446. 
G.  149.  (dp.)  Cyr.  Spaugenb.  20  Lehms  410.  570.  607. 

Die  umgelauteten  formen  gehen  auf  das  raasc.  geschlecht  des  Avortes 
zurück  und  haben  in  dem  pl.  getcält  Boner,  Oros.  18.  Tünger  112  ein  tref- 
fendes Seitenstück.  Im  17- jh.  erst  ist  die  ;-furm  allgemein  geworden,  und 
in  edlerem  stile  ist  der  pl.  gemache  noch  heute  zulässig. 

gewand: 

Der  ?--pl.  gexcünder,  der  durch  den  pl.  Ucider  angezogen  worden  ist, 
erscheint  schon  in  der  Stretl.  chronik:  ap.  mefsgcwemler  38,28  und  ds.  ge- 
wand im  collectiven  sinne  ebda.  86,4.  Aus  dem  15. jh.  sind  anzumerken: 
pl.  geu-ande  Decam.  350,  4,  pl.  messgewant  Rothe  628.  Aus  dem  16.  jh.  kann 
ich  nur  pl.  die  mef^sgeicant  Aventin  2.  284,  6  belegen.  Aus  dem  17.  jh.  stehen 
mir  wider  zwei  citate  zur  Verfügung:  ap.  des  manncs  Ideydcr  und  gewand 
Spreng,  Aen.  79*  und  pl.  messgeicanler  Simpl.  379.  Im  18.  und  19.  jh.  ist 
nach  Gortzitza  die  r-form  regel,  wenn  auch  die  dem  gehobenen  stil  noch 
heute  eigene  form  gcivaude  bei  Klopstock,  Mess.,  Goethe,  Schiller,  Lenau, 
Tieck  u.  a.  begegnet. 

In  der  älteren  zeit  ist  das  wort  im  \i\.  zweifellos  selten  gebraucht 
worden:  Luther  kennt  keinen  pl.  des  wertes,  und  der  grammatiker  Clajus 
setzt  es  in  die  gruppe  von  Wörtern,  die  der  mchrzahl  überhaupt  entbehren. 
Für  das  beharren  der  «-form  mag  das  Vorhandensein  des  nomen  agentis 
gewander,  gewender  (vgl.  geivender  Heiliges  namenbuch  [Eis.  literaturd.  1] 
V.  459  und  altgewander  Frkb.  d.  st.  Sp.  485  [1350].  Henisch  1593)  einen  ge- 
wissen einfluss  ausgeübt  haben.  Bemerkenswert  ist  schliesslich  noch  die 
tatsache,  dass  der  r-pl.  in  der  älteren  periode  nur  in  der  compositiou  Hies.s- 
gewand  hervortritt,  und  ausserdem  ist  zu  bemerken,  dass  das  alem.  gebiet 
weitaus  am  frühesten  ziu-  bildung  der  paragogischou  form  vorgeschritten  ist. 


NHD,   SUBSTANTIVFLEXION.   II. 


365 


gemüt: 

1)  «-pl.  Schaidenr.  79,  e-pl.  ebda.  4, 
a-pl.  Seb.  Frank  u.  DWb. 

2) 


3)  e-pl.  Decam.  598,  7.  625,  30,  a-pl. 
B.  d.  beisp.  142, 33  (dp.).  Timger  86. 
146 


r-pl.  Morg.  150, 14.   Boner,  Oros.  95. 
Sali.  38.  Simpl.  517 

r-pl.  Henisch  1489 


6)  e-pl.  Luther 


r-pl.  Sachs  16,  234,  7*.  Ayrer 

r-pl.  Eicc,  G.  69.  Opitz,  Arg.  64.  16. 

31.  Kr.  40.  Zesen  207.  458.  Buchh. 

38.  Weise  4.  Lehms  95.  106. 

Das  alem.  gebiet  ist  der  entwickelung  bei  den  Ostmitteldeutschen  um 
rund  50  jähre  vorausgeeilt. 

geschlecht: 

1)  a-pl.  Avent.  1,589,13.  603,6.  (dp.)      r-pl.  Avent.  2  m.  n.  Kehrein 
Seb.  Frank,  e-pl.  (gp.)  Albert.  189, 

M-pl.  (gp.)  ebda.  23 

2)  a-pl.  Stretl.  ehr.  2  m.  (dp.).  Manuel 
1  m.*  (dp.).  Brant.  Pauli  2  m.  Boner, 
Oros.  72.  Just.  71.  (dp.)  Seb.  Münster 

3)  a-pl.  Decam.  35, 4.  392,  8.  515, 28. 
635, 38.  (dp.)  Äsop  273.  (dp.)  Füet. 
127.  (dp.)  B.  d.  beisp.  (dp.)  Zimm. 
ehr.  27,  7.  61, 17.  dp.  den  geschlech- 
ten nach  Henisch  1540 

4)  o-pl.  Rcsenbl.  Folz.  Eyb  6  m.  (dp.) 
Wilw.  4.  50,  «-pl.  (gp.)  Sachs  16, 
431, 18*,  a-pl.  Ayrer* 

5)  a-pl.  Wicel3m.  Dietenberger  1571, 
a-,  e-pl.  Stade  169.  172.  176,  a-pl: 
(dp.)  Spee 

6)  a-,  c-pl.  Luther.  Eebhuhn*,  alle  — 
Rice,  P.  G.  127,  o-pl.  (dp.)  Opitz, 
Arg.  100 

7)  o-pl.  Kantz.  64,  alle  —  Hocker.  2, 
241,  rt-pl.  (dp.)  Dach  145.  204*. 

Die  grammatiker  Hempel  und  Nast  lassen  noch  den  pl.  geschlechte 
neben  der  r-form  gelten.    Dichterisch  ist  die  alte  form  noch  heute. 

Am  frühesten,  nämlich  ganz  zu  beginn  des  16.  jh.'s,  setzt  sich  die 
r-form  im  ostfrtänk.  fest,  und  in  allen  gegenden  Oberdeutschlands  tritt  die 
;--form  noch  vor  dem  tode  Luthers  hervor,  dem  sie  ganz  fremd  ist.  Erst  bei 
Kiccius  (1571)  erscheint  die  erste  r-bildung. 


r-pl.  Seb.  Münster  (1544).  (dp.)  Fi- 
schart, Garg.  DWb.  4,  3904 

r-pl.  Zimm.  ehr.  7,33.  16,33  u.s.w. 
Spreng,  Aen.  17.  Henisch  1540. 
Krafft  413 


r-pl.  Wilw.107  (dp.).  Nürnb.5,791,22. 
Sachs  16,  325,  20.  20, 256,  4 


r-pl.  Rice,  P.  G.  125.  Opitz,  Arg.  107 
(dp.).  Zesen  322.  338. 


366  MOLZ 

gesiebt: 

1)  an  —  u.  (jcsicht  n.  Albert.  177. 193      r-pl.  an  —  Schaidenr.  87,  an  —  Seb. 

Frank  1539 Cdp.),  an—  Albert.  51, 
nacht  —  Ilorib.  v.  Salurn 

2)  «-pl.  (=  'träume")  Stretl.cbr.91,8,  r-pl.  an  —  Bouer,  Sali.  28  (<lp.),  an  — 
gesteht   f.   Boiier,   Oros.  73,    a-pl.  Simpl.  111 

(=  'träxime')  W.  Spangenberg  10-t, 
c-pl.  (= 'träume")  Simpl.  354 

3)  a-pl.  Decam.  171,20.  393,1  (flp.),      r-pl.  an  —  Spreng,  Aen.  127 
nacht  —    Friscblin    1  m.*,     H-pl. 

('träume')  Hen.  1561  zu  ns.  gesteht 
f.  ebda. 

4)  a-pl.    ('träume')    Eyb,  E.  89,  17.      r-pl.  Ayrer 
(dp.)   an  —  Sachs  16,  291,  38.  (dp.) 

(=  'larven')  Ayrer* 

5)  r-pl.  an  —  Dietenberger,  r-pl.  Faustb. 

6)  a-,  e-pl.  Luther,  a-,  e-pl.  an  —  r-pl.  an —  Rice,  G.  137,  r-pl.  Opitz, 
Luther,  e-pl.  (='träiTme')  Mathes.  Arg.  5.  61.  Zesen  108.  Buchholz 
2  m.,  e-pl.  äffen —  Weise  3  24.  Weise  69,  äffen  —  ebda. 

7)  a-pl.  4,  7  an  —  Kantz.  83. 84,  a-pl.  r-pl.  Jul.  v.  BraunschAV. 
(=  'träume')  Hocker.  1, 13 

Wie  aus  den  citaten  zu  entnehmen,  war  der  «-pl.  im  sinne  von  'traum- 
erscheinungen'  meist  lebendig  geblieben:  poetisch  ist  die  form  noch  heute 
üblich.  Indes  ist  der  unterschied  zwischen  pl.  gcsichte  und  gesichtcr  nicht 
so  fest,  wie  gelegentliche  Vermischungen  zeigen:  sanfter  rührender  schmerz 
deckt  ihre  gestellte  Klopstock,  Mess.  und  ich  habe  seit  einigen  nachten 
sckrecJcliche  gesicJiter  gehabt  Klinger. 

Es  ist  kein  zufall,  dass  der  r-plural  sich  zuerst  in  angesicht  einnistet. 
Im  rnhU.  gesihte  überwog  der  begriff  des  gesiebtes  als  sinn;  dann  bedeutete 
das  wort  noch  'vision,  träum,  erscheinung'.  Alle  diese  anwendungsweisen, 
die  sich  noch  bei  Henisch  in  voller  klarheit  ausgeprägt  zeigen,  waren  wenig 
geeignet,  das  wort  dem  r-pl.  zuzuführen.  Die  erste  bedeutung  kehrte  mehr 
den  singularen  gebrauch  hervor,  die  zweite  neigte  mehr  dem  collectiven 
plural  zu.  Angesicht  dagegen  wird  schon  in  der  frühesten  zeit  unserer 
periode  nur  noch  in  dem  sinne  von  aniläz  gebraucht,  während  es  in 
jüngerer  zeit,  durch  gesicht  vertreten,  mehr  in  den  hintergrund  gedrängt 
worden  ist.  Sein  r-pl.  stimmte  trefflich  zu  der  durch  die  r-bildung  a\is- 
gedrückten  function;  er  fasste  die  eiuzelerscheinungen  in  ihrer  individuellen 
art  zusammen. 

Auch  hier  sei  wider  festgestellt,  dass  der  r-jd.  auf  bair.-alom.  bodeu 
den  Zeitgenossen  Luthers,  Schaidenreisser,  Seb.  Frank,  Boner,  vertraut  ist, 
während  Luther  selbst  noch  nicht  zum  r-pl.  vorgeschritten  ist. 

gespenst: 
Es  ist  das  letzte  in  der  reihe,  und  es  ist  das  letzte  beim  übertritt  zum 
r-plural.    Mit  unrecht  habe  ich  früher  den  r-pl.  gespenstcr  neben  anderen 


NHD.   SUBSTANTIV  FLEXION.   II.  367 

als  stütze  für  eleu  pl.  geister  citiert  (Beitr.  27,  249).  Vielmehr  miiss  ich 
hier  den  r-pl.  geister  anrufeu,  um  die  r-bilduug  des  siunverwanten  ja-stammes 
aufzuhellen.  Das  wort  wird  in  der  älteren  zeit  meist  im  collectiveu  plural 
gehraucht  wie  gestellte,  und  dieser  umstand  ist  schuld  au  dem  späten  ein- 
dringen des  r-plurals:  1)  «-pl.  Schaidenr.,  vorr.  3,  voll  von  gespenst  und 
geistern  ebda.  87,  ap.  gespensie  Verl.  Europ.  242;  noch  Dorublüth  hat  den  alten 
plural  aufrechterhalten.  —  3)  gespenst  schrecken  äugen  und  herzen  und 
vertrih  alle  böse  gespenst  Henisch  1566.  —  4)  gp.  gespensten  Sachs  20, 
455,  9.  —  5)  pl.  gespenste  Faustb.  106,  9,  —  6)  a-pl.  Luther,  e-pl.  Eicc,  G. 
76.  78.  P.  Gr.  150,  np.  die  gespenst  und  geister  Opitz,  Kr.  95,  dp.  gespensten 
Lohenstein,  allerlei/  böse  gespenst  Hocker.  1,  92,  np.  gespenste  ebda.  2,  57. 
103,  dp.  gespensten  ebda.  2,  7. 

Nach  dem  DWb.  4,  4140  findet  sich  der  pl.  gespenster  bei  Widmann, 
Faust  (Hamb.  1599).  Simpl.  1,616.  618  und  öfter  im  17.  jh.  Meine  citate 
beweisen  nur  die  abwesenheit  der  r-form  im  16.  jh.,  aber  auch  im  17.  war 
der  r-pl.  noch  nicht  ganz  allgemein,  wie  die  beispiele  aus  Henisch,  Opitz, 
Lohenstein  und  aus  dem  Verl.  Europ.  dartun,  und  noch  Klopstock  gebraucht 
widerholt  im  Mess.  den  pl.  gespenste. 

Ein  überblick  über  die  r-bildimgen  der  einfachen  ja-stämme 
und  der  mit  ge-  abgeleiteten  a-  und  ja-stämme  bestätigt,  was 
wir  schon  früher  bei  den  neutralen  a-stämmen  mit  r-plural 
beobachtet  haben:  die  >--form  ist  in  Oberdeutschland  früher 
heimisch  als  in  Mitteldeutschland.  Beweisende  belege  dafür 
bieten  amt,  gemach,  geicand  und  besonders  die  ja-ableitungen 
gemiit,  gescliUcht,  (an)gcsicht.  Dieser  vortritt  des  obd.  gebietes 
ist  in  der  gegen  ende  der  nihd.  zeit  erfolgten  apokope  der 
ja-stämme  begründet.  Die  apokope  hat  völlige  formengleich- 
heit  der  citierten  stamme  mit  den  a-stämmen  im  gefolge  gehabt, 
und  nur  die  bildungsweise  der  ^e-ableitungen  hielt  allerdings 
noch  lange  den  r-pl.  fern.  Wenn  die  ostmd.  Schriftsprache 
noch  im  16.  jh.  den  r-pl.  von  gemüt,  geschlecJd,  gesteht  aufnimmt, 
so  ist  dabei  obd.  einfluss  unverkennbar.  Wol  haben  auch  die 
dialekte  in  Mitteldeutschland  die  r-form  der  genannten  ja- 
stämme  gebildet  (Friedrich  s.  54).  Indes  ihre  bildung  liegt 
zweifellos  zeitlich  später  als  in  Oberdeutschland.  Wie  anders 
sollte  sich  das  zurückbleiben  der  r-form  bei  Luther  erklären, 
der  dem  gemeinen  manne  nach  dem  munde  gesehen.  Es  muss 
also  auch  für  die  r-bildung  der  mundarten  jener  gegenden  eine 
einwirkung  von  obd.  gebiet  angenommen  werden,  was  bei  der 
allgemeinen  continuität  der  sprachlichen  entwickelung  nicht 
wunder  nehmen  kann. 


368  MOLZ 

Das  ostmd.  spracligebiet  musste  der  r-form  besonders 
abhold  sein,  weil  die  erlialtung  des  auslautenden  e  die  ja- 
stämme  nui*  in  äusserst  dürftige  bezieliung  zu  der  declination 
der  rt-stämme  setzte.  Ueber  den  abfall  des  endungs-e  der  ja- 
Stämme  habe  ich  s.  300  ff.  gehandelt.  Oberdeutschland  hat  also 
in  der  tat  durch  seine  ausbreitung  des  r-pl.  der  ya-stämme  auf 
md.  gebiet  dazu  beigetragen,  im  singular  den  angleichungs- 
process  der  ja-ableitungen  an  die  a-stämme  zu  beschleunigen. 

Für  die  nhd.  Schriftsprache  ist  die  /--bildung  von  amt,  hild\ 
glied]  gcmüt,  gcschlccht,  gesiclit  noch  im  laufe  des  16.  jh.'s  fest- 
gesetzt worden.  Die  r-pl.  gemacher,  gespenster  sind  erst  im 
17.  jh.  eingedrungen.  Für  den  r-pl.  geuänäer  fehlt  es  mir  an 
material,  um  eine  zeitliche  bestimmuug  seines  eintretens  in 
die  Schriftsprache  vorzunehmen. 

2)  Der  dialektische  ;--plural. 
Der  dialektische  )--pl.  tritt  besonders  bei  folgenden  in 
erscheimmg:  Jcleinod,  bett,  hemd,  stücJi:  gehet,  geivölbe. 
Ich  fasse  zunächst  die  zeit  des  auftretens,  geltung  und  Ver- 
breitung der  dialektischen  >--plurale  ins  äuge  und  führe  die 
a-formen  mit  auf,  wenn  r-plurale  sich  einmischen. 

kleinod: 
uilitl.  kleinoi,  Jcleinate,  Mci'nade,  Jdcinnt,  klci)ict.    Alle  diese  furmen  haben 
sich,  abgesehen  von  dem  anslantenden  e,  im  nhd.  der  älteren  zeit  erhalten, 
lind  ich  gebe  in  der  folgenden  Übersicht  des  r-pl.  auch  den  lautwert  des 
schwankenden  vocals  au. 

1)  a-pl.  (dp.)  -e-  Schaidenr.  18 

2)  as.  -öt  Stretl.  ehr.,  o-pl.  -e-  Pauli  r-pl.  -cd-  Stretl.  ehr.,  r-pl.  -c-  Pauli 
1  m.,  rt-pl.  Haimk.  228, 27,  o-pl.  -o-  7  m.,  r-pl.  -o-  Bouer,  Oros.  107. 
Boner,  Oros.  117  109. 117,  r-pl.  -o-  und  -ü-  Oelinger 

3)  as.  -ad  Füet.  175,  a-pl.  -o-,  -a-,  -e-  r-pl.  -o-  Zimm.  ehr.  306,  3,  r-pl.  -o- 
Decam.  150, 1.  2.  6.  8.  34, 6.  87, 12  Zimm.  ehr.  120,30.  131,6  u.ö.,  r-pl. 
u.  ö.  meist -c-,  o-pl. -e- Mich. Beb.*,  -e-  Fedcrni.  18.  22.  27,  r-pl.  -ö- 
«-pl.  -e-,  -0-  Augsb.  3, 129, 2.  181, 17,  Krafft  147 

«-pl.  -0-  Spreng,  11.316.  Aen.  HO. 
113,  c-pl.  -0-  Aichinger.  Nast 

4)  ns.  -e-  Eosenbl.,  a-pl.  -e-  ebda.,  a-pl.      r-pl.  -od-  Ayrer  3  m. 
-a-  Eyb,    a-pl.  -o-  Sachs  16,  93,  7. 

295, 19.  26,  a-pl.  -od  Ayrer  5  m. 

6)  a-,  -c-pl.  ist  regel  r  pl.  -od-  Buchholz  440  vereinz. 

7)  r-pl.  -0-  Kautz.  29.  200  +  4  m. 
Zu  Kautzow  vgl.  die  zweite  mischklasse  der  ueutra. 


NHD.   SÜBSTÄNTIVFLEXION.   II. 


369 


Der  r-pl.  tritt  im  15.  jh.  nur  iu  der  Stretl.  ehr.  auf,  er  bleibt  dem  alem. 
dialekt  eigen  und  springt  dann  auf  schwäb.  gebiet  über.  Doch  bleibt  auch 
iu  diesen  beiden  gebieten  die  a-form  lebendig,  wie  sie  es  überall  sonst  ist, 
wenn  auch  einige  r-pluralformen  anderwärts  begegnen.  —  Der  oft  fehlende 
Umlaut  ist  auf  kosten  der  geringen  toustärke  des  zweiten  bestandteils  zu 
setzen. 


bett: 


1)  a-pl.  Sterz,  sp.  7, 157.  Schaidenr. 
3.  27.  Albert.  56.  208,  e-pl.,  auch 
n-,  r-pl.  Braun 

2)  a-pl.  Morgant  21, 10.  22,  2,  e-pl. 
Simpl.  13i.  138 

3)  «-pl.  Decam.15,37. 174,25.  409,27. 
6G4,  30.  Füet.  244,  a-,  e-pl.  Henisch 
340.  342,  n-iü.  ebda.342,  «-pl.  besser 
e-,  ?--pl.  Aich.,  e-pl.  beete,  bette  Nast 

4)  a-pl.  Eyb,  D.  39,  28 

5)  e-pl.  Grimm  3  m. 


r-pl.  Dornblüth.  Popowitsch 


r-pl.  Morgant  22, 17,  garten-  :  götter 
Haller 

r-pl.  Augsb.  5, 367,  25.  Henisch  343, 
beeter,  better  Nast 


r-pl.  Kalloandro  2, 221 

r-pl.  Goethe  zuw.  Grimm  2  m. 


hemd: 
mhd.  Jiemede,  hemd.  Zunächst  einige  besonderheiten  der  form:  die  alte 
dreisilbigkeit  tritt  noch  zuweilen  hervor:  as.  hemmet  Albert.  109.  Simpl.  49 
(gewöhnlich  hembd  ebda.  49.  50  u.  ö.);  ganz  vereinzelt  sogar  im  plural  bei 
Krafft.  Meist  ist  in  der  älteren  spräche  der  übergangslaut  b  zwischen  md 
eingeschoben;  zuweilen  begegnet  auch  die  lautgruppe  mpt,  so  im  Morgant 
und  bei  Spreng.  Bei  Krafft  ist  auch  das  zuweilen  nach  nasal  secuudär 
entwickelte  n  anzutreffen:  ds.  hemendt  284. 


1)  a-pl.  (dp.  hemeten)  Schaidenr.  34, 
a-pl.  Greflinger,  W.  1.  90 


2) 


3) 


4) 
5) 


r-pl.  Schaidenr.  22.  (dp.)  24.  1012  m. 

Seb.  Frank  u.  Kehr.  202.  Albert.  10. 

Popowitsch.  Braun 
r-pl.   Dieb.  Schilling  n.  Kehr.  202. 

Brant  4, 17.  Murner  (1510).  Pauli 

5  m.    Manuel.    Haimk.  21,  1.  4.  6. 

237,  33.    Morg.  81,  37.    Oelinger. 

Fischart  n.  Kehr.  202 
r-pl.  Simpl.  11.  44.  379.  Spreng,  Aen. 

121,  hemmendter  Krafft  283,  hem- 

medter  ebda.,  r-pl.  Aichinger.  Nast. 

Schubart.  Schiller  zuw. 
r-pl.  Sachs  n.  Kehr.  202 
r-pl.    Dietenberger.    SimpUcissimus. 

Schupp,  nach  Kehr.  202. 


Weitere  belege  finde  ich  für  den  r-pl.  in  der  älteren  zeit  nicht.  Später 
erscheint  der  pl.  chorhemder  bei  Klopstock,  pl.  hemder  bei  Gutzkow  und 
vereinzelt  bei  J.  Grimm  (pl.  hembde  4  w.). 


370  MOLZ 

Die  r-pl.  hetlcr,  hemder  bleiben  in  der  älteren  zeit  auf  die  drei  süd- 
lichen dialektgebiete  beschränkt.  In  der  mundart  ist  die  »•-form  von  bett 
dem  ostnid.  nn^eläufiff,  während  der  pl.  hemder  allenthalben  auftritt 
(Friedrich  54),  Der  ^-pl.  hetlcr  ist  nicht  im  stände  gewesen,  die  a-form  zu 
verdrängen;  dagegen  ist  der  ;--pl.  hemder  durchaus  herschend  geworden. 
Der  a-pl.  hemhd  Greilinger  verrät  ostmd.  einfluss.  Das  zeuguis  der  gram- 
matiker  steht  in  schönstem  einklang  mit  meinen  belegen.  Für  beide  Wörter 
ergibt  sich  ferner  aus  den  citaten,  dass  das  alem.  gebiet  die  /--form  zuerst 
bildete.  Bei  Schaidenreisser  ist  der  dat.  pl.  zu  hemd  noch  einmal  in  der 
a-form  belegt,  ein  beweis,  dass  die  ?--form  noch  nicht  lange  einzug  gehalteu. 

stück: 

Der  r-pl.  stnclcer  ist  auf  dem  ganzen  Sprachgebiet  äusserst  selten  und  ist 
mir  nur  vereinzelt  in  bair.  und  alem.  Schriften  begegnet.  Friedrich  51 
nennt  stiick  gerade  unter  den  Wörtern,  die  in  den  mundarten  die  a-bildnng 
häufiger  zeigen.  Die  bewahrung  der  alten  llexion  Avurde  durch  die  häufige 
anwendung  des  Wortes  bei  Zahlenangaben  begünstigt.  Belege:  mein  ... 
hemmet  ...  ward  zu  stückern  zerrissen  Albert.  109;  die  analogie  von  zu 
tritmmern  ist  ganz  offenkundig;  pl.  slücJcer  (verächtlich  für  'kleidungsstücke') 
Moscherosch  65;  aber  in  stucke  zerlegen  ebda.,  ap.  drcy  stäcker  ...  holten 
Simpl.  319  neben  ap.  zicey  stück  ebda. 

eud(e): 
Das  wort  ist  mir  meistens  in  der  form  des  dat.  pl.  in  Wendungen  wie  an 
allen  enden  begegnet,  und  in  dieser  form  blieb  es  auch  seiner  alten  decli- 
uation  treu:  an  andern  enden,  atiss  allen  enden  Heuisch  883.  Neben  diese 
gleichsam  erstarrte  form  aber  stellt  sich  auf  schwäb.  bodcn  der  ?--pl.  ender: 
pl.  ender  Heuisch  883,  ender  der  Stangen  an  der  icag,  die  ender  der 
halcken  ebda. 

Vereinzelte  r-formen  sind: 

gichter  Elis.  Charl.  v.  Orleans. 

hirner  Haller. 

kreutzer  Gottsched.  Hempel. 

netzer  Griesli.,  Predigt,  s.  Lexer  1, 1907. 

vicher  Spiudler,  Yogelh. 

gebet: 
Der  r-pl.  taucht  zuerst  in  dem  alem.  Morgant  auf:  ni^.  gehetter2S7,2  neben 
ap.  gehütt  237,11;  vgl.  auch  ap.  gehirg  306,4:.  In  demselben  denkmal  er- 
scheint auch  der  pl.  hetter.  —  Die  r-form  bleibt  in  der  älteren  zeit  durchaus 
vereinzelt.  Henisch  1387  kennt  nur  den  pl.  gehet.  A'on  1671  ab  gebraucht 
Elis.  Charl.  v.  Orleans  (pfälzische  mundart)  in  ihren  briefen  den  pl.  gebetter 
1, 395,  27.  2,  5,  30.  363,  9.  628,  G.  3,  26,  26.  Ein  Jahrhundert  später  tritt  auf 
rheinfräuk.  gebiet  die  form  weiter  hervor  in  Hemmers  Abliandlung  zur 
deutschen  spräche  anm.  128  und  bei  dem  Liebhaber  der  Wahrheit  in  den 
Anmerkungen  zu  Hemmers  abhandlnug  102.  Dann  bezeugen  Dorublüth 
{(febötter),  Aichiuger  den  r-plural.    Nast  führt  den  pl.  gehcte,  gebeter  an. 


NHD.   SÜBSTANTIVELEXION.   II.  371 

Hempel  gibt  die  pl.  gebeter,  gehete  an,  ohne  dass  ihm  der  schriftsprachliche 
gebrauch  ein  recht  dazu  verleilit.  Vielleicht  ist  er  von  Aichinger  in  diesem 
punkte  abhängig.    Adelung  bezeichnet  den  r-pl.  als  mundartlich  norddeutsch. 

gewölbe: 
r-pl.  auf  den  getvelbern  Augsb.  2, 149,  4  neben  dp.  geivelhen  ebda.  149,  8  (um 
1450),  dp.  gewelbern  Zinim.  ehr.  262, 17,  adp.  gewülber  Kraft't  146.  286.  Das 
sind  alles  schwäbische  citate.  Heuisch  hat  aber  pl.  geivelb  1597;  doch 
Aichinger  und  Nast  pl.  gewölber.  Auf  ferner  liegendem  gebiet  ist  mir  nur 
die  a-,  e-form  begegnet:  ap.  geivelbe,  d-p.  getvelben  Eothe  45.  41,  ap.  geivelb 
Nürnb.  4,  380, 13.  Doch  in  späterer  zeit  pl.  geiuölber  (  :  selber)  Haller.  Für 
Baiern  bezeugen  das  vorkommen  der  r-form  Popowitsch  und  Braun,  die 
beide  nur  die  r-form  des  pl.  ansetzen.  Für  die  nhd.  Schriftsprache  fordern 
Gottsched  und  Hempel  den  r-pl.,  der  mir  in  jenem  teil  des  Sprachgebietes 
nicht  begegnet  ist  und  von  Gortzitza  im  18.  und  19.  jh.  nur  bei  Musäus, 
Volksm.  belegt  wird. 

Andere  r-plurale  treten  nur  vereinzelt  auf;  nach  ihrem 
zeitlichen  hervortreten  geordnet,  erscheinen  folgende: 

1)  an  iinsern  geschlössern  und  heiisern  bei  Ghmel  (1510),  ap.  geschlösser 
Aventin  2, 279, 17.  358, 24. 

2)  ap.  gestreicher  Schaidenr.  37 ;  vgl.  pl.  gestreuche  Eiccius,  G.  86. 

3)  und  weren  der  gefangen  so  viel  das  man  nicht  gefenchms  und  ge- 
fesser  genug  kette,  dar  man  sie  in  legte  Kantzow  148. 

4)  pl.  geschenker  vereinzelt  Luther,  Br.  de  Wette  4, 278  nach  Dietz. 

5)  pl.  gefdder,  dp.  gefildern  ( :  verwildern)  Fleming,  pl.  gepüscher,  dp. 
gepüschen  Fleming,  auch  pl.  biischer  Fleming,  pl.  gefdder  Stieler  91. 

6)  pl.  gedürmer  Spee. 

7)  dp.  antlitzern  Lohenstein  15,  ap.  gebünder  ebda.  53. 

8)  dp.  gerichtern  (=  'judicia')  Abraham,  pl.  gerichter  Dornblüth. 

9)  dp.  gezeltern  Lehms  212. 

10)  pl.  gebilder  Klopstock,  Oden. 

11)  pl.  gewichter  Eichendorif,  r-pl.  auch  früher  bei  Aichinger  und  Braun, 

12)  pl.  ungethümer  Willib.  Alexis. 

13)  Nast  bildet  zu  dem  endungslosen  nom.  sing,  neben  der  nhd.  form 
noch  die  r-plurale  gemülder,  gemüser,  geschwdzer,  gewichter ;  aber  zu  gesang 
n.  (n.  schon  Wolf  h.  Spangeub.  2, 126)  nur  den  pl.  gesänger.  Dazu  kommt 
noch  der  pl.  geicölber  bei  Nast,  und  die  ja-stämme  mit  r-pl.  stimmen  bei 
ihm  vollkommen  mit  den  in  dem  Schwab,  dialekt  heimischen  formen  übereiu 
(Friedrich  54). 

14)  pl.  die  traider  Oest.  weist.  2  (1727). 

15)  pl.  geiüünneter  (= 'gewinne')  Simpl.  87. 

Der  r-pl.  geschlösser  ist  durch  den  einfachen  pl.  Schlösser,  häuser  ver- 
ursacht, gebilder  durch  bilder,  gedärmer  durch  därmer,  gefdder  durch  felder, 
gepilscher  durch  büscher.  Die  r-plurale  gestreicher,  traider  sind  von  der 
gruppe  blätter,  dörner,  hälmer  beeinflusst;  der  pl.  antlitzer  ist  nach  gesichter 
gebildet.     Die  pl.  gewölbe?;  gebilder,  gefdder  sind  nicht  durchgedrungen. 


372  MOLZ 

Es  mag  dieser  umstand  damit  znsammenbäugcn,  dass  der  sing,  die  volle 
enduugsfurm  nicht  aufgegeben  Init,  und  der  r-plural  deshalb  immer  von 
neuem  zurückgestossen  wurde. 

Mischdeclination. 

Das  wesen  der  iinsclidecliiiation  berulit  in  einer  Verbindung 
der  vocalisclien  und  consonantisclien  flexion.  Der  Untergang 
der  rein  consonantisclien  liexion  des  neutrunis  hat  früh  zur 
ausbildung  dieser  flexionsart  geführt.  Entsprechend  der  misch- 
klasse  des  niasc.  tville,  häufe  haben  wir  im  nhd.  eine  mischung 
bei  herz\  entsprechend  den  masc.  schmerz,  dorn  haben  wir  eine 
mischung  bei  äuge,  ohr\  hett,  hemd,  ende.  Icli  betrachte  zuerst 
die  ausbildung  der  schriftsprachliclien  formen  und  gebe  nacli- 
folgend  einen  überblick  über  die  mannigfachen  im  laufe  der 
entwickelung  hervortretenden  berührungen  der  a-declination 
mit  der  «-declination. 

1)   Erste  mischklasse. 

Das  kennzeichen  dieser  klasse  ist  die  genetivendung  -cns. 
Der  alte  n-stamm  hers  ist  das  einzige  wort,  dem  diese  flexions- 
weise eigen  ist. 

herz,  mhd.  herze,  herz:  die  form  des  uom.  sing,  schwankt 
in  bewahrung  und  abstossung  des  end-e  bfs  ins  18.  jh.  Poetisch 
ist  die  form  herze  noch  heute  nicht  erloschen. 

Einige  formen  des  nom.  acc.  sing,  seien  angemerkt: 

nas. /«erc^e  Veter  b.  37, 4  U.S.W.  —  /(cWre Eothe  45.  95.  —  /tcr/^ Luther 
23,74.  126  +  18  m.  14  m.  im  Serm.  v.  d.  g.  w.  :  hcrize  Liither  23,180.  — 
hertz  Rice,  Buc.  152  3  m.  P.  (J.  9.  40.  148.  —  herize  Opitz,  Arg.  15.  Kr.  19. 
40.  88.  91.  96  :  hertz  96.  —  herze  Zesen  142  :  herz  150.  457.  399  +  9  m.  — 
herze  Buchbolz  192  (ausn.!)  :  herz  12  u.s.  w.  --  herze  Weise  24.  45.  181 
u.  ö.  :  herz  3.  24.  26.  —  herze  Lehms  10.  106  +  14  m.  :  herz  20.  28.  42  + 
70  m.  —  ans  herze  legen  Lessing  1,314  :  herz  1,166.  198.  294  u.s.w. 

Auf  nd.  gebiet  finden  sich  nas.  herize  Hocker.  1, 281  und  hertz  ebda. 
253.  376.  Bei  Jul.  v.  Braunschw.  verhalten  sich  ns.  hertze  :  hertz  =1:6 
und  as.  hertze  :  hertz  ^  1  :  2  (18  :  35).  Auf  obd.  bodcn  findet  sich  die  volle 
form  herize  im  Wechsel  mit  hertz  erst  im  17.  Jh.:  nas. /«/L-e  Grefiiuger,  W.  1. 
23.  40  V.g.  23.  115.  150.  Dr.  kr.  19.  36,  hertz  ebda.,  W.  1.  40.  V.g.  129.  Dr. 
kr.  21.  41 ;  ferner  ns.  herze  Birk  82. 

"Während  bei  Luther  die  «-form  schon  weitaus  im  über- 
gewicht ist,  und  Eiccius  sie  allein  anwendet,  gebrauchten  die 
dichter  des  17.  jh.'s  häufig  noch  die  volle  form,  besonders  Chr. 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II.  373 

Weise.  —  Der  verlust  des  e  wurde  freilicli  durch  den  w-pl., 
dem  die  zalilreiclien  fem.  mit  auslautendem  e  im  sing,  zur  seite 
standen,  gehemmt;  aber  auf  der  andern  seite  wurde  die  ab- 
stossung  des  c  auch  durch  das  beliebte  reimwort  sclnncrz 
(Zesen  461.  525.  Lehms  392)  begünstigt. 

Der  gen.  sing,  wird  durch  anlehnung  an  die  masc.  wa-stämme 
von  den  übrigen  m- casus  deutlich  geschieden.  Im  reim  ver- 
einigen sich  häufig  sclimerüens  mit  hertzens  (vgl.  Beitr.  27,  314). 
Die  n-form  des  gen.  sing,  herscht  noch  im  15.  jh.  und  über- 
wiegt gegenüber  der  wa-form  im  16.  jh. 

gs./icr^ew  Sterz,  sp.  58,  268.  107,340  u.s.w.  Schaideur.  82.  Albert.  126. 
—  Stretl.  ehr.  5  m.  Haimk.  240,  3.  Manuel  1  m.  Wolf  li.  Spaiigenb.  2, 154*  ver- 
einzelt.—Decani.  28,  29.  70,33.  191,38n.ö.  Mich.  Bell.  B.d.beisp.  Zimm.chr. 
290, 16.  —  Folz.  Eyb  häufig.  Sachs  IG,  128,  31.  —  Burk.  Waldis  86, 18.  184,  23 
u.  ö.  Stade  124.  157.  Faustb.  57,  20.  120,  9.  —  Veter  b.  18, 17.  Dal.  9,  9.  11, 13. 
Luther  meist.   Rebhuhn  und  Mathesius  meist.  —  Jiü.  v.  Brauuschw.  8  m. 

gs. /ter^ejisSchaidenr.  19.  22.  68.  Albert.  175.  178.  207.  —  Pauli  1  m. 
Wolf  h.  Spangenb.  2,  24.  25.  53.  —  Federm.  32.  -  Sachs  16,  392, 14.  —  Luther, 
Eebhuhu,  Mathesius  zuweilen.  Cyr.  Spangenb.  18.  Arndt.  —  Jul.  v.  Brauu- 
schw. Im.  Ln  17. jh.  ist  die  starke  form  zur  norm  geworden:  gs.  herzens 
Krafft  160.  263.  Opitz,  Kr.  61  u.s.w.  Duesius  (1608)  und  Brücker  (1620) 
setzen  die  wa-gen.-form  an.  Vereinzelt  sind  in  jener  zeit  die  schwachen 
gen.-formen  herzen  Buchh.  63.  64  (gs.  hertzens  ebda.  435).   Weise  76  (ausn.). 

Die  starke  flexion  besonders  des  noni.  acc.  pl.  ist  schon  im  mhd. 
anzutreifen.  Diese  eigentümlichkeit  besteht  im  uhd.  weiter,  wenn  auch  die 
starken  pluralformen  den  H-bildungen  gegenüber  sehr  zurücktreten:  ap. 
groe^ereu  herz  B.  d.  nat.  26,  29  (vgl.  gs.  herzen  ebda.  475,  2).  —  ap.  herz  Füet. 
93  (ap.  herzen  ebda.  217  2  m.).  Zimm.  ehr.  4,  333,  30.  —  ap.  herze  Nie.  von 
Jeroschin,  nap.  herze  Matth.  v.  Beb.,  L.  16, 15.  21,  34.  J.  12,  40  (sing,  schwach), 
ap.  fso  ivecke  iif  die  herze  der  gläubigen  cristen  Eothe  216.  —  Nur  nach 
zahlen  gebraiicht  Wolfh.  Spangenberg  den  a-pl. :  zivey  hertz  1,123,  zicey 
treive  hertz  :  schmertz  ebda.  140,  vgl.  die  hertzen  ebda.  2,  33.  52*.  Ebenso 
findet  sich  zwey  hertze  Schottel  1121.  —  Durch  das  reimbedürfnis  verursacht 
sind  ds.  hertz  Wolfh.  Spangenb.  2,  44*,  ds.  hertze  :  schinertze  Haller.  Sonst 
stehen  starke  formen  des  sing,  ganz  vereinzelt  da:  ds.  in  ihrem  hertze 
Lehms  176  (ausnähme,  vielleicht  druckfehler),  ds.  hertze  Lessing,  in  der 
revision  dem  hertzen  und  ds.  herz  Grimm  3  m.  und  die  mir  am  herz  liegen 
ebenda. 

Die  n-form  des  pl.  schwebt  vor,  wenn  Cyr.  Spangenberg  18  sagt  der 
kirchengesang  erfreuet  des  menschen  (für  der  menschen)  herzen. 

2)   Zweite  mischklasse. 

Die  eigentümlichkeit  dieser  klasse  ruht  in  einer  flexions- 
weise, bei  der  sich  die  starke  biegung  des  sing,  mit  der  schwachen 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXI.  25 


374  MOLZ 

des  pl.  zu  einem  festen  System  vereinigt.  Die  anshildung- 
dieser  klasse  ist  eine  nhd.  ersclieinnng;  die  anfange  ihrer  ent- 
stelmng  reichen  in  die  früheste  nhd.  zeit  zurück.  Die  stamme, 
die  diese  kkisse  ausmachen,  sind  verscliiedenen  Ursprungs: 
äuge,  ohr  sind  alte  «-stamme;  hett,  hemd,  ende  sind  alte 
^rt-stämme.  Ausserdem  haben  sich  angeschlossen  glicdmass; 
Ideinod  und  einige  fremdwörter.  Die  fiexion  der  neutra, 
die  sehr  "wesentlich  mit  der  der  masc.  im  laufe  der  entwicke- 
lung  übereinkommt,  lässt  in  dieser  gruppe  eine  genaue  ent- 
sprechung  im  masc.  erkennen.  Die  ursprünglicli  schwach  flec- 
tierenden  psalm,  schmerz,  haiier,  nachbar  u.  a.  räumten  wie 
augc,  ohr  im  sing,  der  starken  form  die  herschaft  ein,  während 
umgekehrt  als  parallele  zu  hett,  hemd,  ende  die  ursprünglich 
starkformigen  dorn,  strahl  u.  a.  sich  für  den  «-pl.  empfänglich 
zeigten.  An  eine  gegenseitige  beeiuflussung  dieser  gruppen 
ist  aber  nicht  zu  denken.  Die  treibende  kraft,  die  der  klasse 
das  gepräge  gab,  sind  die  fem.  n-,  a-stämme,  deren  misch- 
decliuation  die  durchgreifendste  neuerung  in  dem  fem.  flexions- 
system  bedeutet.  Die  wellen,  die  das  princip  einer  scharfen 
Scheidung  der  numeri  bei  dem  fem.  aufwirbelte,  haben  sich, 
schwach  verlaufend,  noch  über  das  wehr  der  geschlechts- 
trennung  hinauserstreckt:  da  wo  sich  dem  masc.  und  neuti-. 
aus  eigenen  mittein  keine  oder  nur  eine  unzulängliche  kenn- 
zeichnung  der  phiralischen  function  bot,  und  wo  noch  besondere 
fördernde  Verknüpfungen  mit  der  form  des  fem.  bestanden, 
wirkte  die  fürs  fem.  massgebende  flexionsweise  befruchtend 
fort.  Doch  hat  sich  in  der  Schriftsprache  die  Wirkung  nur 
bei  besonders  günstig  mit  den  fem.  n-,  a-stämmen  verbundenen 
Wörtern  dauernd  befestigt. 

Die  «-Stämme  äuge,  ohr,  mhd.  ouge,  oug\  örc,  ör  haben 
ihre  nominativgestalt  nach  dem  unter  den  ja-stämmen  ausführ- 
lich erörterten  princip  gebildet.  Die  verkürzte  form  aug  tritt 
bei  Luther  gegenüber  der  vollen  form  zurück,  doch  besteht 
sie  noch  neben  äuge  bei  Julius  v.  Braunschweig.  Sonst  ist  die 
volle  form  von  Matth.  v.  Beheim  bis  Morliof  4G7  und  Lehms  212 
in  allgemeiner  geltung.  Dagegen  ist  die  form  orc  nur  noch 
bei  Matth.  v.  Beheim  üblich  und  ganz  vereinzelt  bei  J  Aither, 
Marc.  14,  47.  Julius  v.  Braunschw.  Zesen  320.  ^\'eise  101  kennen 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II.  375 

nur  den  nom.  acc.  sing.  olir.     Sonderbar  und  nicht  mit  den 
Schriftdenkmälern  in  einkkmg-  erscheint  ns.  ohre  bei  Hempel. 

Die  änderuug  der  flexion  dieser  beiden  Wörter  ist  dem 
übergewicht  des  nom.  acc.  sing,  gegenüber  dem  gen.  dat.  sing, 
zuzuschreiben.  Auf  dem  gebiet,  das  die  end-e  hielt,  kam  die 
an  die  a-stämme  angeglichene  verkürzte  form  der  starken 
flexion  des  sing,  noch  entgegen.  Ausschlaggebend  aber  war 
die  verkürzte  form  des  nom.  acc.  sing,  keineswegs  für  den 
vocalischen  sing.;  denn  herze  wahrte  trotz  des  bestehens  einer 
a-uebenform  stets  die  ?z-declination  des  Singulars.  Bei  diesem 
w-stamm  niuss  demnach  den  obliquen  casus  des  sing,  eine 
stärkere  kraft  gegenüber  dem  nom.  acc.  sing,  innewohnen. 

äuge:  ns.  aug  B.  d.  nat.  9, 24,  gs.  äugen  ebda.  9,  26,  ds.  äugen  ebda. 
454,  27,  gs.  augs  Schaidenr.  39.  40,  ds.  mig  ebda.  39.  40,  ds.  mit  dem  schalJcsaug 
Nass,  H.  198,  ds.  aug  Albert.  111.  —  ds.  oug  Stretl.  ehr.  141, 16.  18,  gs.  augs 
Pauli  1  m.,  ds.  aug  ebda.  3  m.,  ds.  äuge  Bouer,  Oros.  56.  —  ds.  ouge  Asop 
330  2  m.,  ds.  augeti  B.  d.  beisp.  168,  33.  —  ds.  äuge  Eyb  1  m.,  ds.  aug  Ayrer. 
—  äuge  swn.  Matth.  v.  Beb.  zuweilen  ds.  äuge  ebda.  M.  7,  3.  L.  6,  41,  äuge 
im  sing,  stark  bei  Luther  nach  Dietz  und  Hertel.  —  ds.  äuge  Jul.  v.  Braun- 
schw.  —  Die  dativfonn  im  angen  Heribert  von  Salurn  (1700)  entbehrt  also 
der  unmittelbaren  historischeu  unterläge. 

ehr:  schon  im  mhd.  wird  der  sing,  auch  starkformig  gebraucht;  ds. 
oren  Myns.  23,  ds.  or  Schaidenr.  77.  —  ds.  or  Pauli.  Manuel.  —  ds.  oren 
Decam.  175, 13,  ds.  ore  ebda.  343,  8.  20,  ds.  o/r»  Mich.  Beh.,  ds.  attrÄ sop  256, 
ds.  oren  B.  d.  beisp.  168,  33,  ds.  oJir  Spreng,  Aen.  209.  231.  —  ds.  orn  Eosenbl., 
ds.  oren  Folz,  ds.  ohr  Ayrer.  —  ore  swn.  Matth.  v.  Beb.,  or  sing,  stark  bei 
Luther,  ds.  ore  Rice,  Buc.  80.  —  ds.  ohr  Jul.  v.  Braunschw.  Der  pl.  von 
äuge  und  ohr  hat  nirgends  au  die  vocalische  flexion  seine  alte  n-form  ver- 
loren. ■ —  Anderwärts  nicht  zu  belegen  ist  ap.  ohre  Luther,  Bibel  v.  1543. 
2.  Mos.  21,  6  nach  Kehrein  202. 

Der  übertritt  zum  starken  sing,  ist  bereits  vor  beginn  des 
16.  jh.'s  auf  dem  ganzen  gebiete  erfolgt.  Das  Schicksal  der 
mhd.  schwachen  declination  der  neutra  wäre  damit  erschöpfend 
gekennzeichnet.  Das  neutrale  ivange  nach  der  w- declination 
ist  ebenso  wie  das  masc.  ivade  vom  pl.  aus  zum  fem.  über- 
getreten. Das  sächliche  geschlecht  von  ivange  ist  noch  bei 
Matth.  V.  Beh.  und  Rothe  520  in  geltung,  wie  das  männliche 
von  wade  bei  dem  viel  späteren  Joh.  Spreng  hey  dem  ivaden 
II.  224.  Die  erörterung  der  feminina  mrd  ein  genaueres  ein- 
gehen auf  den  wandel  des  geschlechts  bringen;  besondere  be- 
rücksichtigung  kommt  dabei  dem  durch  die  flexion  verursachten 

25* 


37G  MOLZ 

weclisel  zu,   und  auch  inneiljalb  dieser  grenzen  wird  das  ört- 
liche vorkommen  der  nlid.  form  beachtet  werden  müssen. 

Von  den  ^'«-Stämmen  sind  hctt,  hcmd,  ende,  m\\öi.hdte, 
hoiicdc,  licmdc,  ende  in  diese  klasse  eingetreten.  Die  form  des 
nominativs  zeigt  Verlust  des  e  bei  hett  und  ]iand\  doch  ist 
auch  die  vollere  form  Iwmdc  nicht  ungewöhnlich.  Historisch 
betrachtet  bleibt  die  Ja -form  des  nom.  hdtc,  hemde  von  den 
«-Stämmen  bis  ins  18.  jh.  fast  unbeeinflusst;  nom.  acc.  sing,  bette 
ist  von  Eothe  bis  Lehms  allgemein,  nom.  acc.  sing,  hcnide  findet 
sich  bei  Eothe,  Buchholz,  AVeise,  Reuter,  Schelm.  4.  37  u.  ö., 
Hempel.  Die  belege  dazu  habe  ich  s.  312  ff.  aufgezeichnet.  Die 
form  bett  findet  sich  nach  ausweis  meiner  citate  neben  der 
alten  form  bette  nur  bei  Luther  und  Jul.  v.  Braunschw.;  hcmd 
bei  Luther  (ap.  hcmhd  Serm.  v.  d.  g.  w.  77, 14),  Jul.  v.  Braunschw. 
und  Weise.  Wenn  bett  schliesslich  doch  sein  end-e  eingebüsst 
hat,  so  teilt  es  dieses  Schicksal  mit  allen  andern  ja-stämmen, 
die  einen  unveränderlichen  Stammauslaut  haben;  hemde  musste 
wie  ende  wegen  der  lautlichen  analogie  der  obliquen  casus 
sein  endungs-e  wahren.  Der  abfall  des  c  dieses  letzteren  ja- 
stammes  ist  meines  erachtens  auf  den  umstand  zurückzuführen, 
dass  alle  mundarten  einen  r-pl.  bilden.  Für  die  ältere  zeit 
habe  ich  meist  nur  belege  aus  Oberdeutschland  beibringen 
können  (vgl.  s.  369).  Die  übrigen  mundarten  haben  entweder 
die  r-form  erst  zu  einer  zeit  gebildet,  in  der  sich  die  Schrift- 
sprache über  dialektische  einflüsse  schon  mehr  erhoben  hatte, 
oder  sie  haben  auch  die  n-fovm  des  pl.  entwickelt,  die  für  die 
Schriftsprache  massgebend  wurde.  Das  ostmd.  gebiet  ist  an 
schwachen  pluralen  der  neutra  besonders  beteiligt;  bett  bildet 
auf  jenem  gebiet  ausschliesslich  den  n-pl.  und  hcmd  den  n-  und 
r-plural  (Friedrich  s.  55  f.).  Die  verkürzte  form  hemd  setzte 
sich  bei  den  Oberdeutschen  auch  nach  der  aufnähme  der  ost- 
md. Schriftsprache  fest,  weil  man  lange  an  dem  r-pl.  haftete. 
Greflinger  hat  as.  hemde  V.  g.  131  und  as.  hembd  W.  1.  32.  Dr. 
kr.  26;  im  Frz.  Simpl.  erscheint  nur  ns.  hembd  50  u.s.w.  Die 
verkürzte  form  hemd  beruht  folglich  einerseits  auf  dem  in 
Oberdeutschland  eingewurzelten  r-pl.  des  Wortes  und  anderer- 
seits auf  der  späteren  bildung  des  r-pl.  in  md.  und  nd.  dialekten. 
Die  beiläufige  erhaltung  der  vollen  form  hemde  lässt  die  vor- 
herschaft  des  ostmd.  sprachtypus  bei  der  gestaltuug  der  schritt- 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   IL  377 

spräche  erkennen.  Von  miterg-eordneter  bedeutung  für  die 
schriftsprachliche  abstossmig  des  endungs-e  erscheint  mir  die 
tatsache,  dass  zuweilen  die  alte  dreisilbige  form  erhalten  und 
lautgerecht  der  apokope  erlegen  ist:  a.s.  Jiemmat  Rocker.  2,  oOQ. 

bett:  auf  obd.  boden  bleibt,  abgesehen  von  dem  zuweilen  sieb  ein- 
mischenden r-pl.,  die  a-pl.-form  bett  unangetastet,  vgl.  s.  369.  Den  an  dieser 
stelle  bereits  angeführten  belegen  seien  noch  hinzugefügt:  ap.  bette  Urkb. 
Fr.  1,5-1  (1368),  gp.  bett  Pauli  2  m.  —  ap.  bett  Zimm.  ehr.  522,31,  np.  beth 
Federm.  -10.  —  Auf  rad.  gebiet  hält  sich  neben  der  nicht  apokopierten  form 
des  sing,  die  starke  pluralform  bis  ins  18. Jh.:  ap.  bette  Stade  96.  124,  pl. 
betie  zu  ns.  bette  Ritter.  —  ap.  bette  Rothe  336.  Jul.  v.  Braunschw.,  ap.  ehe- 
bette  Opitz,  Kr.  22,  pl.  bette  zu  ns.  bett  Gottsched.  Die  bairischen  dichter 
Greflinger  und  Birk  ahmen  den  ostmd.  sprachusus  nach  und  gebrauchen  im 
einklang  damit  nap.  bette  Greflinger,  W.  1.  21.  Birk  82. 

Die  n-form  des  plurals,  die  durch  die  volle  singularform  bette 
unter  dem  einfluss  der  weiblichen  n-,  o-stämme  veranlasst,  wird  zuerst  aus- 
schliesslich von  Luther  angewendet  (Dietz  289)  und  erscheint  neben  pl. 
beth,  bethe  bei  Henisch342:  weiche  bethen  helfen  nich  allzeit  zum  schlaf. 
Vereinzelt  ist  der  pl.  betten  (=  beete)  bei  Greflinger,  V.  g.  168.  Von  den 
älteren  grammatikern  fordert  Hempel  zu  ns.  bette  den  n-pl.,  der  auch  von 
Aichinger  und  Braun  neben  dem  e-  und  *--pl.  anerkannt  wird.  Adelung 
hat  das  nhd.  paradigma. 

Die  nhd.  Scheidung  des  Wortes  in  beet  und  bett  bleibt  der  älteren 
zeit  unbekannt.  Henisch  340  f.  verzeichnet  federbeth,  gartenbeth,  langlechte 
krautbethe,  das  icol  gegraben  und  gedingt  laiid  in  better  ausiheilen;  ausserdem 
im  sinne  von  lecti  pl.  beth,  bethe.  Ferner  seien  erwähnt:  etliche  garten- 
bette Zesen  493,  np.  bette  Grefl.,  W.  1.  21,  ap.  kraiitbette,  bette  {=  beete)  ebda., 
V.  g.  5.  7,  dp.  betten  (=  beeten)  ebda.  31.  Vereinzelt  ist  man  sticht  und 
gräbt  die  betten  nmb,  man  mistet  die  dürre  fehler  ebda.  168.  Doch  ist 
in  der  von  Birk  sieben  jähre  später  herausgegebenen  gedichtsammlung 
(1673)  die  trennung  der  worte  durchgeführt:  np.  bette  (^  lecti)  82;  steeJc 
blumen  um  das  beet  :  geseet  134.  —  Die  neue  form  beet  ist  eine  Avillkür- 
liche,  eigens  dem  zwecke  der  differenzieruug  dienende  Schöpfung;  indes 
wurde  ihre  bildung  durch  das  danebenstehende  gebet  mit  langem  stamm- 
vocal  erleichtert.  Es  sei  schliesslich  noch  festgestellt,  dass  die  ältere  spräche 
die  pl.  bette,  better,  betten  nach  ausweis  meiner  citate  auch  im  sinne  von 
beete  gebraucht  hat.  Das  seltnere  berufssprachliche  beet  folgt  der  a-decli- 
nation,  während  bei  bett  der  ji-plural  siegreich  gewesen  ist. 

hemd:  für  grössere  teile  des  obd.  gebietes  sind  aus  meinen  texten 
ausser  bei  dem  von  den  Ostmitteldeutschen  beeinflussten  Greflinger  keine 
alten  plurale  zu  belegen.  Der  r-pl.  herschte  dort  in  der  älteren  zeit  fast 
allgemein.  Doch  hat  der  Ostfranke  Wilwolt  dp.  hembden  und  Stieler  821 
pl.  hemde.  In  ostmd.  denkmälern  begegnet  dp.  hemden  Rothe  292,  ap.  hembd 
Luther,  Serm.  v.  d.  g.  w.  77,  14,  hemde  Luther,  Bibel  v.  1545  Rieht.  14, 12.  Jul. 
V.  Braunschw.  gebraucht  ap.  hemde  und  hemden  je  einmal.    Der  pl.  hemde 


378  MOLZ 

4ni.  \vii<l  noch  von  J.  ririium  neben  dem  r-\)\.  Im.  gebrancht.  Steinbach 
1,733  (1724)  und  Ilcnipel  (1754)  vermerken  zu  ns.  hemde  den  x-pl.,  der 
später  auch  von  Adelung  vorzeichnet  Avird.  "Wie  bei  lictt  ist  auch  hier  die 
schwache  form  des  pl.  aus  der  vollen  singularform  abzuleiten. 

ende:  der  alte  starke  plural  bleibt  bis  ins  18. jh.  erhalten:  ...  vnd 
die  pleiter  des  seihen  kraidtes  ...  sol  man  Im  also  tcann  pindcn  an  die 
ende  vnd  an  die  örtt  der  ßiujel  Mynsinger  50,  np.  ende  Grefl.,  V.  g.  9.  13. 
187.  —  ap.  die  andren  zicey  cnd  Haimk.  125,3,  ir  hür  in  vier  end  iheilcn 
Boner,  Oro8. 74,  auch  erschreckt  er  das  Römisch  reich  hifs  an  seine  alten 
end  vnd  granitzcn  ebda.  106,  er  solt  ...  die  ort  vnd  end  an  dem  Oceani- 
schen  meer  heschirmen  ebda.  —  ap.  ende  Decam.  6,  G.  457,  37.  Zimm.  ehr. 
279,  8.  —  pl.  ende  zu  ns.  cml  Stieler.  —  die  end  der  stücke  Stade  122,  pl. 
end  Schöpf,  pl.  ende  Grimm.  —  an  die  ende  des  landes  Kothe  264,  pl.  ende 
zmv.  end  Luther  nach  Dietz  531,  pl.  ende  zu  ns.  end  Schottel,  zwei  entgegen- 
gesetzte ende  Herder. 

Die  nhd.  flexion  gibt  zuerst  Hempel  an.  Im  16. jh.  liest  mau  bei 
Alberus  die  sein  reich  ati  sonderliche  enden  binden  würden.  Iml7.  jh.  ist 
mir  der  >?-pl.  nur  bei  Weise  178  begegnet :  neun  enden  oder  zweige.  Zum 
r-pl.  vgl.  s.  370.  Ausser  der  formalen  Verknüpfung  mit  den  fem.  n-,  «-stammen 
Avirkte  auch  die  ausserordentlich  häufige  anwcudung  des  dat.  pl.  auf  die 
bildung  des  «-pl.  fördernd  ein.  Der  gen.  pl.  zeigt  in  adverbialer  anwendung 
unter  dem  einfluss  des  dat.  pl.  die  n-gestalt:  in  die  hallen  stürzten  Der 
enden  auch  Saturnus  sitzt  Spreng,  Aen.  204,  St  ig  (Aiux)  auf  die  hohe  bänck 
zu  sehen  Was  diser  enden  tcolt  geschehen  ebda.  215,  So  du  vor  dieser 
zeit  doch  nie  Der  enden  bist  gewesen  hie  ebda.  263,  .  ..  War  also  dieser 
enden  Fast  alles  /  städf  und  land  /  den  schidden  in  den  hätulen  Grefl., 
Dr.  kr.  51,  aller  enden,  aller  orten  Birk  148. 

gliedmass,  mhd.  lidemd^,  lidemce^e  stn.  In  zeitlicher  reihenfolge 
sind  folgende  formen  zu  belegen:  ap.  gledermafs  Eothe  61,  glcdemafscn 
ebda.  186,  nap.  glidmafs  Schaidenr.  31.  44.  77.  102,  ap.  gelidmassen  Kantz. 
281,  pl.  gliedmas  und  geliedmas  zuw.  gliedmasse  Luther  neben  vereinzeltem 
diese  gliedmassen  ebda.  2.  Macc.  7, 11,  naj).  gliedmaa  Mathes.  5  m.,  iig\>.  glid- 
mas  Sachs  20,  485,  23.  486,  7*,  ap.  gliedmafs  Wolf  h.  Spangenb.  2, 135*,  ap. 
gliedmafs  Blanckenb.  30,  gliedmas  Hocker.  1, 191,  ap.  geliedmas  Rice,  P.  G. 
80.  90  2  m.,  n]^.  gliedmas  ebda.  151  und  a]^.  gliedmassen  ebda.  122,  ji\.  glied- 
massen Jul.  V.  Braunschw.  Im  16.  jh.  überwiegen  danach  noch  die  «-formen. 
Im  17.  jh.  lassen  sich  nur  noch  >i -pluralformen  belegen:  pl.  gliedmassen 
Henisch  261.  Weckherlin  352, 16.  Opitz,  Arg.  161.  Buchholz  79.  179.  241. 
Kalloandro  1, 3.  In  altertümelnder  weise  gebraucht  J.  Grimm  den  pl.  glied- 
7nasse.  —  Der  »-pl.  verdankt  seinen  Ursprung  der  fast  ausschliesslichen  an- 
wendung  dieses  numerus.  Der  sing,  gliedmafs  erscheint  bei  Buchholz  353. 
Weise  129.  Zu  dem  «-pl.  wäre  auch  der  zuweilen  auftretende  pl.  armen  zu 
vergleichen. 

Unbilden:  zu  dem  sing,  unhilde  n.  hat  sich  mit  starker  betonung 
der  pluralischen  function  der  pl.  die  unbihlcn  entwickelt.  Der  gs.  unpilds 
noch  Schaidenr.  7;  aus  dem  pl.  hat  sich  die  seltnere  fem.  singularform  die 
unbilde  iu  der  Schriftsprache  losgelöst. 


NHD,   SUBSTANTIVFLEXION.   II.  379 

kleinod:  der  pl.  kleinode  ist  durch  die  form  7i;Zemo(^/en  stark  zurück- 
gedrängt. Bei  aufzählung  der  r-pluralformen  habe  ich  für  das  obd.  gebiet 
die  rt-formen  mit  angegeben ;  vgl.  s.  368  f.  Hier  ist  mir  noch  der  schrift- 
sprachliche, ostmd.  gebrauch  festzustellen.  Der  «-pl.  de/ not  findet  sich 
Dalimil  100,  27  u.  ö.  Urkb.  L.  447  (1495),  gp.  cleinoten  ebda.  448.  Noch  bei 
Buchholz  lautet  der  pl.  meist  kleinod  138.  153.  154.  164.  447  u.s.w. ;  np. 
kJcinode  ebda.  218,  ap.  Meiiioten  ebda.  142  und  pl.  Ueiuoder  ebda.  446.  Das 
endungs-e  konnte  lautgesetzlich  dem  werte  nicht  augehängt  Averden,  und 
die  analogische  form  widerstrebte  augenfällig  dem  Verfasser;  demselben 
gründe  ist  es  zuzuschreiben,  dass  Buchholz  auch  den  pl.  leiclmam  ohne 
flexivisches  e  bildet.  Solcher  Verlegenheit  half  die  form  kUinodien  ab.  — 
Dieser  »-pl.  ist  gelehrten  Ursprungs  und  beruht  auf  einer  gleichstellung 
des  wertes  mit  den  lat.  neutreu  auf  -tum  wie  principium,  prmleghim.  Der 
Vorgang  vollzieht  sich  bei  Kantzow  sichtbar  vor  uusem  äugen.  Kautzow 
wendet  meist  den  r-pl.  kleinoter  au;  daneben  aber  bildet  er  den  lat.  plural 
kleinodia  195  gerade  wie  ^■^.  privihgia  213  und  die  n-form  des  plurals  np. 
clemodien  ebda.  169  wie  dp.  privüecjien  ebda.  214.  Der  neuen  n-bildung 
haftete  der  durch  die  lat.  form  aufgedrückte  accent  an,  und  die  gleich- 
massige  Verteilung  des  tones  machte  die  form  dem  gehör  wolgefällig,  und 
gestützt  durch  die  fremdwörter  privilecjien,  pvincipien  u.  a.  verdrängte  sie 
allmählich  fast  gänzlich  die  ungefüge  form  kleinode.  Der  pl.  kleinodien 
begegnet  im  16.  jh.  noch  bei  Albertinus  (dp.  50)  und  bei  Arndt  n.  Kehrein 
178.  Im  17.  jh.  finde  ich,  abgesehen  von  Buchholz,  nur  noch  den  nhd.  «-pl., 
und  zwar  bei  Spee  (n.  Kehrein  178).  Duesius.  Simplic.  dp.  351 ;  im  18.  jh. 
begegnet  der  pl.  kleinodien  Lehms  210,  Nast  neben  pl.  kleinode.^) 

In  diese  klasse  sind  ferner  eingetreten  die  fremd- 
wörter princip,  privüeg,  Jcapital,  matcrial,  interesse,  inseJct, 
juivel,  staket,  Statut,  individuum  nnd  das  nur  im  pl.  übliche 
Utensilien.  Die  übrigen  neutralen  fremdwörter  argiiment,  Cle- 
ment, fundament,  instrument,  metall,  organ,  patent,  sacrament, 
talent  u.  a.  haben  die  a-declination  angenommen.  Nur  regiment 
und  spital  bilden  einen  r-plural. 

Ueber  die  Verschiedenheit  der  flexion  der  fremdwörter 
erhebt  sich  die  frage,  welche  gründe  massgebend  gewesen 
sind,  das  wort  dem  a-,  n-  oder  r-plural  zuzuführen.  Der  r-pl. 
hat  sich  bei  den  am  häufigsten  gebrauchten  und  durchaus  volks- 
tümlichen Wörtern  festgesetzt.    Die  übrigen  mehr  gelehrten 


1)  Im  DWb.  1123  wird  der  pl.  kleinodien  zuerst  im  Simpl.  von  Grimmeis- 
hausen belegt.  Mein  erster  beleg  bei  Kantzow  reicht  also  rund  150  jähre 
weiter  zurück,  und  die  tatsache,  dass  der  räumlich  weit  getrennte  Baier 
Albertinus  auch  im  16.  jh.  schon  die  «-form  anwendet,  deutet  darauf  hin, 
dass  die  n-form  kleinodien  bereits  im  16.  jh.  eine  gewisse  Verbreitung 
gefunden. 


380  MOLZ 

Worte  ^\llrilen  meist  der  rt-declination  zugewiesen;  denn  die 
neutrale  niisehklasse  zählte  zu  wenig  Vertreter,  um  eine  über 
die  a-stämme  obsiegende  anzieliungskraft  auszuüben.  Für  den 
n-i>\.  der  neutralen  fremdwürter  sind  besondere  günstige  Ver- 
bindungen mit  den  fem.  n-,  a- stammen  zur  erklärung  anzu- 
ziehen. Die  pl.  princiinen,  Privilegien,  Jcapitalien,  matcrialien, 
Utensilien  sind  in  ilirer  form  unmittelbar  an  die  früher  in  die 
spräche  aufgenommenen  fem.  pl.  historien,  maierien,  copicn 
(Stretl.  ehr.  138,  27),  Jcastanien  (Ej'b),  Icomödien  (Kyb),  injiirien 
(Kantzow  254),  hcstien  (Mathesius),  ceremonicn  (Mathesius)  u.  a. 
angeglichen.  Dabei  gab  die  lat.  form  des  plurals  z.  b.  privileijia 
durch  das  /  vor  der  endung  anlass  zur  vermittelung  des  weib- 
lichen n-plurals.  Es  ist  das  ein  neuer  beweis,  wie  bedeutungs- 
voll für  die  flexion  die  ähnlichkeit  der  bildungsweise  der  Wörter 
ist  (vgl.  s.  299).  An  belegen  steht  mir  nur  zur  Verfügung  dp. 
Privilegien  Kantzow  214,  np.  kriegsmaterialien  Simpl.  490.  — 
Interesse  verdankt  den  «-pl.  seiner  auf  e  auslautenden  siug.- 
form:  hohe  sinfs  oder  interessen  darauf  schlagen  Krafft  268. 
Der  bedeutungswandel  des  Wortes  kommt  für  die  flexion  nicht 
in  betracht.  —  Jincel  schwankt  im  genus  zwischen  masc.  und 
neutr.  Auch  eine  fem.  uebenform  die  juu-ele  ist  aus  dem  «-pl. 
entsprungen.  Der  n-pl.  ist  aus  dem  fast  ausschliesslichen  ge- 
brauch dieses  numerus  zu  begreifen;  ausserdem  wirkten  die 
verwanten  pl.  perlen,  schmuclisachen  auf  seine  bildung  fördernd 
ein;  ap.  theuere  juhelen  Grefl.,  Dr.  kr.  94*.  —  Die  noch  übrig 
bleibenden  fremdwörter  insekt,  stalcet,  Statut,  individmtm  sind 
in  ihrer  flexionsweise  nicht  minder  von  dem  fem.  abhängig. 
Bei  dem  pl.  inseiden  schwebten  die  diese  klasse  bildenden  tiere 
wie  hienen,  fliegen,  mücJcen,  schnaken,  spinnest,  ivcspen  u.a.  vor; 
pl.  inscld  Nast.  —  Der  pl.  Staketen  scheint  seiner  häufigen 
an  Wendung  die  M-gestalt  zu  verdanken;  doch  könnte  hier  auch 
an  eine  beeinflussung  von  den  masc.  pfoste{n),  stcckc(n)  gedacht 
werden.  Aus  dem  pl.  hat  sich  die  stakete  entwickelt.  Aus  dem 
16.  jh.  ist  zu  belegen :  ns.  stocket  Stade  172,  ap.  stocketen  ebda. 
173.  —  Der  pl.  Statuten  ist  in  den  verwanten  pl.  Satzungen, 
verordmingen,  Vorschriften,  regeln  begründet:  ap.  Statut  Stretl. 
ehr.  181, 26,  as.  das  Statut  Kantz.  206,  ap.  siattuten  Boner,  Just. 
10.  61.  95,  gp.  ordenlicher  stattuten  Krafft  66.   —   Der  pl.  in- 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   IL  381 

äividuen  ist  ganz  jungen  Ursprungs  und  fusst  auf  den  pl.  hrea- 
turcn,  Personen-^  menschen. 

Die  ausbildung  der  schriftsprachliclien  miscliformen  Aväre 
damit  hinreichend  gekennzeichnet;  doch  erscheint  es  mir  an- 
gezeigt, die  Übergänge  nochmals  im  zeitlichen  Zusammenhang 
mit  der  Verschiebung  der  masc.  und  fem.  zu  betrachten.  Wäh- 
rend die  5i- Stämme  äuge,  oJir  schon  mit  beginn  des  16.  jh.'s 
durchweg  die  «-flexion  des  sing,  aufgegeben  haben,  dringt  bei 
den  ja -Stämmen  hett,  ]iemd(e),  ende  die  «-form  erst  im  laufe 
des  18.  jh.'s  in  den  pl.  ein.  Die  masc.  «-stamme  pscdm,  sclimerz, 
Untertan,  hauer,  vetter  u.  a.  bewegen  sich  viel  langsamer  zu 
ihrer  nhd.  flexionsweise  als  äuge  und  oJir,  während  von  den 
starken  Substantiven  dorn,  (strahl),  stachel  schon  im  16.  jh.  der 
«-plural  üblich  wird.  Zur  begründung  dieser  zeitlichen  Ver- 
schiedenheit in  der  Verschiebung  der  masc,  und  neutra  lässt 
sich  folgendes  beibringen:  die  schwachen  neutra  bildeten  nur 
eine  kleine  gruppe,  die  dem  einfluss  der  a-  und  ja -stamme 
leicht  erlag,  soweit  die  numeraltrennung  dadurch  unangetastet 
blieb.  Ausserdem  aber  spielte  das  übergewicht  der  nom.  acc- 
form  eine  wichtige  rolle;  her^  ist  dem  ausgleich  nicht  erlegen. 
Die  masc.  «-stamme  sind  aber  viel  zahlreicher,  und  so  gewinnt 
die  starke  flexion  nur  langsam  auch  ausdehnung  unter  ihnen. 
Die  ja -Stämme  bette,  hemde,  ende  konnten  eines  pluralischen 
kriteriums  so  lange  entraten,  als  die  j«-klasse  nicht  durch 
weite  ausdehnung  der  apokope  dem  gefühl  für  trennung  der 
numeri  innerhalb  der  neutra  eine  unerschütterliche  basis  gab. 
Erst  im  18.  jh.  gelangen  die  mit  ge-  abgeleiteten  ja -stamme 
zu  ihrer  nhd.  gestalt,  und  um  dieselbe  zeit  dringt  auch  der 
«-pl.  bei  den  genannten  einfachen  j«-stämmen  durch,  die  durch 
ihre  volle  nom.  acc.-form  mit  dem  fem.  in  enger  berührung 
standen.  Ausserdem  aber  bot  für  das  neutr,  auch  jetzt  die 
längst  durchgeführte  mischdeclination  von  äuge  und  ohr  eine 
erleichterung  zur  festsetzung  der  «-form  im  plural.  In  die 
mit  ge-  zusammengesetzten  ja-stämme  ist  die  weibliche  plural- 
endung  -en  nicht  vorgedrungen.  Wol  haben  einzelne  denk- 
mäler  auch  zuweilen  diesen  weiteren  schritt  getan;  doch  hat 
in  der  Schriftsprache  die  geschlossenheit  der  r/e-ableitungen 
diese  ein  Wirkung  nicht  geduldet.  Bei  den  masc.  gab  es,  ab- 
gesehen von  den  ableitungen  auf  -en,  -er,  -el,  keine  gleichheit 


382  MüLz 

der  form  in  siug.  und  iil.  und  so  erklärt  es  sich,  dass  die  pl. 
dornen,  stacheln,  strahlen,  (fesseln)  im  allgemeiuen  zeitlich 
früher  fallen  als  die  pl.  betten,  hemden,  enden. 

Der  pl.  yliedmassen  Avird  im  17.  jh.  herschend.  Die  fremd- 
wörter  nehmen  z.  t.  mit  ihrer  aufnähme  in  die  spräche  auch 
den  auf  rein  associativen  Vorgängen  beruhenden  w-pl.  an.  Unter 
gelehrtem  einfluss  folgt  vom  IG.  jh.  an  den  lat.  fremd  Wörtern 
mit  -/c'M-plural  auch  Ideinod. 

Vorübergehende  berührung  der  neutra  mit  den 

n-stämmen. 

1)  Vereinzelte  n-fornaeii  des  Singulars. 
Eine  weitgehende  berührung  der  neutra  mit  den  «-stammen 
im  sing,  verbot  sich  von  selbst.  Die  wenigen  mhd.  neutralen 
«-Stämme  sind  für  die  spätere  flexion  der  übrigen  neutra  nie- 
mals von  bedeutung  geworden.  Im  gegenteil,  sie  erlagen  bis 
auf  den  ds.  herzen  dem  eintluss  der  starken  flexion.  Die  ganze 
richtung,  nach  der  die  Verschiebung  der  s^-steme  neigt,  wider- 
strebte einer  ausdehnung  des  schwachen  Singulars.  Es  wird 
so  begreiflich,  dass  nur  vereinzelte,  aus  besonderen  anlassen 
hervorgegangene  »^-formen  in  nhd.  Schriften  erscheinen. 

mal:  aus  dem  dat.pl.  mahn,  der  iu  füguugeu  wie  zu  tausend  miden 
Decam.  40,  22  in  häufige  anweuduug  kommt,  bat  sich  zunächst  auch  in  dem 
acc.  pl.  die  «-form  zuweilen  eingestellt:  erslugent  zweihundert  malen 
tui^end  lieiden  Stretl.  ehr.  144,13,  er  kam  alle  jär  fier  mallen  :i(0  im 
Haimk.  262,  22,  ich  sott  hillich  zechen  mallen  sterben,  wann  ich  halt  den 
tod  u-ol  vcrschultcn  ebda.  144,23,  die  uch  so  vyl  mallen  fmntlichen  gc- 
hetten  hand  ebda.  242,1,  do  ward  im  mer  dann  fier  mallen  ämmächtig 
ebda.  110,  7;  daneben  drXi  mal  ebda.  148,  27.  Dann  gibt  ganz  der  form  des 
dat.  pl.  entsprechend  auch  der  dat.  siug.  der  ?/-form  eiulass:  dann  er  hat 
innen  zumm  dicJcern  mallen  zcider  mich  gchulffcn  Haimk.  l'iiS,  9-,  daneben 
zumm  dickern  mal  ebda.  145,31.  192,17  und  as.  der  uns  so  meng  mal 
verspottet  hat  ebda.  238,28.  Bei  dem  Alemannen  Hieronj-mus  Boner  tritt 
zu  dem  correcten,  fast  adverbiell  geAvordenen  dp.  zu  mermaln  Just.  93.  94 
fast  allgemein  der  dat.  sing,  in  der  ?i-gestalt:  zum  ersten  malen  Oros.  4, 
zum  siebenden  malen  ebda.  74  neben  zum  vierden  mal  ebda.  74,  zum  offtern 
mal  ebda.  88;  ferner  zum  dritten  maln  Just.  33,  zum  offtern  maln  ebda.  37, 
zum  ziceitn  maln  ebda.  74  und  auch  acc.  sing,  auf  difs  maln  ebda.  103.  In 
diesem  Zusammenhang  sei  auch  erwähnt,  dass  die  substantivischen  nominal- 
adverbien:  formüllen  Haimk.  16,  24,  nach  mallen  ebda.  211,34  und  damaln 
Boner,  Just.  94,  abermaln  ebda.  74,  offtermaln  ebda.  49  gleichfalls  aus  dem 


NHD,   SUBSTANTIVFLEXION.   II.  383 

dat.  pl.  im  letzten  gründe  entsprungen  zu  denken  sind,  wenn  auch  die 
«-form  des  dat.  sing,  vermittelnd  eingewirkt  hat. 

häupt:  sun  fassen  der  morast  und  fewer  see  derhöllen  Zum  häupten 
Christus  selbst  den  letzten  spruch  zu  feilen  Opitz,  Kr.  96.  Das  hestrehen, 
an  stelle  des  üblichen  dat.  pl.  zun  häupten  einen  logisch  richtigeren  sing, 
einzusetzen,  hat  hier  zur  anomalie  verhelfen.  —  Auf  der  andern  seite  kam 
es  auch  vor,  dass  der  coUective  sing,  in  den  präpositionaleu  Wendungen  zu 
pferde,  zu  schiff  aus  dem  selben  bemühen  nach  logischer  genauigkeit  in 
den  plural  umgebildet  wurde:  do  qwomen  ufs  der  stat  sohin  Mindert  zu, 
pherden  Rothe  233,  do  nomen  sie  an  sich  zwe  tusend  zu  pherden  unde 
fünf  tu/send  zn  fufse  ebda.  235,  qwomen  zu  schiffen  uff  dem  meere 
ebda.  470  neben  die  zu  pherde  quomen  mit  grofser  not  ebda.  235. 

recht:  die  redensarten:  das  ist  rechtens,  in  aller  form  rechtens,  den 
iceg  rechtens  betreten  u.  a.  sind  reste  von  dem  substantivischen  adjectiv  das 
rechte,  das  in  mhd.  zeit  sich  in  seiner  bedeutuug  mit  dem  stark  flectierenden 
recht  deckte.  Im  laufe  der  nhd.  zeit  treten  nur  noch  wenige  spuren  des 
schwachen  neutr.  hervor:  in  dem  cdten  rechten  Awgsb.S,  7, 1.  2,  gs.  des  rechten 
Pauli  vereinzelt,  eins  stettlichen  rechtens  ursach  mag  wol  stettliche 
rechten  aber  nit  natürliche  abthun  Murner,  Adel  t.  u.,  so  begaben  sich 
die  hertzogen  in  Vorpommern  ires  rechten  auch  nicht  Kantz.  114  iind  ganz 
in  nhd.  weise  Schottel  1119  mit  bestem  schein  rechtens  unrecht  haben. 

g  est  ade:  auf  dem  stadten  des  u-assers  Boner,  Just.  35,  statt  ...  die 
am  mörgestatten  gelegen  ebda.  34  und  vom  gestaden  Eouer,  Oros.  6.  Die 
u-form  beruht  sichtlich  auf  einer  mischung  des  schwachen  masc.  stade(n) 
mit  dem  a-stamm  gestat(d).  Die  umgekehrte  beeinflussuug  scheint  ds.  an 
dem  vischer  Stade  Eothe  644  erfahren  zu  haben. 

2)   Berührung  mit  den  «-stammen  im  plural. 

Ausser  den  schriftsprachliclien  M-pluralformen  sind  nur  von 
einigen  a-  und  ^a- stammen  {tor]  siüche,  geschäfte)  w-plurale 
öfter  gebildet  worden.  Auch  manche  fremdwörter  nach  der 
a-declination  neigen  in  älterer  zeit  leicht  zu  der  w-form  des 
plurals.  Ich  erörtere  der  reihe  nach  die  w-bildungen  der  a-  und 
ja- Stämme  und  schliesse  die  5^-plurale  der  fremdwörter  an. 
Dann  wird  der  einfluss  der  fem.  w-plurale  auf  die  neutrale 
r-form  besprochen,  und  den  schluss  bilden  vorübergehende,  aus 
dem  Zusammenhang  geborene  neutrale  n-formen. 

a)  Die  w-plurale  der  a- stamme. 

land:  sonder  er  verführete  dieselbige  landen  /  vnnd  richtete  die 
Jugend  ab  sünd  vnd  laster  Albert.  22.  —  ap.  land  ebda.  3,  . . .  darumhen  er 
dan,  VHS  dreyen  in  nott  beizusprinyen  von  meinen  herrn  Ist  vff'  vnd  an- 
genommen vnd  mit  mir  In  dise  landen  zu  raysen  abgeförtiget  ivorden 
Krafft  113.    Schottel  gibt  zu  land  die  pl.  länder,  landen  an.    Für  die  ganz 


384  MOLz 

vereinzelten  )i-fornien  ist  meines  erachtens  die  ausseronleutlich  häufige  an- 
wendung  des  dat.  pl.  von  entscheidender  bedcntnng  gewesen. 

pferd:    a\\.  pferrlen  :  irrnlen  Grefi.,  Dr.  kr.  101. 

tor:  a^.torcn  Pauli  vereinzelt.  —  np.  die  ihuren  Zesen  351,  \A.  thure 
ebda.  333  u.  ö.;  vgl.  ferner  np.  thore  Opitz,  Kr.  26.  Buchholz  404.  —  ap.  an 
die  thoren  der  Städten  Simpl.  315,  np.  thore  ebda.  322  u.  ü.  —  nap.  thoren 
Lehms  67.  543;  auch  a\).  armen  ebda.  675;  zu  thor  fehlt  bei  Lehms  die  sonst 
durchaus  herschende  a-form  des  plurals.  —  Der  Übergang  zur  »-form  ist 
lediglich  dem  pl.  iüren  zu  verdanken. 

bollwerk,  aussenwerk:  np.  hoUwercJcen  Simpl.  322,  nn^.hollwercke 
ebda.  327.  341,  ap.  auf  die  schantzen  und  aiissenicercken  ebda.  3G1;  vgl. 
dazu  auch  as.  hollwercJce  ebda.  441  und  as.  f euer  wer  cJce  452.  —  Die  phirale 
schantzen,  festungen  sind  für  die  «-formen  vorbildlich  gewesen. 

Ungemach:  &t^.  ungemachen  Simpl.  3  nach  den  pl.  leiden,  schmerzen; 
beirltb missen;  vgl.  s.  303. 

ding:  ganz  vereinzelt  ist  ap.  f?«/i^e«  Hock  34  neben  niuding  ebda.  25; 
der  H-pl.  ist  offenbar  nach  dem  pl.  suchen  gebildet. 

wams:  np.  tvamsin  Urkb.  L.  435  (1484). 

mittel:  ap.  schutz-mitUen  Simpl.  429  und  dp.  mitteln  ebda.  460,  gp. 
miitehi  Abraham.  —  Die  häufigkeit  des  plurals  führte  wol  zur  Überleitung 
der  n-form. 

Schwache  gen. -pluralformen  sind  in  der  älteren  zeit  für  «-plural- 
bildung  nicht  beweiskräftig.  Auch  ausserhalb  des  alem.  gebiet^s  ist  der 
gen.  pl.  öfter  mit  dem  dat.  pl.  in  ausgleich  getreten,  was  mit  dem  unter- 
gang  des  gen.  in  der  mundart  zusammenhängen  wird.  Auf  ostrad.  gebiet 
findet  sich  z.  b.  bei  Riccius:  g^.  regimenten  G.  75,  gp.  </t/cre»  ebda.  101,  von 
der  menge  der  schiffreichen  wasser,  vnd  tvassergrehen,  teichen  vnd  schiff- 
gestadcH  ebda.  101,  gp.  der  weinstöcken  safft  131,  gp.  der  ungestümen  winden 
ebda.  132,  gp.  der  garten  stocken  ebda.  133.  Im  17.  jh.  treten  solche  formen 
zurück.  Reste  dieser  schwachen  gen.-form  sind  erhalten  in  den  schrift- 
sprachlichen adverbialen  fügungen  aller  orten,  aller  enden  und  in  aller  dingen 
Spreng,  II.  279. 

Bei  dem  pl.  schroten  Stieler  77  ist  an  das  weibliche  geschlecht  des 
Wortes  anzuknüpfen:  dei;  die,  das  sehr ot,  pl.  sc/tro^e  Stieler.  Auch  bei  dem 
pl.  zelten  Haimk.  32, 27.  92, 18  liegt  der  nom.  sing,  die  zeit  ebda.  33,  7,  ds. 
zeit  fem.  96, 6.  102, 30  zu  gründe, 

b)  Die  n-plurale  der  Ja -stamme. 

netz:  zu  dem  nom.  acc.  sing,  netze,  der  noch  bei  Weise  und  Lehms 
anzutreffen  ist,  begegnet  ein  schwacher  plural  bei  Fleming  und  Colerus; 
das  DWb.  7, 635  führt  drei  belege  an. 

öl:  in  niederdeutscher  lautgestalt  erscheint  ap.  die  medicinalische  ohlien 
Grefl.,  V.  g.  109. 

stück:  zu  der  vollen  nom.  acc.-form  des  siugulars  gesellte  sich  ver- 
einzelt früh  die  «-form  des  plurals:  us.  stucke  Urkb.  L.  315  (1464).  —  ap. 
die  stucken,  die  der  furman  geladen  hat  ebda.  312  (1464),  ap.  mancherlei 
stucken  ebda,  316  (1464).    Die  w-forraen  sind  nur  ausnahmen;  sonst  np.  stt(cke 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   11.  385 

ürkb.  L.  91  (U23).  380  (1470).  lu  späterer  zeit  bleibt  die  n-form  des  pl. 
mit  ausnähme  von  einer  bestimmten  fügung  ebenfalls  durchaus  sporadisch: 
ap.  etliche  sülkken  (= 'geschütze')  Zesen  333  neben  nap.  stukke  {=  'ge- 
schütze')  ebda.  3-48.  544,  ap.  schehnenstücken  Reuter,  Schelm.  10  zu  as.  stücke 
ebda.  147,  icJi  habe  auf  das  müdclien  so  grosse  stücken  gehalten  Lessiug 
1,  280  neben  np.  stücke  ebda.  499,  nap.  stücken  H.  v.  Kleist  5  m.,  die  stücken 
ins  gesteht  werfen  ebda.,  ap.  stücken  Grimm,  Sag.  2,  58.  89.  Das  obd.  und 
westmd.  gebiet  hat  sich  gegen  die  «-form  ganz  ablehnend  verhalten.  Die 
apokope  machte  dort  die  ja-stämme  mit  den  a-stämmen  gleich,  und  die  fem. 
n-,  a- Stämme  gewannen  auf  diese  vereinigte  gruppe  keinen  einfluss.  Ich 
erwähne  nur:  np.  stucke  Mainz  1, 11, 14.  52, 12,  ap.  stucke  Nürnb.  5,  743,  20, 
stücke  Stade  142  zu  as.  stücke  ebda.  153,  gap.  stuckh  Krafft  353.  387.  420, 
np.  stücke  (=  'geschütze')  Grefl.,  Dr.  kr.  104*. 

Eine  besondere  ausdehnuug  hat  die  «-pluralform  nur  in  den  Verbin- 
dungen in  stücken  reissen,  in  stücken  springen,  in  stücken  hauen 
u.  ä.  genommen.  In  obd.  Schriften  der  älteren  zeit  herscht  an  stelle  der 
fügung  mit  der  präposition  in  durchaus  die  Verbindung  mit  zu:  csestucken 
ging  Decam.  299,  7,  ze  stücken  geschlagen  ebda.  86,  7,  zu  stucken  sprang 
Füet.  11,  zu  stucken  brach  Füet.  134,  raifs  den  zu  stucken  B.  d.  beisp.  131,  22, 
ire  sper  zuo  stucken  sprutzend  Haimk.  25G,  20,  zxio  stucken  hoicn  ebda.  9,  26, 
zu  stucken  zerbrach  ebda.  66, 12;  aber  und  hüiv  das  in  zwey  stuck  ebda.  18,2. 
Ferner  zu  stücken  brechen  Eoseubl.,  zu  stücken  hauen,  sprengen,  reissen 
Ayrer,  zu  stuckhen  zerhauen  Krafft  199.  Auch  der  Eheiufrauke  Burkhard 
Waldis  hat  rifs  zu  stücken  283, 18*.  Mit  diesen  fügungen  fast  identisch 
ist  die  Verbindung  von  verben  mit  zu  trümmern  (vgl.  s.  388).  Auf  md.  ge- 
biet tritt  an  stelle  der  wendung  mit  der  präposition  zu  die  Verbindung 
mit  in.  Es  erscheint  dann  oft  die  schwache  pluralform,  für  deren  eintreten 
manche  gründe  geltend  zu  macheu  sind.  Der  wichtigste  aulass  für  die 
«-form  war  das  streben  zum  ausdruck  der  pluralischen  function.  Wie  die 
belege  bei  Weise  und  Lehms  zeigen,  kam  die  w-form  nicht  zum  Vorschein, 
wenn  eine  zahl  den  pl.  schon  kenntlich  machte.  Dann  aber  konnte  auch 
eine  contamination  mit  den  obd.  formein  den  «-pl.  in  der  Verbindung  mit 
in  herbeiführen.  Besonders  wird  das  auf  obd.  boden  bei  der  aufnähme  der 
ostmd.  Schriftsprache  zu  erwarten  sein,  wo  die  ganze  schriftliche  tradition 
nur  die  Verbindungen  mit  zu  kannte;  vgl.  zerrifs  sie  in  stucken  das  rote 
buch  Albert.  120,  bifs  er  . . .  conspirirte  /  vnd  seinen  bruder . . .  vmbringen  / 
in  16  stücken  zerhacken  vnd  die  stück  vnter  seinen  gesellen  aufstheilen 
liefs  ebda.  24.  —  Für  md.  gebiet  seien  in  zeitlicher  reihe  folgende  belege 
aufgeführt:  der  zerrissen  war  worden  in  stücke  Eicc,  P.  G.  162,  in  stücken 
reissen,  zerhauen  Jul.  v.  Brannschw.  (der  «-pl.  ist  nd.),  diesen  feind  des 
königs  auff  stücken  reissen  Opitz,  Arg.  76,  in  stükke  zerspränget  Zesen 
355,  in  stücken  bifs  Gryphius  55,  314,  in  stücken  zerhacket  iverden  Buchholz 
389,  in  stücken  zersprengen  ebda.  87,  in  stücken  zerschnitten  Weise  116, 
in  stücken  zerschlagen  ebda.  198,  aber  in  zehen  stücke  brechen  ebda.  14,  in 
tausend  stücke  zersprang  ebda.  190,  in  stücken  zu  zerreissen  Lehms  381, 
aber  in  tausend  stücke  zertrümmern  ebda.  274;  ausserdem  ap.  stücke,  gold- 
stücke  ebda.  101.  116.  553,    in  stücken  springen,  hauen  Goethe,   in  stücken 


386  MOLZ 

reisscH,   fliegen,   hauen   Schiller,    haut   aitch   den   satiel    noch   in   stücken 
Uiiland. 

Älit  dem  Untergang  der  vollen  singularfonn  trat  anch  alhuiihlich  die 
ri-form  des  pl.  wider  ganz  in  ihre  rechte.  Das  strehen  nach  numtMultrennung 
fand  an  ihr  genüge:  eine  durchhrechuug  des  Systems  lag  nicht  mehr  im 
iuteresse  der  deutliehkeit.    Zum  ?--pl.  vgl.  s.  370. 

Ganz  vereinzelt  sind  die  ?i-plurale  bei  den  mit  ge-  zusammen- 
gesetzten jrt-stämmen.  Der  r-pl.  lag,  wie  wir  gesehen  haben,  dieser 
wortgruppe  näher  als  die  im  neutr.  nur  schwach  vertretene  «-pluralbildung: 
welcher  frei/  und  xingeziamgen  seine  suchen  und  geschefften  verricht 
Albert.  15G  und  gp.  aller  meiner  geschefften  ebda.  5,  np.  geschäften  Parn. 
boic.  2G.')  —  np.  rye/«ft<e«  Äsop  02  zu  as.^fe?»/^^  neutr.  ebda.  170:  zu  dieser 
)i-form  wäre  ap.  geschriften  ebda.  Gl  zu  gcschrift  fem.  2 IG  zu  vergleichen. 
—  ap.  gcdrencken  Stade  178  neben  ap.  gedrencke  ebda.  178  4ra.  188.  — 
Der  np.  gesichten  die  einem  zu  nacht  in  dem  träum  fürkommen  Henisch 
1561  beruht  auf  dem  fem.  die  gesicht. 

Die  übrigen  »-formen  der  ja-stärame  sind  nur  im  gen.  pl.  belegt,  einer 
form,  die  für  die  schwache  bilduug  des  pl.  nicht  beweisend  ist,  wenn  auch 
in  anderen  klassen  der  gen.  pl.  mit  dem  dativ  pl.  in  ausgleich  getreten 
ist.  So  begegnet  gp.  geschafften,  haiisgeschäfften  Schaidenr.  10  neben  gp. 
dingen  10,  icülden,  tvinden  25  u.  a.,  alle  haubter  der  hohen  häuscr  und  ge- 
schlechten Albert.  23  neben  wie  der  guter  wille  ein  vrsprung  vnd  an  fang  ist 
aller  guten  gedancken,  worten  vnnd  wercken  ebda.  10  und  gp.  der  könfftigen 
dingen  1G6  u.  a.  Selbst  bei  Buchholz,  dem  die  7i-bilduiig  im  gen.  pl.  fremd 
ist,  möchte  ich  den  gp.  eurer  geschafften  371  nicht  für  die  »-bilduug  des 
pl.  in  an  Spruch  nehmen,  weil  sie  sonst  bei  den  ostmd.  Schriftstellern  nicht 
vorkommt.  —  Im  Frz.  Simpl.  (1682)  ist  die  alem.  tradition  betreifs  des'gen. 
pl.  noch  gut  gewahrt.  Der  gp.  schelmenstucken  429  und  der  gp.  xcegen 
vieler  haufsgeschäfften  36  tritt  neben  die  gp.  fällen  2,  feinden  4,  rorstätten, 
hüfen  und  bäumen  506  u.s.w.;  bemerkenswert  ist  aber,  dass  die  masc. 
suffixalen  bildungen  auf  -er  und  die  masc.  und  neutra  mit  r-pl.  im  gen.  pl. 
die  reine  a-form  zeigen :  g]^.  kinder  10,  lünder  iOi,  ungelder  109,  häuser  S9i, 
reutter  435,  ihrer  kleider  und  schuhen  445,  fmgcr  458,  bürger  4G8.  472,  gröber 
473,  xveiber  idO,  arter  522,  männer  bii;  vereinzelt  ist  gi^.  hundsfiüttcren  (jO. 

c)   «-plurale  der  fremdwörter. 
Von  den  fremdwörtern,  die  nach  dem  typus  ding  flectieren,  haben  nicht 
wenige  zuweilen  die  »-form  im  pl.  aiigeiioinmen.    Ich  lasse  die  belege  für 
den  «-pl.  folgen  und  füge  nach  möglichkeit  einige  beispiele  für  das  vor- 
kommen der  correcten  funu  aus  Schriften  desselben  dialcktgebietes  hinzu: 

')  Die  n-bildung  geschäften  ist  durchaus  vereinzelt.  Luther  hat  stets 
den  \^\.  gesch€fft(e)  und  der  obd.  lexikograph  Henisch  1530  gibt  an:  ehrliche 
geschafft  und  handlungen,  gemeine  haufsgeschäfft.  Das  üWb.  3817  führt 
drei  belege  für  den  Ji-plural  au.  Darunter  ist  da.><  citat  ans  Maaler  sicher 
unzutreffend:  die  »(-form  des  gen.  pl.  wird  für  die  »-bilduug  des  pl.  mit 
unrecht  als  beweisend  betrachtet. 


NHD.   SUBSTANTIVFLEXION.   II.  387 

np.  cocof??77/e/i  Veter  b.  73,  22.  24.  —  ngi^.metallen'FvoschmAid.  124.  —  ap 
ficnff  taJenten  Albert.  142,  ap.  eitele  arrjumenten  ebtla.  42,  gp.  argumenten 
ebda.  163,  ugap.  sacramenten  ebda.  99.  102.  103.  104;  aber  np.  fundament 
ebda.  191.  Im  übrigen  ist  auch  in  oberdeutschen  Schriften  des  15.  und  16.  jh.'s 
die  a-pl.-form  dieser  würter  üblich:  ap.  sacrament  Stretl.  ehr.  75,  29,  ngap. 
sacrament  Nass  271  u.s.  w. ;  ap.  e?Zameni  Haimk.  172, 17.  Im  nördlichen  ge- 
biet ist  die  o-form  natürlich  stets  in  geltung  geblieben:  ap.  sacrament 
Rotlie  260  und  element  Hocker.  2, 293.  Im  17.  jh.  sind  aus  obd.  Schriften 
zu  eitleren:  gap.  instrumenten  Spreng,  IL  23.  262.  264,  np.  mstrumenien, 
elementen  Weckherlin,  np.  instrumenten  Krafft  332,  ap.  pattenten  ebda.  69, 
ap.  elementen  Kalloandro  1,  20,  np.  instrumenten  Simpl.  316,  aber  dui'cJi  die 
Icrafj't  der  vier  elemente  Grefl.,  V.  g.  83.  Mitteldeutsche  schriftsteiler  wenden 
die  n-form  nur  vereinzelt  an:  np.  die  elementen  Fleming  nach  Kehreiu  204, 
gp.  der  elementen  art  Opitz,  Kr.  41,  pl.  madrigalen  Morhof  760.  Aus  dem 
18.  jh.  kenne  ich  noch  np.  meublen  Lehms  682,  ])l.  die  niotiven'B..\.  Kleist, 
pl.  die  synonymen  Herder  3  m.,  die  synonyme  ebda.  1  m.,  pl.  die  attribiiten, 
Organen  ebda. 

An  den  »-bildungen  sind  besonders  der  Baier  Albertinus  und  die 
Schwaben  Spreng,  Weckherlin  und  Krafft  beteiligt.  Diese  autoren  huldigen 
fast  durchweg  der  traditionellen  abstossuug  der  flexivischen  e  des  substan- 
sivs,  und  sie  schreiben  alle  zu  einer  zeit,  in  der  infolge  der  Verschmelzung 
der  fem.  n-,  a-stämme  im  pl.  die  eudung  -en  als  numeruszeichen  stark  ins 
bewusstsein  fiel.  Da  e  für  jene  Schriftsteller  nicht  als  flexivisches  zeichen 
galt,  und  der  r-pl.  auf  volkstümliche  entwickelung  beschränkt  bleibt,  musste 
in  dem  bestreben,  den  pl.  zu  kennzeichnen,  die  wähl  auf  die  schwache 
jt-bildung  fallen. 

d)   Pleonastischer  w-plural  der  s- stamme. 

Die  r-pluralform  hat,  wie  ich  oben  s.  352  gezeigt  habe,  manchmal  in 
anlehnung  an  die  a-stämme  ein  überflüssiges  flexivisches  e  angehängt.  Aber 
auch  gegen  eine  beeinflussung  des  «-plurals,  die  besonders  von  den  fem. 
n-,  a-stämmeu  ausgierig,  hat  sich  der  r-pl.  nicht  ganz  verschliessen  können. 
Wenn  der  jvj-pl.  seltener  in  erscheinuug  tritt  als  die  durch  analogisches 
e  erweiterte  r-form,  so  ist  diese  tatsache  in  den  flexivischen  Verhältnissen 
des  uentr.  begründet:  die  jn-stämme  und  die  in  ihrer  biegung  ans  masc. 
angeschlossenen  a-stämme  vereinten  sich  mit  den  masc.  ableitungen  auf 
-er,  um  zuweilen  plurale  wie  ki)idere,  Jdeidere  hervorzubringen;  diese  ana- 
logie  besass  zum  grösseren  teil  innerhalb  des  neutralen  Systems  ihre  zeugende 
kraft.  Dagegen  konnte  eine  «-form  Meidern  nur  aus  dem  plural  der  fem. 
n-,  a-stämme  abgeleitet  werden;  eine  solche  bilduug  lag  ausserhalb  des 
neutralen  flexionssystems,  und  gegen  ihre  hervorbriugung  stemmten  sich 
alle  neutralen  declinationsklassen  mit  ausnähme  der  schon  in  älterer  zeit 
gemischt  flectierenden  a^ige,  ohr.  /a-stämme  kommen  für  die  ältere  zeit 
zu  gunsten  des  >i-pl.  noch  nicht  in  betracht,  weil  die  gemischte  flexions- 
weise unter  ihnen  erst  im  18.  jh.  platz  griff.  —  Auch  im  mittelenglischen 
haben  im  Süden  die  neutralen  s-stämme  unter  dem  einfluss  des  weiblichen 
n-plurals,  der  den  vocalischen  und  consonan tischen  stammen  gemein  ist, 


388  MOLZ 

gewühnlich  die  durch  n  erweiterte  pluralforni  augeiiommeu:  lonthreu,  cahren, 
children,  eircn.  Im  weiteren  verlauf  der  entwickelnng'  hat  sich  mir  children 
behauptet,  die  übrigen  büssten  ihren  alten  echten  pl.  ein.  Die  geringe 
Widerstandskraft  der  alten  s-stämme  gegen  das  eindringen  des  plnralisdien 
II  wird  aus  der  kleinen  zahl  der  r-plurale  im  mitteleuglischen  erklärlich; 
mit  der  ausbreitung  des  n  auf  den  pl.  der  weiblichen  vocalischen  stamme 
trat  das  bewusstsein  einer  besonderen  neutralen  ;--pluralliildnng  mehr  und 
mehr  in  den  hintcrgrund  und  wurde  von  der  »-l)iUlung  üljerwuchert.  Im 
nlid.  hatte  der  neutrale  r-pl.  schon  lange  vor  der  durthfiihrung  des  gleichen 
n-plurals  für  weibliche  a-  und  »i-stämme  eine  so  grosse  und  feste  ausdehuung 
gewonnen,  dass  die  Wirkungssphäre  des  »-pl.  nur  äusserst  selten  auf  den 
r-jA.  übergriff. 

Aus  der  fiühnhd.  zeit  sind  nur  anzuführen:  ap.  2>?e"er»  Mynsinger  45, 
ap.  und  der  pur  die  andern  dcüdern  iifs  geteie  Tüuger  119.  Nach  Franke 
s.  169  ist  aus  Luthers  Schriften  belegt:  für  die  weibern  1542:  eyn  trost  für 
die  tceibern,  welchen  es  vngerat  gegangen  ist.  Eiccius,  P.  G.  121  bietet  noch: 
da  ivird  . . .  ein  gesum  umb  jhre  bienstöcke  vnd  bienJöchcrn  j  das  ist  innb 
die  löcher  an  den  biensiöcJcen.  Vielleicht  schwebte  bei  der  bildung  des 
)i-plurals  bienlüchern  die  präpositiou  an  vor.  —  Diese  citate  sind  natürlich 
nur  als  ausnahmen  in  den  bezeichneten  Schriften  aufzufassen. 

Dann  ist  es  später  noch  der  pl.  trü miner  (zuweilen  auch  sehe it er), 
der  sich  öfter  in  das  gewaud  des  «-pl.  gekleidet  hat.  Der  pl.  ist  durch  die 
häufigkeit  seiner  anweudung  und  durch  eine  besondere  bedeutungsentwicke- 
lung  von  dem  sing,  losgelöst,  ohne  dass  das  gefühl  für  seine  pluralische 
function  verloren  gieug.  Da  die  schwache  endnng  -cn  als  pluralzeichen 
alle  übrigen  arten  der  pluralbilduug  überwiegt  und  so  gleichsam  als  normal- 
euduug  für  die  pluralform  empfunden  wird,  konnte  im  pl.  leicht  ein  pleo- 
uastisches  n  angehängt  werden,  zumal  durch  das  zurücktreten  der  singularen 
form  der  pl.  aus  dem  System  der  s-stämme  ausschied,  und  eine  hervorkehruug 
der  pluralischen  function  nur  durch  das  u  der  fem.  n-,  a-stämme  erfolgen 
konnte.  Ferner  war  es  für  die  hervorbringung  der  «-form  von  wesentlicher 
bedentung,  dass  der  pl.  häufig  in  den  Verbindungen  zu  irümrner)!  gehen, 
zu  trnmmcrn  schlagen,  (zu  scheitern  gehen)  üblich  ist.  Au  stelle  der  prä- 
position  Ä»  mit  dem  dat.  konnte  in  diesen  fügungen  auch  /«  mit  dem  acc. 
treten,  und  dadurch  wurde  die  form  dem  pl.  stücken  (vgl.  s.  384  f.)  sehr  nahe 
gebracht,  und  die  Umbildung  zum  «-pl.  fand  an  ihm  eine  stütze.  Häufige 
anwendung  des  pl.,  insbesondere  des  dat.  pl.,  im  verein  mit  der  analogie 
des  pl.  stücken  sind  demnach  als  die  treibenden  kräfte  für  den  «-pl.  trümvicrn 
(scheitern)  aufzufassen. 

pl.  trümmern  Creuz  (1750).  Nicolai.  Musäus.  Goethe.  Eückert  nach 
Sauders  DWb.  2-,  1395,  u-ir  tragen  die  trümmern  in  nichts  hinülnr  Goethe, 
Faust  1. 

pl.  die  scheitern  des  Schiffes  Klopstock,  Werke  1, 273.  Adelung  meint, 
dass  für  in  scheuer  besser  scheitern  gesagt  würde.  Der  pl.  die  scheitern 
(des  schi/fcs)  begegnet  auch  bei  H.  v.  Kleist,  Hermannsschi. 

Aus  dem  pl.  trümmern  hat  sich  die  singulare  nebenform  die  trümmcr 
entwickelt;  es  ist  das  derselbe  Vorgang,  der  sich  bei  dem  geschlechtswandel 


NHD.   SUBSTiNTIVFLEXION.   II.  389 

der  masc.  Substantive  angel,  fessel  abgespielt  hat  (vgl.  Beitr.  27, 323).  Der 
fem.  sing,  die  trümmer  findet  sich  zuerst  bei  Klops tock,  Oden,  Hamb.  1771 
nach  Weigand,  zu  meiner  trümmer  Herder,  jede  trümmer  deutet  auf  ein 
grab  Goethe,  Nat.  tochter. 

Auch  der  fem.  sing,  die  scheiter  ist  aus  dem  pl.  scheitern  abzuleiten, 
toir  sagen  die  scheitern  des  Schiffes  in  der  mehrheit,  davon  ist:  die  scheiter 
die  einheit  Klopstock,  Werke  1,  273,  tveit  hinab  an  dem  brausenden  gestade 
lag's  von  der  scheiter  umher  Klopstock,  Oden  nach  Sanders.  Der  fem.  sing. 
scheiter  ist  ferner  bei  Stolberg,  Voss,  Rückert  anzutreffen. 

e)  Neutrale  »i-plurale,  die  aus  momentaner  formenübertragung 

entsprungen. 

Eine  momentane  formenübertragung  liegt  dann  vor,  wenn  eine  flexions- 
form  nach  dem  muster  einer  andern  im  gleichen  casus  und  numerus  vorüber- 
gehend umgebildet  wird.  Solche  fälle  sind  natürlich  äusserst  selten;  denn 
sie  haben  eine  geringe  festigkeit  der  einprägung  der  flexivischen  Verhält- 
nisse und  eine  gewisse  raschheit  der  schriftlichen  aufzeichnung  zur  Voraus- 
setzung. Gewöhnlich  erfolgt  die  formenübertragung  aus  der  unmittelbaren 
Umgebung  (vgl.  ns.  Juden  Beitr.  27,  236.  340).  Am  meisten  tritt  im  nhd. 
eine  vorübergehende  angleichung  an  den  ri-pl.  hervor,  dessen  weite  geltung 
als  pluralzeichen  eine  aus  dem  Zusammenhang  geborene  plötzliche  Umbildung 
nach  der  »t-form  begünstigt  hat. 

Folgende  fälle  sind  mir  begegnet: 

1)  Die  w-form  anstatt  der  a-form:  beide  die  thronen  und  her- 
schafften j  und  fürstenthumen  und  oberkeiten  Hocker.  1,  63.  —  Ists  aber 
ein  thier  /  tvas  es  denn  für  eines  sey  /  Icatze  oder  hund  j  ochsen  oder 
Schafen  ...  Hocker.  2,192.  —  vnd  ob  es  tvol  vil  rehen  vnd  hasen  In 
solchem  schönen  wähl  soll  abgeben  Krafft  78.  —  um  all  dero  w orten  und 
Silben  zu  wiederholen  Simpl.  5. 

2)  Die  «-form  anstatt  der  r-form:  A^.  diesen  ochsen  und  halben 
Riccius,  P.  G.  164r,  oder  bringet  vier  schöne  ochsen  trefflich  oder  schön  von 
leibe  und  so  viel  kalben  /  oder  /  junge  küe  die  da  noch  nit  eingespannet 
waren  ebda.  165.  —  ...  vertreibt  die  flecken  und  sommermahlen  Grefl., 
V.  g.  55,  alle  flecken  und  mahlen  auf  der  haut  ebda.  59  neben  die  flecken 
und  sommermähler  ebda.  60. 

Für  die  «-bilduugen  kalben,  rehen,  schafen  ist  es  auch  noch  von  be- 
deutung  gewesen,  dass  im  15.  und  16.  jh.  das  gefühl  für  die  schwache  flexion 
von  bezeichnungen  lebender  wesen  besonders  rege  war  (vgl.  Beitr.  27,  228. 
325).  Den  dort  angeführten  citaten  seien  noch  einige  «-formen  masculiner 
a- Stämme  hinzugetügt:  ap.  vögeln  Myns.  19.  —  np.  zwilingen  Rothe  13 
neben  ap.  zivilinge  ebda.  40.  —  as.  ein  herolden  Wilw.  163,  np.  die  herolden 
ebda.  157.  —  ds.  seinem  fendrichen  Aventiu  2,  335, 12,  ap.  die  ztven  bastarden 
ebda.  234, 15.  —  nap.  herolden  Kantzow  153,  as.  arzsten  zu  ns.  artzte  ebda. 
203,  np.  Zobeln,  mardern  ebda.  224.  —  ds.  diesem  fuchsen  Wolf  h.  Spangen- 
berg 52  neben  np.  füchs  ebda.  211.  —  ds.  init  diesem  todten  fuchsen  Nass, 
W.  183  neben  dp.  fuchsen  ebda.  184.  —  np.  kranchen  Riccius,  G.  25  neben 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.  XXXI.  gg 


390  MOLZ 

np.  krauche  ebila.  02.  64.  In  der  alteu  «-Hexion  ist  noch  erhalten  as.  wide- 
hoffen  ebda.  93.  —  as.  scJnrar/ern  Hock  45,  ap.  tachsen  ebda.  81  neben  ap. 
lüchfs  :  füchfs  ebda.  —  a.s.  lesern  K rafft  89.  —  die  verächtlichkeit  des  dienern 
Opitz,  Arg.  100. 

Die  stärkste  abweichung  vom  usus  bedeutet  unstreitig  der  pl.  kalben ; 
denn  die  übrigen  »-formen  sind  nur  aus  a-stännnen  entsprungen,  die  auch 
abgesehen  von  den  fällen  momentaner  Unregelmässigkeit  vereinzelt  einen 
n-plural  gebildet  haben  (s.  oben  s.  383  f.).  An  .stelle  des  pl.  ynahlcn  wäre  die 
r-pl.-form  zu  erwarten:  indes  ist  dieser  r-pl.  nicht  so  sehr  in  dem  gedächtuis 
befestigt  wie  der  pl.  külber  (s.  oben  s.  338f.),  der  schon  in  frühester  zeit 
bestanden  hat. 


INHALT. 


Seite 

Einleitung -''"< 

Erweiterung  der  Untersuchung  277.  —  Titel  der  neu  ge- 
prüften texte  278.  —  Mhd.  und  nhd.  declinationssysteme 
der  neutra  280 

Starke  declination 281 

I.  klasse:  «-stamme 281 

Annahme  des  flexivischeu  e  nach  den  einzelnen  dialekt- 
gebieten 282.  —  Hyperhochdeutsches  e  im  üecamerun 
286.  —  Zeitlicher  abschluss  der  Verschiebung  288.  — 
Reste  der  flexionslosen  form  289 

Berührung  mit  den  masc.  t-stämmen 289 

Untergang  des  stammauslautenden  w  der  «'«-stamme     .    .    291 

Die  eutwickelnng  von  mhd.  phtdwe,  phidive 293 

Der  ?<-stamm  vihe 294 

Verallgemeinerung  der  verkürzten  form  des  Stammes  bei 
rech,  rehes  stu.,    schuoch,  schuohes  stm.,    vluch,  vlöhes 

stm 294 

Neutra  mit  -l,  -r,  w-suffix 295 

Volle  endungsformen  mit  Üexivischem  e  296.  —  Lautlicher 
Wechsel  im  paradigma  von  fiur  nach  eintreten  der  di- 
phthongierung  296.  —  Mhd.  leger  durch  lager  ersetzt  297 

Die  Wörter  auf  -nis 299 

IL  klasse:  ,/a-stämme 304 

Ueberblick  über  das  wortmaterial  der  einfachen  und  der  mit 
ga-  gebildeten  jia-stämme  304.  —  Ga-zusammensetzungen 


NHD,   SUBSTANTIVFLEXION.   II.  391 

Seite 

.  nach  der  a-decliuatiou  305.  —  Ihre  berührung  mit  den 
jo-stämmen  305.  —  Untersuchung  über  den  verlust  des 
stammhaften  e  bei  einem  teil  der  ja-stämme  306.  — 
Darstellung  der  entwickelung  an  beispielen  aus  werken 
mittel-  und  niederdeutscher  Schriftsteller  312.  —  Folge- 
rungen 320 

III.  klasse:  Neutra  mit  r-plural 328 

Ueberblick  über  die  historische  entwickelung  der  klasse  seit 
ältester  zeit  328.   —   Gründe  für  dauernde  festsetzung 
und  weitere  ausbreitung  des  r-plurals  der  s-,  a-stämme 
.   325.  —  Gliederung-  der  klasse  327 

I,  gnippe:  der  r-pliiral  der  s-,  a-stämme 327 

1)  Der  schriftsprachliche  r-plural  mit  belegen  .  327 
Neutra  auf  -tum  3i4.  —  Zeitlicher  abschluss  der  Verschie- 
bung 346.  —  Scheidung  der  pluralfonnen  nach  der  be- 
deutung  847.  —  Landschaftliche  trenuung  der  plurale 
schloss  —  scMösser  nach  der  bedeutung  340.  —  lieber 
ausbreitung  des  r-pl.  in  den  einzelnen  dialektgebieten 
347.  —  Auslautendes  r  ist  kein  hindernis  für  r-plural- 
bildung  348.  —  Auch  ein  mit  dem  r-pl.  gleichlautendes 
nomen  actoris  hält  die  r-bildung  nicht  hintan  349.  — 
Zur  bewahrung  der  flexion  der  a-stämme  350 

Einzelheiten 850 

Erhaltung  des  «-pl.  nach  zahlen  bei  gleichzeitiger  geltung 
des  r-pl.  ausserhalb  jener  Verbindung  350.  —  Der  dat. 
pl.  wahrt  seine  alte  form  teilweise  noch  eine  zeitlang 
nach  dem  eintreten  der  r-form  350.  —  Verlust  der  casus- 
endung  im  dat.  pl.  351.  —  Der  r-pl.  mit  der  pleonasti- 
schen  casusendung  -e  352.  —  Volle  endungsformen  im 
dat.  pl.  353 

Fremdwörter  mit  r-plural 854 

Untergegangene  Wörter  mit  r-plural 854 

2)  Der  dialektische  r-plural 855 

Bedeutungsuuterschied  zwischen  pl.  bein  und  heiner  855. 

—   Verteilung  der  dialektischen  r-pl.  auf  dem  sprach- 
.    gebiet  857 

Nachtrag  zu  Beitr,  27, 242ff.:  der  r-pl.  der  masc.  in 

schriftsprachlicher  und  dialektischer  anwendung  858 

Vergleich  der  ergebnisse  mit  Friedi'ichs  angaben 360 

IL  gruppe:  der  r-pl.  der  ^a- stamme  mit  einschluss 

der  mit  ge-  abgeleiteten  a-stämme     361 

1)  Der  schriftsprachliche  r-plural 361 

2)  Der  dialektische  r-plural 368 

26* 


302  MOLZ,  NHD.  SUBSTANTIVFLEXION.    11. 

Seite 

Mischdeclination 372 

Einteilung  der  mischklassen  372 

1)  Erste  mischklasse 372 

2)  Zweite  mischklasse 373 

beet  und  bett  379.  —  Der  pl.  kleinodien  379.  —  n-\\.  der 
fremdwörter  379.  —  Ausbildung  der  niiscbformen  in 
zeitlichem  zu.'^amraenhang  mit  der  Verschiebung  der 
masculina  und  femiuiua  381 

Vorübergehende  berührung  der  neutra  mit  den 
?i-stämmen     382 

1)  Vereinzelte  7e-formen  des  Singulars 382 

2)  Berührung  mit  den  »«-stammen  im  plural 383 

a)  Die  «-plurale  der  a-stämme  383.  —  b)  Die  «-plurale 
der  ja-stämme  384.  —  c)  Die  n-plurale  der  fremd- 
wörter 386.  —  d)  Pleonastischer  «-'plural  der 
s-stämme  387.  —  e)  ?i-plurale,  die  aus  momentaner 
formenübertragung  entsprungen  389. 

DARMSTADT,  jauuar  1905.  HEEMANN  MOLZ. 


AUSLAUTEND  G   IM  OBERDEUTSCHEN. 

Das  wachsende  mass  unserer  kenntnis  lebender  deutscher 
mundarten  zusammen  mit  der  zunehmenden  zahl  brauchbarer 
Urkundenausgaben  gibt  uns  heute  die  möglichkeit,  eine  reihe 
von  gegenständen  der  deutschen  Sprachgeschichte  in  zeitlicher 
wie  räumlicher  beziehung  beträchtlich  genauer,  zum  teil  auch 
richtiger  zu  bestimmen,  als  dies  bisher  der  fall  war.  Hierfür 
glaube  ich  durch  behandlung  des  auslautenden  g  eine  probe 
geben  zu  können.  Ich  muss  mich  dabei  zunächst  auf  das 
oberdeutsche  beschränken.  Gern  hätte  ich  die  übrigen  deutschen 
mundarten  gleich  einbeschlossen,  auch  die  behandlung  von 
germ.  h  damit  verbunden.  Die  Untersuchung  wäre  dadurch 
nicht  nur  umfassender,  sondern  auch  sicherer  geworden.  Ich 
bin  Jedoch  zunächst  ausser  stände,  meine  weiteren  Sammlungen 
zum  abschluss  zu  bringen. 

Die  zur  erörterung  stehenden  fragen  betreffen  ausser  dem 
lautwerte  auch  die  Schreibung  des  lautes  und  seine  behand- 
lung im  reim.  Berücksichtigung  der  Schreibung  neben  der 
gesprochenen  form  liegt,  seit  man  gelernt  hat,  beide  grund- 
sätzlich zu  scheiden,  so  sehr  in  der  natur  der  sache,  dass  sie 
selten  ganz  unterbleibt,  häufig  aber  kommt  sie  doch  nicht  zu 
ihrem  vollen  recht.  Diese  einzeluntersuchung  mit  beiziehung 
der  Urkunden  neben  den  literarischen  denkmälern  gibt  gelegen- 
heit,  in  weitgehendem  masse  orthographische  fragen  aufzu- 
nehmen. Das  reim  verfahren  verlangt  hier  ausdrückliche 
erwägung,  weil  sich  gegenüber  der  üblichen  annähme,  aus- 
lautendes g  ergebe  im  oberdeutschen  der  mhd.  zeit  als  explosiv- 
laut  in  der  bindung  mit  germ.  Tc  nach  nasal,  liquida  und  in 
der  Verdoppelung  reinen  reim,  das  bedenken  erhebt,  dass  h  in 
Übereinstimmung  mit  der  heutigen  mundart  nach  nasal  und  in 


30t  HOIINENMJERGER 

verdopi>elung:  auch  in  iiilid.  zeit  zum  mindesten  im  grösseren 
teil  des  obd.  gebiets  als  affricata,  nach  licjuida  aber  als  spirans 
gesprochen  wurde. 

Die  Schwierigkeiten  der  Untersuchung  liegen  einerseits 
im  Avechsel  und  der  mehrdeutigkeit  der  Schreibung, 
andererseits  in  der  geringen  zahl  der  in  der  heutigen 
mundart  nachgewiesenen  reste  des  alten  lautwertes. 

Wie  bei  anderen  lauten  ist  auch  bei  g  in  gruppen  mit 
Wechsel  von  auslaut-  und  inlautstellung  die  ersterer  zukommende 
ausspräche  zumeist  durch  die  inlautsform  verdrängt  worden. 
In  isolierten  bildungen  tritt  aber  -y  nur  selten  auf.  Ausserdem 
lässt  sich  die  auslautaussprache  dann  wol  auch  noch  am  ende 
des  ersten  teils  mancher  composita  und  in  namen,  besonders 
orts-  und  flurnamen,  erwarten.  Diese  sind  jedoch  in  dialekt- 
dai'stellungen  nur  selten  vermerkt. 

Von  vorliegenden  Untersuchungen  kommen  haupt- 
sächlich die  Jellineks  über  germ.  g  in  betracht.  Ich  ziehe 
vor,  erst  meine  Untersuchung  durchzuführen  und  mich  am 
schluss  mit  Jellineks  aufstellungeu  auseinander  zu  setzen. 

A)    -{/  im  bairischen. 

Füi'  das  heutige  bairische  ist  in  seinem  südlichen  teile 
die  ausspräche  des  -g  als  affiicata  verhältnismässig  gut  belegt. 

Für  Tirol  findet  sich  bei  Schatz,  Mundart  von  Imst  s.  103  oicöhx, 
parh/inöd,  parIc/moaUdr,  parkyriytsr,  loul/icculig,  leulcylig,  lovJc/iäd,  orky- 
u'öu,  für  Kärnten  bei  Lessiak,  Mimdart  von  Pernegg,  Beitr. 28, 38  n"«Ä/, 
tohy,  park/,  rivk-/,  ^Qtikx,  Igvk/vÄdn,  iuvkx,  y^vky,  Swnvky,  rwkymatir, 
IHrkyivery,  u-öky,  muky  {slow., füg  ' Südwind'). 

Vereinzeltes  rx  in  niorx  {>nayg,  medulla)  erklärt  Schatz  s.  104 
durch  ausgleichung.  Dazu  kann  auch  harx  aus  harg  (schwein) 
gehören,  das  man  wol  gewöhnlieh  auf  alid.  haruh  zurückführt. 
Ob  haruh  nur  eine  orthographische  nebenform  von  harg  ist, 
kann  erst  genauere  Untersuchung  des  heutigen  gebrauchs  (be- 
achte die  deminutivbildungen  mit  beseitigung  des  gutturals) 
lehren. 

Wenn  ältere  darstellungen,  die  auch  sonst  für  mund- 
artliches lex  entsprechend  der  schriftdeutschen  Orthographie  h 
ohne  allen  zusatz  setzen,  auslautendes  g  als  h  bestimmen,  so 


AUSLAUTEND  G   IM  OBERDEUTSCHEN.  395 

meinen  sie  damit  gewis  in  der  mehrlieit  wenigstens  affricata, 
da  scliriftdeutsches  Tz  (=  germ.  h)  im  allgemeinen  als  affricata 
gesprochen  wird. 

So  für  Tirol  ohne  nähere  ortshestimmimg  bei  Schöpf,  Tirol.  Idiotikon: 
'einige  dialekte  liehen  auslautendes  k,  ch  für  </'  (s.  IGi)  und  die  belege 
'iveäk,  dirik,  gnüelc,  förtik,  sunntik,  sitn)itach\  Aehnlich  Deutsche  mund- 
arten  3, 109  mit  Unterscheidung  des  altauslautendeu  g  von  inlautendem  gg. 
Hintner,  Beiträge  zur  tirolischen  dialektforschung  gibt  fürs  Defr egger tal 
neben  vorhersehendem  g  flachlingk,  hüsik,  teng'lzoik  u. s.  w.  In  Luserner 
texten  schreibt  Bacher  Ä;  in  taJv,  dink  (Zs.  f.  Volkskunde  10,  310.  11, 172). 
Auch  in  flexiousfähigen  "Wörtern  muss  also  z.  t.  die  auslautende  lautforra 
bewahrt  sein.  Sämnitliche  genannte  quellen  schreiben  zugleich  k  für 
Schriftdeutsch  k.  Aus  dem  salzburgischen  Ponggau  wird  wek  =  wem'c 
angeführt  (Mitteilungen  der  gesellsch.  für  Salzburger  landeskunde  22, 188). 
Für  Kärnten  bezeichnet  Lexer  die  bewahrung  der  auslautenden  form  als 
regel.  Die  nähere  bestimmuug  des  von  ihm  gemeinten  lautes  bleibt  aber 
unsicher.  Er  sagt:  'auslautend  wird  g  zu  k,  kriek,  perk,  ivek;  ist  aber  der 
endvocal  abgefallen,  so  bleibt  das  g:  aug,  i  taug'  (Kämt.  wb.  s.  xiv).  Auch 
er  verwendet  k  für  germ.  und  ahd.  k  und  über  die  ausspräche  des  an- 
lautenden k  gibt  er  au:  'Zc  anlautend  mit  scharf  nachklingender  aspiration 
wie  kh-.  Lessiak  bestimmt  Beitr.  28,  lü  anlautendes  it  als  aspirata,  aber 
k  nach  nasal  und  in  Verdoppelung  als  affricata. 

Wo  affricatenausspraclie  für  auslautendes  g  gilt, 
ist  der  laut  mit  germ.  k  nach  nasal  und  in  Verdoppe- 
lung zusammengefallen.  Die  heutige  ausdehnung  dieser 
ausspräche  vermag  ich  nicht  zu  bestimmen.  Die  Vermutung 
liegt  nahe,  sie  werde  dieselbe  sein  wie  die  von  affricata  für 
germ.  k  Hat  man  auch  grund,  gegenüber  solchen  Vermutungen 
in  mundartgeographischen  dingen  recht  vorsichtig  zu  sein,  so 
darf  man  doch  eine  nordbair.  ausspräche  des  g  als  blosse 
explosiva  erwarten. 

In  den  quellen  der  mhd.  zeit  tritt  als  regel  das  zeichen 
ch  auf,  entsprechend  ch  für  germ.  h  in  Verdoppelung,  nach 
consonaut  und  im  anlaut. 

Die  heutige  ausspräche  macht  die  deutung  dieses  ch  <  g 
als  affricata  sicher.  Auch  zu  ausgang  der  ahd.  zeit  bildet 
ch  schon  die  regel,  zuvor  wiegt  c  in  begleitung  von  g  vor. 
Diese  Orthographie  teilen  auch  die  quellen  aus  dem  gebiete  des 
heutigen  nordbair.  wie  z.  b.  solche  aus  den  Donaustädten.  Der 
vermutete  heutige  unterschied  der  ausspräche  findet  also  für 
ahd.  und  mhd.  zeit  keine  stütze  im  verfahren  der  quellen.    Die 


39ß  nOHNENBERGER 

affricatenansspraclie  ergibt  auch  für  die  bindung  mit  nie  und  lik 
völlig  reinen  reim.  Dagegen  macht  die  bindung  mit  rÄ-,  ITx, 
die  den  reim  rkx,  If^"/.  ■  r'A,  h  ergäbe,  grosse  Schwierigkeit.  Da 
die  heutigen  belege  mit  rkx  <  rg  stärker  sind  als  die  mit  ^/ 
und  man  demnach  nicht  in  letzteren  die  fortsetzung  der  mhd. 
ausspräche  sehen  darf,  ist  zu  bestimmen,  welche  rolle  überhaupt 
die  reime  ry  :  rJc  spielen.  Zugleich  ist  aber  auch  zu  unter- 
suchen, ob  g  nach  liquida  ganz  wie  g  nach  sonstigen  lauten 
geschrieben  wird. 

Die  Schreibung  trägt  am  meisten  einheitlichen 
Charakter  im  12.  jh.  Urkunden  und  literarische  denkmäler 
haben  da  als  regel  gleicherweise  eh.  Ich  stelle  daher  die 
belege  aus  diesem  jh.  an  die  spitze. 

a)  12.  Jahrhundert.  1)  Die  Urkunden.  Die  Urkunden 
der  herzöge  von  Oesterreich  und  Steiermark,  der  erzbischöfe 
von  Salzburg,  der  bischöfe  von  Passau  und  Freising,  im 
Urkundenbuch  des  landes  ob  der  Enns,  den  Fontes  rerum 
Austriacarum,  dem  Urkundenbuch  des  herzogtums  Steiermark, 
bei  Hundt  in  den  Münchner  abhandlungen,  liist.  kl.  14,  2  weisen 
im  12.  jh.  ch  als  regel  auf.  Daneben  erscheint  c  in  wechselnder 
stärke,  selten  g.  c  tritt  besonders  zahlreich  in  den  salz- 
burgischen und  steierischen  Urkunden  auf.  Mit  der  behand- 
lung  von  -g  stimmt  die  von  germ.  Je  im  anlaut,  nach  conso- 
nant  und  in  gemination. 

Bischöfe  von  Passau:  1110.  1111.  1113.  1122  ÜB.  o.  d.  E. •)  2, 
129.  130.  140.  1-43.  116  Pertinohsperch,  Ibisiburch,  Winedeberch,  Äli- 
hurch,  Chelcbcrch,  Eberisicanch,  Sioniilbiirch,  Ellenperch,  Lufinhcrch,  Pni- 
ninch,  Pillunc,  Wartperch,  Urlhcch,  Ebilisperch,  Hartwich.  —  1125  Passau_: 
ÜB.  0.  d.  E.  2, 164  f.  Gertinc,  Lozperch,  Wartperch,  Sicinburch,  Crovchenberch 
U.S.W.,  ebenso  1142  F.r.  A.2)33,  5.  1144  F.r.A.21,1.  1175.  1177.  1188  F. 
r.  A.  33, 10.  11.  24.  25.  —  1200  Passau:  F.  r.  A.21,3  Altinhurch,  Muchtinch, 
Niwinburch,  Äichpcrch.  —  Herzoge  von  Oesterreich:  1136  F.  r.  A.  11,  2 
Ebenberch.  —  1155  F.  r.  A.  33,  7  Eechberg.  —  1161  F.  r.  A.  18, 5.  liErpurch, 
Jiehberch,  Niumburch.  —  1171  ÜB.  o.  d.  E.  2,  346  Eranchenberch,  Lozherc. 
1177  F.r.A.  11,10  Smmvnbeni.  —  1181  F.  r.  A.  18, 10  lanteidmch.  —  1188, 
31.  mai  Mauteru  F.r.A.  11,  24  f.  Wazzcrpurch,  2n(rc(jmvii(s  de  Xtirenbcrch, 
Velburch,  Kamsperch,  Sunncnberch,  Kclbcrberc,  Rorwech,  am  selben  tag  und 
ort  "ÜB.  0.  d.  E.  2, 411  burcgravius  de  Nnrenberg,  Eammesberg,  Stinncnberg 

V  ÜB.  0.  d.  E.  =  Urkundenbuch  des  landes  ob  der  Enns. 
2)  F.  r.  A.  =  Fontes  rerum  Austriacarum,  Diplomata. 


AUSLAUTEND   G  IM  OBERDEUTSCHEN.  397 

U.S.W.  —  Herzoge  von  Steiermark:  ca.  1100  ÜB.  o.  d.  E.  2, 123 -DwrmÄ:, 
Gerunc  (ca.  1110  kloster  Garsten  in  Steiermark:  ÜB.  o.  d.  E.  2, 135  Pillunc, 
WilUhahnispiircJi,  Gerimch).  —  1125  Steier:  JJB.  o.A. 'S.  2,161  Langwat, 
Siver^enperch,  Hünsperch,  Sunnelpurch,  PurcJistal,  Wartenpurcli.  —  1142 
Lorch:  ÜB.  o.  d.  E.  2,  210  f.  viele  -c.  —  1U5  Stm.U.i)  1,243  Chaffenherch, 
Ortenburch.  —  1116  Stang:  Stm.  U.  1,  253  Chapfemberch,  Durinc,  Hizlinc, 
Starehemberc,  Buscgmc.  —  1147  Graz,  Renn:  Stm.  U.  1, 266.  272.  275  Spille- 
herch,  Willeliälmespurch,  Wolfchanc,  if'Ivinc,  Heimpitrch;  Hartberc,  Hagen- 
bere;  Harhvic,  ScliirUnc,  Wolfkang.  —  1159  Göss:  Stm.  ü.  1,  383  Judenburdi, 
Schirlincli,  Wolfkang,  WilMiahneshiirch,  Ladeivich,  Hartpercli,  Harhcich 
U.S.W.  —  Herzoge  von  Kärnten:  1103  Stm.  U.  1,112  Huninpurcli, 
Sconenperch.  —  1114  Mainz  Stm.  ÜB.  1, 118  Salzpurhe,  Judenhurlic.  — 
Erzbischöfe  von  Salzburg:  1128  Stm.  ÜB.  1, 134  Amberc,  Surberch, 
Durinc,  Tunsherc,  HartwicJi.   —   1135  Stm.  U.  1, 160  Eichersperc,  Vurinch. 

—  1137  Frisacli:  ÜB.  o.  d.  E.  2, 179  f.  BicJierisperch,  Nüwinburch,  Durindi, 
Arizberch.  —  1138  Reun:  Stm.  U.  1, 176.  177  Hunesberch,  Sureberch,  Eut- 
kerspurch,  Hartpercli,  Gerhartesperch,  Hartwich,  WiäimicJi,  Willihahnis- 
burch,  Gerxmch.  —  1140  Frisach:  Stm.U.  1,187.  197  Ludeioic,  Gerunc, 
Vunesberc,  Scüzburch.  —  1140  Reun:  Stm.  U.  1, 191 — 194  Hartpercli,  Ebt- 
kerspurch,  GeratiespercJi,  Hartwich,  Willihalmisburch.  —  1141  Erisach: 
Stm.  U.  1, 215  Hartberc,  Ortenburc,  Tunesberc,  Eichenburch  u.  s.  w.  — 
Bischöfe  von  Freising:    1151—1154   Hundt  85   Mosebiirch,  Pazsberch. 

—  1187  Hundt  101  Yrinspurch,  Fertinch.  —  1197  Hundt  105  Eamsperc, 
Tegrimvahc,  Velbtirch,  Eamsperch,  Eimsperch,  Basperch.  —  1200  Hundt 
106  Iringesburch. 

2)  Die  literarischen  denkmäler.  Auch  hier  herscht 
ch  stark  vor.  Aber  fremde  vorlagen  und  fremde  Vorbilder 
machen  sich  hier  stärker  geltend  als  bei  den  Urkunden,  Dem- 
nach ist  die  zahl  der  -c  nicht  gering.  Unter  den  liturgischen 
texten  haben  Münchner  glaube  und  beichte  nur  eh.  Aus- 
gesprochen herscht  ch  in  Benedictbeurer  glaube  und  beichte  iir. 
Benedictb.  gl.  u.  b.  ii  hat  1  ch,  Benedict,  gl.  u.  b.  1 1  ch,  1  c,  3  g, 
Paternoster  6  ch,  1  c,  2  g,  Siebenzahl  1  ch,  7  c,  Wessobrunner 
gl.  u.  b.  II  2  ch,  1  Je,  2  g. 

Münchner  gl.  u.  b.  vierzich,  drizzich,  geivaltech,  khimich.  —  Bened.  gl. 
u.  b.  III  kunftich,  mag,  tach,  suntach,  lanch,  scMddich,  durftich.  —  Bened. 
gl.  u.  b.  II  tach.  —  Bened.  gl.  u.  b.  i  ewich,  vierzog  (2),  mag,  tac.  —  Paternoster 
duanch,  dinch,  mug,  sälic,  dinch,  ophcrvriscinch,  chunech,  lang,  sälich.  — 
Siebenzahl  burch,  gienc  :  fienc,  taic,  phluoc  :  genuoc,  getwane,  sibenzec.  — 
Wessobr.  gl.  u.  b.  ii  kumfiich,  loidersag,  tach,  schiddik,  klag. 

Die  Breviarien  aus  St.  Lambrecht  (Zs.  fda.  20, 129), 
das  Moralische  fragment  (Denkmäler  deutscher  spräche  u. 


^)  Stm.U.  =  XJrkundeubuch  des  herzogtums  Steiermark. 


898  nOllNENlJERGER 

lit.,  liff.  V.  MassDiann  s.80),  das  Himmelreicli  (Zs.fda.8,145),  die 
"Windberger  psalmen  (Bibl.  d.  ges.  d.  nat.-l.  10)  haben  regel- 
mässig eh.  Ebenso  Heinrichs  litanei  in  der  Grazer  hs.  (Fund- 
gruben 2, 216)  gegen  c  der  Strassburger  hs.  (entsprechend  nch, 
rch  aus  7il;  rJc  gegen  nc,  rc). 

Ueber  die  St.  Lambrechter  breviarien  s.  Schüubach  a.a.O.  s.  138. 

—  Moral,  fr.  zu  begfinn  mcuj,  dann  mach,  dinch,  vrumcJdichcn,  srhuldich, 
gttuch,  iruch  u.s.  w.  —  Himmelrcicb  nach  Jellinek,  Zs.  fda.  30,  88  28  ch, 
9  c,  1  ck  (für  die  goniination).  —  Windbero^er  ps.  493  ch,  16  c,  If)  y,  1  gh. 
Die  geminatiou  von  g  wird  18  mal  durch  ck;  1  mal  durch  k,  1  mal  durch  gg 
gegeben.  —  Heinrichs  lit.  uhaltich  :  gcwallich  21G,  9.  10,  manichvalt 
216,38,  meg  217,19,   hcrch,  n-ech  :  stech  217,33.  34. 

Unter  den  von  Kraus  herausgegebenen  Kleinen  gedichten 
hat  Adelbrehts  Johannes  als  regel  ch,  der  Baumgarten- 
berger  Johannes  1  ch,  1  g,  der  Veit  2  c,  1  g. 

Adelbr.  Job.  iach  3.  27,  enphienc  :  giench  45,  siccich  96  u.  s.w.  gegen 
net'cte  27.  Die  reime  fach  :  geschach  27,  sanch  :  dauc  115  beweisen  nichts, 
da  die  reime  im  allgemeinen  unrein  sind.  —  Baumg.  Joh.  fach  6,  sag  ich  42. 

—  A'^eit  ehunic  26,  manec  40,  sag  ich  36. 

Ebenso  tritt  in  den  grossen  sammelhss.  aus  Voran, 
Millstädt,  Wien  ch  auf,  im  einzelnen  in  sehr  verschiedener 
häufigkeit,  zum  teil  abschnittweise  mit  c,  selbst  Ic  wechselnd. 
Die  Vorauer  hs.  schreibt  auch  umgekehrt  c  für  ch  =-  ahd.  ////. 
Nach  AN'aag,  Beitr.  11,  77  erscheint  für  g  in  der  Kaiserchronik 
und  in  den  Büchern  Mose  c  und  ch  gemischt,  sonst  wiegt  ch 
stark  vor  ausser  im  Gebet  einer  frau  (c)  und  in  der  Summa 
theol.,  im  Salomo  und  Nebukadnezar  {g).  In  der  Genesis  zählt 
Jellinek  (Beitr.  15, 272)  12  ch,  1  hc,  2  h  gegen  Ol  c,  im  Exodus 
30  ch.  Vermengung  von  -g  und  ahd.  hh  zeigen  auch  das  Lieben- 
berger  fragment  (Wiener  sitz.-ber.  6, 340)  mit  c  und  /.-,  die  Bene- 
dictbeurer  messgebräuche  mit  c  für  beide  laute. 

Die  Laibacher  glossen  (Zs.  fda.  35,  407)  haben  ch  als  regel 
{hfifslach,  wichhorn,  gctroch).  Dagegen  haben  die  Predigten 
von  Proveis  (Zs.  fda.  33, 399)  stets  c.  Im  Melker  Marienlied 
ist  c  die  regel  gegen  14  ch.  An  der  grenze  des  11.  und  12.  jh.'s 
hat  die  hs.  des  Meregarto  durchweg  g,  das  Klosterneuburger 
predigtbruchstück  (Zs.  fda.  15, 439)  mehrmals  g,  2  mal  c  {tac 
1,8,   sundcc  2,56)  und  vereinzelt  ch  (manhc  2,17). 


AUSLAUTEND  G   IM  OBERDEUTSCHEN.  399 

b)  Auch  im  13.  Jahrhundert  hersclit  zunächst  in  Urkunden 
wie  literarischen  denkmälern  noch  cli  vor,  dann  erscheint  aber 
die  bisherige  inlautsform  im  auslaut. 

1)  Die  Urkunden  zeigen  in  den  drei  ersten  vierteln 
des  13.  jh.'s  wesentlich  dieselbe  Sachlage  wie  im  12.  jh.  Gegen 
ende  des  13.  jh.'s  treten  zahlreiche  -g  auf.  Im  14.  jh.  verliert 
sich  eil :  g  wird  herschend,  doch  gegen  ende  des  jh.'s  z.  t.  wider 
von  cl',  Icch  durchsetzt. 

Ausser  dem  ÜB.  o.  d.  E.  kommen  hauptsächlich  in  betracht:  Urkunden 
zur  geschichte  von  Oesterreich  n.s.  w.  (F.  r.  A.  1),  Urkunden  des  stifts  Kloster- 
neuburg  (in  Niederösterreich,  F.  r.  A.  10.  28),  des  Cistercienserstifts  Heiligen- 
kreuz im  Wiener  walde  (F.  r.  A.  11),  der  Benedictinerabtei  unserer  1.  frau 
zu  den  Schotten  in  Wien  (1158—1418,  F.  r.  A.  18),  Urkunden  der  Benedic- 
tinerabtei zum  hl.  Lambert  in  Altenburg  (N. -Oesterreich,  1144—1522,  F.  r. 
A.  21),  Codex  dipl.  Austriaco-Frisingensis  (1070 — 1365,  F.  r.  A.  31.  35),  Ur- 
kunden des  Benedictinerstifts  Seitenstetten  (N.-Oesterreich,  F.  r.  A.  33),  des 
Stifts  Neustift  in  Tirol  (F.  r.  A.  34),  des  stifts  St.  Paul  in  Kärnten  (F.  r. 
A.  39),  Urkunden  in  den  Quellen  und  erörter.  zur  bayr.  geschichte  5.  6, 
Monumenta  civitatis  Monacensis  in  Mon.  Boica  35,  2. 

In  den  Urkunden  des  her  zogt  ums  Oesterreich  nimmt 
g  statt  cli  von  1280  an  zu.  Ende  des  13.  jh.'s  erscheint  cli 
fast  nur  noch  in  purcli,  per  cli,  -ich.  In  den  Urkunden  aus  Salz- 
burg, Steiermark,  Kärnten  lässt  sich  bis  gegen  1300  cli  als 
regel  ansehen,  um  1300  treten  viele  g  auf,  aber  auch  noch 
viele  eil.  Nachher  nimmt  g  überhand.  In  Tirol  wird  in  Neu- 
stift von  1270  an  neben  cli  auch  vielfach  g  geschrieben,  ch 
verschv;indet  im  14.  jh.  fast  ganz.  Meinlohs  urbar  von  1288 
hat  noch  ch  als  regel,  daneben  h  und  g.  Die  b airischen 
herzöge,  die  bischöf  e  von  Regensburg  schreiben  von  1330 
an  fast  ausschliesslich  g.  Gegen  ende  des  14.  jh.'s  erscheinen 
auf  bairischem  boden  auch  zahlreiche  ck,  Icch. 

Ans  den  ältesten  im  original  erhaltenen  deutschen  Urkunden 
entnehme  ich  folgende  belege: 

Wien:  1282  ÜB.  o.  d.  E.  3,  345  f.  Schounberch,  bevelhung,  Everding, 
mag,  mug,  vurzog,  bürg,  vursoeh,  taiding,  geziwg,  Merstvanc,  Kalmberg, 
alizech,  Eretug.  —  Wien:  1288  ÜB.  o.  d.  E.  4,  88  c/wm/'i/c/t,  Eabensicach, 
Meideburch,  Schoivenberch,  geziuch,  dinch.  —  Wien:  1291  F.  r.  A.  1,244 
chunftich,  neunzich,  Nuernberch,  tach,  ledich,  iach,  zicaintzich.  —  Tulln 
(N.-Oest.):  1288. 1289  F.  r.  A.  1,  236.  240  Hertwekh,  ewichleich,  iach,  ScJionne- 
berch,  icillichlekh,  gezeug,  fach.  —  Mureck  (Steierm.):  1278  F.  r.  A.l,  192 
Chratnechperch,  SunnbercJi,  Hoiich.  —  Wildon  (Steierm.):  1278  F.  r.  A. 
1, 193  chriecch,  Preymarspurch,  berihtung,  Chranchperch,  mag,  dinch,  ledich, 


400  nOHNENBERGER 

perchrecht,  fxanfzich,  restennng,  geziug,  lach,  gesandt.  —  Saldenhofen 
(Steierra.):  1288  F.  r.  A.  1,239  virzich,  Emberberrh,  Marclipurch,  Meren- 
berch.  —  Klageufurt,  hz.  v.  Kärnten:  1283  F.  r.  A.1,2.  2U.  215  chiimf- 
tich,  Seburch,  chriccJi,  drcizich,  Ihnrncrbunh,  Ihrlwich,  Hyvielbcnh,  Wtd- 
finch.  —  Eegensburg,  graf  v.  Murach  und  hz.  v.  Baiern:  1273  Q.  z.  bayr. 
gesch.  5,  103  burch,  Tnihemliug,  Nirmhurch,  tac,  burchmaHn,  Ludwich, 
herzog,  ledicJi,  Hyrzperch,  herzog,  drizzec,  chlag,  Leulcenberg,  urliug,  tei- 
ding,  geziug,  Dormbcrch,  Itcgcnspurch,  Haue,  Ilohemcanc,  Farsperch, 
Lechsperch,  Lichtenbcrch,  genug,  taiding,  sibenzch.  —  Hz.  v.  Baiern:  1285 
Q.  z.  bayr.  gesch.  5, 153  Ltidwich,  taeidinch,  Sigcnburch,  achzich.  —  Der  name 
des  kaisers  Ludwig  wird  in  den  MB.  35, 2  gedruckten  Urkunden  zunächst 
in  der  regel  Ludowich,  von  1330  an  (no.  56)  Ludoioig  (vereinzelt  Ludoweich 
1347,  no.  72)  geschrieben. 

2)  Die  literarischen  denkmäler  des  13.  jli.'s,  soweit 
sie  nicht  fremden  vorlagen  folgen,  haben  wie  die  urknnden 
zunächst  als  regel  ch,  daneben  nicht  selten  g,  das  gegen  ende 
des  jh.'s  zunimmt,  aber  zugleich,  wie  in  den  vorausgehenden 
Jahrhunderten,  eine  reihe  c.  Im  14  jh.  tritt  ch  wie  in  den  Ur- 
kunden allmählich  zurück,  (j  Avii'd  zur  regel,  aber  die  entwick- 
lung  vollzieht  sich  etwas  langsamer  als  in  den  Urkunden. 
Daneben  stehen  auch  noch  zahlreiche  c,  Je  und  nicht  ganz 
Avenige  ck 

Als  probe  aus  dem  Übergang  vom  13.  zum  14.  jh.  kann  das  Meraner 
fragra.  von  Fleiers  Garel  (lig.  von  Zingerle,  AVSB.  50, 449)  mit  herschen- 
dem  ch  und  wenigen  g,  und  das  in  Docens  Miscellaueen  2, 160  gedruckte 
stück  von  Enikels  Chronik  mit  mischung  von  ch  und  g  und  einzelnen  ck 
dienen.  —  Unter  den  Nibeluugenhss.  verfahren  ABC  verschieden.  Nach 
der  probe  bei  Laistner  und  von  der  Hagens  druck  hat  B  am  meisten  ch. 
Nach  seinem  gruudsatz  'der  gleichen  Schreibung  derselben  würter'  kann 
zwar  von  der  Hagen  etwaige  g  auch  entfernt  haben,  da  er  aber  formen  mit 
auslautendem  g  als  abgekürzte  behandelt  (sJug'  761,  sig'  870,  trüg'  842,  em- 
pfieng'  108^3),  so  wird  sein  druck  zur  hauptsache  den  stand  der  hs.  geben. 
A  hat  neben  herschendem  ch  nicht  wenige  c  und  g,  auch  k  (kunik  mehrfach 
in  der  Klage)  und  ck.  In  C  ist  nach  Lassbergs  abdruck  ch  stark  mit  c 
durchsetzt,  besonders  häufig  erscheint  kunic,  zugleich  mit  k  =  anlautendem 
germ.  k  statt  bairisch  ch,  mehrfach  auch  die  mischformen  chuiiic  (103  [Zäh- 
lung nach  A].  110.  1069.  1076  U.S.W.)  und  kunich  (986.  1050.  1084  u.s.w.). 

Wie  in  der  Orthographie  mit  dem  aus  gang  des  13.  jh.'s 
die  auslautsform  von  der  inlautsform  allgemein  verdrängt 
wird,  so  Avird  in  der  ausspräche  ein  entsprechender  Vorgang 
in  dieser  zeit  anzunehmen  sein.  Es  liegt  kein  grund  vor,  das 
verfahren  der  Schreibung  im  ganzen  anders  denn  als  dar- 
stellung  des  Verfahrens  der  ausspräche  zu  deuten.    Bleibt  im 


AUSLAUTEND    G   IM    OBERDEUTSCH-Elj.  401 

allgemeinen  die  Schreibung  in  der  entwickluug  gerne  etwas 
hinter  der  ausspräche  zurück,  so  mag  auch  hier  die  Über- 
tragung in  der  ausspräche  noch  etwas  früher  begonnen  haben. 
Der  abstand  wird  aber  kein  grosser  sein.  Da  die  neuerung 
für  den  Schreiber  viel  bequemer  war,  wird  die  Orthographie 
rasch  gefolgt  sein.  Und  es  spricht  umgekehrt  das  verfahren 
der  heutigen  mundart  und  wie  sich  nachher  zeigen  wird  auch 
die  reimbind ung  gegen  ein  überwiegen  der  neuerung  in  der 
ausspräche.  Da  sich  auch  in  flectierenden  Wörtern  reste  der 
auslautsform  bis  heute  erhalten  haben,  kann  diese  nicht  allzu 
rasch  geschwunden  sein.  Eine  genauere  bestimmung  des  masses 
und  im  Zusammenhang  damit  auch  der  zeit  ist  erst  möglich, 
wenn  die  erhaltenen  reste  der  auslautsform  genauer  gesammelt 
sind.  Dann  wird  sich  auch  zeigen,  ob  etwa  für  teile  der 
mundart  noch  ein  zweites,  späteres  auslautsgesetz,  das  neuen 
wie  alten  auslaut  trifft,  anzuerkennen  ist. 

c)  Vor  dem  12.  Jahrhundert  zeigt  die  Schreibung  weniger 
klarheit  und  ausgesprochenen  Charakter.  Die  kleinere  zahl 
der  denkmäler,  insbesondere  der  im  original  oder  in  gleich- 
zeitiger abschrift  vorliegender  Urkunden  gibt  an  sich  schon 
ein  weniger  deutliches  bild.  Aber  man  findet  auch  weitgehende 
Schwankung  und  dazu  noch  discrepanz  zwischen  den  Urkunden 
und  den  literarischen  denkmälern. 

1)  Die  Urkunden.  Die  Urkunden  des  ll.jh.'s  aus  Salz- 
burg und  Steiermark,  die  von  1050  an  wider  in  grösserer 
zahl  auftreten,  haben  in  der  regel  -eh.  Ebenso  ist  in  Passau 
im  11.  jh.  eil  zu  belegen.  Im  10.  jh.  ist  aus  Salzburg  und 
Steiermark  von  925  auf  935  cli  als  regel  zu  erweisen,  aus 
Monsee  in  der  ersten  hälfte  des  10.  jh.'s.  In  den  Freisinger 
Urkunden  bei  Meichelbeck  setzt  ch  bei  abt  Lantbert  938—957 
ein.  Zuvor  und  im  9.  jh.  haben  die  Urkunden  bei  Meichelbeck 
regelmässig  c.  Die  ausgesprochene  Verschiedenheit  in  der  be- 
handlung  macht  herkunft  der  Schreibung  aus  den  Original- 
urkunden wahrscheinlich.  Cozroh  (A.  Wagner,  Deutsche  namen 
der  ältesten  Freis.  Urkunden,  1876)  hat  neben  einer  menge  c 
nur  3  dl.  Auch  Passau  hat  in  der  ersten  hälfte  des  9.  jh.'s 
regelmässig  c,  in  der  zweiten  dagegen  mehrere  ch.  Im  Salz- 
burger Verbrüderungsbuch  haben  die  bände  des  9.  jh.'s  in  der 


402  BOHNENBERGEll 

re^el  c,  aber  daneben  ancli  eine  reihe  von  cli,  lic,  die  des  8.  jli.'s 
neben  regelmässigem  c  nnr  wenige  eh.  Die  Freisinger  Ur- 
kunden aus  dem  8.  jh.  bei  Cozroli  haben  durcliweg  c. 

U.  Jh.:  EB.  V.  Salzburg  für  Giirk:  1042  (Stm.UB.  1,  59  or)  Terampcrch 
(nach  Gurker  cop.-bucli  bei  A.  Eichhorn,  Beiträge  z.  gesch.  v.  Kärnten  1, 176 
Sahbiirch,  Adalpurch,  'Terampcrch).  —  Salzburger  traditionscodices 
des  ll.jh.'s  (Salzb.  ÜB.  1)  cod.  Tietmari  (1025—41):  Wörslac  {2i2),  Geruuc, 
Hartwic  (214),  Hartwic  (218),  Hartwich,  Strallinespcrch  (219),  Chrizinas- 
perc  (226);  —  cod.  Balduini  1041—60  llsunc,  Tietwich  (237),  Hartwic  (239). 
—  Trad.  v.  St.  Peter:  meist  ch,  Hartwich,  WilUpirch  (270)  u.s.  w.  —  Hz.  v. 
Kärnten  für  Salzburg,  ca.  1066  (cop.  ll.jh.  Stm.  U.  1,77):  Leuipirc,  Pri- 
marespurch,  Dietenpurch,  Fiscofftspcrch,  Arnoltesperch.  —  B.  v.  Passau 
1071  (or.,  ÜB.  0.  d.  E.  2,  96):  Sunilhurch,  Ebilsperch,  Haertwich.  —  B.  v. 
Freising,  c.  1030  (cop.  11.  jh.,  F.  r.  A.  31,  68  und  Stm.  U.  1,  37):  Hartwich, 
Gerwic,  Sahsonaganc,  Hartwic,  Geruich,  Huc,  Eantwic,  Sigipurach,  Pillunc. 

10.  Jh.:  Salzburg:  cod.  Odalberti,  923-935  hergestellt,  or.  (Salzb. 
ÜB.  1)  Urliukh,  Ilpiinch  (67),  Noting  (69),  Wehinch,  Diiltinch  (70),  Ellan- 
purg  (71),  Hartwich  (71),  Hartxvich,  Husinch,  Foumpttrch,  Lantpurch,  Weli- 
sink,  Salzpurg  (76),  HitiUnperk  (77),  Hitilinperch,  Ellanpnirg,  Totlink  (78), 
Wclisinch  (79)  u.s.w.  —  Mousee:  cod.  trad.  mon.  Lunaelac.  aus  der  ersten 
hälfte  des  lO.jh.'s  (ÜB.  o.  d.  E.  1)  meist  c,  einzelne  k  und  ch,  so  Pohperk 
(30),  Salcpurhgaui  (24),  Peganespiirch  (69).  —  Freising:  Urkunden  aus 
den  traditionscodices  bei  K.  Meichelbeck,  Hist.  Frisingensis  1,  2.  Bis  abt 
"Wolfram  926 — 938  regel  c,  einige  g,  vereinzelte  ch  (899  Irmeburch,  il/o»«- 
burch^],  uo.  907),  von  abt  Lantbert  938—957  an  ch  in  grösserer  zahl,  bald 
vorhersehend;  so  Her ipurch  (no.  1036),  Folcpurch,  Diotpirich,  EUinpurch 
(no.  1054)  u.  s.  w. 

9.  und  8.  Jh.:  Salzburg:  im  Verbrüderungsbuch  von  St.  Peter  (MG., 
Necrol.  2, 1  ed.  Herzberg)  schreibt  die  urhaud  v.j.  784  nach  Herzbergs  aus- 
scheiduug  in  der  regel  c,  einige  male  /.-,  nie  ch,  h,  die  zusätze  aus  dem  9.  jh. 
haben  mehrfach  ch,  hc,  h.  Schatz,  Zs.  fda.  43,  33  weist  die  ersten  ch  in  den 
aufang  des  9.jh.'s  und  gibt  belege.  Karajan  hatte  für  seine  band  a,  von 
780—810,  mehrere  ch  ausgeschieden.  —  Pas  sau:  MB.  28,  3;  altensbestim- 
muug  der  copien  Arch.  f.  öst.  gesch.-qu.  11,  91.  Die  in  abschriften  aus  der 
ersten  hälfte  des  9.jh.'s  vorliegenden  Urkunden  aus  der  zweiten  hälfte  des 
8.  und  dem  anfang  des  9.jh.'s  haben  vorwiegend  c,  nur  1  ch,  Agilperech 
774—804  (no.  10),  die  abschriften  aus  der  zweiten  hälfte  des  9.jh.'s  haben 
gleichviel  c  und  k  wie  ch  und  h:  Hliiclowich  788 — 804  (27),  Cozrinh  788— 
791  (59),  Amahinch  789  (56),  Salzjmrch  801  (49.  51),  Wa>ii)urch  818  (35), 
Waninh  820  (42).  —  Frei  sing:  Urkunden  für  Fr.  aus  dem  8.jh.  in  be- 
trächtlicher anzahl  in  den  traditionscodices,  auszüge  aus  annähernd  90  ur- 


')  Inzwischen  in  Quellen  und  erürter.  z.  bayr.  gesch.  n.  f.  4,  774  von 
Bitterauf  aus  anderer  hs.  Irmburc,  Mosapurg.  Die  neue  ausgäbe  reicht  erst 
bis  926. 


AUSLAUTEND    Gr  IM   OBERDEUTSCHEN.  403 

kuuden  des  8.  jh.'s  in  Cozrohs  Renner  (824—848  geschrieben),  zur  baupt- 
sacbe  in  der  Schreibung  der  original ien.  Cozrohs  auszug  geht  bis  zum  jähr 
814,  die  namen  daraus  sind  bei  A.  Wagner  gedruckt.  Hier  im  8.  jh.  nur  -c, 
mit  beginn  des  9.  jh.'s  daneben  einige  ch:  Eeganespiiruch  802  (92),  Alaioich 
805  (108),  Ospuruch  806  (110). 

2)  Die  literarisclien  deiikmäler.  Die  wenig  zahl- 
reichen denkmäler  des  11.  und  10. jh.'s')  weisen  nur  ganz  ver- 
einzelt ch  auf,  die  regel  ist  g  und  c.  Im  11.  jh.  haben  Wesso- 
b runner  gl.  u.  b.  i  als  regel  c,  zu  beginn  2  g,  Otlohlc, 
Geistliche  ratschlage  lg. 

Wessobr.  gl.  u.  b.  i  fierczig  MST).  90, 17,  ahcig  21,  cJiumfticSl,  gnaclic 
76,  sclmUic  79.  89.  121.  139.  149,  heilic  101,  dinc,  tinc  102  {heilictuom  101, 
manicf allen  146,  sümichheiti  122  neben  vielen  -icheite).  —  Otloh:  dinc  MSD. 
83,61.  —  Geistl.  ratschl.:  kedulUg  MSD. 85, 10.  27. 

Im  10.  jh.  schreiben  Ps.  138  ch,  der  Priestereid  A  g  und  k, 
B  g  und  ch,  Emmer.  gebet  B  g,  die  Vorauer  beichte  MSD. 
12c  1  g  und  1  c,  während  dieselben  denkmäler  des  10. und  11.  jh.'s 
germ.  k  nach  consonant  u.s.w.  in  der  regel  mit  ch  oder  kh 
schreiben. 

Ps.  188:  uiiech,  mach  :  tacli.  —  Priestereid  (nach  Massmann,  Ab- 
schwör. 70.  71)  A  (9.  10.  jh.):  kahorig  enti  Jcahengig  enti  statik;  B  (10.  jh.) 
kahorich  enti  kahengig  enti  statig.  —  E mm.  geb.  B:  jyigihtig,  notag,  umiotag. 

—  Vorauer  beichte:  ahnahtig,  tac. 

Die  glossen  des  10.  jh.'s  schreiben  meist  c,  wenige  k  und  g, 
ch  ist  der  mehrheit  fremd,  nur  in  einzelnen  Sammlungen  erscheint 
es  häufiger.  Zahlreiche  ch  finden  sich  in  den  grossen  Samm- 
lungen der  Wiener  hs.  2723  (aus  Monsee)  und  2732  (aus  Salz- 
burg, Ahd.  gll.,  Verzeichnis  der  liss.  no.  620.  621).  Nach  Jelliuek 
(Beitr.  15, 278)  verfährt  letztere  hs.  wie  erstere.  In  dieser  zählt 
er  74  ch,  2  h  gegen  30  c,  5  g.  Weiter  hat  Jellinek  aus  glossen 
des  11.  jh.'s  festgestellt:  für  die  Münchner  hs.  Clm.  18140  (aus 
Tegernsee)  112  ch,  1  h  gegen  74  c,  1  A-,  4  ^;  Clm.  19440  (aus 
Tegernsee)  113  ch,  1  h  gegen  33  c,  2  k,  i  g;  Clm.  14689  (aus 
St.  Emmeram)  dagegen  nur  12  ch,  2  hc,  4  h  gegen  33  c,  Ik,  S  g. 

Ebenso  haben  die  denkmäler  des  9.  jh.'s  für  g  in  der  regel 
c  oder  auch  k,  einigemal  g,  selten  ch. 

Exhortatio:  2  g,  1  c  bez.  k  (mag  12,  mac  13  A,  mak  B,  schtädtg  17). 

—  Freisingerpaternoster:  Ic  {princ 31  neben  Ucmiscün  19  und  uyisic  A 


^)  Das  folgende  z.  t.  nach  L.  Wüllner,  Hrabanisches  glossar  1882. 


40 1  BOnNENBKKGEIi 

[unsih  B]  32  mit  c  =  abd.  hh-CJc).  —  Carmen  ad  dcum:  2  c  (rant- 
bouc  13,  jnac  21).  —  Eram.  geb.  A:  2  c,  1  k  (pigihtik,  nütac,  nnnötac).  — 
Die  Monseer  fragiuente  (vi^l.  G.  A.  Honch,  Tbe  Monsee  fragments,  1890) 
und  der  Pariser  Isidor  (vgl.  die  grammutiscbe  darstellung  von  Heucb  in 
dessen  ausgäbe  QF.  72  und  Kauftinann,  Germ.  37,  255  ff.)  uebmen  wegen  der 
einwirkung  ibrer  rbeiufränk.  vorläge  eine  besondere  Stellung  ein.  Doeb  ist 
bei  beiden  wie  in  rein  bair.  denkmäleru  -c  die  rcgcl,  daneben  in  den  Mon- 
seer fragm.  nacb  Ilencb  (s.  119)  2  ch  {einich  5,9,  uuirdich  2,2},  im  I'ariser 
Isidor  (QF.  72,  88)  5  ch  (einich  33,  7—9).  —  Aus  der  fremden  vorläge  wird 
aucb  das  1  y  (jiereg  2)  neben  1  c  {heilac  8)  im  poetiseben  teil  des  Wesso- 
brunner  gebets  stammen,  der  prosaiscbe  bat  2  c  (manac  10,  ö>-c  15).  — 
Muspilli  bat  8  c  (tac  1,  mac  6.  23.  57,  laue  23,  paJnuic  26,  Ihuninc  31, 
kreftic  40),  5  k  (kinnok  17,  (link  26,  mnk  57,  mak  76.  90),  1  ch  (miarch  39), 
3  hc  (mdhc  39,  enihc  52,  inehc  60)  und  1  g  (ding  10).  —  Petrus  scbreibt 
tnac  (2),  7nach  (5). 

Die  Freisinger  Otfrid-lis.  (884—906  geschrieben)  setzt 
nach  Kelle,  Otfr.  2,  518  liänfiger  c  als  g,  noch  hänfiger  ch  gegen 
regelmässiges  y  der  "Wiener  und  Heidelberger  hs. 

Die  glossen  des  9.  jh.'s  zeigen  als  regel  c,  einige  Je  und  g, 
■wenige  ch.  Die  Hrabanischen  glossen  haben  neben  regel- 
mässigem c  nach  Wüllner  in  der  hs.  a  2  mal  g,  kein  ch ;  ß  hat 
ebenfalls  kein  ch,  y  und  ö  haben  je  1  ch  in  gratach  (/)  Gloss. 
1, 191, 28,  pihuctkh  {6)  1,  247, 16.  Sonst  das  seltene  ch  z.  b.  in 
den  Freisinger  glossen  (München,  Clra.  6325),  untarganch  Gl. 
2,  345,  38. 

Urkunden  und  literarische  denkmäler  stimmen  darin  über- 
ein, dass  der  Schreibung  ch  eine  Schreibung  c')  als  regel- 
mässige vorangeht.  Wenn  dabei  die  ablüsimg  des  letzteren 
Zeichens  durch  ersteres  im  allgemeinen  in  den  literarischen 
denkmälern  später  erfolgt  als  in  den  Urkunden,  so  wird 
sich  darin  wie  nachher  bei  der  ablösung  von  ch  durch  g  ein 
conservativeres  verfahren  der  literarischen  denkmäler  zeigen, 
die  sich  länger  und  enger  an  ältere  vorlagen  anschlössen  als 
die  Urkunden.  Ob  ähnliches  auch  an  den  schriftzügen  beob- 
achtet werden  kann?  Aus  orthographischen  gründen  lässt  sich 
der  Übergang  nicht  herleiten,  es  muss  ihm  daher  ein  Wechsel 
in  der  ausspräche  zu  gründe  liegen.  Die  ältere  lautform 
kann  nur  explosiv a  fortis  gewesen  sein,  von  der  inlauts- 
form,  für  welche  die  Schreibung  mit  g  die  regel  bildet,  zum 


1)  Zu  c  sind  hier  aucb  die  wenigen  alten  k  zu  recbuen.    Im  übrigen 
vgl.  über  k  Kauffmann,  Germ.  37, 243  ff. 


AUSLAUTEND  G   IM  OBERDEUTSCHEN.  405 

mindesten  dnrcli  grössere  stärke  unterschieden.  Nimmt  man 
fortis  aspirata  an,  so  erklärt  sich  leicht  gelegentliche  Verwechs- 
lung mit  auslautender  affricata  und  daraus  hervorgehende 
Schreibung  mit  ch,  auch  h.  Die  zeit  der  entwicklung  zur 
affricata  lässt  sich  niclit  mit  völliger  genauigkeit  bestimmen. 
Aus  der  Schreibung  mit  ch  ist  die  affricatenaussprache  erst 
da  mit  Sicherheit  zu  erschliessen,  wo  erstere  in  grösserer  zahl 
auftritt.  Vereinzelte  cli  dürfen  nicht  als  erste  spuren  des 
neuen  lautes  in  anspruch  genommen  werden,  da  sich  dafür 
auch  andere  erklärungen  bieten.  Dazu  kommt,  dass  sich  der 
Übergang  durch  stark  aspirierten  explosivlaut  hindurch  all- 
mählich vollzogen  haben  kann.  Als  ungefähre  zeit  des  wechseis 
nehme  ich  den  Übergang  vom  9.  zum  10.  jh.  an.  In  der  884— 
906  geschriebenen  Freisinger  Otfrid-hs.  überwiegen  schon  die  cli. 
Es  ist  also  hier  in  literarischer  zeit  eine  der  zweiten  laut- 
Verschiebung  entsprechende  weitere  Verschiebung  erfolgt.  Oert- 
liche  bestimmungen  sind  bei  der  beschaffenheit  unserer  quellen 
ganz  ausgeschlossen.  Für  die  vereinzelten  ch  der  älteren 
zeit  bieten  sich  mehrere  erklärungen.  Sie  können  sowol  auf 
Verwechslung  beruhende  darstellungen  der  blossen 
explosiva  bilden,  als  durch  Übertragung  des  alten 
wechseis  von  ch  vor  palatalen  vocalen  mit  c  (s.  Kauff- 
mann  a.a.  o.)  in  den  auslaut  gekommen  sein.  Auch  musste 
der  Wechsel  von  c  mit  ch  für  affriciert  gesprochenes  germ.  h 
zu  gelegentlicher  Verwendung  von  ch  an  stelle  von  c,  wie 
später  umgekehrt  zur  Verwendung  von  c  an  stelle  von  ch  für 
auslautend  germ.  g  führen.  Erstere  erklärung  gilt  zugleich 
für  die  wenigen  h.  Einzeldeutung  ist  nur  bei  ausdehnung 
der  Untersuchung  auf  die  behandlung  sämmtlicher  gutturale 
in  den  einzelnen  quellen  möglich.  Die  nicht  zahlreichen  g 
der  alten  zeit  stammen  aus  dem  inlaut.  Ihre  Verwendung 
konnte  zunehmen,  als  man  anlautendes  c  durch  g  ersetzte. 

Mit  dem  angenommenen  lautwert  stimmt  die  behandlung 
des  g  in  den  reimen  der  bairischen  dichter  z.  t.  ohne  weiteres 
überein.  Ausser  mit  sich  selbst  wird  g  mit  h  in  den  gruppen 
nli,  kJc,  rlc,  Ih  sowie  mit  fremdem  li,  ganz  vereinzelt  mit  germ. 
h  oder  mit  hh  <  germ.  h  gebunden.  Da  nun  h  in  den  gruppen 
nie,  lik,  wie  wir  heute  wissen,  im  bairischen  als  affricata  zu 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXXI.  27 


406  ROHNENRERGER 

bestimmen  ist,  ergibt  dessen  binduno-  mit  affricata  für  aus- 
lautendes g,  wie  schon  gesagt,  völlig  reinen  reim.  Auch 
fremdes  Ä-  ist  zweifellos  im  anschluss  an  die  behandlung  des 
einheimischen  lautes  als  affricata  gesprochen  worden.  Ist  also 
der  lautwert  dieser  reime  anders  zu  bestimmen  als  früher  ge- 
schehen, so  verbleiben  sie  doch  rein.  Dagegen  ergeben  sich, 
wie  ebenfalls  oben  schon  bemerkt,  Schwierigkeiten  für  die 
bindung  von  r/y,  lg  mit  rl;  11c,  sofern  hier  die  reime  r/./,  //.•/  : 
r/,  1/  vorzuliegen  scheinen.  Ich  stelle  zunächst  das  verfahren 
der  dichter  fest. 

Heinrich  v.  Melk:  bindungen  mit  ?7.-,  kk:  Todes  geb.:  starch  :  charch 
405,  mach  {(j)  :  smacli  {klc)  551,   mit  ch  nacb  vocal  gemach  :  mach  ig)  905. 

—  Priesterleb.:  sac{kk)  :  mac(g)  733.  —  An eg enge:  ng  :  »k  oft,  z.  b. 
gedanc  :  gesanc  1,  27,  gedanc  :  gctwanc  3,  31,  verdaue  :  siva)ic  5),  25,  aber 
auch  g  :  h:  lac  :  ersach  25,42,  icäch(g)  :  sach  24,46,  vgl.  QF.  44,8.  — 
Servatius  (Zs.  fda.  5):  nk,  kk,  rk:  danc  :  ranc  1107,  iwanc  :  danc  2349, 
iranc  :  twanc  2983,  danc  :  gcdranc  3125,  smac  :  lac  1875.  2221,  harc  :  ^arc 
1603.  2359.  —  Wernhers  Marienlieder  (hg.  v.  Feifalik):  gedanch  :  sanch 
47,  iak:  smakbd,  lauk  :  gcdank  löll,  trank  (k) :  sjjrank  22SI,  icark  {k?,eiter) 
:  verbark  4367.  —  Konrad  v.  Fussesbrimu:  »g  :  nk  oft:  gedanc  :  lanc 
69,  getraue  :  umheganc  579  u.s.  w. ;  g  :  kk:  erschrac  :  tac  1501:  rg  :  rk?  : 
Stare  :  tcarc(g)  2989  (hs.  C  aber  kare  :  wäre).  —  Konrad  v.  Heimes- 
furt, Ursteude:  danc  :  tivauc  126,54;  Von  unser  frauen  hinfahrt :  Abacu«  : 
fltic  307.    —   "Wolfram:   viele  g  :  kk,  nk,  rk,    s.  A.  Schulzs  reimregister. 

—  Heinrich  v.  d.  Türlin,  Krone:  nk,  kk,  rk:  ranc  :  traue  457,  ranc  : 
lanc  948  u.s.w.,  heicac  :  krac{kk)  1232,  sviac  :  tac  1510,  Arlac  :  pflac 
2074,  bare  :  starc  1291.  —  l'lrich  v.  d.  Tiirlin:  nk,  kk,  rk:  anevanc  : 
gedanc  1,1,  gedanc  :  betieanc  131,11,  erschrak  :  ^vak  84,23,  erschrach  : 
tach  ig)  138,  23,  gezok  :  tribok  84,  3,  mark  :  chark  33,  25,  3Iorark  :  enbark{g) 
36,19.  —  PI  ei  er,  Garel:  nk,  rk:  lanc  :  danc  257,  burcperc  :  werc  779: 
Tandareis:  nk:  ranc  :  kranc  118.  —  Mai  und  Beaflor:  nk,  rk:  danc  : 
ranc  24,25,  starc  :  karc  24,29,  aber  auch  g  :  h:  sack  :  jijlach  51,9.  — 
Meier  Helmbrecht:  kk,  nk,  Ik,  rk:  nac  :  lac  179,  sac  :  lac  1853,  tcec  : 
ßcc  1889,  marschalc  :  balc  1539,   trinc  :  urspriuc  893,    icerc  :  Ifaldenberc  191. 

—  Enikel:  Ä7.-,  nk,  rk  (z.  b.  Weltchr.  1347.  2083.  2221.  2259.  2561.  2621; 
Fürstenb.  1337.  1341.  1357.  2197).  —  Herrand  v.  Wildonie  (hg.  von 
K\unmer):  nk,  kk,  rk  (1,227.  3,167.  2,93.  3,203.  4,9).  —  Für  das  Nibe- 
lungenlied hat  Pressel  g  :  nk  oft  (616.  874.  1767.  1772  u.s.w.),  g  :  rk 
2  mal  (geticerc  :  werc  469,  verbarc  :  starc  1080),  kein  g  :  kk  (aber  auch 
kein  kk  :  kk).  Statt  des  von  Weinhold,  Mhd.  gr.  §  234  citierten  berc  :  verch 
(2147)  steht  vielmehr  verch  :  werc,  also  reim  rh  :  rk  wie  mehrfach  in  Nib. 

—  Klage  B:  ug  :  nk  1105.  3311.  3805  (mehrfach  ;7.-,  Ik  :  rh,  Ih).  — 
Gudrun  bei  nur  ca.  1600  haupttouigeu  reimpaaren  und  sehr  eiufürmigen 
reimen  einige  g  :  nk  in  gruppen  (375.  377.  398.  504.  1292.  1358.  1409), 
ebenso  gruppenweise  //  :  rk  (1130.  1135),  weder  g  :  kk,  noch  kk  :  kk,  aber 


AUSLAUTEND  G   IM  OBERDEUTSCHEN.  407 

i  (j  :  ch:  tac  :  sprach  1166  (schon  von  MüUenhoff  bemerkt).  —  Biterolf: 
nk,  rk  (431.  1179.  1180;  4055).  —  Laurin:  kk,  nk  (111.  123.  143.  908;  55. 
367.  417).  —  Alpharts  tod:  nk  (119.  232.  321).  —  Dietrichs  flucht: 
nk,  rk  (191.  1525.  1783).  —  Rabenschlacht:  nk,  rk  (449.  586;  611.  650. 
744.  822),  1  mal  auch  fj  :  rh  (lialsperc  :  rerch  810).  —  Rosengarten  A: 
nk,  rk  (114.  201).  —  Wolfdietrich  B:  nk  (104.  202).  —  Ernst  B:  kk,  nk 
(717.  1267.  1285.  1293).  —  Walther:  kk,  nk,  rk:  erscJirac  :  lac  Pauls  ausg. 
57,  34,  pflac  :  erschrac  71,  64,  gedanc  :  lanc  4, 11,  getane  :  danc  6,  42.  7, 11, 
kranc  :  zanc  8,5,  tverc  :  gehverc  76,  15.  —  Neid  hart:  kk,  nk:  pflac  : 
schavernak  54, 10,  tac  :  nac  61, 10,  pflac  :  nac  68,  30,  getroc  :  loc  {kk)  101,  39, 
danc  :  sanc  11,19,  sanc  :  tranc  41,39,  lanc  :  gedanc  45,31.  —  Burggraf 
V.  Lüenz:  kk:  erschrak  :  tak  7.  —  Rubin:  nk:  sank  :  dank,  dank  :  twank. 
-  Warnung:  kk,  nk,  rk  (351;  174.  247.  271.  275;  631.  813).  —  Ulrich 
von  Lichtenstein:  /.7t-,  nk,  rk  (Bechsteins  ausg.  125;  47.  69.  104;  190. 
196).  —  Lohengrin:  kk,  nk,  rk  erst  an  später  stelle  des  gedieh ts  und  von 
da  an  zahlreich  {lanc  :  schranc  238,  sivanc  :  hlanc  239,  Baspenberc  :  werc 
250,  danc  :  spranc  252,  erschrac  :  pflac  282  u.s.  w.).  —  Konrad  v.  Haslau 
(Zs.  fda.  8,  550) :  rk:  karc  :  eine  marc  927.  —  Seifrid  Helbling:  kk,  nk, 
rk  (Seemüllers  ausg.  1,51.  5,17;  6,185.  13,41.  123;  5,21.  35.  13,189).  — 
Ottokars  Chronik  1—2000:  kk,  rk  (605.  1071;  323.  1339.  1947).  —  Suchen- 
wirt: kk,  nk,  rk  anfangs  häufig,  später  seltener,  besonders  nk  (41.  895. 
927)  selten.  —  Vintler:  kein  kk,  nk,  rk,  obvrol  g  :  h  :  d  und  f:  ch  :  ng  oft 
gebunden  mit  n  {ring  :  freimdin  885,  sinn  :  jm^ig  6630,  zimg  :  prunn  7626) 
und  m  {ziing  :  stumm  8818,  snm  :  partierung  9340  u.s.  w.,  auch  hetrüehung  : 
darumh  9874.  10023.  10047  kann  als  reim  ng  :  m  gelten).  —  Osvs^ald  v. 
Wolkenstein:  mehrfach  nk,  kk.  —  Puter  ich,  Ehrenbrief  (Duellius,  Exe. 
265):  rk:  Grafenhergh  :  werckh  103)  und  als  Verlegenheitsreim  g  :  ch:  Puech  : 
genueg  92.  93.  97.  —  Frankfurter,  Pf.  v.  Kaienberg:  nk,  rk  (451; 
1415.  2145). 

Diese  liste  zeigt  zunächst  deutlich,  dass  man  die  auslauts- 
form  noch  bis  ins  15.  jh.  hinein  im  reim  verwendete,  also  weit 
über  den  beginn  des  Übergreifens  der  inlautsform  hinaus. 
Unter  den  angeführten  dichtem  lässt  nur  Vintler  die  benutzung 
der  inlautsform  erkennen.  Die  bindungen  des  g  mit  nh,  Ick 
laufen  überall  durch,  aber  auch  die  mit  k  nach  liquida.  Wenn 
letztere  in  der  zahl  merklich  zurückstehen,  in  kürzeren  dich- 
tungen  auch  ganz  fehlen,  so  erldärt  sich  dies  aus  der  geringeren 
zahl  der  zur  Verfügung  stehenden  reimwörter.  Aus  dem  gleichen 
grund  ist  auch  die  bindung  mit  kk  nicht  so  zahlreich  wie  die 
mit  nk.  Alle  anderweitigen  bindungen  mit  g  sind  vereinzelt. 
Insbesondere  ist  auch  die  bindung  mit  rh  vereinzelt  und  nicht 
häufiger  als  die  mit  h,  ch  nach  vocal.  Doch  darf  man  anderer- 
seits aus  diesem  verhalten  auch  nicht  schliessen,  dass  die  bin- 
dung rg  :  rh  mit  absieht  mehr  gemieden  worden  sei  als  die 

27* 


408  BOHNENHERGER 

rg  :  rJc.  Für  rg  :  rh  })ietpn  sich  ganz  wenig  reimwörter,  rh  wie 
///  ersclieiiit  überhaupt  selten  im  reim.  Auch  die  zahl  der 
unter  Voraussetzung-  spirantischer  ausspräche  des  1:  nach  liiiuida 
völlig  reinen  reime  rl-,  Ik  :  rh,  Jh  ist  gering  (s.  schon  Paul, 
Beitr.  6j  557),  und  würde  noch  viel  geringer  sein,  wenn  nicht 
das  eine  paar  marh  :  starc  einen  bequemen  reim  bieten  würde. 
Die  vereinzelte  Stellung  dieser  bindung  erklärt  es  zugleich 
auch,  dass  man  immer  noch  ein  mhd.  marc  mitführt,  obwol 
dessen  entwicklung  aus  ahd.  marh  völlig  unverständlich  ist 
(s.  auch  Paul  a.  a.  o.  s.  559).  Die  Schwierigkeit  in  der  bindung 
lg,  rg  :  Jh,  rlc  bleibt  bei  diesem  verfahren  bestehen.  Gegen  den 
versuch  für  g  nach  liquida  spirantische  ausspräche  anzunehmen, 
spricht,  wie  oben  gesagt,  das  bisher  bekannte  verfahren  der 
mundarten  allzu  nachdrücklich.  Dass  sich  neben  mari  <  marg 
und  etwa  hierhergehörigen  hari  <  harg  noch  weitere  beispiele 
mit  rx  in  merklicher  zahl  finden  werden,  so  dass  dann  diese 
als  regelmässige,  herlr/^  u.s.w.  als  umgebildete  formen  anzusetzen 
wären,  lässt  sich  nicht  erwarten.  Andererseits  will  sich  auch 
keine  handhabe  bieten,  für  Ik,  rh  die  aussitrache  //.'x,  rh/^  an- 
zunehmen. Für  die  grosse  mehrheit  der  in  der  bindung  ;/.■ :  rg 
auftretenden  formen  ist  die  zurückführung  auf  rlik,  das  zu  rl^ 
würde,  ausgeschlossen.  Auch  Jellineks  versuch,  bair.  //,  ry  als 
aus  liquida  -|-  hilfsvocal  +  k  entstanden  zu  erklären  und  als 
Vertreter  von  liquida  +  h  affricata  anzunehmen  (Zs.  fda.  36, 29), 
geht  nach  unserer  heutigen  kenntnis  der  mundart  nicht  mehr 
an.  Noch  bliebe  die  Vermutung,  es  habe  die  spirantische  aus- 
spräche ursprünglich  nur  im  inlaut  gegolten,  im  auslaut  affri- 
cata, und  erst  durch  Verdrängung  der  auslautsform  sei  die 
spirantische  ausspräche  allgemein  geworden.  Darüber  müsste 
eine  der  entwicklung  von  A-  gewidmete  untersiu-hung  endgiltigen 
bescheid  geben.  Inzwischen  scheint  mir  die  Schreibung  der 
quellen  diese  annähme  auszuschliessen.  Auch  würde  sie  in 
Wirklichkeit  für  das  reimverfahren  wenig  gewinn  bringen. 
Denn  wenn  für  rg  :  rk  dadurch  reiner  reim  gewonnen  würde, 
so  ergäbe  dafür  die  freilich  weniger  häufige  bindung  rk  :  rh 
unreinen  reim.  So  ist  man  zunächst  gezwungen,  auf  bair. 
boden  auch  bei  den  sonst  rein  reimenden  dichtem  der 
guten  mhd.  zeit  die  bindung  rg  :  rk  als  bei  mundartgemässer 
ausspräche   unreinen   reim   rk-/  :  r/,   aufzufassen.    Immerhin 


AUSLAUTEND  G   IM  OBERDEUTSCHEN.  409 

bleibt  die  Unreinheit  eine  geringe ,  da  sich  der  explosivlaut 
zwischen  den  dauerlauten  liquida  und  spirans  wenig-  bemerklich 
macht.  Nachher  wird  sich  aber  beim  alem.  eine  stärkere  ab- 
weichung-  ergeben,  die  sich  nur  aus  fremdem  vorbild  erklären 
lässt.  So  bleibt  auch  für  die  bair.  dichtungen  die  möglichkeit, 
statt  unreinem  reim  auf  grund  bairischer  ausspräche  vielmehr 
reinen  reim  mit  fremder  ausspräche  anzunehmen.  Die  ver- 
einzelten bin  düngen  des  g  mit  h  und  ch  nach  vocal  ver- 
danken ihren  Ursprung  jedenfalls  nicht  der  mundart.  Erklärung 
aus  spirantischer  ausspräche  des  g  nach  vocal,  wie  sie  Paul, 
Beitr.  1, 152  versuchen  konnte,  ist  heute  ausgeschlossen.  Wo 
nicht  textentstellung  vorliegt  und  wo  dem  dichter  nicht  eine  ge- 
legentliche assonanz  zugetraut  werden  kann,  müsseii  die  bin- 
duugen  auf  nachahmung  fremdmundartlicher  reime  beruhen. 

B)   -g  im  alemannischen. 

Beträchtlich  weniger  durchsichtig  liegen  die  Verhältnisse 
auf  alem.  bodeu.  Die  Orthographie  weist  Aveniger  einheitlichen 
Charakter  auf,  die  zurechtlegung  der  reime  macht  mehr 
Schwierigkeiten,  die  feststellung  der  reste  von  auslautendem  g 
in  der  heutigen  mundart  gelingt  weniger  leicht. 

In  der  heutigen  mundart  fehlt  die  Übereinstimmung 
mit  nh  und  M  und  diese  weisen  ihrerseits  vielfältige  formen 
auf.  Auf  die  ausspräche  des  h  nach  nasal,  liquida  und  in 
Verdoppelung  als  explosiva  im  norden  folgt  bekanntlich  für 
nk  und  /d-  in  einem  südlicheren  teil  ('südalemannisch')  aus- 
spräche als  affricata,  für  nh  aber  weiter  im  äussersten  Süden 
auch  noch  ausspräche  als  blosse  spirans.  rh  und  Ih  werden  im 
ganzen  süden  zu  ri  und  ?/•  Dem  gegenüber  lässt  sich  für  die 
reste  des  auslautenden  -g  nur  einfache  explosiva  sicher 
nachweisen.  Affricata  fehlt  ganz.  Für  spirans  liegen 
einige  nicht  genügend  gesicherte  angaben  aus  dem  süden 
vor.  Die  bestimmung  des  lautwertes  wird  einerseits  durch 
die  geringe  zahl  der  erhaltenen  reste,  andererseits  durch  die 
complicierten  consonantenverhältnisse  des  heutigen  südaleman- 
nischen sehr  erschwert.  Vielfach  scheint  das  adv.  wec  den 
einzigen  rest  erhaltener  auslautsform  darzustellen.  Die  ver- 
einzelte form  des  Wortes  hat  widerholt  veranlasst,  dass  man 
dieselbe  aus  emphatischem  accent  zu  erklären  suchte.    Da  sie 


410  BOHNENBERGER 

sicli  jcdocli  in  die  lieliandhing  des  auslautenden  g  im  alem. 
oline  weiteres  einfügt  und  in  anderen  niundarten  zweifellos 
ganz  wie  solches  behandelt  wird,  ist  von  dieser  Sondererklärung 
abzusehen. 

Im  nord alemannischen,  das  auch  germ.  /.•  nach  nasal 
U.S.W,  nicht  über  explosiva  fortis  hinausverschoben  hat,  ist  die 
ansetzung  von  explosiva  für  -(j  ohne  weiteres  gesichert.  Im 
äussersten  norden  ist  -g  lieute  stets  lenis,  auch  im  adv.  ivec, 
wie  dort  auch  unverschobenes  Ti  in  allen  Stellungen  ausser  im 
anlaut  vor  vocal  von  lenis  nicht  unterscheidbar  ist.  Ehemalige 
Unterscheidung  des  auslautenden  (j  von  inlautender  lenis  und 
damit  ehemalige  fortisaussprache  ergibt  sich  aber  daraus,  dass 
in  ivcc  und  gleichbehandelten  wortformen  dehnung  des  vocals 
unterblieben  ist,  die  in  den  flectierten  formen  eintrat.  Dieser 
quantitätsunterschied  kann  nach  der  gesammtlage  des  dehnungs- 
verfahrens  in  diesen  mundartteilen  nicht  wol  aus  dem  unter- 
schied von  Schlusssilbe  und  innerer  silbe  erklärt  ^^•erden,  son- 
dern ist  hier  auf  die  stärke  der  folgenden  consonanz  zurück- 
zuführen. So  hat  man  dort  in  allen  formen  mit  erhaltenem 
kurzem  tonvocal  alte  fortis  für  -g  zu  erschliessen. 

In  Eeutlingeu  kennt  Ph.  Wagner  (Lautbestand  des  schwäbischen  in 
der  nia.  von  R.,  progr.  1889.1891)  nur  ichj  (s.  54).  Für  Bod eishausen 
(zwischen  Tübingen  und  Hechingen)  nennt  A.  Eberhardt  (Alemannia  29, 253) 
noch  schlag  (käfig  mit  falltüre),  douh9schhtg  (taubenschlagj  und  hüseschlag 
(hosenlatz).  Für  Münsingen  nimmt  Bopp  (Vocalismus  d.  schwäb.  in  der 
ma.  von  M.,  diss.  1890)  schon  fortis  an  {trcJc  s.20).  Nach  n  erscheint  ex- 
plosiva gegenüber  w  für  inlautendes  ng  in  houl;  houg,  so  im  württem- 
bergischen Oberscliwaben,  im  bair.  Schwaben  (Bayr.  ma.  1, 44)  und  allent- 
halben nordalem.  gelegentlich  in  flurnamen  mit  juvg-,  Javg-  als  bestimmungs- 
wort.  Vereinzelt  steht  Kauffmann,  der,  unaspirierte  explosiva  fortis  von 
aspirierter  unterscheidend,  letztere  (Schwab,  nia.  s.  202)  für  alt-  wie  neu- 
auslauteudes  g  annimmt,  dabei  aber  das  hauptexempel  tccc  gar  nicht  auf- 
führt. In  Schwenningen,  am  obersten  Neckar,  wo  die  vocaldehnuugs- 
gesetze  schon  keinen  rückschluss  auf  die  ehemaligen  consonantenvcrhältnisse 
mehr  gestatten,  Avird  nach  K.  Haag  (Mundarten  des  obcrn  Neckar-Donau- 
landes, progr.  1898)  neuerlich  in  auslaut  getretenes  g  als  lenis  gesprochen, 
altauslautendes  g  bezeichnet  Haag  als  fortis  /.-  in  oic'ck  (s.  15),  zwcrk  (s.  19, 
anlehnung  an  xv'erkl).  Aus  dem  Schwarzwald  oder  westlich  desselben 
wird  alt-  wie  neuauslautend  /.•  augegeben  für  Forbach  (Heilig,  Alem.  24, 
17  ff.),  /.•  für  Ottenheim  (am  Eheiu  bei  Lahr)  in  Uik,  hulik  (Ileimburger, 
(Beitr.  13,  230),  aspiriertes  /.•  als  allgemeine  ausspräche  für  g,  auch  wo  es 
erst  neuerlich  in  auslaut  zu  stehen  kam  und  dehnung  eines  vorausgehenden 


AUSLAUTEND    G   IM   OBERDEUTSCHEN.  411 

kurzen  vocals  zuliess,  für  das  12  km  uördlich  davon  gelegene  0  her  schöpf - 
heim  (Schwend,  Zs.  f.  hd.  maa.  1,  3iO).  Linksrheinisch  hat  das  Zorntal 
auslautende  unaspirierte  explosiva  gegenüber  vocalisierung  des  inlautenden 
(j  in  einer  reihe  von  Wörtern  (H.  Lienhart,  Ma.  des  mittleren  Zorntales, 
diss.  1891,  s.  20),  Colmar  den  gleichen  laut  im  adverbium  ivec,  den  adjec- 
tiven  auf  -ec  und  sonstigen  Wörtern,  in  denen  i  oder  n  vorhergeht  (V.  Henry, 
Dial.  al.  de  Colmar,  1900,  s.  53).  —  Aus  Vorarlberg,  wo  vor  auslautender 
lenis,  darunter  auch  jungauslautendem  g,  gedehnt  ist  (so  Idäg  :  Idäg^,  säg  : 
sägd,  s.  Y.  Perattoner,  Vocalismus  einiger  maa.  V.'s,  1883,  s.  10)  kenne  ich 
3?fe//  mit  stark  aspierierter  fortis. 

Im  südalemaunischen  gebiet,  also  bei  eutwicklung  von 
JcJc  und  nJc  zu  kx  und  JcnAj,  von  IJc,  rk  und  anlautendem  h  zu 
Ix,  rx,  X-  liegen  die  dinge  so: 

Für  Schaffhausen  gibt  Stickelberger  (Beitr.  14, 416.  406)  bei  regel- 
mässiger dehnung  kurzer  betonter  vocale  vor  neuauslautender  explosiva  lenis 
und  erhaltung  der  vocalkürze  im  heutigen  inlaut  9weg  für  das  adv.,  jum- 
pßra  <<  juvkfdrd,  hiiug  und  '/'(vg  neben  eutwicklung  des  inlautenden  ng 
>  V.  Für  Kerenzen  gibt  Winteler  (K.'er  muudart  s.  140)  divek  neben 
Substantiv  iveg,  trcekberd  neben  trcegd,  tceik  (teig).  A^erbreitet  ist  wie  im  bair. 
maryi  und  hary^  (Kerenzen:  »/(T/7,  Winteler  s.  51).  Basel  (mit  nordalem. 
behandlung  des  k)  hat  nach  Heusler  (Consonautismus  von  Basel  s.  19)  9w'ek 
mit  kurzem  vocal  vor  fortis  (von  Heusler  aus  energischem  exspiratorischem 
acceut  erklärt),  während  die  mundart  vor  lenis  im  auslaut  dehnt.  Zum 
gebiet  mit  x  ^^^  «^"  gehört  schon  Brienz.  Für  dieses  gibt  Schild,  Beitr. 
18,327  wenigstens  jumjkfroww.  Aus  der  Umgebung  von  Bern,  aus  dem 
kanton  Freiburg  und  Wallis  habe  ich  selbst  belege  für  explosivlaut 
{Hcek,  lauk,  jttvk),  den  ich  als  fortis  ansehe,  spirans  nur  in  mar/,  har/ 
aufgezeichnet.  Dagegen  gibt  nun  Bachmann  (Schweiz,  gutturallaute  s.  15) 
an,  X  erscheine  für  g  besonders  im  wallisischen  dialekt,  nämlich  ausser  in 
marx  auch  in  zdym  (==  zeigen),  yriC'/,  yju^/.-  Ebenso  führt  das  Schweiz. 
Idiotikon  für  das  Wallis  und  dessen  ableger  ausser  mary^  und  har^  auch 
yru^y,  yli''^'/.  ^^1  während  für  h'crg,  bürg,  arg,  halg,  genuog  keine  belege 
mit  X  gegeben  werden.  Die  Sammlungen  des  Idiotikons  bildeten  verimitlich 
auch  Bachmauus  quelle.  Es  kann  also  nicht  die  eine  dieser  angaben  durch 
die  andere  gestützt  w^erden.  Ich  selbst  habe  bei  Aviderholten  aufnahmen  iiu 
Wallis  und  bei  mehrfacher  schriftlicher  erkundigung  keinerlei  spirans  nach 
vocal  oder  nasal  feststellen  können,  y  nach  liquida,  wie  schon  gesagt,  auch 
allein  in  viary  und  bary. 

Demnach  glaube  ich  in  der  Stellung  nach  vocal  und 
nach  nasal  im  ganzen  südalem.  wie  im  nordalem.  ex- 
plosiva als  rest  des  auslautenden  g  ansehen  zu  müssen. 
Diese  explosiva  wird  auch  im  südalem.  trotz  den  dort  heute 
geltenden  sandhigesetzen,  die  im  auslaut  explosiva  fortis  für 
germ.  lenis  nur  nach  kurzem  betontem  vocal  gegen  lenis  nach 


412  nOTINENBERGER 

langem  vocal  oder  vor  stimmlosem  anlaut  des  folgenden  Wortes 
gegen  lenis  vor  stimmhaftem  fordern,  allgemein  gegolten  haben. 
Aus  dem  alter  des  correspondierenden  anlautgesetzes  (Notkers 
gesetz)  darf  man  nicht  auf  ein  gleiches  alter  dieser  heutigen 
auslautgesetze  schliessen.  Die  Orthographie  der  quellen  schliesst 
dies  völlig  aus  (s.  auch  Behaghel,  Pauls  Grundr.  V,  715). 

Ueber  die  ehemalige  behandlung  von  auslautendem  g 
nach  liquida  wage  ich  noch  keine  endgiltige  entscheidung 
zu  treffen.  Es  bereitet  hier  die  annähme  der  explosivaussprache 
einerseits  für  die  zurechtlegung  des  reimverfahrens  ganz  beson- 
dere Schwierigkeiten,  andererseits  ist  der  vereinzelten  spirans- 
aussprache  nicht  mit  der  gleichen  bestimmtheit  wie  im  bair. 
eine  andere  ausspräche  der  mehrheit  entgegenzusetzen,  da  bis 
heute  für  keine  der  formen  mit  explosiva  die  möglichkeit  der 
herkunft  aus  der  inlautsform  mit  völliger  Sicherheit  al)gelelint 
werden  kann.  Untersuchung  der  ausspräche  des  rg  in  flur- 
namen,  besonders  in  deren  bestimmungswort,  könnte  vielleicht 
aufschluss  bringen.  Auf  den  AYalliser  blättern  des  Siegfried- 
atlasses habe  ich  kein  rch  für  rg  gefunden. 

Die  quellen  setzen  wie  die  bair.  mit  vorwiegendem  c,  /.-, 
neben  wenigen  g  und  ch,  li  ein.  Bis  zum  aus  gang  des 
10.  jh.'s  bleibtauch  c,Tx  sowol  in  den  literarischen  quellen  als 
in  den  Urkunden  die  regel. 

a)  Die  Urkunden  des  8. — 10.  jh.'s. 

St.  Gallen:  in  den  Urkunden  ist  bis  814  nach  Henning  (St.  Gall. 
sprachdenkra.  QF.  3, 140)  '  im  anslaut  die  media  meist  (60  mal)  zur  tenuis 
verstärkt'.  Im  absoluten  auslaut  führt  er  G  -y,  2  lic  {ClaiuhuruUc  (St.  Ga. 
U. ']  1, 109),  Wolfpirihc  1, 169),  1  ch  {Puzzinberch  1,  22)  und  1  h  (Eatinh 
1, 117)  an,  dazu  2  g  und  1 7t  {PuriMinga  1, 122)  im  compositum  am  ende  des 
ersten  teils.  Von  814  bis  zu  ende  des  9.  jh.'s  verhalten  sich  g  :  ch  :  c 
ungefähr  wie  4  :  5  :  20,  c  herscht  also  immer  nocli  weit  vor  hei  geringem 
umfang  im  inlaut.  Fr.  Wilkens  (Hochal.  consonantismus  d.  ahd.  zeit,  1891, 
s.  72)  zählt  von  744—819  87  c  und  8  g.  Für  ch  gebe  ich  folgende  belege: 
831  (St. Ga.U.  1,312)  Farnoicnnch.  —  838  (1,316)  FanUcich,  Irmimh,  Ir- 
finch,  Thioiimruch,  Hlltqmruch.  —  855  (2, 61)  Jliltibrihc.  —  858  (2, 81) 
Adiilimhc.  —  859  (2, 84)  Uotinperech.  —  861.  867  (2, 105.  138)  Wazzar- 
hurch.  —  865  (2, 124.  127)  Pussinanch.  -  806  (2, 132)  Chühiberch.  —  867 
(2, 139)  Pcranwich.  —  868  (2, 146)  Amahmch.  —  869.  889  (2, 158.  275) 
Munineh.  —  883  (2,  237)  Eoinch.  —  889  (2,  272)  Hadcicich,  Hartwich.  — 


•)  St.  Ga.  U.  =  Urkuudeubuch  der  abtei  St.  Gallen,  her.  v.  "Wartmanu. 


AUSLAUTEND    G   IM   OBERDEUTSCHEN.  413 

Im  10.  jb.  -c  in  den  nrn.  719.  728.  761.  777.  795.  802.  SOi.  812.  -  -rj  in 
den  nrn.  738.   7i2.   744.  760.  763.  764.  770.  774.   776.  781.  782.  783.  786. 

799.  802.  803.  806.  807.  809.  810.  815.  817. ch:   900.  905  (2,321.  347) 

Pruninch.  —  909  (2, 358)  Älawich.  —  909  (2, 362)  Pussamvanch.  —  914 
(2,  375)  Amahmch.  —  926  (3,  7)  Armumch.  —  933  (3, 13)  Svedinispercli. 
—  969  (3, 27)  YrincJi.  Die  mehrheit  der  Schreiber  wechselt  im  scbreib- 
gebraucb  (z.  t.  wol  beeinflusst  durch  vorhigen),  andere  bevorzugen  eine  der 
Schreibweisen.  So  schreibt  besonders  Sigibert  gerne  ch  (no.  719.  732.  743. 
775).  —  Verbrüderungsbuch  (MG.  Libri  confrat.  1,  und  Mitteilungen  z. 
vaterl.  geschichte  von  St.  Gallen  19) :  die  älteste  band  von  ca.  810  hat  durch- 
weg c.  Schreibungen  mit  ch  im  vorderen  teil  gehören,  so  viel  ich  den  aus- 
gaben entnehmen  kann,  spalten  mit  wechselnden  jüngeren  bänden  an.  — 
Pfäffers:  Yerbrüderungsbuch  (MG.  Libr.  confr.  1):  bände  des  9.  jh.'s  wech- 
selnd c.  (j,  ch,  h.  —  Zürich:  924  (gleichzeitige  cop.  Zu.  U.^Jl,  79)  Eume- 
lanch.  —  931  (or.?  Zu.  U.  1,  86)  Edilinc,  Eunulhanc.  —  964  (or.?  Zu.  U.  1,  98) 
Thiepirc,  Haclihurc,  Opirc. —  Reich enau:  Verbrüderungsbücher  (MG. 
Libr.  confrat.  1):  die  Schreiber  «  (ca.  826),  }'  (ca.  830),  S  (950-960),  e  (ca. 
1080)  haben  sämmtlich  c  als  regel.  Die  Schreibung  zeigt  sich  z.  t.  beeinflusst 
durch  die  klöster,  aus  welchen  die  einzelnen  listen  übernommen  sind.  Bei 
a,  ß  und  6  nur  wenige  g.  y,  der  sonst  viel  unaleraaunisches  hat,  schreibt 
vorwiegend  g.  Auch  e  hat  eine  reihe  von  g.  ch  und  h  bei  y  in  liste  aus 
dem  Mon.  Bruxbruuno:  Wo nb urh  266,  oO,  Eggehurch  2.66,26,  Eamminhc 
266, 16,  bei  6  und  s  je  einige  wenige  ch,  bei  6:  Irinch  584,  28,  Steiunch 
587,20  (Hüteivih  571,4,  Akmih  571,26.  572,26),  bei  e:  Otpurch  618,19, 
WUepnrch  618,  24.  —  Neurologien  (MG.  Necrol.  1,  269)  hs.  9.  und  10.  jh.'s  -c 
und  g,  vereinzelt  -h.  —  Kempten:  Necrologien  des  10.  jh.'s  (Necrol.  1, 171) 
Imal  -c.  —  Strassburg:  910  (Strassb.  U.=^]  1,  30)  -A'rtJJfZint/c.  —  ca.  980 
(1,  88)  Aleuuich  (?),  Bliemmg,  Strazhurc. 

b)  Literarische  denkiuäler.  Im  8.  und  9.  jli.  ist  die 
Schreibung  c  die  regel,  g  bleibt  weit  dahinter  zurück,  ch,  h 
sind  ganz  vereinzelt.  Im  10.  jh.  nimmt  g,  entsprechend  den 
Verhältnissen  im  anlaut  und  inlaut  beträchtlich  zu,  in  einzelnen 
hss.  ist  g  schon  in  der  mehrheit. 

8.  und  9,  Jh.:  St.  Galler  Paternoster  und  Credo:  stehic  (2  mal), 
chunmftic,  emezzihic.  —  Vocabularius  St.  Galli  (s.  Henning,  QF.  3,  89) 
durchweg  -c,  z.  b.  pure,  imec,  cuninc,  auch  t<»«c  308,  nicht  mm«^.  —  Bene- 
dictinerregel  (s.  Seiler,  Beitr.  1,407)  und  Psalmenübersetzung  (Germ. 
2,  98)  stets  -c.  —  Murbacher  hymnen  (s.  Sievers,  Murb.  hymn.  s.  18)  16  -c, 
19  -A-;  daneben  1  -g  (ciming  24, 1, 1),  1  mal  h  (uniräih  21,  5, 1).  —  St.  Paul  er 
glossar  zu  Lucas  (Gl.  1,  728,  s.  auch  C.T.Stewart,  Sprache  des  St.  Pauler 
glossars,  diss.  101)  durchweg  c,  z.  b.  Jceaiic,  steic.  —  Rd  und  Ib  durclnveg 


1)  Zu.  U.  =  Urkundenbuch  der  Stadt  und  landschaft  Zürich. 

2)  Strassb.  U.  =  Urkunden  und  acten  zur  geschichte  der  stadt  Strass- 
burg. 1.  abt.  urkundenbuch. 


411  HOIINENBERGER 

-c,  z.  b.  f'inic,  pniic,  fluanc.  —  Rb  (s.  R.  E.  Ottiuami,  Gramm,  vou  Rb  s.  68) 
nach  vocal  durchweg  -c,  6  rc,  5  nc,  1  7c,  daneben  8  tig,  1  lg.  —  la:  regel 
-c  (z.  b.  zuakanc,  urhic,  zuac).  2  cJi  (ghiziuch  Gl.  1,337,47,  hulspuuch  Gl. 
1,  389,  7).  —  Ic  (einschlicsslicli  der  glo-ss.  zur  Bencdictinerregel)  durchweg  -c. 

—  Die  nicht  reiu  alem.  hs.  K  hat  nach  Kögel,  Keruu.  gl.  in  Ka  18  ^  und 
)iur  3  c,  in  Kb  in  der  regel  c,  3  g,  1  hc,  kizüihc  Gl.  1,147, 40.  —  Ebenso 
ist  von  den  Basler  recepten  abzusehen,  die  viel  unaleraaunisches  auf- 
weisen und  so  vorwiegend  g  schreiljon.  —  Weiugartner  glossen  A  (9. Jh., 
Stuttgart  jur.  109,  Diutisca  2,  40):  /«v»?jj/-«»c  Gl.  2,  89, 19.  —  Rheinauer 
glossen  (9.  Jh.):  atumziich  Gl.  2,  735,  35.  —  Beruer  glossen  (9.  Jh.):  ««- 
imillic  Gl.  2,  88,  5.  —  Züricher  glossen  (9.  Jh.):  feldgang  Gl.  2, 16,  5. 

10.  Jh.:  Samariterin:  tac  :  durstac. 

Glossen  a\is  St.  Galler  hs.  134.  136:  c,  z.  b.  hidnuanc,  snitelinc.  — 
St.  G  all  er  lis.  242:   meist  g,  z.  b.  heilag,  xvag,  herg,    c  in  ulmactic,  canc. 

—  St.  Galler  hs.  292:  meist  g,  z.  b.  düng,  zuig,  runthoug,  c  in  getunerc 
Gl.  2, 158,33.  —  St.  Galler  hs.  845:  ursprinc  Gl.  2,  61, 17,  ding  2,62,1.  — 
Rheinauer  glossen:  genuog  Gl.  2,237,17.  —  St.  Pauler  glossen  aus 
Augsburg  (Germ.  21  ff.,  vgl.  dazu  A.Jacob,  Die  glossen  des  Cod.  S.  Pauli 
D  82,  diss.  1897) :  meist  c,  mehrere  ch,  1  g  im  compositum  uigeffli  (belege 
bei  Jacob). 

Die  Verwendung  vereinzelter  ch,  h  erklärt  sich  aucli  für 
das  älteste  alem.  genügend  aus  dem  oben  s.  405  für  das  bair. 
namhaft  gemachten  Ursachen.  Zugleich  erliärten  die  ch,  h 
der  alem.  quellen  die  annähme,  dass  aus  dem  auftreten  dieser 
zeichen,  so  lange  sie  noch  vereinzelt  sind,  auch  im  bair.  nicht 
auf  affricatenaussprache  geschlossen  werden  darf.  Dann  kommt 
für  das  alem.  aber  noch  hinzu,  dass  durch  die  Verwendung 
A'on  c  neben  ch  für  affriciert  gesprochenes  germ.  Je  auch 
weiterhin  immer  anlass  gegeben  war.  nicht  wenige  ch  unter 
die  c  für  germ.  <j  einzumengen. 

Für  das  verhalten  des  11.  jh.'s  ergibt  sich  bei  der  geringeu 

zahl   der  quellen   kein   deutliches  bihl.     Bei  bevorzugung  des 

einen  oder  des  anderen  Zeichens  durch  einzelne  (luellen  scheinen 

sich  im  allgemeinen  c  (Je)  und  g  ungefähr  die  wage  zu  halten, 

ch  ist  selten. 

a)  Urkunden:  Schaff  hausen:  1082— 1092  (Q.Schw.g.»]  3,6,  sammel- 
urkuude!)  3  Ic,  4  c,  Niuinborch,  Nuemhurch.  —  1083.  1093.  1094  (3,9.  16. 
17.  18.  20.  21.  22)  von  demselben  schrciber:  10  .7,  3  c,  1  Ic.  —  1096  (3,27) 
3  Ic,  3  c.  —  Kecrologien  (MG.  Necr.1,547):  einige  c.  —  Strassburg:  nach 
1007  (Strassb.  U.  1,  44)  Hohcnbio-c.  —  1040  (1,  46)  Wolfgnnc.  —  1061  (1,  48) 

')  il  Schw.  g.  =  Quellen  zur  Schweizer  geschichte. 


AUSLAUTEND  G   IM  OBERDEUTSCHEN.  415 

Strazhurc,  Billunc.  —  Augsburg':  1070  (Massraaun,  Abscliwöruug-sforiüeln 
s.  189)  bnrch  (2  mal).  —  Füssen:  Necrol.  ende  11.  jh.'s  (Necr.  1,  79)  1  c,  1  eh. 

b)  Literarische  denkmäler:  St.Gall.  gl.  u.  b.  i:  dag. —  St.  Gall. 
Schularbeit:  mag  (2  mal),  tag.  —  Strassburger  blutsegen  (sehr 
schlecht  geschrieben):  herch.  —  Physiologus  (MSD.  82)  1—8:  c  und  g: 
dinc,  tag,  /;(«(/ (5  mal),  finc,  zivivaltic  (Bm.),  tae  {2  m.),  lanc;  9 — 12:  g: 
mag  (4  m.),  rierzeg  (2  m.),  chrisfan/g.  —  Augsburger  Prudentius- 
glossen  (Gl.  2, 478.  Kauffmann,  Schwab,  ma.  s.  239):  c.  —  Einsiedler 
glossen  in  hs.  312.  316:  g,  z.  b.  gmid/'g,  kezmg,  ranthoug,  nher  larchsamo. 

—  Karlsruher  gl.  aus  St.  Peter:  meist  g,  z.b.  balg,  ringiling;  Je  und  c 
in  timihanJc  (Gl.  1,  338,  43),  dune  (1,  475,  8),  h  in  einstridih  (2,  241,  6). 

Mit  dem  12.  jh.  tritt  ein  starker  wandel  ein:  literarische 
denkmäler  und  Urkunden  beginnen  in  der  beliandlung  des  g 
auseinander  zu  geben.  Erstere  haben,  abgesehen  von  dem 
auf  der  grenze  des  12.  gegen  das  11.  jh.  stehenden  Notker  und 
von  den  glossen,  ganz  vorwiegend  c,  daneben  wol  auch  einige  g, 
aber,  sofern  sie  nicht  dem  osten  angehören,  ganz  selten  eh. 
Unter  den  Urkunden  dagegen  sind  zwar  auch  nicht  wenige, 
die  c  als  regel  aufweisen,  es  kommen  aber  nun  sehr  viele  ch 
hinzu,  zwar  im  laufe  des  jh.'s  erst  zunehmend,  aber  doch  schon 
zu  beginn  desselben  verbanden,  und  am  stärksten  vertreten 
südlich  des  Bodensees  bis  Luzern  und  Basel,  aber  auch  ander- 
wärts in  beträchtlicher  zahl  auftretend.  Die  glossen  zeigen 
sehr  gemischtes  verfahren,  damit  beweisend,  auf  welch  un- 
sicheren boden  man  bei  diesem  wandernden  gut  tritt. 

a)  Literarische  denkmäler:  Notker:  g,  wie  auch  g  für  kk  und 
für  k  nach  n  im  auslaut,  nur  die  Psalmen  (St.  Galler  hs.)  haben  daneben 
mehrfach  c7i,  c,  k  (s.  E.  E.  Wardale,  Lautbestand  in  den  Ps.  N.'s,  diss.  §  99). 

—  Memento  mori:  g  vor  voc,  sonst  c:  mag  5,4.  9,6.  13,8.  15,8,  sag 
12,7,  tae  14,7,  tusine  14,8,  mae  :  tae  15,5,  cliunie  19,1.  —  Ezzos  ge- 
sang,  Strassb.  hs.  (Zs.  fda.  23,  210):  ewie  36.  —  Sequentia  de  S.Maria: 
c:  lac,  mae,  gnaedic.  —  Evangelien  üb  er  Setzung  (Germ.  14,  440):  durch- 
weg e,  z.b.  dinc,  chmüc,  sweie,  emvcc.  —  St.  Galle r  glaube  u.  b.  ii:  salic, 
chunftig,  tag.  —  St.  Gall  er  glaube  u.  b.  iii:  chunftich,  sdiiddich.  — 
Schwäbisches  trauformular  (aus  Augsburg,  unter  bair.  einfluss):  ch: 
scillinch,  phenmch,  genadich.  —  Schlierbacher  funde  (Zs.  fda.  42,  220  ff.) : 
c,  z.b.  ivec,  gesane.  —  Schaff  hauser  arzneibuch  (WSB.  42, 110,  viel 
unalem.):  c:  honec,  dinc,  gewic;  ch  in  givich;  g  in  saig.  —  Rheinauer 
frauengebet  (Zs.  fda.  32,  50) :  e  regel.  —  Colmarer  bruchstücke  (Zs. 
fda.  40, 305):  c  :  g  etwa  wie  3:1.  —  Alemannische  predigtbruch- 
stücke,  her.  von  Strauch  (Zs.  fdph.  30, 186) :  c  regel,  einige  g  (8.123);  her. 
von  Schiffmann  (Zs.fdph.  34, 129):   manic,  kunic,  tae.   —   Wackernagels 


41 G  UOIINENHEROER 

predigten:  1—17  (Züricher  lis.):  vorwiegeud  (j,  mehrfach  c,  ch;  12.  13 
(Züricher  hs.):  k,  c,  ch  häufiger  als  g;    76—90  (hs.  aus  Muri):   c  und  ch. 

—  "Weingartuer  reisesegeu:  funfzic.  —  Weiugartuer  glossen  B ') 
(12.  Jh.,  Stuttg.,  c.  herm.  26.  Graff.  Piutisca  2,  41  ff. ' :  in  der  nuhrheit  c/(,  z.b. 
suezudHch  i^audarium,  uzganch,  lospriitcJi,  hahbnch,  vgl.  auch  Kaufinianu, 
Schwab,  raa.  8.240;  einige  c  (so  ursprinc,  armhouc,  shtc).  —  Zwiefaltcr 
gl.  (12.  Jh.,  Stuttg..  c.  theol.  218,  fol.):  c,ch,g:  rinc  Gl.  1,342,  9,  umhihiuuj 
1,323,26,  chisilimj  1,415,17,  tiiuch  ],-Viö,t,  pahnvifi  1,526,7,  kisanch  Gl. 
1,496,31.  —  StuttgarterPrudeutiusglossen  (Gl.  2,  489ft".):  c  und  g: 
snüelinc  (fraglich),  uurmazig,  urspring,  herc.  —  Schlettstadter  gloss. 
(12.  Jh.,  Zs.  fda.  5, 318) :  g,  Je,  c,  ch,  und  zwar  g  im  allgemeinen  und  ins- 
besondere in  den  abschnitten  6.  8  vorwiegend,  k  und  o  vorwiegend  in  39. 
40,  eh  vereinzelt:  engerinch  Gl. 2,687, 1,  Miescburch'i,Qil,\S. 

b)  Urkunden.  Mit  rücksicht  auf  das  eigenartige  verhalten  sind 
die  belege  hier  ausführlicher  gegeben.  Bischof  von  Consta nz:  1155  (Zu.  U. 
1,186)  lioggersherc,  Hardiherc.  —  1161  (Wü.  U.  2]  2, 137)  Eanensburch.  — 
1162  (St.  Gall.  U.  3,  44.  45)  Rafeiisburch,  WilUberch,  Huc,  Gnionenberh,  Hon- 
btirh.  —  1172  (W.U. 2, 170)  Oiholfesicanc,  Hohenganc.  —  1175  (Thurg.  U.»] 

2,  51)  Sconcnbcrg,  Hohenburg.  —  1176  (Thurg.  U.  2,  52)  Bernanch,  Hohen- 
bitrg,Tocheinbi(rg,  Busenanc,  Glateburg,  Bammiswag.  —  ca.  1180  (Thurg  U. 
2,57)  Sconemberg,  Gnceneberch.  —  1180  (Zu.  U.  1,  213)  (^hdburg,  Limperg, 
Sncccemburg,  Bussenanch,  Bosseberg,  Wizenanch,  IJehcnbcrg.  —  1186  (Zu.  U. 

1.219)  Bcginsperch.  —  1187  (Zu.  U.  1,222)  Gotinburc,  Groninbcrg.  —  1189 
(c.  Sal.  •]  1,  64)  Mersburc,  Walpurc.  —  1189  (Wü.U.2,266)  Snetscmc,  Gun- 
(liluuanc.  —  S  t.  G  al  1  e  n :  1135  (St.  Ga.  U.  3,  39)  Ludeivich.  —  1170  (St.  Ga.  U. 

3,  47)  Innburc,  Ilciluihc,  Heilwich.  —  1188  (or.?  St.Ga.  U.  3,49)  Blasinberch. 

—  Toggenburger:  ca.  1195  (Zu.  U.  1,235)  Togginburch.  —  Habs- 
burger: 1198  (Wü. U.  2, 324.  325.  326)  Habespurch  (oft).  —  Zürich: 
1127  (Zu.  U.  1,160)  Huc.  —  1142  (Zu.  U.  1, 172)  Lüdcwich,  GenmcJi.  — 
1153  (Zu.  U.  1, 184)  Habespurch,  Botunhnrch,  Bumelanch.  —  1153  (Zu.  U. 
1, 185)  Habespurc.  —  1167  (Zu.  U.  1, 200)  Lenzeburch.  —  1169  (Zu.  U.  1,  202) 
Lenzeburc,  Bosseberc  (auch  Ottonbacl).  —  1177  (Zu.  U.  1, 207)  Chussach- 
berch,  Begensberch.   —   llSb  (Zu.  V.  1,216).  Begensperch.   —   1187  (Zu.  U. 

1.220)  Begcnsperch,  Wartcnberch.  —  Luzeru:  1182  (Gfr.^J  19, 249)  IT«- 
bihesbnrch,  Botenbiirch.  —  1199  (Gfr.  8, 250)  Wisobcrch,  Uabisburc.  — 
Einsiedeln:  1130  (Zu.  U.  1, 164)  Beginsberch  (oft),  Wizenanch.  —  Engel- 
berg: Urbar,  hs.  ausgang  des  12.jh.'s  (Gfr.  17,  245)  regel  ch,  mehrmals  c: 
Muolirsivanch.  W(dtirsperch,  M'/soberch,  Oiitrinch,  Wilberc,  Wellinberch, 
Hudewic.  —  Ivl.  Frienisbcrg  (bei  Bern):  meist  c  (so  1131.  1146.  1180. 


1)  Zu  diesen  und  den  folgenden  glossen  vgl.  Kauffmanu,  Schwab,  ma. 
s.  239  ff. 

^)  Wü.  U.  =  Wirtembergisches  urknndcnljuch. 
ä)  Thurg.  U.  =  Thurgauisches  urkuudenbuch. 
*)  c.  Sal.  =  Codes  diplomaticus  Salemitauus. 
^)  Gfr.  =  Geschichtsfreund. 


f 


AUSLAUTEND    G  IM   OBEEDEUTSCHEN.  417 

1182.  1187  F.r.Bern.i]  1,403.  420.  452.  468.  482).  —  Basel:  c  kanu  als 
vorwiegend  gelten.  Es  wird  geschrieben :  1103  (Ba.  U.  *]  1, 10)  Fehpitrc, 
Biinachperh,  Roreinirc,  Thietpurc.  —  1135  (Ba.  U.  1, 19)  Hohenherc.  — 
1157  (Tronin. s]  1.215)  Sulsperc,  Husenberc,  Siiarcenherc.  —  1161  (Tronill. 
1,  228)  Nanhmich,  Susinch,  Thalisperc.  —  1170  (Ba.  U.  1,  30)  Honberg.  — 
1174  (Tronin.  1,  233)  Honherg.  —  1184  (Ba.  U.  1,  39)  Frohurch,  Honherch, 
ÖsMerch.  —  1186.1187  (TrouiU.  1, 264.  265)  Talesperc,  Husemherc.  — 
1189  (Boos  B. "]  29)  Shoivenherch,  Frohurg.  —  Schaff  hausen:  ca.  1100 
(Zu.  U.  1, 136)  Niimenhurck  (fehler  für  -Imrcli),  Wolfganch.  —  1100.  1102 
(Q.  Schw.  g.  3, 34.  35.  39)  Nellenbtirc,  Nelhnburch,  Wetelsberch,  Tockin- 
hiirch,  Haperch.  —  1101  (Q.  Schw.  g.  3,  36.  37)  Wihtelperc.  —  1102—1106 
(Q.  Schw.  g.  3,  38)  NelUnburch.  —  1102.  6.  8.  11  (Q.  Schw.  g.  3,  40.  41.  46. 
47)  Nellenburk,  Witilsperc,  Wüilsperk,  Morisberk.  —  1112  (Q.  Schw.  g.  3,  51) 
Iladeivich,  Chbiburk,  Bomilang,  Geruncli.  —  1122  (Q.  Schw.  g.  3,  59)  Hü- 
bilberc,  Barenespurc.  —  1124  (Q.  Schw.  g.  3, 63)  Witihperg.  —  Güter- 
beschrieb :  ca.  1150  (Q.  Schw.  g.  3, 125)  Chin'rberch,  Valchinberk,  Nantividi, 
Nescihoanc,  Willibirk,  Sepmcmk,  WoJfganc,  AffiUranc,  Wüilsjjerc,  Witils- 
perk.  —  Kloster  Rheinan:  1120  (Zu.  U.  1, 140)  Wizinbxirc.  —  1187 
(Zu.  U.  1,223)  Gotinburc.  —  Necrol.  12.  jh.'s  (MG.  Necrolog.  1,  456) :  c  regel, 
mehrere  eh.  —  Kloster  Eeichenau:  1189  (c.  Sal.  1,60)  Bamisberc, 
Huneberc,  Dirhaigmig,  Dampberc,  W(dpurcli  (2  mal),  Dorfisberc.  —  Herzog 
von  Schwaben  für  kloster  Salem:  1185  (c.  Sal.  1, 57)  Chilcliperc, 
Eümesperc,  Chiburch,  Hohenberc,  Otolfestvanc. 

Elsass:  Kl.  Maiirmünster-Sindelsbach:  1120  (Schöpft. •■^J 1,  247) 
Sindelesberc,  Huneburc. —  Kl.  Murbach:  1135  (or.?  Schöpft.  1,  260)  Eicli- 
berg,  Geishusenveg,  Eothenburc,  Boienburc,  Bilhmch,  Huc.  —  1196  (Schöpft. 
1,358)  Horburch,  Habesburcli.  —  Kl.  Neu  weil  er:  1157.  58.  68  (Schöpft. 
1,296.  298.  308)  Dagesburc,  Huneburc,  Windeberc.  —  Bischof  von  St  ras  s- 
burg:  1109  (Strassb.  U.  1,  55)  Hadewich,  Btllunc.  —  1118.  32.  59  (58.  63. 
90)  Hug  (oft).  —  1144  (77)  ChrecMberch.  —  1145  (79)  Hüg,  Niwenburg. 
—  1147  (81)  SindelesbercJi,  Bitanbnrch.  —  1148  (82)  Sindelesberch.  —  1160 
(91)  Dagesbiirk,  Lobedcnbitrk.  —  1182.  85  (98.  101)  Offenburc,  Stvarzen- 
berc,  Huneburc.  —  ca.  1189  (103)  Vriburg,  Fphenberch.  —  1191.  93.  99 
(106.  109.  112)  Friburc,  Erenberg,  Uffenberc. 

Baden:  St.Blasien:  Necrol.l2.jh.'s  (Necrol.  1, 323)  c  regel,  einige  eh. 

Württemberg:  Hofen-Buchhorn  (Friedrichshafen):  Necrolog. 
12.  jh.'s  (MG.  Necrol.  1, 173)  c  und  ch  gemischt.  —  Ochsenhausen  (bei 
Biberach) :  cop.  des  12.  jh.'s  zu  or.  von  1127.  28.  29  (Wü.  U.  1,  375.  377.  380) 
Kiriperc,  Hatinpurch,  Hatenpurc,  Bochenbure,  Hcdesburc,  Kilhere,  Kirich- 


1)  F.  r.  Bern.  =  Fontes  rerum  Bernensium. 

2)  Ba.  U.  =  Urkundenbuch  der  Stadt  Basel. 

ä)  Tronin.  =  J.  Trouinat,  Monuments  de  l'histoire  de  l'aucieu  eveche 
de  Bäle. 

*)  BoosB.  =  H.  Boos,  Urkundenbuch  der  landschaft  Basel. 
^)  Schöpft.  =  Schöpflin,  Alsatia  diplomatica. 


418  BOHNENBERGER 

perch,  Irempurch,  Kiricperch,  liogcnhurc.  —  Z  wiefalten:  Necrolog. 
12. .ih.'s(Necrol.  1,240)  c  regel.  betriiclitlkh  viele  r/<.  —  l'lm:  1183  (Wü.U. 
2, 23i)  llohinberc.  —  Pfiiizgrafeu  von  T  ü  b  i  u  g  e  n :  1 171  (Wü.  U.  2, 166) 
Nidnhtirch.   —   1181  für  Her  renal  b    (Wü.  U.  2, 210)    Ascisberc,  Chilberc. 

—  1188  (Wü.U.2,255)  Hohenherc.  —  1191  (Wü.U.2,272)  A>iperk,  Hohen- 
herc,  Isenhxrl-.  —  Alpirsbach- Rot  t weil :  cingaug  12.  jh.'s  (Wü.TJ. 
1,316)  Honl>}(rc,  loclcinhurc,  Urshrinc,  Stccchcndoihcrc.  —  Reichen- 
bacher Scheuknngsbuch  (Wü.  U.  2):  im  grundstock  durchweg  c,  von  den 
jüngeren  bänden  neben  regelmässigem  c  einige  eh.  —  Ellwangen:  cop. 
12.j]i.'s  zu  or.  von  1147  (Wü.  T.  2,  41)  Swabesberch,  Billuncfj.  —  Necrolog. 
12.  jh.'s  (Necrol.  1,  75):  c  und  g. 

Augsburg:  1121  (JIB.  >]  33, 16)  Rudinc.  —  1143  (Wü.U.2,28) 
Wichenherc,  Hiienhurc,  Immenbitrc,  Erchenbrehtesberc,  Bahemcnnc.  — 
1145  (MB.  33,26)  Wihenberch.  —  1150  (MB.  33,  34)  Habechisbnrc.  —  1153 
(MB.  33, 37>  Horeburg,  Hartivic.  Hochherch.  —  1162  (MB  33,  42)  Gimze- 
burch,  Helbelinch.  —  1173  (MB.  33,  44)  Gcrunc,  Tonresberc. 

Herzog  von  Schwaben:  1185  (Wü.  U.  2, 242)  Bomesberc,  Chirc- 
berc,  Botenberc,  Bauenesbureh,  MvuleUmrch.  —  1192  (Wü.  U.  2,276)  Bomis- 
pei-ch,  Kirperch. 

Im  13.  jh.  setzt  sich  zunächst  der  stand  des  12.  noch 
fort.  Die  Urkunden  zeigen  eine  starke  einmiscliung-  von  ch, 
in  den  literarischen  denkmälern  ist  c  im  allgemeinen  die 
regel.  Doch  beginnt  der  abstand  sich  zu  mildern,  indem 
in  manchen  der  letzteren  nun  auch  ch  auftritt.  Später  be- 
ginnt die  inlautsform,  g,  in  den  auslaut  zu  rücken,  in  den 
verschiedenen  kanzleien  in  beträchtlichem  abstand,  im  all- 
gemeinen mit  der  mitte  des  Jahrhunderts. 

a)  Literarische  denkmäler:  Albertus,  St. Ulrich  nach  Schrael- 
lers  ausgäbe:  c  regel,  mehrfach  ch,  vereinzelt  clc,  Je,  g  (851.  1497.  1498. 
481).  —  E  n  g  e  1  b  e  r g  e  r  B  e  n  e  d  i  c  t  i  u  e  r  r  e  g  e  1  (Gfr.  39) :  g  regel,  selten  ch. 

—  Predigten  des  Hugo  v.  Con stanz  (hs.  aus  St.  Georgen,  Zs.  fdph. 
9,  29) :  ch  regel,  einige  c.  —  S  c  h  1  e  1 1  s  t  a  d  t  e  r  p  r  e  d  i  g  t  e  n  ^Zs.  fda.  5, 324) : 
g  regel,  mehrfach  c  in  -ic.  —  ZwiefalterBenedictinerregel  (Stutt- 
gart, c.  theol.  4°  230) :  Je  und  g  gemischt,  selten  ch  (mehrfach  c  für  mhd.  ch). 

—  B 1  a  n  b  e  u  r  e  r  p  r  e  d  i  g  t  e  n  (Stuttgart,  ascet.  129) :  ch  neben  c  (mancherlei 
unalemannisches).  —  Reutlinger  Franciscanerregel  (Germ.  18, 186) : 
viele  -?7i,  -ic,  sonst  g  durchgeführt. —  Barlaam  und  Josaphat  (Zürich, 
hs.,  Zs.  fda.  1, 126) :  c  regel,  einige  g.  —  Der  seele  Spiegel  (stücke  in 
Monc's  A nzeiger  8,  368) :  durchweg  c.  —  G  r  i  e  s  h  a  b  e  r  s  predigten  (vgl. 
auch  Leitzmann,  Beitr.  14,  473) :  ch  regel,  einige  c,  g,  cJc;  schwäbische  band 
fol.  73  a  —  77  a :    c  regel  im  alten  auslaut,   g  im  neuen    .^sag  s.  84,   am  tveg 


')  MB.  =  Monumenta  Boica.     Bei   siimmtlichen  aus  MB.  33  entnom- 
menen Urkunden  lilcibt  fraglich,  ob  sie  wirklicli  original  sind. 


AUSLAUTEND    G   IM    OBERDEUTSCHEN.  419 

S.86  it.s.w.),  vereinzelt  ch  (dach  s.S6).  —  Prediger  von  St.  Georgen 
um  1300  i^Karlsr.  c.  germ.  36) :  a)  in  Wackernagels  predigten  s.  522  If. :  ch 
regel,  ganz  wenige  e,  g]  —  b)  in  Mones  Anzeiger  4,  366 :  c,  Ic  zusammen 
häufiger  als  ch. 

b)  Urkunden:  Bischof  von  Konstanz:  zunächst  c,  aber  schon 
1219.  1227  ch  (Zu.  U.  1, 282.  319).  In  den  beiden  letzten  Jahrzehnten  ch 
vorwiegend,  g  von  der  mitte  des  jh.'s  an  auftretend  aber  bis  zum  ende 
desselben  in  geringer  zahl.  So  in  deutschen  Urkunden  1285  (Konr.  Bej^erle, 
Grundverhält,  i.  mal.  Konstanz  2, 102)  ausschliesslich  ch.  —  1294  (Beyerle, 
2, 115)  Sug,  scMllinch,  ledich,  krieg,  Huc,  Klingenberc,  nunzich.  —  1295 
(Beyerle  2, 100)  niwendic,  dinc,  schuldic,  tag,  Jedic,  ewec.  —  1297  (Beyerle 
2, 107)  Bavens2>urch,  äm'ch,  vierdunch,  nunzich. 

St.  Gallen:  im  13.  jh.  bis  etwa  1265:  c  regel,  einzelne  .(/,  mehrere  cA 
(so  St.  Ga.  U.  3, 113.  126.  151  und  Zu.  U.  3, 102.  192).  Von  1265  an  nimmt 
g  zu,  von  1275  auch  wider  ch,  so  dass  nun  c.  g,  ch  einander  ziemlich  gleich 
kommen;  ch  erscheint  auch  in  deutschen  Urkunden,  so  1275  (St.  Ga.U.  3, 198), 
1277  (3,  207),  1294  (3, 279).  —  In  einzelnen  namen  [Kihurg,  Toggenhurg) 
wird  besonders  gerne  ch  geschrieben.  Von  1296  an  herscht  g  vor.  Im 
14.  jh.  treten  nur  noch  wenige  k,  c,  ch  auf,  am  häufigsten  in  -eJc,  -ik.  — 
Winterthur:  1297  Stadtrecht  (E.  Th.  Gaupp,  Stadtrechte  1, 138) :  g  regel 
(wirdig,  invung,  sechzig,  künig). 

Zürich  und  Umgebung:  in  den  lat.  Urkunden  aus  der  ersten  hälfte 
des  jh.'s  ch  und  c{k)  gemischt,  einige  g.  Die  deutschen  Urkunden  des  ZU.  U. 
von  1250  an  haben  von  anfang  an  vorhersehend  g  (so  1251.  1252.  1254. 
1255.  1257.  1263.  Zu.  U.  2,  268.  282.  307.  353 ;  3,  23.  78.  292),  daneben  noch 
ch  und  c,  von  1280  an  sehr  zurückgehend,  aber  von  1265  bis  1272  besonders 
viele  ch;  so  1265  Zu.  ü.  4,  9  mach,  sechzich,  4,14  vierdunk,  zmnzich,  sech- 
zech, Wunnenherg,  BuvielanJc.  —  1272  Zu.  U.  4,  200  Eestilsberch,  4,  200 
drizich,  zrenzech.  rierdunch,  sibenzicJi,  tach,  ähnlich  4,  28,  auch  noch  1284 
Zu.  U.  4, 227.  —  g  schon  in  der  deutschen  Urkunde  aus  Eüti  (k.  Zürich) 
von  1238  (Zu.  U.  2, 16) :  Toggenhurg,  rechtling,  achtzig,  tag,  pfenning,  cin- 
helhmg,  Schilling,  tiiseng,  drizig.  —  Kiburg  und  Habsburg  zeigen  im 
13.  jh.  frühe  besondere  Vorliebe  für  ch,  insbesondere  in  der  Schreibung  ihrer 
eigenen  namen,  in  lat.  Urkunden  schon  von  1230  an  (so  1228.  1230.  1232. 
Zu.  U.  1,326.  333.  337  [hier  neben  c  in  anderen  namen].  343.  352  u.s.w.). 
Daneben  immer  noch  c,  k.  Vorwiegendes  c  neben  einigen  g  und  ch  noch 
in  den  deutschen  Urkunden  von  1238.  1240.  1241  ^F.  r.  Bern.  2, 182.  Kopps 
Urk.  2,  81.  Kopp,  Gesch.-bl.  a.  d.  Schweiz  1,  54).  Nachher  auch  in  deutschen 
Urkunden  ch,  so  1271  (Hahsburch.  Kiburch,  Werdenherch,  Lofenberch, 
tusench,  sibenzech  neben  mehreren  g.  Zu.  U.  3, 168). 

Luzern  und  Umgebung:  die  wenigen  vorliegenden  Urkunden  aus  der 
ersten  hälfte  des  13.  jh.'s  haben  ch,  c,  g.  Zu  ende  des  jh.'s  haben  die 
deutschen  Urkunden  aus  Luzern,  Zug,  Schwyz,  Uri  ganz  vorwiegend 
g,  einzelne  c  und  ch  bleiben  aber  bis  in  den  anfang  des  14.  jh.'s.  ch  z.  b. 
mehrfach  in  deutschen  Urkunden  ans  Kl.  Neuenkirch  (bei  Luzern)  von 
1282  (dinch,  samnunch,  Habspurch,  tusinch  Gfr.  5, 159),  aus  Eschenbach 


420  B0HNEN13ERGER 

von  1294  (Ilicrch,  nunzich,  fmifcich,  scltuld/cli  Gfr.  7, 1G7.  9.49),  aus  kl. 
Frauental  (bei  Zug)  von  1284  (rierdundi  Gfr. ;{,  140),  aus  kl.  Eugel- 
berg  von  126G  (Gfr.  51,  91)  und  noch  aus  Altdorf  von  1332  einzelnes  ch 
{chriech  Gfr. 25,  318).  Dagegen  schon  g  durchweg  in  einer  Luzern  er  (?) 
Urkunde  von  1252  (ßhig,  mag,  hurg  u.s.  w.  Gfr.  1, 180). 

Bern  und  Umgebung:  in  l.it.  Urkunden  des  13.  jh.'s  c  und  ch  ge- 
mischt, z.  t.  periodisch  das  eine  zeichen  vorhei-schend.  So  ch  noch  in  Ur- 
kunden von  1282.  1285.  1292  (F.  r.  Bern.  3,  314.  385.  393.  536).  In  deutschen 
Urkunden  schon  1251  (J.  E.  Kopps,  Urk.  z.  gesch.  d.  eidgen.  Bünde  1, 1)  g 
(chricg).  —  Wie  Bern  scheint  auch  das  Oberland  zu  verfahren  (Interlaken 
1231.  1234  ch.  —  Bolligen  1257  c.  —  Interlaken,  deutsch,  1281,  1282  g. 
F.r.B.  2,113.  143.  449;  3,299.  338).  Für  das  Wallis  habe  ich  ch  in 
copien  von  Urkunden  des  13.  jh.'s  gefunden  {Kramhurch,  Fritach  zu  1232. 
1252  Mem.  et  doc.  p.  p.  la  soc.  d"hist.  de  la  Suisse  rom.  29,  298.  478). 

Aar  au:  1270  (Boss,  Aar.  urk.  2.  3)  Lenzhurc,  Lenzlnirk  je  2  mal;  1292 
deutsch  (15)  manig,  Wilburg. 

Basel:  bis  über  die  mitte  des  13.  jh.'s  c  (mit  A)  die  regel,  wenige  ch 
(letzteres  z.b.  1230.  1232.  1241  Chihnrch,  Nincenhurch,  SchefiUinc  Ba.  U. 
1,  82.  86.  107).  Nach  1260  ch  häufiger.  Auch  in  den  deutscheu  Urkunden 
von  12G0  an  zuuächst  noch  ziemlich  ebenso  viele  ch,  c,  1c  als  g  (z.  b.  1261 
Ba.  U.  1,  297  hurch,  -ic,  ding,  -ich.  —  1264  Ba.  V.  1,  315  schillinh;  -ine,  dinl; 
-IC,  mac,  -ik;  noch  1278  (2,139)  -ich,  cmiihicnch,  tach, -ich.  —  1282  (2,211) 
lluch,  i^fenninch,  tach.  —  1285  (2, 289)  pfenninch,  geziuch,  -ich) ;  von  1280 
an  nimmt  g  stark  zu.  Dienstmannenbuch  des  bischofs  v.  B.  (her.  v.  Wacker- 
uagel:  ch,  g,  c  gemischt,  einigermassen  gruppenweise. 

Elsass:  Mühlhausen  (Cartulaire  de  Mulhouse>  xiud  Murbach 
(Gfr.  1) :  deut.sche  Urkunden  zu  endo  des  13.  jh.".s  schreiben  im  allgemeinen 
g,  nur  vereinzelt  c,  k.  —  Strassburg  ixnd  Umgebung :  im  13.  jh.  bis  1260 
c  regel,  g  und  ch  nur  vereinzelt.  In  den  ältesten  deutschen  Urkunden  1261. 
1262  noch  sehr  viele  c  (126L  Strazhurc,  gnnc,  tac,  Wizenburc,  nnschiddic, 
rlizic,  diitc,  criec,  lanc  u.s.w.  Strassb.  U.  1,355.  364.  367.  373).  Nachher 
nimmt  c  rasch  ab,  g  wird  ausschliesslich  herschend.  Stadtrecht  (E.  Th. 
Gaupp,  Stadtrechte  1, 82)  sumic,  mac,  slac,  Schilling  (pl.),  dink,  uzwendic, 
besserung,  also  c  regel,  kein  ch.  —  Eappoltst ein:  1283  (Rappoltsteiner 
ÜB.  1, 121)  gezitig,  gegcnwertig,  ding,  ahzig. 

Baden:  Freiburg  i.  Br.  und  Umgebung:  in  der  ersten  hälfte  des 
13.  jh.'s  c  und  ch  die  regel,  beide  ungefähr  gleich  häufig,  einige  g.  Von 
der  mitte  des  jh.'s  an  mit  dem  auftreten  deutscher  Urkunden  g  rasch  vor- 
wiegend, etwa  bis  1270  daneben  noch  viele  -ic,  -ik,  biirc,  biirch.  Deutsche 
Urkunde  von  1258  ch  nur  noch  in  uamen  auf  berch,  biirch  (ZORh. 'J  9,  342: 
Vriburch  [mehrf.],  Uubspurch,  l  sinberch  [mehrf.j,  künftig,  krieg,  Limpcrch, 
Liudewig,  fiunfzig).  —  Stadtrecht  (ende  des  13.  jh.'s,  Schreiber,  ÜB.  1,74): 
g  regel.  —  Fürstenberg  und  Umgebung:  von  1280  an  viele  g  in  deutschen 


*)  ZORh.  =  Zeitschrift  für  geschichte  des  Oberrheins. 


AUSLAUTEND    G   IM    OBERDEUTSCHEN.  421 

Urkunden  (so  1280.  1284  Fü.U.i]  1,268.  286),  aber  dazwischen  auch  noch  1284 
(Fü.  ü.  1,  289)  viele  eh. 

Württemberg-  und  Hohenzollern:  zu  aufang  des  IS.jh.'s  c  regel, 
z.  b.  kloster  Adelberg:  1206.  1236  (Wü.U.  2,351.  352.  366)  Adelberc, 
Brahenanc,  Bragetcanc.  —  Esslingen:  1232  (Ul.  ü.'']  1,  52)  Wal2mrc.  — 
Wendungen  (bei  Kirchheim  u.  T.) :  1237  (Wü.  U.  3,  396.  397)  Aichel- 
berc,  OtoJswanc,  Ayclielberc,  Otolvesiuanc.  —  Bebenhausen:  1226  (Wü.U. 
3,184)  Tinzemherc.  —  Z  wiefalten:  1237  (Wü.  U.  3,  389)  Sehurc.  —  In 
Esslingen  bleibt  c  die  regel  bis  um  1275,  auch  nach  1275  tritt  ch  zu- 
nächst noch  spärlich  auf,  etwas  häufiger  nach  1295.  Daneben  beginnt  g 
von  1280  au,  bis  zu  ende  des  jh.'s  selten  bleibend.  Belege  in  Wü.  U.  4,  451. 
5, 188.  6, 140.  364.  7,  34  und  dann  Wü.  GQ.»)  4.  Unter  den  deutschen  Ur- 
kunden noch  1293  (Wü.  GQ.  4, 100)  InsenburcJi,  mach,  Ludetvic,  schuldic, 
kriec,  geiocütic,  schülinc,  ledic,  micendic,  tag,  niunzic.  —  1297  (Wü.  GQ. 
4, 130)  sechzech,  tac,  ledich,  geziich.  —  1299  (Wü.  GQ.  4, 136)  uzzog,  niunzig. 
—  In  Ulm  er  Urkunden  von  1275  an  mehrfach  ch,  kurz  darauf  auch  g, 
aber  daneben  c,  h  bis  ende  des  jh.'s.  In  deutschen  Urkunden  z.  b.  1270 
(Ul.  U.  1, 182.  133)  Angespurc,  shnldil-,  vierzel;  gezinlc,  Gerwik,  genoJc,  vier- 
dtink.  —  1296.  1297.  1298  (Ul.  U.  1,  227.  245.  247.  251)  zivaincich,  criech, 
Lndeivich;  zivaenzeg,  nünzeg;  Gerivic,  Gussenberc,  cüftic,  tac;  ledic,  criec, 
gitiuch,  nnmzich.  —  Zollern  und  pfalzgrafen  von  Tübingen:  bis 
1275  c,  z.b.  iu  MZo.*)  1,40.  1,71;  L.  Schmid,  Pfalzgrafen  v.  T.  4.  10.  11. 
17.  18.  32.  34;  —  ch  1247.  1268.  1276  (Schmid  15.  28.  35)  Ktlperch,  Eerrin- 
perch]  Herrenberch ;  Nippenbtirch,  Herrenberch.  —  Ammern  (bei  Tübingen, 
Wü.U.  8,  376):  1283  in  deutscher  Urkunde  mec7t(4mal),  krieg,  crieg,  sank, 
sanch,  geziuch.  —  Als  beispiel  für  Ober  Schwaben:  Seh  ussenried:  1282 
(Wü.  U.  8,  321)  samemmg,  criek,  Wartenberch,  kriech,  tach,  Aichilberch,  Otels- 
icank,  Bninsperch,  ahzig. 

Augsburg:  im  13.jh.  c  (ä;)  und  c7t  gemischt,  ch  regelmässig  im  stadt- 
namen  {Auspurch),  auch  sonst  gerne  in  bürg,  berg,  abgesehen  von  diesen 
namen  aber  c  in  der  mehrheit.  g  macht  sich  erst  von  1290  an  bemerklich 
und  herscht  ausgesprochenermassen  vor  erst  etwa  von  1310  an.  —  Von  1290 
an  kommen  zahlreiche  ck  hinzu.  —  Auspurch  herscht  bis  1340  und  ist  auch 
im  nächsten  Jahrzehnt  noch  häufig.  —  Augsburger  stadtbuch  (her.  v. 
Chr.  Meyer) :  c,  k  regel,  anfangs  auch  sehr  viele  ch  daneben,  nachher  (von  s.79 
an)  nur  selten.  Einige  g,  besonders  mag,  geziug;  s.  auch  Friedr.  Scholz, 
Gesch.  d.  d.  Schriftsprache  in  Augsburg,  Acta  Germ.  5,  2,  s.  485. 

Schwabenspiegel  (hs.  von  1287,  Lassbergs  ausg.):  c  regel,  im 
allgemeinen  ganz  wenige  g,  ch,  nur  s.  75 — 198  g  die  regel. 


1)  Fü.  U.  —  Fürstenbergisches  urkundenbuch. 
^)  Ul.  U.  =  Ulmisches  urkundenbuch. 
ä)  AVü.  GQ.  =  Württembergische  geschichtsquellen. 
*)  MZo.  =  Monumenta  Zollerana. 

Beiträge  ziir  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXI.  28 


422  BOllNENRERGER 

Ueberblickt  Dian  den  ganzen  verlauf  der  Schreibung 
vom  beginn  der  quellen  bis  zur  Verdrängung  der  auslautsform, 
so  ergeben  sich  im  allgemeinen  recht  klare  Verhältnisse, 
Nur  das  ch  der  Urkunden  macht  Schwierigkeit,  dieses  freilich 
auch  recht  beträchtliche.  Führen  die  reste  der  auslautsbehand- 
lung  in  der  heutigen  mundart  auf  ehemalige  ausspräche  als 
explosiva  fortis  zurück,  so  entspricht  dem  völlig  die  vor- 
hersehende Schreibung  mit  c,  l:  Von  der  inlautsbehand- 
lung  ist  der  auslaut  mit  seinem  c,  k  gegen  dort  vorhersehen- 
des g  schon  zu  beginn  der  quellen  unterschieden.  Die  im 
11.  jh.  in  grösserer  zahl  auftretenden  auslautsschreibungen 
mit  ^  erklären  sich  wie  im  bair.  bei  gleich  bleibender  fortis- 
aussprache  ohne  Schwierigkeit  als  anschluss  an  den  Wechsel 
in  der  Orthographie  des  anlauts,  wo  man  die  c,  k  abgehen 
Hess.  Auch  die  w^enigen  ch  älterer  zeit  lassen  sich,  wie  schon 
s.  414  gesagt,  leicht  zurechtlegen. 

Alle  diese  Ursachen  reichen  dagegen  zur  erklärung  der 
vom  12.  jh.  an  zahlreich  auftretenden  ch  nicht  aus.  Hier 
liegt  das  charakteristische  in  der  ein  sehr  änkung  dieser 
Schreibung  auf  die  Urkunden.  Es  lässt  sich  in  keiner 
weise  wahrscheinlich  machen,  dass  diese  genannten  anlasse, 
soweit  sie  vom  12.  jh.  an  überhaupt  noch  in  betracht  kommen, 
für  die  Schreiber  der  Urkunden  in  so  beträchtlich  höherem 
masse  gegolten  haben  sollten,  als  für  die  Schreiber  der  lite- 
rarischen denkmäler.  Auch  keinerlei  sonstige  dem  alem.  zu 
entnehmende  erklärungsgründe  scheinen  mir  auszureichen.  So 
bleibt  m.  e.  nur  die  herleitung  aus  fremdem  einfluss.  In 
betracht  kommt  da  nach  dem  verfahren  der  nachbargebiete 
allein  der  b airische.  Freilich  sind  bis  jetzt  weder  sonstige 
spuren  desselben  in  der  Orthographie  beobachtet,  noch  durch 
die  allgemeinen  Verhältnisse  der  kanzleien  jener  zeit  wahr- 
scheinlich gemacht.  Da  aber  die  frage  überhaupt  noch  nicht 
aufgeworfen  wurde,  so  kann  sie  bisher  auch  nicht  als  ver- 
neinend entschieden  angesehen  werden.  Zu  gunsten  der  er- 
klärung aus  bair.  einfluss  lässt  sich  jedenfalls  der  zeitliche 
anschluss  an  den  beginn  fast  ausschliesslicher  herschaft  des  ch 
im  bair.  anführen.  Von  dieser  einzeluntersuchuug  aus  ergibt 
sich  nur  ein  problem,  keine  entscheidung.  Eine  änderung  in 
der  bestimmung  des   lautwerts  kann  gegenüber  den  übrigen 


i 


AUSLAUTEND  G   IM  OBERDEUTSCHEN.  423 

factoren  durch  diese  einseitige  Schreibung  der  Urkunden  niclit 
veranlasst  werden.  Die  in  massiger  zahl  später  auch  in  lite- 
rarische denkmäler  eindringenden  cli  lassen  sich  vollauf  als 
Weiterwirkung  der  Urkundenschreibung  erklären. 

Mit  den  reimen  erheben  sich  neue  Schwierigkeiten. 
Die  für  rein  angesehenen  bindungen  mit  lih,  nk,  Ik,  rJc  ergeben 
nach  der  heutigen  mundartlichen  ausspräche,  wie  schon  ein- 
leitend bemerkt,  in  Wirklichkeit  reinen  reim  nur  in  der  nord- 
alem.  ausspräche,  in  der  k  in  diesen  gruppen  explosiva  ist. 
Und  schon  hier  darf  nicht,  wie  dies  gewöhnlich  geschieht,  ohne 
weiteres  als  sicher  angenommen  werden,  dass  diese  heutige, 
mit  der  anstossenden  fränkischen  übereinstimmende  ausspräche 
des  k  auch  in  mhd.  zeit  galt.  Sollte  aber  g  in  der  bindung 
mit  diesen  gruppen  nach  deren  heutiger  ausspräche  im  süd- 
alem.  reinen  reim  ergeben,  so  müsste  g  dort  nach  liquida  als 
Spirans,  nach  nasal  und  nach  vocal  als  affricata,  im  äussersten 
Südwesten  auch  nach  nasal  als  spirans  gesprochen  worden  sein. 
Hat  nun  diese  ausspräche  des  g,  insbesondere  mit  der  Spal- 
tung in  doppelformen,  nach  den  heutigen  resten  wie  nach  der 
weit  vorwiegenden  zahl  der  quellenbelege  als  ausgeschlossen 
zu  gelten,  so  ist  zunächst  festzustellen,  ob  wirklich  die  bindung 
mit  k  in  den  genannten  gruppen  so  zahlreich  auftritt,  dass  sie 
als  herschend  anerkannt  werden  muss,  und  ist  zutreffenden- 
falls zu  erwägen,  ob  sich  eine  andere  erklärung  des  alem.  laut- 
werts  dieser  reime  wahrscheinlich  machen  lässt. 

Durchsicht  der  texte  ergibt  nun  wirklich,  dass  die  bindung 
von  g  mit  kk,  nk,  Ik,  rk  ganz  wie  im  bairischen  im  allgemeinen 
als  herschende  zu  gelten  hat,  auch  bei  den  guten  dichtem. 
Ich  gebe  hier  belege  und  behandle  dabei  wider  fremdes  k  wie 
germ.  kk. 

Ulrich  V.  Zazikhofen:  (jezoc  :  roc  199,  starc  :  Jcarc  215,  hlanc  : 
lanc  427,  auch  IJc  :  Ih  :  schalch  :  bevalch  1179,  rg  :  rJi?  :  burc  :  clurh  5523, 
von  Lachmann  heseitigt  (vgl.  Lachmann  zu  Iweiu  4431  und  Pfeiffer,  Freie 
forschung  416).  —  Hartmann  von  Aue,  Erec:  Lac  :  pflac  S,  tvec  : 
Erec  52  u.s.  w.,  daiic  :  unlcmc  2686,  gedanc  :  twane  8672.  3717,  lanc  : 
Jcranc  4295,  misselanc  :  Jcranc  4310,  stähverc  :  berc  9236.  —  Gregor  ins: 
gedanc  :  geranc  391,  twanc  :  gedanc  1583,  lanc  :  hlanc  2915.  —  Iwein: 
lanc  :  gedanc  2121,  lanc  :  danc  2187.  2594.  3075.  8083  (gruppen !).  3778. 
4645.  7791,    stanc  :  iwanc  8848,    lanc  :  tvanc  5825,    sjgranc  :  danc  5408, 

28* 


424  BOHNEN bEUC KU 

sac  :  Ute  2585,  wcrc  :  yeiwerc  5009,  auch  (j  :  /t  j>/j/«c  :  ersuch  4431  und 
(/  :  ch  bestreich  :  swcich  3473  (beide  bindungeii  vou  Lachinann  bescitiüft, 
zurechtgelegt  von  Paul,  Schriftsprache  s. '2(5.  27  und  Beitr.  1, 182.  375,  die 
zweite  von  Bechstein,  Germ.  26,  390  ersetzt  durch  geswekh  vou  gesicichen, 
dies  abgelehnt  und  siveich  inhaltlich  gerechtfertigt  von  Nerger,  Germ. 
27,  350,  beide  bindungen  festgehalten  vou  Henrici  und  begründet  zu  2GG8). 

—  Armer  Heinrich:  sn<inc  :  Iranc  149.  —  Gute  frau  (1—3000):  ge- 
dune  :  tivanc  273,  unUcerc  :  berc  G33,  dune  :  ticunc  1394,  werc  :  bcrc  1G51, 
suc  :  lue  1851,  pfluc  -.  sue  1917,  pflue  :  erschrue  2033.  —  Albertus, 
St.  Ulrich:  ttca)ic  :  dune  430,  trunc  :  sanc  484  u.s.w.,  irschrue  :  lue  1187. 

—  Gottfrid  v.  Strassburg:  blunc  :  lunc  3337.  3549,  dune  :  sunc  47G1. 
47G9,  hulspere  :  loerc  4933.  Gö45.  GG29.  6917,  betwane  :  dune  5921,  siurc  : 
ure  5977,  erschrue  :  gclne  9059,  lune  :  dune  9121,  ZflC  :  erschrue  9129, 
<(rc  :  Stare  9875  u.s.w.  —  Moriz  v.  Craon:  betivanc  :  dune  95,  ^oic  : 
gedunc  264  u.  s.  w.,   sture  :  verburc  857,   bcre  :  M,"e?'C  891,  erschrue  :  7oc  1575. 

—  Fleck,  Flore  und  Bl. :  (1—1500):  tue  :  erschrue  1061,  sfrtrc  :  Aare 
1211,  iuune  :  Irune  1489.  —  Ulrich  v.  Türheim,  Tristan:  getivunk  : 
schrunk  423,  murJc  :  kark  903,  Äfl?-Ä- :  3Iu7-k  1305,  s>h«Z;  :  muk  1454,  tJt'«»iA  : 
frrtuA-  3447,  erschruk  :  wuk  1969,  stark  :  hurk  3239  u.s.w.  —  Rudolf 
V.Ems,  Gerhard:  krune  :  getwune  2057.  —  Barlaam  (1—26):  sture  : 
bare  12,31,  icuc  :  erschrue  14,25.  22,39,  ttcmic  :  dune  21,3.  —  Wille- 
halm (1—6000):  chrunk  :  lanch  1015,  sie  :  blie  1231,  Gravebereh  :  ircrcÄ 
2201,  gedank  :  </iit'rtnc  4113.  4133.  4341.  4369.  4639.  4891  (gruppen!).  5489, 
anevunc  :  gedunc  4407,  umbehune  :  blunc  4847,  sune  :  erune  5745.  —  Kou- 
rad  V.  Stoffeln  (Tübinger  hs.  1 — 2000):  dunk  :  zwunck  161,  zicung  : 
gedanck  179,  sprang  :  dank  757,  Luch  :  magk  1536,  danck  :  Sprung  1835, 
berg :  ysemcerk  1871.  —  K  o  n  r  a  d  v.  "\V  ü  r  z  b  u  r  g ,  P  a  r  t  o  n  o  p  i  e  r  (l— 1000) : 
sunc  :  dune  107,  drunc  :  dune  385  u.s.w.,  teere  :  bere  563.  —  Troja- 
nischer krieg:  sanc  :  dune  1,  sune  :  krune  145,  sture  :  verburc  587, 
teere  :  bere  907,  pßue  :  sac  1047,  erune  :  getwane  1363  u.s.w.,  enwee  : 
gitec  4027  u.s.w.  —  Alexius:  tcec  :  qttec  247,  lac  :  sac  347,  iuYOiC  :  träne 
667,  <ac  :  nae  695.  1211,  s/«;-c  :  bare  733,  /ac  :  swac  13G9.  —  Goldene 
schmiede:  icerc  :  geticerc  107,  iranc  :  sicunc  477,  gedrunc  :  krune  967, 
rfanc  :  /«'ojjc  991.  —  Walther  v.  Rheinau,  Marienleben  (1—3): 
lang  :  krank  25,20.  27, 13,  gesmak  :  walc  92, 1,  stark  :  karg  113,  60,  geticung  : 
getrunk  114,50,  srnuk  :  gelue  133,15,  betu-unc  :  gedune  137,29.  —  Hugo 
V.  Langeustein,  Martina:  werc  :  berc  i,l'3,  gedunc  -.lunc  l,b\,  ivere  : 
getwerc  7,97,  gune  :  crane  13,1,  »mc/t  :  s?ac  15, 47  u.s.w.  —  H einzelin 
V.  Konstanz,  Zwei  Johannsen:  tvidenvane  :  anerane  :  krune  22.  — 
Reinfried  v.  Braunsch weig:  /.tohc  :  lunc  59,  sture:  cerburc  85,  ge- 
danc  :  ranc  123,  dune  :  ranc  595.  —  Staufen berger:  ivungk  :  lungk 
133  (Schröder  1 35\  erschruk  :  enmag  673  (657).  —  Heinrich  v.  Beringen: 
phlue  :  Ecilmeroduch  109.  285  {Evihnerodaeh  :  ungeniueh  9432.  10737), 
Stare  :  hure  1250.  2589.  5440.  5506,  errune  :  träne  1766,  betwune  :  dune 
3674,  gune  :  dune  5390,  jMue  :  erschrue  5498.  —  Konradv.  Aramen- 
hausen:  datik  :  ttvane  2457,  krank  :  lunk  3431,  dunk  :  misselunk  3573 
u.s.w.,  mak  :  saÄ;  4715.  11627,  suk  :  sfaA  5075,  wek  :  Ä'cA-  7801  (ausgehoben 


AUSLAUTEND  G   IM  OBERDEUTSCHEN.  425 

von  Vetter  s.  lxvii),  salc  :  tak  12295,  erschrak  :  slak  14415  u.  s.  w. ;  aber 
auch  kech  :  vrech  7265.  9187.  18709 ;  kein  rff  :  rk,  sondern  rk  :  rh  :  icerch  : 
verch  1637.  2444.  —  Wisse  und  Colin,  Parzifal:  kranc  :  tivanc  26,2, 
tivang  :  tranc  27, 1,  tay  :  erschrak  29, 14,  gedanc  :  gang  68,  22,  kec  :  iveg 
48,22,  Stare  :  harc  93,32.  —  Kisten  er,  Jakobsbrüder:  nur  g  :  g.  — 
Bon  er:  starc  :  verbarc  31j21,  werc  :  berc  65,51,  kein  g  :  nk,  kk.  — 
Hugo  V.  Montfort  (s.  Wackernells  einleitung  s.  clxix):  werkh  :  perkh 
11,25,  kein  g  :  nk,  kk.  —  Hermann  v.  Sachsenheim,  Mörin:  langk  : 
dangk  115,  dunck  :  gesanck  579,  schaJk  :  balg  589.  999,  kranck  :  sanck  1159, 
tag  :  sack  2941,  triinck  :  jung  33G9  u. s.w.,  demuetig  :  blick  2Qil,  werck  : 
Wirtenberg  4011.  4047,  marschalk  :  balck  4541.  —  Konrad  v.  Dang- 
krotzheim:  tag  :  sack  133.  261.  526,  tag  :  erschrak  394,  speck  :  emveg 
467.  —  Teufels  netz  (1—4000):  sak  :  tag  Slo5,  sak  :  mak  3161,  tnmk  : 
junk  3796;  rk  :  rg  :  mark  (mercatura)  :  karc  9637  stark  :  mark  (meduUa) 
9623 ;    rk  :  ch  :  rechen  :  werchen  319 ;    assonanzen  z.  b.  g  :  b  426.  501. 

Hiernach  ist  wol  vom  14.  jh.  an  mehrfacli  in  umfangreichen 
dichtungen  die  bindung-  mit  Ic  nach  liquiden  gemieden  (Konrad 
von  Ammenhausen,  Konrad  von  Dangkrotzheim),  in  andern 
aber  wider  umgekehrt  nur  g  :  rh,  nicht  g  :  nie,  kk  vertreten 
(Boner,  Hugo  v.  Montfort),  und  es  ist  daher  bei  einer  künf- 
tigen Untersuchung  über  k  zu  erwägen,  ob  sich  für  dieses 
verfahren  eine  besondere  erklärung  bietet.  Im  übrigen  aber 
erweist  sich  die  bindung  von  auslautendem  g  sowol  mit 
kkiinö.nk,  als  mit  rk,  Ik  als  feste  Übung,  auch  noch  über 
die  zeit  hinaus,  von  der  an  mit  Übernahme  der  inlautsform  in 
den  auslaut  zu  rechnen  ist.  Damit  ergibt  sich  bei  annähme 
des  beiderseitigen  heutigen  lautwerts  eine  so  weitgehende  Un- 
reinheit der  mhd.  reime,  wie  sie  wenigstens  in  der  zeit  des 
guten  reimverfahreus  nur  unter  dem  druck  der  allergewich- 
tigsten  gründe  anerkannt  werden  könnte.  Das  verfahren  des 
bair.  ist  nicht  als  ausreichende  parallele  beiziehbar.  Dort  gibt 
die  bindung  des  g  mit  kk  und  nk  völlig  reinen  reim,  die  mit 
rk,  Ik  ergibt  bei  annähme  der  heutigen  ausspräche  nur  den 
abstand  von  affricata  gegen  spirans  nach  consonant. 
Im  südalem.  ergäbe  sich  dagegen  gar  kein  reiner  reim,  und  es 
stünde  blosse  explosiva  fortis  zum  einen  teil  gegen  affricata, 
zum  andern  gegen  spirans.  Sucht  man  einen  ausweg  und  lässt 
sich  an  der  ausspräche  des  g  als  explosiva  wenigstens  nach 
vocal  und  nasal  nicht  rütteln,  so  ist  zu  fragen,  ob  etwa  für  k 
die  ausspräche  als  affricata  abgewendet  werden  kann. 
Endgiltigen  entscheid  hierüber  vermag  nur  eine  einzelunter- 


426  BOHNENBEKGER 

sudiiing  über  diesen  laut  zu  bringen.  Inzwischen  liegt  es  aber  | 

nahe,  das  bekannte  merkwürdige  verfahren  Notkers  liier  an- 
zuziehen, der  auslautendes  Je  gerade  in  der  Verdoppelung  und 
nach  nasal  als  (/  schreibt  gegenüber  ch  im  inlaut.  Nimmt 
man  dieses  g  in  der  bedeutung,  auf  welche  das  zeichen  von 
sich  aus  zunächst  hinweist,  als  explosivlaut  und  zwar  im  aus- 
laut  und  auf  oberdeutschem  boden  als  stummen,  und  bedenkt, 
dass  der  unterschied  zwischen  stummer  lenis  und  una'^pirierter 
fortis  ein  sehr  geringer  ist,  so  ergibt  die  bindung  mit  g  für 
Notkers  zeit  genügend  reinen  reim.  Die  affricataausprache 
im  auslaut  müsste  nachträglich  aus  dem  inlaut  übernommen 
worden  sein.  So  lange  das  verfahren  der  hss.  nicht  als  ent- 
gegenstehend erwiesen  ist,  darf  man  vermuten,  diese  Übernahme 
werde  zusammen  mit  der  sonstigen  Übernahme  der  inlautsform 
in  den  auslaut  erfolgt  sein,  also  nach  der  klassischen  zeit  des 
mhd.  Hiernach  würde  auch  noch  für  die  klassische  periode 
des  mhd.  die  bindung  von  g  mit  nl-,  l-Jc  reinen  reim  mit 
stummer  explosiva  ergeben.  Bis  zu  einer  entscheidenden 
Untersuchung  der  geschichte  von  Je  bietet  diese  annähme 
wenigstens  eine  möglichkeit,  sich  mit  den  Schwierigkeiten 
abzufinden.  Ist  daneben  eine  von  der  südalemannischen  ver- 
schiedene nordalemannische  behandlung  des  Je  auch  schon 
in  mhd.  zeit  anzuerkennen,  so  würde  dort  explosivaussprache 
von  g  und  von  Je  sowol  in  verdoppelang  als  nach  nasal,  als 
auch  nach  liquida  reinen  reim  ergeben.  Dagegen  muss  diese 
letztere,  die  bindung  von  g  mit  Je  nach  liquida,  im  süd- 
alemannischen auch  in  mhd.  zeit  als  unrein  verbleiben, 
wenn  für  rg,  Ig  an  der  explosivaussprache  festzuhalten  ist. 
Die  Spiransaussprache  des  Je  nach  liquida  lässt  sich  nicht 
anfechten.  Schon  die  allgemeine  parallele  der  entwicklung 
ist  nicht  bei  Je  nach  nasal,  sondern  bei  j)  nach  liquida,  rp  >  rf, 
zu  suchen.  Die  Schreibung  der  quellen  weist  von  der  ahd.  zeit 
an  auf  spirantische  ausspräche  (vgl.  AVilkens  §  72  ff.),  die  bin- 
dung mit  rJi  stimmt  dazu.  Das  zeugnis  Xotkers  schliesst  dann 
auch  für  den  auslaut  allen  zweifei  aus.  Gerade  die  Unterscheidung 
2yog  :  poccJics  nötigt  dazu,  in  dem  fehlen  von  Schreibungen  wie 
werg,  scaJg  einen  weiteren  beweis  gegen  auslautende  explosiv- 
ausspi-ache  zu  sehen.  Auch  für  auslautende  affricatenaussprache 
des  rJe  fehlt  es  hier  wie  im  bairischen  an  jedem  anhält. 


AUSLAUTEND  G   IM  OBERDEUTSCHEN.  427 

Das  mass  der  Unreinheit  eines  reims  von  liqiüda  +  ex- 
plosiva  mit  liquida  +  spirans  ist  aber  so  gross,  dass  man  sich 
nur  sehr  schwer  entschliessen  wird,  einen  solchen  für  die 
gute  mhd.  zeit  anzunehmen.  So  hat  man  zunächst  zum  ver- 
such, g  nach  liquid a  als  spirans  zu  fassen,  zurückzukehren. 
Und  da  ist,  wie  schon  oben  bemerkt,  anzuerkennen,  dass  diese 
fassung  durch  das  verhalten  der  heutigen  mundart  nicht  in 
gleichem  masse  ausgeschlossen  ist  wie  im  bair.,  sofern  für 
keine  der  bis  jetzt  bekannten  formen  mit  explosiva  nach 
liquida  die  herkunft  aus  inlautsaussprache  bestimmt  abgelehnt 
werden  kann.  Auch  die  kleine  zahl  der  bindungen  rg  :  rli 
macht  keine  Schwierigkeit.  Wol  aber  steht  die  schrei])ung 
der  quellen  entgegen,  die  rg  genau  wie  ng  behandeln.  Die 
etwas  grössere  zahl  der  rcli  erklärt  sich  völlig  aus  dem  häufigen 
anlass,  in  Urkunden  herg,  Irnrg  zu  schreiben.  Die  deutschen 
Urkunden,  welche  ch  verwenden,  gebrauchen  dieses  für  sonstiges 
g  im  auslaut  genau  so  wie  für  rg,  und  literarische  denkmäler 
oder  Urkunden,  die  c  für  g  nach  vocal  oder  nasal  setzen, 
schreiben  ebenso  rc.  Die  Schwierigkeit  bleibt  also  ungehoben, 
und  ich  sehe  keinen  weg,  dem  Zugeständnis  auszuweichen, 
dass  die  alem.  dichter  der  guten  mhd.  zeit  auslautende 
consonantengruppen  in  häufiger  anwendung  im  reim 
banden,  die  in  der  ausspräche  ihrer  mundart  die  laut- 
gruppen  rli :  rx,  Ik  :  Ix  ergaben.  Eine  bindung  der  so  ge- 
sprochenen lautgruppen  widerspricht  aber  so  stark  dem 
verfahren  der  guten  zeit,  dass  sie  als  ausgeschlossen  gelten 
muss,  auch  wenn  man  berücksichtigt,  dass  in  der  Stellung  der 
abweichenden  laute  am  schluss  einer  auslautenden  consonanten- 
gruppe  eine  gewisse  milderung  liegt.  So  bleibt,  falls  es  nicht 
doch  noch  gelingt,  auf  irgendwelche  weise  die  annähme  einer 
anderen  mundartgemässen  ausspräche  zu  ermöglichen,  für 
die  alem.  wie  für  die  bair.  bindung  von  lg,  rg  mit  Ik,  rk  in 
der  guten  zeit  allein  die  erklärung,  dass  sich  die  dichter  duiT.h 
fremdes  Vorbild  zu  diesen  reimen  berechtigt  ansahen.  Das 
Vorbild  müssten  fränkische  dichter  gegeben  haben,  in  deren 
mundartlicher  ausspräche  k  nach  liquida  explosivlaut  war.  Die 
gleiche  ausspräche  wird  für  das  nordalem.  gebiet  angenommen. 
Um  das  frühe  auftreten  und  die  ganz  allgemeine  Ver- 
wendung der  in  mundartgetreuer  ausspräche  unreinen  bindung 


428      BOIINENUERGER,   AUSIwMTKVn    C    TM    OBERDEUTSCHEN. 

ZU  erklären,  müsste  man  weiter  annehmen,  die  hinduno-  sei 
auf  alem.  und  bair.  boden  als  mundartgetreuer  unreiner  reim 
aus  der  zeit  des  freieren  reimverfahrens  her  üblich  ge- 
wesen, es  habe  sich  also  für  die  rein  reimenden  dichter  nicht 
darum  gehandelt,  die  bindung  erst  von  Vorbildern  aus  fremdem 
mundartgebiet  zu  übernehmen,  sondern  nur  darum,  die  in 
heimischen  reimen  herkömmliche  und  in  mundartlicher 
ausspräche  für  sie  anstössige  bindung  durch  fremde  Vor- 
bilder zu  reclitfertigen  und  auf  deren  autorität  hin  bei- 
zubehalten. Immer  erscheint  aber  dieses  verfahren  nach  unseren 
sonstigen  kenntnissen  über  das  verhalten  der  guten  mhd.  dichter 
höchst  auffallend,  und  es  fehlt  noch  eine  ausreichende  parallele. 
Wir  haben  ja  heute  wol  den  dichtungen  der  blütezeit  mundart- 
fremdes sprachgut  in  beträchtlichem  masse  zuzuerkennen,  aber 
dies  betrifft  doch  mehr  den  Wortschatz,  die  Wortbildung  und 
flexionsformen  als  die  behandlung  der  laute,  und  es  tritt  kaum 
sonst  wo  in  so  allgemeiner  und  gleichbleibender  Verwendung 
auf.  Andererseits  darf  mau  aber  auch  nicht  übersehen,  dass 
wii'  noch  recht  wenige  eingehende  und  zur  begründung  der- 
artiger erwägungen  ausreichende  mundartgeschichtliche  Unter- 
suchungen besitzen.  Immerhin  sehe  ich  die  specialfrage  nach 
dem  laut  wert  des  auslautenden  g  hinter  liquida  wenigstens 
für  das  alemannische  noch  nicht  als  völlig  gelöst  au. 

Die  Stellung  zuJellineks  behandlung  von  g  (Beitr.  15, 268. 
Zs.  fda.  36,  77.  Zs.  f.  öst.  gjmin.  44, 1086)  mit  einschränkung  auf 
den  auslaut  ist  nun  gegeben.  Eecht  hatte  Jellinek  mit  seiner 
ausetzung  von  affricata  für  das  bair.  von  der  jüngeren  ahd.  zeit 
an,  wie  er  auch  dieser  numdart  einen  grossen  teil  seiner  belege 
entnommen  hat.  Unrichtig  ist  seine  aufstellung  für  das  ale- 
mannische und  für  das  älteste  bairische.  Hier  hat  er  zu  rasch 
verallgemeinert  und  sich  auf  unzureichende  und  einseitige 
belege  gestützt.  Ueber  seine  auffassung  des  inlautenden  und 
anlautenden  sowie  des  vorahd.  g  habe  ich  mich  liier  nicht  zu 
entscheiden,  doch  sind  durch  die  alemannische  und  ältest- 
bairische  auslautsaussprache  Schlüsse  auf  die  westgermanische 
Vorstufe  sowie  auf  die  behandlung  im  inlaut  nahe  gelegt. 

TÜBINGEN.  K  BOHNENBERGEß. 


DIE  GERMANISCHEN  ELEMENTE 
DER  UNGARISCHEN  HUNNENSAGE. 

T.   Einleitung. 

1)   Gescliiclite  der  forschung. 

Fast  sämmtliche  imgarisclie  Chroniken  schicken  der  eigent- 
lichen Ungarngeschichte  eine  geschichte  der  Hunnen  voraus. 
Dieses  vorangehen  ist  in  den  Chroniken  dadurch  begründet, 
dass  Hunnen  und  Ungarn  als  dasselbe  volk  betrachtet  werden, 
dass  also  das  eindringen  der  Hunnen  in  Pannonien  im  5.  jh. 
für  prinius  ingressus,  die  ung.  landnahme  aber  im  9.  jh.  für 
secundus  ingressus  Hungarorum  angesehen  wird.  Es  geht  aus 
diesen  Chroniken  hervor,  dass  der  glaube  an  die  Identität 
beider  Völker  ein  glaube  des  ung.  Volkes  war,  und  nicht  viel- 
leicht eine  gelehrte  combination  oder  entlehnung.  Ja  die 
Chroniken  heben  ausdrücklich  hervor,  dass  sie  sich  in  ihren 
berichten  über  die  Hunnen  zum  teil  auf  Überlieferungen  stützen, 
die  im  munde  des  ung.  volkes  lebten.  Aber  auch  ihre  berichte 
selbst  beweisen  an  mehreren  stellen  durch  namen  und  inhalt, 
dass  sie  aus  ung.  sage  geschöpft  sind,  aus  einer  sage,  die  auf- 
fallend an  die  deutschen  Überlieferungen  von  Etzel,  Dietrich 
und  Kriemhild  erinnert. 

Von  einer  solchen  unbefangenen  und  nüchternen  betrach- 
tung  geleitet  nahm  W.  Grimm  einen  teil  der  Hunnengeschichte, 
wie  sie  in  den  ung.  Chroniken  erzählt  wird,  unter  seine  Zeug- 
nisse über  die  deutsche  heldensage  auf.i)  W.  Grimm 
meinte,  die  quelle  der  ung.  Chroniken  sei  'ein  uraltes  volks- 
epos'  gewesen,  das  auf  deutschen  Überlieferungen  beruhe.  Er 
gab  sich  dem  glauben  hin,  dass  sich  wenigstens  noch  spuren 
von  diesem  volksepos  erhalten  haben  müssten,  und  sprach  den 


1)  Brüder  Grimm ,   Altdeutsche  wälder  1  (1813),  195  ff.    (Ungarische 
traditionell  s.  252  ff.) 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXI.  29 


430  BLEYER 

wuiisrli  aus:  'mogte  docli  joiiiand  in  Ung-arn  nachspüren,  ob 
von  diesen  alten  lüstorisclien  liedern  sich  nichts  mehr  erhalten, 
sey  es  in  den  gehürgen  noch  lebendig,  wenn  auch  durch  neuere 
Zusätze  schon  getrübt,  oder  in  bruchstücken,  die  durch  einen 
glücklichen  Zufall  aufgezeichnet  Avurden'  (a.a.O.  s.  217,  anni.  2). 
Eine  antwort  auf  diese  frage  blieb  aus  Ungarn  gewis  aus,  und 
so  wendete  sich  J.  Grimm  im  j.  1815  brieflich  an  einen  ung. 
gelehrten,  namens  Ludw.  Schedius,  um  näheres  zu  erfahren.') 
Die  antwort,  die  Schedius  geben  konnte,  musste  für  die  brüder 
Grimm  eine  enttäuschende  sein,  da  man  damals  von  einem 
ung.  Hunnenepos  nichts  wusste  und  auch  heute  nicht  mehr 
weiss,  als  was  aus  den  Chroniken  gefolgert  werden  kann. 
"\V.  Grimm  Hess  sich  aber  durch  den  miserfolg  nicht  beirren, 
sondern  hielt  an  der  eclitheit  der  ung.  traditionen  fest  und 
nahm  sie  auch  später  in  die  Deutsche  heldensage^)  auf.  Auf 
dem  material,  welches  "\V.  Grimm  aus  den  ung.  Chroniken 
sammelte,  und  auch  auf  der  auft'assung,  die  er  darüber  hatte, 
fusst  die  weitere  deutsche  sagenforschung,  wenn  sie  —  was 
selten  geschah  —  die  ung.  Überlieferungen  einer  aufmerksam- 
keit  würdigte.  So  K.  Lachmann  in  seiner  Kritik  der  sage 
von  den  Nibelungen 3),  E.  Heinzel  in  seiner  Untersuchung 
Ueber  die  Hervararsaga^)  u.  a.  Erst  in  jüngster  zeit  ver- 
suchte G.  Matthaei  aus  den  ung.  Chroniken  reichlicheren  und 
gründlicheren  gewinn  für  die  deutsche  heldensage  herauszu- 
arbeiten.   Ob  es  ihm  gelungen  ist,  will  ich  unten  erörtern. 


')  Mitgeteilt  vou  G.  Heinrich,  Zs.  fda.  42,  325  ff. 

»)  3.  aufl.  vou  R.  Steig,  1889,  s.  181  ff.  und  343. 

^)  Zu  den  Nibelungen  und  zur  Klage,  1836,  s.  347  f. 

*)  Wiener  SB.  bist.-pliil.  kl.  114,518.  —  Die  frage  der  ungarischen 
Hunnengeschichte  ward  auch  von  deutschen  historikern  bei  Untersuchungen 
über  den  quellenwert  der  ungarischen  Chroniken  öfter  gestreift,  so  von 
().  Rademacher,  Die  ungarische  chronik  als  quelle  deutscher  gcschichte, 
Merseburger  progr.  1887,  s.  4;  von  L.  v.  He  ine  mann,  Zur  kritik  ungarischer 
geschichtsquellen  im  Zeitalter  der  Arpaden,  Neues  arch.  der  gesellsch.  für 
alt.  d.  geschichtsk.  13,  73,  und  in  der  einleitung  zu  den  auszügen  aus  unga- 
rischen Chroniken,  MG.  SS.  29,  523;  von  R.  Fr.  Kaindl,  Studien  zu  den  unga- 
rischen geschichtsquellen,  1894— 19U0,  Stud.  9-12,  49  ff.  u.  ö.;  vou  H.  Stei- 
nacker in  der  besprechung  des  Werkes  von  Kaindl,  Mitteil,  des  inst.  f.  öst. 
geschicht.sf.  24, 146.  Da  ihnen  aber  die  nötigen  sagengeschichtlicheu  keuut- 
nisse  abgehen,  leiten  sie  die  ungarische  Hunnensage  einfach  aus  dem  Nibe- 
huigeuliede  her. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.     431 

Der  erste,  der  das  problem  der  ung.  Himnensage  im  zii- 
sammenliange  und  mit  genauem  hinweis  auf  die  deutsche  und 
nord.  lieldensage  zu  lösen  versuclite,  war  G.  Wenzel. >)  Er 
hält  die  ganze  Hunnengeschichte,  wie  sie  in  den  Chroniken 
dargestellt  ist,  für  reine  und  unverfälschte  ungarisch-nationale 
tradition,  welche  die  Ungarn  noch  aus  ihren  östlichen  Wohn- 
sitzen mit  sich  gebracht  hätten.  Ja  er  sucht  nachzuweisen, 
dass  die  ungarische  sage  einen  wesentlichen  einfluss  auf  die 
spätere  entwicklung  der  deutschen  und  nord.  sage  ausgeübt 
habe.  Der  vermittler  dieses  einflusses  sei  —  Wenzel  stützt 
sich  hier  auf  eine  stelle  in  der  Klage,  über  welche  ich  unten 
handle  —  Pilgrim,  der  bischof  von  Passau,  gewesen. 

Nach  Wenzels  erörterungen  schien  der  ungarisch-nationale 
Ursprung  der  Hunnensage,  wie  sie  in  den  Chroniken  erhalten 
ist,  in  der  ung.  forschung  gesichert.  Fr.  Toldy,  der  erste  und 
eifrigste  ung.  literarhistoriker,  schloss  sich  Wenzels  auffassung 
an  und  machte  sie  durch  seine  literaturgeschichten  populär. 2) 
Sie  ward  auch  von  dem  ung.  niythologen  Arn.  Ipolyi^)  geteilt, 
der  die  Hunnengeschichte  nun  auch  in  mythologischer  hinsieht 
auszubeuten  bestrebt  war.  In  dieser  ihrer  Überzeugung  wurden 
die  ung.  forscher  durch  Am.  Thierry  noch  bestärkt,  der  seiner 
geschichte  Attilas  eine  Untersuchung  über  die  Attila- sagen 
angehängt  hatte. 4)  Er  geht  von  der  Voraussetzung  aus,  dass 
die  Ungarn  als  nachfolger  der  Hunnen  in  ihren  europäischen 
Wohnsitzen  eigene  sagen  über  Attila  und  die  Hunnen  haben 
mussten,  und  dass  also  die  berichte  der  ung.  Chroniken  als 
echte  ung.  traditionen  betrachtet  werden  dürfen. 

Doch  sollte  diese  leichtgläubigkeit  bald  in  einen  skeptischen 
kriticismus  umschlagen.  P.  Hunfalvy  bekämpfte  zum  ersten- 
mal die  möglichkeit  einer  ung.  Hunnensage  und  wollte  in  der 
Hunnengeschichte  der  ung.  Chroniken  lediglich  eine  gelehrte 
compilation  sehen:   'die   charakteristischen   (nämlich   in   aus- 


*)  Eszmetöredekek  a  magyar  nemzeti  husmonda  törtenettudomänyi 
meltatäsära,  Eeguly- Album  1850,  s.  1  ff. 

^)  Vgl.  Geschichte  der  ungarischen  literatur  im  mittelalter,  1865,  s.  30  ff., 
und  Geschichte  der  ungarischen  dichtuug  von  den  ältesten  zeiteu  bis  auf 
Alex.  Kisfaludy,  1863,  s.  17  ff. 

3)  Magyar  mythologia,  1854,  s.  xvi  und  153  ff. 

")  Histoire  d' Attila  et  ses  successeurs»,  1865,  2, 3'l:2ff. 

29* 


432  BLEYER 

liiiulisclien  geleluten  gescliiclitswerken  nicht  enthaltenen)  nach- 
richten  der  magyarischen  Chroniken  über  die  Hunnen  . . . 
stammen  weder  aus  einlieimischen  oder  nationalen  ([uellen, 
noch  aus  lat.  und  giiech.  historikern:  sondern  sind  den  deutschen 
geschichtsschreibern  und  Chroniken  entlehnt.'')  In  einem 
andern  werke  bezeichnet  Hunfalvj'  diese  deutsche  quelle  näher 
als  das  Nibelungenlied,  dessen  inhalt  von  deutschen  priestern 
in  die  ung.  geschichtsschreibung  hineingetragen  und  mit  histo- 
rischen berichten  aus  lat.  Chroniken  verquickt  worden  sei.*) 
Der  auffassung  Hunfalvys  stimmte  Fr.  Riedl  bei  und  suchte 
sie  auch  seinerseits  zu  begründen.  3)  Er  nimmt  u.  a.  an,  dass  der 
Verfasser  der  Hunnengeschichte  nicht  nur  aus  dem  Nibelungen- 
liede, sondern  auch  aus  kleineren  deutschen  epischen  diehtungen 
geschöpft  habe.  Nach  ihm  aber  (und  darin  weicht  er  von  H. 
ab)  ist  im  ganzen  nicht  viel  aus  der  deutschen  heldensage  ent- 
lehnt: Detres  rolle  und  einige  züge  in  der  geschichte  der  söhne 
Attilas.  Von  demselben  Standpunkte  beurteilte  auch  H.  Mar- 
czali  die  Hunnengeschichte  und  sprach  ihr  jeden  sagengeschicht- 
lichen wert  (mit  ausnähme  der  gestalt  Csabas)  ab.^) 

Im  allgemeinen  aber  fand  Hunfalvy  mit  seinen  neuen 
ansichten  entschiedenen  Widerspruch.  Man  fand  zwar  die  auf- 
fassung "\^'enzels  unhaltbar  und  liess  sich  auch  überzeugen, 
dass  die  Hunnengeschichte  aus  ausländischen  Chroniken  ge- 
schöpft habe,  und  dass  sie  auch  einzelne  elemente  aus  der 
germ.  heldensage  enthalte;  aber  man  war  auch  weiterhin  nicht 
geneigt,  die  erzählung  der  Chroniken  von  den  Hunnen  ledig- 
lich als  gelehrte  compilation,  als  eine  mönchische  buchsage, 
die  niemals  im  ung.  volksmunde  gelebt  habe,  anzusehen.  Auch 
unbefangene  und  besonnene  stimmen  sprachen  gegen  eine  solche 
auffassung,  die  mit  den  ausdrücklichen  erklärungen  der  Chro- 
nisten und  dem  Inhalte  ihrer  erzählung  im  Widerspruche  stand : 
so  namentlich  P.  Gyulai^)  und  K.  Szäsz.e) 

')  Ethnographie  von  Ungarn,  1877,  s.  105. 

*)  Die  rngcrn  oder  Magyaren,  1881,  s.  120  ff. 
^■■■^  ')  A_jDagvar  himmoniläk,^  Buda-ye&ti ^aeml«  07, QQl  ff.  a 

*)  Ungarns  geschichtsquellen  im  Zeitalter  der  Arpadeu ,  1882,  s.  54  ff. 
und  82  f.,  nnd  A  szekelyek  eredetprol,  Buda-pcsti  szenile  25,142. 

"*)  In  auraerknngen  zu  Marczalis  und  Riedls  abhandlungen,  Buda-pesti 
szemle  25, 142.  27, 340. 

*)  A  vilägirodalom  nagy  eposzai,  1882,  2, 162  f. 


DTE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE,      433 

Die  frage  drängte  im  streite  der  parteien  nach  einer  all- 
seitigen methodischen  behandlung.  Den  weg  dazu  wies  G. 
Heinrich,  ein  gründlicher  kenner  der  deutschen  heldensage, 
in  seiner  Untersuchung  über  Etzelburg  und  die  ungarische 
HunnensageJ)  Aus  einer  erörterung  der  frage,  wann  die  bürg 
Etzels  von  der  deutschen  heldensage  in  dem  heutigen  Alt-Ofen 
localisiert  wurde,  kommt  er  zu  dem  resultate,  dass  eine  solche 
localisierung  in  dem  Nibelungenliede  und  den  älteren  deutschen 
dichtungen  unbekannt  sei,  und  in  den  späteren  bearbeitungen 
der  sage  nicht  anders  als  auf  den  einfluss  der  ung.  Chroniken 
zurückgeführt  werden  könne.  Es  müsse  also  eine  eigene  ung. 
Überlieferung  vorhanden  gewesen  sein,  in  welcher  Attilas  resi- 
denz  nach  Alt-Ofen  verlegt  war,  denn  nach  dem  historischen 
berichte  des_Priscus_JiüfaM_^§ich  der  wohnsitz  Attilas  in  der 
Theissgegend.  Zu  dieser  localisierung  sei  die  tradition  wahr- 
scheinlich durch  die  ruinen  Aquincums,  an  dessen  stelle  Alt- 
Ofen  erbaut  wurde,  veranlasst  worden.  Die  ung.  Überlieferung 
von  den  Hunnen  sei  aber  nicht  aus  Asien  mitgebracht  worden, 
sondern  sei  germanischen,  vielleicht  geradezu  deutschen  Ur- 
sprungs, die  von  den  Ungarn  in  ihren  neuen  Wohnsitzen  in 
Europa  als  volkssage  vorgefunden,  als  solche  angenommen  und 
weiter  entwickelt  worden  sei. 

Auf  Gr. Heinrichs  und  P.Gj-ulais  anregung  unterzog  G.Petz 
die  ganze  frage  einer  eingehenden  methodischen  prüfung.^) 
Durch  einen  genauen  vergleich  der  Hunnengeschichte  in  den 
ung.  Chroniken  mit  den  ausländischen  sagen  und  gelehrten 
geschichtswerken  gelangte  er  zu  dem  resultate,  dass  die  ung. 
Hunnengeschichte  aus  der  Verschmelzung  dreier  demente 
hervorgegangen  sei.  'Die  grundlage  bildet  die  erzählung 
historischer  tatsachen  und  mit  diesen  verknüpfter  Überliefe- 
rungen, für  welche  die  werke  ausländischer  geschichtsschreiber 
als  quelle  dienten.  Zur  überbrückung  der  lücken  in  dieser 
historischen  darstellung  schöpfte  der  Chronist  aus  der  ihm 
bekannten  volkstümlichen  (ung.)  tradition  und  mischte  auf 
diese  weise  echte  sagenhafte  züge  in  den  historischen  stoff. 


^)  Etzelburg  es  a  magyar  hünmouda,   Akad.  ertekezesek  a  nyelv-es 
szeptud.  köreböl,  1882,  10,  no.  2. 
2)  A  magyar  hünmonda,  1885. 


434  HLKYEK 

Diese  sagenhaften  bestandteile  liaben  doppelten  ursprnng:  sie 
berulien  teils  auf  deutschen,  teils  auf  unp:.  Überlieferungen. 
Die  deutschen  sagenelemente  von  Dietrich  und  Krienihild 
konnte  unser  Verfasser  weder  aus  dem  Nibelungenliede,  nucli 
aus  andern  bekannten  deutschen  poetischen  «luellen  entnehmen, 
sondern  entnahm  sie  aller  wahrsclieinlichkeit  nach  aus  der 
lebendigen  tradition  des  in  Ungarn  sesshaften  Deutschtums, 
die  wenigstens  teilweise  —  nach  dem  Zeugnisse  der  Chroniken 
—  auch  von  dem  uug.  volke  selbst  angenommen  worden  war. 
An  diese  tradition  knüpfte  der  Verfasser  der  Hunnengeschichte 
ungarische  sagenelemente,  dünne  fäden  einer  reicheren  Über- 
lieferung, w'elche  unser  volk  nicht  aus  seiner  heimat  mit  sich 
brachte,  sondern  in  seinen  neuen  Avohnsitzen  von  Völkern,  die 
sich  nach  den  Hunnen  hierzulande  niedergelassen  hatten, 
herübernahm.  Ein  teil  dieser  sagenhaften  berichte  bezieht 
sich  denn  auch  ursprünglich  nicht  auf  die  Hunnen,  sondern 
auf  spätere  historische  ereignisse.  Unser  Verfasser  (der  verf. 
der  Huunengeschichte)  brachte  in  der  Verbindung  dieser  ver- 
schiedenartigen elemente  auch  seine  eigene  auffassung  zur  gel- 
tung,  indem  er  bald  an  dem  ^■orllandenen  material  Verände- 
rungen traf,  bald  auch  an  dasselbe  unwesentliche  züge  hinzu- 
fügte. Ueber  die  ganze  darstellung  verbreitete  er  nationalen 
geist  und  den  reiz  poetischer  naivetät'  (a.a.O.  s.  101). 

Nach  der  ergebnisreichen  Untersuchung  von  Petz  konnte 
kein  zweifei  mehr  darüber  bestehen,  dass  der  grösste  teil  der 
Hunnengeschichte  auf  gelehrter  entstehung  beruht  und  nur 
ein  kleiner  teil  echte  sage  enthält,  der  aus  einer  reicheren 
ung.  Volkstradition  geschöpft  ist.  Auch  daran  ward  nicht 
mehr  gezweifelt,  dass  diese  volkstümliche  Überlieferung,  soweit 
sie  in  der  Huunengeschichte  erhalten  ist,  grösstenteils  ger- 
manischen, vielleicht  sogar  deutschen  Ursprunges  ist,  und  dass 
nur  wenige  elemente  als  specifisch  ung.  zusätze  betrachtet 
werden  dürfen.  Doch  die  avoI  begründete  behauptung  von 
Petz,  dass  auch  von  diesen  Zusätzen  nichts  als  alte  hunnische 
tradition  aus  Asien  mitgebracht  worden  sei,  wurde  von  einigen 
ung.  forschem  bestritten,  und  zwar  von  denjenigen,  die  sich 
auch  in  anderen  hinsichten  von  dem  gedanken  einer  verwant- 
schaft  oder  doch  enger  historischer  beziehungen  zwischen 
Hunnen  und  Ungarn  trotz   der  ermangelung   eines   einzigen 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.     435 

wirkliclien  beweises  nicht  lossagen  können.  Der  eifrigste  Ver- 
treter dieses  glaubens  ist  G.Nagy ');  neben  ihm  auch  J.Thiiry^), 
B.  Munkäcsi3)j  graf  G.  Knun^)  u.a. 

Seit  Petz  befassten  sich  zwei  ung.  forscher  eingehender 
mit  der  Hunnengeschichte:  J.  Sebestj^en  und  J.  Karacsonyi. 
Beide  verknüpfen  die  frage  der  Hunnensage  mit  dem  sog. 
Szekler-problem,  wie  das  seit  Hunfalv}^  —  gewis  zum  schaden 
der  sagengeschichtlichen  forschung  —  meist  der  fall  war;  nur 
Heinrich  und  Petz  wussten  sich  von  einer  solchen  verquickung 
freizuhalten.  In  der  Hunnen geschichte  wird  nämlich  erzählt, 
dass  die  Szekler  ein  volk  Attilas  gewesen  seien,  das  nach  dem 
abzuge  der  Hunnen  in  dem  heutigen  Ungarn  zurückgeblieben 
wäre.  Die  ung.  forschung  glaubt  natürlich  schon  längst  nicht 
mehr  an  die  historische  Wahrheit  dieses  berichtes,  doch  Avii'd 
er  pro  oder  contra  bei  dem  versuche  einer  lösung  der  Szekler- 
frage  immer  wider  herangezogen. 

Sebestj'en^)  stützt  sich  auf  die  ergebnisse  der  Unter- 
suchungen von  Petz  und  glaubt  an  die  existenz  einer  ung. 
Hunnensage  germanischen  Ursprungs.  Die  vermittler  dieser 
germ.  Überlieferungen  seien  seiner  ansiclit  nach  dTe'~ziirircl?-' 
^ei7lTCb'elfeirYest'e~c[eFXvären  gewesen,  von  denen  —  so  nimmt 
er  liu  —  die  Szekler  zum  teile  abstammen.  Sebestyeus  aus- 
führungen  sind  reich  an  gelehrsamkeit  und  geistvoller  com- 
bination,  sie  überschreiten  aber  meist  die  grenzen  des  beweis- 
baren und  wahrscheinlichen.  Sebestyen  befasst  sich  nicht  so 
sehr  mit  dem  Inhalte  der  Hunnengeschichte  selbst,  als  mit 
der  frage  der  Vermittlung,  die  augenfällig  seine  Szekler-theorie 
unterstützen  soll.  So  ist  er  denn  auch  nur  in  wenigen  punkten 
über  Petz  hinausgekommen,  und  hier  nicht  immer  —  wie  wir 
sehen  werden  —  mit  wirklichem  erfolg.    Auch  die  frage  der 


1)  Adatok  a  szekelyek  eredetehez  es  egykori  lakhelyehez,  1886,  s.  129 ; 
Az  Attila  uev,  Etlmographia  1,  259  f. ;  Moiida  es  liagyomäny,  Ethnographia 
5,  26  ff.  und  in  den  bezüglichen  artikeln  im  Pallas  Nagy  lexikona. 

'■')  Krouikäsaiuk  es  a  uemzeti  hagyomäny,  Irodalomtörteneti  közleme- 
nyek  7, 290. 

3)  Hunnische  Sprachdenkmäler  im  ungarischen,  Keleti  szemle  (Revue  -^ 
Orientale)  2,197. 

*)  Hunyadvärmegye  törtenete  1  (1902),  221. 

^)  A  magyar  honfoglalas  mondäi  1  (1904).  2  (1905).  Wenn  ich  den 
band  nicht  angebe,  ist  immer  der  1.  bd.  gemeint. 


436  HT.KYEU 

verniittlniig.  auf  die  er  das  grösste  gewicht  legt,  hat  er  meiner 
Überzeugung  nach  nicht  gelöst. 

Dass  auch  seine  Szekler-theorie  selbst  nicht  als  endgiltige 
lösung  des  problems  angesehen  wird,  zeigt  eben  die  abhand- 
lung  von  J.  Karacsonj'i. ')  Karacsonyi  bestreitet  jeden  eth- 
nischen unterschied  zwischen  Szeklern  und  Ungarn.  Sie  seien 
ursprimglich  ein  ung.  hirtenvolk  gewesen  in  gebirgen  und 
Wäldern  und  seien  erst  später  in  dem  gebirg-  und  waldreichen 
Siebenbürgen  angesiedelt  worden.  Er  spricht  also  dem  be- 
richte der  Hunnenchronik  jeden  historischen  wert  ab;  und 
darin  hat  er  gewis  recht.  Er  verwirft  aber  auch  jeden  sagen- 
geschichtlichen  wert  der  Hunnenchronik,  die  er  für  eine  un- 
beholfene compilation  voll  absichtlicher  fälschungen  liält. 
Karacsonyi  überschreitet  hier  in  ermangelung  der  niitigen  sagen- 
geschichtlichen kenntnisse-)  seine  competenz  als  historiker,  und 
wie  scharfsinnig  und  bestechend  auch  seine  streng  historischen 
ausführungen  sein  mögen,  sind  sie  doch,  soweit  sie  sich  auf 
die  frage  der  ung.  Hunnensage  und  der  Hunnenchronik  über- 
haupt beziehen,  entschieden  irrig  und  beruhen  auf  unmethodi- 
schen Voraussetzungen.  Namen  und  begebenheiten  werden  in 
solcher  fülle,  wie  Karacsonyi  annimmt,  nicht  einmal  von  den 
berufsdicht ern  des  mittelalters.  geschweige  denn  von  geist- 
lichen Chronisten  erdichtet,  die  die  Wahrheit  berichten  und 
geschichte  schreiben  wollten.  3)  Auf  diese  weise  könnte  jede 
historische  sage,  die  jemals  aufgezeichnet  wurde,  für  eine 
absichtliche  fälschung  eines  gelehrten  Verfassers  erklärt  werden. 
'Der  mittelalterliche  Chronist'  —  so  sagte  G.Heinrich  schon 
vor  25  jähren  in  bezug  auf  die  Hunnenchronik  (a.a.O.  s.  27) 
—  'ist  kein  geschichtsschreiber  im  modernen  sinne  des  Wortes, 
aber  auch  kein  dichter.    Der  Verfasser  der  chronik  combinierte 


^)  A  szekel^'ek  eredete  es  Erdelyhe  valö  letelepülese.  Akad.  ertek.  a 
törteneti  tudomäiiyok  köreböl  20,  no.  3  (1905),  G  ff. 

2)  Er  scheint  nicht  einmal  von  der  abhaudluug  von  Petz  kenntnis 
genommen  zu  haben. 

')  Wie  hätte  die  Hnnnengcschichte  solchen  anklang  finden  können, 
wenn  ihr  Verfasser  —  Avie  Karacsonyi  behauptet  —  zum  teil  eroignisse, 
die  sich  in  Ungarn  im  12.,  ja  im  13.  jh.  vollzogen,  in  solch  AvinkUrlicher, 
lügenhafter  weise  combiniert  und  daraus  eine  ganz  andere,  fremde  geschichte 
zusammengestellt  hätte.  Ein  solches  vorgehen  wäre  doch  gewis  erkannt 
und  schon  im  13.  jh.  zurückgewiesen  worden. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG,   HUNNENSAGE.  437 

das  material,  das  ihm  zur  Verfügung  staud,  brachte  die  ein- 
zelnen teile  desselben  miteinander  in  einklang,  natürlich  nur 
ganz  äusserlich  und  ohne  jedes  kritische  gefühl;  er  ergänzte, 
soweit  es  möglich,  die  lücken  der  tradition,  knüpfte  seine  er- 
zähl ung  an  den  urqnell  seines  Wissens  und  glaubens,  an  die 
Bibel,  deutete  und  etymologisierte,  meist  in  ganz  naiver,  ja 
lächerlicher  weise;  aber  wir  schreiben  ihm  vom  Standpunkte 
seines  Zeitalters  nicht  des  bösen,  sondern  des  guten  viel  zu  viel 
zu,  wenn  wir  ihn  für  einen  dichter  halten,  der  wesentliche 
Partien  seiner  darstell  ung  aus  seiner  phantasie  geschöpft,  oder 
sagen  wir,  aus  seinen  fingern  gesogen  hat.' 

Schon  oben  habe  ich  erwähnt,  dass  die  ung.  Hunnensage 
in  jüngster  zeit  auch  von  deutscher  seite  eine  eingehende  be- 
handlung  erfuhr.  G.  Matthaei  sucht  in  einer  längeren  ab- 
handlungO  nachzuweisen,  dass  die  ung.  Hunnensage  —  als 
volkssage  gedacht  —  bairischen  Ursprungs  sei  und  sich  seit 
etwa  dem  beginn  des  11.  jh.'s  aus  Baiern  nach  Ungarn  aus- 
breitete. Matthaeis  arbeit  ist  mit  genauester  kenntnis  der 
germ.  sagen geschichte  abgefasst,  aber  trotzdem  sind  seine 
ergebnisse  hinfällig.  Er  kennt  die  ung.  forschung  nicht,  die 
ihm  in  seiner  Untersuchung  in  vielen  punkten  einen  sicheren 
halt  hätte  bieten  können.  Er  merkt  nicht,  dass  die  Hunnen- 
geschichte nur  in  einzelnen  partien  wirkliche  sage  enthält, 
und  stützt  sich  in  seinen  Schlüssen  oft  auf  angaben,  deren 
gelehrter  Ursprung  schon  längst  erkannt  worden  ist;  anderer- 
seits aber  lässt  er  einzelheiten  ausser  acht,  die  echte  Über- 
lieferung enthalten.  Es  ergeben  sich  daraus  methodische 
misgriffe,  die  seine  Untersuchung  in  ihrem  ganzen  umfange 
unhaltbar  machen.  Dies  werde  ich  im  laufe  meiner  erörte- 
rungen  deutlich  nachweisen  können. 

In  der  forschung  über  die  ung.  Hunnensage  bedeutet  also 
die  abhandlung  von  Petz  nicht  nur  einen  wende-,  sondern 
auch  einen  höhepunkt:  was  früher  geleistet  worden  war,  ist 
überwunden  und  veraltet;  was  seither  geschrieben  wurde,  kann 
nur  teilweise  und  zwar  nicht  in  wesentlichen  punkten  als 
fördernd   betrachtet   werden.     Ich  gehe  also  meist   von   den 


^)  Die  Zairische  Himueusage  in  ihrem  Verhältnis  zur  Amelungen-  nnd 
Nibehtngensage,  Zs.  fda.  46, 1  ff. 


438  HI.KYER 

ergebnissen  von  Petz  aus  und  suche  liauptsäclilich  zwei  fragen, 
die  Petz  nicht  nälier  untersuclite,  zu  beantworten:  a)  welche 
stelle  nimmt  die  uug.  Hunnensage,  soweit  sie  germanischen 
Ursprungs  ist,  in  der  chronologischen  und  geographischen  ent- 
wicklung  der  germ.  heldensage  ein?  —  b)  wo  und  von  welchem 
germ.  stamme  hat  das  Ungarntum  die  germ.  elemente  seiner 
Hunnensage  herübergenomnien?  Ich  glaube  aus  der  beant- 
wortung  dieser  fragen  werden  sich  nicht  nur  für  die  ungarische, 
sondern  auch  für  die  deutsche  heldensage  einige,  nicht  ganz 
unbedeutende  resultate  ergeben. 

2)   Zeugnisse  und  quellen  der  ungarischen 
Hunnensage. 

Als  ältestes  zeugnis  für  die  existenz  einer  ung.  Hunnen- 
sage wird  vielfach')  ein  bericht  über  Attilas  schwei't  bei 
Lambert  von  Hersfeld 2)  angesehen.  Tiambert  erzählt,  Otto 
von  Baiern  habe  Attilas  schwert  von  der  mutter  des  ung. 
königs  Salomon  erhalten,  welches  später  an  den  kaiser  Hein- 
rich IV.  gekommen  sei.  Dieser  habe  es  seinem  lieblinge, 
Liutpold  von  Merseburg,  geschenkt,  der  aber  bei  einem  stürze 
vom  pferde  in  die  spitze  des  Schwertes  gefallen  und  an  der 
wunde  gestorben  sei.  Ueber  dieses  angebliche  schwert  Attilas 
berichtet  schon  Jordanes  (Getica  cap.  35)  nach  Priscus,  und 
es  kann  kein  zweifei  darüber  bestehen,  dass  wir  es  bei  Lam- 
bert —  soweit  es  sich  um  Attila  handelt  —  mit  einer  gelehrten 
fabel  zu  tun  haben,  die  in  letzter  quelle  auf  Jordanes,  den 
übrigens  Lambert  selbst  anführt,  zurückgeht.  A\'eder  die 
deutsche,  noch  die  ung.  Überlieferung  weiss  etwas  von  diesem 
verhängnisvollen  Schwerte.  Hätte  die  ung.  tradition  darum  ge- 
Avusst,  so  hätten  es  die  ung.  Chronisten  gewis  nicht  verschwiegen. 
AVir  sind  also  keineswegs  berechtigt,  in  dem  berichte  Lamberts 
ein  Zeugnis  der  ungarischen  Hunnensage  zu  erblicken,  wie 
schon  Hunfalvy  (Ethnographie  von  Ungarn  s.  100)  und  Petz 
(a.a.O.  s.  50  f.)  mit  recht  betont  haben. 


')  So  von  IL  Marczali,  Ungarns  geschiclitsfiuellcn  im  Zeitalter  der 
Arpaden  s.  55,  anni.  19.  —  Paul  er  Gy.,  A  raagyar  nemzet  türtenete  az 
Arpädhazi  kirälyok  alatt  1",  112  und  431.  —  Vgl.  auch  A.  Ipolyi,  Unga- 
rische sagen  und  märchenzüge,  Zs.  f.  deutsche  rayth.  2, 169. 

')  MG.  SS.  5, 185  ad  ann.  1071;  vgl.  W.  Grinnu,  D.  heldensage'  s.  353. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.      439 

Ein  anderes  zeugnis  will  man  allgemein')  in  einer  be- 
kannten stelle  der  Klage  finden,  wo  Pilgrim  erklärt,  dass  er 
überall  nacliricliten  über  den  kämpf  der  Bnrgunden  nnd  Hunnen 
sammeln  nnd  niederschreiben  lassen  wolle.  Unter  anderem 
beabsichtigt  er  seine  boten  auch  nach  Hunnenland  zu  schicken, 
um  dort  nachfrage  über  das  ereignis  anstellen  zu  lassen: 

dar  umbe  sende  ich  nu  zehant 
mine  boten  in  Hinnen  laut: 
da  vinde  ich  wol  diu  mtere; 
wand  iz  vil  übel  waere, 
ob  ez  behalten  würde  niht.'') 

Nun  sind  ja  die  beziehungen  Pilgrims,  des  bischofs  von  Passau, 
zu  Ungarn  bekannt;  ich  kann  aber  nicht  glauben,  dass  Pilgrim 
tatsächlich  boten  nach  Ungarn  geschickt  hätte,  um  Überliefe- 
rungen von  dem  untergange  der  Bnrgunden  zu  sammeln.  Auch 
glaube  ich  nicht,  dass  der  Verfasser  der  Klage  selbst  daran 
gedacht  hätte,  dass  solche  traditionen  hätten  in  Ungarn  ge- 
sammelt werden  können.  Die  richtige  erklärung  dieser  stelle 
ist  eine  andere.  Der  fiedler  Swemmel  bringt  Pilgrim  die  er- 
schütternde nachricht  von  dem  verderben  seiner  verwanten, 
der  burgundischen  könige,  in  Hunnenland.  Als  sich  nun  Swemmel 
verabschiedet,  um  auch  die  niutter  Günthers  und  Kriemhilds  in 
Bnrgunden  zu  benachrichtigen,  wird  er  vom  bischof  aufgefor- 
dert, auf  seiner  rückkehr  in  Passau  einzukehren,  da  er  die 
ganze  begebenheit  pünktlich  niederschreiben  lassen  wolle.  Zu 
diesem  zwecke  beabsichtigt  aber  Pilgrim  auch  anderwärts 
nachfrage  anstellen  zu  lassen,  ja  er  will  seine  boten  auch 
nach  Hunnenland  senden,  um  alles  genau  und  ausführlich  zu 
erfahren,  Pilgrim  ist  natürlich  als  Zeitgenosse  x4-ttilas  gedacht, 
der  sich  über  das  furchtbare  ereignis  durch  augenzeugen  — 
wie  auch  Swemmel  einer  war  —  will  unterrichten  lassen. 
Solche  aber  waren  selbstverständlich  in  erster  reihe  auf  dem 
schauplatze  des  ereignisses,  also  in  Hunnenland,  anzutreffen; 
wollte  er  also  pünktliche  mitteilungen  erstatten,  so  musste  er 
seine  boten  nach  Hunnenland,  natürlich  als  Zeitgenosse  Etzels 
nach  dem  Hunnenlande  Etzels  und  nicht  nach  dem  Ungarn  des 


^)  So  Petz  a.  a.  o.  s.  98  f.  Sebestyen  a.  a.  o.  s.  364  f. 
2)  V.  3475  if.  Bartsch. 


•110  KLEYKK 

10.  jli/s,  schicken.     In  der  an<iefü]irten  stelle  der  Klage  kann 
also  kein  zeiignis  für  die  nng.  Himnensage  gesehen  werden. 

Das  älteste  Zeugnis  für  diese ')  können  -wir  erst  bei  dem 
anonymen  notar  künig  Belas-),  wahrscheinlich  III.  (1172 — 96)^) 
mit  bestimmtheit  nachweisen.  Schon  W.  Grimm  ^)  hat  darauf 
hingewiesen,  dass  der  notar  die  ung.  Hnnnensage  gekannt 
haben  müsse,  und  bedenken,  die  gegen  diese  auffassung  geltend 
gemacht  werden,  sind  unberechtigt."')  Damit  soll  natürlich 
nicht  gesagt  sein,  dass  er  die  Hunnenchronik  gekannt  habe; 
dies  ist  gewis  ausgeschlossen,  von  unserem  Standpunkte  aber 
auch  nicht  wichtig.  Er  weiss  von  der  abstammung  des  hauses 
Ärpäd  von  Attila  (cap.  1  u.  ü.);  er  berichtet  von  der  bürg  At- 
tilas  {Ecilhnrij  =  hiidunar:  cap.  1  u.  ö.);  er  erzählt,  dass  der 
anzug  der  Ungarn  bei  den  sl avischen  Völkern  furcht  und 
grauen  erweckte,  da  sie  ihre  führer,  Almos  und  Arpäd,  für 
erben  Attilas  hielten  (cap.  12  u.  ö.);  er  weiss  auch,  dass  die 
Szekler  ein  volk  Attilas  sind  (cap.  50),  und  erwähnt  endlich 
auch  C'saba,  freilich  in  einem  von  den  übrigen  Chroniken  ab- 
weichenden zusammenhange  (cap.  45).  Wenn  aber  der  anonyme 
notar  die  Hunnensage  kannte,  warum  verwertete  er  sie  in 


^)  "Wenn  R.  Fr.  Kaindl  (a.  a.  o.  Stud.  3—4,  28)  behauptet,  dass  iu  der 
iing.-poln.  Chronik  (Mon.  Pol.  hist.  ed.  Aug.  Bielowsld  s.  495  ff.)  die  erste  auf- 
zeichuung  der  ung.  traditiou  über  Attila  vorliege,  so  beruht  dies  auf  einer 
allzu  hohen  eiuschätzung  dieser  chronik,  die  sich  zum  schaden  seiner  Unter- 
suchungen sehr  oft  geltend  macht.  Ausser  der  identificierung  der  Hunnen 
und  Ungarn  befindet  sich  in  dieser  chronik  nichts  nennenswertes  von  volks- 
tümlich-ungarischen elementeu.  Vgl.  die  besprechung  von  AI.  Domauovsky, 
Szazadok  37,  401  tf. 

-        *)  Gesta  Hungarorum,  her.  von  M.  Floriauus  in  Historiac  Hungaricae 
fontes  domestici,  SS.  2, 1  ff. 

^)  Dass  der  chronist  der  notar  künig  Belas  111.  Avar,  daran  muss  nach 
den  ausfiihrungen  M.  Floriauus'  (a.  a.  o.  s.  258  ff.)  trotz  v.  Hcinemanu,  Kaindl 
u.  a.  mit  J.  Pauler  (A  magyar  ncmzet  törteuete  az  Arpädhäzi  kirälyok  alatt 
2^, 600 ff".)  festgehalten  werden.  Vgl.  H.  Steinackers  besprechung  a.a.O. 
s.  135  ff. 

*)  Altdeutsche  wälder  1,  252.  Vgl.  auch  Salamon  F.,  Budapest  törtenete 
2  (1885),  53  f. 

5)  Wenn  der  notar  den  namen  Ihmni  nicht  erwähnt,  so  beweist  dies 
nicht,  dass  er  nicht  gewusst  hätte,  dass  Attila  )io»iinatis.<fi))tus  atque pofen- 
iissiinus  rcx  (cap.  1),  flagdlum  dei  (cap.  20),  der  köiiig  der  Hunnen  gewesen. 
Eine  solche  Voraussetzung  ist  dem  gelehrten,  belesenen  und  auf  der  höhe 
seiner  zeit  stehenden  notar  gegenüber  durchaus  unzulässig. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.     441 

seiner  chronik  nicht,  wenigstens  in  dem  masse  wie  die  späteren 
Chronisten?  Der  notar,  der  in  seinem  gelehrtenhochmute  alle 
Überlieferung  des  gemeinen  Volkes  verschmähte,  antwortet  auf 
diese  frage  selbst:  Si  tarn  nohilissima  gens  Hungarie  siie  gene- 
rationis  et  fortia  queque  facta  siia  ex  falsis  fahulis  rusticorum, 
uel  a  garriilo  cantu  ioculatorum  quasi  som]}niando  audiret, 
ualde  indecorum,  et  satis  indecens  esset.'^)  Wir  haben  also  in 
der  Chronik  des  anonjinen  notars  ein  sicheres  und  zugleich  das 
älteste  Zeugnis  der  ungarischen  Hunnensage. 

Die  sage  selbst,  wenn  auch  nur  in  bruchstücken,  ist  in 
der  sog.  Hunnengeschichte  enthalten,  die  von  den  ung.  Chro- 
nisten, mit  ausnähme  des  notars,  der  eigentlichen  Ungarn- 
geschichte vorausgeschickt  wird.  Man  hielt  die  Hunnen  und 
Ungarn  für  dasselbe  volk,  erzählte  also  von  dem  primus  in- 
gressus  Himgarorum  in  Fannomam  (der  eroberung  Pannoniens 
durch  Attila)  und  von  dem  secundus  ingressus  (der  landnahme 
der  Ungarn  im  9.  jh.). 

Die  älteste  erhaltene  chronik,  in  der  die  geschichte  der 
Hunnen  erzählt  wird,  ist  von  Simon  Kezai"^)  {mag ister  Simon 
de  Keza  fidelis  clericus  eins,  d.  i.  Ladislaus  III.  [eig.  IV.]  oder 
der  Rumänen,  1272—1290)  nach  1282  und  vor  1290  abgefasst. 
Simon  Kezai  stammt  —  wie  es  D.  Csänki  wahrscheinlich  ge- 
macht hat^)  —  aus  dem  ehemaligen  Keza  zwischen  Bicske  und 
Ettyek  im  nördlichen  teile  des  heutigen  comitates  Stuhlweissen- 
burg,  also  aus  einer  gegend,  wo,  wie  wir  sehen  werden,  die 
ung.  Hunnensage  localisiert  war.  Von  den  übrigen  Chroniken, 
in  welchen  die  Hunnengeschichte  enthalten  ist,  will  ich  folgende, 
auf  die  ich  in  meinen  ausführungen  öfter  bezug  nehme,  hervor- 


1)  Prologiis.  Vgl.  auch  cap.  42  und  25,  wo  der  sageuhafte  bericht  eben- 
falls durch  ein  Quid  plura?  unterbrochen  wird,  wie  in  cap.  1,  wo  er  von 
Attila  spricht.  —  Die  beiden  haupthelden  der  ungarischen  Hunneusage  sind 
Attila  und  Theoderich  d.  gr. ;  dass  aber  diese  keine  Zeitgenossen  gewesen, 
wussten  die  meisten  der  mittelalterlichen  Chronisten  (so  das  sog.  Chronicou 
Urspergense;  W.Grimm,  D.  heldensage^  s.  41;  Otto  von  Freisingen  a.  a.o. 
s.  43;  Gottfried  von  Viterbo  a.a.O.  s.  49  u.a.),  und  wusste  es  höchst  wahr- 
scheinlich auch  unser  notar.  Dies  kann  eine  der  Ursachen  gewesen  sein, 
warum  er  die  ganze  Hunneusage  fallen  Hess. 

'^)  Gesta  Hungarorum ,  her.  von  M.  Florianus,  Historiae  Hungaricae 
fontes  domestici,  SS.  2,  52  ff. 

3)  Keza,  Szäzadok  37,  885  ff. 


442  HLKYKR 

lieben:  Oliroiiicon  pictum  Viiulobonensc  (her.  von  M.  Flo- 
rianus  a.a.O.  2, 100  ff.),  Chronicon  Dnbnicense  (ebda.  3, 1  ff.), 
Chronicon  Posoniense  (ebda.  4, 1  ff.),  Heinrichs  v.  Mäj^eln 
Deutsche  chronik  der  Hunnen  (her.  von  M.  G.  Kovachich, 
Sammlung  kleiner,  noch  ungedruckter  stücke.  1805,  s.  1  ff.)  und 
die  gewis  von  ihm  verfasste  lat.  Keimchronik  (her.  von  J. Chr. 
Engel,  Monumenta  Ungrica,  1809,  s.  1  ff.  —  Vgl.  G.  Eoethe, 
Heinrichs  von  Mügeln  ungarische  reimchronik,  Zs.  f da.  30, 345  ff.), 
Chronicon  Budense  (her.  von  J.  Podhradczky,  1838)  und  die 
Chronik  Johann  Turuczis,  eines  Zeitgenossen  der  Hunyadi 
.(abgedr.  bei  J. G.  SclnAandtner,  Scriptores  rerum  Hungaricarum 
1,  [174GJ,  1  ff.).  Alle  diese  Chroniken  sind  in  ihrer  erhaltenen 
gestalt  jünger  als  die  Kezais,  und  stammen  aus  dem  14.  und 
15.  jh.  Die  Übereinstimmung  dieser  Chroniken  mit  der  Kezais 
ist  meist  wörtlich,  und  abweichungen  sind  namentlich  in  der 
Hunnengeschichte  nicht  eben  häufig,  wenn  auch  —  wie  wir 
sehen  werden  —  nicht  immer  unwichtig.  Eben  deshalb  wird 
die  Hunnengeschichte  von  einem  grossen  teile  der  forscher  für 
das  werk  Kezais  gehalten,  das  von  den  übrigen  Chronisten 
ausgeschrieben  worden  wäre.')  Ein  anderer  teil  der  forscher 
hingegen  behauptet  auf  grund  der  abweichungen  und  ergän- 
zungen,  welche  die  angeführten  Chroniken  Kezai  gegenüber 
aufweisen,  dass  die  Hunnengeschichte  nicht  von  Kezai  herrühre, 
ursprünglich  auch  nicht  mit  der  Ungarngeschichte  verknüpft 
gewesen  sei,  und  dass  sie  in  der  ersten  hälfte  oder  um  die 
mitte  des  13.  jh.'s  abgefasst  worden  wäre;  sie  sei  dann  von 
Kezai  und  den  späteren  Chronisten  ausgeschrieben  und  mit 
der  Ungarngeschichte  —  und  zwar  ziemlich  ungeschickt  — 
verbunden  worden.  2) 


')  So  zuletzt  von  R.  Fr.  Kaindl,  Stud.  9 — 12, 35  ff.,  und  von  J.  Karacsonyi 
in  seiner  oben  angeführten  abhandlung,  die  in  diesem  ihren  teile  keineswegs 
überzeugend  ist. 

^)  So  H.  Marczali,  Ungarns  geschichtsquellen  im  Zeitalter  der  Arpädeu 
s.  41  ff.  Pauler  Gy.,  A  magyar  nemzet  törtenete  Szent  Istvänig,  1900,  s.  199. 
H.  Steinacker  in  der  oben  augef.  besprechung  a.  a.  0.  s.  146.  Sebestyen  Gy. 
a.  a.  0.  s.  288  ff.  —  Dass  der  Verfasser  ein  Deutscher  gewesen  wäre,  Avie 
II.  Marczali  vermutet,  ist  ganz  ausgeschlossen  (vgl.  Kaindl,  Stud.  9 — 12,  51  f.). 
Dem  widerspricht,  wenn  wir  auch  von  dem  umstände,  dass  eine  ungarische 
volkssage  von  einem  deutschen  Verfasser  nicht  hätte  herangezogen  und  aus- 
gebeutet werden  können,  aufs  entschiedenste  die  antideutsche  teudenz.  die 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HÜNNENSAGE.     443 

Welche  von  den  beiden  ansicliten  die  richtig-e  ist,  mag- 
dahingestellt sein.  Eine  entscheidung'  ist  schwierig,  nnd  ich 
kann  mich  nicht  bedingungslos  der  auffassung  von  Kaindl  und 
Karäcsonyi  anscliliessen,  trotzdem  die  autorschaft  Kezais  von 
sagengeschichtlichem  Standpunkte  eine  sehr  plausible  wäre, 
da  Kezai  wahrscheinlich  aus  einer  gegend  stammt,  wo  die 
sage  localisiert  war.  Doch  obgleich  diese  gegend  gewis  die 
eigentliche  heimstätte  der  sage  war,  war  dieselbe  zweifellos 
in  einem  grossen  teile  Ungarns,  wenn  nicht  im  ganzen  lande 
verbreitet.  So  ist  denn  der  streit  der  historiker  für  uns  auch 
hier  nicht  von  Wichtigkeit.  Wir  müssen  die  sage,  soweit  sie 
in  der  Hunnengeschichte  erhalten  ist,  über  ihr  alter  selbst 
befragen,  und  da  haben  denn  einige  decennien  unterschied  in 
der  schriftlichen  fixierung  gar  keine  bedeutung.  Wenn  ich 
mich  also  in  meiner  Untersuchung  in  erster  reihe  an  den  text 
Kezais  halte,  so  will  ich  damit  nicht  behauptet  haben,  dass 
Kezai  der  Verfasser  der  Huunengeschichte  sei.  Ich  tue  es 
lediglich  aus  dem  gründe,  weil  in  Kezais  chronik,  wie  sie  denn 
tatsächlich  von  allen  die  älteste  ist,  personen-  und  Ortsnamen, 
die  für  uns  Wichtigkeit  haben,  im  allgemeinen  in  einer  alter- 
tümlicheren form  erhalten  sind.  Dabei  werde  ich  aber  immer, 
WO  es  nötig,  auch  die  übrigen  Chroniken  heranziehen. 

Aus  der  zeit  nach  Johann  Turoczi  hat  nur  noch  die  ge- 
schichte  Attilas  von  Nie.  Ol  ah  aus  der  ersten  hälfte  des  16.jh.'s 


nicht  interpoliert  sein  kann,   wie  0.  Rademacher  es  für  möglich  hält  (Die 

ungarische  chronik  als  quelle  deutscher  geschichte,  Mersehurger  progr.  1887, 

s.  16),  da  sie  ein  tragender  und  gestaltender  gedanke  der  ganzen  Hunnen-  ,  . 

geschichte  ist.    Auf  grund  der  deutschen  Wörter  und  anspielungen ,  die  in      l_U,*>y-'^ 

der  HunuengescMchle  Torkomm eil  (eine  genaue  Zusammenstellung  siehe  bei      '  i 

0.  Eademacher  a.a.O.  s.  16),   nimmt  Sebestyen  (a.a.O.)   an,   dass   die   be-    \  >  „^-^'^'^^ \ 

Ziehungen  des  ungarischen  königshauses  zum  thüringischen  hofe  infolge    ''  -v 

der   Vermählung   der   ung.   königstochter   Elisabeth    mit    dem    landgrafen 

Ludwig  von  Thüringen  auf  die  abfassung  der  Huunengeschichte  von  einfluss        _     Jy^ 

gewesen  seien.    Nun  ist  diese  annähme,  falls  die  Hunnengeschichte  in  der     v^^'  ^ 

ersten  hälfte  des  13.  jh.'s  abgefasst  sein  sollte,  zwar  möglich,  aber  zur  er-       »^^^^va '^ '^ 

klärung  der  deutscheu  demente  nicht  die  einzig  mögliche:  deutsche  spräche  . 

und  deutsche  Verhältnisse  können  in  Ungarn  zur  zeit  der  grossen  deutschen    ^  \kJT^*^\ 

colonisationen  im  12.  und  13.  jh.  nicht  so  ganz   unbekannt  gewesen  sein.     '^ 

Sicher  aber  ist  —  dies  wird  sich  aus  den  folgenden  erörterungen  deutlich 

ergeben  — ,  dass  die  Hunnengeschichte  stofflich  nicht  die  leiseste  spur  von 

einer  einwirkung  der  deutschen  heldeusage  des  13.  jh.'s  zeigt. 


I- 


444  BLEYEU 

für  uns  bedeiitiing-J)  Oläli  scheint  die  sage  noch  im  volks- 
nmnde  gekannt  und  aus  ilir  ein  paar  ziige  unmittelbar  ent- 
nummen  zu  haben.  Die  ursprüngliche  Hunnengeschichte  ist 
im  übrigen  bei  ihm.  wie  auch  schon  bei  Turoczi,  mit  verschie- 
denem gelehrten  beiwerke  erweitert  und  zersetzt.  Die  übrigen 
geschichtswerke  der  humanisten  sind  für  uns  ganz  ohne  wert, 
und  werden  deshalb  von  mir  principiell  ausser  acht  gelassen. 
Die  erzählungen  aus  der  ung.  Hunnensage,  die  in  ihren  werken 
enthalten  sind,  sind  sämmtlich  aus  den  bekannten  ung.  Chro- 
niken, namentlich  aus  Turoczi,  entnommen  und  mit  andern 
gelehrten  elementen  combiniert  und  meist  entstellt.  Hierher 
gehören  die  werke  von  Bonfinius  (Rerum  Ungaricarum  de- 
cades),  Ranzanus  (Epitome  rerum  Hungaricarum,  bei  M.  Flo- 
rianus  a.a.o.  4,  IGöff.),  Callimachus  (Attila;  in  Bonfinii  rer. 
Ung.  dec.  ed.  Sambucus,  Frankf.  1581,  s.  853  ff.),  Ritius  (De 
regibus  Ungariae,  in  der  a.  ausg.  des  Bonfinius  s.  837  ff.),  Sig- 
1er US  (Chronologiae  rerum  Hungaricarum,  bei  ^I.  Bei,  Adparatus 
ad  historiam  Hungariae,  Posonii  1735,  s.  43  ff.),  u.  a.,  wie  auch 
die  Zeugnisse  über  die  ung.  Hunnensage  bei  Cuspinianus  (vgl. 
Erdelyi  J.,  Kisebb  prözjii  1,37),  Lazius  (De  gentium  aliquot 
migrationibus,  Francf.  IGOO,  s.  603;  vgl.  auch  Des  khiinigreichs 
Hungarn  chorogr.  Ijcm  In  i  yluiii--.  W'lrn  1556,  Dv'),  Goldast  (vgl. 
W.  Grimm,  D,  heldensage^  s.  362)  u.  a.  Keiner  von  ihnen  kannte 
die  Hunnensage  im  munde  des  Volkes,  auch  ward  von  ihnen 
eine  etwaige  ältere  oder  von  den  bereits  angeführten  Chroniken 
abweichende  fassung  der  Hunnengeschichte  nicht  benutzt;  ihre 
darstellungen  sind  also  für  die  ung.  sagengeschichte  unbrauchbar. 

Diejenigen  partien  der  Hunnengeschichte,  die  wir  als 
Hunnensage  bezeichnen,  lebten  —  dies  geht,  wie  wir  sehen 
w^erden,  aus  den  Chroniken  deutlich  hervor  —  im  munde  des 
ung.  Volkes.  Wie  die  ergänzungen  Turoczis  und  vielleicht 
auch  die  Olälis  bezeugen,  war  die  ung.  Hunnensage  im  15. 
und  vielleicht  auch  noch  im  16.  jh.,  wenigstens  teilweise, 
lebendig.  Jüngere  quellen  oder  auch  nur  Zeugnisse,  die  auf 
glaubwürdigkeit  anspruch  machen  dürften,  sind  bisher  nicht 
aufgefunden  worden.    So  ist  es  denn  höchst  wahrscheinlich, 


*)  Ich  benutze  die  ausgäbe  von  A.  Fr.  KoUar,  Nie.  Olabi  metropol. 
Strigou.  Hungaria  et  Attila,  Wien  1703,  s.  %  fl'. 


DIE  GEUM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.      445 

dass  die  heldensage  in  Ungarn,  wie  auch  anderwärts,  bei  dem 
grossen  iimscliwiing-e  des  geistigen  lebens  zur  zeit  des  huma- 
nismus,  der  reformation  und  der  eriindung  des  buclidruckes  im 
15.  und  16.  jh.  allmählicli  untergegangen  ist.  Verwüstend  und 
zerstörend,  wie  auf  sämmtlichen  gebieten  der  ungarisclien 
cultur,  wird  aucli  hier  die  grosse  Türkennot  seit  dem  tode  des 
königs  Matthias  Corvinus  mitgewirkt  haben.  Was  einige  ung. 
forscher')  noch  für  reste  der  volkssage  von  Attila  und  den 
Hunnen  gelten  lassen  wollen,  ist  ausnahmslos  gelehrten  Ur- 
sprungs, unter  dem  einflusse  der  schule  und  literatur  entstanden 
und  weiter  verbreitet.  Diesen  angeblichen  resten  gegenüber 
nehmen  u.  a.  auch  G.  Nagy^)  und  J.  Sebestyen  (a.a.O.  s.  553  f.) 
einen  verneinenden  Standpunkt  ein. 

IT.   Inhalt  der  sage. 

1)   Abstammung  der  Hunnen  und  Ungarn; 
aufbruch  nach  Pannonien. 

a)  Indem  wir  die  vorrede  Kezais  übergehen,  wo  er  die 
behauptung  des  Orosius  (richtig:  Jordanes,  Getica  cap.  24)  von 
der  dämonischen  abstammung  der  Hunnen  -  Ungarn  bekämpft, 
kommen  wir  zur  hunnisch-ungarischen  stammsage.  Der  wesent- 
liche Inhalt  dieser  erzählung,  die  in  allen  Chroniken  mit  ge- 
ringen ab  weich  ungen  enthalten  ist,  3)  lautet  folgendermassen: 
Aus   dem  geschlechte  Jafets  stammte  Menroth  oder  Nemroth  -. 

(=  Nimrod),  der  söhn  Thanas.    Es  wurden  ihm  von  Enee  oder  \ 

Enech,  einer  seiner  gattiunen,  zwei  söhne  geboren:  Hunor  und 
Mogor.  Diese  trafen  auf  einer  jagd  auf  eine  hirschkuh,  welche 
sie  nach  der  sumpfigen  Maeotis  führte.  Maeotis  bot  reiche 
und  fette  weide  und  gefiel  ihnen  deshalb  so  sehr,  dass  sie  sich 
daselbst  niederliessen.    Einst  stiessen  sie  auf  frauen  und  kinder 


^)  Vgl.  Szabo  K.,  Jegyzetek  Thierry  Amade  Atiläjara,  Üj  Magy.  mü- 
zeum,  jalirg.  8.  1,  499  ff.  563.  575  f.  A.  Ipolyi,  Zs.  f.  deutsche  myth.  1, 160  ff. 
2, 165  ff.  254  ff.  Kiiun  G.  gv.,  Hunyadvärmegye  törtenete  1,  221  ff. 

^)  Adatok  a  szekelyek  eredetehez  es  egykori  lakhelyehez  s.  48  f. 

^)  Kezai  cap.  1, 1  ff.  H.  v.  Mügelns  Deutsche  chron.  cap.  1.  Chron.  Po- 
soniense  cap.  2 — 5.  Chron.  Budense  ed.  Podhradczky  s.  3—9;  das  Chron.  Vindo- 
bonense  cap.  1—2  lässt  Nimrod  fallen,  da  er  nach  der  Bibel  nicht  von  Jafet, 
sondern  von  Cham  abstammt ;  ebenso  das  Chron.  Dubnicense  cap.  1 — 2,  und 
J.  Turöczi  cap.  8;  nur  ganz  kurz  der  anonyme  notar  cap.  1. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXXI.  3Q 


440  BLEYKU 

V 

_^7  der  sölme  Beiars')  —  cu))i  festion  tuhe  cohrent  fügt  ein  teil 
^^0  .  der  Chroniken  hinzu  — ,  unter  denen  sich  aucli  die  beiden 
töchter  des  Alanenfürsten  Dula  befanden.  Hunur  und  Mogor 
hoben  sie  zu  sich  auf  ihre  pferde  und  ritten  mit  ihnen  davon. 
Aus  der  Verbindung  Hunors  und  ]\I(igors  mit  den  tüchtern 
Dulas  sind  die  beiden  Völker  der  Hunnen  und  Ungarn  hervor- 
gegangen. 

AMr  sehen,  die  ungarisch-liunnische  stammsage  wird,  wie 
es  im  mittelalter  allgemein  sitte  war,  an  biblische  namen  ge- 
knüpft. In  diesem  ihren  teile  ist  sie  natürlich  nach  vorhan- 
denen mustern  vom  gelehrten  Verfasser  der  Hunnengeschichte 
zuwege  gebracht  worden.  In  der  erzählung  von  der  hirschkuh 
stimmt  die  Hunnengeschichte  mit  Jordaues  und  Procopius  auf- 
fallend überein,  die  jedoch  die  Hunnen  von  der  hirschkuh  nicht 
nach  Maeotis,  sondern  aus  Maeotis  nach  Scj^thien  führen  lassen.^) 
Dass  die  sage  von  der  hirschkuh  aus  Jordaues  —  durch  Ver- 
mittlung späterer  mittelalterlicher  geschichtswerke  —  ent- 
nommen wäre,  kann  nicht  mit  Sicherheit  behauptet  werden: 
die  darstelhing  scheint  das  gepräge  echter  sage  zu  haben,  wie 
auch  die  namen  Menroth  und  Enech^)  volkstümlich  zu  sein 
scheinen.  Das  märchen  von  weisenden  tieren  ist  bei  ver- 
schiedenen Völkern  verbreitet  (vgl.  J.  Grimm,  Deutsche  mytli.^ 
s.  1093  f.)  und  könnte  auch  den  Ungarn  bekannt  gewesen  sein. 
Mit  noch  grösserer  Wahrscheinlichkeit  kann  die  erzählung  von 
dem  frauenraub  als  ungarisches  sagengut  angesehen  werden. 
Es  scheinen  sich  in  derselben  wirkliche  historische  erinnerungen 
zu  spiegeln,  die  auf  berührungen  des  Ungarntums  mit  bulga- 
rischen und  alanischen  Völkern  während  seiner  wanderzeit 
hindeuten:  Belar  =  Bular  =  Bidyar,  und  Dida  =  Dulo,  ein 
bulgarisches  fürstengeschlecht  (vgl.  Sebestyen  a.a.O.  318  ff.). 

Die  stammsage  wird  in  den  Chroniken  noch  durch  eine 
ungemein  umfangreiche  genealogie  ergänzt,  in  welcher  Fr.  Hirt 


')  So  der  name  bei  Kezai ;  iu  anderen  chronikeu  die  fehlerhaften  oder 
vielleicht  an  Beriif  hei  Jordaues  cap.  17  angelehnten  formen  Bercka,  Bercla, 
Wereta ;  vgl.  Petz  a.  a.  o.  s.  29. 

*)  Vgl.  Mounusens  ausgäbe  (MG.  Auct.  ant.  5)  cap.  24,  s.  i>0.  —  Jordaues 
und  Procopius  gehen  auf  Priscus  zurück. 

ä)  £^iec/t>  üno  =  'kalbe'.  Vgl.  Sebestyen  a.  a.  o.  s.  308  ff.  Menroth 
erinnert  an  den  namen  bei  dem  anonymen  notar  cap.  28  Menumoroiit. 


DIE  GERM,  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE. 


447 


zum  teile  wirkliche  gescliiclite  sehen  willi),  ^ie  aber  gewis 
nicht  volkstümlichen  Ursprunges  ist.  2)  Vergleichen  wir  die 
genealogie  mit  der  stammsage  am  beginne  der  Hunnen- 
geschichte und  mit  dem  berichte  über  Csaba  und  seine  scy- 
thischen  stammesgenossen  am  Schlüsse  derselben,  so  sehen  wir, 
dass  hier  eine  heillose  Verwirrung  herscht,  die  kaum  jemals 
enträtselt  werden  kann.  Vielleicht  besassen  die  Ungarn  eine 
eigene  stammsage,  die  aber  von  den  Chronisten  mit  gelehrten 
und  biblischen  Zusätzen  und  willkürlichen  combinationen  bis 
zur  Unkenntlichkeit  entstellt  wurde.  Jedesfalls  aber  war  sie 
ursprünglich  und  im  volksmunde  mit  den  Hunnen  in  keinen 
Zusammenhang  gebracht,  und  der  name  Hunor  ist  zweifellos 
eine  gelehrte  bildung. 

Die  ung.  Hunnensage  beruht  auf  der  vollkommenen  iden- 
tificierung  der  Hunnen  und  Ungarn.  Sie  scheint  aber  über 
das  blosse  bewusstsein  der  verwantschaft  beider  Völker  und 
ihrer  fürstenfamilien  niemals  hinausgekommen  zu  sein.  Ja  sie 
gieng  in  ihrer  entwicklung  nicht  einmal  so  weit,  dass  sie  den 
anfaug  ihrer  erzählnng  mit  dem  Schlüsse  derselben  in  genaueren 
Zusammenhang  gebracht  hätte.  In  unserer  Untersuchung  über 
die  germ.  elemente  der  ung.  Hunnensage  müssen  wir  also  von 
der  stammsage,  die  erst  von  den  Chronisten  mit  den  Hunnen 
in  Verbindung  gebracht  sein  kann,  absehen  und  von  der  iden- 
tiflcierung  ausgehen. 

Woher  nun  die  identificieruug  beider  Völker  und  eine 
kenntnis  davon  bei  den  Ungarn?  Eine  tatsächliche  verwant- 
schaft kann  nicht  nachgewiesen  werden;  die  Ungarn  gehören 
dem  finnisch-ugrischen  sprachstamme  an,  die  Hunnen  aber,  so- 
weit es  sich  in  ermangelung  positiven  sprachlichen  materials 
beurteilen  lässt,  waren  wahrscheinlich  ein  türkisch-tartarischer 
volksstamm.  Es  wird  vielfach 3)  angenommen,  dass  sich  der 
glaube  an  die  Identität  infolge  früherer  historischer  beziehungen 
zwischen  beiden  Völkern  noch  in  Asien  bei  den  Ungarn  aus- 


*)  Attila  csalädfaja.  Keleti  szemle  (Revue  Orientale)  1,  81  ff. 


2)  Bei  Kezai  fehlt  sie;  im  Chron.  Viudobouense  cap.  11:  Älmus,  qui 
fuit  Elend,  qui  fuit  Vgeg,  qui  fuit  Ed,  qui  ftiit  Chaba,  qui  fuit  Ethele,  qui 
fuit  Bendekus  . . .  (noch  30  namen  bis)  Bor,  qui  fuit  Hunor,  qui  fuit  Nemp- 
roili,  qui  fuit  Noe.    Ebenso  in  den  übrigen  Chroniken. 

^)  Vgl.  die  oben  angeführten  ausfuhrungen  bei  G.  Nagy,  J.  Thüry  u.  a. 

30* 


\ 


4 


448  Bl.KYER 

gebildet  liahe.  Solclie  historischen  beziehungen  sind  nun  zwar 
möglich,  aber  gar  nicht  nachweisbar.  Ausserdem  muss  hervor- 
gehoben werden,  dass  die  ung.  Hunnensage  keine  spur  von 
solchen  elementen  enthält,  die  auf  irgendwelche  geschichtlichen 
beziehungen  zu  den  Hunnen  zurückgefiihi-t  werden  könnten. 
Zur  begründung  dieser  hypothese  werden  ausser  dem  glauben 
der  identität  —  wie  wir  sehen  werden  —  nur  noch  einzelne 
namen  aus  der  Hunnensage  angeführt.  Nun  ist  es  aber  klar, 
dass  sich  ein  leeres  bewusstsein  der  verwantschaft  —  beruhe 
es  nun  auf  historischer  Wirklichkeit  oder  sagenhafter  tradition 
—  und  leere  namen  ohne  stofflichen  Inhalt  in  der  erinnerung 
eines  volkes  nicht  erhalten  können;  in  stofflicher  hinsieht  aber 
ist  in  der  Hunnensage  nichts  vorhanden,  was  diese  hypothese 
unterstützen  könnte. 

Es  kann  kein  zweifei  darüber  bestehen,  dass  die  Ungarn 
von  Attila  und  den  Hunnen  erst  nach  ihrer  niederlassung  in 
der  heutigen  heiniat  gehört  haben.  In  Europa  war  die  erinne- 
rung an  Attila  und  sein  volk  noch  allgemein  lebendig,  und  die 
identificierung  der  Ungarn  mit  den  früheren  inhabern  des 
Donau-Theiss-gebietes  gieng  hier  auf  grund  gewisser  ethnischer 
ähnlichkeiten  zwischen  beiden  orientalischen  Völkern  auf  die 
natürlichste  w^eise  vor  sich.  Es  ist  bekannt,  wie  die  namen 
Ilunni,  Hunijari  und  auch  Avari  in  der  benennung  der  Ungarn 
bei  den  mittelalterlichen  Schriftstellern  beständig  verwechselt 
oder  vielmehr  abgewechselt  werden  (vgl.  Petz  a.  a.  o.  s.  84  f.). 
Hatten  die  Ungarn  nun  einmal  etwas  von  Attila  und  seiner 
herschaft  erfahren,  so  musste  von  ihnen  der  glaube  an  die 
identität  der  Ungarn  mit  dem  volke  Attilas  bereitwilligst 
angenommen  werden.  Diese  fiction  war,  wenn  auch  nicht  in 
historisch-politischer,  so  doch  —  wenn  ich  so  sagen  darf  —  in 
völkerpsychologischer  beziehung  von  bedeutung:  man  hatte 
einen  rechtstitel,  womit  nicht  das  ehemalige  land  der  Hunnen 
erobert  —  dies  war  bereits  geschehen  — ,  sondern  die  erobe- 
rung  begründet  werden  konnte.  Ein  solches  streben  nach 
rechtfertigung  ist  in  der  sagengeschichte  allgemein  bekannt 
(vgl.  W.Müller,  Myth.  der  deutschen  heldensage,  1886,  s.  16),  und 
die  gelegenheit,  welche  sich  so  günstig  bot,  wurde  von  der 
ungarischen  sage,  besonders  in  der  erzählung  des  anonymen 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.     449 

notars  (cap.  12, 14  u.  ö.)  über  die  ung.  landnahme,  auch  tatsäcli-_ 
licTTäüsg-ebeutet. 

^    ..  .      -  I    I  in»*— iiiiwi«!  III. 

Es  ist  eine  allgemeine  ansieht  der  forscher,  die  an  einen 
asiatischen  Ursprung  des  identitätsglaubens  nicht  denken  wollen, 
dass  die  identiflcierung-  der  Völker  Attilas  und  Ärpäds  den 
Ungarn  durch  die  Deutschen  bekannt  gemacht  worden  sei.  Ich 
glaube  nicht,  dass  hier  in  erster  reihe  an  die  Deutschen  ge- 
dacht werden  müsste.  Das  heutige  Ungarn  war  zur  zeit  der 
ung.  landnahme  diesseits  der  Donau,  ebenso  wie  jenseits  der- 
selben, im  grossen  und  ganzen  von  slavischen  Völkerschaften 
bewohnt.  Dass  die  erinnerung  der  Slaven  an  Attila,  dem  sie 
doch  teilweise  ebenfalls  unterworfen  waren,  im  9.  jh.  schon 
erloschen  wäre,  ist  schon  an  und  für  sich  höchst  unwahrschein- 
lich. Der  anonyme  notar  erwähnt  aber  an  mehreren  stellen 
(cap.  8.  9.  11.  12  u.  ö.),  dass  die  Slaven  sich  den  Ungarn  aus 
furcht  ergeben  hätten,  da  sie  dieselben  für  nachkommen  des 
Volkes  Attilas  gehalten  hätten.  Gewis  ist  eine  solche  darstel- 
lung  der  ung.  landnahme  nicht  historisch,  sie  kann  aber  auch 
ebensowenig  von  dem  notar  erdichtet  sein.  Es  ist  eine  sagen- 
hafte Überlieferung,  und  der  glaube  an  die  hunnisch-ung.  Iden- 
tität mag  sich  im  schrecken  und  der  Ohnmacht  den  slav.  Völ- 
kern in  Ungarn  ebenso  aufgedrängt  haben,  wie  den  Deutschen 
im  Westen.  Natürlich  konnte  eine  kenntnis  der  identiflcierung 
bei  den  Ungarn  erst  allmählich  eine  Verbreitung  finden:  sie 
setzt  eine  gewisse  sagenhafte  kenntnis  von  Attila  und  den 
Hunnen  überhaupt  voraus.  Die  aneignung  derselben  scheint 
aber  eine  geraume  zeit  in  anspruch  genommen  zu  haben,  denn 
die  sage  von  dem  listigen  kauf  des  landes  um  ein  weisses 
pferd,  wie  sie  in  den  Chroniken  erzählt  wird '),  muss  —  wenn 
sie  wirklich  echte  sage  isf^)  —  vor  der  kenntnis  der  hunnisch- 
ung.  verwantschaft  entstanden  sein,  denn  nach  derselben  — 


»)  Bei  Kezai  nur  angedeiitet  cap.  4, 16;  ausführlich  erzählt  im  Chro- 
nicon  Vindobonense  cap.  13  und  in  den  übrigen  Chroniken.  Etwas  abweichend 
bei  dem  anonymen  notar  cap.  1-i  und  38. 

2)  Auch  dieses  märchen  wird  bei  Jordanes  cap.  5  von  den  Hunuguren 
kurz  erM'ähnt;  doch  dürfte  diese  schöne,  echt  volkstümliche  sage  noch  viel 
weniger  eine  literarische  entlehuuug  sein  als  das  märchen  von  der  hirschkuh. 
Vgl.  Sebestyen  a.  a.  o.  s.  87  ft'. 


400  HLKYER 

wie  schon  Marczali  bemerkte')   —   wäre  sie  docli  zur  recht- 
ferti<^ung  der  ung.  laiuliiahme  gänzlich  übei'flüssig  gewesen. 

Germanische  elemente  sind  also  in  der  iing.  stammsage 
nicht  nachweisbar;  ebensowenig  kann  deutscher  einlluss  in  der 
identificierung  der  Hunnen  und  Ungarn  mit  Sicherheit  an- 
genommen werden. 

b)  Die  Hunnengeschichte  erzählt  weiter-):  Nachdem  sich 
die  Hunnen-Ungarn  in  ]\raeotis  so  vermehrt  hatten,  dass  deren 
gebiete  für  das  volk  zu  eng  geworden  waren,  wanderten  sie 
in  108  geschlechter  geteilt  nach  Sc3'thien  aus.  Hierauf  folgt 
eine  beschreibung  Scythiens.  Der  bericht  von  der  Wanderung 
nach  Scythien  und  die  ausführliche  Schilderung  dieses  landes 
beruhen  ohne  zweifei  auf  gelehrter  combination  und  auf  ent- 
lehnung  aus  fremden,  historischen  und  geographischen  werken. 
Die  m"sprüngliche  Hunnensage  wusste  gewis  nichts  von  all  dem; 
es  dürften  sich  aber  in  der  erzählung  der  Chroniken  dunkle 
erinnerungen  an  die  asiatische  heimat  der  Ungarn  befinden, 
die  der  Verfasser  der  Hunnengeschichte  aus  der  ung.  volks- 
überlieferung  geschöpft  haben  wird  (vgl.  Petz  a.  a.  o,  s.  30  f.  und 
Öebestyen  a.  a.  o.  s.  359  ff.). 

Da  auch  Scythien  für  das  volk  zu  klein  geworden  war 
—  so  fährt  die  Hunnengeschichte  fort^)  —  wählten  sich  die 
Hunneu-I'ngarn  sieben  herzöge:  Capitaneos  intcr  se  seil  duces 
vel  principes  prefecerunt,  quorum  unus  Wela  (oder  Bela)  fuit 
Thele  (oder  Chele*))  filius  ex  genere  Zemein  oriundus,  ciiius 
fratres  Cutve  (oder  Keice)  et  Caducha  amho  capitanei;  quarti 
vero  diicis  nomen  Ethela  fuit  JBendaciiz  (oder  Bcndecuz)  fUius, 
cuius  fratres  lieiiwa  (oder  Beiva)  et  Buda  uterque  duces  ex- 
titere  de  genere  Erd  oriundi:  ut  sinml  uno  corde  occidentales 
occuparent  regiones.     Constitiierimt    quoque    intcr  se   rectorcm 


^)  A  szekelyek  eredeteröl,  Buda-pesti  szemle  25, 142.  Vgl.  auch  Unga- 
rische geschichtsqiiellen  s. 58  und  W.Müller  a.a.O.  s.  16. 

*)  Kezai  cap.  1, 4.  Chrou.  Vindob.  cap.  2.  Chron.  Dubuic.  cap.  3  f.  Chron. 
Poson.  cap.  4.  H.  v.  Mügelns  Chron.  d.  Hunneu  cap.  1.  Chron.  Budense  s.  10  ff. 
Turöczi  cap.  4  fl". 

ä)  Kezai  cap.  2, 6.  Chron.  Yiiulob.  cap.  3.  Chron.  Dubnic.  cap.  5.  Chron. 
Poson.  cap.  6.  Chron.  Bud.  s.  14.  H.  v.  Mügelns  C'hron.  d.  Huuuen  cap.  2.  Tu- 
röczi cap.  10,  mit  einigen  gewis  secundären  abweichungeu. 

*)  ch  heute  es  geschrieben  =  c. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG.  HUNNENSAGE.  451 

ummi  nomine  Kadar  de  genere  Turda  oriundiim.  Und  nach- 
dem sie  de  tribiihus  centum  et  odo  elegerunt  viros  fortes  ad 
heUandum,  assioiientes  de  qiiolibet  genere  decem  milia  arnia- 
tonim,  aliis  in  Scitia  derelictis,  qui  eonini  regnum  ah  Jiostihiis 
custodirent,  zogen  sie  nach  westen  in  das  heutige  Ungarn  bis 
zur  Theiss,  wo  es  ihnen  wol  gefiel. 

Es  ist  schon  früh  erkannt  worden,  dass  in  diesen  bericht 
erinnerungen  aus  der  zeit  der  ung.  landnalime  gemischt  sind.i) 
Es  wurden  nach  der  analogie  der  sieben  ung.  herzöge  auch 
sieben  hunnische  angenommen.  Ob  dies  nun  eine  willkürliche 
combination  des  Chronisten,  oder  aber  eine  echte,  sagenhafte 
erweiterung  der  Hunnensage  ist,  kann  mit  Sicherheit  nicht  ent- 
schieden werden.  Die  namen  sind  mit  ausnähme  von  Bendacus 
und  Betva  sämmtlich  in  den  ung.  Urkunden  als  personen-,  ge- 
schlechts-  oder  Ortsnamen  belegt,  und  so  kann  letztere  annähme 
wol  möglich  sein,  da  das  volk  sich  die  einwanderung  und  ge- 
schlechtsverfassung  der  Hunnen  doch  nicht  anders  vorstellen 
konnte,  als  seine  eigene.  Von  diesem  berichte  der  ung.  Hunnen- 
geschichte findet  sich  in  ausländischen  Chroniken  keine  spur; 
nur  zwei  der  angeführten  personennamen  sind,  und  zwei  andere 
scheinen  identisch  zu  sein  mit  solchen,  die  auch  von  Priscus 
und  Jordanes  erwähnt  werden.  Auffallender  weise  gerade 
diejenigen,  welche  zu  dem  geschlechte  Attilas  gehören.  Indem 
ich  nun  von  den  übrigen  absehe,  da  sie  für  uns  ohne  Wichtig- 
keit sind,  will  ich  die  vier  namen  Bendaciiz,  Beiva,  Ethela  und 
Biida  einer  näheren  Untersuchung  unterziehen. 

Bendacus  wird  im  allgemeinen  mit  dem  historischen 
Movvdiovxoc  (bei  Priscus  in  Bekker  und  Niebuhrs  Corp.  Script, 
hist.  Byz.  s.  150)  oder  3Iimdzueus  (bei  Jordanes  cap.  35  und  49), 
wie  Attilas  vater  in  den  historischen  quellen  heisst,  identificiert. 
Nur  H.  Yämbery  fasst  beide  namen,  Bendacus  und  IlundmJc, 
als  verschieden  auf  und  erklärt  Mundzuk  für  ein  rein  türk. 


1)  Vgl.  Petz  a.a.O.  s.  31  und  Sebestyeu  a.a.O.  s.  381  ff.  Einen  zu- 
sammenhängenden Sagenkreis  aus  der  zeit  der  ung.  landnalime  besitzen  wir 
nicht,  nur  einzelne  trümmer,  wie  sie  bei  dem  anonymen  notar  und  in  den 
übrigen  Chroniken  enthalten  sind.  Sie  weisen  aber  ausser  dem  übergange 
von  der  Hunnen-  zur  Ungarugeschichte  keine  berührungen  mit  der  Hunnen- 
sage auf. 


452  BLEYER 

wort  in  der  bedeutung  von  'fahne',  eigentlicli  'faliiienkiiauf ; 
Bcndacuz  aber  für  eines  der  pers.  lehnwörter,  die  sich  in  der 
ung.  spräche  erlialten.  in  der  bedeutung  von  'sclave  der  trom- 
mel'. ')  Diejenigen  forscher,  die  Bcmlacuz  mQ\\i  nur  als  namen 
des  Vaters  Attilas,  sondei-n  aucli  der  wortform  nacli  mit  Mun- 
diul;  identilicieren,  halten  teilweise  die  Schreibung  Bcnüacuz 
für  einen  paläographischen  fehler-),  teilweise  aber  sind  sie 
geneigt,  in  Mundzuli  >  Benäacuz  eine  lautgesetzliche  Aveiter- 
entwicklung  und  zwar  eine  specifisch  ung.  zu  erblicken.-') 
Erstere  auffassung  ist  wol  möglich;  letztere  ist  entschieden 
falsch.  Eine  m  >  ?^  -  entsprechung  kennen  wir  innerhalb  des 
ung.  nicht;  das  z  in  Mundzucus  ist  bei  Jordanes  —  wie  Müllen- 
hoff  nachweist^)  —  eine  'barbarische'  Schreibweise  für  -di-\ 
eine  u  >  e-entsprechung  ist  im  ung.  ebenfalls  nicht  vorhanden.-) 
Eine  lautgeschichtliche  ableitung  der  form  Bendacuz  von 
Mundzuli  ist  also  unmöglich.  Bendacuz  als  Schreibfehler  auf- 
zufassen, berechtigt  in  erster  reihe  der  umstand,  dass  der 
name  in  ung.  Urkunden  oder  andern  geschichtsquellen  nirgends 
mehr  belegt  ist.  Sollte  er  aber  trotzdem  der  echten  Über- 
lieferung angehören,  so  kann  er  nur  auf  die  weise  wie  Bela, 
Keve,  Kaducha  u.s.w.  in  die  ung.  Hunnenchronik  aufgenommen 
w  Orden  sein.  Dann  kann  aber  Bendacuz  mit  Mundiulc  weder 
inhaltlich  noch  formell  irgendwie  zusammenhängen,  und  so  ist 
auch  die  annähme,  er  sei  von  den  Ungarn  als  der  name  des 
Vaters  Attilas  aus  Asien  mitgebracht  worden,  vollkommen  aus- 
geschlossen. Der  vater  Attilas  heisst  in  der  deutschen  sage 
bekanntlich  Botcluny,  in  der  nord.  Budli;  Botclnmj  und  Budli 
haben  mit  Bendacuz  oder  Mundiuh  natürlich  nichts  zu  tun. 


')  Der  urspruug  der  Magyaren,  1882,  s. -46  i\nd  168.  —  Der  iirspruug 
\\m\  die  bedeutung  des  uameus  interessiert  uns  hier  nicht,  und  so  mag  nur 
kurz  auf  die  abweichende  erklärung  Müllenhoft's  (Zs.  fda.  10, 100  und  Jor- 
danes ed.  Mommsen  s.  152)  hingewiesen  sein. 

*)  So  z.  b.  Fr.  Riedl,  Buda-pesti  szemle  27, 333. 

^)  So  Nagy  G.,  Adatok  a  szekelyek  eredetehez  es  egykori  hikhelyehez 
s.  129  und  Pallas  Nagy  lexikona  3,  7ö. 

*)  Jordanes  ed.  Mommsen  s.  152  und  Zs.  fda.  10, 160. 

•')  Wenn  G.  Nagy  zum  beweise  einer  n  >>  e-eutsprechung  Cxunad  und 
Cscnad  anführt,  so  ist  ihm  entgangen,  dass  u  hier  den  lautwert  eines  ü 
hat,  das  mit  c  (kurz  und  geschlossen)  mundartlich  abwechselt. 


DIE    GERM.   ELEMENTE   DER   UNG,   HUNNENSAGE.  453 

Reuwa  (Betva),  der  nur  von  Kezai  erwähnt  wird,  in  den 
übrigen  Chroniken  aber  durch  Keve  vertreten  ist'),  wird  im 
allgemeinen  mit  dem  historischen  Vovac  bei  Priscus  (Corp. 
Script,  bist.  Bj^z.  s.  167)  und  Boas  bei  Jordanes  (cap.  35;  Müllen- 
hoff  hält  ihn  wie  IlundmJ:  für  einen  deutschen  namen,  Zs.  fda. 
10, 161)  in  Zusammenhang-  gebracht.  Roas  war  mit  Oktar  der 
bruder  Mundiuks,  also  der  vatersbruder  Attilas  und  Bledas. 
Es  drängen  sich  hier  dieselben  fragen  auf  wie  bei  Bendacuz, 
aber  eine  sichere  oder  nur  wahrscheinliche  antwort  lässt  sich 
auch  hier  nicht  geben.  Ist  es  ein  Schreibfehler  für  Boas,  oder 
kam  er  aus  volkstümlicher  tradition  in  die  Hunnengeschichte? 
Als  ungarischer  personenname  kann  er  ebensowenig  nach- 
gewiesen werden  wie  Bendacus. 

All  die  namen  Bendacus,  Betva,  Bela,  Keve  u. s.w.  haben 
übrigens  für  die  sage  wenig  bedeutung,  auch  wenn  sie  der 
echten  ung.  Überlieferung  angehören  sollten.  In  den  kämpfen 
um  Pannoniens  besitz  verschwinden  oder  fallen  alle  träger 
dieser  namen:  sie  mussten  —  so  scheint  es  —  wider  beseitigt 
werden,  da  sie  in  die  ursprüngliche,  feste  composition  der 
sage  nicht  hineinpassten.  Die  pannonischen  kämpfe  überleben 
von  den  Hunnenfürsten  nur  Buda  und  Etele;  beide  —  in  erster 
reihe  natürlich  Etele  —  spielen  auch  weiterhin  in  der  sage 
eine  bedeutende  rolle.  Die  erklärung  ihrer  namen  ist  also 
wichtig,  und  eine  richtige  deutung  vermag  in  mehreren  be- 
ziehungen  einen  sicheren  anhaltspunkt  zu  geben.  2) 

Dass  Ethela  (Ethele)  mit  dem  historischen  Ättila  identisch 
ist,  war  schon  den  ung.  Chronisten  durchwegs  bekannt.-'^)  Der 
anonyme  notar  gebraucht  nur  die  form  Ättila,  die  übrigen 
Chronisten  ebenfalls  meist  Ättila,  nur  selten  Ethele;  nur  Kezai 
hat  durchgängig  Ethela.  Dass  die  form  Ethela,  Ethele  die 
volkstümliche  war,  und  die  Chroniken  nur  aus  gelehrsamkeit 

1)  Der  name  Keve  kommt  also  doppelt  vor,  was  nicht  ursprünglich 
sein  kann. 

2)  Ton  J.  Melich,  einem  der  gründlichsten  kenner  älterer  ung.  Sprach- 
geschichte, bin  ich  in  ung.  prähistorischen  fragen  vielfach  gefördert  worden ; 
ich  sage  ihm  hier  für  seine  freundlichkeit  aufrichtigen  dank. 

ä)  Wenn  es  im  Chron.  Dubnic.  cap.  25  in  der  genealogie  heisst:  qui 
fuit  Ättila,  qui  fuit  Etele,  so  kann  das  nur  eine  gedankenlosigkeit  des  Chro- 
nisten sein. 


l.M  BLEYER 

(1(11  iiamen  All  Ha  gebraiioliten,  ist  an  und  für  sicli  augen- 
scheinlich,  wird  aber  von  den  späteren  Chronisten,  als  die  sage 
—  -wie  es  scheint  —  nicht  melir  allgemein  bekannt  war,  aus- 
drücklich hervorgehoben,  so  z.  b.  von  Turoczi  (cap.  13):  Ailila 
. . .  qni  Iluntjarico  idiomute  Eihelc  didus  est,  von  Oläh  (cap.  3): 
Attila  humjarice  Et  lieh  didus.  Der  name  ist  auch  in  ung. 
Urkunden  mehrfach  belegt,  und  zwar  in  den  formen  Attila, 
Ethda  und  Ethdc.') 

Ueber  herkunft  und  bedeutung  des  namens  Attila  sind  schon 
vielfache  Vermutungen  aufgestellt  worden.  "W.  Grimm  brachte 
ihn  (Altd.  wälder  1, 205)  mit  dem  türk.  namen  der  "Wolga 
Atil,  Etil,  Idd')  in  Zusammenhang;  diese  ansieht  wird  von 
mehreren  ung.  forschem  auch  heute  noch  geteilt. 3)  L.  Cahun 
erklärt  Attila  aus  mongol.  atlu  'reiter'^),  K.  Fiok  aus  einem 
finn.-ugr.  Azi-U  und  afell  'Väterchen'-');  in  beiden  fällen  sind 
natürlich  die  lautverhältnisse  in  bezug  auf  ^/^//«  nichts  weniger 
als  problematisch  und  höchst  bedenklich.  Am  gefälligsten  und 
verbreitetsten  ist  die  erklärung  aus  got.  attila  ' Väterchen',  zu 
welchem  F.  Wrede  den  got.  namen  yl;i//a  (alid.  «»ö  'ahne')  als 
synon^'me  bildung  auffasst.^) 

A\'ie  nun  auch  der  name  gedeutet  werden  mag,  der  ge- 


*)  S.  eine  zixsanimenstellung,  die  aber  nicht  vollständig  ist,  von  G.Nagy 
in  Pallas  Nagy  lexikoua  6,  518  und  Ethnograpliia  1,  250.  A"gl.  auch  A.  Bal- 
lagis  Zusammenstellung  in  Irodalomtürteneti  küzlemenyek  2,  1(39.  —  Im 
deutschen  scheint  der  name  selten  gewesen  zu  sein.  Vgl.  Fr.  J.  Mone, 
Untersuchungen  zur  geschichte  der  teutschen  lieldensage,  1836,  s.  65. 
E.  Förstemanu,  Altd.  namenbuch  1  (1856),  192.  P.  Piper,  Libri  confraterni- 
tatum,  MG.  1884  (ind.  nom.  s.  414  und  441). 

'^)  Eine  Zusammenstellung  der  verschiedenen  uamensformen  dieses  llusses 
\j  s.  bei  K.  MüUeuhoif ,  Deutsche  alterturask.  2, 75,  anm.  Die  abweichuugen 
im  anlautenden  vocal  dürften  mundartlich  bedingt  sein,  vgl.  B.  Munkäcsi, 
Ethnographia  5, 164,  anm.  1. 

")  So  z.  b.  H.  Yämbery,  Ursprung  der  Magyaren  s.  41. 

*)  S.  die  besprechung  eines  aufsatzes  von  Cahun  (Le  veritable  Attila, 
La  nouvelle  revue,  1886,  3, 864  ff.)  in  den  Mitteilungen  aus  der  historischen 
lit.  10,  215.  Anderwärts  erklärt  derselbe  gelehrte  (Tntroduction  ä  l'histoire 
de  l'Asie  Turcs  et  Mougols  des  origines  ä  1405  |1S96J  s.  70)  Attila  ('en 
magyar  Atzel'!)  aus  ung.  aczel  =  'acier,  stahl',  was  freilich  komisch  ist. 

'•')  Az  ärjäk  es  ugorok  eriutkezeserol,  1894,  s.  40;  ihm  schliesst  sich  au 
Nagy  U.,  A  magyar  uemzet  türtojiete  (szerkeszt.  Szilägyi  S.  1895)  l,ccxcix. 

")  Ueber  die  spräche  der  Ostgoten,  1891,  s.  107. 


DIE    C4ERM.   ELEMENTE    DER   UNG.   HUNNENSAGE.  455 

waltige  Hunnenkönig  hiess  nach  dem  einstimmigen  berichte 
der  quellen  AttiJa,  und  wir  müssen  bei  der  erkläi'ung  des  ung. 
Ethela  —  EtJiele  von  dieser  form  ausgehen,  Hunfalvy  leitet 
Ethela,  da  er  überhaupt  das  Nibelungenlied  für  die  quelle  der 
bezüglichen  partien  in  der  Hunnenchronik  ansieht,  von  dem 
deutschen  Etsel  ab  und  liest  Ethela  als  EtsselaJ)  Doch  ist 
diese  deutung  entschieden  unrichtig,  denn  erstens  wird  dadurch 
das  a  in  der  endsilbe,  das  bei  Kezai  fest  ist,  nicht  erklärt, 
zweitens  kann  th  nur  als  t  gelesen  werden,  wie  denn  Etsel 
in  den  Ortsnamen  Ecühurg,  Echtdburc,  Ezelhurg  'Ofen'  niemals 
mit  th  geschrieben  wird  (vgl.  unten).  Andere  forscher  halten 
Ethela  für  eine  form  des  namens  Attila,  welche  die  Ungarn 
aus  Asien  mitgebracht  hätten.^)  Sie  berufen  sich  auf  Personen- 
namen wie  Adll  bei  den  Wotjaken'^),  ÄtJi-Khan  bei  Abulghazi^), 
oder  auf  eine  reconstruierte  türk.  form  Etilli  —  EtiUik^),  auf 
lesgisch  Addilla.^)  Abgesehen  davon,  dass  alle  diese  nanien 
mit  dem  Attila  der  geschichte  oder  sage  nichts  zu  tun  haben, 
lässt  sich  ung,  Ethela  von  keiner  der  angeführten  formen  ab- 
leiten; wird  es  trotzdem  versucht,  so  ist  es  nicht  mehr  als 
dilettantismus.  Auch  auf  keine  der  formen,  mit  welchen  die 
Wolga  oder  der  Don  bezeichnet  wird,  kann  Ethela  zurück- 
geführt werden,  und  es  ist  daher  falsch,  wenn  G.  Nagy,  Eth- 
nogr.  1,  259  behauptet,  der  flussname  habe  dieselben  Verände- 
rungen durchgemacht,  wie  der  personeuname  Ethela.  Der 
flussname  kommt  auch  in  den  ung.  Chroniken  vor,  aber  nie- 
mals als  Ethela,  sondern  stets  als  Etui  —  Ethul. ") 

Ethela  kann   also  weder  vom  deutschen  Etsel,  noch  von 
irgendwelcher  orientalischen  form  abgeleitet  werden.    Wenn 


')  Vamberys  Ursprung  der  Magyaren,  1883,  s.  17. 

2)  Vgl.  z.  b.  G.  Nagy  in  Tnrul  9,  120.  Pallas  Nagy  lexikona  6,  518 
und  Ethuographia  1,  259. 

3)  Munkäcsi  B.,  Votjäk  nepköltesi  bagyomängok,  1887,  s.  193. 

'*)  her.  von  Demaisons,  Petersburg  1874,  2, 11.  Vgl.  auch  Vämbery  A., 
A  török  faj,  1885,  s.  3  und  666. 

^)  Vämbery  A.,  A  magyarsäg  keletkezese  es  gyarapodäsa,  1895,  s.  45. 

«)  J.  von  Klaproth,  Reise  in  den  Kaukasus  und  nach  Georgien  3  (1814),  12. 
Vgl.  Munkäcsi  B.,  Nyelvtudomänyi  közlemenyek  28,  248. 

')  Bei  Kezai  cap.  1,  4  Etui;  im  Chron.  Vindob.  cap.  2  Etiml  und  £'^w?; 
im  Chron.  Dubnic.  cap.  4  Eilml  und  Etui;  im  Chron.  Posen,  cap.  5  Ehd  ^^\\A 
Ethul ;  im  Chron.  Bud,  s.  10  und  11  Etui 


45G  BLEYKIt 

ein  wort,  und  wäre  es  auch  nur  ein  eigenname.  siiraclilicli  er- 
klärt werden  soll,  so  ist  es  eine  elementare  forderung  der  nie- 
tliode,  dass  jeder  laut  gleiclimässig  streng  berücksiclitigt  werde. 
Aus  der  liistoriscli  gegebenen  form  Ätfila  entwickelte  sich  laut- 
gesetzlich die  deutsche  form  EizcJ,  die  nord.  AÜi  und  altengl. 
JLlIa.^)  Wie  verhält  sich  also  \\\)g.  Elcla  —  Etde  zu  AffiJa? 
Am  autfallendsten  ist  die  abweichung  im  anlaute:  c  für  a.  Hierin 
entspricht  ung,  Utcla  dem  hd.  Etzel,  wo  c  <  a  diu'ch  /-umlaut 
entstanden  ist.  Auch  in  ung.  Etela  müssen  wir  einen  ähn- 
lichen germ.  lautgesetzliclien  Vorgang  sehen,  da  an-  und  in- 
lautendes a  im  ung.  nicht  zu  c  wird.  Das  t^)  im  inlaute  ist 
aber  beibehalten,  während  es  im  deutschen  durch  die  zweite 
lautverschiebung  zu  t^;  geworden  ist.  Wir  liaben  also  augen- 
scheinlich ein  umgelautetes  e,  aber  keine  hochdeutsche  laut- 
verschiebung in  ung.  Etela.  Ein  umlaut  hat  sich  ausser  dem 
hochd.  bekanntlicli  auch  im  nordgerm.,  engl,  und  niederdeutschen 
entwickelt,  die  zweite  lautverschiebung  ist  aber  eine  speciell 
hochdeutsche  erscheinung.  Die  ung.  form  Etela  mit  nordgerm. 
oder  engl,  in  irgendwelchen  Zusammenhang  zu  bringen,  geht, 
abgesehen  davon,  dass  beide  eine  eigene,  von  der  ungarischen 
abweichende  form  haben,  die  auf  contraction  hinweist,  aus 
historischen  gründen  natürlich  nicht  au.  Ebensowenig  aber 
kann  nd.  beeinflussung  angenommen  werden,  denn  in  ung. 
Sprache  und  geschichte  lässt  sich  keine  spur  einer  solchen 
einwirkuug  nachweisen.  3)  Von  germ.  Völkern  hielten  sich 
nach  dem  abzuge  der  Hunnen  in  dem  heutigen  Ungarn  Ost- 
goten, Gepiden  und  Langobarden  längere  zeit  hindurch  auf. 
Die  Langobarden  waren  Westgermanen;  in  ihrer  spräche 
finden  sich  spuren  des  /-umlauts,  aber  auch  t  ist  regelmässig 
verschoben'»),  und  so  kann  Eicla  keine  langobard.  form  von 
Attila  sein.    Von  den  Gepiden  und  ihrer  spräche  wissen  wir 


')  Vgl.  Fr.  Kluge,  Engl.  Studien  2, 447. 

^)  Ob  es  lang  oder  kurz  gesprochen  wurde,  darüber  gibt  die  mangel- 
hafte Orthographie  der  Chronisten  keinen  aufschluss;  auch  statt  Attila 
schreiben  sie  Athila,  Atila. 

')  In  foiTiieller  hinsieht  wäre  eine  solche  allerdings  nicht  von  vorn- 
herein zurückzuweisen.  Vgl.  ud.  JEttel,  Hettel  (W.  (Trimm,  D.  heldensage^ 
8.  18Ü),  auch  Ethcla  (Altd.  wäldcr  1,  284). 

*)  Vgl.  W. Brückner,  Die  spräche  d.  Langobarden,  1895,  s.56ff.  und  164 ff. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DEE   UNG.   HÜNNENSAGE.  457 

nur  so  viel,  dass  sie  den  Goten  verwant  waren,  ihre  spräche 
also  der  ostgerm.  grnppe  angehörte.  Innerhalb  des  /-umlauts 
ist  die  palatalisierung  des  a  zu  e  am  frühesten  erfolgt.  Dieser 
process  'scheint  gemeingerm.  zu  sein,  vollzieht  sich  jedoch  erst 
im  sonderleben  der  einzelnen  dialekte.  Die  Übereinstimmung 
in  der  Wandlung  lässt  vermuten,  dass  wenigstens  der  keim 
der  bewegung  noch  in  die  urgerra.  zeit  zurückreiche.  Im  got. 
scheinen  die  westgot.  eigennamen  der  concilienacten  wie  Ega, 
Egica,  Egila,  Einila  u.  s.  w.  auf  «'-umlaut  hinzudeuten,  wenn  sie, 
was  das  wahrscheinlichste  ist,  aus  Agja,  Agica,  Agüa,  Amila 
U.S.W,  herzuleiten  sind.'i)  Wir  dürfen  also  einen  spätgot. 
Wandel  von  a>  e  annehmen,  und  da  das  got.  bekanntlich 
keine  zweite  lautverschiebung  hat,  dürfen  wir  für  Attila  eine 
spätgot.  form  *Ettila  ansetzen.  Und  somit  wären  wir  bei  der 
ung.  form  Etela  angelangt. 

Im  ung.  erhielten  sich  die  laute  e,  t  und  l  unverändert. 
Das  inlautende  i'^)  ist  im  ung.  häufig  durch  e  (kurz  und  ge- 
schlossen) vertreten,  das  mundartlich  mit  ö  (alte  Schreibweise  u) 
abwechselt;  so  schreibt  z.  b.  Kezai  durchgängig  JDüricus,  wäh- 
rend die  späteren  Chroniken  stets  JDetricus  haben,  für  urspr. 
Krimhüd  haben  wir  Krumheld  (1.  KrömJield),  neben  Ecilhurg 
auch  Eculbiirg  (1.  Ecölhurg)  und  Ezelhiirg  u.  s.  w.  3)  Das  aus- 
lautende a  ist  bei  Kezai  noch  fest,  und  gen.  und  dat.  lauten 
Ethelae.  Die  jüngeren  Chroniken  haben  Ethele,  wo  auslauten- 
des a  lautgesetzlich  zu  e  wurde,  wie  megya  >  megye,  leventa 
>  levente,  Zemera  >  Szemere  u.  s.  w.  ^)  Die  ung.  form  Etliela 
—  Ethele  kann  also  ohne  Schwierigkeit  auf  frühgot.  Attila, 
spätgot.  Ettila  zurückgeführt  werden,  ist  demnach  urverwant 
mit  nord.  Atli,  deutsch  Etzel.  Ist  die  erklärung  nicht  nur  eine 
mögliche,  sondern  auch  eine  tatsächlich  richtige,  so  sind  wir 
zu  einem  wichtigen  ergebnis  gelangt,  da  es  sich  um  einen  namen 
handelt,  dessen  führer  der  eigentliche  träger  der  hunn.  Über- 
lieferungen ist,  nicht  nur  in  der  ung.,  sondern  auch  in  der 
deutsch-nordischen.    Es  ergibt  sich  daraus:   erstens,   dass  die 

^)  W.  Streitberg,  Urgerm.  grammatik,  1895,  s.  78. 
2)  Einmal  ist  der  name  auch  mit  inlautendem  *  belegt:    Gregorius 
dictus  Etila  (G.  Fejer,  Cod.  dipl.  Hung.  10,  8  :  379)  aus  dem  j.  1395. 
^)  Vgl.  J.  Melicb,  Nyelvtudomduyi  közlemeuyek  35,  27. 
^)  Vgl.  J.  Melich,  Magyar  uyelvor.  33,  316  und  Magyar  nyelv  2  (1906),  55. 


458  BLKYER 

Hunnengeschichte  wenigstens  teilweise  wirklich  im  ung.  volks- 
niunde  lebte;  zweitens,  dass  die  sage  in  letzter  quelle  auf 
Überlieferungen  gotischen  Ursprungs  beruht.  Die  rieht igkeit 
dieses  ei-gebnisses  wird  durch  die  nachfolgenden  Untersuchungen 
nicht  nur  nicht  sclnvankend  gemacht,  sondern  besonders  durch 
den  Inhalt  der  sage  selbst  vielfach  bekräftigt. 

Uli  da  wird  schon  von  den  humanistischen  geschichts- 
schreibern,  wie  Eanzanus,  Bonfinius  u.  a.,  die  zum  teil  aus  den 
ung.  Chroniken  schöpften,  mit  dem  historischen  JJleda,  dem 
bruder  Attilas,  identificiert,  indem  sie  beide  namen  neben- 
einander gebrauchen.  Die  ung.  Chroniken  selbst  haben  nur 
die  form  Bnda\  Bleda  kommt  nicht  vor,  also  nicht  wie  neben 
Etelc  auch  ÄttUa.  Es  wird  allgemein  angenommen,  dass  Bada 
aus  Bleda  durch  volksetymologische  anlehnung  an  den  namen 
der  Stadt  Buda  —  Ofen')  entstanden  sei,  welche  in  der  sage 
für  die  Stadt  Attilas  galt.  Sicher  ist,  dass  der  bericht,  den 
unsere  Chroniken  über  Buda  mitteilen,  eigentlich  auf  den 
historischen  Bleda  bezogen  werden  muss.  Bleda  und  Buda 
sind  also  der  person  nach  jedenfalls  identisch,  aber  —  wie  ich 
der  annähme  einer  volkset^-mologischen  anlehnung  gegenüber 
beweisen  will  —  nicht  der  form  nach.  H.  Vämbery  trennt 
ebenfalls  beide  namen  2),  aber  nur  aus  blosser  freude  an 
liunnisch-,  bez.  ung.-türk.  etymologien,  ohne  daraus  weitere 
Schlüsse  zu  ziehen,  gerade  so  wenig  Avie  oben  bei  Bcndahtz 
—  3Iimditil: 

Ich  nehme  eine  got.  form  Buda  an.  ohne  mich  —  wie 
oben  bei  Ättila  —  weiter  darum  zu  kümmern,  ob  sie  ihrem 
Ursprünge  nach  hunnisch-türkisch  oder  germanisch  ist.  3)  Von 
diesem  got.  *Buda  leite   ich  Buda  der  ungarischen,   BuJli*) 

*)  Vgl.  die  dreiste  und  natürlich  gelehrt-fabelhafte  erkläruug  des  namens 
Ofen  in  der  sächs.  chrouik:  "W.Grimm,  D.  heldensage^  s.  321. 

^)  T>siirnng  der  Magyaren  s.  KJS:  Buda  <<  türk.  hud,  hut  'klein,  jung'; 
S.41:  Bh'ii)aq  <C  Blid  <  tm^.  Bidid  oder  BiUitt  'wölke'.  —  Mülienhoff 
hält  Bleda  für  germ.,  Zs.  fda.  10,169  (vgl.  auch  E.Schröder,  Zs.  fda.  41, 29), 
■was  jedoch  F.  Wrede,  Ueher  die  spräche  der  Ostgoteu  s.  138  bezweifelt. , 

*)  Got.  *hi(da  =  abd.  Boto  (nlid.  hote)  ist  im  alid.  als  personenname 
häufig  belegt,  worauf  ich  zurückkomme.  Erwähnt  sei  auch,  dass  Klaproth 
a-a.  0.  auch  ein  Budach  anführt. 

*)  Es  sei  nur  nebenbei  darauf  hingewiesen,  dass  in  der  erwähnten 
genealogie  der  chroniken  auch  ein  Budli  vorkommt.     Dieser  name  stammt 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE,      459 

und  Budlungr  der  nordischen,  und  Botelung  der  deutschen 
sage  ab,  die  von  Blcedel  in  der  deutschen  Überlieferung,  also 
von  dem  Bleda  der  geschichte  ebenfalls  verschieden  sindJ) 
Dass  Buäli  und  Budlungr  der  Eddalieder  und  V^lsungasaga 
und  Botelung  des  Nibelungenliedes,  der  Klage  u.  a.  zusammen- 
gehören, ist  natürlich  schon  längst  erkannt  worden. 2)  Setzen 
wir  ein  got.  *Buda  an,  so  erhalten  wir  im  ung.  die  entsprechung 
Buda,  wie  der  bruder  Eteles  in  der  ung.  tradition  heisst. 
Dass  die  Voraussetzung  nicht  nur  möglich,  sondern  auch  richtig 
ist,  sollen  nord.  Budli  und  deutsch  Botelung  beweisen.  Zu 
Buda  können  wir  ein  diminutivum  ansetzen,  wozu  uns  zahl- 
reiche belege  berechtigen,  z.  b.  —  um  innerhalb  des  got.  zu 
bleiben  Anna  —  Annüa,  JDuda  —  Dudila,  Guda  —  Gudüa, 
Manna  —  Ilannüa  u.a.m. 3)  Als  mittelvocal  vor  dem  suffix-Z 
wollen  wir  aber  wegen  der  deutschen  form  Botelung  nicht  -i-, 
sondern  -a-  ansetzen,  das  zwar  seltner,  aber  doch  mehrfach 
belegt  ist.  4)  Wir  erhalten  also  auf  diese  weise  ein  *Budala, 
das   im   altisl^ ^rl n  irh    voch  1  sclffl^4ind_un^paenultima    und   als 


n-staniin  lautgesetzlich  zu  Buöli  werden  musste^,  wie  die^ 
Torrn  in  den  Eddaliedern  und  der  Y^lsungasaga  tatsächlich 
lautet.  Ein  got.  *Buda  musste  im  ahd.  zu  Boto  werden; 
dieser  name  kommt  häufig  vor.^)  Aus  *Budala  ergab  sich 
ein  ahd.  Botalo,  das,  obgleich  nicht  genau  in  dieser  form, 
ebenfalls  öfter  belegt  ist. ')  Setzen  wir  nun  das  patronymische 
Suffix  -ung  an  ^Budala  an,   so  erhalten  wir  got.  *Budalugg-s, 

wahrscheinlich  aus  der  St.  Gerhard-legende  und  hat  natürlich  mit  Buda  — 
Btidli  nichts  zu  tun.    Vgl.  Sebestyen  a.  a.  0.  2,  8. 

^)  J.  Grimm,  Gesch.  der  deutschen  spräche  s.  475  leitet  Budli  <CBudila 
durch  'trajectio  liquidarum'  Yon  Bleda  ah:  doch  gewis  unrichtig. 

■'')  Siehe  W.  Grimm,  D.  heldensage^»  s.  76.  Mülleuhoff,  Zs.  fda.  10, 161. 
W.  Müller,  Myth.  der  deutschen  heldensage  s.  170. 

^)  Vgl.  F.  Wrede,  Ueber  die  spräche  der  Ostgoten,  index. 

*)  Z.  h.  got.  Amul,  Wandal,  slahals,  sahvala.  Siehe  F.  Wrede,  Ueber 
die  spräche  der  Wandalen,  1886,  s.  39.  Vgl.  auch  J.  Grimm,  Deutsche  gr. 
2,  98  ff. 

'-)  Vgl.  B.  Kahle,  Altisl.  elementarbuch  s.81  und  72. 

^)  S.  die  belege  bei  MüllenhoffTZs.  fda.  10, 161  und  E.  Forstemann, 
Altd.  namenbuch  1  (1856),  289  und  P.  Piper,  Libri  confratern.  (ind.  uom. 
419  und  491). 

')  Vgl.  J.  Mone,  Unters,  zur  gesch.  der  teutschen  heldensage,  1836, 
s.  71  und  Forstemann  a.  a.  0.  s.  290. 


400  BLEYKU 

aus  dem  sich  aisl.  Bu(Vun(/-r  und  iiilid.  Botelung  entwickeln 
musste,  wie  wir  die  formen  in  der  Edda  und  den  nilid.  epeu 
liaben.  Eine  genaue  entsprechun"-  zu  dieser  vorausgesetzten 
entwickhing  haben  wir  in  dem  namen  Amaluny.  Der  name 
Budahing  kommt  als  deutscher  personenname  öfter  vor'),  aber 
nur  in  ahd.  zeit,  wo  die  form  BodahnKj  die  gewöhnlichere, 
Fotahtnc  die  seltenere  ist. 2)  Doch  die  mhd.  epen  hal)en  nur 
Botclunc,  und  so  ist  diese  form  für  uns  bei  der  erklärung  des 
namens  der  sage  massgebend.  In  ung.  Urkunden  ist  Btida  als 
Personenname  öfter  belegt 3);  auch  im  slav.  ist  der  name  nicht 
selten.  ■*) 

Aus  dem  gesagten  geht  hervor,  dass  ung.  Buda,  nord. 
Bnöli  und  deutsch  Botelnng  sprachhistorisch  leicht  in  Zu- 
sammenhang gebracht  werden  können  und  zu  demselben  er- 
gebnis  führen  me  Ättila  >  Etele.  Die  form  Buda  oder  eine 
ableitung  davon  ist  uns  zwar  in  got.  quellen  nicht  erhalten 
wie  Ättila,  dafür  aber  haben  wir  den  namen  in  der  deutschen 
und  nordischen  Überlieferung  widergefunden,  wo  er  entschieden 
'auf  ein  hohes  alter'  (Müllenhoff  a.  a.  0.)  hinweist. 

Es  entsteht  nun  die  frage,  wie  sich  die  sprachlich  ver- 
wanten  ung.  Buda,  nord.  Bnöli,  deutsch  Botelung  sagen- 
geschichtlich zu  einander  verhalten?  Ein  wesentlicher  unter- 
schied ist  zwischen  dem  ung.  Buda  und  dem  nord.  Budli 
bez.  deutschen  Botelung  allerdings  vorhanden:  dort  ist  er 
der  bruder  Attilas,  hier  aber  sein  vater.  Doch  darf  eine 
solche  abw^eichung  in  der  sagengeschichte  nicht  allzu  hoch 
angeschlagen  werden.  "Wenn  Botelung  in  der  sage  Attilas 
vater  ist,  so  sollte  Budli  eigentlich  sein  grossvater  oder 
ahne  sein,  da  doch  das  patronymische  -ung  den  söhn  oder 
nachkommen  bezeichnet.  Also  auch  hier,  wo  doch  kein  zweifei 
über  die  Identität  gehegt  w-erden  kann,  eine  wesentliche  ab- 
weichung  im  verwantschaftsverhältnis.  Aber  abgesehen  davon 
sind  derlei  Widersprüche  in  der  entwicklung  von  sagen  äusserst 
häufig,  und  ich  will  nur  auf  ein  einziges,  sehr  nahe  liegendes 


')  Siebe  J.Mone  und  Fürstomaiin  a.a.O. 
2)  Eine  erkläruug-  versucht  Müllfuhotf,  Zs.  fda.  10, 160. 
»)  Einige  beleg.stelleu  führen  au  G.  Nagy,  Turul  9, 117  uud  AI.  Märki, 
Palhis  Nagy  lexikona  3,  780. 

*)  Vgl.  Fr.  Miklusich,  Denkschr.  d.  Wiener  ak.,  iihil.-liiit.  kl.  l(»,2öl. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG.  HUNNENSAGE,  461 

beispiel,  nämlich  auf  Kriemliild  hinweisen,  die  in  der  deutschen 
sage  die  Schwester  der  burguudischen  königssöhne  ist,  in  der 
nordischen  aber  ihre  mutter.  Also  genau  dieselbe  abw^eichung 
wie  zwischen  ung.  Buda  und  deutsch  Botelimg,  nord.  Biidli^) 
Die  deutsch -nordische  sage  weiss  von  Botelung-Buöli  weiter 
nichts  zu  berichten,  als  dass  er  der  vater  Attilas  war,  während 
in  der  ung.  tradition  einige  lebenswarme  züge  des  historischen 
Bleda  an  Buda  haften  geblieben  sind.  So  namentlich  dass  er 
mit  Attila  zusammen  regiert  habe  und  von  diesem  getötet 
worden  sei,  so  dass  Attila  alleinherscher  der  Hunnen  geworden 
ist.  Von  diesem  brudermord  weiss  die  deutsch-nord.  sage  auch 
nichts,  und  nur  an  den  vorhergehenden  bruderzwist  hat  sich, 
wie  wir  noch  sehen  werden,  eine  leise  erinnerung  in  der  nord. 
Überlieferung  erhalten.  Aber  auch  diese  ist  nicht  mehr  an 
Buöli  geknüpft.  Attilas  bruder  hatte  für  die  deutsch-nord.  tra- 
dition keine  selbständige  bedeutung  mehr,  wie  denn  überhaupt 
Attila  und  sein  reich  die  westgerm.  stamme  nur  mittelbar,  im 
zusammenhange  mit  der  Burgunden-  und  Dietrichssage,  inter- 
essierte. Wie  leicht  konnte  sich  also  eine  Verschiebung  ein- 
stellen, und  zwar  so,  dass  Attila,  der  in  seiner  welthistorischen 
bedeutung  erst  nach  Bledas  tode  deutlich  hervortrat,  zuerst 
als  nachf olger,  dann  als  söhn  Budas-*Budalas  aufgefasst 
wurde.  Die  ung.  sage  berulit  aber,  wie  namen  und  inlialt 
beweisen,  auf  Überlieferungen  ostgermanischer  stamme,  die  den 
Hunnen  unterworfen  waren  und  nach  den  Hunnen  die  gebiete 
des  heutigen  Ungarn  innehatten.  Die  unmittelbarkeit  des 
historischen  Interesses,  das  auch  bei  der  herübernahme  der 
sage  durch  die  Ungarn  nicht  unterbrochen  wurde,  erklärt 
überhaupt,  nicht  allein  in  bezug  auf  Buda,  die  fülle  und  treue 
der  hunnischen  traditionen  in  der  ung.  sage. 

AVie  sind  nun  Attila  und  Bleda- Buda  in  die  ung.  sage 
einerseits,  in  die  deutsch -nordische  andererseits  eingetreten? 
Infolge  einer  beeinflussung  der  einen  sage  durch  die  andere, 
oder  aber  unabhängig  von  einander?  Wie  wir  noch  sehen 
werden,  haben  sich  tatsächlich  beide  sagen,  die  ung.  Hunnen- 


1)  Auch  darauf  sei  hingewiesen,  dass  in  der  Kaiserchronik  (her.  von 
Ed.  Schröder,  v.  13861  f.)  die  söhne  Attilas  Plödele  und  Fritele  heissen.  — 
R.  Heinzel,  Ueher  die  ostgot.  heldensage  s.  57  schreibt  diesen  irrtum  zwar 
der  vergesslichkeit  des  dichters  zu,  aber  es  fragt  sich,  ob  mit  recht? 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutscheu  spräche.     XXXI.  yj^ 


462  BLEYER 

sage  und  die  deutsch-nord.  Nibelungensage,  gegenseitig  beein- 
ihisst.  aber  nicht  in  ihrer  entsteluing,  sondern  erst  in  ilirer 
weiterentAvicklung.  Attila  und  Bleda-Buda  gehören  aber 
entschieden  in  beiden  sagen  zu  den  ältesten  und  ursprüng- 
lichsten elementen,  sie  können  also  nur  aus  gemeinsamer 
historischer  erinnerung  stammen.  Ätll-Et.zel-Etclc  machen 
denn  auch  keine  Schwierigkeit,  denn  sie  gehen  auf  dieselbe 
historisch  gegebene  form,  auf  Ättila,  zurück;  anders  steht  es 
mit  Uiida,  da  es  doch  auffallen  muss,  dass  der  name  in  beiden 
sagen  von  der  historischen  form  abweicht,  und  zwar  auf  die- 
selbe weise  abweicht.  Ich  weiss  keine  andere  erklärung.  als 
dass  Bleda  schon  zur  zeit  der  hunnischen  herschaft  von  den 
Germanenstämmen,  vielleicht  um  dem  namen  einen  germ. 
Charakter  zu  geben,  etwa  in  volksetj-mologischer  anlehnung 
an  *b(i(la-hoto,  ganz  allgemein  Bxda  genannt  wurde.  Es  ist 
möglich,  dass  diese  Umgestaltung  des  namens  von  den  ost- 
germ.  stammen  ausgegangen  ist  und  sich  nach  westen  hin 
verbreitete,  aber  gewis  früher,  als  die  historischen  erinne- 
i'ungen  sich  zur  sage  entwickelt  hatten. 

Aus  den  obigen  erörterungen  ergibt  sich  also,  dass  die 
einwanderung  der  Hunnen  nach  dem  heutigen  Ungarn  von  der 
sage,  oder  vielleicht  auch  nur  von  den  Chronisten,  so  auf- 
gefasst  wurde,  wie  die  einwanderung  der  Ungarn.  Sollte  sich 
in  der  erzählung  über  die  abstammung  der  Ungarn  echte  sage 
eihalten  Iiaben,  so  darf  sie  nicht  auf  germanischen  Ursprung 
zurückgeführt  werden,  wie  auch  die  identificierung  der  Hunnen 
und  Ungarn  wahrscheinlich  unter  slavischem  eintiuss  entstanden 
ist.  Die  namen  der  hunnischen  fürsten  und  ihrer  geschlechter 
gehören,  wenn  sie  überhaupt  nicht  gelehrten  ursi)rungs  sind, 
zum  grössten  teile  der  specifisch  ungarischen  Weiterbildung 
der  Hunnensage  an.  Auf  germ.  und  zwar  ostgerm.  (juelle 
weisen  entschieden  die  namen  Eteles  und  Budas  hin.  Ersterer 
ist  mit  Etzel  in  der  deutschen  und  Atli  in  der  nord.  sage 
identisch;  letzterer  darf  der  form  des  namens  nach  nicht,  zum 
mindesten  nicht  direct,  dem  Bleda  der  geschichte,  Blo'del  der 
deutschen  sage  gleichgestellt  werden;  er  ist  vielmehr  mit  mhd. 
Botduwj,  nord.  Budli  urverwant. 

Beide  beiden,  Attila  und  Bleda- Bnda,  sind  nicht  infolge 
einer  beeinflussuiig   der   einen   sage   durch   die   andere   in   die 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG.   HUNEENSAGE.  463 

iing.  und  deutsch -nord.  Überlieferung  aufgenommen  worden, 
sondern  ihre  aufnähme  erfolgte  aus  gemeinsamen  historischen 
erinnerungen. 

2)  Die  eroberung  Pannoniens. 

Die  folgende  partie  der  Hunnengeschichte,  welche  über 
die  eroberung  Pannoniens  berichtet,  ist  in  sagengeschichtlicher 
hinsieht  eine  der  wichtigsten.  Ich  will  sie  also  wörtlich  nach 
Kezai  mitteilen  und  zugleich  die  wichtigsten  abweichungen 
der  übrigen  Chroniken  angeben.  •) 

Cumque  eo  tempore  Panuoniam  Pamphiliam  Phrygiam  Macedoniam 
Dalmaciamqixe  tetrarcha  Macrinns^)  uatione  Lougobardus  urbe  Sabaria 
oriundus  gubernaret,  armis  bellicis  iuforinatus,  audito  quod  Huui  super 
Tizam  resedissent,  et  de  die  iu  diem  lacerarent  regimm  eins,  cum  alumpnis 
regui  sui  ipsos  aggredi  reformidans,  ad  Romanos  suos  iiuutios  destinauit, 
contra  Hunos  petiturus  gentem  et  auxilium  commodari.  Ex  gratia  etenim 
Romauorum^)  in  predictis  partiis  imperabat.  Tunc  Romani  Ditricum 
Yeronensem ")  Alamannum  natione  illo  iu  tempore  super  se  regem  prefece- 
rant  voluntarie,  quem  petentes  ut  Macrino  subsidium  importaret.  Ditrico 
ergo  auimo  gratanti  annuente,  egressus  cum  exercitu  italico  germanico  ac 
ceteris  mixtis  gentibus  occidentis,  peruenit  iu  Zazholm^),  ubi  ipsi  Lango- 
bardi  conuenerant,  ad  Potentianam^)  ciuitatem  pertractans  cum  Macriuo 
consilium,  utrum  Hunos  in  eorum  descensu  Danubium  transiendo,  yel  in 
alio  loco  congruente  inuadere  oporteret.  —  In  istis  itaque  cousiliis  et  trac- 
tatibus  Ditrico  Macrinoque  residentibus,  noctis  silentio  super  utres  Huni 
in   Sicambria')   transierunt,    exercitum   Macrini   et   Ditrici,    quem   capere 


1)  Kezai  cap.  2,  7—8.  Cbr.Vind.  cap.  3.  Cbr.  Poson.  cap.  8.  9.  Chr.  Dubn. 
cap.  6.  Chr.  Bud.  s.  15 — 17.  H.  v.  Mügelus  Chr.  d.  Hunn.  cap.  3.  4.  Turoczi  cap, 
11. 12.  Oläh  cap.  1.  2. 

2)  Ebenso  Chr.  Vind. ;  Chr.  Dubn.  und  Chr.  Bud.  Matrinus ;  Chr.  Pos.  und 
Mügeln  3Iaterni(s;  Turöczi  Matrimis  vel . . .  Martinus;  Oläh  Maternus  aut 
. . .  Matrinus. 

ä)  Chr.  Dubn.  Ex  gratia  Bomanormn  imperatoris  (d.  i.  Detricus). 

*)  Chr.  Vind.  und  in  allen  übrigen  Chroniken  Detricus.  Bei  H.  v.  Mügeln, 
Chr.  d.  Eunn.,  wie  für  Ethela  :  Etzel,  so  für  Detricus  :  Dittrich  von  Bern. 
Turöczi:  Eadem  tempestate  Detricus  de  Verona  natione  Alamanus  Roma- 
norum  principum  de  voluntate  omni  Germaniae  praesidehat.  Ebenso  Oläh. 

^)  Ebenso  Chr.  Vind. ;  Chr.  Dubn.  Pos.  und  Bud.  Zazhelm.  H.  v.  Mügelns 
Chr.  d.  Hunn.  sashalin.  Turoczi  Zazalom;  Oläh  Zaazhalom. 

*)  Neben  Potentiana,  Potenciana  auch  Potencia.    Turoczi  fügt  hinzu : 
Erat  enim  haec  ciuitas,  ut  quidam  aiunt,  Latinorum,  ad  litus  fluminis  Da 
nuhii,  inter  Thetem  et  Zazalom  situata.    Oläh  wie  Turoczi. 

')  Turöczi:    Transnatato   itaque   infra   Sicamhrium   Danuhio,    in  ea 

31* 


46t  BLEYER 

Putentiana  uou  potnit  in  tentoiiis  campis  conunorantem  criideliter  truci- 
(larunt.  Pro  (jua  oniin  iiniasioue  Pitricus')  acerbatus  in  canipnni  Tawar- 
nucwep:  (Tavarnncveljjf)-')  exinit  ciini  Hunis  conmiittens  prelinm  cum  snornm 
et  Macrini  maxiniu  iuteritu  ac  periculo,  fertur  tanieu  Ilunos  in  lioc  loco 
potenter  deuicisse.  Hunornm  autera  residunm  in  sua  est  reversum,  accepta 
fuga,  tabernacnla.  In  eo  enim  prelio  ex  Hunis  vironim  C  milia  et  XXV 
niilia  corrnerunt  Cuwe  etiani  capitaneo  ibidem  interfecto.  De  niilitia  vero 
Ditrici  et  Macrini  exceptis  illis  ijui  in  suis  tentoriis  ante  nrbera  memoratam 
fuerant  trucidati  CC  milia  et  X  milia  perieruut.  \'idens  ergo  Ditricus 
tantam  cedem  suorum  accidisse,  die  altera  post  cougressum  prelii  perrexit 
versus  Tulnam  ciuitatem  cum  Macrino,  que  tune  erat  ciuitas  Latinorum 
inter  urbes  Pauuonie  computata.")  Tune  lluui  intellecto  quud  Jlacrinus 
et  Ditricus  de  loco  certaminis  remouissent  sua  castra,  reuersi  ad  locum 
certaniinis  sociorum  cadauera  que  poterant  invenire,  Cuvemque  capitaneura 
prope  stratam,  ubi  statua  est  erecta  lapidea,  more  Scitico  solempniter  terre 
commendarunt,  partesque  illius  teritorii  Cuweazoa*)  propter  hoc  vocauerunt. 
Cognita  itaque  armorum  et  auimi  oeeidentis  uationis  qualitate  et  quantitate, 
Huni  animum  resumendo  exercitu  resarcito  aduersus  Ditricum  et  Macrinura 
versus  Tulnam  piio-naturi  perrcxerunt.  Quorum  aduentum  Ditricus  ut 
congnouit  in  Cesummaur^)  eos  conuenit''),  et  a  maue  usque  uouam  prelium 
est  coramissum  tarn  vehemens  ac  hostile,  ut  Wela  Eewa  et  Caducha  Hu- 
norum  illustres  capitanei  cum  aliis  XL  milibus  in  ipso  certamine  interirent. 
Quorum  etiam  cadauera  abinde  remouentes  apud  statuani  memoratam  cum 
ceteris  sociis  subterraruut.  Occubuit  quoque  Macriuus  ex  Koniauo  exercitu 
ipso   die,   et  quamplures  principes   Germanorum,   Ditrico   per  iaculum   in 


parte,  vhi  nunc  villa  Kelenfexdd  locaia  est  (propter  quod  et  eadem  hoc 
vocahulo  d€)iominata  dicitus);  ebenso  Oläh,  der  aber  für  Sicambria  Buda 
schreibt. 

')  H.  V.  Mügeln  fügt  hinzu:  der  ein  laniig  u-az  der  goten  des  Volkes 
sust  genannt. 

*)  Chr.  Vind.  TarnukiioJg.  Chr.  Dubn.  Tauarnokuehjhy.  Chr.  Pos.  Ta- 
warnukivelt.  Chr.  Bud.  Tarnokvelgy.  H.  v.  Mügelns  Chr.  d.  Hunu.  tarnukusch. 
Turoczi  Tarnokvithj.   Oläh  in  ijtsa  rcdle  Thärnok. 

^)  In  den  übrigen  chrouiken  hinzugefügt:  Tidna  ciuitas  est  in  Austria, 
tres  rastas  distat  Vienne. 

*)  Chr.  Yind.  Keive  oza;  Chr.  Dubn.  Jie?/e  aza;  Chr.  Pos.  Keioehaza; 
Chr.  Bud.  ebenso.  H.  v.  Mügelns  Chr.  d.  Hunn.  Kewosa.  Turöczi  locum  que 
illum  Keiceoza  vel  Keicehäzu  vocauerunt.  Xostra  quoque  aetate,  locum 
eundem,  corrupto  rel  muiato  vocabido,  prout  id  apud  Hungaros  fieri  seiet, 
Keazo  appellari,  haud  ahsurdtwi  est  arbitrari.  Ebenso  Oläh:  Keuuehaza 
id  est  domus  Kernte. 

*)  Chr.  Vind.  Cesumaur  und  Cezunmaiir.  Clir.  Dubn.  Cczinaur.  Chr. 
Pos.  Cewsmaur  und  Cesumaur.  Chr.  Bud.  Cezmaur.  H.  v.  Mügelns  Chr.  d. 
Hunn.  temesway.  Turöczi  und  Oläh  Kesinawr. 

^)  In  Clir.  Vind.  und  den  übrigen  Chroniken  dicitur  occurrisse. 


DIE   GERM.   ELExMENTE   DER   UNG.   HUNNENSAGE.  465 

fronte  letaliter  vulnerato '),  et  quasi  toto  exercitu  occidentis  iutercepto  et 
fugato.") 

Von  kämpfen  der  Hunnen  um  den  besitz  Pannoniens 
wissen  die  ausländischen  Chroniken  nichts,  nur  ganz  verblasste 
spuren  lassen  sich  in  einzelnen  älteren  volkstümlichen  geschichts- 
werken  und  vielleicht  in  der  piörekssaga  finden.^)  Es  ist  also 
von  vornherein  ganz  unwahrscheinlich,  dass  die  Hunnengeschichte 
ihre  erzählung  aus  fremder  quelle  geschöpft  hätte.  Aber  auch 
das  ist  ausgeschlossen,  dass  der  ganze  bericht  von  dem  Ver- 
fasser der  Hunnenchronik  erdichtet  worden  Aväre.  Dies  wider- 
spricht auf  das  entschiedenste  der  Schreibweise  der  mittel- 
alterlichen historiker.  Die  Chroniken  gebrauchen  öfter  die 
ausdrücke  fertur,  dicitur  u.  a.,  und  Turoczi  und  Oläh  bezeugen 
direct,  dass  die  erzählung  im  volksmunde  und  volkstümlicher 
dichtung  lebte.'*)    Eine  nähere  Untersuchung  des  inhaltes  der 


•)  In  Chr.  Viud.  und  den  übrigen  Chroniken:  Detricus  per  sagütam 
in  fronte  vuhicrato.  Turöczi:  Cuius  tandem  sagittae  truncum,  ipse  De- 
tricus, vrhem  ad  Bomanam,  dignitatis  imperatoriae  in  curiam,  pro  docii- 
mento  certaminis  per  ipsiim  cum  Hunis  commissi,  in  fronte  dctulisse,  et 
propter  hoc,  immortalitatis  nomen  vsurpasse,  narratur.  Hungarorumqite 
in  idiomate,  liaVmtalan  Detreli  dici  meruit,  praesentem  vsqae  in  diem. 
Htmc  Detricum  galeam  quandam  habiiisse,  et  illam,  quanto  magis  de- 
fcrebat,  tanto  maiore  claritate  reftüsisse,  fabulantur.  Oläh:  Ob  qiiod  vulnus 
acceptzim,  cognomen  Detrico  ab  Hunnis  inditum  immortalis,  quem  in  hunc 
diem  Hungari  in  suis  cantionibus,  more  Graeco  historiam,  continentibus, 
Detricum  immortalem  nominant.  Teli  Jmius,  quo  fronte  ictus  erat,  partem, 
vt  plagae  acceptae  cicatrice  &  teli  fragmento  fidem  Imperatori  faceret,  dicitur 
Bomam  tulisse. 

^)  In  den  übrigen  Chroniken  hinzugefügt:  Postquam  autem  Bomanorum 
exercitus  de  Cesunmaur  est  dis2)arsus,  nunquam  deinceps  per  plures  annos 
contra  Hunos  congregari  potuerunt. 

^)  Wird  von  jüngeren  Chronisten,  so  z.  b.  von  L.  Suntheim  (vgl. 
W.  Grimm,  D.  heldensage*  s.  479),  über  diesen  krieg  erzählt,  so  ist  die 
entlehnung  aus  uug.  Chroniken  in  die  äugen  springend. 

")  Wahrscheinlich  auf  diese  kämpfe  bezieht  sich,  was  Kezai  in  seiner 
vorrede  sagt:  In  eo  etiam  idem  (d.i.  Orosius  =  Jordanes)  satis  est  trans- 
gressus  veritatem,  ubi  solos  sinistros  preliorum  euentus  videtnr  meminisse 
ipsorum  Hungororam,  felices  preteriisse  silentio  perhibetur,  quod  odii  mani- 
festi  materiam  portendit  evidenter.  Volens  itaque  veritatem  imitari,  sie 
inprosperos  ut  felices  interseram:  scripturus  quoque  ortum  prefate  nationis, 
ubi  et  habitauerint,  quot  etiam  regna  occupauerint,  et  quotiens  immutauerint 
sua  loca. 


466  BLEYER 

erzälilung  soll  den  echt  sagenhaften  chaiaktei-  des  berichtes 
über  allen  zweifei  erheben. 

Es  Aviirde  mehrfach  behanptet'),  dass  sich  auch  in  dieser 
erzähl ung-,  wie  in  der  über  die  wähl  der  sieben  herzöge, 
eigentlich  erinnerungen  an  die  ungarische  landnahme  und  die 
damit  verbundenen  kämpfe  widerspiegelten.  Es  ist  ja  wahr- 
scheinlich, dass  diese  ereignisse.  um  Uhlands  gleichnis  von  dem 
'lagerfass  voll  edeln,  alten  weines'  zu  gebrauchen,  'frischen 
aufguss  brachten'  und  für  die  sage  'neuen  gewinn'  herzutrugen, 
aber  ein  epischer  gedanke,  wie  er  in  der  erzählung  der  Hunnen- 
geschichte  einheitlich  und  abgerundet  zum  ausdruck  kommt, 
konnte  sich  aus  diesen  ereignissen  in  der  gegebenen  gestalt 
unmöglich  entwickeln. 

Nachdem  Petz  zur  erklärung  der  sage  von  den  schlachten 
an  der  Donau  auf  die  ungarische  landnahme  und  siȊtere 
kämpfe  hingewiesen  hat,  zieht  er  (a. a. o.  s. 37)  bei  der  erzäh- 
lung von  der  niederlage  Detrehs  um  Tulln  eine  stelle  Ein- 
liards  (Annales  ad  a.  791.  MG.  SS.  1, 177)  heran,  die  über  eine 
Schlacht  Karls  d.  gr.  und  der  Avaren  iuxta  Comagcnos  civitatem 
(=  Tulln)  in  monte  Cumcohcry  berichtet  und  erwähnt,  dass 
an  diesem  feldzuge  auch  ein  anführer,  namens  Thcodoricus 
comes  teilgenommen  habe.  Diesen  gedanken,  der  so  gut  zu 
seinen  erörterungen  über  die  Szeklerfrage  passt,  hat  dann 
Sebestjen  weiter  ausgeführt  und  zur  grundlage  der  ganzen 
sage  von  der  eroberung  Pamioniens  gemacht  (a.a.O.  s.  414  ff.). 


')  So  Petz  a.a.O.  s.  32.  H.Marczali,  Ungarns  geschicbtsquelleu  s.  102. 
Karäcsouyi  a.  a.  o.  s.  19  ■will  die  ganze  erzählung  von  der  eroberung  Pau- 
noniens,  die  nach  ihm  eine  Avillkürliche  coinbiuation  Kczais  wäre,  mit  dem 
kurzen  binweis  auf  zwei  ereignisse  um  die  mitte  des  11.  jh.'s  erklären: 
1)  Macrinus,  dem  der  deutsche  Petreb  zu  hilfe  eilt,  sei  kein  anderer  als 
der  ungarische  köuig  Peter,  der  im  jähre  1046  nur  mehr  ein  vasall  des 
deutsch-römischen  kaisers  war;  er  wurde  104G  in  der  Umgebung  von  Ofen 
von  den  Ungarn  überfallen,  wie  Macrinus  von  den  Hunnen  bei  Poteutiana, 
auch  er  kämpfte  verzweifelt  in  Tärnokvülgy,  da  er  docli  in  Zämor  neben 
Tärnok  gefangen  worden  sei;  2)  der  sieg  bei  Zeisclnuiuer  stelle  eigentlich 
den  kriegszug  des  königs  Aba  Samuel  dar,  der  1042  von  kaiser  Heinrich  HI. 
aus  Niederö.sterreich  zurückgeschlagon  wurde.  Karäcsonvi  begründet  seine 
ansiebt  nicht  näher,  wie  sie  denn  auch  wirklich  nicht  begründet  werden 
kann.  Aus  diesen  beiden  ereignissen  hätte  der  chrouist  die  ganze  erzäh- 
lung von  der  eroberung  Pannoniens  durch  die  Hunnen  erdichtet?  Das  ist 
doch  gewis  eine  zumutung,  die  jenseits  der  grenze  der  möglichkeit  liegt. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HÜNNENSAGE.     467 

Durch  die  Chronologie  Kezais  und  der  übrigen  Chronisten  (die 
Ungarn  seien  hundert  jähre  nach  Attilas  tode  in  Pannonien 
aufgetreten,  was  vielmehr  zur  einwanderung  der  Avaren  passt), 
die  erwähnung  eines  Langobarden  Macrinus  (in  Wirklichkeit 
folgten  nicht  die  Hunnen,  sondern  die  Avaren  auf  die  Lango- 
barden), und  die  erzähl ung  von  einem  römischen  könige  und 
einer  Schlacht  bei  Tulln  (Karl  d.  gr.,  ein  römischer  könig, 
schlug  bei  Tulln  die  Avaren  in  einem  feldzuge,  an  welchem 
auch  ein  comcs  Theodoricus  beteiligt  war)  will  Sebestyen  be- 
weisen, dass  hier  eine  tatsächliche  Verwechslung  der  Avaren 
mit  den  Hunnen  vorliege.  Er  nimmt  also  an,  die  sage  habe 
die  richtung  des  feldzuges  umgekehrt:  statt  von  westen  nach 
Osten  zurückweichen,  Hess  sie  die  mit  den  Avaren  identificierten 
Hunnen  von  osten  nach  westen  vorwärtsdringen  und  gestaltete 
die  niederlage  der  Avaren  zu  einem  entscheidenden  siege  der 
Hunnen  um. 

Ich  will  auf  die  prämissen  Sebestyens  nicht  näher  ein- 
gehen und  nur  kurz  bemerken:  1)  die  Chronologie  bei  Kezai 
und  in  den  übrigen  Chroniken  ist  nicht  nur  nicht  historisch, 
sondern  ganz  willkürlich  und  voller  Widersprüche,  so  dass  sich 
je    nach    lust    verschiedene    Schlüsse    daraus    ziehen    Hessen; 

2)  Macrinus  und  die  Langobarden  gehören  (wie  ich  unten 
nachzuweisen  suche)  nicht  der  echten  sage  an;  aus  ihrer  er- 
wähnung  kann   also   auf   die   sage    nicht   gefolgert   werden; 

3)  ist  Bitricus  de  Verona  mit  dem  deutschen  Dietrich  von 
Bern  identisch  —  dies  behauptet  Sebestyen  selbst  — ,  so  braucht 
sein  name,  wie  auch  seine  Stellung  als  könig  von  Eom  nicht 
anderswoher  erklärt  zu  werden,  da  er  in  der  deutschen  sage 
denselben  namen  führt  und  dieselbe  Stellung  einnimmt.  Dass 
die  Avaren  in  den  Chroniken  verschwiegen  sind,  wäre  zwar 
nicht  auffallend  (kommt  doch  auch  der  name  der  Goten  in 
der  deutschen  sage  nicht  vor),  aber  wie  lässt  sich  ein  um- 
kehren der  richtung  vorstellen,  und  wie  hätte  aus  dem  zurück- 
weichen ein  vorwärtsdringen  werden  sollen?  Und  vor  allem, 
was  hätte  die  sage  dazu  bewegen  können,  eine  niederlage  der 
Avaren  zu  einem  endgiltigen  siege  der  Hunnen  umzugestalten? 
Doch  abgesehen  davon,  ist  durch  diese  annähme  der  gang  der 
erzählung,  das  wesen  der  sage:  einwanderung  der  Hunnen, 
eroberung  Pannoniens,  Unterwerfung  Detrehs  u.  s.  w.,  nicht  nur 


468  ni.EYER 

nicht  erklärt,  sondern  f^c^r  nicht  berührt.  Damit  ist  natürlich 
nicht  gesagt,  dass  die  kriegszüge  der  Deutschen  gegen  die 
Avaren  keinen  einfluss  auf  die  sage  ausgeübt  haben  können. 
Es  ist  sogar  wahrscheinlich,  dass  die  erinnerung  an  die  Avaren- 
känipfe  lange  zeit  hindurch  bei  den  pannnnischen  Völkerschaften 
wach  blieb  und  allmählich  auch  auf  die  Hunnensage  einwiikte. 
Man  Avusste,  dass  in  der  gegend  von  Tullu  eine  grosse  schlacht 
geschlagen  wurde,  und  verlegte  später  die  örtlichkeit  der 
Hunnenkämpfe  wenigstens  teilweise  in  diese  gegend.  Dies  ist 
selbstverständlich  noch  keine  identittcierung  der  niederlage 
der  Avaren  mit  dem  siege  der  Hunnen.  Die  Avarenkriege 
können  also  nur  in  dem  sinne,  wie  es  von  den  ereignissen 
der  ungarischen  landnahme  oben  angenommen  wurde,  auf  die 
Hunneusage  von  einfluss  gewesen  sein;  der  epische  kern  der 
sage  aber  kann  unmöglich  auf  die  Unterwerfung  der  Avaren 
durch  Karl  d.  gr.  zurückgeführt  werden. 

Wir  müssen  also  eine  andere  erklärung  suchen.  Schon 
W.  Müller  hat  zu  diesem  teile  der  ungarischen  Hunnensage 
bemerkt'):  'vergleicht  man  damit  die  auch  schon  sagenhafte 
erzählung  des  Jornandes  (c.  48)  von  dem  ostgotischen  könige 
Vinitharius,  der  von  dem  Huunenfürsten  Balamber  angegriffen 
in  zwei  treffen  siegte,  in  dem  dritten  aber  von  dessen  pfeil 
tötlich  an  der  stirne  verwundet  wird,  so  darf  man  bei  der 
Übereinstimmung  der  einzelnen  züge  wol  annehmen,  dass  die 
ältere  gotische  sage  von  Vinitharius  auf  Dietrich  übertragen 
wurde.  Dass  die  sage  ihre  träger  mehrfach  ändert,  ist  ein 
bekannter  satz.'  ^^^  ^Müllers  ausführungen  waren  auch  Petz 
(a.a.O.  s.  42)  bekannt,  aber  er  zieht  diese  stelle  bei  Jordanes 
nur  zur  erklärung  des  pfeilschusses  heran,  den  nach  der  er- 
zählung der  ungarischen  Hunnenchronik  Detreli  im  kämpfe 
gegen  die  Hunnen  erhielt.  G.  ^latthaei  (a.  a.  o.  s.  4  ff.)  hat  den 
bericht  des  Jordanes  zum  ersten  male  als  grundlage  der  ung. 
Hunnensage  nachzuweisen  gesucht,  trotz  der  bedenken  von 
Heinzel  (üeber  die  Hervararsaga,  Wiener  SB.  114,  518)  und 
Jiriczek  (Deutsche  heldensage  1  [1898],  137,  anm.  1),  auf  die 
ich  unten  zurückkonnne. 


')  In  Henuebergers  Jalirb.  für  deutsche  lit.-gesch.  1, 165.    Vgl.  auch 
K.  MüUeuhoff,  Zs.  fda.  12, 254. 


DIE   GERM.   ELEMENTE  DEE  ÜNG.  HÜNNENSAGE.  469 

Jordanes  bericlitet  Getica  cap.  24 :  quam  adversam  eius 
valitudhiem  captans  Balaniher  rex  Hunnorum  in  Ostrogotharum 
parte  movit  procinctiim,  a  qiiorum  societate  iam  Vesegotliac 
quadam  inter  se  intentione  seiuncti  Jiahehanhir.  inter  liaec  Her- 
manaricus  tarn  vulneris  dolore  quam  etiam  Hunnorum  inciir- 
sionibus  neu  ferens  grandevus  et  plenus  dierum  centesimo  anno 
vitae  suae  defunctus  est.  cunis  mortis  occasio  dedit  Hunnis 
praevalere  in  Gothis  Ulis,  quos  dixeramus  orientali  plaga  sedere 
et  Ostrogothas  nuncupari.  Von  dem  ersten  zusammentreffen 
der  Goten  mit  den  Hunnen  um  375  wusste  also  die  got.  Über- 
lieferung nichts  näheres,  sonst  würde  auch  Jordanes  darüber 
eingehender  berichtet  haben.  Gewis  verlief  auch  dieser  erste 
zusammenstoss  nicht  ohne  blutige  kämpfe,  aber  der  tod  des 
gewaltigen  Ermanarich  drängte  jede  andere  historische  erinne- 
rung  zurück.  Die  Unterwerfung  der  Goten  gleich  nach  dem 
tode  Ermanarichs  war  keine  endgiltige  und  allgemeine  (vgl. 
Wietersheim-Dahn,  Geschichte  der  Völkerwanderung  2,  31  f.). 
Vinitharius,  ein  enkel  Wultwulfs,  des  bruders  Ermanarichs,  der 
grossvater  Walamers  und  seiner  brüder,  suchte  den  Goteu- 
staat  durch  neuunterwerfung  der  Anten  (Slaven)  wider  auf- 
zurichten, aber  vergebens.  Jordanes  berichtet  über  ihn  Getica 
cap.  48:  sed  dum  tali  Ubertate  vix  anni  spatio  imperasset  (d.i. 
Vinitharius),  7ion  est  passus  Balamber,  rex  Hunnorum,  sed 
ascito  ad  se  Gesimundo,  Hunnimundi  magni  ftlio,  qui  iuramenti 
sui  et  fbdei  memor  cum  ampla  parte  Gothorum  Hunnorum  im- 
perio  subiacehat,  renovatoque  cum  eo  focdcre  super  Vinitharium 
duxit  exercitum;  diuque  certati  primo  et  secundo  certamine  Vini- 
tharius vincit.  nee  valet  aliquis  commemorare,  quanta  strage  de 
Hunnorum  Venetharius  fecit  exereita.  tertio  vero  proelio  sub- 
reptionis  auxilio  ad  fluvium  nomine  Erac,  dum  utrique  ad  se 
venissent,  Balamber  sagitta  missa  caput  Venetharii  saucians 
interemit  Schon  dieser  bericht  des  Jordanes  hat  ein  sagen- 
haftes geprägei),  und  es  ist  wahrscheinlich,  dass  im  laufe  der 
zeit  erst  diese  kämpfe  als  solche  betrachtet  wurden,  in  denen 
die  Goten  eigentlich  ihre  Unabhängigkeit  verloren  haben,  wie 
denn  schon  Jordanes  zu  einer  solchen  auffassung  neigt,  wenn 


^)  Doch  wird  der  name  Balamher  kaum  eine  got.  erfinduug  sein,  wie 
Kieger  annimmt,  Zs.  f.  deutsche  myth.  1, 231 ;  vgl.  Matthaei  a.  a.  o.  s.  5. 


tyn  KLEYER 

er  furlfälnt:  iicjitonquc  eins  (d.i.  Vinitliarii)  Vtdumcrcam  sibi 
in  coniuyio  cojuddns  iitni  omncm  in  pacc  Gothorum  populum 
suhüction  2^ossedit,  Ha  tarnen,  ut  (jcnii  Gothorum  scmpcrum 
propriüs  rc(ju1i(s,  quamvis  llunnorum  consilio,  imperaret. 

Wir  dürfen  also  aimelinien.  dass  in  der  ostgot.  tradition 
die  erinnerung  an  Ernianaricli,  als  den  gegner  der  Hunnen, 
allmählicli  verblasste,  und  die  niederlage  Winitliars  sicli  als 
der  über  das  Schicksal  der  Goten  entscheidende  kämpf  im  ge- 
dächtnisse  erhielt.  A\'ar  doch  der  tod  Krmanarichs  und  seine 
ganze  rolle,  die  er  in  der  Gotengeschichte  spielte,  in  der  germ. 
sage  schon  sehr  früh  in  vollkommen  anders  geartete  beziehungen 
gebracht  Avorden.  Galt  also  der  krieg  Winithars  für  den  ent- 
scheidungskampf  zwischen  Goten  und  Hunnen,  so  kommt  der 
bericht  des  Jordanes  dem  der  ungarischen  Hunnengeschichte 
ungemein  nahe:  der  episch-historische  grundgedanke  ist  jeden- 
falls derselbe.  Dieser  aber  ist  für  die  lösung  unserer  frage 
von  grösster  Wichtigkeit,  die  durch  den  naclnveis  beiläufiger 
anklänge  in  einzelnen  punkten  nicht  erzielt  werden  kann. 

Nachdem  die  Ostgoten  unterworfen  waren,  drangen  die 
Hunnen  gegen  die  Westgoten  vor  (vgl.  Wietersheim-Dahn  a.a.O. 
2,  33  f.).  Jordanes  weiss  darüber  nichts  zu  berichten,  aber 
Matthaei  (a.a.o.  s.  4)  zieht  eine  stelle  aus  Ammianus  ]\Iar- 
cellinus  heran  (ed.  Fr.  E3'ssenhardt,  1871,  s.  494),  die  sich  mit 
dem  berichte  der  ungarischen  Hunnengeschichte  über  das 
erste  treffen  berührt:  Castris  dcnique  prope  Danastt  margines 
. . .  oportmic  mdatis  . . .  rumpente  noctis  tencbras  luna  vado 
flmninis  pcnetrato  . . .  Athanaricmn  ipsum  ictii  pdiverc  vcloci. 
cunique  stupentcm  ad  intpdunt  priniiDu,  a»nissis  qitihitsdain 
snonu)/  cocycrnnt  ad  cffugia  properare  montinm  praernptonu)i. 
'Allerdings  —  sagt  Matthaei  —  erfolgte  der  verhängnisvolle 
Überfall  nicht  an  der  Donau,  sondern  am  Dniestr,  wo  die 
vereinigten  Ost-  und  "\\'estgoten  unter  Athanarich  durch  die 
Hunnen  überrumpelt  wurden;  auch  hier  aber  überschritten 
diese  unbemerkt  in  einer  mondhellen  nacht  den  tluss  und 
kamen  so  den  Goten  in  den  rücken.  Dass  es  sich  hier  um 
keine  zufällige  Übereinstimmung  handelt,  wird  durch  weitere 
gotische  sagenreste  bestätigt';  nämlich  durch  den  oben  bereits 
angeführten  bericht  des  Jordanes  über  Winithar.  Ich  stimme 
Matthaei  bei   und   halte  es  für  sehr  wol  möglich,  ja  wahr- 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HÜNNENSAGE.     471 

scheinlicli,  dass  die  kämpfe  ^Yiuitliars  und  Athanarichs,  als 
die  folgenschwersten  für  das  Schicksal  des  ganzen  Gotentums, 
in  der  mündlichen  Überlieferung  mit  einander  zu  einer  einheit- 
lichen sage  verknüpft  wurden.  Nach  der  Verknüpfung  mag 
die  grundform  der  gewis  ostgot.  sage  folgendermassen  gelautet 
haben:  die  Hunnen  ziehen  des  nachts  über  einen  fluss,  über- 
fallen die  Goten  und  bereiten  ihnen  eine  niederlage;  in  einem 
zweiten  treffen  tragen  die  Goten  über  die  Hunnen  den  sieg 
davon,  in  einer  dritten  schlacht  aber  werden  die  Goten  schwer 
geschlagen,  ihr  anführer  fällt  durch  einen  pfeilschuss  in  den 
köpf,  und  das  ganze  Gotenvolk  wird  den  Hunnen  unterworfen. 

Wie  verhält  sich  nun  die  ungarische  sage  zu  dieser,  sicher 
nicht  gewaltsam  reconstruierten  und  willkürlich  vorausgesetzten 
ostgermanischer  Überlieferung?  Der  kern  der  erzählung  ist  voll- 
kommen derselbe :  blutige  kämpfe  zwischen  Hunnen  und  Goten, 
in  denen  letztere  unterliegen.  Der  name  der  Goten  wird  in 
den  sagenhaften  teilen  der  ungarischen  Chroniken  nicht  ge- 
nannt') und  wurde  es  wahrscheinlich  auch  in  der  sage  nicht  2); 
es  ist  aber  ganz  klar  und  braucht  nicht  weiter  ausgeführt  zu 
werden,  dass  es  sich  um  Goten  handelt.  Ein  dreimaliges 
treffen  mit  wechselndem  glücke  ist  zwar  eine  häufig  wider- 
kehrende  sagenformel,  hier  aber  hat  jedes  treffen  in  localer 
und  stofflicher  hinsieht  sein  eigenes  gepräge,  das  auf  einen 
bestimmten  historischen  hintergrund  hinweist.  Eine  abweichung 
ist  nur  in  der  localisierung  der  Überlieferung  und  in  den  per- 
sonen  vorhanden,  und  diese  will  ich  im  folgenden  —  Matthaei 
tut  die  ganze  frage  kurz  ab  —  zu  erklären  versuchen. 

Die  ganze  ungarische  Hnnnensage  ist  in  dem  nördlichen 
teile  des  alten  Pannonien  localisiert.  Die  erzählung  von  den 
Hunnenschlachten  spielt  in  ihrer  ersten  hälfte  im  nordöstlichen 
teile  des  heutigen  comitates  Stuhlweissenburg.  Detreh  gelangt 
mit  seinem  italienischen,  germanischen  und  aus  verschiedenen 
andern  Völkern  bestehenden  beere  nach  Zasholm,  d.  i.  Sms- 


•)  Wenn  H.  v.  Mügeln  den  Dietrich  einen  hunig  der  goten  nennt,  so 
hat  er  diese  beziehnng  gewis  aus  seiner  gelelirsamkeit  geschöpft. 

^)  In  dieser  war  ihr  name  vielleicht  Eoniani,  oder  aber  als  bezeich- 
uung  ihres  germanischen  wesens  Alemanni. 


472  BLEYER 

halom  '),  Ccntnm  inontcs  —  so  wird  der  ort  von  dem  anonymen 
notar  ganz  richtig:  genannt-)  —  unterhalb  Krd  in  der  nähe 
von  Batta.  ])ie  benennung  des  ortes  hängt  mit  den  zahlreichen 
hiigeln  zusammen,  die  in  dieser  gegend  zu  finden  sind.  Es 
sind  grabhügel  aber  wie  ausgrabungen  erwiesen  haben,  nicht 
hunnische,  sondern  keltische.^)  Von  dem  volke  wurden  sie 
aber  für  Hunnengräber  gehalten,  und  so  waren  sie  höchst 
geeignet  dazu,  eine  localisierung  der  Hunnenschlachten  in  dieser 
gegend  herbeizuführen. 

Neben  Szäzhalom  wird  Potentiana  gedacht,  Turöczi  fügt 
zu  dem  berichte  der  übrigen  Chroniken  hinzu:  Erat  enim  haec 
civitas,  nt  qnidam  ainnt,  Latinoriim,  ad  litns  fluminis  Bannhii, 
inter  Thciem  (das  heutige  Teten}')  et  Zasalom  sittiata.  Die 
localisierung  Potentianas  zwischen  Teteny  und  Szäzhalom  kann 
nur  eine  Schlussfolgerung  Turoczis  aus  der  darstellung  der 
übrigen  Chroniken  sein,  und  das  ahmt  muss  sich  auf  diese 
beziehen,  denn  ausser  an  dieser  stelle  der  Hunnengeschichte 
kommt  der  Ortsname  nirgends  vor.  Ueber  diese  angeblich 
römische  Stadt  wurde  schon  viel  geschrieben  und  nachgeforscht, 
aber  ohne  sicheren  erfolg.  Schon  bei  Seh  wandt  ner  ist  darauf 
hingewiesen^),  dass  vielleicht  eine  Verwechslung  mit  der  pan- 
nonischen  Stadt  Äloycntiana  vorliege.  Dieser  annähme,  die 
bereits  St.  Schoenwisner  zurückgewiesen  hat^),  pflichtet  Sebe- 
styen  (a.  a.o.  s,  419f.)  bei  und  hebt  hervor,  dass  in  dieser 
gegend  Theoderich  d.  gr.  geboren  und  der  Suavenkönig  Huni- 
mnnd  von  Theoderichs  vater  bei  einem  nächtlichen  Überfall 
gefangen  genommen  worden  sei  (Jordanes,  Getica  cap,  52.  53). 
Petz  macht  (a. a. o.  s.  33  f.)  darauf  aufmerksam,  dass  städte- 
uamen  in  gleicher  oder  ähnlicher  form  auch  anderwärts  vor- 


*)  Ung.  sz  =  stimmloses  s,  ung.  z  =  stimmhaftes  s,  ä  =  offenes  uud 
gedehntes  a. 

^)  Cap.  42.  —  Also  nicht  Szäszhalom,  d.i.  'Sachscnhügel',  wie  seiner 
zeit  Horväth  J.,  Rajzolatok  a  magyar  uemzet  Icgrögibh  türtenetebül,  1825, 
s.  40  und  Grf.  J.  Muiläth,  Geschichte  der  Magyaren,  1831,  4,  anh.  s.  47  ver- 
muteten. In  W.  Grimms  D.  heldensage^  ist  also  *171  c  als  falsch  zu  streichen; 
Berö  ist  eine  willkürliche  lesuug  für  Verona. 

ä)  Vgl.  Luczenbacher  J.,  Akademiai  ertesito,  1847,  s.  282 ff.  und  (j.Nagy 
in  Pallas  nagy  lexikona  ü,  474  (Hunn  sirok)  und  11, 105  (Kunhalmok). 

*)  SS.  Rer.  Hung.  1, 58,  anm.;  vgl.  auch  Corp.  inscript.  Lat.  3, 1,523. 525. 

*)  Itin.  et  cornm.  geogr.  2  (1781),  236. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER  UNG.   HUNNENSAGE.  473 

kommen,  und  dass  nach  dem  römischen  Imperator  Potentianus 
leicht  verschiedene  römische  colonien  den  namen  Potentiana 
erhalten  haben  können;  auch  in  Pannonien  könne  es  eine 
solche  gegeben  haben,  wie  denn  St.  Schoenwisner  (a.a.O. 
2, 236  f.)  von  zwei  steinbruchstücken  aus  Pannonien  mit  der 
inschrift  Potentia  und  J^eapotentia  berichtet.  J.  Pauler  meint, 
es  liege  eine  erinnermig  an  Pollentia  vor,  wo  Stilico  die  Goten 
überfiel. ')  Es  ist  jedenfalls  zweifelhaft,  ob  es  jemals  in  Pan- 
nonien eine  Stadt  dieses  namens  gegeben  hat;  sicher  aber  ist, 
dass  es  zur  zeit  der  ungarischen  landnahme  keine  auch  nur 
ähnlichen  klanges  gab.  Eben  deshalb  bin  ich  der  ansieht, 
dass  Potentiana  nicht  der  echten  Überlieferung  angehören 
könne.  Alle  übrigen  Ortsnamen,  die  in  der  Hunnenchronik 
erwähnt  werden,  sind  fest  fixiert  und  bezeichnen  dörfer  und 
Städte,  die  zur  zeit  der  Ärpäden  ausnahmslos  bestanden  und 
zum  grossen  teile  auch  noch  heute  bestehen.  Ist  es  nun 
denkbar,  dass  die  sage  einen  namen  mit  sich  geschleppt  und 
ihn  zwischen  lauter  bekannten  Ortschaften  fixiert  hätte,  wo 
es  doch  dort  eine  Stadt  dieses  oder  ähnlichen  namens  nicht 
gab?  Der  erste  beste  zuhörer  hätte  den  dichter  oder  erzähler 
der  lüge  strafen  können.  Auch  kann  Potentiana  oder  Potentia 
in  dieser  form  unmöglich  im  ung.  volksmunde  gelebt  haben; 
wäre  aber  die  form  eine  andere,  volkstümlichere  gewesen,  so 
wäre  sie  auch  von  den  ung.  Chronisten  nicht  umgestaltet  oder 
verschrieben  worden,  wie  dies  auch  mit  Etele,  Buda,  Ssdz- 
halont,  TdrnoJcvölgy  i\.s.v,\  nicht  geschehen  ist.  ^Yoller  stammt 
nun  der  name?  Ich  halte  ihn  für  eine  gelehrte  entlehnung; 
freilich  ohne  dass  ich  auf  die  frage,  aus  was  für  einer  quelle 
er  entnommen  worden  sei  und  was  die  veranlassung  zu  dieser 
entlehnung  gegeben  habe,  antworten  könnte.  Wir  haben  aber 
mehrere  stellen  in  der  Hunnengeschichte,  die  zweifellos  ge- 
lehrten Ursprungs  sind,  deren  directe  quelle  aber  ebenfalls 
nicht  nachgewiesen  werden  kann. 

Während  Detreh  und  Macrinus  sich  berieten,  setzten  die 
Hunnen  nachts  bei  Sicambria  über  die  Donau,  überfielen  das 
vereinigte  beer  und  bereiteten  ihm  eine  schwere  niederlage. 


•)  Jordanes,  Getica  cap.  30.  Pauler  Gy.,  A  magyar  nemzet  törtenete  Szent 
Istvänig  s.  201,  anm.  3. 


474  HI.KYER 

Dass  Sicanthria  iiiclit  der  ecliteii  überliefennig-  angeliört,  ist 
selbstverständlich.  Es  ist  der  gelehrte  iiaiiie  für  Bmla  =  Ofen, 
der  seine  entstehiing  der  fränkischen  Trojasage  verdankt.») 
Die  Trojasage  wird  von  Fredegar,  dem  veifasser  der  Gesta 
regum  I'^rancorum  und  andern  erzählt,  und  der  nanie  Sicanihria 
kam  auf  diesem  wege  nicht  nur  in  die  llunnenchrunik.  sondern 
wurde  in  gelehrten  werken  noch  Jahrhunderte  lang  angewendet.^) 
Turoczi  lässt  die  Hunnen  unterhalb  Sicambria  bei  Kelenfcuid 

—  lies  Kelcnfülä,  wie  der  ort  neben  Ofen  noch  heute  heisst 

—  übersetzen,  und  zwar  eines  Wortspieles  halber:  dt-kelni  = 
'übersetzen'. 

Nach  diesem  überfalle  zog  sich  Detreh   mit  dem  beere 
nach  Tavarnucvelg,  d.i.  Turnolcvülgy  zurück,   wo   die  Hunnen 

—  fertnr  hebt  die  chronik  hervor  —  eine  gewaltige  nieder- 
lage  erlitten.  TdrnoJc  ist  heute  noch  ein  unter  diesem  namen 
bestehender  marktflecken  im  comitat  Stuhlweissenburg  westlich 
von  Teleny  und  Erd.=')  Trotz  ihres  sieges  wichen  Detreh  und 
Macrinus  zurück,  und  die  Hunnen  bestatteten  ihre  gefallenen, 
unter  ihnen   auch  den  herzog  Cidce  (lies  Köve)  oder  Keva,  in 


')  Vgl.  K.  L.  Roth,  Die  Trojasage  der  Frauken,  Germ.  1, 34  ft.,  iiud  Petz 
a.  a.  0.  s.  34. 

*)  Vgl.  F.  Salamou,  Bud-Pest  törteuete  1,82  ff.  Turoczi  cap.  1  leitet 
den  namen  nicht  Ton  Sicamher,  sondern  von  dem  berge  Sycan  ab.  G.  Mat- 
thaei  (Beitr.  z.  gesch.  d.  Siegfriedssage,  progr.,  Gr.-Lichterfelde  1905,  s.  22  f.) 
ist  geneigt,  in  diesem  namen  etwas  historisch-sagenhaftes  zu  sehen.  Aber 
diese  ansieht  ist  zweifellos  falsch.  Auch  die  angebliche  steininschrift: 
legio  Sicamhrorum  hie  praesidio  collocata  civitatem  aedificaveruni,  quam 
ex  suo  nomhte  Sicambrium  rocavenod,  die  unter  künig  Matthias  Corvinus 
im  15.  jh.  gefunden  sein  soll,  ist  nichts  weiter  als  eine  einfältige  fälschung 
des  Bonfinius  (Hung.  dec.  1,  lib.  1),  wie  dies  St.  Schoenwisner  (De  ruderibus 
laconici  caldariique  Romauorum,  Budae  1778,  s.  212)  deutlich  bewiesen  hat. 
Vgl.  Salamon  a.  a.  o.  s.  88  ff. 

')  Sebestycn  a.a.o.  s.  428  u\(iu{ifi.dert  Tärno/a-ülyy  mit  TimioJc  im  co- 
mitat Zala,  und  zwar  auf  grund  seiner  annähme,  dass  Foteidiana  mit  Mo- 
gantiana identisch  sei.  Da  aber  alle  übrigen  Ortsnamen  auf  den  nordöst- 
lichen Winkel  im  comitat  Stuhlweissenburg  hinweisen,  und  da  I'otcniiana, 
wenn  es  auch  mit  Mugentiana  identiticiert  werden  dürfte,  meiner  ansieht 
nach  nicht  der  echten  Überlieferung  angehört,  kann  ich  mich  der  auffassung 
Sebestyens  nicht  anschliessen :  Turnok  =  Tavarniciis  ist  ein  slavisches  lehu- 
wort;  völgy  =  'tul'. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG.   HUNNENSAGE.  475 

Cmveazoa  neben  der  landstrasse '),  wo  eine  steinsäule  stand. 
Dieses  Cmveasoa  ist  mit  dem  heutigen  Kajdszö  (-Szent-Peter) 
südwestlicli  von  Tärnok  identisch.  2)  Köveaszö  bedeutet  eigent- 
lich so  viel  wie  'steintal';  die  bedeutung,  die  dem  namen  von 
den  Chronisten  gegeben  wird:  Keve  heim  =  'das  haus  Keves' 
ist  falsch  und  ist  für  eine  gelehrte  etymologie  anzusehen,  wie 
solche  von  den  Schriftstellern  des  mittelalters  auf  jede  mög- 
liche und  unmögliche  weise  hergestellt  werden.  Wäre  die 
etymologie  in  diesem  sinne  volkstümlich  gewesen,  so  hätte  sich 
hdsa  —  ein  häufiges  compositionsglied  in  ung.  Ortsnamen  — 
in  der  Weiterentwicklung  des  namens  erhalten  müssen.  Hun- 
falvy3)  nimmt  an.  dass  die  Chronisten  selbst  den  namen  des 
herzogs  von  dem  Ortsnamen  abstrahiert  hätten.  Doch  gerade 
so  gut  kann  auch  der  volksmund  den  personennamen  vom 
Ortsnamen  abgeleitet  haben,  um  so  mehr,  da  der  persouenname 
Keve  in  den  ung.  Urkunden  nicht  selten  ist.  Wichtig  ist  in 
sagengeschichtlicher  hinsieht  die  erwähnung  einer  steinsäule. 
Steinsäulen  und  heidnische  grabhügel  werden  in  mittelalter- 
lichen ung.  Urkunden  bei  grenzbestimmungen  häufig  angeführt. 
Auch  diese  steinsäule  war  gewis  eine  grabsäule,  wie  sich  denn 
in  dieser  gegend  —  was  ich  schon  hervorhob  —  zahlreiche 
grabhügel  befinden,  aus  denen  gemetzte  steine,  kriegsgeräte, 
beine,  urnen,  asche  in  grosser  menge  zum  Vorschein  kamen.  ^) 
Dass  ein  Zusammenhang  zwischen  dem  Ortsnamen  Köveasso, 
dem  Personennamen  Köve  und  der  steinsäule  (ung.  ho  'stein') 
vorhanden  ist,  liegt  auf  der  band.  Also  auch  hier  ein  deut- 
licher fingerzeig,  wie  und  warum  die  sage  in  dieser  gegend 
localisiert  wurde.  Nach  der  Schlacht  bei  Tulln  werden  auch 
Wela,  Rewa  und  Caducha  in  Keveaszo  beigesetzt,  und  auch 
Etele  lässt  die  Hunnengeschichte  hier  bestatten.  In  Keveaszo 
war  also  die  gemeinsame  grabstätte  der  Hunnenfürsten,  ähn- 
lich wie  die  der  ungarischen  könige  in  Stuhlweissenburg. 
Der  rückzug  Detrehs  und  Macrinus'  ermutigte  die  Hunnen, 


^)  Es  ist  darunter  die  Römerstrasse  zu  verstehen,  deren  reste  nocli  heute 
bei  Erd  und  Batta  zu  sehen  sind.    Vgl.  Corp.  inscr.  Lat.  3, 1,  434  ff. 

^)  Vgl.  Szalay  J.,  Attila  sirja,  Archaeologiai  ertesitu,  üj.  foly.  3, 149  ff. 
und  Nagy  G.,  Kevehäza,  Pallas  uagy  lexikona  10,  479  f. 

ä)  A  szekelyek,  1880,  s.  23. 

*■)  Vgl.  Sebestyen  a.  a.  0.  s.  426. 


476  BLEYEK 

sie  eilten  dem  feinde  nach  und  stiessen  auf  ilin  bei  Cesiimmanr 
(lies  Cezümmaur).  Es  entspann  sich  eine  blutige  schlacht,  die 
mit  dem  siege  der  Hunnen  endigte.  Die  1  [unncn  verloi-en  von 
ihren  herzögen  A\'ela,  I\eA\a  und  Caducha;  aber  auch  ^facrinus 
fiel  und  Detreh  wurde  schwer  verwundet.  Ce^ö»niuuir  ist 
natürlich  mit  Zeisdniuucr  unterhalb  Tulln  in  Niederösterreich 
identisch.  P.  llunfalvy  war  der  ansieht,  der  ungarische  Chro- 
nist habe,  wie  überhaupt  den  grössten  teil  der  sagenhaften 
elemente,  auch  die  beiden  Ortsnamen  Tulln  und  Zeiselmauer 
aus  dem  Nibelungenliede  herübergenommen.  Dass  diese  auf- 
fassung  irrig  ist,  bedarf  keines  beweises.  Die  ungarische 
Hunnengeschichte  hat  ausser  Kriemhild  und  einigen  namen, 
die  ganz  anders  erklärt  werden  müssen,  als  Hunfalvy  es 
tat,  mit  dem  Nibelungenliede  nichts  gemein.  Tulln  kommt 
zwar  im  Nibelungenliede  vor,  aber  in  ganz  anderem  zusammen- 
hange, so  dass  die  Übereinstimmung  nur  eine  zufällige  sein 
kann.')  Dasselbe  gilt  noch  in  erhöhtem  masse  von  Zeisel- 
mauer. Die  richtige  lesart  ist  im  Nibelungenliede  zweifellos 
Treisenmüre,  das  heutige  Traismauer  an  der  Traisem  oberhalb 
Tulln,  wie  ja  auch  Kriemhild  auf  ihrer  fahrt  zu  Etzel  zuerst 
nach  Treisenmüre  und  dann  nach  Tulln  gelangen  muss.  In 
der  Hunnenchronik  steht  aber  ganz  richtig  Zeiselmauer,  da 
die  Hunnen  mit  dem  feindlichen  beere  noch  vor  Tulln,  also 
östlich  von  demselben,  zusammentreffen.^)  Zeiselmauer  liegt 
an  der  stelle  des  römischen  Cetiiim  ad  muros,  von  welchem  es 
auch  den  namen  erhalten  hat,  wie  es  scheint,  mit  anlehnung 
an  den  personennamen  Zeizo.^)  Vom  10.  jh.  an  ist  es  in  der 
form  Zeizinmnre  und  Zeizenmüre  belegt.  Das  erste  composi- 
tionsglied  des  namens  in  den  Chroniken,  Cesnn  oder  Cesum 
(1.  Cezön-)  ist  eine  lautgeschichtliche  entsprechung  zu  Zeiziii-.*) 


')  Daraus,  dass  die  Humienchroiiik  über  Tullu  mehr  zu  sagen  weiss 
(Inlna  tunc  erat  chdtas  Laiinorum  inter  urbes  Pannoniae  compnUäa  und 
tres  rasias  clistat  Vienne)  als  das  Nibelungenlied  (Bartsch'  ausg.  str.  13-1:1 
und  1361),  will  ich  keine  Schlüsse  für  die  sage  selbst  ziehen,  da  diese  be- 
nierkungen  gewis  gelehrte  zusätze  sind. 

»)  Vgl.  Petz  a.a.O.  s.35ff. 

ä)  \g\.  Fr.  Fmlauff,  Geographisches  uamenbuch  von  Oesterreich-Ungarn, 
1886,  S.284. 

*)  Ueber  />■  ^  oder  ü  s.  oben;  für  e/>- 1  (geschlossen  und  lang)  vgl. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG.   HUNNENSAGE.  477 

Diese  entspreclumg-  deutet  darauf  hin,  dass  der  name  im  \mg. 
volksmunde  lebte,  denn  wäre  er  auf  literarischem  wege  ent- 
lehnt worden,  so  wäre  er  vielleicht  fehlerhaft,  aber  jedenfalls 
in  seiner  deutschen  form  abgeschrieben  worden.  War  aber 
der  name  volkstümlich,  so  kann  er  es  kaum  anders  als  durch 
die  sage  gewesen  sein,  da  der  kleine  ort  in  Ungarn  sonst 
schwerlich  in  weiteren  kreisen  bekannt  gewesen  sein  wird. 
Nun  aber  haben  wir  für  'iiiüre  im  zweiten  compositionsgliede 
maur.  Dies  stimmt  schon  insofern  nicht  zum  ersten  gliede 
des  compositums,  da  wir  hier  keine  sprachgeschichtliche  Um- 
wandlung des  diphthongs  haben.  Der  diphthong  hätte  im 
volksmunde  unbedingt  zu  einem  monophthonge,  zu  6,  werden 
müssen  und  hätte  höchstens  zur  zeit  Kezais  noch  ou  (vgl. 
Ou-Buda)  lauten  können.')  Aber  woher  überhaupt  das  au? 
Gehört  der  name  der  echten  sage  an,  so  muss  er  gewis  alt 
sein;  eine  diphthongierung  des  ahd.  ü  darf  aber  auch  im  bair.- 
öst.  kaum  vor  dem  12.  jh.  angenommen  werden  2),  die  diphthon- 
gierung trat  also  im  mhd.  ungefähr  zu  der  zeit  ein,  wo  im  ung. 
die  diphthonge  monophthongiert  wurden.  Dieser  Widerspruch 
ist  kaum  anders  zu  lösen,  als  dass  wir  annehmen,  der  Orts- 
name sei  dem  Verfasser  der  Hunnengeschichte  in  seiner  deutschen 
form  bekannt  gewesen,  so  dass  er  sich  an  dieselbe  bewusst 
oder  unbewusst  anlehnte;  die  übrigen  Chroniken  schrieben  dann 
den  namen  in  seiner  zwitterform  unbekümmert  nach.  Eine 
weitere  frage  ist,  wie  überhaupt  Tulln  und  Zeiselmauer  in  die 
ung.  sage  aufgenommen  wurden?  Es  ist  kaum  eine  andere 
deutung  möglich  als  diejenige,  welche  Petz  und  Sebestyen 
gegeben  haben,  indem  sie  —  wie  ich  schon  erwähnte  —  auf 
die  Avarenschlacht  bei  Tulln  hinwiesen.  Das  dritte  treffen 
selbst  gehört  gewis  dem  ältesten  bestände  der  sage  an,  und 
es  fand  wahrscheinlich  in  West-Pannonien  statt,  da  sich  der 
kriegszug  von  Szäzhalom  über  Tärnokvölgy  in  w^estlicher  rich- 
tung  bewegt.  Eine  einwirkung  der  Avarenkämpfe  bei  Tulln 
ist  also  sehr  wol  —  freilich  nur  in  localer  hinsieht  —  möglich. 


Lumtzer-Melich,  Deutsche  ortsnameu  und  lehmvörter  des  ungarischen  Sprach- 
schatzes, 1900,  s.  28-i,  §  93. 

1)  Vgl.  Lumtzer-Melich  a.a.O.  s.  284,  §97  und  Melich  J.,  Nyelvtud. 
közlemenyek  34, 140. 

»)  Vgl.  0.  Behaghel,  Pauls  Grundr.  l^  701  f. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.   XXXI.  32 


478  RLEVEU 

Aber  auch  dann  dihften  wir  \m  ununteibiochener  Überlieferung 
kaum  die  deutsclien  namen  erwarten,  sondern  solche,  welche 
die  beiden  orte  im  volksmunde  vor  der  nicdeilage  der  Avaren, 
also  vor  der  ansiedlung  der  Deutsclien  geführt  hatten.  Dass 
sie  aus  deutscher  sage  in  die  ung.  herübergenommen  worden 
wären,  ist  ausgeschlossen,  da  sich  1)  in  der  deutsclien  sage 
keine  spur  von  einer  schlacht  zwischen  Goten  und  Hunnen 
bei  Tulln  finden  lässt,  2)  da  die  ganze  ungarische  überliefei'ung 
mit  ausnähme  Kriemhilds  —  wie  wir  sehen  werden  -  von 
der  deutschen  unabhängig  ist.  Auch  hier  lässt  sich  keine 
andere  erklärung  finden,  als  dass  wir  annehmen,  die  Ungarn 
haben  die  deutschen  namen  bei  ihren  häufigen  einfallen  in  die 
Ostmark  zur  zeit  der  ungarischen  landnahnie  und  noch  später 
kennen  gelernt  und  sie  in  die  sage  an  die  stelle  der  ursprüng- 
licheren aufgenommen.  Doch  ist  es  möglich,  dass  diese  um- 
tauschung der  namen  schon  vor  der  einwanderung  der  T7ngarn 
im  laufe  des  9.  jh.'s  durch  die  früheren  pfieger  der  pannonischen 
ITunnensage  vollzogen  wurde.  Wie  gross  aber  auch  die  Un- 
sicherheit in  der  deutung  der  erzähhmg  von  Tulln  und  Zeisel- 
mauer  sein  mag,  so  sind  wir  doch  nicht  berechtigt,  die  erzäh- 
hmg selbst  als  unecht  zu  verwerfen.  Sie  steht  mit  der  ganzen 
tradition  von  der  eroberung  Pannoniens  in  organischem  zu- 
sammenhange und  lässt  sich  weder  in  gelehrten  geschichts- 
werken  noch  in  irgend  einer  fremden  sage  nachweisen.  Er- 
dichtet wurde  sie  vom  Chronisten  gewis  nicht,  denn  das  war 
nicht  die  art  des  mittelalterlichen  geschichtsschreibers.  und  es 
lässt  sich  auch  gar  kein  grund  anführen,  A\'arum  und  zu  welchem 
zwecke  er  es  in  diesem  falle  hätte  tun  sollen. 

Nach  diesen  erörterungen  will  ich  die  frage  beantworten, 
warum  die  sage  in  Pannonien  localisiert  Avurde.  Die  Über- 
lieferungen, auf  denen  sich  die  sage  aufbaute,  sind  zweifellos 
ostgotischen  Ursprungs.  Eine  sage  von  der  unterw^erfung  der 
Goten  durch  die  Hunnen  kann  sich  unter  den  gegebenen 
historischen  Verhältnissen,  als  die  Goten  vom  westlichen 
Europa  weit  entfernt  im  osten  sassen,  nur  bei  den  Goten,  und 
da  die  Westgoten  alsbald  in  ganz  andere  kämpfe  verwickelt 
einer  neuen  gestaltung  ihres  Schicksals  entgegen  giengen,  nur 
bei  den  Ostgoten  gebildet  haben,  für  deren  geschichte  die 
niederlagen  Ei-manarichs  und  Wiiiithars  fast  auf  ein  jahrhun- 


I 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.      479 

dert  entscheidend  waren.  Die  Überlieferung-  war  gewis  lang-e 
zeit  hindurch  an  die  historischen  örtlichkeiten  der  tatsächlichen 
ereignisse  gebunden,  auch  dann  noch,  als  die  Ostgoten  unter 
der  herschaft  der  Hunnen,  als  deren  vorhut  g-eg-en  die  west- 
lichen Germanen,  grossenteils  nach  westen  bis  nach  Pannonien 
vorgedrung-en  waren. ')  So  geschah  es  denn,  dass  nach  Attilas 
tode  den  Ostgoten  auf  ihr  bitten  Pannonien  etwa  von  Sirmium 
bis  AVien  von  Rom  überlassen  wurde  (vgl.  Jordanes,  Get.  cap.  50). 
Die  erinnerung  an  die  alte  heimat  an  den  g-estaden  des  Pontus 
musste  in  den  neuen  Wohnsitzen  allmählich  verdunkeln.  Seit 
den  ersten  kämpfen  gegen  die  Hunnen  waren  bis  zum  abzuge 
des  ostgotischen  hauptvolkes  unter  Widemer,  Theodemer  und 
Theoderich  aus  Pannonien  hundert  jähre,  also  drei  genera- 
tionen  verschwunden;  zeit  genug,  um  eine  Verlegung  des  Schau- 
platzes aus  der  alten  heimat  im  osten  in  die  neue  wohn- 
stätte  in  Pannonien  erklärlich  zu  finden.  Ich  glaube  also, 
wir  dürfen  mit  recht  annehmen,  dass  die  sage  von  den  Ost- 
goten selbst  in  Pannonien  localisiert  wurde  und  zwar  in  einer 
solchen  gegend  Pannoniens  —  von  Ofen  abwärts  bis  nach 
Szäzhalom  und  Kajäszö-Szent-Peter  — ,  wo  alte  steinsäulen, 
grabhügel  und  ruinen  verschiedenster  art  die  phantasie  des 
Volkes  unwillkürlich  zur  sagenbildung  anregten.  Von  den 
Ostgoten  selbst  können  die  Ungarn  die  sage  natürlich  nicht 
herübergenommen  haben;  diese  muss  sich  aber  in  Pannonien 
erhalten  haben  und  weiter  gepflegt  worden  sein,  bis  sie  von 
den  Ungarn  angenommen  werden  konnte.  Demgegenüber  sucht 
Matthaei  nachzuweisen,  dass  die  ungarische  Hunnensage  in 
ihrem  ganzen  Inhalte,  also  auch  in  diesem  teile,  bairischen 
Ursprungs  sei.  Bevor  ich  eine  Widerlegung  der  ansieht  Mat- 
thaeis  unternehme,  will  ich  noch  auf  die  weitere  frage  eingehen, 
wie  Etele  an  die  stelle  Balambers  und  Detreh  an  die  Winithars 
und  Athanarichs  getreten  ist. 

Ueber  Wela,  Rewa,  Caducha  und  Cuwe,  die  in  diesen 
kämpfen  fielen,  ward  schon  oben  gehandelt.  Es  wurde  auch 
hervorgehoben,  dass  die  träger  dieser  namen,  falls  sie  wirklich 
der  echten  tradition  angehören,  erst  durch  die  specifisch  ung. 
fortbildung  der  sage  unter  die  Hunnenfürsten  aufgenommen 


1)  S.  Wietersbeim-Dahn,  Geschichte  der  völkerwanderuug  2, 272. 

32* 


480  m.EYER 

werden  konnten.  Diese  fortl)ildnng  war  aber  nicht  derart, 
dass  sie  das  ursiirihigliciie  gefüge  der  sage  umgestaltet  hätte; 
dieses  blieb  unverändert,  und  was  neuer  zusatz  war,  verschwand 
in  den  ersten  kämpfen,  ohne  auf  den  weiteren  gang  der  sage 
irgend  welchen  einfluss  auszuüben.  Auffallend  ist  in  der  Schil- 
derung des  kriegszuges,  dass  sich  keiner  von  den  Hunnenfürsten 
persiailich  hervortut,  keine  einzige  persönliche  tat  wird  in  der 
J-iunnengeschichte  von  ihnen  angeführt.  Das  kann  in  der 
lebendigen  sage  unmöglich  so  gewesen  sein,  da  es  dem  geist 
der  sage,  der  immer  auf  das  individuelle  gerichtet  ist,  völlig 
zuwiderläuft.  Wer  aber  von  den  Hunnenfürsten  in  der  echten 
Überlieferung,  von  welcher  uns  die  Hunnengeschichte  nur  einen 
auszug  bewahrt  hat,  am  meisten  hervorgetreten  sein  muss,  kann 
nach  dem  ganzen  inhalte  der  Hunnenchronik  kaum  zweifelhaft 
sein.  Es  war  gewis  Etele,  und  neben  ihm  in  zweiter  reihe 
Buda.  Beide  gehören  auch  zweifellos  dem  ältesten,  mit  ung. 
elementen  noch  nicht  untermengten  sagenbestande  an.  Darauf 
weisen,  wie  wir  gesehen  haben,  ihre  namen  hin,  wie  auch 
der  umstand,  dass  sie  auf  hunnischer  seite  —  und  zwar  nur 
sie  beide  —  den  krieg  gegen  die  Goten  überleben.  Sie  sind 
das  historische  brüderpaar  Attila  und  Bleda,  deren  Verhältnis 
zu  einander  in  der  ung.  tradition  der  geschichte  gegenüber 
keine  Verschiebung  erlitten  hat,  nur  dass  der  name  Buda  an 
die  stelle  des  historischen  Bleda  trat.  In  diesen  kämpfen, 
welche  das  brüderpaar  gegen  die  Goten  führt,  und  darin,  was 
noch  weiter  von  ihnen  gemeldet  wird,  glaube  ich  eine  erinne- 
rung  an  die  gemeinsame  herschaft  Attilas  und  Bledas,  über 
die  die  geschichte  berichtet,  sehen  zu  können.  Die  erinnerung 
ist  merkwürdig  treu,  und  doch  darf  sie  gewis  nicht  auf  ge- 
lehrte Vermittlung  zurückgeführt  werden,  sondern  ist  ein 
ungetrübter  zug  der  echten  sage.  I'eber  die  Ursachen,  welche 
diese  annähme  wahrscheinlich  machen,  und  über  die  conser- 
vierende  kraft  (der  name  Bleda -Budas  und  der  Stadt  Buda 
wurden  früh  identificiert),  welche  eine  solche  treue  in  der  Über- 
lieferung ermöglichte,  will  ich  in  dem  nächsten  abschnitte  näheres 
ausführen.  Unter  den  beiden  brüdern  war  selbstverständlich 
Attila  der  gewaltigere  und  der  unvergleichlich  höher  begabte, 
die  bewundertste  erscheinung  der  ganzen  Völkerwanderung. 
Er  muss  eben  deshalb  von  anfang  an,  also  auch  schon  in  den 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG.  HÜNNENSAGE.  481 

kämpfen  gegen  Detreh,  obgleich  die  Hunnenclironik  es  nicht 
hervorhebt,  die  erste  und  bedeutendste  rolle  innegehabt  haben. 
Alle  Hnnneufürsten  fielen,  nur  Buda  und  Etele  blieben  unver- 
letzt, und  der  eigentliche  sieger  —  wie  es  der  weitere  gang 
der  sage  (Etele  behält  Pannonien  für  sich,  Detreh  ist  ihm 
unterworfen  u.s.w.)  unzweifelhaft  macht  —  muss  Etele  ge- 
wesen sein. 

Attila  ist  der  Inbegriff  alles  hunnischen  wesens  in  der 
geschichte  ebenso,  wie  in  der  sage,  und  so  ist  denn  nichts 
natürlicher,  als  dass  er  an  die  stelle  Balambers  trat,  von  dem 
die  germanische  sage  nichts  weiss.  Niemand  konnte  eher  von 
den  Ostgoten  als  ihr  besieger  augesehen  werden,  als  Attila, 
und  von  niemand  war  es  eine  geringere  schmach,  besiegt 
worden  zu  sein,  als  von  dem  grössten  Hunnenfürsten:  vir  in 
concussione  gentium  naias  in  mundo,  terrarum  omnium  metiis, 
. . .  propitins  cmteni  in  fiele  semel  snsceptis  (Jordanes,  Getica 
cap.  35).  Unter  dem  einfluss  der  erinnerung  an  die  gemein- 
same herschaft  des  brüderpaares  musste  Attila  die  rolle  Ba- 
lambers in  der  Unterwerfung  der  Goten  mit  Bleda  =  Buda 
teilen,  gewis  aber  nahm  er  auch  schon  hier  die  erste  und 
entscheidende  stelle  ein.  Chronologisch  werden  Etele  und  Buda 
später  an  Balambers  stelle  getreten  sein,  als  die  Verlegung 
des  Schauplatzes  nach  Pannonien  erfolgte.  Diese  Verschiebung, 
durch  welche  Etele  und  Buda  in  der  sage  Balamber  ver- 
drängten, kann  sich  natürlich  erst  nach  dem  tode  Attilas  voll- 
zogen haben,  wird  aber  auch  wahrscheinlich  bald  nach  dem- 
selben vor  sich  gegangen  sein. 

An  der  spitze  des  feindlichen  heeres  stehen  Macrinus  und 
Ditricus.  3Iacrinus  {Matrinus,  3Iaterniis  und  Martinas), 
seiner  abstammung  nach  ein  Langobarde,  aus  Sabaria  (Stein- 
amanger  =  Szombathely)  gebürtig,  herscht  als  tetrarch  ex 
gratia  Bomanorum  über  Pannonien,  Pamphylien  u.s.w.  Sein 
beer  besteht  aus  Langobarden,  die  er  bei  dem  anfalle  der 
Hunnen  bei  Szäzhalom  versammelte.  Er  überlebt  den  Huunen- 
krieg  nicht,  sondern  fällt  bei  Zeiselmauer.  Der  name  des 
Macrinus  und  seine  rolle,  die  er  in  den  kämpfen  gegen  die 
Hunnen  spielt,  gehören  zu  den  schwierigsten  punkten  der 
Hunnengeschichte.  Petz  führt  mehrere  historische  persönlich- 
keiten namens  Macrinus  an,  darunter  auch  einen  römischen 


482  HI.EYER 

stattlialttT  in  Pannonieii  (um  das  jähr  190);  doch  liält  er  mir 
eine  identiticierung  mit  dem  oströmischen  kaiser  Flavius  Mar- 
cianus  (450 — 457)  für  miifjlich. ')  Auch  Mattliaei  (a.a.O.  s.  9) 
stinnnt  darin  mit  Petz  überein.^)  Marcian  war  ein  histo- 
rischer gegner  Attilas,  der  nach  dem  tode  des  kaisers  Tiieo- 
dosius  IL  den  von  Attila  geforderten  tribut  auf  die  gefahr 
eines  krieges  hin  kühn  verweigerte,  bei  dem  einfalle  der  Hunnen 
in  Italien  452  den  weströmischen  kaiser  durch  Sendung  von 
hilf8trui)pen  unterstützte^),  und  von  dem  Jordanes,  Getica  cap.49 
nach  Priscus  berichtet,  dass  die  gottheit  ihm  den  zerbrochenen 
bogen  Attilas  in  der  nacht,  als  dieser  starb,  gezeigt  habe. 
Nun  fragt  es  sich,  ob  Macrinus  der  echten  Überlieferung  an- 
gehört, oder  aber  auf  gelehrtem  wege  in  die  Hunnengeschichte 
eingetreten  ist.  Petz  meint,  der  chronist  habe,  als  er  für  den 
feindlichen  oberfeldherrn  der  sage  einen  römischen  namen 
suchte,  den  namen  und  auch  den  titel  des  Kaisers  Marcian 
herübergenommen.  Mattliaei  aber  sieht  in  Macrinus  einen 
beweis  für  die  abhängigkeit  der  ung.  sage  von  bajuvarischer 
Überlieferung.  Diese  seine  ansieht  glaubt  er  mit  einer  stelle 
Aventius  aus  dem  16.  jh.  begründen  zu  können. 

Aventin  erzählt  nämlich  in  seinen  bairischen  annalen'), 
dass  —  als  Attila  den  entschluss  zur  gallischen  heerfahrt 
fasste  —  TJicodericüS  Veronensis  Triarii  filitis  et  Matrinus, 
Antheniius  consid^),  gener  Valentiniani  imperatoris,  praeses 
Danithii  et  Vindeliciae,  qui  post  imperavit,  Bannhü  limitis 
duces  provinciarnmque,  qnas  possidemus,  legati,  annnente  auyusto 


')  Vgl.  a.a.O.  s.  37  und  A  magyar  nemzet  törtenete  (szerk.  Szilägyi  S. 
1,  cxxxiv. 

*)  J.  Pauler  meint,  man  müsse  für  Macrinus  Mauringus  ansetzen,  und 
der  uame  wäre  dann  von  3Iauringa  herzuleiten  (A  magyar  nemzet  törtenete 
Szent  Istvänig  s.  201).  Doch  entbehrt  dieser  eiufall  jeder  Avahrscheinlich- 
keit,  gerade  wie  die  bemerkung,  dass  zwischen  den  kämpfen  gegen  die 
Eömer  und  Langobarden  in  <lcr  Iluniicngeschiclite  und  zwischen  dem  be- 
richte Procops,  dass  die  Gepiden  551  die  Kutriguren  gegen  die  verbündeten 
Langobarden  und  Römer  zu  hilfe  riefen,  ein  Zusammenhang  bestehe. 

")  Vgl.  Wietersheim-Dahn  a.  a.  o.  2,  242  und  2C(). 

')  J.  Turmairs  genannt  Aventinus  sämmtliche  werke  2,302;  vgl.  auch 
seine  Chronik  4,2, 1137  f. 

'*)  Der  spätere  kaiser  (467—472),  Schwiegersohn  nicht  ^'alentinians, 
sondern  Marcians;  vgl.  Jordanes,  Eomaua  (cd.  Mommsen)  s.  43. 


J 


DIE    GERM.   ELEMENTE   DER    UNG.   HUNNENSAGE.  483 

cum  Attila  ixicem  his  conäitionibns  hiemit:  oppidis  quidcni 
clausis,  itineris  facinndi  facidtateut  exercitai  copiisciue  Attilae 
concedunt.  "Wir  sehen  hier  tatsächlich  eine  gewisse  ähnlich- 
keit  mit  der  erzähhmg  der  Himneugeschichte:  Matrinns  und 
Theodericus  Veronensis  werden  neben  einander  genannt.  Aller- 
dings ist  der  Inhalt  der  erzählung  ein  ganz  anderer,  und  auch 
Theodericus  Veronensis  ist  trotz  des  namens  nicht  mit  Theo- 
derich d.  gr.  identisch,  sondern  mit  dem  bekannten  filius  Triarü, 
der  ein  günstling  des  kaisers  Marcian  und  nebenbuhler  Theo- 
derichs d.  gr.  in  Byzanz  war  (vgl.  Jordanes,  Getica  cap.  42). 
Doch  kann  diese  ähnlichkeit  nur  durch  die  annähme,  die  ung. 
sage  sei  aus  der  bair.  entlehnt,  erklärt  werden?  Das  falsche 
resultat,  zu  dem  Matthaei  hier  und  in  seiner  ganzen  Unter- 
suchung gelangt,  beruht  auf  unmethodischen  Voraussetzungen. 
Es  ist  nämlich  eine  ganz  unbegründete  Voraussetzung,  wenn 
Matthaei  annimmt,  dass  alles,  was  sich  übereinstimmendes  bei 
Aventin  und  in  den  ung.  Chroniken  findet,  echte  und  zwar 
bair.  Überlieferung  sein  müsse.  Es  sind  doch  hier  gewis  auch 
andere  möglichkeiten  vorhanden.  Enthält  ihre  darstellung 
übereinstimmende,  echte  Überlieferung,  so  folgt  daraus  doch 
keinesfalls  a  priori,  dass  die  ung.  sage  bairischen  Ursprungs 
sein  müsse,  sondern  es  bleibt  doch  noch  immer  die  möglichkeit 
vorhanden,  dass  beide  auf  eine  gemeinsame  sagenhafte  quelle 
zurückgehen.  Noch  viel  weniger  muss  aber  jede  Übereinstim- 
mung wirkliche  sage  enthalten,  sie  kann  doch  gewis  auch  von 
einer  gemeinsamen  gelehrten  quelle  herrühren.  Eine  andere 
möglichkeit  wäre,  dass  Aventin  auch  in  diesem  teile  seiner 
annalen  aus  ungarischen  Chroniken  geschöpft  hätte,  wie  er 
denn  tatsächlich  in  seinen  berichten  über  die  geschichte  der 
Ungarn  das  Chronicon  Vindobonense  benutzt  hat.') 

Ich  glaube  nun,  dass  Matrinns  bei  Aventin  ebensowenig 
oder  noch  viel  weniger  sagenhaft  ist,  als  Macrinus  in  der 
ungarischen  Hunnengeschichte.  Der  Inhalt  des  berichtes  bei 
Aventin  hat  gewis  nichts  sagenhaftes  an  sich,  und  dass  k\\- 
themius  und  Valentinianus  aus  gelehrter  quelle  stammen, 
gibt  Matthaei  selbst  zu.    Das  sollte  nun  aber  den  sagenhaften 


1)  S.  0.  Eademacher,  Neues  archiv  der  ges.  f.  alt.  deutsche  geschichts- 


kunde  12, 561. 


484  BLEYER 

Charakter  des  Matrinus  verbürgen?  Vielleiclit  der  umstand, 
dass  Tlieodericli,  der  söhn  des  'Priarius,  Veronensis  genannt 
wird.  p]s  ist  aber  doch  ganz  klar,  dass  der  solin  des  Triarius 
bei  Aventin  nur  durch  ein  niisverständnis  zu  diesem  beinamen 
gekommen  sein  kann.  Aber  auch  sonst  kann  der  sagenhafte 
Charakter  des  ^latrinus  nicht  bewiesen  werden:  in  den  deutschen 
volksepen  wird  er  niemals  genannt,  und  Matthaei  kann  ihn 
nur  bei  gelehrten  geschichtsschreibern  nachweisen,  wo  er  ganz 
correct  Marcianus  heisst.') 

Aber  auch  in  die  Hunnengeschiclite  muss  Macrinus  aus 
gelehrter  (juelle  aufgenommen  worden  sein.  Die  form  des 
namens  ist  in  den  einzelnen  Chroniken  verschieden,  und  wird 
so  lange  abgeändert,  bis  Turoezi  bei  dem  bekannteren  namen 
Marünus  angelangt,  wie  Marcian  z.  b.  auch  bei  Gottfried  von 
Viterbo2)  genannt  wird.  In  den  namen  Etela,  Buda,  Ditricus 
u.  s.  w.,  die  wirklich  im  volksmunde  lebten,  ist  die  Schreibweise 
der  Chroniken  folgerecht,  und  abweichungen,  die  vorkommen, 
lassen  sich  sprachgeschichtlich  oder  durch  anlelinung  an  die 
gelehrte  form  leicht  erklären.  Also  schon  dieser  umstand 
spricht  gegen  die  Volkstümlichkeit  des  namens,  wie  er  denn 
tatsächlich  nicht  volkstümlich  klingt  und  nicht  weiter  belegt 
ist.  In  der  volkssage  kann  Macrinus  nicht  als  'tetrarch  von 
Pannonien,  Pami)hylien,  Phrygien,  Macedonien  und  Dalmatien' 
bezeichnet  worden  sein;  diese  namen,  wie  die  ganze  auffassung 
von  dem  amte  und  der  Stellung  des  Macrinus  haben  unzweifel- 
haft ein  gelehrtes  gepräge,  und  aus  der  quelle,  aus  der  diese 
stammen,  Avii'd  auch  Macrinus  selbst  geschöpft  sein,    Macrinus 


1)  So  im  Chroiiicon  Urspergense,  s.  W.  Grinun,  1».  hcldensage '  s.  41  uud 
bei  Heinrich  von  München,  s.  Massmann,  Kaiseichronik  3,958.  Im  Chron, 
TJrsp.  wird  er  nur  ehen  erwähnt ;  Heinrich  von  München  lässt  ihn  allerdings 
von  Attila  besiegen:  dö  nu  Thcodösius  Der  keiser  lac  toi  alsits,  Wart  nach 
im  heiser  zehant  3Iartianus  was  der  yenant  ...  Ez  siuont  hi  im  mit  crcn 
. . .  l'iz  ez  kom  ze  einem  str/t,  Den  geioan  hi  der  z/t  Kihiic  EtzeJ  mit  stner 
hant.  Bei  der  genauen  angäbe,  dass  Marcian  auf  Theodosius  folgte,  kann 
es  kaum  zweifelhaft  sein,  dass  hier  ein  misverständnis  oder  eine  misdeutung 
des  berichtes,  der  sich  ursprünglich  bei  Jordanes,  (ictica  cap.  34:  befindet, 
vorliegt,  nach  welchem  Attila  Marcian  mit  krieg  bedroht  habe,  weil  er  den 
von  Theodosius  versprocheneu  tribut  nicht  zahlen  wollte. 

')  Speculum  regum  cap.  47:  De  Marlino  impcralore  MG.  SS.  22,  85; 
vgl.  Petz  a.a.O.  s. 38. 


I 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNÖ.  HUNNENSAGE.     485 

fällt  in  der  sclilacht  bei  Zeiselmauer  und  spielt  demzufolge  in 
der  Hnnneng-escliiclite  keine  weitere  rolle  mehr;  dies  beweist 
gegen  Macrinus  mehr,  als  gegen  Wela,  Cuwe  u.  s.  w.,  bei  denen 
wenigstens  der  name  volkstümlich -ungarisch  ist.  Macrinus 
wird  in  der  Hunnengeschichte  ein  Langobarde  genannt,  und 
sein  beer  besteht  aus  Langobarden.  Im  allgemeinen  wird  an- 
genommen, dass  darin  eine  erinnerung  der  sage  an  den  aufent- 
halt  der  Langobarden  in  Pannonien  zu  sehen  sei.  Ich  muss 
dieser  ansieht  widersprechen. 

Die  ung.  sage  weiss  von  den  Gepiden,  Avaren  und  Slaven 
nichts,  obgleich  sie  für  Pannonien  von  grösserer  bedeutung 
waren  als  die  Langobarden.  Ueberhaupt  spielen  die  Lango- 
barden in  der  Hunnengeschichte  eine  eigentümliche  rolle.  An 
einer  stelle  heisst  es:  Pamionie  Pamfilie  Macedonie  Balmaüe 
et  Frigie  civHates  que  crehris  spoliis  et  ohsidionibns  per  Hmios 
crant  fatigate,  natali  solo  derelicto  in  Apuliam  per  mare  Adria- 
ticmn  de  Ethcla  licentia  hnpetrata  transieninf.^)  Da  Macrinus 
der  tetrarch  von  Pannonien,  Pamphj'lien,  Macedonien  u.s.w. 
war,  können  diese  Völkerschaften  nicht  anders  als  die  Unter- 
tanen des  Macrinus,  also  Langobarden  gewesen  sein.  Die 
Hunnengeschichte  berichtet  weiter,  dass  Etele  gegen  Aquilea 
gezogen  sei  und  beschlossen  habe,  die  stadt  zu  belagern,  um- 
somehr  qiim  quam  plares  Langohardi"^)  de  Pannonia,  quia  Hun- 
normn  dominium  et  JEthele  contemserunt,  confugisse  in  ipsam 
ferehantur.  Es  scheint,  dass  diese  Langobarden  identisch  sind 
mit  den  nach  Apulien  ausgewanderten  bewohnern  von  Panno- 
nien, Pamphylien  u.s.w.,  und  dass  Apulia  für  Aquilegia  ver- 
schrieben ist.  Nach  der  Schilderung  der  erstürmung  von  Aquilea 
wird  weiter  erzählt,  dass  die  Venetianer  aus  Troja  stammen, 
doch  fügt  die  chronik  hinzu:  quidam  autem  Venetos  de  Sabaria 
fuisse  opinaniur.  Sabaria  vero  habitata  fuerat  Langobardis, 
in  qua  erat  generalis  scliola  orbis  terre  nationi,  poetarum  musis, 
et  dogmatibus  philosopliicis  elucenter  illustrata,  idolorumque 
erroribus  diuersis  mancipata.  Quam  quidem  Gothorum  nomine 
Archelaus  rex  primitus  deuastauit,  sed  postea  per  Hunos  de 
Pannonia   expelluntur,    nuncque    Tycini   habitare    dinoscuntur, 


>)  Kezai  cap.  4, 12;   mit  unbedeuteudeu   abweichungen   auch  in   den 
übrigen  Chroniken. 

^)  Im  Chron.  Vind.  j^lures  rehelles  LongohanlL 


486  BLEYER 

qiii  vt  dicuntur  Vapiem^es.  Dass  von  diesem  allem,  was  hier 
erzälilt  wird,  nichts  aus  A-olkstümlicher  Überlieferung  stammen 
kann,  liegt  auf  der  liand.  und  von  unserem  gesichtsi)unkte  ist 
es  nicht  nötig,  darauf  näher  einzugehen.  Im  gründe  ist  es 
aber  nichts  anderes  als  eine  fortsetzung  der  erzählung  von 
]\racrinus  und  seinem  volke. ')  Auch  daraus  ist  deutlich  zu 
ersehen,  dass  der  tctrarclia  Macrinns  natione  Loiu/ohardus  nrhe 
Saharia  oriioid/ts  nicht  der  echten  tradition  angehören  kann, 
sondern  eine  gelehrte  entlehnung  sein  muss.  Woher  stammt 
nun  diese  entlehnung?  Darauf  weiss  ich  nicht  zu  antworten^), 
wie  es  denn  auch  sonst,  worauf  ich  schon  hingewiesen  habe, 
in  der  Hunnengeschichte  stellen  gibt,  deren  gelehrter  Ursprung 
nicht  bezweifelt  werden  kann,  die  quellen  aber  nicht  nach- 
weisbar sind.  Der  verfa'sser  der  Hunnengeschichte  wird  seinen 
bericht  über  Macrinus  aus  einer  schriftlichen  aufzeichnung 
herübergenommen  haben,  die  vielleicht  mit  der  quelle  Aventins 
und  Heinrichs  ^on  München  in  näherer  oder  fernerer  verwant- 
schaft  stand.  Ausser  der  historischen  gegnerschaft  zwischen 
Attila  und  ^larcian  wird  den  Chronisten  zur  einflechtung  des 
berichtes  über  Macrinus  in  die  geschichte  der  Hunnen  auch 
der  umstand  bewogen  haben,  dass  Marcian,  der  tatsächlich  ein 
Thracier  war,  nach  der  quelle,  aus  welcher  die  Hunnengeschichte 
schöpfte,  wie  es  scheint,  aus  Sabaria  stammte.'*)  Mit  all  dem 
soll  aber  nicht  behauptet  sein,  dass  es  in  der  echten  sage 
neben  Detreh  nicht  auch  noch  einen  zweiten  anführer  gegeben 
habe,  dessen  rolle  der  Chronist  auf  Macrinus  übertrug. 


1)  Vgl.  auch  Turoczi  cap.  14  imd  17  und  Oläh  cap.  3—4  und  12. 

2)  Die  uamen  l^Iacrinus  und  Archclais  (ein  ortsname)  koninien  bei  Jor- 
daues,  der  sich  auf  Hierouynms  stützt,  neben  einander  vur:  3Iuvriiii(s  prac- 
fecturam  agens  praetorianam  imperator  creatus  est  regnaviifjue  anno  ttno 
oceiditnrque  Arclidaiile  Eomana  ed.  Momnisen  s.  30.  Vgl.  übrigens  Kunc 
Adolf,  Szouibatliely-Savaria  inonographii'ija,  1880,  s.  59.  Nagl-Zeidler,  Deutscli- 
üsterr.  literaturgesch.,  1899,  1,  19.  Diesen  gegenüber  s.  Saloinon  F.,  Szä- 
zadük  Jahrg.  1881,  s.  669.  Vgl.  auch  L.  Schmidt,  Gesch.  d.  deutschen  stamme 
bis  zum  ausgaug  der  Völkerwanderung  (Quellen  und  forsch,  zur  alten  gesch. 
u.  geogr.  her.  von  "W.  Sieglin  lieft  10),  1905,  s.  115  ff. 

3)  A.  Thierry,  Ilistoire  d'Attila  et  ses  successeurs  P,  238  sagt:  'eile 
(d.i.  Pannonien)  venait  de  douuer  au  trone  imperial  Marcieu".  Eine  quelle 
gibt  er  nicht  an,  und  so  ist  es  nicht  ausgeschlossen,  dass  er  sich  in  dieser 
behauptung  bloss  auf  die  uug.  chrouiken  stützt. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.     487 

Die  interessanteste  und  von  unserem  gesichtspunkte  wich- 
tigste gestalt  in  dieser  partie  der  Hunnengescliichte  ist  Bitricas 
Veronensis,  Alamannus  natione,  der  mit  Theodericli  d.  gr.  in 
der  geschiclite  und  Dietrich  von  JBerne  in  der  deutschen  sage 
zv/eifellos  identisch  ist.  Er  heisst  bei  Kezai  immer  Bitricus, 
in  den  übrigen  Chroniken  Bdricns.  Der  name  kommt  als 
Personenname  in  ung.  Urkunden  häufig  vor  und  zeigt  eine  ent- 
wicklung  von  Bitricus  über  Betricus,  Betreh,  Betr'6  bis  zu 
Betre.  Diese  entwicklung  ist  eine  lautgeschichtliche:  i  >  e';i) 
das  c  klang  zweifellos  spirantisch,  und  so  entstand  aus  ih  > 
eh  >  0  oder  ö  —  e'.-)  Bei  der  erklärung  dieses  namens  können 
wir  aber  nicht,  wie  bei  Etele  und  Buda,  von  der  got.  grundform 
^Piudareiks^)  ausgehen,  sondern  nur  von  ahd.  Biotrich  oder  mhd. 
Bietrich.  Der  diphthong  io  oder  ie  mit  fallendem  accent  musste 
im  ung.,  wo  es  einen  diphthong  io  oder  ie  nicht  gibt,  zu  i  und 
später  e  werden. 4)  Die  form  Bitricus -Betreh  scheint  also 
dem  Schlüsse  zu  widersprechen,  den  ich  aus  den  namen  Etele 
und  Buda  in  bezug  auf  den  Ursprung  der  ung.  Hunnensage 
gezogen  habe.  Eine  erklärung  des  Widerspruchs  ist  aber  leicht 
zu  finden.  Das  Christentum  der  Ungarn  rührt  wesentlich  von 
den  Deutschen  her,  zwar  nicht  direct,  sondern  durch  slovenische 
Vermittlung.  Nun  sind  aber  Attila-Etzel  und  Boto-Botelung 
bei  den  Deutschen  sehr  seltene  namen  und  wurden  daher  von 
den  Slovenen  bez.  Ungarn  als  taufnamen  nicht  mit  herüber- 
genommen, so  dass  sie  auf  die  entsprechenden  namen  der  sage 
nicht  von  einfluss  sein  konnten.  Dietrich  aber  ist  ein  sehr 
häufiger  deutscher  taufname  und  gehört  auch  zu  den  häufigsten 
in  den  ung.  Urkunden,  so  dass  eine  beeinflussung  und  angleichung 
der  namensform  in  der  sage  wol  sehr  möglich  war.    Jedesfalls 


*)  Vgl.  oben  s.  457.  Dass  diese  wauillung  von  i  zu  e  bei  Kezai  iu 
Etda  schon  durchgeführt  ist  und  in  Ditricus  nicht,  kann  nicht  auffallen: 
es  war  ein  laut  an  der  grenze  von  i  und  e,  daher  bei  Kezai  noch  ein 
schwanken,  das  in  den  jüngeren  Chroniken  schon  überwunden  ist. 

^)  Vgl.  Melich  J.,  Adatok  a  magyar  nj^elv  es  helyesiräs  törtenetehez, 
Nyelvtud.  közlemenyek  34, 138  ff.  Eine  solche  entwicklung  zeigen  z.  b.  auch 
die  namen  Hedre  und  Imre.    Vgl.  Melich  J.,  Szläv  jövevenyszavaink  2, 143  f. 

3)  Vgl.  F.  Wrede,  Ueber  die  spräche  der  Ostgoten  s.  51  ff. 

*)  Melich  J.,  Szlav  jöveyenyszavaink  2, 138  und  145  nimmt  slov.  Ver- 
mittlung des  hd.  namens  im  ung.  an.  Die  endung  -iis  ist  natürlich  eine 
blosse  latinisierung  des  namens. 


488  BLEYEK 

sind  wir  durch  die  form  des  namens  nicht  gezwungen,  eine 
unmittelbare  einwirkung  der  deutschen  sage  auf  die  ungarische 
in  bezug  auf  Detreli  anzunelimen. 

Dass  es  sicli  aber  hier  tatsächlich  um  keine  deutsche  ent- 
lehnung  handelt,  beweist  der  Inhalt  der  Überlieferung  selbst 
auf  das  entschiedenste.  Wie  P'tele  und  Buda  an  die  stelle 
Balambers  traten,  so  Detreh  an  die  Winithars,  neben  dem 
Athanarich,  der  könig  der  Westgoten,  gewis  früh  verschwunden 
war.  Dass  Detreh  unmittelbar  anf  AMnithar  folgte,  ist  zwar 
nicht  ausgeschlossen,  aber  auch  nicht  wahrscheinlich.  In  Detreh 
sind,  wie  wir  noch  sehen  werden,  hauptsächlich  historische 
erinnerungen  an  seinen  vater  Theodemer  und  dessen  brüder 
"Walamer  und  \Mdemer  niedergelegt,  die  als  fürsten  der  Ost- 
goten unter  der  herschaft  Attilas  standen  und  nach  dessen 
tode  die  freiheit  ihres  volkes  erkämpften.  Es  mag  also  einer 
dieser  brüder,  vielleicht  der  älteste  und  bedeutendste,  der  könig 
Walamer,  oder  aber  Theodemer,  der  vater  Theoderichs  d.  gr., 
zuerst  an  die  stelle  Winithars  gerückt  worden  sein,  so  dass 
von  anfang  bis  zum  abschluss  der  sage  AValamer  oder  Theo- 
demer der  Vertreter  der  Ostgoten  war.  In  der  weiteren  eut- 
wicklung  dei'  sage  wurde  dann  Walamer  bez.  Theodemer  durch 
den  sagenberühmten  Theodericli  d.  gr.  verdrängt,  dessen  mäch- 
tige erscheinung  in  der  Überlieferung  der  träger  alles  glückes 
und  Unglückes  des  Goten  volkes  wurde,  von  der  Unterjochung 
desselben  durch  Balamber  bis  zur  befreiung  nach  dem  tode 
Attilas.  Theoderich  kann  selbstverständlich  erst  nach  seinem 
aufbruche  von  Pannonien  und  wahrscheinlich  erst  ein  menschen- 
alter nach  seinem  tode  (526)  um  die  mitte  des  6.  jh.'s.  bei  den 
in  Pannonien  zurückgebliebenen  Goten  (worüber  noch  ausführ- 
licher gehandelt  werden  soll),  die  ihre  beziehungen  zu  ihren 
stamm verwanten  in  Italien  und  zu  dem  in  Pannonien  geborenen 
grossen  Theoderich  doch  gewis  nicht  verloren  hatten,  in  die 
sage  eingetreten  sein. 

Der  geschichtliche  AMnithar  fällt  in  dem  kämpfe  gegen 
die  Hunnen,  Detreh  aber,  zwar  schwer  verwundet,  überlebt 
den  krieg,  ward  Eteles  mann  und  erlangt  seine  und  seines 
Volkes  freiheit  nach  dem  tode  des  Hunnenkim igs  wider.  Wir 
sehen  also  in  der  sage  eine  w^esentliche  abweichung  von  der 
geschichte.    Diese  abweichung  ist  Avahrscheinlich  schon  früh 


DTE  GERM.   ELEMENTE   DER  UNG.   HUNNENSAGE.  489 

eingetreten,  als  die  historische  erinnerung  an  Winithar  ver- 
dunkelt war.  Die  sage  fasst  das  Schicksal  der  Völker  mit 
Vorliebe  persönlich -individuell  auf,  und  wie  die  Goten  selbst 
in  den  kämpfen  gegen  die  Hunnen  nicht  untergegangen  waren, 
sondern  als  Untertanen  in  gutem  einvernehmen  mit  ihnen  weiter 
lebten,  so  musste  dies  auch  in  ihrem  repräsentanten  zum  aus- 
druck  kommen,  umsomehr  als  die  freundlichen  beziehungen 
der  späteren  Gotenfürsten  zu  dem  köuigshofe  der  Hunnen 
tatsächlich  historisch  sind.  Es  ist  also  höchst  wahrscheinlich, 
dass  der  Vertreter  der  Goten  in  der  sage,  sobald  der  historische 
Winithar  verdrängt  war,  in  den  kämpfen  gegen  die  Hunnen 
nicht  gefallen  ist,  sondern  unter  Eteles  botmässigkeit  mit 
seinem  volke  weiter  lebte. 

Eine  spur  aber  von  dem  tode  des  historischen  Winithar 
ist  in  der  ung.  Überlieferung  unverkennbar  erhalten:  Ditrico 
per  iaculum  {per  sagittam)  —  heisst  es  in  der  Hunnengeschichte 
—  in  fronte  leialiter  vtilnerato,  zu  welchem  berichte  Turoczi 
noch  hinzufügt:  Cunis  tandem  sagittae  triincitm  ipse  JDetricus 
vrhem  ad  Bomanam  dignitaiis  imperaioriae  in  curiam  pro 
documento  certaminis  per  ipsum  cum  Hunis  commissi  in  fronte 
detulisse^  et propter  hoc  immortalitatis  nomen  vsurpasse  narratur. 
Hungarorunique  in  idiomate  halhatalan  Betreh  dici  meruit 
praesentem  usque  in  diem.'^)  Detreh  wird  also  auf  dieselbe 
weise  verwundet  wie  W^inithar,  und  zwar  tödlich.  Während 
aber  Winithar  daran  stirbt,  bleibt  Detreh  am  leben,  so  dass 
ihn  die  sage  halhatalan  nennt.  Dieses  halhatalan  ist  bei 
Schwandtner  fehlerhaft  gedruckt,  und  man  las  dafür  allgemein 
halhatatlan,  d.  i.  'unsterblich'.'^)  Infolgedessen  sah  man  in 
diesem  berichte  der  Hunnengeschichte  seit  J.  Grimm  einen 
mythischen  zug  Dietrichs,  und  wies  darauf  hin,  dass  auch  die 
deutsche  sage  von  einem  tode  Dietrichs  nichts  wisse,  sondern 
ihn  auf  eine  wundersame  weise  verschwinden  lasse  (vgl.  Petz 
a.a.O.  s. 43).  Diese  mythologische  deutung,  die  infolge  der 
Übereinstimmung  der  ung.  Hunnengeschichte  mit  Jordanes  schon 
an  und  für  sich  zweifelhaft  ist,  wird  aber  durch  die  ausfüh- 


1)  Vgl.  oben  Oläh,  der  ausdrücklich  hervorhebt,  dass  Detricus  in  den 
ung.  cantionibus  dieses  attribut  führt. 

*)  Aber  niemals  'heilig',  wie  das  wort  bei  W. Grimm,  D. heldensage' 
s.  182  neben  'unsterblich'  übersetzt  wird. 


490  HLEYRR 

luiigeii  Sebestj'eiis  vollkoninien  widerlegt.')  In  der  Brünner 
ausgäbe  Turöczis  von  dem  jalire  1488  steht  nämlich  hulalihaJon 
Dctreh,  d.i.  hnldltalan  =  'ohne  tod,  dem  tode  trotzend',  und 
dass  auch  das  fehlerhafte  hulhataJun  bei  Schwandtner  so  ge- 
lesen werden  muss,  beweist  Gr.  Petho,  ein  bearbeiter  der  chronik 
Turnczis  in  ung.  spräche,  der  diese  stelle  um  die  mitte  des 
17.  jh.'s  ganz  richtig  verstanden  und  umschrieben  hat:  'Detre 
aber  trug  das  pfeileisen  in  seiner  stirne  (das  die  Ungarn 
dorthin  geschossen  hatten)  bis  nach  Rom;  davon  nannte  man 
ihn  den  hahiUalan  (sol)  Detre,  weil  er  auf  einem  so  langen 
wege,  so  lange  zeit  das  eisen  in  seiner  stirii  hatte  ertragen 
können.'  Es  ist  also  deutlich,  dass  die  erzählung  namentlich 
Turöczis  von  Detreh  nicht  mythologisch  gedeutet  werden  darf, 
und  A.  Schullerus^)  bemerkt  ganz  richtig,  dass  nach  den 
erörterungen  Sebestyens  'dieser  zug  aus  dem  Zusammenhang 
mit  den  bergen trückungssagen,  die  sich  an  Dietrichs  namen 
knüpften,  entnommen  ist  und  sich  zu  den  dem  germ.  lielden- 
zeitalter  eigentümlichen  berserkerzügen  stellt'.  Dieser  zug  ist 
aber  durch  die  identiticierung  Detrehs  mit  Winithar  entstanden 
und  zeigt  uns  genau  den  punkt,  wo  die  sage  die  historische 
Überlieferung  weiterbildend  einsetzte. 

Ich  glaube,  nach  dem  gesagten  kann  kein  zweifei  darüber 
bestehen,  dass  Detreh  mit  Theoderich  d.  gr.  in  der  geschichte 
und  Dietrich  in  der  deutschen  sage  identisch  ist,  und  dass  er 
in  der  Überlieferung  als  der  gewaltigste  held  des  Gotentums 
an  die  stelle  des  historischen  AVinithar  getreten  ist.  Ich  will 
nun  gleich  einige  andere  Übereinstimmungen  zwischen  Detreh 
in  der  ung.  sage  und  Dietrich  in  der  deutschen  sage  erörtern. 

Turoczi  setzt  zu  seiner  obigen  erzählung  noch  hinzu: 
Itunc  Detricwm  galcam  hahuisse,  et  illam,  quanto  magis  äefcrehat, 
tanto  niaiori  clariiate  refulsisse  fahnluntnr.  Es  ist  der  berühmte 
nütegnn  Dietrichs  in  der  deutschen  sage,  von  dessen  leuchten- 
dem glänze  das  Eckenlied  (str.  70.  71)  ausführlich  berichtet  und 
an  den  es  Dietrich  die  Avorte  richten  lässt:  so  du  k  eltcr  ivir- 
dcst,  so  wirst  ie  lichter  var.    Die  Übereinstimmung  ist  merk- 


^)  Halältalan  Detre,   Egyet.  philologiai  küzlüuiy  24,  152  ff.  und  a.a.O. 
s.  421  ff.   Vgl.  auch  Etliuographia  5, 103  und  Magyar  nyelvtört.  szötär  1, 127. 
^)  Korrespondenzljl.  d.  Vereins  f.  siebenb.  landcsk.  24,  41  ff. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG.   HUNNENSAGE.  491 

würdig-,  und  doch  sind  wir  nicht  berechtigt  anzunehmen,  dass 
Turoczi  diese  stelle  aus  einer  deutschen  quelle  entnommen 
hätte,  da  sich  sonst  bei  ihm  keine  spur  finden  lässt,  welche 
diese  annähme  begründen  würde.  Wir  müssen  also  voraus- 
setzen, dass  die  sage  von  Dietrichs  helme  uralt  ist  und  aus 
g-emeinsamer,  w^ahrscheinlich  ostgotischer  quelle  in  die  deutsche 
und  ung:.  sage  aufgenommen  w^urde.  Die  erzählung  von  dem 
helme,  wie  auch  die  von  der  zähen  lebenskraft  Detrehs  findet 
sich  nur  bei  Turoczi  (letztere  auch  bei  Oläh,  vgl.  oben),  und 
so  ist  sie  denn  ein  deutlicher  beweis  dafür,  dass  der  Verfasser 
der  Hunneng-eschichte  die  volkssage  nur  teilw^eise  in  seiner 
Chronik  verw^ertet  hat,  und  dass  noch  am  ende  des  15.  jh.'s 
eine  nachlese  aus  dem  volksmunde  gemacht  Averden  konnte, 
die  Turoczi  gewis  in  viel  ergiebigerem  masse  hätte  gelingen 
können,  w^enn  es  ihm  daran  gelegen  hätte. 

Eine  weitere  Übereinstimmung  mit  der  deutschen  sage 
ergibt  sich  auch  aus  folgender  stelle  der  Hunnengeschichte: 
Tunc  Roniani  Ditricum  Veronensem  Älamannum  natione  illo  in 
tempore  super  se  regem  prefecerant  voluntarw.^)  Die  erwäh- 
nung  der  freien  königsw^ahl  bei  den  Eömern  stammt  w^alir- 
scheinlich  aus  gelehrter  quelle,  wie  denn  auch  die  Gesta  Theo- 
derici  erzählen:  Legati  Bomanormn  stipervenerunt,  qui  pro 
defensione  reipuhlicae  Theodericimi  Ulis  in  patriciatus  dignitatem 
ordinari  postidabant.'^)  Detreh  wird  als  Veronensis  oder  de 
Verona  bezeichnet  und  heisst  ein  könig  von  Rom,  ebenso  wie 
in  der  deutschen  sage.  Die  Übereinstimmung  wird  auch  hier 
auf  eine  gemeinsame  quelle  zurückzuführen  sein,  auf  alte 
historische  traditionen,  deren  entstehung  auf  beiden  selten 
die  geschichtlichen  und  ethnologischen  Verhältnisse  zu  und 
nach  der  zeit  Theoderichs  d.  gr.  in  Italien  erklären  (vgl. 
Matthaei  a.  a.  o.  s.  40  f.).  Detreh  ist  in  der  ungarischen  sage 
alemannischer  abstammung,  womit  wahrscheinlich  nur  gesagt 
sein  soll,  dass  er  ein  Germane  war;  es  ist  übrigens  mög- 
lich,  dass   diese   bezeichnung  sich  aus  den  freundlichen  be- 


*)  Turoczi:  Vetricus  de  Verona  . . .  Eomanorum  principxmi  de  vohm- 
tate  omni  Germaniae  praesidebat.  Die  abweicliung  ist  schwerlich  von  be- 
deutung;  es  ergibt  sich  aus  ihr  höchstens,  dass  die  auft'assung  der  sage  von 
den  röni.  und  deutschen  Verhältnissen  eine  unklare  und  schwankende  war. 

2)  MG.  SS.  rer.  Merov.2,203;  vgl.  Matthaei  a.a.o.  s.40. 


492  BLEYER 

zieliungen  Tlieodericlis  zu  den  Alemannen  ergab.')  Detreli 
tritt  also  gleich  von  anfang  an  in  der  nng.  sage  als  könig 
von  Kom  deutscher  abstamniung  auf,  man  möchte  sagen: 
'deutsclier  nation';  wie  denn  die  deutsch-ritniischen  Verhältnisse 
auf  die  auffassung,  wenn  auch  nicht  der  sage,  so  doch  der 
Chronisten  gewis  nicht  ohne  eintluss  waren.  Seine  herschaft 
erstreckt  sich  nicht  nur  über  Italien,  sondern  auch  über  Pan- 
nonien,  wo  die  Ostgoten  vor  ihrer  Wanderung  nach  dem  süden 
gesessen  und  nicht  geringe  reste  von  ihnen  zurückgeblieben 
waren.  Als  römischer  könig  wird  er  besiegt,  infolge  der 
niederlage,  verliert  er,  wie  die  Hunnengeschichte  weiter  meldet, 
seine  Unabhängigkeit,  verlässt  Italien  und  lebt  in  Pannonien 
mit  seinem  volke  unter  Eteles  botmässigkeit.  Hiermit  beginnt 
der  aufenthalt  Detrehs  ausserhalb  seines  reiches  in  Italien  an 
dem  hofe  Eteles.  Vom  Standpunkte  der  ung.  Hunnensage  ist 
es  also  nicht  richtig,  dass  Detreh  =  Dietrich  zum  Hunnen- 
könig erst  in  beziehung  trat,  'nachdem  eine  nahe  Verbindung 
Rüdigers  mit  Etzel  und  Helche  in  der  sage  hergestellt  war' 
(B.  Sijmons,  Pauls  Grundr.  3^  703). 

Die  entstehung  der  exilsage  in  der  deutschen  Überlieferung 
ist  noch  nicht  genügend  und  überzeugend  aufgeklärt  worden. 
Man  nimmt  im  allgemeinen  an,  es  habe  sich  schon  bei  den 
Goten  der  glaube  gebildet,  dass  Italien  bereits  vor  der  erobe- 
rung  durch  Theoderich  ein  besitztum  der  Goten  gewesen  sei"^), 
um  dadurch  die  herschaft  der  Ostgoten  in  Italien  rechtlich 
begründen  zu  können s);  wenn  aber  Italien  schon  vor  Theo- 
derich in  got.  besitz  gewesen,  so  müsse  sich  daraus  als  con- 
sequenz  die  Vorstellung  von  einer  Vertreibung  Dietrichs  aus 
dem  erblande  und  seiner  endlichen  heimkehr  entwickelt  haben.'») 
Nun  ist  ja  das  bestreben  in  der  sage  allgemein  vorhanden, 
eine  neue  landnahme  auf  diese  weise  zu  rechtfertigen,  auch 
die  ung.  sage  liefert  uns  dafür  ein  beispiel;  ich  glaube  aber. 


')  Vgl.  Matthaei  a.  a.  o.  s.  41  f.,  der  daraus  auf  eine  alera.  pflege  der 
sage  schliesst;  für  die  uug.  sage  darf  aber  gewis  eine  solche  nicht  voraus- 
gesetzt werden. 

2)  Spätere  belege  einer  solchen  auffassung  führt  R.  Heinzel,  Ueber  die 
ostgot.  iieldensage  s.  32  if.  an. 

3)  Vgl.  M.  Rieger,  Dietrich  und  Theoderich,  Zs.  f.  d.  myth.  1,230. 

*)  Vgl.  Jiriczek,  Deutsche  hcldeiisagcii  1, 144  und  Sijmons  a.a.o.  s.GüO. 


Ölfi   GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.   HUNNENSAGE.  493 

dass  dieses  bestreben  die  sage  wol  zur  Verknüpfung"  und  aus- 
beutung-  gegebener  Verhältnisse  und  wirklicher  historischer 
ereignisse  in  diesem  sinne  zu  veranlassen,  nicht  aber  zu  freier 
erdichtung  solcher  zusammenhänge  zu  bewegen  vermag.  Dies 
würde  dem  geiste  echter  sage  völlig  widersprechen.  In  der 
deutschen  Überlieferung  muss  Dietrich  vor  dem  hasse  Odoakers 
bez.  Ermanarichs,  seines  oheims,  aus  Italien  in  das  Hunnenreich 
fliehen.  Diese  erzählung  der  sage  steht  in  vollkommenem 
Widerspruch  zur  geschichte,  und  die  Ursache,  welche  die  sage 
zu  dieser  abweichung  von  der  geschichte  veranlasste,  kann  die 
oben  erwähnte  deutung  —  so  meine  ich  —  nicht  aufhellen. 
Ich  habe  die  Überzeugung,  dass  die  ung.  tradition  geeignet  ist, 
in  dieser  frage  aufklärung  zu  geben. 

Nach  dem  bisher  gesagten  entwickelte  sich  die  in  der  ung. 
Hunnengeschichte  erhaltene  sage  folgendermassen:  Winithar 
verliert  sein  reich  an  Balamber;  als  nun  Detreh,  der  römische 
könig,  an  seine  stelle  trat,  musste  auch  er  seines  reiches,  also 
Italiens,  an  Etele  verlustig  werden.  Er  musste  weiterhin 
Italien  verlassen  und  als  Vertreter  Walamers  und  dessen 
brüder  an  Eteles  hofe  leben,  um  ihm  in  seinen  kriegerischen 
Unternehmungen  beizustehen  und  den  glänz  seiner  hofhaltung 
zu  heben.  Ich  glaube  nun,  dass  auch  die  exilsage  in  der 
deutschen  Überlieferung  auf  diese  grundform  zurückgeführt 
werden  muss,  an  der  die  ung.  tradition  festhielt,  die  deutsche 
aber  Veränderungen  und  Umgestaltungen  traf,  und  zwar  infolge 
von  erinnerungen  an  die  historischen  ereignisse,  die  sich  zwischen 
Theoderich  und  Odoaker  in  Italien  abspielten,  die  aber  auf  die 
sage  in  Pannonien  keinen  einfluss  ausgeübt  haben.  Die  deutsche 
sage  hat  die  kämpfe  Dietrichs  (als  des  Vertreters  Winithars) 
gegen  Etzel  und  seine  niederlage  bis  auf  minimale  reste,  von 
denen  gleich  gehandelt  werden  soll,  vergessen,  und  vergass  so 
auch  den  eigentlichen  grund,  warum  Dietrich  Italien  verlassen 
musste.  Sie  konnte  daher  niclit  anders,  als  seinen  historischen 
gegner  Odoaker  und,  nach  der  Verknüpfung  der  Dietrichssage 
mit  der  sage  von  Ermanarich,  den  bösen  Ermanarich  mit  der 
Vertreibung  beschuldigen.  Die  ung.  sage  hielt  an  den  hunni- 
schen ereignisseu,  die  deutsche  in  erster  reihe  an  den  kämpfen 
Theoderichs  gegen  den  stammverwanten  Odoaker  fest.  Diesen 
Vorgang  machen  die  geographischen  und  späteren  historischen 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXXI.  33 


494  BLEYER 

Verhältnisse  zur  genüge  verständlicli.  Dass  die  uug.  tradition 
wirklich  einen  älteren  und  einheitlicheren  typus  hewahrt  hat,  aus 
dem  sich  die  deutsche  exilsage  durch  Verschmelzung  mit  neueren 
Sagenelementen  entwickelte,  wird  aus  den  weiteren  erürte- 
rungen  über  die  ung.  Hunnensage  noch  deutlicher  hervorgehen. 

Ich  will  mich  nun  gegen  solche  ansichten  wenden,  die  zu 
den  bisherigen  ausführungen  mehr  oder  weniger  im  Wider- 
spruche stehen.  Ich  habe  bereits  erwähnt,  dass  R.  Heinzel 
(Ueber  die  Hervararsaga,  WSB.  114,  518),  dem  sich  auch  Jiriczek 
(a.a.O.  s.  127,  anm.  1)  anschliesst,  eine  ableitung  der  ung.  sage 
über  die  eroberung  Pannoniens  von  der  erzählung  des  Jordanes 
über  Winithar,  oder  besser  von  dem  bei  Jordanes  erzählten 
ereignisse,  verwirft.  Heinzel  will  wahrscheinlich  machen,  dass 
wir  in  der  darstellung  der  Hunnenkämpfe  in  Pannonien  eigent- 
lich eine  westgot.  sagenhafte  fassung  der  schlacht  auf  den 
catalaunischen  feldern  besitzen,  die  durch  deutsche  Vermittlung 
nach  Ungarn  gelangt  sei.  Die  ursprüngliche  gestalt  der  Über- 
lieferung von  den  pannonischen  kämpfen  sieht  er  in  einer  stelle 
des  Chronicon  Paschale '),  wo  berichtet  Avird,  dass  Alarich  und 
Aetius  Attila  unweit  der  Donau  listig  und  mit  erfolg  an- 
gegriffen hätten,  wobei  aber  ersterer  durch  einen  pfeilschuss 
sein  leben  verloren  habe.-)  An  Alarichs  stelle  sei  später  in 
der  weiteren  entwicklung  der  sage  (so  meint  Heinzel)  der 
westgot.  könig  Theoderich  (bei  Jordanes:  Theodoridus)  ge- 
treten, der  in  der  catalaunischen  schlacht  als  verbündeter  des 
Aetius  vom  pferde  gerissen  und  von  den  füssen  der  seinigen 
zertreten  wurde  oder  wie  'andere  behaupten',  'vom  geschoss 
des  Andagis  auf  der  seite  der  Ostrogoten  gefallen'  ist.  3)  Ab- 
gesehen davon,  dass  die  angeführte  stelle  des  Chron.  Paschale, 
die  eigentlich  über  die  catalaunische  schlacht  berichten  will 
und  diese  wahrscheinlich  nur  aus  misverständnis  an  die  Donau 
verlegt,  doch  sehr  Avenig  gemeinsames  mit  der  erzählung  der 


»)  Ed.  L.  Dindorf  (Corp.  scr.  bist.  Byz.)  1,  587  f. 

2)  Einen  einliuss  dieser  stelle  auf  die  Hunnenchronik  nahm  schon  Fr. 
Riedl  a.a.O.  8.334  an. 

3)  Jordanes,  Getica  cap.  40.  Auf  die  ähnlichkeit,  die  zwischen  diesem 
Theodoridus  und  dem  Detreh  der  uug.  chrouik  besteht,  haben  auch  schon 
Szabö  K.,  Kezai  Simon  mester  magyar  krünikaja,  18G2,  s.  18,  anm.  5  und  Petz 
a.a.O.  .s.  41  f.  aufmerksam  gemacht. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.     495 

iiiig-.  Hunnengescliiclite  hat  und  den  grundgedanken  der  img. 
sag-e  g-ar  nicht  berührt,  während  derselbe  sich  in  dem  an- 
geführten bericlite  des  Jordanes  über  Winithar  ganz  deutlich 
widerfinden  lässt,  kann  eine  erinnerung  an  die  catalaunische 
Schlacht  in  der  ung.  sage  sonst  nirgends  nachgewiesen  werden.') 
Eine  deutsche  Vermittlung  westgotischer  sage  ist  aber  eine 
annähme,  die  durch  nichts  begründet  werden  kann.  Ich  glaube 
also,  dass  den  obigen  ausführungen  gegenüber  die  ansieht 
Heinzeis  und  Jiriczeks  als  vollkommen  unzulänglich  für  eine 
erklärung  der  entstehungsweise  der  ung.  sage  von  der  erobe- 
rung  Pannoniens  abgelehnt  werden  muss.  2) 

Auf  deutschen,  namentlich  bair.  Ursprung  will  auch  Matthaei 
die  erzählung  der  Hunnengeschichte  von  den  pannonischen 
kämpfen  zurückführen.  Er  begeht  aber  auch  hier  einen  me- 
thodischen misgriff,  wenn  er  Siglerus^)  und  Callimachus^)  als 
zeugen  für  die  ung.  Hunnensage  anführt,  die  doch  keineswegs 
ans  dem  ung.  volksmunde,  sondern  bloss  aus  den  ung.  Chroniken 
geschöpft  und  die  darstellung  letzterer  mit  anderweitigen  ge- 
lehrten elementen  combiniert  haben.  Ein  weiterer  misgriff 
ist  es,  wenn  Matthaei  den  bericht  der  Hunnenchronik  über 
die  catalaunische  schlacht  (worüber  unten  ausführlicher)  in 
sagengeschichtlicher  hinsieht  verwerten  zu  dürfen  glaubt,  wo 


*)  Freilich  will  Heinzel  auch  in  der  Schilderung  der  schlacht,  in  wel- 
cher nach  Eteles  tode  seine  söhne  gegen  einander  kämpfen,  einen  solchen 
einfluss  sehen.  Doch  wenn  wirklich  eine  einwirkung  angenommen  werden 
muss,  so  kam  diese  zweifellos  nicht  in  der  sage  selbst,  sondern  erst  in  der 
Hunnenchronik  zur  geltung,  ist  also  gelehrten  Ursprungs.    Vgl.  unten. 

2)  Was  Heinzel  mit  der  behauptung:  'dass  die  catalaunische  schlacht 
bei  Simon  (Kezai)  gemeint  sei,  zeigt  der  verwante  bericht  des  Chronicon 
Budense  ed.  Podhradczky  1838,  s.  15  (richtig  16),  da  er  gegen  Simon  von 
Keza  Detricus  bei  Tarnokvelgy  siegen  lässt',  sagen  will,  weiss  ich  nicht, 
da  Kezai  an  dieser  stelle  mit  dem  Chron.  Budense  dem  sinne  nach  völlig 
übereinstimmt.  An  meiner  oben  angedeuteten  auffassung  kann  ich  auch  nach 
den  neuesten  historischen  erörterungen  von  L.Schmidt  a.a.O.  s.  111  nichts 
ändern,  der  sich  eben  auf  Heinzeis  ausführungen  stützt.  Mag  auch  vielleicht 
Winithar  selbst  sagenhaft  sein,  die  historische  grundlage  der  an  seinen 
namen  geknüpften  erzählung  kann  zweifellos  nur  den  ersten  kämpfen 
zwischen  Goten  und  Hunnen  angehören. 

*)  Sigleri  Chronol.  rer.  Hung.  a.  373  ed.  Bei  s. 43;  vgl.  Matthaei  a.a.O. 
s.  6,  anm.  1  und  öfter. 

*)  Boniiuii  Rer.  Ung.  dec.  s.  853 ;  vgl.  Matthaei  a.  a.  0.  s.  5. 12  und  öfter. 

33* 


490  m.EYER 

(loch  derselbe,  wie  die  ganze  erzählung-  über  Attilas  ausländisclie 

lieerfalirten,  aus  gelehrten  (iiiellen  entnommen  ist  und  mit  der 

ung.  volkssage  nichts  zu  schaffen  hat. 

Um  den  bair.  urspi'ung  der  ung.  sage  zu  beweisen,  führt 

Matthaei  a.  a.  o.  s.  6  folgende  stelle  aus  der  Kaiserchronik  an : 

ain  vurste  was  do  ze  hieran  sines  erbes  er  sich  uiulerwaut, 

geliaizen  was  er  der  alte  Dieterich,  er  nam  im  liute  wnile  laut, 

aiu  helt  bevolleu  erlich.  er  vorhte  iu  so  harte, 

der  newolte  nie  werden  Ezzelen  man.  er  flöch  ze  Lancparteu.') 
mit  her  rait  er  (d.  i.  Etzel)  ze  Meran, 

Ausser  der  Kaiserchronik  zieht  er  noch  folgende  erzählung 
aus  Aventins  Deutscher  chronik^)  heran:  zu  dieser  zeit  fielen 
aus  iren  hohen  univcgsamen  pirgen  die  unsinnigen  Hannen 
mitsamht  irem  Idinig  Waldmar  (d.  i.  Balamber),  zogen  gegen  der 
Thonau  iverts,  überfielen  die  Goiiten,  vertrihens  mit  herrengeivalt 
auss  irem  alten  land,  so  ir  vorvordern  etivan  lange  jar  ingehaht 
hetten,  ist  ietzo  Ungern  und  Sibenjrurgen  und  dieselbig  gcgent 
umb  die  Donau.  Von  diesen  beiden  berichten  enthält  gewis 
der  Aventins  ganz  wenig  sagenhaftes:  er  scheint  nur  ein  auszug 
aus  den  historischen  darstellungen  zu  sein,  mit  der  abweichung 
—  vielleicht  unter  dem  eiutluss  der  sage  — ,  dass  der  kampf- 
platz  aus  dem  osten  nach  Ungarn,  das  ja  für  das  eigentliche 
Hunnenland  galt,  verlegt  ist.  In  dei'  erzählung  der  Kaiser- 
chronik scheint  aber  tatsächlich  alte  Überlieferung  vorhanden 
zu  sein,  die  mit  der  ung.  sage  verwant  ist.  Es  ist  zwar  auf- 
fallend, dass  von  einem  solchen  einbruche  Attilas  in  das  land 
Dietrichs  die  deutschen  epischeu  dichtungen  nichts  wissen, 
aber  immerhin  bleibt  es  möglich,  dass  derartige  Überlieferungen 
in  Baiern  im  volksmunde  lebten.  3)    Muss  nuu  aber  die  ung. 


')  Kaiserchronik,  her.  von  E.  Schrcider,  v.  13840  ff. 

2)  A.  a.  0.  bd.  4,  2, 1077.  Matthaei  a.  a.  o.  s.  8. 

*)  Weil  die  Kaiserchrouik  von  einem  aUen  Dietertch  spricht,  will 
Matthaei  a.a.O.  s.  6f.  in  iluii  den  Westgoteukönig  Theodorich  I.  und  teil- 
weise auch  Theoderich,  den  söhn  des  Triarius,  a.  a.  o.  s.  9  f.,  widererkennen, 
die  an  AN'inithars  stelle  getreten  und  später  von  Dietrich  von  Bern  aus  der 
sage  verdrängt  worden  seien.  Ich  glaube,  Matthaei  zieht  aus  der  bezeich- 
n\ing  der  alte  viel  zu  wichtige  Schlüsse.  Mir  scheint,  dass  die  Kaiser- 
chronik Dieterich  nur  deshalb  den  alten  nennt,  weil  sie  ihn  nicht  mit 
Theoderich  d.  gr.,  also  dem  Dietrich  von  Bern  der  sage,  identiticiert  wissen 
will.  Sie  weiss  nämlich  sehr  genau,  dass  Attila  und  Theoderich  d.  gr.  keine 
Zeitgenossen  waren;  sie  betont  es  ganz  ausdrücklich:   Sioer  na  tvelle  he- 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG.   IIUNNENSAGE.  497 

sage  bairisclien  Ursprungs  sein?  Gewis  nicht;  denn  sobald 
uns  der  nacliweis  gelingt,  dass  in  Pannonien  eine  ostgot.  sage 
auch  nach  dem  aufbruche  Theoderichs  d.  gr.  und  der  seiuigen 
weiter  lebte,  ist  es  doch  viel  wahrscheinlicher,  dass  die  bair. 
sage  aus  pannonischer  tradition  geschöpft  hat. 

Ein  dunkler  rest  hierher  gehöriger  Überlieferungen  lässt 
sich  vielleicht  auch  in  der  I)iörekssaga ')  widerfinden,  wo  er- 
zählt wird,  wie  Attila  das  Hunaland  des  königs  Milias  erobert 
hat.  Es  sind  auch  sonst  zwischen  der  saga  und  der  ung.  tra- 
dition auffallende  berührungspunkte  vorhanden,  so  dass  eine 
alte  verwantschaft  in  den  berichten  über  die  eroberung  des 
reiches  Attilas  nicht  ausgeschlossen  ist.  Wie  diese  verwant- 
schaft, Avie  die  verwantschaft  der  jüngsten  deutschen  sage  über- 
haupt zu  erklären  ist,  wird  später  erhellen.  Einen  Zusammen- 
hang aber  mit  der  ung.  sage,  wie  ihn  Matthaei  a.a.O.  s.  10 
annimmt,  kann  ich  in  der  erzählung  der  piörekssaga  von  den 
kämpfen  piöreks  und  Attilas  gegen  könig  Valdemar  von  Holm- 
garör  (Ungers  ausg.  cap.  293  ff.)  (d.  i.  Eussland)  nicht  sehen. 
Valdemar  (Wladimir)  von  Eussland  ist  eine  historische  persön- 
lichkeit, die  sicher  niclit  infolge  einer  gewissen  ähnlichkeit  mit 
dem  namen  ßalambers  in  die  sage  eingetreten  ist. 

Wir  sind  also  zu  folgenden  ergebnissen  gelangt:  bei  den 
Ostgoten  entfaltete  sich  eine  sagenhafte  tradition,  die  von  der 
Unterwerfung  der  Goten  durch  den  könig  der  Hunnen  meldete. 
Diese  tradition  wurde  von  den  Ostgoten  nach  Pannonien  mit- 
gebracht und  die  ereignisse  wurden  zum  teil  in  dem  nordöst- 
östlichen  gebiete  des  comitates  Stuhlweissenburg,  wo  alte  grab- 
hügel,  ruinen  u.s.w.  eine  sagenbildung  fördern  konnten,  zum 
teil  aber  in  der  gegend  von  Tulln  in  Niederösterreich,  wahr- 
scheinlich unter  dem  einfluss  von  erinnerungen  an  die  Avaren- 
schlachten  localisiert.    An  Balambers  stelle  trat  in  der  zweiten 


io(eren,  Duz  Dieterich  JSzselen  scehe,  Der  haize  das  huoch  vur  tragen.  Do 
der  chunic  Ezzel  ze  Ovene  wart  begraben,  Dar  nach  stiiont  iz  vur  war 
Drill  undc  fierzech  jär,  Daz  Dieterich  wart  geboren  v.  14176  ff.  Sie  befolgt 
einfach  den  rat  des  Cliron.  Urspergense ,  W.Grimm,  D.  heldensage^  s.  41, 
wo  es  heisst:  tgihir  atit  hie  (d.i.  Jordaues)  falsa  conscripsit,  atit  vulgaris 
opinio  fallitur  et  faUit,  aut  alius  Hermenricus  et  alius  Theodericus  dandi 
sunt  Attilae  contemporanei,  und  gibt,  um  der  geschickte  und  der  sage 
gerecht  zu  werden,  neben  Attila  einen  älteren  Dieterich. 

1)  C.  R.  Unger,  Saga  Didriks  konungs  af  Bern,  1853,  cap.  39  ff. 


408  BLEYER 

liälfte  des  5.  jli.'s  das  biiiderpaar  Etele  und  Biida,  so  aber  dass 
ersterer  alsbald  die  oberliand  erhielt.  Auf  Winitliar  und  Atlia- 
naricli  folgte  um  die  mitte  des  6.  jh.'s  in  der  Überlieferung: 
Detreli  von  Verona,  d.i.  Theodericli  d.gr.  in  der  gescliichte,  aber 
Avalirsclieinlicli  nicht  unmittelbar,  sondern  erst  nach  Walamer 
oder  Theodemer.  Durch  seine  niederlage  "wird  Detreh  ein  vasall 
Eteles,  in  dessen  Umgebung  er  sich  fürder  aufhält.  Diese  Stel- 
lung Detrehs  zu  Etele  und  wie  er  in  dieselbe  geraten,  dürfte 
uns  aufschluss  über  die  entstehung  der  deutschen  exilsage  geben. 
Die  ostgot.  Überlieferung  lebte  auch  nach  dem  abzuge 
Theoderichs  und  seines  vaters  und  vatersbruders  in  Pannonien 
weiter  und  zwar  noch  geraume  zeit  hindurch  in  ostgot.  pflege 
(ostgot.  reste  sind  gewis  in  Pannonien  zurückgeblieben)  und 
entwickelte  sich  unter  der  einwirkung  grosser  historischer 
ereignisse  selbständig,  "\^"orauf  schon  die  namen  Etele  und  Buda 
hindeuteten,  wird  durch  den  inhalt  dieses  teils  der  sage  be- 
kräftigt: die  ung.  Hunnensage  ist  ostgotischen  Ursprungs  und 
wurde  den  Ungarn  hier  iii  Pannonien,  allerdings  nicht  durch  die 
Ostgoten  selbst,  übermittelt.  Die  sage  von  der  begründung  des 
Hunnenreiches  kann  keine  deutsche,  namentlich  keine  bair.  ent- 
lehnung  sein,  da  sich  in  der  deutschen  Überlieferung  eben  nur 
spuren  davon  finden  lassen,  die  dem  ganzen  entwickluugsgange 
beider  sagen  gemäss  viel  natürlicher  aus  pannonischem  einfluss 
erklärt  werden  können,  als  umgekehrt.  Eine  selbständige 
deutsche  Hunnensage  gibt  es  nicht  und  gab  es  kaum  jemals; 
Attila  hatte  mit  seinen  Hunnen  für  die  deutsche  sage  nur  als 
gatte  Kriemhilds  und  freund  Dietrichs  von  Bern  und  einiger 
anderen  beiden  bedeutung.  In  der  ung.  Überlieferung  hingegen 
stehen  Etele  und  Detreh  mit  ihren  Völkern  im  mittelpunkte 
des  interesses,  und  es  handelt  sich  in  der  ersten  hälfte  der 
sage  um  die  unterAverfung  und  in  der  zweiten  um  die  be- 
freiung  der  Ostgoten.  Von  den  einzelnen  details  und  den 
beweisgründen,  die  sich  daraus  ergeben,  abgesehen,  geht  auch 
aus  diesem  allgemeinen  gesichtspunkte  deutlich  hervor,  dass 
sich  eine  solche  sage  nur  bei  den  Ostgoten  gebildet  und  in 
solcher  gestalt,  an  dem  historischen  gedanken  mit  merkwürdiger 
treue  festhaltend,  nur  in  dem  heutigen  Ungarn  erhalten  Jiaben 
kann.  Wenn  irgendwo,  musste  hier  die  erinnerung  an  die 
weltgeschichtliche  erscheinung  Attilas  wach  bleiben,  wo  sich 


( 


DIE   GERM,   ELEMENTE   DER   UNG.   HUNNENSAGE.  499 

seine  macht  wie  ein  fatum  für  zahllose  Völker  erhoben  hatte 
und  nach  seinem  tode  zusammengestürzt  war,  und  wo  das 
bemühen  der  verschiedenen  Völker,  so  der  Gepiden,  Lango- 
barden, Avaren,  Slaven  u.  a.,  einen  Staat  zu  gründen,  Jahrhun- 
derte hindurch  immer  wider  scheiterte.  An  jedem  zeichen 
verschwundenen  lebens  sah  man  Überreste  der  hunn.  weitmacht, 
und  der  geist  der  geschichte,  der  v/unsch  und  trieb  der  Völker, 
ist  sich  auf  dem  boden  Pannoniens  von  dem  auftreten  der 
Hunnen  bis  zum  festen  fussfassen  der  Ungarn  gleichgeblieben. 
Allgemeine  betrachtungen,  wie  namen  und  Inhalt  der  er- 
zählung,  wie  sie  uns  in  der  Hunnengeschichte  erhalten  ist, 
beweisen  also  unzweifelhaft,  dass  es  eine  ung.  Hunnensage 
ostgotisch-paunonischen  Ursprungs  gab,  die  noch  um  1500  im 
ung.  volksmunde  lebte,  und  von  der  eroberung  Pannoniens 
durch  die  Hunnen  meldete.  Deuten  die  spuren,  die  sich  in 
der  Kaiserchronik  finden  lassen  und  über  eine  niederlage 
Dietrichs  durch  Etzel  berichten,  auf  wirkliche  Überlieferung 
hin,  so  kann  diese  nur  (mittelbar  oder  unmittelbar)  aus  Pan- 
nonien  nach  Deutschland  gelangt  sein,  wo  sie  'in  einen  andern 
horizont  gerückt  begreiflicherweise  die  geschichtlichen,  ethno- 
graphischen und  geographischen  demente  der  weltansicht,  unter 
der  sie  entstand,  alsbald  verlor'.') 

3)  Ermordung  Budas;  Eteles  ausländische  heerfahrten. 
a)   Nach  dem  berichte   über   den   sieg  der  Hunnen   bei 
Zeiselmauer  fährt  die  Hunnenchronik  fort: 

Postquam  vero  exercituä  se  dispersit,  Eomauo  more  Huni  super  se 
Ethelam  regem  preficiunt,  ipseqne  Budam  fratrem  suum  de  flumine  Tize 
usque  Don  siiper  diuersas  exteras  uationes  principem  constituit  ac  rectorem.'*) 

A¥eiter  unten  wird  dann  über  Buda  noch  berichtet  3): 

Ethela  Sicambriam  introhiit,  ubi  Budam  fratrem  suum  manibus  pro- 
priis  interfecit,  prohici  facieiis  corpus  eius  in  Danubium,  eo  quod  ipso  Ethela 


*)  So  K.  Müllenhoff  von  der  deutschen,  nach  dem  norden  gewanderten 
Nibelungensage,  Zs.  fda.  23, 149. 

2)  Kezai,  cap.  2,  9 ;  mit  unwichtigen  abweichungen  auch  in  den  übrigen 
Chroniken :  Chron.  Vindob.  cap.  4.  Chron.  Dubn.  cap.  7.  Chron.  Pos.  cap.  10. 
Chron.  Bud.  s.  17.  H.  v.  Mügelns  Chron.  d.  Hunn.  cap.  5,  mit  gelehrten  Zu- 
sätzen erweitert  bei  Turöczi  cap.  14. 

3)  Kezai  cap.  3, 11.  Chron.  Vind.  cap.  5.  Chron.  Dubn.  cap.  12.  Chron. 
Pos.  cap.  15.  Chron.  Bud.  s.  28  f.  H.  v.  Mügelns  Chi-on.  d.  Hunn.  cap.  8.  Tu- 
röczi cap.  17.  Oläh  cap.  12. 


500  BLEYER 

in  partibus  occiduis  preliaute  iuter  enni  et  fratrera  eins  metas  stabilitas 
transgressns  fuerat  doininaiulo.  Feceiat  eniin  Sicainbriam  suo  noraine 
appellari.')  Et  qnaniuis  Hnnis  et  ceteris  suis  gentibu.s  iutenlictnm  rcx 
Etliela  posuisset,  \\t  urbs  Ethele  vocaretur,  Teutouici  iutenlietum  fornii- 
dantes,  eam  Echnlburc '^)  vocauemnt.  Huni  vero,  cnram  parnam  illud 
repiitantes  interdictum,  nsque  hodie  eaudem  vocaut  Oubudain^)  sicut  prius. 

Nach  dem  tode  Elias  433  folgten  seine  beiden  bruderssölme 
Bleda  und  Attila.  'Die  staatsrechtliche  Stellung  der  beiden 
liersclier  Bleda  und  Attila  zu  einander  ist  uns  nicht  genau 
bekannt,  doch  ist  nach  des  Prosper  Aquitanus  Worten  geteilte 
herschaft  anzunehmen,  neben  welcher  übrigens  unstreitig  auch 
gesammtregierung  in  den  wichtigsten  angelegenheiten,  nament- 
lich für  auswärtige  kriege  bestand.  Man  vermutet  mit  grund, 
dass  Bleda  der  ältere  der  brüder  gewesen  sei,  welcher  Vorzug 
das  erste  aufkommen  desselben  neben  dem  so  viel  gewaltigem 
Attila  erleichtert  haben,  der  willkürgewalt  dieses  letzteren 
aber  eine  um  so  drückendere  fessel  gewesen  sein  mag,  so  dass 
derselbe,  nach  dem  einstimmigen  Zeugnisse  von  Prosper  Aqui- 
tanus, Tiro,  Marcellin  und  Jordanes  im  jähre  445  den  bruder 
durch  tötung  aus  dem  wege  räumte'^),  und  zwar  framlibus, 
wie  Jordanes^)  sagt,  was  ihm  oder  einem  andern  geschichts- 
schreiber  Tiiröczi  und  Oläh  nacherzählen.  Dieses  ereignis,  wie 
das  ganze  historische  Verhältnis  Bledas  zu  Attila,  liegt  der 
angeführten  erzählung  der  Hunnengeschichte  zu  gründe,  die 
ich  auch  in  diesem  ihren  teile  für  volkstümlich  und  aus  echter 
sage  entnommen  halte. 


1)  Im  Chrou.  Vind.  und  in  den  übrigen  Chroniken:  feccrat  nominari 
Buda  Wara;  in  H.  v.  Mügelus  Cliron.  d.  Hunn.:  do  hct  des  Tcunif)  Etzels 
prüder  huda  ein  stat  gepaivet  vnd  het  die  nach  seinem  namen  genennet; 
Turöczi  fügt  hinzu:  Quare  ipse  rex  Attila,  eundem  fratrem  suum  dolo  cir- 
CHmitcntion,  capiiauit;  Oläh:  qxium  Attila  propfer  auctam  ipsius potcniiam, 
manum  ei  palam  iniicere  }ion  änderet,  i)isidüs  adortum  capit,  trucidatqxc. 

*)  Chron.  Vind.  Eccylhnrg;  Chron.  Pubn.  und  Chron.  Bnd.  Ecilhurg; 
Chron.  Pos.  Ezelburg;  H.  t.  Mügehis  Chrou.  d.  Hunn.  etzelburgk]  Turöczi 
und  Oläh  Eczelpunj. 

8)  Stets  O«- oder  0-Buda,  lies  Ö-Buda,  d.i.  Alt-Buda;  nur  in  Chrou. 
Pos.  Wuda.  Oläh  erklärt  den  namen  der  Stadt  folgenderraassen :  Hungari 
eam  arcem,  et  vrhem  etiavi  in  pracsentia,  Budam:  Teidones  vero,  nunc 
Eczelburg,  id  est  arcem  Atilae:  nunc  a  furnis  calcis,  quae  olim  ex  lapi- 
dibus  illic  coqnebatur,  Oß'en  vocant. 

*)  Wietersheim-Dahu  a.  a.  o.  2,  224  f. 


*)  Vgl.  Jordanes,  ed.  Mommsen  s.  105,  anm.  2. 


DIE   GERM.   ELEMENTE  DER  UNG.   HÜNNENSAGE.  501 

Der  name  Bada  ist,  wie  ich  schon  oben  erörtert  habe,  in 
der  sage  an  die  stelle  des  historischen  Bleda  getreten.  Er 
kommt  auch  in  der  deutschen  und  nord.  sage  als  Botelimg  und 
Bitdli  Yor,  jedoch  wird  damit  nicht  der  bruder,  sondern  der 
vater  Attilas  bezeichnet.  Dies  wird  erst  eine  secundäre  Ver- 
schiebung sein.  Die  Edda  erwähnt  fünf  söhne  Buölis,  von 
denen  zwei  im  kämpfe  der  Nibelungen  gegen  Atlis  mannen 
fallen,  einer  durch  Guörüns  band;  zwei  andere  aber  waren 
schon  früher  gestorben.')  Keiner  wird  mit  namen  genannt; 
Atli  überlebt  sie  alle.  Die  nord.  sage  weiss  auch  von  dem 
streit  der  brüder  zu  berichten;  Guörün  sagt  zu  Atli: 

bQrpusk  'bräpY  luigir,  bqrusk  rog  milli, 

halft  gekk  til  heljar  6r  hiisi  ]7inu.2) 

Die  Ursache  des  bruderkrieges  scheint  dunkel,  wol  wurde 
er  nach  des  vaters  tod  durch  die  erbschaft  veranlasst.  3)  In 
der  I)iörekssaga  heisst  der  bruder  Attilas  OrtniÖ,  beide  sind 
söhne  des  königs  Osiö ;  von  einer  feindschaft  der  brüder  weiss 
die  saga  nichts.  Ihre  erzählung  hat  aber  an  dieser  stelle  eine 
gewisse  ähnlichkeit  mit  der  Hunnengeschichte;  sie  berichtet 
nämlich:  Milias  honungr  hafdi  sinn  liofnöstad  Jjar  er  heitir 
Ualtcrhorg.  En  Attila  Jcontingr  setr  sinn  staÖ  par  er  heitir 
Susam.  SU  er  nii  Jcolhtd  SusacJc  (d.i.  Soest  in  Westfalen). 
Hann  geriz  enn  riJcasti  kommgr. .  .  Nu  andaz  Osid  Jwnungr 
fadir  Attila  Jconungs.  oc  lians  riJci  teer  pa  enn  cellri  son  hans 
Ortnid.  oc  er  liann  nu  Jcommgr  i  Frislandi  (Ungers  ausg. 
cap.  41).  Weiter  wird  von  diesem  bruder  Attilas  nichts  be- 
richtet; später  aber  tritt  ein  herzog  Blodlen,  d.  i.  Bioedel  in 
der  deutschen  sage,  auf,  ohne  jedoch  Attilas  bruder  genannt 
zu  werden.  Er  fällt  in  dem  kämpfe  der  Nibelungen  und 
Hunnen  von  der  hand  des  Geruoz  (a.a.O.  cap. 386).  Die  deutsche 
sage  weiss  ebenfalls  nichts  von  einem  bruderzwiste:  sie  kennt 
nur  einen  bruder  Etzels,  nämlich  Bioedel,  den  fürsten  von 
Vlächen'*),  der  im  kämpfe  zwischen  den  Nibelungen  und  Hunnen 
von  Dancwarts  hand  fällt. 


1)  AtlairiQl  Str.  ±7  und  51,  nach  der  ausgäbe  von  Hiklebraud  -  Gerhig, 
Die  lieder  der  älteren  Edda  2.  Nach  der  Vglsungasaga  cap.  36  (her.  von 
E.  Wilken,  Die  pros.  Edda  etc.)  waren  der  brüder  nur  vier. 

2)  Atlamol  a.a.O.  str.  91  und  Vqlsungasaga  a.a.O. 
^)  Vgl.  W.Grimm,  D.  heldeusage'  s.  402. 

*)  So  wird  er  im  Biterolf  v.  13058  genannt. 


502  bt.kyp:r 

Wie  vei'liält  sich  nun  die  erzälilung:  in  der  ung.  Hunnen- 
chronik  zu  gescliiclite  und  westgermanischer  sage?  .Mit  der 
geschichte  stimmt  sie  auffallend  iiberein,  doch  weist  sie  auch 
abweichungen  auf,  so  dass  ihr  sagenhafter  Charakter  kaum 
bezweifelt  werden  kann.  Das  auftreten  Eteles  und  Budas 
neben  einander  ist  gewis,  wie  ich  schon  erwähnte,  eine 
erinnerung  an  die  gemeinsame  herschaft  der  beiden  brüder; 
die  wähl  Eteles  zum  könig  der  Hunnen  mag  in  dieser  form 
—  llomano  morc  —  gelehrten  Ursprungs  sein,  sicher  aber  bot 
die  sage  einen  anlass  zu  dieser  auffassung.  In  der  piöreks- 
saga  erobert  Attila  Hunnenland  allein  ohne  die  mithilfe  seines 
bruders;  es  wird  auf  diese  weise  sein  unabhängiges  besitztum, 
während  sein  bruder  Ortniö  das  reich  des  vaters  erbt.  In. 
der  ung.  Überlieferung  gehört  jene  hälfte  des  reiches  Buda, 
die  von  der  Theiss  östlich  liegt  und  von  deren  eroberung  — 
sie  kann  in  ihrem  ganzen  bereiche  kaum  als  erbland  auf- 
gefasst  worden  sein  —  die  sage  nichts  zu  berichten  weiss. 
Das  neu  unterworfene  Panuonien  erhält  Etele,  oder  —  was 
vielleicht  dem  geiste  der  sage  mehr  entspricht  —  behält 
Etele  für  sich.  Wenn  historisch  auch  eine  teilung  des 
Hunnenreiches  zwischen  Bleda  und  Attila  stattfand,  wie  die- 
selbe in  der  Hunnenchronik  angegeben  wird,  ist  sie  zweifellos 
sagenhaft.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  das  herzogt  um,  welches 
innerhalb  des  ung.  künigreichs  jenseits  der  Theiss  im  11.  jh. 
entstand,  wie  auch  der  zwist  im  kr»niglicheu  hause  selbst  auf 
diesen  teil  der  sage  belebend  eingewirkt  hat  (vgl.  Sebestyen 
a.  a.  0.  s.  404). 

A^'eil  Buda  die  grenze  seines  reiches  überschritt  und  die 
Stadt  seines  bruders  nach  seinem  namen  benannte,  tötete  ihn 
Etele.  Ob  Etele  die  Stadt  selbst  erbaut  hat,  geht  aus  den 
Chroniken  nicht  deutlich  hervor'),  es  ist  aber  wahrscheinlich. 
Der  brudermord,  aus  machtbegier,  ist  historisch.  Die  deutsche 
sage,  wie  auch  die  piörekssaga,  weiss  von  dem  bruderzwist 
nichts;  sie  muss  aber  einst  davon  geAvusst  haben,  wie  dies  die 
Edda  beweist.  Ich  glaube,  dass  die  erzälilung  der  Huunen- 
geschichte  über  die  ermordung  Budas  der  echten  Überlieferung 


•)  H.  V.  Mügelu  lässt  sie  durch  Biula  erbauen,  doch  wird  dies  entweder 
ein  willkürlicher  zusatz  oder  ein  misverstäudnis  sein.  Ausdrücklich  erklärt 
der  anonyme  notar,  dass  sie  von  Attila  erbaut  worden  sei,  vgl,  unten. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HÜNNENSAGE.     503 

angehört '),  wie  ich  auch  das  etymologische  Wortspiel  mit  dem 
personell-  und  Ortsnamen  Buda  für  volkstümlich  halte.  In 
diesem  falle  aber  ist,  wie  ich  bereits  hervorgehoben  habe, 
Budas  gestalt  in  der  ung.  tradition  viel  lebensvoller  und 
historisch  treuer  bewahrt,  als  in  der  deutsch -nord.  Überliefe- 
rung. Ich  meine  eben  deshalb,  dass  die  deutsch-nord.  sage 
in  ihren  beziehungen  auf  Attilas  bruder,  der  infolge  einer 
Verschiebung  allerdings  nicht  mehr  mit  Buöli- Botel  ung 
identisch  ist,  wenigstens  zum  teil  auf  grund  der  ung.  sage 
aufgeklärt  werden  muss,  nicht  als  ob  in  diesem  punkte  eine 
Wechselwirkung  stattgefunden  hätte,  sondern  weil  beide  aus 
denselben  historischen  erinnerungen  hervorgegangen  sind.  Die 
ung.  sage  weiss  nur  von  dem  brudermord,  nichts  aber  von  der 
beteiligung  eines  bruders  Eteles  an  der  letzten  grossen  Schlacht, 
die  die  katastrophe  der  Hunnenmacht  herbeiführt.  Die  Edda 
weiss  von  einem  bruderzwiste,  zugleich  aber  auch  von  einer 
beteiligung  der  brüder  Atlis  an  dem  kämpfe  gegen  die  Nibe- 
lungen. Auch  die  l)iörekssaga,  die  zwar  von  einem  zwiste 
der  brüder  nichts  weiss,  berichtet  am  beginne  der  eigentlichen 
Huunensage  über  einen  bruder  Attilas,  ausserdem  lässt  sie 
Bioölen  an  der  katastrophe  teilnehmen,  freilich  ohne  sich 
seines  Verhältnisses  zu  Attila  und  infolgedessen  auch  zu  Ortniö 
bewusst  zu  werden.  Die  deutsche  sage  hat  nur  mehr  von 
demjenigen  bruder  Etzels  kenntnis,  der  an  dem  grossen  ka,mpfe 
der  Hunnen  gegen  die  Burgunden  beteiligt  ist.  Die  ung.  tra- 
dition steht  im  wesentlichen  noch  auf  dem  boden  der  geschichte, 
die  nord.  und  noch  mehr  die  deutsche  hat  denselben  schon 
verlassen.  Die  ung.  Überlieferung  zeigt  uns  die  erste  stufe 
in  der  sagenhaften  Weiterentwicklung  der  historischen  tra- 
ditionen;  die  nord.  hat  in  ihrem  berichte  über  den  bruder- 
zwist  wenigstens  noch  eine  spur  davon  bewahrt.  Die  Edda 
nennt  je  zwei  brüder,  was  kaum  echt  sein  wird;  ursprünglich 
wird  nur  je  einer  aufgetreten  sein.  Es  ist  nicht  unwahrschein- 
lich, dass  der  bruder,  mit  dem  Atli  in  streit  verwickelt  war, 
den  namen  Buöli  führte  (in  Übereinstimmung  mit  der  ung. 
tradition),  der  durch  eine  weitere,  leicht  verständliche  ver- 


*)  Trotz  des  anklanges  an  die  sage  von  der  ermordung  des  Remus 
durch  Eomiilus  glaube  ich  nicht  an  gelehrten  Ursprung,  wie  solcher  von 
Petz  a.a.O.  s. 55  und  Matthaei  a.a.O.  s.  17  angenommen  wird. 


504  BLEYER 

Schiebung  zum  vater  Atlis  wurde.  Eine  zweite  stufe  der  ent- 
Avicklung,  die  die  ung.  tradition  nicht  mehr  betrat,  entstand 
dadurch,  dass  noch  ein  zweiter  bruder  Attilas  auf  eine  un- 
bekannte veranlassung')  in  die  deutsch-nord.  sage  eintrat  und 
in  der  grossen  katastrophe  eine  rolle  erhielt.  Diese  stufe  wird 
eigentlich  durch  die  Edda,  und  dem  wesen  nach  auch  durch 
die  liiörekssaga  repräsentiert.  Die  Edda  nennt  auch  hier  nicht 
den  namen  des  bruders  (statt  zweier  brüder  wird  als  ursprüng- 
lich, wie  ich  bereits  erwähnte,  nur  einer  betrachtet  werden 
dürfen),  es  ist  aber  wahrscheinlich,  dass  er  schon  auf  dieser 
ent Wicklungsstufe  von  Bleda  abgeleitet  war,  wie  denn  in  der 
piörekssaga  dieser  zweite  bruder  tatsächlich  Bioölen,  in  den 
deutschen  dichtungen  Bloedel  heisst.  Der  name  Bleda- Blcedel 
wäre  also,  obgleich  der  historisch  bezeugte,  jünger  als  Buda; 
jedesfalls  ist  aber  seine  unhistorische  rolle  die  jüngere. 2)  Die 
dritte  entwicklungsstufe,  wie  sie  uns  das  Nibelungenlied  zeigt, 
ergab  sich,  als  die  erinnerung  an  die  gemeinsame  regierung 
des  brüderpaares  in  der  deutschen  sage  vollkommen  vergessen 
war  und  Etzel  eine  völlig  passive  rolle  einnahm.  Da  musste 
auch  der  brudermord,  auch  in  der  form  eines  blossen  zwistes, 
in  Vergessenheit  geraten,  und  Etzels  bruder  spielte  nur  mehr 
in  der  katastrophe  eine  rolle. 

Nun  will  ich  noch  auf  die  verschiedenen  namen  eingehen, 
mit  denen  in  der  Hunnengeschichte  Eteles  residenz  bezeichnet 
ward.  Der  gelehrte  name  ist  Sicambrict]  nach  dem  berichte 
der  Chroniken  liess  Etele  die  Stadt  urhs  EtheU  nennen,  sein 
bruder  Buda  aber  nach  seinem  namen  Buda  bez.  O-Bmla.  So 
sei  der  deutsche  name  Etzelharg  und  der  ung.  Buda  entstanden. 
Der  anonyme  notar,  der  seine  kenntnis  der  sage  meist  unter- 
drückt, nennt  Attilas  residenz  sechsmal  civitas  Athile  regis 
und  viermal  Ecilhurgu.'^)    Im  1.  cap.  sagt  er  im  zusammenhange 


')  Vielleicht  nur  deshalb,  weil  die  sage  eine  beteiliyung-  des  bruders 
Attilas  an  dem  entscheidenden  kämpfe  für  natürlich,  ja  notwendig  hielt. 

'^)  Es  ist  eine  allgemeine  ansieht,  dass  Blcedel  erst  spät  in  die  deutsche 
sage  eintrat,  aber  nach  meiner  meinung  gewis  nicht  so  spät  und  auf  solche 
weise  wie  AV.  Wilmanns,  Per  Untergang  der  Mbclunge  (Abh.  d.  k.  ges.  d. 
wiss.  in  Göttingen,  phil.-hist.  kl.  n.  f.  7, 1903)  annimmt. 

')  S.  die  Zusammenstellung  bei  Heinrich  G.,  Etzelburg  es  a  magyar 
hüumonda  s.  21  f. 


Die   GERM.  ELEMENTE   DER  UNG.   HUNNENSAGE.  505 

mit  der  abstammimg  der  Ungarn:  (Äitila)  rcgalem  sihi  locuni 
constituit  iiixta  Danuhinm  supra  calidas  aquas,  et  omnia  aniiqiia 
Opera  que  ihi  innenit,  renouari  precepit,  et  in  circiiitu  nmro 
foriissimo  ediftcauit,  que  per  linguam  hnngaricam  äicitur  nunc 
Buduuar,  et  a  teotJionicis  Ecilhurgnm  vocatur. 

Die  Stadt,  wohin  die  residenz  in  der  sage  verlegt  wurde 

—  tatsächlich  befand  sie  sich  mehr  im  Innern  Ungarns  östlich 
von  der  Donau,  wie  dies  aus  dem  gesantschaftsberichte  des 
Priscus  bekannt  ist  —  war  eine  alte  römerstadt  gewesen,  die 
Aquincum-Acincum  hiess.i)  Die  ruinen  derselben  sind  zum 
teile  noch  heute  sichtbar,  und  müssen  in  den  ersten  Jahrhun- 
derten nach  der  ung.  landnahme  noch  viel  bedeutender  gewesen 
sein,  so  dass  der  anonyme  notar  (cap.  42)  berichten  konnte: 
Arpad  et  omnes  sui  primates,  cum  omnihus  militihus  Hungarie 
intrauerunt  in  civitatem  Atthile  regis.  Et  uiderunt  omnia  pa- 
lacia  regalia,  quedani  destructa  ad  fundamentum,  quedam  non, 
et  admirahantur  ultra  modum  omnia  illa  edificia  lapidea.  Et 
facti  sunt  leti  ultra  quam  dici  polest,  eo  quod  capere  meruerunt 
sine  hello  ciuitatem  Atthile  regis,  ex  cuius  progenie  dux  Arpad 
descenderat.  Et  epulaJjantur  cottidie  cum  gaudio  magno  inpalatio 
Attile  regis  u.s.w.  Die  stürme  der  Völkerwanderung  rissen  Aquin- 
cum  nieder,  und  auch  die  röm.  bevöikerung  verschwand  sammt 
ihrer  cultur.  Unbewohnt  blieb  aber  die  Stadt  oder  wenigstens 
ihre  Umgebung  gewis  nie:  auf  die  Römer  folgten  Germanen, 
auf  diese  Slaven  und  im  9.  jh.  die  Ungarn.  Der  name  Aquin- 
cum-Acincum  gieng  verloren,  und  die  Stadt  selbst  ward  Jahr- 
hunderte hindurch  nicht  mehr  erwähnt.  Erst  in  den  ung. 
Chroniken  und  Urkunden  begegnet  sie  uns  wider,  aber  nunmehr 

—  neben  dem  gelehrten  Sicamhria  und  deutschen  Et^elburg  — 
unter  dem  namen  Buda.  Diesen  erhielten  die  Ungarn  zweifellos 
von  den  Slaven,  wie  es  denn  eine  grosse  anzahl  slavischer  orte 
dieses  namens  gibt.  2)  Seinem  Ursprünge  nach  ist  der  name 
aber  wahrscheinlich  germ.,  und  ich  glaube,  er  muss  auf  germ. 
*&q/ja  (nhd.  hiide)  zurückgeführt  werden,  woraus  sich  im  slav. 


^)  Vgl.  Salamon  F.,  Buda-Pest  törtenete  1, 101  ff. ;  auch  Corp.  inscript. 
lat.  3, 1, 439  ff. 

2)  G.  Fr.  Miklosicli,  Denksclir.  d.  Wiener  ak.,  phil.-hist.  kl.  22  (Wien 
1874),  149. 


506  nLEYER 

die  form  Jhahi  laiitgesetzlich  entwickelte.')  Es  ist  nicht  zu 
bezweifeln,  tlass  zur  zeit  der  \mg.  landnalinie  die  bevölkerung 
Budas  aus  Slaven  bestand,  zu  denen  sich  alsbald,  und  zwar 
in  überwiegender  zahl,  Ungarn  gesellten.  Aber  schon  im  12.  jh. 
wurden  hier,  wie  auch  in  Pesf^),  das  weiter  unten  am  linken 
und  teilweise  auch  am  rechten  ufer  der  Donau  lag,  Deutsche 
angesiedelt-*),  gewis  deshalb,  weil  die  bevölkerung  auch  nach 
der  niederlassung  der  Ungarn  noch  immer  schütter  war.  Sie 
nahmen  aber  die  benennung  Uiida  nicht  herüber,  sondern 
hiessen  den  ort  Etzellmrg. 

Woher  nun  der  name  Etzelburg,  der  nicht  nur  in  den 
Chroniken,  sondern  auch  in  amtlichen  Urkunden  bis  ins  15.  jh. 
hinein  gebräuchlich  war.  4)  Am  einfachsten  wäre  die  annähme, 
dass  der  Verfasser  der  Hunnengeschichte  den  namen  aus  der 
deutschen  sage  entnommen  und  die  erzählung  von  der  'furcht 
der  Deutschen'  erdichtet  hätte.  Dies  ist  aber  schon  nach  den 
bisherigen  ausführungen  ganz  unwahrscheinlich.  Geradezu 
unmöglich  machen  sie  aber  die  resultate,  zu  denen  Heinrich 
in  seiner  sclion  öfter  angeführten  abhandlung  gelangte.  Wie 
ich  bereits  in  der  einleitung  kurz  erwähnt  habe,  hat  Heinrich 
überzeugend  nachgewiesen,  dass  die  älteren  deutschen  epen 
(Nibelungenlied,  Biterolf;  in  der  Klage  wird  Etselcn  hure 
oder  Etzelburc  gar  nicht  erwähnt)  die  resideuz  Etzels  zwar 
an  die  Donau  nach  Ungarn,  aber  nach  keinem  bestimmten  ort 


^)  lieber  germ.  ö  >  slav.  u  vgl.  R.  Loewe,  Zs.  f.  vgl.  sprachf.  39,  316. 
Uebrigens  wurde  schon  spätgot.  ö  >  n. 

^)  Pest  ist  ebenfalls  ein  slav.  name,  den  die  Ungarn  (gerade  wie 
Buda)  beibehalten,  die  Deutschen  aber  durch  Ofen  übersetzten.  All- 
mählich wurden  die  beiden  teile  der  stadt  Pest  am  linken  und  rechten 
Donauufer  —  letzterer  entwickelte  sich  nach  der  mitte  des  13.jh.'s  immer 
mehr  —  von  einander  selbständig.  Es  fand  alsbald  eine  Verschiebung  in 
den  namen  statt,  so  dass  schliesslich  die  stadthälfte  am  linken  ufer  auch 
von  den  Deutschen  Fest  genannt  wurde,  die  andere  hälfte  aber  am  rechten 
ufer  fortan  deutscli  Ofen  und  ung.  Buda  hiess.  Das  eigentliche  Buda 
{tSicambria,  Etzelburg)  al)er  erhielt  von  den  Deutsclien  den  namen  Alt- 
Ofen,  von  den  Ungarn  6 -Buda.  Der  anonyme  notar  nennt  Sicambria, 
wie  wir  sahen,  noch  Buduvar  (var  =  'bürg'),  Kezai  und  bie  übrigen 
Chroniken  aber  —  mit  ausnähme  des  Chron.  Poson.  —  schon  Ö-Buda ;  vgl. 
Salamon  F.  a.  a.  o.  2, 126  ff.  und  K.  J.  Schröer,  Germ.  17,  65  ff. 

3)  Vgl.  Salamon  F.  a.a.O.  2, 101  ff'. 

♦)  Vgl.  Heinrich  G.  a.  a.  o.  s.  38. 


DIE   GERM.  ELEMENTE   DER  UNG.   HÜNNENSAGE.  507 

verlegt  war.  Die  beliauptung-,  class  Etzelburg  mit  Gran  oder 
Alt-Ofen  für  identisch  gehalten  worden  wäre,  lässt  sich  durch 
nichts  beweisen');  in  bezug  auf  Alt-Ofen  ist  sie  aber  schon 
an  und  für  sich  ganz  unwahrscheinlich,  da  dieser  ort  im  12. 
und  13.  jh.  ganz  unbedeutend  war  und  eben  deshalb  in  Deutsch- 
land nicht  bekannt  sein  konnte.  Ofen  selbst  erhielt  seine 
bedeutung  erst  nach  dem  einfalle  der  Tataren  um  die  mitte 
des  13.  jh.'s,  als  sie  allmählich  neben  und  statt  Gran  die  resi- 
denz  der  ungarischen  könige  wurde.  Eine  bestimmte  locali- 
sierung  nach  (Alt-)  Ofen  fand  in  der  deutschen  sage  und 
literatur  erst  später  statt,  und  zwar  einerseits  unter  dem 
einflusse  der  ung.  Chroniken,  die  in  Deutschland  —  wie  schon 
Heiurich  von  Mügeln  zeigt  —  früh  bekannt  wurden,  andrer- 
seits durch  den  umstand,  dass  das  neben  Etzelburg  =  Alt- 
Ofen  gelegene  Ofen  =  Buda  sich  zur  ersten  stadt  Ungarns 
und  infolgedessen  zu  allgemeiner  bekanntschaft  erhob.  Aus 
der  deutschen  sage  darf  also  das  Eczilhurg  in  den  ung.  Chro- 
niken nicht  erklärt  werden. 

Eine  andere  deutung  gibt  Fr.  Salamon.^)  Er  geht  von  dem 
römischen  Aquincum  >  Acincum  aus  und  nimmt  an,  dass  sich 
dieses  zu  einem  deutschen  Asm-hurg  und  letzteres  wider  unter 
dem  einflusse  der  deutschen  heldensage  zu  A^ilbury  >  Ezilburg 
entwickelt  habe.  Sprachlich  wäre  ja  diese  erklärung  nicht 
unmöglich,  denn  für  lat.  c,  das  im  6. — 7.  jh.  im  Vulgärlatein 
palatalisiert  wurdet),  haben  wir  auch  sonst  z  in  lat.  lelm- 
wörtern  der  deutschen  spräche,  z.  b.  circulus  >  zirhel,  census 
>  sins,  arcJii-  arci-  >  erz-  u.  a.    Die  entlehnung  könnte  dann 


^)  Der  streit  also,  ob  unter  Etzelburg  in  den  deutschen  epen  Gran  = 
Esztergom  oder  (Alt-)  Ofen  =  (Ö-)Buda  zu  verstehen  sei,  entbehrt  jeder 
reellen  grundlage.  Wenn  Mülleuhoff,  Zs.  fda.  12, 482  ff.,  um  die  Identität 
von  Etzelburg  und  (Alt-)  Ofen  zu  beweisen,  sich  auf  die  ung.  chrouiken 
beruft,  so  braucht  nach  dem  gesagten  nicht  weiter  ausgeführt  zu  werden, 
dass  dieselben  für  die  deutsche  sage  keine  beweiskraft  haben.  Zugleich 
bemerke  ich,  dass  die  Urkunde,  die  Müllenhoff  aus  dem  jähre  1092  (G.  Fejer, 
Cod.  dipl.  Hung.  1,  479)  heranzieht,  eine  fälschung  ist.  Vgl.  Karäcsonyi  J., 
A  hamis,  hibäskeltu  es  keltezetlen  oklevelek  jegyzeke  1400 -ig,  1902,  s.  8, 
no.  48. 

^)  A.a.O.  2,  51  f.  Diese  erklärung  wird  auch  von  Nagy  G.,  Ethno- 
graphia  1, 163  widerholt. 

^)  Vgl.  E.  Seelmann,  Die  ausspräche  des  latein,  1885,  s.  336. 


508  fiL-RYER 

natürlich  erst  in  alid.  zeit  stattgefunden  haben,  da  vor  der- 
selben lat.  c  ^--  Je  zwischen  vocalen  durch  die  hd.  lautverschie- 
bung  zu  ch  werden  musste,  z.  b.  lat.  aqnärmm  >  ahd.  ahhäri, 
coqnus  —  cociis  >  ahd.  choh  u.a.  Betrachten  wir  aber  zeit  und 
umstände  njiher.  unter  denen  Acincum  in  den  deutschen  orts- 
namenschatz  hätte  eintreten  müssen,  so  können  wir  der  an- 
nähme nicht  beistimmen.  Diese  erklärung  setzt  voraus,  dass 
sich  die  römische  bevölkerung  in  oder  um  Acincum  und  natür- 
lich auch  der  lat.  name  der  Stadt  bis  in  ahd.  zeit  erhalten 
habe,  was  für  ausgeschlossen  betrachtet  werden  kann.  Salamon 
behauptet  selbst,  dass  sich  römische  elemente  in  diesem  teile 
Pannoniens  über  das  6.  jh.  hinaus  nicht  haben  erhalten  können 
(a.a.O.  2, 47  und  28).  Er  achtet  aber  bei  der  deutung  des 
namens  auf  diesen  umstand  nicht,  und  nimmt  an,  dass  baju- 
varische  Schiffer,  die  ihre  beziehungen  zu  Ost-Pannonien  auch 
w^ährend  der  Avarenherschaft  aufrechterhalten  hätten,  den 
namen  Acincum  herübergenommen  und  nach  ihrer  zunge  um- 
gestaltet hätten.  Auch  diese  Voraussetzung  ist  sehr  willkür- 
lich und  durch  nichts,  als  eben  diesen  deutungsversuch, 
begründet. 

Ich  will  eine  andere  erklärung  versuchen.  Das  composi- 
tionsglied  Et^el  ist  zwar  in  deutschen  Ortsnamen  nicht  selten 
(vgl.  F.  Grimme,  Germ.  32,  68),  trotzdem  darf  aber  kaum  an- 
genommen werden,  dass  die  im  12.  und  13.  jh.  eingewanderten 
Deutschen  den  namen  mitgebracht  hätten,  da  Buda  nicht  von 
ihnen  begründet  wairde;  auch  Hesse  sich  kein  grund  angeben, 
w^arum  sie  dem  oi'te  gerade  diesen  deutschen  namen  gegeben 
hätten.  Die  deutsche  sage  kann  keinen  anlass  dazu  geboten 
haben,  da  diese  von  einer  localisierung  der  bürg  Etzels  nach 
Buda  nichts  wusste.  "Warum  wurde  aber  dann  nicht  auch  von 
ihnen  der  name  Buda  angenommen?  Ich  glaube,  der  Ortsname 
Eczilhiirg  ist  unter  dem  einflusse  der  ung.  sage  entstanden. 
Man  hielt,  natürlich  in  Ungarn  infolge  der  pannonischen  Über- 
lieferung, Buda  allgemein  für  die  ehemalige  residenz  Eteles. 
Es  ist  eben  deslialb  wahrscheinlich,  dass  schon  vor  der  ent- 
stehung  der  form  Etselhurg  die  bezeichnung  lu-hs  oder  civitas 
Ättilae  neben  dem  namen  Buda,  wenigstens  im  gewählten  oder 
amtlichen  stil,  gebräuchlich  war.  Die  Chronisten,  besonders 
der  sonst  sagenschene  anonjnne  notar,  gebrauchen,  wie  wir 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.      509 

bereits  gesellen  haben,  nicht  selten  diese  bezeichnung;  letzterer 
öfter  auch  derart,  dass  er  gar  keine  erklärnng-  durch  die 
namen  Etzelhurg  oder  Buda  hinzufügt.  Der  Chronist  Arnold 
von  Lübeck  berichtet  (Chron.  Slavorum,  MG.  SS.  21, 171)  aus 
dem  jähre  1189,  kaiser  Friedrich  I.  sei  auf  seinem  kreuzzuge 
nach  Gran  —  eine  üngarorwn  est  metrojyolis  —  gelangt  und 
inde  domnus  iniperator  a  rege  deductus  est  in  urhem  Ädtile 
dictam.  Dies  ist  natürlich  Buda,  und  also  der  älteste  beleg 
für  die  bezeiclmung  urhs  Attilae.  Diesen  namen  kann  auch 
er  nicht  aus  der  deutschen  sage  geschöpft  haben,  sondern  wird 
ihn,  wie  seinen  ganzen  bericht,  von  gewährsmännern  erhalten 
haben,  die  an  dem  kreuzzuge  teilgenommen  hatten.  Diese 
aber  können  den  namen  des  sonst  unbedeutenden  ortes  nur  in 
Ungarn  erfahren  haben;  er  wird  also  höchstwahrscheinlich 
auch  schon  gebildet  gewesen  sein,  und  zwar  unter  dem  einfluss 
der  ung.  sage,  als  hier  Deutsche  angesiedelt  wurden.  Was 
war  nun  natürlicher,  als  dass  die  Deutschen,  die  könig  Etzel 
aus  ihren  heimischen  sagen  wol  kannten,  die  urhs  Attilae  durch 
Emlburg  übersetzten,  wie  denn  die  deutschen  colonisten  fremde 
Ortsnamen,  wenn  es  möglich  war,  immer  gerne  in  ihre  spräche 
übersetzten.  Wenn  der  Verfasser  der  Hunnengeschichte  erzählt, 
die  Deutschen  hätten  die  Stadt  auf  befehl  Eteles  und  aus  furcht 
vor  ihm  Etzelburg  genannt,  die  Ungarn  aber  trotzdem  den 
namen  Buda  beibehalten,  so  kann  das  sehr  wol  eine  spöttische 
anekdote  im  ung.  volksmunde  gewesen  sein,  wie  solche  sehr 
häufig  sind,  und  braucht  keineswegs  für  eine  persönliche  be- 
merkung  des  Chronisten  gehalten  zu  werden.  Die  localisierung 
der  hauptstadt  Eteles  nach  Alt -Ofen  wurde  natürlich  durch 
die  grossartigen  ruinen  Aquincums,  auf  denen  Alt -Ofen  zum 
teil  erbaut  worden  war,  veranlasst. 

Ich  glaube,  es  ist  mir  gelungen,  durch  die  vorhergehenden 
erörterungen  wahrscheinlich  zu  machen,  dass  die  erzähluug  der 
Hunnengeschichte  von  Buda,  dem  bruder  und  der  Stadt  Eteles, 
der  echten  Überlieferung  angehört.  Auch  hier  hatten  wir  ge- 
legenheit,  einen  belehrenden  einblick  in  die  ent Wicklung  der 
germ.  Hunnensage  zu  tun,  wie  sie  in  Pannonien  und  in  Deutsch- 
land-Scandinavien  vor  sich  gieng. 

b)  Nach  der  erzälilung  von  der  teilung  des  Hunnenreiches 
unter  Etele  und  Buda   gibt  uns  die  Hunnengeschichte  eine 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXI.  34 


510  BLEYER 

Charakteristik  Eteles.»)  Sie  fiilirt  den  titel  Eteles  an:  ILm- 
norum  rex,  metus  orhis,  flagclhini  dci-);  schildert  liierauf  seine 
äussere  erscheinung  und  seine  inneren  eigenscliaften:  Erat  enim 
rex  FAhela  colore  tcter,  ocnlis  nigris  et  furiosis,pectore  lato,  elatns 
incessu,  statura  hrcvis,  harham  prolixam  cum  Hnnis  dcfcrchat; 
er  war  kühn,  aber  nicht  verwegen,  liebte  reinlichkeit  und  war 
wollüstig;  trotz  seiner  härte  war  er  freigebig  und  freundlich, 
propter  qnod  ab  extera  natione  amahafur,  —  nationcs  kUoque 
regnornm  dinersorum  ad  ipsum  de  finihus  orhis  icrre  conflue- 
hant;  er  war  reich  und  mächtig,  liebte  glänz  und  prunk;  in 
seinem  schilde  führte  er  ein  Avappen,  in  welchem  ein  vogel 
dargestellt  war,  der  Imngarice  tund  diciiio-^);  dieses  wappen 
führten  die  Hunnen  usque  iempora  ditcis  Geiche;  Etele  besass 
Städte  und  bürgen,  habitare  vero  —  sagt  Kezai  im  Widerspruch 
zu  dem  berichte  über  Etzelburg^)  —  in  ipsis  contempnchat, 
denn  den  Städten  zog  er  das  leben  im  freien  unter  zelten  vor. 

Die  ganze  angeführte  Charakteristik  ist  entschieden  ge- 
lehrten Ursprungs,^)  In  dieser  form  und  mit  solcher  auffassung 
kann  sie  niemals  im  volksmunde  gelebt  haben.  Den  kern  der 
Schilderung  linden  wir  schon  bei  Jordanes  (Getica  cap.  34  f.), 
oft  mit  wörtlichen  anklängen.  Wenn  Attila  in  der  ung. 
Hunnengeschichte,  im  gegensatze  zu  dem  historischen  berichte 
des  Priscus  und  Jordanes,  als  prunksüchtig,  oder  statt  rarus 
harha  (so  Jordanes)  mit  harha  prolixa  geschildert  wird,  so  ist 
das  einfach  eine  concession  von  selten  des  ung.  Chronisten  an 
den  nationalen  geschmack.    Attila  ward  für  den  ahnen  des 


*)  Kezai  cap.  2, 9;  etwas  abweichend  in  den  übrigen  Chroniken  Chron. 
Viud.  cap.  4.  Chron.  Dubn.  cap.  7.  Chron.  Pos.  cap.  11.  Chron.  Bud.  s.  18f. 
H.  V.  ]\Iügelns  Chron.  d.  Ilunn.  cap.  5.  Turoczi  cap.  13.  Oläh  cap.  3. 

*)  So  bei  Kezai;  in  den  übrigen  Chroniken  ist  der  titel  erweitert: 
Atyla  dei  gratia  ßlius  Bendakus,  nejjos  magni Magor,  nidritus  in  Engadi, 
rex  Hunoritm  Medorum  Gottorum  Vanorum  metus  orhis  tcrre  et  flageUum  dei. 

*)  In  den  übrigen  Chroniken:  Balnerinm  . . .  similitudiuem  austurio  . . . 
hahehat;  turul  ist  ein  dunkles  nng.  wort,  das  nur  bei  Kezai  vorkommt.  Vgl. 
Sebestyen  a.  a.  o.  s.  407  ft'.  und  2,  G2  ff. 

*)  Diese  bemerkung  fehlt  in  den  übrigen  Chroniken. 

*)  Matthaei  a.  a.  o.  s.  17  f.  zieht  auch  hier  eine  stelle  aus  Aventin 
(a.a.O.  2,  302  und  4,  2, 1139)  heran,  obgleich  er  selbst  bemerkt,  dass  der  schil- 
dening  —  und  zwar  der  Aventius  noch  deutlicher  als  der  Kezais  —  die- 
jenige bei  Jordanes  zu  gründe  liegt. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DEE  UNG.  HUNNENSAGE.     51 1 

ungarischen  künig-sliauses  gehalten,  und  so  mnsste  er  in  einer 
ung.  Chronik  natürlich  mit  den  glänzendsten  eigenschaften 
ausgestattet  werden.  Eben  aus  diesem  gründe  führt  er  auch 
dasselbe  wappen,  von  welchem  wir  übrigens  nichts  näheres 
wissen,  wie  die  ung.  fürsten  bis  zur  zeit  Gyecses.  Wie  das 
meiste  in  der  Schilderung,  so  stammt  natürlich  auch  der  titel 
in  seiner  grundform  gewis  aus  ausländischen  gelehrten  quellen 
(vgl.  Gottfried  v.  Viterbo,  MG.  SS.  22, 188). 

Ueber  den  eigentlichen  Charakter  Eteles,  wie  ihn  die  sage 
auffasst,  kann  nur  ganz  wenig  gesagt  werden,  da  die  erzäh- 
lung  in  der  Hunnengeschichte,  wo  sie  wirklich  aus  echter 
Überlieferung  schöpft,  so  sehr  skizzenhaft  ist,  dass  Etele  selbst 
persönlich  kaum  hervortritt.  Nur  eine  persönliche  tat,  näm- 
lich die  ermordung  Budas,  die,  wie  ich  annehme,  sagenhaft 
ist,  wird  hervorgehoben.  Zweifellos  ist  auch,  dass,  was  ich 
schon  oben  erwähnte,  Etele  in  der  Überlieferung  von  den 
pannonischen  kämpfen  eine  leitende  rolle  gespielt  haben 
muss.  Dass  die  sage  auch  nach  der  eroberung  Pannoniens 
noch  von  heerfahrten  Eteles  zu  melden  wusste,  hoffe  ich  unten 
wahrscheinlich  machen  zu  können.  Die  erscheinung  Attilas 
ist  in  der  ung.  tradition  im  allgemeinen  tatengewaltiger  und 
also  historischer  aufgefasst  als  in  der  deutschen,  wo  er  beson- 
ders im  Nibelungenliede  schwächlich  und  fast  zum  schatten 
geworden  ist.  Im  übrigen  sind  er  und  seine  taten,  wie  sein 
Verhältnis  zu  Detreh  noch  beweisen  wird,  sympathisch  und 
freundlich  beurteilt.  Die  Verherrlichung  Eteles  als  eines 
nationalheros  muss  natürlich  schon  als  eine  specifisch  ung. 
Weiterbildung  betrachtet  werden,  die  aus  dem  verwantschafts- 
verhältnisse  der  Hunnen  und  Ungarn  der  auffassung  der  sage 
gemäss  notwendig  folgte.  Der  Verfasser  der  Hunnenchronik 
mag  dann  noch  das  seinige  hinzugegeben  haben,  das  besonders 
da  hervortritt,  wo  er  aus  ausländischen,  besonders  romanischen 
quellen  schöpfte  und  deren  feindliche  gesinnung  gegen  Attila 
zu  mildern  oder  umzugestalten  gezwungen  war.  In  der  erinne- 
rung  der  Romanen  und  westdeutschen  stamme,  namentlich  der 
Franken,  lebte  Attila  als  'gottesgeisel',  und  so,  grausam,  hab- 
gierig und  treulos,  kennt  ihn  auch  die  nord.  sage,  die  sich 
auf  fränk.  Überlieferung  stützte.  In  der  deutschen  dichtung 
dagegen,  wo  er  als  milder,  weiser  herscher  gescliildert  wird, 

34* 


512  BLEYER 

ZU  dem  alle  verhannten  recken  ilire  Zuflucht  nehmen,  si)iegelt 
sich  das  bild  Attilas  -wider.  Avie  es  sich  bei  den  mit  den 
Hunnen  verbündeten  (lermanenstämmen,  vor  allem  bei  den 
Ostgoten,  entwickelt  hatte.  Von  diesen  aus  fand  —  wie  schon 
Fr, Vogt  u.a.  erkannt  haben')  —  diese  auffassung  auch  bei 
den  süddeutschen  stammen  Verbreitung:  auf  welche  weise, 
darüber  soll  später  noch  gehandelt  werden.  Auch  in  der 
ung.  sage  herscht  eine  solche  beurteilung  der  Persönlichkeit 
Attilas,  und  zwar,  wie  ich  schon  betonte,  mit  treuerer  histo- 
rischer färbung,  als  in  der  deutschen.  Dass  dies  sehr  gut  zu 
den  resultaten  stimmt,  zu  denen  wir  bisher  gelangt  sind,  braucht 
nicht  erst  bemerkt  zu  werden.  Ueber  das  heidentum  Eteles 
und  von  seinem  Verhältnis  zum  Christentum  erfahren  wir  aus 
den  sagenhaften  teilen  der  Hunnengeschichte  nichts,  wie  denn 
auch  die  ung.  sage  selbst  darüber  kaum  etwas  berichtet  haben 
w4rd,  gewis  noch  weniger,  als  die  deutsche.  Es  ist  überhaupt  ein 
beständiger  zug  der  ung.  dichtung,  dass,  von  einzelnen,  eigens 
begründeten  erscheinungen  abgesehen,  der  religiöse  Standpunkt 
vor  dem  nationalen,  wie  er  ja  auch  in  der  Hunnensage  zum  aus- 
druck  kommt,  ganz  in  den  hintergrund  tritt.  Die  ostgot.  sage 
selbst  wird  auch  kaum  ausgeprägte  religiöse  gegeusätze  zwischen 
den  beiden  Völkern  der  Hunnen  und  Goten  aufgestellt  haben, 
um  so  weniger,  als  die  Ostgoten  selbst  meist  beiden  waren. 

Nach  der  Schilderung  des  Charakters  Eteles  wird  w^eiter 
erzählt^):  Postquam  vero  in  prelio  Cesummaur  liomayii  corruis- 
sent,  et  fnissent  dispersi  usqueqnaque,  rex  Ethela  est  connersus 
in  castra  gentis  sue,  et  ihi  in  descensu  nltra  Tizam  paucis  diebus 
habitanitJ)  Tandem  in  Sceivem  {ScevenY)  curiam  solcmpnem 
celehrare  iwocuranit.    Ad  quam  DltricHS  de  Verona  cum  prin- 

1)  Vgl.  Fr.  Vogt,  Zs.  fdph.  25,  iii  f.  R.  Koegel,  Gesch.  d.  d.  lit.  1, 2,  283  f. 
Sijraous  a.  a.  o.  s.  6G6  und  700. 

2)  Kezai  cap.  3.  10.  Chroii.  Viiid.  cap.  5.  Chron.  Dubn.  cap.  8.  Chron. 
Pos.  cap.  12.  Chron.  Bud.  s.  19  f.  H.  v.  Mügelus  Chron.  d.  Hunn.  cap.  6.  Tu- 
roezi  cap. 15.  Oldh  cap.  4. 

*)  In  den  übrigen  Chroniken :  Iluni  . . .  tiltra  Tisciam  cum  uxoribus 
permanserunt. 

*)  Chron.  Pos.  Czcvem;  Chron.  Bud.  Zexmcn;  H.  v.  Mügelns  Chron.  d. 
Hunn.  izciccn,  Chr.  rhythni.  (s.  10)  Zciccn.  Nach  Turuczi  hielt  Etele  die  be- 
ralung  in  Sicanibria  ab:  eine  abweichnng,  die  gewis  nicht  sagenhaft  istj 
wesentlich  so  auch  Oläh. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   TJNG.   HUNNENSAGE.  513 

cipihus  Germanie  accedens  omne  liomagiiim  Ethde  et  Hmiis 
fecisse  perhibetnr.  SuggessH  regi,  ut  inuadere  debeat  regna 
occidentis.  Cuius  quideni  consilium  ampledendo  exercitum 
statim  proclamari  iussit.  Egressus  de  Sicambria  primo.  . . . 
Auch  diese  partie  der  Hiinnenchronik  halte  ich  für  echte 
Überlieferung.  Sie  gehört  eigentlich  zu  dem  obigen  berichte, 
"WO  erzählt  wird,  Etele  habe  die  alte  hcälfte  des  reiches  seinem 
bruder  Buda  zukommen  lassen,  für  sich  aber  die  neue  erwer- 
buug,  Pannonien,  behalten.  Aus  den  beiden  berichten,  die 
ungeschickt  genug  durch  die  Schilderung  des  Charakters  Eteles 
unterbrochen  wird,  geht  hervor,  dass  die  Hunnen  sich  nach 
dem  siege  über  Detreh  in  ihre  alte  lagerstätte  ultra  Tisam 
zurückgezogen  haben,  von  wo  sie  gegen  die  Goten  aufgebrochen 
waren  und  wo  sie  frauen  und  kinder  zurückgelassen  hatten. 
Nach  einigen  tagen  begaben  sie  sich  aber  nach  Sceveni,  um 
sich  in  einer  Volksversammlung  zu  beraten.  Es  ist  klar,  dass 
die  teilung  des  reiches  unter  Etele  und  Buda  in  dieser  Ver- 
sammlung, die  so  sehr  an  die  uralte  Verfassung  der  Ungarn 
erinnert,  beschlossen  und  ausgeführt  worden  sein  muss.  Aber 
auch  andere  wichtige  ereignisse  vollzogen  sich  bei  dieser  ge- 
legenheit.  Der  besiegte  Detreh  soll  mit  anderen  germ.  fürsten 
Etele,  dem  herscher  der  westlichen  reichshälfte,  seine  huldigung 
dargebracht  haben.  Es  entwickelt  sich  zwischen  ihnen  augen- 
scheinlich ein  freundschaftliches  Verhältnis;  freilich  wie  und 
w^odurch,  darüber  lässt  uns  die  durch  den  Chronisten  arg  ver- 
stümmelte erzählung  der  sage  im  unklaren,  i)  Detreh  wird 
freund  und  ratgeber  Eteles,  der  seinen  rühm  noch  mehren 
will  und  ihm  daher  rät,  dass  er  die  reiche  des  westens  an- 
greife. Etele  bricht  auch  tatsächlich  mit  seinem  beere  von 
Sicambria-Etzelburg  auf,  um  eine  neue  heerfahrt  zu  unternehmen. 
Habe  ich  den  Zusammenhang  in  der  erzählung  der  Hunnen- 
geschichte richtig  hergestellt  und  gedeutet,  so  fällt  die  be- 
hauptung  Sebestyens,  dass  es  sich  hier  eigentlich  um  den 
rückzug  der  Avaren  über  die  Theiss  handle^),  wozu  sie  von 


*)  Turöczi  sagt:  Detricus  de  Verona,  qui  prius  Jiostis  erat,  reg/s  be- 
neuolentia  paräer  et  liheralitate  auditis,  ann  multis  Germaniae  principihus, 
tanti  regia  venit  in  curiam;  so  auch  Oläh.  Es  ist  nicht  unmöglich,  dass 
Turöczi  diese  motivieruug  ans  der  lebendigen  volkssage  geschöpft  hat. 

^)  Sebestyen  a.a.O.  s.  434;  Eiuhard  sagt  nämlich  in  seinen  Annalen  ad 


514  BLEYER 

kimig  Pipiii  geiuttigt  wurden,  von  selbst  weg.  Die  Hunnen 
waren  von  der  Theissgegend  {andito  quod  lliini  super  Tisam 
resedissait)  aufgebrochen,  um  Pannonien  zu  unterwerfen,  und 
nach  der  Unterwerfung  niussten  sie  natürlich  dorthin  wider 
zurückkehren,  wo  sie  die  ihrigen  zurückgelassen  hatten. 

Die  beratung  fand  in  Sccivcm  (Sceven,  Zcuuen)  statt.  Dass 
die  castra  gentis  nicht  in  Scewem  gedacht  sind,  ist  klar.  Da- 
raus folgt,  dass  Scewem  nicht  mit  Süveuyhaza  an  der  Theiss 
im  comitat  Csongräd  identificiert  Averden  muss.  Da  aber 
Sceiücm,  Sceven,  Zeuucn  richtig  nur  Szevem-  Szeven^)  und 
nicht  Seven  >  Sövemß)  gelesen  werden  kann,  so  ist  es  deut- 
lich, dass  Scevem  mit  Sövenylidza  nicht  nur  nicht  identificiert 
werden  muss,  sondern  überhaupt  nicht  identificiert  werden  darf. 
Schon  K.  Szabü  (Kezai  Simon  mester  magyar  krunikäja  1862, 
s.  24,  anm.  2)  hat  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  Scevem 
auf  Szöny  an  der  Donau  im  comitat  Komdrom  gedeutet  werden 
müsse.  In  den  Urkunden  finden  wir  für  Szony  die  Schreibung 
Sccun  (a.  1249)  und  Zeivn  (a.  1460:  Csanki  D.  a.a.O.  s.  3, 491), 
die  nach  ihrem  phonetischen  werte  mit  Sceven  und  Zennen 
übereinstimmt.  Aber  auch  sonst  passt  Szony,  eine  alte  Eümer- 
stadt  (Brigetio)  recht  gut  in  die  topographie  der  sage,  die, 
wie  wir  bereits  gesehen  haben,  in  dem  nördlichen  teile  Pan- 
noniens  localisiert  ist,  wo  auch  {0-)Smiy  (westlich  von  Buda- 
Ofen)  liegt.  Sebestyen  hat  (a.a.O.  s.  435  ff.)  eine  andere  deu- 
tung,  die  aber  ebenfalls  auf  der  falschen  lesung  sövcny  beruht. 
Er  identificiert  Sceivem  nicht  mit  Sövenylidza,  sondern  mit 
dem  ung.  worte  sövcny  'hecke,  zäun'.  Seiner  Avaren-Szekler- 
theorie  gemäss  will  er  darin  einen  Avarenring  erkennen  und 
meint,  Etele  habe  Detreh  mit  den  übrigen  germ.  fürsten  inner- 
halb eines  solchen  ringes  empfangen.  Da  aber  die  annähme 
nicht  nur  willkürlich,  sondern  aus  einem  lesefehler  hervor- 


a.  79G  (MG.  SS.  1,  183):  Pippimis  autem,  Hnnis  Irans  Tizam  fluvium 
fugatis,  eorumque  regia,  guae,  tit  dictum  est,  Hringus,  a  Langohardis 
autem  Campus  vocatur,  ex  toto  destructa  . . .  ad patrem  Aquisgrani  hiberna 
habentcm  venit. 

1)  Vgl.  Melich  J.,  SzLäv  jövevenyszavahik  1,  2, 24  ff. 

^)  Csanki  D.,  Magyarorszäg  törteuelini  földrajza  a  Hunyadiak  koräbau 
1,683  führt  aus  1455  Scwenhaz,  aus  1515  Sewenhaza  an;  also  ein  S  (nach 
der  ung.  orth.  s)  und  nicht  s  (nach  der  ung.  orth.  sz  geschrieben). 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG.  HUNNENSAGE.  515 

geg-angen    ist,    braucht    sie    nicht   eingehender   widerlegt   zu 
werden. 

Am  wichtigsten  ist  von  unserm  gesichtspunkte  auch  hier 
der  kurze  bericht  über  Detreh.     Er  erscheint  in  der  curia 
solemnis  der  Hunnen,  versöhnt  mit  Etele,  als  sein  ratgeber, 
der  ihn  zu  neuen  heerfahrten  anregt.    Auch  in  der  deutschen 
sage  lebt  Dietrich  als  freund  Etzels  am  hunnischen  königs- 
hofe;  in  der  piörekssaga  rät  er  Attila,  die  Eussen  anzugreifen, 
und  steht  ihm  während  des  ganzen  kriegszuges  mit  rat  und 
tat  bei  (Ungers  ausg.  cap.  293.  310  f.  314  f.).    Dieses  freund- 
schaftliche Vasallen  Verhältnis  Detrehs  zu  Etele,  in  der  deutschen 
sage  Dietrichs  zu  Etzel,  beruht  auf  historischen  erinnerungen. 
Es  ist  schon  längst  erkannt  worden  (worauf  ich  schon  oben 
hinwies),  dass  auf  Dietrich  als  den  repräsentanten  der  von 
den  Hunnen  unterjochten  Goten  traditionen  übertragen  worden 
sind,  die  sich  ursprünglich  auf  Theoderichs  vater  und  seine 
Vatersbrüder   bezogen   hatten   (vgl.  M.  Eieger,  Zs.  f.  d.  myth. 
1, 231  f.).    Diese  lebten  in  friedlichem  einvernehmen  mit  Attila, 
sie  unterstützten  ihn  in  seinen  heerfahrten   und  w^aren  mit 
ihren    Völkern    namentlich    an    der    catalaunischen    schlacht 
persönlich  beteiligt.    Inter  quos  (d.  i.  unter  den  verschiedenen 
unterworfenen  Völkern  Attilas),    so  berichtet  Jordanes   (Ge- 
tica  cap.  38),     Ostrogoiharum  praeminehat   exercitus   Valamire 
et    Thcodemire    et   Vidcmere   germanis    ducentihus,   ipso    etiam 
rege,  cui  tunc  serviehant,  nohiliorihis,  qiiia  Amalorum  generis 
eos  potentia   inlustrahat;    eratque   et    Gepidarum    agmini    in- 
numerahili   rex  ille  famosissimus   Ardaricus,   qui    oh   nimiam 
suam    fidelitatem    erga    Attila    eins    consilUs    intererat.    nam 
perpendens  Attila  sagacitaie  sua,    cum  et  Valemerem,    Ostro- 
gotharum  regem,  super  ceteros  regulos  diligebat.    Erat  namque 
Valamir  secreti  tenax,    hlandus  alloquio,   dolis  gnarus;  Arda- 
ricus  fide    et   consilio,    ut    diximus,    clarus.    quihus    non    ini- 
merito   contra  parentes   Vescgothas   dehuit  credere  pugnaturis. 
Der  angeführte  bericht  des  Jordanes  spiegelt  sich  mit  sagen- 
hafter färbung  in  der  rolle  wider,  die  Detreh  in  der  ung.  tra- 
dition  am  hofe  des  Hunnenkönigs  spielt.    Detreh  ist  ein  Ver- 
treter des  Gotentums,  oder  vielmehr  des  ganzen  Germanentums, 
das  unter  hunnischer  botmässigkeit  stand.    So  ist  denn  meines 
erachtens  die  frage,  wie  sie  z,  b.  von  Br.  Busse  (Beitr.  26,  63) 


516  BLKYER 

aufgestellt  wird,  ob  Dietrich  an  die  stelle  des  bedeutenderen 
Walamer  oder  seines  vaters  Tlieudemer  getreten  sei,  für  die 
sage  ohne  Wichtigkeit.')  In  Detreh  und  seinem  Schicksale 
kommt  das  Verhältnis  der  unterworfenen  Germanen  zu  den 
Hunnen,  der  Germanenfürsten  zu  den  Hunnenkönigen,  vor- 
nehmlich zu  Attila,  zu  dichterischem  ausdruck. 

Detreh  lebt  am  hunnischen  königshofe  von  dem  regierungs- 
antritt  Eteles  bis  zu  dem  stürze  des  Hunnenreichs,  der  alsbald 
nach  dessen  tode  erfolgte,  also  mit  historischen  Jahreszahlen 
ausgedrückt  von  433  bis  453.  Es  sind  zwanzig  jähre,  und 
zwanzig  jähre  des  exils  waren  nach  der  erzählung  der  piöreks- 
saga  (Ungers  ausg.  cap.  316  und  325),  mit  der  auch  die  Klage 
übereinstimmt-),  verflossen,  als  Dietrich  von  Etzels  söhnen 
begleitet  nach  Italien  zog,  um  sein  reich  wider  zu  gewinnen. 
Der  kriegszug  endete  mit  der  schlacht  bei  Raben  (d.  i.  Ravenna), 
die  für  Dietrich  zwar  siegreich,  aber  doch  ohne  erfolg  war, 
da  in  derselben  die  beiden  söhne  Etzels  ihr  leben  gelassen 
hatten.  In  dieser  erzählung  von  dem  tode  der  söhne  Etzels 
erkannte  R.  Heinzel  (Ostgot.  heldens.  s.  55  ff.)  richtig  eine  erinne- 
rung  an  die  kämpfe  zwischen  Germanen  und  Hunnen  nach 
Attilas  tode,  in  welchen  die  Germanenfürsten  siegten,  die 
söhne  Attilas  aber  untei'lagen  und  das  Hunnenreich  zusammen- 
stürzte. Es  ist  also  klar,  dass  auch  in  der  deutschen  Über- 
lieferung das  exil  ursprünglich  zwanzig  jähre,  mit  andern 
Worten:  die  ganze  regierungszeit  Attilas  hindurch,  dauerte. 
Eben  deshalb  braucht  weder  dauer,  noch,  wie  wir  sehen 
werden,  inhalt  des  exils  durch  'die  periode  in  Theoderichs  leben 


^)  Petz  a.a.O.  s.ii  nimmt  au,  dass  auch  züge  .Ardariclis  auf  Detreh 
übertragen  worden  seien ,  und  Sebestyeu  a.  a.  o.  s.  -iOo  schliesst  daraus  auf 
einen  einfiuss,  den  die  Gepiden  auf  die  entwicklung  der  pannonischen 
Hunnonsage  ausgeübt  hätten.  Ich  glaube,  diese  annähme  ist  überflüssig. 
WaLamer  und  seine  brüder  spielten  dieselbe  rolle  an  Attilas  hofe  wie  Ar- 
darich.  Das  intimere  Verhältnis  Ardariclis  zu  Attila  findet  in  der  sage  da- 
durch seineu  ausdruck,  dass  diese  ihn  nicht  zum  freunde,  sondern,  wie  wir 
sehen  werden,  zum  söhne  Eteles  machte. 

')  Sie  erzählt  v.  iJ87  ff.,  dass  seit  der  Rabenschlacht  l)is  zum  kämpfe 
der  Hunnen  und  Eurguudon  zwölf  jähre  verflossen  seien;  da  nun  das  cxil 
Dietrichs  32  jähre  gedauert  hatte  (vgl.  Sijmons  a.a.O.  s.  690,  anm.),  so  ist 
es  klar,  dass  auch  nach  der  Klage  bis  zur  Rabeuschiacht  20  jähre  dieses 
exils  vergangen  waren. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER   UNG.  HUNNENSAGE.  517 

vom  einbriich  der  Goten  in  Mösien  (473)  ...  bis  zu  dem  sieg- 
reichen einzuge  in  die  tore  Eavennas  (493)' i),  oder  durch  den 
Zeitraum  von  der  vergeisehmg  des  jungen  Theoderich  nach 
B3'zanz  (4G2)  bis  zur  endgiltigen  besitzergreifung  Italiens 
(493)-)  erklärt  zu  werden.  Die  deutsche  sage  traf  jedoch  in 
ihrer  weiteren  entwickelung  eine  Umgestaltung,  die  auf  den 
ersten  blick  als  secundär  erscheint,  und  liess  statt  20  jähre 
des  exils  30  bez.  32  jähre  eintreten.  3)    Die  ung.  sage  hat  also 


^)  So  Sijmous  a.  a.  o.  s.  690  auf  grimd  der  ausführuugen  Jiriczeks 
a.a.O.  s.  131. 

^)  So  Fr.  Kauifmann,  Festgabe  für  E.  Sievers,  1896,  8.154;  vgl.  auch 
Br.  Busse  a.  a.  o.  s.  79  ff. 

^)  Eine  erlilärung,  warum  iu  der  sage  der  tod  der  söhne  Etzels  noch 
zu  dessen  lehzeiten  erfolgt,  also  warum  die  katastrophe,  die  über  die  erben 
Etzels  hereinbrach,  nicht  mit  dem  ende  des  exils  zusammenfällt,  versucht 
R.  Heinzel,  Ostgot.  heldensage  s.  58ff.  zu  geben,  indem  er  behauptet,  dass 
diese  Verschiebung  durch  die  Verknüpfung  der  Dietrichssage  mit  der  sage 
von  den  Nibelungen  entstanden  sei.  Weil  ich  mir  aber,  wie  ich  im  fol- 
genden abschnitte  ausführen  werde,  die  Verknüpfung  beider  sagen  anders 
vorstelle  als  Heinzel,  kann  ich  auch  seiner  angeführten  erklärung  nicht 
beiptlichten.  Meine  ansieht  ist,  ganz  kurz  gefasst,  folgende:  ai\f  die  Ver- 
nichtung der  Burgunden-Nibelungen  durch  die  Hunnen  (437)  folgte  in  der 
ältesten  Überlieferung  alsbald  der  tod  Attilas,  das  verderben  seiner  söhne 
und  der  Untergang  seines  reiches.  Diese  katastrophe  wurde  einerseits  durch 
Bdico  (sie  tötet  Attila),  an  deren  stelle  Krienihild  trat,  andererseits  durch 
die  Germanenfürsten  Ardarich,  Walamer  und  seine  brüder  (sie  besiegen  die 
söhne  Attilas),  deren  rolle  auf  Detreh  übertragen  wurde,  herbeigeführt. 
Auf  dieser  stufe  der  entwicklung  der  sage,  auf  Avelcher  die  ungarische 
Überlieferung  steht,  fand  also  noch  keine  Verschiebung  in  der  dauer  des 
exils  und  dem  Zeitpunkte  des  Verderbens  der  söhne  Attilas  statt.  Als  aber 
in  der  deutschen  Überlieferung  (die  pannonisch-ungarische  blieb  davon  un- 
beeinflusst)  die  kämpfe  Theoderichs  um  den  besitz  Italiens  gegen  Odoakar- 
Ermanarich  eine  immer  grössere  rolle  einnahmen  und  die  Ermanarichssage 
immer  weiter  wucherte,  trat  die  erinuerung  an  die  befreiung  der  Germanen 
von  dem  hunnischen  joche  vor  der  au  die  eroberung  Italiens  immer  mehr 
zurück.  Sie  konnte  sich  nur  mehr  als  episode  behaupten,  und  als  solche 
wird  sie  in  der  Eabenschlacht  behandelt,  wo  beide  Überlieferungen,  die  von 
der  befreiung  vom  Hunnenjoche  und  die  von  der  begründung  des  Goten- 
reiches  in  Italien,  mit  einander  verschmolzen  sind,  freilich  so,  dass  letztere 
die  Oberhand  behielt.  Auf  die  frage,  warum  die  Rabenschlacht  und  somit 
auch  das  verderben  der  söhne  Etzels  in  der  deutschen  sage  vor  Etzels  tod 
verlegt  und  auf  diese  weise  die  zeit  des  exils  von  20  auf  80 — 32  jähre 
hinausverschoben  worden  sei,  komme  ich  übrigens  unten  zurück.  Vgl. 
Jiriczek  a.a.O.  s.  163 ff.  und  Sijmous  a. a.o.  s. 692,   mit   denen  ich  jedoch. 


518  BLEYER 

auch  hier  eine  historisch  treuere  prestalt  der  Überlieferung 
bewahrt,  als  die  deutsche.  AVie  Detreh  seine  unabhängipfkeit 
wider  erhielt,  also  wie  das  exil  der  deutschen  sage  ein  ende 
nahm,  darüber  soll  im  folgenden  abschnitte  gehandelt  werden, 
wo  auch  erörtert  Avird,  wie  die  Übereinstimmung  beider  sagen 
zustande  gekommen  ist. 

Auf  den  rat  Detrehs  entschliesst  sich  Etele  zu  einer  heer- 
fahrt  gegen  den  westen.  Der  ganze  bericht  über  die  auslän- 
dischen kriegszüge ')  ist  nicht  aus  der  echten  ung.  Hunnensage 
entnommen,  sondern,  wie  schon  Petz  (a.a.O.  s.  55  ff.  und  87)  deut- 
lich nachgewiesen  hat,  aus  ausländischen  gelehrten  geschichts- 
werken.  ^A''as  erzählt  wird,  ist  selbstverständlich  nicht  reine 
und  ungetrübte  geschichte,  sondern  zeigt  vielfache  abweichungen 
von  den  historischen  tatsachen.  Der  grund  der  Verwirrungen 
ist  natürlich  in  erster  reihe  in  dem  umstände  zu  sehen,  dass 
die  mittelalterlichen  geschichtsschreiber  in  ihren  Chroniken 
nicht  auf  die  ersten  quellen,  z.  b.  auf  Jordanes,  zurückgriffen, 
sondern  ihre  berichte  aus  zweiter  und  zehnter  band  herüber- 
genommen haben,  woraus  sich  unwillkürlich  immer  griissere 
Verschiebungen  in  der  darstellung  ergaben.  Der  kirchliche 
Standpunkt  der  geistlichen  Verfasser,  die  einwirkung  legenden- 
hafter Überlieferungen  und  locale  einflüsse  trugen  dann  noch 
das  ihrige  dazu  bei,  um  einzelne  begebenheiteu  oft  fast  bis 
zur  Unkenntlichkeit  zu  entstellen.  Die  mittelalterlichen  Chro- 
nisten hatten  nicht  nur  für  nüchterne  kritik  keinen  sinn, 
sondern  kannten  überhaupt  keine  grenze  zwischen  möglich 
und  unmöglich.  Die  berichte  also,  die  der  Verfasser  der  ung. 
Hunnengeschichte  aus  ausländischen  gelehrten  quellen  ent- 
nommen hat,  standen  schon  ursprünglich  von  der  historischen 


da  die  gnindanffassuiig  eine  verschiedene,  in  ■wesentlichen  punktou  nicht 
einverstanden  bin,  namentlich  glaube  ich  nicht,  dass  die  Rabeuschiacht  für 
Dietrich  ursprünglich  einen  unglücklichen  ausgang  gehabt  habe.  Vgl.  die 
ausführuugen  über  Dietrich  im  nächsten  abschnitte. 

')  Kezai  cap.  3.  cap.  4, 10 — 13.    Chron.  Vind.  cap.  5—9.    Chron.  Dubn.  | 

cap.  8—17.  Chron.  Pos.  cap.  12—18.  Chron.  Bud.  s.  20—28.  H.  v.  Mügolns 
Chron.  d.  Hunn.  cap.  6 — 8.  Turöczi  cap.  15— 21.  Olah  cap.  1 — 16;  die  erzäh- 
lung  beider  letzteren,  besonders  Olähs,  ist  der  ursprünglichen  Ilunnen- 
geschichte  gegenüber,  wie  sie  bei  Közai  und  den  übrigen  Chroniken  erhalten 
ist,  bedeutend  erweitert,  natürlich  aus  gelehrten  geschichtswerken. 


DIE  GERM,  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.      519 

Wahrheit  weit  ab;  dass  auch  er  noch  aus  nationaler  rücksicht, 
und  um  einen  Zusammenhang  mit  der  sage  herzustellen,  an 
denselben  Veränderungen  getroffen  hat,  ist  selbstverständlich. 
Weil  die  ganze  darstellung  in  sagengeschichtlicher  hinsieht 
wertlos  ist,  will  ich  sie  nur  kurz  besprechen;  ganz  umgangen 
kann  sie  jedoch  nicht  werden,  da  einzelne  forscher,  namentlich 
Matthaei,  in  ihr  auch  echte  sage  gefunden  zu  haben  glauben. 
'Etele  unterwirft  auf  seinem  kriegszuge  zuerst  Illyrien.' ') 
Von  der  Unterwerfung  Illyriens  weiss  weder  die  sage,  noch  die 
gelehrte  geschichtsschreibung  etwas;  es  ist  auch  aus  dem  zu- 
sammenhange unmöglich  zu  entscheiden,  ob  es  sich  hier  um 
echte  Überlieferung,  gelehrte  entlehnung  oder  willkürliche 
combinatioü  des  Chronisten  handelt.  Es  ist  also  kein  grund 
vorhanden,  dass  wir  auf  diesen  bericht  näher  eingehen. 

'Nach  der  eroberung  Illj^riens  zieht  Etele  an  den  Rhein, 
überschreitet  ihn  bei  Konstanz,  besiegt  und  unterwirft  den 
könig  Sigismundus  bei  Basel.'  Matthaei  sieht  (a.a.O.  s.  13  f.) 
in  diesem  berichte  eine  entlehnung  aus  der  bairischen  volks- 
sage  und  verweist  wider  auf  Aventin,  der  (a.  a.  o.  s.  2,  303,  vgl. 
auch  4,2,1139)  erzählt:  Ihi  Gimdaricus  et  Segimundus  reges 
Burgundioniim  armati  occurrunt  Attilam  transitu  BJieni  amnis 
prohibituri,  sed  facile  ab  exercitu  Attilae  caeduntur,  funduntnr, 
ad  internicionem  cum  copiis  delentur.  Wir  haben  es  hier 
natürlich  mit  einem  berichte  über  die  niederlage  der  Burgunden 
zu  tun,  die  ihnen  437  von  den  Hunnen  in  vernichtender  weise 
zugefügt  wurde,  an  der  aber  Attila  nicht  beteiligt  war.  Doch 
schon  frühe  wurde  dieser  sieg  der  Hunnen  infolge  einer  mis- 
verstandenen  notiz  des  Prosper  Aquitanus^)  zum  j.  435  Attila 
zugeschrieben  und  in  seinen  kriegszug,  der  mit  der  catalau- 
nischen  schlacht  endete,  eingefügt.  So  berichtet  schon  Paulus 
Diac:  Attila  itaqiie  primo  impetu,  mox  ut  Gallias  ingressus 
est,  Gundicarium  regem  Burgundiorum  sibi  occurrentem  pro- 
trivitß)     Daraus  ergibt  sich  aber,   dass  weder  die  Hunnen- 


^)  Ich  gebe  in  '  — '  nicht  eine  wörtliche  Übersetzung,  sondern  nur  einen 
auszug. 

'^)  MG.  Auct.  ant.  9,  475.  Die  ganze  Verwirrung  wurde  von  G.  Waitz, 
Forschungen  zur  deutschen  geschichte  1, 1  if.  gelöst. 

3)  MG.  Auct.  ant.  2,202;  vgl.  auch  MG.  SS.  2,  262.  —  Die  Huunen- 
geschichte  muss  also  nicht,  wie  Karäcsonyi  a.a.O.  s.  12f.  behauptet,  diese 


520  BLEYER 

geschiclite,  nocli  Aventiu  in  den  bezüglichen  berichten  sagen- 
hafte Überlieferung  enthalten  müssen,  sondern  beide  kfinnen 
(und  dies  ist  in  dem  gegebenen  zusammenhange  ganz  zweifellos) 
lediglich  gelehrte  entlehnung  enthalten,  "\^'enn  in  der  ung. 
Chronik  statt  Gundicarius  der  spätere,  bekanntere  ßurgunden- 
könig  Sigismundus  (516 — 523),  oder  bei  Aveutin  beide,  Gun- 
dicarius und  Sigismundus,  Attila  gegenübertreten,  so  ist  das 
ebenfalls  kein  sagenhafter  zug,  sondern  eine  leicht  erklärliche 
verirrung,  die  wahrscheinlich  älter  als  die  ung.  chronik  und 
Aventin  ist. ')  Hat  die  ung.  Überlieferung  wirklich  etwas  von 
der  Vernichtung  der  Burgunden  durch  Attila  gewusst  (ich 
nehme  dies  entschieden  an  und  werde  es  unten  zu  begründen 
suchen),  so  muss  ihre  erzähluug  ganz  anders  gelautet  haben. 
Der  Verfasser  der  Hunnengeschichte  hat  aus  ihr  jedenfalls 
nichts  entnommen,  was  natürlich  nicht  beweist,  dass  es  eine 
solche  nicht  gegeben  hätte.  Der  chronist  verschmähte  auch 
sonst  häufig  die  volkstümliche  tradition,  wenn  ihm  gelehrte, 
in  seinen  äugen  unvergleichlich  höher  stehende  quellen  zur 
Verfügung  standen. 

•Von  Basel  rückt  Etele  gegen  die  Stadt  Argentina,  deren 
mauern  er  niederreissen  Hess,  ut  cunctis  adeuntihus  via  lihcra 
hahcretur  . . .  FroiHer  quod  cadcm  ciuitas  posiniodu))!  Stroshurc 
non  Arijcntina  usque  hodie  est  vocata.^  Diese  gelehrte  etymo- 
logie  kommt  zwar  bei  Kezai  zuerst  vor,  ist  aber  später  auch 
anderwärts  mehrfach  belegt.'-)  Dass  sie  aus  einer  ausländischen 
und  zwar  von  einem  deutschen  Verfasser  herrührenden  quelle 
entnommen  sein  muss,  ist  klar. 


erzählung-  aus  der  chronik  Martins  von  Troppau  MG.  SS.  22,  45-1:  entnommen 
haben.  Ueberhaupt  ist  es  Karacsoiiyi,  wie  sich  weiterhin  noch  ergeben 
wird,  nicht  gehingen  nachzuweisen,  dass  der  Verfasser  der  Hunnengeschichte 
die  chronik  Martins  von  Troppau  (verfasst  zwischen  1265— G8)  benutzt  haben 
müsse.  Mithin  ist  ilim  auch  der  nachweis  mislungen,  dass  die  Hunnen- 
geschichte erst  nach  1270  verfasst  worden  sein  könne. 

*)  Matthaei  beruft  sich  auch  auf  Ohxh,  der  Sigismundus  bei  Basel, 
Gundacarius  bei  Strassburg  besiegt  werden  lässt,  und  will  hier,  so  scheint 
es,  eine  Variante  der  ung.  sage  sehen;  das  ist  selbstverständlich  eine  falsche 
ansieht,  da  es  sich  auch  hier  um  eine  einfache  coml)inatiun  oder  eine  ge- 
lehrte entlehnung  des  belesenen  humanisten  handelt. 

>*)  Vgl.  Petz  a.  a.  o.  s.  58 ;  auch  W.  Hertz ,  Deutsche  sagen  im  Elsass, 
1872,  s.  92  und  240. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.     521 

Amoto  mitem,  fälirt  die  clironik  fort,  de  loco  illo  sno  exer- 
citu  Luxonimn,  Bizantimn,  CJialon,  Masticoniam,  Lingonenseni 
et  Lugäulum  Burgundie  destriixit  civitates.^)  Hierauf  folgt  die 
scliilderuiig-  der  sclilaclit  auf  den  catalaunischen  felderii  im 
j.  451.  Sie  ist,  wie  in  allen  mittelalterlichen  g-escliiclitswerken, 
aus  Jordanes  (Getica  cap,  36  ff.)  entnommen,  aber  wie  aucli 
sonst,  nicht  unmittelbar,  sondern  in  bedeutend  abgekürzter 
form  auf  indirectem  wege.  'Attila  zieht,  so  erzählt  die 
Chronik,  aduersus  Cathalanos  und  kämpft  gegen  Aetius  a  manc 
usque  nocteni  in  ccwipo  Beluider."^)  Im  gegensatz  zur  geschichte 
lässt  die  ung.  clironik  Attila  einen  vollkommenen  sieg  über  die 
Römer  und  Westgoten  davontragen.  Diese  abweichung  ent- 
stand natürlich  aus  nationaler  Voreingenommenheit  des  ung. 
Verfassers  für  Attila.  Der  könig  der  Westgoten  heisst  in  der 
ung.  Chronik  nicht  Theodorid  oder  Theoderich,  sondern  Älda- 
ricus]  das  Chron.  paschale  hat,  wie  schon  oben  erwähnt,  eben- 
falls 'AXXaQixog,  und  so  mag  der  Gotenkönig  schon  in  der 
gelehrten  quelle,  aus  der  die  Hunneugeschichte  schöpfte,  ge- 
heissen  haben.  Die  Schilderung  der  schlacht  enthält  bei  Jor- 
danes entschieden  sagenhafte  züge;  diese  sind  zum  teil  auch 
in  der  ung.  chronik  widerholt  3),  es  findet  sich  aber  kein  ein- 
ziger zug,  der  aus  der  ung.  volkssage  entnommen  wäre.  Die 
catalaunische  schlacht  hat  in  der  ung.  Überlieferung,  wie  ich 
schon  oben  gegen  R.  Heinzel  betont  habe,  keine  einzige  spur 
hinterlassen. 

'Ein  teil  des  hunnischen  heeres  war  noch  vor  der  cata- 
launischen schlacht  contra  Miramammonam  Soldanum  scüicet 
Marroqiiie  cum  electis  ca/pitaneis  gezogen.    Als  der  sultan  dies 


')  Die  deutung-  der  nameu  s.  bei  Szabo  K.,  Kezai  Simon  mester  mag-yar 
kronikaja  s.  25. 

^)  In  den  übrigen  Chroniken  kommen  die  formen  Beivinde,  Beuinder, 
Beivind,  Bewin  vor.  Karäcsonyi  a.a.O.  s.  10  deutet  den  sonst  unbekannten 
namen,  wie  es  scheint,  richtig  auf  Alvernia  (Auvergne),  wo  nach  Gottfried 
von  Viterbo,  MG.  SS.  22, 85  f.  der  grosse  kämpf  Attilas  und  des  Aetius 
stattfand. 

')  So  von  dem  bache,  der  von  dem  blute  der  gefallenen  anschwoll. 
Karäcsonyi  a.  a.  o.  s.  13  behauptet,  auch  diese  stelle  müsse  von  dem  Verfasser 
der  Hunnengeschichte  aus  der  chronik  Martins  von  Troppau,  MG.  SS.  22,  iöi 
herübergenommen  worden  sein.  Doch  findet  sich  dieser  zug-  fast  in  sämmt- 
lichen  Chroniken,  so  z.  b.  auch  bei  Paulus  Diac,  MG.  auct.  ant.  2, 202. 


52i2  BLEYER 

erfulir,  de  wie  Sihilic  fugiit  ante  Ilunos  in  Maroqniam  hrachio 
Sibilie  transpassato.  Diese  Hunnen  sind  in  Spanien  zurück- 
geblieben. Ex  liis  ctiani  Hunis  plnrcs  fiicraiit  in  exercitu 
capitanci  constifnii,  qni  Hunorum  Ihujua  8pani  vocahantnr, 
ex  Quorum  nominihus  tota  Ispania  postmoilum  est  vocata,  cum 
primo  vocati  essent  Katalauni.'  Der  ganze  bericlit  ist  um  der 
gelehrten  etymologie  \villen  {JUspanla  aus  ung.  ispdn),  zu  der, 
so  scheint  es,  Isidorus^)  den  anlass  gegeben  hat,  nicht  ent- 
lehnt ,  sondern  gewis  erst  von  dem  Verfasser  der  Hunnen- 
geschichte zusammengestellt  "worden  2),  und  zwar  auf  grund 
Gottfrieds  von  Ylterbo^)  und  irgend  einer  anderen  riuelle  über 
die  geschichte  der  span.  Araber.*)  Zu  einer  solchen  com- 
bination  ward  der  ung.  chronist  gewis  durch  die  Verwechslung 
der  campi  Catalaunici  mit  der  spanischen  provinz  Catalonia 
verleitet. 

'Nach  der  catalaunischen  Schlacht  zog  Etele  gegen  die 
ciuitas  Tolosana,  wo  er  cum  laude  summa  empfangen  wurde. 
Von  hier  rückte  er  gegen  die  ciuitas  Remensis,  die  er  durch 
feuer  vernichtete.  Als  Etele  Frankreich  und  Flandrien  ver- 
wüstet hatte,  überschritt  er  den  Rhein,  gelangte  nach  Colonia, 
wo  die  Hunnen  die  heilige  Ursula,  Britanorum  rer/is  fdiam% 
samt  elftausend  Jungfrauen  niedermetzelten.  Äbinde  Tur'mylam 
intro<jressus  in  Isnaco  curia  celchrata  super  Dacos  (1.  Banos) 
Noruagios  Frisones  Lituanos  et  Priitenos  exercitum  magmmi 
destinauit,  quihiis  deuictis  et  Immiliatis  sihi  fecit  snhiugari.'' 
Der  bericht  über  die  einnähme  von  Toulouse,  Reims  und  Köln 
kann  natürlich  nur   aus  gelehrter  quelle  stammen,  ß)    A\'enn 


*)  Ab  Hispano  Hispania  cognominata  est  Orig.  14, 127.  Ilispanus 
ward  dann  von  den  Chronisten  auf  ung.  ispän  =  (ober-)  gespan  gedeutet. 
Vgl.  Petz  a.a.O.  s. 61. 

'■')  Eine  spur  von  eriunerungen  aus  der  zeit  der  ung.  kriegszüge  gegen 
den  Westen,  namentlich  gegen  Spanien,  Avie  von  Sebcstyeu  a.a.O.  s.  438  an- 
genommen wird,  kann  ich  in  der  crzählung  nicht  finden. 

ä)  Speculum  regum  cap.  47,  MG.  SS.  22, 85. 

*)  Miramammona  ist  eigentlicli  kein  personenname,  sondern  ein  titel 
der  maurischen  kaufen  =  emir  al  mumcnin;  historisch  ist,  dass  Mohammed 
Abdallah  Annasir  sich  nach  einer  furchtbaren  niederlage  im  j.  1212  bei  Navas 
da  Tolosa  über  die  meerenge  bei  Gibraltar  (=  hrachium  Sibilie)  nach  Marocko 
zurückzog.    Vgl.  Petz  a.a.O.  s.  59  f.  und  Karäcsonyi  a.a.o.  s.  7  und  11. 

*)  Im  Chron.  Vind.  Dubn.  Pos.  Bud.  Bructanorum  regis  filiam. 

")  Vgl.  Sigebertus  Gembl.,  MG.  SS.  G,  309  f.  Gottfried  von  Viterbo,  MG. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  ÜNG.  HüNNENSAGE.     523 

Matthaei  (a.a.O.  s,  15)  in  Attilas  Kölner  auf  enthalt  bair.  sage 
vermutet,  so  ist  das  ganz  irrig.  Mag  Attilas  lioftag  in  Thü- 
ringen immerhin  auf  sage  beruhen,  so  ist  doch  zweifellos,  dass 
die  Hunnenchronik  auch  diesen  bericht  nicht  aus  der  uug. 
Überlieferung,  für  die  Matthaei  auch  hier  bair.  einfluss  annimmt, 
sondern  aus  gelehrter  quelle  entnommen  hat,  in  welche  die 
erzählung  vielleicht  aus  der  deutschen  volkssage  aufgenommen 
worden  war.  Auf  dieselbe  (unbekannte)  quelle  werden  direct 
oder  iudirect  auch  Aventin  (a.  a.  o.  2, 302),  die  Thüringische 
Chronik  (s.  W.Grimm,  D. heldensage^  s.343  f.)  u.a.  zurückgehen.') 
Von  der  Unterwerfung  der  nord.  Völker  tut  Sigebertus  Gembl.^) 
erwähnung:  Attila  . . .  multarum  aquüonarium  gentium  sihi 
subiedarum  aiixilio  fultus  a  Pannonia  egressus  occidentale  im- 
pernim  invadit.  Diesen  bericht  mag  die  ung.  chronik  mit  den 
namen  bekannter  nord.  Völker  erweitert  und  noch  hinter  die 
catalaunische  schlacht  gesetzt  haben;  oder  was  wahrschein- 
licher, die  chronik  fand  die  ganze  erzählung  in  einer  (uns 
unbekannten)  geschriebenen  quelle  und  nahm  ihn  einfach 
herüber.  Aus  ung.  Überlieferung  ist  er  keinesfalls  geschöpft. 
An  die  rückkehr  Eteles  aus  Eisenach  knüpft  die  chronik 
die  erzählung  von  der  ermordung  Budas,  über  die  ich  schon 
gehandelt  habe.  'Nach  dem  tode  Budas  verweilte  Etele  fünf 
jähre  in  Sicambria  und  stellte  von  hier  nach  den  vier  himmels- 
gegenden  mit  den  endpunkten  in  Köln,  Litauen,  am  Don  und 
in  Jadra  (d.  i.  Zara)  Wachposten  auf,  die  von  einander  in  hör- 
weite  entfernt  waren  und  quorum  voce  et  clamore  quid  Ethela 
ageret,  seu  quali  exercitationi  deditus  esset,  miindi  partes  quatuor 
poiuissent  experirV  Woher  dieser  merkwürdige  bericht  stammt, 
ist  unbekannt.  Sebestyen  meint,  er  sei  im  wesentlichen  aus 
der  sage  entnommen,  die  hier  einen  einfluss  avarischer  über- 


SS.  22, 188.  Petz  a.  a.  o.  s.  61  f.  Wenn  Karäcsonyi  a.  a.  o.  s.  10  behauptet,  dass 
der  bericht  über  Reims  und  der  heil.  Ursula  bis  Sigebertus  einschliesslich 
unbekannt  sei,  so  ist  das  falsch. 

*)  Vgl.  Petz  a.  a.  o.  s.  63  f.  Ich  glaube  nicht  einmal,  dass  die  beziehungen 
des  ung.  künigshauses  zn  dem  thüringischen  hofe  die  aufnähme  dieses  be- 
richtes  veranlasst  hätten,  wie  W.Grimm,  Altd.  wälder  1,  261,  anm.  14  und 
Sebestyen  a.  a.  o.  s.  438  f.  annehmen.  Er  wäre  gewis  auch  ohne  diese  be- 
ziehungen aufgenommen  worden,  einfach  darum,  weil  er  in  der  von  dem 
ung.  Chronisten  benutzten  quelle  vorhanden  war. 

2)  MG.  SS.  6,309.   Vgl.  Petz  a.a.o.  s.64. 


524  BLEYER 

lieferung-en  zeige.')  Zugleich  verweist  er  darauf,  dass  nach 
der  erzähl uiig  der  Hunnenchroiiik  (Kezai  cap.  2,  6)  die  Huni 
siue  Jlioigari  iisqne  ad  icmpora  ilucis  GeicJie  ftlii  'Tocsum  durch 
precones  zur  heerfahrt  aufgeboten  worden  seien.  2)  Es  ist  ja 
möglich,  dass  derlei  iiberlieferungen  den  Chronisten  bewogen 
haben,  die  grenzen  des  hunnischen  weitreiches  auf  diese  weise 
zu  umschreiben;  doch  ist  die  ganze  Vermutung  so  unsicher, 
dass  daraus  für  die  sage  selbst  keine  Schlüsse  gezogen  werden 
dürfen. 

'Nach  diesen  fünf  Jahren  zog  Etele  (unterwegs  nimmt  er 
eine  grosse  anzahl  von  Städten  ein)  gegen  Aquileja.  Die  be- 
lagerung  blieb  lange  ohne  erfolg,  bis  die  Hunnen,  durch  die 
flucht  eines  Storches  aus  der  Stadt  ermuntert,  einen  neuen, 
heftigen  ansturm  machten,  dem  die  Stadt  endlich  zum  opfer 
fiel.'  Die  belagerung  Aquilejas  wird  mit  derselben  sagenhaften 
ausschmückung  schon  von  Jordanes  (Getica  cap.  42)  erzählt, 
und  ist  aus  diesem,  sicher  durch  Vermittlung  anderer  Chroniken, 
in  die  ung.  Hunuensage  aufgenommen  worden  (vgl.  Petz  a.  a.  o. 
s.  65).  In  die  erzählung  von  der  erstürmung  Aquilejas  ist  der 
bericht  über  die  Langobarden  und  die  gründung  Venedigs 
eingeflochten,  worüber  schon  im  vorigen  abschnitte  gehandelt 
wurde. 

'Von  Aquileja  rückte  Etele  nach  der  einnähme  mehrerer 
Städte  gegen  Eavenna.  Hier  residierte  ein  arianischer  bischof, 
der  dem  Hunnenküuige  die  tore  der  Stadt  öffnete  und  ihm 
versprach,  dass  er  ihn  in  der  Unterwerfung  ganz  Italiens  unter- 
stützen werde,   wenn  Etele  sich  dem  arianismus  anschliesse 


')  A.a.O.  s.  450  ff.  Er  beruft  sich  auf  den  berieht  des  Saugaller 
mönches  MG.  SS.  2,  748,  wo  es  heisst,  dass  bei  den  Avaren  inter  hos  igiiiir 
aggeres  ita  viel  et  villae  erant  locatae,  i/(  de  aliis  ad  alios  vox  hnmana 
posset  audiri,  lind  de  circulo  qitoqtie  ad  circidum  sie  erant  possessioncs  et 
hahitacida  ujidique  uersum  ordinata,  ut  dangor  tuhurum  intcr  singula 
posset  cuiusqiie  significativus  adverti. 

')  So  erzählt  noch  J.  Lipsius,  De  militia  Romana,  Lib.  v,  dial.  ix  (Ant- 
werpen 1G02)  in  der  zweiten  hiilfte  des  IG.jh.'s:  Petrus  Bellonius  diligens 
uiilisque  ohservator  momiit,  itcviqiic  amiciis  noster  Carohis  Clusius,  Pan- 
nones  idem  factitarc  (wie  die  Römer),  qiii  clare  et  mtituo  sibi  accimmt: 
Szollai),  Szollaif  virratzto,  Szolküj,  id  est,  Vigila,  vigila,  vigü,  vigila.  Et 
cum  sub  auroram  sc  reciphmt,  camtnt:  ira>/n(d  vagijon  s:epp{ros,  haynal 
lutynal-vagyon,  hoc  est,  Erumpit  jam  elegans  riibens  (scilicet  aurora  vt  dies) 
erumpit  jam. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.      525 

und  die  übrigen  Christen  verfolge.  Etele  willigt  ein.  Dies 
erfährt  aber  der  papst  Leo,  geht  dem  Himnenkönig  entgegen 
und  bittet  ihn,  von  seinem  entschlusse  abzulassen.  Etele  sieht 
über  dem  haupte  des  papstes  einen  mann  mit  einem  Schwerte 
drohend  schweben,  er  wird  von  furcht  erfasst  und  leistet  der 
bitte  der  Römer  genüge.  Nun  kehrt  er  nach  Ravenna  zurück 
und  tötet  den  bischof  sammt  seinen  anhängern.'  Die  begegnung 
Attilas  mit  dem  papste  Leo  ist  historisch  und  wird  auch  von 
Jordanes  (Getica  cap.  42)  erzählt;  der  zusatz,  dass  Attila  aus 
furcht  vor  dem  mit  einem  Schwerte  drohenden  manne  zurück- 
gewichen sei,  ist  schon  bei  Paulus  Diac,')  vorhanden.  Auch 
die  erzählung  von  dem  bischofe  in  Ravenna  findet  sich  in  einer 
zwar  abweichenden  fassung  schon  in  der  geschichte  der  bischofe 
von  Ravenna  des  priesters  Agnellus"^),  und  in  die  ung.  chronik 
kann  sie  nicht  anders  als  aus  einer  gelehrten  quelle  aufgenommen 
worden  sein.  Eben  deshalb  ist  die  Vermutung  Matthaeis  (a.a.O. 
s.  44),  dass  irgend  welcher  Zusammenhang  zwischen  dieser  er- 
zählung der  ung.  chronik  und  der  Rabenschlacht  der  deutschen 
sage  vorhanden  sei,  sammt  den  Schlüssen,  die  er  daraus  zieht, 
ganz  hinfällig. 

'Während  Etele  sich  in  Ravenna  aufhielt,  zog  Zoard,  der 
capitaneus  princeps  militie  regis,  mit  dem  hunnischen  beere  auf 
beute  aus  und  gelangte  usqne  montem  Cassinum,  worauf  er  zu 
Etele  zurückkehrte.'  Schon  K.  Szabo^)  hat  wahrscheinlich 
gemacht,  dass  es  sich  hier  eigentlich  um  eine  episode  aus  den 
kriegszügen  der  Ungarn  zur  zeit  der  ung.  landnahme  gegen 
Italien  handle.  Unter  einem  anführer  namens  Salardus  ver- 
wüstete nämlich  ein  ung.  beer  nach  dem  berichte  Ijiutprands 
(MG.  SS.  3,  303  f.)  im  j.  924  Ober-Italien,  und  schon  vorher  im 
j.  922  fielen  die  Ungarn  nach  dem  Chronicon  Monasterii  Casi- 
nensis  (MG.  SS.  7,  619)  in  Apulien  ein  und  raubten  im  j.  937 
das  kloster  zu  Monte  Cassino  aus.  Der  bericht  stammt  also 
(wenn  Zoard  mit  Salardus  identificiert  werden  darf,  was  sehr 
plausibel)  jedesfalls  aus  ung.  Überlieferung;  doch  lässt  es  sich 


1)  MG.  auct.  ant.  2,205;  er  muss  also  nicht  aus  Martin  von  Troppau, 
MG.  SS.  22,  418  entnommen  sein,  wie  Karäcsonyi  a.  a.  o.  s.  13  behauptet. 

'')  MG.  SS.  rer.  lang.  s.  299  ff.  De  Sancto  Joanne  20.  Vgl.  auch  Am. 
Thierry,  Histoire  d' Attila  et  ses  successeurs  2^,  245  fi'.  und  Petz  a.  a.o.  s.  65  f. 

3)  A.a.O.  s.  34,  anm. 2.    Vgl.  auch  Sehestyen  a.a.O.  s. 390 ff. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXI.  35 


520  RLEYEU 

kaum  entscheiden,  ob  er  auf  volkstiimlicliem  wege  in  die 
Hunnensage  geriet,  oder  aber  nur  durch  einen  irrtum  des  Chro- 
nisten in  die  Hunnengeschiclite  aufgenommen  wurde. 

Mit  der  kurzen  erwähnung,  dass  P^tele  im  sinne  geführt 
liabe,  Ägypten,  Ass^'rien  und  Afrika  zu  unterjochen,  schliesst 
die  erzähhmg  von  den  lieerfahrten  Eteles.  Sie  bietet  also, 
vielleicht  mit  ausnähme  der  episode,  die  von  Zoard  erzählt, 
nichts,  was  der  echten  volkstümlichen  Überlieferung  angehiiren 
könnte.  Sie  beruht  durchgängig  auf  gelehrten  entlehnungen, 
ohne  aber  wirkliche  geschichte  zu  enthalten.  Daraus  folgt  aber 
nicht,  dass  die  sage  selbst  von  solchen  lieerfahrten  nichts  ge- 
wusst  hätte.  Im  gegenteil,  es  ist  höchst  wahrscheinlich,  dass 
Eteles  mächtige  gestalt  auch  in  der  ung.  Hunnensage  von  dem 
glänze  ruhmreicher  schlachten  und  glänzender  heldentaten 
umwoben  w^ar. 

Einen  directen  beweis  liefert  uns  für  diese  annähme  die 
Chronik  selbst,  indem  sie  erzählt,  dass  Etele  auf  den  rat  De- 
trehs  seine  heerfahrten  gegen  den  westen  unternommen  habe. 
Diese  angäbe  gehört  unzweifelhaft  sammt  dem  berichte  über 
die  curia  soiemnis  der  echten  sage  an.  Denn  auch  nur  mit 
den  wirren  historischen  kenntnissen  eines  mittelalterlichen 
Chronisten  betrachtet  ist  sie  in  geschichtlicher  hinsieht  ein 
unsinn.  Es  ist  aber  klar,  dass  die  in  der  Hunnengeschichte 
erzählten  kriegszüge  nicht  mit  denjenigen  identisch  sein  können, 
über  welche  die  sage  zu  berichten  wusste.  Darüber  freilich, 
g^g&w  wen  die  heerfahrten  in  der  sage  gerichtet  waren  und 
wie  sie  verliefen,  können  kaum  schüchterne  Vermutungen  auf- 
gestellt W'erden.  Um  nur  eine  ahnung  in  dieser  liinsicht  zu 
erhalten,  müssen  wir  einen  blick  auf  die  deutschen  Überliefe- 
rungen W' ei'fen.  Im  Waltharilied  zieht  Attila  gegen  den  Franken- 
könig Gibich,  den  Burgundenkönig  Herrich  und  gegen  den 
könig  Alpliere  von  Aquitanien.  In  der  piörekssaga  kämpft 
Attila  nach  der  eroberung  Hunalands  gegen  kCtnig  Osantrix 
von  Vilcinaland  und  wird  darin  auch  von  piörekr  unterstützt 
(Ungers  ausg.  cap.  41  ff.  135  ff.  291  ff.).  Ebenso  leistet  ihm 
pic'^rekr  hilfe  in  den  kämpfen  gegen  den  könig  Valdemar  von 
llolmgarör,  den  bruder  des  königs  Osantrix  (a.  a.  o.  cap.  293  ff.). 
Im  Biterolf  wird  von  heerfahrten  Etzels  gegen  die  könige  von 
Preussen  und   Polen   erzählt;    im  Wenezlan   kämpft  Dietrich 


I 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.      527 

für  Etzel  ebenfalls  geg-en  den  könig  von  Polen.  ^)  Und  endlicli 
in  der  Klage  (v.  1728  f.)  sagt  Dietrich  von  Wolf  hart:  M^el  der 
Tiünec  here  Hat  manegen  sig  von  dir  genomen,  an  denen  natür- 
lich auch  Dietrich  teilgenommen  hatte.  Von  etwas  ähnlichem 
oder  verwantem  muss  auch  die  ung.  sage  erzählt  haben;  auch 
war  Etzels  wesen  in  der  ung.  tradition  gewis  historischer, 
also  tatenkräftiger  und  heldenhafter  geblieben,  als  in  der 
piörekssaga  und  den  deutschen  dichtungen,  und  auf  grund  der 
resultate,  zu  denen  wir  unten  gelangen  werden,  glaube  ich 
sogar,  dass  wenigstens  ein  teil  dessen,  was  uns  die  deutsche 
sage  überliefert,  aus  ostgot.  traditionen,  der  grundlage  der  ung. 
Überlieferungen,  in  die  deutsche  sage  übergegangen  sein  müsse. 
An  den  kriegerischen  Unternehmungen  muss  aber  natürlicher- 
weise Detreh  einen  bedeutenden  anteil  gehabt  haben,  und  durch 
diese  heerfahrten  muss  sein  zwanzigjähriger  aufenthalt  am 
hofe  Eteles  einen  Inhalt  erhalten  haben,  also  das  exil  der 
deutschen  sage  rühm-  und  tatenreich  ausgefüllt  worden  sein. 
War  doch  auch  das  leben  der  Ostgoten  während  der  regierungs- 
zeit  Attilas  kein  ruhiges  und  müssiges,  sondern  ein  von  steten 
kämpfen  mächtig  bewegtes.  Wenn  Detreh  in  der  erzählung 
von  Attilas  ausländischen  kriegszügen  nicht  ein  einziges  mal 
genannt  wird,  obgleich  sie  nach  der  eigenen  angäbe  der  chronik 
auf  seinen  rat  unternommen  wurden,  so  ist  das  ebenfalls  ein 
deutlicher  beweis,  dass  die  volkstümliche  tradition  von  solchen 
heerfahrten  wusste,  dass  sie  aber  von  den  gelehrten  Chronisten  in 
der  fülle  gelehrten,  kirchlichen  Stoffes  ganz  verschmäht  wurde. 

4)   Eteles  tod;  der  Untergang  seines  reiches. 

a)  Während  sich  Etele  mit  neuen  kriegsplänen  trug,  ward 
ihm  ein  mädchen'^),  die  tochter  des  regis  Bractanorum,  namens 


^)  Vgl.  auch  über  Witzlän  künec  von  Beheiin  im  Biterolf  v.  6536  ff.  — 
Mögeu  die  kämpfe  gegen  die  slav.  Völker  immerhin  in  den  zügen  der 
deutschen  kaiser  aus  dem  sächsischen  hause,  besonders  Ottos  IL,  Ottos  III. 
und  Heinrichs  III.,  ihre  historische  grundlage  haben  (vgl.  Jiriczek  a.a.O. 
s.  172  ff.  und  Sijmons  a.  a.  o.  s.  702),  so  sind  sie  im  gründe  doch  sicher  nur 
Übertragungen  älterer  Überlieferungen  auf  neuere  ereignisse,  wie  z.  b.  auch 
in  der  piörekssaga  die  Verschiebung  des  locals  aus  Ungarn  nach  Norddeutsch- 
land secuudär  ist,  was  freilich  R.  C.  Boer  in  seinen  neuesten  Untersuchungen 
(s.  unten)  bestreitet. 

2)  Kezai  cap.  4, 14.  Chron.  Vind.  cap.  10.  Chron.  Dubn.  cap.  18.  Chron. 

35* 


528  BLEYER 

31'icolt^),  zugeführt.  Tn  der  brautnadit  aber,  cum  i2)scim  (d.i. 
Micolt)  carnaJ/tcr  coynouissct,  plus  ercesserai  more  solito  in 
pofando,  et  usu  coitus  puelle  consnmato,  ex  eins  narihus 
supine  donnienti  sanguis  est  egressus,  qiii  locum  liberum  non 
hahcns  e.rcunäi,  in  mc.ainm  gutturis  introiuif,  uhi  coagnlando 
prepicdiens  anhelitum,  metuni  orhis  suffocauit.  Micolt  nero  de 
somno  excitata,  dum  suuni  dominum  crcbris  motibus  cxcitasset, 
nee  se  motiere  potuisset,  corpus  cernens  frigidatum  et  priuatum 
calore  naturali,  eiulando  cubicularios  regios  ad  se  euocans, 
suum  dominum  exclamauit  introisse  uniuerse  viam  carnis.  Qui 
quidcm  tcrribilitcr  cxclamantes  ad  palatii  hostia  uniuersos  vigiles 
fccerunt  cursitare.'^)  Sepelierunt  cum  in  loco  superius  memorato, 
cum  Wela  KaducJia  et  aliis  capitaneis. 

Der  bericht  über  Eteles  letzte  liebe  und  seinen  tod  stammt 
natürlich  aus  Jordanes  (Getica  cap.  49),  ■\vahrsclieinlicli  nicht 
direct,  sondern  durch  eine  jüngere  chronik  vermittelt,  und  hat 
mit  der  ung.  sage  zweifellos  nichts  zu  schaffen.  Die  darstellung 
der  Hunnenchronik  weicht  von  der  des  Jordanes  nur  unbedeu- 
tend ab.  Vor  allem  ist  sie  stark  gekürzt,  wie  das  ja  in  unserer 
chronik  mündlicher  sage,  wie  schriftlicher  quelle  gegenüber 
fast  immer  der  fall  ist.  Bei  Jordanes  heisst  das  mädchen 
Ildico,  und  die  form  Micolt  in  den  ung.  Chroniken  ist  hiichst 
wahrscheinlich  durch  einen  paläograpliischeu  oder  vielmehr 
durch  einen  Schreibfehler  aus  Ildico-Hildico  entstanden  3),  wie 
z.  b.  aus  Ilaliurunae  in  Kezais  prolog  der  name  Baltrame. 
Sprachgeschichtlich  konnte  sich  im  ungarischen  aus  Ildico 
niemals  ein  Micolt  entwickeln,  und  die  Vermutung,  dass  die 
form  Micolt  etwas  'orientalisches'^)  an  sich  habe,  ist  aus  der 


Pos.  cap.  19.  Chrou.  Eud.  s.  28  f.  H.  v.  Mügelus  C'hroii.  d.  H.  cap.  9.  Turoczi 
cap.  22.  Oldh  cap.  16,  4. 

')  Chr.  Vind.  Dubn.  und  Bud.  j'diam  regis  Bractanorum  Micolch\  Chr. 
Pos.  filiam  regis  Baractanorum  nomine  Micoloth;  H.  v.  Mügelu  des  kuniges 
iochter  hritanorum,  die  hiess  michcdoch;  Turüczi  uud  Oh'ih  Bactrianormn 
regis  gnatam,  cid  nomen  Mi/colth  fuit. 

*)  Turüczi  fügt  noch  hinzu:  Bex,  qui  mxütarum  fudit  sanguincin  gen- 
tium, ipse  proprio  sanguine  suffocatus  est  (fast  wörtlich  wie  Otto  von  Frei- 
singen, Chron.  4, 28^;  auch  den  träum  des  kaiscrs  Marcian  von  dem  zer- 
brochenen bogen  Attilas  erwälmt  Turöczi  hier.     So  auch  Ohlh. 

*)  So  erklärt  Micolt  schon  Fr.  Riedl  a.  a.  o.  s.  33G. 

*>  So  W.  Grimm,  Altdeutsche  wälder  1,  262.  Matthaei  a.  a.  o.  s.  21. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG.   HUNEEN8AGE.  529 

liift  gegriffen.  3IicoU  ist  sonst  ganz  unbekannt'),  und  dass 
dieser  name  auch  zur  zeit  der  Chronisten  unbekannt  war,  be- 
weist die  verschiedenartige  Schreibung,  aus  der  sich  nicht  nur 
orthographische,  sondern  auch  phonetische  ab  weichungen  er- 
geben, die  lautgeschichtlich  nicht  begründet  sind.  Jordanes 
erwähnt  nicht,  Avas  für  einem  volke  Ildico  angehört  habe;  der 
name  selbst  aber  macht  es  höchst  wahrscheinlich,  dass  sie  ein 
germ.  mädchen  gewesen.  Die  ung.  Chroniken  nennen  sie  eine 
filia  regis  Bradanomm.  Matthaei  sieht  hier  anlehnung  an 
einen  Alexanderroman,  da  auch  für  Alexander  'seine  Vermäh- 
lung mit  der  baktrischen  Roxane  verhängnisvoll  wird '.2)  Dies 
ist  zwar  möglich  (natürlich  wäre  es  dann  eine  gelehrte  ent- 
lehnung),  aber  'ausser  Zweifel'  steht  es  nicht.  Auch  ung. 
gelehrte,  so  namentlich  bereits  Turöczi  und  Oläh,  dachten  an 
die  Badriani,  die  nach  Isidorus  Scythen  waren  (Orig.  9,  243; 
vgl.  Petz  a.a.O.  s.  67);  doch  betonte  K.Szabo  (a.a.O.  s.35,  anm. 7) 
mit  recht  G-.  Pray  gegenüber,  dass  der  name  Bradani  in  den 
älteren  Chroniken  bis  Turöczi  stets  Bradani  und  nicht  Bac- 
triani  geschrieben  wird  und  in  den  ung.  Chroniken  auch  sonst 
belegt  ist.  So  wird  die  heilige  Ursula  von  Köln  zwar  von 
Kezai  und  Heinrich  von  Mügeln  eine  filia  regis  Britanorum, 
aber  von  den  übrigen  Chronisten  eine  ßia  regis  Bradanorum 
genannt;  ausserdem  berichtet  Kezai  (cap.  4, 16)  und  das  Chron. 
Vind.  (cap.  10),  dass  nach  dem  abzuge  der  Hunnen  Zuataplug 
. . .  princcps  . . .  in  Polonia  . . .  Brada  suhiugando  Bidgaris 
Blessianisque  imperahat  Freilich  sind  wir  auch  dadurch  nicht 
gefördert,  da  Brada  ebenfalls  ganz  unbekannt  ist.^)  Wie 
aber  weder  die  abstammung  der  heil.  Ursula,  noch  die  erobe- 


1)  L.  Dezsi  meint,  der  abschreiber  habe  vielleicht  an  die  gattin  Davids 
gedacht,  deren  name  in  der  Vulgata  Michol  geschrieben  wird. 

^)  A.  a.  0.  s.  19  i¥.  Matthaei  sieht  auch  darin  anlehnung  an  einen 
Alexanderroman,  dass  Etele,  wie  Alexander  '  inmitten  ausschweifender  plane 
zur  vüllendiing  seiner  eroberungen'  stirbt.  Dies  muss  aber  gewis  nicht  ein 
aus  einem  Alexauderromau  entlehnter  zug  sein,  denn  wie  hätte  Attila  in 
geschichte  und  sage,  im  manuesalter  so  plötzlich  dahingerafft,  anders  sterben 
können  oder  sollen? 

3)  Podhradczkj-,  Chron.  Budense  s.  29  weist  eine  illyrische  insel  Bractia 
bei  Plinius,  Hist.  nat.  lib.  3  nach  und  fügt  hinzu:  Atüa  ergo  Micolcham 
. . .  VI  Italiam  profcctiis,  aut  inäc  reäux,  sihi  desponsare  poterat.  Doch 
entbehrt  auch  dieser  hiuweis  einer  auch  nur  halbAvegs  sicheren  grundlage. 


530  HLEYEK 

ning  Bractas  durdi  Zuataiiliif^  für  die  ung.  Huniieiisage  eine 
bedeutung  haben,  so  ist  aucli  die  bezeiclnmng  MicoJt,  filia  rcyis 
ßradanornm^)  ohne  Wichtigkeit,  da  sie  keinesfalls  aus  volks- 
tümlicher Überlieferung  stammt. 

Eine  andere,  ebenfalls  belanglose  ab  weichung  finden  wir 
in  dem  gebahren  Micolt-Ildicos  nach  dem  tode  Attilas:  bei 
Jordanes  harrt  sie  ruhig  mit  niedergeschlagener  miene  und 
verhülltem  haupte  weinend  des  anbrechenden  tages;  in  der 
ung.  clironik  aber  bricht  sie,  nachdem  sie  Eteles  tod  bemerkt 
hatte,  sofort  in  Jammergeschrei  aus.  Es  ist  aber  zweifellos,  dass 
diese  abweichung  nichts  als  eine  mehr  nüchterne  und  alltäg- 
liche fassung  der  heroischen  Schilderung  bei  Jordanes  ist.  und 
irgend  welche  Schlüsse,  wie  es  Matthaei^)  tut,  dürfen  daraus 
nicht  gezogen  werden.  Nur  der  ort  der  best att ung  könnte 
der  echten  sage  angehören:  es  ist  die  grabstätte  bei  Cuiceazoa, 
wo  die  in  den  kämpfen  um  Pannonien  gefallenen  Hunnen- 
fürsten beigesetzt  worden  waren.  Doch  ist  es  auch  möglich, 
dass  es  sich  hier  um  eine  blosse  combination  des  Chronisten 
handelt,  die  gewis  sehr  nahe  lag.  Am  wichtigsten  ist  die  Über- 
einstimmung mit  Jordanes  in  dem  berichte,  dass  Etele  in  der 
brautnacht  eines  natürlichen  todes  gestorben  und  nicht  von 
seiner  letzten  gemahlin  ermordet  worden  sei.  Hier  weicht 
jede  sage  von  der  darstellung  des  Jordanes  ab,  und  auch  die 
erzählung  der  ung.  chronik  würde  ohne  zweifei  abAveichen, 
wenn  sie  wirklich  der  sage  entnommen  wäre.'') 

Sebestyen  will  (a.  a.  o.  s.  458  IT.)  auch  hier  zwar  nicht  eine 
sage,  aber  doch  spuren  volkstümlicher  Überlieferung  finden. 
Von  solchen  zeugen  seiner  ansieht  nach  die  namen  MicoU  und 
Bnictani;  auch  müsse  die  todesart  Eteles  in  der  ung.  sage 
mit  der  erzählung  des  Jordanes  übereingestimmt  haben,  und 
sei  nicht  erst  von  dem  Chronisten  mit  dem  berichte  des  Jor- 


*)  Heinrich  v.  Mügeln  hat  auch  hier  des  kuniges  tuchter  britanorum. 

*)  A.a.O.  s.  19f.  Zugleich  will  ich  Matthaei  gegenüber  bemerken,  dass 
das  mädcheu  die  schmeichelform  Ildico  gewis  uiclit  erst  bei  den  Hunnen 
muss  erhalten  haben,  sondern  mit  derselben  schon  im  eiternhause  kann  be- 
nannt worden  sein. 

')  Von  einem  teile  der  Chroniken  wird  auch  der  träum  Marcians  er- 
wähnt; selbstverstäittllich  ist  auch  dies  eine  gelehrte  entlehnung,  die  auf 
Jordanes  zurückgeht.    Kezai  erwähnt  den  träum  nicht. 


DIE   GERM.  ELEMENTE   DER   UNG.   HUNNENSAGE.  531 

daues  in  einklang-  gebracht  worden.  Ich  glaube,  nach  dem 
gesagten,  und  was  ich  noch  auszuführen  gedenke,  darf  ich  eine 
directe  Widerlegung  der  Vermutungen  Sebestyens  unterlassen. 
Geradezu  echte  sage  sieht  aber  in  dieser  erzählung  der 
Hunnengeschichte  ^Matthaei  (a.a.O.  s.  18  ff.),  natürlich  eine  sage 
bairischen  Ursprungs.  Er  beruft  sich  auf  Aventin,  der  erzählt*): 
Dum  cum  nova  nupta  Hyldegunda,  filia  Herrici  reguli  Fran- 
cornni,  sese  ohledat,  subito  invitam  exlialavit  animam.  cantatur 
cqmd  nos  antiquis  carminihns,  Sycambriae,  quam  nos  Ophen, 
XJgri  jBudam  vocare  solent,  Attilam  hahitasse  et  opetiisse.  Müllen- 
hoff  bemerkt  (Zs.  fda.  12, 432)  zu  dieser  stelle  Aventins:  'Hier 
wird  zuerst  die  Ildico  des  Jordanes  mit  der  Hildegunde  des 
Waltharius,  den  Aventin  aus  einer  Regensburger  hs.  kannte, 
zusammengeworfen.'  Müllenhoff  hat  gewis  recht:  der  belesene 
Aventin  schöpfte  auch  hier  aus  mehreren  quellen  und  com- 
binierte  sage  und  geschichte  bewusst  und  vielleicht  auch  un- 
bewusst.  Wahischeinlich  ist,  dass  er  den  bericlit  über  Attilas 
tod,  aber  nicht  auch  den  über  seine  Vermählung  mit  Hilde- 
gunde, aus  den  ung.  Chroniken  entnommen  hat;  jedenfalls 
schöpfte  er  ihn  nicht  aus  volkstümlicher  Überlieferung,  obwol 
er  trotzdem  behauptet:  cantatur  apud  nos  antiquis  carminihns. 
Auch  daran  kann  nicht  gezweifelt  werden,  dass  die  Kaiser- 
chronik (v.  13856  f.),  Otto  von  Freisingen  (Chron.  4,  28)  und 
Heinrich  von  Mügeln  (vgl.  Zs.  fda.  12,  316),  die  von  Matthaei 
ebenfalls  herangezogen  werden,  sich  ihre  kenntnis  vom  tode 
Attilas  nicht  aus  der  sage,  sondern  aus  Jordanes  oder  anderen 
geschichtswerken  erworben  haben.  Ihren  bericlit  schmückten 
sie  dann  (darin  folgt  ihnen  auch  Turuczi)  mit  einem  mönchi- 
schen urteile  vom  blutvergiesser  aus,  der  im  eigenen  blute 
ertrunken  sei.  Von  einem  tode,  wie  er  in  der  ung.  chronik 
und  in  allen  gelehrten  geschichtswerken  erzählt  wird,  weiss 
die  Klage  (v.  4323  ff.)  nichts,  die  doch  alle  möglichkeiten  auf- 
zählt, an  die  sie  denken  konnte. 

.  'Die  ung.  tradition  (sagt  Matthaei  a.a.O.  s. 21)  zeigt  ihre 
verwantschaft  mit  der  bair.  Hildegundensage  auch  darin,  dass 
in   beiden   Kriemhild  neben   dieser  nova  nupta,  mit   der  sie 


1)  A.a.O.  2,306;  in  der  Chronik  a.a.O.  4,2,1143  heisst  es:  do  er  mit 
derselben  hochzeit,  freud  xind  wunn  het,  zue  nacht  sich  übersaufen  het,  fand 
man  in  zue  morgen  toten  im  ^et. 


532  DLEYER 

eigentlich  identisch  ist,  als  eigentliche  gattin  Attilas  galt',  wie 
denn  Aventin  tatsächlich  einige  Seiten  vorher  (a.  a.  o.  2,  302  und 
4, 2, 1137  f.)  von  einer  Vermählung  Attilas  mit  Grymilda.  der 
tochter  des  königs  Günther  von  Thüringen,  berichtet.  P^s  wird 
allgemein  und  gewis  mit  recht  angenommen,  dass  die  Bur- 
gundensage  zum  teil  durch  die  identiflcieruny  lldicos  und  Kriem- 
hilds  mit  der  sage  oder  dem  gerüchte  von  Attilas  tod  verknüpft 
worden  sei. ')  Ist  dem  aber  so,  so  können  bei  Aventin  Hjide- 
gunda  und  Grymilda,  in  den  ung.  Chroniken  Micolt  und  Krem- 
held nur  infolge  einer  Verwirrung  nebeneinander  als  zwei 
verschiedene  personen  auftreten.  Da  nun  aber  Kremheld 
zweifellos  aus  der  echten  ung.  Überlieferung  stammt,  kann 
Micolt  nur  eine  gelehrte  entlehnung  sein,  wie  dies  schon  oben 
aus  ihrem  verschriebenen  namen  selbst  deutlich  hervorgieng. 
War  einmal  Ildico  mit  der  burgundischen  Kriemhild  identiti- 
ciert,  so  niusste  die  erinnerung  an  das  mädchen,  von  dem  die 
geschichte  meldet,  notwendigerweise  verloren  gehen.  Die  Über- 
einstimmung also  z\vischen  Aventin  und  der  ung.  Hunnenchronik 
beruht  nicht  etwa  auf  einer  Übereinstimmung  der  volkstümlichen 
tradition  in  Baiern  und  Ungarn,  sondern  auf  einem  gemein- 
samen misverständnis  der  Verfasser. 

Da  die  darstellung  der  ung.  Hunnengeschichte  in  bezug  auf 
Eteles  tod  nicht  als  echte  Überlieferung  betrachtet  werden  darf, 
drängt  sich  die  frage  auf,  ob  denn  die  ung.  sage  überhaupt 
nichts  wusste  von  der  art  und  weise  und  den  näheren  umständen 
des  todes  Eteles.  Einen  directen  beweis  bietet  uns  die  chronik 
weder  für  eine  bejahende,  noch  verneinende  antwort;  wir  sind 
auch  hier  auf  blosse  folgerungen  angeAviesen.  Ich  glaube,  in 
der  pannonisch-ung.  Überlieferung  kann  die  erinnerung  an 
Attilas  tod  nicht  verloren  gegangen  sein.  Attila  steht  im 
mittelpunkte  der  ung.  sage,  und  sein  tod  fand  unter  solch 
eigentümlichen  umständen  statt,  dass  das  erlöschen  einer 
solchen  erinnerung   ganz   unerklärlich   wäre.     Die   annähme. 


')  Diese  auuahme  wh-d  neuestens  von  R.  0.  Boer,  Zs.  fdph.  37, 485  und 
38,42  wenn  auch  nicht  bestritten,  so  doch  als  nberfiüssig  erklärt.  Ich 
glaube,  mit  unrecht,  denn  wenn  irgend  etwas,  musste  der  geheimnisvolle 
tod  Attilas,  von  der  band  eines  germ.  mädcheus,  auf  die  germ.  heldeu- 
sage  einwirken.  Von  Boer  wird  überhaupt,  so  meine  ich,  das  historische 
viel  zu  wenig  berücksichtigt. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.      533 

dass  die  ung.  sage  auch  vom  tode  Eteles  zu  erzählen  wusste, 
wird  auch  durch  andere  erwägungen  wahrscheinlich  gemacht. 
Der  abschliessende  teil  der  Hunnengeschichte,  der  aus  echter 
sage  geschöpft  ist,  meldet  von  dem  untergange  des  Hunnen- 
reiches unter  den  söhnen  Eteles.  Die  eigentliche,  wenn  auch 
nicht  unmittelbare  Ursache  des  Unterganges  war,  wie  in  der 
geschichte  so  auch  in  der  ung.  sage,  der  tod  Attilas;  seine 
sühne  waren  untereinander  uneinig  geworden  und  viel  zu 
schwach,  um  den  verfall  des  riesenhaften,  aus  den  verschieden- 
sten elementen  zusammengeschweissten  reiches  verhüten  zu 
können.  Die  unterjochten  Völker,  in  erster  reihe  die  Ostgoten 
und  Gepiden,  verdankten  ihre  freiheit  dem  plötzlichen  hin- 
scheiden Attilas.  Eine  neue  epoche  begann  hiermit  in  ihrem 
geschichtlichen  leben,  und  wäre  es  nun  denkbar,  dass  die 
Goten,  vornehmlich  diejenigen,  die  in  Pannonien  zurück- 
geblieben sein  müssen,  den  tod  Attilas  frühzeitig  vergessen 
hätten?  Er  bildete  einen  Wendepunkt  in  ihrer  geschichte  und 
musste  auch  der  bedeutendste  und  festeste  punkt  in  ihrer  sage 
bleiben.  Ich  glaube  also,  wenn  überhaupt  noch  eine  sage  von 
den  Hunnen  in  Pannonien  lebendig  war,  als  es  von  den  Ungarn 
erobert  wurde,  musste  auch  noch  eine  tradition  von  dem  tode 
Attilas  vorhanden  sein;  und  wenn  viel  unbedeutendere  teile  der 
sage  von  den  Ungarn  herübergenommen  wurden,  so  konnte  auch 
die  Überlieferung  von  Attilas  tod  nicht  ausser  acht  gelassen 
werden.  Ward  diese  Überlieferung  aber  von  den  Ungarn  herüber- 
genommen, so  konnte  sie  von  ihnen,  die  Etele  als  nationalheros 
feierten  und  sein  reiches  erbe,  das  seine  söhne  niclit  zu  erhalten 
vermochten,  als  seine  und  seines  Volkes  nachkommen  angetreten 
hatten,  unmöglich  vergessen  werden.  Die  Vermutung  also,  dass 
die  pannonische  tradition  von  dem  tode  Eteles  wusste,  und 
dass  an  dieser  tradition  auch  in  der  ung.  sage  festgehalten 
wurde,  ist  wol  begründet  und  trägt  alle  merkmale  der  Wahr- 
scheinlichkeit an  sich. 

Wie  war  nun  die  Überlieferung  geartet,  die  von  dem  tode 
Eteles  berichtet?  Jordanes  weiss  noch  nichts  davon,  dass 
Attila  von  Hdico  in  der  brautnacht  getötet  worden  wäre.  Es 
ist  aber  bekannt,  dass  sich  alsbald  das  gerücht  verbreitete, 
Attila  habe  durch  die  band  des  mädchens  sein  leben  verloren, 
und  zwar  sei  dies,  so  lautet  die  Überlieferung  später,  eine  tat 


534  BLEYElt 

der  rtu'lie  geAvesenJ)  An  diese  auffassung^,  die  doch  hüchst- 
walirsclieinlich  auch  in  Pannonien  verbreitet  war.  knüpft  nun 
die  nord.  und  in  weiterer  entwickhing  die  deutsdie  sage  an. 
Aus  der  deutsdien  und  vor  allem  der  nord.  Überlieferung 
müssen  wir  eine  antwort  auf  die  gestellte  frage  zu  geben 
suchen. 

In  der  Edda,  avo  die  sage  von  Atli  bekanntlich  schon  mit 
der  Nibelungensage  verbunden  ist,  weissagt  an  einer  stelle-) 
Bryiihildr,  Atli  werde  nach  dem  tode  seiner  söhne  von  Guöri'in 
mit  einem  scharfen  eisen  in  seinem  bette  getötet  werden.  An 
einer  andern  stelle»)  heisst  es,  Guöriin  habe  die  söhne  Atlis 
ermordet,  ihr  fleisch  Atli  zum  mahle  vorgesetzt  und  ihn  dann 
selbst,  als  er  trunken  zu  bette  gegangen  sei,  getötet.  Und 
an  einer  dritten^)  stelle  wird  berichtet,  dass  Atli  im  schlafe 
von  Guörün  ermordet  Avordeu  sei  und  zwar  mit  beihilfe  Hni- 
flungs,  des  sohnes  Hoguis.  Guörün-Kriemhild  handelt  hier  aus 
räche  für  den  tod  ihrer  brüder,  der  durch  Atli  herbeigeführt 
worden  Avar.  Im  übrigen  steht  aber  die  erzählung  der  Edda 
auch  in  nebensächlichen  eiuzelheiten  der  des  Jordanes  so  nahe 
(Atli  ist  trunken,  sein  tod  erfolgt  im  bette  schlafend),  dass 
wol  an  der  historischen  grundlage  der  nord.  sage  nicht  ge- 
zweifelt werden  kann.  In  der  piörekssaga  wird  Attila  zwar 
nicht  von  Grinihildr  getötet,  die  schon  vorher  in  dem  kämpfe 
der  Nibelungen  und  Hunnen  durch  piöreks  band  gefallen  war^); 
immerhin  aber  ist  eine  gewisse  Übereinstimmung  mit  der  Edda 
vorhanden,  denn  auch  hier  verliert  Attila  sein  leben  durch  den 
söhn  Hognis  (Ungers  ausg.  cap.  393  und  423),  der,  wie  auch 
Grimhilds  söhn  von  Attila  (Ungers  ausg.  cap.  379),  Aldrian 
heisst.  Die  Klage  weiss  nichts  sicheres  mehr  über  den  tod 
Etzels  zu  berichten,  und  das  Nibelungenlied,  avo  Krienihild  von 
Hildebrand  in  dem  kämpfe  der  Hunnen  und  Burgunden  er- 


*)  Die  belege  s.  bei  W.Grimm,  D.  heldeusage^  s.  9f. 

^)  SiguröarkviÖa  eu  skamma,  Hildebraud-Geriugs  ausg.  str.59.  Vgl.  auch 
Guörünarkviöa  2,  str.  38  ff.  uud  A'olsuugasaga  cap.  33. 

3)  Atlakvii'ia  a.a.O.  str.  3(1  ft.    ' " 

"J  Atlamni  a.a.O.  str.  83  ff.  und  A'ulsungasaga  cap.  88. 

'■')  Es  geschah  mit  Attilas  einwilliguug,  denn  wie  piörekr  sagt:  slict 
scnnu  villdi  hon  homa  per  i  hei  oc  mer.  ef  put  mette  hun.  Ungers  ausg. 
cap.  392. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSÄGE.      535 

schlagen  wird,  erwähnt  das  ende  Etzels  gar  nicht  mehr.  Es 
ist  unmöglich,  hier  nicht  eine  conseqnente  entwicklung  der 
tradition,  die  mit  der  weiteren  Umgestaltung  der  ganzen  sage 
organisch  zusammenhängt,  zu  bemerken:  in  der  Edda  wird 
der  schuldige  Atli  von  Guörün-Kriemhild  aus  räche  getötet, 
und  zwar  von  dem  söhne  Hogni-Hagens  unterstützt;  in  der 
piörekssaga  überlebt  der  schuldlose  Attila,  infolge  einer  secun- 
dären  Verschiebung,  die  schuldbeladene  Grimhildr,  aber  auch 
er  muss  durch  Hognis  söhn  eines  gewaltsamen  todes  sterben. 
Durch  diese  entwicklung  musste  das  Interesse  an  Etzels  tod, 
der  für  die  handlung  der  sage  keine  bedeutung  mehr  hatte, 
allmählich  ganz  verschwinden,  wie  er  denn  auch  in  der  deutschen 
tradition  völlig  vergessen  wurde. 

Wenn  die  Vermutung  begründet  ist,  dass  die  ung.  Über- 
lieferung von  dem  tod  Eteles  gewusst  habe,  so  ist  an  der  band 
der  nord.  und  deutschen  sage  nicht  schwer  festzustellen,  wie 
und  unter  was  für  umständen  er  notwendigerweise  erfolgt  sein 
müsse.  Denn  wie  das  schlusscapitel  der  Hunnengeschichte, 
wie  wir  noch  sehen  werden,  entschieden  beweist,  war  die  ung. 
Hunnensage  mit  der  Burgundensage  verknüpft  worden:  aus  ihr 
stammt  Kremheld,  Eteles  germanische  gattin.  Sie  überlebt 
Etele  und  nimmt  an  dem  grossen  kämpfe  der  C4ermanen  und 
Hunnen  teil,  der  das  verderben  der  söhne  Eteles  herbeiführt.  Hir 
söhn  von  Etele  heisst  Aladär,  der,  da  er  mütterlicher  Seite  ger- 
manischer abstammung  ist,  sich  mit  den  unterjochten  Germanen 
verbündet  und  einen  zweiten  söhn  Eteles,  der  an  der  spitze 
der  Hunnen  steht,  in  einer  nach  Kremheld  benannten  Schlacht 
besiegt  und  aus  Pannonien  nach  dem  osten  vertreibt.  Ueber 
diese  Schlacht  und  die  sühne  Eteles  werde  ich  unten  ausführ- 
lich handeln  und  den  nachweis  unternehmen,  dass  Aladär  mit 
Aldrian  und  beide  mit  dem  Gepidenfürsten  Ardarich  identisch 
waren.  Wir  erhalten  also  einen  typus:  Kremheld  und  Aladär- 
Aldrian  führen  nach  Eteles  tode  den  Untergang  der  Hunnen 
herbei,  —  ein  typus,  dessen  verwantschaft  mit  der  fassung  in 
der  Edda  auffallen  muss,  namentlich  wenn  wir  in  Atli  nicht 
nur  den  individuellen  Attila,  sondern  zugleich  auch  den 
repräsentanten  der  Hunnen,  was  er  doch  ist,  vor  äugen  halten. 
Nach  einer  Verknüpfung  der  Nibelungensage  mit  der  sage  von 
den  Hunnen  kann  entweder  Kriemhild  Attila,  oder  aber  Attila 


5SG  IJLEYEK 

Krienihild  überlebt  liabeii.  ^^"ar  letzteres  der  fall,  so  "war 
Attilas  tod  entweder  ein  gewaltsamer  (wie  in  der  Ini^rekssaga), 
oder  aber  er  ward  vergessen  (so  in  den  deutschen  dichtiingen). 
Ueberlebt  aber  Kriemliild  Attila,  so  muss  der  tod  Attilas  un- 
bedingt durch  Kriemhild  verursacht  worden  sein;  dies  folgt 
nicht  nur  daraus,  dass  uns  dieser  typus  in  der  Edda  tatsäch- 
lich bewahrt  ist.  sondern  auch  a  priori  notwendigerweise  aus 
dem  ganzen  geiste  der  sage  auf  dieser  entwicklungsstufe. 

Wenn  also  die  ung.  Überlieferung  noch  etwas  näheres  von 
Eteles  tod  Avusste  (und  dies  kann  doch  kaum  bezweifelt 
werden),  so  kann  ihre  erzählung  nur  gelautet  haben:  Krem- 
held tötet  aus  räche  den  trunkenen  Etele  im  schlafe,  nach 
seinem  tode  weiht  sie,  immer  noch  von  räche  getrieben,  mit 
liilfe  ihres  sohnes  Ardarich-Aladär  und  der  übrigen  Germanen- 
fürsten auch  sein  hunnisches  reich  und  seinen  zweiten  söhn 
dem  verderben.  Ob  nun  Kremheld  in  der  ung.  sage,  als  sie 
Etele  vermählt  worden  war,  ein  mädchen  oder  witwe  ge- 
wesen, lässt  sich  kaum  entscheiden.  Ersteres  ist  gewis  wahr- 
scheinlicher, i)  Jedesfalls  aber  führte  sie  den  mord  nicht  in 
der  brautnacht  aus,  sondern  einige  jähre  später,  wie  in  jeder 
anderen  fassung  der  sage,  als  ihr  söhn  von  Etele  zu  einem 
brauchbaren  Werkzeuge  herangewachsen  war;  oder  aber  es 
muss  die  zweite  hälfte  ihres  rachewerkes,  die  Vernichtung  des 
Hunnenreiches,  auf  einige  jähre  nach  dem  tode  Eteles  auf- 
geschoben worden  sein. 

Das  von  dem  tode  Eteles  gesagte  wird,  so  meine  ich,  durch 
die  folgenden  ausführungen  noch  bekräftigt  werden.  Es  bleibt 
uns  auch  hier  nur  noch  übrig,  die  frage  zu  beantworten,  warum 
die  Chronisten  ihren  bericht  über  Attilas  tod  aus  gelehrten 
quellen  schöpften,  wo  ihnen  doch  die  heimische  sage  zur  Ver- 
fügung stand?    Wir   hatten   schon   einige   male   gelegenheit. 


^)  Freilich  wenn  der  uanie  Grhnhild  (wie  allgemeiu  angenommen  wird, 
vgl.  Sijmons  a.a.O.  s.  657  und  6C!Ü  und  G.  Mattliaei,  Beitr.  z.  gesch.  d.  Sieg- 
friedssage, progr.  d.  gj'mu.  zu  Gr.-Lichterfelde,  1905,  s.  16)  schon  eine  Ver- 
bindung mit  der  mytliischen  Mbelungensage  bedeutet,  so  kann  Kronheld 
auch  in  der  ung.  sage  nur  eine  witwe  Sigfrids  gewesen  sein.  Ich  halte 
aber  dieser  auffassung  gegenüber  die  wol  begründete  ansieht  von  Ph.  We- 
gener,  Zur  sage  von  den  Nibelungen,  Greifswalder  progr.  l'J(X),  1901,  dass 
Kriemhild  der  historischen  Burgundeusage  angehöre,  für  wahrscheinlicher. 


DIE  OERM.  ELEMENTE  DER  ÜNG.  HUNNENSAGE,      537 

walirzunelimen ,  dass  der  Verfasser  der  Hunnengescliichte  sich 
nur  da  auf  die  sage  stützt,  wo  er  dazu  gezwungen  ist;  sonst 
bevorzugt  er  stets  die  gelehrten  quellen,  wie  dies  ja  bei  einem 
geschichtsschreiber  natürlich  ist.  Die  erzählung  von  der  besitz- 
ergreifung  Pannoniens  durch  die  Hunnen  nalim  die  Hunnen- 
chronik nur  deshalb  aus  der  volkstümlichen  tradition  herüber, 
weil  sie  darüber  in  gelehrten  geschichtswerken  nichts  finden 
konnten,  durch  die  nationale  auffassung  aber,  Pannonien  sei 
schon  einmal  von  den  vorfahren  der  Ungarn  erobert  worden, 
gezwungen  war,  über  die  eroberung  Pannoniens  einen  bericht 
zu  bringen.  Den  bericht  über  die  ermordung  Budas,  der  der 
geschichte  gegenüber  nicht  so  sehr  abgeändert,  als  sagenhaft 
erweitert  ist,  entnahm  der  chronist  gewis  nur  deshalb  aus  der 
lebendigen  volkssage,  weil  diese  durch  eine  ansprechende  ety- 
mologie,  wie  sie  dem  geschmacke  der  mittelalterlichen  gelehrten 
so  sehr  entsprach,  eine  erklärung  der  namen  Biida  und  El^el- 
hiirg  bot.  Die  erzählung  von  dem  aufenthalte  Detrehs  am 
hofe  Eteles  und  seinem  einflusse  auf  letzteren  konnte  deshalb 
nicht  unterdrückt  werden,  da  sonst  das  eingreifen  Detrehs  in 
die  geschicke  des  Hunnenreiches  nach  dem  tode  Eteles,  wie 
wir  sehen  werden,  ganz  unbegründet  wäre.  Ueber  die  heer- 
fahrten  Eteles  gegen  den  westen  fand  der  chronist  in  aus- 
ländischen schriftlichen  quellen  überreiches  material,  er  war 
also  auf  die  volkssage  nicht  angewiesen  und  verschmähte  ihre 
erzählung.  Den  bericht  aber  über  den  verfall  des  Hunnen- 
reiches, zu  dessen  erörterung  wir  uns  gleich  wenden  werden, 
musste  der  Verfasser  der  ung.  Hunnengeschichte  unter  allen 
umständen  der  mündlichen  Überlieferung  entnehmen,  da  nur 
auf  diese  weise  eine  erklärung  der  verwantschaft  zwischen 
Hunnen  und  Ungarn,  also  eine  rechtfertigung  der  ung.  land- 
nahme  gegeben  werden  konnte,  ohne  welche  eine  ung.  chronik 
in  den  äugen  der  öffentlichen  meinung  lückenhaft  sein  musste. 
Zur  herübernahme  des  berichtes  aber  über  Eteles  tod  aus  der 
volkssage  zwang  den  Chronisten  weder  ein  nationaler  gesichts- 
punkt,  noch  mangelhaftigkeit  der  ausländischen  gelehrten 
literatur.  Diese  beiden  umstände  werden  den  Verfasser  der 
Hunnengeschichte  veranlasst  haben,  von  der  volkstümlichen 
tradition  über  den  tod  Eteles  abzusehen  und  sich  an  eine 
gelehrte  quelle  von  autorität  anzulehnen. 


538  RLEYER 

b)  Den  für  die  sage  wichtig-sten  teil  der  Hunnengeschiclite 
bildet  das  sclilusscapitel'),  in  •welchem  der  verhäugiiisvolle 
streit  zwischen  den  sühnen  Eteles  und  der  Untergang  des 
Hunnenreiches  dargestellt  wird: 

Diuulgato  ergo  eins  (d.  i.  Ethelae)  obitu  obstiipuit  orbis  terre,  et 
utnnn  plangerent  inimici  eins,  vel  gaiiderent  besitabant;  raultitiidinem 
filiorum  forinidantes,  qui  qnasi  popuhis  vix  poteraut  inimerari.  rmira 
etenini  ex  tiliis  post  ipsiiin  credebant  regnatnriiin.  Sod  Ditrici  astutia 
Veronensis  ac  priuciimm  Allamaunie,  qiiibus  rex  Etbela  in  collo  residebat 
imperando,  in  partes  diuersas  Hunorum  comunitas  est  diuisa,  ita  quidem 
ut  quidani  Cbabam''')  regis  Etbele  filium  ex  Greconim  iniperatoris  filia  seu 
Honorii  geuituni,  alii  Aladaiium •'')  ex  Creniildi*)  Germanie  principissa  pro- 
creatum  prcficere  in  regem  post  Etbelam  nitebantur.  Quia  vero  pars  sanior 
Cbabe  adberebat,  extera  autem  natio^)  Aladario,  eapropter  utrique  incepe- 
runt  imperare.  Tuuc  Ditrici*^)  astutia,  qui  fauebat  Aladario'),  prelium 
inter  anibos  suscitatur.*')     lu  primo   ergo  prelio  Aladarius   snperatur;   in 


*)  Kezai  cap.  4, 15.  16.  Mit  einigen  abweichungen,  vorzüglicb  in  der 
reibenfolge  des  erzäblten,  von  denen  ich  die  für  uns  wicbtigen  anführen 
werde,  im  Chron.  Yind.  cap.  10.  Chron.  Dubn.  cap.  18 — 20.  Chron.  Pos.  cap. 
20—23.  Chron.  Bud.  s.  29-33.  H.  v.  Mügelns  Chr.  d.  H.  cap.  10.  Turoczi  cap. 
23—24.  Oläh  cap.  17—18. 

*)  Bei  H.  V.  Mügeln  infolge  falscher  lesung  Kala. 

^)  Bei  H.  V.  Mügeln  Ahlrhts  und  Alahrius. 

*)  Chron.  Vind.  domina  Criuuhehlina ;  Chron.  Dubn.  und  Bud.  domi'na 
Crimiheldina;  Chron.  Pos.  domina  Curhinid/na;  H.  v.  Mügeln  fnaren  Kri- 
miltcn  . . . ,  die  ein  tochter  icaz  des  Icuniyes  von  hurcjundia ;  Turöczi  de 
illustri  prosapia  Germaniae  ducum  orta,  Domina  Kremheyich:,  Oläh  (dter 
Chaha,  ex  Herriche,  Honorii  Graecorum  Iviperatoris  filia:  alter  Aladarius, 
ex  matre  Kreinheiltz,  filia  Ducis  Bauariae,  yeniti. 

^)  In  einigen  Chroniken  extera  natio  cum paucis  lliuiis.  Turöczi  fügt 
noch  hinzu  Detricus  vero,  et  caeteri  Germaniae  principes,  erya  llunos  recto 
non  erant  cordc. 

<*)  Oläh  Detricus,  rpd  neptcm  Atilae  ex  sorore,  vxorem  duxisse  dicitur. 

')  In  einigen  Chroniken  (jui  (d.  i.  Detricus)  iUo  tempore  Sicambrie  Ala- 
dario adherehat.  Turoczi  Erant  tunc  Sicamhriae,  principes  Germaniae 
vndti,  oh  inetum  illius,  coacta  seruitute  alliyati,  inter  quos  Detricus  de 
Verona,  excellcntiam  hahehat  non  idtimam. 

^)  In  den  übrigen  clirouiken  In  istis  itaque  preliis  scnq^er  Chaha  et 
Hunt  rictoriam  hahuentnt.  l'ostmodum  vero  Detricus  de  Verona  per  tradi- 
inentum  (traditamentum,  proditamentum)  Chaham  fecit  supcrari.  Deuicerat 
enim  jjrimitus  Chaha  fratrcm  suum,  scd  tandem  in  ultimo  est  dcuictus,  ttt 
vix  XV  milia  ex  parte  Chahe  rcmanerent,  aliis  Hunis  et  fUiis  Atyle  totaliter 
deletis  et  occisis.  Mortuo  itacpie  Atila  tarn  filii  sui,  cpiam  Huni  inter  se 
sunt  necati.  Deuictus  itaque  Chaha  et  yermani  sui,  fdii  Aide  reyis,  qui  ei 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  ÜNG.  HUNNENSAGE,      539 

secuudo  antem  quod  Sicambrie  per  XV  dies  contiui\o  committitur,  exercitus 
Chabe  sie  deuincitur^)  et  prostratur,  quod  perpauci  filii  Ethele  Himique 
remanereut.  Istud  eniin  est  prelium,  quod  Hnni  prelium  Crumhelt^)  usque 
adbuc  nominantes  vocauerunt.  In  quo  quidem  prelio  tantus  sauguis  Ger- 
manicus  est  effusus,  quod  si  Teutonici  ob  dedecus  non  celarent,  et  vellent 
pure  reserare,  per  plures  dies  in  Danubio  aqua  bibi  non  poterat,  nee  per 
homines,  nee  per  pecus,  quoniam  de  Sicambria  usque  urbem  Poteutie  san- 
g'uine  inundauit. 

Dass  hier  echte  sage  reicher  und  vollkommener  fliesst,  als 
in  den  übrigen  partien  der  Hunnengeschichte,  muss  auf  den 
ersten  blick  auffallen.  Die  Überlieferung  ist  aber  auch  klarer 
und  ungetrübter,  die  gelehrsamkeit  des  Chronisten  tritt  seltener 
und  weniger  störend  hervor,  als  auch  in  dem  capitel  von  der 
eroberung  Pannoniens.  Freilich  bietet  die  Hunnenchronik 
auch  hier  nur  eine  skizze,  allerdings  eine  skizze,  die  ein  ge- 
mälde  grossen  stils  ahnen  lässt.  Der  Chronist  wäre  aber  nicht 
ein  gelehrter  des  mittelalters  gewesen,  wenn  er  nicht  auch 
hier  in  die  reine  sage  einiges  gelehrte  beiwerk  hätte  unter- 
laufen lassen,  wie  er  anderwärts  der  reinen  geschichte  fabel- 
und  legendenhafte  elemente  beimischt. 

Gelehrten  Ursprungs  ist  entschieden  die  auffassung  von 
einer  polygamie  Eteles.  Diese  wird  zwar  in  der  Hunnen- 
geschichte nicht  ausdrücklich  erwähnt,  geht  aber  aus  der 
ganzen  darstellung  deutlich  hervor.  Micolt-Ildico  wird  aller- 
dings nicht  als  gattin  Eteles  bezeichnet  (sie  wird  ihm  ad 
amandum  zugeführt),  aber  Kremheld  und  die  tochter  des 
griech.  kaisers  werden  in  solcher  weise  nebeneinander  genannt, 
als  ob  sie  zu  gleicher  zeit  Eteles  gattinnen  gewesen  wären. 
Ausdrücklich  spricht  aber  für  eine  solche  auffassung  die  be- 
merkung,  Etele  habe  so  viele  söhne  gehabt,  dass  sie  quasi 
populus  vix  poterant  nwnerari.  Auch  sonst  erwähnt  die  chronik 
söhne  Eteles,  die  im  kämpfe  gefallen  seien  oder  denselben  über- 
lebt hätten,  und  brüder  Chabas  (lies  Csaha  =  Caba),  die  mit 


assisterant  ex  aduerso,  numero  sexaginta,  cum  quinclecim  milibus  Hiinorum 
ad  Honorium  auunculuni  suum  fugisse  perJiihentur. 

*)  Olah  Aladaricus  in  praelio  cecidit.   Victor  primum  Chaha. 

*)  Chron.  Yind.  quod  Iluni  Crnmheld  prelium  vocant  usque  in  diem 
istum;  Chrou.  Dubn.  und  Bud.  prelium  Crimiheld;  Chron.  Pos.  Crimheled 
prelium;  H-Y-Mügeln  fraiven  Krimhilden  streyt;  diese  bezeichnung- fehlt  bei 
Turoczi  und  Oläh. 


540  BT.EYER 

diesem  nach  dem  osten  geflohen  seien;  nanicn  werden  aber 
nicht  genannt.  Es  ist  eine  dentliclie  Übereinstimmung  mit 
Jordanes  (Getica  cap.  49),  der  sagt,  dass  die  anzahl  der  söhne 
Attilas  per  licenfiam  HhicJinis  pene  poimlus  fuit,  und  erwälint, 
dass  Attila  Ildico  j^osf  innumerahiles  uxores,  ut  mos  erat  gentis 
Ulms,  zur  gattin  genommen  habe.  Die  ung.  Überlieferung,  wie 
sie  im  volksmunde  lebte,  wusste  sicher  nichts  von  einer  anzalil 
von  kindern  und  auch  nichts  von  einer  polygamie  Eteles.  War 
auch  eine  solche  Vorstellung,  weil  historisch,  in  der  ältesten 
ostgot.  Überlieferung  vorhanden,  so  war  sie,  wie  die  deutsche 
und  nord.  tradition  beweist,  zweifellos  früh  verschwunden;  und 
als  die  sage  von  den  Ungarn  herübergenommen  w^urde,  so 
konnte  diese  auffassung,  da  sie  ihrer  eigenen  sitte  fremd  war, 
von  ihnen  auch  nicht  hineingetragen  werden,  wie  denn  auch 
Chaba  in  der  specifisch  ung.  Weiterbildung  der  sage  nur  eine 
gattin  aus  dem  korosminischen  stamme  hat.  In  der  deutschen 
Überlieferung  heisst  Eteles  erste  gattin  Helche,  nach  deren 
tode  er  sich  mit  der  burgundischeu  königstochter  Kriemhild 
vermählt.  Von  einer  polygamie  Atlis  weiss  oder  vielmehr 
will  auch  die  Edda  nichts  wissen;  sie  macht  eben  aus  diesem 
gründe  Herkja  zu  einer  magd  Atlis,  die  vorher  seine  bei- 
schläferin  gewesen  sei.  Lebte  Attila  in  der  sage  nicht  in 
polygamie,  so  konnte  ihm  auch  nicht  ein  ganzes  volk  von 
kindern  zugeschrieben  werden.  Die  nord.  und  deutsche  tra- 
dition kennt  nur  zwei  bez.  drei  sühne  Attilas,  und  auch  die 
ung.  Chronik  weiss,  wie  von  zwei  gattinnen,  so  auch  nur  von 
zwei  söhnen  Eteles  wirklich  etwas  zu  melden.  Inhalt  wie 
geist  der  sage,  wie  sie  uns  in  der  Hunnengeschichte  erhalten 
ist,  schliessen  eine  polj'gamie  Eteles  aus,  und  die  oben  an- 
geführten äusserungen  in  der  Hunnenchronik  können  nur  ein 
gelehrter  zusatz  des  Chronisten  sein. 

Von  dieser,  der  echten  sage  fremden  Vorstellung  und  einigen 
andern  gelehrten  anlehnungen,  die  im  folgenden  angedeutet 
werden  sollen,  abgesehen,  ist  alles  echte  Überlieferung,  an  der 
der  Chronist  nicht  rüttelte,  da  er  vom  nationalen  Standpunkte 
daran  nicht  rütteln  durfte. 

Etele  hatte  also  in  der  ung.  tradition  zwei  söhne  von  zwei 
gattinnen,  deren  eine  die  tochter  des  Jlonorii  Gtecorum  im- 
peratoris  war.     Es  ist  natürlich  schon  längst  bemerkt  worden, 


DTE  GERM.  ELEMENTE  DER  DNG.  HUNNENSAGE.     541 

dass  hier  ein  misverständnis  vorliegt.  ^)  Es  kann  sich  nämlich 
nicht  nm  die  tochter  des  kaisers  Honorius,  sondern  nur  um 
Honoria,  die  Schwester  kaiser  Valentinians  und  die  nichte  des 
kaisers  Honorius  handeln,  von  der  Priscus  (Corp.  scr.  Byz. 
s.  151  f.)  und  nach  ihm  Jordanes  (Getica  cap.  42)  mitteilen, 
dass  sie  sich  Attila  zum  g-atten  gewünscht  habe,  und  dass  dies 
ihr  verlangen  von  letzterem  politisch  ausgebeutet  worden  sei. 
Dass  der  bericht  der  Hunnengeschichte  auf  gelehrter  com- 
bination  beruht,  ist  klar:  eine  Vermählung  fand  zwar  in  Wirk- 
lichkeit nicht  statt,  aber  auch  die  bloss  beabsichtigte  Verbin- 
dung Attilas  mit  einer  kaiserstochter  konnte  der  nationale 
stolz  des  Chronisten  nicht  unverwertet  lassen.  2)  Wer  war 
also  Chabas  mutter?  Wir  sind  auch  hier  wider  auf  blosse 
Vermutungen  und  folgerungen  aus  der  nord.  und  deutschen 
Überlieferung  angewiesen.  Oläh  nennt  die  mutter  Chabas 
Herriche,  ohne  an  der  auffassung,  dass  sie  eine  filia  Honorn 
Graecorum  imperatoris  gewesen,  etwas  zu  ändern.  Es  kann 
aber  kaum  angenommen  werden,  dass  Oläh  diesen  namen  aus 
der  ung.  sage  geschöpft  hätte  3),  vielmehr  wird  er  ihn  aus  einer 
deutschen,  schriftlichen  quelle  herübergenommen  haben,  wie 
sich  uns  auch  noch  weitere  belege  für  eine  anlehnung  Olahs 
an  deutsche  aufzeichnungen  ergeben  werden,  namentlich  an  das 
Heldenbuch,  wo  für  Helclie  ebenfalls  die  form  Herriche  ge- 
braucht wird.-*)    Ich  glaube  aber,  dass  Oläh  von  einem  ganz 


1)  Vgl.  W. Grimm,  D.  Mdensage ^  s.  343;  und  Am.  Thierry  a.a.O.  2^  379, 
der  dieses  misverständnis  freilich  der  sage  selbst  zvischreibt,  wie  auch  Se- 
bestyen  a.  a.  0.  s.  497  f. 

*)  Karäcsonyi  a.  a.  0.  s.  18  sieht  auch  hier  nur  eine  ganz  willkürliche 
fabelei  des  Chronisten  und  glaubt,  dass  der  ganze  l)ericht  über  Honoria  und 
die  beiden  söhne  Eteles  nur  ein  nachklang  ungarischer  geschichte  aus  der 
zweiten  hälfte  des  ll.jh.'s  sei:  könig  Gyecse  I.  hatte  eine  griech.  gattin 
namens  Synnadene,  und  zwei  uneinige,  aber  nicht  von  ihr  geborene  söhne, 
Koloman  und  Almos,  von  welchen  der  eine  später  vor  der  grausamkeit 
seines  bruders  nach  Griechenland  fliehen  musste.  Vgl.  Pauler  Gy.,  A  magy. 
nemz.  törtenete  V,  225  und  488.  Es  ist  sonnenklar,  dass  durch  diesen  hin- 
weis  weder  die  namen,  noch  der  inhalt  der  erzählung  in  der  Hunneu- 
geschichte  erklärt  und  gedeutet  wird. 

2)  Wie  Matthaei  a.a.O.  s.  21  anzunehmen  scheint,  der  auch  diesmal 
nicht  nur  bei  Oläh,  sondern  auch  bei  Callimachus  und  Siglerus  echte  Über- 
lieferung sucht  und  gefunden  zu  haben  glaubt. 

*)  Vgl.  W.Grimm,  D.  heldensage^  s.  335. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXI.  36 


542  BI.EYER 

richtigen  gefülil  geleitet  worden  war,  als  er  sich  hier  an  die 
deutsche  Überlieferung  anlehnte. 

Die  erste  gattin  Attilas  führt  in  der  deutschen  sage  den 
namen  Jlclche,  der  ohne  zweifei  mit  KQtxa  oder  'Pbxav  bei 
Priscus  (a.a.O.  s.  197  und  207)  identisch  ist.  In  der  Edda  (GutV 
rünarkvit^a  3)  wird  erzählt,  dass  Herkja-Helche,  eine  magd 
Atlis,  fi"üher  seine  beischläferin,  Gudrun  des  ehebruchs  mit 
pjoörekr  geziehen  habe;  Guörüns  Unschuld  sei  aber  durch  ein 
gottesurteil  bekräftigt  worden,  worauf  Atli  Herkja  in  einen 
faulen  moor  versenken  lassen  habe.  Herkja  aber,  eben  wie 
l)jöÖrekr,  gehört  nicht  der  ältesten  Schicht  der  nord.  Xibe- 
lungensage  an,  sondern  ist  erst  bei  einer  zweiten  Wanderung 
der  deutschen  sage  nach  dem  9.  jh.  nach  dem  norden  ge- 
kommen (vgl.  Sijmons  a.  a.  o.  s.  632  und  663.  Auch  E.  Mogk, 
Pauls  Grundr.  2'\  644).  Der  neue  stoff,  der  dem  norden  auf 
diese  weise  zugeflossen  war,  wurde  natürlich  mit  der  vorhan- 
denen sage  contaminiert;  da  jedocli  diese  in  der  nord.  dich- 
tung  schon  eine  geschlossene  gestalt  hatte,  war  für  Herkja 
(über  pjoörekr  s.  unten)  keine  rolle  mehr  vorhanden,  und  so 
wurde  sie  zum  kebsweibe  Atlis  gemacht  und  in  der  Verbin- 
dung mit  dem  weitverbreiteten  märclien  von  der  unschuldig 
angeklagten  königin  (vgl.  Jiriczek  a.a.o.  s.  161  f.)  zu  GutMi'in 
in  eine  secundäre  beziehung  gebracht.  Da  also  das  auftreten 
Herkjas  in  der  Edda  und  die  rolle,  die  ihr  zugeteilt  ist,  nicht 
als  ursprünglich  betrachtet  werden  darf,  düi'fen  aus  ihr  auch 
keine  Schlüsse  für  die  ältere  sage  gezogen  werden.  In  der 
piörekssaga  heisst  Attilas  erste  gattin,  eine  tochter  des  sla- 
vischen  königs  Osantrix  (Ungers  ausg.  cap.  38)  Erka,  in  der 
deutschen  Überlieferung,  wie  schon  erwähnt,  Helche,  und  ist 
des  hünic  Usenches  Jcint.^)  Sie  spielt  bis  zu  ihrem  tode  eine 
hervorragende  rolle   in   dem  heldenkreise,   der   um  Etzel  ver- 

')  Biterolf  v.  lt)02.  Mit  Usericb  =  Osauüix  mag'  jedenfalls  der  uame 
(tsinrin  zusammenhäugeu,  wie  Attilas  gattin  im  Wallhaiiiied  v.  123,  396 
heisst.  Beide  sind  aber  unliistorisch ,  und  sieber  anderswoher  entnommen. 
Uspirin  kann  immer  nur  eine  Variante  gewesen  sein,  neben  der  oder  von 
der  unabhängig  Helche  von  anfaug  au  als  der  historischen  Überlieferung 
angehörend  fortbestand.  Vgl.  K.  Miillenhoft',  Deutsche  altertumsk.  5,  397,  mit 
desseu  erklärungsversuch  aber  meine  ausführungen  im  übrigen  nicht  überein- 
stimmen. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG.   HUNNENSAGE.  543 

sammelt  ist,  und  es  kann  kaum  bezweifelt  werden,  dass  sie 
nicht  nur  ihrem  namen,  sondern  auch  ihrer  ganzen  erscheinung 
nach  mit  der  historischen  EgExa  identisch  ist,  die  am  hunnischen 
königshofe  eine  bedeutende  repräsentative  Stellung  einnahm, 
und  von  der  vornehme  ausländische  gesante,  unter  ihnen  auch 
Priscus,  empfangen  wurden.  Ihre  gestalt  weist  also  auf  ein 
ununterbrochenes  fortleben  in  der  Überlieferung  von  Attilas 
bevorzugter  gattin  hin.  Schon  bisher  haben  wir  gesehen,  dass 
das  Verhältnis  der  ung.  sage  zur  deutschen  doch  eigentlich 
kein  contrastierendes  ist,  ja  es  haben  sich  bereits  tiefe  zu- 
sammenhänge ergeben.  Die  Vermutung  also,  dass  die  mutter 
Chabas  in  der  ung.  tradition  mit  Helche  in  der  deutschen  sage 
identisch  sei,  darf  doch  gewis  für  etwas  mehr  als  eine  blosse 
conjectur  gelten.  Vielleicht  wird  diese  annähme  durch  noch 
einen  umstand  bekräftigt:  in  der  Hunnengeschichte  ist  Chabas 
mutter  (Honoria)  eine  tochter  des  griech.  kaisers,  obgleich 
Valentinian  III.,  wie  auch  ihr  vater  Constantius  und  ihr  oheim 
Honorius,  weströmische  kaiser  waren;  und  so  ist  es  wol  mög- 
lich, dass  ihre  griech.  abstammung  aus  der  sage  entnommen 
ist,  wie  denn  auch  Chabas  flucht  nach  Griechenland  unzweifel- 
haft der  echten  Überlieferung  angehört.  Nun  ist  aber  bekannt, 
dass  in  der  deutschen  sage  die  begi'iffe  'slavisch'  und  'grie- 
chisch'') als  identisch  oft  mit  einander  abwechseln;  also  ergibt 
sich  auch  daraus  eine  gewisse  ähnlichkeit  zwischen  der  mutter 
Chabas  in  der  ungarischen  und  Helche  in  der  deutschen  tra- 
dition, deren  vater  nach  der  piörekssaga  ein  slavischer 
könig  war. 

Ist  nun  die  aufgestellte  Vermutung  richtig,  so  folgt  aus 
ihr  mit  entschiedenheit,  dass  die  mutter  C'habas  zur  zeit  der 
grossen  katastrophe  schon  tot,  und  Kremheld  Eteles  zweite 
gattin  gewesen  sein  müsse.  Es  wird  denn  auch  in  der 
Hunnengeschichte  tatsächlich  mit  keinem  worte  angedeutet, 
dass  Chabas  mutter  in  dem  letzten  kämpfe  irgendwelche  rolle 
gespielt  hätte,  während  nach  Kremheld  der  ganze  kämpf  be- 
nannt ist.  Eine  abweichung  zeigt  sich  allerdings  darin,  dass 
in  der  deutschen  sage  Helche  zwei  söhne  zugeschrieben  werden, 
während  die  ung.  chronik  nicht  erwähnt,   dass   Cliaba   auch 


1)  Vgl.  Müllenhoff,  Zs.  fda.  10, 1G6  und  Jiriczek  a.  a.  o.  s.  182. 

36* 


544  BLEYER 

mütterliclier  seile  noch  briider  gehabt  hätte.  Die  darstelhmg 
der  Huiineiigeschichte  halte  icli  in  diesem  punkte  für  treu  und 
glaube,  dass  die  ung.  tradition  der  deutschen  gegenüber  teils 
ursprünglicher  ist,  teils  aber  meine  ich,  dass  beide  in  ihrer 
entwickliing  von  einander  unabhängig  sind.  Jedesfalls  zeigt 
die  ung.  fassung,  wie  ich  unten  des  näheren  ausführen  werde, 
keine  secundäre  Verschiebung,  wenn  sie  als  sühne  Chaba  der 
griech.  königstochter  und  Aladär  der  deutschen  Kremheld 
zuweist. 

Sicherere  anhaltspunkte  als  für  die  mutter  Chabas  bietet 
die  Hunnengeschichte  für  die  mutter  Aladärs.  Ihr  name  lautet 
bei  Kezai  Cremücl,  Crunihelt  (lies  Krömhelt)  und  Criniild',  in 
den  übrigen  Chroniken  (doniina)  Crumheldina,  Crwiihcldtna, 
Curlmndina  und  {iwelium)  Cmmheld,  Crimiheld,  Crimheled, 
Crnmheldhium,  Crhnihddinuni,  Cuminlnddinum.  Bei  Turoczi 
und  Oläh  kommt  der  name  nur  je  einmal  vor:  bei  jenem  lautet 
er  Krcmheylch,  bei  diesem  Kreinheütz.  Die  beiden  letzteren 
kannten  den  namen  wahrscheinlich  nicht  melir  aus  dem  volks- 
munde,  daher  die  lautgesetzlich  nicht  begründeten  abweichungen 
von  e  :  ei,  d  :  ch,  tz. ')  Vergleichen  wir  die  angeführten  formen 
unter  einander,  so  können  zwei  (das  -in-  ist  gewis  eine  lat. 
Weiterbildung)  als  typisch  bezeichnet  werden:  KrimhiJd-Krim- 
held  und  Krömhcld-Kremhild.  Wir  haben  hier  dieselbe  laut- 
liche entwicklung  wie  bei  Ditricus  >  Detricus  >  Detreh;  nur 
ist  die  chronologische  folge  in  den  formen  für  Kriemhild  nicht 
so  pünktlich  wie  in  den  formen  für  Dietrich.  Die  ursprüng- 
liche form  lautete  Grimhild,  wie  sie  nach  dem  noi'den  in  die 
Edda  und  piörekssaga  gelangt  ist.  Wie  sich  aus  Grimhild 
die  oberdeutsche  form  Kricmhdd  entwickelt  hat,  ist  noch  immer 
nicht  aufgeklärt.^)  Die  sage  von  der  räche  der  bürg,  königs- 
tochter an  Attila  kann  natürlich  nur  aus  Deutschland  zu  den 
pflegern  der  ostgut.  heldensage  gelangt  sein,  und  zwar  zweifellos 
durch  sehr  frühe  oberdeutsche,  genauer  bair,  Vermittlung.    Der 


^)  Bei  Turoczi  wird  ey  für  e  zu  lesen  sein,  wie  er  denn  auch  für 
Veszprem  die  form  Wezprein  (cap.  24)  bat.  Bei  Oläh  scheint  sich  deutscher 
einfluss  geltend  gemacht  zu  haben;  vgl.  die  form  Krcimhilt  beiW.  (irimm, 
D.  heldensage»  s.  22G.  313.  479. 

3)  Vgl.  K.  Müllenholf,  Zs.  fda.  12, 299  ff.  R.  Koegel,  Gesch.  der  deutscheu 
lit.  1,  2, 205  f.  und  K.  Bohnenberger,  Kriemhilt,  Beitr.  24,  221  ff. 


DIE   GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.  545 

name  der  königstocliter  wurde  also  in  der  form  Krienihild{t) 
in  die  pannonische  sage  lierübergenommen.  Sollte  aber  diese 
form  für  so  frühe  zeit  nicht  angesetzt  werden  dürfen,  so 
müssen  wir  auch  hier,  wie  bei  Dietrich,  annehmen,  dass  der 
deutsche  taufname  KriemhUd  auch  später  noch  auf  die  namen- 
gebung  in  Ungarn,  also  indirect  auch  auf  den  namen  in  der 
sage  von  einfluss  gewesen.  Wir  müssen,  um  die  formen  in 
den  Chroniken  erklären  zu  können,  unbedingt  die  obd.  form 
Kricmhüd{t)  ansetzen,  was  natürlich  ebensowenig  wie  der 
name  Detrehs  beweisen  kann,  dass  die  ung.  Chroniken  Krem- 
held aus  dem  Nibelungenliede  oder  einer  andern  mittelalter- 
lichen deutschen  dichtung  entlehnt  hätten.  Das  ie  in  Kriem- 
hild  musste,  da  i  tontragend  und  im  ung.  ein  derartiger 
diphthong  nicht  vorhanden  ist,  zu  i  werden,  das  sich  (ebenso 
auch  das  i  in  der  zweiten  silbe)  zu  geschlossenem  e  oder  (damit 
mundartlich  abwechselnd)  zu  ö  entwickeln  konnte.  Dadurch 
entstanden  also  die  formen  Krimhüd  >  KremhiU,  Krimheld, 
Kremheld  und  Krömheld.  Aber  auch  in  diesen  formen  ist  der 
name  der  ung.  zunge  fremd  und  schwierig;  daher  keine  ein- 
heitlichen oder  wenigstens  in  chronologischer  reihenfolge  sich 
abwechselnden  formen  und  ein  widerholter  versuch,  den  namen 
mundgerechter  zu  machen,  z.  b.  Crimiheld,  Crimheled,  Curhund 
{u  =  o). ')  In  ung.  Urkunden  kommt  der  name,  so  weit  ich  sehe, 
nicht  vor  2);  bei  der  Seltenheit  der  frauennamen  kann  aber 
dieser  umstand  nicht  auffallen.  Aus  allen  formen  geht  mit 
entschiedenheit  hervor,  dass  der  name  Kremheld  im  ung. 
volksmunde  lebte,  wenn  vielleicht  auch  nicht  als  taufname,  so 
doch  als  ein  name  der  sage.  3) 


')  Cuminlmld  kann  nur  verschrieben  sein. 

*-*)  Tholt  T.,  Az  Ö-budai  Feheregyhäz  es  Arpäd  sirja.  Archaeologiai 
ertesitö.  Üj  foly.  2,  s.  lxxxii  führt  ein  Crumhelt  ferdeje  (=  Kriemhilds  bad) 
aus  dem  j.  1380  an.  Vgl.  auch  Märki  S.,  Maria  Magyarorszag  kirälyneja 
1370 — 1395,  1885,  s.  158.  Ob  diese  angäbe  als  ein  beleg  für  den  taufnamen 
KriemhUd  oder  gar  als  ein  zeuguis  für  die  Hunnensage  selbst  betrachtet 
werden  dürfe,  lässt  sich  nicht  entscheiden,  um  so  weniger,  da  T.  Tholt  seine 
quelle  nicht  angibt. 

3)  Häufig  bringt  man  das  bei  Ofen  am  fusse  des  Blocksberges  gelegene 
KelenföJd  (urkundlich  Kreynfeld,  Kreenfeldw.a.w.)  mit  dem  namen  A>/e»H- 
hild  in  Zusammenhang.  Vgl.  z.  b.  Podhradczky,  Chron.  Budense  s.  31.  K.  J. 
Schröer,  Germ.  17,  73.    Zwar  würde  diese  deutung  zu  dem  berichte  über  den 


510  BLEYER 

Xqu  Kreiulield  wird  in  der  Jlunneiigescliiclite  gemeldet, 
dass  sie  eine  germ.  königstochter  gewesen,  die  von  Etele 
einen  söhn,  namens  Aldariiis,  hatte;  ausserdem  sei  nacli  ihr 
die  Schlacht  zwisclien  Hunnen  und  (iermaneu  prdium  Cnim- 
hell  bis  auf  die  zeit  der  clironisten  benannt  worden. 

Ueber  Kremhelts  abstammung  wird  sonst  nichts  näheres 
berichtet,  auch  über  die  umstände  nicht,  unter  welchen  ihre 
Vermählung  mit  Etele  stattgefunden  habe.  Wenn  Heinrich 
von  Mügeln  sie  ein  tochter  des  Imnigcs  von  hur(jnnäia  nennt, 
so  ist  dies  gewis  aus  seiner  deutschen  sagenkenutnis  heriiber- 
genommen.  Auch  Oläh  wird  die  bezeichnung  fdia  diicis  Ba- 
uariae  aus  irgend  einer  deutschen  schriftlichen  quelle  entlehnt, 
oder  aber,  da  Kriemhild,  so  weit  bekannt,  sonst  niemals  die 
tochter  eines  bair.  herzogs  genannt  wird,  selbst  erfunden  haben.') 
Es  ist  völlig  unwahrscheinlich,  dass  er  diese  angäbe  aus  der 
ung.  sage  entnommen  hätte. 

Aus  dem  schweigen  der  ung.  Chroniken  folgt  natürlich 
auch  in  diesem  falle  nicht,  dass  die  sage  selbst  nichts  genaueres 
von  Kremheld  gewusst  hätte.  Aus  der  verhängnisvollen  rolle, 
die  die  mutter  Aladärs  im  kämpfe  der  Hunnen  und  Gei-manen 
spielt,  ergibt  sich  mit  entschiedenheit,  dass  die  ung.  Über- 
lieferung über  sie  ausführlich  zu  berichten  gewusst  haben 
müsse.  Dies  zu  erschliessen,  sind  wir  auch  diesmal  auf  einen 
vergleich  mit  der  nord.  und  deutschen  sage  angewiesen.  Die 
zweite  hälfte  der  Xibelungensage  beruht  auf  historischen  Über- 
lieferungen-): im  j.  437,  so  berichtet  Prosper  Aquitanus-*),  illiim 
(d.i.  den  Burgundenkönig  Gundicarius)  Chunnl  cum  popido 
suo  ac  stirpe  deleverunt,  zwar  nicht  unter  der  anführung 
Attilas,  doch  muss  dieser  nicht  nur  in  der  gelehrten  geschichts- 

schauplatz  des  prelium  Crumhelt  stimmen,  si)rachlich  ist  sie  aber  doch  un- 
möglich. E.  Föistemann,  Altd.  namenb.  2',  421  führt  aus  Deutschland  an: 
CreginfeJt,  L'reienfelt,  Creinfelt,  das  mit  dem  ung.  Kclenföld  etymologisch 
identisch  sein  dürfte;  eine  ableitnng  aber  von  ahd.  krüia  —  krä  >»  mhd.  krCt, 
uhd.  krähe,  wie  sie  Förstemann  und  auch  Borovszky  S.,  A  honfoglaläs  tör- 
tenete  1894,  s.  90  angeben,  ist  gewis  unrichtig. 

')  S.  eine  Zusammenstellung  bei  W.Grimm,  D.  heldeusage'  s.  505. 

'^)  Nach  Beer  a.a.O.  ist  sie  nur  mit  historischen  traditionen  verschmolzen; 
ich  halte  es  aber  Boer  gegenüber  für  zweifellos,  dass  in  Kriemhild,  wie  ich 
schon  oben  erw.ähnt  habe,  IJäico  lebt. 

^)  Vgl.  oben  im  vorigen  abschnitte. 


DIE   GEKM,   ELEMENTE   DER   UNG.   HÜNNENSAGE.  547 

Schreibung,  sondern  noch  viel  mehr  in  der  volkstümlichen 
tradition  alsbald  an  die  spitze  der  Hunnen  gestellt  worden 
sein.  Attila  starb  im  j.  453  in  der  brautnacht  mit  Ildico, 
welche  ihn  (so  lautete  das  gerücht  schon  sehr  frühe)  aus  räche 
für  ihre  von  Attila  vernichteten  angehörigen  ermordete  und 
auf  diese  weise  den  Untergang  seiner  söhne  und  seines  reiches 
herbeiführte.  Ildico  trat  alsbald  in  die  westdeutsche  Über- 
lieferung von  der  Vernichtung  der  Burgunden  ein,  wo  sie  zur 
tochter  des  Burgundenkönigs  und  zur  Schwester  der  burgun- 
dischen  königssöhne  gemacht  wurde.  Die  westdeutsche  sage 
lautete  also  auf  der  ersten  stufe  ihrer  entwicklung,  die  noch 
ins  5.  jh.  fallen  muss:  Attila  vernichtete  an  der  spitze  der 
Hunnen  das  burgundische  herscherhaus;  Ildico  >  Kriemhild, 
eine  tochter  des  burgundischen  königs,  die  Attila  zur  gattin 
nahm  (wie  Balamber  die  nichte  Winithars,  was  vielleicht 
irgendwie  als  anknüpfungspunkt  für  Attilas  heirat  dienen 
konnte),  ermordet  den  Hunnenkönig  und  verursacht  dadurch 
das  verderben  seiner  söhne  und  den  verfall  seines  reiches. 
Die  Verbindung  dieser  beiden  ereignisse  zu  einer  sage  konnte 
nicht  mehr  durch  die  Burgunden  selbst  vollzogen  werden,  da 
sie  schon  im  j.  443  ihr  land  am  Rhein  verlassen  hatten  und 
nach  der  landschaft  Sabaudia  (Savoyen)  übergesiedelt  waren. 
Ph.  Wegener')  hat  wahrscheinlich  gemacht,  dass  die  Ver- 
knüpfung (jedesfalls  noch  im  5.  jh.)  bei  den  alem.  nachbarn 
der  Burgunden  vor  sich  gegangen  sei.  Mit  der  eigentlichen 
Nibelungen-  oder  Sigfridssage  ward  die  Überlieferung  von  den 
Burgunden  und  Attila  erst  durch  die  Franken  im  anfange  des 
6.  jh.'s  verbunden,  und  zwar  willkürlich  oder  vielmehr  absicht- 
lich. Die  Franken  wollten  nämlich  (so  führt  Wegener  an- 
sprechend aus)  durch  die  Verknüpfung  der  beiden  sagen  die 
besitz  ergreif  ung  des  alten  Burgundenlandes,  das  sie  den  Ale- 
mannen unter  Chlodovech  im  j.  496-)  in  erbittertem  kämpfe 
endlich  abgerungen  hatten,  rechtlich  begründen.  3)    Kriemhild 


1)  Zur  sage  von  den  Nibelungen,  Greifswalder  progr.  1900 — 1901. 

")  Vgl.  F.  Dahu,  Urgesch.  d.  germ.  und  rom.  Völker  3,  48  f. 

^)  'War  der  fränkische  stanimesheld  Siegfried  mit  der  bürg.  Kriem- 
hild vermählt,  und  war  der  manuesstamm  des  küuigsgeschlechtes  ausgerottet, 
aber  ein  söhn  der  Kriemhild  und  des  Siegfried  vorhanden,  und  von  einem 
solchen  weiss  die  gesammte  Sagenüberlieferung-,  dann  hatte  erbansprüche  an 


5 48  ULEYEK 

wurde  auf  diese  weise  die  gattin  Sigfrids,  und  die  Burgunden 
mit  den  Nibelungen  der  fränk.  sage  identificiert,  was  durch 
das  Elieingold,  das  für  den  Nibelungenliort  galt,  noch  gefördert 
wurde.')  Dadurch  entstand  aber  ein  Widerspruch  in  der  be- 
gründung  der  räche  Kriemhilds  (sie  musste  den  tod  ihres  ersten 
gatten  an  ihren  brüdern.  den  tod  ihrer  briider  an  Attila  rächen), 
der  zu  weitgehenden  Umgestaltungen  führte.  Die  fassung  in 
der  Edda  lautet:  Sigurör  =  Sigfrid.  der  gatte  der  Guöri'in  = 
Kriemhild  wird  von  einem  seiner  schwäger  ermordet;  Guörün 
wird  mit  Atli  vermählt,  der,  um  den  schätz  der  schwäger  zu 
erwerben,  diese  vernichtet;  Guörün  ermordet  nun  aus  räche  Atli 
und  ihre  söhne  von  Atli.  In  der  Edda  hat  schon  eine  doppelte 
Verschiebung  stattgefunden:  der  Schauplatz  des  kami)fes  zwi- 
schen Hunnen  und  Nibelungen  ward  (vielleicht  unter  dem  ein- 
flusse  der  fränk.  Volsungasaga^))  in  die  bürg  Atlis  verlegt, 
wohin  die  Nibelungen  von  Atli  eingeladen  worden  waren; 
ausserdem  musste  Guörün  von  ihrer  mutter  ein  vergessenheits- 
trank  gegeben  werden,  dass  sie  die  erinnerung  an  den  tod 
ihres   ersten   gatten,   des  glänzendsten  germanischen  beiden. 


das  biirg.  land  allein  der  köuigliche  stamm,  dem  Siegfried  nach  der  ge- 
schichte  oder  sage  angehörte,  d.  h.  die  Franken.  Einen  solchen  rechtstitel 
des  fränk.  königshaiises  in  dem  streite  der  Alemannen  um  den  besitz  des 
AVormser  gebietes  zu  construieren  und  in  fränk.  liederu  vortragen  zu  lassen, 
wird  bei  der  germ.  anschauung  über  die  heiligkeit  und  Unverletzbarkeit 
des  landbesitzes  entschieden  als  höchst  wünschenswert  für  die  Frankenköuige 
erschienen  sein ' :  Ph.  AVegener  a.  a.  o.  s.  24  f. 

')  Vgl.  Fr.  Vogt,  Zs.  fdph.  25,  411  ff. 

■'')  Die  einwirkung  der  Volsungasaga  auf  die  Nibelungensage  bestreitet 
R.  C.  Boer,  Zs.  fda.  47, 125  Ö'.,  der  annimmt,  dass  auch  schon  ursprünglich 
eine  fortsetzung  der  Sigfrid.'^sage  existiert  habe,  die  auf  grund  gewisser 
anknüpfnngspunkte  mit  der  historischen  Burgundensage  cuutaniiniort  worden 
sei ;  eine  alte  Variante  dieser  vorauszusetzenden  fortsetzung  der  Sigfridssage 
sei  in  dem  Finnsburgfragment  erhalten.  Es  ist  klar,  dass  die  ausführungen 
Boers,  auch  wenn  sie  stichhaltig  sind,  an  den  ergebnissen,  zu  welchen  ich 
durch  die  Untersuchung  der  ung.  Hunnensage  gelange,  nichts  ändern  können. 
Von  unserem  gesichtspunkte  ist  es  schliesslich  gleichgiltig,  ob  die  Umgestal- 
tungen an  der  historischen  Burgundensage  durch  die  consequenzen  der  uns 
tatsächlich  erhaltenen  Nibelungeusage,  oder  aber  infolge  einer  cuutainination 
mit  einer  vorausgesetzten  fortsetzung  der  Sigfridssage  veranlasst  wurden. 
Namentlich  die  Verlegung  der  Burgundenschlacht  nach  Fannonien  an  den 
hof  Attilas  kann  gewis  nicht  ursprünglich  sein,  mag  sie  nun  wie  immer 
erklärt  werden. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.      549 

verliere  und  ihn  nicht  rächen  wolle.  In  der  deutschen  fassung 
der  Nibelung-ensage  ist  der  Schauplatz  des  kampfes  ebenfalls 
in  die  bürg  Etzels  verlegt;  die  Vernichtung  der  burgundischen 
königssühne  aber  wird  von  Kriemhild  vollführt,  die  an  ihren 
brüdern  den  tod  ihres  ersten  gatten  rächt.  Etzel  ist  somit 
aller  schuld  enthoben,  der  tod  seiner  schwäger  kann  an  ihm 
nicht  gerächt  werden,  da  er  ihn  nicht  verursacht,  demzufolge 
muss  er  in  ganz  folgerechter  weise  die  grosse  katastrophe 
überleben. 

Dass  die  sage  von  Kriemhild,  wie  ich  schon  erwähnte,  von 
Deutschland  her  nach  Pannonien  verpflanzt  wurde,  braucht 
gewis  nicht  erst  bewiesen  zu  werden.  Der  name  Kriemhild 
allein  verbürgt  dies  schon  mit  voller  gewisheit.  Es  fragt  sich 
nur,  in  was  für  einer  fassung  sie  aus  Deutschland  nach  dem 
heutigen  Ungarn  gelangte.  Ich  glaube  in  einer  form,  welche 
die  historische  Burgundensage  hatte,  als  sie  mit  der  sage  von 
den  Nibelungen  noch  nicht  verknüpft  war,  also  noch  vor  dem 
ende  des  5.  jh.'s.  Einen  directen  beweis  gibt  es  zwar  für  diese 
annähme  nicht,  aber  eine  solche  fassung  passt  ganz  ungezwungen 
in  das  gefüge  der  uug.  Hunnensage  hinein.  Ich  schliesse  mich 
also  in  dieser  hinsieht  den  ausführungen  Wegeners  über  die 
entwicklung  der  Nibelungensage  an.  ^)    Doch  will  ich  betonen. 


^)  Boer  gelangt  in  seinen  neuesten  uutersucliungen  über  den  iirsprung 
und  die  entwicklung  der  Kibelungensage,  wie  ich  bereits  angeführt  habe, 
in  der  Zs.  fdph.  37,  289  if.  und  438  ff.  38,  39  ff',  zu  resultaten,  die  Wegeners 
auffassung  von  der  ausgestaltung  der  Nibelungensage,  dem  ich  mich  bei 
meinen  erörterungen  auschliesse,  vielfach  widersprechen.  Meine  arbeit  war 
schon  abgeschlossen  und  der  redaction  der  Beitr.  eingeschickt,  als  Boers 
Untersuchungen  zu  erscheinen  begannen.  Sie  konnten  eben  deshalb  nicht 
mehr  in  dem  masse  berücksichtigt  werden,  Avie  es  mir  lieb  gewesen  wäre. 
Ich  v.'ill  nicht  bestreiten,  dass  Boer  in  seinen  scharfsinnigen  ausführungen 
teilweise  zu  wichtigen  und  bedeutenden  resultaten  gelangt  ist,  aber  trotz- 
dem fühle  ich  mich  nicht  veranlasst,  au  dem  wesen  meiner  auffassung,  so 
weit  sie  für  die  ung.  Hunnensage  von  principieller  bedeutung  ist,  etwas 
zu  ändern.  Im  wichtigsten  punkte  (wenn  ich  Boer  richtig  verstehe,  da  er 
in  seinen  neuesten  Untersuchungen  darauf  nicht  näher  eingeht),  nämlich 
darin,  dass  eine  historische  Burgundensage  existiert  hat  und  dass  diese  mit 
der  abgeschlossenen  Nibelungensage  verknüpft  oder  contaminiert  worden 
ist,  besteht  zwischen  ihm  und  mir  kein  Widerspruch.  Also  wenn  auch 
Wegeners  auffassung  sich  nicht  behaupten  könnte,  änderte  dies,  wenigstens 
im  wesentlichen,  nichts  au  den  resultaten,  zu  denen  ich  bezüglich  des  ver- 


550  IlMiYlCU 

(lass  auch  eine  fassung,  in  welclier  die  Biirgundensage  mit  der 
Nibelungensage  schon  verknüpft  war,  bei  der  erklärung  der 
ungarischen  Hunnensage  keine  bedeutenden  Schwierigkeiten 
machen  würde. 

Ich  nehme  also  folgende  urform  der  Burgundensage  als  die 
nach  Ungarn  vermittelte  an:  Attila  hatte  das  bürg,  königs- 
geschlecht  vernichtet  und  zwar  (von  einer  einladung  an  den 
hof  Attilas  wird  die  tradition  kaum  etwas  gewusst  haben) 
auf  bürg,  gebiete  am  Khein;  nachher  vermählte  er  sicli  mit 
einem  mädchen  oder  einer  witwe  aus  diesem  geschlecht,  die 
an  ihm  den  tod  ihrer  angehörigen  und  die  Vernichtung  ihres 
Volkes  rächte.  Diese  sage  wurde,  als  sie  nach  Pannonien  ge- 
kommen war,  mit  der  reichen  Überlieferung  der  Ostgoten  von 
Attila  und  den  Hunnen  zu  einem  ganzen  verschmolzen.  Natür- 
lich musste  durch  diese  Verknüpfung  die  pannonische  tradition 
wenigstens  teilweise  eine  Umgestaltung  erfahren,  und  Kriemhild 
Avurde  nicht  nur  die  mörderin  Attilas,  sondern  auch  der  eigent- 
lich treibende  geist  in  der  empörung  der  Germanenstämme  gegen 
die  Hunnenherschaft  und  die  söhne  Attilas.  Die  ursprüngliche 
pannonische  Überlieferung  wich  von  der  geschichte  gewis  nur 
in  sehr  geringem  masse  ab,  vielleicht  nur  darin,  dass  Hdico 
im  Volksglauben  schon  zur  mörderin  Attilas  geworden  war. 
Nach  der  contaminierung  mit  der  Burgundensage  und  als 
Detreh  (darüber  unten)  schon  in  die  sage  eingetreten  war, 
muss  die  neue  fassung  gelautet  haben:  den  rachedurst  Kriem- 
hilds  löscht  der  tod  Attilas  nicht;  wie  er  das  ihrige,  will  auch 
sie  sein  geschlecht  und  sein  ganzes  volk,  cum  populo  siio  ac 
stirpe,  der  Vernichtung  weihen;  der  Gepidenkönig  Ardarich, 
Attilas  liebling,  wurde  in  der  sage  zu  Kriemhilds  söhne,  den 
sie  gegen  seinen  bruder  und  das  volk  der  Hunnen  aufhetzt, 
so  dass  ein  furchtbarer  kami)f  entsteht,  in  welchem  das 
Hunnenreich,  nachdem  sich  Kriemhild  mit  den  unterworfenen 
Germanen  (für  ihren  Stammeshelden  galt  alsbald  Detreh)  ver- 
bündet hatte,  untergeht.  Die  bezeichnung  des  kampfes  als 
prelium  Crumhelt  ist,   sobald  ein  solcher  Inhalt  aus  dem  dürf- 


hältnisses  der  mig.  sage  zur  deut.schen  nicht  Juicli  theoretische  combination, 
soudern  aus  dem  tatsächliclieu  material  der  ung.  lluuueusage  gehxngt  bin. 
G.  Matthaeis  andersgeartete  ausfiihnmgen  (progr.,  Gr.-Lichterfelde,  1905) 
konnten,  soweit  sie  für  uns  in  betracLt  kommen,  mich  nicht  überzeugen. 


DIE  GERM.  ELEMENrE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.      551 

tigen  berichte  der  Himnenchronik  reconstruiert  wird,  wol  be- 
gründet lind  die  benennung  wahrlich  bedeutungsvoll. 

Die  gewaltige  rachetat  Kremhelds  war  nach  der  anschauung 
des  germ.  heldenzeitalters  keine  schuld,  die  neue  räche  herauf- 
beschworen hätte.  Kremheld  ist  in  der  ung.  sage  ebenso  un- 
schuldig wie  in  der  nordischen;  es  ist  daher  unwahrscheinlich, 
dass  die  pannonische  tradition  A^on  einem  tode  Kremhelds 
während  oder  nach  der  Vollendung  ihres  rachewerkes  etwas 
gewusst  hätte. ')  Yon  hunnisch-ung.  Standpunkte  ist  sie  natür- 
lich schuldig,  ebenso  wie  Detreh,  dem  eine  schuld  ausdrücklich 
vorgeworfen  wird.  Eine  Umgestaltung  der  sage  führte  aber 
diese  auffassung  bei  den  Ungarn  schwerlich  herbei.  Kremheld 
scheint  überhaupt  in  der  ung.  tradition  immer  mehr  in  den 
hintergrund  getreten  zu  sein,  und  Turoczi  und  Oläh  scheinen  von 
ihr  nur  noch  ganz  wenig  gewusst  zu  haben:  sie  erwähnen  sie 
zwar  noch  als  die  mutter  Aladärs  (ihr  name  ist  aber  in  auf- 
fallender weise  verschrieben),  die  bezeichnung  prelium  Crum- 
helt  kommt  jedoch  in  ihrer  darstellung  nicht  mehr  vor.  Die 
ung.  sage  verlegte  sich  immer  mehr  und  mehr  auf  die  aus- 
gestaltung  der  Csaba-episode,  die  infolge  der  ideutiticierung 
der  Hunnen  mit  den  Ungarn  von  nationalem  Standpunkte  der 
allerwichtigste  teil  der  sage  war. 

Es  braucht  nicht  erst  hervorgehoben  zu  werden,  dass  die 
angäbe  Istud  enim  est  prelium,  qiiod  Huni  (in  andern  Chro- 
niken Himgari)  usquc  adJmc  (oder  usque  in  dieni  istum)  no- 
minantes  vocauerunt  (oder  vocant),  neuerdings  ausdrücklich  ein 
leben  der  sage  im  ung.  volksmunde  bis  zur  zeit  der  einzelnen 
Chronisten  beweist,  was  aus  dem  Inhalte  der  sage  ohnedies 


^)  Die  geschichte  weiss  nichts  von  dem  Schicksale  Ildicos  nach  dem 
tode  Attilas.  Die  historische  Burgundensage  konnte  die  rächerin  des  hur- 
gnndischen  geschlechtes  (wenn  sie  auch  die  räche  am  eigenen  galten  aus- 
übte) ursprünglich  kaum  mit  dem  tode  strafen.  Es  ist  daher  sehr  fraglich, 
ob  die  Nibelungensage  in  einer  älteren  fassung,  als  sie  in  der  Edda  erhalten 
ist,  Kriemhild  (wie  Signy)  ihrem  gatten  in  den  tod  folgen  Hess,  und  wenn 
doch ,  ob  dies  nicht  erst  in  einer  secundären  Weiterbildung,  dem  geiste  der 
germ.  Weltanschauung  gemäss,  etwa  unter  dem  eiuflusse  der  Volsungasaga, 
geschehen  ist.  In  der  Edda  (GuÖrünarhvnt)  will  sich  Guörün  zwar  nach 
dem  tode  Atlis  ertränken,  tatsächlich  aber  kommt  sie  lebendig  in  dem  lande 
könig  Jönakrs  an;  allerdings  lässt  sie  sich  nach  der  dritten  ehe  auf  dem 
Scheiterhaufen  verbrennen. 


552  BLEYER 

Diit  grösster  sicherlieit  hervorgellt.  Wie  sehr  die  Vorstellung 
von  dem  inclium  Crumhelt  im  volksbewusstsein  lebendig  war, 
zeigt  auch  eine  stelle  in  der  rngarngeschichte  Kezais  (lib.  2, 
cap.  1, 19)  ganz  deutlich,  wo  von  AVerbulchu.  einem  der  sieben 
ung.  hauptleute,  die  unter  der  anfiihrung  Arpads  Ungarn  er- 
oberten, gemeldet  wird:  Fro  co  cnim  Werhulchu  est  vocatus, 
quia  cum  auus  ckis  in  iirelio  Crwiiläino  per  Teutonicos  fuisset 
intcrfcdus,  et  id  ei  iiro  certo  constitisset,  volcns  recipere  vin- 
dictam  super  cos,  plurcs  Germanicos  assari  fecit  super  vcru,  et 
tanta  crndclitatc  in  cos  dicitur  exarsisse,  quod  quorundam  quo- 
que  sanguincm  hihit  sicut  vimi^n.^) 

Ich  will  nur  noch  kurz  auf  die  ausführungen  Matthaeis^) 
eingehen,  der  in  der  ung,  sage  auch  bezüglich  Kremhelds  bair. 
Überlieferung  sieht.  Er  stützt  sich  auf  eine  stelle  bei  W.  La- 
ziuS'^),  wo  es  heisst:  Cuins  (d.i.  Ärdarici)  ßiam  Chrymlicldcm, 
Attilae  desponsatam,  ipsumque  adco  Ilunnum  in  eins  nuptiis 
snffocatum  fuisse,  gentilicii  Hungarorum  annales  refenmt:  et 
proptcr  quam  ÄtJiila  cxtincto,  Gotlios  Gepcdasque  cum  Hunnis 
Aihilaeque  filiis  cruentum  Ijcllum  gessisse,  vidgarcs  cmn  canfi- 
lenae  nostrae  gentis,  tum  vero  rythmi  Uli  dcmonstrcmt,  in  antiquo 
codice  Athilae  historiam  continente,  a  me  reperti  (es  folgen  die 
verse  Nib.  A  1894,  1—1900,1:  Ortliebs  ermordung)  et  quae 
sequntur  de  illo  cruento  proelio  filiorum  Athilae  cum  Gepedarum 
ac  Gotliorum  irrincipihus  propter  Chrymiliildcm  Ärdarici  Gepi- 
darum  regis,  filiam  Athilae  sponsam,  cxcitato  in  ipsis  nuptiis, 
in  quibus  et  suffocatus  ex  ira  interiit  Athila.  Aus  dieser  stelle 
ergibt  sich  nach  Matthaei:  '1)  Lazius  kannte  eine  volkstüm- 
liche ung.  epische  tradition,  welche  von  der  bei  Keza  vor- 
liegenden sage  darin  abweicht,  dass  Kriemhild  nicht  als 
mutter,  sondern  als  tochter  Ardarichs  gilt  und  der  ausbruch 
des  kämpf  es  in  die  hochzeitsfeier  verlegt  ist,   wobei  Attila 


')  Wir  haben  hier  eine  Volksetymologie,  die  auf  das  sagenhafte  ^rc//»»» 
Crumhelt  zurückgeht  und  den  uamen  WcrJndchn  in  echt  volkstümlicher 
weise  aus  dem  bluttrinkeu  {ccr  'blut')  erklären  will.  Die  deutuug  super 
veru  ist  natürlich  gelehrt  und  unsinnig. 

*)  A.a.O.  s. 21ff.  —  Die  behauptung  Karäcsonyis  (a. a. o.  s.  19),  das 
prclium  Crumhelt  sei  Aveiter  nichts  als  das  furchtbare  genietzel  in  Kelen- 
föld  im  j.  lOiG,  das  mit  dem  tode  des  h.  Uerhard  endete,  braucht  nach  den 
bisherigen  ausführungen  wol  nicht  erst  widerlogt  zu  werden. 

*)  De  gentium  alit^uot  migratiouibus,  Francf.  1600,  s.  603. 


DIE  GERM,  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.      553 

durch  einen  zornausbrucli  erstickt,  so  dass  also  Kriemhild  zu- 
gleich in  die  rolle  der  Micolt  eingetreten  ist;  2)  er  kannte 
österreichische  Volkslieder,  welche  ebenfalls  davon  meldeten, 
dass  Kriemhild,  die  tochter  Ardarichs,  jenen  grossen  krieg 
anstiftete  oder  doch  verursachte,  der  schon  in  den  nuptiae 
begann,  in  welchem  nach  Attilas  tode  Goten  (Dietrich)  und 
Gepiden  (Ardarich)  das  hunnische  joch  abschüttelten);  3)  er 
hielt  die  ermordung  Ortliebs  für  eine  kampfesscene  aus  diesem 
prelium  Crimildinum. ' 

Es  ist  hier  nicht  der  ort  (in  bezug  auf  die  heldensage 
würde  es  sich  auch  sonst  nicht  lohnen),  das  ganze  bunte  gewirr 
von  geschichte,  sage  und  willkürlicher  combination,  das  Lazius 
an  dieser  stelle  bietet,  klarzulegen.  Ich  will  deshalb  nur  auf 
einen  punkt  hinweisen,  der  schon  allein  eine  sagengeschicht- 
liche Verwertung  dieser  stelle  auf  das  entschiedenste  verbietet. 
Es  ist  von  vornherein  ganz  unwahrscheinlich,  dass  Lazius  in 
der  zweiten  hälfte  des  16.  jh.'s  aus  der  lebendigen  ung.  volks- 
sage  hätte  schöpfen  können.  Er  beruft  sich  auch  tatsächlich 
nicht  auf  mündliche  Überlieferung,  sondern  auf  'volkstümliche 
ungarische  annalen',  nach  welchen  Kriemhild  eine  tochter  Ar- 
darichs gewesen  und  Attila  in  der  brautnacht  in  seinem  blute 
erstickt  sei.  Letzteres  kann  Lazius  allerdings  aus  den  ung. 
Chroniken  entnommen  haben,  aber  dafür,  dass  Kriemhild  Ar- 
darichs tochter  gewesen  sei,  hätte  er  unmöglich  eine  einzige 
ung.  Chronik  anführen  können.  Davon  findet  sich  in  den  er- 
haltenen ung.  Chroniken  keine  spur,  und  dies  beweist  bei  der 
beträchtlichen  anzahl  derselben  entschieden,  dass  eine  solche 
ung.  Chronik,  in  welcher  diese  angäbe  enthalten  gewesen  wäre, 
auch  niemals  existiert  haben  kann.  Am.  Thierry  gibt  (a.  a.  o. 
1^,  246  und  272)  gibt  an,  dass  Attila  tatsächlich  eine  Schwester 
Ardarichs  geheiratet  habe,  von  der  ihm  ein  söhn  namens 
Fito/joc  geboren  worden  sei.  Es  steht  ausser  zweifei,  dass 
Lazius  seinen  bericht  aus  einer  ähnlichen  quelle  geschöpft 
haben  muss'),  deren  darstellung  er  dann  mit  der  erzählung 

')  Es  ist  übrigens  möglich,  dass  Lazius  (auch  Thierry?)  diese  angäbe 
selbst  erdichtet  hat.  Er  verlegt  nämlich  die  ganze  katastrophe  unmittelbar 
hinter  die  brautnacht,  also  konnte  von  ihm  Kremheld  nicht  als  die  mutter 
Aladärs,  sondern  wol  nur  als  seine  tochter  aufgefasst  werden.  Oder  sollte 
L.  überhaupt  nicht  bemerkt  haben,  dass  Ardarich  und  Aladär  identisch  sind? 


554  BLEYER 

der  ung.  clironiken  ooiitaininierte,  um  gescliichte  und  sage 
einander  nillier  zu  bringen.  Ist  dies  streben  doch  bei  den 
liunianistisclien  gescliielitssclireibern  tyi)iscli.  Bei  Lazius  tritt 
es  auch  in  seinem  weiteren  bericlite  ganz  deutlich  liervor,  und 
es  liegt  auf  der  band,  dass  er  die  vulgares  cantilenae  nostrae 
geniis  auf  dieselbe  weise  verwertet  und  umgedeutet  hat,  wie 
die  gentilicü  Hungaronnn  annales.  7a\  einer  solchen  contami- 
nierung  wurde  er  durch  die  freilich  nur  teilweise  richtige 
entdeckung  verleitet,  dass  der  kämpf  der  Burgunden  und 
Hunnen  im  Nibelungenliede  mit  dem  untergange  der  Hunnen- 
macht in  der  geschichte  identisch  sei. 

Matthaei  knüpft  an  diese  stelle  des  Lazius  und  an  die 
erzählung  der  ung.  Chroniken  von  j\ricolt')  Aveitgehende  Schlüsse 
für  die  ganze  entwicklungsgeschichte  der  deutschen  helden- 
sage.  Da  aber  die  stelle  bei  Lazius,  wie  auch  der  bericht  über 
Micolt  für  die  sage  wertlos  sind,  müssen  alle  folgerungen  Mat- 
thaeis,  Avie  scharfsinnig  sie  auch  sein  mögen,  als  ganz  und  gar 
hinfällig  betrachtet  werden.  Aus  der  darstellung  der  ung. 
Chroniken  folgt  in  bezug  auf  Kremheld  mit  entschiedenheit 
nur  so  viel,  dass  die  pannonische  Hunnensage  mit  der  histo- 
rischen Burgundensage  verknüpft  worden  war.  Daraus  ergibt 
sich  weiterhin  mit  grüsster  Wahrscheinlichkeit,  dass  die  ung. 
sage  von  Kremhelds  burgundischer  abstammung  und  von  der 
Vernichtung  ihres  geschlechtes  durch  Attila   (jedesfalls   nach 


Dass  dies  möglich,  zeigt  die  uug.  forsclniiig,  wo  diese  identität  erst  ziem- 
lich spät  wahrgenommen  wurde. 

*)  Matthaei  zieht  auch  noch  einige  andere  quellen  heran,  die  aher 
ebenfalls  völlig  belanglos  sind.  So  ist  der  bericht  Aveutins  a.a.O.  4,  2,  llGü: 
Der  Gej)itze7i  künifi  Ilardreich  tras  der  erst  im  harnesch,  der  griff'  die 
Ilawien  mit  teerender  hant  an,  erscldueg  im  streit  den  eltisten  sun  kitnig 
Atzeis,  mit  namen  Hellach,  erscldueg  mit  sumht  im  dreissig  tausend  Hannen 
(vgl.  auch  2,  329),  zweifellos  direct  oder  indirect  aus  Jordanes  entnommen. 
"Weiterhin  ist  die  ganze  erzählung  L.  Suntlioims  (W.  Grimm.  P.  heldensage^ 
s.  479)  von  Etzelburg,  Tättu  oder  Tehen,  und  von  ilem  grossen,  blutigen 
streit  heschehen  zwischen  künig  Etzels  sünen  ganz  bestimmt  aus  ung.  quelle, 
namentlich  aus  Turoczi  herübergenommen.  "Wenn  aber  die  Kaiserchronik 
(her.  von  Massmann  3,  95fi,  anni.  3)  und  M.  Beheim  (W.  Grimm,  T>.  liclden- 
sage'  s.  322)  von  einer  höchzit  Kricmhilds  mit  Etzel  melden,  zu  welclier 
ihre  brüder  eingeladen  und  dann  erschlagen  worden  seien,  so  ist  es  klar, 
dass  hier  unter  dem  einllusse  ihrer  geschichtlichen  kenntuisse  das  höchzit 
der  sage  ('hohes  fest')  fälschlicli  auf  nujjliac  gedeutet  wurde. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG.   HUNNENSAGE.  555 

Biirguiiden  gedacht)  kenntnis  hatte,  und  dass  sie  Etele  durch 
die  hand  Kremhelds  umkommen  und  dessen  reich  durch  Krem- 
held dem  verderben  entgegenführen  Hess. 

Wenn  wir  nun  Kremheld  aus  der  ung.  sage  ausscheiden, 
in  welche  sie  ursprünglich  nicht  gehörte,  so  erhalten  wir  eine 
fassung,  in  welcher  die  historische  Überlieferung  vom  unter- 
gange des  hunnischen  reiches  mit  grösster  treue  bewahrt  ist, 
mit  einer  treue,  die  wider  nur  durch  die  localisierung  der  sage 
in  Pannonien  und  durch  das  milieu  des  historischen  lebens  da- 
selbst erklärlich  wird,  lieber  das  welthistorische  ereignis  hat 
Jordanes  (Get.  cap.  50)  folgenden  bericht:  nach  dem  tode  Attilas 
brach  unter  seinen  zahlreichen  söhnen  ein  streit  um  das  grosse 
erbe  aus.  Es  ward  von  ihnen  eine  gieichmässige  Verteilung 
der  unterworfenen  Völker  gefordert,  so  dass  die  kriegerischen 
könige  mit  ihren  Völkern  wie  sclaven  verlost  worden  wären. 
Darüber  entrüstet  erhob  sich  als  erster  der  Gepidenkönig  Ar- 
darich  gegen  die  söhne  Attilas,  dem  alsbald  die  übrigen  Völker 
folgten.  Es  entspann  sich  eine  blutige  Schlacht  an  dem  flusse 
Nedao,  in  welcher  Ardarich  und  seine  anhänger  den  sieg  er- 
hielten, nachdem  von  den  Hunnen  und  andern  Völkern,  die 
neben  diesen  partei  genommen  hatten,  dreissig  tausend  getötet 
worden  waren.  Unter  den  gefallenen  befand  sich  auch  Ellac, 
Attilas  ältester  söhn,  den  dieser  vor  allen  seinen  söhnen  lieb 
hatte.  Nach  dieser  niederlage  flohen  die  übrigen  söhne  Attilas 
an  die  küste  des  Pontischen  meeres,  wo  vorher  die  Goten  ge- 
sessen hatten.  Ein  jüngerer  söhn  Attilas,  namens  Hernac, 
wählte  sich  als  Wohnsitze  für  die  seinigen  die  äussersten  teile 
von  Kleinscythien.  Ädeo  discidium,  fügt  Jordanes  hinzu,  per- 
niciosa res  est,  ut  divisi  corruerent,  qui  adiinatis  viribus  terri- 
tahant.  Hierauf  nahmen  die  Gepiden  das  bisherige  gebiet  der 
Hunnen  für  sich  in  anspruch,  die  Ostgoteu  aber  erhielten  von 
Rom  Pannonien.  Doch  die  söhne  Attilas  (so  berichtet  Jordanes, 
Getica  cap.  52  f.  weiter)  konnten  sich  in  die  neue  läge  nicht 
fügen  und  griffen  Walamer,  den  könig  der  Ostgoten,  an,  wurden 
aber  von  diesem  geschlagen,  so  dass  sie  nur  mit  einem  kleinen 
reste  ihres  volkes  nach  Scythien  an  den  fluss  Danaber  (Dnjepr) 
entkamen,  welchen  linyua  sua  Hiinni  Var  apellant.  Den 
letzten  angriff  auf  die  Goten  machte  der  Hunnenkönig  Din- 


556  BLEYER 

tzici),  ein  söhn  Attilas,  indem  er  gegen  Basiana  in  Pannonien 
vordrang;  die  Goten  schlugen  ihn  aber  so  sclmiählich  aus  dem 
lande,  dass  von  dieser  zeit  an  die  Hunnen,  die  der  Vernichtung 
entgangen  waren,  sich  vor  den  waften  der  Goten  fürchteten. 

In  dem  berichte  über  die  Schlacht  zeigt  die  Hunnen- 
geschiclite  wider  ein  paar  reminiscenzen  aus  Jordanes  (diesmal 
nur  in  stilistischer  hinsieht),  die  aber  auch  hier  gewis  nicht 
aus  unmittelbarer  benutzung  der  Gotengeschichte  des  Jordanes 
stammen.  So  heisst  es  bei  Jordanes:  Divkluntur  regna  cum 
j)Oimlis,  ßimtque  ex  uno  corpore  memhra  divcrsa,  und  in  der 
Hunnengeschichte:  in  partes  diuersas  Hunorum  communitas  est 
dktisa.  Auch  folgende  stelle  scheint  durch  die  bekannte  Schil- 
derung der  catalaunischen  schlacht  bei  Jordanes  2)  beeinflusst 
zu  sein:  In  quo  quidam  prelio  tantus  sanguis  Germanicus  est 
effusus,  quod  si  Teutonici  oh  dedecus  non  celarent,  et  vellent 
pure  reserare,  per  plurcs  dies  in  Danuhio  aqua  hihi  non  poterat, 
nee  per  homines,  nee  per  pecus,  quoniam  de  Sicumhria  usquc 
urhem  Potcntie  sanguine  inundavit.  Ist  hier  die  ähnlichkeit 
in  der  Schilderung  nicht  zufällig,  so  kann  sie  nur  auf  gelehrter 
anlehnung  beruhen:  eine  einwirkung  der  catalaunischen  schlacht 
auf  die  ung.  sage  ist,  wie  ich  schon  widerholt  hervorgehoben 
habe,  ganz  ausgeschlossen.  Eine  andere  miiglichkeit  ist  aber 
gewis  vorhanden,  nämlich  die,  dass  die  Schilderung  in  der 
Hunnengeschichte  aus  der  sage  von  der  schlacht  am  flusse 
Nedao  selbst  stammt;  und  so  wäre  es  nicht  unmöglich,  dass 
die  Schilderung  des  kämpf  es  zwischen  den  Hunnen  und  Bur- 
gunden  im  Nibelungenliede  (str.2087.  21 U.  2117),  worauf  Petz ») 
hinweist,  ebenfalls  aus  der  sagenhaften  erinnerung  an  diese 
schlacht  herrührt.  Aus  der  ersten  hälfte  der  angeführten 
stelle  spricht  eine  scharfe  antideutsche  tendenz.  Diese  musste 
sich,  nachdem  Hunnen  und  I^ngarn  identificiert  waren,  aus 


1)  Bei  Priscus,  Corp.  scr.  Byz.  s.  IGl  f.  heisst  dieser  söhn  Attilas  . kyyt'Cix. 

*)  Diese  selbst  ist  in  dem  berichte  der  Hunnengeschichte  über  die  cata- 
launische  schlacht,  wie  schon  oben  erwähnt,  fast  wörtlich  widerholt,  nnd  so 
kann  sie  den  Chronisten  an  dieser  stelle  ganz  unwillkürlich  und  unbewusst 
beeintiusst  haben. 

3)  A.a.O.  s.  77.  Freilich  wird  auch  hier  allgemein  eine  einwirkung 
der  catalaunischen  schlacht  angenommen.  Vgl.  K.  Heinzel,  WSB.  114,  518 
und  10!»,  G73. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.      557 

der  g-anzeii  anläge  der  sage  ergebeu,  wo  es  sich  in  erster  reihe 
nm  einen  kämpf  des  Hnnnentums  und  Germanentums  handelt. 
In  der  prägnanten  fassung  aber,  wie  sie  uns  hier  entgegen- 
tritt, wird  sie  kaum  aus  der  sage  geschöpft  sein,  sondern  von 
dem  Chronisten  selljst  herrühren;  sie  enthält  überhaupt  einen 
Widerspruch,  denn  da  die  Hunnen  besiegt  wurden,  müssen 
logischer  weise  sie  das  meiste  blut  vergossen  haben. 

Nach  der  darstellung  der  Hunnengeschichte  fanden  zwei 
schlachten  statt:  in  der  ersten  wird  Aladär  besiegt,  in  der 
zweiten  aber  wurden  die  Hunnen  vernichtet.  Diese  aus- 
schmückung  des  historischen  ereignisses  stammt  zweifellos  aus 
der  sage,  die  einen  kämpf  mit  wechselndem  glücke  (so  geeignet 
zur  hervorrufung  einer  Spannung)  liebt.  Jordanes  weiss  von 
nichts  dergleichen.  Der  Schauplatz  der  Schlacht  ist  der  ganzen 
localisierung  der  sage  gemäss  nach  Ofen  verlegt;  Potentia  = 
Potentiana  gehört  auch  hier  entschieden  nicht  in  die  echte 
Überlieferung.  Nach  Jordanes  findet  die  Schlacht  an  dem 
flusse  Nedao  statt;  dieser  name  kommt  sonst  nirgends  vor, 
und  trotz  der  vielen  Vermutungen,  die  schon  ausgesprochen 
wurden,  weiss  man  ihn  auch  jetzt  noch  nicht  zu  deuten,  i) 

In  der  Hunneuchronik  ist  neben  Kremheld  der  eigentliche 
anstifter  des  bruderkrieges  Detreh.  Er  ist  Etele,  so  lange 
dieser  lebt,  treu  ergeben,  nach  seinem  tode  aber  (und  dieser 
zug  beruht  wider  auf  genauer  historischer  Überlieferung  von 
dem  verhalten  Ardarichs,  Walamers  und  seiner  brüder)  fühlt 
er  sich  seiner  vasallen treue  enthoben  und  ist  entschlossen,  die 
einheit  der  Hunnenmacht  aufzulösen  und  sein  volk  von  der 
knechtschaft  zu  befreien.  Es  war  zu  erwarten  (so  berichtet 
die  Hunnenchronik  auf  die  sage  gestützt),  dass  nach  dem  tode 
Eteles  einer  seiner  söhne  die  obermacht  antreten  werde.  Aber 
durch  die  astutia  Detrehs  und  der  übrigen  deutschen  fürsten 
wurden  die  Völker  in  zwei  parteien  geteilt:  der  besonnenere 
teil  der  Hunnen  hielt  zu  Csaba,  ein  kleiner  rest  von  ihnen 
und  die  übrigen  fremden  nationen  schlössen  sich  Aladär, 
dem  söhne  der  germanischen  Kremheld,  an.  Eine  Zeitlang 
herschten  Csaba  und  Aladär  neben  einander,  doch  entstand 


1)  Auch  der  neueste  versuch  Veghs  (Szazadok,  Jahrg.  1905,  s.  911  ff.) 
ist  sprachhistorisch  ein  unmöglicher. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche,    XXXI.  37 


558  «LEYER 

zwisclioii  ihnen  alsbald,  durcli  die  asi)(tia  Detrehs  angefacht, 
ein  lieisser  kämpf,  in  "wek-lieni  Csaba^)^?-  iraditamcnimn  Detrelis 
vollkommen  besiegt  wurde.  Detreli  tritt  aucli  hier  als  der 
repräsentant  des  (4ermanentums,  besonders  aber  des  Goten- 
tums,  auf.  In  dem  prclium  CrcmhcU  sind  all  die  kämpfe  der 
g-erm.  fürsten  gegen  die  sühne  Attilas  sagengemäss  zusammen- 
geflossen, und  Detreh  ist  an  die  stelle  der  Gotenfürsten  Wa- 
lamer,  AVidemer,  Theodemer  und  des  Gepidenfürsten  Ardarich 
zugleich  getreten.  Schon  in  den  Gesta  Theodorici  (MG.,  Scr. 
rer.  Mer.  2,202;  vgl.  Matthaei  a.a.O.  s.  23)  wii'd  Walamer  in 
diesem  kämpfe  durch  seinen  nefCen  Theodoricus  unterstützt: 
Walamer  conylohatis  suis  iluce  Thcodorwo  fratrudi  suo  snjyer 
llunos  irruit.  Ob  Detreh  in  der  Überlieferung  unmittelbar 
an  die  stelle  der  genannten  fürsten  getreten,  oder  ob  schon 
vor  ihm  eine  einheitliche  Vertretung  des  Germanentums  (viel- 
leicht durch  Walamer)  in  der  sage  vorhanden  gewesen  ist, 
kann  auch  hier,  wie  bei  der  tradition  von  der  eroberung 
Pannoniens,  nicht  mit  Sicherheit  gesagt  werden.  Theoderich 
selbst  nahm  diese  Stellung  gewis  erst  in  der  zweiten  hälfte 
des  G.  jh.'s  ein,  zu  einer  zeit  also,  wo  die  pannonische  Hunnen- 
sage mit  der  historischen  Burgundensage  schon  verknüpft  und 
Kriemhild  in  die  pannonische  Überlieferung  eingetreten  war. 

Es  wird  allgemein  angenommen '),  dass  Dietrich  erst  infolge 
seiner  Verbindung  mit  Etzel,  also  secundär  und  unorganisch, 
in  die  Burgunden- Nibelungensage  aufgenommen  sei.  Diese 
behauptung  ist,  wie  die  ung.  Überlieferung  beweist,  nur  teil- 
weise richtig.  Die  historische  sage  von  der  Vernichtung  der 
Burgunden  durch  Attila  konnte  selbstverständlich  ohne  den 
einfluss  einer  fremden  sage  von  Attilas  tod  ganz  selbständig 
zum  abschlusse  gebracht  werden:  man  erfuhr  in  Westdeutsch- 
land bald  nach  dem  ereignisse,  dass  Attila  durch  ein  germ. 
mädchen,  namens  lldico,  wie  das  gerücht  lautete,  ermordet 
worden  und  das  Hunnenreich  unter  den  söhnen  Attilas  zu- 
sammengestürzt sei.  Eine  besondere  rolle  scheinen  die  Goten, 
oder  ein  bestimmter  Gotenfürst,  in  dieser  ersten  nachricht 
(wenigstens  so  weit  sie  für  die  sage  verwertet  wurde)  nicht 


*)  Vgl.  Sijmons  a.a.O.  s.  703.  W.  "Wilmanns,  Der  nutergaug  der  Nibe- 
luuge  s.  15;  letzterer  leugnet,  aber  gewis  mit  unrecht,  überhaupt  den  histo- 
rischen Ursprung  der  Burgunden-  und  Jlunncnsage. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.     559 

gespielt  zu  haben.  Die  Burg-undensage  wiircle  durch  diese 
nachriclit  abgeschlossen  und  in  den  folgenden  Jahrzehnten 
durch  die  Franken  mit  der  fränk.  Nibelungensage  verbunden. 
In  dieser  gestalt  wanderte  die  nunmehr  verknüpfte  und  mit 
einander,  so  gut  es  gieng,  in  organischen  Zusammenhang  ge- 
brachte Burgunden- Nibelungensage  nach  dem  norden,  wo  sie 
nicht  ohne  specifisch  nordische  Zusätze  in  der  Edda  fixiert 
wurde.  Also  bezüglich  dieser  form  der  Nibelungensage  ist  die 
behauptung  richtig,  dass  Dietrich  erst  später  und  secundär 
in  die  Nibelungensage  eingetreten  sei.  Anders  entwickelte 
sich  der  ganze  sagencomplex  in  Pannonien.  Die  rolle  Detrehs 
war  in  der  ursprünglichen  Hunnensage  in  Pannonien  schon 
vorhanden,  bevor  diese  mit  der  Burgundensage  verknüpft 
wurde:  dem  repräsentanten  der  Hunnen  (Attila)  gegenüber 
stand  der  Vertreter  oder  standen  die  Vertreter  des  Germanen- 
tums (Walamer,  oder  er  und  seine  brüder).  Theoderich  selbst 
kann  freilich  erst  in  der  zweiten  hälfte  des  6.  jh.'s  in  die 
sage  eingetreten  sein,  aber  seine  rolle  selbst  ist  so  alt,  wie 
die  Überlieferung  von  Attila  und  den  Hunnen  selbst,  sie  war 
schon  vorhanden,  als  die  Hunnensage  mit  der  Burgundensage 
verknüpft  und  Kriemhild  in  die  pannonische  sage  aufgenommen 
wurde.  Wie  ist  nun  Dietrich  in  die  deutsche  Nibelungensage 
eingetreten?  Icli  glaube  diese  frage  durch  folgende  hj^pothese 
beantworten  zu  können.  Ich  nehme  nämlich  an,  dass  die  ost- 
got.  Hunuensage  entweder  direct  aus  Pannonien  oder  aber  aus 
Italien,  wo  die  pannonischen  traditionen  sicher  noch  eine  zeit 
bei  den  Goten  lebendig  blieben,  ebenso  nach  Deutschland  ge- 
langt ist,  wie  die  historische  Burgundensage  nach  Pannonien. 
Diese  Wanderung  (so  nehme  ich  weiterhin  an)  geschah  aber 
erst  nach  der  Verknüpfung  der  pannonischen  Hunnensage  mit 
der  Burgundensage,  und  zwar  damals,  als  Theoderich  in  der 
Überlieferung  schon  die  rolle  des  Vertreters  des  Germanentums 
eingenommen  hatte,  also  frühestens  in  der  zweiten  hälfte  des 
6.  jh.'s.  In  Deutschland  war  zu  jener  zeit  die  historische 
Burgundensage  mit  der  sage  von  den  Nibelungen  schon  ver- 
bunden und  abgeschlossen,  ja  bereits  nach  dem  norden  gelangt. 
Es  fand  also  eine  contamination  der  Burgunden-Nibelungensage 
mit  der  pannonischen  Hunnensage  statt,  die  zur  folge  hatte, 
dass  neue  motive  und  neue  personen  (unter  ihnen  Dietrich) 

37* 


500  BLEYER 

in  die  deutsche  Nil)eliiii<^oiisage  aufgenommen  wnrden.')  In 
dieser  hinsieht  ist  also  die  beliauptnng,  als  ob  Dietrich  ganz 
unorganisch,  bloss  durch  die  person  Etzels  vermittelt,  in  die 
Nibclungensage  eingetreten  wäre,  unrichtig.  Auf  der  neuen 
fassung  der  sage,  die  durch  die  erwähnte  contamination  herl)ei- 
geführt  wurde,  beruhen,  freilich  mit  mannigfachen  späteren 
Verschiebungen,  die  piörekssaga  und  das  Nibelungenlied;  aber 
auch  die  Edda  zeigt  deutliche  spuren  dieser  contamination. 

Es  kann  hier  nicht  näher  erörtert  werden,  was  für  folgen 
die  Verschmelzung  mit  der  pannonischen  Hunnensage  für  die 
deutsche  sage,  wie  sie  in  deutschen  dichtungen  und  der  piöreks- 
saga  auf  uns  gekommen  ist,  hatte;  nur  auf  die  Gu(')ri'inarkvi(>a 
2  und  3  will  ich  noch  kurz  l)ezug  nehmen.  Diese  beiden  lieder 
repräsentieren,  wie  ich  schon  oben  bei  Herkja  =-  Hei  che  zum 
teil  angedeutet  habe,  eine  zweite  sagenschicht,  welche  im  9.  bis 
10.  jli.  nach  dem  norden  gelangte,  eine  sagenschicht  also,  in 
welcher  die  contamination  der  Burgunden-Xibelungensage  mit 
der  pannonischen  Hunnensage  schon  vollzogen  war.  Eben 
Herkja  =  Helche  selbst,  die  mit  der  mutter  Csabas  identisch 
sein  wird,  kann  kaum  anderswoher  als  aus  der  pannonisch- 
ung.  tradition  in  die  deutsche  Überlieferung  aufgenommen 
sein,  der  sie  ursprünglich  fremd  ist.  In  der  prosaischen 
einleitung  der  Guörünarkviöa  2  heisst  es:  Pjolnxlcr  honumjr 
var  mc])  AÜa  oh  hafjji  J>ar  Idtit  fJesia  cüla  menn  sina. 
Pjöjnrlr  oh  Gul)n\n  hcerj}ii  harma  sin  d  milli.  In  der 
Guc'iriinarkviöa  3  wird  nun  berichtet,  was  für  ein  leid  sich 
I)j6(M-ekr  und  GuÖrün  gegenseitig  geklagt  haben:  GucMnin  be- 
klagt die  ermordung  ihrer  brüder  durch  Atli,  pjnörekr  den 
Verlust  seiner  mannen.  Die  Verlegung  der  angeführten  Situation 
vor  den  tod  Atlis  kann  nur  secundär  sein,  und  ward  diu'ch  den 
ebenfalls  secundären  und  gerade  deshalb  nur  schwer  unterzu- 
bi'ingenden  bericht  über  Herkja  und  durch  die  combination  des- 


^)  Schon  K.  Lacbmami,  7a\  den  Nibelungen  und  der  Klage,  1836,  s.  347  ff. 
gelangte  auf  grnnd  der  ung.  Hunnengeschicbte  in  einigen  jiunkten  zu  iüm- 
licbem  resnltate,  da  ibni  aber  das  verbältnis  der  deutseben  und  nord.  sage 
zur  ung.  Überlieferung  nicbt  klar  war,  glaubte  er  'auf  die  ung.  sage  viel- 
leicht doch  zu  viel  gewicht  gelegt'  zu  haben,  und  so  liess  er  den  gedankeu 
fallen.  —  Eine  ähnliche  auffassung  von  der  rolle  Dietrichs  in  der  deutschen 
sage  deutet  auch  (I.  Heinrich  in  Pallas  nagy  lexikona  5,  249  kurz  an. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG.   HUNNENSAGE.  561 

sellbeu  mit  dem  märclien  von  der  uuschiüdigen  künigiii  veranlasst. 
Sie  ist  ursprünglich  nur  nach  dem  tode  Attilas  und  nach  dem 
grossen  Hunnenkampfe  denkbar.  In  der  uug.  sage  sind  Detreh 
und  Kremheld  in  ihrem  streben  einig,  und  nach  der  blutigen 
Schlacht  zwischen  Germanen  und  Hunnen,  wo  auch  so  manche 
mannen  der  Germanenfürsten  gefallen  waren,  ist  die  klage 
Detrehs  und  Kremhelds,  die  trotz  des  vielen  blutes  ihr  ge- 
schlecht nicht  mehr  erwecken  konnte,  wol  begründet  und  ver- 
ständlich.') Nachdem  die  pannonische  Hunnensage  mit  der 
deutschen  sage  verschmolzen  war,  konnten  Dietrich  und  Kriem- 
hild  neben  einander  nur  als  verbündete  den  Hunnen  und  ihrem 
repräsentanten  (nach  dem  tode  Attilas  dem  söhn  Helches)  gegen- 
über auftreten.  In  der  deutschen  Überlieferung  wird  Kriemhild 
allerdings  durch  Hildebrand,  den  Waffenmeister  Dietrichs  (so 
im  Nibelungenlied  und  der  Klage)  oder  durch  Dietrich  selbst 
(in  der  piörekssaga  [Ungers  ausg.  cap.  392]  und  in  dem  anhang 
zum  Heldenbuch  [W.  Grimm,  D.  heldeus.^  s.  337] )  getötet.  Sonst 
weiss  aber  auch  die  deutsche  sage  nichts  von  einem  feindlichen 
Verhältnisse  zwischen  Dietrich  und  Kriemhild,  und  Kriemhilds 
tod  durch  Dietrich  kann  nur  eine  späte  entwicklung  sein,  als 
das  Verhältnis  Dietrichs  zu  Etzel  in  der  deutschen  tradition 
schon  alle  historischen  beziehungen  verloren  hatte  und  Dietrich 
ein  auf  die  gnade  des  (an  dem  verderben  der  Burgunden 
schuldlos  gewordenen)  Etzel  angewiesener  Schützling  geworden 
war.  In  der  viel  historischeren  ung.  tradition  ist  Detreh  als 
repräsentant  des  unterworfenen  Germanentums  zwar  ein  vasall, 
aber  nicht  ein  begünstigter  Schützling  des  Hunnenkfjnigs,  an 
dem  Kremheld  gerechte  räche  genommen  hat. 

Obgleich  Detreh  mit  Kremheld  zu  der  Vernichtung  der 
Hunnenmacht  verbündet  ist,  darf  daraus  doch  keineswegs  ge- 
schlossen werden,  dass  Detreh  etwa  auch  an  der  ermordung 
Eteles,  dem  er,  so  lange  er  lebte,  treu  ergeben  war,  beteiligt 
oder  doch  irgendwie  mitschuldig  gewesen  wäre.    Dies  scheint 


')  Aus  dieser  erklärung  folgt,  dass  pjöörekr  seine  mannen  nrsprüng- 
lich  nicht  in  der  historischen  Burgundenschlacht  (437),  auch  wol  nicht  in 
den  hunnischen  kämpfen  um  Pannouiens  besitz,  sondern  in  der  Hunnen- 
schlacht vom  j.  453  verloren  hat.  Auch  geht  aus  dieser  deutung  hervor, 
dass  in  dem  freundlichen  Verhältnis  zwischen  pjöörekr  und  GuÖrün  kein 
Widerspruch  (wie  Jiriczek  a.  a.  o.  s.  159  glaubt)  vorhanden  ist. 


562  BT.EYER 

ausgeschlossen  zu  sein,  denn  sonst  liätte  es  der  clironist  gewis 
angeführt.  So  konnte  denn  in  seiner  rolle,  die  er  in  dem 
grossen  kämpfe  um  die  freiheit  der  unterjochten  germ.  viUker 
einnimmt,  ursprünglich  gar  nichts  unehrliches  oder  verräte- 
risches gesehen  Avorden  sein.  Wenn  daher  die  ung.  Hunnen- 
chronik, gewis  auf  die  anschauung  der  volkssage  gestützt'), 
von  der  tücke  und  dem  verrate  Detrehs  spricht,  so  kann  diese 
Vorstellung  nur  secundär  von  dem  Ungarntum  in  die  sage 
hineingetragen  worden  sein,  von  dessen  Standpunkt  eine  be- 
schuldigung  Detrehs  und  eine  misgunst  gegen  ihn  allerdings 
verständlich  und  natürlich  ist. 

Wie  von  Kremheld,  wird  in  der  Hunnengeschichte  auch 
von  Detreh  nach  dem  kämpfe  zwischen  Hunnen  und  Germanen 
nichts  weiter  gemeldet.  Aus  der  ganzen  läge  aber,  in  welche 
Detreh  durch  den  sieg  der  Germanen  gekommen,  ergibt  sich 
deutlich,  dass  er  sein  früheres  besitztum,  namentlich  Pannonien, 
wider  zurückgewonnen  habe.  Elr  war  als  könig  von  Rom 
von  den  Hunnen  unterworfen  worden  und  musste  infolgedessen 
als  Vasall  an  Eteles  liof  verbleiben  und  an  seinen  kriegerischen 
Unternehmungen  teilnehmen.  Nach  der  niederlage  der  Hunnen 
war  er  wider  zur  freiheit  gelangt,  und  nichts  stand  ihm  mehr 
im  AAege,  mit  dem  reste  seines  lieeres,  der  ihm  nach  so  vielen 
kämpfen,  besonders  nach  der  blutigen  Hunnenschlacht,  ver- 
blieben war,  in  sein  altes  reich,  nach  Italien  zurückzukehren. 
Hiermit  endet  sein  aufenthalt  in  Pannonien,  und  also  das  exil 
der  deutschen  sage.  Es  waren  zwanzig  jähre,  die  er  ausser- 
halb Italiens  verbracht,  und  zwanzig  jähre  des  exils  waren, 
Avie  ich  schon  oben  s.  516  f.  hervorgehoben  habe,  bis  zur  Kaben- 
schlacht  verflossen,  in  welcher  Etzels  söhne  gefallen  sind  und 
Dietrich  trotz  seines  sieges  über  Ermanarich  nach  Hunnenland 


-'o^ 


wider  zurückkehrte.  Der  eigentliche  grund  der  rückkehr  ist 
aus  der  deutschen  sage  nicht  ersichtlich.  Ich  glaube  ihn  durch 
folgende  erklärung  angeben  zu  können.  Es  ist  nämlich  ganz 
klar,  dass  die  Überlieferung  von  dem  untergange  des  Hunnen- 
reiches und  dem  verderben  der  söhne  Attilas  an  zwei  ganz 


')  Es  darf  sicher  keine  bewusste  anlubimug  des  clirouisten  au  die 
möncLisch-gelelirte  literatur  des  mittelaltcrs,  avo  religiöser  hass  ein  Zerrbild 
Theodoricbs  gezeichnet  hatte  (vgl.  Jiriczek  a.  a.  o.  s.  149),  vorausgesetzt 
werden.    Vgl.  übrigens  L.Schmidt  a.a.O.  8.162. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.      563 

verschiedenen  stellen  des  deutschen  sagenconiplexes  eiug-efügt 
wurde:  einmal  in  der  eigentlichen  Dietrichssage,  wo  sie  secundär 
mit  der  Eabenschlacht,  also  mit  der  tradition  von  der  eroberung 
Italiens  durch  Theoderich,  contaminiert  wurde;  ein  zweites  mal 
in  der  Burgunden- Nibelungensage,  wo  sie  ebenfalls  secundär 
mit  der  sage  von  der  Vernichtung  des  burgundischen  königs- 
geschlechts  verknüpft  wurde,  deren  Schauplatz  unursprüuglich 
an  den  hof  Etzels  verlegt  worden  war.  In  der  Eabenschlacht 
hatte  Dietrich  selbstverständlich  seine  feste  rolle;  er  hatte  sie 
aber  nach  der  contaminierung  mit  der  pannonischen  Hunnen- 
sage auch  in  der  Nibelungensage.  Die  pfleger  der  sage  von 
der  Eabenschlacht  waren  natürlich  auch  die  pfleger  der  Nibe- 
lungensage; es  ist  also  klar,  Avaruni  Dietrich  nach  der  sieg- 
reichen Eabenschlacht  nach  Hunnenland  zurückkehrte:  er 
musste  den  kämpf  der  Hunnen  und  Burgunden  abwarten 
(hierdurch  ward  die  zeit  des  exils  von  20  auf  30 — 32  jähre 
hinausgeschoben),  um  in  demselben  seine  alte  rolle,  die  er  von 
seinem  vater  und  seinen  vatersbrüdern  angeerbt  hatte,  zu 
übernehmen. 

Der  darstellung  der  Hunnenchronik  gemäss  kann  Detrehs 
rückkehr  nach  Italien  avoI  nur  eine  friedliche  gewesen  sein. 
Auch  in  einem  teile  der  deutschen  sagenquellen  i)  kehrt  Diet- 
rich friedlich  in  sein  altes  reich  zurück.  Warum  aber  erst 
jetzt?  Die  sage  antAvortet:  weil  sein  feind  Ermanarich  gerade 
damals  nach  der  katastrophe  der  Burgunden  und  Hunnen  ge- 
storben war.  Dass  diese  antwort  der  sage  eine  willkürliche 
und  nur  notgedrungene  ist,  liegt  auf  der  hand;  und  so  gab 
denn  die  forschung  die  w^eitere  begründung:  Ermanarich 
musste  eben  sterben,  da  es  Dietrich  infolge  der  grossen  Schlacht, 
wo  er  und  sein  gönner  Etzel  alle  ihre  mannen  verloren  hatten, 
nicht  mehr  möglich  war,  Italien  von  Ermanarich  durch  heeres- 
macht  zurückzuerobern. 2)     Es  ist  augenscheinlich,   dass   die 


*)  So  in  der  piörekssaga  a.a.O.  cap. 395ff.,  wo  mir  Sibich  Aviderstaud 
leistet;  und  in  der  Klage,  die  auch  von  diesem  widerstand  nichts  weiss. 
Diese  friedliche  rückkelir  braucht  nicht,  wie  sich  ergeben  wird,  für  unursprüng- 
lich angesehen  zu  Averden,  wie  allgemein  angenommen  wird,  vgl.  Sijnions 
a.  a.  0.  s.  692. 

^)  Vgl.  K.  Heinzel,  Die  ostgot.  heldensage  s.  60  f.  und  Sijmons  a.  a.  o. 
s.  692  f. 


561  BLEYEK 

frage  weder  durch  die  sage  genügend  heant  wertet,  noch  durch 
die  forschung  richtig  gelöst  ist.  Dazu  kommt,  wodurcli  die 
frage  noch  verwickelter  wird,  dass  in  anderen  deutschen 
(luellen')  die  rückkehr  keine  friedliche,  sundern  eine  kriege- 
rische ist.  Ich  glaube,  dass  es  sich  auch  hier  eigentlich  um 
zwei  sagentypen  handle.  Die  eine  ist  in  ursprünglicher  rein- 
lieit  in  der  pannonisch-ung.  Überlieferung  erhalten:  Detreh 
kehrt,  nachdem  er  das  hunnische  joch  abgeschüttelt  hatte, 
friedlich  in  sein  altes  land  nach  Italien  zurück.  Diese  Über- 
lieferung gelangte  bei  der  Wanderung  der  pannonischen  Hunnen- 
sage auch  nach  Deutschland  und  ist  in  der  piörekssaga  und 
Klage  fixiert.  In  Deutschland  gab  es  aber  auch  noch  einen 
andern  typus^),  der  sich  aus  den  Überlieferungen  von  den 
kämpfen  Theoderichs  in  Italien  gegen  Odoaker  entwickelt 
hatte,  wie  ihn  das  Hildebrandslied  vorauszusetzen  scheint  und 
wie  er  uns  deutlich  in  den  Quedlinburger  aunalen,  aber  auch 
in  der  Überlieferung  von  der  Rabenschlacht  vorliegt;  dieser 
lautet:  Dietrich  zieht  an  der  spitze  eines  hunnischen  heeres, 
welches  ihm  Attila  zur  Verfügung  gestellt  hatte,  gegen  Odoaker- 
Ermanarich,  besiegt  ihn  bei  Ravenna  =  Raben  und  erobert 
Italien  auf  diese  weise  zurück.  Während  also  die  ganze  ung. 
Dietrichssage  von  der  eroberung  Pannoniens  bis  zum  unter- 
gange des  Hunnenreiches  durch  die  Überlieferung  von  den 
kämpfen  Theoderichs  gegen  Odoaker  unbeeinflusst  blieb,  wankt 
die  deutsche  sage  beständig  zwischen  beiden  Überlieferungen, 
woraus  sich  meist  ein  contaniinierter  typus  ergibt.  Den  Inhalt 
beider  Überlieferungen  zusammengefasst,  ergibt  sich  folgende 
parallele:  1)  Dietrich  geht  seines  landes  verlustig,  ursprünglich 
durch  Attila  —  nach  beeinflussung  durch  die  italische  tradi- 
tion:  durch  Odoaker-Ermanarich;  2)  Dietrich  zieht  an  den  hof 
Attilas,  ursprünglich  als  vasall  —  nach  beeintlussung  durch 
die  italische  tradition:  als  Attilas  Schützling  ins  exil;  3)  Diet- 


*)  So  vermutlich  im  Hildebrandslied  und  deutlich  in  den  Quedlinburger 
anualeu,  W.Grimm,  D.  heldensage'  s.  3G. 

-)  Diese  Voraussetzung  trifft  zu,  Avenu  die  pannoiiische  sage  direct  aus 
Paunonien  nach  Deutschland  gelangte;  wurde  sie  aber  aus  Italien  über- 
mittelt, so  konnte  eventuell  die  pannonische  sage  schon  in  Italien  mit  den 
Dietrich-Odoaker-überlieferuugen  contaminiert  werden  und  so  nach  Deutsch- 
land gekommen  sein. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNÖ.   HUNNENSAGE,  565 

ricli  kämpft  neben  Attila,  ursprüngiicli  wahrscheinlich  gegen 
westliche  Völker  —  nach  beeinflussung  durch  die  italische 
tradition:  gegen  Odoaker-Ermanarich;  4)  Dietrich  verursacht 
das  verderben  der  söhne  Attilas,  ursprünglich  absichtlich  nach 
dem  tode  Attilas  —  nach  beeinflussung  durch  die  italische 
tradition:  nicht  absichtlich  in  der  Eabenschlacht;  5)  Dietrich 
kehrt  nach  Italien  zurück,  ursprünglich  friedlich  nach  Attilas 
tode  und  dem  stürze  der  Hunnenmacht  —  infolge  der  beeinflus- 
sung durch  die  italische  tradition:  mit  heeresmacht  gegen 
Odoaker-Ermanarich  zu  Attilas  lebzeiten  und  von  ihm  unter- 
stützt. 

Da  sich  in  der  Hunnenchronik  keine  spur  einer  einwirkung 
der  Überlieferung  von  den  kämpfen  in  Italien  finden  lässt,  wird 
die  ung.  sage  nicht  nur  von  Odoaker-Ermanarich,  sondern  auch 
von  Hildebrand,  Witege  und  den  übrigen  beiden  des  Sagen- 
kreises von  dem  Berner  Dietrich  nichts  gewusst  haben.  In 
der  Hunnenchronik  wird  allerdings  öfter  von  'deutschen'  und 
'germanischen  fürsten'  gemeldet  (wol  auf  grund  der  sage),  und 
so  dürfte  sie  vielleicht  z.  b.  von  dem  markgrafen  Rüdiger 
kenntnis  gehabt  haben,  der  wahrscheinlich  mit  dem  Heruler- 
könig  Eodulf,  einem  Zeitgenossen  und  freunde  Theoderichs 
d.  gr.,  identisch  ist. ')  Schwerlich  aber  wird  der  bericht  Olahs, 
der  in  den  übrigen  Chroniken  nicht  vorkommt,  aus  der  volks- 
sage  entnommen  sein:  (Detriciis)  neptem  Atilae  ex  sorore  vxorcm 
duxisse  dicitur;  die  Übereinstimmung  mit  dem  anhang  des 
Heldenbuches-)  ist  auch  hier  auffallend,  wo  es  heisst:  do  nam 
er  (d.  i.  Dietrich)  Herrot  Idinig  Etzel  scJnvester  tochfer.  Sonst 
ist  Herrad  diu  Heichen  sivester  iochter.^) 

Von  der  beteiligung  Dietrichs  an  der  Zerstörung  des 
Hunnenreiches  weiss  die  deutsche  sage  nichts  mehr,  wie  denn 
Überhaupt  die  erinnerung  an  dieses  mächtige  und  bedeutungs- 
volle ereignis  bei  den  deutschen  stammen  teils  verblasste,  teils 
bis  zur  Unkenntlichkeit  entstellt  wurde.  Nur  die  Kaiserclironik 
(her.  von  E.  Schröder  v.  13856  ff.)  zeigt  auch  hier,  wie  bei  der 


')  Ro(hi]f  hatte  in  Oberungarn  ein  mächtiges  reich  gegründet,  das 
durch  den  Langohardenköuig  Tato  um  512  zerstört  wurde.  Vgl.  G.  Matthaei, 
Zs.  fda.  43,  305  f. 

")  W.  Grimm,  D.  heldensage^  s.  343  und  335. 

^)  Vgl.  W.  Grimm  a.  a.  o.  im  register  unter  Herrad  s.  516. 


50G  BLEYER 

erübening:  Pannoniens,  eine  gewisse  iibereiiistiniiming  mit  der 
iiiig'.  tradition.  Sie  meldet  uämlicli  etwas  ähnliches,  wie  die 
Hunnenofeschichte.  zwar  nicht  von  Dietrich,  von  dem  sie  wusste, 
dass  er  kein  Zeitgenosse  Attilas  gewesen,  sondern  von  Dietmar, 
dem  söhne  des  alteti  und  vater  des  jungen  Dietrich.  Nachdem 
Etzel  in  seinem  blute  erstickt  war,  zog  Dietmar  nach  hieran, 
von  wo  Etzel  seinen  vater,  den  alten  Dietrich  vertrieben  hatte; 
die  söhne  Etzels  forderten  ihn  nun  auf,  Meran  zu  verlassen 
oder  Iribut  zu  zahlen,  was  aber  Dietmar  verweigert,  so  dass 
es  zum  kami)fe  kommt,  in  dem  die  Hunnen  besiegt  werden 
und  die  söhne  Etzels  fallen.  Es  scheint,  dass  hier  wirklich 
echte  Überlieferung  vorliegt,  die  aber  durch  die  gelehrten 
kenntnisse  des  Verfassers  historisch  corrigiert  und  getrübt  ist. 
Natürlich  darf  auch  in  diesem  falle  aus  der  Übereinstimmung 
nicht  auf  einen  bair.  Ursprung  der  ung.  sage  geschlossen 
werden;  es  handelt  sich  wahrscheinlich  um  eine  sagenhafte 
Variante,  die  in  letzter  (luelle  auf  pannonische  Überlieferung 
zurückgehen  wird. 

Der  söhn  Eteles  von  Kremheld  heisst  Aladarius.  Er  ist 
entschieden,  wie  ich  schon  öfters  erwähnte  und  bereits  AV.  Grimm 
(Altd.  Wälder  1,2G0)  erkannte,  mit  dem  Gepidenfürsten  Ardarich 
bei  Jordanes  identisch,  Aladarius,  oder  ohne  die  lat,  endung 
-itis,  Aladär  ist  ein  volkstümlicher  ung,  name,  der  in  den  Ur- 
kunden häufiger  belegt  ist,')  Das  wort  aladdr  kommt  aber 
nicht  bloss  als  personenname  vor,  sondern  im  altung.  auch  als 
nomen  comm,  in  der  bedeutung  'centurio  cohortis  praetoriae',-^) 
Das  w^ort  stammt  im  ung,  nach  H.  Yambery^)  aus  dem  persisch- 
türkischen:  'fahnen-  oder  regimentsinhaber,  besitzer  einer 
truppe';  nach  B,  Munkäcsi^)  aus  dem  ossetischen:  'Vorsteher, 
befehlshaber'.  Wir  haben  jedenfalls  auch  hier  wider,  mag 
nun  A'ämberys  oder  Muukäcsis  erklärung  richtig  sein  oder 
nicht,  einen  volkstümlich -ung.  namen,  der  nicht  aus  gelehrter 
quelle,  sondern  nur  aus  der  volkssage  entnommen  sein  kann. 


')  Vgl.  NagyG.,  Är])ä(lkori  szemelyuevek.  Tnrul.  9, 113. 

')  Vgl.  Simonyi-Szarvas,  Magyar  uyelvtörteneti  szötar  1,  53.  Diese 
(leiitung  ist  aber,  worauf  micli  J.  Jlelich  nachträglich  aufmerksam  macht, 
falsch, 

ä)  Ursprung  d.  Magyaren  s.  170;  vgl.  auch  Pallas  nagy  lexikoua  1,  2G0. 

*)  Alan  nyelvemlekek  szökiucsünkbeu.  Ethuographia  5,8. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.      567 

Wo  die  clironiken  nicht  aus  der  volkstümliclien  tradition 
schöpften,  haben  wir  denselben  nanien  in  gelehrter  form,  so 
in  der  erzählniig  von  der  cat alaunischen  Schlacht  Äldaricus, 
und  bei  Kezai  in  seiner  einleitung-  in  die  chronik  ebenfalls 
Äldaricus.  Die  ableitung  des  namens  Äladdr  von  Ärdarich 
kann  keine  schwierig-keiten  machen:  das  l  in  Äladdr  entstand 
infolge  der  dissimilation  des  ersten  r  in  Ärdarich,  was  eine 
allgemeine  sprachliche  erscheinung  ist,  und  so  haben  wir  schon 
bei  Otto  von  Freisingen  (Chron.  4, 26;  vgl.  Matthaei  a.a.O.  s.  23) 
für  den  Gepidenkönig  den  nanien  Äldaricus]  die  weitere  Um- 
gestaltung geschah  durch  anlehnung  an  den  vielleicht  schon 
vorhanden  gewesenen  personennamen  Äladdr.  Oder  wenn  der 
name  ursprünglich  kein  ungarischer,  sondern  aus  der  Helden- 
sage in  die  ung.  nonienclatiu'  herübergenommen  wäre,  so  finden 
wir  auch  in  diesem  falle  eine  ganz  ähnliche  entwicklung  in 
andern  namen:  so  z.  b.  Heder  aus  Hedrilc,  und  nach  Karäcsonjd ') 
Ecser  aus  Äscrik,  Odor  aus  Udalrik,  Felder  aus  Friderik  u.  dgl.m. 
Aladär  ist  aber  nicht  nur  dem  namen,  sondern  auch  der 
rolle  nach,  die  er  in  dem  grossen  entscheidungskampfe  spielt, 
mit  dem  Gepidenkönig  Ärdarich  identisch.  Dieser  war  zwar 
nicht  ein  söhn  Attilas,  wie  in  der  ung.  Überlieferung  Aladär, 
er  stand  aber  in  einem  solch  intimen  Verhältnis  zu  Attila,  der 
ihn  siq^er  ceteros  regnlos  diligehat,  dass  die  Verschiebung  in 
der  pannonisch  -  ung.  tradition,  durch  welche  er  zum  söhne 
Attilas  Avurde,  leicht  erklärlich  ist.  Fanden  wir  doch  schon 
in  gelehrter  quelle  (bei  Thierry,  s.  oben  s.  553)  eine  angäbe 
von  einem  verwantschaftlichen  Verhältnisse  zwischen  Attila 
und  Ärdarich.  Als  söhn  Attilas  von  einer  germ.  mutter  ist 
Aladär  in  der  Hunnenchronik  den  Germanen  zugetan  und 
kämpft  gegen  Csaba  und  die  Hunnen.  In  der  geschichte  ist 
Ärdarich  der  eigentliche  führer  der  germ.  Völker,  in  der  ung. 
sage  scheint  er  nur  ein  Werkzeug  Kremlields  und  Detrehs  ge- 
wesen zu  sein.  Näheres  erfahren  wir  nicht  über  ihn,  nur  so 
viel,  dass  er,  wie  der  historische  Ärdarich,  die  Hunnen  in 
einer  furchtbaren  schlacht  geschlagen  habe,  aber  erst  nachdem 
er  im  ersten  treffen  von  Csaba  besiegt  worden  war.    Ueber 


1)  Szent  Istvän  elete,  1904,  s.  17.  Vgl.  auch  J.  Melicb,  Magyar  iiyelv, 
Jahrg.  2  (1906),  s.  50.  Ueber  die  entstehuug  des  zweiten  «,  wie  z.  h.  auch 
in  alsimüsa  aus  sIoy.  almuzna,  vgl.  J.  Melich  a.a.O.  s.  160. 


568  ÜLEYER 

sein  weiteres  Schicksal  schweigt  die  Iluimeiig-eschichte,  gerade 
wie  über  das  Kreiiihelds  und  Detrehs.  Dass  die  ung.  Über- 
lieferung selbst  Yon  ihm  mehr  gewusst  hätte,  ist  nicht  wahr- 
scheinlich. Oläh  berichtet  allerdings,  dass  Aladaricus  in  praelio 
cccidit  und  zwar  schon  im  ersten  treffen;  ich  glaube  aber  nicht, 
dass  dieser  bericht  aus  der  sage  entnommen  wäre.  Oläh  kannte 
ohne  zweifei  die  darstellung  des  Jordanes,  nach  welcher  Attilas 
ältester  söhn,  Ellac,  im  kämpfe  fiel,  und  da  er  dies  von  Csaba, 
von  dem  die  Hunnenchronik  auch  noch  weiteres  meldete,  nicht 
annehmen  konnte,  übertrug  er  diese  angäbe  des  Jordanes  auf 
Aladaricus,  von  dessen  Schicksal  in  der  Hunnenchronik  nichts 
genaueres  mitgeteilt  Avar.  Aus  der  Hunnengeschichte  folgt 
nur  das  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit,  dass  Aladär  in  der 
ung,  Überlieferung  der  jüngere  söhn  Eteles  gewesen.  War 
nämlich  Kremheld  (was  ich  oben  s.  543)  nachzuweisen  versuchte) 
Eteles  zweite  gattin,  mit  der  er  sich  nach  dem  tode  der  mutter 
Csabas  vermählte,  so  konnte  Aladär  natürlich  nur  der  jüngere 
söhn  Eteles  sein.  Heinrich  von  Mügeln  sagt  zwar,  Csaba  ica^ 
der  letzt  siin  hinig  ctzels\  doch  scheint  dies  ein  misverständnis 
zu  sein,  denn  in  allen  übrigen  Chroniken  steht  dafür:  Csaba 
fdius  Ethele  est  Icgitimns.  Aus  der  deutschen  sage  dürfte  sich 
vielleicht  noch  das  eine  vermuten  lassen,  dass  Aladär,  wie 
Aldrian  (vgl.  unten),  an  der  ermordung  Eteles  irgendwie  be- 
teiligt gewesen  sei  oder  der  Kremheld  irgendwelchen  Vorschub 
geleistet  habe. 

Es  bleibt  nur  noch  übrig,  die  frage  zu  erörtern,  ob  auch 
die  deutsche  sage  eine  erinnerung  an  den  Gepidenkönig  Arda- 
rich  bewahrt  habe?  Schon  Kiedl  (a.a.O.  s.  336  f.)  und  Petz 
(a.a.O.  s.  78)  haben  auf  die  ähnlichkeit  des  namens  Aluddr 
mit  Aldrian,  wie  Grimliilds  söhn  in  der  piörekssaga  heisst, 
hingewiesen.  Ich  glaube,  diese  Vermutung  ist  ganz  richtig. 
Interessant  ist  für  uns,  wie  R.  Heinzel  (lieber  die  Walther- 
sage, WSB.  117, 78f.)  den  uamen  Aldrian,  welchen  auch  zu- 
gleich Hagens  vater  und  söhn  führen,  zu  deuten  versucht: 
'der  name  kann,  wenn  man  ihn  seiner  romanischen  Umhüllung 
entkleidet'),  kaum  etwas  anderes  sein  als  Aldarich  oder  Ala- 


')  Für  die  enduug  -an  vermutet  Bugge,  Arkiv  2, 166  slav.  urspnuig. 
Vgl.  R.  Ileiuzel,  Die  ostgot.  Leidensage  s.  83. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG.  IIUNNENSAGE,  569 

ricJi.  . . .  Das  d  in  Aldrian  kann  dem  worte  ebenso  gnt  von 
lians  aus  angehören  als  eingeschoben  sein,  s.  huldrian  aus 
Valeriana,  quendel,  spindel,  spendling.  . . .  Auf  einen  Aklarich 
führt  niclits,  bei  Alaricli  aber  war  anlass,  ihn  als  vater  des 
Aetius  und  als  ahnherrn  der  gallisch -römischen  dynastie  der 
Volksmeinung  aufzufassen,  neben  den  dunkeln  Alaneus  und 
Paulus.'  Lautlich  ist  also  auch  nach  Heinzel  eine  erklärung 
des  namens  Aldrian  aus  Aldarich  leichter  und  einfacher,  als 
aus  Alarich\  inhaltlich  aber  ist  die  identificierung  mit  Arda- 
rich,  wie  sich  ergeben  wird,  viel  mehr  wahrscheinlich,  als  die 
mit  Alaricli. 

Aladdr  <  Ardarich  in  der  ung.  sage  kann  also  sprachlich 
ohne  Schwierigkeit  mit  dem  namen  Aldrian  in  der  deutschen 
Überlieferung  gleichgestellt  werden.')  Es  fragt  sich  nun,  wie 
sich  Aldrian  seiner  Stellung  nach,  die  er  in  der  deutschen  sage 
einnimmt,  zu  Aladär  <  Ardarich  in  der  ung.  tradition  verhält? 
Zur  beantwortung  dieser  frage  wollen  wir  die  nordische  und 
deutsche  Überlieferung  von  Attilas  söhnen  kurz  prüfen.  In 
der  Edda  heissen  Atlis  und  zugleich  Guönins  söhne  Erpr  und 
Eitill,  die  von  Guörün  getötet  und  Atli  als  speise  aufgetischt 
werden;  nachher  ermordet  Guörün  Atli  und  zwar  nach  Atla- 
kviöa  allein,  nach  Atlamol  mit  hilfe  Hniflungs,  des  sohnes  H^gnis 
(V^lsungasaga).  In  der  piörekssaga  hat  Attila  zwei  söhne  von 
Erka-Helche:  Erpr  und  Ortvin,  die  auf  piöreks  heerfahrt  gegen 
Erminrekr  von  Viöga  erschlagen  werden  (s.  üngers  ausg. 
cap.  316ff.),  und  einen  von  Grimhildr,  namens  Aldrian,  der  in 
dem  grossen  kämpfe  der  Nibelungen  und  Hunnen  von  Hogni 
enthauptet  wird  (a.a.O.  cap.  379);  Aldrian  aber  heisst  in  der 
I)iörekssaga  auch  noch  der  vater  der  nibelungischen  königs- 
sölme  (Gunnars,  Gislers,  Guthorms  und  Hognis)"'^)  und  Grim- 
hilds  (a.a.O.  cap.  1G9);  ausserdem  der  nachgeborne  solin  Hognis, 
den  Attila  lieb  hatte  und  an  seinem  hofe  erziehen  Hess,  der 
ihn  aber  in  einen  berg  führte,  um  ihm  den  Nibelungenhort  zu 
zeigen,  und  ihn  dort  verhungern  liess  (a.  a.  o,  cap.  423  ff.).  Im 
Biterolf    heissen    Etzels    söhne    von   Helche    Ort   und   Erpfe 


1)  Andere  deutnugen  des  namens  Aldrian,  namentlich  die  von  W.Müller, 
Myth.  der  deutschen  heldensage  s.  37  f.,  sind  ganz  unwahrscheinlich. 

*)  Er  ist  eigentlich  nur  Aldrians  pflegesohn,  da  ihn  Aldrians  gattin 
von  einem  elfen  empfieng. 


570  BLEYER 

(Deutsches  heldenb.  1,  v.  3334),  in  der  Rabeiisclilaclit  Orte  und 
Scliarpfe,  die,  wie  in  der  Ijic^rekssaga,  von  Witeg^e  ersclilayen 
werden  (Deutsches  hehlenh.  2,  str.  397  ff.).  Im  Nibelungenlied 
heisst  der  vater  Hagens  Aldrian  (der  der  burgundischen  königs- 
söhne  Dancrat),  der  sühn  Etzels  von  Kriemhild  Ortlieb,  den 
Hagen,  wie  in  der  piörekssaga,  enthauptet. 

Trotz  wichtiger  abweichungen  lierschen  doch  auch  gewisse 
Übereinstimmungen  unter  den  angeführten  nanien.  Besonders 
die  grundform  Orte  kehrt  öfters  wider:  Orte,  Ortvin,  Ortlieh. 
Ich  vermute,  dass  auch  diese  namen  mit  Aldrian,  Aladär,  Arda- 
rich  zusammenhängen.  Arda-rich,  got.  richtig  ^Arda-reiks,  ist 
ein  compositum,  und  es  ist  bekannt,  dass  bei  den  Germanen 
von  zusammengesetzten  personennamen  oft  nur  der  eine  be- 
standteil  gebraucht  wurde.  Lassen  wir  bei  ^Arda-reihs  das 
zweite  compositionsglied  weg,  so  erhalten  wir  "^Arda.  Diesen 
stamm  ziehe  ich  nicht  wie  F.  AVrede  (Ueber  die  spräche  der 
Ostgoten  s.  159)  zu  got.  hardus  'hart',  da  auf  diese  weise  der 
name  Ärda-rciks  oder  Harda-reiJcs  •)  keinen  rechten  sinn  geben 
würde,  sondern  mit  W.  Brückner  (a.a.O.  s.  161,  anm.  2)  zu  as. 
ard,  ags.  eard  'stammgut',  das  besonders  in  ags.  namen  als 
compositionsglied  häufig  ist,  und  auch  im  langob.  öfter  belegt 
ist,  z.  b.  Ärdericus,  Arduimis,  Arderadus,  Ardemannus  u. s.w. 
(vgl.  W.  Brückner  a.a.O.  s.  226).  Dieses  "^Arda  musste  zu  ahd. 
Arto  >  mhd.  Arte  werden.'^)  Nun  ist  aber  im  ahd.  für  germ.  a 
nicht  selten  o  eingetreten,  besonders  vor  l  und  r^),  so  dass 
wir  neben  oder  für  Arte  auch  die  entwicklung  Orte  anzu- 
nehmen berechtigt  sind^),  wie  denn  einer  der  söhne  Etzels  im 
Biterolf  und  in  der  Rabenschlacht  heisst.  Wir  haben  also 
neben  einander  mehrere  namen  mit  demselben  grundwort  (got. 
Ardareiks,  ung.  Aladdr,  deutsch  Aldrian,  Orte,  Ortivin,  Ortlich), 
Avas  im  germ.  eine  häufige  erscheinung  ist,  z.  b.  ostgot.  Guda, 


')  Das  schwanken  in  der  scbreibnng  des  anlautenden  h  geht  hekanut- 
lich  auf  lom.  einfluss  zurück.  Vgl.  W.  Brückner,  Die  spräche  der  Lango- 
barden, 1895,  3. 160  f. 

")  Im  dentschen  als  Ardo  =  Arto,  namentlich  in  Zusammensetzungen, 
öfter  belegt;   vgl.  E.  Försteraanu,  Altd.  namenb.  1,  fälschlich  unter  hardus. 

')  Vgl.  W.  Braune,  Ahd.gramm.  §  25,  anm.  1  und  S.  Singer,  Beitr.  11. 287. 

*)  So  wechseln  z.  b.  auch  OrtyiU  und  llarlnit  ab;  vgl.  K.  MüUeuhuff, 
Zs.  fda.  12,  349  und  352. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.      571 

Gildila,  Gnäerith,  Giahvin,  G^iäilen}),  Gnclinand;  Oäeric,  Oäinn, 
Odtvidf  u.sAX.  (Wrecle  a.a.O.  s.  71  f.  und  83  f.;  vgl.  auch  oben 
s.  459  bei  Buda). 

Jeder  dieser  verwanten  namen  bezeichnet  in  der  sage  einen 
solm  Attilas.  Es  ist  kaum  denkbar,  dass  in  solchem  zusammen- 
hange die  ähnlichkeit  der  namen  rein  zufällig  wäre,  sondern 
sehr  wahrscheinlich,  dass  sie  ursprünglich  aus  einer  und  der- 
selben alten  tradition  stammen.  Diese  alte  tradition  ist  meiner 
ansieht  nach  wider  in  der  uug.  sage  am  treuesten  bewahrt. 
Ich  will  versuchen,  im  anschlusse  an  meine  bisherigen  erörte- 
rungen  das  Verhältnis  der  deutschen  und  nordischen  Überliefe- 
rung von  Attilas  söhnen  zu  der  in  der  ung.  sage  erhaltenen 
tradition  sagengeschichtlich  zu  erklären. 

Ich  habe  schon  ausgeführt,  dass  die  deutsche  sage  von 
Attilas  tod  und  dem  verderben  seiner  söhne  sich  bei  den 
deutschen  stammen  selbständig  und  zwar  alsbald  nach  dem 
ereignisse  gebildet  habe,  dass  sie  weiterhin  vermutlich  von 
den  Alemannen  mit  der  Burgundensage  und  später  von  den 
Franken  mit  der  Nibelungensage  verknüpft,  in  dieser  gestalt 
nach  dem  norden  verpflanzt  und  in  der  Edda  fixiert  worden 
sei.  Die  deutschen  stamme  erhielten  die  nachricht,  dass  Attila 
von  Ildico  aus  räche  im  schlafe  trunken  getötet  worden  sei, 
worauf  sie  alsbald  die  weitere,  nicht  minder  bedeutungsvolle 
und  überraschende  nachricht  erfuhren,  dass  die  söhne  Attilas 
in  einer  furchtbaren  Schlacht  geschlagen  und  das  Hunnenreich 
zerstört  worden  sei,  und  zwar  mittelbar  oder  unmittelbar  (was 
für  ein  schluss  hätte  sich  aus  den  beiden,  rasch  auf  einander 
folgenden  ereignissen  dem  fernstehenden  in  natürlicherer  weise 
aufdrängen  können?)  durch  Ildico  herbeigeführt.  Nach  der 
Verbindung  dieser  schon  sagenhaften  gerüchte  von  Attilas  tod 
und  dem  verderben  seiner  söhne  mit  der  historischen  Burgunden- 
sage musste  die  Überlieferung  lauten:  Ildico -Kriemhild,  die 
Schwester  der  Burgundenkönige,  habe  ihr  geschlecht  an  Attila 
gerächt  und  rachesüchtig  auch  die  söhne  Attilas  (in  weiterer 
entwicklung:  von  Kriemhild)  und  das  Hunnenreich  dem  ver- 
derben geweiht.  Diese  fassung  der  sage  besitzen  wir  in  der 
Edda,  wo  beide  söhne  Atlis,  Erpr  und  Eitill  (ihre  namen  sind 
vielleicht    aus    wirklichen   historischen   namen    zweier   söhne 


572  BLEYER 

Attilas  entstellt'))  von  Guörün  abstamnKin.  Erpr  und  Eitill 
werden  in  der  Edda  noch  vor  dem  tode  Atlis  getiUet,  dass 
die  räche  an  Atli  um  so  gransamer  erscheine:  eine  Veränderung, 
die  leicht  vor  sich  gehen  konnte,  da  der  Untergang  des  Hunnen- 
reiches für  die  von  Pannonien  weit  entfernten  germ.  Völker 
nicht  von  interesse  war,  also  eine  selbständige  bedeutung  (wie 
in  Pannonien)  nicht  hatte,  so  dass  dem  naturgemässen  streben 
der  sage  nach  Individualisierung  der  historischen  ereignisse 
nichts  im  wege  stand.  Von  der  angeführten  sagenform  un- 
abhängig entwickelte  sich  die  Überlieferung  in  Pannonien,  wie 
sie  uns  in  der  Hunnenchronik  erhalten  ist.  Wie  ich  schon 
oben  s.  559  ausgeführt  habe,  wanderte  die  pannonische  Hunnen- 
sage, nachdem  sie  mit  der  deutschen  Burgundensage  verknüpft 
war,  wahrscheinlich  direct  aus  Pannonien,  oder  aber  über 
Italien  nach  Deutschland  und  wurde  mit  der  Burgunden- 
Nibelungensage  contaminiert.  Diese  neuen  elemente  führten 
zu  neuen  Umgestaltungen,  wobei  die  söhne  Attilas  neue  namen 
erhielten:  Orte,  Ortvin,  Örtlich,  Äldrian  (<  Aldarich)  und 
Scliarpfe,  die  mit  den  alten  durcheinander  geworfen  wurden. 
Die  so  entstandene  fassung  mag  etwa  gelautet  haben:  Kriem- 
hild  tötet  (von  Dietrich  unterstützt)  die  beiden  söhne  Attilas, 
von  welchen  der  eine  (Orte,  Ortwin,  Ortlieb,  Aldrian,  der  unter 
dem  einflusse  der  pannonischen  tradition  an  die  stelle  des 
Eitill  trat)  von  ihr  abstammt,  der  andere  aber  von  Helche 
(Scharpfe,  neben  welchem  aber  auch  der  alte  name  Erpr-Erpfe 
beibehalten  blieb);,  hierauf  ermordete  Kriemhild  Attila  selbst 
und  zwar  (vermutlich  unter  dem  einflusse  der  pannonischen 
tradition)  mit  hilfe  Aldrians,  der  aber  in  der  deutschen  sage 
nicht  mehr  als  der  söhn  Kriemhilds  gelten  konnte,  da  ja  in 
der  älteren  Überlieferung,  die  uns  die  Edda  erhalten,  beide 
söhne  Attilas  nicht  mehr  am  leben  waren,  sondern  zu  einem 
Nibelungensprössling  (Hniflungr)  gemacht  werden  musste  und 
zwar  zu  dem  söhne  des  grössten  nibelungischen  Hunnenfeindes, 
nämlich  Hagens.  Dass  aber  dies  nur  eine  secundäre  Verschie- 
bung sein  kann,  beweist  zur  genüge  der  umstand,  dass  Aldrian 


')  So  leitet  z.  b.  Bugge,  Erpr  og  Eitill.  Skrifter  udg.  af  videuskabssel- 
kabet  i  Christiania,  2,  hist.-phil.  kl.  iio.  5,  s.  5  den  uameii  Erin-  von  dem 
liistoriscben  Ernac  ab.  Vgl.  Fr.  Pauzer,  l>eutscbe  beldeusage  im  Breisgaii, 
1904,  8. 45  uud  77,  anm.  65. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   ÜNG.   HUNNENSAGE.  573 

in  ganz  nnnatürliclier  weise  ^)  von  dem  totwiinden  Hagen  un- 
mittelbar vor  seinem  tode  von  einer  sonst  nie  erwälinten 
Hunnin^)  erzeugt  wird. 

Aus  dieser  Überlieferung  gelangten  bei  der  zweiten 
Wanderung  der  deutschen  sage  nach  dem  norden  nicht  nur 
Herkja  und  pjuörekr  (wie  ich  oben  s.  560  naclizuweisen  suchte) 
in  die  Edda,  sondern  auch  Aldrian,  mit  dem  Hniflungr,^),  der 
söhn  HQgnis  zweifellos  identisch  ist,  so  dass  der  name  nur  zu- 
fällig verschwiegen  oder  vergessen  sein  kann.  Anders  gieng 
die  weitere  entwicklung  der  deutschen  sage  selbst  vor  sich; 
wir  sehen  hier  dieselbe  Spaltung,  wie  bei  der  Überlieferung 
von  Dietrich.  Nachdem  einerseits  die  Hunnenschlacht  mit  der 
Eabenschlacht  unter  dem  einflusse  der  tradition  von  der  erobe- 
rung  Italiens  combiniert  worden  war,  musste  der  tod  der  söhne 
Etzels  vor  die  Vermählung  mit  Kriemhild  verlegt  werden,  also 
musste  die  sage  beide  söhne  Etzels,  auch  Orte-Ortwin,  der 
ursprünglich  (wie  Aladär)  ein  söhn  Kriemhilds  war,  von  Helche 
abstammen  lassen;  andererseits  aber  ward  auch  die  Burgunden- 
schlaclit  mit  der  Hunnenschlacht  contaminiert,  wo  es  hiess, 
Kriemhild  habe  in  ihrer  räche  auch  ihren  eigenen  söhn  nicht 
verschont,  und  so  begegnen  wir  auch  hier  Ortlieb  -  Aldrian  < 
Ardarich,  aber  in  ursprünglicher  form  als  dem  söhne  Kriem- 
hilds, wider,  der  in  secundärer  Verschiebung  (welche  durch 
die  Übertragung  der  schuld  von  Etzel  auf  Kriemhild  ver- 
anlasst wurde)  von  Hagen  enthauptet  wird.  Ardarich  >  Aldrian 
als  beteiligter  an  der  ermordung  Etzels  musste  wegfallen,  da 
die  deutsche  sage  von  dem  tode  Etzels  nichts  mehr  weiss. 
Aldrian  wurde  aber  wahrscheinlich  eben  dadurch  in  der 
deutschen  Überlieferung  zum  vater  Hagens,  des  furchtbaren 
mörders  der  Hunnen,  gemacht,  wie  denn  das  Nibelungenlied 
(ausg.  von  K.  Bartsch  str.  1755, 1  f.)   Etzel  von  Aldrian  sagen 


')  Vgl.  M.  Eieger,  Die  Nibelungensage,  Germ.  3, 197. 

')  Dass  sie  eine  Huuuin  gewesen,  ist  zwar  nicht  ausdrücklich  erwähnt, 
geht  aber  aus  dem  schauplatze  und  dem  ganzen  Inhalt  der  erzählung  hervor ; 
Aldrian  war  also  Halbgermane,  eben  wie  Aladär. 

^)  Dass  Hniflungr  erst  der  zweiten  sagenschicht  angehören  könne, 
geht  auch  aus  andern  gründen  deutlich  hervor.  Vgl.  A.  Edzardi,  Kleine 
beitrage  zur  geschichte  und  erklärung  der  Eddalieder,  Germ.  23, 412. 

Beiträge  lur  geschichte  der  deutschen  spräche.   XXXI.  38 


574  RT-EYER 

lässt:       ^^'ol  erkande  ich  Aldriänen,        wau  tlor  was  uiin  man. 
lob  und  michel  ere        er  hie  bi  mir  gewan. 

Also  ähnlich,  wie  die  piiM-ekssaga  von  Aldrian,  dem  söhne 
Hoofnis.  berichtet,  dass  er  sich  am  liofe  Attilas  aufg:ehalten 
habe.  All  die  Verschiebungen,  die  wir  in  der  P'dda  und  in 
den  deutschen  dichtungt-n  wahrnehmen  können,  spiegeln  sich 
ganz  deutlich  in  der  pic^rekssaga  wider,  die  altes  und  neues, 
nordisches  nnd  deutsches  sagengut  bunt  durcheinander  wirft. 
Die  vei-schiedenen  formen  der  namen  aus  und  für  Ardarich 
sind  in  der  nordisch-deutschen  Überlieferung  gewis  durch  zeit- 
liche und  locale  unterschiede  in  der  püege  der  sage  bedingt: 
die  älteste  form  ist  zweifellos  Aldrian.  die  dem  gotischen  laut- 
bestande  am  nächsten  steht  und  wahrscheinlich  infolge  der 
Spaltung  der  ursprünglichen  rolle  Ardarichs  beibehalten  blieb, 
infolgedessen  zwei  namen  nötig  waren;  jünger  als  Aldrian 
wurd  die  form  Orte  sein,  und  die  jüngsten  Ortivin  und  Örtlich. 
Die  wesentlichste  abweichung  der  nord.- deutschen  sage 
von  der  ung.  Überlieferung  besteht  darin,  dass  erst  ere  die 
söhne  Attilas  in  dem  grossen  kämpfe  umkommen  lässt '),  wäh- 
rend letztere  zwar  von  ihrem  stürze,  aber  nichts  von  ihrem 
tode  weiss.  Doch  ist  diese  abweichung  leicht  zu  ei'klären. 
Auch  in  der  ung.  sage  verlieren  Eteles  söhne  macht  und  reich: 
Csaba  wird  aus  Pannonieu  vertrieben,  und  sicher  wird  auch 
Aladär  die  frucht  seines  sieges,  zu  dem  ihm  Detreh  verholten, 
an  diesen  abgetreten  haben,  denn  als  Vertreter  der  Germanen 
niusste  Detreh  nach  der  niederlage  der  Hunnen  die  herschaft 
über  die  Germanen  zurückgewinnen.  In  der  deutschen  sage 
aber,  \vo  infolge  des  mangels  jedes  nationalen  Zusammenhanges 
mit  den  historischen  ereignissen  die  Überlieferung  immer  mehr 
persönlich-individuell  aufgefasst  wurde,  bedeutete  für  die  söhne 
Etzels  der  verlust  ihrer  macht  notwendigerweise  ihren  tod, 
um  so  mehr,  als  der  Untergang  des  Hunnenreichs  selbst  in  der 
westlichen  Überlieferung  (weil  für  die  deutsche  Xibelungensage 
ohne  bedeutung)  schon  früh  vergessen  wurde,  und  also  nicht 
mehr  als  eine  Vergeltung  für  die  Vernichtung  des  burgundischen 
königsgeschlechtes  gelten  konnte.    Dieser  von  der  pannonischen 


')  Nur  von  Huiriungr-AlJriaus  tode  weiss  weder  die  Edda,  noch  die 
piörekssage  etwas;  nach  letzterer  erobert  er  sogar  mit  Bryuhilds  hilfe  nach 
dem  tode  Attilas  das  land  der  Nibelnngeu  zurück;  Uugers  ausg.  cap.  427. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER  UNO.   HUNNENSAGE.  575 

tradition  abweichenden  auffassung-  ward  auch  wahrscheinlich 
durch  die  nacliricht  von  dem  tode  Ellacs  und  vielleicht  noch 
anderer  söhne  Attilas  Vorschub  g-eleistet. 

So  viel  geht  aus  dem  gesagten  entschieden  hervor,  dass 
die  ung.  sage  auch  hier  reinere  und  historisch  treuere  Über- 
lieferungen bewahrt  hat,  als  die  nord.-deutsche.  Auch  das  ist 
höchst  wahrscheinlich,  dass  die  pannonische  sage  auch  in  bezug 
auf  Aldrian  -  Orte  -  Ortlieb  auf  die  deutsche  Überlieferung  ein- 
gewirkt hat,  die  sich  aber  (gerade  wie  bei  Dietrich)  erst 
geltend  gemacht  haben  kann,  als  die  historische  Burgunden- 
sage  unter  dem  einflusse  der  nachrichten  von  Attilas  tod  und 
dem  verderben  seiner  söhne  und  seines  reiches  zum  abschluss 
gebracht  und  mit  der  fränkischen  Nibelungensage  schon  ver- 
knüpft worden  war. 

Der  zweite  sohu  Eteles  hiess  Chaba,  1.  Csaha  =  Caha 
(vgl.  Melich  J.,  Szhlv  jövevenyszavaink  1,2,20  ff.).  Er  stammte 
von  der  griechischen  königstochter  Honoria  =  Helche.  Nachdem 
er  von  Aladär  und  Detreh  besiegt  worden  war,  floh  er  aus 
Pannonien  : 

Fugiit  ergo  Chaba  (so  wird  in  den  clironiken  der  oben  mitgeteilte 
hericht  fortgesetzt)  cum  XV  milibns  Hnnorum  in  Greciiim  ad  Hoiioriuin,  et 
quaniuis  retiuere  voluisset,  et  Grecie  incolam  efücere,  non  permansit,  rediens 
in  Scithiam  ad  patris  nationes  ac  cognatos. ")  Qui  dum  Scithiam  introisset, 
mox  incepit  suadere  quod  peuitus  redireut  in  Panuouiam,  ultionem  de  Ger- 
nianicis  accepturi.  Eemanseraut  quoque  de  Hunis  virorum  tria  milia  ex 
prelio  Crimildino  erepti  per  fuge  interfugium,  qui  timentes  occidentis  nationes 
in  campo  Chigle  usque  Arpad  permanserunt,  qui  se  ibi  non  Hunos,  sed  Za- 
culos  vocauerunt.  ^)  Isti  enim  Zaculi  Hunorum  sunt  residui,  qui  dum  Hungaros 
in  Pannoniam  iterato  cognouerunt  remeasse,  redeuntibus  in  Euthenie  finibus 
occurrerunt,  insimulque  Panuonia  conquestata  partem  in  ea  sunt  adepti, 
non  tarnen  in  piano  Panuonie,  sed  cum  Blackis  in  montibus  confiniis  sortem 
habuerunt.    Unde  Blackis  commixti  literis  ipsorum  uti  perhibentur.  ä)    Isti 


^)  In  den  übrigen  Chroniken  hinzugefügt:  Manserat  namque  Chaha  in 
Grecia  cum  Honorio  annis  Hill,  sed  rediit  in  Scythiam  anno  uno  propter 
viarum  discrimina,  et  difficultatem  passagiorum,  worauf  der  bericht  über 
Csabas  corosminische  gattin  folgt. 

")  In  den  übrigen  Chroniken:  per  fuge  interfugium  erepti  de  prelio 
Criimheldino  (Chr.  Pos.  Cuminhtddino)  in  campium  Chigla  mezei  se  colligere 
procurarunt.  Qui  cum  timerent  occidentis  nationes  ne  eos  inuaderent  ex 
abrupto,  ad  Erdeelew  intrauerunt,  non  se  Hungaros,  sed  Zeicul  (Sicidos) 
alio  nomine  vocauerunt. 

'■')  Ausführlicher  berichten  darüber  TurOczi  und  Oläh. 

38* 


57C  bLeyer 

qiiilipe  Zaculi  in  Grecia  periisse  Cbabani  putaueriuit.  Uiule  vulgiis  adhuc 
Inquitur  in  coiuimmi:  Tunc  redire  »lebeas,  quando  Chaba  de  Grecia  reuertetur. 
Iste  itrit'ir  filius  Etlicle  ost  lef,ntiiiins"),  ex  filia  Honorii  iiiii)orat()ris  Gn'corum 
geuitus,  cui  Edeiueu  et  Ed  tilii  snut  vocati.  Edcmeii  autfiii,  cum  llniigari 
in  Pannouiara  secniidario  sunt  reuersi,  cum  maxima  familia  patris  sui  et 
niatris  introiuit,  nam  mater  eins  de  Corosmiuis  orta  erat.  Ed  vero  in  Scitia 
reiiiaiisit  apud  patrem.  Ex  isto  eiiiiii  Cbaba  f;;eneratio  Abe  est  egressa.  Cum 
igitur  Chaba  adieiis  in  .Scitiam  nobilitate  genitricis  in  communi  se  iactaret, 
Hunoruni  nobilitas  ipsuni  contempuebat,  asserentes  eum  non  verum  esse 
ahimpnium  regui  Scitie,  sed  quasi  niissitaliuni  extere  nationis.  Propter 
quod  e  Scitia  uxorem  non  acco])it,  sed  traduxit  de  gente  Corosmina. '-')  — 
Püstquam  autem  filii  Ethele  in  prelio  Crumhelt  cum  gente  Scitica  fere 
quasi  deperiissent,  Pauuonia  extitit  X  annis  sine  rege,  Sclauis  tautummodo 
Grecis  Teutonicis  Messianis  et  Vlabis  aduenis  remanentibus  in  eadem,  (jui 
viuente  Ethela  popuhiri  seruitio  sibi  seruiebant.  Surrexit  tandem  Zuatapulg 
lilius  Morot,  prineeps  quidera  in  Polonia,  qui  Bracta  subiugandu  Bulgaris 
Messianisque  iraperabat,  incipiens  similiter  in  Pannonia  post  Hunoruni  ex- 
terminium  dominari.  Hunc  quidem  Hungari  . . .  cum  tota  militia  pereme- 
runt,  et  äc  Pannonie  populis,  qui  superius  sunt  uotati  inceperuut  dominari. 

Was  noch  weiter  berichtet  wird,  gehört  nicht  mehr  zur 
eigentlichen  Hunnensage;  die  clironologie  von  der  regierung 
Attilas  im  Chron.  Vind.  und  einigen  anderen  Chroniken  ist 
natürlich  gelehrte  combination. 

AVie  ich  schon  oben  s.  551  hervorgehoben  habe,  war  dieser 
teil  der  sage  vom  ungarisch-nationalen  Standpunkte  der  wich- 
tigste: er  bot  die  begründung  der  Identität  der  Hunnen  und 
Ungarn  und  die  rechtfertigung  der  ung.  landnahnie.  Eben 
deshalb  ist  die  selbständige  Weiterbildung  der  germ.  Über- 
lieferung durch  die  Ungarn  hier  am  weitesten  gediehen.  Aus 
den  speciflsch  ung.  elementen  dieser  partie  der  Hunuen- 
geschichte  ergeben  sich  probleme,  die  zu  den  umstrittensten 
der  ung,  Urgeschichte  gehören.  An  diese  stelle  sind  nament- 
lich die  Szeklerfrage  und  die  frage  der  ung.  kerbschrift  ge- 
knüpft. Für  unsere  aufgäbe  sind  sie  aber  nicht  von  unmittel- 
barer Wichtigkeit;  eben  deshalb  ist  es  nicht  nötig,  dass  ich 
hier  eine  Übersicht,  geschweige  eine  kritik  der  mehr  oder 
weniger  begründeten  antworten  gebe  (auch  die  neuesten  haben 

')  Bei  H.  V.  Mügf'ln:  Derseih  kaha  waz  der  letzt  sun  Jnoiig  etzels. 

^)  In  den  übrigen  Chroniken:  i/jc  (Cbaba)  ni<<c»i  in  Sct/tidi»,  paternam 
scilicet  sedem  adiendo,  iixorem  de  Scitia  non  accepit,  sed  tradiuit  de  Co- 
rosmina, de  consilio  Bendekiiz  aui  srii,  quetn  sanum,  sed  nimis  decrepitum 
diciinr  inuenisse. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER  UNG.  HUNNENSAGE.  577 

meiner  überzeng-ung  nach  die  einzelnen  fragen  nicht  in  ihrem 
ganzen  umfange  geklärt),  mit  denen  eine  lösimg  der  auf- 
gestellten Probleme  bisher  versucht  wurde. 

Die  deutung  des  namens  Csaba  macht  Schwierigkeiten. 
Im  allgemeinen  nimmt  man  an,  dass  er  der  specifisch  ung. 
tradition  angehöre.  Im  ung.  heisst  eine  pflanze  (aber  nur 
mundartlich  und  auch  so  höchst  selten ') )  Csaba-ire  (Csaha-irem) 
'pimpinella  germanica  saxifi'aga'.  Ihren  namen  erklären  ältere 
botaniker  durch  die  erzählung,  die  wahrscheinlich  auf  gelehrter 
invention  beruht  (die  pimpinella  hat  auch  im  glauben  der  germ. 
Völker  eine  wundenheilende  und  blutstillende  kraft),  dass  Csaba 
seine  15000  verwundeten  mannen,  mit  denen  er  nachher  nach 
Griechenland  floh,  mit  dieser  pflanze  geheilt  habe.  2)  Ausserdem 
heisst  die  milchst  rasse  im  ung.  (sie  hat  auch  andere  namen) 
hadalc-üfja  *via  belli',  welche  bezeichnung  in  einem  märchen^) 
zweifelhaften  Ursprungs  folgendermassen  erklärt  wird:  Csabas 
mannen  seien  auf  dem  sternenpfade,  der  seither  von  den  hufen 
ihrer  rosse  sprüht  (milchstrasse)  herabgestiegen  und  haben  den 
bedrängten  Szeklern  in  ihrer  not  beigestanden.^)  Auf  die  dar- 
stellung  in  der  Hunnenchronik  und  auf  diese  höchst  unsicheren 
mythischen  züge  gestützt  halten  manche  ung.  gelehrte  die 
ganze  figur  Csabas  für  mythisch,  die  aus  dem  ung.  mythos  in 
die  Hunnensage  übergetreten  sei.^) 

Der  name  'Csaba'  wird  auch  von  dem  anonymen  notar 
(cap.  45)  erwähnt:  Zuardu  in  eadem  terra  duxH  sihi  uxorem, 
et  pojndus  iUe  qiii  nunc  dicitur  sohamogera  (lies  Csaba  magyera 
'der  Ungar  Csabas'),  mortuo  duce  Zuard  in  grecia  remansit.  Et 


1)  Vgl.  Borbäs  V.,  Magyar  nyelvör,  jahrg.  1896,  s.  553. 

2)  Vgl.  Ipolyi  Arn.,  Magyar  mythologia  s.  253,  und  Sebestyen  a.a.O. 
s.  531  ff. 

^)  Vgl.  Ipolyi  Arn.,  Magyar  mythologia  s.  581.  Lugossy  J.,  Osmagyar 
csillagismei  közlemeny.  Üj.  magy.  müzeum,  5.  jahrg.  (1855),  1,  115  ff.  Sebe- 
styen  a.  a.  0.  s.  535  ff.    Vgl.  auch  Ipolyi  Arn.,  Zs.  f.  d.  myth.  1, 160  ff. 

")  Eine  andere  deutung  gibt  A.  Szirniay,  Huugaria  in  parabolis:  Ha- 
daJcüUija  ex  eo  vocatnr:  quocl  ex  Asia  egressi  (Hungari)  ductiim  consteUa- 
tionis  huJKS  in  Etiropam  secuti  fuerunt.  Diese  erklärung,  die  augenschein- 
lich eine  ganz  willkürliche  ist,  fand  auch  in  J.  Grimms  Deutsche  myth.'^  s.  331 
eingang. 

*)  So  Ipolyi  Arn.,  Magyar  mythologia  s.  159f.  354  ff.  u.  ö.  Marczali  H., 
A  sz6kelyek  eredet6rol,  Buda-pesti  szemle  25, 142.    Auch  Petz  a.  a.  0.  s.  80. 


578  ULKYKK 

idco  dldus  est  sola  sccundum  grecos,  id  est  stulfiis  jiojndus, 
quia  mortito  domino  suo  nlani  non  diJc.rit  redire  ad  pntriam 
suam.  Dass  zwischen  diesem  berichte  des  anoii3'meii  notars 
und  dem  der  Hiinnengeschichte  über  Csaba  ein  zusammenliang' 
vorhanden  sein  muss,  kann  kaum  bezweifelt  werden.  In  der 
versilimähung  des  geschwätzes  der  Spielleute  aber  deutet  der 
gelehrte  notar  leider  auch  hier  seine  sagenkenntnis  nur  eben 
an,  und  zieht  ihr  augenscheinlich  eine  einfältige,  gelehrte  ety- 
mologie  vor:  sola  <  griech.  oxo^-  (anklingend  an  ung.  ostoha: 
ein  slavisches  lehnwort,  ==  'dumm').  So  bleibt  denn  der  Zu- 
sammenhang dunkel,  und  die  herangezogene  stelle  bei  dem 
notar  kann  uns  in  der  deutung  der  Csaba-sage  kaum  fördern. 
Der  umstand,  dass  hier  ein  ung.  yolksstamm  als  Csaba  nuujycra 
bezeichnet  wird,  führt  G.  Nagy ')  zu  der  annähme,  dass  Csaba 
eigentlich  mit  dem  volksnamen  der  hunnischen  Saviri  oder 
Sabiri  identisch  sei,  die  von  Jordanes  (Getica  cap.  5),  so  scheint 
es,  auch  Ilunuguri  genannt  werden.  Die  Hiinuguri  hält  Nagy 
für  'Ungarn'  und  auf  den  bericht  kaiser  Constantins^)  über 
die  2^aßaQroiaöcfaXoi  gestützt  schliesst  er,  die  Sabiri  seien 
eigentlich  ein  ung.  volksstamm  gewesen,  und  Csaba  sei  dem- 
gemäss  ein  eponymus  und  sei  infolge  der  erinnerung  an  die 
Übersiedlung  eines  teiles  der  Hunnen  nach  dem  untergange 
des  Hunnenreiches  an  die  untere  Donau  im  römischen  reich 
in  die  specifisch  ung.  sage  von  den  Hunnen  aufgenommen 
worden.  Wie  scharfsinnig  diese  hypothese  auch  sein  mag,  so 
ist  sie  doch,  auf  wissenschaftlich  nicht  beweisbaren  ansichten 
aufgebaut,  kaum  mehr  als  ein  blosses  spiel  der  phantasie. 

Eine  andere  erklärung  gibt  Sebestyen  (a.a.O.  s.  549  ff.),  der 
auch  hier  avarische  beeinflussung  der  germ.  Überlieferungen 
sieht.  Er  hält  die  deutung  des  ausdruckes  hadaJc  ülja  durch 
das  erwähnte  märchen  für  alte  und  echte  tradition  und  gründet 
darauf  seine  hypothese  von  Csaba.  Er  führt  die  bekannte 
sagenhafte  erzähhing  AVidukinds^)  von  dem  untergange  des 


')  Adatok  a  szekelyek  eredetehcz  es  egykori  lakhelyehez  s.  130,  und 
Pallas  nagy  lexikona  4,  380  f. 

')  De  adm.  imp.  cap.  38.  A  magyar  boufoglaläs  kütf  oi,  szerk.  Pauler 
Gy.  CS  Szilägyi  S.,  1900,  s.  120  f. 

*)  MG.  SS.  3,  -420  ff.  Die  sage  ist  uns  auch  in  anderen  quellen  erhalten  ; 
vgl.  K.  Miillcnhoft,  Zs.  fda.  17,  ö7  if.  R.  Koegel,  Gesch.  d.  deutschen  litcratur 
1, 1, 124  if.  SijmoDS  a.  a.  o.  s.  608- 


DIE    GERM.   ELEMENTE   DER   UNG.   IIUNNENSAGE.  579 

tliüringisclien  reiches  an:  Irminfrid,  der  letzte  thüringisclie 
köuig-,  flielit  mit  weib  und  kindern  bei  dem  nächtlichen  über- 
falle der  Sachsen,  die  mit  dem  Frankenkönig  Thiadricus,  dem 
Schwager  Irmiufrids,  verbündet  waren.  Thiadricus  lässt  Irmin- 
frid zurückrufen  und  überredet  durch  falsche  Versprechungen 
Iring,  den  vertrauten  ratgeber  des  unglücklichen  königs,  seinen 
eigenen  herrn  zu  töten.  Nach  vollendeter  tat  wird  aber  Iring 
statt  der  erwarteten  belohnung  des  reiches  verwiesen,  worauf 
er  den  Frankenkönig  aus  räche  ersticht  und  sich  mit  dem 
Schwerte  einen  Aveg  bahnt.  Widukind  selbst  bezweifelt  die 
Wahrhaftigkeit  des  berichtes,  fügt  aber  hinzu:  Mirari  tarnen 
non  possumus,  in  tantam  famam  praevaluisse,  nt  Iringis  no- 
mine, quem  ita  vocüant,  ladeus  coeli  circulus  usque  in  praesens 
Sit  notatus.  Ausser  dieser  sage  zieht  Sebestyen  auch  das 
Nibelungenlied  heran,  wo  Irnfrit  und  Iring  am  hofe  Etzels 
weilen,  da  sie  nach  der  Klage  (v.  373  ff.)  in  des  reiches  acht 
seien.  Weiterhin  weist  Sebestyen  einen  historischen  Avaren- 
fürsten  Iring  nach,  der,  so  berichtet  Eegino^),  796  von  herzog 
Heinrich  von  Friaul  aus  seinem  westpannon.  besitztum  vertrieben 
worden  und  zu  dem  deutschen  kaiser  geflohen  sei.  Auf  diese 
historische  gestalt  müssen  nach  Sebestyen  die  angeführten  sagen- 
haften Überlieferungen  bei  Widukind  und  im  Nib.-l.  zurück- 
geführt werden,  die  im  gründe  mit  der  ung.  tradition  von  Csaba 
(dieser  sei  ursprünglich  ebenfalls  ein  vertriebener  Avarenfürst) 
identisch  und  aus  Pannonieu  nach  Deutschland  verpflanzt 
worden  seien.  Die  ganze  identificierung  der  deutschen  Über- 
lieferung von  Iring  dem  epischen  und  Iring  dem  mythischen 
beiden  mit  der  ung.  Csaba-sage  ist  aus  vielen  gründen  unmög- 
lich; es  genügt  aber  vollkommen  der  hin  weis,  dass  die  behaup- 
tung,  Iring  sei  ein  historischer  Avarenfürst  gewesen,  auf  einem 
'groben  misverständnis'  Reginos  beruht,  der  aus  Hringus 
'Avarenring'  einen  Avarenfürsten  namens  Iring  gemacht  hat.^) 


1)  MG.  SS.  1,561,  ad.  a.  796. 

*)  Bei  Regiuo  heisst  es:  Henricus,  dux  ForoManorum  ...  Irimjum 
(jentis  Avarorum  principem  . . .  improvise  expoliavit.  Vgl.  die  bezügliche 
stelle  bei  Eiuliard,  MG.  SS.  1, 183  ad  a.  796:  eiu  teil  des  Schatzes,  (luaii 
EricHS  äiLV  Forondiensis,  spoliata  Hunonun  regia  quae  Hringus  vocahatur, 
eodem  anno  regt  de  Pannonia  detiderat,  wiirde  dem  neu  erwählten  papst 
Leo  zum  geschenke  nach  Rom  geschickt.  Aus  Eegiuos  chronik  geriet  das 
misverständnis  auch  in  andere  Chroniken.    Vgl.  Abel-Simon,  Jahrbücher  des 


f. 


so  BLEYEU 


Die  angeführte  orkläniiig  der  Csaba-sage  ist  der  wichtigste 
inmkt  in  der  beweisfiihrung  Sebestyens;  da  aber  diese  erklä- 
rung  falsch  ist,  muss  seine  ganze  Szekler- Avaren- theorie  in 
beziig  anf  die  sage  als  verfehlt  nnd  niislungen  bezeichnet 
-werden. 

Den  namen  Csaha  selbst  leitet  H.  Vämbery  (Der  Ursprung 
der  Magyaren  s.  109)  etymologisch  aus  dem  türk.  her;  er  meint, 
er  sei  'mit  dem  türkischen  cajmJc  »einer,  der  einen  einfall 
macht,  ein  krieger«,  identisch,  und  zwar  ein  nonien  agentis 
von  der  Stammsilbe  äq},  cab  »einfallen,  angreifen«'.  Ob  diese 
etymologie  richtig  ist,  mag  dahingestellt  sein:  sicher  ist  nur 
so  viel,  dass  Csaha  im  mittelalter  ein  häufiger  und  volk.stüm- 
licher  ung.  name  war,  der  als  personenname  in  den  Urkunden 
oft  belegt  und  auch  in  Ortsnamen  erhalten  ist.') 

Es  ist  klar,  dass  uns  die  Vermutungen  über  Csabas  person 
und  namen,  die  bisher  aufgestellt  wurden,  in  der  deutung  der 
Csaba-sage  wenig  oder  gar  nicht  fördern  können.  Die  rolle, 
die  Csaba  in  der  ung.  Hunnensage  inne  hat,  halte  ich  nur 
teilweise,  und  zwar  nur  in  ihrem  abschlusse,  für  si)ecitisch 
ungarisch,  ihrem  kerne  und  ihrer  ganzen  anläge  nach  beruht 
sie  auf  historischer  grundlage  und  ist  germanischen  Ursprungs. 
Wie  ich  schon  oben  s.  541  f.  ausführte,  ist  es  höchst  wahrschein- 
lich, dass  die  mutter  Csabas  mit  Helche  in  der  deutschen  sage 
und  mit  Kreka  in  der  geschichte  identisch  ist.  Aus  dtr  Hunnen- 
chronik geht  es  deutlich  hervor,  dass  Csaba  Aladär  gegenüber 
der  liebling  der  Hunnen,  und  wahrscheinlich  auch  der  Attilas 
war.  Von  einem  liebling  Attilas,  'Jl^rax  oder  Jl^räc,  der 
sein  jüngster  söhn  gewesen,  sagt  Priscus  (Corp.  scr.  Byz.  s.  161 
und  s.  206),  dass  er  deshalb  bevorzugt  worden  sei,  weil 
von  ihm  geweissagt  wurde,  dass  er  das  gestürzte  geschlecht 


fränkischen  reiches    unter  Karl  d.  gr.  2  (1883),  99,  und  Forschungen  zur 
deutschen  geschichte  14,  135. 

>)  Auffallend  ist,  dass  Schaha  als  name  eines  ung.  hecrführers  in  der 
schlaolit  bei  Augs1»nry  in  Aventins  Amialen  a.a.O.  s.  13  und  15  und  Chronik 
5, 1,  272  und  273  erwähnt  ist.  Andere  quellen  wissen,  soAvcit  ich  sehe,  von 
diesem  Schaha  nichts,  und  wie  er  in  Aventins  werke  geraten  ist,  ist  un- 
bekannt. Mit  der  Hunneusage  darf  aber  ein  Zusammenhang  kaum  an- 
genommen werden.  Vgl.  Nagy  G.,  Adatok  a  szekelyek  eredetehez  es  egykori 
lakhelyehez  s.  15G. 


DTE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG.  HUNNENSAGE.  581 

Attilas  wider  erheben  werde.  Zu  elDen  dieser  zeit  war  nach 
Priscus  (a.a.O.  s.  197  und  207)  Kreka  die  bevorzugte  gattin 
Attilas;  der  orientalischen  sitte  gemäss  stammte  also  der  be- 
vorzugte söhn  Ernac  wahrscheinlich  von  der  bevorzugten 
gattin  Kreka.  Von  diesem  jüngeren  söhne  Attilas,  Hernac, 
meldet  weiterhin  Jordanes  (Getica  cap.  50),  dass  er  sich  mit 
dem  reste  seiner  Hunnen  nach  der  Schlacht  bei  dem  flusse 
Nedao  in  den  äussersten  teilen  Kleinscythiens  niedergelassen 
habe.  Ich  glaube  nun,  dass  die  ung.  tradition  von  Csaba 
wesentlich  auf  Überlieferungen  von  dem  Schicksale  dieses 
lieblingssohnes  Attilas  beruht.  Die  Übereinstimmung  ist  auf- 
fallend, und  die  ung.  sage  zeugt  auch  hier  wider  von  einer 
merkwürdigen  historischen  treue.  Das  Schicksal  Ernacs  ist 
in  jeder  hinsieht  mit  dem  Csabas  identisch:  Ernac  ist  wahr- 
scheinlich der  söhn  Krekas,  wie  Csaba  vermutlich  der  Kreka 
=  Reiches;  Ernac  ist  der  liebling  Attilas,  wie  Csaba  der  der 
Hunnen;  von  Ernac  ist  geweissagt,  dass  er  das  geschlecht 
Attilas  wider  erheben  werde,  wie  Csaba  in  der  ung.  sage  der 
eigentliche  Urheber  der  rückeroberung  Pannoniens  durch  die 
Hunnen  =  Ungarn  und  der  ahne  des  hauses  Ärpäd  ist;  und 
wie  Ernac  flieht  auch  Csaba  mit  dem  reste  seines  heeres  nach 
Scythien  zurück.  In  der  gescliichte  ist  Ernac  zwar  der  jüngste 
oder  jüngere  söhn  Attilas,  Csaba  aber  in  der  ung.  sage  der 
ältere;  doch  ist  es  ganz  deutlich,  dass  dies  nur  eine  secun- 
däre,  durch  die  aufnähme  Kremhelds  bewirkte  Verschiebung 
sein  kann. 

Wie  merkwürdig  nun  auch  die  Übereinstimmung  sein  mag, 
so  ist  die  erzählung  in  der  Hunnengeschichte  doch  keinesfalls 
aus  gelehrter  quelle,  sondern  aas  der  ung.  volkssage  entnommen. 
Ich  glaube,  dies  braucht  nicht  erst  besonders  bewiesen  zu  werden. 

In  der  Edda  heissen  Atlis  söhne,  wie  ich  schon  oben 
s.  569  erwähnt  habe,  Erpr  und  Eitill.  An  stelle  des  letzteren 
ist  in  der  deutschen  sage  durch  einwirkung  der  pannonischen 
tradition  der  söhn  Kriemhilds,  Ardarich  >  Aldrian  -  Orte - 
Ortwin  -  Ortlieb  getreten.  Von  Erpr  hat  schon,  wie  ich  be- 
reits s.  571  hervorhob,  Bugge  wahrscheinlich  gemacht,  dass 
er  mit  dem  historischen  Ernac,  also  mit  Csaba  in  der  ung. 
tradition,  identisch  ist.  Erpr  kehrt  in  der  deutschen  sage  als 
Erpfe   wider,   für  den   wir   aber   auch   den   uamen   Schar^^fe 


582  BLEYER 

liaben.  Ich  glaube,  aucli  dieser  iiame  ist  mit  Anlaricli  > 
Aldriaii-Orte  aus  der  pannonisdien  tradition  in  die  deutsche 
sage  lierübergenommen  worden.  Im  ostgerm.  muss  dieser  name 
*>S/>Y07)a  geblutet  haben'),  und  ich  vermute,  dass  Csaha  sich 
zu  *lSharpa  ebenso  verliält,  wie  Aladdr  zu  Ardarich,  d.  h.  dass 
Shvjni  im  ung.  zu  Csabd  umgeformt  wurde,  vielleicht  unter 
dem  einflusse  eines  schon  vorhandenen  ung.  Personennamens. 
In  der  deutschen  und  nord.  Überlieferung  überlebt,  wie  Kitill 
=  Aldrian  =  Ortlieb,  so  auch  Erpr  =  Scharpfe  den  tod  Attilas 
und  die  katastrophe  des  Hunnenreiches  nicht.  Die  ung.  tra- 
dition hingegen  weiss  wie  von  dem  tode  Aladärs,  so  auch  von 
dem  Csabas  nichts;  ja  an  letzteren  sind  noch  weitere  und 
wichtige  Überlieferungen  geknüpft,  die,  ob  zwar  ostgotisch- 
pannonisch  und  nicht  specifisch  nng.  Ursprungs,  in  die  deutsche 
sage  keinen  eingang  gefunden  haben.  Der  grund  ist  auch 
hier  Avie  sonst  darin  zu  finden,  dass  die  deutsche  sage  kein 
selbständiges  interesse  für  Attila  und  den  Untergang  des 
Hunnenreiches  bewahrt  hat. 

Von  der  erzählung  der  Hunnenchronik  über  Csaba  halte 
ich  folgendes  für  pannonisches  sagengut,  das  von  den  Ungarn 
nach  ihrer  ein  Wanderung  lierübergenommen  worden  war: 
Csaba,  ein  söhn  Eteles  von  einer  Griechin,  wird  von  den 
Hunnen  zum  nachfolger  seines  vaters  erwählt;  gegen  ihn 
tritt  Aladär  auf,  besiegt  ihn  im  zweiten  treffen  und  vertreibt 
ihn  nach  Griechenland.  Auch  der  glaube  an  eine  rück- 
kehr  Csabas  wird  noch  der  pannonischen  tradition  angehört 
haben.  Der  bericht  des  Priscus  zeigt,  dass  dieser  glaube  unter 
den  Untertanen  Attilas  verbreitet  war,  er  kann  also  in  der 
pannonischen  Überlieferung  wol  erhalten  geblieben  sein;  für 
die  ung.  volksphantasie  bildete  er  aber  einen  punkt  in  der 
sage,  der  zu  einer  nationalen  anknüpfung  und  fortsetzung 
geradezu  aufforderte.  Freilich  ward  an  die  rückkehr  Csabas 
nicht  mehr  recht  geglaubt,  denn  isti  quippe  Zaculi  in  Grecia 
perlisse  putauerunt]  daher  das  Sprichwort  {vulgus  adhiic  loquitur 
in  communi),  das  wider  einen  ausdrücklichen  beweis  für  die 
echtheit  der  sage  liefert:  Tunc  redire  dcbcas,  quando  Chaba  de 
Grecia  rcuertetnr^)    Die  bezweiflung  der  rückkehr  Csabas,  die 

1)  Vgl.  E.  Försteiuaiin,  Altd.  namenbuch  l  unter  Scarpa.  * 

^)  Sebestyeji  a.  a.  o.  s.  495  ff.  uimmt  au,  dieser  zug  sei  von  Tbeoderich, 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG.  HUNNENSAGE.  583 

mit  der  fortsetzimg  der  erzäliliing-  eigentlich  im  Widerspruch 
steht,  beweist  gerade  die  Volkstümlichkeit  der  Überlieferung,  wo 
widersprechende  Unebenheiten  zu  den  häufigsten  erscheinungen 
gehören.  Es  wurde  an  dem  zw^ifel  festgehalten,  unbekümmert 
darum,  dass  der  specifisch  ung.  zusatz  lautete:  die  Hunnen  = 
Ungarn  in  Scythien,  zu  denen  Csaba  zurückgekehrt  war,  folgten 
dem  rate  Csabas,  drangen  nach  dem  westen  vor  und  eroberten 
unter  Ärpäd,  dessen  ahne  Attila  war,  Pannonien.  Diese  fort- 
setzung  wurde  von  der  specifisch  ung.  sage  (zum  teil  gewis 
auch  willkürlich  von  dem  clironisten)  durch  heranziehung 
genealogischer  und  anderer  ung.  Überlieferungen  ausgeschmückt. 
Hierher  gehört  w^ahrscheinlich  die  Vermählung  Csabas  mit 
einem  mädchen  aus  dem  stamme  der  Corosumü^)-,  der  bericht 
über  Csabas  söhne,  Ed  und  Edenien;  die  anknüpf  ung  des  ge- 
schlechtes ÄLa  an  das  Csabas,  und  natürlich  alles,  was  mit 
der  Überlieferung  von  der  ung.  landnahme  in  unmittelbarem 
zusammenhange  steht. 


der  in  Griecheuland  weilte  und  von  seinem  volke  erwartet  wurde,  auf  Csaba 
übertragen  worden.  Aber  abgesehen  davon,  dass  Theoderich  nicht  vergebens 
erwartet  worden  war,  wie  Aväre  diese  Übertragung  vorstellbar  und  was  hätte 
sie  veranlassen  sollen?    Ich  kann  dieser  Vermutung  nicht  beipHichten. 

1)  Die  deutuDg  der  Corosrnmi  ist,  so  meine  ich  (vgl.  jedoch  Yämbery, 
Ursprung  d.  M.  s.  176)  noch  nicht  gelungen.  Sollten  sie  vielleicht  mit  den 
liosomini  identisch  sein?  Von  diesen  meldet  Jordanes,  Get.  cap.  2-t,  dass 
aus  ihrem  geschlechte  die  Sunilda  entstammt  sei,  die  Ermanarich  wegen 
der  trügerischen  flucht  ihres  gatten  an  wilde  pferde  habe  binden  und  aus- 
eiuanderreissen  lassen.  Der  name  Bosomini  ist  schwerlich  historisch,  son- 
dern episch  (vgl.  Jiriczek  a.a.O.  s.  57  ff.  und  Sijmons  a.a.O.  s.  G82f.),  wie 
denn  der  ganze  bericht  bei  Jordanes  entschieden  aus  der  ostgot.  sage  ent- 
nommen ist.  "Wenn  die  Corosmini  mit  den  Bosomini  identificiert  werden 
dürften,  so  ergäbe  sich  ausser  der  oben  angeführten  Vermutung,  dass  Ernac 
<C  Er}))-  mit  C'saha  identisch  sei,  noch  eine  weitere  Übereinstimmung  der 
natürlich  nicht  specifisch  ungarischen,  sondern  pannonischen  tradition  mit 
der  nord.  sage,  und  zwar  mit  der  Ermanarichsage ,  wo  auch  der  Stiefsohn 
Guörüns  (einbastard:  vielleicht  weil  er  ursprünglich  von  Herkja,  der  magd, 
abstammt?)  E)-pr  heisst,  der  von  seinen  brüdern  ermordet  wurde  (=  der 
hunnische  bruderzwist  in  der  geschichte  und  ung.  sage?),  als  sie  auf  GuÖ- 
rtins  aulforderung  auszogen,  den  tod  ihrer  Schwester  Svanhildr  an  Jormun- 
rekkr  ^  Ermanarich  zu  rächen  (vgl.  GuÖrünarhvot  und  HamÖesm^l).  Doch 
Avill  ich  diese  Vermutung  hier  nicht  weiter  verfolgen,  und  nur  noch  erwähnen, 
dass  sich  daraus  auch  für  die  Verachtung,  auf  die  Csaba  bei  den  stamm- 
verwanten  stösst,  und  deren  folge  seine  Vermählung  mit  einem  fremden 
mädchen  ist,  eine  erklärung  ergeben  würde. 


584  BLKYER 

Ungarische  weiterhiMiing  wird  nui^li  die  erzälilunj":  von 
den  Szeklern,  von  ilirer  niederlassung  auf  dem  felde  Chi<jla  = 
Csigla  (oder  Cz'kjIü'^  (liüjhi  mezcÄ  'campi  Cliiglae')')  in  Eräcdew 
(=7->(/(7// 'Siebenbürgen'),  und  ihrem  anschlusse  an  die  Ungarn 
in  Euthenien  sein;  der  bericlit  von  den  Wallaclien  und  der 
kerbsclirift  ist  natürlich  von  dem  Chronisten  in  die  sagenliafte 
erzälihing  eingesclialtet.  Der  glaube  an  die  hunnische  ab- 
stammung  war  bei  den  Szeklern.  auch  nachdem  die  sage  längst 
ausgestorben  war,  tief  eingewurzelt  geblieben  und  wird  auch 
heute  noch  nur  mit  Widerwillen  aufgegeben.  Auch  der  skep- 
tische notar  könig  Relas  vermochte  sich  ihm  nicht  zu  entziehen: 
Siculi,  qui  primo  erant  pojndi  athyle  regis  (cap.  50).  Aus  diesem 
ihrem  zähen  glauben  und  daraus,  was  von  ihnen  im  zusammen- 
hange mit  den  Hunnen  in  der  sage  erzählt  wird,  ergibt  sich 
deutlich,  dass  die  Szekler  die  eifrigsten  pfleger  der  Hunnen- 
sage gewesen  sein  und  sich  vor  allen  übrigen  ung.  stammen 
in  nächster  beziehung  zu  den  Hunnen  gedacht  haben  müssen. 
Was  die  veranlassung  zu  dieser  auffassung  gegeben,  ist  dunkel 
und  wird  wahrscheinlich  erst  eine  erklärung  finden,  wenn  das 
Szekler-problem  endgiltig  und  in  seinem  ganzen  umfange  gelöst 
sein  wird.  Die  deutung  des  namens  allein,  wie  sie  Karacsonyi 
vielleicht   gelungen   ist    {szeldi   aus   sloven.  sclcati   'einer   der 


^)  Uelier  Chiyla  siud  schon  vielfaclie  Ycrmutuiigen  aufgestellt  worden. 
Eine  richtige  deutung  ist,  so  meine  ich,  Karacsonyi  a.a.O.  s.  73  durch  den 
hinweis  auf  eine  hügelgruppe  namens  Czigla  hei  Band,  Kienes  und  Bazed 
im  coniitate  Maros-Torda  in  Siehenhürgen  gelungen.  "Wenn  aber  Karacsonyi 
behauptet,  dass  der  chronist  den  bericht  über  die  niederlassung  der  Szekler 
und  ihren  anschluss  an  die  Ungarn  selbst  erdichtet  habe  und  zwar  auf 
grund  gewisser  episoden  der  Tartareninvasion  (12-11—42),  so  ist  das  ent- 
schieden irrig.  Diese  erzählung  gehört  zweifellos  der  echten  Überlieferung 
an,  und  es  ist  nicht  unmöglich,  worauf  AI.  Domanovszky  mich  aufmerksam 
macht,  dass  hier  ein  gewisser  Zusammenhang  mit  der  niederlassung  eines 
teiles  der  Hunnen  in  Dacien  vorhanden  ist,  worüber  Jordanes,  Get.  cap.  4 
meldet  und  zwar  unmittelbar  nach  dem  berichte  über  Hernac:  Hernac 
qnoque  hmior  Attilue  lilixs  cum  suis  in  e:vtrema  miuoris  Scythiae  sedes 
ddeyit.  Evoictzur  et  VHziudur  consanguinei  eius  in  Dada  ripcnse  Vto  et 
Jlisco  Ahnoque  potiti  sunt,  mxdtiquc  Ihinnorum  passim  prorucntes  tunc  sc 
in  Eomana  dediderunt,  e  quihus  nunc  usque  Sacromontisi  et  Fossntisii 
diruntur.  In  diesem  falle  würde  natürlich  die  bezügliche  erzählung  ur- 
sprünglich der  pannonischeii  tradition  angehört  haben  und  wäre  erst  später 
auf  den  ung.  stamm  der  Szekler  von  den  Ujigarn  übertragen  und  weiter 
ausgestaltet  worden. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG,   HUNNENSAGE.  585 

bäume  fällt,  wege  liaut'),  ist  keine  endgiltig-e  iiiiii  allseitige 
lösung  der  frage:  diese  kann  zwar  aus  der  Hunnenclironik 
allein  sicher  nicht  gefunden  werden,  aber  sie  kann  auch  eben- 
sowenig befriedigend  sein,  wenn  sie  gegen  dieselbe  versucht 
wird.  Der  bericht  der  Hunnenchronik  über  die  Szekler  beruht 
zweifellos  auf  echter  sage  und  ist  keine  willkürlich  zusammen- 
gestellte, gelehrte  fabelei  des  Chronisten.  Eben  deshalb  muss 
eine  endgiltige  lösung  des  Szekler-problems  auch  eine  erklärung 
der  sage  bieten.  Denn  echte  sage  enthält  immer  tiefe,  wenn 
auch  misverstandene  und  misgedeutete  historische  beziehungen: 
sie  darf  in  historischer  hinsieht  von  der  literarischen  forschung 
nicht  überschätzt,  aber  auch  nicht  vom  historiker  als  wertlos 
verschmäht  werden.  Die  sagenforschung  bietet  für  die  Wahr- 
heit dieses  princips  unzählige  belege. 

Es  hat  sich  also  bei  der  erörterung  des  abschliessenden 
teiles  der  Hunnenchronik  dasselbe  resultat  ergeben,  wie  bei 
den  vorhergehenden  ausführungen:  die  ung.  Hunnensage  ist  ger- 
manischen, namentlich  ostgotischen  Ursprungs  und  baut  sich  auf 
hunnisch-germanischen  historischen  Überlieferungen  auf.  Eine 
deutsche  entlehnung  ist  ausgeschlossen;  deutsche  einwirkung 
zeigt  sich  aber  in  der  erzählung  von  Kremheld.  Doch  ward 
auch  von  der  pannonischen  sage  ein  einfluss  auf  die  deutsche 
Überlieferung  ausgeübt:  als  nämlich  die  Burgundensage  ab- 
geschlossen, mit  der  Nibelungensage  verknüpft  und  schon  nach 
dem  norden  verbreitet  worden  war,  wurde  die  pannonische 
sage  (eventuell  in  einer  schon  mit  der  Dietrich -Odoaker- sage 
in  Italien  verknüpften  form)  in  Deutschland  mit  der  Nibe- 
lungensage contaminiert,  wodurch  sich  wichtige  Verschiebungen 
in  der  deutschen  sage  einstellten.  Hei  che,  Dietrich,  Aldrian- 
Orte  und  wahrscheinlich  auch  Scharpfe  stammen  aus  der 
pannonischen  sage,  die  mit  merkwürdiger,  aber  leicht  erklär- 
barer treue  an  den  historischen  traditionen  festhielt.  Diese 
treue  wurde  auch  von  den  ung.  pflegern  der  sage  bewahrt, 
und  eine  specifisch  ung.  Weiterbildung  zeigt  sich  nur  in  dem 
letzten  abschlusse  der  Csaba-sage  und  in  der  anknüpfung  der 
Hunnensage  an  die  Überlieferungen  von  der  ung.  landnahme. 


586  BLEYER 

III.  Znsainmonfrtssiing. 

1)    Urs  \)  V  u  n  g  der  sag  e. 

Aus  d(Mi  bisherigen  ausfüliniiigen  ist  gewis  zur  genüge 
hervorgegangen,  dass  die  sagenliaften  bestandteile  der  ung. 
irunncngescliichte  keine  gelehrte  entlelmung,  sondern  echte 
Überlieferung  sind,  die  im  nördlichen  teile  Pannoniens  localisiert 
im  munde  des  ung.  volkes  lebte.  Dies  wird,  wie  wir  gesehen 
haben,  in  den  Chroniken  des  öfteren  ganz  ausdrücklich  hervor- 
gehoben; aber  mehr  noch  als  diese  geständnisse,  beweist  den 
echt  sagenhaften  Charakter  bedeutender  partien  der  Hunnen- 
chronik der  inhalt  der  bezüglichen  erzählungen  selbst.  Es 
fragt  sicli  nun,  ob  diese  Überlieferungen  vom  volke  nur  erzählt, 
oder  aber  von  ungaiischen  spielleuten  als  epische  dichtungen 
melodisch  vorgetragen  w^urden.  Ich  glaube,  die  Hunnensage 
ist  in  Ungarn  ebenso  gepflegt  worden,  wie  anderwärts  ähnliche 
sagen,  nämlich  vom  volke  in  erzählender  und  von  den  spiel- 
leuten in  poetischer  form  zugleich.  Dass  die  sage  in  liedern 
vorgetragen  wurde,  bezeugt  Olah  ganz  ausdrücklich,  indem  er 
sich  auf  cantiones,  more  Gracco  liistoriam  rethientes  beruft,  iu 
denen  von  Detreh  gesungen  worden  sei.  Beide  aber,  die  er- 
zählende und  liederform,  bezeugt  der  anonyme  notar,  wenn  er 
im  Prologus  seiner  chronik  von  falsae  fahulac  rusticorum  und 
yarndus  cantus  ioculatorum  spricht.  Diese  angäbe  des  notars 
bezieht  sich  gewis  nicht  allein  auf  die  specifisch  ung.  sagen, 
sondern  zweifellos  (vielleicht  sogar  in  erster  reihe)  auch  auf 
die  sage  von  den  Hunnen.  Ist  doch  letztere,  soweit  wir 
kenntnis  von  der  ung.  volkspoesie  früherer  jahrhundeile  haben, 
entschieden  die  grossartigste,  abgeschlossenste  und  bedeutendste 
aller  ung.  volkssagen.  Dass  sie  auch  dem  anonymen  notar  be- 
kannt war,  braucht  nicht  erst  hervorgehoben  zu  werden. 

Der  zweck  meiner  Untersuchungen  war,  die  germ.  bestand- 
teile der  ung.  Hunnensage  und  ihr  Verhältnis  zur  deutschen 
überliefeiung  festzustellen.  Schon  nach  den  erörterungen  von 
Petz  konnte  bei  unbefangenen  forschern  kein  zweifei  darüber 
bestehen,  dass  fast  der  ganze  complex  der  ung.  Hunnensage 
germanischen  Ursprungs  ist.  Specifisch  ungarische  elemente 
dürfen  nur  am  anfange  und  abschlusse  der  sage  angenommen 


DIE  GEKM,  ELEMENTE  DER  UNG.  HÜNNENSAGE.      587 

werden:  dort  sind  sozusagen  nur  ausätze  vorhanden,  hier  eine 
bedeutungsvolle  Weiterentwicklung  in  ungarisch -nationalem 
sinne.  Unter  diesen  elementen  mögen  immerhin  reste  noch 
älteren  ungarischen  sagengutes  vorhanden  sein,  die  zum  teil 
vielleicht  noch  aus  der  asiatischen  Urheimat  stammen;  aber 
es  lässt  sich  keine  einzige  auch  nur  halbwegs  sichere  spur 
nachweisen,  die  bezeugen  würde,  dass  die  Ungarn  aus  dem 
Osten  solche  Überlieferungen  mit  nach  Europa  gebracht  hätten, 
in  denen  schon  ursprünglich  von  Attila  und  den  Hunnen  ge- 
meldet worden  wäre. 

Ich  glaube  aber,  dass  es  mir  gelungen  ist,  den  begriif  des 
germanischen  näher  zu  bestimmen  und  den  nach  weis  zu  er- 
bringen, dass  die  germ.  bestandteile  der  ung.  Hunnensage 
gotischen,  namentlich  ostgotischen  Ursprungs  sind.  Nach  dem 
abzuge  unter  Widemer,  Theodemer  und  Theoderich  d.  gr.  blieb 
gewis  ein  nicht  unbedeutendes  bruchstück  der  Ostgoten  in 
Pannonien  zurück;  wie  denn  auch  einige  jähre  später  nur 
diejenigen  Theoderich  von  der  Balkanhalbinsel  nach  Italien 
folgten,  qui  ei  praehuerunt  consensum  (Jordanes,  Get.  cap.57).  Sie 
hielten,  wie  die  ung.  Hunnensage  beweist,  an  ihren  Überliefe- 
rungen von  mächtigen  ereignissen,  in  denen  sich  der  Hunnen 
und  ihr  eigenes  Schicksal  sjjiegelte,  fest  und  gestalteten  die- 
selben poetisch  immer  mehr  aus.  Die  Wanderung  von  Völkern, 
besonders  von  solchen  kriegerischen  sinnes,  darf  nie  so  vor- 
gestellt werden,  als  ob  alle  stammesgenossen  sammt  und  sonders 
die  alten  wohnstätten  verlassen  hätten:  ein  teil  wird  immer  mit 
den  gegebenen  Verhältnissen  zufrieden  gewesen  sein,  ein  anderer 
zum  kriegerischen  aufbruche  nicht  lust  oder  kraft  besessen 
haben.  Die  niederlassuug  neuer  einwanderer  oder  eroberer 
in  den  verlassenen  oder  erkämpften  Wohnsitzen  darf  auch 
nicht  als  eine  ausrottung  der  zurückgebliebenen  betrachtet 
werden:  ein  teil  wird  bei  dem  zusammenstosse  gewis  unter- 
gegangen sein,  aber  der  andere  teil  wird  sich  den  neuen  Ver- 
hältnissen gefügt  und  friedlich  weitergelebt  haben,  bis  eines 
der  beiden  Völker  in  dem  andern  mehr  oder  weniger  spurlos 
aufgieng.  So  ist  zweifellos  auch  nach  der  Zerstörung  des 
Hunnenreiches  ein  nicht  geringer  rest  von  Hunnen  in  dem 
heutigen  Ungarn  zurückgeblieben,  der  aber  nach  ein  paar 
generationen  von  den   in  cultureller  hinsieht  überlegenen  und 


588  BLEYER 

ohnedies  viel  zalilreielieren  Germanen  assimiliert  werden  miisste. 
Nach  dem  abzuge  der  Ostgoten  bemächtigten  sich  die  Gepiden 
allmälilicli    auch    des   ostgot.   besitzes    jenseits    der   Donau'), 
und  es  ist  wahrscheinlich,   dass  die  Ostgoten  nunmehr  in  den 
nahe  verwanten  Gepiden  alsbald  aufgiengen.     Die  alten  Über- 
lieferungen, die  ja  zum  teil  gewis  schon  infolge  der  gemeinsam 
erlebten   ereiguisse   gemeingut   beider  stamme  waren,  wurden 
w^eiter  gepflegt,   vermehrt   und   mit  fremden  elementen  conta- 
miniert.     Aus   Italien   kam   zweifellos   künde   von  den   ruhm- 
reichen taten  Theoderichs  zu  den  stammverwanten,  er  wurde 
der  grösste  und  glänzendste  held  der  germ.  Völkerwanderung 
und    trat   als   repräsentant    des    Germanentums    auch    in    die 
pannonische  sage  von  den  Hunnen  und  Goten  ein.    Aber  auch 
die  historische  Burgundensage  w^ard  nach  Pannonien  gebracht 
und  bot  (gewis  sehr  erwünschten)  aufschluss  über  die  beweg- 
gründe  der   zerstörenden  und  befreienden  tat  Ildicos,   und  so 
ward   Kriemhild    in    die   pannonische    Hunnensage    noch   vor 
Theoderich    aufgenommen.     Nun   traten   neben   den   friedlich 
immer  mehr  vordringenden   Slaven   um  die   mitte   des  6.  jh.'s 
neue  Völker  in  Pannonien  kriegerisch  auf,  nämlich  die  Lango- 
barden und  Avaren.     Heftige  kämpfe   entspannen   sich,   die 
infolge   des  bündnisses  der  Langobarden  und  Avaren   mit  der 
niederlage    der    Gepiden    und    der    Vernichtung    ihrer   macht 
endeten.    Bald  darauf  verliessen  auch  die  Langobarden  Pan- 
nonien und  zogen  unter  Alboin  (5G8)  nach  Italien  ab.    Die 
Gepiden  aber  wurden   den  Avaren  unterworfen   und  schnmch- 
teten  nun  unter  dem  joche  neuer  knechtschaft  "weiter,  indem 
ihre   zahl   immer  mehr   und   mehr  abnahm.     In   der   zweiten 
hälfte  des  9.  jh.'s  werden  sie  zusammen  mit  den  Avaren  zum 
letzten    male   erwähnt'^),    und   seither    sind   sie   spurlos   ver- 
schwunden.   Wir  sind  also  kaum  berechtigt  anzunehmen,  dass 
Gepiden  in  namhafter  anzahl  noch  existiert  hätten,  als  Pan- 
nonien  von  den  Ungarn   am  ende   des  9.  jh.'s   erobert   wurde. 
Ja  es  ist  wahrscheinlich,  dass  sie  ein  menschenalter  nach  der 


')  Vgl.  F.  Dalni,  Urgeschichte  der  germ.  uud  rom.  Völker  1,569. 

")  Die  Cüiiversio  Bagoariorniu  VI.  (A  inagyar  honfoglahis  kütfoi,  szerk. 
Szilägyi  S.  es  Fauler  (ry.  s.  30G)  erwähnt  um  871:  de  Gepüh's  aidem  quidam 
tidhuc  ihi  (in  Pannonien)  resident.  Vgl.  auch  K.  Zeuss,  Die  Deutscheu  uud 
die  nachharstämrae,  1837,  s.  440  f. 


ftlE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG.   HUNNENSAGE.  589 

letzten  erwälinuiig  in  der  Conversio  zur  zeit  der  ung.  land- 
nalime  in  den  sie  ringsum  umgebenden  Slai^en  bereits  auf- 
gegangen waren.  Sie  werden  in  ung.  quellen  nicht  ein  ein- 
ziges mal  als  Insassen  Ungarns  zur  zeit  der  landnalnne  erwähnt, 
und  ihre  existenz  hat  auch  sonst  keine  einzige  sichtbare  spur 
hinterlassen.')  Wir  sind  also  wissenschaftlich  auch  nicht 
berechtigt  anzunehmen,  dass  die  Ungarn  die  Hunnensage  von 
den  Gepiden,  mit  denen  der  rest  der  Ostgoten  verschmolzen 
war,  unmittelbar  herübergenommen  hätten. 

Wer  mögen  nun  die  vermittler  der  germ.  sage  gewesen 
sein?  Am  einfachsten  wäre  mit  Matthaei  zu  antworten:  die 
Baiern.  Nun  machen  aber  diese  annähme  schon  historische 
riicksichten  unwahrscheinlich.  In  dem  heutigen  Ungarn  sassen 
zur  zeit  der  ung.  landnahme  keine  Baiern,  nur  an  der  west- 
lichen grenze  bis  zur  Raab  und  den  Plattense  gab  es  bairisch- 
fränkische  ansiedlungen,  deren  bewohner  schon  im  j.  907  nach 
dem  blutigen  kämpfe  der  Baiern  und  Ungarn  meistenteils  ver- 
nichtet oder  vertrieben  wurden.'^)  Wir  finden  weder  in  der 
geschichte  noch  in  der  spräche  der  Ungarn  irgend  eine  spur, 
die  auf  eine  intensivere  berührung  der  Ungarn  mit  den  Baiern 
in  den  ersten  Jahrhunderten  nach  der  eroberung  Ungarns  hin- 
wiese. Berührungen  mit  den  Baiern  und  andern  deutschen 
Stämmen  fanden  zur  zeit  der  kriegszüge  der  Ungarn  gegen 
den  Westen  allerdings  häufig  statt,  doch  waren  diese  nicht 
geeignet,  irgendwelchen  culturellen  eiufiuss  auf  die  Ungarn 
auszuüben.  Auf  diesen  kriegszügen  wurden  häufig  Deutsche 
als  Sklaven  nach  Ungarn  mitgeschleppt;  es  wurden  auch  von 
deutscher  seite  versuche  gemacht,  die  Ungarn  dem  Christentum 
zuzuführen;  später  wurden  seit  der  regierung  des  fürsten 
Gyecse  deutsche  ritter  in  Ungarn  angesiedelt:  aber  all  diese 
umstände  können  nur  von  minimalem  einfluss  auf  die  cultur- 
verhältnisse  in  Ungarn  gewesen  sein,  da  sich  nichts  dergleichen 


')  Borovszky  S.,  A  honfoglalas  törtenete,  1894,  s.  83  ff.  behauptet,  dass 
noch  bedeutende  leste  germanischer  Völker  zur  zeit  der  niederlassung  der 
Ungarn  vorhanden  gewesen  seien.  Doch  ist  dies  entschieden  eine  irrige, 
auf  fehlerhafte  oder  falsch  gedeutete  etymologien  von  Ortsnamen  gegründete 
ansieht. 

*)  Vgl.  Pauler  Gy.,  A  magyar  nemzet  törtenete  Szent  Istvänig  s.  28  f. 
und  0.  Kaemmel,  Die  anfange  deutschen  lebens  in  Oesterreich  s.  271  ff". 

Beiträt^e  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXXI.  39 


590  BLEYER 

deutlich  nachweisen  lässt.  Ein  intensiver  deutscher  eintluss 
beginnt  erst  um  die  mitte  des  12.  jh.'s.  als  unter  Gj'ecse  IL 
planmässige  deutsche  ansiedlungen  zu  stände  kamen,  die  auch 
in  der  folgezeit  mit  eifer  fortgesetzt  wurden.  Die  ältesten 
deutschen  bestandteile  des  ung.  Sprachschatzes  hat  J.  Melich') 
in  einer  lichtvollen  abhandlung-  untersucht,  und  er  ist  zu  dem 
ergebnisse  gelangt,  dass  die  berührung  der  Ungarn  mit  dem 
bair.-österr.  Sprachgebiete  in  den  ersten  Jahrhunderten  keine 
spuren  in  der  ung.  spräche  hinterlassen  hat;  die  ältesten 
deutschen  elemente  seiner  cultur  verdankt  das  Ungartum 
nicht  den  Baiern,  sondern  den  Mittelfranken,  und  somit  müssen 
die  deutschen  ansiedlungen  im  12.  und  13.  jli.  aus  mittelfränk. 
Sprachgebiete  herstammen. 

Also  schon  diese  historischen  und  sprachhistorischen  be- 
trachtungen  sprechen  gegen  die  annähme,  dass  die  ung. 
Hunnensage  eine  bair.  entlehnung  sei.  Die  prüfung  des  in- 
haltes  der  ung.  sage  ergab  aber  deutlich,  dass  tatsächlich 
keine  berührungspunkte  zwischen  der  ung.  und  specifisch  bair. 
Überlieferung  vorhanden  sind.  Wenn  in  der  Kaiserchronik 
leise  spuren  von  einer  tradition,  die  über  die  begründung  und 
Zerstörung  des  Hunnenreiches  handelt,  zum  Vorscheine  kommen, 
so  dürfen  wir  daraus  nicht  bair.  einfluss  auf  die  unverhältnis- 
mässig reichere  und  in  sich  abgeschlossene  ung.  sage  annehmen, 
sondern  nur  panuonische  einwirkung  auf  die  bair.  Überlieferung. 
Ebenso  aber  ist  die  Vermittlung  durch  einen  andern  deutschen 
stamm  ausgeschlossen:  die  ung.  Hunnensage  ist  in  ihrem  in- 
halte  als  ganzem  und  in  ihrer  composition  von  der  deutschen 
grundverschieden,  und  die  Übereinstimmungen,  die  in  den  ein- 
zelnen elementen  der  ung.  und  deutschen  sage  vorhanden  sind, 
müssen  entweder  auf  gleiche  historische  traditionen  oder  aber 
auf  eine  ältere  gemeinsame  quelle,  auf  die  Überlieferungen  der 
Ostgoten,  zurückgeführt  werden.  Wie  wir  also  von  einer  un- 
mittelbaren ostgotisch-gepidischen  entlehnung  der  ung.  Hunnen- 
sage absehen  müssen,  so  darf  auch  keine  deutsche  oder  specifisch 
bair.  Vermittlung  angenommen  werden. 

J.  Sebestyen   hat   ganz   richtig   erkannt,    dass   die   ung. 


')  Melj'ik  iij-elvjäräsböl  valök  a  magyar  nyelv  regi  uemet  jöveveny- 
szavai?  Akad.  ertek.  a  nyelv-  es  szeptudomäuyok  kürebül  bd.  17,  uo. -l,  1900. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG,   HUNNENSAGE.  591 

Himnensage,  wie  sie  inhaltlich  und  formell  gestaltet  ist,  nur 
auf  dem  boden  des  heutigen  Ungarn  entstanden,  nur  von  hier 
sesshaften  Völkern  bewahrt  und  den  Ungarn  übermittelt  worden 
sein  kann.  Für  solche  vermittler  hält  er  nun  die  Avaren,  die 
die  Hunnensage  von  den  Gepiden  herübergenommen  und  selb- 
ständig weiter  entwickelt  hätten.  Zu  dieser  ansieht  wird  er, 
wie  ich  widerholt  erwähnt  habe,  durch  seine  theorie  von  den 
Szeklern  geführt,  in  denen  er  zum  teil  nachkommen  der  Avaren 
sieht.  Aus  den  obigen  ausführungen  ist  aber  deutlich  hervor- 
gegangen, dass  sich  specifisch  avarische  elemente  in  der  ung. 
Hunnensage  nicht  nachweisen  lassen,  und  dass  die  lösung  der 
Csaba-frage,  wie  sie  Sebest3^en  versucht,  auf  einem  einfältigen 
misverständnisse  Eeginos  beruht.  Aber  auch  sonst  ist  eine 
avarische  Vermittlung  ganz  unwahrscheinlich,  viel  unwahr- 
scheinlicher als  eine  gepidische,  denn  letztere  könnte  doch 
wenigstens  durch  die  ostgerm.  form  der  personennamen  und 
die  treue  und  reinheit  der  tradition  unterstützt  werden.  Avaren 
werden  in  Pannonien  zuletzt  um  863  in  den  Sangaller 
annalen'),  um  871  zusammen  mit  den  Gepiden  in  der  Salz- 
burger Conversio  Bagoariorum  (a.  a.  o.  s.  304)  und  um  850  in 
dem  heutigen  Kroatien  von  Konstantin  Porphyrogennetos^) 
erwähnt.  Aber  sie  waren  nach  den  Vernichtungskämpfen  Karls 
d.  gr.  kein  selbständiges  volk  mehr  geblieben,  sondern  schon 
dem  untergange  in  dem  sie  umringenden  slavischen  meere 
geweiht.  'Verschwunden  wie  die  Avaren',  wird  als  eine  rus- 
sische redensart  in  der  chronik  Nestors'^)  angeführt,  und  zur 
zeit  der  ungarischen  landnahme  können  in  dem  heutigen 
Ungarn  nur  mehr  ganz  unbedeutende  reste  von  Avaren,  und 
diese  schon  halb  slavisiert,  vorhanden  gewesen  sein.  In  ung. 
quellen  werden  sie  kein  einziges  mal  erwähnt,  ebensowenig 
wie  die  Gepiden,  und  in  der  ung.  spräche  und  cultur  haben 
sie  ebenfalls  keine  sichtbare  spur  hinterlassen. 

Nach  dem  heutigen  stände  unseres  Wissens  kann  auf  die 
frage  der  Vermittlung  nur  eine  antwort  gegeben  werden:  die 


1)  A  magyar  honfoglalas  kütfoi  s.  301. 

2)  De  admin.  inip.  cap.  30.  A  magyar  houfoglaläs  kütfoi  s.  ll-t. 

')  Inde  apHcl  Eussos  usqiie  ad  Imnc  diem  proverhium  est:  perierunt 
sicuti  Avares,  quorinn  neque  stirps  neqiie  progenies  restat.  Uebers.  von 
Y.  Jagic  (A  magyar  houfoglaläs  küti  bi  s.  368). 

39* 


592  HLKYEK 

vermittler  können  nur  die  Slaven.  nanientlidi  die  pannonisrhen 
Slovenen,  gewesen  sein.  Diese  antwort  folgt  nicht  aus  dem 
inlialte  der  sage  selbst,  sonderu  aus  allgemeiiieu  historischen 
und  culturhistorischen  gründen.  Zur  zeit  der  ung.  landnahme 
war  das  heutige  Ungarn,  von  minimalen  resten  anderer  Völker- 
schaften abgesehen,  durcliaus  slaviscli.  Dies  wird  direct  durch 
verschiedene  historische  quellen  und  indirect  durch  die  alten 
slavischen  fluss-  und  Ortsnamen  in  dem  heutigen  Ungarn 
deutlich  erwiesen,  und  braucht  hier  nicht  näher  ausgeführt 
zu  werden.  Die  Slaven  wurden  natürlich  von  den  Ungarn 
besiegt  und  unterjocht,  sie  giengen  zum  teil  in  dem  Ungartum 
auf,  zum  teil  behielten  sie  ihre  slavische  nationalität  bis  auf 
den  heutigen  tag  im  norden,  westen  und  Süden  Ungarns. 

Deutlicher  aber  als  alle  historischen  quellen  spricht  von 
der  existenz  der  Slaven  in  dem  heutigen  Ungarn  zur  zeit  der 
ung.  landnahme  und  von  ihrem  grossen  culturellen  einfluss  auf 
das  Ungartum  die  ung.  spräche,  deren  geständnis  nicht  nur 
objectiver  und  sicherer  als  das  der  schriftlichen  quellen,  son- 
dern auch  vielseitiger  und  inhaltsreicher  ist.  Aus  den  slav. 
lehnwörtern,  die  zur  zeit  der  ung.  landnahme  und  nach  der- 
selben in  den  ung.  Sprachschatz  aufgenommen  wurden,  ergibt 
sich  mit  überzeugender  kraft,  dass  das  Ungartum  die  ersten 
und  grundlegenden  elemente  seiner  westlichen  cultur  den  Slaven, 
in  erster  reihe  den  pannonischen  Slovenen  verdankt.  Die 
Verbreitung  des  Christentums  unter  den  Ungarn  ist,  wie  die 
kirchlichen  und  christlich-culturellen  lehnwörter  unwiderlegbar 
beweisen,  ihr  verdienst.  Die  ersten  christlichen  kirchen  ent- 
standen unter  slovenischem  einflusse,  aber  auch  die  ersten 
schulen:  die  Schrift  haben  sich  die  Ungarn  von  den  Slovenen 
angeeignet.')  Aber  nicht  nur  die  christliche  terminologie  ist 
in  ihrem  ältesten  bestände  fast  durchgängig  slovenisch,  son- 
dern auch  eine  ungemein  grosse  anzahl  anderer  slavischer 
lehnwörter  ward  in  den  ung.  Sprachschatz  aufgenommen,  die 
sich  auf  Staats-  und  kriegswesen,  ackerbau  und  Viehzucht,  auf 
handel  und  gewerbe,  öffentliches  und  privates  leben,  haus  und 
familie,   küclie  und  kleidung  u.s.w.  beziehen.'^)     Es  ist  selbst- 


*)  Vgl.  Melich  J.,  A  magyar  kereszteuy  teriniuologia,  Akaderaiai  ertesitö 
14  (1903),  113  ff. 

'^)  Vgl.  Fr.  Miklosich,  Die  slav.  elemeute  im  magyarischeu,  Deukschr. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG.   HUNNENSAGE.  593 

verständlich,  dass  mit  den  Wörtern  auch  die  begriffe  und  ein- 
riclitungen  von  den  Slaven  herüberg-enommen  wurden. 

Es  war  also  die  möglichkeit  vorhanden,  dass  die  Ungarn 
den  Slaven  bez.  den  pannonischen  Slovenen  eine  volkssage 
entlehnten.  Die  älteste  belegte  benennung  des  ung.  spielmannes 
ist  igricz.^)  Dieses  wort  ist  entschieden  slavischen  Ursprungs, 
mit  dem  wort  muss  aber  natürlich  auch  der  begriff  eine  slav. 
entlehnung  sein.  Den  Ungarn,  als  sie  nach  Europa  kamen, 
fehlte  es  nicht  an  beruf ssängern,  und  wenn  sie  trotzdem  das 
slav.  wort  her  übernahmen,  so  muss  dies  eine  specifische  art 
von  Spielleuten  bezeichnet  haben,  die  in  ihrer  kunst  inhaltlich 
und  formell  von  den  übrigen  ung.  berufssängern  abwichen. 
Es  ist  kaum  anders  anzunehmen,  als  dass  dieselben  in  ihren 
gesängen  auch  epische  Stoffe  behandelten;  dass  sie  nur  der 
komischen,  derben  belustigung  gedient  hätten,  ist  eine  behaup- 
tung,  die  schon  öfter  widerholt  ist,  aber  durch  nichts  begründet 
werden  kann.  Ausser  diesem  lehnwort  ist  aber  slav.  einfluss 
auf  ung.  spielmanns-  und  volksgesang  auch  sonst  nachweisbar'-), 
und  so  steht  auch  in  dieser  hinsieht  der  annähme  nichts  im 
wege,  dass  die  pannonische  Hunnensage  von  Slaven  an  die 
Ungarn  vermittelt  worden  sei. 

Unter  den  von  den  Hunnen  unterworfenen  Völkern  be- 
fanden sich  auch  Slaven,  die  aber  während  der  Hunnenherschaft 
keine  namhafte  rolle  spielten.  Nach  dem  untergange  des  Hunnen- 
reiches lebten  sie  meist  friedlich  neben  germ.  Völkern,  nament- 
lich den  Ostgoten  und  Gepiden.s)  Die  zahl  der  Slaven  nahm 
immer  mehr  zu,  die  der  Ostgoten  und  Gepiden  aber  immer 
mehr  ab,  bis  sie  ebenso  wie  die  Avaren  in  den  Slaven  auf- 
gegangen waren.  In  diesem  stillen  kämpfe  waren  schliesslich 
die  Slaven  die  sieger,  und  ihre  wertvollste  beute  waren  gewis 


der  Wiener  akad.,  phil.-hist.  kl.  21  (1872),  1  ff.  Das  ganze  material  ist  sprach- 
nnd  cultnrgeschichtlich  mit  musterhafter  methode  und  scharfsinnig  bearbeitet 
von  Melich  J.,  Szläv  jövevenyszavaink  (bisher  erscliieneu  hd.  1, 1— 2,  1903 
—1905). 

')  Vgl.  Jankö  J.,  Igriczek  a  Biharhegysegben,  Erdeljn  müzeura  11,  32  ff. 
Munkäcsi  B.,  Regi  magyar  uepenekesek,  Ethnographia  5,  373  f.  iiud  Mol- 
dovän  G.,  Erdeljä  müzeum  11,  31:6  ff. 

'')  Vgl.  Sebestyen  Gy.,  A  regösök,  1902,  s.  246,  und  Kuhac  F.,  A  regö- 
senekek  dallamairol,  Ethnographia  12,  214. 

•'')  Vgl.  Gr.  Krek,  Einleit.  in  die  slav.  literaturgeschichte^  (1887)  s.  258  ff. 


504  BLEYER 

die  culturscliätze  der  höher  stellenden  Germanen,  darunter  (so 
müssen  wir  annehmen)  auch  die  ostgotisch-gepidisrhe  helden- 
sage.  Volkssage  nnd  volksgesang  war  den  Slaven  schon  zur  zeit 
der  Völkerwanderung  nicht  fremd ').  wie  denn  die  Slaven,  nament- 
lich die  Südslaven  auch  heute  noch  einen  ungemein  grossen  sinn 
und  eine  grosse  empfänglichkeit  dafür  besitzen.  Freilich  fehlt 
es  an  directen  Zeugnissen  für  eine  slav.  Hunnensage,  aber  auch 
für  andere  Überlieferungen,  ohne  die  doch  ein  epischer  volks- 
gesang nicht  denkbar  ist  entbehren  wir  solclier  Zeugnisse.  Ich 
glaube  übrigens,  dass  eine  eingehende,  methodische  Untersuchung 
alter  slavischer  Chroniken  auch  directe  beweise  für  diese  frage 
erbringen  könnte-):  wie  denn  der  bericht  des  anonj-men  notars, 
dass  die  Slaven  die  eindringenden  Ungarn  für  nachkommen 
der  Hunnen  gehalten  hätten,  höchst  Avahrscheinlich  ein  beweis 
lebendiger,  slavischer  Überlieferung  von  den  Hunnen  ist.  Schon 
oben  s.  449  habe  ich  die  annähme,  dass  den  Ungarn  der  glaube 
an  die  verwantschaft  mit  den  Hunnen  von  den  Slaven  zu- 
geführt worden  sei,  durch  diesen  öfter  widerholten  bericht  des 
anonj^men  notars  zu  begründen  gesucht.  Ist  diese  annähme 
aber  richtig,  so  haben  wir  darin  einen  directen  fingerzeig  für 
die  frage  über  die  Vermittlung  der  ganzen  ung.  Hunnensage. 
Dass  die  ostgotisch-gepidische  Hunnensage  von  den  panno- 
nischen  Slaven  nicht  nur  angeeignet  werden  konnte,  sondern 
auch  wahrscheinlich  angeeignet  w^urde,  wird  auch  durch  ander- 
w^eitige  betrachtungen  nahe  gelegt.  Fast  auf  dem  ganzen 
gebiete,  wo  Deutsche  und  Slaven  neben  oder  untereinander 
Sassen,  sind  in  grösserem  oder  geringerem  niasse  einflüsse  der 
deutschen  heldensage  auf  slav.  sage  und  dichtung  bemerkbar, 
so  bei  den  Cechen'^),  bei  den  Russen^)  und  am  augenfälligsten 
bei  den  Polen,  bei  denen  die  deutsche  Waltharisage  aufnähme 
gefunden  hat  und  selbständig  weiter  entwickelt  worden  ist.^) 


')  Vgl.  P.  J.  Schafarik,  Slawische  alertümor  1  (1843).  231  f. 

'■')  So  sagt  z.  b.  Eogiiiihalus,  Mon.  Pol.  bist.  ed.  A.  Bielowski  2,  472: 
Quorum  (d.  i.  Hungarorum)  rex  Tyla  nomine,  qui  in  scripto)-is  Atyla 
nominatur. 

3)  Vgl.  K.  Müllenhoff,  Zs.  fda.  12,  417  ff.  K.  W.  Titz,  Zs.  fda.  25,  253  ff. 
Jahresbericbt  über  die  erscboimuigen  auf  dem  gebiete  der  gerra.  pbil.  14,  241, 
w.  3.  w.  *)  K.  Mülleuboff  a.a.O.  s.  344  ff". 

■■)  Vgl.  R.Heiuzel,  Ueber  die  Waltbersage,  WSB.  117,27  ff.  und  88  ff., 
und  Sijmons  a.  a.  o.  s.  704. 


DIE   GERM.   ELEMENTE   DER   UNG.   HUNNENSAGE.  595 

Der  annalime  also,  dass  die  ostgotisch-gepidisclie  Himneiisag-e 
von  den  pannonisclien  Slaven  heriibergenommen  und  an  die 
Ungarn  vermittelt  worden  sei,  steht  nichts  im  wege;  ja  sie 
wird,  so  meine  ich,  durch  die  obigen  betrachtungen  wol  be- 
gründet. Eine  analogie  hätten  wir  auch  auf  sprachlichem 
gebiete:  die  ältesten  germ.  bestandteile  des  ung.  sprachscliatzes 
sind  ebenfalls  nicht  direct,  sondern  durch  slav.  Vermittlung 
aus  dem  germ.  entlehnt.') 

Nun  müsste  ich  noch  ausführen,  wie  sich  zu  dieser  hypo- 
these  die  personennamen  der  uug.  Hunnensage  verhalten,  die 
ich  auf  ostgerm.  formen  zurückzuführen  versucht  habe.  Leider 
fehlen  mir  aber  dazu  die  nötigen  kenntnisse  auf  dem  gebiete 
der  slav.  Sprachgeschichte,  und  so  muss  ich  diese  frage,  wie 
wünschenswert  und  wichtig  auch  ihre  beantwortung  wäre, 
unerörtert  lassen.  Auch  vom  Standpunkte  der  ung.  Hunnen- 
sage kann  ich  den  wünsch  von  K.  Müllenhoff  (Zs.  fda.  12,  354) 
nur  widerholen,  dass  von  slavischer  seite  die  frage  nach  dem 
einfluss  der  germ.  lieldensage  auf  slav.  sage  und  dichtung  in 
ihrem  ganzen  umfange  untersuclit  und  mit  liilfe  des  materials, 
das  nicht  eben  dürftig  zu  sein  scheint,  gelöst  werden  möge. 

2)   Ergebnisse. 

Ich  bin  am  Schlüsse  meiner  Untersuchung  angelangt  und 
will  nur  noch  kurz  die  ergebnisse  meiner  ausführungen  zu- 
sammenfassen: 

1)  Der  glaube  an  die  Identität  der  Hunnen  und  Ungarn 
entwickelte  sich  bei  dem  Ungartum  erst  in  Europa,  und  zwar 
höchst  wahrscheinlich  unter  slavischem  einfluss.  Die  abstani- 
mung  beider  Völker,  wie  sie  in  der  Hunnengeschichte  dargestellt 
ist,  ist  in  sagengeschichtlicher  hinsieht  dunkel. 

2)  Die  eigentliche  Hunnensage  beginnt  mit  der  eroberung 
Pannoniens,  in  dessen  nördlichem  teile  die  sage  localisiert  ist. 
Die  sage  von  der  eroberung  Pannoniens  hat  sich  aus  Über- 
lieferungen entwickelt,  die  auf  historische  kämpfe  der  Hunnen 


•)  Vgl.  eine  freilich  nur  vorläufige  Zusammenstellung  auf  grund  der 
abhaudlung  von  Uhlenbeck,  Archiv  für  slav.  phil.  15,  481  ff.  von  Simonyi  Zs., 
Szläv  szavaink  eredetehez,  Nyelvtudomänyi  közlemenyek  25,  53  ff.  Vgl.  auch 
Melich  J.,  Magyar  nyelv,  jahrg.  2,  s.  100  ff. 


596  BLEYKR 

und  Goten,  namentlich  auf  die  kriegszüge  Balambers  gegen 
"Winitliar  und  Athanaricli  zurückgelien.  An  Balanibers  stelle 
trat  Etele  (eine  spätgotische  form  für  Attila),  an  die  ^yhn- 
thars  und  Athanarichs  in  der  zweiten  hälfte  des  6.  jh.'s  Detreh 
=  Theoderich  d.  gr.;  jener  ist  der  repräsentant  der  Hunnen, 
dieser  der  Vertreter  der  Germanen.  Von  dieser  ostgot.  Über- 
lieferung linden  wir  kaum  eine  spur  in  der  deutscheu  sage; 
dass  sie  jedoch  auf  die  deutsche  tradition  von  einfluss  war, 
zeigt  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  Dietrichs  exil,  das  nur 
mit  der  niederlage  Detrehs,  des  kaisers  von  Eom,  wie  sie  in 
der  ung.  sage  dargestellt  ist,  genügend  erklärt  werden  kann. 
Die  specifisch  ung.  zusätze  in  der  sage  von  der  eroberung 
Pannoniens  sind  unbedeutend  und  für  die  composition  der  sage 
belanglos. 

3)  Etele  herscht  anfangs  mit  seinem  bruder  Buda  (ein 
name  aus  got.  zeit)  gemeinsam,  ermordet  ihn  aber  aus  macht- 
begierde.  Die  erinneruugen  an  Buda  =  Bleda  und  an  die 
gemeinsame  herschaft  der  beiden  brüder  sind  in  der  ung.  sage 
voll  leben  und  historischer  treue,  in  der  deutschen  Überliefe- 
rung aber,  wo  sie  ebenfalls  nicht  entlehnt,  sondern  historischen 
Ursprungs  sind,  verworren  und  grösstenteils  verloren  gegangen. 
Etele  zieht  auf  Detrehs  rat  gegen  den  westen  und.  begründet 
das  hunnische  weitreich.  Die  erzählung  von  diesen  heerfahrteu 
selbst  ist  jedoch  in  der  Hunnengeschichte  gelehrten  Ursprungs; 
trotzdem  kann  kein  zweifei  darüber  bestehen,  dass  die  unga- 
risch-pannonische  sage  auch  hier  ihre  eigenen  Überlieferungen 
hatte,  von  denen  sich  noch  spuren  in  der  deutschen  sage  er- 
halten zu  haben  scheinen.  Durch  diese  kriegerischen  Unter- 
nehmungen erhielt  die  Etelesage,  wie  auch  die  sage  vom  exil 
Dietrichs  (Detreh  vertritt  hier  \\'alamer  und  seine  brüder) 
epischen  Inhalt. 

4)  lieber  den  tod  Eteles  berichtet  die  Hunnengeschichte 
aus  gelehrten  quellen;  doch  kann  kaum  bezweifelt  werden, 
dass  die  sage  auch  hier  eigene  Überlieferungen  besass,  die  von 
der  geschichte  und  gelehrter  geschichtsschreibung  abwichen. 
Da  die  ungarisch  -  pannonische  sage  mit  der  Burgundensage 
verknüpft  war,  kann  der  tod  Eteles  nur  tragisch  gewesen  und 
durch  die  band  Kremhelds  verübt  worden  sein. 


Die  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HUNNENSAGE.     597 

5)  Kremlield  war  Eteles  zweite  gattin;  die  erste,  eine 
griechische  kaiserstochter,  sclieint  mit  Kreka  =  Helche  in 
der  deutschen  sage  identisch  gewesen  zu  sein.  Der  solin 
letzterer  heisst  Csaba,  der  in  seiner  rolle  mit  Ernac  in  der 
geschichte  und  wahrscheinlich  mit  Erpr,  Erpfe,  vielleicht  auch 
Scharpfe,  in  der  deutsch -nord.  sage  identisch  ist.  Kremhelds 
söhn  heisst  Aladär  und  ist  identisch  mit  dem  Gepidenfürsten 
Ardarich  in  der  geschichte  und  mit  Aldrian-Orte-Ortwin-Ort- 
lieb  in  der  deutschen  Überlieferung.  Detreh  als  Vertreter  der 
Germanen  nimmt  auch  bei  der  Zerstörung  der  Hunnenmacht 
die  stelle  der  Germanenfürsten  ein,  die  zur  zeit  Attilas  den 
Hunnen  unterworfen  waren  und  nach  Attilas  tode  das  hunnische 
joch  abschüttelten. 

6)  Die  deutsche  Burgundensage  ward  nach  der  Zerstörung- 
des  Hunnenreiches  durch  naclirichten  von  diesem  gewaltigen 
ereignisse  zum  abschlusse  gebracht.  Die  Verknüpfung  mit  der 
Nibelungensage  geschah  wahrscheinlich  erst  nach  dieser  ab- 
rundung  der  burgundischen  Überlieferungen.  In  solcher  gestalt 
gelangte  die  Burgunden-Nibelungensage  nach  dem  norden.  Auf 
diese  erste  fassung,  in  der  weder  Helche,  noch  Dietrich,  noch 
Ardarich  eine  rolle  spielen  und  in  welcher  Attila  mit  unsym- 
pathischen Zügen  gezeichnet  ist,  hat  die  ostgotisch-pannonische 
tradition  nicht  eingewirkt.  Einen  einfluss  erfuhr  aber  die 
pannonische  sage  durch  die  deutsche  Burgundensage  (vor  500), 
und  zwar  vermutlich  zu  einer  zeit,  als  diese  mit  der  fränkischen 
Nibelungensage  noch  nicht  verknüpft  war.  Die  folge  dieser 
einwirkung  war,  dass  Kriemhild  in  die  pannonische  sage  ein- 
trat, die  dadurch  bedeutende  Umgestaltungen  erfuhr.  Krem- 
lield führt  nicht  nur  den  tod  Eteles  herbei,  sondern  auch  das 
verderben  seiner  söhne  und  den  Untergang  des  Hunnenreiches, 
so  dass  der  Vertreter  der  Germanenfürsten,  die  sich  gegen 
Attilas  söhne  empörten,  seine  rolle  mit  ihr  teilen  musste.  Bald 
darauf  aber,  als  Detreh  =^  Theoderich  als  repräsentant  des 
Germanentums  in  die  pannonische  sage  eingetreten  war  (etwa 
um  die  mitte  des  6.  jh.'s),  wurde  auch  die  deutsche  Nibelungen- 
sage entweder  direct  von  Pannonien  aus,  oder  aber  (was 
weniger  wahrscheinlich  ist)  indirect  über  Italien  von  der  ost- 
gotischen tradition  beeinflusst:    Helche,  Dietrich,  Aldrian-Orte 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXXI.  ^Q 


598  BLEYER 

und  walnscheinlich  auch  Scharpfe  wurden  in  die  deutsche  sage 
aufgenommen,  und  der  Charakter  Attilas  verlor  seine  antipathi- 
schen  züge.  Durcli  diese  eiiiwirkung  wurde  natürlich  auch  das 
gefüge  der  deutschen  sage  mehrfach  umgestaltet,  was  in  erster 
reihe  die  bedeutenden  abweichungen  erklärt,  die  zwischen  der 
fassung  in  der  Edda  und  der  in  den  späteren  bearbeitungen, 
in  der  piörekssaga,  in  dem  Nibelungenliede,  der  Rabenschlacht 
u.  a.,  bestehen.  >)  Nach  der  Zerstörung  der  Hunnenmacht  kehrt 
Detreh  friedlich  in  sein  land  Italien  zurück  (das  exil  Dietiichs 
in  der  deutschen  sage  nimmt  ein  ende):  Überlieferungen  von 
der  eroberung  Italiens  durch  Theoderich  d.  gr.  haben  die  reine 
Hunnensage  in  Pannonien  nicht  getrübt. 

7)  Der  abschluss  der  ungarischen  sage:  Csaba  ermuntert 
sein  Volk,  die  Hunnen-Ungarn,  Scythien  zu  verlassen  und  das 
erbe  Eteles  in  Pannonien  zurückzuerobern,  ist  eine  specifisch 
ungarische  Weiterbildung,  wodurch  die  ganze  sage  einen  unga- 
risch-nationalen Charakter  erhielt. 

8)  Aus  dem  inhalte  der  erzählung,  wie  aus  directen  Zeug- 
nissen der  Chroniken  ergibt  sich  deutlich,  dass  die  Hunnen- 
geschichte neben  gelehrten  (luellen  aus  echter  ungarischer 
volkssage  geschöpft  hat.  Diese  volkssage  selbst  ist,  von  wenig 
specifisch  ungarischen  Zusätzen  abgesehen,  entschieden  germa- 
nischen, und  zwar  mit  ausnähme  der  Krimhildssage  ostgotischen 
Ursprungs.  Sie  kann  aber  kaum  von  den  Ostgoten  oder  Ge- 
piden  selbst  an  die  Ungarn  übergeben  worden  sein;  auch  eine 
avarische  Vermittlung  kann  durch  nichts  begründet  werden, 
eine  deutsche,  speciell  bairische  aber  ist  ganz  ausgeschlossen. 
Nach  unseren  heutigen  kenntnissen  auf  dem  gebiete  der  uug. 
Urgeschichte  in  Europa  kann  die  ostgotisch-pannonische  Hunnen- 
sage nur  durch  die  Slaven,  namentlich  die  pannonischen  Slo- 
venen  an  die  Ungarn  übermittelt  worden  sein. 

9)  Die  ung.  Hunnensage  steht  mit  ihrem  inhalte  und  ihrer 
conception  der  geschichte  ungemein  nahe.  Die  historische  treue 
der  Überlieferung  wird  durch  die  geographischen  und  geschicht- 


')  Meine  auffassung  von  der  beeintlussimg  der  deutschen  sage  durcli 
die  ostgotisclie  sowie  von  den  abweichungen,  die  zwisdien  der  deutscheu 
und  nord.  Überlieferung  be.sleheu,  habe  ich  zusamnieuhäugeud  dargelegt  iu 
Egyet.  philül.  közlöny  30  (1Ü06)  s.  257  ff. 


DIE  GERM.  ELEMENTE  DER  UNG.  HÜNNENSAGE.      599 

liehen  Verhältnisse,  unter  denen  die  sage  entstanden  war  und 
weiter  gepflegt  wurde,  erklärt  und  beg-reiflich  gemacht.  In 
der  ung.  sage  ist  an  der  auffassung  eines  kampfes  zwischen 
dem  Hunnentum  und  Germanentum,  wie  er  in  der  geschichte 
abgelaufen,  festgehalten.  Durch  die  national -ungarische  und 
antideutsche  tendenz  ward  die  sage  von  dem  siege  des  Ger- 
manentums bis  zu  einem  siege  des  Hunnen -Ungartums,  d.i. 
bis  zur  ung.  landnahme,  fortgeführt.  Dadurch  erhielt  die 
pannonische  Hunnensage  eine  wunderbare  Vollendung  in  ihrer 
composition  und  verlor  ihr  germanisches  gepräge.  In  ihrem 
Inhalte  und  ihrer  Weltanschauung  ist  sie  von  dem  gewaltigen 
und  unverfälschten  geiste  der  Völkerwanderung,  die  in  dem 
Donau-  und  Theisstale  erst  durch  die  ungarische  Staatsbildung 
zum  abschlusse  gekommen  war,  erfüllt  und  getragen.  Die 
sage  war  zwar  schwerlich  bis  zu  einem  einheitlichen  epos 
gediehen,  ihre  klare  und  abgerundete  composition  beweist 
aber  entschieden,  dass  sie  zur  zeit  der  abfassung  der  Hunnen- 
geschichte einem  solchen  sehr  nahe  stand.  Bei  der  tragik  des 
conflictes,  der  grosse  und  macht  der  conception,  der  tiefe  der 
auftassung  ist  das  unterbleiben  einer  aufzeichnung  der  sage 
in  ihrem  ganzen  Inhalt  und  ihrer  epischen  form  wahrlich  nicht 
bloss  für  die  ungarische  literatur  ein  beklagenswerter  verlust, 

10)  Aber  auch  so,  wie  wir  die  sage  in  einzelnen  bruch- 
stücken,  mit  allerlei  gelehrten  Zusätzen  untermischt  und  entstellt, 
in  der  Hunnengeschichte  besitzen,  bleibt  sie  ein  bedeutungs- 
voller schätz  der  ungarischen  literatur-  und  culturgeschichte. 
Sie  bietet  aber  zugleich  auch  für  die  geschichte  der  germ, 
heldensage,  die  noch  in  manchen  punkten  der  aufklärung  be- 
darf, wichtiges  und  wertvolles  material.  Wird  einmal  die 
deutsche  forschung  die  ung.  Huunensage  einer  grösseren  auf- 
merksamkeit  aus  richtigeren  gesichtspunkten  würdigen,  so 
werden  sich,  ich  habe  die  Überzeugung,  noch  weitere,  nicht 
unbedeutende  ergebnisse  aus  der  Hunnengeschichte  der  unga- 
rischen Chroniken  gewinnen  lassen,  die  auf  manche  dunkle 
stelle  der  germanischen  und  ungarischen  sagengeschichte 
erwünschtes  licht  zu  werfen  geeignet  sind. 

BUDAPEST.  JACOB  BLEYER. 


EIN  GOTISCHES  LEHN\YORT  IM 
ALTPREUSSISCHEN. 

Preuss.  ihnis  'bark'  (V-oc.  234).')  Das  niederdeutsclie  wort 
hark  bezeichnet  'eine  sclieune  ohne  wände,  aus  einem  auf 
vier  pfählen  ruhenden  dache  bestehend,  zum  aufbewahren  von 
Stroh  u.  dgl.',  vgl.  mnd.  harch,  barg,  herch  'scheune  ohne  wände, 
Schutzdach  auf  pfosten  ruhend'  und  das  nd.  lehn  wort  lit.  haräyas 
'ein  auf  Stangen  hinauf-  und  hinabscliiebbares  dach  über  einem 
häufen  heu  oder  getreide',  lett.  hraga  'dach  auf  vier  pfosten, 
zum  schütze  von  heu  im  freien',  poln.  hrog  'ds.'  (s.  Nessel- 
mann, Thes.  linguae  pruss.  50.  Prellwitz,  Die  deutschen  be- 
standteile  in  den  lett.  spr.  1,39). 2)  Das  preuss.  wort  ist  bisher 
völlig  unaufgeklärt. 

Nschwed.  dial.  (hjälm)  jä'lm  m.  ist  u.a.  'freistehendes  dach 
(scheune  ohne  wände),  worunter  heu  und  getreide  aufbewahrt 
Avird,  ein  zwischen  bäumen  errichtetes  dach  zum  schütze  von 
heu  und  laub'3),  nnorw.  hjelm  'hinauf-  und  hinabscliiebbares 
dach  über  einem  getreide-,  heu-,  torfschober;  getreideschober 
unter  einem  kleinen  dach',  adän.  hiahn^),  awnord.  hialmr  m. 
'Vorrichtung  zum  aufbewahren  von  heu  und  ungedroschenem 
getreide'  {liey-,  l'orn-hialmr). 


*)  Dass  ümis  und  nicht,  wie  auch  uiüglicli,  ilinis  zu  lesen  ist,  Avird 
sich  unten  ergeben. 

*)  Das  fragliche  preuss.  wort  kommt  in  der  reihe  Schewne  —  Banse 
—  Tenne  —  Ikirk  —  Schewer  vor.  Schon  daraus  lässt  sich  seine  bedeutung 
annähernd  bestimmen. 

s)  Ihre,  Dial.-lex.  (1706)  s.  72.  Hylt§n-Cavallius,  Wärend  '2.93. 
Möller,  Ordb.  iifver  halUindska  landskapsmalet  73.  Rietz,  Dial.-lex.  280a. 
Landtmanson,  Yästgötamalets  7-  eck  r-ljud  4(5. 

*)  Eoss,  Norsk  ordb.  32Ga.  Aasen,  Ordb.  293b.  Mulbech,  Dansk 
gloss.  3i3. 


EIN    GOT.   LEHNWORT    TM    AT/ri'REUSSISCIlEN.  ßOl 

Ne.  heim  in  der  bedeutung-  'a  shed  biiilt  on  posts,  an  open, 
roofed  slielter  for  cattle  etc.,  a  slied  in  the  flelds  for  the  shelter 
of  cattle  wlien  tiirned  out  to  pasture'  kommt  ausschliesslich  in 
nordenglischen  mundarten  vor  (s.  Bosworth-Toller,  Dict. 
s.  V.  heim.  Wright,  Engl.  dial.  dict.  3, 137.  Murray,  NED.  5, 
207  a),  beruht  also  unzweifelhaft  auf  skandinavischem  einfluss. 
Ob  auch  cjanr.  heim  in  der  bedeutung  'a  Stack,  a  rick'  (helmu 
'to  Stack')  so  zu  erklären  ist,  kann  zweifelhaft  sein,  denn  ae. 
heim  kann,  besonders  dichterisch,  auch  'a  covering'  bedeuten; 
es  ist  also  nicht  ganz  ausgeschlossen,  dass  die  im  nord.  vor- 
liegende technisch  -  landwirtschaftliche  bedeutung  dem  altengl. 
nicht  fremd  gewesen  sei.') 

Das  nordische  wort  bezeichnet  demnach  genau  dieselbe 
Sache  wie  ilmis  —  bark  Nun  ist  bekanntlich  nord.  hialmr 
'Schutzdach  für  getreide  etc.'  identisch  mit  awnord.  hialmr,  as. 
ahd.  heim  ' Schutzbedeckung  für  den  köpf,  heim'. 2)  Setzen  wir 
voraus,  dass  das  entsprechende  got.  wort  hilms  'heim'  auch 
erstere  bedeutung  gehabt  hat,  so  ergibt  sich  preuss.  ilmis 
als  eine  entlehnung  aus  urgot.  "^hilmas.  —  Das  got.  h-  ist  nach 
allgemeiner  annähme  ein  ziemlich  schwach  ausgesprochener 
hauchlaut  gewesen  und  wird  bei  seiner  widergabe  in  fremden 
sprachen  sehr  häufig  weggelassen  (vgl.  Braune,  Got.  gr.  §  61. 
Streitberg,  Got.  elem.-buch  §22,5.  Wrede,  Sprache  der  Ostg. 
175.  Sprache  der  AVandalen  107  f.  Loewe,  Eeste  der  Germ,  am 
Schwarzen  meere  1471).  Das  preuss.,  dem  dieser  laut  fehlte, 
hat  ihn  weggelassen.  —  Die  eudung  -is  vertritt  im  preuss. 
vocabular  normal  ein  halt.  -as. 

Der  vocal  i  beweist  gotischen  Ursprung.  Da  germ.  helma- 
in  der  fraglichen  bedeutung  bisher  nur  im  nord.  sicher  nach- 
gewiesen ist,  ist  preuss.  ümis  nicht  ohne  bedeutung  für  die 
frage  von  den  besonderen  beziehungen  der  Goten  zu  den  Nord- 
germanen, wie  es  auch  von  culturgeschichtlichem  gesichtspunkte 
aus  ein  erhebliches  Interesse  bietet. 

Unter  den   alten  germ.  lehnwörtern  im  balt.  bez.  preuss. 


1)  Die  bautechnische  bedeutung  'kuppel,  helmdach  u.dgl.'  des  nhd. 
heim  ist  damit  nicht  zu  vermischen;  vgl.  auch  russ.  Möniü  'heim;  giebel, 
dachfirst,  Schutzdach'. 

'■*)  Unrichtig  Johansson,  Beitr.  14,297. 


602  MDitN,    EIN    (JÜT.    LKHNWOKT    IM    AI/rPKKUSSISCHEN. 

ist  die  zahl  der  beweisbar  g:otisclieii  eine  geringe,   vgl.  die 
zusaninienstelhingen  von  Hirt,  Beitr.  23,  846  ifJ) 

Genn.  hvhna-  in  der  bedeutung  •heim'  hat,  vielleicht  sogar 
in  zwei  verschiedenen  formen,  in  das  prenssische  eingang  ge- 
funden: a)  laimis  'hut'  (Voc.  474,  bei  Grünau  c/ie/^no),  das  ent- 
weder einer  nicht-gotischen  germ.  spräche  entstammt  oder  ein 
früh  urgotisches  *yßmas  zur  grundlage  hat  (vgl.  Hirt  a.  a.  o. 
347.  Berneker,  Die  preuss.  spr.  298).  b)  Auch  sahnis  'heim' 
(yoc.42)  geht  mittelbar  vielleicht  auf  altgerm. *;^e/?«a^  zurück, 
\gl.  lit.  szdlmas,  asl.s?r«»7,  rn&s.  selöniu,  solomu,  ä\t.  \)o\n.  s^tom 
U.S.  w.,  s.  J.Schmidt,  Kuhns  und  Schleichers  Beitr.  5,  467 
(Uhlenbeck,  Arch.  f.  slav.  phil.  15,  491  f.  Etym.  wb.  d.  got.  spr.2 
s.  77).  Brückner,  Slav.  fremdwörter  im  lit.  1, 140.  195.  Arch.  f. 
slav.  phil.  20,  499.  Hirt  a.a.O.  341.  847.  Berneker  a.a.O.  317. 
Loewe,  KZ.  39,  317.  Nach  Brugmann,  Vergl.  gr.  2, 164  und 
Torbiörnsson,  Gemeinslav.  liquidametath.  1, 100  ist  lits^dlmas, 
preuss.  salmis  vielmehr  einheimisch  baltiscli,  was  auch  mir 
wahrscheinlich  scheint. 


^)  Ueber  lit.  litis,  lytis,  lyte  'gestalt,  aussehen'  aus  got.  {*wliU's)  iclits 
s.  Li  den,  Ein  balt.-slav.  anlautgesetz  15  f. 

GOTENBURG  (Schweden),  im  december  1905. 

EVALD  LIDEN. 


Druck  von  Ehrhardt  Karra«,  Halle  a.  S. 


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3003 

B5 
Bd. 31 


Beiträge  zur  Geschichte  der 
deutschen  Sprache  und 
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