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Full text of "Beiträge zur Geschichte der Universitäten Mainz und Giessen"

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JJiAKE-SIi«roRD-.rW^nOR'VTC/El(Strä- 


BEITRAG 


pur  Geschichte  der  Universitäten! 
MAINZ  und  GIESSEN 


Herousgejiabfin  (m  Auftrage  de»  Hlitoriichen 

Vereins  für  dai  GroBliertoetiim  HesMn  von 

Julius  Reinhard  Dieterich  «..d  Karl  Bader 


GIESSEN  1907 

In  KorrrmlM'uit  ila'  VnHi^^bucliltiwwtlunt  ipn  Cinlt  Rolti 


M 


Beiträge  zur  Geschichte  der 
Universitäten  Mainz  und  Gießen 


r 

BEITRÄGE 

zur  Geschichte  der  Universitäten 
MAINZ  und  GIESSEN 


Herausgegeben  im  Auftrage  des  Historischen 
Vereins  für  das  GroBherzogtum,  Hessen  von 

Julius  Reinhard  Dieterich  und  Karl  Bader 


1  o 


GIESSEN  1907 

t  der  Verlagsbuchhandlung  von  Emil  Rglh 


I 


264688 


Geilriukt  in  der  (I.  F.  Wiiiterschen  Biicluhuckerei 
in    Darmstadt    vom  10.  Juni   bis  H.  Juli    1007 

Iii<hldru(k,  Aulolypion  und  Zinko;:raj)liif'n   von 
der  Liclildruckanstall  Zedier  iV  Vojs'ol  Danii-tadt 


••  •       • 


.  •». 


...  *  .     -  - 

Dieses  lUicli  ist  zujfleicli  als  V.  Bund  der  nemMi  Folj:e  dos  Archivs 

für  Iiessische  (iescliichte  und  Alterhunskunde  ausjrefj'cbcn   wordrn. 


Der   HISTORISCHE   VEREIN 

für  das  Großherzogtum  Hessen 
zur  dritten  Jahrhundertfeier  der 

ALMA  MATER  LUDOVIOlANA 


Inhalt. 


Beiträge  lur  Qetchichte  der  Univertltlt  Mainz I—'^IG 

I.     l'n,l,-y,H<ir  Dr.  liustav  Uaucli.  Hreslnii:  Aus  ilrr  ne.scliiilitp 

Ups  HHiiizci'  Eluiiiaiiisiiiu.s Il— 8<i 

It.  ITnrrt^r  frofc^^icr  I).  Dr.  Frnnz  Falk.  Kli-iii-WLiilcmhciiii: 
Jaku)i  WclJcr,  ilrr  ci-sIp  Rrkloc  <ler  Mniiizi-r  llorhsc-liiile 
(1478   -MSt) 87  -at 

III.  (>l>erl('lii'rr  E.i<'.  Frttz  Herniiann,  ÜarriislRÜl:  Di«'  Mninzcr 
Kursen  ,/uiii  Algi-^lieimer*  uiiil  .Zum  Si'hGiikrnliM'i;'  uml 

ilire  Slaluteii '.14-  H4 

IV.  I  Die  Hell  rcr  Profe^'sor  Dr.  Hpinrich  ScIirDlic,  Mainz;  Dia 
WieJrrbesctzutig  erlciligtpr  l'i'iifcssai'en.  Ein  Deiliiig  zur 
Uainzer  UiiiversitätsgeHchitlilc  des  iitt-fKeliendon  lü,  sowie 

(los  17.  JAlirliundcrts Idri-Hi4 

V.  riiiversiUibiirurcssiir  Dr.  Wilhelm  Slii-iln.  Uiiizi^:  Wi<- 
inHii  im  18.  JiilirliunJurt  an  iler  rniceisiiril  Mainz  ffir  die 
Ausbilüunij;  vun  Prcifessoreii  iler  Kamera  hvissenstlin  11  siincle  Di-'i  ~!:>1ll 

BehrSge  zur  Qetchichte  der  Sladl  und  Universil&t  Gießen  .    ^17— ')lt 

VI.     Archivdircktor  Dr. UustuvFreiliciT  Schenk  zu  >:<;li »-Ollis- 

herg,  Darmsla.lt:    AlMüeüen 2ll>-^r,l 

Aniiaiti;:  (jiessa  HuKsoruni.     Eine  in    Kiiiiler  ^.'esliii'lieiie 

Aii^idjl  der  ütuh  aus  ilctii  Julirc  ll>lä jriä— äri4 

VII.  Pfnrrer  I>.  Dr.  Wilhelm  Dielil,  Hirschlii>rn:  \'euc  Kei- 
Irfiice  zur  (iesthichle  vun  Johann  Bnltliasar  Si'lmiipius  in 
der  zweiten  l'eiindi;  si'iiicr  Marhuiner  l'roressi>riTiati(;- 
keit  (itiS'.t  -l(i4ii) ä:«)-32e 


VIII.    Olierlelirer  Dr.  Wilhelm  Martin  Becker,  Darmsliull :   Zur 

(iewliiclite  ileH  Pcniialiüiiius  in  Harburg  und  (licQeti    .    .  'Ml  -^'tTi 
IX.    Oberliibliüllieknr  b.  Cr.  HofblblJDtliek  Dr.  Ludwi»  Tul  tz. 
llarmstBÜl :  Zwei  Hessen- Ilomliurt-isi'bp  I'riiizennls  Gtieüenei' 

Sluileiilen  (I7ää  -173:f} :tr.ll-:t74 

X.    HibÜDlhcknr  b.  Ur.  Huflubliotliok  Prof.  Dr.  Karl  K.i.lor. 
Diirmstadt:  ,Vi>n  lOdlieliem  Ablclien  und  solenner  Beenii- 

(!unp  ReeliJris  Magnifici' :t7."i— :!8'.i 

XI.    nbei-lebrer  Prof.  D.  Dr.  Emin  Preuscbeii,  Darmsladt: 

Synibula.    Aus  allen  tiießencr  StiumnbOchem 3iHt—Ml't 

XII.    HOlfsbitiliolheknrh.  (ir.  Hofbibliotbek  Dr.  Knri  £ssetl>orn, 

Darmstadl:  Karl  Lud wi|;  Wiliiclin  von  Grulmnn  in  lüeüen  41m;— 4CI 

Xltl.  Ilnus-  uiul  Staulsarcbivar  Dr.  Julius  Bernhard  Dieterich, 
DnrmsUiiIt:  Ein  UiuGencr  Professor  als  licssLsciier  Sta.iLs- 
minister Mil—TiM 

XIV.    Kran  Em i  Dicleritli,  Üiiriiisladt;  Befislor T,\:>-iitn 


Eiiii  Diclericli,  Diiniislndti  Be^ 

[islor  .    . 

limiKcn  zu  ilon  Alibililun^'en  um! 

1  Tafdn 

niK  zum   Itcilraif  VI:   Alt-tiiofipn 

Beiträge  zur  Geschichte 
der  Universität  Mainz. 


t.  (Tu iTcni tuten  Ualni  u.  nieCcD. 


«      •   •    •      • 

•      •  •   •     • 
,  •        ••     • 


•   .    • 


^^ 

Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus. 

Von  Gustav  Bauch. 

Die  Mainzer  Universität  galt  im  Anfange  des  XVI.  Jahr- 
hunderts gewissen  Zeitgenossen  sozusagen  als  eine  Spezial- 
Universität für  die  Juristen  und  die  Humanisten  oder  foeten. 

Das  bezeugt  in  recht  wenig  freundlichem  Sinne  ein 
grämlicher  Bericht',  den  1511  in  Leipzig  am  Alten  hängende 
Artisten  und  Theologen,  die  sich  über  die  Entwicklung  der 
1ÖÜ2  und  in  den  folgenden  Jahren  von  dem  Herzog  Georg 
von  Sachsen  anläßlich  der  Gründung  der  bald  zugkräftigen 
neuen  Universität  in  Wittenberg  angeordneten  Reformen 
amtlich  aussprechen  sollten,  an  den  Herzog  sandten. 

Darin  heißt  es:  „Über  alle  ohgemelte  stucke  wollen  E. 
r.  ü,  gnediglich  hertzlich  betrachten,  das  dise  uniuersitet 
nach  dem  bildtniß  der  I'arisischen,  dye  do  aller  uniuersi- 
teten  mutter  ist,  durch  hochloblicher  gedeehtnis  E.  F.  G. 
voreldern  ist  fundirt  und  gestiHtet,  in  welcher  alleweg  den 
vorczug  hat  Studium  philozophic,  ariium  und  theologie,  wie- 
wol  man  auch  iura  und  poelcn  lisf.  Es  haben  also  dye 
Leyptzischen  lange  das  lob  bey  andern  uniorsitt-ten  ge- 
habt, das  sie  gute  philozophi  weren.  Darauß  gekommen, 
das  Ingelstadt  durch  doclor  Adorff,  Wittonbcrgk  durch 
ilellerstadt,  Franckfurt  durch  Wympina  als  gelerte  phi- 


'  Codex  di|il<jtiiatirus  Sa<(onini-  Regiae,  !I,  XI.  317.  .318  (.Vo.  252). 
Zur  Datierung  vcrjl.  V.  Geß  im  Xcuwi  Archiv  (ür  Süchsisclic  Gfseliichte, 
XVI,  86. 


4  Gustav  Bauch. 

lozophos  uffgericht  seyii  und  erwachsen.  Es  hat  auch  Stu- 
dium philozophie  biß  doher  E.  F.  G.  uniuersitet  erhalden, 
wenn  alleweg  dye  meisten  schuler  in  derselbigen  gewest 
seyn.  Darumb  solch  fundament  zurutten  und  weyter  ein- 
zureumen  andern  faculteten,  wird  zu  großem  ungedeyen 
reychen.  Und  so  iura  und  poetica  sollten  dye  obir- 
handt  haben,  wurd  eyne  Mentzische  uniuersitet  ge- 
beren,  do  es  sich  dermaßen  heldt.  Es  seint  aber 
allenthalb  offtmals  aide  kaum  hundert  supposita.** 

Es  ist  kaum  nötig,  besonders  zu  betonen,  daß  dieses 
schroffe,  einseitige  Urteil  über  die  Mainzer  Universität  ten- 
denziös übertrieben  ist;  denn  wir  können  gerade  dort  trotz 
des  trümmerhaften  Zustandes  der  Überlieferung  wie  sonst 
nicht  bei  allen  alten  Universitäten  den  Nachweis  führen, 
daß  alle  Fakultäten,  auch  die  damals  in  Deutschland  meist 
blutarme  medizinische,  Zeichen  von  ihrem  lebendigen  Da- 
sein hinterlassen  haben.  Und  wenn  wir  soeben  das  Be- 
dauern über  den  trümmerhaften  Zustand  der  Nachrichten 
zur  Geschichte  der  Alma  Mater  Moguntina  äußerten,  so  be- 
trifft die  Klage  ganz  im  besonderen  eben  den  von  Leipzig 
aus  so  mißtönend  stigmatisierten  Humanismus. 

Den  scheinbaren  Widerspruch  in  diesem  Forschungs- 
befunde durch  den  Aufweis  von  wiederaufgefundenen  und 
periodenweise  geordneten  Fragmenten  in  objektiver  Dar- 
stellung aufzulösen  und  durch  die  Betrachtung  des  huma- 
nistischen Spezialgebietes  von  Mainz  die  allgemeine  Ge- 
schichte des  deutschen  Humanismus  zu  fördern,  diesem 
Zweck  sollen  die  folgenden  Zeilen  gewidmet  sein.  Und 
unter  diesem  Gesichtspunkt  möge  sie  auch  der  gütige  Leser 
würdigen.  — 

Wenn  jemand  sich  in  Übertreibungen  bewegt,  so  liegt 
doch  manchmal  den  Extravaganzen  ein  positiver  Kern  zu- 
grunde, \md  so  war  es  auch  bei  den  morosen  Leipzij]:cr 
Magistern,  die  sich  am  liebsten  mit  dem  „Quieta  non  mo- 
vere** hätten  beruhigen  lassen.  Es  war  das  unbehagliche 
Empfinden,  daß  das  ihnen  ehrwürdige,  gewohnte  und  auch 
bequeme  Alte  unter  den  sich  in  der  wissenschaftlichen  Welt 
allmählich  vorbereitenden  Neuerungen  doch  schon  leise  zu 
wanken  anfing  und  daß  die  augenscheinliche  Geneigtheit 
des  Herzogs  Georg  für  das  Neue  noch  Schlimmeres  für 
Leipzig  fürchten  ließ.  Was  war  nun  aber  das  Neue,  das 
sie  so  perhorreszierten  und  das  in  Mainz  schon  in  die  Er- 
scheirning  getreten  sein  sollte?    Das  Jus  und  die  Poetica! 

Da  leider  11.  Stintzing  in  seiner  ZusammensteUuni^ 
der  Entwicklung  des  Rechtsstudiums  an  den  deutschen  l'ni- 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  5 

versitäten  im  zuendegehenden  Mittelalter^  Mainz  ganz  über- 
gangen hat,  müssen  wir  diese  Lücke  ausfüllen. 

Es  war  hier  nicht  das  Jus  canonicum,  das  zu  dem  alten 
eisernen  Bestände  der  Universitäten  gehörte,  gemeint,  son- 
dern das  stärkere  Auftreten  des  Jus  civile,  das  wegen  seiner 
wachsenden  praktischen  Bedeutung  immer  größere  Berück- 
sichtigung seitens  der  Landesherrn  der  Universitäten  ver- 
langte und  das  in  Leipzig  noch  immer  eine  schwächliche 
Existenz  hatte 3,  während  es  in  Mainz  von  Anfang  an  vor- 
handen und  nicht  bloß  wohlgelitten  war,  sondern  gleich- 
mäßig weiter  gepflegt  wurde. 

Man  hätte  in  Leipzig  nicht  auf  Paris  zu  exemplifizieren 
brauchen,  man  hätte  auf  die  echte  Tochter  von  Paris  in 
Deutschland,  Köln*,  man  hätte  aber  auch,  was  noch  näher 
lag,  auf  Leipzigs  Mutter,  Prag%  zurückgreifen  können,  wo 
überall  das  kanonische  Recht  überwog  und  in  der  Reprä- 
sentation der  Universitäten  dabei  doch  von  geringer  Bedeu- 
tung war,  und  wo,  wenn  auch  Doctores  iuris  utriusque  pro- 
moviert wurden,  das  kaiserliche  Recht  trotz  des  Titels  nur 
so  nebenbei  und  bruchstückweise  in  die  Vorbildung  der 
Promovenden  mit  einbezogen  wurde. 

Als  die  eigentliche  deutsche  Juristenuniversität,  die  man 
in  Leipzig  auch  1511  noch  nicht  hätte  nennen  dürfen,  galt 
im  XV.  Jahrhundert  Erfurt. ^  Der  Stifter  der  Universität 
Mainz,  Erzbischof  und  Kurfürst  Diether  von  Isenburg, 
damals  Kanonikus  in  Mainz,  hatte  vom  Wintersemester  1432 
ab  in  Erfurt  studiert,  wo  das  bürgerliche  Recht  schon  seit 
1409  vertreten  war.  Als  Rektor  des  Sommersemesters  1434 
wird  er  zwar  nur  als  „in  artibus  baccalarius**  bezeichnet, 
doch  war  diese  Stufe  in  der  artistischen  Gradleiter  auch 
die  erste  Stufe  zum  juristischen  Studium  wegen  der  Vor- 
übung in  der  Kunst  zu  disputieren;  er  ist  sicher  als  Stu- 
diosus iuris  in  Erfurt  zu  denken.  Da  seine  neue  Universität 
Mainz  sich  gerade  durch  die  Pflege  der  Jurisprudenz  aus- 
zeichnete, wollen  wir  auch  noch  ein  Wort  über  die  Be- 
deutung des  Jus  an  einer  Universität,  die  einen  geistlichen 
Herrn  zum  Begründer  hatte,  einfügen,  das  uns  dann  zum 
Humanismus  überführen  soll. 

Man  muß  den  anachronistischen  Standpunkt  verlassen, 
als   wäre  es   zu   jenen   Zeiten   schon   passender  gewesen, 


2  R.  Stintzing,  Ulrich  Zasius,  323 f. 

3  E.  Friedberg,  Das  Collegium  Juridicum.  28 f.,  30 f. 

*  R.  Stintzing,  a.  a.  0.,  329.   —  &  R.  Stintzing,  a.  a.  0..  325. 
^  Th.  Muther,  Zur  Gescliichte  der  Reclitswissonschaft.     Die  Juristen 
der  Erfurter  Universität  im  14.  und  15.  Jahrhundert. 


6  Gustav  Beuch 

wenn  alle,  die  sich  dem  geistlichen  Stande  zuwandten, 
Theologie  studiert  hätten ;  Kanoniker  und  angehende  Bischöfe 
aber  hatten,  so  paradox  das  klingen  mag,  um  zu  selb- 
ständigem Urteil  und  Einfluß,  zu  gelangen,  Jurisprudenz 
ebenso  nötig  oder  bisweilen  fast  nötiger  wegen  der  infolge 
der  auf  weltlichem  Besitz  fundierten  Bistümer  und  der 
anderen  kirchlichen  Stiftungen  ihnen  zur  Erhaltung  der 
Grundlage  ihrer  Existenz  obliegenden  und  "unumgänglich 
notwendigen  Verwaltungsgeschäfte.  Es  war  gewiß  er- 
wünscht, wenn  ein  Bischof,  ein  Dechant,  ein  Archidiakonus, 
ein  Kanonikus  oder  jeder  Vicarius  in  spiritualibus  (das 
Vikariat  war  häufig,  später  bisweilen  regelmäßig  mit  dem 
Generaloffizialat  verbunden)  theologische  Kenntnisse  hatten, 
doch  konnte  auch  in  den  meisten  von  diesen  Stellungen 
Kenntnis  des  kanonischen  Rechts  nicht  recht  entbehrt 
werden.  Prediger  konnten  des  theologischen  Wissens  nicht 
antraten  und  waren  deshalb  oft  gelehrte  Theologen,  man 
denke  an  Geiler  in  Straßburg,  an  Biel  und  Wimpfeling 
in  Speier,  an  Lutreia,  Zehender  und  Nausoa  in  Mainz; 
für  alle  höheren  Geistlichen,  ja  selbst  für  Pfarrer  genügte 
in  der  Praxis  das  von  theologischen  Kenntnissen,  was  für 
die  Erlangung  der  Priesterweihe  allgemein  vorgeschrieben 
war,  und  das  bedurfte  keines  großen  Studiums.  Daher  wurde 
das  juristische  Studium,  wie  z.  B.  die  Forschungen  an 
italienischen  Universitäten  nachweisen,  im  Mittelalter  be- 
sonders stark  von  Angehörigen  des  geistlichen  Standes  ge- 
trieben. Diether  hatte  dazu  auch  noch,  wie  aus  dem  vor- 
liegenden Tatbestande  hervorgeht,  die  Wichtigkeit  des  Zivil- 
rechts erkannt  und  deshalb  für  beide  Zweige  des  Rechts 
in  Mainz  von  Anbeginn  gesorgt,  ohne  die  Theologie  und 
ihre  Amme,  die  Philosophie  (Mainz  scheint  der  Via  moderna 
angehört  zu  haben),  wie  die  Medizin  zu  vernachlässigen. 
Von  Legisten  können  wir',  ohne  daß  Vollständigkeit 
zu  erreichen  wäre,  doch,  weil  auch  die  Nachfolger  Dicthers 
sich  seinen  Intentionen  anschlössen,  eine  immerhin  respek- 
table Reihe  anführen:  Wigand  Kennicken  aus  Padorl)orn, 
Doctor  legum  und  Professor,  Kantor  zu  St.  Viktor  und 
schon  Sekretär  Adolfs  IL,  gestorben  1480  als  Dechant  zu 
St.  Bartholomäus  in  Frankfurt;  Alexander  Thcodorici 
aus  Memmingen'*,  Doctor  legum  und  Licentiatus  canonum. 


".  Zum  Folgenden  vergl.  IL  Knodt,  De  Mogiintia  litterata  Coinincn.  II, 
ö,  52,  53,  54,  55. 

^  Niclit  Meinungen  oder  Meininjjon.  Er  ist  Anfang  1467  in  Heidelberg 
als  Alexander  The<jdrici  de  Memmingen  diocesis  AugU!>t(?nsis  immalrikuliert 
und  am  13.  Juli   1408  Baccalaureus  artium  in  via  moderna  geworden. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  7 

1483  Dekan,  1496  Prokurator  am  Reichskammergericht; 
Georg  Schrauff,  Doctor  legmn,  1488  Rektor  (f  1504); 
1488  Floreiitinus  Holtzweilcr  und  Johannes  Mergent- 
heim, Doctores  legum,  Mergentheim  auch  kurfürstlicher 
Rat;  Jakob  Kolcr,  Doctor  legum,  1493  Dekan  und  Judex 
generalis  (f  1498);  sein  Nachfolger  Nikolaus  Finck  aus 
Lorch,  Doctor  legum  (1504);  Lambertus  Richtergin  aus 
Aachen,  Doctor  legum  und  1501  Ordinarius;  Rolinus  Tinc- 
toris,  Liceatiatus  legum  imd  Lektor,  1509  Doctor  iuris 
utriuscpie;  Johannes  Fürderer  oder  Kühorn,  Doctor 
legum,  c.  1508;  Dietrich  Gresemund  Junior,  Doctor 
legum,  der  in  einer  Nachricht  von  seinem  Tode  Ordinarius 
genannt  wird^;  Konrad  Weidmann,  Doctor  legum  und 
1518   Ordinarius,  lö 

Die  Leipziger  hatten  nicht  unrecht,  Juristen  und  Poeten 
in  einem  Atemzuge  zu  nennen.  Noch  zog  ein  großer  Teil 
der  Scholares  iuris  nach  Italien,  in  das  Mutterland  der 
juristischen  Studien,  besonders  die  Legisten  und  die  Be- 
flissenen des  vollen  Jus  utrumque,  da  in  Deutschland  doch 
im  ganzen  das  Jus  civile  sich  an  den  Universitäten  lang- 
sam einfand  (in  der  kaiserlichen  Residenz  Wien  z.  B.  erst 
1493)  oder  einnistete.  Dort  lernten  sie  die  humanistische 
Elocpienz  kennen  oder  zogen  bald  dahin,  um  sie  sich  bei 
solchen  Lehrern,  wie  Philippus  Beroaldus^^  in  Bologna 
anzueignen,  die  Eloquenz,  die  für  die  höhere  Beamten- 
laufbahn -einschlagende  Juristen  vor  1500  schon  vonnöten 
war  12,  wenn  sie  bei  Verhandlungen  und  Staatsaktionen  als 
Oratoren  zierliche  (docti)  Reden  halten  oder  als  Kanzler  und 
Sekretäre  elegante  Briefe  schreiben  wollten.  Sie  und  andere, 
die  als  Dozenten  an  deutsche  Universitäten  übergingen, 
pflegten  die  Erkenntnis  auch  ihren  Verwandten  und  Schülern 
einzupflanzen.  Der  Verbreitung  dieser  Anschauungen  wird 
man  inne,  wenn  man  die  Schüler  des  Konrad  Celtis  im 
Wiener  Poetenkollegium ^^  und  die  Jakob  Lochers  in  Ingol- 
stadt —  bei  diesem  spricht  sogar  die  Ansetzung  seiner  Lehr- 


^  Zu  Dietricli  Gresomund  Junior  vcrgl.   weiter  unten. 
1^  Zu   Konrad  Weidmann  vergl.  weiter  unten  bei  Johannes  Rhagius 
und  den  Epistolae  obscuroruni  viroruni. 

11  Hierzu  verjil.  die  Dedikationen  seiner  Werke.  G.  Bauch,  Die  Re- 
zeption des  Humanismus  in  Wien,   141. 

1-  Da  ist  es  recht  charakteristisch,  wenn,  wie  Wimpfeling  in  seiner 
Expurgatio  contra  detractores  sagt,  Pfalzgraf  Philipp  ,,decreuerat  in  suo 
gymnasio  (d.  h.  in  uniuersitate  Heidelbergensi)  lectiones  nouas  in  oratoria, 
in  poetica,  in   graecis   literis  (cum   legistarum   coFlegio)  instituere". 

12  G.  Bauch,  Die  Rezeption  des  Humanismus  in  Wien,  14ü. 


8  Gustav  Baucli. 

stunden  durch  die  Universität  dafür^^  —  oder  die  Erziohung 
der  Söhne  des  Pfalzgrafen  Philipp  in  Heidelbergs^  und  in 
Mainz  betrachtet.  Auch  unter  den  aufgezählten  Mainzer 
Legisten  werden  wir  Vertreter  dieser  Richtung  finden. 
Unsere  Darstellung  aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Hu- 
manismus werden  wir  jedoch  nicht  mit  der  Vorführung 
eines  humanistisch  gebildeten  Juristen,  sondern  eines  Me- 
diziners einleiten,  den  wir  an  die  Spitze  stellen,  weil  er 
am  frühesten  aus  unserer  Schar,  schon  vor  dem  wirklichen 
Inslebentreten  der  Universität,  in  Mainz  war  und  dann  zu 
ihr  übertrat.  Das  ist  Dr.  Dietrich  Gresemund  der  Ältere. 
Dietrich  Gresemund  ist  eine  allen  Mainzer  Forschern 
wohlbekannte  Persönlichkeit,  und  doch  hat  sich  niemand 
um  die  Zeilen  aus  kompetenter  Feder  näher  bekümmert, 
die  sich  über  seine  Stellung  zum  Humanismus  scharf  und 
deutlich  aussprechen.  Er  war  in  Meschede  in  Westfalen  ge- 
boren, weshalb  die  Angehörigen  seiner  Familie  in  Mainz 
manchmal  Meschede  genannt  wurden^^,  und  stammte  aus 
einer  Literatenfamilie.  Sein  Bruder,  Magister  artium  Got- 
schalk  Gresemund,  der  im  Sommersemester  1424  die 
Universität  Erfurt  bezogen  hatte,  bekleidete  in  den  Winter- 
semestern 1437  und  1445  und  im  Sommersemester  1456 
das  Rektorat  der  Universität  und  waltete  im  Wintersemester 
1457  als  Vizerektor.  Er  war  nach  Absolvierung  der  arti- 
stischen Studien  Doktor  und  Professor  der  Theologie  und 
Kanonikus,  später  Dechant  zu  St.  Marien.  Ein  anderer 
Bruder,  Hermann  Gresemund,  kam  im  Wintersemester 
1445  nach  Erfurt  und  führte  als  Magister  artium  und  Bac- 
calaureus  theologiae  formatus  im  Wintersemester  1463  das 
Rektorat.  Dietrich  Gresemund  folgte  seinen  Brüdern  im 
Wintersemester  1455  nach  Erfurt"  und  trat  dort  ein  halbes 
Jahr  nach  Berthold  von  Henneberg  xmd  ein  halbes  Jahr 
vor  Rudolf  Agricola  ein.  Er  wurde  im  Jahre  1459  Bak- 
kalar  und  1465  Magister  der  Künste.  Als  Erfurter  gehörte 
er  wie  seine  Brüder  zu  der  scholastischen  Via  moderna, 
die  allein  daselbst  vertreten  war.  In  Italien  lag  er  dann 
medizinischen  Studien  ob  und  ließ  sich  als  Doctor  medicinae 
zuerst  in  Speier  nieder  und  darauf  in  Mainz.  Kurfürst  Adolf 

^*  G.   nauch.  Die  Anfänge  des  Humanismus  in   lupolstadt.  84. 

^^'  Lehrer  der  Söhne  waren:  Adam  Werner,  Koiirad  Celtis.  Johann 
ReuchHn,    Oecolampadius,    Johannes    Hhapus    Aesticampianus. 

1«  Vergl.  H.  K.  Singer,  Der  Humanist  Jakob  Merstetter,  50.  wo  der 
Sohn  Theodor  Älescliede  Leg.  Dr.  Def.  lieißt. 

^"  G.  Dauch,  Die  Universität  Erfurt  im  Zeitalter  de*  Krühiiunianis- 
mus,  50. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  9 

machte  ihn  1470  zu  seinem  Leibarzt  und  ebenso  Kurfürst 
Berthold  1484,  der  ihn  auch  als  Rat  aufnahm."  Ein  Be- 
weis des  Vertrauens  war  es,  daß  Berthold  ihn  1486  mit 
Dr.  Alexander  Theodorici  und  Magister  Andreas 
Eber  als  Vertreter  dreier  Fakultäten,  mit  Ausschluß  der 
Theologie,  zum  Bücherzensor  des  Erzstifts  Mainz  bestellte.^ 

Wohl  schon  in  Erfurt,  wo  der  fahrende  Poet  Peter 
Luder  aus  Kißlau  1461  und  1462  lehrte^o,  vom  Humanismus 
beeinflußt,  brachte  er  aus  Italien  eine  feine  humanistische 
Bildung  mit  heim  und  gehörte  zu  so  früher  Zeit  schon  der 
schärferen  Richtung  des  Humanismus  an,  die  bereits  an 
eine  Refonii  der  Universitäten  in  ihrem  Sinne  dachte.  Hier- 
über belehren  uns  Äußerungen  seines  Sohnes  Dietrich 
undWimpfelings  xmd  auch  seine  Freundschaft  mit  Konrad 
Celtis. 

Daß  Wimpfelings  enthusiastische  Worte  an  Dietrich, 
den  Sohn,  bisher  so  wenig  Berücksichtigung  gefunden 
haben,  erklärt  sich  wohl  daraus,  daß  man  seine  etwas 
geschraubten  Sätze  nicht  richtig  verstanden  hat,  und 
weil  er  gerade  an  der  Stelle,  an  der  er  die  Bildung  des 
Vaters  lobend  anerkennt,  eine  Bezeichnung  gebraucht,  die 
leicht  falsch  verstanden  werden  kann.  Er  sagt  nämlich 
1493  in  der  Widmung  seiner  Elegantiae  maiores^^:  „Ich  weiß 
nicht,  Dietrich,  ob  ich  Deine  geistige  Begabung  eher  als 
die  väterliche  Unterweisung  loben  soll,  so  sehr  gefällt  mir 
beides.  Denn  weder  würde  ohne  einen  gewissen  eigen- 
artigen Vorzug  Deines  Fleißes  der  Vater  selbst  mit  großer 
Mühe  etwas  ausrichten,  noch  hätte  Dein  recht  zartes  Alter 
schon  ein  so  gehäuftes  Studium  der  humanen  Wissen- 
schaften bewältigt,  wenn  es  nicht  den  hervorragenden  und 
andere  weit  übertreffenden  Führer  und  Lehrer  in  den  guten 
Wissenschaften  zur  Verfügung  hätte.  Daher  werde  ich  Dich 
loben,  solange  ich  lebe;  ich  werde  aber  auch  Deinen  hoch- 
gelehrten Vater  loben,  der,  obgleich  er  ein  Deutscher,  doch 
ein  sehr  großer  Liebhaber  der  italienischen  Eloquenz  (italice 
eloquencie),  im  Vertrauen  auf  die  wunderbaren  Gaben  Deines 
Geistes  glaubte,  daß  Du  in  der  Rhetorik  und  Poetik  unter- 
wiesen  werden   könntest.**     Und    zum   Schluß    schreibt   er 


^^  Joannis,    Scriptores   historiae   Moguntinae.    III.    393. 

19  F.  W.  E.  Roth  im  Katholik  1898,   II,  243. 

2«  G.  Bauch,  a.  a.  0.,  44  f. 

-^  Jacobi  l'ymphelinpi  Sletstatonsis  Elojiantianim  niO(lulla.  oratorie- 
que  precepta.  In  ordinem  iiiuentu  facilein.  copiose.  clare  hrouitorque  rt'ducta 
0.  0.  und  J.  (Mainz,   Peter  Fried  berg).  4^. 

21  Widmungsbrief:   17.  kal.  Novbr.   1493. 


10  Gustav  Bauch. 

noch:  „Lebe  wohl  und  bringe  mich  durch  dieses  Werkchen 
Deinem  Vater  nahe". 

Die  italische  Eloquenz  ist  hier  natürhch  nicht  in  der 
Bedeutung  von  Gewandtheit  in  der  italienischen  Sprache, 
sondern  schon  von  der  verfeinerten  lateinischen  Beredsam- 
keit der  italienischen  Humanisten  zu  nehmen,  von  der 
Wimpfeling  und  andere  seiner  humanistischen  deutschen 
Zeitgenossen  noch  weit  entfernt  waren. 

Seine  entschieden  gegnerische  Stellung  zu  der  üblichen 
Behandlung  der  lateinischen  Sprache  an  den  deutschen 
Schulen  und  Universitäten  werden  wir  mit  den  Worten 
seines  Sohnes  aus  demselben  Jahre  später  beleuchten.  Da 
Wimpfeling  den  Vater  ausdrücklich  als  den  einzigen  Lehrer 
des  Sohnes  in  den  Humaniora  preist,  ist  dies  wohl  auch 
zugleich  ein  Zeichen  dafür,  daß  damals  die  Gelegenheit, 
sich  humanistisch  zu  bilden,  in  Mainz  trotz  der  Universität 
noch  ziemlich  sparsam  geboten  war. 

Hiemach  wäre  Dietrich  Gresemund,  der  Vater,  der 
Ahnherr  des  Mainzer  Humanismus.  Sein  Sohn  erwies 
sich  damals  schon  imd  noch  mehr  nachmals  als  eines 
solchen  Vaters  durchaus  würdig,  denn  dieser  ist  der  erste 
Mainzer  Humanist  geworden. 

tJm  1480  ungefähr  bewegte  sich  ein  Mann  als  Scholar 
der  Medizin  in  Mainz,  der  zwar  eigentlich  niemals  selbst 
ein  wirklicher  Humanist  geworden  ist,  der  aber  doch  eine 
Rolle  in  der  Geschichte  des  Humanismus  gespielt  hat,  der 
nachmalige  erste  Rektor  der  Universität  Wittenberg,  Martin 
Polich  von  Mellrichstadt  in  Franken,  und  deshalb  meist 
kurzweg  Meilerstadt  genannt. -  Es  ist  nicht  ausge- 
schlossen, daß  er  dort,  etwa  in  der  Atmosphäre  Grese- 
munds,  humanistische  Keime  aufgenommen  oder  vorher 
schon  in  Leipzig  aufgenommene  weiter  entwickelt  hat.  Im 
Sommersemester  1470  Leipziger  Student,  1472  Bakkalar 
und  im  Wintersemester  1475/76  Magister  der  Artes,  hatte 
er  fleißig  ausgearbeitete  thomistische  Vorlesungen  gehalten, 
in  Mainz  wairde  er  Doktor  der  Medizin  und  1482  Leibarzt 
des  jungen  Herzogs  Friedrich  von  Sachsen,  dcir  später 
als  Kurfürst  den  Namen  Friedrich  der  Weise  erhielt. 
Melierstadt  hat  1486  seinen  Freund  und  zukünftigen  So- 
dalen  Konrad  Celtis  dem  Herzog  Friedrich  bekannt  ge- 
macht und  dadurch  der  Krönung  des  ersten  Laureaten  in 
Deutschland  durch  Kaiser  Friedrich  III.  in  Nürnberü:  1487 

--  Zu  Martin  F^olich  vergl.  G.  Bauch,  Geschichte  des  Leipziger  Früh- 
huinanis-nius,   7  f.   etc. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  11 

vorgearbeitet;  denn  Kurfürst  Friedrich  von  Sachsen  war 
Pate  bei  diesem  Akte.  Daß  Po  lieh  nicht  erst  infolge  seines 
Verkehrs  mit  Celtis  zum  Humanisten  wurde,  läßt  sich  aus 
seinen  poetischen  Versuchen  in  den  achtziger  Jahren,  z.  B. 
aus  seinem  heroischen  Gedicht  auf  den  1486  gestorbenen 
Kurfürsten  Ernst  von  Sachsen,  folgern;  denn  Verse  hätte 
er,  der  Scholastiker,  doch  wohl  kaum  in  einem  Jahre 
schreiben  gelernt.  Als  seine  Mainzer  Lehrer  in  der  Medizin 
sind  wohl  Gresemund  und  Dr.  Peter  von  Viersen,  der 
als  erster  Ordinarius  der  Medizin  1480  dem  Rektorat  der 
Universität  vorstand,  und  vi;*lleicht  auch  Dr.  Albrecht 
von  Minsingen23^  den  Kurfürst  Diether  1478  zu  seinem 
Leibarzt  und  Rate  machte,  zu  betrachten.  Er  ist  auch  kein 
verächtlicher  Mediziner  gewesen,  sondern  hat  durch  seine 
medizinischen  Produktionen  der  Universität,  die  ihm  den 
Doktorhut  verlieh,  Ehre  gemacht  und  ohne  Schwierigkeit 
den  Weg  von  den  Arabisten  zur  klassischen  Medizin  ge- 
funden. 

Nur  durch  einen  zufälligen  Umstand,  die  Wirkung 
eines  Empfehlungsbriefes,  erfährt  man  von  einem  fahrenden 
Poeten,  doch  einem  Poeten  ohne  Verse,  der  kurz  nach 
Mellerstadt  in  Mainz  aufgetaucht  sein  muß,  von  dem 
Doktor  des  kanonischen  Rechts  Johannes  Riedner  von 
Ludersheim  bei  Nürnberg,  dem  Freunde  Peter  Schotts 
aus  Straßburg  und  des  berühmtesten  böhmischen  Huma- 
nisten und  vornehmen  Herrn  Bohuslaus  Lobkowitz  von 
Hassenstein.  Mit  diesen  Männern  hatte  Riedner  in 
Bologna  Freundschaft  geschlossen,  wo  er  schon  als  Magister 
von  1473  an  kanonisches  Recht  studierte.  Im  Winter- 
semester 1479  trat  er  in  Krakau  als  Poeta  auf  und  im  No- 
vember 1480  ebenfalls  als  Poeta  in  Rostock.  Daran  schloß 
sich  sein  Aufenthalt  in  Mainz,  der  durch  die  Erfurter  Matrikel 
bezeugt  ist.  2*  Dort  trug  ihn  im  Wintersemester  1482  der 
Rektor  Graf  Philipp  von  Solms  mit  den  Worten  in  das 
Album  ein  :  »jJohann-^  s  Ryednor  de  Luderßheim,  iuris  pnn- 
tificii  doctor,  gratis  ob  reuerentiam  uniuersitatis  huius  et 
rectoris  studii  Maguntini."  Er  kam  also  r?cta  via  aus  Mainz, 
doch  ist  leider  der  Name  des  Mainzer  Rektors  nicht  über- 
liefert, der  mindestens  durch  seine  Empfehlung  eine  freund- 
liche Gesinnung  für  das  Studium  humanitatis  an  den  Tag 
gelegt  hat.     Verse  sind  von  Riedner  gar  nicht  bekannt. 


-^  Zu  Viersen  und  Minsingen  vergl.  H.  Knodt,  a.  a.  ().,  II,  2,  6,  Gl; 
zu  Viersen  auch  Roth,  a.  a.  0.,  115. 

-*  G.  Bauch,  Die  Universität  Erliurt,  56 f. 


12  Gustav  Bauch. 

er  behandelte  mehr  stilistisch-rhetorische  Disziplinen  und 
fand  endlich  1484  eine  feste  Anstellung  als  Poeta  et  Orator 
in  Ingolstadt,  wo  er  1491  ein  Stein  des  Anstoßes  für  Kon- 
rad  Celtis  wurde,  der  ihn  als  vetulus  poeta  verächtlich 
angriff  und  seinetwegen  erst  1494  dort  dasselbe  Ziel  er- 
reichte. 

Wenn  dieser  Fahrende  so  ohne  Sang  und  Klang  durch 
die  Hörsäle  von  Mainz  gegangen  ist,  kommt  man  wohl  leicht 
zu  der  Frage,  ob  nicht  ein  anderer  aus  der  beweglichen 
Schar  der  Wanderpoeten  deutlichere  Spuren  von  seiner 
Anwesenheit  in  Mainz  zurückgelassen  hat.  Nur  an  Celtis 
wäre  hierbei  zu  denken,  aber  auch  seine  Einwirkung  auf 
die  Mainzer  Verhältnisse  außer  durch  seine  Schüler  und 
Sodalen  ist  ziemlich  schemenhaft.  Erst  Aesticampianus 
hat  nachweislich  befruchtend  auf  empfängliche  Geister  ge- 
wirkt. Doch  bevor  wir  zu  Celtis  und  Aesticampianus 
übergehen,  haben  wir  dem  Sohne  und  Schüler  Grese- 
munds  unsere  Aufmerksamkeit  zuzuwenden.  Nur  einem 
Mainzer  Gelehrten  wollen  wir  noch  den  Vortritt  gönnen, 
der  vermutlich  anregend  für  Gresemund  gewesen  ist,  weil 
dessen  Biograph  Gebwiler  seine  historischen  Studien  be- 
sonders hervorhebt  und  die  Publikationen  Gresemunds 
das  ebenfalls  bestätigen,  wie  er  denn  auch  schon  in  seinem 
ersten  Jugendwerke  auf  die  Geschichte  hinweist,  deren 
antike  Vertreter  doch  damals  immer  wie  die  anderen  pro- 
saischen Autoren  unter  den  Begriff  Rhetorik  subsumiert  oder 
nach  der  Weise  der  Scholastiker  gar  imter  die  Poeten  ein- 
gereiht wurden.  Dieser  erste  Mainzer  Humanist  mit  nicht 
bloß  sprachlichen  und  poetischen,  sondern  auch  mit  histori- 
schen Interessen  war  Ivo  Wittich  aus  Hamelburg-^  der 
Sohn  des  Klaus  Wittich  und  seiner  Frau  Margare ta.-<^ 

Ivo  Wittich  war  im  Sommersemester  1473  in  Leipzig 
immatrikuliert  worden  wie  schon  im  Sommer  1463  ein  Jo- 
hannes Wittich  de  Hamelborgk,  der  wohl  sein  Bruder 
gewesen  ist,  und  hatte  im  Wintersemester  1475  das  ar- 
tistische Bakkalaureat  erworben,  war  aber  dann  zum  Stu- 
dium des  kanonischen  Rechts  übergegangen  und  Doctor 
decretorum  geworden.  Zu  der  Zeit,  als  Konrad  Celtis 
nach  Leipzig  kam,  1486,  unterrichtete  er  in  Magdeburg 
mit  dem  italienischen  Humanisten  Fridianus  Pighinucius 


2^'  Zu  Ivo  Wittich  veriil.  Roth,  a.  a.  0.,  106f.:  II.  Knodl.  a.  a.  0., 
8f. ;  G.  r>aurh,  Geschichte  des  Leipziger  Frühhumanismus,  6f.,   lü,  21,  22. 

2''  Für  (He  Kitern,  die  Roth  fälschlich  Ivo  und  Katharina  nennt,  vergl. 
Wittichs  Legitimationsbrief  im  Zentralblatt  für  Bibliothekswesen,  XIV,  526. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  13 

aus  Lucca  den  jugendlichen  Erzbischof  Herzog  Ernst  von 
Sachsen,  Pighinucius  in  der  besseren  Latinität  und 
Wittich  im  Jus.  Das  Zusammensein  mit  dem  fein  ge- 
bildeten italienischen  Poeten  hat  ihn  in  seinen  humanisti- 
schen Neigungen  und  Studien  gefördert,  aber  an  seiner 
gut  deutschen  Gesinnung  nichts  geändert.  Beide  hielten 
mit  Celtis,  der  zeitweise  auch  in  Magdeburg  geweilt  hat", 
auf  brieflichem  Wege  freundschaftlichen  Verkehr.  Noch  1487 
war  Wittich  in  Magdeburg  und  trat  in  diesem  Jahre,  mit 
Pighinucius  vereint,  als  Herausgeber  eines  römischen 
Historikers  hervor.  Auf  der  Rückreise  von  der  Vermählung 
der  Schwester  des  Erzbischofs  Ernst,  Margareta,  mit 
dem  Herzog  Heinrich  von  Braunschweig-Lüneburg  im 
Februar  1487  unterhielt  sich  der  gelehrte  Rat  und  Orator 
Ernsts  Johannes  Wolf  von  Hermannsgrün-^  ein 
Schüler  des  Pomponius  Laetus,  in  Halberstadt  mit  Pighi- 
nucius über  römische  Geschichte,  und  man  kam  dabei  auf 
Flonis  zu  sprechen.  Wolf  besaß  eine  Handschrift  des  Florus 
und  schickte  sie  einige  Tage  später  Pighinucius.  Nach 
dieser  guten  Handschrift  gaben  Wittich  und  Pighinucius 
den  Autor  heraus,  und  Wittich  las  in  Leipzig  darüber. 
Zu  seinen  Zuhörern  zählte  der  junge  Konrad  Wimpina.^» 
In  der  Widmung  des  Florus  an  Erzbischof  Ernst  hat  Pighi- 
nucius sich  scharf  gegen  die  leeren  scholastischen  Haar- 
spaltereien und  das  zwecklose  übermäßig  lange  Verweilen 
bei  den  logisch-dialektischen  Disziplinen  ausgesprochen  und 
er  hat  damit  die  humanistische  Parole  zum  Kampfe  gegen 
das  Althergebrachte  in  Leipzig  ausgegeben. 

Aus  so  guten  und  schneidigen  Vorbedingungen  kam 
Wittich  nach  Mainz  und  er  ist  hier,  obgleich  bald  viel- 
seitig als  juristischer  Gelehrter  und  Fachmann  tätig  und 
verwandt,  nicht  wie  so  mancher  andere  Mann  der  Praxis 
den  Bestrebungen  seines  Vorlebens  untreu  geworden  und 
hat  dadurch  dem  Humanismus  in  Mainz  mehr  genützt,  als 
das  die  flüchtigen  Zugvögel  der  fahrenden  Poeten  imstande 
waren.  Wir  lassen  zuerst  die  Entwicklung  seiner  Laufbahn 
am  Rhein  an  uns  vorüberziehen. 

Am  Dienstag  nach  Invocavit  1491  nahm  ihn  Kurfürst 
Berthold  von  Henneberg  zu  seinem  Rat  und  Diener 
auf,  ein  Verhältnis,  in  dem  sich  Wittich  zur  Zufriedenheit 
seines  Herrn  vollkommen  bewährte.    Den  3.  November  1495 

^'  Nach  einem  Briefe  Adam  Werners  von  Themar  an  Celtis  in  Celtis* 
Codex  epistolaris. 

2«  G.  Bauch,  Die  Universität  Erfurt,  107  f. 

29  G.  Bauch,  Geschichte  des  Leipziger  Frühhumanismus,  7. 


14  Gustav  Bauch. 

wurde  er  in  Frankfurt  als  erster  inainzischer  Beisitzer  des 
Reichskammergerichts  von  dem  Kammerrichter  Grafen  Eitel 
Friedrich  von  Zollern  in  Pflicht  genommen,  und  am 
4.  Mai  1496  befreite  ihn,  der  noch  Subdiakon  war,  Ber- 
thold von  der  nach  kanonischem  Recht  durch  sein 
Assessorat  am  Reichskammergericht  hervorgerufenen  Irre- 
gularität und  öffnete  ihm  dadurch  den  Weg  zu  den  höheren 
Weihen  und  zu  höheren  geistlichen  Würden.  Zum  Jahre 
1499  soll  er  daim  seine  Stelhmg  am  Reichskammergericht 
niedergelegt  haben.^^  1494  war  er  in  seiner  Eigenschaft 
als  kurfürstlicher  Rat  mit  am  kaiserlichen  Hoflager  in  den 
Niederlanden  und  saß  in  Antwerpen  in  Sachen  des  Bischofs 
von  Worms  Johannes  von  Dalberg  contra  Worms  zu 
Gericht.  Später,  1498,  fiel  ihm  in  den  Streitigkeiten  zwischen 
dem  Bischof  und  der  Stadt  noch  eine,  allerdings  erfolglose, 
Vermittlerrolle  zu.  Am  18.  Dezember  1494  wurde  er  und 
der  Doctor  legum  Johannes  Schad,  ebenfalls  in  Antwerpen, 
von  Maximilian  I.  beauftragt,  dem  kaiserlichen  Sekretär 
Matthäus  Lang  aus  Augsburg,  dem  der  Kaiser  die  J^icentia 
in  legibus  verliehen  hatte,  die  Doktorinsignien  zu  erteilen.»^ 
Lang,  damals  schon  und  später  als  kaiserlicher  Locum- 
tenens  in  noch  höherem  Grade  eine  bedeutende  Persön- 
lichkeit am  kaiserlichen  Hofe,  ist  der  nachmalige  Bischof 
von  Gurk  und  Kardinal-Erzbischof  von  Salzburg.  Im  Jahre 
1499  erhielt  Wittich  von  Bert  hold  die  durch  den  Tod 
des  Matthäus  Eberwein  erledigte  Lektoralpräbende  ^u 
St.  Viktor  und  wurde  damit  Ordinarius  des  kanonischen 
Rechts  an  der  Universität.  Das  Jahr  1501  brachte  ihm  die 
"Würde  des  mainzischen  Sigillifer.  1504  endlich  hatte  er 
das  Rektorat  der  Universität  inne,  nachdem  er  1501  und 
1502  ihr  Kanzler  gewesen  war.  Zu  dem  Kanonikat  bei 
St.  Viktor  imd  einem  andern  bei  Beatae  Mariae  Virginis 
ad  Gradus  empfing  er  1506  noch  eins  an  der  Kathedrale  zu 
St.  Johann  in  Breslau .^^  Am  4.  Dezember  1507  ist  er  aus 
diesem  Leben  abgeschieden,  er  gehörte  al)er  zu  den  bevor- 
zugten Privatleuten,  die  ein  bleibendes  Andenken  in  der 
deutschen   Literatur  haben. 

Die  an  der  Elbe  in  ihm  geweckte  Vorliebe  für  die  Ge- 
schichte^s,  der  er  an  der  Pleiße  darauf  durch  Vorlesungen 

3"  llarpprecht,  11.  50,  «0. 

s^  Paul  Legers.  Kardinal  Matthäus  Lang,  74,  wo  für  Joani  luoni  zu 
lesen  ist.   —    ^-  Vergl.   hif*rzu  den  oben  zitierten   Lej:itiniationj>l)rief. 

3^  Roth,  111,  berichtet,  daß  Wittich  mit  Konrad  Peutinger  im  Brief- 
verkehr gestanden  und  ir)0;-J  j^ich  hei  ihm  nach  dem  Krscheinen  seiner 
Arbeil  über  est-  und  weströmische  Münzen  erkundigt  habe.  Diese  Arbeit 
hat  wahrscheinlich  heute  die  Wiener  Hofbibliothek  handschriftlich  aus  dem 
besitz  Peutingers. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  15 

Rechnung  getragen  hatte,  pflegte  er  am  Rhein  weiter  und 
bewährte  sie  in  zwiefacher  Weise.  Zunächst  stiftete  er 
1504  als  Rektor  eine  Lcktur  für  Geschichte  an  der  Uni- 
versität und  dann  beteiligte  er  sich  an  einem  großen  Über- 
setzungswerke, das  der  erste  Inhaber  seiner  Lektur,  Doctor 
legum  Bernhard  Schöfferlin»*,  begonnen  hatte.  Es  ist 
sonderbar,  daß  die  landläufigen  Darstellungen  der  wissen- 
schaftlichen Renaissance  dieser  Seite  des  Humanismus  meist 
nicht  gerecht  werden  oder  sie  gar  nicht  kennen,  so  daß 
man  leicht  zu  der  falschen  Anschauung  kommt,  als  wären 
die  Humanisten  weltfern  auf  romantischen  Wolken  über 
die  Masse  des  deutschen  Volkes,  also  ohne  jegliche  Fühlung 
mit  ihm  und  ohne  Streben  danach,  hinweggeschritten.  Für 
die  Humanisten  am  Rhein  und  zu  dieser  wie  zu  der  fol- 
genden Zeit  gilt  das  in  keiner  Weise,  denn  hier,  in  Heidel- 
berg, in  Straßburg  und  in  Mainz,  suchte  man^  von  patrioti- 
schen, pädagogischen  und  moralischen  Gesichtspunkten  ge- 
leitet, positive  Früchte  aus  dem  Studium  des  Altertums 
auch  anderen,  die  der  lateinischen  Sprache  nur  wenig  oder 
gar  nicht  mächtig  waren,  zugänglich  zu  machen. 

Wie  Schöfferlin  nach  Mainz  gekommen  ist,  entzieht 
sich  der  Kenntnis,  vielleicht  setzte  er  sich  dort  zur  Ruhe. 
Er  war  in  Eßlingen  geboren  und  am  19.  Oktober  1454  als 
Student  in  Heidelberg  eingetreten,  wo  er  am  10.  Juli  1456 
Baccalaureus  in  artibus  viae  modernae  wurde.  Seine  juristi- 
schen Studien  hat  er,  nach  seiner  humanistischen  Bildung 
zu  schließen,  in  Italien  gemacht.  Im  Jahre  1485  war  er 
Assessor  des  württembergischen  Hofgerichts,  dem  auch 
Johann  und  Ludwig  Vergenhans  (Nauclerus),  Martin 
Nittel  und  Johann  Reuchlin  angehörten.  Mit  Reuchlin 
war  er  befreundet.  Im  Jahre  1495  wurde  er  erster,  vom 
Lande  Schwaben  präsentierter  Beisitzer  des  Reichskammer- 
gerichts und  als  solcher  am  2.  November  in  Frankfurt 
vereidigt.  1499  wurde  er  aufs  neue  Rat  bei  Herzog  Ulrich 
von  Württemberg,  vorbehaltlich  seiner  Stelle  bei  dem 
Reichskammergericht,  und  1500  schwäbischer  Bundesrichter 
namens  der  Städte.  Schon  1503  ist  er  in  Mainz  mit  der 
Übersetzung  des  Livius  für  die  Schöffersche  Offizin  be- 
schäftigt  gewesen. 

Von  welchen  Anschauungen  getragen  er  an  diese  Hte- 
rarische  Arbeit  ging,  das  gibt  seine  Vorrede  wieder.  Er 
sagt:  „So  ich  offt  und  vil  by  mir  selbs  betracht  hab,  was 
einem   weltlichen  man   allermeist  zu   vernimfft  dienen,   zu 


3-  Zu  SchöfTcrlin  vergl.  RoHi,  a.  a.  0.,  l()2f.;  Harpprocht,  II.  f>2.  03. 


16  Gustav  Bauch. 

manheit  (virtus)  und  einem  tugenrichen  leben  bringen  müchl, 
find  ich  nach  myneni  bedunken  nit  nützers  noch  frucht- 
barlichs,  dan  flyßig  historien  und  alt  geschichten  ze  lesen, 
wa  die  allein  ordenlich,  als  sich  des  die  alten  Roemer 
geflyssen  haben,  beschriben  werden;  wan  von  inen  ein 
yde  geschieht  warlich,  wie  sich  die  an  ir  selbes  begeben 
hat,  mit  allen  umbstenden,  worten  und  tatten,  daran  icht 
gewesen  ist,  beschriben  wirt.  Wa  das  nit  beschicht,  moecht 
syn,  das  sich  uff  historien  zu  geben,  kleine  frucht  gebar. 
Dan  was  hilfft  mich  oder  warzu  dienet  es  mir,  das  ich  weiß, 
das  die  Roemer  ir  küng  vertrieben  und  ein  ander  re^iment 
an  sich  genommen  haben,  so  ich  nit  weiß,  warumb  und  uß 
was  Ursachen  es  beschehen  ist.**  Ebenso  setzt  er  ausein- 
ander, wie  wichtig  und  lehrreich  es  sei,  die  Taten  Scipios 
ZU  betrachten:  „das  dynet  einem  yeden,  der  sich  in  ritter- 
lichen oder  weitlichen  Sachen  üben  soll  und  muß,  daruß 
nympt  der  alt  wißheit,  der  iung  manheit  und  geschiklicheit 
und  lernet,  wie  man  sich  zu  tujgenten  keren,  schand  und 
laster  flihen  und  myden  soll**  etc.  Zu  der  Entwicklung  Roms 
von  geringen  Anfängen  zur  Weltherrschaft,  dem  Rückgang 
und  Verfall  bemerkt  er:  ,,das  dynet  nit  wenig  einem  yden, 
der  von  gott  dem  almechtigen  darzu  angesehen  und  ver- 
omet  ist,  das  er  land  oder  stett  regieren  soll**.  Zum  Schluß 
spricht  er  von  seinem  nationalen  Standpunkt  aus:  „So  ich 
nun  befynd,  das  in  tütscher  zungen  sollicher  waren  und 
recht  beschribner  historien  großer  mangel  ist,  hab  ich 
Bernhard  US  Schoef  erlin,  doctor  in  keyserhchen  rechten, 
mir  selber  fürgenommen,  mit  hilff  des  almechtigen  gotz, 
der  myn  vernunfft  und  zungen  leyten  wol,  dem  gemeinen 
nutz  zu  gut,  zu  lob  und  eer  tütscher  nation  zu  beschriben 
die  rechten  waren  roemischen  hystorien  von  Ursprung  der 
statt  Rom,  wie  sie  von  erst  gebuwen  ward,  wie  ir  regiment 
von  anbegynn  durch  die  küng,  darnach  durch  iarlichen 
gewalt  zweyer  burgermaister,  die  sie  Consules  genent  haben, 
und  eins  ratz  ein  lange  zyt  bestanden  sy,  wie  ouch  das 
roemisch  volck  durch  di(»  gemeind  oder  zunfftmeister,  die 
sie  Tribunos  plebis  genannt  haben,  den  hogsten  gewalt  an 
sich  und  die  gemeind  pracht  hat  imd  wie  es  am  ledsten  zu 
der  Monarchia,  das  ist  zu  gewalt  und  regiment  eins  einigen 
menschen  kommen  sy,  dadurch  die  keyserlich  würde  iren 
Ursprung  und  anfang  genommen  hat,  und  was  zwytragti- 
keit,  krieg  und  stryt  sich  darunder  zwyschen  f runden  und 
fynden  begeben  haben.  Ich  würd  ouch  zu  synen  zyten  der 
tütschen  manheit  \md  tugent  nit  vergessen,  sonnder  orden- 
lich beschriben,  was  in  vor  fünffzehenhundert  iaren  mit  den 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  17 

Roemern  und  ander  nation  begegnet  ist,  wan  ich  fynd 
souil  manheit  und  ritterlichs  werben  von  inen  l)eschriben, 
das  sie  in  dem  für  alle  nation  gelobt  syen.**  Nachdem  er 
noch  darüber  Auskunft  igegeben  hat,  daß  er  eklektisch  ver- 
fahre und  frei  übersetze,  kommt  er  zuletzt  mit  einem  Hiebe 
gegen  die  literarischen  Neigimgen  der  Zeit,  einem  schul- 
meisterlichen Gegenstück  zu  den  satirischen  Intentionen  des 
Cervantes:  „Ich  hoff,  es  soll  zu  dem  mynsten  mer  nutz 
pringen,  dann  das  man  die  fabel,  die  man  nennet  die  ritter- 
bucher,  die  erdachte,  ungeschehene,  ouch  ungloepliche  ding 
in  sich  halten,  lese,  die  ouch  den  menschen  zu  sollicher 
vernunfft  und  geschiclicheit  als  dise  warhafftige  hystorien 
nit  sturen  noch  pringen  mügen". 

Schöfferlin  starb  nach  Vollendung  der  beiden  ersten 
Teile,  wahrscheinlich  noch  1504,  und  Wittich  führte  das 
Unternehmen  fort.  Er  setzte  mit  dem  Kriege  der  Römer 
gegen  Philipp  von  Mazedonien  ein  und  schloß  den  dritten 
Teil  mit  dem  Regierungsantritte  des  Perseus  (Buch  XXXI 
bis  XL);  1505  erschien  die  stattliche,  vornehm  gedruckte 
Ausgabe.  Ihre  Wiederholung  und  Erweiterung  zeigt,  daß 
die  Mühe  der  beiden  Gelehrten  nicht  verloren  war. 

In  der  dem  Bande  vorgesetzten  Widmung  an  Kaiser 
Maximilian  I.,  in  der  der  Verfasser  ohne  Namensnennung 
nur  mit  „ich**  spricht,  steht  das  bekannte  Zeugnis  für  die 
Erfindung  der  Buchdruckerkunst  in  Mainz  durch  Johann 
Gutenberg,  das  Johann  Fust  und  Peter  Schöffer  nur 
den  Ruhm  der  Weiterbildung'  der  schwarzen  Kunst  zuge- 
steht.85  Da  sich  die  Vorrede  Schöfferlins  munittelbar 
hinter  dem  Register  anschließt,  so  ist  doch  wohl  dieser  der 
Verfasser  der  Widmung^«,  imd  das  würde  die  Bedeutung 
des  Zeugnisses  noch  heben,  da  in  Eßlingen,  der  Heimat 
Schöfferlins,  schon  in  den  siebziger  Jahren  eui  tüchtiger 
alter  Drucker,  Konrad  Feyner  aus  Gerhausen,  tätig  war, 
der  ihn  doch  am  Ende  über  den  Ursprung  der  Typographie 
genügend  hätte  unterrichten  können. 

Sonderbarerweise  hat  Johann  Schöffer,  der  doch 
bald  mit  seinen  gefälschten  Angaben  über  die  Erfindung 
hervortrat,   nicht  nur  hier  die   Widerlegung  seiner  Lügen 

3^  ...  in  welicher  stadt  auch  anfengklich  die  wunderbare  kunst  der 
Truckerey  und  Im  ersten  von  dem  kunstreichen  Johan  Güttenbergk. 
do  man  zait  nach  Christi  unsers  heren  gebürt  Tausent  vierhunderth  und 
funffzig  jare,  erfunden  und  darnach  mit  vleyß,  kost  und  arbeyt  Johan 
Fausten  und  Peter  Schoeffers  zu  Mentz  gebesserth  und  bestendig 
gemacht  ist  worden. 

^'^  IJ.  Heidenheimer  tritt  für  Ivo  Wittirh  als  Verfasser  ein.  Zeitschrift 
für  Bücherfreunde,  2.  Jahrgang,  II,  368  f. 

Beitrüge  z.  Gesch.  d.  Universitäten  Mainz  u.  Gießen.  2 


18  Gustav  Bauch. 

selbst  abgedruckt,  sondern  er  hat  sie  auch  ruhig  in  den 
Wiederholungen  des  Livius  von  1514  und  1523,  die  doch 
auch  von  ihm  hergestellt  wurden,  unverändert  stehen  lassen. 

Wittich  hat  allen  Mainzern  sichtbar  durch  einen  in 
seinem  Rektoratsjahre,  1504,  gesetzten  Denkstein  gleichfalls 
sein  Zeugnis  für  Gutenberg  vor  aller  Welt  abgelegt.-^" 
Und  mag  auch  die  Revolutionszeit  diesen  Stein  vernichtet 
haben,  die  Fedeni  der  Historiker  und  die  Lettern  der  Drucker 
haben  dieses  unanfechtbare  Zeugnis  der  Wahrheit  auch 
für  alle  Zeiten  sichergestellt.  So  haben  die  beiden  humani- 
stischen Freunde  der  Geschichte  für  die  Geschichte  der 
Menschheit  und  der  Verdienste  der  Deutschen  um  sie  ein 
Monumentum  aere  et  saxo  perennius  geschaffen. 

•  Reicher  an  eignen  Werken  und  Editionen  als  Wittich 
und  auch  produktiv  in  Viersen,  die  wir  von  Wittich  gar 
nicht  besitzen,  war  Dietrich  Gresemund  der  Jüngere-^**, 
obgleich  sein  Leben  noch  rascher  ablief  als  das  Wittichs; 
aber  er  war  auch  seßhafter  in  Mainz  und  hatte  zugleich 
einen  größereu  Freundeskreis,  der  ihn  immer  wieder  zu 
literarischen  Arbeiten  anregte. 

Als  Riedner  in  Mainz  lehrte,  war  er  ein  Knab?  von 
fünf  Jahren.  Er  ist  1477,  obwohl  stets  Moguntinus  genannt, 
weil  er  als  ganz  kleines  Kind  nach  Mainz  kam,  in  Speier 
geboren.  Seine  Mutter  Barbara  war  eine  Imelin  oder  Im- 
molaria. 

Wie  oben  berührt  wurde,  übermittelte  ihm  der  Vater 
eine  tüchtige  humanistische  Vorbildung  nach  italienischem 
V^orbilde,  die  von  Besuchern  des  väterlichen  Hauses  schon 
an  dem  Kinde  bewundert  wurde,  und  ließ  ihn  zwar  an  der 
Universität  die  dialektischen  Studien  in  via  moderna  ver- 
folgen, doch  nur  sow^eit,  als  für  einen  Juristen  nötig  er- 
schien. Durch  eigene  Erfahrungen  belehrt,  wollte  er  nicht, 
daß  der  Sohn  bis  zum  Magisterium  f ortschritte,  damit  er 
nicht  zwecklos  seine  geistigen  Fähigkeiten  und  die  kostbare 
Zeit  in  den  üblichen  leeren  Wortgefechten  der  Logiker  - 
die  Modernen  galten  darin  als  die  Weitschw^eifigslen  -  ver- 
geudete. Während  dieser  Vorbereitungszeit,  bereits  1493, 
wandte  er  sich  auch  schon  den  ersten  Studien  im  Zivil- 
recht  ZU.33 

In  diesem  Jahre  trat  der  Vierzehnjährige,  wohl  durch 

^'  Vergl.   H.  Heidonheimer,   Vom  Ruhme  Johannes  Gutenhergs.   26  f. 

^'^  Zu  Dietrich  Gresemund  Junior  vergl.  die  liebevolle  Darstellung 
Heidenlieimers  in  der  Zeitschrift  für  Kulturgeschichte».  N.  F,  4,  111,  21  f. ; 
G.  Bauch  im  Archiv  für  Literaturgeschichte,  XII.  346 f. 

^'J  K.  Hartfelder,  Adam  Werner  von  Themar,  49. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  19 

einen  Besuch  bei  seinen  Verwandten  in  Speier,  mit  W im- 
pf el  in  g  in  Verbindung,  der  einen  großen  und  dauernden 
Einfluß  auf  seine  ganze  humanistische  Richtung  gewann, 
und  den  er  deshalb  dankbar  als  seinen  Lehrer  verehrte. 
Man  könnte  auch  sagen:  damit  beginnt  die  Wimj)fe- 
lingsche  Periode  des  Mainzer  Humanismus.  Ebenso 
knüpfte  er  1493  mit  dem  pfälzischen  Prinzenerzieher  Adam 
Werner  von  Themar  auf  brieflichem  Wego  an  und  durch 
Verse,  die  beide  bis  zum  Jahre  1495  miteinander  wechselten. 
Der  Anknüpfungspunkt  war  das  Gedicht,  das  Werner  zu 
den  Versen  Wimpfelings  De  conceptu  et  triplici  Mariae 
candore  beigegeben  hatte,  und  das  Gresemund  durch  Zu- 
sendung eines  eigenen  zum  Lobe  Wimpfelings  erwiderte*<^, 
welches  an  Kurfürst  Berthold,  dem  Wimpfeling  sein 
Werkchen  gewidmet  hatte,  gerichtet  ist.  Der  Schluß  preist 
Berthold,  und  das  wollen  wir  aus  weiter  unten  noch 
zu  erörternden  Gründen  nicht  seitwärts  liegen  lassen,  als 
Gönner  der  humanistischen  Dichter: 

...  res  placida  est  magisque  multo, 
Quod,  Bertholde,  tibi,  beate  presul 
Moguntine,  dicauit  hoc  celebre 
Carmen,   tu   solita   benignitate 
Donis  atque  doces  amare  Musas. 
Eternum  merito  tibi  parandum  est 
Nomen  post  cineres  cado  tepentes. 

Mit  einem  andern,  wohl  1495  entstandenen  Gedichte, 
einer  Elegie,  feierte  er  Bert  hold  als  Säule  der  Kirche, 
als  Hüter  des  Reichs,  als  treuen  Helfer  Maximilians  und 
als  unermüdlichen  Anwalt  des  ewigen  Landfriedens.*^ 

An  dem  Briefwechsel  nahm  auch  ein  Schüler  Werners 
teil,  der  nachmalige  Lehrer  Philipp  Melanchthons, 
Peter  Günther  aus  Neustadt  an  der  Haardt,  und  kam  da- 
durch ebenfalls  in  Freundschaft  mit  Gresemund.  1496 
war  Günther  Schulmeister  in  Oppenheim  und  Freund  und 
wissenschaftlicher  Helfer  des  Stadtschreibers  und  Druckers 
Jakob  Köbel.*-  Im  Sommer  1517  stand  er,  nun  Magister 
artium  und  Doktor  beider  Rechte,  der  Universität  Heidel- 
berg als  Rektor  vor.  Und  1521  gab  Johann  Schöffer  in 
Mainz  zwei   Bücher  De  arte   rhetorica,   von   ihm  heraus.*^ 


*<^  K.   Hartfelder,  a.  a.  0.,  93.  -  *»  K.  Hartfelder,  a.  a.  0..  91. 

*-  Vergl.  Das  Bistiim  Worms  in  den  Historisch.j)olitischen  Hlätlern. 
Jahrgang  1876,  II,  936. 

*2  Petri  Guntheri  iurisconsulti,  et  oratoris,  ac  poetae  laureati  de 
arte  rhetorica  libri  diio.  eloquentiae  candidatis  mire  utiles  futnri  &  breiii- 
tate  praeceptionuni.  &  exeniploriim  uarietate.     MQguntiae  M.  D.  XXI.    49. 

2* 


«20  Gustav  Baucb. 

Hier  heißt  er  auf  dem  Titel  noch  Orator  ac  poeta  laureatus. 
Wir  werden  ihn  später  als  Streitgenossen  für  Wimpfeling 
Seite  an  Seite  mit  Gresemund  antreffen. 

Als  dritten  im  Jahre  1493  gewonnenen  Freund  Grese- 
munds  haben  wir  noch  den  Benediktinerabt  zu  St.  Martin 
in  Sponheim,  Johannes  Trithemius,  anzureihen,  denn 
schon  am  1.  Januar  1494  schrieb  er  an  diesen  als  an  einen 
Bekannten  und  ehrte  ihn  mit  der  Anrede  Praeceptor.  In 
einem  Briefe  dankte  Werner  Gresemund  für  die  Zu- 
sendung seiner  Lucubratiunculae.**  Das  war  die  erste, 
Trithemius  gewidmete  Arbeit,  die  der  bei  der  Abfassung 
erst  sechzehnjährige  Gresemund  1494  durch  die  Presse 
ausgehen  ließ.  Sie  bildet  unter  der  Form  eines  Traumes 
ein  dreiteiliges  Werk,  das  1493  in  Mergenthai  entstanden 
war,  wohin  er  vor  einer  pestartigen  Seuche  geflüchtet  war. 
Ihr  Titel  heißt:  Theoderici  Gresemundi  iunioris  Mo- 
guntini lucubraciuncule  bonanim  Septem  artium  liberalium 
Apologiam  eiusdemque  cum  philosophia  dialogum  et  ora- 
tionem  ad  rerum  publicarum  rectores  in  se  complectentes.** 
Sie  sind  begleitet  von  Applausen  von  Johannes  Trithe- 
mius, Konrad  Leontorius  aus  Maulbronn,  dem  Zister- 
zienser, von  Jakob  Wimpfeling  und  dem  Regularkano- 
niker  in  Heina  Rutgerus  Venrai  Sicamber,  die  sich  sämt- 
lich nur  auf  das  erste  Stück  beziehen.  Trithemius  und 
Wimpfeling  hatten  wohl  die  andern  Dichter  angeworben, 
die  Verse  aller  bildeten  eine  nicht  verächtliche  Glorie  für 
das  jugendliche  Haupt  des  Verfassers.  Es  wird  uns  später 
klar  werden,  wie  gewichtig  immerhin  die  Jünglingsarbeit 
in  dem  damit  auch  in  Mainz  beginnenden  Kampfe  gegen  die 
alles  überwuchernde  scholastische  Methode  mitspricht. 

In  der  Einleitung  ziun  ersten  Dialoge,  der  zwischen 
den  Interlocutores  Chiron  und  Aristobolus  geführt  wird, 
die  Dietrich  zum  Schiedsrichter  angerufen  haben,  ergeht 
sich  der  Verfasser  in  sehr  scharfen  Ausdrücken  gegen  den 
Haufen  der  trägen  Priester,  denen  der  Name  der  guten 
Künste  so  verhaßt  sei,  daß  sie  die  Gelehrsamkeit  der  Schande 
gleichachten  und  Unterrichtete  mit  unauslöschlichem  Hasse 
verfolgen. 

Der  Dialog  spinnt  sich  nun  in  der  Weise  ab,  daß 
Aristobolus  die  einzelnen  „Artes"  angreift,  ohne  auch  nur 
eine  gelten  zu  lassen,  und  Chiron,  der  die  Ansichten  Grese- 


*4  K.   Hartfeldor,   a.   a.   0.,  85  X. 

*^  Impressum  in  nobili  ciuitate  Moguntina  per  Petrum  Fridbergensem 
Anno  virginei  partus.  M.  cccc.  xciiij.    49. 


Aus  der  Gesohiclile  des  Mainzer  Humanismus.  21 

munds  vertritt,  sie  verteidigt;  keiner  überzeugt  den  andern, 
obwohl  ihre  Gnindanschauungen  zusammentreffen. 

So  behauptet  Aristobohis,  die  Grammatik  sei  gering 
zu  schätzen,  da  sie  ad  bene  beateque  viuendum  keine  Be- 
deutung habe,  sich  nur  mit  der  lateinischen  Sprache  be- 
schäftige und  höchstens  für  Knaben  gut  sei.  Chiron  wendet 
dagegen  ein,  sie  sei  nötig  zum  Verständnis  der  Werke  be- 
rühmter Männer,  in  denen  die  besten  Vorschriften  für  Er- 
reichung der  Tugenden  überliefert  würden,  deren  Kenntnis 
zur  Verbesserung  der  Sitten  und  damit  ad  feliciter  viuendum 
viel  beitrage.  Die  Grammatik  erstrecke  sich  auch  auf  die 
griechische  Sprache.  Aristobolus  wirft  bei  Chirons  Auf- 
zählung der  grammatischen  Elemente  ein,  daß  die  Knaben 
nicht  so  unterrichtet  würden.  Denn  es  würden  ihnen  die 
Regeln  der  Modi  significandi  beigebracht,  die  von  einem 
Nutzen  für  die  Erwerbung  der  lateinischen  Sprache  so  weit 
entfernt  zu  sein  schienen  wie  der  Sanid,  den  man  auf  er- 
tragfähigen Acker  streut,  um  Früchte  zu  erzielen,  von  der 
Fruchtbarkeit.  Chiron  meint  darauf,  auch  vieles  andere 
minder  Nützliche  geschähe  in  altem  Schlendrian,  woraus 
dann  der  von  Aristobolus  angedeutete  Vorteil  hervorgehe. 
Es  sei  eitel  und  eine  Schädigung  der  jugendlichen  geistigen 
Anlagen,  wenn  man  sie  unnützer  Weise  mit  den  Modi  signi- 
ficandi belaste,  deren  gründliches  Verständnis  einen  Philo- 
sophen erfordere.  Daher  glaube  auch  er,  daß  es  mit  dem 
Zwecke  der  Grammatik  nichts  zu  schaffen  habe,  sondern 
daß  die  kostbare  Zeit  verschwendet,  die  (xeister  verpfuscht 
und  für  die  höheren  Wissenschaften  verdummt  würden, 
wenn  ihnen  von  trägen  und  deshalb  ungc^lehrten  Lehrern 
nur  die  alte  Barbarei,  die  sie  von  ihren  Lehrern  gehört 
hätten,  trotz  des  jetzt  vorhandenen  Reichtums  an  bewährten 
Grammatiken,  vorgesetzt  würde.  Die  Lehrer  führten  die 
verschiedenen  Erklänmgen  der  Verse  des  Alexander  Gallus 
an,  dächten  die  Berechtigung  aller  Einteilungen  aus,  häuften 
die  unnützen  und  ganz  dunklen  Kräfte  der  Regimina,  die 
von  den  Knaben  nicht  verstanden  würden,  zusammen,  sie 
zimmerten  das  unentwirrbare  Labyrinth  der  fünf  Figuren, 
trügen  jene  alten  Streitfragen  und  Behauptungen  vor,  von 
dem  Vokativ,  von  den  unpersönlichen  Verben  und  von  den 
Gerundien.  Ganz  zu  schweigen  von  der  weitschweifigen 
und  verzwickten  Behandlung  der  Temporalia  des  Donatus, 
von  den  verworrenen  Redereien  über  die  Hindernisse  der 
Konstruktion  des  Alexander  Gallus^  von  den  unaufhörlichen 
Zweifeln,  die  sowohl  im  Donatus  wie  in  dem  Alexander 
mit  einer  langen   Reihe   von   vielen  Argumentationen  den 


i 


22  Gustav  Bauch. 

Köpfen  der  Knaben  eingepfropft  würden,  so  daß  ein  Jüng- 
ling, der  fünfzehn  Jahre  die  Schulen  und  Universitäten  be- 
sucht hatte,  gefragt,  was  ihn  die  Lehrer  gelehrt  hätten, 
geantwortet  habe:  ^,Die  beiden  Teile  des  Alexander**.  Da- 
her geschehe  es,  daß  manche,  die  bei  unsern  Landsleuten 
Magister  der  Philosophie  hießen,  wenn  sie  die  Universitäten 
verließen  und  unter  wirkliche  Gebildete  kämen,  weder  la- 
teinisch zu  reden  noch  Gedichte  zu  schmieden,  noch  Briefe 
abzufassen,  keine  Geschichten  zu  erzählen,  noch  sich  über 
die  Geheimnisse  der  Moral  und  der  Natur  auszusprechen 
wüßten,  eben  weil  sie  ihre  ganze  Lebenszeit  mit  den  Modi 
significandi  und  der  Quiddiiät  der  Nomina  und  den  ver- 
zwickten Universalien  und  den  übrigen  Nichtigkeiten  dieser 
Art  hingebracht  hätten.  Purer  Wahnsinn  sei  es,  mit  so 
leeren  Lehren  das  jugendliche  Alter  zu  ruinieren,  da  mit 
einfacher  Behandlung,  die  keinem  Ekel  errege,  besser  zum 
Ziele  zu  kommen  wäre.  Bestätigend  sagt  Aristobolus,  die 
klugen  Italiener  lehrten  mit  Weglassung  der  Schwierig- 
keiten ihren  Jünglingen  eine  kürzere  und  vorteilhaftere 
Grammatik,  die  dann  so  schnelle  Fortschritte  machten,  daß 
sie  mit  zwanzig  Jahren  zu  dem  Doktorat  in  den  höheren 
Fakultäten  gelangten.  Und  er  spricht  sich  mit  dem  Vorbe- 
halt, daß  er  von  der  Grammatik  überhaupt  nichts  wissen 
wolle,  noch  schärfer  dahin  aus,  daß  die  „Grammatelli'* 
keine  bessere  Methode  hätten  ausdenken  können,  die  Bil- 
dung aufzuhalten  und  problematisch  zu  machen,  und  daß 
Pluto,  der  Gott  der  Unterwelt  (hier  dem  Teufel  gleichge- 
setzt), um  die  von  Jupiter  gestreuten  Samen  zu  vernichten, 
diese  unentwirrbar  verfilzten  Irrtümer  den  Menschen  ein- 
gegeben habe. 

Wenn  wir  den  Disput  über  die  Grammatik  so  ausführ- 
lich wiedergegeben  haben,  so  war  die  Bedeutung  des  Gegen- 
standes für  jene  Zeit,  für  das  Jahr  1493,  und  für  das 
rheinische  Gebiet  der  Anlaß  dazu ;  denn  erst  1496  erschien 
AVimpfelings  Isidoneus,  von  Jakob  Han  aus  Straßburg 
dem  Straßburger  Scholastikus  Heinrich  von  Henneberg, 
dem  Bruder  Bertholds,  gewidmet,  auf  dessen  Vorschläge 
für  die  Reform  des  grammatischen  Unterrichts  so  oft,  wenn 
auch  nicht  ganz  mit  Recht,  als  epochemachend  für  ganz 
Deutschland  hingewiesen  wird,  ohne  daß  man  Gresemunds 
gedenkt.  Gresemund  hat  also  doch  wohl  seine  Ideen  mehr 
vom  Vater  als  von  W^impfeling  übernommen,  obgleich, 
wie  wir  hervorzuheben  nicht  unterlassen  wollen,  die  Aus- 
führungen W^impfelings  in  dem  Isidoneus,  besonders  in 
den  Kapiteln  17  und  21,  inhaltlich  und  bisweilen  fast  wört- 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  2Ii 

lieh  mit  denen  Gresemunds  übereinstimmen  und  es  uns 
schwer  fällt,  Wimpfeling  als  den  Nehmenden  und  nicht 
als  den  Gebenden  zu  betrachten.  Beide,  Gresemund  und 
Wimpfeling,  haben  in  den  grammatischen  Reformen  schon 
1482  den  Wiener  Humanisten  Bernhard  Perger  mit  seiner 
Grammatica  nova  nicht  bloß  als  theoretischen  Vorläufer, 
sondern  als  praktischen  Vorherausführer  ihrer  Wünsche  ge- 
habt.*^ Gresemtind  der  Ältere  stand  vielleicht  auf  dessen 
Schultern. 

Nachdem  alle  sieben  Künste  durchgehechelt  sind,  wird 
Gresemund,  der  von  vornherein  für  Chiron  gestimmt  war, 
durch  die  Erscheinung  und  Bitte  der  sieben  Künste  noch 
mehr  in  seinem  Urteil  bestärkt  und  entscheidet,  ein  jugend- 
licher Salomo,  in  allen  Punkten  gegen  den  Angreifer.  Von 
der  Logik  sagt  er,  sie  sei  so  zu  berücksichtigen,  daß  man 
auf  sie  nicht  allein  Mühe  verwende,  damit  nicht  die  Zeit, 
die  für  bedeutendere  Disziplinen  verwendet  werden  müßte, 
bei  ihrem  Betriebe  verbraucht  würde.  Aber  die  jungen 
Leute  müßten  sich  mit  zuerst  auf  sie  legen,  da  sie  zu 
vielem  diene.  Das  ist  das  Urteil  des  Vaters,  der  nicht  wollte, 
daß  sein  Sohn  das  philosophische  Magisterium  erwarb,  da- 
mit er  nicht  seine  guten  Anlagen  und  die  kostbare  Zeit  in 
überflüssigen  dialektischen  Haarspaltereien  verschwendete. 

Die  Astronomie  (Astrologie),  deren  Vorhersagungen 
Aristobolus  als  „Astronomorum  commentum**  behandelt  hat, 
nimmt  er  in  Schutz,  weil  sie  die  Himmel  offenbare  und 
den  Menschen  die  Geheimnisse  der  Unsterblichen  eröffne; 
dadurch  pflege  sie  auch  den  Staaten  bisweilen  sehr  zu 
nützen. 

Diese  Deklamation  fand  bei  den  Zeitgenossen  lebhafte 
Anerkennung,  die  sich  nicht  mir  in  den  angehängten 
Applausen  ausspricht,  sondern  auch  zu  mehrfacher  Wieder- 
holung durch  den  Druck  führte.*^  Dadurch  wurde  sie  natür- 
lich auch  ein  humanistisches  Agitationsmittel  im  Kampfe 
gegen  die  mittelalterliche  Behandlung  des  Lateins.  Die  Vor- 
liebe übertrug  sich  nicht  auf  die  beiden  folgenden  Stücke 
dieses  Erstlingswerkes,  den  Dialog  Gresemunds  mit  der 
Philosophie  und  die  Rede  der  Oratoria  an  die  Staatslenker. 
Der  einzige  Konrad  Celtis  hat  ein  Hexastichon  daran  ge- 
w^agl,  den  ersten  Dialog  und  die  Geheimnisse  der  Philosophie 
zu  loben,  aber  es  blieb  in  seinen  Epigrammen  begraben.*« 

*^  G.   Bauch,   Die  Rezeption   des   Humanismus  in   Wien,   15  f. 
*•  Hierzu  vergl.  Helhig,  Bibliophile  bolge,  XI"  annee,  1876,  22f.,  209f. 
***  Epigramme,   ed.    Hartfelder,    III,   43:   De   Gresmundo.     Von  Hart- 
felder fälschlich  auf  den  Vater  bezogen. 


24  Gustav  Bauch. 

Das  Zwiegespräch  mit  der  Philosophie,  das  mehr  Leben 
und  Geschick  als  der  erste  Dialog  zeigt,  schließt  sich  an 
die  Defensio  an.  Die  Philosophie  bittet  Gresemiind,  auch 
ihre  Verteidigung  zu  übernehmen.  Er  erklärt  sich  dazu 
bereit,  doch  verlangt  er,  daß  sie  zuvor  ihre  eigne  Sache  bei 
ihm  führe,  damit  er  wisse,  wie  er  sie  gegen  die  Angriffe 
Übelwollender  schützen  könne.  Er  fragt  sie,  wanim  sie 
dulde,  daß  so  viel  Unheil  und  Verwirningen  entstünden. 
Die  Philosophie  behauptet,  das  sei  nicht  ihre  Schuld;  da 
die  Fürsten  auf  ihren  Rat  nicht  hörten  und  der  Auswurf 
der  Menschen  den  Sitz  einnähme,  auf  dem  sie  sonst  bei 
den  Fürsten  zu  ruhen  gepflegt  habe.  Gresemund  verweist 
sie  auf  die  Hülfe  ihrer  fünf  Töchter,  der  Physik,  Metaphysik, 
Ethik,  Mathematik  und  Logik,  und  der  fünf  Töchter  der  Logik, 
der  Grammatik,  Poetik,  Dialektik,  Rhetorik  und  Historik. 
Mit  Hülfe  dieser  Nachkommen  solle  sie  an  die  „Reforma- 
tio rerum  publicarum"  jj;ehen. 

Darauf  erzählt  die  Philosophie,  was  sie  schon  versucht 
habe.  Sie  habe  erkannt,  daß  die  gefährliche  Krankheit  von 
dem  Haupte  ausgegangen  sei.  Daher  sei  sie  sofort  zu  den 
Fürsten  geeilt,  habe  aber  infolge  des  Einflusses  der 
schlechten  Ratgeber  tauben  Ohren  gepredigt  und  sei  schließ- 
lich durch  bewaffnete  Trabanten  hinausgewiesen  w-orden. 
Ähnlich  sei  es  kurz  darauf  der  Concordia  ergangen,  und 
als  sie  für  diese  eingetreten,  sei  sie  hinausgeworfen  worden. 
Hierauf  habe  sie  den  Versuch  gemacht,  die  Fürsten  anzu- 
gehen, wo  sie,  von  ihren  schlimmen  Ratgebern  getrennt, 
sie  vielleicht  geduldiger  anhören  würden.  Sie  habe  dazu 
ein  Gastmahl  der  Kaiser,  Könige  und  Fürsten  erwählt  und 
sich  ihrer  Schwester  Justitia  als  Botin  bedient.  Diese  sei 
aber  von  den  Dienern  als  ihr  verwandt  erkannt  und  mit 
Schlägen  abgewiesen  worden,  bis  man  sie  rufe.  Auf  ihrem 
Heimwege  sei  dieser  ein  scheußliches  Weib,  eine  Megäre, 
begegnet,  die  sich  zu  dem  Mahle  der  Fürsten  begab,  um 
Gift  in  ihre  Becher  zu  schütten,  daß  keiner,  der  davon  ge- 
trunken, ruhen  könne,  bis  er  seinen  Staat  zu  Grunde  ge- 
richt(»t  habe.  Auf  die  flehentliche  Bitte  und  die  Anrufung 
des  Zeus  und  d(»s  Styx  stand  die  Furie  von  ihrem  Plane 
ab;  (loch  sagte  sie  bei  ihrem  Verschwinden,  daß  die  Rat- 
g(^ber  der  Fürsten  von  ihrem  Tranke  schon  vielfach  ge- 
nossen hätten. 

Nach  diesem  fehlgeschlagenen  Versuche  habe  sich  die 
Philosophie  zu  den  Fürsten  privatim  begeben  und  geneigtes 
Gehör  gefunden;  diese  hätten  um  ihre  Hülfe  und  ihren  Rat 
gebeten.    Sie  habe  ihnen  geraten,  die  Reformation  bei  sich 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  25 

selber  zu  beginnen  und  dann  die  übrigen  durch  ihr  Bei- 
spiel zur  Integrität  aufzurufen.  Zuersl  aber  müßten  sie 
die  schlechten,  habgierigen,  unbilligen,  grausamen,  unge- 
gelehrten,  hochmütigen  und  Aufruhr  erregenden  Menschen 
aus  ihren  Beratungen  entfernen,  die  am  meisten  die  Ruhe 
der  Staaten  störten,  und  dafür  gelehrte,  rechtschaffene,  ge- 
rechte, friedliebende,  treue,  verschwiegene  und  kluge  Männer 
zu  Rate  ziehen.  Die  Fürsten  nahmen  die  Ermahnungen 
gnädig  auf,  zweifelten  aber,  daß  ihre  Vasallen  ebenso  bereit- 
willig sein  würden.  Sie  beauftragten  die  Philosophie,  zu 
diesen  Fürsten  und  zu  den  Leitern  der  Städte  zu  gehen  und 
sie  zu  einer  Versammlung  zu  berufen.  Auch  die  Unter- 
fürsten nahmen  sie  freundlich  auf;  nicht  so  die  Lenker  der 
Städte,  die  sich  nach  ehrenvollem  Empfange  hochmütig  er- 
wiesen und  erst  nach  eindringlichen  Ermahnungen  ihren 
Starrsinn  fahren  ließen. 

Hier  tritt  nun  noch  eine  weibliche  Erscheinung  hinzu 
und  warnt  vor  dieser  Nachgiebigkeit,  da  in  den  Städten 
auch  noch  die  schwankende  Meinung  des  „Vulgus  ignobile** 
dazu  käme.  Diese  Frau  entpuppt  sich  als  Veritas,  die 
Schwester  der  Philosophie.  Gresemund  hat  sie  nicht  er- 
kannt, weil  ihr  Gesicht  von  Narben  entstellt  ist.  Sie  hatte, 
lange  abwesend,  überall  in  Lebensgefahr,  alle  Klimata 
durchwandert  und  endlich,  schwer  verwundet,  in  einem 
Kloster  Hebreiche  Aufnahme  gefunden.  Die  Philosophie 
nimmt  sich  nochmals  der  Städte  an  und  verweist  auf  die 
Fürstenzusammenkunft,  wo  ihre  Enkelin  Oratoria  sprechen 
werde. 

Oratoria  warnt  die  Fürsten  vor  Schmeichlern  und 
fordert  von  ihnen,  nach  dem  Vorbilde  römischer  Feldherren 
auch  mitten  in  den  Geschäften  die  Wissenschaften  und  die 
Philosophie  zu  pflegen.  Der  ungebildete  Fürst  sei  dem  Ein- 
flüsse schlechter  Männer  leicht  ausgesetzt;  der  unterrichtete 
sei  schwerer  zu  täuschen.  Sie  sollten  Gelehrte  begünstigen, 
um  durch  sie  unsterblich  gemacht  zu  werden;  nicht  bloß 
Pferde,  Hunde  und  Jagdfalken  sollten  sie  ernähren.  Staat 
und  Kirche  würden  dadurch  neuen  Glanz  erhalten.  Dann 
aber  sollten  sie  Gerechtigkeit  üben;  jc»doch  so,  daß  sie  als 
Ausfluß  der  Frömmigkeit  erschiene,  und  gleichmäßig  gegen 
Freund  und  Feind.  Sich  selbst  aber  müßten  sie  durch 
Continentia  im  Zaume  halten. 

Sodann  mahnt  sie  zur  Eintracht.  Papst  Alexander 
und  Kaiser  Maximilian  sollen  für  Eintracht  in  beiden 
Ständen  des  Staates  sorgen.  Alexander,  ,,numon  in  terris 
choruscans    maximum",    solle  dem   geistlichen   Stande    in 


2G  Gustav  Bauch, 

Heiligkeit  der  Sitten  vorangehen;  der  mit  jedem  Verbrechen 
belastete,  fast  zugrunde  gerichtete  Stand  müsse  sich  wieder 
erheben;  doch  müsse  der  Papst  die  Reformation  ,,a  maiori- 
bus**  beginnen.  Von  Maximilian  wird  vor  allem  verlangt, 
daß  er  alle  Fürsten  und  Völker  einige,  um  sie  zur  Aus- 
rottung der  Türken  zu  führen.  Die  Versammelten  erklären 
nach  Beendigung  der  Rede,  daß  sie  ihnen  angenehm  ge- 
wesen und  daß  sie  ihnen  auch  für  die  Zukunft  nützlich 
sein  solle. 

Die  scharfen  Ausfälle,  der  Widerspruch  der  berührten 
Verhältnisse  mit  der  Wirklichkeit  erklären  wohl  hinlänglich, 
daß  diese  beiden  Abschnitte  der  Lucubratiunculae  nicht 
wieder  abgedruckt  worden  sind.  Die  Idee  zu  diesen  Stücken 
mag  Gresemund  wohl  durch  die  Lektüre  von  Maffeo 
Veggio  empfangen  haben.  Fast  zwei  Jahrzehnte  später 
hat  wieder  ein  Deutscher,  Johann  von  Kitzscher,  das- 
selbe Fahrwasser  aufgesucht*^  aber  er  tat  es  als  ehemaliger 
Schüler  des  Philippus  Beroaldus  und  älterer  Mann  und 
auch  nicht  nur  zu  deklamatoriscrhen  Zwecken.  G  r  e  s  e  - 
munds,  eines  halben  Knaben,  Leistung,  der  Italien  noch 
nicht  gesehen  hatte,  ist  daher  um  so  respektabler.  Man 
denke,  welche  Mühen  Philipp  Melanchthon  auf- 
wenden mußte,  um  in  Wittenberg  Deklamationen,  zusammen- 
hängende prosaisch-rhetorische  Darstellungen,  auf  die  Bahn 
zu  bringen *o,  und  er  hat  sie  doch  dann  noch  zum  guten 
Teil  für  den  Vortrag  —  selbst  geschrieben. 

Gresemund  fand  aber  auch  für  das  ganze  Werk  schnell 
genug  einen  dauernden  Lohn  durch  eine  Rezension,  die 
ihm,  so  jung  er  war,  kaum  erst  am  Anfange  literarischer 
Tätigkeit  und  als  Lebendigen  in  einen  von  den  großen 
papierenen  Friedhöfen  aufnahm,  die  die  von  manchem  inn- 
sonst  ersehnte  literarische  Unsterblichkeit,  ob  auch  nicht 
immer  „sans  phrase",  garantieren.  Der  Pate  des  Werkes, 
Trithemius,  reihte  ihn  mit  den  größten  Lobsprüchen  auf 
den  neuen  Cicero  in  seinen  Catalogus  illustrium  virorum^^ 
trotz  seiner  Jugend  ein,  weil  er  Bücher  „wie  ein  Mann" 
geschrieben  habe. 

Er  tat  dies  aber  nicht  allein  wegen  der  ihm  durch  die 
Widmung  widerfahrenen  Ehre;  der  Knabe  stellte  sich  ihm 

*'*'  G.  Bauch.  Johann  von  Kitzscher,  im  Neuen  Archiv  für  Sächsische 
Geschichte,  XX,  314  f. 

^^  G.  Bauch,  Die  Einführung  der  Melanchthonischen  Declamalionen 
an  der  Universität  zu  Wittenherg,  Breslau   IIKK). 

^^  Cathalogus  illustrium  virorum  Germaniam  suis  ingeniis  et  lucu- 
hrationibus  omnifariam  exornantium  domini  Johannis  Tritemii  abbatis  Span- 
hemensis  etc.     0.  0.  u.  J.  (Feter  Friedberg,  Mainz  1495),  4". 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  27 

auch  noch  1494  zur  Seite  in  seinem  gegen  den  Bruder 
Wigand  Wirt  wegen  der  Immaculata  conceptio  geführten 
Streite.  Als  er  mit  seinem  Tractatus  de  laudibus  sanctis- 
sime  matris  Anne  hervortrat '»^  hatte  er  um  der  verstärkten 
Wirkung  willen  eine  stattliche  Reihe  von  Poeten  dafür 
mobil  gemacht  —  in  dem  Streite  reichten  sich  die  sonst 
doch  bei  den  Theologen  so  verschrieenen  Poeten  mit  den 
strengsten  Theologen  die  Hand.  Trithemius  selbst  schritt 
auch  als  Poet  voran.  Dann  folgten  Konrad  Celtis, 
Dietrich  Gresemund  der  Jüngere,  Rudolf  von 
Langen,  Jodocus  Radius  (Asconsius)  Gaudensis,  Rudger 
von  Venrai,  Dr.  Jodokus  Beissel,  der  Aachener  Patrizier, 
Adam  Werner  von  Themar  und  Johannes  Herbst  aus 
Lauterburg,  einer  immer  den  andern  an  Enthusiasmus  für 
die  heilige  Anna  überbietend.  Gresemund  war  mit  seinem 
Tetrastichon  so  unter  die  vornehme  Gemeinde  der  nam- 
haften Poeten  der  Zeit  aufgenommen. 

Die  Lucubratiunculae  trugen  ihrem  Verfasser  nicht  nur 
den  Beifall  des  Trithemius  und  seiner  Freunde  ein,  er 
beklagt  sich  in  mehreren,  seinem  zweiten  prosaischen  Werke 
angehängten  Gedichten,  daß  ein  falscher  Freund  hinter 
seinem  Rücken  behaupte,  sie  seien  mit  fremdem  Hammer 
und  Amboß  geschmiedet.  Der  Zoilus  hatte  wohl  nicht  ganz 
unrecht,  wenigstens  w^as  die  Selbständigkeit  des  Urteils  an- 
betrifft. Das  Buch,  in  dem  sich  der  verletzte  Autorenstolz 
äußert,  ist:  Podalirij  Germani  cum  Catone  Certomio  de 
furore  germanico  diebus  genialibus  carnispriuij  Dialogus." 
Das  Werkchen  ist  von  Versen  der  gekrönten  Dichter 
L.  Joannes  Cuspinianus  und  Jacobus  Canter  Frisius 
begleitet**  und  unter  dem  letzten  Februar  1495  dem  Mainzer 
Kanzler  Georg  von  Helle,  Pfeffer  genannt,  gewidmet. 
Die  Interlocutores  des  Dialogs  sind  der  Deutsche  Podalirius 
Ecdicetes  und  der  Italiener  Cato  Certomius.  Cato  urteilt 
seinem  Namen  gemäß  sehr  streng  und  abfällig  über  die 
tolle  Ausgelassenheit  des  Karnevals  bei  den  Deutschen,  den 
er  in  Speier  kennen  gelernt  hat.  Nach  langem  Disput  mit 
dem  Verteidiger  Podalirius,  der  Gresemund  Gelegenheit 
gibt,  seine  klassische  Gelehrsamkeit  zu  zeigen,  läßt  er  sich 
aber  doch  bereit  finden,  jetzt  in  Mainz  daran  teilzunehmen. 

*-  De  laudibus  sanctissimc  matris  arme  tractatus  perquam  utilis 
domini  ioaanis  tritemij  abbatis  spanhcimensis  ordinis  diui  patris  bcnedicti. 
Impressum  in  nobili  ciuitate  Maguntina  per  petrum  Friedbergensem  Anno 
virginei  partus  Mccccxciiij   xij.  kalendas  Augusti. 

*3  Ohne  Druckvermerk  (Mainz,  P.  Friedberg),  4^^.  Ausführlich  be- 
handelt von  H.  Heidenheimer  in  der  Zeitschrift  für  Kulturgeschichte,  N. 
(4.)  F.,  III,  21  f.  —  ^*  Zu  diesen  beiden  Männern  vergl.  weiter  unten. 


i 


28  Gustav  Bauch. 

Da  jedoch  verdirbt  sich  Gresemund  absichtlich  oder  un- 
absichtlich die  Pointe  selbst^  indem  er  den  Genossen  Catos 
Munacius  als  im  Gedränge  verwundet  einführt.  Natürlich 
bedankt  sich  nun  Cato  trotz  des  Protestes  des  Podalirius 
dafür,  sich  an  dem  Unfuge  zu  beteiligen.  Dieses  Zwiege- 
spräch ist  viel  lebendiger  und  plastischer  als  die  abstrakten 
Lucubratiunculae  und  zeigt  daher  noch  mehr  wie  jen?, 
daß  die  Zeitgenossen  nicht  ohne  Grund  das  Talent  des 
jungen  Mannes  bewunderten.  Der  Zwiespalt  des  Dialogs 
wiederholt  sich  auch  in  den  Begleitversen.  Cuspinianus 
lobt  zwar  den  noch  so  jungen  Verfasser,  die  Hoffnung 
Deutschlands,  doch  weniger  das  verrückte  Faschingstreiben : 
Canter  lobt  gleichfalls  Gresemund  und  ziemlich  ironisch 
auch  den  Karneval. 

Wenn  man  den  heiteren  Gegenstand  dieses  Dialogs 
betrachtet,  wird  man  nicht  geneigt  sein,  zu  glauben,  daß 
Gresemund  um  dieselbe  Zeit,  als  er  das  Buch  schrieb, 
daran  dachte,  ins  Kloster  zu  gehen ^^,  und  doch  ist  dem 
so.  Am  11.  April  1495  schrieb  Trithemius  an  Konrad 
Celtis,  Dietrich  sei  vor  zwei  Monaten  heimlich,  vor  seinem 
Vater  fliehend,  zu  ihm  geflüchtet  und  habe  um  Aufnahme 
unter  die  Mönche  gebeten.  Trithemius,  der  ihm  nicht 
gern  willfahren  w^ollte,  zog  ihn  hin.  Inzwischen  besann  sich 
Dietrich,  durch  Briefe  und  Boten  des  Vaters  bewogen, 
eines  andern  und  kehrte  nach  Hause  zurück.  Der  Grund 
der  plötzlichen  Abwendung  vom  Irdischen  w^ar  ein  Fehl- 
tritt: famulam  domus  grauidam  reddidit;  die  Furcht  vor 
dem   Vater  hatte   den   schnellen   Entschluß   hervorgerufen. 

Nach  diesem  Zwischenfalle  schickte  ihn  der  Vater  nach 
Italien,  der  Heimat  der  juristischen  Studien.  1495  war  er 
in  Padua  und  1497  ist  er  in  das  Album  der  deutschen  Nation 
in  Bologna  eingetragen.  Dort  studierte  er  gleichzeitig  mit 
Thomas  Wolf  Junior^^,  dem  „Echo"  Wimpfelings.  Ein 
anderer  Bologneser  Freund  war  der  nachmalige  Sekretär 
Maximilians  I.,  der  1504  bei  dem  Kaiser  für  Aldus  Ma- 
nu tius  wirkte,  als  dieser  seine  Akademie  nach  Deutschland 
verlegen  wollte,  Johannes  Collaurius  Firmianus.^" 
Ihm  widmete  er  eine  Elegie  „Epicurus**,  die  ein  beschei- 
denes, anspruchsloses  Leben  preist.  Den  legistischen  Doktor- 

^'*  Das  Folgende  nach  einem  Briefe  des  Trithemius  an  Celtis  in  Celtis" 
Codex  epistolaris. 

^6  Zu  Thomas  Wolf  Junior  vergl.  Ch.  Schmidt,  Histoire  Iitl6raire  de 
TAIsace,  II.  58 f.;  G.  Knod,  Deutsche  Studenten  in  Bologna.  642,  No.  427«; 
G.  Bauch,  Die  Universität  Erfurt,  128 f. 

■'^'  Archiv  für  Literaturgeschichte,  XII,  355,  Anm.  1;  G.  Knod,  a.  a.  0., 
262,  No.   1802;  Studi   e  documenti,  VIII,  282. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  29 

hut  erwarb  er  1498  in  Ferrara.  Diesen  italienischen  Lorbeer 
mußte  er  dann,  als  er  in  Deutschland  einen  Lehrstuhl  an- 
strebte, noch  einmal  verteidigen,  weil  einige  transalpine 
Universitäten  in  dem  Rufe  standen,  gegen  Geld  und  gute 
Worte  die  akademischen  Ehren  zu  übertragen.  Darauf  lehrte 
er  trotz  seiner  Jugend  unter  großem  Beifall  das  kaiserliche 
Recht.  Hieronymus  Gebwiler,  der  dies  erzählt^«,  nennt 
die  Universität  nicht,  es  kann  aber  nur  Heidelberg  gemeint 
sein,  wo  Gresemund  am  29.  Mai  1499  immatrikuliert  worden 
ist.  Ähnliche  Schwierigkeiten  machte  1507  die  juristische 
Fakultät  in  Leipzig  dem  in  Bologna  promovierten  Freunde 
des  Aesticampianus  Dr.  Heinrich  Schmidberg,  und 
Dr.  Christoph  Scheurl  trat  deshalb  für  ihn  ein.^» 

In  Heidelberg  wohnte  Gresemund  im  Hause  des 
„Wirtes  der  Philosophen**,  wie  man  im  Kreise  der  Sodalitas 
literaria  Rhenana  sagte,  imd  Spezialfreundes  des  Konrad 
Celtis  wie  auch  Vertrauten  des  edlen  Wormser  Bischofs 
und  pfälzischen  Kanzlers  Johann  von  Dalberg  Johannes 
Vigilius«®,  und  lebte  mit  dem  seit  1498  wieder  nach  Heidel- 
berg zurückgerufenen  Wimpfelingin  engem  Verkehr.^^  Bei 
den  „sokratischen**  Mahlen  im  Hause  des  Vigilius  trat  er 
auch  Johann  Reuchlin  näher. 

Der  überaus  fruchtbare  Wimpfeling  brachte  ihm  eben- 
falls Gelegenheit,  den  Griffel  zu  führen.  So  als  Wimpfe- 
ling und  eine  große  Schar  seiner  Schüler  und  Verehrer 
sich  im  Juli  1499  mit  einer  an  Kurfürst  Philipp  und  seine 
Söhne  gerichteten  Epistel  für  die  Gleichberechtigung  der 
Modernen  oder  Nominalisten  mit  den  Antiqui  oder  Realisten 
an  der  Universität  verwendeten.  «^  Unter  den  51  Poeten,  die 
das  Gesuch  mit  Versen  in  die  Öffentlichkeit  geleiteten,  steht 
an  zweiter  Stelle,  hinter  dem  Theologen  Jodokus  Gallus 
aus  Ruffach  und  vor  Jakob  Wimpfeling,  Dietrich 
Gresemund.  Der  im  Oktober  1499  beendeten  Adolescentia 
Wimpfelings«3  gab  er  wieder  an  zweiter  Stelle  nach  Jo- 
dokus Galz  ein  Tetrastichon  „contra  mendacium**  bei.    Bei 


*®  Bei  Historia  de  violala  Cruce  1514. 

^*  Neue  Mitteilungen  des  Thüringisch-Sächsischen  Vereins,  XIX,  404. 

•®  G.  Bauch,  Die  Rezeption  des  Humanismus  in  Wien,  70. 

•1  G.  Knod,  Wimpfeling  und  die  Universität  Heidelberg  (Zeitschrift 
für  die  Geschichte  des  Oberrheins,  N.  F.  I),  321  f. 

«*  G.  Knod,  Zur  Bibliographie  Wimpfclings  (Zentralblatt  für  Biblio- 
thekswesen. V),  474,  No.  2;  H.  F.  Singer,  Der  Humanist  Jakob  Mer- 
stetter,  24  f. 

•3  Uns  liegt  die  Ausgabe  vor:  Adolescentia  Jacobi  wimphelingij  cum 
nouis  quibusdam  additionibus  per  Galiinarium  denuo  reuisa  ac  elimata. 
Straßburg,  Martin  Flach,  1511. 


30  Gustav  BaucI). 

den  47  Poeten,  die  hier  mitwirkten,  findet  man  Peter 
Günther,  Johannes  Immolarius  Nemetensis,  wohl  einen 
Verwandten  Gresemunds,  und  Johannes  Heusegen 
(Oecolampadius)  Wynspurgensis,  den  wir  nochmals  mit 
Gresemund  zu  erwähnen  haben  werden. 

Schwierig  ist,  da  wir  keine  genauere  Datierung  und 
auch  keine  anderen  Verbindungsfäden  auffinden  können, 
eine  eigene  Publikation  Gresemunds  aus  demselben  Jahre 
in  dem  richtigen  Zusammenhange  unterzubringen.  Er  hielt 
bei  einer  Synode  unter  dem  Vorsitz  des  Erzbischofs  Bert- 
hold in  Mainz  eine  Rede,  die  gedruckt  vorliegt.  ^^  Er  er- 
scheint in  dieser  Ansprache  als  strenger  Sittenrichter.  Den 
belesenen  Humanisten  zeigt  der  Eingang,  worin  er  nach- 
weist, wie  hoch  die  Priester  in  der  heidnischen  Vorzeit  bei 
Ägyptern,  Galliern,  Babyloniern,  Indern,  Äthiopen,  Römern, 
Hebräern  und  unseren  deutschen  Vorfahren  geschätzt 
wurden,  und  wie  sehr  der  Priesterstand  durch  die  christ- 
liche Religion  an  Bedeutung  zugenommen  habe.  Daher  aber 
müßten  die  Sitten  des  Standes  auch  als  Norm  für  ein  gott- 
seliges Leben  gelten  können,  und  die  Geistlichen  hätten, 
wenn  sie  unwürdig  seien,  einst  härtere  Strafen  als  die 
übrigen  Menschen  zu  erwarten.  Er  muß  hiernach  doch 
wohl  schon  1499  eine  kirchliche  Position  in  Mainz  gehabt 
haben. 

Wenn  sein  Biograph  Geh  weiter  erzählt,  er  habe  sich 
aus  Liebe  zur  Religion  und  zu  den  Altertümern  nach  Rom 
begeben,  das  er  aber  bald,  der  Stadt  überdrüssig,  wieder 
verlassen,  so  muß  das  etwa  1501  geschehen  sein,  denn  am 
31.  Juli  1501  ist  er  in  Siena  nachweisbar.  Wir  werden  nach 
Gebwilers  Äußerung  wohl  nicht  fehlgreifen,  wenn  wir  in 
diese  Zeit  die  beiden  sehr  scharfen  Epigramme  Grese- 
munds gegen  das  Rom  Alexanders  VI.  setzen,  die  seiner 
einstigen  Rede  der  Oratoria  so  entgegengesetzt  sind,  viel- 
leicht das  Beste,  das  seine  Muse  hor\'orgebracht  hat.«^  Das 
Thema  des  ersten  ist,  daß  Venus  für  den  Ehebruch  mit 
Mars  sich  von  diesem  habe  Rom  schenken  lassen  und  dort 
nun  gebiete,  das  des  zweiten,  daß  nicht  mehr  Simon  Petrus 
als  Stellvertreter  Christi  in  Rom  weile,  Petrus  sei  zum 
Fischfange   zurückgekehrt,   Simon   sei   geblieben. 


*»*  Oratio  Thcodorici  jrresemimdi  ad  sanctarii  syiiodnm  MoKuntinain 
ologaiilissinia.  Ohne  Druckvorrncrk  (Hist,  Speior)  4^.  Das  Jalur  ist  auf 
der  Rücksoitc*  des  Titels  anjiegeben. 

^^  Pasquilli  extatici.  scu  iiiiper  e  coelo  reuersi  .  .  cum  Marphorio 
colloquium  et«.,  o.  O.  u.  J.,  S.  19.),  202.  E.  B.»  kitis,  Ulrichi  Hulteni 
opera,  III,  77. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  31 

Auf  dem  Rückwege»  nach  der  Heimat  wurde  Grese- 
m  u  n  d  in  Straßburg  von  einem  Freunde  dem  Johann 
Geiler  von  Kaisersberg  zugeführt,  der  Neigung  für  den 
bescheidenen  jungen  Mann  gewann.  Damals  wird  er  wohl 
auch  zu  der  zwar  erst  1503  erschienenen,  aber  von  Wim- 
pfeling  schon  quinto  Idus  Sextiles  1501  den  Liebhabern 
der  guten  Künste  ,,ex  heremitorio  diui  Guilhermi**  gewid- 
meten Ausgabe  von  Magnencij  Rabani  Mauri  De  Laudibus 
sancte  Crucis  opus«^  seine  zwei  Gedichte  hinzugefügt  haben. 
Poetische  Genossen  waren  hierbei  Johann  Reuchlin,  Jo- 
dokus  Gallus,  Johannes  Gailinarius  aus  Heidelberg 
und  Georg  Simler  aus  Wimpfen.  Bald  rief  eine  Fehde 
Wimpfelings  Gresemund  mit  zum  literarischen  Kampfe. 
Wimpfeling  hatte  1501  in  seiner  Germania  ad  rempublicam 
Argentinensem^'  den  Nachweis  zu  führen  gesucht,  daß  Straß- 
burg und  die  übrigen  Städte  des  Rheins  niemals  dem  galli- 
schen Reiche  angefügt  gewesen  seien.  In  seinem  patrioti- 
schen Eifer  schied  er  nicht  zwischen  Gallien  und  Frankreich, 
und  daher  ist  seine  ganze  Beweisführung,  nebenbei  auch 
in  den  Beweismitteln,  etwas  wunderiich.  Die  Schwächen 
der  Deduktion  forderten  den  bekannten  Humoristen  Thomas 
Murner  zum  Angriff  heraus,  ohne  daß  freilich  auch  er 
Klarheit  in  die  Sache  gebracht  hätte.  Daß  er  gegen  den 
hochverehrten  Wimpfeling  geschrieben «^  bei  ihm  von 
veterana  deliratio  gesprochen  und  mit  Bezug  auf  die  von 
diesem  zitierten  sieben  Zeugen  gesagt  hatte:  „Wer  von 
sieben  sagt,  der  lügt  gern**,  das  war  für  die  zahlreichen 
Anhänger  Wimpfelings  zuviel.  Eine  Defensio  Germaniae 
Jacobi  Wimpfelingii  trat  zuerst  Murner  entgegen. '^^  Den 
Reigen  eröffnete  darin  Peter  Günther,  der  sich  hier  den 
Beinamen  Murena  zulegt,  mit  einem  derben  Briefe  an  den 
Leser,  precipue  Argentinensibus.  Das  Hauptstück  der  Samm- 
lung, auch  an  Grobheit,  ein  Brief  des  Thomas  Wolf 
Junior,  ist  auch  in  eine  zweite  Verteidigungsschrift  auf- 
genommen: In  hoc  libello  hec  continentur  Versiculi  Theo- 
dorici  Gresemundi  Legum  Doctoris  Epistole  Thomc 
Wolffij  iunioris.  Decretorum  Doct.  Carmina  Esticam- 
piani  Poete  laureati  Tetrastichon  Jacobi   Wimphelingi. 

^•»  Pforzheim,  Thomas  Ansholm  Martin  monsc.     M.  V.  III.  etc.     2^. 

6^  Imprcssa  per  industrium  Johannom  Prüß  Ciuem  Argontinen.  Tro- 
tecimo  kalendas  Januarij.  Amin  Millesimo  quingontesimo  primo.  Vergl. 
r\rchiv  für  Literaturgeschichte,  Vli.   lüöf. 

<"»"  Neudruck:  Thomae  Murner  Argenlini  Ordinis  Minorum  Sarre  Thco- 
ügio  Baccalarii  Cracouiensis  ad  rempublicam  Argentinam  Germania  noui. 
Impressum  Genevae  per  Jul.     Guiil.   Fick   1874. 

^3  Impressum  Fribv.  o.  J.     4^^. 


32  Gustav  Baucli. 

Epistola  Thome  Murner.  Lector  eme  et  gaudebis.  Joannes 
Strosack  feliciter  impressit.'®  Der  Sammler  dieser  Pam- 
phlete ist  Gresemund,  er  widmete  Wimpfeling  das  Buch 
(Ex  Spira  V.  id.  Nouemb.  1502).  In  seinem  ersten  Gedicht 
behauptet  er,  die  Germania  Wimpfelings  gefalle  allen 
Gelehrten,  nur  „merdosae  cuidam  cucullae**  nicht,  denn 
„asinus  rudis  praeoptat  auro  stramina  nihilque  est  porco 
cum  cithara";  im  zweiten  wehrt  er  sich  dagegen,  daß 
Murner  ihn,  den  Deutschen,  zu  einem  Franzosen  machen 
wolle;  im  dritten  beklagt  er  die  Germania,  daß  nicht  ein 
K()nig,  ein  Kaiser  oder  der  Türke  ihr  Verstümmelung  drohe, 
sondern  eine  übelbekannte  Kutte,  ein  „semimortuum  ca- 
dauer**,  weil  sie,  der  guten  Mutter  überdrüssig,  Gallien 
vorzieht,  wo  das  leichte  Gehirn  hätte  geboren  werden 
müssen. 

Als  Thomas  Wolfs  Bruder  Amandus,  den  er  jeden- 
falls auch  von  Bologna  her  kannte,  1504  starb,  tröstete 
er  Thomas  mit  einem  Briefe,  den  Wimpfeling  1513  seinen 
Concordata  Principum  Nationis   Germanicae  einverleibte." 

Im  Jahre  1505  gab  er  zu  dem  von  Wimpfeling  dem 
Kurfürsten  von  Mainz  Jakob  von  Liebenstein  gewicfineten 
Soliloquium  pro  pace  christianorum  et  pro  Heluecijs  ut 
resipiscant.  Ad  honorem  Regis  Romanorum  et  principum. 
Ad  cautelam  etiam  Ciuitatum  Sa.  Ro.  Imperij :  ne  apostate 
fiant.  ein  Dodekastichon.  Etwa  1505  muß  er  auch  sein 
umfangreichstes   poetisches  Werk   geschaffen   haben. 

Fieberkrank  behandelte  er  infolge  eines  Gelübdes  die 
von  der  Legende  in  das  Jahr  1383  versetzte  Verstümmelung 
eines  Kruzifixes  durch  einen  Spieler  namens  Schelkropf. 
Gresemund  geht  ab  ovo  aus,  "behandelt  zuerst  in  großer 
Ausführlichkeit  mit  vielen  gelehrten  Zitaten  die  Geschichte 
des  Spiels  und  die  schändlichen  Folgen  des  Spiellasters 
und  erzählt  dann,  wie  Schelkropf  in  der  Wut  des  Spiel- 
verlustes ein  Kruzifix  und  die  Statuen  der  Mutter  Jesu 
und  des  heiligen  Johannes  verstümmelt  habe,  wie  aus  den 
Wunden  der  Bilder  Blut  geflossen  sei  und  Schelkropf  dafür 
den  Feuertod  erlitten  habe.  Das  didaktisch  gedachte  mora- 
lische Gedicht  ist  ohne  poetischen  Wort.  Ein  handschrift- 
liches Exemplar  hängte  der  Dichter  nach  seinem  Gelübde  in 
der  Kirche  B.  Virginis  in  campis  auf. 

Wimpfeling  hätte  das  Werkchen,  das  ihm  sympathisch 

70  0.  0.  und  J.     40. 

'^  0.  Knod  in  L.  Geigers  Vierteljahrsschrift  für  Kultur  und  Literatur 
•Jer  Renaissance,  II,  278. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  v{3 

war,  gern  gedruckt  gesehen,  aber  Gresemund  konnte  sich 
dazu  nicht  entschließen. "^  Dagegen  wünschte  er  schon  1506, 
damit  es  einen  größeren  Wirkungskreis  bekäme,  daß  Se- 
bastian Brant  die  Historia  de  violata  Cruce  in  deutsche 
Reime  übertrüge.  Er  beauftragte  Johannes  Vigilius,  der 
nach  Straßburg  reiste,  Brant,  mit  dem  er  selbst  noch  nicht 
bekannt  war,  seine  Bitte  vorzutragen.  Er  schrieb  auch 
selbst  (19.  Oktober)  an  Brant  und  bat  auch  Wimpfeling, 
auf  Brant  einzuwirken  (20.  Oktober).  Aus  dieser  Über- 
setzung scheint  nichts  geworden  zu  sein.  Dafür  predigte 
Geiler,  dem  die  Dichtung  auch  gefiel,  1511  darüber.  End- 
lich konnte  Wimpfeling  1512  die  gedruckte  Historia"  dem 
Mainzer  Kanonikus  Dietrich  Zobel  von  Giebelstadt, 
den  Gresemund  „virum  profecto  nobilium  eniditissimum 
et  eruditorum  nobilissimum**  und  seinen  Frewnd  nannte, 
widmen.  Gresemund  äußerte  den  Wunsch,  daß  die  Leiter 
der  Schulen  und  besonders  Hieronymus  Gebwiler  in 
Straßburg,  Johannes  Sapidus  in  Schlettstadt  und  Ger- 
vasius  Sopher  in  OSenburg  das  Gedicht  vor  den  Schülern 
behandeln  möchten,  um  die  jungen  Leute  vom  Spiel  ab- 
zuhalten. Mindestens  Gebwiler  hat  das  auch  getan  und 
1514  eine  neue  Ausgabe  mit  Scholien  für  den  Schulgebrauch 
davon  veranstaltet  und  eine  warme  Vita  des  damals  schon 
verstorbenen  Verfassers  beigegeben.^*  Die  erste  Ausgabe 
schon  ist  durch  poetische  Beistücke  von  Hieronymus  Pius 
Baldungus,  dem  Wiener  Schüler  des  Celtis  und  Uni- 
versitätslehrer in  Freiburg,  von  Hieronymus  Vehus,  dem 
badischen  Kanzler,  und  Icolampadius  geschmückt. 

Gresemund  erstieg  in  Mainz  in  der  kurzen  Spanne 
seines  Lebens  eine  ganze  Reihe  von  Ehrenstufen,  wie  Ber- 
thold, so  hat  ihm  auch  Jakob  von  Liebenstein  sein 
Vertrauen  geschenkt.  1505  wurde  er  Kanonikus  zu  St. 
Stephan,  1506  Provikar  für  den  vielfach  abwesenden  Grafen 
Wilhelm  von  Hohenstein  und  Generalvikar  des  Erz- 
bischofs Jakob,  1508  Protonotar  und  Judex  generalis  sedis 
Moguntinae,  1509  Diffinitor  cleri  minoris  bei  St.  Stephan 
und   1516  Scholastikus  bei  demselben   Stift.     Von   seinem 


'-  Für  das  Folgende  vergl.  G.  Knod,  Zur  Bibliographie  Wimpfelings, 
a.  a.  0.,  470. 

'^  Hibtoria  violate  crücis  Theodorici  Gresemundi.  Excussum  Agcn- 
tinae  (I)  in  edibus  (\'ulgo)  zum  thiergarten:  per  Renatum  Beck.  Anno 
M.  D.  XII.  Decinnoquinto  Kai.  April.     4®. 

'♦  Theoderici  Gresemundi.  Carmen  de  Historia  Violatae  Crucis.  Et 
eius  vita.  Cum  interpretatione  Hieronymi  Gebuileri  Scholarum  Summi 
templi  Argentoracwisium  moderatoris.  Excusum  Argen! ine  per  Renatum 
Beck  ciuem  Argentinensem.     Anno  M.  D.  XI III.     4^. 

Beitrfige  z.  Gesch.  d.  Univcrsit&ten  Mainz  u.  Gießen.  3 


43  Gustiv  Bauch. 

Biographen  wird  er  uns  als  tüchtiger  und  gerechter  Richter, 
als  fronun  und  tadellos  in  seinem  Privatleben  geschildert. 
Seine  amtliche  Tätigkeit  ließ  ihm  noch  Zeit  für  weitere 
Verfolgung  seiner  humanistischen  Studien  und  die  Pflege 
der  Freundschaft.'^ 

Eine  Lieblingsbeschäftigung  Gresemunds  war  das 
Sammeln  antiker  Münzen  und  Inschriften.  Beatus  Rhe- 
nanus,  der  ihn  1509  besuchte  und  bei  ihm  für  Jacobus 
Faber  Stapulensis  nach  dem  Directorium  speculantis  des 
Cusanus  forschte,  bewunderte  seine  reichen  Funde''»  und 
ermahnte  ihn,  in  der  ihm  gewidmeten  Ausgabe  der  apo- 
kryphen Werke  des  Pomponius  Laetus  von  1510,  diese 
Antiquitäten  nach  dem  Beispiele  des  Konrad  Peutinger 
herauszugeben.  Gresemund  willfahrte  vorläufig  nicht,  da- 
für ließ  er  in  demselben  Jahre  erscheinen:  In  hoc  libello 
subiecta  continentur  Valerii  Probi  interpretamenta  litterarum 
singularium  in  antiquitatibus  Romanis,  cum  plerisque  circa 
singulas  litteras  additionibus.  Idem  Valerius  Probus  de 
abbreuiaturis  Nominum  ciuium  Ronianorum.  In  iure  ciuili 
de  legibus,  et  plebiscitis.  De  actionibus.  De  edictis  perpe- 
tuis.  De  ponderibus.  De  numeris.  Pomponij  Laeti  libellus 
de  Romanorum  magistratibus.  Idem  de  sacerdotijs  Ro. 
Idem  de  diuersis  Legibus  Ro.«^  Dieser  Sammlung  ist  ein 
Brief  Wimpfelings  beigegeben.  Er  hatte  auf  einer  Reise 
nach  Worms  Gresemund  in  Mainz  besucht  und  bei  ihm 
die  nun  gedruckten  echten  und  unechten  Stücke  gesehen 
und  forderte  ihn  auf,  diese,  die  gesammelten  Antiquitäten 
und  die  Violata  Crux  herauszugeben  und  den  versprochenen 
Katalog  der  Bischöfe  und  Erzbischöfe  von  Mainz  zu  ver- 
fassen. Gresemund  hat  nur  den  Interpretamenta  bei  jedem 
Buchstaben  (X  ausgenommen)  lange  Ergänzungen  beigefügt, 
alle  übrigen  Sachen  sind  schon  in  früheren  Drucken  so 
vorhanden.  In  einem  Briefe  an  den  Leser  versprach  er, 
daß  bald  seine,  dem  Dietrich  Zobel  gewidmeten,  in  Mainz 
und  Umgebung  gefundenen  Antiquitäten  erscheinen  würden. 
Diese  beabsichtigte  Publikation  wurde  durch  den  Tod  ver- 

7^*  Ein  Straßburger  Freund  Gresemunds  war  auch  Joannes  Adelphus 
Mulingus,  der  ihm  unter  dem  1.  März  1508  Hermolaus  Barbarus  gegen  die 
heidnischen  lasziven  Poeten  widmete.  Hei  Margarita  Facetiarum  Alfonsi 
Kegis  Vafre  dicta  etc.     Straßburg  1509. 

"^'^  G.  Knod,  Zur  Biographie  und  Bibliographie  des  Beatus  Rhenanus, 
Zentralblatt  für  Bibliothekswesen.  II,  260.  A.  Horawilz  und  K.  Hartfelder. 
Briefwechsel  des  Beatus  Rhenanus,  27,  28. 

'^  Impressum  Oppenheim  .  anno  .  Domini  millesimo  .  quingonlesimo  de- 
cimo.     Die  peroratio  ist  von  VVimpfeling.     V^ergl.   Kap.   VIll  der  Diatribe 
de  proba  institutione  puerorum  etc.     Hagenau   1514. 


Aus  der  Gesdiichle  des  Mainzer  Humanismus.  35 

eitelt,  Gresenuind  hatte  schon,  wie  Johann  Huttich  an 
Zobel  schrieb *^  seine  Antiquitäten  dem  Typographen  über- 
geben, sie  gingen  jedoch  nach  seinem  plötzlich  erfolgten 
Tode  durch  die  Fahrlässigkeit  des  Druckers  verloren.  Ob 
der  auch  von  Irenicus  erwähnte'«  Katalog  der  Mainzer 
Bischöfe  wirklich  geschrieben  vorhanden  ist,  läßt  sich  nicht 
nachweisen.  Gebwiler  berichtet  noch  von  Gesängen 
(Gresemund  war  also  auch  Musiker)  und  vielen  Epitaphen. 

Im  besten  Mannesalter  starb  Gresemund  im  Oktober 
1512  an  einem  Bruchleiden.  Sein  Bild  gibt  uns  Gebwiler 
mit  den  Worten:  „Dietrich  war  von  schlankem  Körper, 
mittlerer  Statur,  mit  wohlgestaltetem  Antlitz,  dunklem  Haar, 
grauen  Augen,  ruhigem  Gemüt,  ohne  Galle,  ohne  Anmaßung, 
ohne  Stolz,  ohne  Affekte,  ohne  Lästerung,  ohne  Falschheit**. 

Durch  eine  Äußerung  des  Altvaters  des  thüringischen 
Humanismus  Conradus  Mutianus  Rufus  nach  dem  Er- 
scheinen der  Exegesis  des  Irenicus  erfahren  wir,  daß  er 
1502  in  Mainz  mit  Gresemund  herzliche  Freundschaft  ge- 
schlossen hatte.^^  Beatus  Rhenanus  zählte  ihn  in  einem 
Briefe  vom  1.  März  1512  an  Jakobus  Faber  Stapulensis^^ 
unter  den  Deutschen  auf,  „omnem  latinorum  splendorem 
complectentes",  und  Erasmus  setzte  ihm  1516  in  der  Aus- 
gabe der  Werke  des  Hieronymus^^  das  schöne  Denkmal: 
„Postremo  [Moguntia]  non  solum  veterum,  hoc  est  alienis, 
clara  litteris,  sed  et  suis  ingeniis  illustrata,  quippe  quae 
cum  ahos  permultos  omni  doctrinae  genere  praestantes  viros 
edidit  tum  vero  praecipue  Theodoricum  Gresmundum, 
hominem  ab  ipsa  natura  ad  humanitatem,  ad  bonas 
litteras,  ad  eloquentiam  illam  vere  Atticam  sculptum 
et  factum**. 

In  der  Biographie  Gresemunds  sind  uns  drei  Männer 
begegnet,  die  auch  noch  ein  paar  Worte  erfordern:  Celtis, 
Cuspinianus  und  Canter. 

Gern  würden  wir  über  des  ersten  gekrönten  deutschen 
Poeten  Konrad  Celtis  Beziehungen  zu  Mainz  recht  viel 
berichten,  aber  das  meiste  von  dem,  das  er  über  seinen 
Aufenthalt  dort  selbst  erzählt,  ist  der  poetischen  Fiktion 
seiner  dritten  Liebe  zu  Ursula  Galla  gewidmet.  Er  ist 
vermutlich  im  Sommer  1494  und  im  Herbst  1495  in  Mainz 

''  Vorrede  zu  den  Collectanea.  S.  w.  unten.  Vergl.  auch  G.  Kiiod, 
a.  a.  0..  261. 

'ä  Gennaniae  exegesis,   71b. 

'^  K.   Gillert,    Der  Briefwechsel   des   Conradus   Mutianus,   266. 

^'^  G.  Knod,  a.  a.  0.,  265;  A.  Horawitz  und  K.  Hartfelder,  Brief- 
wechsel des  Beatus  Rhenanus,  41. 

8^  Omnium  opp.  Divi  Eusebii  Hieronymi  Stridon.     tom.   I,  fol.  40b. 

8* 


36  Gustav  Bauch. 

gewesen.  Seine  Ode  an  Dietrich  Gresemund  den 
Alteren,  in  der  er  diesen  „hospitem  suum  Mogundinum" 
nennt^^  hat  so  wenig  Inhalt  und  auch  so  wenig  Lokalfarbe, 
daß  mit  ihr  nicht  viel  anzufangen  ist.  Sie  könnte  1494 
geschrieben  sein.  Daß  er  Dietrich  den  Jüngeren,  den 
Stern  des  Hauses,  darin  gar  nicht  erwähnt,  ist  mindestens 
auffallend.  Sein  Epigramm  auf  die  Lucubratiunculae,  das 
erst  nach  dem  Drucke  geschrieben  ist«^^  mag  wohl  in  das 
Jahr  1495  gehören.  Von  in  Mainz  gehaltenen  Voriesungen 
veriautet  nichts. 

Eher  wird  es  uns  gelingen,  etwas  über  Johannes 
Cuspinianus  festzustellen.  Die  Verse  zu  dem  Dialog 
Gresemunds  über  den  Karneval  sind  nicht  das  einzige 
Zeichen  seines  Aufenthalts  am  Rhein.  Johannes  Spieß- 
heim aus  Schweinfurt,  latinisiert  L.  Johannes  Cuspini- 
anus^, ein  Landsmann  und  bald  guter  Freund,  Schüler 
und  Sodale  des  Celtis,  hatte  von  einem  anderen  Freunde 
des  Celtis,  dem  etwa  1501  gestorbenen  ersten  Vorsteher 
der  Sodalitas  Leucopolitana,  Magister  Matthaeus  Lupinus 
Calidomius,  den  ersten  Unterricht  in  den  humanen  Fächern 
erhalten  imd  sich  in  nur  drei  Jahren  vom  Anfänger  bis  zum 
gewandten  Prosaisten  und  Poeten  durchgearbeitet.«^  Im 
Sommersemester  1490  ist  er  als  Johannes  Spiesham  de 
Schweinfurt  in  die  Leipziger  Matrikel  eingetragen  und  zum 
Wintersemester  1493  ist  er  in  Wien  als  Johannes  Spies- 
haym  Sweynfordensis  intituliert.«^  In  Wien  bildete  er  sich 
unter  dem  italienischen  Humanisten  Paulus  Amaltheus 
aus  Pordenone  weiter,  und  bei  dem  feierlichen  provisori- 
schen Leichenbegängnis  des  Kaisers  Friedrich  III.  krönte 
Maximilian  I.  den  erst  neunzehnjährigen  Poeten  für  ein 
Gedicht  auf  den  heiligen  Leopold  mit  dem  Dichterlorbeer. 
Im  August  1494  gewährte  ihm  die  artistische  Fakultät  auf 
seine  Bitte  ein  Lektorium,  w<3il  er  etwas  Schönes  in  der 
Poesie  lesen  wollte,  und  auch  ein  Buch  aus  der  Bibliothek 
der  Fakultät.  Er  gab  für  seine  Vorlesungen,  Johannes 
Pierius  Graccus,  dem  Mäzen  aller  Humanisten  und  be- 
sonders des  Celtis  und  seiner  Sodalen,  gewidmet,  die 
Hymnen  des  Prudentius  heraus  und  bald  dahinter  die 
poetische  Schrift  des  Dionysius  Aloxandrinus  De  situ  orbis 


»2  Libri   Oflarum   quatuor,   Straßburg   1513,    111,   27. 
^^  Epigramme,   111,  43:  De  Gresmundo. 

**  Für  das   L.   vor   dem   Namen   läßt   sich   keine    KrkKärung   finden. 
Schon  Balbi  gebraucht  es  1494. 

«•'-  (J.   Riuch,   Geschichte  des   Leipziger  Frühhumanismus,   60,   29. 
*"*  G.  Bauch,  Die  Rezeption  des  Humanismus  in  Wien,  48 f. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  37 

nach  der  Übersetzung  Priscians.  Trotz  dieser  humanisti- 
schen Lektionen  hatte  er  sich  schon  am  14.  Mai  1494  als 
Scholar  der  Medizin  eintragen  lassen.  Der  erste  festange- 
stellte Wiener  Poet  Hieronymus  Balbi  richtete  an  ihn 
ein  sittlich  nicht  eben  feines  Epigramm.**^ 

Er  verließ  1494  oder  Anfang  1495  als  Magister  Wien, 
um  seine  medizinischen  Studien  in  Mainz  fortzusetzen.  Dort 
in  Berührung  mit  dem  jungen  Dietrich  Gresemund 
schrieb  er  die  erwähnten  Verse.*^  Am  29.  April  1496  mel- 
dete«^ Johannes  Trithemius,  den  Cuspinianus,  um  die 
Sponheimer  Bibliothek  zu  sehen,  besucht  hatte,  dem  Celtis 
in  Ingolstadt,  daß  Cuspinianus,  den  Celtis  wohl  während 
seiner  Heidelberger  Episode  1495  kennen  gelernt  hatte,  nach 
Wien  gegangen  sei,  um  dort  über  Medizin  zu  lesen.  Dieser 
war  aber  vielleicht  noch  um  Himmelfahrt  in  Mainz  und 
dann  im  Juni  und  noch  im  Dezember  bei  Celtis  in  Ingol- 
stadt als  sein  Schüler.  1497  begrüßte  er  Celtis  mit  den 
andern  Sodalen  poetisch  in  Wien.  Als  Doctor  medicinae, 
wohl  Mainzer  Promotion,  führte  er  im  Wintersemester  1500 
bis  1501  das  Rektorat  der  Wiener  Universität  und  wurde 
1501  ihr  Superintendent.  1502  vertrat  er  den  abwesenden 
Celtis  im  Poetenkollegium,  1508  hielt  er  diesem  die  Leichen- 
rede, übernahm  seine  Lektur  in  Oratoria  et  Poetica  und 
setzte  Celtis  und  dem  engeren  Kreise  der  Sodalen  einen 
Denkstein  in  seinem  Wiener  Hause.  Er  hat  seine  humanisti- 
schen Vorlesungen  wieder  mit  Dionysii  Periegesis,  diesmal 
nach  der  Übersetzung  des  Rufus  Avienus,  eröffnet  und  hierzu 
mit  Unterstützung  des  Aldus  Manutius  eine  verbesserte 
Ausgabe  geschaffen.^o  Bald  entführten  ihn  Sendungen  im 
Auftrage  des  Kaisers  Maximilian  seiner  Lektur,  zuerst 
zeitweise,  bis  er  sie  1514  ganz  an  Angelus  Cospus  aus 
Bologna  überiieß.  Seine  weitere  staatsmännische  Laufbahn 
und  seine  großen  historischen  Arbeiten  übergehen  wir,  weil 
es  uns  nur  darauf  ankam,  aus  seiner  früheren  und  späteren 
Tätigkeit  die  Folgerung  abzuleiten,  daß  er  bei  seiner  großen 
Vorliebe  für  die  humanistischen  Studien  neben  der  Medizin 
auch  wohl  in  Mainz  neben  seinen  medizinischen  Studien 
über  Humaniora  gelesen  haben  wird,  und  dann   wäre  es 


87  G.  Bauch,  a.  a.  0.,  50. 

8**  L.  Joannes  Cuspinianus  artium  doctor  poetaque  laureatus  ad  le- 
ctorem  etc. 

8^  Für  das  Folgende  vergl.  G.  Hauch,  a.  a.  0.,   167  f. 

^®  Zu  dieser  dem  Bischof  Stanislaus  Thurzo  von  Olniütz  gewidmeten 
Ausgabe  (1508)  vergl.  Studi  e  documenti,  VIII,  276f. ;  Firmin-Didot,  Aide 
Manuce  et  rHell^nisme  ä  Venise,  219,  220. 


38  Gustav  Baucli. 

nicht  ausgeschlossen,  daß  Gresemund  zu  seinen  Schülern 
gehört  hat.si 

Auf  bloße  Vermutungen  über  den  Grund  seiner  An- 
wesenheit in  Mainz  sind  wir  bei  dem  gekrönten  Dichter 
Magister  Jacobus  Canter  Frisius  angewiesen;  er  war 
einer  von  den  beweglichen  Zugvögeln  der  damaligen  Ge- 
lehrtenwelt, wie  wir  sie  noch  wiederholt  in  Mainz  kennen 
lernen  werden.  Er  gehörte  einer  bekannten  Gelehrten- 
familie aus  Groeningen  in  Friesland  an.^^  Sein  Vater  Jo- 
hann war  Magister  artium,  Doctor  iuris  utriusque  und  auch 
Theologe.  Dieser  bildete  seine  Söhne  Johann,  Peter, 
Andreas,  Jakob,  aber  auch  seine  Tochter  Gerda  oder 
Ursula  zu  Gelehrten.  Johann  der  Sohn  studierte  gleich- 
zeitig mit  Celtis  1484  in  Heidelberg  und  war  zuerst  Astro- 
loge und  dann  Doktor  der  Medizin.  Als  Hofastrologe  Frie- 
drichs ni.  stellte  er  1487  in  Nürnberg  das  Horoskop  für 
die  Dichterkrönung  des  Celtis.»^  -j-  1506.  Jakob  war  auch 
Astrologe  Wie  und  von  wem  er  zum  Poeta,  laureatus  ge- 
macht wurde,  ist  unbekannt.  1481  gab  er  mit  einer  Epistola 
ad  Joannem  Miller  sideralis  scientie  studiosum  simulque 
carmina  ad  eundem  super  indice  nuper  huic  operi  addito 
heraus:  Guidonis  Bonati  de  Forliuio  Liber  astronomicus. 
Venet.  Erhard  Ratdolt.»*  1487,  Mai  11.,  ließ  er  sich  in 
Köln  als  Jurist  intitulieren.  1489  gab  er  in  Antwerpen  bei 
Gerard  Leen  Francisci  Petrarche  secretum  de  contemptu 
mundi  heraus.  1492  langweilte  er  in  Ingolstadt  Celtis 
und  Johann  Kaufmann  durch  seine  Geschwätzigkeit,  wo- 
für sich  Celtis  an  ihm  durch  eine  Ode  unter  dem  Namen 
Henricus  rächtc^^  1495  gab  er  in  Mainz  das  Gedicht 
zu  Gresemunds  Dialog  vom  Fasching.^ß  Von  1497  bis 
etwa  1501  lebte  er  in  Krummau  in  Mähren,  doch  nicht  als 
Physikus,  wie  Aschbach  für  Phrisius  verlesen  hat,  eher 
als  Schulmeister,  bat  von  dort  aus  Celtis  um  Aufnahme 
in  die   Sodalitas   Danubiana   und   trat   in   Beziehungen   zu 

^^  1521  bei  dem  Reichstage  in  Womis  näherte  sich  Cuspinianus  freund- 
lich Luther.     Enders,  Luthers  Briefwechsel,   III,   122. 

9-  C.  Krafft  und  W.  Creceüus,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Humanis- 
mus am  Niederrhein  und  in  Westfalen,  65 — 67.  Doch  fehlt  dort  Johann  der 
Sohn,  der  im  Briefwechsel  des  Trithemius  vorkommt. 

^^  Nach  Celtis'  Proseuticon.     Nürnberg,  Kreusner,  1487. 

^•^  Für  dieses  und  das  bald  folgende  Werk  Petrarcas  vergl.  F.  Gott- 
fried Reichhart,  Beiträge  zur  Inkunabelkunde  im  Beiheft  XIV  zum  Zentral- 
blatt für  Bibliothekswesen. 

9^  Libri  Odarum  quatuor,  II,  20:  De  garrulo  Phrysio.  Daß  hier 
Jakob  Canter  gemeint  ist.  geht  aus  dem  Briefwechsel  des  Celtis  hervor. 

9'»  Jac()i)i  Canteris  Frisij  artium  liberalium  doctoris  et  poete  laureati 
ad  Germauiam  vcrsiculi. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  39 

Bohiislaus  von  Hassenstein,  der  ihn  zu  neuen  Dich- 
tungen ermunterte  und  ein  Epitaph  auf  seinen  Vater  Johann 
schrieb.  1505  bei  Gelegenheit  des  Kölner  Reichstags  sang 
er  den  soeben  vom  Kaiser  gekrönten  Dichter  Georgius 
Sibutus  Daripinus  an.^^  Andere  Gedichte  von  ihm  ent- 
hält der  Münchner  Codex  4408.  Später  erscheint  Canter 
als  Doktor  und  Geistlicher  in  Emden,  wo  er  1524  vergeb- 
lich die  Hülfe  des  Grafen  Edzard  I.  gegen  don  lutherischen 
Prädikanten  M.  Jürgen  Aportanus  anrief.*^  Er  legte  des- 
halb sein  Amt  nieder  und  ging  nach  seiner  Heimat;  aber 
1527  war  er  wieder  in  Emden,  der  Epigrammatiker,  Doktor 
der  Medizin  und  Stadtarzt  in  Bremen,  Euricius  Cordus, 
der  den  Grafen  Edzard  damals  bei  einem  unheilbaren 
Leiden  behandelte ^^  besang  ihn  als  von  der  Muse  erwärmten 
Dichter  des  rauhen  Nordens. ^^'^^  Da  er  in  seinem  Alter 
Doktor  genannt  wird,  mag  er  wohl  in  Mainz  die  in  Köln 
aufgenommenen  juristischen  Studien  fortgesetzt  und  so  die 
Gelegenheit  erhalten  haben,  sich  in  die  Geschichte  des 
Mainzer   Humanismus   einzutragen. 

Als  vierter  gekrönter  Dichter  kam  1502  der  Volksgenosse 
Canters  und  Mediziner  Dietrich  Ulsenius  aus  Kampen 
in  Overijssel  auf  die  Universität  Mainz.  Er  war  auch  nicht 
weniger  unruhig  wie  jener.  Celtis  zählte  ihn  zu  seinen 
intimsten  Freunden  und  Sodalen.^^^  Nach  seiner  Bildung 
und  seinen  Neigungen  war  er  Astrologe,  Arzt  und  Poet. 
1491  pries  ihn  Bartholomaeus  Coloniensis  in  zwei  Ge- 
dichteniö*  als  Dichter  und  Astronomen  oder  Astrologen. 
Seine  medizinische  Bildung  verdankte  er  Italien.  Etwa  neun- 
Jahre  (1493 — 1502)  war  er  Stadtarzt  in  Nürnberg,  bis  ihn 
der  Bankerott  des  Kaufmanns  Konrad  Barchanter  aller 
seiner  Ersparnisse  beraubte  und  ihn  wegen  der  dadurch 
verschlechterten  Existenz  zwang,  seinen  Stab  weiterzu- 
setzen. Von  seinen  astrologischen  Arbeiten  ist  ein  Pro- 
gnosticon  auf  das  Jahr  1488  erhalten. ^^^^     Aus   dem  Jahre 


^"  Bei  Do  diui  Maximiliani  Cesaris  adu«.  ntii  in  Coloniam.  doque  gcstis 
suis  cum  admiranda  virtule  et  Maiestate.  Georgij  Sibuti  Daripini  Poete 
Laureati  Panegyris  etc.    Köln,  Quentel,  1505.    4^. 

9^  C.  A.  Cornelius,  Der  Anteil  Ostfrieslands  an  der  Reformation,  5,  6. 

9«  K.  Krause,  Euricius  Cordus  Epigrammata  (1520),  XXVll,  XXVIII. 

100  Euricii  Cordi  Opera  poetica  (1564),  203:  Ad  Jacobum  Canterum 
Frisiurn. 

101  Der  Codex  epistolaris  des  Celtis  zählt  17  Briefe  des  Ulsenius. 

102  Bartholomei  Coloniensis  Silua  carminum,  Deventcr,  Jacobus  Dre- 
densis  1515,  Bib,  Bij. 

10*  Cod.  lat.  Monacen.  957:  Theodorici  Ulsenii  Campensis  super  dis- 
positionem  a.  1488  prognosticon. 


40  Gustav  Bauch. 

1496  liegt  eine  medizinisch-poetische  Doppelschrift  ^^  vor, 
ein  seinem  Nürnberger  Kollegen  Dr.  Ulrich  Pinder  aus 
Nördlingen  gewidmeter  prosaischer  Modus  cognoscendi 
(schon  1493  geschrieben),  der  auf  Hippokrates  zurückgeht, 
und  die  poetischen,  Dr.  Martin  Polich  gewidmeten  Libri  II 
de  pharmacandi  modo.  1496  gab  er  auch  sein  poetisches, 
von  Albrecht  Dürer  mit  dem  sogenannten  Pestbilde  ge- 
schmücktes In  epidimiacam  scabiem  (Syphilis)  vaticinium 
heraus.  1^5  In  demselben  Jahre  ermunterte  er  den  lleißigen 
Editor,  Verehrer  und  Sodalen  des  Celtis  Peter  Tann- 
hauser  aus  Nürnberg  zur  Herausgabe  der  Werke  des  Guil- 
hermus  Parisiensis.^^^  Handschriftliche  Dichtungen  von  ihm 
an  den  Schulmann  Alexander  Hegius,  an  den  Nürnberger 
Arzt  Dr.  Hieronymus  Münzer  aus  Feldkirch  und  an  den 
kaiserlichen  Sekretär  Petrus  Bonomus  aus  Triest  bew^ahrt 
die  Münchener  Hof-  und  Staatsbibliothek. i^?  Celtis  benutzte 
ihn  1496  als  Zensor  für  sein  werdendes  viertes  Buch  der 
Amores.  1501  wirkte  er  als  kaiserlicher  Leibarzt  bei  der 
von  Celtis  veranstalteten  Aufführung  des  Ludus  Dianae 
vor  dem  Kaiser  Maximilian  in  Linz  mit^os  n^d  hat  wohl 
zu  dieser  Zeit  auch  den  poetischen  Lorbeer  vom  Kaiser 
erhalten  und  Verse  an  den  kaiserlichen  Sekretär  Blasius 
Hölzel  wegen  der  Erlangung  der  Dichterkrone  geschrieben. 
Am  27.  März  1502  ist  dann  Theodericus  Ulsenius 
Frisius,  artium  et  medicinae  doctor  nee  non  poeta  laurea- 
tus,  von  der  Mainzer  medizinischen  Fakultät  rezipiert 
worden  1^9  und  vermutlich  bis  etwa  1504  in  Mainz  geblieben. 
Es  ist  merkwürdig,  daß  diese  so  lebensvolle  Persönlichkeit 
dort  so  wenig  greifbare  Spuren  hinterlassen  hat.  Nachdem 
er  schon  am  12.  Januar  1504  auf  ein  Jahr  pro  lectura  in 
medicinis  in  Freiburg  im  Breisgau  angenonunen  worden 
war,  ist  er  am  12.  März  1504  daselbst  immatrikuliert 
worden,  ii*'  Doch  schon  am  14.  November  erklärte  die  Uni- 
versität, sie  wolle  zwar  das  Abkommen  mit  ihm  bis  zum 
Fest  des  heiligen  Hilarius  halten,  könn«  er  sich  aber  in- 
zwischen eine  andere  Stellung  verschaSen,  so  wäre  das 
ihr  nicht  unangenehm.    Er  hat  hiernach  vermutlich  schon 

die  Stelle,  die  er  bald  antrat,  im  Auge  gehabt. 

• 

1"*  Auf  der  ersten  Seite  steht  statt  des  Titels  großgedruckt  Numberga. 
Kein  Kolophon.     4^. 

lOÄ  Einblattdruck.     Exemplar  München,  Hof-  u.  Staatsbibliothek.    Fol. 

löG  Je  ein  Brief  von  Ulsenius  und  Tannhauser  bei  der  Ausgabe. 

107  Cod.  lat.  Monacen.  42S,  486. 

108  G.  Bauch,  Die  Rezeption  des  Humanismus  in  Wien,  121. 

109  H.   Knodt,  a.  a.  0..  comment.   II,  62. 

HO  Schreiber,  Geschichte  der  Universität  Freiburg  i.  B.,  I,  230,  231, 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  4t 

Aus  seiner  Freiburger  Zeit  sind  wieder  Dichtungen 
erhalten,  die  ihn  in  Berührung  mit  dem  Kreise  Wimpfe- 
lings  und  mit  dem  jungen  Johann  Eck  zeigen.  Als  am 
20.  August  1504  Amandus  Wolf,  der  Bruder  des  Thomas 
Wolf  Junior,  starb,  richtete  er  mit  Ulrich  Zasius,  Jakob 
Wimpfeling,  Jakob  Sturm,  Thomas  Aucuparius, 
Mathias  Ringmann  Philesius  und  Aesticampianus 
Trauer-  und  Trostverse  an  Thomas  Wolf,  die  1505  in 
Straßburg  mit  der  Schrift  des  Johannes  Gerson  De  mi- 
seria  humana  zum  Druck  gelangten. ^^^  Ebenso  gab  Ulsenius 
zu  der  erst  1506  vollendeten  und  1507  in  Straßburg  ge- 
druckten Bursa  Pavonis  Johann  Ecks  ein  Gedicht  in  Con- 
tubernii  pavonici  laudem.^^-  Und  damals  entstand  wohl 
auch  sein  Carmen  bei  den  Statuta  synodalia  episcopatus 
Basiliensis.^*^ 

1505  bei  dem  Reichstage  in  Köln  bewegte  er  sich  unter 
den  Freunden  des  Trithemius  und  wechselte  wie  C anter 
Verse  mit  dem  gekrönten  Poeten  Georgius  Sibutus  Dari- 
piaus"*,  den  er  vielleicht  von  Nürnberg  her  kannte.  In 
das  Jahr  1505  und  nach  Köln  darf  man  wahrscheinlich  auch 
seine  Lobverse  auf  Hermannus  Buschius  Pasiphilus 
setzen  "^  die  in  Rostock  sehr  anstießen,  weil  er  damit  den 
Rostocker  Gegner  des  Buschius,  M.  Thilemann  Hever- 
ling  aus  Göttingen,  kränkte^";  1506  bewarb  er  sich  deshalb 
vielleicht  vergeblich  irni  eine  medizinische  Professur  in 
Rostock.  Von  1505  bis  1508,  wie  es  scheint,  war  er  Arzt 
in  Lübeck  und  Leibarzt  der  Herzöge  von  Mecklenburg.  Als 
mecklenburgischer  und  kaiserlicher  Leibarzt  gab  er  einen 
Hymnus  de  sancto  Judoco  heraus.  In  der  Folge  ging  er  nach 
seiner  niederländischen  Heimat  zurück  und  starb  in  Her- 
zogenbusch. 

Waren  es  zienrilich  rasch  vorübergehende  humanistische 
Erscheinungen,  die  wir  soeben  betrachteten,  so  setzte  doch 
fast  gleichzeitig  mit  dem  Eintreffen  des  letzten  der  beweg- 
lichen Gesellen,  des  Ulsenius,   oder  kurze  Zeit  früher^^' 

i*A  Joamies  Garson  de  misoria  humana  Epistole  consolatoric.  Epi- 
grammata  &  Epitaphia  a  doctis  disertisque  Germanie  viris  edita  ad  Thomam 
Vuolphium  iuniorem  in  obitum  fratris.  Joannes  Gruninger  quarto  nonas 
Martij  Anno  M.  D.  V.  Argentinc  imprimebat.     4^. 

11^  Th.  Wiedemann,  Johann  Eck,  44*). 

^**  Riegger,  Amoenitates,  11,  232. 

^^*  Bei  dem  Panegyrigus  des  Georgius  Sibutus  Daripinus,  Köhi  15C)5. 

1'^  Bei  Buschius,  Spicilegium,  Devonter  o.  J.  (1505).  Liessem,  Biblio- 
graphie, No.  XXII. 

"«  Cod.  58.  6.  Fol.  Wolfenbüttel,  fol.  71.  Campbell,  Annales  de 
la  lypographie  Neerlandaise,  No.  1696. 

ii"  Er  scheint  tiach  einem  Gedichte,  Musa  poetam  obiurgat,  das  nach 


4:2  Gustav  Bauch. 

eine  markante  Periode  des  Humanismus  an  der 
Mainzer  Universität  ein,  die  Zeit  seiner  An- 
erkennung durch  die  obrigkeitliche  Autorität.  Und 
das  mögen  die  Leipziger  Doktoren  und  Magister  von  1511  im 
Auge  gehabt  haben:  jetzt  kam  die  von  ihnen  so  abfällig 
beurteilte  Vermählung  von  Jus  und  Poetik  (studium  humani- 
tatis)  zustande,  für  die  wir  die  inneren  Gründe  dargelegt 
haben  und  für  die  fast  ein  Jahrzehnt  früher  der  junge 
Dietrich  Gresemund  mit  seiner  Feder  vorgearbeitet 
hatte. 

Der  Vorgang  vollzog  sich  durch  des  Kurfürsten  Ber- 
thold eigenes  Eingreifen,  und  daher  werden  wir  es  wohl 
nicht  von  uns  weisen  können,  die  Sache  einmal  schärfer 
zu  beleuchten. 

In  seiner  sonst  trefflichen  Charakteristik  des  Erzbischofs 
Berthold^iö  als  Erzkanzlers,  Reichsreformers,  Erzbischofs, 
Gelehrten,  Patrioten  und  Menschen  sagt  H.  Ulmann:  ,,Die 
Wissenschaft  schätzte  er:  manche  Schriftsteller  denken 
seines  Verständnisses  mit  inniger  Verehrung  und  widmen 
ihm  gern  ihre  Arbeiten  (der  Dechant  Bernhard  von 
Breydenbach  sein  Passagium  in  terram  sanctam,  Wim- 
pfeling  seine  Abhandlung  De  triplici  candore  Mariae). 
Indes  das  ist  keineswegs  eine  hervorragende  Seite  seines 
Wesens.  Von  Humanismus  ist  keine  Ader  in  ihm :  eine  prak- 
tische Frömmigkeit  leitet  auch  hierbei  seine  Schritte,  eine 
Frömmigkeit,  die  noch  durchaus  auf  mittelalterlichem  Boden 
steht  .  .  .  Den  Geist  der  neuen  Zeit,  dessen  Wehen  auf 
den  Fittichen  gedruckter  Blätter  sich  vernehmlich  machte, 
wähnt  er  durch  eine  Zensur  in  die  Schranken,  die  ihm 
genehm,  bannen  zu  können**  etc. 

Es  ist  doch  etwas  zu  weitgehend,  wenn  Ulmann  das 
Zensuredikt  von  1486  gewissermaßen  als  die  Quintessenz 
der  Gesinnung  des  Kurfürsten  gerade  im  Verhältnis  zum 
Humanismus  auffaßt,  ohne  daran  zu  denken,  daß  ein  Maim 
wie  Dietrich  Gresemund  der  Ältere  zu  der  Zensur- 
kommission gehörte,  und  nur  gestützt  auf  die  Mutmaßung, 
daß  hierbei  seine  „mittelalterliche  Frömmigkeit**  maßgebend 
war.  Hatte  er  wirklich  selbst  keine  Ader  von  Humanismus 
an  sich,  so  besaß  er  doch  reichlich  das  Verständnis  für  die 
mit  dem  Humanismus  verknüpften  praktischen  Bedürfnisse 
seiner  Zeit. 


dem  Tode  liertholds  geschrieben  ist,  entweder  im  Herbst  1501,  oder,  was 
wegen  seiner  Beteiligung  am   Streit  Wimpfelings  mit  Murner  walirschein- 
licher  ist,  etwa  zum  Neujahr  1502  nach  Mainz  gekommen  zu  sein. 
11**  Heinrich   Ulmann,   Kaiser  Maximilian   I.,   I,   2D4f. 


Aus  der  Gescliiclite  des  Mainzer  Humanismus.  43 

Wir  geben  zur  Richtigstellung  des  Urteiles  dem  ersten 
festangestellten  Mainzer  Humanisten  Johannes  Rhagius 
Aesticampianus  das  Wort  für  die  Verse,  die  er  dank- 
baren Gemütes  nach  dem  Tode  Bertholds  veröffentlichte ^^^ 
und  die  schon  deshalb  nicht  als  bloße  poetische  Phrasen 
zu  betrachten  sind  und  auch  deshalb  nicht,  weil  Rhagius 
kein  homo^^o  ^^levis  et  amasius"  und  keiner  von  den  poeti- 
schen Gunstjägern  war.  Er  sagt  in  seinem  Gedicht  Ad 
Bertholdum  Archiepiscopum : 

Sedula  Palladij,   Antistes   sanetissime,    ludi 
Cura  tibi  est,  quando  res  dura  Llborque  molestus 
Festa  fatigatae  concesserit  ocia  nienti, 
Ut    stabili    cunctis    prescribas    lege    magistris. 
Quid    iuuenes    doceant    Gennano    sanguine    natos. 
Quo   faciles   tenero  nascantur  i)€ctore   mores, 
Barbara   crassiloquo   decedant  verba   palato 
Aspera   precipitisque   cadant  iam  murmura   linguae 
Et  res  priuatae  crescant  et  publica  surgant 
Commoda   Gernianisque   accedat   gloria   nostris. 
Ne   tantum  frameas   quatiant,   hastilia  frangant, 
Quadrupedes  pascant,  ursos  venentur  et  apros, 
Ingenij    quibus   est  aiiimi   vis,   gratia,   virtus, 
Sed   discant  artes,   componant  carmina,    iura 
Enodent,   patrias   laudes  et  fortia   tristis 
Gesta  canant  belli  preclaraque  facta  virorum, 
Qui    proprijs    seuos    pepulerunt   sedibus    bestes 
Certaque    belligeris    exempla   nepotibus    augent. 
Nain   Chyroii,   Phoenix,   Nestor,   Cato,   Scipio,   Caesar 
Terribilem  placidae  Martern  iunxere  Mineruae. 
Sic  Grecis  nomen  Roniaiiis  fama  decusque 
Et   simul   imperium   deuicti   creuerat  orbis 
Quodque   sibi   fuso  nostri   peperere   cniore 
Maiores,   quorum  nos,   haud   indigna   proj)ago 
Semine,    sed    sceptri   et   virtutis   dicimur   umbrae, 
Quando  nee  Musis  operam  damus  omnibus  acrem 
Arma   nee   horrisoni    tractamus   bellica  Martis 
Delicijs   capti   Veneris   Bacchique   furentis. 

Nachdem  er  dann  noch  die  Schwächen  der  Deutschen 
weiter  ausgeführt  und  auf  die  furchtbare  Gefahr  der  Türken, 
wie  er  sie  1499  an  den  schrecklichen  Verwüstungen  in 
Oberitalien  mit  eigenen  Augen  kennen  gelernt  hatte ^^i,  hin- 
gewiesen hat,  fährt  er  fort: 

^^^  Epigrammala,  Bv.  f.     Zu  den   Epigrammata  s.   weiter  unten. 

120  So  drückt  sich  Mutianus  Hufiis  über  ihn  aus,  Briefwechsel,  ed. 
K.  Gillert,  I,  385. 

1-1  Zeitschrift  des  Vereins  für  Geschichte  und  Altertum  Schlesiens, 
XXXI,  125.  Den  entsetzlichen  Einfall  der  Türken,  den  er  als  fünfzehn- 
jähriger Knabe   miterlebt  hatte,   schilderte   Jacopo   conte  di   Porca  (comcs 


44  Gustav  Bauch. 

....   sludij   fit   mentio   rara  probati 
Raraque  virtutis  vel  cura  vel  ardor  honoris, 
Quo   potiora   putans,    princeps   aequissime,   sollers 
Gyninasij   tutor,  locupletis  maxiinus  urbis 
Rector  et  aeternae  clarissima  relligionis 
Maiestas,   ludum  renoiias,  ingentia  culto 
Freinia  virtuti  et  studio  sua  niuncra  ccpto 
Ponis  et  argutos  posita  mercede  inagistros 
Allicis 

Und  er  schließt  endlich  mit  den  elegischen  Versen: 

Pugnaces  nostri  Gallos  vicere  parentes, 

Ut  veteri  celebris  cannine  fama  refert. 
Nostris   laurigeri  ducibus  creuere  triumphi 

Candidaque    imperij    lilia    torsit   auis. 
Solus  Alexander  patria  pro  laude  duellum 

Excipiens   fortes  sub   iuga  misit  auos 
Et  superat  gentes  modica  virtute  potentes, 

Parrhasis  astrifero  quas  videt  ursa  polo. 
0  si  magnanimum  referas  mihi,  Roma,  Camillum 

Marcia  vel   prestes  Caesaris  arnia  tui, 
Qui    tumidam   Galli    cristam   rupere   superbi 

Efferaque    immiti    subderet   ora   iugo. 
Sed  quid  Roma  tuas  et  non  Maguncia  vires 

Erigo?     Bartholdo   Gallia  vict-a  duce  est! 
Gallia  victa  triplex,  nam  tot  suus  incola  partes 

Scripsit   grammaticus    siceus,    acerbus,    iners. 
Quare  victori  darum  decerne  triumphum 

Bartholdo,   quisquis  liber  ab  hoste  truci  esl' 

Mit  diesen  poetischen  Ausführungen,  die  den  Kurfürsten 
Berthold  gerade  besonders  wegen  seiner  Sorge  für  die 
Humaniora  neben  der  für  die  freien  Künste  (Philosophie) 
und  das  Jus  (von  Theologie  und  Medizin  schweigt  der 
Dichter)  preisen,  dürfte  das  Urteil  Ulmanns  doch  wohl  er- 
heblich eingeschränkt  sein;  am  schärfsten  jedoch  durch 
die  SchluMistichen:  denn  was  darin  gesagt  ist,  bedeutete 
einen  Vorsprung  der  Mainzer  Universität  vor  allen 
Universitäten  Deutschlands  ohne  Ausnahme  in  der 
Sache  des  Humanismus  nicht  allein,  sondern  es  war 
die  erste  Überleitung  der  sprachlichen  Studien  an 
einer  Universität  auf  die  moderne  Bahn  durch  Ber- 
thold von  Henneberg.  Da  hat  er  doch  wohl  eine  Ader 
von  Humanismus  gehabt!  Es  war  die  Beseitigung  der  drei 
(vier)  Teile  des  das  Mittelalter  beherrschenden  Doctrinale 
des  Alexander  de  Villa  Dei   oder  Gallus,   an   dessen   bar- 

Purliliaruin)  in  soincT  Schrift:   Do  rccciiti   Foroiuliensium  Clade  a  Turcis 
passa  MID  Kaleiidis  Octobris  (il  giorno  di  S.  Girolamo). 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  45 

barischen  leoninischcn  Versen  die  scholastische  dialektisch- 
netaphysische  Behandlung  der  Grammatik  die  schlimmsten 
exotischen  Blüten  getrieben  hat^^^^  und  seine  Ersetzung  durch 
iie  humanistische  positive  Grammatik  ohne  jegliche  philo- 
sophische Argumentation.  Wittenberg,  darin  die  nächste 
Universität  nach  Mainz,  ging  zu  dieser  Reform  erst  ca.  1506 
jbej.123^  die  anderen  Universitäten  meist  viel  später.  Der 
Anreger  Bertholds  bei  dem  Fortschritte  in  Mainz  war 
ier  Dichter  und  Berichter  Rhagius  selbst,  ihm  wenden 
svir  uns  nun  zu. 

Johannes  Rak  oder  Rhagius*^*  war  schon  1457  oder 
irielleicht  wahrscheinlicher  erst  1463  in  Sommerfeld  in  der 
?fiederlausitz  geboren.^^ö  üix^r  seiner  Jugendzeit  und  seinen 
ersten  Studien  liegt  tiefes  Dunkel.  Da  er  1509  den  italieni- 
schen Himianisten  Girolamo  Balbi  in  Verbindung  mit  Prag 
jeinen  „peruetustum  amicum"  nennt,  könnte  er  ihn  dort 
)twa  1492  oder  1499  als  Student  kennen  gelernt  haben.^^^ 
Durch  Celtis  zuerst  wurde  er  ganz  den  Musen  gewonnen i^^, 
md  obgleich  Johann  von  Dalberg  wenig  höflich  für  das 
Studium  Jagellonicum  sagt  „in  barbarissimis  locis",  so  ge- 
jchah  das  in  Krakau,  wo  er  am  19.  Mai  1491  kurz  vor 
)der  nach  der  Abreise  des  Celtis  als  Johannes  Johannis 
Ic  Zommerfelth  in  die  Matrikel  eingetragen  worden  ist. 

Im  Herbst  1499  begab  er  sich  mit  dem  vertrauten 
'>eunde  des  Celtis,  Vincentius  Longinus  Eleutherius 
Lus  Freystadt  in  Schlesien,  von  Wien  aus,  unterwegs  im 
^'riaul  durch  die  eingefallenen  Türken  gefährdet,  nach 
talien^*®  und  zuerst  nach  Venedig.  Hier  wurden  Aldus 
»lanutius,  Marcus  Antonius  CocciusSabellicus^^^und 
Jeorgius  Valla  Placentinus^^^  aufgesucht,  um  ihre  Be- 

***  G.  Bauch,  Die  Rezeption  des  Humanismus  in  Wien,  7,  9.  Vergl. 
ras  oben  S.  22 f.  zu  den  Lucubratiuncule  Gresemunds  gesagt  ist. 

1**  G.  Bauch,  Wittenberg  imd  die  Scholastik  (Neues  Archiv  für 
ächsische  Geschichte,  XVIII),  308f. 

1**  Nicht  zu  verwechseln  mit  dem  etwas  älteren  Krakauer  Dozenten 
Dbannes  von  Sommerfeld  (Aesticampianus).  G.  Bauch,  Deutsche  Scho- 
iren  in  Krakau,  26,  No.  6;  derselbe  im  Archiv  für  Literaturgeschichte, 
III,   If. 

1*^  Archiv  für  Literaturgeschichte,  XII,  321.  Nach  einem  Gedicht 
ei  dem  1507  geschriebenen  und  1508  gedruckten  Kommentar  des  Rha- 
us  zur  Grammatik  des  Marcius  Capella  war  er  1507  45  Jahre  alt. 

12C  G.  Bauch,  Die  Rezeption  des  Humanismus  in  W-ien,  41,  63. 

127  K.  Momeweg,  Johann  von  Dalberg,  358. 

1*^  Das  Folgende  nach  einem  Briefe  des  Ix)nginus  an  Celtis,  Rom 
KX).     Codex  epistolaris. 

12*  C.  Malagola,  Della  vita  e  delle  opere  di  Antonio  ürceo  detto 
odro,   218;  J.   Schuck,   Aldus  Manutius,    119. 

ISO  j.  Schuck,  a.  a.  0.,   119. 


46  Gustav  Bauch. 

kanntschaft  zu  machen  und  Belehrung  v^on  ihnen,  besonders 
im  Griechischen,  zu  gewinnen.  Dann  setzten  sie  nach  Padua 
über  und  hospitierten  in  den  öffentlichen  Vorlesungen  von 
Prosper  und  Johannes  Calphurnius  aus  Brixia.  ^^^  In 
Ferrara  wollten  sie  den  Vorkämpfer  des  Humanismus  Bap- 
tista  Guarinusi-^2  hören;  dieser  hatte  jedoch,  geängstigt 
durch  die  Erkrankung  eines  seiner  vornehmen  Schüler,  die 
Vorlesungen  ausgesetzt,  so  daß  sie  ihn  nur  im  Garten  lust- 
wandelnd antrafen.  In  Bologna  gingen  sie  endlich  für  einige 
Zeit  fest  vor  Anker. 

Sie  hörten  den  Antonius  Codrus  Urceus  aus  Ru- 
biera  in  gelehrten  lateinischen  und  griechischen  Vor- 
lesungen und  bei  dem  „Commentator  Bononiensis"  Phi- 
lippus  Beroaldus^'^3  Philosophie,  Rhetorik  und  Poetik.  In 
Naturphilosophie  und  Metaphysik  war  Alexander  Man- 
zolus^^*  ihr  Lehrer,  in  Mathematik  Dominikus  Marius 
aus  Novara,  der  Lehrer  des  Köpern ikus.  Dieser  las  Euklid 
und  den  Almagest  des  Ptolemäus  und  in  der  Domus  Fos- 
carina,  wie  Beroaldus  die  Naturgeschichte  des  Plinius 
Secundus,  die  Kosmographie  des  Ptolemäus  vor  den  böh- 
mischen Edelleuten  Johann  von  Tetschen  aus  der  Fa- 
milie Wartenberg  und  Christoph  von  Weitmühl.  Rha- 
gius,  der  später  in  der  deutschen  Heimat,  in  Leipzig,  Köln 
und  Wittenberg,  als  Propagator  des  Plinius  wirkte,  und  Lon- 
gin us  folgten  den  Vorträgen  als  Gäste. 

Longinus  brach  im  Jahre  1500  über  Florenz  und  Siena 
nach  Rom  auf,  ob  ihn  Rhagius  sogleich  begleitete  oder 
etwas  später  folgte,  können  wir  nicht  sagen,  jedenfalls  war 
er  im  Mai  wieder  in  Bologna ^^s  y^jj  beschäftigte  sich  eifrig 
mit  Plinius  und  Plautus,  zu  anderer  Zeit  trieb  er  Griechisch, 
um  damit  bereichert  nach  Deutschland  zurückzukehren. 
Auch  Jurisprudenz  hat  er  dort  studiert.  Bald  empfand  er, 
wie  teuer  das  Leben  in  Bologna  w^ar,  und  bitter  besch^vert 
er  sich  über  die  vielen  Feiertage,  die  die  Vorlesungen  un- 
liebsam unterbrachen.  Daher  bat  er  Celtis,  er  möge  als 
sein  Lehrer  handeln  und  ihn  an  irgendeinem  Orte  unter- 
bringen, wo  er  Jurisprudenz  oder  Rhetorik  lehren  könnte. 

Von  den  Deutschen,  mit  denen  er  in  Bologna  Verkehr 
hielt,  kennen  wir  nur  Johannes  Sturnus  (Sturlin)  aus 

1"  C.  Malagola,  a.  a.  0..  82. 

132  C.   Malagola,   a.   a.   0.,   52,   62;  J.   Schuck,   a.   a.   0..  3. 

iss  C.  Malagola,  a.  a.  0.,  222. 

131  C.   Malagola,   a.   a.   0.,   234  f.     Als   Predigermönch   Bartholomäus 

genannt.  Er  war  Skotist. 

13.0  Vergl.  seinen  Brief  an  Celtis,  Bologna,  27.  Mai  1500.  Codex 
opistolaris. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  47 

)chmalkalden,  den  Freund  des  Celtis  und  des  Bohuslaus 
'on  Hassenstein  und  Pädagogen  des  Christoph  von 
Veitmühl,  den  Juristen  Christoph  Scheurl  aus  Nürn- 
iergi36^  Thomas  Wolf  Junior  und  dessen  Freund  Al- 
»recht  von  Ratsamhausen. 

Im  Jahre  1501  war  Rhagius  wieder  in  Deutschland, 
n  Basel,  wo  er  einigen  Freunden  die  später  von  ihm  ge- 
lruckte Kebestafel  vorlas,  i"  Dqy  Rückweg  hat  ihn  wohl 
iber  Augsburg  geführt,  denn  Konrad  Peu tinger  hatte  den 
/Veitertransport  seiner  Bücher  übernommenes^,  die  er  noch 
n  Mainz  erwartete. 

Als  er  Straßburg  berührte,  kam  er  gerade  zu  rechter 
5eit,  um  an  dem  Streite  Wimpfelings  mit  Thomas 
tfurneri39  teilzunehmen.  Thomas  Wolf,  der  Murners 
Jermania  nova  seinem  „Theseus**  Albrecht  von  Ratsam- 
lausen  nach  Bologna  sandte  (mit  dem  Briefe,  der  dem  von 
3ietrich  Gresemund  herausgegebenen  Pamphlet  gegen 
tfurner  einverleibt  ist),  schrieb  diesem:  „Unser  Aesti- 
;ampianus,  ein  Mann,  der  doch  sonst  so  überaus  geduldig 
st,  konnte  die  Stacheln  seiner  Entrüstung  nicht  zurück- 
lalten,  sondern  hat,  obgleich  auf  der  Durchreise  und  mit 
indem  Dingen  beschäftigt,  den  phrenetischen  Wahnsinn 
enes  Mönchs  mit  einigen  Verslein  gemalt,  denen  ich  einen 
jriefuo  als  Schlußstück  zugefügt  habe."  (Es  folgen  die 
Epigramme  des  Rhagius.) 

Aesticampianus,  hier  zum  ersten  Male  „vates  lau- 
reatus**  genannt  —  er  soll  den  Lorbeer  vom  Papst  in  Rom 
erhalten  haben  — ,  ging  auch  wirklich  auf  das  Meritorische 
ies  Streites  gar  nicht  ein,  sondern  gab  nur  seinem  Unwillen 
^.usdruck.  Er  wendet  sich  ad  Argentinam  in  Thomam 
Hurner,  blateronem  monachum,  und  ad  Jacobum  Wym- 
3helingum,  oratorem  et  historicum  insignem.  Wie  dem 
gefangenen  Maulwurf,  sagt  er  in  dem  ersten  Epigramm, 
iie  Fackel,  dem  Blinden  die  Sonne,  so  diene  einem  levis 
Sallus,  der  der  Vernunft,  der  Sinne,  des  Wissens  und  der 
Treue  entbehre,  eine  scharfsinnige  Schrift  zu  nichts.    Ein 


13«.  Aesticampianus  an  WiUbald  Pirckheimer,  Wittenberg  die  s.  Julia- 
lae  virginis  1518.     Heumann,  Documenta  literaria,  318. 

1*'  In   der   Vorrede   zu   seiner   Ausgabe   der    Kebes-Tafcl,    Frankfurt 
i.  0.  1507. 

1'®  Aesticampianus  an  Celtis,  Mainz,  28.  August  1502.     Codex  epis- 
:olaris. 

139  Vergl.  oben  S.  31,  Versiculi  Theodorici  Gresmundi  Legum  Docto- 
ris.     Epistole  Thome  Wolffij  iunioris  etc. 

^^^  Das  ist  sein  grober  Brief  an  Murner,  der  scbon  in  der  von  Peter 
Liünther  herausgegebenen  Streitsclirift  (s.  oben  S.  31)  mitenthalten  ist. 


48  Gustav  Bauch. 

geborener  Straßburger**^,  dem  die  Freiheit  der  Stadt  teuer 
und  ihr  Schmuck  heilig  sei,  rate  ihr,  den  hochfliegenden 
Adler  zu  verachten  und  den  drei  niedrigen  Lilien  anzu- 
hangen! Mit  Viperzungen  zischt  er  gegen  alle  Gelehrten, 
die  die  Stadt  oder  ihre  Kinder  unterrichtet  haben.  0  über 
die  an  fruchtbarem  Blute  reiche  Stadt,  die  einen  solchen 
Sprossen  zeugt,  kleidet,  liebt!  Und  dieser  glaubt,  die  alten 
Annalen  richtig  zu  kennen,  der  kaum  drei  Worte  Latein 
versteht!  Er  rühmt  sich,  alle  Universitäten  besucht  zu 
haben;  ich  will  zugrunde  gehen,  wenn  er  weiß,  wonach 
seine  Kutte  riecht!  In  den  Versen  an  Murner  gesteht  er 
diesem  allenfalls  die  Kenntnis  des  Pentateuchs,  aber  nicht 
dessen,  das  in  der  deutschen  Greschichte  enthalten  sei,  zu. 
Von  Wimpfeling  aber  sagt  er,  er  werde  das  aus  dem 
stygischen  See  hervorgekrochene  Scheusal,  das  jeden  mit 
seiner  dreigeteilten  Zunge  berühre,  mit  seinem  Fäulnis  her- 
vorrufenden Gift  bespritze  undWimpfelings  Ruf  begeifere 
ein  neuer,  ein  deutscher  Aleide,  als  Führer  mit  seiner  Keule 
niederschlagen,  und  wenn  diesem  etwa  nach  Hydrenart  neue 
schlüpfrige  Glieder  nachwüchsen,  würden  seine  Streiter  sie 
abhauen.  An  neunter  Stelle  findet  sich  noch  ein  Epigramm 
an  Wolf,  das  diesen  als  Vorkämpfer  für  den  „emeritus 
dux"  preist;  hoffentlich  werde  er  unter  dem  Beifall  des 
Gottes  des  Lachens  den  aufgeblasenen  Schlauch  durch- 
bohren. Ein  angehängtes  Distichon  greift  Murner  noch 
einmal  verächtlich  an. 

Die  Teilnalune  des  Rhagius  an  dem  Kampfe  gegen 
Murner  war  seine  erste  Berührung  mit  Wimpfeling.  Mit 
ihm  verband  ihn  eine  literarische,  wohl  auch  sonst  der 
Sinnesart  beider  Männer  —  bei  Aesticampianus  überwog 
auch  später  die  Neigung  zur  praktischen  Theologie  der 
Kirchenväter  noch  die  für  den  Humanismus  —  entsprechende 
Freundschaft,  die  erst  ein  Jahrzehnt  später  durch  das  hitzige 
Vorgehen  Winipfelings  in  seinem  Zwist  mit  Locher  ge- 
trübt wurde.  ^*3 

Auf  der  Fortsetzung  seiner  Reise  der  Heimat  zu,  den 
Rhein  abwärts,  wurde  Aesticampianus  von  dem  Erz- 
bischof Berthpld  zmn  Verweilen  in  Mainz  vermocht.  Dieser 
wollte,  wie  wir  schon  gehört  haben,  als  Gönner  der  Studia 
liberalia  der  Mainzer  Universität  durch  die  feste  Einfügung 
der  humanistischen  Studien  einen  neuen  Aufschwung  ver- 

***  Murner  war  nicht  in  Straßburg,  sondern  in  Ober-Ehenheim  ge- 
boren, nannte  sirh  aber  Straßburger. 

142  Vergi.  hierzu  G.  Bauch,  im  Archiv  für  Literaturgeschichte,  XIII, 
27;  derselbe,  Greschichte  des  Leipziger  Frühhumanisnius,  180. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  -  49 

leihen  und  warb  ihn  als  ersten  besoldeten,  ordentlichen 
Professor  der  Rhetorik  und  Moralphilosophie.  ^*^ 

Nicht  alles,  was  der  vorsorgliche  Berthold  geschaffen 
hatte,  blieb  während  seiner  letzton,  schwachen  Tage  in  un- 
verrücktem Zustande"*,  es  gab  auch  Gegner  an  der  Uni- 
versität, die  sich  dagegen  stemmten,  imd  so  konnte  Rhagius 
1506  klagen :  „0,  wenn  doch  die  Universität  (res  lileraria) 
in  ihrer  Ordnung  verharrt  hätte,  es  würden  wahrlich  aus 
ihr  —  damit  ich  sage,  was  ich  denke  —  viel  beredtere  mid 
ehrbarere  Jünglinge  als  jetzt  hervorgegangen  sein.**  Doch 
Bertholds  Nachfolger,  Jakob  von  Liebenstein,  ließ  es 
in  dieser  Beziehung  auch  nicht  an  sich  fehlen,  er  führte, 
auch  nach  dem  Wunsche  der  Mehrheit  der  Doktoren  an 
der  Universität"^,  Bertholds  Intentionen  weiter  und  flößte 
seiner  Neuschöpfung  festeres  Leben  ein,  so  daß  auch  ihn 
Rhagins  wegen  der  von  ihm  erfahrenen  unzähligen  Wohl- 
thaten  dankbar  erheben  und  im  Vorwort  zu  seinen  Epi- 
grammen sagen  durfte:  „Im  Vertrauen  auf  den  glücklichen 
Stand  deiner  Herrschaft  und  den  blühenden  Zustand  der 
humanen  Wissenschaften  bilde  und  verfeinere  ich  in  stän- 
diger Arbeit  und  bei  reichem  Gehalt,  womit  du  mich  hegst 
und  zierst,  die  noch  rohen  jungen  Leute  und  was  mir  von 
Mu£e  gegeben  ist,  verbringe  ich  ganz  und  gar  damit,  daß 
ich  Männer  wegen  ihrer  Tugend,  wegen  ihres  Wohlwollens 
oder  ihrer  Noblesse  gegen  mich  lobe.** 

Ungewöhnlich  erscheint  es,  daß  dieser  erste  ,,Poet**  sich 
als  Professor  der  Oratoria  (Rhetorik)  und  der  Moralphilo- 
sophie bezeichnet,  aber  die  Kombination  beruht  nicht  etwa 
auf  Bertholds  „praktischer  Frömmigkeit**  und  war  keines- 
wegs ohne  Vorgang.  In  Tübingen i*«,  wo  die  Universität  fast 
zu  gleicher  Zeit  mit  der  Mainzer  ins  Leben  gerufen  wurde, 
bestimmte  schon  die  erste  Ordnung  Graf  Eberhards  von 
Württemberg  vom  23.  April  1481  ein  Gehalt  von  dreißig 
Gulden  für  „einen  der  in  oratoria  lyset**,  und  die  zweite 
Ordnung  desselben  Fürsten  vom  20.  Dezember  1491  hat 
zwar  das  Gehalt  auf  zwanzig  Gulden  herabgesetzt,  dafür 
aber  die  Tätigkeit  dieses  öffentlichen  Dozenten  genauer  um- 

^*"  Rhagius  in  der  Widmung  seiner  Epigrammata. 
^**  Für  das  Folgende  s.  ebenfalls   Rhagius,  a.  a.  0. 
***  In  den  Hendecasyilabi  ad  lectorem  vor  seinen  Epigrannmen  sagt 
Rhagius  von  sich: 

Quem  Maguntia  Rhenus  et  benigna 
Annis  quatuor  omnium  voluntas 
Doctorum  tenuit  probe  virorunn. 
**^  (Roth)  Urkunden  zur  Geschichte  der  Universität  Tübingen  aus  den 
Jahren  1476—1600,  71,  85. 

Beitrttge  c.  Gesch.  d.  Universitäten  Mainz  u.  Gießen.  4 


50  (Justav  BuucL. 

schrieben,  als  die  eines  „der  ungeuärlich  liset  in  oratoria, 
moraiibns  oder  poetrij**.  Daß  Rhagius,  wie  allerdings  fast 
selbstverständlich  ist,  „et  publice  et  priuatim**  las,  bezeugt»** 
ausdrücklich  Johann  von  Dalberg. 

Celtis  hatte  inzwischen  seinen  Schüler  aus  seiner  Für- 
sorge nicht  entlassen.  Um  ihm  eine  Stellung  zu  verschaffen, 
hatte  er  sich  mit  dem  Haupte  der  Sodalitas  literaria  Rhenana 
Johann  von  Dalberg  in  Verbindung  gesetzt.  Gegen  Ende 
des  Monats  August  1502  berief  Dalberg,  als  er  seinen  Ge- 
burtsort Oppenheim  besuchte,  Aesticampianus  von  Mainz 
zu  sich,  um  ihm  die  mit  Celtis  verabredeten  Vorschläge  mit- 
zuteilen. Aesticampianus  schlug  jedoch  die  Anerbietungen 
des  Bischofs  aus,  weil  er,  wie  Dalberg  sagt,  ebenso  wie 
Celtis  gänzlich  von  der  Begierde  ergriffen  schiene,  ganz 
Deutschland  zu  durchziehen,  trotzdem  er  ihm  wenig  Frucht 
davon  versprochen  habe.  Dasselbe  spricht  Rhagius  aus.^** 
Er  fühle  sich  durch  die  Anträge  von  Celtis  und  Dalberg 
hochgeehrt,  aber  zurzeit  sei  ihm  ein  Eingehen  darauf  nicht 
möglich,  er  wolle  neue  Gegenden  sehen,  gelehrte  Männer 
hören,  und  mit  dem  rerum  usus  seine  Studien  verbinden. 
Dies  aber  wolle  er  so  schnell  als  möglich  abmachen  und 
dann  Celtis  dankbar  und  dem  Bischof  zu  Willen  sein. 
Der  schon  im  Jahre  1503  erfolgte  Tod  Dalbergs  hat  dies 
Versprechen  wirkungslos  gemacht. 

Der  Aufenthalt  in  Mainz  muß  doch  so  viel  Anziehendes 
für  ihn  gehabt  haben,  daß  er  auch  seiner  Wanderlust  vor- 
erst nicht  nachgab,  sondern  sich  dort  auf  vier  volle  Jahre 
fesseln  ließ.  Er  fand  hier  so  viele  Männer,  Gönner  und 
Freunde,  die  ihm  gleichgesinnt  waren,  und  Schüler,  die 
begierig  seine  Lehren  aufnahmen,  daß  wohl  Mainz  einer 
der  wenigen  Orte  ist,  an  die  der  viel  umhergeworfene  Ge- 
lehrte auch  später  noch  mit  Freuden  zurückdenken  konnte. 
Seine  ,,Epigrammata**  lassen  uns  einen  nicht  uninteressanten 
Blick  in  sein  Leben  daselbst  tun. 

Diese  Sammlung  i*»,  die  erst  1507  in  Leipzig  gedruckt 
worden  ist,  war  in  allem  Wesentlichen  schon  in  Mainz  ira 
Jahre  1505  entstanden;  „strenae**,  Neujahrsgedichte  an  seine 
Gönner,  sind  es  meist,  wenige  ältere,  wie  das  uns  schon 
bekannte  an  Erzbischof  Berthold,  sind  beigefügt.   Sie  sind 

^*'  K.  Morneweg,  a.  a.   0.,  357,  358. 

^*^  Rhagius  an   Celtis,   Mainz,   28.   August    1502.    Codex  epistolaris. 

^*'*  Epigrammata  Johannis  Aesticampiani.  Impressum  est  hoc  opus 
epigraminaton  I^yps.  per  Melchiorem  Letter  ciuem  Lypsensem  Anno  do- 
mini  MilIesinKH|uingentesimoseptimo.  4^^.  Der  Frankfurter  Schüler  des 
Aesticampianus,  Joachim  von  Bülow,  hängte  an  den  Schluß  der  Samm- 
lung ein  Carmen  commendaticium,  das  einzige  Mainz  fremde  Stück,  aa 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  51 

in  ihrer  Gesamtheit  dem  Nachfolger  Bertholds,  Jakob 
\ron  Liebenstein,  gewidmet  als  Dank  für  seine  Gunst  und 
ias  freigebige  Gehalt.  In  der  Dedikation  gibt  er  ein  Pro- 
gramm seiner  Dichtungen. 

Als  Gaben  der  Frömmigkeit  erscheinen  zwei  Gedichte, 
eins  auf  den  Schutzpatron  der  Diözese  Mainz,  den  heiligen 
Martin,  das  Dietrich  Gresemund  in  dem  vorgesetzten 
Applaus  dem  Dichter  zu  besonderem  Verdienst  anrechnet, 
weil  er  als  erster  den  Heiligen  in  die  Poesie  eingeführt  habe, 
und  ein  anderes,  ein  Votivgedicht  auf  die  heilige  Barbara, 
seine  eigene  Schutzheilige.  Wenn  Aesticampianus  in  der 
Widmung  auch  nach  Humanistenart  die  Heiligen  „homines 
sanctos  in  deorum  numerum  ascitos**  nennt,  so  wendet  er 
sich  im  Anfang  des  heroischen  Gedichtes  auf  St.  Martin 
nicht  an  Apollo  und  die  Musen,  sondern  an  Christus  — 
Wimpfeling  konnte  ihn  daher  in  seinem  Zwiste  mit  Locher 
wie  Gresemund  unter  den  Dichtern  aufführen ^^o^  (jie  Chri- 
stus, nicht  die  heidnischen  Götzen  anrufen  — ,  auch  in  der 
weiteren  Entwicklung  tritt  das  hiunanistisch-mythologische 
Beiwerk  nicht  allzu  störend  hervor.  In  die  Lebensbeschrei- 
bung ist  eine  lebendige  Schilderung  des  Festes  des  Heiligen 
eingewebt,  wie  es  nach  altem  Brauche  in  Mainz  begangen 
wurde.  Durch  ein  Begleitgedicht  ist  die  Vita  dem  Kustos 
der  Kathedrale  und  nachmaligen  Bischof  von  Straßburg 
Wilhelm  von  Hohenstein  gewidmet. 

In  dem  Hymnus  in  laudem  divae  Barbarae,  worin  ihre 
Schönheit,  Frömmigkeit  und  ihr  Martyrium  besungen  werden, 
ahmt  Aesticampianus,  bisweilen  wörtlich,  Horaz  nach, 
doch  fehlt  ihm  der  dem  Gegenstande  angepaßte  Geschmack 
seines  Vorbildes.  Er  preist  seine  Helferin  dafür,  daß  sie 
ihn  glücklich  vor  den  wilden  Kohorten  der  Feinde,  vor 
den  Schlingen  des  Räubers  gerettet,  und  weiht  ihr  das 
Gedicht,  als  er,  aus  den  Thermen  zurückkehrend,  einer 
Schar  junger  Leute,  die  ihm  mit  gezückten  Schwertern  nach 
dem  Leben  trachteten,  unverletzt  entronnen.  Diese  Verse 
sind  mit  zwei  Beigedichten  als  Neujahrsgabe  an  den  Scho- 
lastikus  der  Kathedrale,  Kanonikus  zu  St.  Alban,  Beatae 
Virginis  ad  Gradus  und  St.  Crucis,  Adolf  Rau  von  Holtz- 
hausen,  gesendet,  der  sie  den  ihm  unterstellten  Klerikern 
der  Domschule  mitteilen  sollte. 

Aus  religiösem  Gebiet  ist  noch  ein  dritter  Stoff  ge- 
wählt: De  hostia  sacramenti  in  sanguinÄam  carnem  mutata 
in  monte  sancti  Albani  religiöse  custodita. 

1*^  Contra  turpem  libellum  Philomusi  Defensio  theologie  scholastice 
ii  neotericorum.     0.  0.  u.  J.    Cap.  VI. 

4* 


52  Gustav  Bauch. 

Mit  einem  Neujahrsgedichte  an  den  Erzbischof  Jakob 
beginnt  die  Reihe  der  lebenden  Viri  illustres.  ^^^  Es  ist  an- 
zuerkennen, daß  sich  Rhagius  von  unwürdiger  Schmeichelei 
fernhält.  Das  nächste  Gedicht  ist  dem  Propst  zu  St.  Martin, 
späteren  Bischof  von  Speier  und  Gönner  Johann  Reuch- 
1  ins  1^2^  (Jem  Pfalzgrafen  Georg,  gewidmet,  dessen  Titel 
in  humanistischer  Spielerei  mit  dem  Vergilischon  Pallas  zu- 
sammengebracht wird.  Georg  wird  als  frommer,  wohl- 
tätiger, milder  Mann  geschildert.  Pfalzgraf  Johann,  sein 
Bruder,  wird  als  eifriger  Jäger,  der  aber  auch  die  Wissen- 
schaften liebt,  besungen.  Auch  der  junge  Pfalzgraf  Hein- 
rich, früher  Propst  zu  St.  Alban,  jetzt  Bischof  von  Freising, 
erhält  ein  Neujahrsgedicht,  und  zuletzt  von  diesen  er- 
lauchten Herren  ist  der  Pfalzgraf  Wolf  gang  bedacht,  der, 
ein  Knabe  noch,  vom  Vater  nach  Mainz  geschickt  worden 
ist,  um  dort,  auch  bei  Rhagius,  seine  Studien  zu  machen. 

Drei  Gedichte  sind  dem  Kanonikus  an  der  Kathedrale, 
Philipp,  Freiherrn  von  Epstein,  Herrn  in  Künig- 
stein,  gewidmet.  Er  ist  ein  gewaltiger  Nimrod,  und  Rha- 
gius scherzt  mit  ihm,  er  möge  mit  ihm  tauschen.  Er  wolle 
mit  dem  Jagdspeer  die  Tiere  verfolgen,  Künigstein  solle 
dem  niedlichen  Mädchen  genehme  Verse  schmieden.  Von 
ihm  wolle  die  schwarzäugige  Schöne  nichts  wissen,  vielleicht 
würde  sie  vor  ihm  auf  den  Schoß  Künigsteins  flüchten. 
Als  Gegenbild  folgt  der  Dechant  zu  St.  Martin  und  Doctor 
iur.  Uriel  von  Gemmingen,  der  nach  Jakob  den  erz- 
bischöflichen Stuhl  bestieg.  Ihm  wird  das  Lob  gespendet, 
daß  er  Ruhm  aus  dem  Studium  erstrebe  und  ein  gründ- 
licher Kenner  des  Rechts  sei ;  die  ihm  untergebene  Geistlich- 
keit halte  er  in  strenger  Zucht  und  Ordnung. 

Dem  Kanonikus  zu  St.  Martin  und  St.  Alban  Peter 
von  Nothafft  sandte  Rhagius  ein  Neujahrsgedicht,  zu- 
gleich als  Dank  für  die  Einladung  zu  einem  festlichen  Mahle 
nach  dem  Gottesdienste,  das  geistliche  und  weltliche  Ge- 
lehrte vereinte.  Als  gastlicher,  die  heitere  Geselligkeit  lie- 
bender Herr  wird  auch  der  Kanonikus  und  Magister  fabricae 
Johann  von  Hatstein  besungen. ^^^  Ihm,  wünscht  Rha- 
gius, möge  nie  das  Material  für  die  Pflege  und  den  Glanz  der 
herrlichen  Kathedrale  ausgehen ;  ihn  ziehe,  fährt  er  offen  fort, 

^^^  Dio  Daten  über  die  geistlichen  Herren  sind,  wenn  sie  nicht  von 
Rhagius  herrühren,  Joannis,  a.  a.  0.,  II,  entnommen. 

1^2  L.   Geiger,  JolÄnn  Reuchlin,   298,   303,  363. 

1^3  ^ach  Joannis,  a.  a.  0.,  II,  244,  367,  ist  Johann  von  Hatstein 
1518  gestorben.  In  welchem  Verhältnis  stand  dann  zu  ihm  der  Johann 
von  Hatstein,  in  dessen  Haus  sich  Ulrich  von  Hütten  1520  (Böcking,  I, 
355)  von  Philipp  Fürstenberg  Bücher  erbat? 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  53 

die  habsüchtige  Pfrüiidenjagd  nicht  ab,  die  jetzt  so  viele 
ergriffen  habe,  die  die  einigen  Genossen  zu  häßlichem  Zwist 
anrege  und  das  habgierige  Forum  Roms  anzugehen  zwinge. 
Er  sei  mit  einem  Altar  zufrieden  und  spende  davon  auch 
noch  den  Armen,  dem  Grottesdienste  und  den  Freunden. 

Ein  anderer  Gönner  war  der  Kanonikus  und  spätere 
Scholastikus  zu  St.  Martin  Dr.  i.  u.  Dietrich  Zobel  von 
Giebelstat,  dem  Dietrich  Gresemund  das  ehrenvolle  Prä- 
dikat „vir  profecto  nobilium  eruditissimus  et  eruditorum 
nobilissimus"  beigelegt  hat  und  dem  Aesticampianus, 
freilich  ohne  Effekt,  prophezeite,  es  werde  ihn  einst,  wie 
jetzt  der  grüne  Lorbeer  des  juristischen  Doktorats,  die  Inful 
schmücken.  Zobel,  unter  drei  Erzbischöfen  Vicarius  in 
spiritualibus,  von  großem  Einfluß  unter  Kardinal  Albrecht, 
wird  von  Irenicus  zu  den  deutschen  Poeten  gerechnet.^"^* 
Wir  kennen  ihn  als  eifrigen  Reuchlinisten ;  Hermann  von 
Neue  nähr  widmete  ihm  aus  diesem  Grunde  die  Defensio 
Joannis  Reuchlin.*"  Als  Ulrich  von  Hütten  am  Hofe 
Albrechts  von  Mainz  lebte,  gehörte  Zobel  zu  den 
Männern,  die  ihn  antrieben,  die  Livius-Ausgabe  von  1518 
dem  Kardinal  zuzuschreiben ;  in  sein  Haus  erbat  sich 
Hütten  Briefe  von  Freunden. ^^^  In  enger  Freundschaft 
stand  Zobel  mit  Dietrich  Gresemund  dem  Jüngeren^", 
der  ihm  seine  Antiquitäten  zugedacht  hatte.  Sein  Interesse 
für  literarische  Tätigkeit  brachte  ihn  auch  in  Verbindung 
mit  Wimpfelingiss  und  Erasmus.^^^  Als  Kaiser  Karl  V., 
von  seiner  Krönung  kommend,  im  November  1520  auf  der 
Reise  zum  Wormser  Reichstage  Mainz  berührte,  empfing 
ihn  Zobel  mit  (?iner  glänzenden  Rede.^^" 

Zobel  muß  die  Sorge  für  die  Wohnung  des  Rhagius 
im  Hause  „zum  Korbe**  zugestanden  haben ^^^  denn  in  einem 
anderen  Gedicht  (Extrudit  Musam)  fordert  dieser  die  Muse 
auf,  sie  möge  Zobel  voranlass.en,  daß  er  ihm  das  schadhafte 
Dach  seiner  „Sportella**  ausbessern  lasse.  In  den  folgenden 
Versen  (Musa  poetam  obiurgat),  die  vielleicht  zu  den  voran- 


164  Germaniae  oxojiesis,  fol.  45  b. 

i^-*»  L.  Geiger,  a.  a.  0..  401,  403;  E.   Böcking.  a.  a.   0.,   I,   153. 

156  E.  Böcking,  a.  a.  0.,   I,  241,  264. 

15'  Nach  Gebwilers   Vita  Gresemimdi.     S.   oben   S.   33. 

15^  S.   oben   bei   Dietrich   Gresemund,   a.   a.   0. 

15'*'  J.  Förstemann  und  ().  Günther,  Briefe  an  Desideriu.s  Erasmus  von 
Uolterdam,  96,  449. 

160  Herum  memorabilium  Paraleiporaena,  hinter  Chronic,  abbat.  Urs- 
perg,   1568,  CLX. 

1*1  Huttich  hat  in  seinen  Collectanea  antiquitatuni,  Bog.  B.,  eine 
Inschrift  aus  diesem  Hause. 


54  Gustav  Bauch. 

gehenden  gehören,  spielt  der  Schluß  scheinbar  schon  auf 
seinen  Weggang  nach  Frankfurt  an.  Darin  wird  ein  Ivo 
erwähnt,  der  das  Gehalt  zu  zahlen  verweigere;  der  Scherz 
bezieht  sich  auf  die  Zeit,  wo  Berthold  soeben  gestorben 
war,  auf  die  Zeit  der  Sedisvakanz;  die  Stelle  des  Rhagius 
war  sichtlich  noch  nicht  fest  dotiert.  Ivo  ist  natürlich 
Ivo  Wittich,  den  er  in  einem  Gedichte  bittet,  er  möge 
ihm  statt  der  früheren  schweren  Weine  einen  leichteren 
schicken;  wenn  ihm  auf  Rheingauer  Boden  neue  Weine 
gewachsen  sein  würden,  würde  er  den  geschenkten  wieder 
ersetzen.  Er  stand  also  auch  mit  Witt  ich  auf  vertraulichem 
Fuße. 

Als  seinen  großen  Gönner  und  Freund  rühmt  dann 
Rhagius  auch  den  Lizentiaten  der  Theologie  und  Kanonikus 
Beatae  Virginis  ad  Gradus  Georg  Behaim,  der,  geboren 
im  norischen  Lande,  wo  der  rußige  W^erkmann  aus  ge- 
mischtem Metall  mächtig  tönende  Glocken  und  dem  Donner 
und  Blitz  gleich  zu  fürchtende  Bombarden  gießt,  ein  Mann, 
der  rein  denkt,  spricht  und  handelt,  bescheiden  und  mäßig 
lebt,  selten  lacht,  wenig  redet,  ein  strenger  Richter  der 
Vergehen,  ein  frommer  Priester  ist.  Georg  Behaim  war 
aus  Nürnberg,  entstammte  aber  nicht  der  bekannten  Pa- 
trizierfamilie i«^,  sondern  ist  ein  Bruder  des  Reuchlinisten 
und  Freundes  von  Wilibald  Pirckheimer,  Dr.  Lorenz 
Behaim,  Scholastikus  bei  St.  Stephan  in  Regensburg  und 
Kanonikus  in  Bamberg,  gewesen.  Er  hat  vom  Sonmaer- 
Semester  1482  ab  in  Leipzig  studiert  und  ist  dort  1485 
Bakkalar  und  1489  Magister  der  Künste  geworden.  In  Mainz 
war  er  Dozent  der  Theologie  und  wurde^  1513  nach  dem 
Tode  des  Antonius  Kreß  zum  Propst  bei  St.  Lorenz  in 
Nürnberg  erwählt.  Irenicus  nennt  ihn  unter  den  theologi 
nobiliores  von  Deutschland i«^^  Pirckheimer  unter  den 
Theologen,   die   zu   Reuchlin   hielten.^^i 

Gleichfalls  ein  Theologe  und  einer  der  nächsten  Freunde 
des  Aesticampianus  war  der  Pfarrer  zu  St.  Emmeran 
Jakob  Merstetter  aus  Ehingen i^^,  ein  Heidelberger  Schüler 
Wimpfelings,  scholastischer  modemer  Philosoph  und  Theo- 

16-'  Roth,  Die  Einführung  der  Reformation  in  Nürnberg,  45,  59,  98; 
Will  s.  V.  Bcheim,  Georg;  E.  Böcking,  a.  a.  0.,  1,  133;  CK  Scheuria 
Briefbuch,  1,  128;  Ch.  ScheurI,  Vita  des  Antonius  Kreß,  in  Pirckheimeri 
Opera  ed.  Goldast,  350 f. 

^^^  Irenicus,  a.  a.  0.,  fol.  44  b. 

164  Pirckheimer,  in  der  Vorrede  zu  Lucians  Piscator;  Böcking,  a.  a.  0-, 
I.  153. 

1«^  IL  F.  Singer,  Der  Humanist  Jakob  Merstetter,  Mainz  1904;  G. 
Knod,  im  Zentraiblatt  für  Bibliothekswesen  V,  474,  475. 


Aus  der  Gescliichte  des  Mainzer  Humanismus.  55 

loge  und  Humanist  wie  dieser.  Er  hatte  1490  in  Heidelberg 
das  artistische  und  später  in  Mainz  das  theologische  Bakka- 
laureat  erworben.  Als  Dichter  und  Liebhaber  der  klassischen 
Literatur  und  der  „pagina  sacra**,  als  gewandter  Kanzcl- 
redner,  als  Liebling  des  Erzbischofs,  der  keuschen  Geist- 
lichkeit, als  beliebt  bei  den  Gelehrten,  bei  hoch  und  niedrig 
wird  er  uns  gezeichnet.  Ihm  teilt  Aesticampianus  seine 
beabsichtigte  Obersiedlung  nach  Frankfurt  a.  0.  mit  und 
malt  seine  Zukunft  freundlich  aus.  Seinen  Gegnern  soll 
Merstetter  sagen,  er  strebe  nach  einer  höheren  Kathedra, 
sie  möchten  sich  einen  andern  Poeten  suchen,  der  soviel 
Arbeit  und  Mißgunst  ertrage.  Es  ist  die3  die  einzige  Stelle 
außer  der  Widmung^««,  wo  Rhagius  für  ihn  unerquickliche 
Verhältnisse  in  Mainz  erwähnt.  Von  dichterischen  Lei- 
stungen Merstetters  liegen  empfehlende  Gedichte  zu 
Wimpfelings  De  hymnorum  et  sequentium  auctoribus,  zu 
dem  christlichen  und  patriotischen  Soliloquium  pro  pace 
christianorum  und  ein  Distichon  zu  Wimpfelings  Schrift 
Pro  concordia  dialecticorum  vor.  Hervorragend  neben 
Wimpfeling  und  im  Verein  mit  Gresemund  beteiligt  war 
Merstetter  und  zugleich  als  Leiter  des  Druckes  1499  bei 
der  Heidelberger  Nominalistenpetition  und  den  eingefloch- 
tenen Epigrammen^^^  auf  Marsilius  von  Inghen.  Ein 
Hexastichon  hat  er  auch  1503  dem  bei  Johann  Schöffer 
gedruckten  Mercurius  Trismegistus  de  potestate  ac  sapientia 
Dei  beigegeben. 

Zu  den  geistlichen  Freunden  des  Aesticampianus 
gehörte  auch  der  Kantor  zum  heiligen  Kreuz  und  Kanonikus 
zu  St,  Stephan,  der  im  Druck  verstümmelt  Konrad  Ibichm 
genannt  wird;  ihm  ist  ein  langer  Dialog  gewidmet  zum 
Danke  für  gastliche  Bewirtung.  Ein  Verwandter  von  ihm 
namens  Peter  war  des  Rhagius  Schüler.  Als  letzter  aber 
in  der  zahlreichen  Schar  der  geistlichen  Gönner  ist  der 
Licentiatus  decretorum,  Magister  artium  und  Kanonikus  zu 
St.  Johann,  als  Inhaber  dieser  Präbende  Professor  an  der 

^^^  Einen  Tadler  seiner  Verse  nennt  er  in  (Jen  Hendecasyllabi  ad 
leclorem  vor  den  Epigrammen: 

Si  non  utibiles  erunt  legenti 
Tanquam  difficiles  et  implicati 
Nullius   genijque   graciaeque, 
üt  quidam  cynicus  putat  magisler, 
Captori  venient  probos  in  usus. 

1^'  Diese  Epigrammenflut  war  die  Ursache  zu  dem  Epigrammenregen 
bei  Wimpfelings  Adolescentia,  indem  Wimpfeling  seinen  Hörern  einen  Brief 
Johann  Geilers  vorlas,  in  dem  dieser  die  ehrbaren  Verse  auf  Marsilius  im 
Gegensatz  zu  lasziven  höchlichst  lobte. 


56  Gustav  Baueil. 

Universität  und  also  des  Rhagius  Kollege  Johann  Monster 
(Monasteriensis),  später  (1511  konsekrierl)  Suffragan  von 
Mainz  und  episcopus  Vicecomponensis  ^^^  zu  nennen.  Ihn 
bat  Rhagius  um  Wein  und  versprach  ihm  Verse  dafür. 
Monster  resignierte  zwar  seine  Lektoralpräbende  1510, 
blieb  aber  der  Universität  zugetan  und  legierte  ihr  (f  1544) 
hundert  Floren  in  Gold.  Vielleicht  noch  zu  den  Geistlichen 
gehörig  ist  Jakob  Linck^^^,  ein  Mann  mit  humanistischen 
Neigungen  und  gern  gesehener  Besucher  der  ,,Sporta**,  der 
den  Dichter  bei  sich  mit  den  Früchten  seines  Gartens  und 
Wein  bewirtet  und  ihn,  obgleich  schon  grau,  durch  seine 
munteren   Gesänge  aufheitert. 

Wie  bei  Linck,  ist  es  auch  bei  einigen  anderen 
Männern,  die  in  den  Epigrammen  verewigt  sind,  nicht  ganz 
leicht,  ihre  Lebensstellung  zu  bestimmen.  So  gleich  bei 
dem  ersten  weltlichen  Freunde  des  Aesticampianus,  dem 
Doktor  Bernhard  Kuhorn^-",  der  ihm  als  Geschenk  einen 
fichtenen  Tisch  und  zwei  Stühle  gegeben,  und  dem  er  zum 
Danke  im  neuen  Jahre  viele  Erfolge  und  einen  Erben 
wünscht.  In  welchem  Verhältnis  zu  diesem  der  dahinter 
folgende  Jurist  Johann  Kuhorn  steht,  ist  nicht  klar.  Jo- 
hann Kuhorn^'i  wird  als  gerechter  und  milder  Richter  ge- 
rühmt, der  auch  die  Ausonischen  Musen  hege,  und  den 
seine  Beredsamkeit  als  Schüler  dos  Philippus  Beroaldus 
erkennen  lasse.  Unter  seinem  Vorsitz  bei  der  Tafel  fänden 
Heiterkeit  und  Ernst  gleichmäßij;  ihr  Recht.  Johannes 
Fürderer  (Forderer)  aus  Richtenfels  (Scheurl  sagt:  aus 
Stuttgart),  häufig  nach  seinem  Stiefvater  Jakob  Kühorn 
aus  Feuerfeld  bei  Heilbronn  Kühorn  genannt,  wurde  1495 
als  Familiäre  des  vornehmen  Herrn  Johann  von  Kuno- 
witz  auf  Ungarisch-Brod  in  Mähren  in  Bologna  bei  der 
deutschen  Nation  der  Juristen  eingeschrieben.  Etwa  1500 
Doktor  beider  Rechte  und  noch  1501  Syndikus  der  Nation, 
wurde  er  1507  von  dem  Kurfürsten  Jakob  von  Mainz  als 
Kleriker  der  Speierer   Diözese   zum   Assessor   am   Reichs- 

^*^^  Außer  Joaunis,  a.  a.   O.,   II,  44,  H.   Kuodt,  a.  a.   0.,  65. 

'♦'^  Ein  Jacohus  Liiick  de  Muiizingen,  der  dieser  nicht  sein  kann,  ist 
am  11>.  Dezember  1499  in  Heidelberg  intituliert  und  dort  am  16.  Januar 
1502  Raccalar  viae  modernae  geworden. 

^'^'  Hin  Bernhard  Kühorn  aus  Stuttgart  ist  1480  in  Tübingen  im- 
n.alrikuliert.     Vielleicht  ist  es  dieser. 

1"!  G.  Knod.  Deutsche  Studenten  in  Bologna,  129,  No.  911;  F.  W.  E. 
Roth,  a.  a.  0.,  449 f.  Warum  Roth  die  Identifizierung  Knods  nicht  gut- 
heißt, verstehe  ich  nicht.  Dagegen  erscheint  es  mir  nicht  glaublich,  daß 
der  Scholastikus  Johann  Kuhorn  mit  unserm  identisch  ist,  weil  dem  die 
Titulaturen  bei  dem  Anniversar  Johann  Fürderers  widersprechen.  Vergl. 
Roth,  450,  Anm.  5. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  57 

kammergericht  präsentiert  und  blieb  es  extraordinarie  bis 
zum  Jahre  1515,  wo  er  kurmainzischer  Kanzler  wurde.  1508 
hatte  er  schon  die  Lektoralpräbende  zu  St.  Viktor  bei  Mainz 
erhalten  und  las  an  der  Universität  ordinarie  die  Rechte. 
1521  legte  er  das  Kanzleramt  nieder,  war  aber  noch  1528 
Rat  des  Kurfürsten  Albrecht.  Als  Kanzler  und  Rat  viel- 
fach zu  wichtigen  Geschäften  und  Sendungen  gebraucht, 
verfaßte  er  die  1521  von  Kaiser  Karl  V.  bestätigte  „Hof- 
gerichtsordnung** und  wurde  dafür  von  Albrecht  zum  Bei- 
sitzer des  Hofgerichts  ernannt.  Zu  den  Zeiten  des  Rhagius 
mag  er  wohl  extraordinarie  Jus  an  der  Universität  gelesen 
haben,  1507  deutet  Christoph  Scheurl,  der  sich  mit  ihm 
und  dem  ebenfalls  mainzischen  Juristen  Dr.  Johann  Ried- 
esel in  Bologna  befreundet  hatte,  darauf  hin.^^^ 

Ein  anderer  juristischer  Freund  war  der  Sachwalter 
Johannes  Schmuck,  der  dem  von  einer  Krankheit  ge- 
nesenen Rhagius  Wein  und  Kuchen  schickte.  Der  Wein 
habe,  sagt  der  Dichter,  ihm  den  Husten  erleichtert,  darum 
möge  der  Freund  wiederum  welchen  senden,  reichliche 
Prozesse  im  neuen  Jahre  würden  ihm  eine  gute  Ernte 
bringen. 

Welcher  Stellung  der  nun  folgende  Bernhard  Rohr- 
bach angehört,  ist  nicht  zu  bestimmen;  zu  dem  näheren 
Freundeskreise  muß  er  gezählt  werden,  das  geht  aus  dem 
an  ihn  gerichteten  Abschiedsgedichle  hervor;  er  ist  ver- 
mutlich der  Frankfurter  Patrizier  des  Namens  gewesen.  ^^^ 

Unter  den  näheren  Freunden  des  Aesticampianus 
dürfen  wir  auch  den  Mann  nicht  vergessen,  der  wie  Grese- 
mund  den  Epigrammen  ein  empfehlendes  Gedicht  voraus- 
schickte, der  humanistisch  gebildete  Magister  Konrad 
Weidmann  aus  Basel. i'*  Er  war  jedenfalls,  wie  Grcse- 
nuind  auch,  ein  Kollege  des  Rhagius  an  der  Universität 
und  später  Dozent  der  Jurisprudenz.  Wir  wollen  seiner  erst 
ausführlicher  in  der  nächsten  Periode,  die  unter  dem  Zeichen 
des  Kampfes  Johann  Reuchlins  mit  Johann  Pfeffer- 
korn stand,  gedenken,  wo  er  mehr  hervortritt. 

Den  Freunden  des  Aesticampianus  werden  wir  billig 
seine  Schüler,  soweit  wir  ihrer  noch  nicht  Erwähnung  getan 
haben,   anschließen.    Leider  fehlt  uns   als    Übergang   dazu 

1'*  Neue  Mitteilungen  des  Thüringisch-Sächsischen  •  Vereins,  XIX, 
408,  409. 

1^^  Die  Familie  Rohrbach,  im  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und 
Kunst,  3.  F.  II,  165.  Ein  Bernhard  Rohrbach  aus  Heilbronn,  Wiener  Ma- 
gister,  war  seit  1486  in  Tübinjien.  Später  (seit  1497)  dort  publicus  medi- 
cinarum  professor,  auch  noch  1505  und  weiter. 

17*  E.   Böcking,  a.   a.   0.,    III,  563.     Das  Gedicht  Gresemunds,  564. 


58  Gustav  Bauch. 

eine  Übersicht  über  seine  Vorlesungen,  wie  wir  sie  aus 
seiner  Leipziger  Zeit  besitzen  i^^,  und  konstruieren  wollen 
wir  sie  nicht.  Nach  den  Epigrammen  dürfen  wir  zuerst  als 
solchen  den  Lausitzer  Edelmann  Kaspar  Widenbach  aus 
Guben  ansprechen.  Das  Gedicht  an  ihn  schildert,  vielfach 
scherzhaft,  den  Abschied  Kaspars  von  der  Heimat  bei  dem 
Abgange  zur  Universität. 

Deutlicher  treten  als  Mainzer  Hörer  die  beiden  Leip- 
ziger, Wolfgang  Bawer  und  Markus  Leympach,  her- 
vor*^^;  beide  werden  wegen  ihres  eifrigen  Studiums  des 
Altertums  gepriesen,  Leympach  auch  als  Jurist.  Beide 
sollen  ihren  Angehörigen  und  ihrer  Vaterstadt  Ehre  machen. 
Bawer  hatte  schon  im  Wintersemester  1495  seine  Studien 
in  Leipzig  begonnen  und  ist  im  Sommersemester  1510  in 
Frankfurt  a.  0.  immatrikuliert.  Sonst  wissen  wir  von  ihm 
nichts.  Anders  steht  es  mit  Markus  von  Leimbach.  Er 
war  ein  Sohn  des  herzoglich  sächsischen  Rates  und  Land- 
rentmeisters Johann  von  Leimbach,  der  nach  Möglichkeit 
für  seine  Studien  sorgte,  und  seinem  Vater  ähnlich  an  Ge- 
sicht und  humanem  Wesen.  Schon  im  Sonunersemester  1494 
war  Markus  mit  seinem  Bruder  Johann  in  Leipzig  imma- 
trikuliert worden.  Etwa  1501  und  1502  waren  beide  Brüder 
unter  der  Aufsicht  des  tüchtigen  Magisters  Hermann 
Kaiser  aus  Stolberg,  der  vorher  die  jungen  Grafen  Al- 
brecht und  Gebhard  von  Mansfeld  in  Leipzig  erzogen^" 
und  unterrichtet  hatte,  in  Köln.i^«  Während  Johann  zum 
Wintersemester  1502  nach  Erfurt  zog,  begab  sich  Markus 
mit  Kaiser,  der  dorthin  als  Propst  der  Allerheiligen-Kirche 
und  eventueller  Kanzler  der  neuen  Universität  berufen  war, 
nach  Wittenberg,  wandte  sich  aber  von  da  nach  Mainz,  wo 
er  Schüler  des  Rhagius  wurde  und  mit  den  Doktoren 
Johann  Kühorn  und  Johann  Riedesel  zu  Tische  ging.*'* 
Nach  Wittenberg  zurückgekehrt,  wurde  er  am  18.  Juli  1508 
von  Dr.  Christoph  Scheurl,  dessen  contubernalis  disci- 
pulus  er  war,  zum  Bakkalar  des  kanonischen  Rechts  pro- 
moviert.   Bei   der   Promotion   war   Markus    schon   Propst 

*'•'•  G.  Bauch,  im  Archiv  für  Literaturgeschichte  XIII,  12 f.  Es  ist 
kaum  glaublich,  daß  keine  Mainzer  Editionen  des  Rhagius .  vorhanden 
sein  sollen. 

i^<»  Hier  hätten  die  Leipziger  Magister  über  Konkurrenz  seitens  der 
geringgeschätzten  Universität  Mainz  klagen  können. 

^^"  G.   Bauch,  Geschichte  des  Leipziger  Frühhumanismus,  58,  59. 

^^**  Cod.  Gothanus,  395,  1,  2:  Martin  PoHch  an  Hermann  Kaiser, 
o.  0.  6.  April  1502,  Quedlinburg  12.  Juni  1502  und  Dr.  Mathiaa  Besolt 
an  denselben,  Torgau  10.  April  1502. 

»"»  Xeu(;  Mitteilungen  etc.,  XIX,  409. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  59 

''on  Würzen.  Die  Rede,  die  Scheurl  bei  dem  Akte  gehalten 
latte,  ließ  er  auf  Wunsch  des  Vaters  drucken.  i«o  Es  ist 
lieses  „deutschen  Cicero"  schwächste  Rede,  ein  trauriges, 
:usajnmengestoppeltes  Machwerk. 

Eines  der  schönsten  Gedichte  ist  seinem  Schüler  und 
■^amulus  Heinrich  Brumann  aus  Mainz  gewidmet.  Böcking 
lat  es,  weil  es  die  Dienste  eines  Famulus  so  lebhaft  aus- 
nalt,  ganz  abgedruckt. ^^^^  Ihm  ist  Aesticampianus  ein 
räterlicher  Freund  gewesen.  Wir  werden  Brumann  auch 
loch  wieder  begegnen.  Durch  ein  eigenes  Gedicht ^^^^  es 
väre  sein  erstes  bekanntes,  kündigt  sich  Ulrich  von  Hütten 
ichon  als  Mainzer  Schüler  des  Rhagius  an.  Wenn  wir 
ins  früher  durch  die  scheinbar  falschen  Angaben  über 
)ietrich  Gresemund  den  Älteren  in  seinen  Versen^** 
n  den  Querelen  (1510): 

Magna  Geresmundum  seruat  Moguntia  utrumque, 
Legibus  Aonias  iungit  uterque  deas. 

ibhalten  ließen,  dies  zu  glauben,  weil  wir  unter  den  beiden 
jresemund  Vater  und  Sohn  Dietrich  verstanden,  so 
lalten  wir  das  jetzt  für  einen  Fehlschluß,  weil  der  Vater 
lamals  wohl  schon  tot  war  und  der  jüngere  Dietrich  noch 
?inen  Bruder  hatte,  der  in  Heidelberg  am  9.  November  1512 
lIs  Hermannus  Greszmundt  -de  Maguntia  intituliert  ist 
md  recht  wohl  ein  Mitschüler  Huttens  gewesen  sein 
:önnte.i»*  Überdies  kommt  für  die  Beurteilung  die  Stellung 
les  Huttenschen  Gedichtes  mitten  unter  den  mainzischen 
linzu. 

Aus  einer  anderen  Quelle  kennen  wir  noch  einen 
5chüler  unseres  Humanisten  aus  Mainz,  den  bekannten 
Vntiquarius  Johann  Huttich,  der  uns  später  die  G^legen- 
leit  geben  soll,  nach  einer  Abschweifung  bis  zur  gelben 
)der  mit  Mainz  wieder  anzuknüpfen. 

Um  mit  den  Epigrammen  des  Aesticampianus  zu 
ilnde  zu  kommen,  sei  noch  erwähnt,  daß  neben  einem 
Scherzgedichte  an  seinen  Barbier  Antonius  und  drei  sati- 
•ischen  (in  lurchonem,  in  sciolum,  in  Polyphemum)  auch 
loch  Liebesgedichte  darin  enthalten  sind;  zwei  Mainzerinnen, 
^lartha  und  Cattha,  hätten  hiernach  das  Herz  des  Dichters 


180  Oratio  doctoris  Scheurli  attingens   laudes  virlutis,  Leipzig   1508. 
0;  Neue  Mitteilungen  etc.,  a.  a.  0. 

181  E.  Böcking,  a.  a.  0.,   111,  564. 

182  E.  Böcking,  a.  a.  0.,   III,  563. 

183  E.  Böcking,  a.  a.  0.,   III,  76;  Elegia  X,  v.  205. 

18*  Dietrich    konnte    natürlich    nicht,    wie    Böcking,    111,    565,    will, 
[uttens  Mitschüler  sein. 


60  Gustav  Bauch. 

entzündet.  Wir  lassen  diese  Verse,  die  manchmal  deullicher 

als  schön  sind,  beiseite,  weil  sie  für  uns  unwesentlich  sind 

und  als  bloße  Nachahmung  der  Alten  dem  Bilde  des  Mannes, 

wie  es  Mitlebende  entworfen  haben  ^«^  gar  nicht  entsprechen. 

Es  bleiben  uns  nun  noch  zwei  Stücke  übrig,  die  nach 
dem  Oberrhein  weisen  und  Witnpfeling  und  Thomas 
Wolf  betreffen. 

Als  Wimpfeling  für  Jakob  Sturm  1505  sein  Buch 
„De  integritate"  geschrieben  und  damit  den  Augustinern 
nicht  allein,  sondern  einem  großen  Teile  der  Mönche  über- 
haupt zu  heftigen  Angriffen  Anlaß  gegeben  hatte  i^«,  konnte 
er  bei  der  zweiten  Ausgabe  dieser  Schrift^^?  unter  denen, 
die  sie  billigten,  auch  Aesticampianus  anführen.  Ein 
Gedicht  unserer  Sammlung  auf  das  Buch  ist  auch  im  An- 
hange dieser  Ausgabe  neben  Briefen  und  Gedichten  von 
Pallas  Spangel,  Georgius  Zingel,  Johannes  Roma- 
nus, Heinrich  Bebel,  Beatus  Rhenanus,  Rudger 
Venrai  Sicamber  und  Johannes  Gallinarius  abge- 
druckt. Rhagius  hält  sich  darin  von  der  Kontroverse,  ob 
der  heilige  Augustinus  ein  Mönch  gewesen  sei,  fern,  und 
lobt  nur  das  mit  sokratischem  Ernste  geschriebene,  keusche 
Buch. 

Auch  W impfe  1  in gs  allezeit  getreuer  Genosse  Thomas 
Wolf  Junior  erscheint  in  den  Epigrammen;  ihm  als  dem 
liebsten  unter  allen  rheinischen  Sodalen,  sandte  Aesticam- 
pianus ein  Abschiedsgedicht,  da  er  sich  fertig  machte,  nach 
Frankfurt  a.  0.  überzusiedeln,  wohin  der  Kurfürst  Joachim: 

Duros  grammaticos,  leues  sophistas, 
Audaces  medicos,  malos  poetas, 
Vanos   leguleios,   theoiogosque 
Rixosos  .... 

berufen  hatte.  Er  sollte  später,  als  er  wieder  an  den  Rhein 
kam,  Wolf  nicht  mehr  unter  den  Lebenden i*^^  treffen  (f  1509). 
Dem  Bruder  des  Thomas,  Amandus,  der,  wie  wir  schon 
gehört,  1504  starb,  hatte  er  in  einem  Trostbriefe ^^^  an 
Thomas  außer  Trauerepigrammen  die  seine  eigene  Denkart 
wiedergebenden  Worte  nachgerufen :  „Ad  te  siquidem  atque 
ad  illum,  Maguncia  soluens,  tanquam  in  portum  me  tutissi- 

is.'i  llioronvmi   Welleri   Opera  omnia,    I.    174. 

i8fi  Ch.   Schmidt.   Histoire  litteraire  de   TAlsace,   I,   42f. 

^'*"  Joannes  Knoblouchus  Ciuis  Argentinensis  ex  Archetypo  denuo 
imprimebat.  Anno  quingentesimo  sexto  supra  millesimum.  XI.  kalendas 
Nouembris.     4". 

184;  G.   Bauch,   Die  Universität  Erfurt  etc.,   130—132. 

189  Abgedruckt  mit  seinen  Trauerepigrammen  bei :  Joannes  Garson  de 
miseria  humana  etc.     S.  oben  S.  41  bei   Ulsenius. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  Hl 

mum  retulissem. . .  Non  enim  dubito,  quin  feniore  adoles- 
cencie  decocto  dulcioBibus  Ulis  mxisis  paulispcr  a  se  remotis 
grauioribus  se  shidijs  penitus  dedisset.  Non  enim  ludo  et 
luxui  incumbebat,  et  pro  Cicerone  Paul  um,  pro  Vergilio 
Jesaiam,  pro  Liuio  Moysen  leclitauisset.'*  Aus  diesen  weit- 
flüchtigen  Worten  ersieht  man  zugleich,  daß  Rhagius  1504 
seine  Wandergedanken  schon  ganz  aufgegeben  und  sich 
darauf  eingerichtet  hatte,  bis  zu  seinem  Alter  in  Mainz  zu 
bleiben;  aber  er  stand  jetzt,  ohne  es  zu  ahnen,  gerade  an 
der  Schwelle  des  unruhigsten  Teiles  seines  Lebens. 

Der  Kurfürst  Joachim  1.  von  Brandenburg  berührte 
auf  der  Reise  zum  Reichstage  in  Köln  1505  Mainz  i»<>;  in 
seinem  Gefolge  befand  sich  der  Bischof  von  Lebus  Dietrich 
von  Bülow,  dem  als  vertrautem  kurfürstlichen  Rat  und 
zukünftigen  Kanzler  und  Konservator  der  neuen  Hochschule 
in  Frankfurt  a.  0.,  die  am  26.  April  1506  ins  Leben  trat, 
deren  Organisation  oblag.  Rhagius  wurde  für  sie  als  ordent- 
licher Orator  et  Poeta  gewonnen.  In  einem  Briefe  ^^^  an 
Hermann  von  dem  Busche,  der  auch  den  Wunsch  hatte, 
in  Frankfurt  angestellt  zu  werden,  verlieh  er  seinen  hoff- 
nungsvollen Anschauungen  Ausdruck.  „Fürst  Joachim**, 
sagt  er,  „ist  begabten  Menschen  günstig.  Bischof  Dietrich 
liebt  jene  humanen  Studien,  und  endlich  alle  Hochgestellten 
aus  der  Umgebung,  soviel  ich  aus  ihrer  Miene  und  Rede 
entnehmen  konnte,  pflegen  und  verehren  die  lateinische 
Sprache**.  Busch  kam  nicht  nach  Frankfurt,  und  auch 
Rhagius  überzeugte  sich  bald,  daß  er  mit  Annahme  der 
Frankfurter  Stellung  einen  schlechten  Tausch  gemacht  hatte. 

Vorerst  aber  gab  Mainz,  da  es,  wie  wenn  bei  Schulen 
ein  Rektor  den  Ort  wechselte,  auch  bei  den  Poeten  üblich 
war,  daß  Schüler  von  ihnen  mit  auszogen,  einen  kleinen 
Ableger,  den  Poeten  Rhagius  und  einige  seiner  Mainzer 
Hörer,  an  Frankfurt  ab,  und  die  neue  Universität  wurde 
ihrerseits  wieder  ein  Pflanzgarten  für  die  Mainzer.  Der 
Name  des  Rhagius,  obgleich  dieser  schon  offiziell  an  der 
feierlichen  Inthronisation  der  Universität  teilnahm,  fehlt  in 
der  Matrikel  ^*2^  dafür  sind  sogleich  im  ersten  Semester  die 
uns  aus  Mainz  schon  bekannten  oder  in  der  Folge  dort 
erscheinenden  Kaspar  von  Wiedebach,  Heinrich  Bru- 
mann,  Ulrich  von  Hütten,  Wolf  gang  Angst  aus  Kaisers- 

190  Pur  das  Folgende  vergl.  G.  Bauch,  Die  Anfänge  der  Universität 
Frankfurt  a.  0.,  besonders  23,  97 f.,  lOOf. 

*^^  Hermann  von  dem  Busche,  Spicilegium  von  1607.  Der  Brief 
latiert  Mainz  28.  September  1505. 

i»2  Die  Gründe  dafür  bei  G.  Bauch,  a.  a.  0.,  98. 


62  Gustav  Bauch. 

berg  und  Johann  Huttich  aus  Strintz  in  das  Album  ein 
getragen.  Bei  Angst  ist  es  nicht  beglaubigt,  aber  wegen 
seiner  humanistischen  Bildung  und  seiner  alten  Freund 
Schaft  mit  Hütten  so  gut  wie  selbstverständlich,  daß  auch 
er  ein  Schüler  des  Rhagius  war. 

Mit  dem  bei  ihm  gewöhnlichen  Eifer  nahm  Rhagius 
bald  seine  Tätigkeit  als  Dozent  und  Editor  auf,  und  von 
seinen  Schülern  wurden  rasch  literarische  Leistungen  öffent- 
lich sichtbar.  Als  der  Kollege  des  Rhagius,  der  Inhaber 
der  zweiten  Lektur  für  Oratoria  et  Poetica,  Publius  Vigi- 
lantius  Bacillarius  Axungia,  der  bei  der  Einweihung  der 
Universität  die  Festrede  gehalten  hatte,  diese,  eingeschlossen 
in  eine  Beschreibung  der  Stadt  Frankfurt  und  der  Ein- 
weihungsfeierlichkeiten, 1507  erscheinen  ließ^^^^  tj-yg  j^r 
Druck  empfehlende  Verse  von  Rhagius,  eine  Elegie  von 
Udalricus  Huttenus  Phagigena,  Aesticampiani  disci- 
pulus,  zum  Lobe  der  Mark  und  der  neuen  Universität  und 
eine  Elegie  Henrici  Brummanni  Magonciaci,  sectatoris 
Aesticampiani,  auf  das  Buch  des  Vigilantius.  Hütten 
gab  dann  noch  1507  eine  Elegiaca  exhortatio  ad  studiosos 
adolescentes  zu  der  von  Rhagius  herausgegebenen  Gram- 
matik des  Marcianus  Foelix  Capeila  und  ebenfalls  1507 
eine  andere  Elegiaca  exhortatio  de  ^irtute  zu  der  Ausgabe 
der  Kebcstafel  seines  Lehrers.  ^^*  Der  junge  Ritter  wid- 
mete sich  aber  nicht  nur  poetischen  Arbeiten,  sondern  schloß 
hier  auch  seine  scholastischen  philosophischen  Studien  da- 
mit ab,  daß  er  im  September  1506  das  Bakkalaureat  *^^  er- 
warb. Als  am  Ende  des  Wintersemesters  1507/8  Aesticam- 
planus  nach  Leipzig  überging,  folgte  ihm  Hütten  auch 
dahin,  trat  aber  von  dort  aus  bald  seine  Reisen  auf  eigene 
Hand  an.  Brumann  ließ  sich  in  Frankfurt  bei  der  juri- 
stischen Fakultät  als  Scholar  einschreiben  i^«  und  wurde 
durch  diese  Studienrichtung  wohl  seinen  bisherigen  poe- 
tischen Bestrebungen  ziemlich  entrückt.  Erst  in  Mainz  er- 
fahren wir  wieder  von  seinem  \Veit<»rleben. 

Nach  dem  ei-sten  philosophischen  Lorbeer  strebten  auch 
Angst  und  Huttich  und  erhielten  ihn^^^  jj^  Februar  1507. 


^9"'  Aus  dem  einzigen  bekannten  Exemplar  der  Breslauer  Universitäts- 
bihliotliek  wieder  abgedruckt  in  Akten  und  Urkunden  der  Universität 
Frankfurt  a.  0.,  VI,  If.  Die  Gedichte  von  Rhagius,  Hütten  und  Brumann 
ebenda,   1,   30,  31.     E.   Böcking,  a.  a.   0.,   III,  5,   7. 

194  G.  Bauch,  Die  Anfänge  der  Universität  Frankfurt  a.  0.,  104,  103. 

19-'^  Akten  und  Urkunden,  I.  20. 

i9ß  Akten  und  Urkunden,  VI.  53. 

197  Akten  und  Urkunden,  I,  23. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  63 

ifVolfgang  Angst  hat  darauf  vom  14.  Januar  1512  ab  seine 
Studien  in  Freiburg  i.  B.  wieder  aufgenommen.  Nachdem 
jr  als  gelehrter  Korrektor  bei  Heinrich  Gran  in  Hagenau 
gewirkt  hatte,  siedelte  er  zu  dem  gleichen  Berufe  nach  Mainz 
iber,  wir  werden  ihn  dort  wiederbegrüßon.  Huttich^^'* 
lielt  sich  in  Frankfurt  wie  Angst  von  literarischen  Publi- 
:ationen  fern,  noch  war  seine  Zeit  nicht  gekommen,  aber 
lein  Name  wird  doch  schon  von  dieser  Zeit  ab  gedruckt  ge- 
lannt.  Aesticampianus  hat  wie  auf  Hütten  lebhaft  an- 
egend  auf  diese  tüchtige  Natur  eingewirkt. 

Die  Grammatik  des  Marcianus  Capelia  hatte  Aesticam- 
>ianus  seinen  verwaisten  kleinen  Nefien  Georg  und  Jo- 
lannes  gewidmet;  die  Sorge  für  ihren  Unterricht  hatte 
T  seinem  Amanuensis  Huttich  übertragen.  Als  rheto- 
ischen  Anhang  zu  der  Grammatik  ließ  er  alsbald  Aelius 
)onatus  de  figuris  folgen. i»»  Dieses  Werk  hat  er  Huttich 
iugeeignet  tmd  in  der  warmempfundenen  Widmung  sagt  er: 
»Arbeite  du  mehr  und  mehr  daran,  daß  auch  dieser  Teil  der 
Iranmiatik,  der  ihr  wie  ein  Wäldchen  angehängt  ist,  von 
neinea  Neffen  und  dir,  gewissermaßen  ihrem  Unterlehrer, 
►ffenbarlich  verstanden  wird,  zumal  da  jenen  wie  dir  diese 
)ache  von  großem  Nutzen  sein  wird.  Von  wem  könntet  ihr 
.uch  diese  Dinge  besser  als  von  Donatus,  der  mündlich  das 
acht  unserer  Religion,  Hieronymus,  darin  unterrichtet  hat, 
lach  meinem  Vortrage  lernen,  damit  nichts  ausgelassen  wird 
-  weil  ich  nun  einmal  das  Amt  eines  Grammatikers  über- 
lonunen  habe  — ,  was  zum  wahren  und  wohlanständigen 
Interricht  zu  gehören  scheint,  obwohl  dir  das  nicht  mehr 
:anz  unbekannt  ist,  da  du  ja  schon  deinen  Sinn  auf  die 
löheren  humanen  Studien,  wie  auf  das  Verständnis  der 
k.räfte  der  Eloquenz,  auf  die  Sammlung  der  Vorschriften  für 
in  gutes  Leben  und  auf  die  Durchdringung  des  ganzen  Alter- 
ums gerichtet  hast,  indem  du  mit  Lesen  und  Hören  und 
»kommentieren  deine  ganze  Zeit  hinbringst  und  den  Müßig- 
ang  wie  eine  Pest  des  Geistes  und  eine  Seuche  des  Körpers 


1*^  Zu  Huttich  vergl.  G.  Bauch,  Archiv  für  Literaturgeschichte,  XII, 
BOf.;  F.  W.  E.  Roth,  Euphorion,  IV,  1121.  Roths  Biographie  ist  im 
esentlichen  eine  Bearbeitung  meiner  Darstellung,  aber  er  vermeidet  es 
orgfältig,  auch  nur  einmal  meinen  Namen  zu  nennen.  Unrichtig  ist  bei 
lotb,  daß  Huttich  schon  in  den  Epigrammen  des  Rhagius  vorkommt. 
faß  der  von  Roth,  S.  772,  775,  angeführte  Domvikar  und  Altarist  Johann 
iuttich  und  der  unsere  eine  Person  sein  sollen,  ist  ausg;eschlossen,  da 
er  1487  oder  1488  geborene  Huttich  1506  noch  nicht  das  kanonische 
her  hatte,  um  die  dazu  nötige  Priesterweihe  zu  erhalten.  Eher  ist  es 
er  schon   1488  genannte  Mainzer  Huttich. 

i»ö  G.  Bauch,  Die  Anfänge  etc.,  104. 


64  Gustav  Bauch. 

fliehst  und  verabscheust.  Und  aus  diesem  Gnuide  hast  du 
auch  die  Marken  des  süßen  Vaterlandes  und  di3  lieblichen 
Gefilde  der  Stadt  Mainz,  die  Weingärten,  die  Fluren  und 
die  Verwandten  verlassen  und  endlich  don  Rhein,  den  Vater 
der  Nymphen,  wie  die  Dichter  meinen,  um  in  Lübben  die 
Bäche  meiner  Lausitz  (Spreewald)  zu  sehen  und  deine 
Heimat  ein  wenig  zu  verleugnen,  um  endlich  dein  Haus 
reicher  an  Wissen,  berühmter  durch  Beredsamkeit  und  auch 
reiner  im  Leben  wieder  aufzusuchen  und  dieses  mein  Urleil 
in  Bezug  auf  deinen  Geist,  deni  Studium  und  deine  Liebe 
zu  mir  als  ein  ewiges  Denkmal  mitheimzubringen,  damit 
du  nicht  vergeblich  die  Gefahren  der  Reise  oder  die  Mühen 
der  täglichen  Arbeit,  denn  du  bist  mir  zur  Hand  (a  manu 
enim  mihi  es),  oder  auch  noch  Schaden  an  Geld  und  Zeit 
auf  dich  genommen  zu  haben  scheinest.**  In  einem  ange- 
hängten Schlußgedichte  Ad  nepotes  et  Johannem  Hutti- 
chium  Maguntinum  lobte  er  nochmals  seinen  Amanuensen 
und  wies  auch  noch  darauf  hin,  daß  dieser  bereits  bei  ihm 
Griechisch   gelernt  hatte: 

Tuque,  Maguntine  spes  urbis  et  ardua  Rheni 

Gloria,  Lusatii  tutor  honeste  gregis, 
Dulcis  Johannes,  teneros  mea  cura,  nepotes 

Respice  et  hec  rudibus  trade  elementa  gulis, 
Ut  possint  ronchos  Itali  sannasqne  Pelasgi 

Effugere  et  duplici  fingere  verba  sono. 
Quod  paucis  nostro  hominibus  iam  contigit  euo, 

Nunc  dabit  hoc  pueris  cura  laborque  tuis. 

Ein  Distichon  an  den  Leser  versprach  einen  Kommentar 
zu  Marcianus  Capeila;  auch  dieser  erschien  noch  1508  mit 
einem  gleichen  zu  Aelius  Donatus^'^^  wieder  den  Neffen  zu- 
geschrieben. Die  in  so  wenig  Worten  gegebene  liebevolle 
Schilderung  des  Rhagius  von  Mainz  in  der  besprochenen 
Epistel  an  Huttich  erhält  einen  wehmütigen  Zug,  wenn  man 
damit  die  Verse  vergleicht,  die  Pierius  Joannis  Aesticam- 
piani  grex  bei  dem  Kommentar  an  die  Neffen  richtet;  diese 
Verse  sprechen  nicht  nur  von  durch  die  angeschwollene 
Oder  w^eggeschwenunten  „faciles  et  innocentes  despecti 
miseris  modis  poetae**,  sondern  sagen  auch  noch: 

Vos  ad  Lusatios  redite  fines: 
Nee  firmi  comites,  nee  expediti. 
Et  cum  grammatica  valete  vestra, 
Nos   sectabimur   Aesticampianum, 

200  ü.  Bauch,  a.  a.  0.,  105. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  65 

Quo  vel  fata  vocont,  deus  vol  autor 
Vel  sors  hac  melior  schola  vel  urbe. 

Huttich  wanderte  mit  den  Neffen  nach  Lübben,  al>er 
schon  im  Wintersemester  fand  auch  er  sich  in  Leipzig  ein. 
Bis  zum  Wintersemester  1513/14  schweigen  jedoch  dann  die 
Nachrichten  über  ihn.  Zu  diesem  Termine  trat  er  dort 
herausfordernd  als  Poet  auf.  201  Der  artistische  Dekan  des 
Semesters  Magister  Johannes  Tuberinus  Erythrapoli- 
tantis,  Johannes  Beuschel  oder  Beussel  aus  Roten- 
burg a.  T.,  ein  zu  den  Scholastikern  haltender  wässeriger 
humanistischer  Poet,  der  zum  Gespött  der  Huma^jisten 
schärferer  Tonart^o«  in  demselben  Semester  durchsetzte,  daß 
ihm  die  Fakultät  zum  Druck  seiner  dickbändigen  wertlosen 
„Musithias**  dreißig  Floren  bewilligte  und  ihm  gestattete, 
in  einem  Jahre  anstelle  des  Terenz  darüber  zu  lesen,  war 
als  zünftiger  und  patentierter  Poet  natürlich  mit  Recht  da- 
rüber entrüstet,  daß  schon  vor  Anfang  der  Exerzitien  und 
Lektionen  zwei  Bakkalare  zu  lesen  begannen.  Er  schritt 
ein,  weil  Überfluß  an  lesenden  Doktoren  und  Magistern 
wäre  und  sie  bloß  Scholastici  seien,  die  nicht  die  Erlaubnis 
zu  lesen  hätten.  Der  eine  gehorchte  sofort  und  hörte  auf 
zu  lesen;  der  andere  wollte  zuerst  durchaus  nicht  von  seiner 
Anmaßung  lassen,  stand  dann  aber  doch  von  seinem  Be- 
ginnen ab,  als  ihm  von  seinen  Oberen  und  dem  Dekan  eine 
Frist  von  fünf  Tagen  gesetzt  worden  war.  Auch  einen 
dritten  Scholaren  oder,  wie  viele  sagten,  einen  Frankfurter 
Bakkalar,  obgleich  er  selbst  es  leugnete,  unsern  Huttich,  ver- 
hinderte er  am  Lesen.  Da  er  aber  nicht  hören  wollte,  rief 
der  Dekan  auf  Geheiß  der  Senioren  die  Hülfe  des  Rektors 
zur  Bestrafung  des  Ungehorsamen  an.  Der  Rektor  er- 
kundete die  Meinung  des  Universitätskonzils  über  die  Sache, 
und  dieses  beschloß,  daß  jener  Jüngling  zu  verhindern  sei. 
Huttich  aber  appellierte  an  die  ganze  Universität,  deren 
Nationen  ihm  befahlen,  vom  Lesen  abzustehen.  Dieser  je- 
doch, der  seinem  dreisten  Verfahren  nicht  den  Rücken 
kehren  wollte,  reichte  dem  Herzog  Georg  eine  Bittschrift 
ein,  in  der  er  die  Magister  leichtfertig,  „ut  mos  est  gyroua- 
gorum**,  mit  schwerer  Beschuldigung  verklagte.  Der  Fürst 
schrieb  darauf  an  die  Universität  und  verlangte,  daß  ihm 

*ö'  Liber  papyreus  dos  Archivs  der  Leipziger  philosophischen  Fakul- 
tät, fol.  59,  und  Liber  conciusorum  et  arforum  uniuersitatis,  fol.  158. 
Codex   diplomaticus   Saxoniac   Regiae   II,   XVII,   48(). 

**^-  Codex  dipl.  Saxoniae  Regiae,  a.  a.  O.,  471).  Epistolae  obscurorum 
virorum,  E.  Böcking,  a.  a.  0.,  Supplemeiitum  1,  27.  Ks  springt  ins  Auge, 
wie  vorzüglich  der  Verfasser  (Crotus)   über  die   Sache  unterrichtet  war. 

Beiträge  x.  Gesch.  d.  Universttäten  Mainz  u.  Gießen.  ß 


6G  Gustav  Bauch. 

die  Erlaubnis  zu  lesen  nicht  verw^eigert  werden  sollte.  Die 
Universität  verschanzte  sich  hinter  ihre  Statuten  und  löb- 
lichen Gewohnheiten  und  belehrte  ihn  über  die  Menge  der 
Magister  in  Leipzig,  die  „cultioreni  literaturam**  vortragen 
könnten.  Damit  beruhigte  sich  der  Herzog,  und  „dictus 
temerarius  poetaster**  wurde  bei  einer  Strafe  von  zehn 
Floren,  die  ihm  der  Rektor  nach  Beschluß  der  ganzen  Uni- 
versität androhte,  gezwungen,  von  seinen  Lektionen  abzu- 
lassen. 

So  teilte  Huttich  das  Schicksal  seines  Lehrers  Aosti- 
campianus,  dem  die  Universität  L511  aus  Schikane  ein 
Lektorium  verweigert-03  und  den  sie  dann  nach  einer  scharfen 
Abschiedsrede -04,  um  ihn  ganz  loszuwerden,  trotz  der  Inter- 
zession des  Herzogs  Georg  schleunigst  auf  zehn  Jahre 
relegiert  hatte.  Huttich  trat  jetzt  seinen  Rückweg  nach 
dem  goldenen  Mainz  an. 

Nach  Joannis^oö  erscheint  er  dort  in  Urkunden  als 
Magister,  Examinator  und  Geistlicher.  Er  hat  also  wohl 
in  Mainz  seinen  Grad  erlangt,  also  auch  dort  wieder  zu  der 
Universität  gehört.  Die  Anregungen  des  Acsticam planus 
und  was  er  von  Gresemund  vernahm,  wirkten  bei  ihm 
weiter;  er  beschäftigte  sich  in  seinen  Mußestunden  mit  der 
Sammlung  von  römischen  Inschriften  imd  alten  Münzen.  Im 
Jahre  1516  gab  er  ein  empfehlendes  Hexastichon  zu  einem 
Oppenheimer  Drucke  ^o«,  zu  dem  Enchiridion  ferme  de  omni 
ludorum  genere  des  Tübinger  Professors  der  Jurisprudenz 
Johannes  Aquila.  Das  Buch,  das  auch  Peter  Günther 
poetisch  empfahl,  behandelt  erlaubte  und  unerlaubte  Spiele, 
Spiel  im  weitesten  Sinne  ji^enommen,  und  stellt  die  uner- 
laubten abschreckend  mit  Verboten  und  Strafen  dar.  Es 
ist  also  gewissennaßen  eine  Ergänzung  zu  Gresemunds 
Violata  crux. 

Seine  vielseitige  Bildung  bewirkte,  daß  er  als  Lehrer 
des  jugendlichen  Ludwig  II.  von  Pfalz-Zweibrücken 
an  dessen  Hof  berufen  wurde.  Als  solcher  schrieb  er  1518 
an  Reuchlin-*^'  und  tröstete  den  schon  sieben  Jahre  auf 
Gerechtigkeit  Harrenden  mit  der  Gunst   des   Bischofs  von 

-*J^  G.  Bauch,  Archiv  für  Literaturgeschichte,  XIII,  19 f. 

2o<  Obersetzt  von  0.  Giemen,  Neue  Jahrbücher  für  Pädagogik,  II 
(IV),  236 f.  —  20f.  Joannis,  a.  a.  0.,  III,  322. 

206  Opusculum  Enchiridion  appellatum  Joannis  Aquile  Ferme  de  omni 
ludorum  genere.  Impressum  Oppenheim  (Jakob  Köbel).  Anno  domini. 
1.  5.   16.     40. 

20"  lilustrium  virorum  epistolae  ...  ad  Joannem  Ileuchlin  Phorcen- 
sem.  Hagenoae  ex  officina  Thomae  Anshelmi.  Anno  Inc.  Verbi  M.  D.  XIX-, 
Üiij  b. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  67 

Straßburg,  Grafen  Wilhelm  von  Hohenstein,  mit  der  Be- 
wunderung seines  Schülers  Ludwig  und  den  Hülfsaner- 
bietungen  der  Vornehmen  von  dessen  Umgebung.  Daß 
Huttich  sich  unter  den  Gelehrten  damals  schon  eines  an- 
gesehenen Namens  erfreute,  beweist  neben  der  gleich- 
zeitigen Erwähnung  208  durch  Irenicus,  daß  er  in  dem  den 
Epistolae  illustrium  virorum  vorgedruckten  Verzeichnis  der 
Defensores  Capnionis  mit  aufgeführt  wird.  Als  Reuch- 
linist  hat  er  auch  bei  Schlauraff  und  in  dem  Briefe  des 
Obscurus  vir  M.  Sylvester  Gricius  Aufnahme  gefunden.^o» 

Im  Jahre  1520  erschien  die  Frucht  der  Mainzer  For- 
schungen, das  erste  Werk  Huttichs:  Collectanea  anti- 
quitatum  in  urbe,  atque  agro  Maguntino  repertarum.^io  Das 
Buch  war  schon  früher  vollendet,  wie  der  an  Dietrich 
Zobel  gerichtete  und  vom  22.  Juli  1517  „ex  arce  Curcellina 
regni  deserti"  datierte  Widmungsbrief  bezeugt.  Scherzend 
sagt  er  darin,  daß  er  trotz  des  Spottes  des  Erasmus  (in 
seinem  Encomium  moriae)  unter  die  Altertumsnarren  für 
Mainz  gehen  wolle,  um  dadurch  Zobel,  der  schon  ein  Lieb- 
haber alter  Münzen  sei,  anzuregen,  aufgefundene  Altertümer 
zu  sammeln  und  dadurch  vom  Untergange  zu  retten.  Er 
habe  nur  ausgeführt,  was  Gresemund,  der  Vater  der  Alter- 
tümer, begonnen,  im  Verein  mit  dem  Doktor  der  Dekrete 
Balthasar  Geyer  (von  1524  ab  Scholastikus  bei  St.  Peter*" 
und  außerdem  Kanonikus  bei  St.  Viktor,  bei  dem  hl.  Kreuz 
und  in  Frankfurt  bei  St.  Bartholomäus)  habe  er  in  Stadt 
und  Land  geforscht  und  nach  dem  Vorbilde  Peutingers  alle 
Inschriften  mit  eigenen  Augen  geprüft.  Das  nicht  fehler- 
lose-" Werk,  das  42  Inschriften  und  eine  Abbildung  des 
Eigelsteins  enthält,  ist  von  Schöffer  1525  aufs  neue  ge- 
druckt worden.  213  Joahnis  hat  die  ganze  Schrift  nach  dieser 
zweiten  Ausgabe   in   seine  Sannnlung  aufgenonmuMi.-i* 

Mit  dieser  Veröffentlichung,  oder  vielmehr  schon  mit 
dem  Briefe  an  Reuchlin,  entschwindet  Huttich  auf  einige 
Zeit  unseren  Augen;  durch  eine  gelegentliche  Notiz-^*  in 
einem  Briefe  an  Pirckheimer  erfaliren  wir  nur,  daß  er 
1521  aus  Spanien  zurückgekehrt  ist.     Was  ihn  dorthin  ge- 

*®8  Gennaniae  exegcsis,  fol.  45  b.  —  200  g   iji(»|.  weiter  unten. 

*^^'  Ex  aedibus  Joannis  Schoeffer  Mognntini.  Anno  Christi  M.  D.  XX. 
mense  Martio.     Fol.   —  *^^  Joannis,  a.  a.  0.,   1,  505,   II,  324. 

21-  Leibniz  in  Olium  Hanoveranum  von  Feller,  Li})s.   1718,  207. 

*15  Ex  aedibus  Joannis  Schoeffer  Mogunlini.  Anno  Cliristi  M.  D.  XXV. 
Mcnse  Septejnb.    Fol. 

*i*  Joannis,  a.  a.  0.,  II,  327  f.  Die  Meinung  von  Joannis,  daß  beide 
Ausgaben  identisch  seien,  beruht  auf  einem  Irrtum. 

21^  Heumann,  Documenta  literaria,  225. 


68  Gustav  Bauch. 

führt,  wissen  wir  nicht.  Als  er  den  Brief  schrieb  (18.  Ok- 
tober 1524),  hielt  er  sich  in  Straßburg  auf  und  wurde  dort 
von  Beatus  Rhenanus,  mit  dem  er  befreundet  war  unä  der 
bei  ihm  den  Sonuner  zugebracht  hatte,  gebeten,  dem  "Buch- 
drucker Grüninger  als  gelehrter  Korrektor  für  die  Ptole- 
maeus-Ausgabe  Pirckheimers  behilflich  zu  sein.  Er  über- 
nahm zur  Freude  Pirckheimers,  der  ihm  schon  von  früher 
nahestand  (er  hatte  ihm  vor  mehreren  Jahren  schon  seinen 
„Piscator**  übersendet),  die  mühsame  Arbeit.  Aus  der  Ant- 
wort Pirckheimers  ersehen  wir,  wie  hoch  er  Huttich 
als  Gelehrten  schätzte.  Die  Tätigkeit  war  für  Huttich  nicht 
sehr  erfreulich,  zweimal  beklagt  er  sich  brieflich  bitter  über 
den  Druckerei«,  und  Pirckheimer  dachte  ebenso  wie  er. 

In  Straßburg  wurde  Huttich  am  28.  Februar  1525  als 
Bürger  aufgenommen  und  1527  wurde  er  auf  Grund  von 
primae  preces  Kaisers  Karl  V.  Kanonikus  zu  St.  Thomas, 
1533  ungefähr  erhielt  er  die  Pfründe  des  Rex  chori  an  der 
Kathedrale,  deren  reiches  Einkommen  ihm  gestattete,  seiner 
Vorliebe  für  die  Altertümer,  für  historische  Studien  und 
für  das  Sammeln  von  Handschriften  und  Büchern  zu  leben. 

Im  Jahre  1526  verötTentlichte  er  das  zweite,  in  Straß- 
burg großgezogene  Kind  seiner  Mainzer  Forschungen:  Im- 
peratoruni  Romanorum  libellus.  Una  cum  imaginibus,  ad 
uiuam  effigiem  expressis.^»-  Dieses  Buch  ist  dem  Rate  des 
Herzogs  Georg  von  Sachsen  Otto  von  Pack^^s  zuge- 
eignet, zwei  Jahre  ehe  dieser  das  berüchtigte  Breslauer 
Bündnis  erfand.  Die  Vorrede  des  in  den  schweren  Zeiten 
des  Bauernkrieges  verfaßten  Buches  läßt  uns  einen  tiefen 
Blick  in  Huttichs  Seele  tun.  Die  Klagen,  denen  er  Worte 
leiht,  tönen  in  den  Werken  vieler  seiner  humanistischen 
Genossen  fast  wörtlich  wieder. 219  Die  Verderbnis  der  Sitten 
und  Zeiten,  sagt  er,  sei  eine  so  große,  daß  man  am  klügsten 
handle,  wenn  man  den  Umgang  und  Verkehr  mit  Menschen 
ganz  meide.  Als  Jünglingen  habe  ihnen  die  Hoffnung  auf 
das  Wiederaufleben  besserer  Wissenschaften  erglänzt,  jetzt 


-^^  Heumann,  a.  a.  0.,  226,  228;  B.  Pirckheimer,  Opera,  ed.  Gold- 
ast,   313;  Hase,   Die   Koberger,  2.  Aufl.,  97  und  passim. 

-^^  Wolgangus  Cephalaeus  Argentinae  suo  aere  et  impensis  excussit. 
Anno  salutis  M.  ü.  XXVI. 

2^^  Zu  Otto  von  Pack  vergl.  weiter  unten.  Für  die  ursprünglich 
günstige  Stellung  Huttichs  zur  Reformation  vergl.  Centuria  epistolarum 
theologicarum  ad  Joh.  Schwebelium,  Zweibrücken  1597,  42,  wo  unrichtig 
Job.   Heltichius  steht. 

219  Vergl.  die  Vorrede  des  Nicolaus  Gerbelius  bei  Jacobi  Bracelli 
Genuensis,  historici  eruditissimi  Libri  quinque,  Hagenau  Secerius  1530; 
r.uricii  Cordi   Siniesusii  Botanologicon,  Köln  1534,  42. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  69 

sei  sie  entschwunden  und  zusammengefallen,  daß  sie  nie- 
mals geringer  gewesen  sei.  Einst  treue  und  offene  Herzen 
seien  nun  ganz  stumm  oder  sich  unähnlich  geworden.  Plötz- 
lich wie  Götter  (im  Drama)  seien  einige  Verteidiger  eines 
reineren  Christentums  erstanden,  aber  wie  diese  von  dem 
ganzen  Weltkreise  mit  Beifall  aufgenommen  worden  seien 
(denn  eine  hochwichtige  Suche  sei  die  Erkenntnis  der  Wahr- 
heit), so  beklage  man  nun,  daß  einige  von  jenen  oder  sicher 
Anhänger  von  ihnen  die  Schauspieler  der  traurigen  Tragödie 
dieser  Zeit  spielten  und,  von  der  evangelischen  Milde  zu  auf- 
rührerischem Geiste  abgefallen,  alles  mit  Mord  und  Raub 
erfüllten.  Daher  sei  es  gekommen,  daß  die  für  Ankämpfer 
gegen  das  Evangelium  gehalten  würden,  die  vorher  als  seine 
Vorkämpfer  angesehen  worden  seien.  Das  sei  durch  unge- 
lehrtes Schreien  ins  Volk  (Schilderung  der  Prädikanten,  meist 
ausgelaufener  Mönche)  veranlaßt  worden,  daß  die  Menge 
sich  zu  Plünderung  und  Raub  gewendet  habe.  Aber  auch 
die  Fürsten  hätten  ihre  Schuldigkeit  nicht  getan,  für  diese 
habe  er  nun  die  Kaiserleben  zusammengestellt,  Cephalaeus 
habe  die  Bilder  nach  Münzen  dazugegeben. 

Huttich  erinnert  Pack  am  Schlüsse  daran,  daß  sein 
Bruder  Philipp  von  Pack^^^  ihm  einst  bei  der  Aufspürung 
von  alten  Denkmälern  und  Münzen  eifrig  beigestanden  und 
wie  bewundernd  Otto  die  Funde  aufgenommen  habe;  darum 
und  weil  der  durchreisende  Heinrich  von  Eppendorf  (aus 
Freiburg,  ein  Antipode  des  Erasmus)  ihn  dazu  ermuntert 
habe,  widme  er  ihm  das  Werk. 

In  dem  Buche  findet  man  die  Bildnisse  und  Lebens- 
beschreibungen der  Kaiser  bis  auf  Karl  V.  Wo  Huttich, 
wie  bei  den  Juliern,  Fraucnbilder  kannte,  sind  auch  diese 
aufgenommen,  wo  ihm  Abbildungen  fehlen,  z.  B.  von  Hein- 
rich V.  bis  auf  Albrecht  H.,  deuten  dies  leere  Rinj2;e  an. 
Die  Biographien  sind  kurz,  die  Bilder  zum  f^roßon  Teile» 
recht  gut.  Nachdem  das  Werk  zweimal  nachgedruckt  worden 
war,  ließ  es  Huttich  1534  noch  einmal,  \ ermehrt  um  einen 
Elenchus  der  Konsuln  und  Abbildungen  von  Münzen  aus 
der  Zeit  der  Republik,  ausgehen.  2-1 

Die  Bibliothek  Huttichs  schloß  matiche  Schätze  in 
sich,  so  sah  Beatus  Rhenanus  bei  ihm  einen  alten  Psalt'r 
in    deutscher   Sprache-",    und    Crato   Mylius   erhielt   von 

2-0  Zu  Philipp  von  Pack  vorgi.  weiliT  uiilen. 

'-*  Argentorali  Vuolphgangus  Caephalaeus  excussit  Anno.  M.  D. 
XXXIII.  In  derselben  Offizin  erscliien  15511  (1552)  eine  neue  von  .loa. 
Sambucus  redigierte  Auflage.  Eine  deutsche  Ausgabe  merkt  Roth,  a.  a.  0., 
782,  all. 

**-  Beati  Rhenani  Selestadiensis  rerum  Germanicarum  libri  tres.  Ra- 
sileae  1531,  108. 


70  Gustav  Bauch. 

ihm  eine  aus  Johanns  von  Dalberg  Büchern  stammende 
Handschrift  des  Chronicon  Urspergense  für  seine  zweite 
Ausgabe  dieses  Geschichtswerkes.  ^^^  Auch  die  Zusammen- 
stellung von  Entdeckungsreisen  und  ähnlichen  Sachen,  die 
unter  dem  Titel:  Nouus  orbis  regionum  ac  insularum 
veteribus  incognitarum  una  cum  tabula  cosmographica,  et 
aliquot  alijs  consimilis  argumeilti  libellis  etc.  1536  (37  ? 
Titel)  bei  Herwagen  in  Basel  erschien,  ist,  wie  Simon 
Grynaeus  in  der  Vorrede  berichtet,  von  Huttich  ge- 
sammelt und  Herwagen  zu  gemeinsamem  Abdruck  über- 
geben worden.  Nicht  mit  Unrecht  nimmt  Roth  slh--^,  daß 
Huttichs  Beschäftigung  mit  Ptolemaeus  ihn  zum  Sammeln 
solcher  Schriften  geneigt  gemacht  habe. 

Von  dem  regen,  angeregten  und  anregenden  Briefwechsel 
Huttichs  mit  Beatus  Rhenanus  sind  Schreiben  von  1527 
bis  in  sein  Sterbejahr,  1544,  erhalten.^^^  Da  gibt  er  Nachricht 
über  das  Resultat  seiner  Durchforschung  der  Bibliothek  Dal- 
bergs,  über  Urkunden,  über  mittelalterliche  deutsche  Rechts- 
quellen —  auf  seine  Anregung  wurde  der  Sachsenspiegel  ge- 
druckt — ,  über  historische  Lokalitäten  und  altdeutsche  Aus- 
drücke. In  einem  Briefe  empfahl  er  den  greisen  ehemaligen 
Schüler  und  Sodalen  des  Konrad  Celtis  und  Freund  des 
Erasmus,  den  Kosmographen,  Kritiker  des  Plinius  und  Auf- 
heller des  skandinavischen  Nordens  Jakob  Ziegler  aus 
Landau  in  Niederbayern,  der  aus  den  „Thermae  Antonianae" 
für  den  Rest  seines  Lebens  nach  Mainz  übersiedeln  wollte 
und  deshalb  durch  Vermittlung  des  Beatus  einen  Empfeh- 
lungsbrief des  Irenikers  und  letzten  Bischofs  von  Zeitz 
Julius  von  Pflug  an  den  Kardinal-Erzbischof  Albrecht 
von  Mainz  begehrte. 

In  seinem  letzten  Briefe  (26.  Januar  1544)  äußerte  er 
lebhafte  Besorgnisse  über  die  Kränklichkeit  des  Beatus  und 
gab  ihm  gute  Ratschläge;  aber  nicht  diesem  drohte  ein  nahes 
Ende,  sondern  ihm  selbst.--*^  Er  starb  schon  am  4.  März  1544 
und  wurde  im  Chor  bei  St.  Leonhard  begraben.  Beatus 
Rhenanus  schrieb  ihm  ein  heute  nicht  mehr  erhaltenes 
Epitaphium.    Als  Straßburger  Bürger  setzte  er  sich  ein  Denk- 


-2;»  Paraleipomena  rerum  Memorahilium  etc.  Argentorati  apud  Crato- 
nem  Mylium,  Mense  Martio,  Anno  M.  D.  XXXVI II,  1.  Hinter  der  Aus- 
gabe des   Chronicon  Abbat.   L'rsperg.  —  --*  Rotli,  a.  a.  0.,  784. 

22^  A.  Horawitz  und  K.  Hartfelder,  Briefwechsel  des  Beatus  Rhena- 
nuH,  372,  373,  417,  418,  435,  477f.,  488,  489,  491,  509,  510. 

226  pj-jr  (Jqj;  Folgende  vergl.  die  Briefe  von  Huttichs  Vetter  und  Nacli- 
foljier  als  Hex  cliuri  iSebastian  Hanibacher  an  Beatus  Rhenanus,  a.  a.  C, 
519,  527. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Hunianisnius.  71 

mal  durch  eine  wohltätige  Stiftung  für  die  Ausstattung  armer 
Straßburger  Bürgertöchter,  die  sich  verheiraten  wollten. 

Mit  Huttich  sind  wir  in  die  Atmosphäre  Reuchlins 
und  seines  Kampfes  um  die  Judenbücher  getreten.  227  Mainz 
wrurde  zu  einem  Heerlager  für  seine  Sache,  die  man  bald 
nicht  als  Judenbegünstigung,  sondern  von  der  Höhe  der 
Wissenschaft  im  humanistischen  Sinne  auffaßte.  Der  Huma- 
nismus hatte  in  Mainz  festen  Fuß  gefaßt,  und  der  Kreis  seiner 
Anhänger  war  nicht  nur  an  der  Universität  gewachsen, 
sondern  hatte  sich  zudem  auch  in  der  zahlreichen  höheren 
Seistlichkeit  weiter  ausgedehnt,  die  durch  Studien,  besonders 
im  Jus,  in  Italien,  aber  auch  durch  die  lebhaften  Beziehungen 
zur  Kurie  sich  längst  in  dem  Banne  der  italienischen  Renais- 
sance befand  und  daher,  wie  wir  schon  bei  den  Freunden 
und  Gönnern  des  Aesticampianus  gesehen  haben,  dieser 
Richtung  auch  an  der  Universität  freundlich  gegenüberstand. 
Freilich  die  Scholastik  war  deshalb  noch  keineswegs  von  der 
Hochschule  verschwunden  oder  auch  nur  besiegt,  obgleich 
man  von  Plänen  erfährt,  sie  in  ihren  Auswüchsen  zu  be- 
seitigen; aber  diesen  Kampf  hat  der  Humanismus  auszu- 
[echten  keine  Zeit  gehabt,  weij  ihm  die  kirchliche  Refor- 
mation die  Herrschaft  über  die  fieister  der  Gebildeten  ab- 
iahm und  ihn  in  dem  von  ihr  geführten  Kampfe  gegen  die 
Scholastik  nur  als  Bundesgenossen  in  dienender  Stellung 
zuließ,  um  später  selbst  dann  wieder  ihrer  eigenen  Scholastik 
zu  verfallen  und  den  Humanismus  in  seinem  innersten  Wesen 
2;eschwächt  zurückzulassen. 

Als  einen  Reformator  der  Universität  bezeichnet  Hütten 
in  seinem  schönen  Trauerb  riefe--**  an  seinen  Freund,  den 
Bamberger  und  Würzburger  Kanonikus  Jakob  Fuchs, 
seinen  treuen  Gönner,  den  gelehrten  Edelmann  Eitelwolf 
von  Stein,  einen  Schüler  des  Crato  von  Udenheim  in 
3chlettstadt  und  in  Bologna  des  Philippus  Beroaldus, 
iem  Kaiser  Maximilian  auch  den  Lorbeer  als  Orator  und 
Poeta  verliehen  und  der  schon  als  Sodale  des  Celtis  sich 
eifrig  an  den  Bestrebungen  dieses  überall  Anregungen  aus- 
streuenden Apostels  des  Humanismus  beteiligt  hatte.  Die 
einzig  erhaltenen  Verse  Eitelwolfs  Irägi  die  Nürnberger 
Ausgabe  der  Werke  Roswithas  von  1501,  die  unter  der 
igide  der  Sodalitas  des  Celtis  erschien.--'  Tritheniius 
iennt*'<*   eine   ungednickte   Schrift  von    ihm:    De   laudibus 

22<  Hierzu  L.  Geiger,  a.  a.  0.,  240f. ;  1).  Strauß.  Ulrich  von  Hütten, 
l  AuH.,  150f.    —  ^^^  E.   Böcking,  a.  a.  0.,   1.  44,   45. 

229  0.   Bauch,   Die   Rezeption   des   Humanismus   in   Wien,   713 — 81. 

230  Joh.  Trithemius,  Opera,  I,  181,  392. 


72  Gustav  Bauch. 

heroum  et  illustrium  vironim,  die  seinem  Oheim,  dem  in 
Schlesien  gründlich  verhaßten  Vertrauten  und  Rat  des  Königs 
Mathias  Corvinus  von  Ungarn  Georg  von  Stein  ge- 
widmet war.  Mit  dem  Erzbischof  AI  brecht  als  sein  Rat 
und  Hofmeister  vom  Hofe  Joachims  I.  von  Brandenburg 
1514  nach  Mainz  übergesiedelt,  um  sich  hier  für  seine  alten 
Tage  häuslich  einzurichten,  strebte  er  auch  nach  Betätigung 
seiner  wissenschaftlichen  Anschauungen.  Er  erzählte  einst 
Hütten,  daß  er  bedauere,  Joachim  zur  Errichtung  der 
Frankfurter  Universität  angeregt  zu  haben,  da  er  sehe,  daß  sie 
von  tingelehrten  Gelehrten  in  Besitz  genommen  sei  und  nicht 
von  im  Griechischen  und  Lateinischen  Unterrichteten  weiter- 
gefördert werde.  Und  so  ging  der  wegen  seiner  treuen,  dem 
Hause  HohenzoUern  geleisteten  Dienste  von  Albrecht  hoch- 
geschätzte und  deshalb  einflußreiche  Mann  in  Mainz  im  Ver- 
trauen auf  die  Freigebigkeit  seines  humanen  Fürsten  daran, 
die  Universität  auf  eine  Stufe  zu  heben,  daß  sie  in  Europa 
nicht  ihresgleichen  hätte,  teils  selbst  mit  eigenem  Gelde,  teils 
damit,  daß  durch  Entfernung  „unnützer  Professorchen**  die 
ausgesetzten  Gehälter  für  eine  bessere  Verwendung  freige- 
macht würden.  Nur  die  Vorbereitungen  und  die  Anfänge 
seiner  guten  Absichten  hat  der  wackere  Herr  ins  Werk  setzen 
können,  denn  er  starb  als  kaum  Fünfzigjähriger  schon  1515. 
Von  einem  Zurückdrängen  des  Scholasticismus  an  der  Uni- 
versität, wenigstens  in  Bezug  auf  ihre  Bedeutung,  kann  aber 
auch  nach  dem  Abscheiden  Eitelwolfs  gesprochen  werden, 
da  Kurfürst  Albrecht  dem  Humanismus  durchaus  wohl- 
wollend gesinnt  war. 

Albrecht  war,  wie  er  Erasmus  schätzte,  auch  ein 
Gönner  Reuchlins,  ja  selbst  Reuchlinist.  Sein  Leibarzt 
Dr.  Heinrich  Stromer  aus  Auerbach^ai  schrieb  1517  an 
Wilibald  Pirckheimer:  ,,Aber,  um  von  mir  zu  schweigen, 
die  größte,  ja  eine  ungeheuere  Verwunderung  hat  mich  erfaßt, 
daß  du  deine  Arbeiten  (die  Übersetzung  von  Lucians  Piscator 
und  seine  an  Lorenz  Behaim  gerichtete  Vorrede  für 
Reuchlin)  nicht  dem  Mainzer  Erzbischofe  als  Geschenk  zu- 
geschickt hast,  meinem  mildesten  Herm,  aller  gebildeten 
Männer  Liebhaber  und  Mäcen,  dessen  Würde  ich  mit  bestem 
Rechte  einen  Reuchlinisten,  um  ein  Wörtchen  der  Ver- 
leumder der  Reuchlinisten  zu  gebrauchen,  nennen  karnii 
da  ja  seine  Hochheit  unsern  hochgelehrten  Capnion,  den 
ich  niemals  ohne  ganz  besondere  Lobpreisung  nennen  darf, 
als  einen  durch  das  Alter  verehnmgswürdigen  Mann,  einen 

'-'^^  E.   Böcking,  a.   a.   0.,   1,   155. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  73 

lit  seltener  Gelehrsamkeit,  mit  ausgezeichneter  Unbe- 
iholtenheit  des  ganzen  Lebens,  mit  einzigartiger  Bered- 
imkeit  in  deutscher,  hebräischer,  chaldäischer,  griechischer 
nd  lateinischer  Sprache  und  mit  der  Zier  aller  schönen 
ugenden  Ausgestatteten  wunderbar  liebt  und  hegt  und  ihn 
lit  Lobsprüchen  erhebt".  Und  Hütten  weiß  zu  berichten 232^ 
aß  er,  als  ihm  Stromer  einmal  ein  Buch  Pfefferkorns 
lit  wüsten  Schimpfereien  gegen  die  Freunde  Reuchlins 
berreicht  hatte,  dies,  nachdem  er  es  gelesen,  in  das  Feuer,  an 
em  er  gerade  saß,  voll  Absehens  über  den  unflätigen  Inhalt, 
3Worfen  habe  mit  den  Worten :  „So  mögen  die  umkommen, 
ie  so  reden  I** 

Die  günstige  Stimmung  für  Reuchlin  war  aber  schon 
3r  den  Tagen  Albrechts  in  Mainz  vorhanden.  Als 
sikob  van  Hochstraten  am  9.  September  1513  Reuch- 
n  schon  für  den  15.  des  Monats  nach  Mainz  vor  seinen 
ichterstuhl  gefordert  hatte,  ermöglichte  ihm  das  ver- 
mittelnde Eingreifen  des  Mainzer  Domkapitels,  daß  er  am 
Oktober  persönlich  in  Mainz  erscheinen  konnte.  Der 
?.  Oktober  ward  zur  Urteilsvcrkündigung  angesetzt ;  da,  am 
L.  Oktober  —  der  Domdechant  Lorenz  Truchseß  von 
ommersfelden  und  das  Domkapitel  hatten  deshalb  einen 
ilboten  nach  Aschaffenburg  zum  Erzbischof  Uriel  von 
e  mm  in  gen  geschickt  —  erhielt  Hochstraten  ein 
chreiben  des  Erzbischofs,  der  die  Vertagung  der  ürteils- 
irechung  auf  einen  Monat  verlangte,  im  Weigerungsfalle 
ie  Zurückziehung  der  vier  erzbischöflichen  Gcrichtsbei- 
tzer  androhte,  die  von  Reuchlin  eingelegte  Appellation 
1  den  Papst  anerkaimte  und  alles,  das  etwa  in  der  Zwischen- 
;it  geschähe,  für  null  und  nichtig  erklärte  und  so  Reuchlin 
is  auf  weiteres  rettete.  Der  Brief  erreichte  Hochstraten 
jrade  in  dem  Augenblicke,  als  er,  umgeben  von  den  Mainzer 
ominikanern  und  Abgesandten  der  Reuchlin  feindlichen 
leologischen  Fakultäten  von  Köln,  Erfurt  und  Loewen,  vor 
ner  großen  Menschenmenge,  die  durch  das  zu  erwartend<^ 
^hauspiel  und  die  Verkündigimg  eines  dreihnndorttägigeu 
blasses  angelockt  worden  war,  auf  Gnuid  der  Venirteilung 
irch  die  theologischen  Fakultäten  feierlich  die  Verbrennung 
m  Reuchlins  „Augenspiegel'*  vornehmen  w^oUte.-'^-* 

Das  soeben  Erzählte  wird  uns  auch  manches  Burleske 
i  dem  Folgenden,  das  in  heiterer  Weise  aus  WahrlH»it  und 
ichtung  kunstreich  zusammenneselzl  ist,  deutlicher  machcm. 
ie  Universität  war  in  den  kurfürstlichen  konnnissarischen 

"2i»2'l^.~Böcking,  a.  a.  0.,  1,   U'yS. 
"3  L.  Geiger,  a.  a.  ü.,  290f.;  D.  Strauß,  a.  a.  O.,  160,  161. 


74  Gustav  Bauch. 

Richtern  bei  diesen  Verhandlungen  vertreten,  sie  enthielt 
aber  auch  unter  ihren  Doktoren,  Magistern  und  „Suppositis" 
nicht  wenig  stramme  Reuchlinisten,  die  durch  Kanoniker 
der  vielen  Stifte  noch  vermehrt  wurden.  Das  Hauptquartier 
der  Mainzer  Reuchlinisten  war  das  Gasthaus  ,,zur  Krone" 
und  deshalb  ist  es  in  den  Epistolae  obscurorum  virorum  ver- 
ewigt worden.  Schon  im  ersten,  von  Crotus  verfaßten 
Bändels*  der  Epistolae  klagte  Cornelius  Fenestrificis  dem 
Ortvinus  Gratius,  wie  ihn  zwei  „Trufatores"  in  diesem 
Hause  unziemlich  gehänselt  und  die  Pariser  und  Kölner 
Theologen  (magistros  nostros)  als  Fantasten  und  Dummköpfe 
heruntergerissen,  wie  auch  auf  die  ganze  scholastische 
Philosophie  als  auf  leere  Albernheiten  geschimpft  hätten, 
und  rächte  sich  an  ihnen  durch  unsäglich  kunstvolle  und 
geistreiche  Verse.  Er  nannte  aber  keine  Namen.  Hütten, 
der  Verfasser  des  zweiten  Teils,  holte  dies  als  Ortsange- 
sessener, Orts-  und  Personenkundiger  reichlich  nach.  Bei 
ihm  berichtetest  der  Magister  Sylvester  Gricius  demselben 
Adressaten:  ,„Da  ich  ja  darauf  eingeschworen  bin,  daß  ich 
meine  Fakultät  verteidigen  und  ihren  Nutzen  in  allen  Dingen 
fördern  wolle,  deshalb  will  ich  euch  Punkt  für  Punkt 
schreiben,  welche  hier  den  Theologen  und  welche  Johann 
Reuchlin  günstig  sind,  damit  ihr  es  den  Theologen  saget, 
daß  diese  sich  danach  richten  können.  Erstlich  gewisse 
Tischgenossen  im  Gasthaus  zur  Krone,  die  tun  immer  unseni 
Magistern  (Theologen)  und  den  Brüdern  vom  Predigororden 
den  größten  Schabernack  an  und  bewirken,  daß  niemand 
in  diesem  Gasthause  den  Predigermönchx?n  ein  Almosen  gibt. 
Ich  weiß  die  Namen  von  einigen.  Einer  heißt  Magister 
Philipp  Keilbach,  der  redet  immer  von  Reuchlin  und 
empfiehlt  ihn,  und  einmal  hat  ihn  unser  Magister  Peter 
Meyer,  der  Pfarrer  in  Frankfurt  (und  Denunziant  R^uch- 
lins),  tüchtig  abgeführt.  Einer,  Ulrich  von  Hütten,  der 
ist  sehr  bestialisch  und  sagte  einmal,  wenn  die  Prediger- 
brüder ihm  solches  Unrecht  täten,  wie  sie  Reuchlin  tun, 
wollte  er  selbst  Feind  derselben  werden  und,  wo  er  immer 
einen  Mönch  von  diesem  Orden  fände,  da  wollte  er  ihm  die 
Nase  und  die  Ohren  abschneiden.  Der  hat  auch  viele 
Freunde  am  Hofe  des  Bischofs,  die  auch  Reuchlin  sehr 
günstig  sind.    iVber  jetzt  ist  er  weggegangen  (Gott  sei  Dank!), 


^^■^  K.  Böfkinjj,  a.  a.  0.,  Suppl..  I,  17,  18.  Zu  Crotus'  Verfasser- 
schaft vergl.  W.  Brecht,  Die  Verfasser  der  E[)istoiae  obscurorum  viro- 
rum,  3  f. 

23-'  K.  Röckinp,  a.  a.  O..  Suppl.  1.  272—274.  Zu  Hütten  als  Ver- 
fasser des  zweiten  Teiles  vergl.  VV.  Brecht,  a.  a.  Ü.,  13 f. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humauismus.  75 

um  Doktor  zu  werden,  und  in  einem  Jahre  war  er  nicht  hier. 
Der  Teufel  hole  ihn!  Dann  sind  zwei  Brüder,  die  Edel- 
leuie  Oiho  und  Philipp  von  Bock,  selbige  vexieren  alle 
Theologen.  Und  einmal,  bei  jenem  heiligen  Akte,  den  unsere 
Magister  in  Mainz  gegen  den  „Augenspiegel**  vornahmen, 
da  gab  der  Magister  Jakob  van  Hochstraten  kraft  seines 
Amtes  allen,  die  jenem  Akte  beiwohnten,  Ablässe.  Da 
spielten  jene  zwei  Brüder  mit  andern  Lotterbuben,  sitzend 
im  Angesicht  der  Theologen,  die  dort  in  dem  Gasthause 
waren,  mit  Würfeln  um  diese  Ablässe.  Noch  ist  dort  einer, 
der  heißt  Johann  Huttich,  der  ist  auch  euer  Feind,  und 
sonst  ist  so  ein  neuerdings  zum  Doktor  im  Rechte  Promo- 
vierter, Konrad  Weydmann,  selbiger  hilft  allen,  die  etwas 
gegen  euch  unternehmen.  Und  ein  anderer  Doktor,  der  einst 
Artist  vom  Wege  der  Modernen  war  und  heißt  Eucharius. 
Und  mit  diesem  Nikolaus  Karbach,  der  in  der  Poesie 
liest.  Dann  Heinrich  Brumann,  so  Vikar  im  Dome  ist  und 
ein  guter  Organist  ist.  Und  ich  sage  immer  zu  ihm:  Ihr 
solltet  euch  um  eure  Orgel  kümmern  und  die  Theologen  in 
Ruhe  lassen.  Aber  vor  allem  sind  fast  alle  Kanoniker  für 
Reuchlin,  außerdem  viele  andere  Magister,  die  die  Poetria 
lieben,  deren  Namen  ich  nicht  kenne**.  Bei  den  Gegnern 
Reuchlins  gibt  Gricius  noch  einem  von  den  Reuchlinistefi 
einen  kleinen  Stich:  „Da  ist  noch  ein  Mainzer  Bürger,  der 
Wigand  von  Solms  genannt  wird.  Jener  ist  noch  jung, 
aber  so  gelehrt,  daß  er  einem  Magister  noster  das  Gleich- 
gewicht halten  kann.  Selbiger  sagt,  daß  er  mit  Reuchlin 
um  zehn  Gulden  disputieren  wollte.  Und  neulich  überdis- 
putierte er  den  Johann  Huttich,  daß  er  mit  Schlüssen  zu- 
gedeckt wurde  und  nichts  zu  antworten  wußte**.^^« 

Das  war  schon  sehr  belustigend  für  alle  Anhänger 
Reuchlins  weit  und  breit,  aber  noch  mehr  mögen  auf 
manche  die  unglaublich  gebauten  leoninischen  Verse  des 
dummtäppischen  Magister  Philipp  Sc  hl  au  raff  gewirkt 
haben,  die  schlechterdings  keine  Tborsetzung  vertragen: 

et  sie  recessi  cum  vuhiere 

Usque  ad  Moguntiam,  ubi  mihi  gratiam 
Fecit  predicator  Barthol ohieus   Deciniator, 
Dans  mihi  hospitium  et  iurans  per  dcum  viuum, 
Si    iuissem   ad   Coronam,    quod   accepissem    vexationern 

honani, 


23^  E.   Bücking,  a.  a.  U.,  Suppl.   1,   19Ö,   VJd. 


76  Gustav  Bauch. 

Quia  ibi  commensales  sunt  valde  nequitiales, 
Nicolaus  Carbachius,  qui  legens  pro  scholaribus 
Exponit  Titum  Liuium:  tunc  reperi  Huttichium, 
Qui  ex  antiquo  odio  percussit  me  cum  scamno, 
Quod  feci  unum  bombum:  tunc  reperi  Huttichium, 
Doctor  Conrat  Weydmann:  ich  sprach,  wie  sal  ich  das 

vorstan  ? 
Tunc  trusit  nie  Johan  Kunigstein,  quod  cecidi  de  gra- 

dibus, 
Et  sie  post  hoc  periculum  contuli  me  ad  Rhenum. 

Wir  haben  die  Obscuri  selber  reden  lassen,  sie  zeichnen 
trotz  der  dick  aufgetragenen  komischen  Farben  die  huma- 
nistischen Mainzer  Reuchlinisten  und  zumal  die  von  der 
Universität  doch  recht  kenntlich.  Eine  ernster  zu  nehmende 
Feder  mag  noch  ein  paar  Striche  zu  dem  Bilde  hinzufügen2*^ 
bevor  wir  uns  die  Einzelnen  etwas  näher  ansehen.  Fast 
zur  selben  Zeit,  als  Hütten  die  Pritsche  schwang,  1518, 
schrieb  Franciscus  Ireniciis:  „Quid  Moguntiam  me- 
morem,  tam  praestantissimis  hominibus  consitam !  Illic  enim 
Cunradus  Vuidmannus,  Johannes  de  Kunigstein, 
Johannes  Sorbillo  atque  alij  proba  eruditione,  qui  et 
ketiora  studia  prolitentur.  Tpta  urbs  Nicoiao  Carbachio 
singularis  eruditionis  magistro  in  graecis  exercitatissimo 
utitur". 

Das  Jahr  1518  brachte  endlich  Mainz  noch  eine  andere, 
eine  typographische  Ehrung,  die  Ausgabe  des  um  bessere 
Lesart  bereicherten  und  um  zwei  Bücher  vermehrten  Livius 
nach  der  in  der  Bücherei  der  Kathedrale  aufgefundenen 
Handschrift -3^,  die  dem  nun  Reuchlin  allmählich  an  der 
obersten  Stelle  im  Humanismus  ganz  ablösenden  Desi- 
derius  Erasmus  Anlaß  bot,  auch  seinerseits  sich  über  den 
Mainzer  Humanismus  und  seine  Solidität  zu  äußern.  Sein 
Thema  gibt  er  schon  in  der  Oberschrift  an :  ,,Misobarbaris 
atque  iisdem  Philomusis  omnibus**  und  lobt  zunächst  Jo- 
hann Schöffe^,  der  gewissermaßen  nach  Erbrecht  der  Fort- 
selzer   Johann   Fausts,   des    Erfinders    der   Buchdrucker- 


237  y  Ircilicus,  Gcrnianiao  ('xojioisis,  II,  Xlilll,  fol.  45.  Diese  Stelle 
ist  merkwürdigerweise  von  den  Mainzer  Geielirten  bisher  noch  niemals 
benutzt  worden. 

-*"  Titiis  Livius  Pataviniis  Historicus.  Dvolms  T.ibris  Avctus  Cvm 
L.  Flori  Kpitonie.  Et  Annotatis  In  Lihros  VII.  Molli  Maced.  Mognntiae 
In  Aedibus  Joannis  Scheffer,  Monse  Novembri.  An.  MDXVIII.  Fol.  Zu 
den  Manipulationen  des  Druckers  bei  dieser  Ausgabe  vergl.  F.  W.  E.  Roth, 
Der  Katholik.  18Ü8,  II,  354,  355;  derselbe.  Die  Mainzer  nuclidruckerfanülie 
Schöffer,   Beiheft   IX  zum  Zentralblatt  für  Dibliothekswesen,   41,  42. 


Aus  der  Geschiclite  des  Mainzer  Humanismus.  77 

kunst,  in  seiner  rühmlichen  Tätigkeit  sei.  Dann  wendet  er 
sich,  an  Reuchlin  und  sich  selbst  denkend,  den  Feinden 
der  „cultior  literatura**  zu:  „rumpantur  ut  ilia  Codris  istis, 
qui  cum  rursus  in  hoc  conspirarunt,  ut  sub  praetextu  tuendae 
religionis,  quicquid  est  elegantioris  eruditionis,  conspurcent 
atque  extinguant;  nihil  aliud  assequentur,  quam  ut,  quod 
oppugnant,  reddant  illustrius  et  suum  liuorem  stolidati  pa- 
rem  magis  ac  magis  denobilitent".  Demgegenüber  erstreben 
Deutschlands  Fürsten  Ruhm  durch  Förderung  der  gelehrten 
Bildung,  vor  allem  „insignis  ille  nobilitatis  pariter  et  reli- 
gionis antistes  Albertus,  cardinalis  et  archiepiscopus  Mo- 
guntinensis**,  so  Sachsens  berühmter  Herzog  Friedrich,  zu 
schweigen  von  den  Vornehmen  geringeren  Ranges.  Für  die 
Edition  schulde  man  nicht  mittelmäßigen  Dank  dem  unver- 
gleichlichen Manne  Dietrich  Zobel,  dem  Domscholaster 
und  Vikar  des  Erzbischofs,  der  sich  mit  besonderem  Eifer 
bemüht  habe,  diesen  Ruhm  seiner  Stadt  zu  sichern.  Dann 
dem  gelehrten  Manne  Nikolaus  Karbach,  „quinquennium 
iam  Titum  Liuium  publico  salario  summa  cum  laude  profi- 
tenti**,  und  Wolf  gang  Angst,  von  denen,  wie  schwer  abzu- 
schätzen wäre,  eine  gewaltige  Arbeitsleistung  gezeitigt  wor- 
den sei.  Auch  Hütten  würdigte  die  mühsame  Arbeit  Kar- 
bachs und  Angsts,  die  die  Handschrift  abgeschrieben, 
mit  den  Drucken  verglichen,  den  Text  redigiert  und  die  Kor- 
rektur besorgt  und  eine  Musterleistung  damit  geschaffen 
hatten.  Er  hatte  auf  Wunsch  des  Dechanten  Lorenz 
Truchseß  von  Pommersfelden,  des  Scholasters  Diet- 
rich Zobel  und  seines  Verwandten,  des  Kanonikus  Mark- 
wart von  Hatstein,  die  Widmung  an  Albrecht  geschrie- 
ben.239  Er  vergaß  hierbei  nicht,  die  Verdienste  des  Lorenz 
Truchseß  um  die  Rettung  Reuchlins  im  Jahre  1513  gebüh- 
rend hervorzuheben. 

Wenn  wir  nun  zur  Besprechung  der  in  den  vorstehenden 
Zeugnissen  und  früher  schon  von  Huttich  berührten  Univer- 
sitätsangehörigen übergehen,  so  hat  wohl  unser  ältester  Be- 
kannter unter  ihnen,  Konrad  Weidmann  aus  Basel,  den 
berechtigten  Anspruch,  daß  wir  uns  mit  ihm  zuerst  beschäf- 
tigen. 

Zu  den  Zeiten  des  Aesticampianus  war  er  bereits  Ma- 
gister und  ging  dann  zur  Jurisprudenz  über.  Er  studierte  in 
Freiburg  i.  B.  unter  Ulrich  Zasius  Zivilrecht.^*»  Mit  des 
Zasius  Liebling  Bonifatius  Amorbach,  seinem  Basler 
Landsmann,  befreundet,  verkehrte  er  mit  diesem  und  Zasius 

~m"E^7BückiDg,  a.  a.  0.,  I,  249  f. 
^*»  StinziQg,  Ulrich  Zasius,  169;  ü.  Zasii  epistolae,  ed.  Riegger,  412. 


78  Gustav  Bauch. 

freundschaftlich  in  dem  Hause  des  jovialen  Legisten.  1518 
wird  er  von  Gricius  als  neuerdings  promovierter  Doktor  in 
Mainz  erwähnt,  in  demselben  Jahre  auch  als  Ordinarius 
legum  und  1520  als  Dekan  der  juristischen  Fakultät.  Mit 
diesen  Angaben  läßt  sich  vorläufig  schwer  vereinigen,  daß  er 
schon  1513  als  Doctor  iuris  und  kurfürstlicher  Kommis- 
sarius  mit  Kaspar  von  Westhausen,  Johann  Bertram, 
Diether  Vectoris,  Bartholomäus  Zehender  (Decima- 
tor),  sämtlich  Professoren  der  Universität 2*1,  bei  dem 
Ketzergericht  über  Reuchlin  in  Mainz  mitgewirkt  haben 
soll.  Dem  scheint  auch  die  sonst  angegebene  Vierzahl  der 
mainzischen  Beisitzer  zu  widersprechen.  Sollte  sich  die 
Sache  aber  faktisch  so  verhalten,  dann  wäre  sein  Einschub 
in  das  Tribunal  auch  als  eine  Reuchlin  freundliche  Maß- 
regel anzusehen. 

Juristen  und  Poeten  wie  Weidmann  waren  auch  die 
beiden  Gebrüder  von  Pack  (Bock,  Pock),  deren  Verhalten 
und  Bestrebungen  in  Mainz  Huttich  und  Gricius,  einan- 
der ergänzend,  beleuchten.  Sie  gehörten  dem  meißnischen 
Adel  an,  waren  Söhne  des  herzoglich  sächsischen  Rates 
Dr.  Johann  von  Pack  und  stammten  aus  Delitzsch. 
Philipp  von  Pack  hatte  im  Wintersemester  1501  die  Uni- 
versität Leipzig  und  im  Sommersemester  1507  die  in  Witten- 
berg, beidemal  mit  seinem  Bruder  Johannes,  bezogen; 
wann  er  nach  Mainz  kam,  ist  wegen  des  Verlustes  der  alten 
Matrikeln  nicht  bestimmbar;  zwischen  1513  imd  1517  muß 
er  dort  gewesen  sein.  Huttich  lobt  1526  in  wehmütiger 
Erinnerung  an  den  Toten  seine  eifrige  Mitwirkung  bei  dem 
Aufspüren  von  alten  Inschriften  und  Münzen.  1517  ist 
Philipp  bei  der  deutschen  Nation  in  Bologna  eingetragen; 
er  war  dort  zu  gleicher  Zeit  mit  Hütten  wie  vorher  in 
Mainz.  In  diesem  Jahre  kam  es  in  Bologna  zu  einem  großen 
Student enkrawall-*^  der  Seditio  Longobardica;  die  Lombar- 
den erhoben  sich  ohne  begründete  Ursache  gegen  die  Deut- 
schen. Daß  einige  italienische  Nationen,  die  Spanier,  die  Un- 
garn und  die  Polen  den  Deutschen  ihren  Beistand  anboten  und 
daß  der  Gubeniator  der  Stadt  einschritt,  machte  dem  Auf- 
ruhr ziemlich  rasch  ein  Ende,  ohne  daß  es  zu  allzu  großem 
Blutvergießen  gekommen  wäre.  Hütten  und  Philipp  von 
Pack  wurden  in  gewissem  Sinne  Opfer  der  Seditio.  Hütten 
wurde  als  Abgesandter  der  deutschen  Nation  gegen  den 
Befehlshaber  der  Stadt,  einen  Fiesco,  so  heftig,  daß  er  es 

2*i  F.    W.   E.   Roth,   KathüHk,   1898,    II,   245,    112. 
-*"  Ada    nationis    (ierniaiiicae    uiiiversitatis    Bunonioiisis,   282;    Joh. 
Cocblaeus  an  W.  Pirckheimer,  bei  E.  Böcking,  a.  a.  0.,  I,  132. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  7^ 

für  geraten  hielt,  einige  Zeit  Bologna  zu  meiden,  und  nach 
Ferrara  ging.^**  Über  Philipp  von  Pack  berichten  die 
Acta  der  Nation:  Ex  consensu  nationis  Philippo  Pack 
pro  sarciendis  suis  vulneribus,  que  fortissime  pugnans  contra 
Longobardos  excepit,  coUati  sunt  duodecim  floreni  duo 
ducati  Renenses.  Der  tapfere  Deutsche  erlag  noch  in  dem- 
selben Jahre  in  Bologna  einem  bösartigen  ansteckenden  Fie- 
ber und  wurde  bei  dem  hl.  Dominikus  bestattet. 

Eine  viel  bekanntere  Persönlichkeit  als  Philipp  ist 
Otto  von  Pack***,  aber  eine  übel  bekannte.  Dieser  war 
schon  im  Sommersemester  1499  in  Leipzig  immatrikuliert 
worden.  Gleichzeitig  mit  dem  Bruder  war  er  in  Mainz  und 
interessierte  sich  auch  für  die  Forschungen  Huttichs  nach 
Altertümern  und  bewunderte  die  Funde  Huttichs  und 
Philipps.  Im  Jahre  1517  aber  ging  er  nicht  nach  Italien, 
sondern  nach  Ingolstadt,  wo  er  Mitglied  der  1516  von  Jo- 
hannes Aventinus  gestifteten  Sodalitas  literaria  Angilo- 
stadiensis  wurde 2*\  die  das  einzige  von  ihm  erhaltene  Ge- 
dicht „Carmen  extemporaneum  ad  principem  Wilhelmum, 
Bauariae  ducem**,  druckte.  Noch  1518  weilte  er  in  der 
Stadt  der  „Rettigesser**  in  freundschaftlichem  Verkehr  mit 
seinem  Sodalen,  dem  gekrönten  Dichter  und  späteren  Refor- 
mator Urbanus  Rhegius.  Dieser  grüßte  in  einem  Briefes*^ 
den  von  ihm  hochverehrten  Aesticampianus  im  Namen 
Packs,  der  ihm  wohl  als  zeitweiliger  Schüler  bekannt  war. 

1519  befand  sich  Pack  wieder  in  Leipzig  und  wurde  wegen 
seiner  humanistischen  Bildung  dazu  ausersehen,  die  von 
Petrus  Mosellanus  auf  Befehl  des  Herzogs  Georg  ver- 
faßte Rede,  mit  der  die  folgenreiche  Disputation  Johann 
Ecks  mit  Andreas  Karlstadt  und  Martin  Luther  einge- 
leitet werden  sollte,  zu  halten.-*'  Eine  plötzliche  Erkrankung 
entzog  ihn  dem  Katheder,  und  Mosellan  mußte  selbst  ein- 
treten. Mit  Mosellan  war  er  eng  befreundet-*«,  daher 
schickte  ihm  Hütten,  den  er  durch  Mosellan  gegrüßt  hatte, 

1520  in  seinem  temperamentvollen  Briefe  an  Mosellan  über 


2*5  E.  Böcking,  a.  a.  0.,   1,   146. 

***  Otto  von  Pack  ist  nicht  mit  dem  in  Erfurt  1501  und  in  Leipzig 
1505  immatrikulierten  Otto  de  Pock  aus  Sachsenburg  zu  verwcchsehi. 

2*^  Th.  Wiedemann,  Johannes  Turmair  gen.  Aventinus,  24,  28;  C. 
Praiitl,    Geschichte   der   Ludwig-Maximilians-Universität,    1,    134. 

2*^  Ch.  G.  Wilischius,  Arcana  bibliothecae  Annaebergensis,  110.  Dort 
ist  für  Otho  Bart  Back  zu  lesen. 

-*^  0.  G.  Schmidt,  Petrus  Mosellanus.  46. 

2*9  G.  Bauch  in  Briegers  Zeitschrift  für  Kirchengeschichte,  XVII 1, 
404,  Aom.  6. 


J 


80  Gustav  Bauch. 

Luther-*^  durch  diesen  einen  (Jegengriiß  zurück.  In  Leipzig 
wurde  Pack  1520  Bakkalar  und  Liceiitiat  und  1521  Doctor 
utriusque  iuris.  Im  Dienste  des  Herzogs  Georg  von 
Sachsen,  zuerst  als  Sekretär  und  später  als  Rat  und  Kanzler 
hat  er  für  seinen  Herrn  bei  den  Reichstagen  und  kirchlichen 
Verhandlungen  eine  rege  Tätigkeit  entwickelt.  Er  täuschte 
jedoch  wie  ein  Rat  im  Sinne  des  jungen  Dietrich  Grese- 
mund  den  Herzog  in  gröblicher  Weise.  Durch  schlechte 
Wirtschaft  in  Schulden  verstrickt,  beging  er  Betrug  und 
Unterschlagungen  und  erdichtete  endlich,  um  eine  größere 
Geldsumme  von  dem  Landgrafen  Philipp  von  Hessen  für 
seine  erlogenen  Eröffnungen  zu  erhalten,  das  nie  ge- 
schlossene Breslauer  Bündnis  (von  1527)  katholischer  Für- 
sten gegen  die  Protestanten. ^^o  Schon  hatte  Philipp  das 
Schwert  gezogen,  da  gelang  es  noch  einmal,  die  ganz  Deutsch- 
land bedrohende  Kriegsfurie  hintanzuhalten.  Als  politischer 
Abenteurer  schlimmster  Art  endlich  in  den  Niederlanden 
aufgegriffen,  endete  Pack  1537  durch  die  Hand  des  Henkers. 
Mit  den  beiden  P^ck  nennt  Hutten-Gricius  noch  zwei 
Reuchlinisten,  über  die  sonst  nur  sehr  spärliche  oder  gar 
keine  sicheren  Nachrichten  vorliegen.  Als  einen  überaus 
eifrigen  Reuchlinisten  führt  er  den  Magister  Philipp  Keil- 
bach an.  Von  diesem  sagt  ßöcking^^S  daß  er  ein  gelehrter 
Frankfurter  gewesen  sei  und  daß  ihm  Thomas  Murner  1511 
seine  Schrift  „Arma  patientie  contra  omnes  seculi  aduer- 
santes"  gewidmet  habe.  Von  dem  Doktor  Eucharius,  „der 
einst  ein  Artist  von  dem  Wege  der  Modernen  war**,  können 
wir  es  mit  ßöcking-^^  j^uj.  offen  lassen,  ob  er  der  Eucharius 
Henner  oder  Gallinarius  aus  Bretten  ist,  der  schon  1475 
in  JHeidelberg  immatrikuliert,  ist  und  1478  Bakkalar  und 
1479  Magister  wurde,  doch  in  via  antiqua!  Dieser  war  Ka- 
nonikus in  Speier  und  Schüler  Wimpfelings,  dem  er  auch 
in  seinem  Streite  mit  Murner  zu  Hülfe  kam.  Auch  von 
dem  Tribulator  Schlauraffs  Johann  von  Kunigstein  ist 
nach  Irenicus  bloß  festzustellen,  daß  er  zu  den  bekannteren 
humanistischen  Gelehrten  in  Mainz  und  zur  Universität  zu 
zählen  ist. 


iJ*y  G.  Bauch,  a.  a.  0.,  403,  404;  E.  Böcking,  a.  a.  0.,  IV,  689. 
Bücking  hatte  eine  Aversion  gegen  Otto  von  Pack  und  ließ  ihn  daher  hier 
nicht  gelten,  sondern  tat  lieber  dem  Text  Gewalt  an,  und  ebenso  in  seinem 
Index   bibliographicus,   314   siib   voce   Bock. 

2^^  \V.  Schomburgk,  Die  Packschen  Händel,  im  Historischen  Taschen- 
buch, 1881.  175f. ;  II.  Schwarz,  Landgraf  Philii»p  von  Hessen  und  die 
Packschen   Händel,   Historische   Studien,   XIII. 

2'>>   K.  Böcking,  a.  a.  ().,  Suppl.   II,  402. 

^••"  E.  Böcking,  a.  a.  0.,  Suppl.  II,  366. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  81 

Wenig  belangreich  ist  ebenfalls  unser  Wissen  über 
Johann  Sorbillo.  Irenicus  zeichnet  ihn  1518  deutlich 
als  zur  Universität  gehörig,  als  wohlgelehrten  Artisten  und 
doch  zugleich  als  Vertreter  der  laetiora  studia,  des  Humanis- 
mus. Johann  Schlarp  oder  latinisiert  Sorbillo  (sorbere 
schlürfen)  aus  Geisenheim^^^  trat,  wie  aus  der  scheinbar 
überaus  rasch  erfolgten  Promotion  zum  Magister  zu  schließen 
ist,  wahrscheinlich  nach  Vorstudien  anderswo,  vielleicht  in 
Mainz,  1505  in  Freiburg  i.  B.  ein  und  begab  sich  1506  nach 
Heidelberg,  wo  er  schon  1507  Magister  in  via  moderna  wurde. 
Von  seiner  literarischen  Tätigkeit  zeugt  nur  ein  kleines  Ge- 
dicht auf  Johann  Geiler  von  Kaisersberg  bei  der  1510  in 
Oppenheim  gedruckten  Trauerschrift  auf  den  Tod  Geilers: 
In  Johannis  Kaiserspergii  theologi  doctrina  vitaque  pro- 
batissimi  primi  Argentinensis  ecclesie  predicatoris  mortem 
planctus  et  lamentatio  cum  aliquali  vite  sue  descripüone  et 
quorundam  epitaphiis. 

Wieder  festeren  Boden  erreichen  wir  mit  Nikolaus 
Karbach,  wenn  wir  auch  weder  den  Gang  noch  die  Orte 
seiner  Studien  noch  seine  Heimat  kennen.^'^*  Er  war  viel- 
leicht aus  IVIainz,  vielleicht  auch  aus  Aschaffenburg.  Seine 
Arbeitskraft  und  seine  tüchtigen  Leistungen  als  humanisti- 
scher Dozent  an  der  Universität,  als  Herausgeber,  Korrektor, 
Übersetzer  und  als  erster  namhafter  Kenner  des  Grie- 
chischen in  Mainz  haben  ihm  ein  ehrenvolles  Andenken 
gesichert.  Nach  Roth  hatte  er  den  Wittichschen  Lehrstuhl 
für  Geschichte  inne,  und  das  würde  recht  wohl  dazu  stimmen, 
daß  er,  wie  Erasmtis  versichert,  1519  schon  fünf  Jahre 
mit  ordentlicher  Besoldung  über  Livius  gelesen  habe.  Daß 
Gricius  angibt,  er  lese  „in  poesi",  woraus  man  folgern 
könnte,  er  sei  etwa  ein  Nachfolger  in  der  einstigen  Stelle 
des  Aesticampianus  gewesen,  ist  nicht  notwendigerweise 
als  verbürgt  anzusehen;  vielmehr  ist  das  nur  absichtlich 
v^on  Hütten  in  der  banausischen  Redeweise  der  scholasti- 
schen Artisten  gesagt,  die  alle  antiken  Schriftsteller  zu- 
sammen kurzweg  als  Poeten  bezeichneten. 

Seine  Beliebtheit  als  Lehrer  im  Griechischen  hebt  Ire- 
nicus nachdrücklich  schon  1518  hervor,  also  in  demselben 
Jahre,  wo  W^ittenberg  in  Philipp  Melanchthon  den  ersten 
schulgerechten  Lehrer  des  Griechischen  empfing,  und  seine 


253  F.  W.  E.  Roth,  Neue  Jahrbücher  der  Pädagogik,  2.  Jahrg.,   172. 
25*  F.  W.  E.  Roth,  Katholik,  a.  a.  ().,  352 f.;  F.  Falk  im  Zentralblatt 
für  Bibliothekswesen,   IV,  218f. 

Beitrage  z.  Gesch.  d.  Universitäten  Maiuz  u.  Gießen.  6 


82  Gustav  Bauch. 

letzte  exakte  wissenschaftliche  Arbeit,  abgesehen  von  einer 
Übersetzung,  war  die  Verifizierung  der  griechischen  Namen 
in  den  1525  von  Johann  Cochlaeus  auf  Wunsch  Johann 
Schöffers  herausgegebenen  Canones  Apostolonim.  Veter- 
um  Conciliorum  Constitutiones.  Decreta  Pontificum  anli- 
quiora  etc.^"  Er  hat  auch  die  Last  der  Korrektur*  des  Ganzen 
auf  sich  genommen. 

Bekannter  ist  er  geworden  und  bis  heute  den  Philologen 
schätzbar  geblieben  durch  die  von  Erasmus  und  Hütten 
effektvoll  eingeleitete  Liviusausgabe  von  1518/19.  Er  hat 
den  Hauptteil  der  Arbeit  verrichtet,  da  er  über  Livius  schon 
von  1513  ab  las,  wohl  auch  die  Mainzer  Handschrift  auf- 
gefunden. In  jahrelanger,  mühevoller  Tätigkeit  hat  er  die 
Ausgabe  vorbereitet  und  die  Textredaktion  festgestellt,  denii 
sein  Helfer  bei  der  Kollationierung  und  der  Korrektur,  Wolf- 
gang Angst,  ist,  wie  es  scheint,  erst  1518  von  Hagenau  nach 
Mainz  gekommen.^^ß  Hatte  Erasmus  schon  den  beiden, 
Karbach 'und  Angst,  Gerechtigkeit  widerfahren  lassen,  so 
hat  Hütten  in  seiner  Widmung  an  Albrecht  diesen  seinen 
Freunden  gleichfalls  ein  Denkmal  gesetzt,  indem  er  sie  als 
die  Urheber  seiner  Widmung  darstellte  und  sie  unter  die 
bekanntesten  Herausgeber  dieser  Zeit  einreihte:  „Dazu 
haben  mich  die  wohlunterrichteten  Männer  Wolfgang 
Angst  und  Nikolaus  Karbach  angeregt,  die  bei  uns  zu 
druckenden  Büchern  dieselbe  Mühe  zuwenden  wie  Egna- 
tius  nach  Aldus  in  Venedig,  w^ie  in  Rom  gewisse  Gelehrte, 
wie  in  Basel  Beattis  Rhenanus  und  die  Amerbach,  wie 
in  Straßburg  Nikolaus  Gerbellius,  bei  anderen  andere; 
denn  diese  haben  mich  nämlich  mit  gelinder  Gewalt  ge- 
zwungen, dir  den  Livius  zuzuschreiben,  nicht  weil  sie  das 
selbst  nicht  könnten,  sondern  weil  sie  glaubten,  daß,  wenn 
dies  an  deinem  Hofe  geschähe,  es  auch  für  dich  ehrenvoller 
wäre**.  Karbach  und  Angst  haben  tatsächlich  auch  nur  in 
kürzeren  Schreiben  bei  der  Ausgabe  über  ihre  Arbeit 
Rechenschaft  gegeben  und  ihre  Ratio  edendi  dargelegt. 

Karbach  hat  jedoch  damit  nicht  seine  Livianischen 
Studien  abgeschlossen,  sondern  er  hat  es  auch  auf  sich  ge- 
nommene^", die  Übersetzung  von  Schöfferlin  und  Wittich, 


^^''  C.  Otto,   Johannes  Cochlaeus,  der  Humanist,   155  f. 

''*^*  Nach  der  Äußerung  des  Krasnius  hei  E.  Böcking,  a.  a.  0.,  I,  260. 

tf57  Homische  historien  Tili  huij  mit  etlicher  newen  Translation,  so 
kurzuerschienen  jaren  im  hohen  thum  Styfft  zu  Mentz  jm  latein,  erfunden, 
und  vorhyn  nit  mer  gesehen.  Das  Register  hat  die  Jahreszahl  1522,  der 
Brief  Karhachs  datiert  1523  Mittwoch  nach  dem  tag  der  geburt  der  ge- 
bererin  gots  Marie. 


Aus  der  Gescliiclite  des  Mainzer  Humanismus.  83 

B  Johann  Schöffer  1514  noch  einmal  gedruckt  hatte, 
tt  die  in  Mainz  gefundenen  Bücher  erweitert,  weiterzu- 
hren.  Höchst  verständig  spricht  er  sich  in  einem  Schluß- 
iefe  an  den  Leser  darüber  aus:  „Es  ist  fürwahr**,  sagt 
,  „als  mich  bedunckt,  gar  nichts  also  schwer,  als  etwas 
n  eyner  sprach  in  die  ander  geschicklich  und  eygentlich 
bringen,  umb  vielerley  Ursachen  ...  in  sunderheit  aber 
Tumb,  das  eyn  ytliche  sprach  ein  besundere  eygenschafft 
.  ir  hat,  die  der  andern  etwan  gar  nit  oder  seer  wenig  gemeß 
id  gleich  ist**,  und  entschuldigt  sich  am  Ende  dann  wegen 
wraiger  Gebrechen  der  Übersetzung.  Nachdem  «lurch 
mon  Grynaeus  im  Kloster  Lorsch  ein  neues  Bruchstück 
funden  und  in  Basel  gedruckt  worden  war,  wurde  durch 
irbach  und  Jakob  Micyllus  auch  dieser  Fund  ins 
jutsche  übertragenes»,  und  so  geben  dann  die  Mainzer 
isgabe  Ivo  Schöffers  von  1533  wie  ebenso  die  von 
46  und  1557  diese  vierteilige  Gestalt  der  Übersetzung. 

Im  Jahre  1519  bereitete  Karbach  für  Johann  Schöffer 
id  wahrscheinlich  für  eigene  Vorlesungen  M.  Tnllii  Cice- 
nis  de  finibus  bonorum  et  malorum  ad  M.  Brutum  libri 
inque  zum  Druck  vor  (Vorwort  pridie  Cal.  Nouembr.  1519), 
id  seine  Ausgabe  erschien  1520  im  März."»  In  diesem 
hre,  1520,  in  dem  Johann  Schöffer  als  Drucker  Hutten- 
her  Schriften  von  Alb  recht  unter  päpstlichem  Druck  in 
s  Gefängnis  gesetzt  wurde ^«o,  war  Karbach  des  vom 
.pste  verfolgten  HtitteA  vertrauter  Briefvermittler  in  Mainz 
A  mit  Wolfgang  F,abricius  Capito  bekannt.2«i  Auch 
ir  mit  einem  Vorwort  eingeleitet  (Nonis  Septembribus) 
b  Karbach  1524  wohl  ebenfalls  in  Johann  Schöffers 
teresse  Sancti  Prosperi  presbyteri  Aquitani  aduersus  ini- 
cos  gratiae  dei  libellus  etc.  Epistola  Aurelij  Carthaginiensis 
iscopi  contra  Pelagianos  etc.  heraus.  Diese  Publikation 
t  etwas  von  lutherischem  Beigeschmack. 

Mit  dfem  Jahre  1533  erlischt  jede  Kunde  von  Karbach, 
i  bei  der  erweiterten  Ausgabe  der  Liviusübersetzung^e» 
o  Schöffers  von  1533  seine  Epistel  an  den  Leser  ganz 
rtgeblieben  ist  und  er  selbst  nur  den  ersten  Teil  des  Lor- 


258  Vor   dem   vierten   Teile   steht:   Das   vierdt   teyl   der   Roemischen 
tonen,  auß  fünff  büchern  Tili   liuij  imm  latein  newlich  erfunden,  und 

M.  D.  xxxiij.  jar  verteutscht,  zwey  durch  Nicolaum  Carbachium,  die 
ier  drei  durch  Jacobum  Micyllum. 

259  p   w.  E.  Roth,  Die  Mainzer  Buchdruckerfamilie  Schöffer,  a.  a.  0., 
No.  55.    ~   2«o  E.  Bücking,  a.  a.  0.,   1,  364  §  6,  367. 

«1  E.  Böcking,  a.  a.  0.,  I,  365. 

2^2  Siehe  oben  bei  Besprechung  dieser  Ausgabe. 

6* 


84  Gustav  Hauch. 

scher  Fundes  übersetzt  hat,  so  ist  er  wohl  1533  schon  aus 
dem  Leben  geschieden. 

Wolfgang  Angst  hat  offenbar  keinen  persönlichen  Zu- 
sammenhang mit  der  Universität  gehabt,  aber  wir  möchten 
doch  noch  ein  Wort  über  ihn  sagen,  das  nicht  den  Livius 
betrifft.  Bei  Heinrich  Gran  in  Hagenau  waren  1516  unter 
seiner  Aufsicht,  wie  er  selbst  Erasmus  unter  Beifügung 
eines  Exemplars  mitteilte ^cs^  die  Epistolac  obscurorum 
virorum  (erster  Teil)  gedruckt  worden.  Da  liegt  es  bei  der 
Freundschaft  zwischen  Hütten  imd  Angst  nicht  fern,  zu 
vermuten,  daß  er  auch  "den  Druck  der  Huttenschen  Epistolae 
obscurorum  virorum  nouae  (zweiter  Teil)  geleitet  habe. 
Druckort  und  Drucker  sind  gänzlich  unbekannt  und  nach 
der  typographischen  Ausstattung,  sie  sind  mit  einer  kleinen 
verbrauchten  gotischen  Dutzendtype  gesetzt,  kaum  jemals 
bestimmbar.  Aber  das  Buch  trägt  am  Schluß  bei  einem 
Knoten  in  Holzschnitt  eine  Rätselfrage 2«*,  die  schelmisch 
auf  den  Herausgeber  oder  den  Drucker  weist.  Sie  lautet: 
„Quinta  luna  obscuros  viros  edidit.  Lector,  solue  nodum 
et  ridebis  amplius**.  Übersetzt  man  Quinta  luna  mit  Mai, 
so  kommt  man  nicht  weiter,  und  eine  so  einfache  Lösung 
würde  auch  keine  Heiterkeit  erwecken.  Setzt  man  dafür 
das  entlegenere  Quintilis  (Juli)  und  überträgt  das  ins 
Deutsche,  so  gelangt  man  zu  der  Namensform  Heumond 
oder  auch  nach  Schreibung  der  Prognostica  Heumon  oder 
Heuman.  Das  würde  zu  dem  Mainzer  Drucker  Friedrich 
Heumann  führen.  Dieser  ist  allerdings  vorläufig  höchstens 
bis  zum  Jahre  1515  nachzuweisen -0^;  es  wäre  jedoch  nicht 
ausgeschlossen,  daß  seine  Offizin  als  Kleindruckerei  für  Ak- 
zidenzdruck, Prognostica  und  dergleichen  auch  ohne  Drucke 
mit  Kolophon  weiter  bestanden  hätte.  Eine  solche  Druckerei 
gerade  wäre  wegen  ihrer  unansehnlichen  Typen  vor  der 
Gefahr  der  Entdeckung,  schon  war  der  Bann  gegen  den 
ersten  Teil  geschleudert,  so  ziemlich  sicher  geWesen,  und 
Angst  hi  le  dann  bei  dem  Drucke  mitwirken  können. 

Seitdem  Reuchlin  die  Teilnahme  aller  Gebildeten  ge- 
funden hatte,  war  in  den  humanistischen  Kreisen  das  Axiom, 
das  die  Sodalitas  literaria  oder  Academia  Platonica  des 
Celtis  schon   1495  auf  ihren   Schild  geschrieben  hatte ^^'S 


if«^  E.  Böcking,  a.  a.  ().,  I,  126.     Der  Brief  gehört  in  das  Jahr  1516. 
K.  Sleiff,  Der  erste  Buchdruck  in  Tübingen,  217,  Anm.  1. 
26*  E.  Böcking,  a.  a.  0.,  Suppl.  II,  6. 

'^'*  V.  W.  E.  Roth  im  Zenlralblatt  für  Bibliothekswesen,  X,  482. 
26''  G.  Bauch,  Die  Rezeption  des  Humanismus  in  Wien,  71. 


Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus.  85 

allgemein  aufgekommen,  es  müßte  jeder  wahre  Gelehrte 
„trilinguis**  sein,  das  heißt  er  müßte  außer  Lateinisch  und 
Griechisch  auch  noch  Hebräisch  verstehen.  Es  wäre  doch 
wunderbar,  wenn  nicht  auch  in  Mainz,  gerade  in  Mainz,  wo 
Reuchlin  den  ersten  gerichtlichen  Ansturm  Hochstra- 
tens  auszuhalten  gehabt  hatte,  die  „heilige  Sprache"  irgend- 
einen Verehrer  gefunden  hätte.  Von  1520  ab  besaß  die  Stadt 
an  dem  Domprediger  Wolfgang  Fabricius  Capito  aus 
Hagenau  einen  Kenner  des  Hebräischen,  der  nach  der  lehr- 
haften Beanlagung  der  Deutschen  und  wegen  früherer  Übung 
des  Lehrens  gewiß  anderen  priv^atim  als  Lehrer  gedient  hat 
Etwa  1518  kam  aber  auch  ein  fahrender  Hebraist  nach 
Mainz,  um  an  der  Universität  Hebräisch  zu  lehren,  es  war 
Johannes  Cellarius  Gnostopolitajius  aus  Kundstadt 
in  Oberfranken,  der  dann  1519  in  Heidelberg  las  und  noch 
in  demselben  Jahre,  nach  einem  vergeblichen  Versuche,  in 
Wittenberg  anzukommen,  in  Leipzig  lehrte.  Nur  daß  er 
selbst  davon  spricht-'ß^^  daß  er  auch  in  Mainz  gewirkt  habe, 
ist  uns  bekannt. 

Wir  können  unsere  Ausführungen  nicht  schließen,  ohne 
wenigstens  "noch  leinen  Blick  auf  einen  Humanisten  zu  werfen, 
der  Mainz  seine  Vaterstadt  nannte  und  der  wohl  mindestens 
einen  Teil  seiner  nicht  ganz  gewöhnlichen  Bildung  in  Mainz 
erhalten  haben  wird,  auf  den  Böttchersohn  und  Karthäuser 
Otto  Bninfels.  Sein  erstes  gednicktes  Werk,  eine  päda- 
gogische Publikation,  Aphorismi  institutionis  puerorum^e^ 
hat  er  (1519,  1.  August)  von  der  Karthause  bei  Straßburg 
aus,  dem  gelehrten  Provinzial  Gregor  Reisch  gewidmet, 
ausgehen  lassen.  Jakob  Wimpfeling  hat  sie  Johann 
Schott  zum  Dnick  dringend  empfohlen,  weil  sie  für  Lehrer 
und  Schüler  gleich  nützlich  seien.  Der  Schlettstädter  Schul- 
rektor Johannes  Sapidus  hat  eine  poetische  Empfehlung 
beigetragen.  Das  Buch  beginnt  mit  hohem  Lobe  des  Eras- 
mus  und  zeigt  eine  gewaltige  Belesenheit  des  Verfassers 
wie  auch  Kenntnisse  im  Griechischen.  Wie  der  Karthäuser 
als  Anhänger  der  Reformation  das  Kloster  bei  Mainz  ver- 
ließ, so  trat  er  auch  1523  dem  früher  so  hoch  von  ihm  ver- 


^6^  Zu  Johannes  Cellarius  vorgl.  (r.  Bauch  in  der  Monatsschrift  für 
Geschichte  und  Wissenschaft  des  Judentums,  N.  F.,  12.  Jahrg.,  286  f. 
Seinen  Begleiter  zu  Reuchlin,  Christophorus  Hacus  (1518),  begrüßte  Hütten 
in  Mainz  mit  einem  Gedichl.     E.  Böcking,  a.  a.  0.,  1,  239. 

2€ö  Aphorismi  institutionis  puerorum  Othone  B.  Moguntino,  Car- 
thusiano,  autore,  frugi  Adulescentibus,  atque  ijs  qui  illos  probe  erudire 
velint  adprime  conducibiles.  Argentorati  apud  Joaijnem  Scotuni,  in  Thome- 
loci  pomerio,  penultima  Augusti,  Anno  Christiano.  M.  D.  XIX.    4^. 


86  Gustav  Banrli 

ehrten  Erasmus  als  Freund  Huttens  entgegen***,  als  jeoia 
seine  böse  Spongia""  gegen  den  unglücklichen  Ritter,  der 
während  des  Druckes  oder  vor  dem  Erscheinen  derselben  ge- 
storben war,  ausgeschickt  hatte.  — 


*^*  Olhonis  Brunfcisii  pro  tJIricho  Hutleno  defnncto  ad  Erasmi  Roiero- 
dnmi  Spongiam  Responsio.    Bei  E.  Bücking,  a.  a.  0.,  II,  325f. 

!'o  Spongia  Erasmi  adversus  Aspergines  Hutleni.  BCcking,  a.  a.  0., 
II,  265f. 


II. 

Jakob  Weider,  der  erste  Rektor  der  Mainzer 
Hochschule  (1478 — 1483). 

Von  Franz  Falk. 

Längst  schon  besaß  das  Erzstift  Mainz  eine  angesehene 
Hochschule,  nämlich  zu  Erfurt.  Es  kann  als  Zeichen  hohen 
Wissensstandes  betrachtet  werden,  daß  eine  zweite  Hoch- 
schule folgte,  und  zwar  am  Sitze  des  Meiropoliten  selbst,  zu 
Mainz.    Als  das  Stiftnngsjahr  galt  stets  das  Jahr  1477.' 

Die  Wahl  des  Rektors  der  jungen  Stiftung  mußte  auf 
einen  Mann  von  Ansehen  fallen,  sie  fiel  auf  Jakob  Weider 
von  Siegen.  Was  geschichtliche  und  andere  Dokumente 
in  betreff  seiner  überliefern,  mag  im  folgenden  seine 
Zusammenstellung  finden.  Bei  dem  Verluste  der  Archi- 
valien zumal  der  ältesten  Hochschulperiodc  mag  das  Wenige, 
das  wir  haben,  von  Wert  sein. 

Der  Geburtsort  Weiders  ist  das  nassauische  Siegen, 
jetzt  zum  Regierungsbezirk  Arnsberg  der  Provinz  West- 
falen gehörig.  Siegen  war  früher  ein  Fürstentum  des  west- 
fälischen Kreises,  gehörte  der  Familie  Nassau-Oraiiien  und 
gab  der  Familie  Nassau-Siegen  den  Namen. 

Obwohl  näher  bei  Köln  gelegen  als  bei  Mainz,  gehörte 
Siegen  in  kirchlicher  Hinsicht  nach  Mainz  und  so  noch  bis 
zum  Ende  des  Kurstaats.  Der  Mainzer  Staalskalender  zählt 
auf:  Siegnisches  Landkapitel  mit  den  (wenigen)  Pfarreien: 
Heoß,  Holdingshausen,  Keppcl,  Netphen,  Siegen,  Willen- 
tkirf  und  Rödgen,  —  ohne  Definitoron,  Kämmerer  und  Sekretär 
wegen   seines   geringen   l'mfangs. 

I  Id  der  Wal  lere  teinschen  Bibl.  zu  Malhineen  II,  1,  fol.  »4  (l<)); 
Dielheri  aepi  mog,  instruntent.  fuiidationis  universitatis  Mo;.  Drucke  der 
l^mchlung  in  Gudenutt,  Cüd.  dipl.  IV,  432;  Würdlwein,  Subs.  dipl.  111.  182. 


88  Franz  Falk. 

Somit  erklärt  sich,  daß  Welder  seine  Studien  in  Köln 
machte,  in  Mainz  aber  seine  Verwendung  fand. 

Das  Geburtsjahr  Weiders  ist  nicht  ül>erliefert ;  da  seine 
Immatrikulierung  in  Köln  ins  Jahr  1453  und  sein  Tod  ins 
Jahr  1483  fällt,  so  können  wir  ungefähr  sein  Geburtsjahr 
bestimmen,   sagen   wir  zwischen   1423  und   1433. 

Die  Kölner  Matrikel  unter  dem  Rektorate  des  Gisbert 
von's  Gravensand  verzeichnet  zum  Jahr  1453: 

Jac.  Welder  de  Segen,  magunt.  dioec. ;  art. ;  solvit  et 
juravit;   Juni    17,   das   ist 

Jacob  Welder  von  Siegen,  Mainzer  Diözese,  in  artibus, 
hat  die  Gebühr  entrichtet  und  den  Eid  geleistet  am 
17.  Juni   1453. 

Ein  anderer  Jacob  Welder  von  Siegen,  vielleicht  der 
Oheim  unseres  Welder,  lebte  etwas  früher,  was  zur  Ver- 
wechslung führte-;  1441  wurde  nämlich  ein  Jakob  Welder 
zu  Heidelberg  immatrikuliert,  als  Propst  von  Liebfrauen  zu 
Mainz.^ 

In  demselben  Jahre  war  auch  Eggeling  (Angelus  Becker) 
von  Braunschweig*  zu  Köln  inskribiert  worden,  desgleichen 
Gabriel  Biel,  welche  beide  später  in  Mainz  sich  wieder- 
finden. 

Reihen  wir  hier  jene  Stelle  ein,  welche  wir  dem  Ge- 
schichtschreiber der  Hochschule,  Heinrich  Knodt^,  Doktor 
beider  Rechte,  Sacri  Palatii  Comes,  Assessor  und  Biblio- 
thekar der  Hochschule  verdanken;  er  gibt  einen  Catalogus 
chronologicus  rectorum  magnificorum  in  universitate  mo- 
guntina  1751  ^  und  nennt  an  erster  Stelle  zum  Jahr  1478: 
Jacobus  Welder,  SS.  Theologiae  Doctor  Ejusdemque  Pro- 
fessor publicus  et  Ordinarius,  wozu  er  einige  biographische 
Angaben  fügt: 

„Natus  fuit  in  Siegen  Nassau  (ubi  ejusdem  familia  in 
hunc  usque  diem  floret),  et  postquam  assiduam  studiis 
operam  navasset,  in  Universitate  Coloniensi  titulum  Doc- 
toris,  ac  Moguntiae  ad  Gradus  B.  M.  V.  nee  non  S.  Petrum 
Canonicatus  et  respective  Decanatum  obtinuit,  primum  in 
Academia  Moguntina  SS.  Theologiae  Professorem  egit,  quo 
in  officii  munere  et  sedulitate  in  laborando,  prudentiaque 
in   docendo,    ac   honestate   in    recte    beateque   vivendo  ita 


2  So  H.  Keussen  in  der  Herausgabc  der  Kölner  Matrikel,  S.  426, 
Note  zu  257,  58.    —  ^  Studierte  auch  zu  Bologna.     Knodt,  S.  102. 

*  Joannis  II.  675;  Gudenus.  1.  c.  11,  719;  Würdtwein,  1.  c.  IV,  163. 

^  Gehürtiji  zu  Münster-Maifeld  im  Kurtrierischen  ums  Jahr  1718;  er 
wurde  Stadtgerichtsassessor,  Konsulent  im  St.  Rochusspital  und  starb  1784, 
April   18.    —  ^-  Bildet  die  Commentatio   II  der  Moguntia  liUerata. 


Jakob  Weider,  der  ei-ste  Kektor  der  Mainzer  Hochschule.  89 

SC  gessit,  ut  a  suis  Discipulis  singulariter  observaretur  et 
ab  Omnibus  Civitatis  Incolis  egregie  amaretur.** 

Danach  erlangte  er  zu  Köln  den  Doktorgrad,  und  zu 
Mainz  ein  Kanonikat  tfx  ^.iebfrau  und  Dekanat  zu  St.  Peter. 

Es  wird  also  ihm,  dem  Theologieprofessor,  besonderes 
emsiges  Arbeiten,  Klugheit  im  Unterricht  sowie  achtbarer 
Lebenswandel  nachgerühmt,  so  daß  ihm  seine  Schüler 
hohe  Achtung,  alle  Bewohner  der  Stadt  besondere  Liebe  ent- 
gegenbrachten. 

Einerseits  genügt  dieses  so  kurze  Lob  zur  Würdigung 
des  Mannes,  andererseits  möchten  wir  Einzelheiten  er- 
fahren, wie  es  ihm  möglich  war,  die  Blicke  der  ganzen 
Stadt  auf  sich  zu  ziehen  —  ob  durch  Reden,  Predigten 
oder  Schriften  —   und  die  Herzen  der  Schüler  zu  gewinnen. 

Ob  es  seine  Richtigkeit  hat,  was  Bodmann  in  den  Rhein- 
gauischen Altertümern  S.  137  andeutet:  „Wie  es  übrigens 
zugegangen  seye,  daß  man  ungeachtet  so  vieler,  von  jeher 
zu  Mainz  über  die  Erfindung  der  Kunst  Gutenbergs  der 
gelehrten  Welt  mitgeteilten  Schriften  noch  nicht  darauf  ge- 
kommen sey,  das  um  die  Aufnahme  und  Verbreitung  der- 
selben so  überaus  erhebliche  Verdienst  der  in  so  mancher 
Rücksicht  höchst  ehrwürdigen  Männer,  eines  Jvo  Witt  ig, 
ingleichen  des  Johannes  Kempen^  .  .  .  und  endlich  dos 
gelehrten  Dechants  und  ersten  Rektors  der  Hochschule  zu 
Mainz,  Jakob  Weider,  gebührend  zu  erheben  und  ins  Licht 
zu  setzen,  ungeachtet  die  ergiebigsten  Quellen^  dazu  bisher 
vor  der  Hand  gelegen  sind,  ist  uns  wahrlich   unbekannt**. 

Weider  trat  nach  Knodt  erst  1478  sein  Rektorat  an.  Wie 
andere  Hochschulen,  so  weist  auch  die  Mainzer  eine  Reihe 
von  Gönnern  auf,  welche  in  verschiedener  Weise,  zumal 
im  Zuwenden  von  Büchern,  ihre  Liebe  zu  der  Anstalt 
bekundeten.  Es  bestand  sogar  ein  Liber  Benefactorum, 
welches  Knodt  noch  kannte.  Er  entnimmt  .demselben  fol- 
gende Stelle: 

„Eximius  Dominus  Jacobus  W'elder,  Arliiim  Magister, 
sacre  pagine  Doctor»,  et  hujus  IJniversitatis  Moj^untine  pri- 
mus  Rector,  et  Facultatis  Theologicae  Ordinarius,  donavit 
ad  communem  librariam  Universitatis  Libros  XXII.** 

Sollte  sich  von  dieser  Bücherzuvvendung  nichts  erhalten 
haben?     Verhängnisvoll  war  für  die  Bibliothek  die  schwe- 

"  Egregii  hon.  mcm.  quondam  Dni  Job.  Kempen,  Sacr.  Canon.  Dris. 
Call.   Eccl.  B.  M.  V.  ad  gr.  Necrol. 

**  Oh  Bodmann  andere  Quellen,  bessere  als  wir,  kannte?  In  der  äl- 
testen Gescbichte  der  Erfindung  Caitenbergs  wollte  mir  der  Name  J.  Weider 
nicht  begegnen.    —  ^  Soviel  als  theologiae  doctor. 


1)0  Franz  Falk. 

dische  Okkupation  der  Stadt,  denn  der  König  Gustav  Adolf 
hatte  die  Sammlung  der  Hochschule  seinem  Kanzler  zum 
Geschenk  gemacht  1631,  die  Bücher  gingen  leider  bei  der 
Überfühning  nach  Schweden  zugrunde.  Jedoch  ein  Werk, 
das  ein  Geschenk  Weiders  war,  entging  diesem  Schicksale, 
nämlich  der  Schöfferdruck  von  Institutionum  opus  prae- 
clarum  Mog.  X.  Kalendis  Jun.  1476  consummatum.  Dieses 
Exemplar  sah  noch  Knodt  in  der  Universitätsbibliothek  laut 
seiner  Angabe  in  De  Moguntia  litterata  Commentatio  1. 
1752,   p.   31.1Ö 

Die  Stadtbibliothek,  ^n  welche  die  Bücher  der  ehe- 
maligen Hochschule  übergingen,  besitzt  diesen  Wiegendruck 
leider  nicht  mehr.^i 

Möglicherweise  taucht  das  Weldersche  Exemplar  der  In- 
stitutionen von  1476  anderwärts  auf. 

In  der  Reihe  der  Stiftskirchen  der  Stadt  stand  St.  Peter 
außerhalb  der  Stadtmauern  (nördlich)  als  das  älteste  an 
erster  Stelle.  Seine  Pröpste  lassen  sich  ins  zehnte  Jahr- 
hundert verfolgen;  des  Stifts  Ansehen  ergibt  sich  daraus, 
daß  sein   Dekan  Os  cleri  secundarii  war. 

Joannis  gibt  in  der  Liste  der  Stiftsdekane  folgendes  an: 
Jacobus  Weider  de  Siegen,  SS.  Theol.  D.,  huius  et  B.M.V.  ad 
gradus  Canonicus,  Primus  Academiae  Moguntinensis  anno 
1477  institutae  Rector.  f  anno  1483,  die  18.  Maii.^^ 

Eine  Amtshandlung  Weiders  als  Dekan  von  St.  Peter 
hat  uns  Würdtwein  in  der  Dioecesis  Moguntina  in  archi- 
diaconatus  divisa  II,  22  aufbewahrt;  Weider  nämlich  und 
die  gesamte  Stiftsgeistlichkeit  geben  dem  Stiftsherrn  Job. 
Kirchperg  und  dem  Pfarrer  Bernhard  Frank  zu  Castel  den 
Auftrag,  den  Send  im  Archidiakonatsbezirke  des  Propstes 
von  St.  Peter  abzulialten  auf  Tiburtiustag  1479.  Jacobus 
Weider  decanus,  Adolffus  de  Breythart  scolasticus  etc.  .  . . 
mandatum  ded(?re  .  .  .  cclebrandi  synodum  in  archidiaconatu 
praepositurac   S.   Petri. 

1^'  Knodt  teilt  die  Schlußschrift  mit  unter  Abdruck  des  Fust-Schöffer 
sehen  Druckerzeichens  (Fust-Schöffer  Doppelschild), 

11  Das  in  der  Sladtbibliothek  vorhandene  Exemplar  der  Institutionen 
stammt  aus  der  Kartause  und  war  ein  Geschenk  des  St.  Stephansstiftsherm 
Gotschalk  Eschenbrocker  aus  Fulda,  der  auch  den  noch  vorhandenen  Oster- 
kerztnleuchter  ins  Stift  schenkte,  1512,  laut  der  Inschrift  auf  demselben. 
Vgl.  Falk,  Aus  der  Stiftsgeschichte  von  St.  Stephan  zu  Mainz,  in:  Zeitschr. 
des  Ver.  für  Rheinische  Geschichte  (1883),  HI.  303. 

1-  Joannis.  Her.  nioji.  II,  499;  über  os  cleri  secundarii  p.  486.  Der 
lelzto  Propst  des  Stiftes  (aufgehoben  2.  Juli  1802)  war  Kasimir  Häffehn, 
seit  1790  Weihhischof,  starb  als  Kardinal,  90  Jahre  alt,  zu  Rom  1827. 
KlcpjM-r,   Die  St.  Peterskirche,  1874. 


Jakob  Weider,  der  erste  Rektor  der  Mainxer  Hochschule.  91 

Für  den  ersten  Augenblick  mag  es  auffallend  erscheinen^ 
laß  der  Stiftsdekan  und  Professor  Weider  in  der  Matrikel 
5U  Heidelberg  erscheint.  Es  heißt  darin  zum  Jahre  1475 
mter  dem  Rektorate  des  Martin  Renez  von  Wiesensteig ^3. 
Magister  Jacob us  Weider  de  Siegen,  s.  theologie  professor^ 
äcclesie  s.  Petri  extra  muros  Moguntinensis  decanus 
XV.  August.  Doch  war  es  keine  Seltenheit,  daß  Kleriker 
in  höheren  Stellen  und  in  höherem  Alter  sich  an  einer 
Hochschule  inskribieren  ließen,  um  sich  der  Vorrechte  der 
Hochschulen  zu  erfreuen.  Übrigens  lag  darin  für  die  Hoch- 
schule wie  für  einen  Studiosus  dieser  Art  eine  gegenseitige 
Ehrenerweisung. 

Eine  nicht  geringe  Ehre  wurde  unserem  St.  Peter- 
stiftsdekan im  Jahre  1473  zuteil.  Die  benachbarte  Metro- 
pole Trier  besaß  nämlich  noch  nicht  eine  Hochschule ;  Köln 
wrar  ihr  längst  mit  gutem  Beispiel  vorangegangen  1388.  Ge- 
legentlich der  glänzenden  Pilgerfahrt  1*,  welche  Erzbischof 
Fakob  von  Sirk  1450  mit  Bischof  Konrad  von  Metz  und 
unter  Begleitung  von  140  Edelleuten  nach  Rom  zum  Jubi- 
äum  machte,  trug  er  dem  Papste  Nikolaus  V.  den  Wunsch 
iror,  zu  Trier  ein  sogenanntes  Generalstudium  einrichten  zu 
iürfen ;  der  Papst  gewährte  die  Bitte  unter  Zusicherung  aller 
Rechte  und  Vorrechte,  welche  der  Kölner  Hochschule  ver- 
liehen worden  waren. 

Nachdem  die  Männer  zusammengefunden  waren,  welche 
ien  Lehrkörper  der  Universität  bilden  sollten,  wurde  der 
16.  März  zur  Wahl  des  Rektors  festgesetzt,  zugleich  auch 
sur  Eröffnung  durch  feierlichen  Gottesdienst  im  Dome. 
Nebst  den  Doktoren,  Lizentiaten,  Magistern  der  freien  Künste 
srschienen  die  Äbte  und  Prioren  der  Abteien  St.  Maximin 
Lind  St.  Matthias,  die  Konventualen  aller  Klöster,  alle  Pröpste 
und  Dignitäre  der  Stiftskirchen,  Vikarien  und  Altaristen  des 
Domes,  die  Präbendaten  von  Liebfrau,  Bürgermeister  und 
Räte  der  Stadt,  und  viel  Volk  aus  der  Stadt. 

Die  Feierlichkeit  begann  mit  einer  Predigt  über  den 
Heil.  Geist,  gehalten  zwischen  8  und  9  Uhr,  und  zwar 
iTon  unserm  Ja!kob  Weider  von  Siegen,  Magister  der  freien 
Künste  und  Professor  der  Theologie.  ^^    Das  Thema  paßte 


13  Töpke  I,  243. 

1*  Von  den  Kirchenfürsten,  welche  Papst  Nikolaus  in  dem  Juhi- 
äumsjahrc  begrüßen  konnte,  ist  namentlich  der  Trierer  Erzbischof  Jakob 
r.  S.  zu  nennen.  In  Begleitung  von  140  Rittern  kam  er,  einst  von  allen 
ileichsfürsten  der  rührigste  Anhänger  des  Konzils  (von  Basel),  nach  Rom, 
im  sich  mit  dem  heil.  Stuhle  auszusöhnen.     Pastor,  Päpste  I,  360. 

1^  Die  näheren  Umstände,  welche  zur  Berufung  Weiders  als  Fest- 


9a  Franz  Falk. 

zu  der  Inauguration  einer  Anstalt,  die  zur  Förderung  der 
Wissenschaften   bestimmt  war.^« 

Nach  dem  Hochamte  zpgen  alle  Wahlberechtigten  in 
das  Refektor  des  Doms  zur  Wahl  des  Rektors;  sie  werden 
mit  Namen  genannt,  darunter  Jakob  Weider  von  Siegen, 
Dr.  der  Theologie,  Herm.  Frank,  Dr.  der  Rechte  u.  s.  f.  Den 
Schluß  bildete  ein  Festes^a  . 

Ins  Jahr  1479  fällt  die  Untersuchung  der  Lehren  des 
Johannes  von  Wesalia,  welcher  als  Dompfarrer  von  der  seit- 
herigen Kirchenlehre  abweichende  Äußerungen  getan  haben 
sollte.  Schon  die  Zeitgenossen  gingen  in  Beurteilung  über 
Johannes  auseinander.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort  zur  weiteren 
Erörterung.  Wir  wissen,  daß  Freitag  nach  Maria  Lichtmesse 
1479  eine  Sitzung  stattfand,  in  welcher  der  Beschluß  zu- 
stande kam,  Johannes  solle  alle  seine  Schriften  zur  Begut- 
achtung vorlegen,  ut  per  proprios  sermones  vinceretur. 

An  der  Sitzung  nahmen  teil  alle  Doktoren  und  Magister 
von  Heidelberg,  der  Mainzer  Weihbischof  Matth.  Emich,  der 
Graf  Wilhelm  von  Wertheim,  Generalvikar,  Graf  Rupert  von 
Solms,  Kustos,  Bernard  von  Breitenbach,  Makarius  von 
Busek,  Domherren,  der  Frankfurter  Pfarrer,  der  Rektor  der 
Universität  und  der  Dekan  der  Artisten. i"  Obwohl  letztere 
nicht  mit  dem  Namen  genannt  werden,  so  wissen  wir  doch, 
daß  der  Rektor  Weider  gemeint  ist. 

Das  Rektorat  Weiders  erstreckte  sich  ins  Jahr  1480,  denn 
als  Nachfolger  wird  in  diesem  Jahre  Petrus  von  Viersen  ge- 
nannt, 1483  Johannes  Scriptoris. 

Im  Jahre  1483  erscheint  Jakob  Weider  während  des 
Rektorats  des  Johann  Scriptoris  aus  Ulm  unter  den  Aus- 
stellern eines  Aktenstückes,  welches  den  Johann  Heyl  von 
Cappel,  Baccalaureus  in  Theologie,  auf  ein  Kanonikat  zu 
St.  Peter  in  Fritzlar  präsentiert: 

„Joannes  Scriptoris  de  Ulmena,  artium  et  s.  theol.  prof., 
rector  ahne  universitatis  generalis  studii  Mog.,  Jacobus 
Weider  de  Siegen  artium  et  sacre  pagine  prof.,  Alexander 
Theodorici  de  Meinungen  art.  et  jur.  civ.  doctor  etc."*** 

Unsere  Daten  hängen  allerdings  lose  aneinander,  immer- 
hin geben  sie  genügenden  Anhalt  dafür,  daß  Weider  ein  vor- 
züglicher Rektor  gewesen  sein  muß. 

prcdiger  beitrugen,  wenien  nicht  genannt;  doch  wird  der  Ruf  bedeutender 
Rednergabe  sicher  mitgewirkt  haben. 

^^  Nach  Marx,  Erzstift  Trier,  II,  457,  458;  einer  Beziehung  Weldcrs 
zu  Mainz  ist  bei  Marx  nicht  gedacht. 

•    1'   Schunk,   Beilr.   I,  296:  Falk,  Bibelstudien  in  Mainz,  S.  60. 
1«  Knodt,   Comment.    II,  2,  3. 


Jakob  Weider,  der  ei'ste  Aekltr  der  Haiiizer  Hochschule.  'J3 

Sein  Grab  erhielt  er  da,  wo  er  Dekan  war,  nämlich  im 
Stifte  St.  Peter.    Die  Grabinschrift  lautet: 

A.  D.  1483  die  18  mensis  maii  obiit  vcneraiidug  Jacobus 
Walder  de  Siegen,  artium  et  divinanmi  literanim  professor 
cximius,  hujus  ecclesiae  can.  et  deo. 

So  schrieb  Pfarrer  Severus,  gestorben  1779,  das  Epitaph 
ab,  wie  es  in  dem  Teile  des  Würdtwein sehen  Nachlasses 
steht,  den  der  Nassauische  Altertumsverein  zu  Wiesbaden 
besitzt,  und  woraus  Zais  in;  „Beiträge  zur  Geschichte  dea 
Erzstifts  Mainz",  1880,  S.  39  den  Abdruck  gab." 

Den  Stein  sah  noch  Knodt  und  bemerkt  a.  a.  0.:  „ad 
S.  Petrum  sepultus  teste  lapide,  qui  ad  lemplum  Odenmünater 
translatus  ante  aliquot  annos,  dum  ilhul  adhucdum  stellt» 
in  choro  visebatur". 

1'  Bodmann  enlnahni  dem  Vtlu»  Prolor.  Capli  S.  Pplri,  fol.  42  v,.  die 
Kolii:  die  XIX  maij  ob,  hrabilis  Dnus  Jacobus  Weiler  dec,  S.  Pelr.,  et 
\igore  precum  imperial.  Dnus  Bern.  Gros  etc.  Diese  Notiz  scfirieb  Hod- 
inami  seinern  Gudenus,  Cod.  dipt.  IV.  425  (Stadtbibl,),  bei ;  gleicliwobl 
wird  das  Epitaphdatum  vorzuziehen  sein. 


III. 

Die  Mainzer  Bursen  „Zum  Algesheimer"  und 
„Zum  Schenkenberg"  und  ihre  Statuten. 

Von  Fritz  HeiTinann. 

Die  zweite  Hälfte  des  fünfzetinten  Jahrhunderts  erl«^ 
in  der  scholastischen  Philosophie  einen  heftigea  Kaq^tf 
zwischen  den  Vertretern  der  viatnodema  und  derviaautifpu, 
der  gewöhnlich  als  ein  Ringen  der  beiden  alten  Gegeaijlze 
<ies  Nominalismus  und  des  Hcalismiis  aufgefaßt  wird,  bl* 
dessen  ist  nach  neueren  Forschungen*  keineswegs  die 
Univcrsalienfrage  der  Kernpunkt  des  Gegensatzes,  wie  dfiBD 
auch  die  moderni  die  Bezeichnung  nominalistae  ablehnffL 
Vielmehr  hanclelt  es  sich  darum,  daß  gegen  den  aU  via  no- 
derna  Herrschaft  den  Ückamismus,  dem  eine  scharfe  TrennDBg 
der  Gebiete  des  Glaubens  und  des  Wissens,  sowie  eine  nooe 
Logik  eigentümlich  ist  und  der  sich  bei  aller  wissenschi^- 
liclien  Tüchtigkeit  in  abstruse  Spitzfindigkeiten  zu  verlieren 
begann,  eine  skotistisch-realistische  Reaktion  aufkam,  die 
in  ihrer  Hinwendung  zu  den  konkreten  Einzeldingen  als 
Vorläuferin  der  realen  Wissenscliaften  anzusehen  ist  und 
den  Sieg  des  Humanismus,  zu  -dem  zahlreiche  ihrer  Verfcceler 
hinneigten,  mit  erringen  half.  Diese  von  Paris  ausgehende 
via  antiqua  drang  seit  etwa  1450  in  die  seither  rein  nomina- 
lislischen  Universitäten  Südwcstdeutschlands  ein  und  fand 
solchen  Anklang,  daß  die  drei  im  achten  Jahrzehnt  des 
Jahrhunderts  errichteten  neuen  Hochschulen  zu  Ingolstadt, 
Tübingen  und  Mainz  bereits  hei  ihrer  Gründung  sie  neben 
der  via  nioderna  in  der  theologischen  und  der  artistischen 

1  Tübingen  vor  der  Be- 


r  Burseii  und  ihre  Statuten. 


Fakultät  zulassen  mußten.  So  bestitnmeii  tlie  ällosten 
Mainzer  üniveraitätsstatuten '  in  ihrem  §  15  über  das  con- 
cilium  maius:    ut  rector,  tloctores  et  ikentiati   quarumlibet 


[acullatum  hie  recepli,  deianus   facultatis  arlium,  cum  quo 
magistri  quatuor  de  doctriua  modcniorum  et 

^  AuBet  dem  iltesluii  älatuU'tibudi  (Slaiitbilil.  zu  Mainz';  sind  im  fol- 
genden benutzt  das  Dürrsclic  Manuskript  über  <lio  L'nivcrsitäl.-igL-schicbte 
ie\nl.)  und  die  Collectantra  zur  Gescbiehtc  di-r  luivi-rsitäl  .Mainz  aus  dem 
llodma:ui>H&bel!)chen  NachlaÜ  (Konv.  4U8;  lleicbüarcb.  zu  Miinchciii.  die 
gtriclifalls   DüiFSche  Materialien  enllialten. 


di'}  Fritz  Herniiann. 

([  u  a  t  u  o r  de  d  o c  t  r  i  n a  a  n  t  i  q u o r u m  ,  regant  uiiiversi- 
tatem" ;  doch  scheint  hier  die  via  aiitiqua  einen  starken 
spezifisch  thomistischen  Einschlag  gehabt  zu  haben. 

Bei  der  Dürftigkeit  der  Nachrichten,  die  über  die  An- 
fangszeiten der  Mainzer  Universität  überhaupt  und  über  den 
Lehrkörper  insbesondere  vorliegen,  läßt  sich  die  Zugehörig- 
keit der  einzelnen  Professoren  zu  'der  einen  oder  der  anderen 
Richtung  in  den  wenigsten  Fällen  mehr  feststellen.  Immer- 
hin bleibt  eine  Untersuchung  doch  nicht  ganz  ergebnislos. 
Sie  knüpft  am  besten  an  die  im  Jahre  1500  verfaßte  hand- 
schriftliche Mainzer  Chronik  Hebelins  von  Heimbach  an, 
der  auch  einiges  über  die  Universitätsverhältnisse  seiner 
Zeit  berichtet.  5  Er  nennt  als  den  primus  modernorum  den 
Pfarrer  an  St.  Christoph  und  Domvikar  Florentius  Diel* 
aus  Speier,  „qui  in  ea  doctrina  plurima  volumina  notatu 
digna  conscripsit**.  Eines  dieser  Handbücher  ist  die  1490 
bei  Peter  Drach  in  Speier  erschienene  Etymologia  Donatio; 
es  ist  mir  jedoch  nicht  zweifelhaft,  daß  auch  die  im  gleichen, 
Verlage  und  ebenfalls  unter  der  Flagge  des  Mainzer  Kollegi- 
urns  der  Modernen  ausgegangenen  Summulae  logicales  von- 
1489^,  sowfe  die  Exercitata  librorum  Perihermenias  von| 
1490^  gleichfalls  Diel  zum  Verfasser  haben,  wenn  er  aucli 
als  solcher  nicht  ausdrücklich  genannt  ist.  Nach  1500  hat 
er  auch  noch  eine  Grammatik«  verfaßt,  die  bei  Frieär.  Heu- 

^  Co(J.  map.  Chart,  fol.  No.  187  dor  Univers.-Bibl.  zu  Würzburg.  Über! 
den  Verf.  und  die  Handschrift  cf.  F.  W.  E.  Rotsb  in  N.  Jahrl).  f^  Philo-; 
logie  1899,  II,  175  f.  ' 

*  Cf.  die  Biographie  von  F.  W.  E.  Roth  im  Katholik  78  (1898),  U, 
238  ff.,  und  F.  Falk,  Die  pfarramtl.  Aufzeichnungen  des  Florentius  Diel  (firL 
u.  Erg.  zu  Janssen-Pastor,  Bd.  4,  Heft  3).  *  * 

^  Modernorum   de   collegio   maiori   moguntino   etymologia   praeclara: 
donati  noviter  exarati:  et  in  duas  primo  minorem  et  secundo  mfiorem; 
editiones   partita:   ad   discipulorum   diversorum   c^pacitatem   successivam.! 
Die  Schrift  ist  F.  W.  E.  Roth  in  seiner  Gesch.  u.  Bibliogr.  der  Buchdrucke«' 
reien   zu   Speier  im    15.   u.    16.   Jahrh.   (Mitt.   d.   bist.    Ver.  der  Pfalz  18 
[1894],  Iff.)  entgangen.     Den  Hinweis  auf  den  Druck  und  den  Verfasser, 
der  f.  a  8b  sowie  in  der  vom  26.  September  1489  datierten  Schlußschrift 
sicli    nennt,    verdanke    ich    Herrn    Hofbibliotheksdirektor   Dr.    Schmidt   in 
Darnistadl. 

^  Modernorum  sunmmlae  loj^icalc.*;  cum  notabilibus  topicorum  ac  dispu- 
tatis  elenchorum  librorum  ex  aristotelo,  boetio,  boato  augustino,  marsilio 
et  ab  aliis,  subtilioribu.s  sententiis.  viris  doctissimis  fideliler  enucleatae,  ac  a 
magistris  collepii  moguntini  regentibus  de  modernorum  doctrina  sunt  studio- 
sissime  innovatao.  Roth,  a.  a.  0.,  49;  über  «len  Inhalt  cf.  Prantl,  Gesch. 
d.  Logik  im  Abendlande,  4,  192,  233f. 

"  Modoniorum  de  collegio  Maguntino  exercitata  librorum  Periherme- 
nias  rlari.^siina.     Roth,  a.  a.  0.,  78. 

^  riraminatica  initialis  valde  resoluta  et  etimologica  et  syntaxis  octa 
partium  orationis  compendiosa  adeo,  15()9:  cf.  F.  W.  E.  Roth  im  ZcntralbL 
f.  Bibliothekswesen   10  (1893),  479,  und  im  Katholik,  a.  a.  0.,  240. 


Die  Mainzer  Bursen  und  ihre  Statuten^  97 

Tiaan  in  Mainz  erschienen  ist.  So  stellt  er  sich  uns  schon 
liirch  seine  schriftstellerischen  Leistungen  in  der  Tat  als 
1er  Führer  der  Modernen  dar.  Als  seine  bedeutendsten 
Schüler  führt  Hebelin  an:  Nikolaus  Dürkheinier,  Pfarrer 
5u  Eltville  und  Kanonikus  an  St.  Peter^  Heinrich  Kesse, 
Pfarrer  und  Kanonikus  in  Bingen  ^^^  den  Dichter  und  Theo- 
ogeu  Jakob  Merstetter^i  und  den  damaligen  Regens  des 
Kollegium  maius  Rulin  Mintzenberger.^^  Als  weitere 
VIodeme  aus  der  älteren  Zeit  wird  man  die  Theologen 
lohann  Bertram  von  Naumburg^^  Werner  Alich  von 
Spreth**,  Konrad  Hensel  von  Cassel^^  und  Hermann  Ort- 
ieb  von  Rotenburges  und  die  Artisten  Andreas  Eier  von 
Vfeiningen^^  und  Peter  Flachsweiler  von  Trier^**  ansehen 
iürfen,  die  sämtlich  aus  Erfurt  kamen,  das  sich  von  der 
ria  antiqua  stets  frei  hielt. 

Die  via  antiqua  soll  nach  Mainz  durch  den  Franzis- 
kaner Stephan  Brulefer^^  verpflanzt  worden  sein,  der 
edoch  nur  im  Minoritenkloster  gelehrt  hat  Als  Realisten 
in  der  Universität  nennt  Hebelin  den  Dekan  an  St.  Moritz 
fohann  Wacker^  und  den  Kanonikus  an  St.  Johann  und 
ipäteren  Sufiraganbischof  Johann  Bruder  aus  Münster, 
gewöhnlich  Monasterii  genannt.21  „Hi**,  so  sagt  der 
Jhronist,  „doctrinam  eorum,  qui  reales  (in  sermotionalibus 
icriptis)  appellantur,  plantant,  roborant  et  augent,  inter 
>raecipuos  quoque  huius  doctrinae  magistri  et  auctores 
jxistunt".  Man  wird  diesen  beiden  Theologen  die  von  der 
homistischen  Kölner  Hochschule  ausgegangenen  Jakob 
Velder^^,  den  ersten  Mainzer  Rektor,  und  Johann 
Juattermart*3,  sowie  Johann  Vilhauer^*  und  den  Ar- 
isten  Martin  Kuppel  von  Bodmann^^  zuzählen  dürfen, 


8  Cf.   die   Biographie  von  Roth   im   Katholik,   a.   a.   0.,   249  ff. 

10  H.  Knodt,  Hist.  univers.  Mog.,  2,  43. 

11  H.  F.  Singer,  Der  Humanist  Jakob  Merstelter  1460—1512.  Mainz 

504. 

^*  Gemeint  ist  vielleicht  der  Knodt,  55,  genannte  Rolinus  Tinctoris. 

"  Cf.  die  Biographie  von  Roth  im  Katholik,  a.  a.  0.,  242  ff. 

1*  Knodt,   11;   Weißenborn.   Erfurter  Matrikel,    1,   317. 

i'i  Knodt,  40;  Weißenborn,  1,  223. 

1«  Knodt,  42;  Weißenbom,  1,  364. 

17  Knodt,  6ö;  Weißenbom,  1,  322. 

1«  Knodt,  11;  66;  Weißenbom,  2,  202. 

ly  Hermelink,  137;  Wetzer  u.  Weite,  Kirchenlexikon  2,  2,  355 f.;  N. 
aulus  in  Theol.  Quartalschr.,  75  (1893),  291  ff. 

**>  Knodt.  41;  Gudenus,  Cod.  dipl.,  3,  944. 

**  Joannis,  Rer.  Mog.,  2,  441  f.  Sein  Familienname  war  bisher  un- 
pkannt.  Knodt,  65.  —  22  Knodt,  1.   Cf.  auch  F.  Falk  in  diesem  Buche,  87  fr. 

i^  Knddl,  41.  —  24  Ebd.  39.  -  ^^  Ebd.  64. 

Beltiftge  z.  G«icb.  d.  Universitäten  Mains  a.  Gießen.  7 


98  Fritz  Herrinann. 

welch   letztere   beide   durch   die   Heidelberger   Matrikel  als 
antiqui  bezeugt  sind.^ß 

Hebeliii  von  Heimbach  wirft  den  Artisten  vor,  „quod 
niniis  diuturnam  operam  in  dialectica  nimiumque  tenipus 
in  ea  terunt**,  und  nennt  die  Dialektik  eine  wahre  Mutter 
des  Streites.  Näheres  über  Zwistigkeiten  zwischen  den  V^er 
tretem  der  beiden  Richtungen  in  Mainz  wissen  wir  nicht 
daß  aber  solche  zum  Schaden  der  Universität  häufig  vor- 
kamen, läßt  sich  durch  zwei  Zeugnisse  belegen.  Die  im 
Jahre  1523  von  Erzbischof  Albrecht  eingesetzte  Kommission 
für  die  Refonnierung  der  Hochschule,  die  aus  den  Pro 
fessoren  Johann  Stumpf  gen.  Eberbach,  Konrad  Weidmann, 
Eucharius  Schlaun,  Johann  Eschler  und  Nikolaus  Holt 
mann  bestand,  erklärte  in  ihrem  Reformationsentwurf*', 
daß  die  Statuten  gereinigt  werden  müßten,  und  zwar  „in- 
primis  providendum  esse,  ut  nomina  variarum  sectaruin 
antiquonim  et  modernorum  et  si  quae  similia  sunt,  ne  sint 
dissidionim,  factionum,  invidiae  et  simultatis  occasio,  e 
statutis  Omnibus  toUantur  et  in  eorum  locum  nomina  domo- 
rum,  collegiorum  aut  gymnasiorum  sufliciantur".  Dieser  An- 
regung scheint  damals  zwar  Folge  gegeben  worden  zu  sein, 
aber  die  Parteinamen  ließen  sich  nicht  so  rasch  be- 
seitigen. Denn  die  unter  dem  Vorsitz  des  Generalvikars 
Valentin  von  Teutleben  arbeitende  Reformationskommission 
von  1535,  der  die  Professoren  Bernhard  Scholl,  Johann  Pfaff. 
Nikolaus  Rucker,  Konrad  Weidmann,  Anton  Knauer  und 
Heinrich  Herold  angehörten  2«,  sah  sich  veranlaßt,  in  der  Vor- 
rede zu  den  neuen  Statuten  der  Artistenfakultät  zu  dekre- 
tieren, „ut  nomina  eorum  videlicet  antiquorum  et  moder- 
norum, quae  universitatem  hactenus  subinde  turbarunt, 
exturbentur  funditus  neque  posthac  alter  realista,  alter  vero 
nominalis  vocetur,  nam  istae  pueriles  ineptiae  et  sectae, 
revera  dissectae,  contentionibus  ac  simultatibus  haud  raro 
ansam  pracbuerunt**.^» 

Was  der  unter  dem  Einfluß  des  Humanismus  stehenden 
Generation  —  auch  anderwärts  hat  man  um  diese  Zeit  den 
scholastischen  Zwiespalt  zu  nennen  verboten  —  als 
„kindische  Torheit"  erschien,  das  bewegte  zur  Zeit  der 
Gründung  der  Mainzer  Universität  die  Geister  aufs  tiefste.  Es 
ist  der  Forschung  bis  jetzt  entgangen,  daß  man  auch  in  Mainz. 

^G  Töpkc,   I,  286;   II,  401,  409. 

-'  Notula  roformationis  generalis  studii  Moguiilini.  Collectanea,  a.  a.  0-, 
497  ff.     Knodt,  26,   gibt  irrtümlich  das  Jahr  1521  an. 
2»  KnodI,  26. 
29  Dürrsches  Mskr.,  Fasz.  3i,  f.  3;  Fasz.  3f,  f.   46  ff. 


Die  Mainzer  Bursen  und  ihre  Statuten.  99 

ähnlich  wie  in  Tübingen  und  Freiburg,  die  der  philo- 
sophischen oder  Artistenfakultät  angehörigen  Studenten  je 
nach  ihrer  Richtung  in  zwei  verschiedenen  Bursen  unterge- 
bracht hat,  um  zu  verhüten,  daß  der  wissenschaftliche  Streit 
sich  von  den  Hörsälen  in  die  Wohnungen  der  Schüler  fort- 
pflanzte: Die  beiden  Häuser  Zum  Algesheimer  und 
Zum  Schenkenberg  sind  die  Heimstätten  für  die 
moderni  bezw.  die  antiqui  und  beherbergten  außer  den 
Schülern  auch  einen  Teil  der  Magister  jeder  Richtung,  stellen 
sich  also  zugleich  als  sogenannte  Kollegien  und  als  Bursen 
dar. 30  So  erklärt  sich  denn  auch,  daß  der  Reformationsent- 
wurf von  1523  an  den  Stellen  der  Statuten,  wo  bisher  die 
Namen  der  Richtungen  genannt  waren,  einfach  die  Namen 
der  betreffenden  Häuser  oder  Gymnasien  einzusetzen  vor- 
schlagen kann. 

Das  hinter  der  Christophskirche  gelegene,  nach  seinem 
früheren  Besitzer,  einer  Mainzer  Patrizierfamilie,  genannte 
Haus  Zum  Algesheimer  war  im  Jahre  1478  von  Diether  von 
Isenburg  der  neuen  Hochschule  zur  Errichtung  eines  Ma- 
gister- und  Studentenhauses  überlassen  worden**  und  hieß, 
wie  aus  dem  Titel  der  von  den  hier  wohnenden  Modernen 
herausgegebenen,  oben  erwähnten  Etymologia  Donati  hervor- 
geht, auch  collegium  maius.     Schon  dieser  Name  beweist, 

daß,  zum  mindesten  seit  1489,  eine  zweite  —  Realisten 

Burse  vorhanden  war,  die  den  entsprechenden  Namen  Kleines 
Kolleg  gehabt  haben  dürfte.  Die  Bezeichnung  Kollegium 
Zum  Algesheimer  für  die  Burse  der  Modernen  findet  sich  be- 
reits in  einer  Urkunde  aus  dem  Jahre  1488,  aus  der  auch 
hervorgeht,  daß  die  Senatsversammlungen  in  diesem  Hause 
stattfanden.^^ 

Die  antiqui  nannten  ihr  Kollegium  „Zum  h.  Thomas 
von  Aquino**.  Es  scheint  von  Anfang  an  in  dem  der  Patrizier- 
familie Jostenhofer  gehörigen  Hause  Zum  Schenkenberg  — 
in  der  heutigen  Altenauergasse  —  untergebracht  gewesen  zu 
sein,  das  die  Regenten  der  Burse  gemietet  hatten.  Im  Jahre 
1508  oder  1509  kauften  sie  es  von  dem  damaligen  Besitzer 
Elogius  Jostenhofer,  Kapitular  am  Liebfrauenstift  zu  Worms, 
für  330  Goldgulden.  Hier\^on  blieben  130  G.  als  Hypothek 
gegen  6  G.  jährlichen  Zins  bei  dem  Verkäufer  stehen,  200  G. 
lieh  das  Regentenkollegium  von  dem  Professor  der  Medizin 
Peter  von  Viersen  und  den  Kanonikern  an  Liebfrau  Georrt 
Beheim  und  Tilmann  Seibach  gegen  Verpfändung  des  Hauseo 


'0  Cf.  Kaufmann,  Gesch.  d.  deutschen  Universitäten,  2,  214  ff. 
»1  Gudenus,  2.  509.  —  ss  Knodt,  3. 


?♦ 


100  Fritz  Heirmann. 

und  einen  jährlichen  Zins  von  10  G.  Aus  den  beiden  In- 
strumenten ^^  über  diese  Kapitalaufnahme  erfahren  wir,  daß 
die  damaligen  Regenten  Johannes  Lapicida,  Nikolaus  Holt- 
mann  und  Nikolaus  Gerbel  —  in  der  lateinischen  Urkunde 
heißen  sie  ,,artium  magistri  et  actu  regentes  bursae 
Schenkenberg  de  via  s.  Thomae  Aquinatis**,  in  der  deutschen 
„Regenten  dieser  Zeit  der  Rursen  realistarum  genant 
Schenkenberg*'  —  versprachen,  die  Zinsen  aus  eigenen 
Mitteln  zu  zahlen,  falls  sie  sie  aus  den  Rewohnem  der  Burse 
nicht  herausschlagen  könnten.  Vermögen  sie  aus  Mangel 
an  Studenten  ihre  Regentschaft  nicht  aufrecht  zu  erhalten, 
so  steht  ihnen  die  Kündigung  des  Vertrags  frei.  Zur  bau- 
lichen Unterhaltung  muß  jeder  eintretende  Bursist  2,  jeder 
Raccalaureus  3  und  jeder  Magister  6  Albus  zahlen;  auch 
werden  die  Strafgelder  der  Studenten  für  das  Fehlen  bei  den 
Vorlesungen  zum  gleichen  Zwecke  verwandt.  Geht  einer  der 
Regenten  mit  dem  Tode  oder  anderweitig  ab,  so  soll  ein  ge- 
lehrter und  ehrbarer  Mann  und  zwar  nur  mit  Zustimmung 
der  Geldgeber  an  seine  Stelle  treten.  Nach  deren  Tode  aber 
sollen  im  Falle  einer  solchen  Vakanz  der  Prior  und  der  Lektor 
der  Mainzer  Dominikaner  oder  einer  dieser  beiden  ersucht 
werden,  ob  sie  „ob  honorem  s.  Thomae  de  Aquino**  bei  der 
Resetzung  mitwirken  wollen;  ist  ein  Ersatz  in  Mainz  nicht 
zu  finden,  so  soll  eine  geeignete  Person  aus  Köln  verschrieben 
werden  „pro  conservatione  viae  praedictae"  sc.  antiquae. 
Auch  versprechen  sämtliche  Regenten  und  Senioren  des  alten 
Wegs,  der  Rurse  je  2  G.  zu  vermachen ;  dafür  wird  ihrer  all- 
jährlich in  der  Memorie  für  die  Wohltäter  der  Burse,  welche 
die  Dominikaner  gegen  eine  Entschädigung  von  V«  G.  ab- 
halten sollen,  gedacht  werden.  —  Die  Geldgeber  handeln  also 
ebenso  wie  die  Regenten  im  Interesse  der  via  antiqua,  als 
deren  natürliche  Verbündete  die  Dominikaner  gelten;  daß 
man  auf  die  Kölner  Universität  zurückzugreifen  in  Aussicht 
nimmt,  dürfte  darauf  hindeuten,  daß  die  Richtung  von  dort 
nach  Mainz  gekommen  ist.^* 

33  1510  Januar  10;  Mainzer  Sladtarch.,  Stadt.  Urk.;  als  Bürgen  werden 
genannt  Johannes  Monasterii,  Kanonikus  an  St.  Johann,  und  Richard  Fried- 
walt,  Kanonikus  an  St.  Peter.  —  Die  Regesten  verdanke  ich  Herrn  Biblio- 
thekar Dr.  Heidenheimer  in  Mainz;  cf.  auch  dessen  Studie:  Der  Humanist 
Nicolaus  Gorbel  in  Mainz,  im  Korrespondenzbl.  d.  Westd.  Zeitschr.  f.  Gesch. 
u.  Kunst.  15  (1896),  184  fif. 

3*  Peter  voji  Viersen  vermachte  die  von  ihm  geschossenen  60  G.  im 
Jahre  1517  testamentarisch  der  Burse;  das  Guthaben  des  Georg  Beheim 
ging  an  das  Liebfrauenstift,  das  des  Elogius  Jostenhofer  an  den  Vize- 
pleban  an  St.  Emmeran,  Johann  Sorgenloch  gen.  Gensfieisch,  und  an 
seinen  gleichnamigen  Vetter  über.    Das  nocii  stehende  Kapital  im  Betrage 


Die  Mainzer  Bursen  und  ihre  Statuten.  101 

Die  Befürchtung  der  Regenten  wegen  des  etwaigen  jn 
genügenden  Besuches  ihres  Hauses  läßt  erkennen,  daß  der 
Realismus  in  Mainz  um  1510  immer  noch  weniger  Zuzug 
hatte  als  seine  Gegner;  denn  an  und  für  sich  war  der  Betrieb 
einer  Burse  immer  aussichtsvoll,  da  die  Universität  nicht 
nur  von  den  Studenten  des  philosophischen  Kursus,  sondern 
auch  von  den  Magistern  verlangte,  .daß  sie  in  einer  solchen 
wohnen  sollten.^^  Doch  erwiesen  sich  die  Bedenken  als  un- 
begründet, ja  es  konnte  das  Kollegium  Zmn  Schenkenberg 
bereits  im  Jahre  1521  durch  Ankauf  der  beiden  Nebenhäuser 
Zum  großen  und  Zum  kleinen  Laufenberg  erweitert  werden.^* 
Ein  Vierteljahrhundert  später  aber  drohte  ihm  die  Gefahr  der 
Aufhebung.  Erzbischof  Sebastian,  der  selber  einst  Zögling 
der  Burse  gewesen  war,  wollte  diese  in  ein  Pädagogium  um- 
gestalten und  nur  noch  den  Algesheimer  als  Kollegium  be- 
stehen lassen.  Der  Plan  fußte  wohl  auf  der  eingetretenen  Er- 
weichung der  Gegensätze  und  der  Neigung,  diese  völlig  zu 
beseitigen.  Infolge  des  energischen  Protestes  der  Regenten, 
die  ihre  Anstalt  nicht  „ab  equis  ad  asinos"  degradiert  sehen 
wollten,  unterblieb  die  Ausführung.  Sie  gaben  in  ihrer  Dar- 
legung an  den  Rektor  u.  a.  zu  bedenken,  daß  ihr  Haus  im 
Gegensatz  zu  dem  der  Modernen  aus  den  eigenen  Mitteln  und 
Beiträgen  der  Insassen  erworben  sei  und  also  nicht  einfach 
aufgehoben  werden  könne,  daß  auch  an  anderen  Universi- 
täten doppelte  Kollegien  mit  parallelen  Vorlesungen  sogar 
in  der  juristischen  Fakultät  zu  finden  seien,  und  daß  die 
Rivalität  zweier  Anstalten  auch  ihr  Gutes  habe.  Mit  Recht 
wiesen  sie  auch  darauf  hin,  daß  die  dem  Hause  Schenkenberg 
zugewandten  Legate,  Stipendien  etc.  eingehen  müßten  und 
die  Lust  zu  ähnlichen  Stiftungen  schwinden  würde,  wenn 
man  sähe,  daß  ein  solches  Institut  kurzer  Hand  aufgehoben 
werden  könne.»* 

Schließlich  hat  denn  auch  gerade  das  Kollegium  zum 
Schenkenberg  das  längste  Dasein  gehabt  und  die  Burse  Zum 

von  270  G.  trug  der  Domvikar  Jakob  Pistorius  im  Jahre  1511)  mit  Zustim- 
mung der  Regenten  Adam  Heisinger,  Nikolaus  Holtmann,  Jodocus  Seibach 
und  Adam  Weiß  ab  und  bezog  nunmehr  als  alleiniger  Gläubiger  des  Hauses 
die  13  G.  Zins;  Schaab,  Erfindung  der  Buchdruckerkunst,  2,  334 ff. 

^•'»  1504  Januar  30  hatte  die  Universität  beschlossen,  ,.quod  magistri 
volentes  regere  in  facultate  artium  cum  suis  suppositis  debent  stare  in 
donriibus  sive  bursis  per  universitalem  approbatis  et  habere  mensam  com- 
munem,  nee  habeat  universitas  neque  facultas  artium  amodo  dispensare 
pro  aliquo  gradu  sive  baccalariatus  sive  magistcrii  in  artibus  cum  bis,  qui 
stcterunt  extra  bursas  approbalas*'  (Alt.  Statutenb..  f.  246).  Doch  wurde 
diese  Bestimmung  wohl  nicht  allzu  streng  gehandhabt,  und  die  Notula 
ref.  von  1523  beantragt,  den  Satz  nee  habeat  etc.  zu  streichen. 

««  Schaab,  a.  a.  0.  ^   —  3^  Die  ganze  Eingabe  gibt  Knodt,  20 ff. 


lOä      .•'.••"•'•-'  Fritz  Herrmanii. 

•   •  :  ' 

•  •*•.  VUgeslieimer  überdauert.  Diese  hob  nämlich  Daniel  Brendel 
"'  von  Homburg  im  Jahre  1562  auf  und  übergab  das  Haus  den 
von  ihm  nach  Mainz  berufenen  Jesuiten ;  er  kaufte  überdies 
noch  die  drei  anliegenden  Häuser  Zum  Hammerstein,  Zum 
Herbst  und  Zum  Birnbamn  für  den  Orden  an,  damit  dieser  ge- 
nügend Raum  für  seine  Mitglieder  und  für  das  Konvikt 
habe.3«  Als  einzige  allgemeine  Burse  blieb  sonach  nur  das 
Haus  Zum  Schenkenberg  bestehen,  dessen  Professoren,  wie 
früher  mit  den  Vertretern  der  via  moderna  im  Algesheimer, 
nunmehr  mit  den  Jesuiten  in  der  Rangordnung,  in  der  Be 
Setzung  des  Dekanats  und  bei  den  Prüfungen  in  der  philo- 
sophischen und  jetzt  auch  in  der  theologischen  Fakultät  — 
für  beide  wurden  die  Patres  als  Lehrer  herangezogen  — 
konkurrierten.  Im  Jahre  1740  verlegte  die  Universität  ihre 
Burse  auf  die  Große  Bleiche  in  das  spätere  städtische 
Bibliotheksgebäude^s  und  vermietete  die  „alte  Burse**,  die 
dann  im  Jahre  1767  an  die  Altenauersche  Mädchenschul- 
stiftung verkauft  wurde. 


Solange  die  Kollegien  Zum  Algesheimer  und  Zum 
Schenkenberg  nebeneinander  bestanden,  wurde  nur  ein  Teil 
der  artistischen  Vorlesungen,  die  lectiones  publicae  oder 
formales,  für  alle  Studenten  des  philosophischen  Kursus  im 
Universitätsgebäude,  die  übrigen  aber  zu  gleichen  Stunden 
doppelt  von  den  Vertretern  der  zwei  Wege  in  den  beiden 
Häusern  für  deren  Insassen  besonders  gehalten.  Als  Ziel 
galt  die  Einführung  der  Bursisten  in  die  besten  Autoren  der 
beiden  Sprachen,  vor  allem  aber  in  den  „princeps  philo- 
sophorum**,  Aristoteles,  jedoch  „resecta  commentariorum 
Silva**.  Ein  aus  der  Zeit  nach  1623  stammender  Lektions- 
plan schreibt  vor  für  5,  im  Winter  6  Uhr  morgens :  Porphyrii 
introductio  in  praedicabilia  Aristotelis,  praedicamentorum 
liber  eiusdem  Trepi  spiAsvetac  sive  de  enunciatione  priorum  et 
posteriorum  resolutionum  cum  topicis  et  locis  sophisticis 
(zweijährig);  für  8 (9)  Uhr:  Caesarii  dialectica (einjährig);  für 
12  Uhr:  Vergilius  oder  ein  anderer  pudicus  poeta;  für  1  Uhr: 
Lectio  physica  für  die  Baccalaurei;  für  3  Uhr:  Lectiö Graeca; 
für  4  Uhr:  Disputatio  grammatica,  dialectica  et  physica  Mut- 
wochs  und  Freitags,  an  den  übrigen  Tagen  die  drei  er^tai 
Bücher  Quintilians  De  institutione  rhetorica,  oder  Ciceros  Ad 
Herennium,  De  ofificiis  oder  De  oratore,  oder  endlich  Rudolf 
Agricolas  Topica.   Abwechselnd  von  je  einem  Magister  aus 

3*^  Joannis,  1,  873. 

sö  Schaab,  Geschichte  der  Stadt  Mainz,  2,  287 f. 


Die  Mainzer  Bursen  und  ihre  Statuten.  103 

n  beiden  Häusern  wurde  die  von  Jvo  WiUirh*^  gestiftete 
»ctio  historica  um  7  (8)  Uhr  nachmittags,  und  zwar  in  der 
liversität  gehalten;  zugrunde  gelegt  wurden  dabei  Livius, 
ilerius  Maximus,  Sallustius,  lustinus,  Suetonius,  Julius 
orus.  Für  die  poetischen  und  historischen  Lektionen  waren 
L»  Magister  zur  Wiedergabe  der  Autoren  in  deutscher 
irache  verpflichtet. 

In  den  beiden  mit  den  Bursen  verbundenen  Pädagogien 
r  die  jüngeren  Studenten  wurde  traktiert  um  5  (6)  Uhr 
orgens:  Grammatik  (halbjährig);  um  8  (9)  Uhr  besuchten 
ö  Pädagogschüler  die  bereits  genannte  dialektische,  um 
Uhr  die  poetische  Lektion,  welch  letztere  für  sie  um 
Uhr  nachmittags  besonders  wiederholt  oder  durch  die 
iktüre  der  Fabeln  Asops  oder  einer  Komödie  des  Terenz 
gänzt  wurde,  wobei  der  Nachdruck  auf  die  Übung  in  der 
ymologie  und  der  Syntax  zu  legen  war.  Außerdem  mußten 
)chentlich  schriftliche  Arbeiten  geliefert  und  von  den 
.dagogmagistem  korrigiert  werden. 

Über  die  Verfassung  der  Kollegien  und  das  Leben  der 
igister  und  Scholaren  geben  die  allgemeinen  Universitäts- 
ituten  in  ihren  §§  39  und  44 — 50  einige  Auskunft.  Besseren 
id  vollständigeren  Einblick  aber  gewähren  die  von  der 
listen fakultät  für  die  beiden  Häuser  erlassenen  statuta 
irsalia,  die  in  ihrer  Ausführlichkeit  wohl  einzig  unter  den 
irsenstatuten  von  deutschen  Hochschulen  dastehen  und 
5  vorzügliche  Quelle  für  die  Kenntnis  des  studentischen 
ibens  zu  Beginn  der  Neuzeit  einen  Abdruck  verdienen, 
e  in  den  Papieren  des  Historikers  Dürr  erhaltene  Ab- 
hrift*^  trägt  zwar  die  Bezeichnung  „antiquissima  statuta** 
i.,  in  Wahrheit  aber  stammt  die  Fassung  derselben,  wie  eine 
Tgleichung  mit  der  Notula  reformationis  von  1523  ergibt, 
s  der  Zeit  nach  diesem  Jahre  und  ist  überdies  durch  die 
n  Dürr  als  „variantes  lectiones**  gekennzeichneten  Zusätze 
äter  noch  berichtigt  und  ergänzt  worden.  Auf  Grund  dieser 
atuten  ergibt  sich  folgendes  Bild. 

In  jedem  der  beiden  Kollegien  haben  vier  Magister  die 
izielle  Leitung  als  Regenten  (regentes  principales  oder 
imarii).  Es  wird  von  ihnen  erwartet,  daß  sie  durch  ehr- 
ren  Wandel  und  durch  Gelehrsamkeit  sämtlichen  Insassen 
s  Hauses  ein  Vorbild  sind.  Vor  allem  liegt  ihnen  die  Sorge 
r  die  regelmäßige  Abhaltung   der  Lektionen   und  Dispu- 

*«  über  ihn  cf.  F.  W.  E.  Roth  im  Arcli.  f.  kath.  Kirchenrecht,  80 
00),  194  ff. 

*i  Fasz.  39.  —  Kleinere  Lesefehler  des  Abschreibers  sind  in  unserem 
:hfoIgenden  Abdruck  stillschweigend  getilgt. 


i 


104  Fritz  Herrmaiin. 

tationen  ob,  die  sie  verteilen  und  überwachen.  Wie  für  die 
wissenschaftliche  Ausbildung  der  Schüler,  so  sind  sie  auck 
für  deren  Erziehung  zur  Gottesfurcht  und  gesittetem  Wandel 
verantwortlich :  sie  sollen  daher  ihre  Zöglinge  zum  reg^v 
mäßigen  Kirchgang,  zur  Teilnahme  an  den  Prozessionen  und 
zum  Sakramenlsgennß  sowie  zu  anständigem  Betragen  m 
der  Anstalt,  in  der  Kirche,  bei  akademischen  Akten  und  auf 
der  Straße  anhalten.  Abwechselnd  hat  einer  von  ihnen  die 
Woche.  Der  hebdomadarius  ist  kostgeldfrei,  muß  aber 
dafür  bei  jeder  Mahlzeit  zugegen  sein  und  die  Tischgebete 
sprechen,  hat  für  die  rechtzeitige  Öffnung  und  Schließung 
des  Haustores  zu  sorgen  und  meldet  die  bei  Torschluß  fehlen- 
den Scholaren  dem  Regentcnkollegium  zur  Bestrafung.  An 
(J ehalt  bezogen  die  Regenten  als  Professoren  der  Artisten- 
fakultät die  Einkünfte  aus  den  dieser  zustehenden  Kanoni- 
katen*-  und,  nachdem  diese  auf  Wunsch  der  Universität 
getilgt  und  durch  jährliche  Zahlungen  der  betreffenden  Stifter 
ersetzt  worden  waren,  ein  in  zwei  Raten  durch  den.  Rektor 
zahlbares  fixiertes  Einkommen,  das  nach  einer  etwa  dem 
dritten  Jahrzehnt  des  16.  Jahrhunderts  angehörenden  Auf- 
zeichnung*-* für  die  Senioren  der  beiden  Häuser  je  25,  für  die 
übrigen  Regenten  je  20  Gulden  betnig;  dazu  kamen  noch  die 
Kollegiengelder,  die  bis  ca.  1523  für  die  Vorlesungen  in  den 
beiden  Häusern  bezahlt  wairden,  während  die  öffentlichen 
Lektionen  der  Artisten  wie  sämtliche  Vorlesungen  in  den 
oberen  Fakultäten  von  allem  Anfang  an  frei  waren. 

Eine  besondere  Stellung  unter  den  Magistern  nahmen 
neben  den  Regenten  noch  die  beiden  magistri  pädagogi- 

*^'  Die  im  Jahre  1511  erfolgte  Verteilung  der  Universitätspräbenden 
auf  die  vier  Fakultäten  cf.  bei  J.  P.  Schunde,  Beiträge  zur  Mainzer  Ge- 
schichte, '5,  220 f.  Die  Notula  reformationis  von  1523  fordert,  daß  die 
Stifter  di(i  Lektoralpräbenden  eingehen  lassen  und  dafür  jährliche  feste 
üehalte  zahlen;  wollen  sie  das  nicht,  so  sollen  sie  wenigstens  die  l^ 
fessoren  an  den  Tagen,  an  welchen  gelesen  wird  oder  eine  Universitäts- 
versammlung  stattfindet,  vom  Chordienst  befreien,  ohne  ilmen  die  Präsenz- 
gelder  zu  streichen.  Nach  der  dem  Entwurf  eingefügten  Zusammenstellung 
ertrugen  die  theologischen  Lektoralpräbenden  an  St.  Peter  100,  an 
St.  Maria  ad  gradus  120;  die  juristischen  an  St.  Viktor  130,  an  St. 
Bartholomäus  in  Frankfurt  60,  an  St.  Peter  und  Alexander  in  Aschaffen- 
burg 70,  an  St.  Peter  in  Fritzlar  60;  das  medizinische  an  St.  Ste. 
phan  60;  die  artistischen  an  St.  Johann  50,  an  St.  Crucis  60,  an  St 
Alban  50,  an  B.  Mariae  virg.  in  monte  zu  Frankfurt  30,  an  St.  Leonhard 
ebenda  20,  an  St.  Martin  in  Bingen  30  unjd  an  St.  Katharina  in  Oppen- 
heim  20  Gulden.  In  der  Tat  wurden  denn  auch  in  der  Folgezeit  die 
tituli  ecclesiastici  bei  einer  Reihe  von  Präbenden  getilgt.  Das  etwas  spä- 
tere Verzeichnis  der  Annui  proventus  im  Alt.  Statutenbuch,  f.  31,  gibt 
durchschnittlich  niedrigere  Erträge  an. 

*3  Alt.  Statutenbuch,  f.  31. 


Die  Mainzer  Bursen  und  ihre  Statuten.  105 

orum  jedes  Hauses  ein.  Sie  leiten  die  Ausbildung  der  für 
den  Besuch  der  Vorlesungen  noch  nicht  reifen  jüngeren 
Scholaren,  die  in  Grammatik,  Syntax  und  den  Anfangs- 
gründen der  Dialektik  und  Poetik  unterrichtet  werden,  und 
haben  deren  wöchentliche  schriftliche  Arbeiten  zu  korri- 
gieren :  ihr  Gehalt  beträgt  je  10  Gulden. 

Die  übrigen  Magister  der  Kollegien  (magistri  legentes 
oder  non  regentes  oder  iuniores  genaimt)  werden  trotz  ihres 
Titels  und  ihrer  Vorlesungstätigkeit  noch  gewissermaßen  als 
Schüler  behandelt.  Die  Statuten  ermahnen  sie  zu  anständigem 
Betragen  und  warnen  sie  —  die  angehenden  Lehrer!  —  vorm 
Beschädigen  ihrer  Wohnräume  und  vor  verdächtigem  Um- 
gang insbesondere  mit  Frauen  von  zweifelhaftem  Ruf  —  eine 
Warnung,  die  auch  an  die  Scholaren  gerichtet  wird  und,  wenn 
man  den  Worten  des  Chronisten  Hebelin  „nam  meretricum 
illic  infinitus  est  numerus,  raro  mulier  est  contenta  viro  uno" 
glauben  darf,  besonders  angebracht  war.  Auch  vor  Spiel 
und  Streit  sollen  sie  sich  hüten,  ihren  Hausschlüssel  nicht 
zum  Vorteil  der  Scholaren  mißbrauchen,  nicht  eigennützig 
auf  Privatvorlesungen  aus  sein  und  einander  die  Schüler  ab- 
spannen, nicht  im  Beisein  der  Zöglinge  über  etwaige 
schlechte  Kost  klagen  und  was  sie  durch  die  Regenten  von 
den  secreta  universitatis  vel  propriae  domus  erfahren,  nicht 
ausplaudern. 

Die  Kassenführung  eines  jeden  Hauses  übernimmt  einer 
der  Magister  als  Kollektor.  Er  vereinnahmt  die  Lektions- 
gelder, die  unter  die  Magister  verteilt  werden,  und  nimmt 
auch  das  Wohnungs-  und  Holzgeld,  die  Abgabe  für  das 
Küchengeschirr  und  die  sogenannten  Beanalia  in  Verwah- 
rung, aus  denen  die  Reparaturen  am  Gebäude  und  am  Haus- 
rat, die  Neuanschaffungen  und  die  Kosten  des  Brennmaterials 
bestritten  werden.  Auch  hat  er  zu  Beginn  jedes  Semesters 
den  Bestand  des  Hauses  an  Lehrern  und  Schülern  in  das 
Album  einzutragen. 

Das  Hauswesen  im  engeren  Sinne  besorgt  der  Ökonom 
(oeconomus,  praepositus,  dispensator),  der  möglichst  für  eine 
Reihe  von  Jahren  zu  bestellen  ist  und  aus  der  Zahl  der 
Magister  oder  der  Scholaren  genommen  werden  kann;  nur  im 
äußersten  Notfall  soll  einer  der  Regenten  diesen  Posten  über- 
nehmen. Der  Ökonom  hat  außer  freier  Station  Anspnich 
auf  einen  Keller,  ein  Wohn-  und  ein  Schlafgemach  und  be- 
zieht als  Entschädigung  für  seine  Arbeit  von  zwölf  Kommeu- 
salen  zusammen  wöchentlich  3  Albus ;  ist  die  Zahl  der  Tisch- 
gäste größer,  so  gibt  jeder  zwei  Denare  in  der  Woche.  Außer- 
dem hat  er  einen  kleinen  Gewinn  aus  dem  ihm  allein  zu- 


1(>6  Fritz  Herrniann. 

Stehenden  Weinschank  und  braucht,  falls  er  Scholar  ist, 
keine  Lektions-  und  Repetitionsgebühren  zu  bezahlen.  Er 
engagiert  den  Famulus  des  Hauses  und  die  Köchin,  die 
jährlich  höchstens  sechs  Gulden  Lohn  aus  der  Hauskasse 
erhält,  und  der  er  selbst  täglich  eine  halbe  Maß  Wein  unent- 
geltlich zu  stellen  hat.  Die  Insassen  der  Burse  speist  er  aa 
zwei  Tischen,  dem  besseren  der  Magister,  an  dem  auch  ver- 
mögendere Schüler  teilnehmen  können,  und  dem  frugaleren 
der  Studenten.  Über  die  Kost  scheint  öfter  geklagt  worden 
zu  sein ;  die  Statuten  sehen  an  mehreren  Stellen  Beschwerden 
darüber  vor,  und  Hebelin  von  Heimbach,  der  den  Mainzer 
Studenten  Gier  nach  Wein  und  Speisen  vorwirft,  fügt  zur 
Entschuldigung  hinzu:  „licet  tenuis  sit  mensa  bursalis.** 
Jeden  Samstag  rechnet  der  Ökonom  mit  den  Regenten  ab, 
mit  deren  einem  er  wöchentlich  auch  das  Haus  und  die 
Stuben  auf  ihre  bauliche  Beschaffenheit  hin  zu  revidieren  hat. 

Als  Schüler  (alumnus,  scholasticus,  scholaris,  Studi- 
osus) wird  zu  den  Vorlesungen  in  der  Artistenfakultät  nur 
zugelassen,  wer  ordnungsmäßig  die  Deposition  durchgemacht 
hat,  immatrikuliert  ist  und  in  einer  der  beiden  Bursen  wohnt, 
wenn  er  nicht  als  Sohn  eines  Mainzer  Einwohners  oder  als 
Famulus  eines  außerhalb  der  Kollegien  wohnenden  Pro- 
fessors oder  auf  Grund  besonderer  Erlaubnis  des  Rektors  vom 
Bursenzwang  befreit  ist.  Zu  zahlen  hat  der  Schüler  bei  seiner 
Aufnahme  die  Beanalia  im  Betrage  von  8  und  pro  utensihbus 
6  Albus,  ferner  jährlich  als  Miete  für  ein  Schlafgemach 
1  Gulden,  an  Holzgeld  8  Albus  und  für  die  ordentlichen  Lek- 
tionen, falls  er  noch  das  Pädagogium  besucht,  2,  andernfalls 
3  Gulden,  oder  aber,  wenn  er  nur  noch  einzelne  Vorlesungen 
hört,  für  jede  im  Semester  12  Albus;  als  die  Lektionsge- 
bühren wegfielen,  kam  zu  diesen  Abgaben  noch  ein  Beitrag 
von  Vs  Gulden  pro  Semester  für  die  Unterhaltung  des  Ge- 
bäudes. Für  Privatunterweisung  durften  die  Magister  nicht 
mehr  als  vier  Gulden  von  jedem  Schüler  nehmen.  Das  Kost- 
geld wird  in  den  Statuten  nicht  angegeben  und  änderte  sich 
wohl  je  nach  den  Preisen  der  Lebensmittel.  —  Eine  bevor- 
zugte Stellung  unter  den  Scholaren  nehmen  der  Famulus  des 
Hauses,  der  dem  Ökonomus  untersteht,  und  die  Famuli  der 
einzelnen  Magister  ein;  für  die  pekuniären  Erleichterungen, 
die  sie  genießen,  sind  sie  jedoch  zum  Spionieren  verpflichtet 

Studium  und  Betragen  der  Scholaren  unterstehen 
strenger  Aufsicht.  Der  Besuch  der  Vorlesungen  und  Dis- 
putationen wird  kontrolliert  und  das  Schwänzen  bestraft, 
ebenso  der  Gebrauch  der  in  der  Burse  verpönten  deutschen 
Sprache.   Auch  Waffentragen,  W^irtshausbesuch,  Fluchen  und 


^ 


Die  Mainzer  Bursen  und  ihre  Statuten.  107 

Schwören,  ungebührliche  Kleidung,  ünfug  im  Hause,  dessen 
Verunreinigung  durch  Befriedigung  natürlicher  Bedürfnisse 
etc.  etc.  werden  unter  Strafe  gestellt;  das  Spielen  ist  nur 
am  Donnerstage  —  dem  dies  academicus  —  erlaubt,  und 
zwar  lediglich  recreandi  animi  causa,  nicht  um  des  Geld- 
gewinnes willen. 

Das  Sommersemester  beginnt  Montag  nach  Quasimo- 
dogeniti  und  endet  am  Tage  vor  Matthäi  (21.  September), 
das  Wintersemester  dauert  vom  Tage  nach  Galli  (16.  Oktober) 
bis  zum  Samstag  vor  Palmarum.  Kleine  Ferien  sind  vom 
Pfingslsamstag  bis  zum  Donnerstag  nach  Pfingsten  und  vom 
Mittwoch  vor  Quinquagesimae  bis  zum  Aschermittwoch  ein- 
schließlich; Weihnachtsferien  kennt  man  nicht.  Ausgesetzt 
werden  die  Lektionen  vormittags  an  den  drei  Tagen  vor 
Himmelfahrt  (dies  rogationum)  und  an  Allerseelen,  nach- 
mittags am  Vortage  von  Fronleichnam,  der  Kirchweihfeste 
der  Christophs-  und  der  Quintinspfarrkirche  —  Algesheimer 
pfarrte  in  die  erstere,  Schenkenberg  in  die  letztere  — ,  von 
St  Christophori  (25.  Juli)  und  St.  Quintini  (31.  Oktober), 
von  Mariae  Himmelfahrt,  Empfängnis,  Reinigung  und  Ver- 
kündigung, von  Allerheiligen,  von  Martini  und  vom  Drei- 
königstag, damit  Magister  und  Scholaren  die  preces  vesper- 
tinae  in  ihren  Pfarrkirchen  mitsingen  können. 

Wer  einen  artistischen  Grad  erwerben  will**,  muß 
sich  gegen  entsprechende  Bezahlung  unter  die  besondere 
Aufsicht  eines  Privat-Praeceptors  stellen,  der  täglich  mit  ihm 
zu  arbeiten  hat.  Um  das  Bakkalaureat  kann  sich  der  Bursist 
schon  nach  drei  Semestern  bewerben,  während  die  außer- 
halb der  Bursen  wohnenden  Studenten  das  volle  Biennium 
aushalten  müssen.  Außer  den  erwähnten  ordentlichen  dia- 
lektischen, poetischen  und  rhetorischen  Vorlesungen  in  der 
Burse  und  der  historischen  im  Kollegiengebäude  hat  der 
Bakkalaureand  die  öffentlichen  „interlocutiones  formales,  im- 
primis  arithmeticam  et  sphaeram  materialem,  tunc  et  musi- 
cam"  zu  hören  und  muß  achtmal  bei  den  Samstagsdispu- 
tationen den  Magistern  sowie  viermal  den  Bakkalaren  respon- 
dieren.  Die  offiziellen  Repetitionen  —  auch  reparationes  ge- 
nannt —  für  die  an  Martini  zu  promovierenden  Bursisten  be- 
ginnen am  Lucastage  (18.  Oktober),  die  für  die  am  1.  Mai  zu 
promovierenden  am  Tage  nach  Ambrosii  (4.  April).  Zum 
Examen  lädt  der  Dekan  durch  Anschlag  an  den  Türen  der 
beiden  Studienhäuser  und  des  Domes  ein;  die  Fakultät  be- 


*•  Db»  Folgende  zum  Teil  mit  Benutzung  der  Statuten  der  Artisten- 
fakultät und  ^er  JMuia  leiormationis. 


108  Fritz  Herrmann. 

schließt  über  die  Zulassung  und  bestimmt  zur  Abhaltung  der 
Prüfung  vier  Magister,  je  zwei  aus  jeder  Burse.  Zum  Exa- 
mensprandium,  gegen  dessen  Üppigkeit  öfter  geeifert  wird, 
werden  bei  1 — 3  Promovenden  nur  die  Examinatoren,  der 
Dekan,  der  Promotor  und  der  Pedell,  bei  4 — 6  auch  die  Re- 
genten und  Professoren  der  beiden  Gymnasien,  bei  7 — 9  auch 
der  Rektor  und  sämtliche  Magister  der  Artistenfakultät,  bei 
10 — 12  auch  die  Dekane  der  höheren  Fakultäten  und  bei  13 
und  mehr  Promovenden  der  gesamte  Lehrkörper  eingeladen. 
Die  Bakkalare  haben  in  der  Burse  und  bei  allen  offiziellen 
Gelegenheiten  den  Vortritt  vor  den  übrigen  Scholaren. 

Die  Magisterwürde  wird  jährlich  nur  einmal  und  zwar 
sub  autumnales  ferias  verliehen;  eingeladen  wird  dazu  durch 
öffentlichen  Anschlag  am  Matthäustage  (21.  September). 
Auch  hierbei  genießen  die  Bursisten,  denen  stets  die  Mainzer 
Bürgersöhne  und  die  Pensionäre  der  Doktoren  gleichgestellt 
werden,  den  Vorzug,  daß  sie  bereits  drei  Semester  nach  der 
Erwerbung  des  ersten  Grades  sich  melden  können,  wäJhrend 
alle  anderen  Baccalaurei  zwei  volle  Jahre  warten  müssen. 
Der  Bewerber  hat  nachzuweisen,  daß  er  in  seinem  Gym- 
nasium außer  der  Topik  des  Agricola  und  der  Rhetorik 
Quintilians  oder  Ciceros  auch  die  Dialektik  und  die  Physik 
des  Aristoteles,  welch  letztere  für  die  Magistranden  zur 
Stunde  der  oben  genannten,  für  die  Anfänger  bestimmten 
lectio  dialectica  oder  der  lectio  poetica  gelesen  wurde,  und 
außerdem  sämtliche  lectiones  formales  im  Universitätsge- 
bäude gehört  hat,  nämlich  die  Metaphysik,  Ethik,  Politik  und 
Ökonomik  des  Aristoteles,  die  drei  ersten  Bücher  des  Euklid, 
des  Dionysius  De  situ  orbis,  die  Parva  naturalia  und  Georg 
Feurbachs  Theoriae  planetaruni.  Ferner  muß  er  sechsmal 
bei  den  Samstagsdisputationen  unter  dem  Vorsitz  der 
Magister  respondiert,  viermal  bei  den  Sonntagsdisputationen 
praesidiert  und  zwanzigmal  den  Magisterdisputationen  bei- 
gewohnt haben.  Besteht  er  die  Magisterprüfung,  so  setzt  man 
ihm  das  violette  Barett  auf,  steckt  ihm  den  goldenen  Ring  an 
und  überreicht  ihm  das  Buch.  Damit  hat  er  den  Abschluß 
seiner  Studien  in  der  untersten  Fakultät  erreicht  und  ist  „in 
philosophicum  senatum  et  ad  facultatum  alteriora  fastigia" 
aufgestiegen. 


■*^^«^>*  — 


antiquissimaTstatuta  bursalia  domum 
schenckenbergicae  et  algesheimensis. 


Praefatiuncula. 

Quoniam  praeter  universitatis  statuta  siiigulae  facultates 
privatas  leges  suaque  peculiaria  statuta  habent,  ad  quorum  prae- 
scripta  velut  ad  Lesbiam  normam  sese  componunt,  par  est,  ut 
facultatis  artium  alumni  domestica  quaedam,  quae  vulgo  bursalia 
statuta  dicuntur,  non  desiderent,  quibus  cum  magistri  tum  scho- 
lares  honeste  regantur  ac  formentur  studiose.  eorum  catalogum 
et  publicationem  aequis  animis  attenteque  auscultetis. 

Statuta  magistros   regentes   concernentia. 

Decrevit  universitas  nostra,  ut  in  utroque  facultatis  artium 
gymnasio  quaterni  foveantur  regentes  principales  et  duo  magistri 
paedagogiorum.i  quatuor  primariis  regentibus  hoc  muneris  in- 
cumbet,  ut  regimine  suo  et  gymnasii  administratione  bona  fide 
seduloque  fungantur  gerantque  se  honestos  et  graves  nee  non 
caeteris  omnibus  in  gymnasio  magistris  et  alumnis  tum  morum 
integritate  tum  eruditione  praecellere  videantur.  qui  simul  omnes 
gymnasium  inhabitent  foveantque  mensam  comnmnem  et  ex  or- 
dine  hebdomadarii  munus  vicissim  subibunt.  hebdoinadarius  ut 
erit  asymbolus  et  immunis  a  solutione  sumptuum  mensae  eins 
hebdomadis,  ita  nunquam  a  mensa  abesse  debet,  consecrationein 
prandii  et  coenae  dicturus.  ab  eodem  peracto  prandio  et  coena 
agantur  gratiae  curetque,  ut  aestate  hora  nona,  hieme  vero  hora 
octava  gynmasii  fores^  claudantur,  matutino  autem  tempore  reclu- 
dantur  hora  quinta.'*     quotidie  sub  vesperam  coassumpto  sibi 

1  qui  dno  gymnasium  inhabitare  et  mensam  communcm  fovere 
teneantur. 

*  per  oeconomum. 

*  per  eundem  oeconomum. 

*  quod  si  quis  gymnasii  alumnus  aestate  sub  horam  nonam.  hieme 
vero  sub  octavam  perclusis  foribus  pulsaverit,  oeconomus  pulsanti  e  vestigio 
afieriat  neminemque  a  Musanim  consortio  aüenum,  quive  domui  nostrae 
dedecori  aut  inconmiodo  esse  videatnr,  vel  egredi  vel  ingredi  permittat, 
sub  poena  superattendentium  et  magistrorum  regentium  arbitraria. 

Illnd  etiam  muneris  magistro  hebdomadario  incumbat,  ut  non  modo 
per  suam  hebdomadam  mensae  communi  adstrictus  sit  continue,  verum 
etiam  sequenti  septimana  novo  hebdomadario,  successori  suo,  in  mensa 
frequenter  assideat  quamvis  enim  commodissimum  foret,  omnes  omnibus 
horis  magistros  et  gymnasio  et  mensae  semper  interesse,  tamen  quia  ad 


110  "  Fritz  Herrmann. 

vel  famulo  communitatis  vel  praeposito  visitet  scholasticorum 
cubicula  noletque  absentes,  quos  regentibus  postridie  indicabit. 
postero  die  magistri  regentes  omnes  aut  maior  ipsorum  pars  euni. 
qui  foris  pernoctavit,  inquirere  debent,  qui  si  legitinias  absentiae 
causas  medio  iuramento  dicere  non  potest,  mulctetur  poena  sex 
alborum,  at  si  saepius  deliquerit,  a  regentibus  oninibus  vel  maiore 
ipsorum  parte  domo  excludatur.^ 

Item  per  vices  unus  ex  regentibus  non  hebdomadarius^  cum 
praeposito  singulis  septimanis  structuram  aedium  ab  omni  parle, 
omnia  quoque  cubicula  diligeiiter  inspiciant  et  si  quid  ruinosum 
minusve  sartum  aut  tectum  deprehenderint,  id  quam  primum 
magistris   regentibus   significabunt,   ut   mox   resarciatur.  ^ 

Quodsi  in  quatuor  primariorum  regentium  seu  principalium 
locum  aliquis  surrogandus  est,  is  sufficiatur,  qui  maxime  in  hoc 
videtur  idoneus  adeoque  iudicio  et  consensu  superatteridentium  et 
regentium,  quibus  se  promissione  et  iuramento  obligabit.  simi- 
liter  paedagogiorum  magistri  a  superattendentibus  et  regentibus 
rite  suscipiantur  amoveanturque,  si  ita  consultum  videatur.  idem 
observctur  in  oeconomo,  qui  et  suscipi  et  moveri  officio  a  prae- 
dictis    Omnibus   debet. 

Et  quoniam  tum  universitatis  tum  facultatis  statuto  cautuin 
est,  ne  quis  studiosorum  arma  deferat,  ideo  magistri  regentes 
aut  quicunque  discipulos  privatos  habent,  iam  inde  a  priino 
ingressu  gymnasii  arma  et  enses,  si  quos  habent,  ab  eis  petant, 
quae  ipsi  magistri  usque  ad  discessum  studiosorum  custodiant. 
quod  si  quis  huic  statuto  fraudem  fecisse  comperiatiir  et  arma 
quaedam  occultaverit,  ea  tam  magister  hebdomadarius  quam 
inspector  aedium  visitando  auferre  ab  ipsis  sibique  retinere  debe- 
bunt.  appellatione  autem  armorum  hie  veniant  gladii,  cuspides. 
doloncs.  phimbata,  bombardae,  canales  etiam  ex  clavibus  factae. 
pulvis  Martins  caeteraque  omnia,  quibus  damnum  vel  domui 
vel  personae  alicui  inferri  possit,  et  breviter  omnia,  quae  in  im- 
perialibus   legibus  armorum   appellatione   significantur. 

In  Universum  omnes  regentes  per  se  quisque  accurate  attendat 
ad  omnes  Icctiones  et  disputationes  gymnasiorum,  ne  qua  earum 
intermittatur.  quod  si  quis  nogligentius  egerit  aut  circa  aliquod 
statutum    deli(|uerit,    duo   regentes    natu    maximi    aut    seniores- 


honestorum  viroriini  convivia  quaudoque  vocantur,  sancimus,  ut  memorati 
domini  magistri,  videlicet  hebdomadarius  veterior  et  rccentior,  mensae  et 
gymnasio  suis  temporibus  siut  cpiam  maxime  addicti.  vel  si  quando  legitima 
de  causa  adiunctum  illum  abesse  contingat,  suum  in  locuTü  sufficiat 
alium  ordinis  sui  magistrum.  et  si  quis  forte  aliorum  magistrorum  honoris 
gratia  vocatus  foris  prandere  aut  coenare  voluerit,  statuimus,  ne  in  septi- 
mana  ultra  uniiis  dici  spatium  a  mensa  communi  absit.    hebdomadarius... 

^  si  quis  praedictorum  statutorum  cuipiam  fraudem  fecisse  coro- 
periatur,   trium   alborum  poena   gymnasii   aerario  conferenda  mulctabitur. 

^  adiunctus   videlicet,   cuius   supra  facta   est  mentio. 

'*  id  si  facere  neglexerint,  quisque  poenam  unius  albi  luet  doraus 
aerario. 

^  iuniorum  duorum  regentium  et  eorum,  qui  paedagogio  praefecti 
sunt,  negligentiam  superattendentibus  indicent. 


Die  Mainzer  Burseii  und  ihre  Statuten.  HI 

animadvertant  in  iuniores  duos  et  pacdaj^ogioruin  magistros. 
contra  si  quis  seniorum  non  functus  fuerit  suo  munere,  a 
iiinioribus  observ^entur^  mulctenturque :  quos  iibi  audire  nolu- 
crint^®,  ad  facultatis  artiuin  decisionein  fiat  provocatio  salvis 
statutis    universitatis   folio   undecimo.*i 

Nemo  regentium  et  magistrorum  legentium  ultra  hebdoma- 
ilam  peregre  abeat  sine  scitu  conregentium  seu  collegarum  suorum 
nee  quenipiam  in  locum  suum  surroget  nisi  idoneum  et  proba- 
tum  regentibus  tarn  quoad  mensae  procurationem  quam  quoad 
lectiones,  visitationes  caeterosque  actus  magistros  concernentes, 
sub  poena  dimidii  floreni  structurae  domus  applicandi.  quod 
si  substitutus  quippiam  neglexerit,  nihilominus  privatim  mulc- 
tabitur.  niulcta  autem  neglectarum  lectionum  aut  disputationum 
domesticarum  haec  esto,  ut  quivis  tot  albos  pro  una  neglecta 
lectione  vel  disputatione  pendat,  quot  denos  aureos  pro  annuo 
salario  accipit.  regentium  mulcta,  quae  regentibus  circa  scho- 
lasticorum  delicta  atque  neglecta  conceditur,  duodenos  aibos 
non  superet. 

Caeterum  cum  in  omnibus  rebus  pietatis  praecipua  cura 
esse  debeat,  provideant  magistri  regentes,  ut  iuventus  schoiastica 
in  timore  dei  et  pietate  adolescat,  festis  autem  diebus  paro- 
chialibiis  suis  ecclesiis  una  cum  scbolasticis  interesse  debebunt, 
modeste  cantaturi  sacrum  et  audituri  concionem  evangelicam; 
similiter  ves|)ertinis  precibus  intersint,  sub  poena  duorum  alborum 
tarn  regentibus  quam  legentibus  infligenda  salva  unicuique  excu- 
satione  sua  legitima. 

Et  res  erit  non  solum  pia  sed  et  boni  exempli,  si  omnes 
regentes  et  legentes  sacris  interessent.  sed  quoniam  id  negli- 
gentius  nonnunquam  observatur,  ideo  volumus,  ut  duo  magistri 
necessario  ad  hoc  adstricti  hebdomadatim  cum  iuventute  scho- 
iastica templum  petant  eo  modo  et  ordine,  quo  in  statutis  facul- 
tatis artium  de  disputationibus  pubiicis  cautum  est.  ita  quidem 
senior  regens  cum  iuniore  paedagogiorum  magistro  die  dominica 
festisque  eiusdem  septimanae  diebus  intersit,  sequenti  vero  do- 
minica die  secundus  regens  cum  altoro  iuniore  paedagogiorum 
magistro,  tertia  vero  hebdomade  vocentur  in  partes  ])ietatis  duo 
regentes  intermedii  et  sie  redeundo  in  circulum  per  vices  ob- 
senretur.  hebdomadarii  isti  duo  pridie  domin icae  diei  vel  alius 
festi  hora  duodena  pomeridiana  —  intermittatur  tum  ordinaria 
lectio  —  iuventutem  officium  missae  praecinendo  doceant  ad- 
jiciantque  aliquales   musicae   regulas. 

Item  magistri  regentes  cum  scholaribus  bis  in  anno  in  paro- 
chiali  sua  ecclesia  celebrent  liturgiam  seu  officium  missae  de 
spiritu  sancto,  unam  post  dominicam   Quasimodogeniti,  alteram 


^  ut   eorum    negligentiam   superattendentibus   indicent. 

it»  ad  magnificum  universitatis  nostrae  rcctorem  negotium  discutien- 
dum  deferant. 

1'  interdicimus  praeterea,  ne  quis  mapistroruin  sub  pubiicis  loctioni- 
bus  privatim  doceat,  volumus  enim  publicas  privatis  praefcrri,  sub  poena 
sex  alborum,  quotiescunque  hoc  factum  fuerit. 


112  Fviiz  Herrmann. 

vero  statiin  a  festo  divi  Galli,  cui  omnes  regen tes  et  legentes 
inagistri  cum  universa  iuventute  scholastica  sub  poena  duorum 
albonim  Interesse  debebunt. 

HuiuB  quoque  admonendi  sunt  regentes,  ut  ipsi  cum  ma- 
gistris  legentibus  et  universis  scholasticis  in  festo  Corporis  Cbristi 
et  dedicationis  sui  templi  honesto  decenteque  habitu  compareant, 
pompam  venerabilis  sacramenti  comitaturi  ac  toti  sacro  inter- 
futuri  ad  finem  usgue;  id  triduo  ante  moneantur  studiosi  affixa 
per  regentes^*  schedula,  quae  absentibus  mulctam  statuet  sex 
albonim  structurae  domus  applicandorum. 

Hebdomadarius  ^3  colligat  mulctas,  quaruin  in  hebdomadario 
calculo  reddat  rationem,  referanturque  in  aerarium  seu  privatam 
quandam  capsulam,  unde  magistris  festis  quibusque  diebus  in 
parochiali  ecclesia  praesto  existentibus  singulis  dependantur  qua- 
terni   nummi,   hebdomadariis   vero  ecclesiasticis   octoni. 

Curae  deinde  regentium  incumbet,  quod  suos  domesticos 
circa  mores  et  bonas  literas  accurate  instituant  eosque  sedulo 
adhortentur,  ut  in  plateis,  gynmasiis,  templis  et  scholasticis  ac- 
tibus,  praecipue  quando  publici  universitatis  et  facultatis  con- 
ventus  agitantur,  modeste  honesteque  vestiti  incedant,  ineptiis, 
garrulitate  ac  strepitibus,  quibus  caetcri  studiosi  atque  vicini 
turbari  possint,  symposiis  quoque  caeterisque  rebus  illicitis  severe 
minitando  interdicant,  indisciplinatos  errones  et  vagabundos, 
lusores,  obtrectatores,  conspiratores  debita  animadversione  coer- 
ceant,  ita  tamen,  ne  poena  pecuniaria  excedat  duodenos  albos; 
semel  atque  iterum  emendatus  atque  mulctatus,  si  adhuc  dicto 
audire   nolit,   cohibeatur   censura^*   magnifici   rectoris. 

Insuper  magistri  regentes  ad  lectiones  gymnasionim  non 
admittant  nondum  pro  more  depositos  necdum  albo  universitatis 
inscriptos  nee  ullum,  qui  sine  rectoris  venia  ot  Chirographe 
extra  gymnasium  habitat,  nisi  forte  incola  huius  urbis  aut  doc- 
toris  vel  nostratis  magistri  famulus  existat,  sub  poena  linius 
aurei  universitatis  fisco  inferendi. 

luventutem  ad  latini  sermonis  usum  et  consuetudinem  assue- 
faciant  adigantque  accurate  magistri  regentes  et  praeceptores  pri- 
vati  neque  ferant,  ullum  gynmasii  sui  studiosum  vernacula  ser- 
mone  loqui,  sive  is  sub  privata  sive  extra  privatam  curam  degat.** 

Item  magistri  legentes  auditorum  lectionum  suarum  nomina 
in  catalogum  describant  et  de  eorundem  absentia  inquirant  dili- 
genter,  mulctam  quatuor  nummorum  pro  qualibet  neglecta  hora 
exigant  salva  legitima  excusatione.  exactam  pecuniam  ad  diem 
Sabbathi  regentibus  in  computo  tradant  capsulae  praesentiariae** 
inferendum. 

Nullus  alterius  magistri  scholarem  ad  sc  pertrahat,  sub  poena 
quatuor  florenorum,  qui  cedant  universitati. 

^2  hebdomadarium. 

i"'  Collector  exigat  mulctas,  quarum  singulis  mensibus  reddat  rationem 
suj)ierattendentibus  et  reji^entibus  domus  suae. 

^^  superattendcntium,  dehinc,  si  abstinere  noluerit,  magnifici  d<v 
mini  rectoris.     —   ^^  sub   mulcta   superattendentium  arbitraria. 

^^'  acrario  domus. 


Die  Mainzer  Bursen  und  ihre  Statuten.  113 

Cm  eilt  omnes  magistri  tarn  regentes  quam  iegentes,  ne  vel 
ipsi  vel  aliquis  scholaslicorum  secum  fov^eat  in  gymnasio  homines 
pJobeios  et  a  Musanim  consortio  alienos  aut  etiam  scorta,  sub 
poena  diinidiati  floreni  ad  structurann  aedium  applicandi.  quod 
si  semel  atque  iterum  monitus  non  desierit,  si  regens  sit  aut 
magister,  a  regentia  et  legendi  munere  amoveatur,  si  vero  scho- 
laris,  pellatur  gymnasio. 

Pro  privata  scholarium  cura  seu  disciplina  a  singulis  pri- 
vatis  non  ultra  quatuor  florenos  monetae  exigant;  cum  pau- 
peribus  autem  mitius  agatur.^^ 

Pro  lectionibus  vero  ordinariis  et  cura  gymnasiorum  siqui 
paedagogium  frequentant,  toto  anno  solvant  florenos  duos,  bacca- 
laureus  tres  et  interraedii  quoque  tres  numerabunt.  hi  vero,  qui 
non  nisi  unam  aut  duas  lectiones  in  gymnasiis  audiunt,  dent 
singulis  semestribus  de  unaquaque  lectione  duodenos  albos;  cum 
paupertate  docentibus  benignius  agi  debet. 

Pro  lignalibus  communitatis  non  plus  accipiatur  a  studioso 
quam  octo  albi  anno  toto,  quam  pecuniam  a  collectore  exactam*^ 
oeconomo  coemendis  lignis  traditum  iri  iubemus.^^ 

Et  quemadmodum  dominorum  multitudo  obest  rebus  publi- 
cis,  sie  magis  in  rem  gymnasiorum  videtur,  ut  unus  sit  prae- 
positus,  qui  pluribus  annis  rem  domesticam  bene  dispenset,  potius 
quam  ut  hanc  provinciam  magistri  regentes  lectionibus  et  re- 
gendi  oneribus  gravati  ulterius  subeant,  nisi  summa  urgente  ne- 
cessitate,  si  alius  nemo  reperiri  possit  et  ob  id  regentes  eo 
munere   vicissim    defungi   cogantur. 

Oeconomo  recta  assignetur  apotheca  seu  vinaria  cella,  aestu- 
ariuni  et  cubiculum-®,  qui  in  aestiiario  suo  famulum  communi- 
tatis et  mulierem  culinariam  praesertim  hyberno  tempore  secum 
fovere  teneatur. 

Repetitiones  (vulgo  reparationes  dictae)  cum  baccalaureandis 
Bub  festum  divi  Martini  coronandis  incipientur  Lucae  evange- 
listae,  alterae  vero  cum  insigniendis  ad  festum  Philippi  et  Jacobi 
incipientur  postridie  divi   Ambrosii. 

Duorum  seniorum  regentium  erit,  singulis  diebus  a  festo 
Palmarum  usque  ad  Pasca  instituere  iiiventiitem  de  suscipiendo 
venerabili  sacramento  eucharistiae  legendo  et  docendo  pro  tem- 
porum   ratione. 

Duorum  vero  iuniorum  erit  curare,  ut  a  Mauritii   usque  ad 


1"  sub  poena   dominorum  superattendcntium. 

^^  aerario  inferri  iubemus. 

1^  unaquaeque  domus  suum  habcai  aerarium  a  magistris  regentibiis 
ohservalum,  in  quod  cuiusque- domus  mulctae  caetericpio  aedium  provcntus 
conjicianlur;  caeterum  claves  aerarii  a  dominis  supcrattendcntibus  custo- 
diantur. 

Item  magistri  regentes  statutorum  domesticorum  interpretationem  a 
superattendentibus  petant,  quibus  recta  praocipientibus  obediro  tenoantur. 
sub  poena  amotionis  a  regentia  et  munere  legendi,  (juod  si  quis  semel 
atque    iterum   monitus   dictiun   audire   noiuerit,    gymnasio   excludatur. 

'*^  eaque  omnia  gratis. 

Bi'iirägc  z.  Gc«ch.  d.  Universitftteu  Mainz  u.  Gießen.  8 


114  Fritz  HerrmaDii. 

festuui  divi  Galli  quotidie  una  legatur  hora  in,  paedagogio  ante 
raeridiem,  ne  gymnasium  onmino  vacuum  sit  lectionibus. 

Semestria  tempora  hoc  modo  auspicabuntur :  aestivum  a 
feriis  pascalibus  die  Lunae  post  dominicam  Quasimodogeuiti,  et 
finiatur  pridie  divi  Matthaei  apostoli;  hybernum  vero  auspicari 
debet  postridie  divi  Galli  finiaturque  pridie  Palmarum. 

Calculus  lectionum  et  habitationum  a  magistris  regeatibus 
ponatur  die  Lunae  post  Judica  et  pridie  Malthaei  apostoli.  Eli- 
gatur  tunc  quoque  collector,  qui  ab  adolescentibus  mercedem 
lectionum,  habitationum  et  beanalia  (ut  vocant)  exigat.  neque 
hoc  omissum  iri  volumus,  quin  singulis  hebdomadibus  diebus 
Saturni  a  magistris  regentibus  hebdomadaria  cum  praeposito 
suppuletur  ratio  adeoque  duplicis  mensae  cum  portionarionim 
tum  magistrorum. 

Pecunia  lectionum  distribuatur  inter  magistros  regentes  et 
legentes,  sed  habitationum  et  aestuariorum  mercedes  adserventur 
in  aedium  structuram;  utensilium  pecunia  ad  culinae  suppellec- 
tilem,  lignalia  vero  et  beanalia  comparandis  lignis  deputentur.'^ 

Magister  collector  indicet  computum  lectionum  publicarum 
et  habitationum  cum  scholaribus  de  hyberno  semestri  Sabbatho 
ante  dominicam  Judica,  de  aestivo  autem  triduo  ante  Matthaei 
festum  aut  proxima  die  non  feriata  sequenti.  collector  item  Status 
magistrorum  et  scholarium  conventus  tertio  die  ante  proponat  in 
album. 

Diebus  rogationum  et  animarum  ante  prandium  non  legetur, 
a  prandio  rursus  ad  studia  redibunt. 

Pridie  Pentecostes  a  prandio  feriae  agantur  usque  in  diem 
Jovis  proximum  exclusive. 

In  vigilia  Corporis  Christi  et  encaeniorum  parochialium  eccle- 
siaruni  divorum  Christophori  et  Quinlini,  item  in  vigilia  divorum 
Christophori  et  Quintini,  similiter  Assumptionis  matris  virginis. 
Conceptionis,  Purificationis,  Annunciationis,  Omnium  item  sanc- 
torum,  pridie  quoque  Martini  et  Tri  um  regum  a  prandio  non 
le|];etur,  sed  magistri  cum  scholastica  iuventute  vespertinas  preces 
cantaturi   suas   parochias   petant. 

Bacchanalibus  non  legatur  a  die  Mercurii  ante  dominicam 
Quinquagcsiinae  usque  in  diem  Jovis  post  eandem  dominicam 
exclusive. 

In  vigilia  Natalis  domini  regentes  moneant  omnes  comme« 
salos,  ut  famulum  comnmuitatis  et  coquam  natalitio  munere  pro 
se  quisque  honestare  non  recuset,  ipsique  caeteris  ea  in  re  exeni- 
plo  sint. 

In  hisce  Statut is  domesticis  ap[>ellatione  aurei  vel  floreni 
intelligi  volumus  viginti  quatuor  albos. 

Postremo  sollicite  et  attente  prospiciant  rei  literariae,  mensae 
communi  et  domui,  ut  sarta  tecta  sint  oninia. 


2^  pecunia  bal»ilationuni  et  aestuariorum  mercedes,  utensilium  pe- 
cunia et  beanalia  in  aerarium  domus  comporlentur,  unde  suo  tempore 
supcrattendentes   cum   regentibus   necessaria  domus  procurabunt. 


Die  Mainzer  Bui'sen  und  ihre  Statuten.  115 

uramentum   magistromm,   qui    in   ^ege^tillIn   principalium 

conaortium  iamiam  sunt  cooptandi. 

Ego  magister  N.  iuro  et  promitto  vobis  dorainis^*  regentibus 
onorem  et  reverentiam,  pacem  atque  concordiam  in  omnibus 
bservandam;  adhaec  utilitatem  reipublicae  tarn  literariae  quam 
omesticae,  quantum  per  me  iieri  potest,  procurabo,  circa  rectani 
iscipulorum  institutionem  sedulus  caeteraque  officia,  quae  re- 
endi  munus  concernunt,  nullum  in  aliquo  discriinine  ponam,  sed 
equali  favore  ad  unum  onmes  prosequar,  statuta  et  statuenda 
icultatis  et  huius  gymnasii  studiose  observaturus.  ita  me  deus 
diuvet  etc. 

Statuta  magistros  iuniores  non  regentes  concernentia. 

Statuimus,  ut  magistri  iuniores  nondum  principales  regenies, 
ive  publice  sive  privatim  in  gymnasio  nostro  docere  velint,  tarn 
xtra  quam  intra  gymnasium  sine  armis,  sed  omni  cum  modestia 
t  honestate  vestium,  ut  magistros  decet,  incedant,  nee  uUos  gym- 
asii  alumnos  arma  ferentes  secum  in  plateis  ire  permittant. 

Item  cubiculum  seu  aestuarium  sibi  locatum  seu  locandum 
laesum  servare  teneatur  sub  poena  instaurandi  diruta,  effracta  aut 
.eglecta  per  eum.  similiter  de  ciavibus  sui  aestuarii  atque  cubi- 
uli   regentibus  principalibus  rationem  reddat. 

Inbonesta  loca  atque  suspecta  nunquam  ingrediantur  nee 
liquos  scholasticorum  ullo  quo  vis  tempore  secum  perducanl ; 
[uod  ubi  fecerint  et  a  magistris  regentibus  moniti  non  desistant, 
.  lectione  et  gymnasio  expulsi  sine  cuiusquam  iniuria  discedaut. 

Item  lectiones  a  regentibus  sibi  cominissas  ab  horae  principio 
;d  finem  usque  persequantur,  a  privatis  autem  lectionibus,  quae 
n  gymnasii  detrimentum  pergere  possent,  abstineant  nee  scho- 
asticos  lectionibus  publicis  abducaut,  immo  publicas  privatis  pro- 
erant. 

Item  nuUam  speciem  ludi  in  gymnasio  exerceant  et  scholasti- 
:os  lusores  indicabunt  regentibus,  nee  extra  gymnasium  praesen- 
ibus  studiosis  ludant,  sub  arbitraria  magistrorum  regentium  poena. 

Praeterea  a  rixandi  studio  alieni  contentiones,  miurias  modis 
>mnibus  vitabunt,  iniurias  vero  vel  contumelias  passi  causam 
itque  negotium  coram  magistris  regentibus  prosequantur,  quo  loco 
d  negotium  componi  non  poterit,  provocatio  fiat  ad  magnificuni 
lominum  rectorem. 

Quodsi  alicui  iuniorum  magistrorum  clavis  ad  ostium  domus 
ieu  gymnasii  concessa  sit,  nullum  seholarem  tempore  nocturno 
;ecum  vel  ingredi  vel  egredi,  immitterc  aut  emittere  sine  regentium 
ronsensu  liceat.  nee  etiam  ullam  personam,  quae  non  sit  in  con- 
»ortio  universitatis,  aut  alias  impudieam  intromittant,  sub  poena 
[ua  supra;  et  si  a  regentibus  lectione  et  gymnasio  expellantur, 
•Jtra  alicuius  iniuriam  recedere  debebunt,  ciaves,  si  quos  habcnt, 
nagistris  regentibus  reddituri. 

*-  supcrattendentibus  et 

8» 


116  Fritz  Herrmann. 

Si  quando  cos  consiliis  aut  conviviis  magistrorum  regentium, 
ubi  vel  secreta  universitatis  vel  propriae  domus  tractantur,  inier- 
esse  contingat  aut  quibuscunque  aliis  iustis  certisque  negotiis, 
quae  magistri  regentes  clam  esse  velint,  id  nemini  revelent. 

Item  nullus  soUicitet  aut  alliciat  ad  se  scholares  privates 
alterius  magistri,  ut  eos  in  suam  disciplinam  pertrahat,  sub  mulcta 
quatuor  florenorum  in  statutis  universitatis  explicatonim,  nisi  cog- 
nitione  rectoris  legitimisque  causis  explicetur.  ^^ 

Eorum  quoque  officii  est,  studiosos  omnes  et  praesertim  sub 
ipsorum  disciplina  degentes  ad  latine  loquendum  sedulo  cohor 
tari  legitimeque  compellere. 

Nolumus  item,  eos  oeconomo,  sive  is  magister  sit  sive  scho- 
laris,  aut  eius  familiae  molestos  et  contumeliosos  fore,  et  talia 
molientes  prohibeant  significentque  regentibus.  quod  si  quis  de- 
fectus  aut  negligentia  circa  mensam  aut  vina  contigerit,  id  non  in 
mensa  coram  compransoribus  proclamabunt,  sed  secreto  ad  re- 
gentes 2*  deferant. 

Quicunque  magistrorum  vel  regentium  famulum  suscepturus 
est,  imprimis  eum  regentibus  sistere  debet,  quibus  iuramenttmi 
fidelitatis,  pacis  et  obsequii  praestet.  quod  si  facere  neglexerint, 
quicquid  damni  famulus  iste  dederit,  magister  illius  pensabit. 
sint  tales  quoque  famuli  laboribus  communitafis  puta  ferendis 
lignis  aut  serendae  domui  curiaeve  obnoxii  idque  iussu  regentium 
atque  praepositi. 

Si  quis  forte  magistrorum  meliorem  nactus  conditionem 
gymnasio  excedere  suoque  legendi  officio  se  abdicare  voluerit, 
id  non  clam  regentibus  faciat,  sed  ante  mensis  spatium  magistris 
regentibus  indicet  et  traditis  clavibus  tum  cubiculi  tum  aestuarii 
bona"  magistrorum  regentium  venia  gymnasio  emigret. 

Paedagogiorum  magistri,  quorum  officium  est,  pueris  episto^ 
laria  argumenta  praescribere,  diebus^e  Saturni^'  epistolas  a  singu- 
lis,  qui  paedagogium  frequentant,  conscriptas  accipiant  et  emen 
dent   unumquemque   etiam   sui   officii   rationes   deposcant. 

Praescripta  omnia  et  subsequens  iuramentum  iunionim  quis- 
que  magistrorum  praestabit  seque  iurasse  et  recte  observaturuni 
sua  manu  subscribendo  contestabitur. 

Juramentum  magistros  iuniores  nondum  principales  regentes 

concernens. 

Ego  magister  N.  iuro  et  promitto  vobis^®  magistris  huius 
gyinnasii  primariis  regentibus  vestrisque  ibidem  successoribus 
honorem  et  obedientiam  in  rebu3  Ileitis  et  honestis  quodque 
commodum  et  utilitatum  reipublicae  literariae  istarum  aedium, 
quoad  potero,  promovebo,  pacem  et  concordiam  cum  regentibus 
imprimis,  deinde  cum  caeteris  eiusdem  collegii  magistris  atque 
scholaribus  eonindemque  familia  observabo  aliisque  eandem  tur- 

^^'  quae  imilcta  universitatis  fisco  applicabitur. 

^*  ad   siiperattendontes   et  regentes.  —  sr.  superattendentium  et. 

2^''  Lunae,  Martis  et.    —  27  j^ora  quarta  vespertina. 

2**  dominis  superattendentibus. 


Die  Mainzer  Bursen  und  ihre  Statuten.  117 

[jare  quoquo  modo  tentantibus  pro  mea  viril i  resistarn;  officio 
Tieo  circa  lectiones,  disputationes  caeteraque  tyrocinia  scholastica 
mihi  commissa  aut  imposterum  comniittenda  nunqaam  defutunis 
üscipulos  nostros  doctiores  ac  meliores  reddere  sedulo  curabo, 
statuta  denique  gymnasii  privata  tum  decreta  tum  decernenda 
bona  fide  observare  totis  conabor  viribus,    ita  me  deus  adiuvet  etc. 

Statuta  ad  oeconomum  seu  gymnasii  dispensatorem 

pertinentia. 

Praecipuum  oeconomi  officium  esto,  ut  rem  domesticam  et 
culinariam  provide  utiliterque  administret,  tum  optima  fide  cuncta 
obsonia  omnemque  penum  coemat,  prudenter  dispenset  suoque 
tempore  coram  magistris  regentibus  de  singulis  rationem  reddere 
teneatur. 

Oeconomo  nullum  sua  autoritate  compransorem  continuum 
nisi  primum  consultis  regentibus  suscipere  liceat,  a  suscepto 
autem  e  vestigio  pecuniam  utensilium,   puta  sex  albos,  exigat. 

Item  quandocunque  nomine  supeliectilis,  quae  utensilia  vulgo 
dicuntur,  pecuniam  receperit,  videlicet  a  singulis  compransoribus 
sex  albos,  eam  in  nullos  alios  usus  quam  pro  coemenda  supellec- 
tile  consultis  primum  super  ea  re  magistris  regentibus  con vertat.** 
hinc  culinae  supellectilem  ac  mensarum  linteamina,  libram  itidem 
et  pondera  recte  faciat,  custodiat  curetque  diligenter,  quarum 
remm  duos  habeant  catalogos,  magistri  regentes  unum,  alterum 
praepositus.  si  quid  vel  effractum  vel  vetustate  attritum  fuerit, 
praepositus  expensis  communitatis  aut  refici  curabit  aut  iussu^^ 
regentium  nova  comparet. 

Et  ut  mundam,  illaesam  beneque  custoditam  supellectilem 
adservet,  fores  culinae  clausas  contineat,  ne  scholasticis  aliisve 
aditus  pateat,  per  quos  damnum  dari  aut  aliquid  auferri  possit. 

Lignorum  quoque  et  carbonum  cura  praepositi  sit,  quae  in 
tempore  accepta  in  id  a'^  magistro  collectore  pecunia  providere 
atque  coemere  debebit;  obsonando  duplici  mensae  diligenter,  uti- 
liter  laudeque  prospiciat,  quarum  una  magistrorum  et  qui  cum 
eisdem  lautius  vivere  volunt,  altera  vero  frugaliter  et  portionaria 
pro  tenuioribus  instituatur.  nam  ut  duplex  habeatUr  mensa^ 
non  una  subest  ratio,  tamen  ea  potissimum,  ut  hi,  qui  a  re 
familiari  laborant,  si  non  lautiorem,  tamen  frugaliorem  mensam 
coemere  sibi  possint.**  carnes  decentes  ac  pisces  vivos  obsonetur 
oeconomus,  a  mortuis  autem  piscibus  aut  carne  foetida  mor- 
bidave  oeconomus  obsonando  abstiueat,  cibum  omnem  bene  dili- 
genterque  coqui  providebit. 

Oeconomus  vendendo  vina  reipublicae  literariae  non  suae 
avaritiae  siudeat  omnesque  agitandorum  symposiorum  occasiones 

-*  beanalia  etiam,  videlicet  octo  albos,  ab  unoquoque  recens  deposito 
orconomus  exigat  referatque  singula  in  aerarium  gymnasii. 

3"  superattendcntium  et.    —  ^i  superattendentibus  et  regentibus. 

^'  si  forte  temporis  successu  superattendentibus  atque  [regentibus] 
gymnasiis  videatur  magistrorum  mensa  gravamini  fore,  liberum  erit,  ean- 
dom  quoque  in  portionariam  mensam  commutare. 


118  Fritz  Herrmann. 

scholasticis  vina  vendendo  praecipiat  negue  ad  se  in  suum  vel 
aestuarium  vel  cubiculum  compotandi  cansa  alliciat. 

Haud  minimum  oeconomi  munus  est  curare  ac  prospicere, 
nt  sarta  tectaque  in  aedibus  sint  omnia,  tegulas,  calcem,  arenam, 
cementa  caeteraque  ad  reficiendam  domnm  cum  consensu  regen* 
tium  disponat,  quae  omnia  a^^  magistro  collectore  solvantur, 
et  cum  magistro  regente,  cui  adiunctus  fuerit,  hebdomadatim 
structuram  domus  et  cubicula  diligenter  inspiciat.  quod  si  quid 
ruinosum  fractumve  comperiatur,  iussu  regentium  mox  refici  curet. 

Sit  quoque  diligens  observator,  ne  scholastici  mensas,  scarana, 
fenestras  caeteraque  vel  corrumpant  vel  frangant,  et  si  quid 
talium  rerum  rupium  fractumve  fuerit,  oeconomus  quamprinium 
refici  curabit  eins  impendio,  qui  damnura  dedit,  aut,  si  omnino 
incognitus  sit,  expensis  communitatis. 

Oeconomus  pro  suo  salario  habeat  singulis  septimanis  non 
minus  tribus  albis,  quos  duodecim  commensales  pendere  possunt; 
quod  si  plures  fuerint  commensales,  singuli  dabunt  duos  denarios 
idque  in  commodum  cedat  praepositi.  mensam  praeterea  gra- 
tuitam  habeat,  is  quoque  ^^  solus  vina  vendat  iusto  pretio.  quod 
si  scholaris  sit  et  ad  gradum  aliquem  aspiret,  lectiones,  repara- 
tiones  et  cathedralia,  habitationem,  cellam  quoque  vinariam  gratis 
habeat.  olim  praepositus  cum  famulo  communitatis  coci  partes 
agebant;  id  quia  nunc  obsolevit  et  receptum  est,  ut  mulieres 
culinariae  provectae  aetatis  conducantur,  ideo  famula  culinae^ 
pro  annuo  salario  ad  summum  a  regentibus  accipiat  sex  florenos 
monetae;  quod  si  qua  minoris  conduci  potest,  id  in  rempublicam 
gymnasii  cedet.  oeconomus,  cui  soli  admittitur  vini  vendendi 
facultas,  teneatur  mulieri  culinariae  quotidie  dare  de  suo  vino 
dimidiam   vini   mensuram. 

Juramentum  oeconomi   seu  praepositi. 

Ego  N.  in  oecononum  ac  fidelem  huius  gymnasii  dispen- 
satorem  suscipiendus  iuro  ac  promitto  vobis  magistris  regen- 
tibus honorem  et  reverentiam,  pacem  et  concordiam  cum  uni 
versis  servandam.  porro  in  dati  et  expensi  rationibus  aliisque 
harum  aedium  et  communitatis  negotiis  optima  fide  agam  omnia, 
culinae  supellectilem  caeteraque  mihi  commissa  accurate  custo- 
diam,  rationem  quoque  de  singulis  redditurus.  et  quaecunqne 
mensam  communem  concernunt,  laute  ac  munditer  instrui  curalM), 
domus  huius  structuram  cum  magistro  regente  in  id  deputato 
inspiciam,  pecuniam,  quae  ad  utensilia  datur'«,  a  singulis  deben- 
tibus  exigam,  de  eins  fide  rationem  suo  tempore  redditurus, 
statuta  ac  statuenda  praeposituram  concernentia  rationi  consen- 
tanea  de  damno  cavendo  bonoque  promovendo  pro  ingenii  mei 
viribus  exactissime  observabo.     sie  me  deus  adiuvet  etc. 

3'*  superattendentibus  et  regentibus. 

3*  ad  arbitrium  ac  iustam  aestimationem  superattendentium. 

^^  ei  famulus  communitatis  a  praeposito  deligantur,  suscipiatur  auteni 
a  dominis  superattendentibus  [et]  regentibus  famula.  pro  annuo  salario 
ad  summum  a  regentibus  accipiat  sex  florenos  monetae. 

3^'  beanalia  item. 


Die  Mainzer  Bursen  und  ihre  Statuten.  119 

Statuta,  quae  ad  famulum  commiinitatis  attinent. 

Famulus  communitatis  a  praeposito  deligatur  et  a  collegio 
regentium  suscipiatur,  qui,  simulatque  assuniptus  fuerit,  sub- 
sequeus  iuramentum  corani  ma^istris  regentibus  praestet.  idem 
cum  famula  in  culina  gratis  victitet,  habitationem  ( !),  lectiones 
et  si  baccalaureatus  aut  magisterii  gradus  tambiet,  reparationes 
et  cathedralia  ei  gratis  permittantur.  a  singulis  beaniam  de- 
ponentibus  accipiet  unum  album,  cuius  dimidia  pars  cedet  mulieri 
culinariae. 

Juramentum  famuii  communitatis. 

Ego  N.  assumendus  in  famulum  iuro  vobis^^  magistris  regen- 
tibus honorem  et  reverentiam  debitamque  obedientiam  circa  omnes 
res  licitas  atque  honestas.  iuro  etiam,  nie  onmibus  harum  aedium 
magistris,  scholaribus  totique  domui  fidelem,  utilem  ac  frugi  fore, 
eorum  commodum  tarn  publicum  quam  privatum  promovendo 
incommodaque  cavendo,  quoad  eins  per  me  fieri  polest,  item 
officio  mihi  iniuncto  ex  dominorum  regentium  et  oeconomi  prae- 
scripto,  quibus  obedire  tenebor,  bona  fide,  ut  famulum  communi- 
tatis decet,  def Ungar,  quod  si  oeconomus  mihi  vel  minimis  la- 
boribus  vel  aliis  negotiis  forte  molestus  esse  ceperit,  id  non 
privata  cum  eo  controversia,  sed  coram'^  magistris  regentibus 
in  hebdomadario  calculo  congregatis  finiam.  rem  praeterea  gym- 
nasii  fideliter  procuraturus  fidelem  me  cum  in  omnibus  tum  vero 
in  re  pecuniaria,  pane,  came,  vino  caeterisque  praestabo  nee 
quicquam  praedictarum  rerum  alicui  magistronim  aut  scholarium 
nisi  oeconomi  consensu  depromam. 

At  si  conviviis  magistrorum  eorumve  conventibus  aut  ratio- 
nibus  vel  quibuscunque  ipsorum  negotiis  interero,  eorum  secreta 
dicta  factave  nee  verbis  nee  scripto  aut  alio  quovis  modo  ulli 
unquam  manifestabo.  omnes  guoque  detractiones,  minas,  iniurias 
aut  danma  a  gymnasii  incolis  privatim  aut  publice  facta  quam- 
primum  magistris  regentibus  aut  saltem  uni  manifestabo.  nulluni 
etiam  ludi  genus  in  gymnasio  aut  extra  committam  et  studiosos 
nostros  haec  facientes  apud  magistros  regentes  deferam.  domum 
sive  gymnasium  praeclusum  nulla  arte  aut  modo  quocunque 
tempore  sine  unius  aut  pluriuni  regentium  consensu  aperiam 
neque  scholares  id  conantes  aut  per  fenestras  aliave  loca  ingredi 
aut  egredi  tentantes  vel  inhonestas  personas  introducere  volentes 
consilio  vel  opera  mea  iuvabo,  immo  quamprimmn  hoc  aliquos 
molientes  rescivero,  mox  magistris  regentibus  significabo. 

Domum  absque  praepositi  venia  non  exibo  adeoque  prius- 
quam  omne  mihi  ex  officio  praescriptum  pensum  absolvero,  nee 
unquam  sine  eiusdem  aut  alicuius  regentis  scitu  extra  gymnasium 
p^moctabo.  item  si  quando  magistris  regentibus  visuni  fuerit, 
ita  ot  famulandi  officio  amovendus  sim,  citra  alicuius  iniuriam, 
infamiam  aut  contumeliam  sum  modeste  recessurus.     postremo 


^7  dominis  superattendentibus  et. 
^^  dominis  superattendentibus   et. 


120  Fritz  Herrm«inn. 

universa  decreta  et  decernenda  sive  scripta  sive  non  ßcripta 
a  magistri  regentibus  mihi  iniuncta  citra  omnem  fraudem  ol>- 
servabo  atque  perficiam  neque  meo  officio  me  abdicabo,  nisi 
oeconomum  aut  magistros  regentes  prius  ad  totum  mensis  spatium 
de  hoc  certiores  reddidero,  si  non  urgens  necessitas  me  excuset. 
sie  me  deus  adiuvet  etc. 

Praedicta  omnia  me  bona  fide  iurasse  ego  N.  manus  meae 
chirographo  protestor. 

De   famulis   magistrorum   regentium  et   iegentium. 

In  fanmlum  magistri  alicuius  assumendus  praesto  exhibeatur 
regentibus,  quem  illi  sui  officii  praemoneant  et  subsequens  iura- 
mentum  iurandum  offerant.  hi  famuli'^  quemadmodum  et  doc- 
torum  et  nostratium  magistrorum  omnium  lectiones  et  repara- 
tiones  gratis  audiant,  habitationes  quoque  sicut  communitatis  in 
colae  habeant. 

Sequitur  eorundem  iusiurandum. 

Ego  N.  in  famulum  magistri  N.  assumendus  iuro  vobis  ina- 
gistris  regentibus,  me  non  solum  magistro  meo  N.,  sed  et  istanim 
aedium  communitati  fidum,  morigerum,  pacificum  ac  honeste 
officiosum  fore,  incommoda  gymnasii,  quoad  eins  per  me  fieri 
potest,  cavebo,  lusores  et  scortatores  et  eos,  qui  magistris  re- 
gentibus vel  legentibus  obloquendo  detrectant,  aliave  illicita  per- 
petrantes  magistro  meo  vel  uni  e  regentibus  candide  indicabo. 
postremo,  si  quando  opera  mea  commodove  potero,  usibus  gym- 
nasii famulo  communitatis  iussu  praepositi  aut  regentis  non  sum 
defuturus  omniaque  agam,  quae  fidelem  ac  studiosum  famulum 
decent.    ita  me  cleus  adiuvet  etc. 

Statuta  scholaribus  gymnasiorum  inquilinis  et  compran- 

soribus  communia. 

Imprimis  praeposito  adv^entum  suum  indicent,  qui  non  sine 
regentium  consensu  suscipiantur,  quorum  quisque  pro  utensi- 
libus  sex  albos  numeret. 

Convivas  illiberale  hominum  genus  et  circumforaneum  nemo 
compransorem   adducat. 

Discessuri  ad  tempus  a  mensa,  nisi  praeposito  dixerint. 
totius  septimanae  pretium  solvant  professoribus  artium  aut  ali- 
arum  facultatum ;  nisi  continue  operam  dent,  a  mensa  excludantur. 

Maiores  minoribus  nuUum  offendiculum  praebeant,  sed  sua 
et  cum  sui  similibus  agant. 

Morum  quoque  barbariem  nullam  introducant  nee  ullam  statu- 
tis  tarn  publicis  quam  privatis  fraudem  facere  conentur. 

Prandentes  et  coenantes  sint  placidi,  modesti  et  quieti  neque 
fernere  de  esculentis  apposilis  iudicent,  sed  si  quid  acciderit, 
quod  censura  dignum  videatur,  praeceptores  suos  certiores  faci- 
ant,  sub  poena  a  regentibus  eis  infligenda,  si  aliter  fecerint. 

^'*  liabitntionein,    reparaliones,    cathedralia   gratis   habebunt. 


Die  Mainzer  Bursen  und  ihre  Statuten.  121 

Praescripta  statuta  ab  uno  magistro  regentiuin  in  praesentia 
iraepositi  futuro  compransori  praelegentur,  cui  mox  subsequeiis 
Tomissio  a  regente  deferatur. 

Superiora  inhabitantes  coenacula  et  cubicula  ea  potissimum. 
[uae  vias*<^,  quo  vulgo  iter  fit,  prospectant.  si  quid  vel  deiecerint  vel 
ffuderint.  quo  praetereuntes  ledantur,  arbitrio  regentium  pro  ad- 
(lissi  criininis  ratione  mulctantur,  salvo  tainen  iure  partis  lacsae. 

Gymnasiorum  inquilini  sine  consensu  sui  praeceptoris  aut 
nagistrorum  regentium  foris  nunquam  pernoctent,  sub  poena  sex 
.Iborum  structurae  domus  applicandorum,  salva  uniusruiusque 
(xcusatione   legitima,    quam   medio    iuramento    dorebit. 

Decrevit  item  facultas **,  ne  quis  studentium  aut  inhabitan- 
ium  gymnasia  alliciat  ad  se  extraneos,  plebeios  aliosve  a  Musarum 
;onsortio  alienos  introducendo  eos  ad  cubiculum  suum  neve  in 
',0  tales  contineat,  nisi  quare  hoc  faciat,  sui  magistri  consensu  ac 
renia  sese  purgare  poterit.  talem  vero  vel  tales  ultra  octiduum  in 
;ymnasio  secum  retinere  non  liceat,  nisi  iusta  legitimaque  causa 
actum  excuset.  et  iste,  qui  talem  aliquem  secum  foverit,  obli- 
jatus  esto  pro  impendiis,  damiiis  et  eo,  quod  interest  regen- 
ibus,  oeconomo  caeterisque  gymnasii  inquilinis,  sub  poena  dimi- 
iii  aurei  gymnasio  ad  structuram  domus  praestandi.  sed  si  hoc 
nodo  introductus  consanguineus  sit  alicuius  in  proximiori  gradu 
dque  certis  documentis  constet,  tum  quidem  niitius  agendum  est. 
amen  pro  iudicio  magistrorum  regentium. 

Inhabitantibus  non  liceat  mutare  cubicula  vel  suscipere  so- 
lalem  aut  pellere  sine  permissu  magistri  hebdomadarii,  sub  poena 
iimidii  floreni,  salvo  damno  magistrorum  regentium.** 

Promissio  scholarium  inhabitantium  et  commensalium. 

Ego  N.,  gymnasii  huius  inquilinus  atque  compransor,  con- 
;eptis  verbis  promitto  vobis  dominis  regentibus,  vestris  institutioni- 
)us,  disciplinis  atque  statutis  domesticis  me  probe  morigerum 
:ore,  ea  diligenter  observaturus  nullamque  eis  facturus  fraudem 
aec  contra  aliquem  insurgere  aut  conspirare  tentabo,  factiones, 
lamna  tam  publica  quam  privata  nemini  inferens,  inferre  volentes 
pro  mea  virili  vetabo  ac  magistris  regentibus  aut  saltem  uni  indi- 
cabo.  praelerea  commodum  et  utilitatem  huius  gymnasii,  quoad 
potero,  promovere  conabor,  in  omnibus  tum  licitis  lum  honestis 
vobis  obediam.  quod  si  ulla  de  causa,  quae  magistros  moveat,  a 
mensa  et  inhabitatione  discedere  iussus  fuero,  id  sine  cuiusquam 
iniuria,  damno,  infamia  aut  offendiculo  faciam  idque  manuali  pro- 
nissione  firmum  esse  volo. 

statuta  scholasticos  omnes,  sive  intra  sive  extra  gymnasium 

habitent,  ex  aequo  concernentia. 

üniversitatis  edicto  cautum  est,  ne  quis  studiosorum  ad  publi- 
ras    vel   privatas   lectiones    admittatur,    nisi    prius    deposito    pro 

*<>  cui  vulgus  intersit.  —  *^  universitas. 

*^  inhabitans  cubiculum  gymnasii  singulis  annis  singulos  inde  dc- 
»endai  aureos. 


122  Fritz  Herrm^iin. 

more  beanio  nomen  magnifico  rectori  universitatis  matriculae 
inscribendum  dederit  solveritque  magistris  regentibus  pro  sui  re 
ceptione  in  consortium  studiosorum  eius  collegii,  in  quo  militare 
vult,  beanalia,  quae  sunt  octo  albi. 

Cavit  item  universitas,  ne  studiosi,  qui  novitiis  beanium  de- 
ponentibus  testes  praesto  adsunt,  eos  iniuriis  aut  contumeliis 
afficiant  neque  manus  adferant,  immo  hoc,  quidquid  est  negotii,  per 
mittatur  depositori;  nam  in  hac  fabula  eos  potius  spectatores 
quam  actores  mavult  universitas,  quibus  praeter  verborum  iocos 
nihil  permittatur,  sub  poena  dimidii  floreni. 

Extra  gymnasium  sine  rectoris  consensu,  cognitione  et  sigillo 
non  habitent  nisi  indigenae  et  doctorum  ac  magistrorum  nostra- 
tium  famuli,  qui  hac  lege  soluti  sunt. 

Praeceptores  suos  cum  privatos  tum  publicos  revereantur. 
quos  debito  honore  prosequantur  neque  eis  refragari  aut  resistere 
debent,  immo  vero  in  rebus  licitis  et  honestis  per  omnia  obedire. 
praesertim  quantum  ad  disciplinam  schohisticam  attinet,  sub  poena 
vel  mulcta  pro  admissi  qualitate  a  magistris  regentibus  infligenda. 

Quicunque  ad  gradum  baccalaureatus  vel  magisterii  aspirare 
contendit,  praeter  publicos  praeceptores  privatum  aliquem  sui 
gymnasii  sibi  deligat  tradatque  se  in  eius  disciplinam.  qui  si 
adhuc  institutione  ^grammatica  eget,  det  praeceptori  suo  quatuor 
florenos  annuos,  pro  qua  pecunia  teneatur  sibi  magister  privatus 
indies  repetere  duas  horas.  sin  mediocriter  doctus,  ut  illa  puerili 
institutione  ei  iam  non  sit  opus,  dabit  duos  florenos  annuos  et 
audiat  a  praeceptore  indies  unam  horam,  sub  qua  leget  bonura 
aliquem  et  classicum  scriptorem.  quodsi  profectioris  eruditionis 
fuerit  ac  caeteris  lectionibus  occupatus,  pro  privata  disciplina 
integro  anno  pendet  dimidium  aurei,  ut  saltem  eum  magister 
privatus  pro  discipulo  agnoscat.     cum  pauperibus  mitius  agatur. 

Publicas  tum  ordinarias  tum  formales  lectiones,  disputationes 
item  domesticas  et  publicas  visitent  diligenter  aliis  privatim  et 
publice  semper  opponendo.  lectionibus  et  disputationibus  a  prin- 
cipio  ad  finem  usque  interesse  et  modelte  attenteque  auscultare 
debebunt;  qui  secus  fecerit,  non  censebitur  ei  disputationi  vel 
lectioni  interfuisse  eiusque  completionibus  derogabitur.  cessa- 
tores  et  studia  sua  non  continuantes  posthac  pro  studentibus  non 
reputentur  neque  etiam  privilegiis  et  libertatibus  universitatis 
nostrae  gaudebunt.  ab  unoquoque  opponente,  respondente  et  lumi- 
nante  absentibus,  quia  tales  aliis  incommodant  impediuntque  nego- 
tium literarium,  exigatur  unus  albus  magistrorum  praesentiis  in- 
ferendus.  pro  qua  mulcta  regentes  illa  hora  candelas  pro  absen- 
tibus  sufficiant.     latine  passim  et  ubique  loquentur. 

Ante  primam  lauream  magistris  et  baccalaureis  praesidentibus 
quater  pro  se  quisque  respondeat.  tractandis  epistolaribus  argu- 
mentis  vel  declamationibus  stilum  singulis  septimanis  exerceant.*' 


*^  Statuimus  insuper,  quod  quisque  scholarium  singulis  semestribus 
dimidium  aurei  conferat  pro  gymnasiorum  conservatione  atque  structura. 

Lectiones  vero  tarn  ordinarias  quam  formales  et  paedagogiorum  im- 
fHisterum  audiantur   gratis. 


Die  Mainzer  Burseii  und  ihre  Statuten.  143 

De  honestate  vitae^  moribus  ac  habitu  discipulorum. 

luventus  nostra  pietatem  imprimis  colat  nee  temere  iuret  nee 
«liris  quemquam  devoveat,  sed  et  dominicis  quibusque  una  cum 
aliis  festis  diebus  discipuli  praeceptores  subsecuti  parochialem 
saam  ecelesiam  petant,  divinae  rei  officio  peragendo  diligenter 
interfuturi,  sacram  quoque  concionem  attente  per  silentium  aus- 
cultaturi  reverenter  adeant,  similiter  vespertinis  precibus  praedie- 
torum  dierum  intersint.  quicunque  vero  secus  fecerint,  quatuor 
nummorum  mulctantor. 

Dominos  magnificum  rectorem,  doctores,  licentiatos,  magistros 
aliosque  viros,  canonicos  potissimum  ae  sacerdotes  honestasque 
iuxta  mätronas  honorifice  reverenterque  aperto  capite  venerentur. 

A  flagitiosorum  hominum  convictu,  alea,  ebrietate,  laicorum 
choreis,  publicis  tabernis,  inhonestis  suspeetisque  domibus,  aliis 
quoque  id  genus  peccatis  ac  locis  in  totum  abstineant.  si  quis  vero 
harum  legum  praescriptum  transsilierit,  poenani  dimidiati  floreni 
ab  universitate  in  hoe  praeseriptam  experietur. 

Eadem  mulcta  statuta  est  nocturnis  erronibus,  et  praesertim, 
qui  post  horam  nonam  in  plateis  deprehenduntur.  item  si  quis 
domum,  hortum,  vineam  aliave  loca  cuiuscunque  sine  domini 
consensu  et  voluntate  ingressus  fuerit,  is  solvet  universitati  inte- 
grum florenum. 

Si  quis  studiosorum  fores  gymnasii  praeclusas  illicito  modo 
aperuerit  aut  etiam  egredi  vel  ingredi  moliatur,  is  pendat  univer- 
sitati ternos  aureos. 

Habitu  ae  vestitu  honesto  scholastici  nostri  utantur  nee  in 
humeros  indecore  reiecta  lacinia  incedant;  nemo  quoque  pallia 
gestet  neque  ex  tunica  pallium  faciat.  omni  denique  vestitu,  qui 
Studiosos  in  publico  dedecet,  modis  omnibus  abstinere  volumus, 
sub  poena  regentium  arbitraria.  quod  si  punitus  non  desistat, 
magnifico  rectori  puniendus  sisti  debet,  qui  in  talem  pro  suo  ani- 
madvertet  arbitrio. 

Culinam  nullos  ingrediatur  temere,  sub  poena  quatuor  num- 
morum; iteranti  culpam  augebitur  muleta. 

Nulius  utensilla,  fenestras,  fores,  teeta,  parietes,  breviter  quie- 
quid  ad  huius  domus  usum  attinet,  vel  effringere  vel  corumpere 
audeat  neye  loca  passim  exc^rnendo  vel  meiendo  inquinato,  sub 
poena  pro  modo  delicti  a  magistris  infligenda. 

Vestibulum  atque  fores  gymnasii  non  statio,  non  ambulacrum, 
sed  transitus  sit  praetereuntibus.  vel  vieinis  vel  contubernalibus 
quavis  raUone,  ne  sint  molesti,  caveant,  sub  arbitraria  regentium 
poeoa. 

Id  quoque  cautum  est,  ne  quis  discipulorum  nostrorum  pro 
foribus  aut  in  area  sive  atrio  domus  tumultum  aut  indecoram  ali- 
quam  vociferationem  committat  neve  iisdem  in  locis  absque  tunica 
conspiciatur,  sub  poena  magistrorum  regentium  arbitraria. 

Nemo  alteri  vel  re  vel  verbis  iniuriam  aut  negotium  facessat 
nee  armis  instructus  sit  quisquam,  sed  si  qua  habet,  iam  inde  a 
principio  simulatque  discipulus  esse  coeperit  praeceptori  suo  pri- 
vato  aut  regentibus  tradat,  sub  poena  amissionis  eorundem.    bre- 


134  Frilz  Herniiann. 

TÜer  nemo  sludiosorum  arma  defcral  sub  poena  in  slatutibns 
universilalis   expressa . 

Alius  in  alium  nc  ioco  quiiiem  pugiunculum  aut  cultrum  dis- 
tringilo.  nemo  sui  vindictam  ab  alio  sumat.  sed  regentea  ant  pri- 
vati  pra«ceptores  iudices  esse  debenl. 

Ludere  nee  ubique  nee  scmper.  sed  diebus  Jovis  liberum  sii: 
ludentli  locus  area  posterior,  modus  liberalis  ac  recreandi  animi 
causa,  non  in  pecunia  esto. 

De  baccalaureis, 

Baccalaurei  in  supplicationibus.  publicis  aclibus,  niensis.  nudi 
loriis  primum  locum  inter  discipulos  ocrupent. 

lidem  ante  niagisterium  magislris  publice  praesidentibii5 
sexies  respondeant. 

Diebus  item  dominicis  publice  hora  prima  quater  praesidesni. 
propositis  in  id  grammaticis,  dialecticts  physicisque  themalibu^. 

Domesticis  quoque  dispulationibus  frequenter  inleiesse  vu- 
lunms  et  respondendo  ef  opponcndo  sese  exerceant. 

Praeterea  viginli  niagislrornm  dispulationibus  publiris  a  ra- 
pile  ad  raicem  usque  interfuissc  ad  magisterium  adspiralun  debenl. 
Statulorum   domesticorum    linis. 


ü 

■i 

SÄ: 

IV. 

Die  Wiederbesetzung  erledigter  Professuren. 

Ein  Beitrag  zur  Mainzer  Universitatsgeschichte  des 

au^ehenden  i6.  sowie  des  17.  Jahrhunderts. 

Von  Heinrich  Schrohe. 


Drei  Jahrhunderte  führte  die  Mainzer  Universität  ein 
höchst  bescheidenes  Dasein  und  reichte  in  ihrem  Einfluß  nicht 
über  die  engen  Grenzen  des  Kurstaates.  Erst  im  dritten  Jahr- 
zehnt vor  ihrem  Untergange  erregte  sie  in  weiteren  Kreisen 
Interesse.  Es  war  dies  zunächst  im  Jahre  1781,  als  der  Kur- 
fürst Friedrich  Karl  von  Erthal  drei  reiche  Mainzer  Klöster  zu 
Gunsten  der  Universität  aufhob;  er  wollte  auf  diese  Weise 
die  stets  unzulänglichen  Mittel  seiner  Hochschule  vermehren. 
Dieser  Maßnahme,  die  bei  den  einen  lebhafte  Zustimmung,  bei 
den  anderen  große  Entrüstung  hervorrief,  folgte  1784  das 
pomphafte  Universitätsfest.  Letzteres  ist  bereits  in  das  Be- 
reich der  Darstellung  gezogen  worden*;  dagegen  ist  die 
ältere  Universitätsgeschichte  noch  ziemlich  unerforscht;  die 
Dürftigkeit  des  weithin  zerstreuten  Stoffes  mag  hieran  schuld 
sein.  Die  Aktenstücke,  die  hier  zum  erstenmal  milgeleilt 
werden',  klären  die   Zustände  an  der  Mainzer  Universität 

i  Vergl.  Bocken  hei  Hier,  die  Reslauralion  liet  Mainzer  HocIiHchule  im 
.■.ihre   1784,  Mainz  1884. 

-  Flip  L'rkunJen  fntslamnien  füllt  Aklonfaszikeln  der  Gcneralrrzeptur 
des  Mainzer  Universität sfonds.  Nur  diese  Reste  des  ehemaligen  .Mainzer 
Iniversilätsarchivs  befinden  sich  heute  noch  an  genannter  Stt'lle.  IVr 
i.ieiieralrezeplor,  Herr  Pinanzamtiiiann  llofmanti,  dem  aurti  an  dieser  Stelle 
für  sehr  freundliche»  Entgegenkommen  gedankt  sei,  hat  sii>  mir  zur 
Itciiulzung  gütigst  nberlassen.  Ihrem  Inhalte  nach  lassen  sich  iliese  Akten- 
sliii-ki'  ini  wesentlichen  in  folgende  drei  Gruppen  gliedern:  1.  .^ktensliicke, 
di-  »ich  auf  die  Klosterauf hebuiifien  im  Jahre  17«!  beziehen.  Sie  sind  ein 
mir  liereits  zu  einer  Darstellnng  verarbeitet,  die  voraussichtlich  in  diesem 
Jahre  erscheinen  wird.     2.  Aktenstücke,  welche  einzelne  finanzielle  Vor- 


126  Heinrich  Schrohe. 

wenigstens  nach  einer  Seite  und  für  eine  Zeit;  sie  zeigen 
nämlich  vor  allem,  wie  im  17.  Jahrhundert  die  erledigten 
Professuren  besetzt  wurden;  daneben  geben  sie  wertvollen 
Aufschluß  über  die  Verhältnisse,  aus  denen  damals  die 
Mainzer  Universitätsprofessoren  hervorgingen. 

Wie  an  anderen  Hochschulen,  so  wirikten  auch  an  der 
Mainzer  die  Professoren  mit,  wenn  es  sich  um  die  Neube- 
setzung erledigter  Lehrstühle  handelte.  Doch  war  ihr  Anteil 
an  dieser  Erneuerung  des  Lehrkörpers  nicht  in  allen  Fällen 
der  gleiche.  Wie  es  scheint,  hing  die  Neubesetzung  einzelner 
Professuren  ganz  von  der  Universität  ab.  Dahin  gehörte  die 
einstmals  von  Jvo  W^ittig  gestiftete  Professur  der  Geschichte. 
Rektor  und  Universität  verliehen ^  diese  nach  dem  Tode 
Dr.  Bürgers  am  16.  September  1617  dem  Magister  Gerhard 
Holtmann,  nach  dessen  Hinscheiden  am  28.  November  1618 
dem  Dr.  phil.  et  med.  Stephanus  Dominicus  Brunheimer. 
Deshalb  bittet*  auch  Dr.  iur.  utr.  Karl  Faber  am  16.  Sep- 
tember 1637  Rektor  und  Universität,  man  möge  ihm  die  Profes- 
sur der  Geschichte  übertragen,  die  durch  den  Tod  Dr.  Kaspar 
Beußers  erledigt  sei.  Auch  einzelne  Lehrstühle  der  Theologie 
wurden  wohl  durch  die  Universität  neu  besetzt.  Vor  1^ 
richtet^  der  Mainzer  Quintinspfarrer  Liz.  Christian  Hipparius 
an  Rektor  und  Universität  das  Ersuchen,  sie  möchten  nicht 
eher  inbetreff  der  Präbende  an  der  Liebfrauenkirche,  mit  der 
eine  Lehrstelle  an  d^r  theologischen  Fakultät  verbunden  war, 
entscheiden,    als    bis    sich    der  Kurfürst  über    sein    (des 

hältnissi;  der  Mainzer  Universität  und  der  ihr  einverleibten  Kanonikate  fc»* 
troffen.  Mil  ihrer  Bearbeitung  bin  ich  zurzeit  beschäftigt.  3.  AktendHIda^ 
welche  die;  Besetzung  erh'digter  Professuren  und  Korrespondenzen  rwindlW 
Kurfürsten  und  der  Universität  zum  Gegenstande  haben;  sie  werden  s&mt- 
lich  in  dem  vorUegenden  Aufsatze  veröffentlicht.  Diese  letztgenanaten 
Urkunden  waren  wohl  schon  in  kurfürstlicher  Zeit  zu  einer  Gruppe  ver- 
einigt; denn  es  findet  sich  bei  ihnen  ein  Blatt  mit  folgender  Aufschrift: 
„Die  Professuras  Singularum  facullatum  domus  Schenkenbergicae  betref- 
fende Sachen,  besonders  Churfürst.  praesentationes  ad  Professuras  et  bis  an- 
nexos  Cannonicatus  Universität is  Moguntiae  ad  1583.  II.  S.  3".  Auf  der 
Rückseite  des  Blattes  wird  vermerkt:  ,,Pro  notta  in  dießem  fasciculo  be- 
finden sich  Suppliquen  pro  obtinendis  professuris  ad  Archiepiscopos  et 
Rlectores  Moguntinos  und  von  dießen  Universitati  überschickte  praesenta- 
tiones Professorum  und  Andere  schreiben,  welche  alle  Secundum  ordineni 
Chronologicum  gelegt  seynd,  und  dienen  dieße  Documenta  ad  Supplendani 
Seriem  Professorum  Mogunt.  und  geben  ein  und  andere  Historische  Nach- 
richt von  der  älteren  Verfaßung  allhiesiger  Universität*'.  Jedenfalls  lagen 
in  diesem  Umschlag  früher  mehr  Aktenstücke  als  heute;  denn  es  findet 
sich  ein  Blättchen  vor  mit  der  Aufschrift:  Concept  Doct.  Johan  Friderich 
Travellmans  Praesentation  an  D.  Georg  Bruels  verledigten  Lectur  stanndt 
1574.     Der  so  beschriebene  Kntwurf  fehlt  heute  bei  den  Akten. 

3  S.  unten  Brief  No.  XX.   —  *  S.  unten  Brief  No.  XXIV. 

^  S.  unten  Brief  No.  I. 


Die  Wiederbesetxnng  erledigter  Professuren.  187 

Hipparius)  Schreiben  geäußert  habe.  Selbst  als  1639  der 
Kurfürst  Anseim  Kasimir  einen  so  hervorragenden  und  gut 
empfohlenen  Gelehrten  wie  Dr.  theol.  Johann  Jakob  Völcker 
mit  einem  Kanonikat  an  Liebfrau  und  der  entsprechenden  Pro- 
fessur begabt  wissen  wollte,  konnte  er  nichts  anderes  tun, 
als  ihn  der  Universität  angelegentlich  empfehlen.^  „Also 
haben  Wir"  —  so  schreibt  Anseim  Kasimir  an  die  Universität 
—  „nachgestalt  dießes  subiecti,  welches  in  Theologica  Fa- 


cultate  ad  Professuram  habite  et  qualiücatum,  nit  underlaßen 
wollen,  Euch  solches  hiemit  bestermaßen  reiommendiren, 
Euch  dabeneben  genedtigst  ersuchent,  ermelten  Vökkher  auß 
denen  oberzehlten  Ursachen  damit  (d.  h.  mit  dem  Kanonikate) 
zu  providiren . . ."  Auch  dann,  wenn  es  dringend  geboten  war, 
einen  Lehrstuhl  neu  zu  besetzen,  durfte  der  Kurfürst  in  die 
Befugnisse  der  Universität  nicht  eingreifen.  Im  Jahre  1596 
starb  der  Professor  der  Medizin  Dr.  Dietrich  Lac.  Da  um  diese 
Zeit  in  Mainz  eine  Seuche  herrschte,  und  die  Zahl  der  Arzte 
gering  war,  so  lag  eine  rasche  Erlediguri;;  der  Vakanz  in  aller 


:  S.  unlen  Brief  No.  XXV. 


Ii28  Heinrich  Schrolie. 

Interesse.  Auch  das  Domkapitel  hatte  an  die  Dringlich- 
keit der  Angelegenheit  gemahnt.  Trotzdem  beschränkte^  sich 
Kurfürst  Wolfgang  darauf,  zu  schleunigem  Verfahren  aufzu- 
fordern. Waren  durch  irgend  einen  Anlaß  die  Rechte,  die  der 
Universität  bei  einer  Neubesetzung  zustanden,  geschmälert 
worden,  so  schreckte  sie  nicht  davor  zurück,  auf  ihre  Befug- 
nisse selbst  einen  Kurfürsten  hinzuweisen.  So  erklärte*  die 
Universität  am  18.  Dezember  1620,  der  Hofsekretarius  Gabriel 
Dopperich  habe  sich  die  Geschichtsprofessur,  die  gar  nicht 
erledigt  gewesen  sei,  angemaßt;  ein  Schreiben,  das  Kur- 
fürst Johann  Schweickhardt  an  seinen  Siegler  richtete,  und 
in  dem  die  Kollatur  enthalten  war,  habe  Dopperich  hierzu 
veranlaßt.  Sie  sandten  ferner  dem  Kurfürsten  einen  Extrakt 
aus  den  Statuten,  wonach  die  Vergebung  der  Geschichte- 
professur zu  allen  Zeiten  Sache  der  Universität  war.  „Also 
verhoffen  wir  unterthenigst**,  so  schlössen  sie  ihre  Eingabe, 
„Euer  ChurfürstJiche  Gnaden  -  (werden)  unnß,.  Ayie  bißhero, 
also  fürohin  bev  solchem  herbrachten  Jure  conferendi  ver- 

m 

pleiben,  die  Statuta  in  väterlichen  Gnaden  handthaben  usw. 
lassen". 

Natürlich  war  auch  dann,  wenn  die  Universität  eine 
Professur  neu  zu  besetzen  hatte,  die  Mitwirkung  des  Kur- 
fürsten nicht  völlig  ausgeschlossen.  Der  Geschäftsgang  war 
vielmehr  folgender:  In  dem  Concilium  congregatum  einigte* 
sich  die  Universität  auf  eine  geeignete  Persönlichkeit,  die  ihr 
entweder  schon  aus  eigner  Beobachtung  bekannt  war,  oder 
die  sich  bei  ihr  um  den  erledigten  Posten  bewarb.  Dieselbe 
präsentierte  und  nominierte  sie  in  besonderer  Urkunde  dem 
Kurfürsten.  Dieser  ließ^"  nun  der  vorgeschlagenen  Per- 
sönlichkeit eine  Präsentationsurkunde  ausfertigen,  die  ihr 
durch  die  Universität  ausgehändigt  wurde. 

Wie  viel(*  Professuren  in  dieser  Weise  der  Universität 
zustanden,  konnte  nicht  ermittelt  werden.  Wenn  die  Tat- 
sache, daß  die  meisten  hier  veröffentlichten  Gesuche  um 
Professuren  unmittelbar  an  die  Kurfürsten  gingen,  einen 
Rückschluß  gestattet,  so  besetzen  letztere  die  Mehrzahl  der 
Lehrstühle  aus  eigner  Machtvollkommenheit.  Wie  es  insbe- 
sondere bei  der  Artistenfakultät  gehalten  wurde,  läßt  das 
vorliegende  Material  völlig  unentschieden;  denn  es  ist  in  ihm 
auch  nicht  ein  Gesuch  enthalten,  das  eine  Professur  in  ge- 
nannter Fakultät  zum  Gegenstande  hat. 

Doch  nicht  nur  bei   Neubesetzungen  machten  die  Kur- 


•   S.  unt(Mi  Hricf  Nu.  VII.    —  8  s.  unten  Brief  No.  XX. 
'•^  ^^.  unten  lirief  Nu.  V.    —    lo  s.    unten   Brief   No.   VI. 


Die  Wiederbeselzung  erledigter  Professuren.  129 

fürsten  ihren  Einfluß  gellend.  Sie  griffen  auch  dann  ein, 
wenn  ihnen  irgendwelche  Verhältnisse  mißfielen  oder  wenn 
sie  als  höchste  Instanz  zur  Entscheidung  angerufen  wurden; 
das  heißt,  sie  beaufsichtigten  die  Universität  und  sprachen 
in  besonderen  Angelegenheiten  der  Universität  Recht. 
Zwischen  1561  und  1582  tadelte ^^  der  Kurfürst  Daniel  die 
Unregelmäßigkeiten,  die  sich  bei  Abhaltung  der  Vorlesungen 
eingeschlichen  hatten,  und  forderte  darüber  Bericht  ein. 
Streitigkeiten,  die  zwischen  den  Doktoren  der  Medizin  Justus 
Hartlieb  und  Johann  Martin  Hohenstatt  ausbrachen,  be- 
wogen^-  den  Kurfürsten  Anselm  Kasimir,  den  derzeitigen 
Rektor  der  Universität  mit  einem  Ausgleich  zu  betrauen. 
Umgekehrt  wurde  die  Universität  bei  dem  Kurfürsten  vor- 
stellig ^3,  als  sich  Stephanus  Dominicus  Brunheimer  durch  den 
Hofsekretär  Dopperich  in  seiner  Geschichtsprofessur  beein- 
trächtigt sah.  Mit  diesem  Aufsichtsrecht  der  Kurfürsten 
hing  es  zusammen,  daß  alle  Änderungs-  und  Verbesserungs- 
vorschläge ihnen  unterbreitet  werden  mußten.  Deshalb 
wandten  1*  sich  die  Mitglieder  der  medizinischen  Fakultät,  als 
sie  1661  das  Studium  in  dieser  verbessern  wollten,  mit 
ihrem  Vorhaben  an  den  Kurfürsten. 

Die  zweite  Richtung,  nach  der  die  unten  folgenden  Ur- 
kunden Aufschluß  geben,  betrifft  die  Persönlichkeit  einzelner 
Bewerber.  Freilich  sind  unter  letzteren  Mediziner  mid 
Artisten  nicht  vertreten.  Von  den  beiden  Theologen,  die  nach 
Professuren  streben,  kommt  Hipparius  nicht  in  Betracht;  aus 
seinem  Schreiben^^  nämlich  können  wir  über  Bildungsgang 
und  Charakter  dieses  Mannes  kein  Urteil  gewinnen.  Dagegen 
tritt  uns  in  Dr.  theol.  Johann  Jakob  Völcker  ein  Gelehrter 
entgegen,  der  auch  wohl  heute  noch  den  Anforderungen  einer 
katiiolisch-theologischen  Fakultät  entspräche.  Er  hatte ^^ 
nach  siebenjährigem  Studium  im  Collegium  GcTmanicum  in 
Rom  mit  höchstem  Lob  und  Preis  den  Magister  der  Philo- 
sophie erworben,  sodann  in  Perugia  den  Dr.  der  Theologie 
errungen;  außerdem  besaß  er  Empfehlungen  verschiedener 
Kardinäle. 

Im  Gegensatz  zu  Völcker,  der  an  fremden  Universitäten 
den  Grund  zu  seinem  Wissen  gelegt  hatte,  stehen  die  zahl- 
reichen Juristen,  von  denen  die  folgenden  Aktenstücke 
handeln.  Sie  strebten  meist  aus  praktischen  Berufen  heraus 
nach  dieser  oder  jener  juristischen  Professur.  Dr.  Kuehorn^' 

n  S.  unten  Brief  No.  II.   —   12  s.   unten   Brief  No.  XXVI. 
1»  S.  unten  Brief  No.  XX.  —  1*  S.  unten  Brief  No.  XX VIII. 
i-i  S.  unten  Brief  No.  I.  —  1«  S.  unten  Brief  No.  XXV. 
17  S.  unten  Brief  No.  IV. 

Beiträge  z.  Qesch.  d.  UniTersitäten  Mainz  u.  Gießen.  9 


130  Heinrich  Schrohe. 

war  kurfürstlicher  Siegler  und  Professor  des  kanonischen 
Rechtes.  Professor  Dr.  Offenhals  versah^®  die  Stelle  eines 
Assessors  bei  dem  kurfürstlichen  Hofgericht.  Dr.  Kaspar 
Beußer,  der  sich  1611  um  die  Professur  der  Institutionen 
bewarb,  war^^  kurfürstlicher  Rat  und  Hofgerichtsassessor; 
diese  Professur  war  erledigt  worden  durch  den  Tod  Lic. 
Konrad  Kennickens,  der  zugleich  das  Amt  eines  weltlichen 
Richters  versah.  -«  Licentiat  Franz  Philipp  Faust  vereinigt^*^ 
das  Kanzleramt  und  die  Professur  des  Zivilrechtes  in  seiner 
Person.  Bei  den  Bewerbern  um  juristische  Professuren,  die 
aus  praktischen  Berufen  hervorgingen,  ist  es  natürlich,  daß  sie 
auf  ihre  seitlierige  treue  Pflichterfüllung  als  Empfehlung  hin- 
weisen. Ein  Beispiel  mag  in  dieser  Beziehung  ausreichen! 
Licentiat  Franz  Philipp  Faust  rühmt  dem  Kurfürsten  Johann 
Schweickhardt  seinen  Schwiegersohn  Dr.  Kaspar  Beußer  mit 
folgenden  Worten  ^2.  ^^Wiewol  ich  nhun  sein,  meines  dochter- 
maus,  qualitet  nehcr  nicht  anzihen  soll,  wil  oder  kan,  als 
E.  Churf.  Gnaden  dieselbige  vileicht  von  andern,  sonderlich 
dem  Hern  Vicario  in  Spiritualibus,  auch  dero  hem  Vitzdhomb 
und  Hoffrichtern  zu  Meintz  bißhero  vernhomen  hab  oder  noch 
vernhemen  kan  .  .  .**  Andere  wiesen  auf  ihr  gutes  Exanien, 
auf  die  erfolgte  Doktorpromotion  und  auf  einzelne  erfolg- 
reich abgehaltene  Übungen  hin.  Dr.  Dionysius  Campius  tat^ 
sich  nach  dem  Gutachten  des  kurfürstlichen  Kanzlers  und 
anderer  in  publice  docendo  et  disputando  rühmlich  hervor. 
Johann  Karl  Fichart  ist 2*  ein  „gelehrter  man  in  den  rechten, 
welches  nit  allein  die  Professores  ordinarij  fürnemblich  E. 
Churf.  Gnaden  (Wolfgangs)  Cantzler  Doctor  Philips  alhier 
in  examine  habito  von  ime  erfahren,  sondern  auch  doctis 
commentarijs  suis,  so  er  beschrieben,  etwan  öffentlich  be- 
zeugen würdt**.  Dr.  Muntzethaler  sagt^^:  Ich  habe  mich 
„ein  Zeitla*ng  hero  nach  angenommenem  Gradu  doctoratus 
und  gehaltener  alhie  gewöhnlicher  repetition  nicht  allein 
bei  Churf.  Gnaden  (Johann  Schweickhardts)  wohlverord- 
netem loblichen  Hoffgericht  advocando,  sonder  auch  der 
loblichen  Universitet  gewohnlichen  üblichen  Proceß  (ohne 
gesagtem  rhum)  dermaßen  kündigt  und  erfahren  gemacht 
daß"  usw.  Am  meisten  entspricht  unseren  Anschauungen 
die    Art,    wie    sich    Johann    Adam    Krebs    für    die    Pro- 


1«  S.  unten  Brief  No.  Vlll.    —  10  S.  unten  Brief  No.  IX. 

2f'  S.  unten  Brief  No.  XI. 

21  S.  unten  Brief  No.   XV,   XVI.   XVII  u.   XVIII. 

2iJ  S.  unten  Brief  No.  IX.    —  23  s.  unten  Brief  No.  XI  u,  XIII 

2-  S.  unten  Brief  No.  III.  —  26  55.  unten  Brief  No.  XVII. 


Die  Wiederbesetzung  erledigter  Professuren.  131 

Bssur  empfiehlt^ß;  er  erklärt  dem  Kurfürsten  Anselm  Kasi- 
lir:  ,,\Van  ich  dan,  gnädigster  Churfürst  undt  herr,  nach 
oilenden  vieljährigen  Juridischen  Studijs  undt  ange- 
lohmenem  gradu  Doctoratus  Zeit  wehrendes  unseres  exiiij 
ttit  consens  Juridicae  facultatis  dieser  orths  ein  collegium 
►rivatum  ein  Zeitlang  gehalten**  usw.  Krebs  hatte  also  schon 
er  der  Bewerbung  eine  Art  akademischer  Lehrtätigkeit  aus- 
;eübt.  Die  meisten  anderen  Bewerber  um  Lehrstellen 
lormten  auf  Ähnliches  sicher  nicht  hinweisen,  indem  sie 
iben  lediglich  praktische  Juristeii  waren.  Als  solche  hatten 
ie  zum  Teil  auch  sehr  merkwürdige  Anschauungen  über  den 
Vert  und  die  Bedeutung  einer  Professur.  Dr.  Caspar  Beußer 
littet*^  den  Kurfürsten  Johann  Schweickhardt  um  die  er- 
edigte  Professur  für  Zivilrecht  in  folgender  Weise:  Es 
nögen  mich  Euer  Kurf.  Gnaden,  „wofern  keiner  auß 
lero  Churf.  Gnaden  Hochansehenlichen  Herrn  Hoff-Räthen, 
lenen  ich  dißfalls  gahr  gehrn  cediren  will  und  zu  cediren 
;chiildig  binn,  dero  mehrbesagter  Lectur  begeren  solte,  vor 
inderen  damitt  gnedigst  providiren  und  gleichsam b  zur 
lecompens  meiner  ahn  obgedachtem  E.  Churf. 
inaden  Vicariats-Gericht  bißanhero  gehabter  men- 
liglich  derorthes  bekhandter  mühe  unndt  arbeit  be- 
gnadigen wollen**.  Dr.  Lubentius  Pfingsthorn  wünscht^s 
lie  Professur  des  verstorbenen  Dr.  Bloienstatt,  „In  sonderer 
)etrachtungh,  daß  ich  mein  übrige  hoffnungh  lebens  (so  ich  in 
»tudijs  et  praxi  gesetzt  hab)  under  Ew.  Churf.  Gnaden  pro- 
ection  schütz  und  schirm  woll  zubringjenn  undt  meiner  biß- 
lero  in  studijs  gehabter  mühen  und  angewandtenn  fleiß 
einigen  nutzen  spüren  und  befinden  mögt**. 

So  suchte  sich  mancher  für  seither  geleistete  Dienste 
nit  einer  Professur  zu  entschädigen.  Unter  dieser  Voraus- 
setzung verstehen  wir  es  auch,  daß  verdiente  Staatsdiener 
hre  nächsten  Angehörigen  dem  Universitätskörper  einzu- 
rerleiben  suchten ;  sie  wollten  so  gleichsam  ihr  Anrecht  auf 
ir^ergünstigungen  im  Staatsdienste  anderen  zuwenden.  Es 
jittet  deshalb  Dr.  Christoph  Faber»»  für  seinen  Schwager 
Fohann  Karl  Fichart,  der  weltliche  Richter  Adam  Ebers- 
leim*®  für  seinen  Sohn  Dr.  Gerhard  Ebersheim,  Lizentiat 
^ranz  Philipp  Faust'^  für  seinen  Tochtermann  Dr.  Kaspar 
3en£er,  Lizentiat  Anton  Bayerns  für  seinen  Tochtermann 
Dr.  Dionysius  Campius,  um  eine  Professur.  Andere  Bewerber 

*<••  S.  unten  Brief  No.  XXIII.   —  27  s.  unten  Brief  No.  XVIII. 

2»  S.  unten  Brief  No.  XXII.  —  2»  S.  unten  Brief  No.  111  u.  IV. 

»0  S.  unten  Brief  No.  VIII.  —  si  s.  unten  Brief  No.  IX. 

w  S.  unten  Brief  No.  XI  u.  XIII. 

9* 


132  Heinrich  Schrohe. 

um  Professuren  machen  geltend,  daß  ihre  Verwandten  die- 
selben vorher  innehatten,  oder  daß  sich  letztere  um  den 
Staat  irgendwie  verdient  machten.  So  weist^^  Dr.  jur.  utr. 
Karl  Faber  auf  die  Verdienste  hin,  die  sich  seine  Ver- 
wandten um  die  Mainzer  Universität  erworben  haben. 
Dr.  Franz  Vogt  wünscht s*  die  Professur,  die  durch  den  Tod 
seines  Schwagers  erledigt  wurde.  Dr.  Kaspar  Beußer^^  meldet 
sich  für  die  Professur  seines  Schwiegervaters. 

Gewiß  verraten  solche  Bewerbungen  keinen  besonderen 
Blick  für  die  Bedürfnisse  der  Universität,  vielmehr  eine  ge- 
wisse Selbstsucht.  Aber  die  Aktenstücke  versetzen  uns  ja 
auch  nur  in  die  Verhältnisse  eines  bescheidenen  Staates. 
In  diesem  kommen  Herrscher  und  Beamte  öfter  in  Be- 
rührung und  darum  auch  in  nähere  Beziehungen.  Auch 
darauf  ist  zu  achten,  daß  Bittgesuche,  wie  die  vorliegenden, 
persönlichen  Wünschen  entspringen;  diese  legt  der  Antrag- 
steller häufig  ganz  offen  dar,  um  auf  Erfüllung  seiner  Bitten 
rechnen  zu  dürfen.  In  solcher  Intimität  liegt  der  Reiz,  den 
derartige  Aktenstücke  gewähren,  aber  auch  die  Gefahr  für 
deren  falsche  Beurteilung. 


Urkundliche  Beilagen. 

I. 

Lizentiat  Hipparius  bittet  Rektor  und  Universität  in  Sachen 
der  Präbende  an  der  Liebfrauenkirche,  mit  der  eine  Theologie- 
lektur  verbunden  ist,  nicht  eher  zu  entscheiden,  als  bis 
sich  der  Kurfürst  zu  seinem  erst  abgesandten   Bittgesuch 

geäußert  hat. 

Vor  1559.1 

Gen.-Rez.  Mainz. 

Salutem  plurimam  cum  omnium  obsequiorum  meorum  prorap- 
titudine,  Magnifico  dominc  Rector,  praestantissimi  excellentissimi 
doctissimique  Viri  dni  Doctores  Licentiati  atque  Magistri. 

Heri  sub  Crepusculum  ex  PedelloUiiiversitatis  intellexi  vestras 
patenütates  atque  dominationes  hodie  ad  horam  7.  conventuros  ad 

3-  S.  unten  Brief  No.  XXIV.  —  ^  S.  unten  Brief  No.  XV. 

3^  S.  unten  Brief  No.  XVI  u.  XVIII. 

1  In  (Ion  Predigten  des  Johannes  Wild,  die  Hipparius  1559  heraus- 
gal),  ist  bereits  davon  die  Rede,  daß  er  „schweren  Chorgangs  halben" 
an  weiterer  literariscJier  Tätigkeit  gehindert  sei.  Forschner,  Geschäfte  der 
Pfarrei  und  Pfarrkirche  St,  Quintin  in  Mainz,  S.  94—96.  Falk,  Bibel- 
studien in  Mainz,  S.  203. 


Die  Wiederbesetzung  erledigter  Professuren.  133 

audienduin  quaedam  proponi  nomine  Reverendissimi  quae  for- 
tassis  Stipendium  Theologicum  iam  vacans  concernere  possint. 
Quomodo  vero  ego  maxima  hactenus  Infirmitate  et  Tabellionum 
penuria  diffidentiaque  impeditus  Memoratum  iam  Reverendissinmm 
Dominum  Nostrum,  Principem  meum  Clementissimum,  hodie  tan- 
dem  hora  sexta  per  proprias  litteras  ad  proprias  Ipsius  Reve- 
rendissimae  Celsitudinis  traditas  in  Causa  praefati  Stipendij  nostra 
persona  et  parte  informavi,  Idcirco  Vesiras  paternitates  atque 
dominationes  humiliter  obnixeque  observatas  velim  (Cum  bis 
meis  precibus  et  admonitione  non  opus  sit,  et  ego  de  Vestra 
Consultissima  prudentia  et  diligenti  aequitatis  consideratione  bona- 
que  erga  me  benevolentia  et  voluntate  optime  sperem  atque 
confidam)  si  illae  quae  proponuntur,  saepe  dictum  Stipendium  con- 
cernunt,  non  prius  procedere  velint,  donec  etiam  principis  sen- 
tentiam  ad  meas  litteras  vel  hodie  vel  propediem  perceperint. 
Hisce  paucis  paternitatibus  dominationibusque  in  suam  defen- 
sionem  et  paternam  curam  me  humiliter  conmiendo  offeroque 
me  cum  omnibus  meis  (?).  Scriptum  ex  lecto  et  summa  infirmitate 
intra  septimam  et  octavam  quod  citius  tremulis  manibus  scribere 
non  potui. 

Paternitatum  Dominationumque  Vestrarun,  Obsequentissimus 
Christianus    Hipparius    propria    manu. 

Quer  geschrieben  von  Hipparius :  Praebenda  Universitatis  ad 
gradus  Mariae  Mog. 

Von  anderer  Hand:  Supplicatio  D.  Licentiati  Hipparii  pro  obtinendo 
stipendio  Theologico  seu  Canonicatu  ad  gradus  B.  M.  V.  cui  professura 
Theologien  annexa  erat. 

n. 

Dekan  und  Mitglieder  der  theologischen  Fakultät  (dem  Je- 
suitenorden angehörig)  geben  einer  Aufforderung  des  Kur- 
fürsten Daniel  zufoge  über  die  Gründe  Aufschluß,  die 
Verzögerungen  und  Unterbrechungen  der  theologischen  Vor- 
lesungen verursachten. 

(Zwischen  1561 — 1582;  vielleicht  1564  oder  1571,  beides  Seuchojahre, 
vergl.  Schrohe,   Kurmainz  in  den  Pestjahren   1666/67,  S.   1,  Anm.   1.) 

Gen.-Rez.  Mainz. 

Etsi  non  ignoramus,  Revorendissime  in  Christo  Praosul  et 
Hlustrissime  Princeps,  paternam  Vestrae  Celsitudinis  adinoni- 
tionem  ad  Academiam  Moguntinam  non  ita  pridem  institutam, 
nequaquam  principaliter  et  omnino  Facultatem  nostram  concernere 
(singulis  enim  diebus  binae  a  fratribus  nostris  Jesuitis  habentur 
lectiones,  declamatur,  disputatur,  praedicatur,  ut  fermc  plures 
lectiones  fiant  quam  sunt  auditores)  tarnen  ut  Vestrae  Celsitudini 
satisfiat  nosque  velut  membra  in  omnibus  obsequentia  cxhibeamus, 
libuit  paucis  nostrae  morae  et  intermissionis  causas  referrc.  Nam 
primo  nonnulli  ex  nobis  fuerunt  ad  sedandos  tumultus  hinc  a 
Vestra  Celsitudine  delegati,  ubi  aliquamdiu  sunt,  haud  sine  vitae 
suae  periculo  commorati,  donec  tandem  in  statu  res  fuerint  meliori. 
IntereapestishicMoguntiaecoepitgrassariet  ita  sevire,  ut  utrunque 
ColJegium,  immo  omnes  Facultates  amplius  Anno  siluerint  penuria 


134  Heinrich  Schrohe. 

auditorum  coacti.  Deinde,  cum  Vestrae  Celsitudinis  munificenlia  ' 
instauraretur  Collegium  Algesheim,  in  quo  hactenus  Theologia 
praelecta,  non  fuit  urbis  locus  certus,  ubi  profiteremur,  assignatus, 
nee  Dominus  Lambertus  ausus  fuit  nos  sine  Vestrae  Celsitudinis 
consensu  ad  pristinum  Auditorium  recipere.  Rogavimus  igitur  j 
Reverendos  Dominos  Doctorem  Lambertumi»  et  Christianum,  ut 
ipsi  interim  vices  nostras  gererent  et  ordinarie  praelegerent  quod 
et  summa  fide,  industria,  cura  ab  illis,  ut  supra  dixi,  et  factum 
est,  et  adhuc  fit  in  diem  praesentem.  Moneat  Deus  omnipotens 
suo  Spiritu  corda  hominum,  ut  tanta  diligentia  audiant  et  discant, 
quanta  Deo  volente  a  nobis  docebitur,  certe  nos  omnes  tales 
praestabimus  in  hoc  studio,  ut  Vestra  Illustrissima  Celsitudo 
omnem  humilitatem  et  obsequium  agnoscat.  Dens  pater  Doraini 
nos  tri  Jesu  Christi  conservet  Vestram  Celsitudinem  in  gloriam 
sui  nominis  et  animae  salutem  atque  adeo  totius  Ecciesiae  aedifica- 
tionem  diu  salvam   et  incolumen.     Amen. 

Rmae  Cels.  V.  Decauus  et  Facultas  Theologica  Universitatis 
Moguntinae.  Universitatis  Moguntinae. 

Rückseite:  Theologorum  Excusatio  an  Churfürst  Daniel  ob  internus- 
sas   Lcclioncs. 

III. 

Dr.  Christoph  Faber  bittet  den  Kurfürsten  Wolf  gang,  die 
Lektur  in  Jure  Canonico,  die  durch  den  Tod  des  kurfürst- 
lichen Sieglers  Dr.  Kuehorn^  erledigt  sei,  seinem  Schwager 

Johann  Karl  Fichart  zu  übertragen. 

^\schai!enburg,  den  16.  Dezember  1586. 

Mainz.  Stadtbibl.  Univers.  No.  108. 

Hochwurdigster  Churfürst.  E.  Churf.  Gnaden  sein  mein 
unterthenigste  gehorsamme  willigste  dienst  jeder  Zeit  zuvor. 
Gnedigster  Her.  E.  Churf.  Gnaden  soll  ich  in  unterthenigkaitt 
onberichtet  nit  laßen.  Nachdem  Doctor  Kuehorn  E.  Churf. 
Gnaden  geweßener  Siegelcr  am  16.  dieses  mit  todt  abgangen, 
daß  derwegen  E.  Churf.  Gnaden  eine  Lectur  in  iure  Canonico 
alhier  gnedigst  zue  conferiren  haben. 

Dieweill  dan  meiner  haußfrawen  prüder  Johan  Carlle 
Fichartt,  ein  furnemer,  geschickter  und  gelehrter  man  in  den 
rechten,  welches  nit  allein  die  Professores  ordinarij  fürnemblich 
E.  Churf.  Gnaden  Cantzler  Doctor  Philips  alhier  in  examine 
habito  von  ime  erfaren,  sondern  auch  doctis  commentarijs  suis, 
so  er  beschrieben,  etwan  öffentlich  bezeugen  würdt. 

Also  ist  mein  unterthenigst  pitten,  wie  dan  auch  er  hiemit 
selbst  unterthenigst  pitten  thut,  E.  Churf.  Gnaden  wollen  ime 
solche  Lectur  gnedigst  conferiren. 

Dargegen  ist  er  erpietig,  mit  fleißigem  öffentlichem  profitiren 
in  den  rechten  (wie  er  dan  ondaß  sich  darzue  gefast  und  ent- 
schloßen  gewest)  sich   dermaßen   zu  erzaigen,   daß  die  Studiosi 

la  \  (.rjzl.  über  Lambert  Auer,  den  ersten  Rektor  der  Mainzer  Jesuiten, 
Schunk,  Beitr.   zur  Mainz.  Gesch.,   III,  S.  163. 

2  Knodt,  De  Moguntia  Litterata  Comm.   II,  S.  58. 


Die  Wiederbesetzung  erledigter  Professuren.  135 

inen  gern  hören,  auch  E.  Churf.  Gnaden  und  dero  Facultas 
Juridica  darab  sonder  gnedigst  und  angenemes  gefallens  haben 
werden. 

Und  obwoll  er  noch  zur  Zeitt  gradum  Licentiae  nit  erlanget, 
so  ist  er  doch  a  Professoribus  Juridicis  darzue  gelaßen  und  würdt 
seinen  actum,  geliebts  Gott,  in  Kurtzer  zeitt,  wan  eß  dem  Pro- 
motori und  Cancellario  gelegenn,  haltten.  Und  thuen  E.  Churf. 
Gnaden  dem  Allmechtigen  zue  seinem  Göttlichen  schütz  und 
schirm  hiemit  unterthenigst  bevelen.  Datum  Maintz  am  16.  De- 
cembris  anno  1586. 

E.  Churf.  Gnaden 
unterthenigster  gehorsammer  diener  Christoff  Faber  Dr. 

Piückseite:  Dem  Hochwürdigsten  Pursten  und  hem,  hem  Wolffgang 
Ertzbischoven  zue  Maintz,  des  Hailigen  Römischen  Reichs  durch  Ger- 
manien Ertz-Cantzlem  und  Churfursten,  meinem  gnedigsten  hernn.  Von 
anderen  Händen:  1586,  16.  Dec.  Dr.  Faber  verschreibt  seinen  Schwager 
Johann  Karlen  Ficharten  zur  verlediglen  Lectur  weylandt  Dr.  Johan 
Kuhorn  selig.     Praesentirt  Aschaffenburg  Datum  den  18.  Decembris  1586. 

IV. 

Kurfürst  Wolfgang  antwortet  auf  das  vorstehende  Schreiben 
des  Dr.  Christoph  Faber,  in  dem  dieser  für  die  erledigte  Lektur 
des  Sieglers  Dr.  Johann  Kuehorn  seinen  Schwager  Johann 
Karl  Fichart  empfiehlt;  es  sei  immöglich  dieser  Bitte  zu 
willfahren,  da  diese  Lektur  einer  geistlichen  Person  zu- 
komme, indem  sie  mit  einem  Kanonikat  an  der  Frankfurter 

Bartholomäuskirche  verbunden  sei. 

Aschaffenburg,  den  19.  Dezember  1586. 

Mainz.  Stadtbibl.  Univers.  No.  108. 
Wolfgang 

Ehrsamer  und  hochlerter  lieber  getrewer.  Wir  haben  aus 
deinem  Schreiben  vom  16.  diß  gnediglich  le.^eudt  vernommen, 
welchergestalt  du  deiner  haußfrawen  Brueder  Johann  Carl 
Ficharden  zu  erlangung  deren  Lectur,  so  durch  thödtlich  ableiben 
weilandt  unnsers  gewesenen  Siglers  in  unnserer  Statt  Mainz  Doctor 
Johann  Kuehorn  selig,  in  Jure  Canonico  vacirt,  bey  unns  unter- 
theniglich  verschreiben  unnd  verbitten  thuest. 

Ob  wir  nun  wol  auf  solche  deine  unnd  anderer  bey  unns 
eingewandte  Commendation  berurten,  deinem  Schwager  mit  an- 
gezogener Lectur  gnediglich  gern  willfahren  wollen,  So  mögen 
wir  dir  yedoch  nit  pergen,  das  solche  Lectur  per  BuUam  Sixti 
Qoarti  piissimae  memoriae  auf  ein  Canonicat  unnserer  St.  Bar- 
tholomes  Stifftskirchen  in  Franckfurt  fundirt  unnd  die  praesen- 
tatio  der  Universitet  in  berurter  unnserer  Statt  Maintz  incorporirt, 
solche  Lectur  auch  bißanhero  yederzeit  von  Geistlichen  Personen 
possedirt  worden  ist.  Die  weil  es  dann  die  gelegenheit  hat,  so 
magst  du  verstendiglich  selbst  abnemen,  wie  gerne  wir  auch 
sonsten  dir  unnd  obermeltem  deinem  Schwager  hiermitt  befur- 
derlich  erscheinen  weiten,  das  unns  danmter  ainige  enderung 
furzunemen  nit  wol   gepuren   thue,   Welches   wir  dir  zur  nach- 


136  Heinrich  Schrohe. 

richtung  und  wissenschafft  in  geneigten  gnaden  hin  wider  nit  pergen 
wolten.  Datum  Aschaffenburg  19.  Decembris  86.  An  Doctor 
Christof   Fabern. 

Zu  Beginn  des  Schreibens  links  oben:  J.  D.  Kurtzvolck. 

V. 

Johann  Karl  Fichart  bittet  den  Kurfürsten  Wolfgang,  ihm 
die  Lektur  des  kanonischen  Rechtes,  die  durch  den  Tod 
des  Kanzlers  Dr.  Johann  Kiiehorn  erledigt  ilst,  zu  übertragen 
und  ihn  mit  dem  dazu  verordneten  Kanonikat  an  St.  Bar- 
tholomäus in  Frankfurt  zu  providieren,  zumal  ihn  die  Uni- 
versität,  der   bei    dieser   Lektur    das   Recht   dazu    zusteht, 

ihrerseits  präsentiert  und  nominiert. 

Mainz.  Siadtbibl.  Univers.  No.  108. 

Hoch  würdigster  Churfurst.  E.  Churf.  Gnaden  sein  mein 
unterthenigste  gehorsamme  willigste  Dienst  meinem  geringen  ver- 
mögen noch  jederzeit  zuvor.  Gnodigster  Her.  Nachdem  weilant 
Doctor  Johan  Kuehorn  E.  Churf.  Gnaden  geweßener  Siegeler 
vor  wennig  tagen  mit  tott  abgangen,  dem  Gott  gnedig  sein  wöU, 
dadurch  dau  lectura  in  iure  Canonico  alhie  vacirt;  Dieweil  dan 
den  Ehrwürdigen  hoch-  und  w^ohlgelehrten  Hern  Rectori  Decanis 
caeterisque  Doctoribus  Licentiatis  et  Magistris  almae  universi- 
tatis  Moguntinae  Nomina tion  einer  qualificirten  personen  zue 
angeregter  Lectur  und  darzue  verordneten  Canonicats  auf  dem 
Stifft  zue  St.  Bartholomeus  zue  Franckfortt  vermög  einer  Bäpst- 
licheii  Bullen  Sixii  IUI  zuestehet  und  gepüret. 

Also  haben  sie  in  congregato  concilio  sich  verglichen  und 
entschloßen  meine  wiewoll  geringfügige  person  E.  Churf.  Gnaden 
alß  perpetuo  executori  angeregter  bapstlichen  Bullen  zu  prä- 
sentiren  und  zue  noniiniren  und  darauff  mir  beigefügte  nomination 
fertigen  und  zuestellen  laßen. 

Wau  dan  ich  dero  unterthenigster  Hoffnung  bin,  E.  Churf. 
Gnaden  werden  mir  von  wegen  meines  avi  und  proavi  (so  diesem 
Ertzstifft  viel  iahren  gedienet)  zue  diesem  meinem  anfenglichen 
aufnemmen  und  woUfart  mit  gnaden  woll  gewogen  sein.  Und 
den  ich  deßen  entlichen  entschloßen,  gleich  nach  erlangter  pro- 
motion  in  Licentiatum  iuris  (wie  dan  verhoffentlich  in  künfftigem 
Januario  geschehen  soll)  mit  schuldigem  und  möglichem  fleiß 
in  iure  alhie  publice  zue  profitiren. 

Also  ist  an  E.  Churf.  Gnaden  mein  unlerthenigs  pitten, 
die  wollen  angeregt  Canonicath  und  dardurch  bemelte  Lectur 
gliedigst  mir  conferiren  unnd  darauff  gepürliche  literas  provisionis 
an  die  Ehrwürdige  Hern  Dochaiit  und  Capittell  obgenannts  stiffls 
S.  Bartholomei  (denselben  meine  person  und  qualification  zue 
solchem  Canonicath  wolbekant)  bei  dero  Cantzleien  fertigen  und 
mir  zuekommen  laßen. 

Solches  umb  E.  Churf.  Gnaden  underthenigst  zu  verdienen, 
will  ich  iederzeit  meines  läbens  genaigt  und  bereit  sein.  Und 
thue  hiemit  E.  Churf.  Gnaden  dem  AUmechtigen  zue  seinem 
göttlichen  schütz  und  schirm  und  mich  deroselben  zue  gnaden 


Die  Wiederbesetzung  erledigter  Professuren.  137 

iederzeit  unterthenigst  bevelen.    Datum  Maintz  am  24.  Decembris 
anno  1586. 

E.   Churf.  Gnaden  unterthenigster  gehorsambster  diener 

Joannes  Carolus  Fichardus. 

Rückseite:  Dem  Hochwurdigsten  Fürsten  und  Hern,  Hern  Wolffgang 
Ertzbisclioven  zue  Maintz,  des  haiiigen  Römischen  Reichs  durch  Ger- 
manien Ertz-Gantzlern  und  Churfürsten,  meinem  gnedigsten  henm.  V'on 
anderer  Hand:  1586  27.  Dez.  Praesentirt  Aschaffenburg,  den  27.  De- 
cember  86. 

VI. 

Kurfürst  Wolfgang  bestätigt  die  Präsentation  des  Johann  Karl 

Fichart^,  den  die  Universität  für  die  Lektur  des  verstorbenen 

Sieglers  D.  Johann  Kuehorn  vorgeschlagen  hat. 

Aschaffenburg,  den  14.   Januar   1587. 

Gcn.-Rez.  Mainz. 
Wolffgangh 

Unseren  grueß  zuvor.  Ehrsame  hochgelorte  liebe  andech- 
tige  und  getrewe.  Uff  evvere  uns  jüngster  Tagen  wegen  ab- 
sterben weylandt  unsers  gewesenen  Siglers  D.  Johan  Kuhoms 
sehligen  zu  seiner  verledigten  Lectur  bescheene  praesentation 
uff  unseren  auch  lieben  getrewen  Johann  Cerlen  Fichardten 
gerichtet,  haben  wir  demselben  zu  volg  beyligende  Praesentation 
uff  sein  Fichardts  Person  verfertigen  und  außgehen  lassen.  Dho 
ehr  nhun  ewerem  anzeigen  nach  hierzue  qualificirt  oder  noch 
darzue  sich  geschickt  machen  werdet,  habt  Ihr  Ime  dieselb  dar- 
zutun, zuzustellen  und  vervolgen  zu  lassen. 

Wollen  wir  euch  zur  nachrichtung  in  gewogenen  gnaden 
uhnverholen  sein.  Datum  Aschaffen  bürg  den  14.  Januarij 
Anno   1586.* 

Adresse:  An  Rector  und  Universität  zu  iMeintz.  Rückseite:  1586 
14.   Jan. 

VII. 

Kurfürst  Wolfgang  fordert  die  Universität  auf,  für  die  Pro- 
fessur des  verstorbenen  Mediziners  Dr.  Dietrich  Lac\  um 
die  sich  zweifellos  schon  etliche  beworben  hätten,  in  An- 
betracht der  herrschenden  Seuche  bald  eine  in  facultate 
medica  und  praxi  erfahrene  Person  zu  bestellen. 

A.?chaffenburg,  den  15.   Oktober   1596, 

Gen. -Roz.    Mainz. 

Wolffgang 
Unseren  grues  zuvor.    Ehrsame  hochgelerte  liebe  andechtige 
unnd  getrewen.  Demnach  khurzverrückter  tagen  weilandt  D.  Diete- 
rich Lac  seliger  gewesener  Professor  Medicae  facultiitis  bey  Uiniser 

"      3  Knodt,  a.  a.  0.,  S.  84. 

*  Da  die  Bewerbung  Ficharts  (vergl.  V)  erst  am  24.  Dezember  1586  er- 
folgt, so  kann  die  Bestätigung  der  Präsentation  nicht  von  einem  früheren 
Datum  sein;  denn  letztere  machte  eine  Bewerbung  überflüssig;  es  muß 
also  dio  Bestätigungsurkunde  wohl  das  Datum  <les  14.  Januar  1587  tragen. 

*  Knodt,  a.  a,  0.,  S.  63. 


138  Heinrich  Schrohe. 

Universitet  in  unser  Statt  Maintz  zeitlichen  todes  verfahren,  dero- 
wegen  Unns  nit  zweifelt,  es  werden  alherait  etliche  umb  desselben 
gehaibte  und  nunmehr  verledigte  Lectur  bey  Euch  angehalten 
haben  oder  sich  noch  künfftiglich  angeben:  Und  aber  sonderlich 
bey  yetziger  aus  Göttlichem  gerechten  Zorn  umb  unnser  vilfaltig 
Sünde  unnd  unbuessfertigen  lebens  willen  eingerisßenen  beschwer- 
lichen seuchte  die  notturfft  nur  wol  erfordert,  solche  verledigte 
stelle  und  lectur  einer  solchen  qualificirten  in  facultate  medica  et 
praxi  wolerfarnen  Person  zu  conferiren,  damit  sowohl  Euch  selbst 
als  auch  unsern  Geistlichen  unnd  Weltlichen  zuegewandten  unnd 
underthanen  insgemein  bedienet  sein  möge.  So  begeren  Wir  hier- 
mit gnediglich  bevelhendt,  Ir  wollet  solche  vacirendte  stelle  unnd 
lectur  änderst  nit  dan  mit  einer  in  facultate  Medica  et  praxi  wol- 
erfarnen geübten  unnd  genugsam  qualificirten  Person,  welche  vor 
allen  dingen  unnser  wahren  Catholischen  Religion  zuegethan  und 
membrum  universitatis  seye  oder  deroselben  statu tis  sich  zu 
conformiren  gewißlich  versprechen  und  würcklich  laisten  thue 
widerumb  ersetzen  unnd  bestellen,  auch  derselben  Person  naraen 
und  gelegenheit  vor  der  endtlichen  reception  und  bestettigung 
Unns  in  allwege  wisßendt  machen.  An  solchem,  beneben  denie 
es  Euch  selbst  zum  Pesten  geraicht,  verhandlet  Ir  Unnserm  ge- 
felligen  gnedigen  willen,  unnd  wir  seindt  Euch  sambt  unnd  sonders 
zu  gnaden  wol  gewogen.     Datum  Aschaffenburg  15.  Octobris  96. 

Adresse:  An  Rektom  und  Universitet  zu  Maintz. 

Zu   Beginn   des   Schreibens   links  oben:   D.   Ulrich  oder   Dulrich. 

Das  Mainzer  Domkapitel  hatte  in  dieser  Angelegenheit  am  11.  Ok- 
tober  1596  ein  besonderes  Schreiben  an  den  Kurfürsten  gerichtet  (Mainz. 
Stadlbibl.  Univcrs.  No.  108:  präsentiert  am  15.  Oktober  1596  in  Aschaffen- 
burg). In  diesem  wird  betont,  daß  man  in  den  „ietzigen  betrübten  unndt 
schwindenn  gofehrlichen  leufften,  da  mann  alhier  (=  in  Mainz)  nit  ohnne 
sonderes  betraueren  aller  mediconim  eußerlicher  Hülff  faßt  entsetzt  ist" 
einen  in  der  , .Profession  und  Praktik"  erfabrenen  Mann  heranziehen  möge. 
Die  Domherrn  wollen  selbst  nach  Vermögen  eine  billige  Gebühr  „zue 
einem  iärlichen  Stipendio  solcher  qualificirter  personnen  gemeinem  weßcn 
zum  bestenn*'  beitragen.  Das  Schreiben  des  Domkapitels  beantwortete  der 
Kurfürst  in  der  Weise,  daß  er  ihm,  ebenfalls  unter  dem  Datum  des  15.  Ok- 
tober, von  dem  Befehle  Kenntnis  gab,  den  er  an  diesem  Tage  an  Rektor 
und  Universität  richtete.  (Das  Schreiben  an  das  Domkapitel  befindet  sich 
in   Abschrift  in   den   Akten   der  Generalrezeptur.) 

VIII. 

Kurfürst  Johann  Schweickhardt  bestätigt  seinem  Kanzler 
den  Empfang  eines  Schreibens,  das  Heinrich  Faber*'  und 
Adam  Ebersheim ^  an  letzteren  richteten;  es  kam  darin  die 
Neubesetzung  der  Professur  zur  Sprache,  die  durch  den 
Tod  des  Hofgerichtsassessors  Dr.  Offenhals  erledigt  war. 
Der  Kurfürst  befiehlt,  Dr.  Gerhard  Ebersheim,  dem  Sohne  des 
weltlichen  Richters  Adam  Ebersheim,  die  Präsentation  an- 


^  Knodt,  a.  a.  0.,  S.  87.  —    -  Knodt,  a.  a.  0.,  S.  84. 


Die  Wiederbesetzung  erledigter  Professuren.  139 

fertigen  zu  lassen,  da  dem  Vater  und  damit  dem  Sohne  be- 
stimmte Anwartschaft  auf  die  erledigte  Lektur  bereits  er- 
öffnet worden  ist. 

Seligenstadt,  den  2.  März   1607. 

Gen.  -  Rez.    Mainz. 
Johann  Schweickhardus 

Ersamer  und  Hochgelehrter  Lieber  getreu  wer,  Wir  haben  aus 
deinem  Schreiben  und  dessen  beylagen  gnediglich  verstanden, 
was  der  auch  Ersam  und  Hochgelehrte  unser  Decanus  unserer 
Juristen  facultet  und  Rath  und  dan  unser  Richter  unsers  welt- 
lichen Stattgerichts  zu  Maintz  und  liebe  getreu  wen  Henrich  Faber 
der  Rechten  Doctor  und  Adam  Ebersheim  wegen  den  durch  töd- 
liches abieben  unsers  gewesenen  Assessoris  unsers  hofgerichts 
zu  Mainz  Doctoris  Petri  Offenhals  seligen  verledigten  lectur  iuridi- 
cae  facultatis  und  derselben  praesentation  halber  an  dich  und  du 
fürters  an  uns  gelangen  lassen  und  daruff  uns  underthenigst 
anheim  stellen  thust. 

Dieweyl  wir  uns  dan  in  gnaden  zu  entsinnen  wissen,  daß  wir 
dem  gedachten  unserm  weltlichen  Richter  der  angedeutten  vaci- 
renden  lectur  halber,  und  damit  dieselbe  seinem  Sohn  Gerharden 
der  Rechten  Doctorn  conferirt  werden  möchte,  alberei t  gnedigste 
Vertröstung  gethan  und  dan  er  H.  D.  Gerhard  albereit  dem  Her- 
kommen nach  seine  repetition  gehalten  haben  solle,  also  be- 
gehren wir  hiemit  genedig,  du  wollest  die  befürderung  thun,  damit 
die  mehr  berührte  praesentation  bey  unserer  Canzley  gepührender 
maßen  außgefertigt  und  alß  dan  ihme  Doctor  Ebersheim  nacher 
Mainz  zu  geschickt  werde,  Crafft  welcher  er  sich  hernacher  bey  ob- 
erwehntem  \mserm  Dechant  unserer  Juristen  facultet  darselbsten 
der  gepühr  angeben  und  was  sonsten  dißfalls  die  Schuldigkeit  er- 
fordert,  wircklich  praestircii   und  volnziehen  möge. 

Und  wir  wollten  es  dir  hinwider  gnediglich  nit  verhallten 
lassen. 

Datum  Seligenstatt  den  2  Martij  Anno  1607 

An  H.  Cantzlern. 

Zu  Beginn  des  Briefes  links  oben:  Casp.  Grüning. 

IX. 

Lizentiat  Franz  Philipp  Faust«  bittet  den  Kurfürston,  bei  der 
Besetzung  der  Professura  Institutionum,  die  durch  den  Tod 
des  Lic.  Kennicken  erledigt  ist,  seinen  Tochtermann,  den 
kurf.   Rat  und  Hofgerichtsassessor   Dr.  Kaspar  Beußer,   in 

Betracht  zu  ziehen. 

(9.   Februar  1611.) 

Gen. -Rez.    Mainz. 

Hochwurdigster  genedigster  Churfurst  und  herr. 
Diesen  nachmittag  kompt  mir  daß  beygelegte  schreiben  vom 
hern  Prothonotario  ein,  die  durch  absterben  Lic.  Ken  nicken  s  seligen 
erledigte   professuram   Institutionum  in  der  juristischen  facultet 

«  Vergl.  Beilage  X,   XV,   XVI,   XVII   u.   XVHI. 


140  Heinrich  Schrohe. 

belangendt.     Daneben  aber  bittet  auch  noch   mein   Dochterman 

D.  Caspar  Beuser  E.  Churf.  gnaden  Rath  und  Hoffgerichts- 
Assessor,  do  ich  vermeint,  daß  die  genad  ime  widerfahren  könne, 
daß  ich  ime  meine  wenige  officia  darzu  praestiren  woltte,  ob  es  wol 
über  24  fl.  Jahrs  nicht  erreicht,  so  komt  es  Ime  doch  bey  diesen 
theuren  Jahren  ettwas  vorthelffen.  Wiewol  ich  nhun  sein,  meines 
dochtermans,  qualitet  neher  nicht  anzihen  soll  wil  oder  kan,  als 

E.  Churf.  gnaden  dieselbige  vileicht  von  andern,  sonderlich  dem 
Hern  Vicario  in  Spiritualibus,  auch  dero  hern  Vitzdhomb  und 
Hoffrichtern  zu  Maintz  bißhero  vernhomen  hab  oder  noch  ver- 
nhemen  kan,  So  stelle  ich  doch  billich  diese  Verordnung  zu 
E.  Churf.  gnaden  gnädigstem  gefallen,  dieweil  es  alle  gut  leuth 
sein,  wem  hie  damit  gnädigst  gratificirn  wollen. 

E.  Churf.  Gnaden  gehorsambster  diener 
F.  P.  Faust  Licentiatus. 
Rückseite:  Meinem  genedigsten  Churfürsten  und  hern  (von  anderer 
Hand:  1611  9.  Febr.).  Von  der  Hand  Johann  Schweickhardts :  „Wo  fern 
D  Beysser  anderer  geschefften  halber  der  Lectur  in  der  Woche  obwortten 
konnte,  soll  solche  Ime  vor  andern  werden  dessen  gclegenheith  sich  der 
Cantzler  zu  erkundigen**.     Deiren  (?), 

9.  Febr.  1611  Archiepiscopus  Moguntinus. 

X. 

Lizentiat  Franz  Philipp  Faust  bittet  den  kurfürstlichen  Kam- 
merdiener Bartholomäus  Kon,  bei  dem  Kurfürsten  dahin  zu 
wirken,  daß  die  erledigte  Lektur  in  der  Juristenfakultät  einem 
der  beiden  anderen  Bewerber  verliehen  wird,  damit  Fausts 
Schwiegersohn  Dr.  Kaspar  Beußer  aus  dem  Verdacht  kommt, 

er  erhalte  diese  Stelle. 

Aschaflenburg,  den  7.  Mai   1611. 

Gen. .  Rez.    Mainz. 

Domine  Bartholomee  Ihr  wißet,  daß  sich  mein  gnedigsler 
her  der  dreyen  Competenten  halben  umb  die  Lectur  in  der  juri- 
stischen Facultet  noch  nichts  erkleret,  außerhalb  weßen  Ihre 
Churf.  Gnaden  sich  meines  dochtermanß  halben  sub  conditione, 
wan  er  die  Lectur  auch  exerciren  könne,  gnedigst  resolvirt,  wor- 
über er  aber  seine  entschuldigung  underthenigst  eingewendet, 
darauff  seindt  mir  solche  schrifften  durch  euch  widerumb  zu- 
gestelt  ohne  einzige  meidung  warauff  Ihre  Churf.  Gnaden  Ihren 
Ausschlag  geben.  Wan  nhun  die  andere  beide  Competenten 
D.  Campius  und  D.  .  .  .  steths  ahnnehmen  und  meinen  dochter- 
mann im  verdacht  haben,  als  wan  er  solche  Lectur  bekomen, 
So  bitte  ich,  ihr  wollet  mit  gelegenheit  unbeschwert  bey  Ihrer 
Churf.  Gnaden  underthenigste  Erinderung  thun,  ob  sie  sich 
genedigst  resolviren  wollen  uff  einen  oder  andern,  damit  D.  Caspar 
auß  dem  verdacht  komt,  daß  verdiene  ich  hinwider  gantz  guet- 
willig  damit  eine  gluckselige  Zeit.  Datum  Aschaffenburg  den 
7.  Maij  1611.  Ewer  gueter  freundt 

F.  P.  Faust  Licentiatus. 

Rückseite:  Churf.  Maintzischern  Cammenlienere  her  Bartholmc  Konen 
Meinem  sondern   gueten  freundt.     Von  anderer  Hand:   1611   7  Maij. 


Die  Wiederbesetzung  erledigter  Professuren.  141 

XL 

Lizentiat  Anton  Bayer^  bittet  den  Kurfürsten  Johann 
Schweickhardt,  eine  der  beiden  Lektüren,  die  durch  den 
Weggang  Dr.  Gerhard  Ebersheims  und  den  Tod  des  Lizen- 
tiaten  Konrad  Kennicken  in  der  juristischen  Fakultät  er- 
ledigt wurden,  seinem  Tochtermann  Dr.  Dionysius  Campius^^ 

zu  übertragen. 

Mainz,  den  17.  Juni   1612. 

Mainz.  Stadtbibl.  Univors.  No.  108. 

Hochwirdigster  Fürst.    Dero  Churf.  Gnaden  seyen  jederzeitt 
mein  underthenigst  schuldig  unnd  gehorsambste  dinst  eusersten 
Vermögens  bevor,  Gnedigster  Churfürst  unnd  Herr,  WiewolE.  Churf. 
Gnaden    under   anderen   deroselben   jtzo   obliegenden    hochwich- 
tigsten  geschafften   Ich   ohngern  fernere   bemuhung  verursachen 
wollt,  So  hab  Ich  doch  nitt  umbgehen  mögen,  E.  Churf.  Gnaden 
underthanigst  ahnzumelden,  daß  vor  wenig  tagen  Ich  glaublich 
berichtet  worden,  welchergestaltt  D.  Gerhardt  Ebersheim  sich  in 
numerum  procuratorum  Judicij  Camerae  Imperialis  zu  Speyer  re- 
cipiren  lassen  unnd  des  Endts  nuhnmehr  zuvcrbloyben  bedacht, 
daher  auch  die  Lectur,  welche  Ihme  alhie  in  facultate  Juridica  zu 
versehen  obgelegen,  erledigt  worden  soye,  wie  dann  auch  durch 
todlichen  abgang  Licentiati  Conradi  Kennicken  gewesenen  weltt- 
lichen    Richters   Lectura   Institutionum   Imperialium   vor   diesem 
vacirend  worden.     Wann  nuhn  E.  Churf.  Gnaden  Selbige  beyde 
Lecturen  zu  conferiren   haben   unnd   dann   Ich   meinen   tochter- 
man  D.  Dionisium  Campium,  welcher  uff  begeren  bemelter  facultet 
vor  diesem  alhie  publice  Docendo  et  Disputando  rühmlich  sich 
gebrauchen  lassen  unnd  zu  der  gleichen  Conditionen  versehent- 
lich genugsam  qualificirt  ist,  .hierzu  gern  befurdert  sehen  woltt,  Er 
auch  ohne  das  weniger  nitt  als  dessen  Palruus  I).  Jacobus  Campius 
Protonotarius  S.  (=  selig?)  zuvorderst  E.  Churf.  Gnaden  under- 
thanigst unnd  getrewhlich  zu  dienen  nach  vermögen  vcrwillig,  So 
ist  mein  underthenigst  unnd  hochvfleisßigste  bitt,  E.  Churf.  Gnaden 
geruhen  gedachts  meines  tochtermans  in  gnaden  ins^edonck  zu  sein 
unnd  selbiger  Lecturen  eine  Ihme  gnediglich  zu  conferiren,  wirdt 
sich  gewißlich  darbey  also  verhalten,  daß  Juridica  facultas  mitt 
Ihme  zufrieden  sein  unnd  E.  Churf.  Gnaden  Ihnen  zu  Höheren 
Sachen  zu  gebrauchen  ursach  haben  werden.   So  seindt  wir  beyde 
auch  ein  solches  umb  E.  Churf.  Gnaden  underthenigst  unnd  ge- 
trewhlich zu  verdienen  zeitt  unsers  Lebens  nach  euserstcm  ver- 
mögen so  willig  als  schuldig,  dero  Churf.  Gnaden  in  schütz  des 
Allmechtigen  zu  Langwiriger   Fridl icher   regirung   guter   gesund- 
heitt  unnd  allem  glucklichen  wolstandt,   auch  mich   sampt  den 
Meynen    zu   beharrlichen    Churfurstlichen    gnaden   underthanigst 
bevehlendt.    Datum  Maintz  17.  Juni  Anno   1612. 

E.  Churf.  Gnaden 

underthenigster  gehorsambster  Diener 

Antonius  Bayer  Licentiatus 

ö  Knodt,  a.  a.  0.,  S.  80.  —  i»  Kuodt,  a.  a.  0.,  S.  88. 


142  Heinrich  Schrohe. 

Rückseite:  dem  Hochwirdigsten  Fürsten  und  Hern,  Hern  Johann 
Schweichardten  Ertzbischoven  zu  Maintz  des  Uay.  Römischen  Reichs  durch 
Germanien  Ertz-Cantzler  unnd  Churfürsten,  Meinem  gnedigsten  Hern. 
Von  anderer  Hand:  1612  17.  Jun.  H.  Schultheiß  zu  Maintz  pitt  für  seinen 
dochterman  D.  Campio  zur  vacirenden  Lectur  in  der  Juristen  Facultet 
zu  Maintz.  Hieran  Ihre  Churf.  Gn.  zu  deroselben  glücklichen  ankunfft  zu 
Maintz  zu  erindern.     Praesentirt  Franckfurth  den   19.   Junij   Anno   1612 

XII. 

J.  Coloniasis^i  Juris  utr.  Dr.  schreibt  an  einen  unbekannten, 
es  möge  ihm  die  Professur  des  Zivilrechtes  zuerteilt  werden, 
die  Dr.  Gerhard  Ebersheim  bis  zu  seinem  Weggang  innege- 
habt habe,  und  deren  jährliche  Besoldung  aus  den  erzbischöf- 
lichen Einkünften  erfolge. 

Den   18.   August   1612. 

Gen.HRez.    Mainz. 

Informavit  me  Dr.  Faber,  quod  ipse  habeat  et  possideat  Lec- 
turam  et  professuram  Decretorum  et  quod  inde  a  Canonicis 
Aschaffenburgeiisibus  accipiat  suum  annuum  stipendimn  nempe 
50  fl.  monetae  curr.  Quam  autem  obtinebat  Dr.  Gerhardus  Ebers- 
heim, erat  professura  Juris  civilis  cum  stipendio  annuo  50  fl. 
qui  (=  floreni)  solvuntur  ex  reditibus  Archiepiscopalibus.  Fiat 
et  expediatur  provisio  mea  in  spem  ad  hanc  quam  ipse  Dr.  Ebers- 
heim habuit  et  quae  ob  eius  discessum  et  migrationem  extra 
civitatem  Moguntinam  ad  procuratorium  in  camera  vacavit,  qda 
ad  hanc  et  non  ad  aliam  intentio  directa  fuit  Reverendissimi  cuius 
ego  quoque  etsi  Ecclesiasticus  tamen  uti  Juris  utriusque  Doctor 
sum  capax  sicut  Dr.  Faber  alterius  uti  Decretorum  Dr.,  quem 
gradum  eius  professurae  et  lecturae  curam  se  accepisse  asserebat 
cum  iam  ante  fuisset  L.  L.  Dr. 

J.   Coloniasis.     (Coloniasius  ?) 

Rückseite:   1612,    18  die  Aug. 

XIII. 

Lizentiat  Antonius  Bayer  i-  bittet  den  Kurfürsten  Johann 
Schweickhardt  nochmals,  eine  der  beiden  Lektüren  Dige- 
storum  und  Institutionum  Imperialium,  die  durch  den  Tod 
des  Liz.  Konrad  Kennicken  und  den  Wegzug  Dr.  Gerhard 
Ebersheims    erledigt    sind,   seinem   Tochtermann   Dr.  Dio- 

nysius  Campius  zu  übertragen. 

Mainz,   den  8.   September   1612. 

Mainz.  Stadtbilb.  Univers.  No.  108. 

Hochwirdigster  Fürst,  Dero  Churf.  Gnaden  seyen  jederzeitt 
mein  underthenigst  schuldig  und  gehorsambste  Dinst  eusersten 
Vermögens  bevor.  Gnedigster  Churfürst  unnd  Her,  In  Februario 
nechstabgewichenen  1611  Jahrs,  wie  auch  in  Junio  jüngsthin 
Seindt  E.  Churf.  Gnaden  durch  den  Groshoffmayster  mundtlich  und» 
dann  durch  mich  in  schrifften  underthanigst  berichtet  unnd  ge- 

11  So  oder  Coloniasius  zu  lesen;  sonst  heißt  er  Johannes  de  Colonia; 
verg!.  z.  B.  unten  Beilage  XIV.    —  i-  \rergl.  oben  Beilage  XI. 


Die  Wiederbesetzung  erledigter  Professuren.  143 

ölten  worden,  Nachdem  durch  absterben  Licentiati  Conradi 
ennicken  unnd  dann  wegen  der  durch  D.  Gerhardt  Ebersheimern 
a  Speyer  ahngenommener  Procuratur  zwo  underschiedliche  Lec- 
iren  Digestorum  et  Institutionum  Imperial,  in  facullatc  Juridira 
Ihie  vaciren  unnd  derer  Collation  E.  Churf.  Gnaden  gepuren 
leiten,  Daß  dero  Churf.  Gnaden  meinen  tochtermann  D.  Dioni- 
ium  Campium  so  in  vorigen  Jahren  uff  guttachten  E.  Churf. 
naden  Canntzlers  unnd  anderer  heren  Profossoru  in  publice  do- 
Bndo  et  disputando  sich  rühmlich  gebraucht  unnd  darzu  genug- 
a.m  qualificirt  ist,  mitt  deren  einer  gnedigst  providiren  woltten. 
lieweil  aber  vermuttlich  anderer  vorgefallener  Verhinderung 
alben  E.  Churf.  Gnaden  sich  hieruff  biß  noch  nitt  resolvirt  Unnd 
;h  gleichwol  nochmahls  der  underthenigsten  ohnzweivenlichen 
Öffnung  bin,  E.  Churf.  Gnaden  werden  mich  unnd  die  meynen  in 
aaden  maynen,  So  hab  ich  nitt  umbgehen  mögen,  E.  Churf. 
naden  hierunder  underthenigst  zu  erinnern,  Unnd  ist  hiermitt  aber- 
lahls  mein  underthenigst  unnd  hochvleißigste  bitt  E.  Churf.  Gnaden 
»^öllen  angeregtem  meinem  suchen  gnedigst  stadtgeben  unnd  sich 
eswegen  in  gnaden  wilfahrig  resolviren,  Hingegen  wirdt  gedachter 
lein  tochtermann  D.  Campius  sich  vermittelst  Gottlicher  gnaden 
Iso  verhalten,  daß  nitt  allein  facultas  Juridica  sich  dessen  zu 
ahmen  imnd  die  Studiosi  mitt  Ihme  zufrieden  sein  können, 
Sondern  auch  E.  Churf.  Gnaden  Ihnen  zu  höheren  sachen  zu 
ebrauchen  ursach  haben  werden,  Unnd  seindt  wir  beyde  solches 
imb  E.  Churf.  Gnaden  underthenigst  zu  verdienen  nach  euserstem 
ermögen  schuldig  unnd  willig  Dero  Churf.  Gnaden  in  schütz 
es  Aliraechtigen  zu  langwiriger  fridlicher  regirung,  guter  leibs- 
;esundheit  unnd  allem  glucklichem  wolstandt,  auch  zu  dero 
leharlichen  Churf.  Gnaden  mich  sampt  allen  meinen  underthenigst 
>evehlendt.     Datum   Mainz   8ten    Septembris    Anno    1612. 

E.  Churf.  Gnaden 

underthenigster  willigster  Diener  Antonius  Bayer  Lic. 

Eigenhändige  Bemerkung  des  Kurfürsten  Johann  Schweick- 
lardt:  Dieweil  der  Siegler  alberaids  praesentation  erlangt  ver- 
)leibe  es  dobey  und  wan  dan  die  Universitet  kein  ferneres  difii- 
rulteten  machen,  quantum  ad  Lecturam  Institutionum,  ist  solche 
[^ampio  bewilligt. 

Rückseite:  Dem  Hochwirdigsten  Fürsten  und  Hern.  Hern  Johann 
Schweicharden  Ertsbischoven  zu  Mainlz  des  Hayl.  Romischen  Reichs  durch 
jcrrmaiiieii  Ertz-Cantzler  unnd  Churfürsten,  Meinem  gnedigsten  Hern.  Von 
inderer  Hand:  1612  8.  Sept.  Lic.  Bayr  pit  Seinen  Tochterman  D.  Cam- 
pium entweder  mit  der  profeßur  Digestorum  oder  Institutionum  zu  provi- 
iiren.     Praes.  Maintz  10.   Septembris  anno   1612. 

XIV. 

Dr.  Dionysius  Campius  ^^  teilt  dem  Kurfürsten  mit,  daß  der 
turfürstliche  Siegler  Johannes  de  Colonia  seine  Lecturam 
Digestorum  mit  seiner  Lectura  Institutionum  wegen  Sigilli- 


ir.  Vergl.   oben  Beilage  XI. 


144  Heinrich  Schrolie. 

feratsgeschäften  tauschen  möge,  und  bittet  uin  diesbezügliche 

Genehmigung. 

Mainz,  den   17.   Februar  1616. 

Gen.  -  Rez.    Mainz. 

Hochwurdigster  Churf.  Euwer  Churf.  Gnaden  seyen  ieder- 
zeit  meine  underthänigst  schuldig  und  gehorsambste  dienst  euser- 
sten  Vermögens  bevor,  gnedigster  Churf.  und  Herr!  Wiewoll 
Ich  Euw.  Churf.  Gnaden  wegen  andern  deroselben  itzo  obligenden 
hochwichtigsten  geschafften  einige  fernere  bemuhung  ungern  ver- 
ursachen sollen,  So  hab  Ich  doch  Euw.  Churf.  Gnaden  under- 
thenigst  zuverstehen  geben  wollen,  welcher  maßen  der  Erwürdig 
und  Hochgelahrter  Herr  Joannes  De  Colonia  Euwer  Churf. 
Gnaden  Sigler  seine  Lecturam  Digestorum  quam  ex  CoUatione 
Rmao  Celsitudinis  suae  habet,  wegen  allerhandt  täglich  ein-  und 
überfallenden  Sigilliferatsachen  mitt  meine,  Mir  vor  von  E.  Churf. 
Gnaden  gnedigst  conferirle  Lecturä  Institutionura  zu  permutireuo 
bedacht. 

Wan  dan  hochwurdigster  Churf.  und  Gnedigster  Herr  Ich 
mich,  ohne  rühm  zu  melden,  etliche  jar  hero  tcäglichen  fast  do- 
cendo  et  profitendo  gebrauchen  laßen,  deßen  mir  nicht  allein 
vornembliche  vom  Adell  und  geringeres  standts,  sondern  auch 
eine  hochlöbliche  Universitet  und  deroselben  anverwand te  sampt 
und  sonders  zeugnuß  geben  können,  wie  dan  auch  solchem  meinem 
instituto  mitt  allem  möglichen  fleiß  nachzusetzen  ich  wie  ver- 
nichtet, also  erpietig. 

Also  ist  mein  underthänigst  hochfleißigste  pitt,  Euw.  Churf. 
Gnaden  geruhen  solche  permutation  gnedigst  zu  gestatten,  und 
selbige  Lecturam  Digestorum  uf  Mich  et  viceversa  Institutionum 
Lecturam  uff  ehegemelten  hern  Sigilliferum  zu  transferiren. 

Solches  umb  Euw.  Churf.  Gnaden  die  tag  meines  lebens  nach 
eusersten  vermögen  underthänigst  zu  verdienen,  bin  Ich  schuldig 
und  willig,  Dero  Churf.  Gnaden  in  schütz  des  Almechtigen  zu 
langwerender  fridlicher  regierung,  guetter  gesundheit  und  aller 
glückseeliger  wolfahrt  und  Mich  zu  beharlichen  Churf.  Gnaden 
demütiglich  befehlendt.     Datum  Maintz  den  17.  Februarij  1616. 

Euw.  Churf.  Gnaden 

Underthenigster  Willigster  Diener 

Dionysius  Campius  Dr. 

Pfickseitc:  Dem  Hochwurdigsten  in  Gott  Fürsten  und  Herrn,  Herrr» 
Johan  Schweickharden  Ertzbischoven  zu  Maintz  des  Hailig.  Rom.  Reiche 
durch  Germanien  Ertz-Cantzler  und  Churfursten,  Meinem  gnedigsten  Herrn- 

Von  anderer  Hand:  1616  19.  Febr.  Doctor  Campius  petit  dimissio* 
nem  professurae  Institutionum.  Praesentirt  Aschaffenburg  den  19.  Fe- 
bruarij    1616. 

XV. 

Dr.  Franz  V^ogti*  bittet  den  Kurfürsten  Johann  Schweickhardt, 
ihm  die  Professur  zu  verleihen,  die  durch  den  Tod  seines 


1^  Knodt,  a.   a.   0.,   S.   96. 


Die  Wiederbesetzung  erledigter  Professuren.  145 

iwagers,   des  kurfürstlichen  Kanzlers  Lizentiaten  Franz 

Philipp  Faust,  erledigt  sei. 

Den  30.  April   1616. 

Gen.  r  Rez.    Mainz. 

Hochwürdigster  Ertzbischove  unndt  Churfürst!  E.  Churf. 
laden  seindt  mein  underthänigst  gehorsarnbst  unndt  schuldigst 
ast  zuvor.  Genädigster  Herr!  Waß  gestalt  der  Edel  unndt 
^hgelärt  Herr  Licentiat  Frantz  Philips  Faust  E.  Churf.  Gnaden 
itzler,  mein  freundtlicher  lieber  schwager,  iüngst  todth  vor- 
ren,  desen  seelen  der  Allmechtige  Gott  genade,  werden  E. 
irf.  Gnaden  ohne  Zweiffei  berichtet  sein.  Wan  dan  ehr  Herr 
itzler  seliger  alhir  zu  Maintz  auch  professor  Ordinarius  ge- 
jen,  wie  dan  auch  solche  stell  loblich  unndt  wol  vertretten 
idt  nhunmehr  E.  Churf.  Gnaden  dieselbe  mit  einer  anderen 
tlificirten  person  zu  ersetzen  gnädigst  wol  bedacht  sein  werden, 
hofifentlich  ich  mich  in  anderen  obliegenden  unndt  mir  von 
Churf.  Genaden  ahnbefolenen  unndt  vertrauwten  sachen  also 
halten,  daß  E.  Churf.  Genaden  daran  ein  Gnädigstes  belieben 
len  werden  oder  zum  wenigsten  in  meinem  vermögen  kein 
agel  erschienen,  wenigerß  auch  nit  ich  furterß  unndt  in  anderem 
erscheinen  underthänigst  wol  so  schuldig  als  willig  bin. 

Also  gelangt  ahn  E.  Churf.  Genaden  mein  underthänigst  bitt, 
jelbe  gerhuen,  mir  auch  obberurte  vaccirende  professur  gnädigst 
vertrauwen  unndt  anzubefelen,  inmasen  ich  mich  desen  beruff 
idt  Verrichtung  aller  gebur  zu  bezeigen  underthänigst  gemeint 
It  aller  Schuldigkeit  bestes  fleiß  obliefi;en  wolle.  E.  Churf. 
naden  damit  zu  langwüriger  erwünschter  wolfhart  unndt  glück- 
iger regirung  dem  Allmechtigen  lieben  Gott  treuwligst  befolen. 
ben  den  30.  April   1616. 

E.  Churf.  Genaden 

underthänigster 

Frantz  Vogt  Dr. 

Ruckseite:  Dem  Hochwürdigsten  in  Gott  Fürsten  unndt  Hern,  Hern 
Iwn  Schweicharten  Ertzbischoven  zu  Maintz  des  Hayligen  Romischen 
iches  durch  Germanien  Ertz-Cantzlern  unndt  Churfürsten  meinem  Gnä- 
58ien  Hern. 

Von  anderer  Hand:  Praesentiret  Mcintz  den  30.  Aprilis  Anno  1616. 
•  Vogt.  (Job.  Schweickhardts  Hand  ?) 

XVI. 
f.  Kaspar  Beußer^^  bittet  den  Kurfürsten  Johann  Schweick- 
^rit,  ihm  die  Lectura  Juris  Civilis,  die  sein  Schwiegervater, 
'r  kurf.  Geheime  Rat  und  Kanzler  Lizentiat  Franz  Philipp 
iust  bis  zum  vorgestrigen  Tage  innegehabt  habe,  über- 
tragen zu  wollen. 

Mainz,  den  1.  Mai  1616. 

Mainz.  Stadtbibl.  Univers.  No.  108. 

Hochwürdigster  Churfürst.     E.  Churf.  Gnaden  seindt  meine 

i^Vergi.  Beilage  IX,  X,  XVlll,  XXI,  XXIV,  und  Knodt,  a.  a.  0., 
88  u.  95. 

Beitiftge  s.  Getch.  d.  Univeniaten  Maiuz  u.  Gießen.  10 


146  Heinrich  Sclirohe. 

unndertheiiigst  unnd  gehorsambste  dienst  eußersten  vleyß  umnl 
Vermögens   iederzeitt  bevor.     Gnedigster   Herr! 

E.  Churf.  Gnaden  hab  v^orgesteriges  tags  mitt  trawrigeni  ge- 
müth  unnderthenigst  berichtet,  welcher  gestalt  der  Allmächtig  liob* 
(iott  durch  seine  Göttliche  ohn wandelbare  Schickung  dero  Churf. 
Gnaden  gehaimen  Uath  unnd  Cantzler  Herrn  Licentiaten  FranU 
Philips  Fausten,  meinen  beliebten  Herrn  Schweher  unnd  Vatteni, 
seligen  andenckens  von  dießer  zeittlichen  weldt  uimd  ihrem  Jainer- 
thal  durch  den  natürlichen  thodt  in  die  ewige  frewdt  gantz  selig- 
lich  hingenommen  unnd  versetzt  hatt,  deßen  abgeschiedener  Schien 
die  Göttliche  Allmacht  gnedig  unnd  barmhertzig  sein  wolle.  Wann 
aber  nuhn,  Gnedigster  Churfürst  unnd  Herr,  E.  Churf.  Gnaden 
zweifelsohne  gnedigstes  wissen  tragen  werden,  waßmaßen  erst 
wohlgedachter  unnd  geehrter  mein  Herr  Schweher  uniid  Vatter 
seliger  von  E.  Churf.  Gnaden  Hochlöblichsten  Herrn  Vorfordem, 
weilandt  Herrn  Churfürst  Wolffgangen  Christmiltester  gedächtnus, 
in  dero  löblichen  Universitet  alhie  mitt  einer  Ordinari  Lectur 
Juris  Civilis  gnedigst  providirt  unnd  begnadiget  geweßen  unnd 
solche  Lectur  nunmehr  durch  deßen  thödtliches  ableiben  erlediget 
unnd  vacirendt  ist,  welche  E.  Churf.  Gnaden  ohngezweiflfelt  ander- 
wert lieh  zu  bestellen  gnedigst  gewilt  sein  werden,  Also  ist  unnd 
gelangt  denmat^h  ahn  E.  Churf.  Gnaden  mein  gantz  unnderthenigste 
bitt,  dieselben  geruhen,  meiner  wenigsten  person  dero  gnedigsle 
gnad  in  so  viell  zu  bezaigen  unnd  mitt  solcher  ahnietzt  berürter 
vacirenden  Lectur  mich  gnedigst  zu  providiren,  Soll  auff  solche 
verhoffen tl ich  beschehene  gnadterweyliung  ahn  meinem  orth  daß- 
ienig,  waß  bey  solchem  officio  Lecturae  mihr  beneben  anderen 
verordneten  Herrn  Professorn  zu  thuen  unnd  zu  verrichten  obligen 
wirdi,  alßo  getrewes  empsiges  vleyß  vermittelst  Göttlicher  ver- 
leyhuug  versehen  unnd  volnzogeji  werden,  daß  E.  Churf.  Gnaden 
zuvorderst  unnd  dann  die  gesample  Herrn  de  Facultate  Juridia 
darahn  ein  gueles  sattsames  genuegen  haben  sollen,  In  dießem 
erweyßen  E.  Churf.  Gnaden  mihr  ein  hochrühmliche  Churfürsl- 
liche  gnad,  unnd  will  dieselbige  Zeitt  meines  lebens  mitt  meinen 
unnderthenigsten  gleichwohl  geringfügigen  diensten  auffs  eußerst 
unnd  gantz  gehorsambst,  wie  ohne  daß  pflichtschuldigst  binn, 
zu  bediehnen  allzeit  bereit  unnd  gevließen  sein,  Thue  darüber 
E.  Churf.  (Jnaden,  die  der  Allmächtige  Gott  bey  beharrlicher  guter 
loibs  vermr)glichkeit  unnd  friedfertiger  bestendiger  Regierung 
vätterlich  lang  fristen  unnd  erhalten  wolle,  gnedigste  willfährige 
lesolution  in  unnderthenigkeit  gantz  tröstlich  hoffen  unndt  er- 
wartlen.  Signaturn  Meintz  1.  Maij  1616  E.  Churf.  Gnaden  unnder- 
thenigsler  unnd   gehorsambster  diehner   Caspar  Beußer  Dr. 

Rückseito:  Dfin  Hochwürdijjsten  Fürsten  uimd  Herrn,  Herrn  Johan 
Schwoickhardtcu  Ertzbischoven  zu  Meintz  doß  heyligen  Römischen  Reichs 
durch  Gerniaiiien  Erlz-Cantzlorn  unnd  Churf ürsten,  Meinem  Gnedigsten 
Herrn. 

\'<)n  anderer  Hand :   IfJlß   1  Maij.    D.  Boysser.  (Joh.  Schweickhardls 

liand?!     Praesenlirt  Meintz  den  (?rsten  Maij  Ao.   1616. 


Die  Wiederbesetzung  erledigter  Professuren.  147 

XVII. 

.  H.  C.  Muntzethaler  bittet  den  Kurfürsten  Johann 
hweickhardt,  ihm  die  Professur  Codicis  zu  verleihen,  die 
rch  den  Tod  des  Kanzlers  Lizentiaten  Franz  Philipp  Faust 

erledigt  sei. 

(Den  2.  Mai   1616.)  Mainz.  Stadtbibl.  Univers.  No.  108. 

Hochwürdigster  in  Gott  Ertzbischoff  und  Churfürst.  E.  Churf. 
aden  seyen.  mein  underthenigst  schuldtwiUigst  undt  gehor- 
nbste  dienst  eußersten  Vermögens  zuvor.    Gnädigster  Herr! 

Denmach  auf  gesterigs  tags  bescheheiics  tödtliches  abieben 
(ilandt  deß  Ehrenvesten  Hochgelehrten  Herrn  Licentiaten  Fran- 
ci  Philippi  Fausten  Churf.  Cantzlers  deßen  verwaltete  professur 
•dicis  vaciret  und  erlediget  und  nunmehro  dieselbe  mit  einer 
dem  qualificirter  person  zu  ersehtzet  bey  E.  Churf.  Gnaden 
edigst  verhaltett. 

Undt  aber  ich  ein  Zeitlang  hero  nach  angenommenem  gradu 
ctoratus  und  gehaltener  alhie  gewöhnlicher  repetition  nicht 
ein  bey  E.  Churf.  Gnaden  wolverordiietom  löblichem  Hoffgericht 
vocando,  sonder  auch  der  loblichen  Universitet  gewohnlichen 
lieben  Proceß  (ohne  gesagtem  rhum)  mich  dermaßen  kündig 
d  erfahren  gemacht,  daß  ich  mich  der  orten  besonder  gern  in 
istcn  dem  gemeinen  wohlstandt  meines  geliebten  vatlerlandts 
e  guttem  gebrauchen  zu  laßen,  gäntzlig  entschloßen,  auch  solche 
rmittelß  Göttlicher  gnaden  der  gebühr  zu  vertretten  getrawe. 

Also  gelanget  ahn  E.  Churf.  Gnaden  mein  Underthenigst  hoch- 
ißiges  bitten,  dieselbe  geruhe  mich  zue  solcher  vacirenten  pro- 
jsur  stell  gnädigst  uf-  undt  ahnnehmen. 

Will  Ich  mich  in  ahnbefohlenen  Sachen  verhülfiich  Göttlichem 
Island  allem  möglichstem  fleiß  nach  dermaßen  erzeigen  undt 
iden  laßen,  daß  E.  Churf.  Gnaden  undt  mäniglich  ob  solchem 
a  gnädigstes  stätsammes  genügen  undt  kein  rhewliches  nach- 
tncken  haben  soll.  E.  Churf.  Gnaden  Göttlicher  Almacht  zue 
agwuhriger  friedtfehriger  regirung  undt  allem  Churf.  wolstandt 
iderthenigst  trewlichst  entfehlendt  Undt  deroselben  verhoffent- 
;he  gnädigste  resolution  underthenigst  erwahrtend. 

E.   Churf.  Gnadten  underthenigster  Gehorsamster 

H.   C.   Muntzethaler.    Dr. 

Rückseite:  Dem  hochwürdigsten  in  Gott  Fürsten  undt  herrn,  herrn 
ban  Schweickharten  Ertzbischoffen  undt  Churfürsten  zu  Maintz,  meim 
ledigsten  herrn. 

Von  anderer  Hand:  1616  2  Maij.  Durchstrichen:  1643  hoc  anno 
iit  Hern*.  Faber.  Knodt,  S.  48,  Unter  der  Adresse:  Muntzontlialer.  (Joh. 
hweickhardis  Hand?) 

XVIII. 

r.  Kaspar  Beußer,  seither  am  kurfürstlichen  Vikariatsgericht 
jschäftigt,  bittet  den  Kurfürsten  Johann  Schweickhardt, 
e  Lectura  in  Jure  ci\n[li,  die  durch  den  Tod  seines  Schwie- 
jrvaters,  des  kurfürstlichen  Kanzlers  Franz  Philipp  Faust, 
iedigt  sei,  ihm  zu  übertragen,  wofern  nicht  Hofräte  sich 

i'i* 


148  Heinrich  Schrohe. 

darum  bewürben.    Er  unterstützt  sein  Gesuch  mit  dem  Hin- 
weis darauf,  daß  sein  Schwiegervater  beabsichtigt  habe,  ihm 
zum   sicheren  Besitze  der  Professur  zu  verhelfen. 

(Den   12.  Juni   1616.) 

Mainz.  Stadtbibl.  Univers.  No.  108. 

Hochwürdigster  Churfürst  E.  Churf.  Gnaden  seindt  iederzeitt 
mein  underthenigst  unnd  gehorsambste  dienst  pflichtschuldigsten 
vleyß    unnd    eußersten    Vermögens    zu  voran.      Gnedigster    Herr! 
E.  Churf.  Gnaden  haben  ohne  Zweiffell  bißannoch  in  gnedigstem 
andencken,  waß  gestalt  dieselben  zu  näherem  mahl  nach  thödt- 
lichem  abieben  weiland t  Herrn  Frantz  Philips  Fausten  E.  Churf. 
Gnaden  geweßenen  Cantzlers  meines  Hochgeehrten  unnd  beliebten 
Herrn  Schweher-Vatters  seligen  ich  umb  deßen  erledigte  Lectur 
in  Jure  Civili,  welche  er  in  seinen  lebtagen  unnd  sonderlich  in 
zwüschen  der  Zeitt,  nachdem  er  von  E.  Churf.  Gnaden  Hoff  zu- 
gestandener leibs   ohnvermöglichkeit   halben   sich   zu   mehreren! 
ruchsamen  weßen  begeben  müßen,  iiitt  ohne  bekhandtlichen  rühm 
in  allwegen  bediehnet  unnd  versehen  gehabt,  in  Unnderthenigkeit 
supplicirendt  angelangt,   warzu   mich   dann   nitt   allein   die  ahn 
E.  Churf.  Vicariat  Gericht  nuhn  ettliche  Jahr  hero  fast  quadruplirte 
ordinari  mühsame  laborn  alß  die  sich  auch  ins  khünfftig,  wo  nitt 
häuffen    unnd    mehren,    doch    zum    wenigsten    alßo    continuiren 
mögten,  hingegen  aber  die  Wenigkeit  davon  habenden  Jährlichen 
salarij    angetrieben,   Sondern   mihr   auch    wohlermeldtes   meines 
Herrn  Schweher-Vatters  uff  seinem  thodtbett  drey  tag  vor  seinem 
seligen  abscheiden  ultronec  ohne  einige  meine  erinnerung  geführte 
reden,  daß  er  mihr  zwahr  längst  hiebevor  die  Vertröstung  gethan, 
seine  bißanhero  gehabte  Lecturam  Juris  bey  E.   Churf.  Gnaden 
vor  meine  person  unnderthenigst  dergestalt  außzubitten,  daß  ich 
nach  seinem  absterben  deren  gantz  gesichert  sein  solte,  hette  aber 
deme  seines  theills  gethanem  vertrösten  noch  zur  Zeitt  nitt  nach- 
gesetzt, mögte  gleichwohl  selbige  mihr  von  hertzen  gehrn  gönnen 
und   gnugsame   anleitung    gegeben   haben.     Wiewohl    ich    nuhn 
mittler weill  dero  tröstlichen   hoffnung  gelebt,  E.   Churf.   Gnaden 
auff  solches  derselben  mein  eingeschicktes  unnderthenigst  suppli- 
cirn,  gegen  dem  Edlen  unnd  Hochgelehrten  Herrn  Nicoiao  Gernon 
der  Rechten  Doctorn  E.  Churf.  Gnaden  gehaimen  Rath  unnd  Vice- 
Cantzler  alß  meinem  zu  dem  effect  erpettenen  großgünstigen  Herrn 
Patron  unnd  Maecenaten  einer  gnedigsten  gewirigen  antwortt  sich 
erklären  würden,  So  ist  iedoch  einige  biß  dato  nitt  ervolgt.   Wann 
ich  aber  eußerlich  so  viell   berichtet   werde,   daß  obberürte  va- 
cirende  Lectur  von  E.  Churf.  Gnaden  biß  noch  ohnconferirt  ver- 
plieben,  sondern  in  gnedigster  election  unnd   wähl  der  concur- 
rirenden  Supplicanten  stehen  sollen,  derohalben  gelangt  ahn  E. 
Churf.  Gnaden  nochmals  mein  gantz  underthenigst  unnd  hoch- 
flehentliches bitten,  wofern  keiner  auß  dero  Churf.  Gnaden  Hoch- 
ansehnlichen Herrn  Hoff-Räthen,   denen   ich   dißfals   gahr   gehrn 
cediren  will  unnd  zu  cediren  schuldig  binn,  dero  mehrbesagter 
Lectur  begeren  solte,  dieselben  mich  vor  anderen  damitt  gnedigst 
providiren   und   gleichsamb    zur   Recompens    meiner    ahn    obge- 
dachtem  E.   Churf.   Gnaden  Vicariat-Gericht  bißanhero  gehabter 


Die  Wiederbeselzung  erledi^er  Professuren.  149 

menniglich  derorthes  bekhandter  mühe  unnd  arbeit  begnadigen 
wollen,  Verhoffe  unnd  getrawe  solche  Lectur  Stell  unnd  waß 
dabey  mihr  alß  dem  iüngst  ankhommenden  wie  gepreuchlich 
praesidendo  promovendo  referendo  unnd  sonsten  weitters  zu  ver- 
richten obligen  wirdt,  alßo  vermittelst  Göttlicher  gnad  zu  ver- 
dretten  unnd  zu  versehen,  daß  andere  zur  Juristen  Facultet  ver- 
ordnete Herrn  Ordinarij  Professores  ahn  meiner  person  unnd 
fürfallenden  Expeditionen  versehentlich  ein  gutes  contentament 
gewinnen  sollen.  Welcher  von  E.  Churf.  Gnaden  meines  theills 
unnderthenigst  gepettener  gnad  mich  gäntzlich  getrösten  thue 
unnd  will  solche  gnaderweyßung  die  Zeitt  meines  lebens,  gestalt 
ohne  daß  verpflichtet  binn,  mitt  meinen  eußerst  vermöglichen  wie- 
wohl zumahl  geringfügigen  diensten  gehorsamst  zu  bediehnen 
empsiges  ohngespartes  Vleiß  bereit  unnd  gevliesßen  sein,  E.  Churf. 
Gnaden  damitt  dem  Allmächtigen  zu  lang  bestendiger  leibsge- 
sundtheit  unnd  friedtglücklicher  Churfürstlicher  Regirung,  mich 
aber  Deroselben  zu  wehrenden  gnaden  in  unuderthenigstem  gohor- 
samb  anbevehlendt 

E.  Churf.  Gnaden 
Unnderthenigster  unnd  gehorsambster  diehner 

Casp.  Beußer  Dr. 

Rückseite:  Dem  Hochwürdigsten  Fürsten  unnd  Herrn,  Herrn  Johann 
Schweickhardten  Ertzbischoven  zu  Meintz  deß  Heyligen  Römischen  Reichs 
durch  Germanien  Ertz-Cantzlem  unnd  Churf ürsten.  Meinem  Gnedigsten 
Herrn.  Von  anderer  Hand:  1616  12.  Jun.  Praesentirt  Meintz,  den  12.  Junij 
Annu   1616.    D.   Beysser.    (Joh.   Schweickhardts  Hand?) 

XIX. 

Dr.  med.  Stephanus  Dominicus  Brunheimer^^,  welchem  nach 
dem  Tode  des  Dr.  Gerhard  Holtmanni^  die  Lektur  der  Ge- 
schichte übertragen  wurde,  hat  während  zweier  Jahre  keine 
Entschädigung  dafür  erhalten,  ja  es  wurde  sogar  der  Sekre- 
tär Dopperich  mit  der  Lektur  betraut.  Er  bittet  daher  Rektor 
und  Universität,   seine  Rechte  zu  wahren. 

Mainz,  den  13.   Oktober   1620. 

Gen.  -  Rez.    Mainz. 

Jam  secundus  ferme  agitur  annus,  Magnifice  Rector  cacterique 
Patres  Assessores  Academici,  quod  post  defunctum  Venerandum 
senem  D.  Gerardum  Holtman  piae  memoriae  Lectura  Historica 
donatus  sum  communi  Assessoruin  tum  temporis  calculo.  Cuius 
Pei  gratia  meum  erga  Academiarn  nostram  aniinum  magis  devinc- 
tum  habebam,  sed  (quo  nescio  fato)  contigit,  quod  eadem  lectura 
hacienus  frui  neutiquam  mihi  licuerit  pcnsumve  duorum  anno- 

if  fber  Stephanus  Dominicus  Brunheimer  findet  sich  in  dem  Album 
der  Mainz,  medizinischen  Fakultät  folgender  Eintrag:  Anno  Domini  1616 
21.  Januarij  receptus  est  ad  facultatem  Medicam  iuxta  eiusde^  Statuta 
Stephanus  Dominicus  Brunhejmerus,  proniotus  Friburgi  Brisgoviae 
Kedicinac  Doctor,  praesentibus  Clarissimis  et  Experientissimis  DD.  Joane 
Georpio  Thein  Decano  et  Joanne  Nicoiao  Fischer  Seniore.  Vergl.  auch 
Knodt,  a.  a.  0.,  S.  93  u.  97.   —  i"  Knodt,  a.  a.  0.,  S.  72. 


150  Heinrich  Schrohe. 

mm  nulluni  receperim.  Et  lecturae  ut  video  praeter  Academicorum 
scitum  alius  longe  post  me,  Dominus  nempe  secretarius  N.  Dop- 
richt  substitutus  sit. 

Res  duobus  his  ferme  annis  summopere  mihi  cordi  fuit  atque 
iam  dudum  libellum  hunc  reminiscentiae  obtulissem,  nisi  spes 
me  aluisset,  patres  Academicos  privilegiorum  memores  (cum  his 
alios  cadere  durum  sit)  pro  necessitate  laboraturos,  ut  sui  con- 
socii  Academici  Jurati  ad  munera  et  stipendia  demerenda  magis 
promoverentur  quam  alius  quispiam  qui  vel  gradu  palaestrico 
non  insignitus  Vel  letiam  in  album  Academicum  nuUo  modo 
inscriptus   sit. 

His  igilur  pensatis  tandem  ego  pro  partis  meae  debito 
decentique  ad  Vestrara  Magnificentiam  et  Clarissimos  D.  D. 
Vestras  supplex  venio,  ut  gratiae  munus  quoddam  tarn  erga  me 
quam  statu torum  nostrorum  symphoniam  demonstretis,  rem,  ut 
aequi  bonique  est,  persolvatis  et  tandem  securitatem  mihi  authori- 
tate  vestra  causetis. 

Id  ipsum,  si  qua  ratione  per  me  erga  Magnificentiam  et  Cla- 
rissimas  DD.  Vestras  recompensari  queat,  omnem  me  lapidem 
motarum  nolim  dubitetis.     Mogunliae  13 1»«  Octobris  1620. 

Magnificentiae  Vestrae  et  Clarissimis  Dominationibus  Vestris 
officiose  addictus  Stephanus  Dominions  Brunheimerus  Med.  Doctor. 

Copia  supplicationis  Domini  Doctoris  Stephani  Dominici 
Almae  Universitati  Mog,   16.   Decembris   1620  exhib. 

XX. 

Rektor  und  Universität  erklären  dem  Kurfürsten  Johann 
Schweickhardt,  ihnen  habe  die  Übertragung  der  Lectura 
historiarum  stets  zugestanden  und  dementsprechend  hätten 
sie  diese  im  Erledigungsfalle  dem  Dr.  phil.  et  med.  Stephanus 
Dominions  übertragen,  während  sich  diese  der  Hofsekretär 
Gabriel  Dopperich  angemaßt  habe;  übrigens  könne  letzterer 
eine  Professur  oder  Lektur  nicht  erhalten,  weil  er  an  der 
Universität  weder  graduiert  noch  immatrikuliert  sei.  Sie 
bitten  deshalb,  dem  Dr.  Stephanus  Dominicus  zu  seinem 
Recht   und   seinen  Gebühmissen   zu   verhelfen. 

Den  18.  Dezember  1620. 

Gen.  -  Rez.    Mainz. 
Hochwürdigster  Ertzbischove ! 

Waß  ahn  unnß  dieser  tage  Stephanus  Dominicus  philosophiae 
unnd  Medicinae  Doctor  schrifftlich  supplicando  gelangen  laßen, 
daßelb  haben  E.  Churf.  Gnaden  auß  der  Beilagh  mit  nehreriu 
gnädigst  zue  vernehmen. 

Nuhn  ist  nit  ohn,  daß  uff  absterben  Magislri  Gerhardi  holl- 
mans  so  nach  Dr.  Bürgers  thodt  seeligen  die  vom  supplicanten 
angedeute  Lecturam  Historicam  anno  1617  den  16,  Septembris 
von  unnß  einj>fangen,  wie  ihme  Doctori  Dominico  hernachmals  er- 
wente  Lectur  alß  wieder  Vacirent  den  28.  Novembris  abgewichenen 
Sechßzehenhundert    Achtzehenten    ihars    einhelliglich    conferiret. 


•   Die  Wiederbesetzung  erledigter  Professuren.  151 

darab  er  vom  herrn  Siegler  seithero  daß  hörlich  Gelt  nhie  nit  be- 
kohmen,  Sondern  hingegen  in  Crafft  eines  von  E.  Churf.  Gnaden 
ahn  vorigen  herrn  Sieglern  Joannem  de  Colonia  sub  dato  den 
12.  Decembris  ermeltes  Sechßzehenhundort  Achtzehenten  Jahrs 
abgangenen  Schreibens  unnd  darin  begriffener  Collatur  sich  deßen 
dero  hofifsecretarius  Gabriel  Dopperich  angeniaßet  unnd  noch  an- 
maßen thuet. 

Dieweill  aber  in  unsern  statutis^»^  außdrücklich  vorsehen 
unnd  bißhero  bey  der  Universitet  so  gehalten  worden,  daß  nie- 
mandt  einige  lectur  oder  Profeßur  haben  solle  noch  möge,  welcher 
zuvhor  der  Universitet  nit  Immatriculirt  unnd  in  einer  Facultet 
graduirt  ist,  Also  kan  ermelter  secretarius,  so  weder  graduirt  noch 
immatriculirt,  dieser  lectur  zuemahl  nit  fehigh  sein. 

Zue  deme  vermögen  auch  die  statuta,  wie  E.  Churf.  (jnaden 
auß  beygefüegtem  extract*^  gnedigst  zuesehen,  daß  Rector  unnd 
Universitet  diese  lectur  iederzeit  conferiren  sollen,  gestalt  bißhero 
ihe  und  allewegh  beschehen.  Sinthemahl  dan  nuhn  solche  Lectur 
nhie  nit  vaciret  (wie  E.  Churf.  Gnaden  zwahr  änderst  berichtet 
worden),  sondern  nach  absterben  D.  Bürgers  dieselbe  alßbaldten 
Dr.  Holtman  und  nach  solchem  ietzigem  su|)plicanten  conferiret 
gewesen,  dabey  auch  den  statutis  unnd  observantiae  nachgesehen 
worden. 

A1.S0  verhoffen  wir  derohall)en  unnderthenigst  E.  Churf. 
Gnaden  deme  unnd  den  statutis  ichtwas  zuewieder  nicht  be- 
schehen, sondern  vielmehr  unnß  wie  bißhero  also  furohin  bey 
solchem  herbrachten  Jure  conferendi  verpleil)en,  die  Statuta  in 
vätterlichen  Gnaden  handthaben  unnd  obangeregtem  supplicanten 
sein  gebühr  sambt  deme  ausstandt  hiefuhro  von  dero  ietz  ver- 
ordtnetem    herrn    Sieglern    gnedigst    vergnüegen    unnd     liefferen 


i^  In  den  Akten  der  Generalrezeptur  finden  sich  dio  Stellen  der 
Statuten,  die  für  diese  Erklärung  in  Betracht  kommen,  in  doppelter,  nicht 
ganz   gleichlautender  Ausfertigung;  die   Varianten   sind  eingeklammert: 

Extractus  Statutorum  Almae  Universitatis  Mogun.  Ex  Ruhrica.  De 
Matricula.  Statuimus  et  ordinamus,  ut  (omnes)  cpii  de  Corpore  Universität is 
Mogun.  censeri  et  reputari  volunt,  in  Matriculam  se  iiiscrihi  faciant.  alias 
enini  eos  (nee  privilegijs  Universitatis  praedictae  ftaudere)  nee  ad  aliquam 
professionum  maxime,   ut  in  illis  legant,  recipi  volumus. 

Ex  Rubrica.  De  Lecturis:  Statuimus  praeterea  et  ordinamus,  ut 
nullus  Doctorum,  (Licentiatorum,  Magistrorum,  aut  ruiusque  aherius 
Status)  in  aliqua  professione  seu  facultate  legere,  exercere,  aul  dispu- 
tarc  praesumat,  nisi  prius  üniversitati  nostrae  sit  immatriculatus  et  (in 
eam  facultatem,  in  qua  legere  intendit,  sit  receptus  et)  a  Rectore  denique 
iicentiam  obtinuerit.  —  Auf  der  Rückseite  des  oinen  Auszuges  sieht  1(520 
10.    Dezember. 

^^  Ebenda:  die  Stelle,  die  hier  in  Betracht  kommt,  hat  in  der  aus- 
führlicheren Form  folgenden  Wortlaut: 

Ex  Statutis  Collegii  Schenckenhergli  suh.  Tit.  De  Lectionibus:  His 
superest  lectio  Historica,  quam  piae  memoriae  Vir  l>ominus  Ivo  Wili- 
ps,  Juriunr«.  Üoctor  et  Juris  (Canonici  Ordinarius  alque  sigillifer,  sua  muiii- 
ficentia  instituit;  (ea  alternis  octennis  annis  utrique  gymnasio  per  vic«^s 
cedit;)  quod  si  professor  liistoricus  (intra  octennij  spatium)  lectionem  re- 
bignaverit,  Universitatis  (non  facultali.s)  est,  alium  ex  eadem  domo  sufficere. 


152  Ueüirich  Schruhe. 

werden  laßen.  Solches  gereicht  zue  handthabungh  der  Universilet 
Jura  unnd  Statuta  unnd  wir  seint  es  hienwider  umb  E.  Churf. 
Gnaden  zu  verdienen  wie  ohne  daß  Pflichtschuldigh  also  willigh. 
Dieselbe  damit  Göttlichem  Gnadenreichem  Schutz  trewiichsl 
dero  aber  unnß  zu  bestendigen  Churfürstlichen  Gnaden  under* 
thenigst  gehorsambst  empfehlent. 

Datum  den   18.  Decembris   1620. 

E.  Churf.  Gnaden  underthenigst  gehorsambste 

Rector  unnd  Universitet  in  Meintz. 

Rückseite:  Copia  Schreibens  ad  Reverend issimum  Archiepiscopuni 
Moguntinum     (1620  18.  Dec.) 

XXI. 

Dr.  Kaspar  Beußer-®  bittet  den  Kurfürsten  Georg  Friedrich, 
ihm  die  erledigte  Lectura  Juris  civilis  zu  übertragen.  Diese 
Bitte  sprach  er  unlängst  aus,  als  Dr.  Valentinus  Amandus 
Bleydenstatt^i  von  gefährlicher  Leibesschwachheit  ergriffen 
wurde;  jetzt,  da  Dr.  Bleidenstatt  in  verflossener  Nacht  ver- 
starb, wiederholt  er  sie. 

Mainz,  den  30.  Juni   1628.         Mainz.  Stadtbibl.  Univers.  No.  108. 

Hoch  würdigster  Churf  ürst,  E.  Churf.  Gnaden  Seyen  meine 
Underthenigst  getreuwilligste  dinst  in  schuldigstem  gehorsamb 
jederzeit  bereit   zuvorahn. 

Gnedigster  Herr! 

E.  Churf.  Gnaden  möegen  sich  ahnnoch  gnedigst  erinneren, 
waß  ahn  Dieselben  Ich  ohnlängsthin,  alß  damahlß  herr  Dr.  Va- 
lentinus Amandus  Bleydenstatt  in  gefährlicher  leibsschwacheit 
begriffen  geweßen,  Seiner  bey  alhiesiger  Universität  habendter 
Lecturen  Juris  Civilis  halben  da  selbige  uff  deßen  begebendten 
töttlichen  abgangh  vacirent  werden  soltte,  in  underthenigster  Pitt 
gelangen  laßen,  Wan  nuhn  ehr  Dr.  Bleydenstatt,  maßen  Ich  bericht 
bin,  in  verwichener  Nacht  Sein  leben  geändet,  deme  der  Almechtig 
liebe  Gott  vätterlich  gnaden  undt  barmhertzigh  sein  wolle,  und 
also  deßelben  Lectura  Juris  nuhnmehr  E.  Churf.  Gnaden  lediglich 
ahnheimb  gefallen  ist,  So  will  meine  dabefohr  abgangene  demüh- 
tigste  Pitt,  weßen  auch  dabeneben  gegen  E.  Churf.  Gnaden  unndt 
dero  herrn  Cantziern  mich  gehorsambst  erpietig  gemacht,  noch- 
mahlß  underthenigst  wiederholt  haben,  lebe  daruff  dero  getrösten 
Zuversicht,  wo  solche  lectur  von  E.  Churf.  Gnaden  ettwan  noch 
zur  Zeitt  ohnbegeben  sein  soltte,  Sie  werden  damit  meine  w^enige 
Persohn  vor  anderen  gnedigst  nitt  ohnbedacht  laßen,  undt  thue 
hierumbe  E.  Churf.  Gnaden  der  Göttlichen  obacht  zue  beständiger 
guetter  leibß  vermöglighheit  langwehrendter  Churf.  Regierungh 
undt  allem  erwünschten  wohlstandt,  dero  aber  mich  zue  ge- 
trewisten  immermöglichsten  schuldtpflichtigsten  diensten  gantz 
underthenigst  empfhelen.   Geben  Meintz  den  30.  Junij  Anno  1628. 

Ew.  Churf.  Gnaden 
Underthenigster  und  gehorsambster  diehner 
Caspar  Beusser  Dr. 

ifo  Vergl.  Beilage  No.   IX,  X,  XVI,  XVIII  u.  XXIV. 
21  Knodt   a.  a.  0..  S.  88. 


Die  Wiederbesetzung  erledigter  Professuren.  153 

Rückseite:  Dem  Hochwürdigsten  Fürsten  undt  Herrn  Herrn  Georg 
Friderichen  Ertzbischoven  zue  Meintz  deü  hayügen  Römischen  Reichs 
durch  Germanien  Ertzcantzlern  undt  Churfürsten,  Bischoven  zue  Wormbs, 
Meinem  Gnedigsten  Herrn.  Von  anderer  Hand:  Dr.  Beusser.  Praesentirl 
Meintz  den  1.  Julij  1628. 

XXII. 

Dr.  Lubentius  Pfingsthom",  dem  Aussicht  auf  eine  Richter- 
stelle oder  auf  ein  Assessorat  bei  dem  kurfürstlichen  Hof- 
gericht eröffnet  worden  ist,  bittet  den  Kurfürsten  Georg 
Friedrich,  ihm  die  Professur  zu  verleihen,  die  durch  den 
Tod  des  Dr.  iur.  Bleidenstatt  in  der  juristischen  Fakultät  er- 
ledigt ist. 

(Den  8.  Juli   1628.) 

Gen. .  Rez.    Mainz. 

Hochwurdigster  Churfurst,  Gnädigster  Herr.  Ew.  Churf. 
Gnaden  haben  sich  ohn  Zweiffell  noch  gnädigst  zu  entsinnen,  waß 
maßen  Ew.  Churf.  Gnaden  (alß  ich  vor  etlichenn  monathen  umb 
ein  guete  wilfarige  gnädigste  befurderungh,  da  inßkünfftigh  bei 
einem  weltlichen  Stattgericht  durch  eines  thodtlichen  abgangh  ein 
Richterstelle  oder  bei  einem  löblichen  Churf.  Hoffgericht  ein 
Assessorat  erlediget  solte  werden,  mir  zu  erweißenn  in  under- 
thenigst  supplicando  hab  angehalten)  die  gnädigste  vertröstungh 
gethann,  meiner  inßkünfftigh  auf  begebende  gelegenheit  in  Gnaden 
eingedenkh  undt  behülfflich  zu  sein.  Dieweil  sich  nun  nach  dem 
willen  Gottes  begebenn  undt  zugedragenn  hatt,  daß  der  Ehrnvest 
undt  hochgelehrt  her  Pleienstatt  der  Rechten  doctor  undt  in  facul- 
tate  Juridica  alhie  zue  Maintz  geweßener  Professor  iuris  Ordinarius 
kurtz  verrückter  tagen  thodts  verfahrenn  und  auß  dießem  zer- 
gienghlichen  leben  in  Godt  verschiedenn  ist,  deßen  Sehl  Golt 
gnädigh  undt  barmhertzigh  sein  wolle,  also  daß  solche  professur 
nhunmehr  erledigt  undt  dan  Ew.  Churf.  Gnaden  ahn  deß  im  hern 
entschlaffenen  Doctoris  Pleienstadten  statt  ein  andere  qualificirte 
Persohn  zu  verordtnenn  gnädigst  bedacht  ist,  Wan  dan  ich  solchen 
obangeregten  erledigten  dienst  undt  professur  vermittelß  Gött- 
licher Gnaden  getreuUch  zu  versehen  getraue,  auch  nichts  liebers 
wünschen  mögt,  alß  daß  von  Ew.  Churf.  Gnaden  ich  zu  solcher 
erledigter  professur  gnädigst  jkönte  bef ürdert  werdenn.  In  sonderer 
betrachtungh,  daß  ich  mein  übrige  hoffnungh  lebens  (so  ich  in 
studijs  et  praxi  gesetzt  hab)  under  Ew.  Churf.  Gnaden  protection 
schütz  und  schirm  woU  zubringenn  undt  meiner  bißhcro  in  studijs 
gehabter  muhen  undt  angewandtenn  fleiß  einigen  nutzen  spuren 
und  befinden  mögt.  So  glangt  undt  ist  ahn  Ew.  Churf.  Gnaden 
mein  underthenigst  gehorsambste  bitten  undt  begehrenn,  Dieselbi^e 
geruhen  mich  der  gnädigsten  vertröstungh  nach  in  Gnaden  ietz 
zu  bedencken  undt  ahn  deß  im  hernn  entschlaffenen  Doctoris 
Pleienstatt  geweßenen  in  facultate  juridica  alhie  zu  Maintz  Juris 
Professoris  ordinarij  erledigte  Stelle  für  anderen  exspectanten  zu 
genuß  deßelben  mich  khommen,  auch  mich  darzue  auf-  undt  ahn- 

"  Vergl.  Beilage  No.  XXVI. 


154  Heinrich  Srhrohe. 

zunehmen  gnädigst  ahnordtnen  laßen,  wil  ich  demselben  getreu- 
lich vermittels  Göttlich  Gnaden  also  abwartenn  undt  mich  so  ge- 
fließenn  verhalten,  daß  Ew.  Churf.  Gnaden  undt  sonsten  menigh- 
lich  verhoffentlich  werden  darab  ein  Gnädigst  gunstigen  undt 
freundtlichenn  wolgefallenn  haben  undt  dem  gemeinen  Vatter- 
landt  zu  nutz  undt  meines  Nechsten  wolfhart  geraichen  soll. 
Solches  umb  Ew.  Churf.  Gnaden  bin  ich  mit  underthenigsten  ge- 
horsambstenn  dienstenn  zu  verdienen  willigst  Damit  Ew.  Churf. 
Gnaden  Göttlicher  protection  zre  langhwiriger  glücklicher  Re- 
gierungh  emphelendt 

Ew.  Churf.  Gnaden 

Underthenigster 

Lubentius  Pfingsthornn  Dr. 

Rückseite:  Ahn  den  Hochwurdigsten  Fürsten  und  Herrn  Herrn  Georgh 
Friderichen  deß  heiligen  Stuelß  zu  Maintz  Ertzbischoffen,  deß  heiligen 
Römischen  Reichs  durch  Germanien  Ertz-Cantzelern  undt  Churfürsten. 
Rischoflen  zue  Wormtß,  Meinem  Gnädigsten  Furstenn  undt  herm.  [Inder- 
thenigsto  supplication.  Lubentij  Pfingsthornn  Dr.  Von  anderer  Hand: 
1G28  8.  Juli. 

XXIIl. 

Dr.  Johann  Adam  Krebs ^3  bittet  den  Kurfürsten,  ihm  die  Pro- 
fessur zu  verleihen,  die  in  der  juristischen  Fakultät  durch 
den  Tod  des  Dr.  Andreas  von  Jossen  frei  wurde.  Krebs 
weist  zu  seiner  Empfehlung  u.  a.  darauf  hin,  daß  er  während 
des  Exils  (=  schwedische  Besetzung  der  Stadt  Mainz)  an 
seinem  Aufenthaltsort  mit  Zustimmung  der  juristischen  Fa- 
kultät ein  Privatkolleg  gehalten  habe  und  gleiches  für  den 
kommenden   Winter  seines  Unterhaltes  wegen   plane. 

(Den   7.   November  1635.) 

Gen.-Rez.    Maini. 

Hochwurdigster  Ertzbischove  undt  Churfurst.  E.  Churf- 
Gnaden  seyen  meine  underthänigst  gehorsainbste  dienst  ver- 
pflichtem  eußerstem  vermögen  undt  debuoir  nach  bereit  vor- 
Gnädigster  Herr! 

Waß  moßen  E.  Churf.  Gnaden  professuren  eine  zuMeintzdurchi- 
ableben  ür.  Andreae  Jossen  vacirendt  worden  undt  deroselben  giia.^ 
digstem  belieben  nach  wiederumb  zu  ersetzen  ist,  deßen  werder»- 
E.   Churf.  Gnaden  zweiffelß  ohne  annoch  gnädigster  erinnerunfS^ 
sein.    Wan  ich  dan,  gnädigster  Churf.  undt  herr,  nach  Vollender» 
vieljahrigen  Juridischen  Studijs  undt  angenohmenem  gradu  Doc 
toratus  Zeit  wehrendes  unseres  exilij  mit  consens  Juridicae  facul' 
tatis  dieser  ortß  ein   collegium   privatum  ein   Zeitlang   gehalten* 
auch  noch  ferners  dießen  winter  über  (im  fall  der  Allmechtig^ 
unsere    restitution    prolongiron    werde)    derogleiche    collegia    zu 
notwendigem   meinem  underhalt  anzufangen   undt  zu   volfuhren 
mich     (Belibts    Gott)     zu     undernehmen     gedenckhe     dergestalt, 
daß  im  fall  schier  oder  morgen  durch  E.  Churf.  Gnaden  gnädigster 
Verordnung    daß    Studium    Juridicum    in    flohr    undt    öffentliche 

2^  Vergl.  Beilage  No.   XXVll. 


Die  Wiederbesetzung  erledigter  Professuren.  155 

Tjung  in  deroselben  Churf.  haubt-  undt  residentz-Slatt  Meintz 
olle  gebracht  werden  die  gesagte  ledige  professurstell  (ohne 
ahm  zu  melden)  nicht  allein  der  gebühr  undt  erforderter 
chuldichkheit  nach  zu  verdrehten  niihr  wohl  getrauete,  sondern 
ff  solche  begabenheit  nach  derogleiche  pfofcssur  auch  so  viel 
oh  mer  gehorsambst  anhalten  wölte. 

Also  habe  die  underthänigst  flehentlichster  pitt,  mich  bey  Ew. 
'hurf.  Gnaden  hiermit  gebrauchen  wollen,  daß  dieselbe  mit  an- 
eregter  professur  stelle  mich  zu  begnädigen  undt  mihr  selbe  vor 
ndern  anzuvertrawen  gnädigst  geruheten. 

Welches  umb  E.  Churf.  Gnaden  mit  gebührendem  fleißigsten 
hacht  bey  offtgesagter  professur  undt  sonsten  mit  schuldigst 
ehorsambstem  ufwarten  eußerstem  Vermögen  nach  zu  verdienen 
iiich  underthänigst  befleißen  werde;  Gott  den  Allerhöchsten 
»ittent,  daß  Er  E.  Churf.  Gnaden  langwierige  gude  leibßfristung 
verleihen  undt  deroselben  Churf.  regierung  also  vatterlich  segnen 
Völle,  dahmit  dehro  Ertzstifft  undt  daß  Rühm.  Reich  inßgemein 
inieezo,  schier  künfftig  aber  die  posteritot  deßen  sich  zu  er- 
freuen möge  haben. 

E.    Churf.   Gnaden 
Underthänigst  gehorsambster  Diener 
Johan  Adam  Krebß  Dr. 

Rückseite:  Pitt  underthenigst  umb  die  durch  abieben  Doctoris  An- 
«ireae  Jossen  verledigte  Professur   Stelle. 

Von  anderer  Hand:  1635  7.  Noveinbris.  Underthänigste  supplication 
Dr.  Jo.  Adami   Krebs.    Praesentirt  Cöln,  den  7.  Novenil)is   1635. 

BenQcrkung  des  Kurfürsten:  Fiat,  ut  petitur;  Anseimus  Casimirus 
Archiepiscopus. 

XXIV. 

Dr.  iur.  utr.  Karl  Faber**  richtet  an  den  Rektor  Dr.  theol. 
N.  Broich  und  an  die  Universität  die  Bitte,  ihm  die  Professur 
der  Geschichte,  die  durch  den  Tod  Kaspar  Boußers  erledigt 

sei,  zu  übertragen. 

Den  16.  September  1637. 

Mainz.  Stadtbibl.  Univors.  Nu.   108. 

Reverende  et  Eximie  alniae  Uaiversitatis  Moj^untiaae  Rector 
^^^gnifice,  sacrosanetae  Theologiae  Üoctor  profundissiine,  Domino 
^^'^iendissime. 

Reverendae  Magnificentiae  Vestrae  absquo  dubio  innotescit 
^ualiter  ab  obitu  quondam  Clarissinü  et  Consultissimi  viri  Domini 
^^pari  Beassers  professura  eiusdem  Historiarum  Reverendae 
^^gnificentiae  Vestrae  almaeque  universitati  Moguntinae  confe- 
^^nda  cesserit. 


**  Bald  nach  dem  Tode  des  Dr.  iur.  Dionysius  Campius  erhielt  Karl 
^*ber  dessen  erledigte  Stelle  an  dem  kurfürstlichen  Vikariats-  u.  Proto- 
nolariatsgericbte.  Unter  dem  16.  Oktober  1641  (Datum  Mainz)  befiehlt 
der  Kurfürst  Anselm  Casimir  dem  Provicar  in  spiritualibus  Dr.  Freys- 
kch,  an  Stelle  des  abwesenden  Vikars  in  s[)iritualibus  Dr.   Karl  Faber 

in  Pflicht  zu  nehmen  und  an  genannten  Gerichten  zu  installieren.     Akten 

der  Generahrezeptor. 


156  Heinrich  Schrohe. 

Itaque  cum  nemo  sit  qui  in  praefata  universitate  ean- 
dem  hactenus  expetierit,  haud  iniqua  spe  fretus  reor  eos 
qui  quorumve  parentes  erga  hanc  almam  universitatem  Mo- 
guntinam  bene  meriti  fuerunt  prae  aliis  bravio  quodam  sive 
honore  condecorandos  fore.  Eapropter  summis  quam  possam 
precibus  contendo,  Reverenda  Magnificentia  Vestra  atque  alma 
haec  universitas  Moguntina  me  eodem  honore  et  professura 
honorare  sive  conferre  non  dedignetur. 

Quod  cum  summa  gratitudine  animi  tum  omni  genere  humani- 
tatis  et  officij  erga  Reverendam  Magnificentiam  Vestram  adeo 
que  totam  universitatem  Moguntinam  promereri  conabor,  Re- 
verendae  Magnificentiae  Vestrae  animi  declarationem  desuper  soh- 
misse  expectans   16.   Septembris   Anno    1637. 

Reverendae  Magnificentiae  Vestrae  ad  obsequia  paratissimus. 

Carolus  Faber  J.  ü.  Dr. 

Rückseite:  Reverendo  et  Eximo  viro  Domino  N.  Broich**  almae  uni- 
versitatis  Moguntinae  Rectori  Magnifico,  S.  S.*®  Theologiae  Doctori  pro- 
fundissimo  nee  non  coliegiatae  Ecclesiae  ad  S.  Petrum  Moguntiae  Cano 
nico  Capitulari  dignissimo,  Dno  suo  colendissimo. 

Von  anderer  Hand:  Carolus  Faber  supplicat,  ut  ipsi  Professura 
historiarum  conferatur  a.   1637. 

XXV. 

Kurfürst  Anselm  Kasimir  ersucht  Rektor  und  Universität 
den  Dr.  theo!.  Johann  Jakob  Völcker^^a  mit  dem  Universitats- 
Kanonikate  zu  providieren,  das  an  dem  Liebfrauenstift  durch 
den    Tod    Dr.    Sebastian    Stechmanns    seit    längerem    er- 

ledig:t  ist. 

Mainz,  den  12.  Januar  1639. 

Mainz.  Stadtbibl.  Univers.  No.  108. 

Anselm  Casimir  von  Gottes  gnaden  Ertzbischove  zu  Maintz 
und  Churfurst. 

Unsern  grüß  zuvor.  Ersame  undt  hochgelährter  Liebe  An- 
dechtige  und  getrewe.  Bey  unß  hatt  sich  der  auch  Ersame 
und  hochgelährte  Johann  Jacob  Völckher  S.  S.  Theologiae  Doctor 
underthenigst  angemeldt  und  ihme  zu  deme  durch  tödtliches 
ableiben  weylandt  Doctoris  Sebastiani  Stechmans  Unßers  Stieffts 
Divae  Virginis  ad  Gradus  alhie  selig  vacirendem  Canonicat  durch 
mittel  Unßerer  intercession  gnädtigst  zu  verhelffen  gantz  in- 
stendigst  gebetten. 

Nun  haben  Wir  unß  zwar  gnedtiglich  erindert,  welcher- 
gestalt  in  Anno  1635  auß  da  zumahl  von  ermeltem  Unßern  Stifft 
eregten  und  erheblichen  Ursachen  wir  Euch  gnedtiglich  dahin 
vermahnet,  daß  Ihr  mit  Ewerer  nomination  ad  vacantem  Prae- 
bendam  Universitatis  einhalten  und  ad  tempus  damit  supersediren, 
Euch  aber  dabeneben  versichert  halten,  daß  solches  zu  keinem 
praeiuditio  inßkünfftig  außgedeutet  werden  solte,  inmaßen  dan 
wir  auch  gern  vernehmen,  daß  dem  Stifft  zu  guetem  solche  da 
zu  mahl  eingewilliget  worden  ist;  Dieweil  Wir  nun  gleichsamb 

25  Knodt,  a.  a.  0.,  S.  94,  96,  u.  101.  —  »sa  Vergl.  auch  Beil.  No.  XXVI. 


Die  WiederbesetzuDg  erledigter  Professuren.  157 

bey  unß  gnedtiglich  erwegen,  daß  eine  geraume  Zeit  verfloßen 
ist,  daß  solches  Canonicat  vacirendt  verblieben  und  der  ietzige 
Supplicant  alß  ein  originarius  dießer  ohrten  seine  Studia  Philo- 
sophica  und  Theologica  alsoweit  volnführt,  daß  er  sich  nach 
verfließung  Siebenjähriger  Zeit  in  collegio  Germanico  zu  Rom 
mit  höchstem  Lob  und  Preyß  in  Magistrum  Philosophiae,  hernechst 
aber  in  Doctorem  S.  S.  Theologiae  zu  Perus  promoviren  laßen, 
unß  auch  seiner  herrlichen  vortrefflichen  qualiteten  halben  voa-v^c- 
schiedenen  Cardinal  und  andern  also  hoch  gerumbt  und  ge- 
prießen  werden,  welche  sich  an  ietzo  in  der  thadt  also  erweiß- 
lichen befinden,  daß  wir  ihnen  zu  seinem  vorhabenten  intent 
und  zu  erlangung  deren  bey  Unßerm  Stifft  Stae  Mariae  Virginis 
ad  gradus  noch  ohnbegebenem  Canonicat  desto  lieber  befürdert 
sehen  möchten,  Also  haben  wir  nachgestalt  dießes  subiecti, 
welches  in  Theologica  Facultate  ad  Professuram  habile  et  quali- 
ticatum,  nit  underlaßen  wollen,  Euch  solches  hiemit  bestermaßen 
recommendiren.  Euch  dabeneben  gnedtigst  ersuchent,  ermelten 
Völckher  auß  denen  oberzehlten  Ursachen  damit  zu  providiren 
nit  zweiffelendt,  unßer  Stifft  ad  gradus  sich  seiner  persohn  her- 
nechst in  vielfaltigen  occasionibus  nutzlichen  zu  bedienen  wißen 
wurdt  und  nechst  deme  eine  solche  willfährige  erklährung  unß 
zu  sonderbahrem  gnedigsten  gefallen  gereicht,  So  wollen  wir 
es  auch  gegen  Euch  hinwider  in  gnaden  erkennen,  damit  wir  Euch 
ohnedaß  sambt  und  sonders  wohl  gewogen  verbleiben.  Datum 
zu  St.  Martinsburg  in  Unserer  Statt  Mäintz,  den  12.  Janua'rij 
Anno  1639. 

Anseimus  Casimirus  Archiepiscopus  Moguntinus. 

(Eigenhändige  Unterschrift.) 

Rückseite:  Den  Ersamen  und  Hochglährten  Unsem  Lieben  Andech- 
tigen  und  Getrewen  Rectorn  Dechant  und  Doctorn  unserer  Universitel  in 
UDBerer  Statt  Mäintz.  Prd.  (Produciert?)  den  17.  Januarij  Anno  1639. 
Von  anderer  Hand:  Littera  Electoris  Anselmi  Casimiri  quibus  Joannes 
Jac  Völcker  Theol.  Dr.  ad  Professuram  et  Canonicatuni  ad  gradus  B.  V. 
per  tempus  vacantem  commendetur  d.  d.   12.  Jan.   1639. 

XXVI. 

Beschluß  der  Universität  in  der  Streitsache  des  Dr.  med. 
Hartlieb  mit  Dr.  Hohefcistatt  wegen  Zulassung  des  letzteren 
zur  medizinischen  Fakultät.*«  Hohenstatt  wird  für  ein  rich- 
tiges Mitglied  der  Fakultät  erklärt,  doch  werden  ihm,  damit 
er  aller  Universitätsprivilegien  teilhaftig  wird,  genannte  Ver- 
pflichtungen auferlegt. 

(Den  16.  Dezember)  1646. 

Gen.  -  Rez.    Mainz. 

Denmach  zwischen  herrn  Justo  Hartlieb  undt  herrn  Johan 

Martin  Hohenstatt,  beeden  der  Artzney  Doctorn,  sich  wegen  ietz 


*«  Über  diese  beiden  Professoren  der  Medizin  sowie  über  Professor 
Simon  Jung  vergl.  Beilage  No.  XXVIII,  ferner  Knodt,  a.  a.  0.,  S.  102, 
103,   106  u.  100:  über  den  Rektor  von  Andlau  Knodt,  a.  a.  0.,  S.  100; 


158  Heinrich  Schrohe. 

berührten  herrn  Hohenstatts  admission  ad  facultatem  Medicarn 
ein  zeithero  etliche  strittigkeiten  erhalten,  auch  deßwegen  Ihro 
Churfürst.  Gnaden  Anselm  Casimir  hochseligsten  andenckens. 
dem  hochwurdig  wohl  Edelgeborn  herrn  Johan  Ulrich  von  And- 
law  deß  hohen  Ertz-  undt  Dohmstieffts  Maintz  Dohmbsengem  etc. 
derozeit  dieser  löblichen  Universität  Rectorn  gnedigst  anbefohlen, 
diese  strittigkeit,  befindenen  (sie)  dingen  nach  in  der  gutte  zu 
componiren  undt  vergleichen,  Also  haben  hochgedachte  ihro 
Gnaden  dem  Edlen  undt  hochgelehrten  herrn  Lubentio  Pfingst 
hörn,  der  rechten  doctorn  gnedigst  committirt,  daß  mit  zuzihung 
gesambten  Assessorn  dieser  Universitet  alß  herrn  Johan  Jacob 
Völckern  S.  S.  Theol.  Doctorn,  herrn  Frantz  Philips  Beusseni,  der 
rechten  Licentialen,  herrn  Johan  Jacob  Oppenheimern  undt  herrn 
Johan  Adam  Pfeffern,  beede  der  rechten  Doctorn,  herrn  Simon 
Jungen  undt  herrn  Georg  Blum,  beede  der  Medicin  Doctorn,  un<lt 
herrn  Magist ri  Hanseri  diese  sach  furnehmen,  beede  partheyen 
Vorbescheiden,  dieselbe  ihrer  notturfft  nach  anhören  undt  dahin 
trachten  undt  sehen  sollen,  wie  vermög  obengeregtes  gnädigstes 
Churf.  befelchs  diese  Differentien  ohn  andere  weitleuffigkeit  hin- 
zulegen sein  mögten.  deme  dan  zu  gehorsamen  volg  Montag  den 
16.  Decembris  vermeltc  herrn  sambt  beeden  eingangs  gedachten 
herrn  Medicis  zusammen  kommen  undt  nach  genügsamer  an 
hörung  eines  undt  andern  theilß  vor-  undt  anbringen,  endtlichen 
die  sach  dahin  componirt  undt  verglichen,  daß  weilen  facultas 
Medica  vor  2  Jahren  die  admissionsgelter  von  herrn  Dr.  Hohen- 
statt  empfangen,  zugleich  ihnen  das  gewohnliche  juraraentum 
praestiren  laßen,  also  wurcklich  ad  facultatem  uff-  undt  an- 
genohmen,  wie  dan  auch  derselbe  etzliche  actus  factae  adniissioiiis 
exercirt.  Daß  erwenter  herr  Dr.  Hohenstatt  auß  diesen  undt  andern 
mehr  fürbrachten  motiven  undt  Ursachen  von  zeit  an  er  solches 
iuramentum  abgelegt  pro  vero  facultatis  membro  zu  achten  undt 
halten  seyo,  auch  gleich  andern  aller  Universitets  pri\ilegien  im- 
ipuniteten  undt  befreyungen  zu  gaudiren  undt  zu  genießen  habe 
allein  mit  diesem  anhang,  daß  innerhalb  Jahresfrist  die  gewohn- 
liche repetition  verrichten  oder  anstatt  derselben  uf  begebene 
gelegenheit  einem  candidato  praesidiren  solle.  Also  reciproce 
hierz wischen  und  hinfüro  alle  differentien  und  strittigkeiten  hie- 
mit  uffgehoben  amicabiliter  et  fideliter  den  patienten  zu  trost  zu 
hegebenten  occasionibus  invicem  consultiren  undt  beyrähtig  zu 
sein   verglichen   und    beschloßen    worden. 

Joannes  Hoeglein 
Syndicus   Universitatis   Mogunt.   in    fidem. 

Rückseite:   Diuis  al)  Audio  Rector  Universitatis  fuit  Anno   1646- 

Voh   anderer    Hand:    Coriclusuni   Universitatis   Moguntinae   ex   paile 
Doctoris  Hohenstadt   contra  Doctorem  Hartlieb   1646. 


über  Lul)entiiis  Pfingsthorn  Beilage  No.  XXII;  über  Oppenheimer  Knodt, 
a.  a.  p.,  S.  101  ;  über  Reusser  ebenda,  S.  104;  über  Pfeffer  ebenda,S.  103; 
über  Völcker  Beilage  No.  XXV. 


Die  Wiederbesetzung  erledigter  Professuren.  159 

XXVII. 

Kurfürst  Anselm  Kasimir  teilt  der  Juristenfakultät  mit,  daß 
er  1635  seinem  Rat,  dem  Dr.  iur.  Johann  Adam  Krebs ^S  die 
erledigte  Professur  des  Dr.  Andreas  von  Jossen  übertragen 
habe;  darum  befiehlt  er,  daß  dieser  baldigst  dazu  präsen- 
tiert würde. 

Mainz,  den  17.  September  1647. 

Gen.  -  Rez.    Mainz. 

Anselm  Casimir 
Unsern  grues  zuvor.  Ersamb  und  hochgclerte  liebe  an- 
dächtig und  getrewe.  Demnach  wir  dem  auch  Ersamb  hochge- 
lerten  Unserm  Ralh  und  lieben  getrewen  Johann  Adam  Krebßen 
der  Rechten  Dr.  im  Jahr  1635  diejenige  professurstelle,  die 
durch  absterben  weylandt  Dr.  Andreae  von  Jossen  bey  unserer 
Juristen-Facultet  alhie  dahmahlen  vacirendt  worden  gnedigst  con- 
ferirt  undt  dahero  gern  sehen  theten,  daß  derselbe  ehist  hierzue 
praesentirt  undt  vorgestelt  werde,  zumahlen  Er  sich  bei  jüngst 
vorgegangener  praesidirung  hierzu  genugsamb  qualificirt  gemacht 
hat,  also  befehlen  wir  hiemit  gnedigst,  Ihr  wollet  gedachten 
Unsem  Rath  auf-  und  annehmen  undt  unserer  facultet  an  obged. 
Dr.  Jossen  see.  blaz  dem  herkommen  gemeß  praesentiren,  daran 
erstattet  ihr  Unsern  gnedigst  befehlenden  willen  und  hleil)en 
euch  benebens  zue  gnaden  wol  gewogen.  Datum  zue  S.  Martins- 
burg in  unser  Statt  Mainz  den  17.  septembris  1647. 

Adresse:  Ahn  die  Juristenfacultet  aUiie.  Zu  Beginn  des  Schreibens 
<»ben   links:  Cron. 

XXVIII. 

Die  medizinische  Fakultät  erklärt  dem  Kurfürsten  ihro  Be- 
reitwilligkeit, sich  bei  dem  jetzt  eingetretenen  Frieden  in 
den  Dienst  der  studierenden  Jugend  zu  stellen,  und  bittet 
deshalb  um  ein  jährliches  Stipendium;  mit  dessen  Einrich- 
tung wünscht  sie  den  Domdechanten  und  Statthalter  betraut. 

(Den  21.  Februar  1661.) 

Gen.  -  Rez.    Mainz. 

Hochwürdigster  Ertzbischoff  und  Churfürst.  Gnedigster  Herr! 
Ewer  ChurfürsÜiche  Gnaden  werden  zweiffeLsfrey  gnedigstes  wissen 
tragen,  was  gestalt  ahnnoch  kurtz  vor  dem  letzthin  im  h.  llöni. 
Reich  insonderheit  aber  dieser  orthen  ahm  Rhein-  und  Mayn- 
slrom  eusserst  gewütenden  Kriegs-  und  Unweßen  alle  vier  Fakul- 
täten dero  Universität  oder  hohen  schul  alhie  zu  Mayntz  also 
darunter  auch  die  löbl.  Mcdicin  vermittelst  fleißiger  professur 
oder  öffentlichen  leßens,  vigore  Churfl.  befehlen  und  Statuten 
im  flor  geweßen,  aber  neben  vielen  andern  guten  und  nützlichen 
Sachen  viel  iahr  lang  bis  daher  gantz  daniderligen  blieben. 

Wan  aber  durch  die  gute  des  Allmächtigen  und  Ew.  Churfl. 
(inaden  als   Patriae  patris   höchstrühmliche   Ireweyfferige  (^oope- 

27  vergl.  Beilage  No.  XXIV. 


160  Heinrich  Schrohe. 

ration,  hülff  und  Sorgfalt  wir  nuhnmehr  samptlich  widerumb  in 
ruh  und  frieden  gesetzt  seind,  darinnen  die  gesampte  Studia  za 
Gottes  Ehr  und  des  Vatterlands  Wohlfahrt  ferner  floriren  und 
neben  der  Theologia  iurisprudentia  und  Philosophia  auch  das  noth- 
wendige  heylsame  Studium  medicum  vermittelst  fleißiger  professur 
reassumiret  und  wider  ahngestellet  werden  könte«  zumahlen  da 
sich  dieser  Zeit,  in  welcher  sonsten  kein  geringer  defectus  mehrer  i 
medicorum  zu  spühren,  von  Scholaren  oder  Studenten  meist 
landskindem  etzliche  feine  ingenia  ahngeben  und  hierinnen  gern 
die  hülffliche  band  gebotten  sehen  möchten. 

So  weren  wir  unterschriebene  von  E.  Churfl.  Gnaden  Lobl. 
Universität  ahn  statt  doctoris  jungen  und  doctoris  hartliebs 
Seel.  ernante  zu  professoribus  Medicinae  geneigt  und  erbietig,  za 
berührtem  Zweck  und  Verlangen  der  studirenden  Jugend  unßere 
von  Gott  verliehene  Talenta  ersprießlich  ahnzuwenden,  in  Ew. 
Churfl.  Gnaden  gnedigstes  gefallen  gehorsambst  stellend,  ob  selbige 
diese  unßere  wohlgemeinte  unterthänigste  offerta  gnedigst  genehm  i 
halten  und  umb  ein  billiches  iährliches  Stipendium,  darahn  zwar 
das  stifft  S.  Stephan  ein  gewisses  weniges  zu  erledigen  schuldig 
were,  authentisiren,  zu  dem  end  auch,  jedoch  ohne  unßer  maß- 
geben, des  herrn  Dhomdechants  und  Statthalters  Hochwürden  und 
Gnaden  dieses  werck  bester  und  billigster  maßen,  weilen  besa^ 
Stifft  S.  Stephani  unßerer  medicinischen  facultät  ohnedas  noch 
ein  zimliches  im  rest,  das  werck  einzurichten  gnedigste  coro* 
mission  ertheilen   wolten. 

Hierüber  Ewer  Churfürstlichen  Gnaden  gnedigste  befehlende 
resolution  und   meinung   unterthänigst  erwartend 
Ew.  Churfl.  Gnaden 
Unterthänigste  trewgehorsambste 

Ludwig  von  Hörnigk 

J.  Martin  Hochstatt 

Job.  Joachim  Becher 
Medicinae   Doctores. 

Rückseite:    Ahn    Ihre    Churf.    Gnaden   underthänigst   memoriale  ^ 
Medicinischen  Facultät  doctoren  in  Mayntz. 

Von  anderer  Hand:  Den  21.  Februarii  1661  ist  diese  schrÜR 
originaliter  nach  würtzburg  geschickt  und  hiesigem  herrn  Statthaltern 
unterlhänig   recommendiret    worden.  ^8 

Beilage  zu  dem  Aktenstück  XXVIII. 

Ober  die  in  dieser  Eingabe  genannten  Professoren  der  M«; 
dizin  Simon  Jung  und  Jodocus  Hartlieb  sowie  über  die  drei 
Unterzeichner  der  Urkunde  finden  sich  in  dem  Album  der 
Mainzer   medizinischen   Fakultät   (Mainzer  Stadtbibliothek) 

folgende  Einträge: 
Anno  Domini  1617  undecimo  Januarij  receptus  est  ad  facul- 
latem  Medicam  iuxta  eiusdem  statuta  Simon  Jung  Moguntinus, 


2P  Der  hier  erwähnte  üomdechant  und  Statthalter  ist  Johann  voa 
Heppenheim,  genannt  von  Saal.  Vergl.  über  ihn  Schrohe,  in  der  Fest 
Schrift  für   Prälat   Schneider,   S.    141—157. 


Die  Wiederhesetzung  erledigter  Professuren.  161 

lotus  Romae  in  Medicinae  Doctorein,  praesentibiis  Clarissimis 
si)erientissiniis  D.D.  Joanne  Georgio  Thein  Decano  et  Joanne 
lao  Fischero  et  Stephano  Dominico  Brunheymer. 

Anno  Domini  1617  22.  Martij  receptus  est  ad  Facultatem 
cam  iuxta  eiusdem  Statuta  Jodocus  Hartlieb. -^  Bam- 
ensis,  Ingolstadij  promotus  in  Modicinae  Doctorem,  praesen- 
;  Clarissimis  et  Expertissimis  Dnis  D.  Joanne  Georgio  Thein 
mo  Stephano  Dominico  Brunheymero  et  Simone  Jung. 

Ego  Ludovicus  von  Hörnigk,  die  24.  Maij  st.  vet.  1625 
intorati  in  Doctorem  Medicinae  legitime  et  solemniter  pro- 
is  a  Dno  Doctore  Melchiore  Sebitio  seniore  Facultatis,  hodie 
sima  Decembris  adeoque  penultima  Anni  1653,  postquam 
ssimis  Dnis  Doctoribus  Medicae  Facultatis  et  juramento  prae- 

et  aliis  satisfecissem,  ad  dictam  inclytam  Facultatem  suni 
ptus  Decano  venerabili  Nob.  et  Experientissimo  Dno  Doctore 
.nne  Martino  Hohenstadt  praesentibus  reliquis  duobus  puta 
D.  Simone  Jungio  et  dno  D.  Jodoco  Hartlieb. 

Ego  Joannes  Martinus  Hohenstadt  Ao  1644  23.  Junij 
aotus  Romae  Medicinae  Doctor  A  Dno  Simone  Jung  Medicae 
iltatis  Seniore  hodierna  die  22.  nimirum  Januarij  stipulata 
e  ad  Facultatem  Medicam  receptus  iuxta  statuta  praesentibus 
ssimis  atque  experientissimis  Dnis  Domino  Doctore  Simone 
l  D.  D.  Jodoco  Hartlicb  Anno  millesimo  Sexcentesimo  quadra- 
tno  sexto.    Obiit  ultimo  Maii   1664. 

Ego  Joannes  Joachimus  Becherus  Spirensis,  Die  Decima 
1  Septembris  hujus  anni  currentis  MDC.LXI  in  ipsa  hac 
untia  Medicinae  Doctor  legitime  et  solenniter  promotus, 
ie  vigesimo  octavo  Novembris  immediate  subsequentis  ab 
ytae    Facultatis    p.    t.    Decano    Spectabili    Domino    Ludovico 

Hörnigk,  postquam  superaddito  juramento  consueto  Facultati 
sfecissem,  ad  eandem  sum  receptus  Praesente  Nobili  et  Ex- 
lentissimo  Domino  Doctore  Joanne  Martino  Hohenstatt  suo 
motore. 

ter  Ludwig  von  Hörnigk  —  einzelne  Daten  über  ihn  bei 
mnk,  Beiträge  zur  Mainzer  Geschichte  IH,  S.  309,  Knodt 
a.  0.,  S.  104,  und  Schrohe,  Kurmainz  in  den  Pestjahren 
>6/7,  S.  98  —  fand  im  Jahre  1663  eine  Doktorpromotion 
tt,  zu  der  in  folgender  Weise  eingeladen  wurde  (das 
kat   befindet   sich   in   den   Akten   der   Generalrezeptur) : 

L.  S. /vrN  eEOr  OAAAMA.  Ad/Sanctissimae  Trinitatis 
orem  Gloriam,  /  Ecclesiae  Catholicae  Incrcmentum,  /  Bei- 
•ücae  Universae  Emolumentum,  /  Patriae  Charissimae  Ornamcn- 
i,/Ipsis  Calendis  Martij  media  hora  octaua  matutinä,  Anni  nati 
isiae  supra  Milesimum   sexcentesimi  /  sexagesimi    tertij,  /  Post 

^  In  dem  Memorienbuch  des  Reichklaraklosters  in  Mainz  heißt  es :  „Den 

Dezember  1658  ist  gestorben  unser  Medicus  Herr  Dr.  Jodocus  Ilart- 

welcher  unserem    Konvent   in   der   pestilenzischen    Krankheit   jiroße 

und    Treue    erzeigt    hat".       Schrohe,     Geschichte    des    Ueichklara- 

ers,  S.  19. 

eitrige  z.  Gesch.  d.  Universitäten  Mainz  u.  Gießen.  tl 


162  Heinrich  Schrohe. 

collatam  prius  licentiam  /  a  /  Reverendissimo  in  Christo  Patre  ac 
Domino,  /  D.  WoUhero  Henrico  A  Strevesdorf.  /  Episcopo  Ascalo- 
nitano  Eminentissimi  Principis  /  Electoris  et  Archiepiscopi  Mog. 
Suffraganeo,  SS.  Theolog.  Üoctore  /  Eximio,  Facultatis  Theolog. 
UniuersiUtis  Coloniensis  inter  Ordinarios  Professores  et  Regentes 
aliquot /annis  Seniore,  üniuersitatis  Mogunt.  Cancellario  Aniplis- 
simo,  Collegiatae  Ecciesiae  /  B.  Virg.  Erfurt!  Praeposito,  hie  ad 
D.  Petri  Scholastico  et  Canonico,  ün.  nostro  /  suspiciendissimo , 
Magnificus,  Nobilissinms  et  Excellentissimus  Vir,  /  D.  Ludovicus 
von  Hornigk,  U.  Juris,  Medicinae/et  Phil.  Doctor,  S.  Sedis  Aposlo- 
licae  et  Maj.  Caesareae/ad  rem  Librariam  in  Imperio  Comniissarius 
et  Censor  Generalis,  Caesareus  itidem  Consiliarius  /  et  Conies  Pala- 
tinus,  Consiliarius  Mogunt.  Aulicus  et  Med.  prof.  pub.  /  Ord.  iiec 
non  p.  t.  Decaims,  /  Ex  Venerandae  Facult.  Medicae  in  antiqua 
Universitate  hac  Moguntinä,  unanimi  Consensu  et  Decreto/No- 
bilem,  Clarissimum  et  Experientissimum  Medicinae  Canditatum/Dn. 
Michaelem  Capitel  Veldkircharhoctum  in  Medicinae  Doctoreni  / 
More  Maiorum,  Rituque  solenni  in  Brabeuterio  RR.  PP.  Soc. 
Jesu  maiore,  /  creabit,  declarabit  et  pronunciabit  /  ad  quam  Pane- 
gyricum  Actum  /  Omnes  ac  singuli  quotquot  Virtutibus  bonis- 
que  litteris  volunt,  pro  statüs  sui  conditione,  debitä  /  observantiä 
officiose  et  amanter /rogantur,  accersuntur,  invitantur. /Benevole 
itaquc  /  Adeste,  spectate,  favete,  et  re  a  nobis  bene  gesta,  plau- 
dite.  P.P.  et  Facult.  iigillo  subsignat.  die  28  febr.  1663./Disser- 
tatiunculae  Inaugurales  /  D.  Promotoris  /  De  Jurisprudentiae  et 
Medicinae  «SsX'^tXta  seu  Consororietate  vol  saltcm  arcUx  et  magna 
Consanguinitate  et  Conjunctione./ D.  Doctorandi/De  Curatione 
Podagrae  per  solum  Lac  et  an  talis  unquam  fieri  possitV/Mogun- 
tiac,  ex  Tvpographeio  Nicolai  Hevll,  Üniuersitatis  Typographi 
jurati  Anno  AI.  DC.  LXIII. 

XXIX. 

Kurfürst  Damian   Hartard   übersendet  die   Klageschrift  des 
Dr.  Cranebiter,  dem  die  juristische  Fakultät  die  Professur 
nicht  gestattete,  an  den  Rektor  Dr.  Volusius  und  die  Univer- 
sität zur  Entscheidung. 

Mainz,  den  13.  August    1G76. 

Gen.-Rez.    Mainz. 
Damian  Hartard. 

Waß  von  Dr.  Cranebiter  gegen  unsere  Juristen  facultät  alhie 
und)  (leßwillen,  weil  sie  ihine  die  ordinari  professur  nicht  ge- 
statten wolle,  bey  unß  underthänigst  geklaget,  wohin  sich  auch 
beklagte  facultät  dagegen  vernehmen  laßen,  solches  communiciren 
Wir  euch  ab  Ikh'  verwahrten  orignalacten  mit  dem  giiedigsten 
befehl,  daß  ihr  euch  hierunder  bestendig  informiren  und  verfügen 
sollet,   waß  rcM'ht  ist,  seindt,  euch  damit. 

Mainz,  den    K^.   August   1G76. 

Adresse:  Alm  Weihbischüllen  Dr.  Volusiuin  alß  rectorem  Magnificum. 

Link^  üben  zu  Hejiinii  des  Schreibens:  Zinn  S.    Rechts  oben:  styloft. 


Die  Wiederbesetzung  erledigter  Professuren.  163 

XXX. 

Die  Juristenfakultät  teilt  dem  Kurfürsten  Franz  Lothar  die 
Gründe  mit,  die  sie  bestimmten,  dem  Bakkalaureus  Christoph 
Rudolf  Winterhelt  juristische  Privatvorlesungen  zu  unter- 
sagen; der  Kurfürst  hatte  nämlich  das  Memoriale  Winter- 
helts  der  Fakultät  übersandt  und  diese  zum  Bericht  auf- 
gefordert. 

(Juni  1697.) 

Mainz.  Stadtbibl.  Univcrs.  No.  108. 

Hochwürdigster  Ertzbischoff  und  Churfürst 

Gnädigster  Herrl 
Aus  dem  ahn  Ew.  Churf.  Gnaden  von  Christoph  Rudolph 
Winterhelt  übergegebenen  und  unß  von  dero  hochlöbi.  Regirung 
communicirten  Memoriale,  umb  darüber  unsern  bericht  unter- 
thänigst  zu  erstatten,  haben  wir  mit  mehrerern  ersehen,  VVaß- 
gestalten  derselbe  sich  beklage,  daß  von  Decano  facultatis  Juridicae 
privata  coUegia  zu  halten,  wiewohlen  er  es  umbsonsten  thete, 
Ihme  seye  inhibirt  wordten.  Nun  geruhen  Ew.  Churfürst I.  Gnaden 
gnädigst,  sich  unterthänigst  referiren  zu  lassen,  wie  daß  l."»<^  er- 
melter  Winterhelt  in  seinem  Memoriale  selbsten  gestehet,  daß 
Er  kein  Licentiatus,  sondern  nur  Baccalaurcus  seye,  es  hat  aber 
hier  keiner,  wan  er  auch  schon  von  hiesiger  Universitet,  vorher 
facultatem  docendi,  er  seye  dan  wenigstens  licentiatus  Juris  und 
membrum  facultatis  Juridicae,  welches  derselbe  2^''  seiner  Eigenen 
geständtnuß  nach  ebenfals  nit  ist,  deßwegen  hier  jederzeit  ob- 
serv'irt  wordten,  daß  wan  einer,  so  sich  anderwerts  etwa  bette 
graduiren  lassen,  in  allhiesige  facultet  einzutretten  und  deren 
Privilegien  sich  theilhafftig  zu  machon  verlangt,  zuvor  die  consueta 
Jura  abstatten  müssen  wie  under  andern  H.  Dr.  Hörnick  der  abge- 
lebten. Dr.  Moll,  so  zu  Ingolstatt  Licentiam  bekommen,  deßgleichen 
unser  mitprofessor  Laßer  selbsten  gethan  haben,  dannoch  ist 
3  tk>  auch  denjenigen,  die  Membra  hiesiger  facultet  seint,  nit  zu- 
gelassen, propria  authoritate  privatim  zu  profitiren,  sondern  die 
haben  jederzeit  bei  denen  professorn  umb  permission  angehalten, 
wie  auß  denen  noch  vorhändigen  Mcmoralien  von  Dr.  Cranebiter, 
Dr.  Waßmuth  sehl.,  Dr.  Heger  und  Lic  Flärk.  die  doch  de  facul- 
tate  wahren,  zu  ersehen,  ohnerhörl^  aber  ist,  daß  sich  ein  solches 
einer  ab  Externa  facultate  mit  bestand  solte  ahni^omaßl  haben 
und  dieses  zwar  darumb,  auff  daß  durch  solches  unordentliche 
dociren  keine  Confusio  in  Studijs  der  gantzen  Universitet  zum 
nachtheil  erwachse  und  denen  auditoren  dardurch  von  einem 
zum  andern  zu  vagiren,  quibus  \}Ct  se  varietas  placet,  kein  anlaß 
gegeben  werdle,  also  daß  sie,  wie  sichs  gebührt,  nichtß  recht  ab- 
solvirn,  sondern  zu  dero  ohnersetzlichen  schaden  Zeit  und  Kosten 
übel  anwenden  und  in  Jure  kein  fumiament,  wie  [)er  Studium 
ordinatum  continuum  geschehen  nuiß,  setzen,  sodan  pro  4.*'^  haben 
Dr.  Haaren  ad  Jus  Canonicum  und  Dr.  Petz  ad  Institutiones  so- 
wohl vergangenes  Jahr  alß  auch  dieses  von  Martini  ahn  biß  hie- 
hero   ieder  alle   woche    meistens    4    lectiones    gehalten    und    ist 


IG4        Heinrich  Schiohe:  Wiederbeselzung  erledigter  ProressureD. 

Dr.  Honcamp  ebenEalß  bereith,  wan  einige  auditoreii  voa  i 
anfangen  woltcji,  daß  seinige  zu  verrichten,  es  mag  aber 
zur  sach  thuen,  daß  gedachter  Winterhelt  privata  collegia 
sonst   zu   hallen   vorgibt,   maßen   diejenige,    so   under    üiifl 
Instttuliones  hören  und  waß  gewöhnlich  zahlen,  ein  |antzes  ii 
mit  4  Bthlr.  auslangen.  Armen  aber  bey  unß  auch  umbsonst 
zugelassen  werdlen,  also  daß  dieses  geringe,  so  doch  von  i 
nit  gereicht  wirdl,  deß  andenß  nit  wehrt,  auch  kein  erhebliduhj 
ursach  sein  mag,  darumb  die  alte  bcy  der  Univeraitet  wol" 
gebrachte  privilegia  oder  üblige  observantz  zu  infnugiren. 

Dahero  gelanget  ahn  Ew.  Churfiirsti.  Gnaden  unser 
thänigsles  bitten,  dieselbe  geruhen  gnädigst  die  vom  Baccalai 
Winterhelt  eigenthätig  angefangene  ohnzuläßlicbe  zu  praeJD<yi 
hiesiger  Utnversilet  und  deren  jirotessoren  gereichente  Collegii 
einstellen  z«  lassen,  zeitliche  professores  aber  bcy  denen  her- 
brachten Privilegien  gnädigst  zu  schützen  alß  die  wir  zu  En'. 
Churfürstl.  Gnaden  underthänigsten  dinsten  immerdar  geSissen 
seint  und  leben 

Ew.   Churfürstl.  Gnaden 
untertbänigste 
Decanus  Senior  Dociores  und  professores 
der  Jurisien  facultet  alhier. 

Biitksoilc:  Ihro  Churfürstl.  Gnaden  zu  Maintz  und  Bischoflen  in 
Bamberg  undcrlhänigsfer  hericlil  und  bitte  sambtlicher  Professoren  dfr 
Jiirisicn  FacullH  alhier  deO  Baccalaurei  Winlerlielts  anmasliche  collefii 
betreffend. 

\on  anderer  Hand :  Pracsenlirt  den  8.  Jun.  97.  Entsprechend  dem 
Vemierk  auf  der  Vorderseite  links  oben :  Ad  consiliuni,  steht  auf  der 
Rückgeile :  Lei:1um  et  conclusuin.  Man  haltet  darvor,  daB  dem  Bacca- 
laurcü  Winlerhält  femcrweith  Collegia  privata  zu  halten  von  der  albisi|n^i> 
L'niverRilät  zu  untersagen  sey  und  demselben  bedeutet  werden  köiite,  sicli 
bcy  der  Universität  lorderist  zu  legiliniireii  und  praeslanda  zu  praestiren, 
welchem   nach   Er  alB  duii  die  hergebrachte  privilegia  genießen  kdnte. 

Mayniz  den  8,  Junij  97.      F,(x)  M(andato)  E(mminentis8imi), 

Von  einer  dritten  Hand :  Licentiato  vel  Baccalaureo  Juris  Winterhelt 
werden   die   Collegia   J^rivata   zu   halten   verholten. 


Vie  man  im  i8.  Jahrhundert  an  der  Univer- 
it  Mainz  für  die  Ausbildung  von  Professoren 
der  Kameralwissenschaft  sorgte. 

Voo  Wilhelm  Stieda. 
I. 

Nachdem  Friedrich  Karl  Joseph  von  Erthal  im  Jahre 
'4  die  Zügel  der  Regienmg  als  Kurfürst  von  Mainz  er- 
ffen  hatte,  ging  alsbald  sein  Bestreben  dahin,  die  Hoch- 
mle  z»  Mainz  tunlichst  zu  fördern.'  Mit  Besorgnis  hatte 
die  einheimische  Jugend,  der  zu  Hause  nichts  Aua- 
:hendes  geboten  wurde,  auf  auswärtige  Lehranstalten 
W  sehen.  Nachteile  waren  hieraus  erstanden,  und  so 
ien  es  zu  ihrer  Vermeidung  zweckmäßig,  die  Universität 
I  zu  beleben,  um  so  mehr,  als  dadurch  die  Stadt  Mainz, 

heilige  Religion  und  damit  das  allgemeine  Staatswohl 
ler  ebenfalls  Nutzen  haben  würden.  Zu  diesem  Zwecke 
Schloß  sich  der  Kurfürst,  zur  Aufhebung  dreier  Klöster 
Mainz,   der  Karthause  am  Micheisberg,  des  Altmünster- 


der  Mainzer  Hocbschulu  i 


166  Wilhelm  Stieda. 

(weibl.  Zisterzienser)  und  des  reichen  Klarissen  (Mino- 
riten)-Klosters  am  Flachsmarkte  und  schenkte  am  15.  No- 
vember 1781  deren  Vermögen  der  Hochschule.^ 

So   konnte   im   nächsten   Jahre   Johann   Friedrich  von 
Pfeiffer,  ein  Kameralist  von  Ruf,  der  durch  eine  große  An- 
zahl  von   Schriften   die   Aufmerksamkeit  auf   sich    gelenkt 
hatte,  obwohl  er  Protestant  war  und  bereits  im  64.  Lebens- 
jahre stand,  zum  Professor  der  Kameralwissenschaften,  und 
zwei  Jahre  später  Nikolaus   Karl  Molitor  in  jugendlichem 
Alter  auf  den  Lehrstuhl  der  Chemie  und  Pharmazeutik  be- 
rufen werden.3    Beiden  Männern  verdankt  man  die  Errich- 
tung einer  Kameralfakultät,  an  der  für  Unterrichtszwecke 
zunächst  drei  Lehrstühle  vorgesehen  waren:  für  Land-  und 
Stadtwirtschaft   sowie   für   Handlungswissenschaft,    für  all- 
gemeine Polizeiwissenschaft,  für  Staatswirtschaft  und  Finanz- 
wissenschaft.*   Doch  gehörten  zu  der  „kameralischen**  Fa- 
kultät,  der  sechsten  in   der  Reihe,   auch  noch   die  Lehrer 
der  angewandten  Mathematik,  der  Botanik,  der  Chemie,  der 
Vieharzneikunde.     Sie   sollte   sich  insbesondere   bestreben: 
„die  eigenen  Landesproductc,  deren  vor  andern  räthlichen 
Verarbeitung,   den   Aktiv-Landeshandel  und   den   wichtigen 
Gegenstand  zu  ergründen,  was  für  einen  Antheil  die  beydeii 
Rhein-  und  Main-Flüsse  an  dem  allgemeinen  europäischen 
Kommerzium   wirklich   haben  imd   etwa  haben  könnten".* 

Unter  den  Kameralwissenschaften,  so  führte  die  im  Jahre 
1784  veröffentlichte  Neue  Verfassung  der  verbesserten  hohea 
Schule  zu  Mainz ^  aus,  versteht  man  die  Wissenschaft,  die 
einzelnen  Familien  in  Wohlstand  zu  setzen  und  dadurch  den 
Staat  reich  an  allerhand  Gütern,  auch  wohl  nach  Verhältnis 
mächtig  zu  machen,  eine  weitläuftige,  schwere  und  gleicb 
allen   anderen   unerschöpfliche   Wissenschaft.^     Im    letzteix 
Grunde   war   es   mithin   der   Wunsch,   die   wirtschaftlichen 
Verhältnisse   im   Kurstaate  erfreulich   günstig  zu   gestalten, 
der  auf  die  Errichtung  einer  eigenen  Fakultät  und  die  nach- 
drückliche   Beförderung    der    in    ihr    vertretenen   Wissen- 
schaften führte.     Als  Zuhörer  dachte  man  sich  Studenten 
der  Jurispnidenz,   die   indes  erst   gegen   den  Schluß    ihres 
auf  vier  Jahre  berechneten  Studiums  sich  mit  den  Fächern 
vertraut  zu  machen  haben  würden.    Sie  sollten  im  sechsten 
Semester  die  Vorlesungen  über  Landwirtschaft,  Gewerbe-, 


2  BockenboinKT,  a.  a.  0.,  S.   14. 

3  Williclni  Stieda,  Die  Nationalökonomie  als  l'niversitätswissenschaft 
Leipzig   l*)Öt;,  S.  188.    —  *  Stieda,  a.  a.  0.,  S.  11)5. 

^  Verfaßt  von  Benzel,  Mainz  1784.   —  6  Stieda,  a.  a.  0.,  S.   192. 


Ausbildung  in  Eameral Wissenschaft.  167 

Manufaktur-  und  Fabrikwesen  sowie  die  Handlungswissen- 
schaft, und  im  siebenten  Semester  die  Polizei-,  Finanz-  und 
Staatswirtschaft  hörenJ 

Mehr  Schwierigkeiten  bereitete  die  Wahl  der  Lehrenden. 
L'nter  den  Männern,  die  für  den  Vortrag  der  Kameralwissen- 
schaften  in  Frage  kamen,  einer  Wissenschaft,  die  damals 
seit  kaum  viel  mehr  als  50  Jahren  an  deutschen  Univer- 
sitäten gelehrt  wurde,  gab  es  keine  große  Auswahl.    Schon 
laß  man  auf  den  64jährigen  Pfeiffer  gegriffen  hatte,  deutet 
«rohl   die  Verlegenheit  an,   in  der  man  sich   befand.     Als 
L5    Jahre   später   an   der   Universität   Greifswald   die    Pro- 
fessur für  Kameralwissenschaften  zu  besetzen  war,  hatte 
[nan   ebenfalls  die  größten  Schwierigkeiten  zu  überwinden 
lind  konnte  nur  mit  Hülfe  einer  ausgedehnten  Korrespon- 
lienz  endlich  den  geeigneten  Mann  ausfindig  machen.    Es 
sab   eben   noch  verhältnismäßig  wenige   Kameralisten,   die 
sich  dem  gelehrten  Berufe  des  Professors  zu  widmen  geneigt 
waren.     Diejenigen   aber,   die   sich   dazu    bereit  erklärten, 
waren  in  erster  Linie  Naturforscher,  Landwirte  mid  Techno- 
logen, noch  keine  eigentlichen  Nationalökonomen.    Damals 
schrieb    Professor    Franz    in    Stuttgart«,    „wie    gut   es    die 
Kameralisten  hätten,  die,  nachdem  sie  ausstudiert,  sich  alle 
so  sanft  zu  betten  gewußt,  daß  es  bcynahe  unmöglich  wäre, 
einen   von    ihnen   aus   seiner   behaglichen   Lage   herauszu- 
heben".» 

Nun  war  Pfeiffer  kränklich,  durch  seine  sonstigen  Amts- 
geschäfte oft  von  Mainz  fem  gehalten,  —  er  bekleidete  wie 
^s  scheint,  außer  seiner  Professur  noch  einen  praktischen 
Posten  —  und  man  mußte  auf  einen  Ersatz   im  Hinblick 
^yt  sein  Alter  bedacht  sein.    Da  kam  man  auf  den  nahe- 
liegenden  Gedanken,    zwei   talentvolle    Studenten,    Schüler 
Von  Pfeiffer,  dazu  zu  bestimmen,  sich  dem  akademischen 
Berufe  zu  widmen.    Auf  Grund  von  Instniktiorien,  die  wahr- 
scheinlich Pfeiffer  selbst  aufgesetzt  hatte,  der  auf  die  Aus- 
bildung der  jungen  Männer,  in  denen  er  weiterzuleben  ge- 
dachte, großes  Gewicht  legte,  wurden  sie  in  Mainz  in  be- 
sonderen   Privatvorlesungen    unterwiesen   und   mit   Stipen- 
dien aus  der  kurfürstlichen  Kasse  auf  Reisen  und  auf  andere 
leutsche  Universitäten  geschickt.     Diese  Instniktionen  und 
»inige  Reiseberichte  haben  sich  im  Großherzoglichen  Haus- 
ind   Staatsarchiv   zu  Darmstadt  erhalten.     We<ren  des  all- 


7  Stieda,  a.  a.  0.,  S.  193. 

«  F.  Chr    Franz,   1751—1828,  Stieda,  S.   152,  365. 

9  Süeda,  a.  a.  0.,  S.  ÜO. 


168  Wilhelm  Slieda. 

gemeinen  Interesses,  das  sich  an  sie  knüpft,  lassen  wir 
sie  im  Anhange  wörtlich  folgen.  Sie  erlauben,  in  die  An- 
schauungsweise des  18.  Jahrhunderts  und  den  Entwicklungs- 
gang der  Studien,  die  man  für  nötig  hielt,  er\\ünschteii 
Einblick  zu  nehmen. 

II. 

Eines  Tages  hatte  der  Kurfürst  befohlen,  daß  Professor 
Pfeiffer  einige  „Subjekte**  in  Vorschlag  bringen  möge,  die 
zu  künftigen  Lehrern  der  Kameralwissenschaften  ausge- 
bildet werden  könnten,  und  aus  denen  man  dann  einen 
auswählen  wollte.  Bald  darauf  konnte  der  im  Jahre  1782 
aus  dem  Ruhestand  zurückberufene  Freiherr  von  Benzel, 
der  zum  Kurator  der  Universitäten  Mainz  und  Erfurt  be- 
stellt worden  war^«,  melden  ^^  daß  zwei  Herren  in  Frage 
kämen,  die  sich  „durch  Fleiß  und  besondere  Fähigkeit'* 
auszeichneten.  Es  waren  Franz  Karl  Spoor,  der  Sohn 
eines  verstorbenen  Mainzer  Bürgers,  im  Alter  von  25  Jahren, 
und  Georg  Adam  Schleenstein**,  der  Sohn  eines  Mainzer 
Getreidehändlers  (Fruchtmitter),  23  Jahre  alt.  Beide  werden 
als  „halb  bemittelte**  charakterisiert.  Leider  ist  es  nicht 
möglich  gewesen,  über  ihre  Familie  und  ihre  persönlichen 
Schicksale  Nachrichten  zu  erlangen.  Keines  der  vielen 
Nachschlagewerke,  das  Ausweise  über  die  Gelehrten  des 
18.  Jahrhunderts  enthält,  kennt  ihre  Namen.  So  hat  sich 
auch  nichts  mehr  über  ihre  wissenschaftlichen  Leistungen 
ermitteln  lassen.  Spoor  ist  schon  im  Jahre  1796  gestorben, 
im  Alter  von  mutmaßlich  nur  38  Jahren,  scheint  somit  zu 
rechter  Entwicklung  nicht  gelangt  zu  sein.^*  Er  hatte 
im  Jahre  1783  eine  Prüfung  aus  der  Polizei  Wissenschaft 
mit  allgemeinem  öffentlichem  Beifalle  überstanden  und  wurde 
gerühmt,  „von  Lernbegierde,  vielem  gleiße,  wirklich  gutem 
Vortrage  und  gesetztem  Geiste**  zu  sein.  Es  gereichte  ihm 
zur  Empfehlung,  daß  er  auch  in  der  Jurisprudenz  guten 
Fortgang  genommen  hatte.  Für  Schleenstein  wurde  geltend 
gemacht,  daß  er  mehr  natürliche  Fähigkeit  (doch  wohl  im 
Vergleich  mit  Spoor),  einen  lebhaften  Geist  besäße  und 
gleichmäßigen   ausgezeichneten    Fleiß   zur  Schau   getragen 


^"  nockcnheinier,  a.  a.  0.,  S.  17. 

1'  Am  5.  April  1783,  Akten  im  Großh.  Hess.  Haus-  u.  Staatsarchiv  in 
Darmsladt,  betreff,  die  Kameralfakultät  zu  Mainz. 

^^  Auch  Schlehenstein  geschrieben. 

13  Gef.  Milteilun«:  von  Professor  Velke  in  Mainz,  Stieda,  a.  a.  0., 
S.  109. 


AiisbilduDg  in  Kameral Wissenschaft.  169 

hätte.  Auch  in  den  nicht  kameralistischen  Vorlesungen  hatte 
er  sich  als  einer  der  besten  Studenten  erwiesen. 

Bei  solcher  Charakteristik  war  offenbar  die  Ent- 
scheidung, wen  man  zum  Professor  bestimmen  sollte,  nicht 
ganz  leicht  Pfeiffer  selbst  hatte  gemeint,  daß  man  beide 
eine  Zeitlang  weiter  zu  bilden  suchen  müsse,  um  sich 
davon  zu  überzeugen,  wer  der  tüchtigere  sei,  während  Frei- 
herr von  Benzel,  ohne  es  näher  zu  begründen,  sich  mehr 
für  Schleenstein  aussprach.  Schließhch  wurde  die  Frage 
dadurch  zur  Zufriedenheit  beantwortet,  daß  der  Kurfürst 
beide  Herren  auszubilden  befahl,  da  sie  als  Lehrer  in  Mainz, 
Erfurt   oder  sonstwo  würden  Verwendung  finden  können. 

Jetzt  kam  es  darauf  an,  durch  Instruktionen  den  ein- 
zuhaltenden Bildungsgang  festzulegen.  Pfeiffer  verlangte, 
daß  der  Kandidat  1.  alle  wesentlichen  Teile  der  Kameral- 
wissenschaft  theoretisch  sich  zu  eigen  machen  müsse, 
2.  den  Hülfswissenschaften  fleißig  obzuliegen  habe,  3.  prak- 
tisch sich  betätigen  und  4.  außerhalb  Landes  reisen  müsse, 
um  Universitäten,  Kameralschulen  usw.  zu  besuchen  und 
auf  diese  Weise  weiter  zu  studieren.  Zu  den  Hauptfächern 
rechnete  Pfeiffer  Landwirtschaft,  Stadtwirtschaft  mit  Manu- 
faktur- und  Fabrikwesen,  Handlungswissenschaft,  Polizei- 
wissenschaft, Staats  Wissenschaft.  Er  wollte  auf  diesen  Ge- 
bieten beiden  Herren  Privatvorlesungen  halten  und  sie  zu 
praktischen  Ausarbeitungen  anleiten.  Im  zweiten  Lehrjahre 
sollten  sie  ihrerseits  versuchen,  sich  im  Lehramte  zu  üben, 
indem  sie  mit  den  Teilnehmern  der  Pfeifferschen  Vorlesungen 
Repetitorien  anstellten.  Zu  den  Hülfswissenschaften  rech- 
nete Pfeiffer  theoretische  und  praktische  Mathematik,  Natur- 
geschichte und  Naturlehre,  Chemie,  Vieharzneikunst.  Die 
praktische  Betätigung  sollte  darin  bestehen,  daß  sich  die 
zukünftigen  Leuchten  der  Wissenschaft  mit  der  Landwirt- 
schaft, dem  Ackerbau,  dem  Weinbau,  dem  Holzanbau,  der 
Bewirtschaftung  von  Landgütern  vertraut  zu  machen  be- 
mühen und  Fabriken  und  Manufakturen  besichtigen  sollten. 

Demnach  würde  nach  der  Pfeifferschen  Auffassung  für 
die  weitere  Ausbildung  zum  Professor  nötig  gewesen  sein: 
Besuch  von  Vorlesungen,  seminaristische  Tätigkeit,  be- 
stehend in  schriftlichen  Ausarbeitungen  über  bestimmte 
Fragen  und  Veranstaltung  von  Repetitorien  mit  jüngeren 
Studenten,  Besichtigung  von  Landgütern  und  industriellen 
Betrieben,  endlich  Besuch  anderer  Universitäten,  oder 
spezieller  Lehranstalten  für  Kameralwissenschaften,  offenbar 
in  der  Absicht,  die  Auffassungen  von  hervorragenden  Fach- 
vertretern kennen  zu  lernen.    Man  würde  auch  heute  noch. 


170  Wilhelm  Stieda. 

um  Rat  befragt,  wie  man  sich  am  besten  für  eine  Professur ' 
der  Nationalökonomie  vorbereite,  keinen  bessern  erteilen 
können.  Nur  daß  allerdings  der  Rahmen  der  zu  studierenden 
Fächer,  insbesondere  der  Hülfswissenschaften,  anders  ge- 
zogen werden  müßte.  Die  juristischen  Fächer  hatte  Pfeiffer 
augenscheinlich  nicht  genannt,  w^eil  die  beiden  Kandidaten 
im  eigentlichen  Kameralkursus,  wie  er  für  die  Universität 
Mainz  vorgesehen  war^*,  sich  mit  ihnen  hinlänglich  bekannt 
gemacht  haben  mußten. 

Sollte  dieses  Gutachten  zunächst  w^ohl  wesentlich  theo- 
retisch den  Umfang  der  anzueignenden  Wissenschaften  be- 
stimmen, so  schloß  sich  daran  eine  im  speziellen  Fall  unter 
Berücksichtigung    der    Eigenart   der    jungen  Leute    einzu- 
haltende Anw^eisung.    Pfeiffer  hatte,  nachdem  die  kurfürst- 
liche Zustimmung  zu  ihrer  Ausbildung  eingetroffen  war,  seine 
Schützlinge  noch  einmal  eingehend  geprüft  und  gefunden, 
„daß  diese  Leute  in  den  nötigsten  fremden  Sprachen  und 
in  der  Philosophie  ziemlich  bewandert,  allein  in  den  mathe- 
matischen, ökonomischen  und  Finanzwissenschaften  sind  sie 
ebenso  unerfahren  als  in  der  Kunst,  sich  in  schriftlichen  Auf- 
sätzen kurz,  zierlich,  deutlich  bestimmt  in  ihrer  Muttersprache 
auszudrücken". 1^    Darauf  faßte  der  Freiherr  von  Benzel  in 
dem  Bericht  an  den  Kurfürsten  ^^^  der  somit  über  die  An- 
gelegenheit auf  dem  Laufenden   gehalten  sein  wollte,  zu- 
sammen, w^as  demnächst  zu  geschehen  habe:  Privatlektüre 
und  tägliche  theoretische  imd  praktische  Übungen  bei  Pfeiffer, 
Naturgeschichte  bei  Bergmann",  Mathematik  bei  Westhofen^* 
und  Eickemeyer^».     Chemie  und  Vieharzneikunde  dagegen 
sollten  noch  zunächst  ausgesetzt  w^erden. 

An  diese  Auslassungen  schließen  sich  offenbar  die  un- 
datierten Instruktionen,  die  Professor  Pfeiffer  ausgearbeitet 
hatte  und  die  nur  auf  4  Monate  Geltung  haben  sollten,  leb 
denke  mir,  daß  dabei  an  die  Zeit  von  Mai  bis  Ende  August 


1*  stieda,  a.  a.  0.,  S.  193. 

1^'  Bcriclit  vom  28.  April  1783. 

'^^  Unter  dem  29.  April  1783. 

^*  Joseph  B.,   Exjesuit,   1740 — 1803;  Bockenheimer,  a.   a.   0.,  S.  3^- 

^^  Karl  Westhofen,  Professor  der  mathematischen  Wissenschaften» 
stirht  1804;  Bockenheimer.  a.  a.  ().,  S.  38.  Tber  ihn  als  Müglied  de» 
Khihs  in  Mainz  siehe  K.  G.  Bockeniieiiner,  Die  Mainzer  Klubisten,  Main* 
1896,  S.  ()7. 

1'-^  Rudolph  Eickemeyer.  1753—1825,  ursprünghch  Militär,  ProfessO* 
der  niatliematischen  Wissenschaften;  Bockenlieimer,  a.  a.  0.,  S.  38.  ,,Deft^' 
würdijikeiten"  des  Generals  Eickemeyer  sind  1845  von  Heinr.  Koenil? 
herau.«5gegcben. 


Ausbildung  in  Kameralwissenscliaft.  171 

.783  gedacht  worden  ist.*®  Sie  brachten  insofern  einige 
inderungen,  als  nicht  nur  Chemie,  sondern  auch  Natur- 
;eschichte  auf  den  nächsten  Kursus  verschoben,  die  Physik 
md  Mathematik  jedoch  noch  auf  die  weiteren  Kurse  aus- 
;es€ftzt  wui-den. 

Ganz  richtig  hatte  sich  nun  Professor  Pfeiffer  klar  ge- 
nacht,  daß  sich  eins  nicht  für  alle  schicke.  Wenn  die  beiden 
ungen  Leute  zu  künftigen  Professoren  herangebildet  werden 
lollten,  empfahl  es  sich  wohl,  jedem  eine  Spezialität  zuzu- 
weisen. Aus  diesem  Bedürfnis  erklärt  sich  die  zweite  In- 
itruktion,  die  den  künftigen  Dozenten  für  „Landkultur**  vor- 
lieht.*^  Von  diesem  ist  in  dem  kuratorischen  Bericht  an 
len   Kurfürsten  nicht  die  Rede. 

Der  einstige  Vertreter  der  Technologie  und  Handlungs- 
heorie  hatte  nach  der  Instruktion  damit  zu  beginnen,  sich 
m   Zeichnen   zu   vervollkommnen.     Im   übrigen   mußte  er 
lie   besten  literarischen  Erscheinungen  seines  Fachgebiets 
[das  heißt  Technologie,  Fabrikwissenschaft,  Handelstheoric, 
Warenkunde,   Buchhalterei)   studieren  und   nachdem  er  in 
der  Theorie  der  Maschinen,  Werkzeuge,  Apparate  fest  ge- 
worden,  dazu    schreiten,   sich    praktische   Erfahrungen   zu 
sammeln.    Dies  sollte  durch  Inaugenscheinnahme  von  Hand- 
werks- und  Fabrikbetrieben  in  Mainz  und  eifriges  Studium 
in  den  Kammerakten  angebahnt  werden.    Für  die  praktische 
Erlernung  des  Handels  aber  sollte  der  junge  Gelehrte  die 
Kontore  in  Mainz  besuchen  und  in  freundschaftlicher  Unter- 
redung mit  den  Handelsherren  Kenntnisse  erwerben.    Nach 
beiden   Richtungen   seien   kleine   Reisen   zur  Besichtiginig 
von  Fabriketablissements   in   der  Umgegend,   insbesondere 
anch  der  von  den  französischen   Refugies  angelegten,  an- 
zuschließeti    und    endlich    Wtährend   der  künftigen  Herbst- 
ferien in    einem   Aufenthalte   in   Frankfurt   a.   M.    Vervoll- 
kommnung  zu  erstreben.     Für   diesen   wurde   etwas   naiv 
empfohlen,  unter  dem  Vorwand  eines  Handelsgeschäfts  mit 
oen'orragenden   Kaufleuten   Fühlung  zu   nehmen   „und   d-d- 
^^rch  sich  manche  praktische  Erfahrung  zu  sammeln**. 

Auch  der  spätere  Vertreter  der  Landwirtschaft  sollte 
^it  Übungen  im  Zeichnen  von  Pflanzen,  Bäumen,  öko- 
'^pniischen  Maschinen,  Gartenanlagen  usw.  beginnen;  dann 
^^ch  mit  den  besten  theoretischen  Werken  über  Landkultur 
^'frtraut  machen.  Da  in  dieser  Hinsicht  die  Universitäts- 
bibliothek   in  Mainz    nicht    viel    zu    bieten  imstande   war. 


*•*  Anhang  No.  1.  —  21  Anhang  No.  2. 


17-2  Wilhelm  Slieda. 

sollte  er  selbst  durch  Namliaftxnachung  von  Büchern  zu 
deren  Vervollständigung  beitragen.  Um  praktische  Kennt- 
nisse sich  anzueignen,  sollte  er  von  Zeit  zu  Zeit  auf  ein 
nah  belegenes  Landgut  sich  begeben,  femer  jede  Woche 
einige  Male  die  Bauern  in  den  Dörfern  bei  ihren  Feldarbeiten 
beobachten  und  kleinere  Fahrten  ins  Rheingau,  ins 
Nassauische,  Pfälzische  usw.  unternehmen.  Daraus  würden 
ihm  Kenntnisse  des  Getreidebaues  und  Weinbaues  sowie 
der  Kultur  von  Handelsgewächsen,  als  da  sind  Hanf,  Flachs, 
Tabak  etc.,  zu  eigen.  Über  dem  Studium  von  Getreide- 
bau, Hopfenbau  und  Viehzucht  war  das  der  Gartenkunst 
und  Forstwirtschaft  nicht  zu  vernachlässigen,  das  gleich- 
falls durch  Besichtigung  hervorragender  Gärten  und  main- 
zischer, hessischer,  pfälzischer  Waldungen  betrieben  werden 
könnte.  Endlich  sollte  er  den  Zutritt  zur  kurfürstlichen 
Universitäts-Kameral-Deputation  haben,  um  aus  deren  Akten 
über  landwirtschaftliche  Geschäfte  neue  geistige  Nahrung 
ziehen  zu  können. 

Man  darf  hofEen,  daß  beide  Herren  dieser  ihnen  von 
einem  hervorragenden  Vertreter  ihres  Fachs  gegebenen  An- 
regung gemäß  sich  während  des  Sommersemesters  1783  dem 
Studium  in  Mainz  hingegeben  haben  werden.  W^enn  sie 
gewissenhaft  verfuhren,  hatten  sie  keine  leichte  Aufgabe 
zu  erfüllen.  Am  Schlüsse  derselben  winkte  dann  die  Be- 
lohnung in  Gestalt  der  ebenfalls  vorgesehenen  kleineren 
Reisen  in  die  nächste  Umgebung.  Beide  Herren  hatten  bei 
ihren  theoretischen  Studien  gefunden,  daß  die  meisten 
Kanieralwissenschaften  „so  enge**  mit  dem  anschaulichen 
und  der  eigentlichen  Praxis  verbunden  seien.  Dement- 
sprechend wünschten  sie  jetzt  zur  Reise  schreiten  zu  können. 
Dem  Kurator  schien  das  kein  unbilliges  Verlangen  und  er 
empfahl  daher  dem  Kurfürsten--,  nach  Schluß  der  Vor- 
lesungen die  Herren  Spoor  und  Schleenstein  zur  Besichtigung 
von  Fabriken  und  Manufakturen  in  die  umliegende  Gegend 
verreisen  zu  lassen.  Es  könnte  sich  handeln  um  Höchst 
Orb,  Lohr,  Offenbach,  Hanau  und  Frankenthal.  In  diesen 
Städten  befänden  sich  viele  von  Wiedertäufern  (?)"  an- 
gelegte Etablissements,  die  berücksichtigt  zu  werden  ver- 
dienten.   Jedem  Kandidaten  schlug  der  Freiherr  von  Benzd 


2-'  Am  23.  August  1783. 

^^*  Hier  liegt  wolil  eine  Verwechslung  mit  Refugies  und  Wallonen  vor. 
Über  (leren  Bemühungen,  industrielle  Anlagen  in  Hanau,  Offenbach  uni 
Frankfurt  zu  begründen,  siehe  Pirazzi,  Bilder  und  Geschichten  aus  Offea- 
bachs  Vergangen lieit  (1879),  S.  162.  Von  Fabriken  und  Manufakturen  ift 
Hanau  vgl.  Hanauisches  Magazin  (1783)  XLII — LH.     lu  Orb  mochte  etw» 


Ausbildung  in  Kameral Wissenschaft.  17:^ 

^or,  50  Taler  zu  verabfolgen  und  sie  zu  verpflichten,  ein 
)iarium  zu  führen,  in  dem  sie  ihre  Beobachtungen  würden 
eintragen  müssen. 

Auch  diese  Berichte,  die  getreu  die  Eindrücke  wieder- 
;eben,  haben  sich  erhalten.-*  -^  Schleenstein  berichtet  in  dem 
leinigen-*,  daß  er  gemäß  der  Instruktion  einige  Male  in  jeder 
rVoche  die  Dörfer  besucht  und  dann  eine  Reise  ins  Darm- 
itädtische,  Nassauische,  Pfälzische,  Zweibrückische  und  in 
len  Rheingau  unternommen  habe.     Seine  Reise  hatte  ihn 
:ennen  lernen  lassen  die  Ortschaften  Gonzenheim,  Mombach, 
Jretzenheim  und  Hechtsheim,  Nackenheim  und  Bodenheim, 
jräfenhausen    im    Darmstädtischen,    Pfungstadt,    Gundern- 
lausen,  Dieburg,  Aschaffenburg,  Emmerichshofen,   Nassau, 
iVendeisheim  im  Pfälzischen,  Kirchheimbolanden,   Kaisers- 
autern.   SchwerHch  wird  er  eine  alle  diese  Orte  berührende 
zusammenhängende  Reise  gemacht,  sondern  wahrscheinlich 
kleinere  Fahrten  unternommen  haben.    Schließlich  hatte  sein 
Weg  ihn  in  den  Rheingau  geführt,  wo  er  indes  die  einzelnen 
Orte,  die  er  besucht  hatte,  nicht  angibt.    Der  Wunsch,  die 
Bedingungen  des  Weinbaues  zu  erforschen,  hatte  ihn  dabei 
geleitet.    Von  allem,  was  er  gesehen,  w^ußte  er  sachgemäß 
zu  berichten  und  gab  am  Schlüsse  seines  Berichts  zwei  be- 
achtenswerte  Auslassungen    wesentlich   technischer   Natur, 
die  sich  auf  den  deutschen  Klee-  und  Krappbau   bezogen. 
In  andere  Gegenden  hatte  sich  unterdessen  Spoor  be- 
geben.   Dieser  hatte  sich  zunächst  mit  verschiedenen  Hand- 
werksbetrieben   bekannt   gemacht   und    dadurch   Lust  und 
Fähigkeit  erworben,  sich  nach  den  entsprechenden  Verhält- 
^ssen  im  Auslande  umzusehen.     Am  10.  September  1783 
trat  er  seine  Fahrt  an.    Er  reiste  zuerst  nach  Frankfurt  a.  M. 
^nd  fand  hier  in  der  Tat,  indem  er  sich  „als  einen  Kom- 
Diissionär    hinstellte,    der    vielleicht  noch   mancherlei   Ge- 
schäfte mit  ihnen  zu  machen  Gelegenheit   haben  würde", 
Zutritt  zu  den  Kaufleuten  und  ihren  Gewölben.    Auch  mit 
Fabrikanten    gewann    er   Fühlung   und   ließ   sich   Auskunft 
^ber  ihre  Tätigkeit  erteilen.     Indes  kam  hierbei,  weil  die 
Anschauung  fehlte,  seine  „wissenschaftliche  Neugierde'*  zu 
l^orz.    Daher  begab  er  sich  am  Schlüsse  der  Messe  nach 
Offenbach,   das   „mit   Recht  ein   Manufakturstädtchen*'    ge- 


^i^  Saline,  in  Lohr  die  Spiegelmanufaktur,  in  Höchst  die  Tabakfabrik  von 
ßolongar«,   in   Frankenthal   die  Porzellanfabrik   die   Sehenswürdigkeit    für 
Kaffleraiisten  sein.     Vgl.  Fr.  N.  Wolf,  Das  Landgericht  Orb  und  seine  Sa- 
line (1824);  Friedr.  Stein,  Gesch.  der  Stadt  Lohr  am  Main  (1898),  S.  140ff.; 
ßerning,  Die  Lahn-  und  Maingegend  von  Kms  bis  Frankfurt  (1821),  S.  98/99 
(über  Höchst).   —  24  Anhang  No.  3.    —  ^•'  Anhang  No.  4. 


174  Wilhelm  Stieda. 

nannt  zu  werden  verdient-S  und  dort  fand  er  die  erwünschte 
Gelegenheit,  sich  über  allerlei  Industriezweige,  als  Bijouterie, 
Plüsch-  und  Kaffaweberei -^  Wollfärberei,  Wachslichtzieherei 
usw.,  ausgiebig  zu  unterrichten. 

Weniger  befriedigt  war  er  über  den  Verkehr  mit  den 
Arbeitern  selbst,  die  er  unfähig  fand,  über  ihre  Tätigkeit 
etwas  auszusagen.  Meist  seien  sie  nicht  gewohnt  über  sie 
nachzudenken  und  würden  über  den  Fremden,  der  sie  mit 
Fragen  und  Einwänden  aufhielte,  ungeduldig.  Von  Offenbach 
kam  er  nach  Seligenstadt,  wo  er  die  Wollenweberei  studierte. 
Hier  geriet  er  auf  einen  praktischen  Gedanken,  indem  er 
die  Pfälzer  und  die  Gräflich  Erbachschen  WoUenw^eber  und 
Tuchmacher  von  dem  Besuch  der  Märkte  in  den  Mainzischen 
Landen  im  Interesse  der  Seligenstädter  Tuchmacherei  aus- 
geschlossen wissen  wollte.  2«  Nur  dadurch  könnten  die 
letzteren  vor  dem  sonst  unausbleiblichen  Verfalle  bewahrt 
bleiben.  Den  Beschluß  macht  ein  Aufenthalt  in  Franken- 
thal, wo  er  andere  Industrien  als  in  Offenbach,  nämlich 
Wollenzeug-  und  Tuchmanufaktur  und  die  Porzellanfabri- 
kation kennen  lernte.  29 

Beide  Berichte,  wenn  sie  heute  uns  auch  den  Eindruck 
hinterlassen,  mehr  an  der  Oberfläche  stehen  geblieben  zu 
sein,  als  hätte  erwünscht  sein  müssen,  erfüllten  doch  den 
Professor  Pfeiffer  mit  großer  Befriedigung.  Nachdem  er  sie 
gelesen,  sandte  er  sie  weiter »o  an  den  Freiherm  von  Benzel, 
indem  er  hinzufügte:  „Warheit,  Sachkäntnis,  Beurteilungs- 
kraft mit  einem  ungekünstelten  aber  deutlichen  Vortrag, 
herrschen  in  der  Relation  und  dienen  zum  unverwerflichen 
Zeugnis,  daß  die  Verfasser  den  edlen  Stoltz  besitzen,  brauch- 
bar zu  werden  und  sich  dem  Vaterlande  recht  nützlich  zu 
machen.  Der  Gedanke,  daß  ich  in  diesen  jungen  Leuteu 
noch  lange  leben  werde,  gereicht  mir  zu  besonderer  Satis- 
faction  und  ich  hoffe  sie  den  Winter  über  soweit  zu  bringen, 
daß  sie  künftigen  Frülihg  mit  vielem  Nutzen  aufs  Handwerk 


^''  über  Offenbachs  Industrie  geben  einige  Auskunft  P.  Heber,  G^ 
üchiclite  der  Stadt  Offenbach  (1838),  S.  188—191,  und  Emil  Pirazp, 
Bilder  und  Geschichten  aus  Offenhachs  V^ergangenheit  (1879),  S.  159— l^ß- 

2^  Caffa,  ein  fassonnierter,  mit  erliabcnen  Blumen  gewebter  wollen« 
Pli'scli,  Samt  oder  Velvct  in  allerlei  Farben.  G.  C.  Bohns  Warealager, 
neu  bearbeitet   von   Norrrnunn,   I8O0. 

'^^  Über  Seligenstadt,  das  an  der  Geleitsstraße  von  Augsburg  und 
>Jürnberp  zur  Frankfurter  Messe  lag,  und  seine  eigenartige  Sitten  vfl 
Pirazzi,  a.  a.  0.,  S.  151  ff. 

'"•*  Über  die  Porzellanfabrik  zu  Frankenthal  im  Jahre  1782  vgl.  Mann- 
heimer Geschichtsblätter  (1904),  Nu.  4:  weitere  Literatur  bei  Stieda,  Die 
keramische   Industrie  in  Bavern.  S,  8.   —  so  ^m  26.  Növbr.  1783. 


Ausbildung  in  Kameralwissenschaft.  175 

reisen  und  sich  den  Sommer  über  qualificiren  können  in 
alle  Sättel  des  so  weitläuftigen  Cameral-Fachs  gerecht  zu 
werden.**  Auch  auf  den  Kurator  von  Benzel,  der  die  Berichte 
dem  Kurfürsten  zu  unterbreiten  hatte ^i,  machten  sie  einen 
guten  Eindruck.  Er  meinte,  daß  der  Bericht  „viele  gute  An- 
merckungen  enthielte**,  und  „bewiese  die  von  den  beiden 
Kandidaten  angewandte  Aufmerksamkeit  und  den  in  ihrem 
tüchtigen  und  weitläuftigen  Fache  schon  gemachten  Fort- 
gang**. 

Den  Winter  von  1783  auf  1784  haben  dann  die  Herren 
Speer  und  Schleenstein  augenscheinlich  im  benihigenden 
Gefühl  ihre  Pflicht  getan  zu  haben,  verbracht.  Die  Hoff- 
nung auf  die  größere  programmäßig  vorgesehene  Reise 
dürfte  ihre  Brust  geschwellt  haben.  Hoffentlich  werden  sie 
von  der  gebotenen  Gelegenheit,  sich  in  Mainz  belehren  zu 
lassen,    guten  Gebrauch  gemacht  haben. 

Professor  Pfeiffer  vergaß  auch  nicht,  sich  ihrer  anzu- 
nehmen.   Am  29.  Februar  1784  regte  er  beim  Kurator  an, 
die  jungen  Männer  auf  Reisen  zu  schicken.    Nachdem  sie 
eben  "noch  die  Anfangsgründe  der  Chemie,  die  er  privatissime 
vorgetragen  habe,   gehört  hätten,  seien  sie  in  der  Theorie 
fertig  und  um  „nun  das  Gehörte  gleichsam  in   succum  et 
sauguinem  zu  verwandeln**,  wären  sie  jetzt  auf  Reisen  zu 
schicken.     Vom   April   bis   Ende   Oktober  sollte   die    Fahrt 
dauern.    Er  werde  für  eine  Marschroute  und  Empfehlungs- 
briefe sorgen.    Von  unterwegs  sollten  die  beiden  Reisenden 
dann  von  Zeit  zu  Zeit  ihre  Tagebücher  einsenden. 

Vom  Kurator  daraufhin  wahrscheinlich  angeregt,  sich 
darüber  zu  äußern,  inwieweit  es  sich  empfehle,  für  die 
beiden  Herren  die  schon  begonnene  Beschränkung  der 
Studien  auf  einen  Teil  der  Kameralwissenschaften  festzu- 
halten, äußerte  sich  Professor  Pfeiffer  am  11.  März  1784 
noch  einmal  zur  Sache.  Jedem  Professor  sollte  man  die 
^Wissenschaft  anvertrauen,  zu  der  er  die  stärkste  Neijiuiit^  zu 
haben  scheint.  Daher  soll  Spoor  sich  auf  Staalswirlschaft, 
Staats-Kommerzienwesen,  Städtewirtschaft,  Polizi*ivvissen- 
s<^haft,  Finanzwissenschaft,  Manufaktunviss<Miscliaft  und 
Technologie  legen.  Schleenstein  dug'.*gen  hätte  zu  treiben  :  die 
ganze  Landwirtschaft,  einschließlich  Vieharzneikunst,  Kisrhe- 
f^i,  Bergwerke,  Forsten,  ökonomische  Chemi?  (Lehre  von  Erd- 
und  Steinarbeiten,  Hafner-,  Fayence-,  Porzellan-,  (ilasniaclH^r-, 
Ziegel-  und  Kalkbreimerei),  Zivilbaukunst;  Lehre  von  den 


31  Am  7.  Dezbr.  1783. 


176  Wilhelm  Slieda. 

Salzarten  (Potaschesiedereien,  Vitriolöl-  und  Scheidewasser- 
brennereien, Borax,  Zuckerraffinerien) ;  Lehre  von  brennbaren 
Körpern  (Raffination  des  Kampfers,  Zubereitung  des  Siegel- 
lacks, Verkohlung  des  Holzes  und  der  Steinkohlen,  Wachs- 
und Ünschlittkerzen-Verfertigung),  Lehre  von  Metallen  und 
metallischen  Fabrikaten,  Probierkunst,  Glasmalerei  usw., 
Lehre  von  Färbereien,  Waschen,  Bleichen,  Lackieren,  Walken, 
Weissieden,  Vergolden,  Versilbern,  Verzinnen,  Ätzen  und 
Beitzen,  Lehre  von  der  Gärung,  der  Fermentation.  Mit  der 
kaufmännischen  Rechnungs-Verfassung  sich  zu  beschäftigen, 
scheint  Pfeiffer  nicht  für  nötig  erachtet  zu  haben,  da  sie 
„für  den  großen  Haufen  der  Kandidaten,  die  in  einem  Jahre 
absolviret  werden  wollen,  entbehrlich  und  zu  w^eitläuftig" 
sei,  auch  bald  vergessen  wäre. 

In  bezug  auf  die  einzuhaltende  Marschroute  entwarf 
Pfeiffer  zwei  Pläne.  Der  eine  führte  von  Mainz  über  Heidel- 
berg, Bruchsal,  Speyer,  Stuttgart  nach  Ulm,  von  da  zu 
W^asser  nach  Wien,  dann  nach  Steiermark,  Kärnten  und 
Triest  bis  Venedig:  zurück  durch  Tirol  über  Augsburg, 
Sachsen,  Berlin,  den  Harz,  Göttingen  nach  Cassel  und  Mainz. 
Nach  dem  anderen  Plan  sollten  Stuttgart,  Augsburg,  München, 
Wien,  Prag,  Dresden,  Leipzig,  Berlin,  der  Harz,  Göttingen  und 
Cassel  nebst  den  dazwischenliegenden  Gegenden  mit  den 
„Augen   eines    guten   Beobachters**   bereist  werden. 

Keiner  der  beiden  Pläne  ist  vollständig  zur  Ausführung 
gelangt.  Wahrscheinlich  ist  noch  im  letzten  Augenblick  oder 
nach  Rücksprache  mit  den  Reisenden  selbst  eine  andere 
Route  aufgestellt  worden.  Auch  von  dieser  kamen  dann 
noch  Abweichungen  vor.  Dem  Kurfürsten  wurde  kein  be- 
stimmter Plan  mitgeteilt,  sondern  ihm  nur  durch  den  Kurator 
empfohlenes,  überhaupt  die  beiden  Privatdozenten  auf  Reisen 
ziehen  zu  lassen.  Beide  seien,  meinte  Freiherr  von  Benzel, 
gesetzten  Geistes  und  vom  besten  Willen  beseelt.  Man  könne 
erwarten,  daß  sie  ihren  Auftrag  gut  erfüllen  würden.  Die 
einzige  Verpflichtung,  die  man  ihnen  auferlegen  zu  müssen 
glaubte,  bestand  in  der  Versicherung,  daß  sie  niemals  ohne 
kurfürstliche  Genehmigung  in  andere  Dienste  übergehen 
würden.  Die  Tagegelder  wurden  für  beide  auf  vier  Gulden 
und  48  Kreuzer  bestimmt.  Doch  wurden  die  Fahrikosieu 
außerdem  bezahlt. 


32  Am  13.  März  1784. 


Ausbildung  in  Kamera! Wissenschaft.  177 

III. 

Am  18.  April  1784  reisten  Spoor  und  Schleenstein  aus 
[ainz  ab,  und  am  19.  Mai  war  der  Kurator  in  der  Lage,  dem 
.urfürsten  den  ersten  Bericht  über  die  Reise,  datiert  vom 
.  Mai  aus  Halle »*,  zu  unterbreiten.  Er  schilderte,  was  man 
i  Aschafienburg,  Würzburg,  Fürth,  Erlangen,  Nürnberg, 
eipzig  erlebt  und  gesehen  hatte.  Wissenschaftliche  und 
faktische  Rücksichten  verstanden  die  Reisenden  zu  ver- 
inigen.  Der  Besuch  von  Rats-  und  Universitätsbibliotheken, 
on  "Anatomien  und  chemischen  Laboratorien,  von  Zucht- 
äusern  und  Spitälern  verband  sich  mit  der  Besichtigung 
on  Landgütern  und  Manufakturen."  Auf  dem  kurfürstlichen 
konomiehof  bei  Aschaffenburg  verfehlten  die  Reisenden 
en  Inspektor  Wesseli"**,  in  Würzburg  aber  erfreuten  sie  sich 
er  gütigen  Führung  durch  denHofkammerratStoll^ib^  dessen 

^kanntschaft  ihnen  eben  so  lehrreich  als  angenehm  war. 
a  Nürnberg  ereilte  sie  das  Mißgeschick,  daß  sie  diejenigen 
Persönlichkeiten,  an  die  sie  Empfehlungsschreiben  hatten, 
licht  daheim  trafen.  Doch  wurden  sie  entschädigt  durch 
lie  Bekanntschaft  mit  dem  Ordensgeistlichen  aus  der  Abtei 
£berbach,  Herrn  Baumann,  dem  Verfasser  der  „entdeckten 
Geheimnisse  der  Land-  und  Hauswirtschaft",  der  ungemein 
herzlich  gegen  die  jungen  Reisenden  war.  Er  beabsichtigte, 
sich  an  der  Universität  Würzburg  um  eine  Professur  der 
Ökonomie  zu  bewerben.  ^^ 

Sehr  entgegenkommend  war  die  Aufnahme  in  Erlangen. 
I'ür  die  Gefälligkeit,  Freundschaft  und  Verbindlichkeit  der 
dortigen  Professoren  gegen  die  Fremden  hat  der  Bericht 
höchst  anerkennende  Worte  der  Dankbarkeit.     Selbst  Pro- 


^  Anhang  No.  ö. 

^  Welche  Ktablisscmonts  sie  in  joder  Slatlt  aufsiiclileii,  sielie  im  cnn- 
^hen  in  der  Abrechnung,  Anhang  No.  8. 

**•'*  Adam  Thoma-s  Wesseli  wurde  am  1.  Okthr.  1782  bei  der  neuen 
Amtoreinrichiung  im  Kurstaat  Mainz  zum  herrscliaftlirhen  Güter-  oder 
"konomieinspektor  und  Frondschreiber  am  Vizedomamt  Aschaffenburg  er- 
^M.  Er  war  1810  noch  in  der  gleichen  Stellung.  (Jefällige  Mitteilung 
^^  Kgl.  Kreisarchivs  Würzburg. 

**^  Franz  Sebastian  Stoll,  bis  1770  Slraßenbaukommissions-Sekretär, 
^Mde  am  8.  Mai  1779  zum  Hofkammerrat  ernannt,  in  welcher  Stellung  er 
«ich  1802  noch  nachweisen  läßt.  Er  hat  sich  große  Verdienste  um  den 
Cimusseebau  und  den  W^einbau  erworben.  Gregor  Schöpf.  Historisch- 
«tatistische  Beschreibung  des  Hoclislifts  Würzburg,  Hildburgh.  1802,  S.  111. 
152,  193,    194.     Gefällige  Mitteilung  des  Kgl.  Kreisarchivs  Würzburg. 

3^  Sein  Wunsch  scheint  nicht  in  Erfüllung  gegangen  zu  sein,  da 
Kegele  in  der  Geschichte  der  Universität  Würzburg  ihn  nicht  als  Professor 
nfübrt.     Das  Buch  »^Entdecktes  Geheinmis"  usw.  erschien  1783. 

Beitrftge  t,  Oeacb.  d.  Univenitftten  Mainz  u.  Gießen.  12 


178  Wilhelm  Stieda. 

fessor  Schrebor^^,  den  man  ihnen  als  einen  Mann  geschildert 
hatte,  „bei  dem  sie  das  Gefällige  im  Umgänge  nicht  suchen 
dürften",  übertraf  ihre  Erwartungen.  Er  war,  obwohl 
„schüchtern,  ängstlich  und  zurückhaltend**,  doch  in  jeder 
Hinsicht  hülfsbereit,  erklärte  den  jungen  Kollegen  alles  und 
gab  ihnen  einen  Empfehlungsbrief  an  Professor  Leske  in 
Leipzig  mit.*^  Sein  Vater,  der  Vorgänger  Leskes  auf  dem 
Lehrstuhle  der  Kameralwissenschaften  in  Leipzig,  war  damals 
schon  gestorben.*«  Professor  Suckow,  ein  bejahrter,  gut- 
herziger Mann,  zeigte  den  physikalischen  Apparat  und 
empfahl  sie  an  seinen  Bruder,  den  Professor  der  Physik 
und  Kameralwissenschaften  in  Jena.*^  Den  Historiker 
Meusel*®  suchten  sie  mehrere  Male  auf,  immer  freundlichst 
aufgenommen,  und  wohnten  auch  einer  seiner  Vorlesungen 
bei.  Der  Jurist  Häberlin*^  aber,  der  zugleich  Vorstand  der 
Universitätsbibliothek  war,  ließ  es  sich  nicht  nehmen,  sie 
in  seine  Anstalt  und  nachher  zu  einigen  in  der  Nähe  be- 
findlichen industriellen  Etablissements  zu  geleiten.  **  Nur 
mit  dem  Kliniker  Delius**,  der  zugleich  als  „großer  Chemist" 
galt,  hatten  sie  Unglück,  insofern  als  er,  krank  im  Bett,  sie 
nicht  empfangen  konnte.  In  einer  Gesellschaft  von  Pro- 
fessoren und  Juristen,  in  der  sie  von  Häberlin  eingeführt 
wurden,  hatten  sie  (lelegenheit,  sich  über  die  seither  voll- 
zogene Restauration  der  Universität  Mainz  auszulassen. 
Hierbei  kam  dann  wohl  etwas  Lokalpatriotismus  zutage, 
wenn  nicht  die  Absicht,  dem  Kurfürsten  Angenehmes  zu 
sagen,  indem  sie  berichteten,  bemerkt  zu  haben,  daß  aus  den 
Mienen  der  Erlanger  Professoren  „oft  ziemlich  deutlich  Be- 
neidung**  hervorgeblickt  hätte.  *^ 

^•''  Joliann  Christian  Daniel  Schrel)or,  1739—1800.  Allg.  Deutsche 
Hiojrr.     Stieda,   a.   a.   O.,   S.    U)7. 

^7  Natlianael  (loltfried  {.esko,  1751— 178G.  seit  1777  ordentlicher  Pro- 
fessor der  Kameralwissenschaften  in   Leipzig,  Stieda,  a.  a.  O.,  S.  309. 

»«  Im  Jahre   1777,  Stieda,  a.  a.  O.,  S.  30^). 

33  Simon  (Jahriel  Surkow,  1721  — 178t>,  seit  1752  ordentlicher  Pro- 
fessor in  Erlangen.  G.  A.  W.  Fikenscher,  Vollständige  akademische  Ge- 
lehrten -deschichle  der  Universität  Erlangen,  1806.  Lorenz  Joh.  Dan. 
Suckow,  1722 — 1801,  ordentlicher  Professor  in  Jena,  Stieda,  a.  a.  0.,  S.  78- 

*<>  Joh.  Georg  Mensel.  1743—1820. 

*i  Doch  wohl  Karl  Friedrich  Ifäberlin  gemeint,  1756—1808,  der  seit 
1782  außerordentlicher  Professor  war  und  nachher  nach  Helmstedt  über- 
siedelte. 

*-*  über  die  Industrien  in  Erlangen  vgl.  Georg  Schanz,  Zur  Geschieht« 
der  Kolonisation   und   Industrie  in  Franken  (1884),  S.   105  ff. 

*3  Heinr.  Friedr.  Delius,  1720 — 1791,  ordentlicher  Professor  der  Me- 
dizin, Fikenscher,  a.  a.  0.,  2,  S.  51  ff. 

**  Über  die  Universität  Mainz:  Ijockenheimer,  Die  Restauration  der 
Mainzer  Hochschule  im  Jahre  1784,  Mainz  1884. 


Ausbildung  in  Kamerahvissenschafl.  179 

Prägte  sich  der  Aufenthalt  in  Erlangen  gesellschafllich 
unseren  Reisenden  stark  ein,  so  vermochton  sie  für  ihre 
fachliche  Ausbildung  sich  weniger  gefördert  anzusehen. 
Denn  keine  einzige  der  in  ihr  Fach  schlagenden  und  im 
Lektionsverzeichnis  angekündigten  Vorlesungen  war  zu- 
stande  gekommen.** 

In  Baireuth,  wohin  sie  an  den  Kammerregistrator 
Wunder  verwiesen  worden  waren,  zeigte  ihnen  dieser  das 
ansehnliche  Naturalienkabinett  und  die  im  sogenannten 
Brandenburger  Zuchthause  eingerichtete  Marmorschneiderci 
und  Schleiferei.*« 

Nach  Leipzig  gerieten  die  Reisenden  gerade  während 
der  Ostermesse  und  fanden  den  Aufenthalt  so  kostspielig, 
daß  sie,  rasch  entschlossen,  die  Fahrt  nach  Halle  fortsetzten. 
Professor  Leske,  bei  dem  sie  ein  Empfehlungsschreiben  ab- 
gaben, war  derart  mit  Geschäften  überhäuft,  daß  er  bei  aller 
Freundlichkeit  der  Aufnahme  nicht  viel  Zeit  für  sie  hatte. 

Nicht  ganz  ohne  Opfer  war  all  das  Schöne,  das  sie  ge- 
nossen hatten,  erlangt.  Auf  den  schlechten  Frühjahrswegen 
hatten  die  beiden  Kameralisten  viel  auszustehen  gehabt  und 
auch  unter  dem  wechselnden  Aprilwetter  gelitten.  Ihre 
Reisekosten  waren  dadurch  gestiegen  und  sie  sahen  mit 
Schrecken  dem  Ende  ihrer  Barschaft  entgegen.  Daher  schloß 
der  erste  Bericht  bereits  mit  der  Bitte,  bis  zum  22.  Mai  unter 
der  Adresse  des  „Blauen  Engel'*  in  Leipzig,  wohin  sie  nach 
der  Messe  zurückzukehren  beabsichtigten,  einen  frischen 
Wechsel  zu  senden.  *7 

Dem  ersten  Briefe  folgte  vier  Wochen  danach,  am 
5.  Juni,  der  zweite,  aus  Leipzig  datiert,  der  den  Eni[)fang  von 
200  Talern  dankend  anzeigte.  In  Halle,  wo  die  Reisenden 
Mitte  Mai  eingetroffen  waren,  hatten  die  Vorlesungen  noch 
nicht  begonnen.  Daher  hatten  die  Kameralislen  die  (ielegen- 
heit  wahrgenommen,  um  die  Salzsiedereien  in  Halle  selbst, 


i 


*•'*  über  die  Kameralwisscnschaflen  an   der  Tnivcrsität  Krlangon  im 
18.   Jahrhundert   sielie  Stieda,  a.   a.   ().,   S.   82  83. 

*^  Clir.  Meyer,  Hardenberg  und  seine  ViTwaltun«;  (181)2),  S.  103,  15.0. 
beziffert   für  das  Jahr   1797  den  Wert  der   Fabrikation  auf  3000  Gulden 
und  auf  ebensoviel  den  Wert  der  Ausfuhr  der  Marmorfabrik  in  Baireuth. 
Die  „Vertrauten  Briefe  über  das  Fürstenthum  Baireuth"  (Baireiitli   1794), 
S.  112,  erwähnen  das  Vorkommen  von  Marmor,   der  zu  Epitaphien,   Al- 
lären, Särgen  etc.  gebraucht  würde,  in  beinahe  allen  CJegenden  des  Voigt- 
landes. 

*•  Der  Blaue  Engel  war  ein  Clasthof  auf  der  vornehmen  Petersstraße 
va  Leipzig,  dessen  Inhaber  im  Jahre  1784  Phil.  Beruh.  Orb  war.  im 
^ipwger  Adreß-,  Post-  und  Reise-Calender  vom  Jahre  1784  heißt  es  von 
^:  „schenkt  Wein,  speiset  und  logirt  Fremde**. 


180  Wilhelm  Stieda. 

die  Kohlenwerke  von  Löbejün*^  und  Wettin*^  ein  Gut  des 
Herrn  Oberamtmanns  Holzhauäen  bei  Gröbzig^*>,  sowie  die 
Kupferschmelze  zu  Rothenburg ^^  zu  besichtigen.  Nach  Halle 
zurückgekehrt,  wo  unterdessen  die  Vorlesungen  begonnen 
hatten,  konnten  sie  ihr  Wissen  bereichern  durch  die  Vor- 
lesungen des  Professors  Förster^-,  des  Physikers  Karsten", 
des  Botanikers  Junghans  ^*,  des  Chemikers  Richter ^^  und  des 
Zoologen  Goldhagen. ^^ 

Besonders  nahm  sich  ihrer  Professor  Förster  an,  wie 
sie  glaubten,  „aus  besonderen  Absichten**."  Er  führte  sie 
in  eine  Gesellschaft  Gelehrter  ein,  wo  sie  verschiedene  in- 
teressante Bekanntschaften  anknüpften.  Die  Bibliothek  in 
Halle  schien  ihnen  für  ihre  Fächer  nicht  belangreich. 

Auf  dem  Rückwege  nach  Leipzig  machten  sie  zunächst 
dem  Kammerdirektor  Hofmann  aus  Berlin  einen  Besuch,  der 
sich  während  des  Sommers  auf  seinem  Gute  Dieskau^^  auf- 
hielt. Durch  ihn,  der  ein  eifriger  und  „sehr  großer  Landwirt** 
war,  fühlten  sie  sich  außerordentlich  gefördert.  Desto 
weniger  war  das  in  Leipzig  selbst  der  Fall,  wo  sie  das 
Studium  der  Kameralwissenschaften  „wider  Erwartung** 
schlecht  betrieben  fanden.  Leske  konnte  in  seiner  Vorlesung 
über  Naturgeschichte  nur  sechs,  Professor  Roessig**  in  der 
sein  igen  über  Ökonomie  gar  nur  vier  Hörer  aufweisen.  Die 
Bibliothek  war  für  ihre  Fächer  ebenso  gering  wie  in  Halle, 

*^  Steinkolilengruben  im  Saalkreis,  Rgbzk.  Merseburg. 

*9  Stadt   im   Saalkreis,   Rgbzk.   Merseburg. 

-'^  Stadt  an  der  Fuhne  in  Anhalt-Dessau. 

^^  Pfarrdorf  im  Saalkreis,  Rgbzk.   Merseburg. 

^'  Job.  Christian  Förster,  1735—1798,  Stieda,  a.  a.  0.,  S.  85;  er  las 
über  theoretische  Philosophie  und  zujileich  über  Verwaltungsfächer. 

•»•■^  Wenzeslaus  Job.  Gust.  Karsten,  1732—1787,  seit  1778  Professor 
der  Physik  in  Halle. 

^*  Phil.  Kaspar  Junghans,  1738 — 1797,  ordentlicher  Professor  und 
Direktor  des  botanischen  Gartens  in  Halle. 

^''  Einen  Professor  der  Chemit^  dieses  Namens  weisen  Schrader,  Ge- 
schichte der  Friedr.-Universität  Halle  (1894),  und  Poggendorf,  Biogr.  elc. 
Wörterbuch,  nicht  nach. 

^*'  J.  Friedr.  Goldhagen,  stirbt  1788,  zunächst  Professor  der  Natur- 
geschichte, seit  1778  Professor  der  Medizin,  Schrader,  a.  a.  0.  1,  S.  401. 

^^  Vielleicht  machte  er  sich  Hoffnung  auf  eine  Professur  in  Mainz. 
Tatsächlich  war  damals  nach  einem  Berichte  des  Kurators  vom  27.  April 
1785  erwogen  worden,  „einige  Männer  von  erster  Größe  von  außen'*  zu 
berufen.  Doch  fand  sich  Försters  Name  niclit  unter  den  genannten,  Stieda, 
a.  a.   0.,  S.  200. 

•*^  Dorf  und  Rittergut  im  Saalkreis,  Rgbzk.  Merseburg,  Prov.  Sachsen. 

^i'  Karl  Qottlob  Roessig,  1752—1806,  Stieda,  a.  a.  0.,  S.  274.  Nach 
dem  Vorlesungsverzeichnis  für  das  Sommerseinester  1784  las  Roessig 
Ökonomie  am  Montag  und  Dienstag  um  10  Dir,  Leske  einen  „Cursus  hislo- 
riae   naturalis'*    viermal  die   Woche  um  9  Uhr. 


Ausbildung  in  Kameral Wissenschaft.  181 

und  der  botanische  Garten  von  „sehr  geringem  Umfange**. ^o 
Beide  kamen  daher  zu  der  Überzeugung,  daß  in  Leipzig  ihres 
Bleibens  nicht  lange  sein  konnte  und  sie  ihre  Reise  nach 
Jena  alsbald  fortsetzen  müßten. 

In  Mainz  verfehlte  dieser  Brief  nicht  Eindruck  zu 
machen.  Der  Kurator  war  zufrieden  damit,  daß  die  beiden 
Praktikanten  ihre  Zeit  gut  zu  verwenden  schienen.  Aber 
er  konnte  sich  nicht  enthalten,  seinem  Begleitschreiben  an 
den  Kurfürsten  vom  14.  Juni  1784  die  Bemerkung  hinzuzu- 
fügen: man  sehe,  daß  von  manchen  deutschen  und  be- 
rühmten Universitäten  eben  das  nicht  geleistet  wird,  was 
iem  äußeren  Scheine  und  dem  Rufe  nach  davon  erwartet 
werden  sollte. 

Auf  der  Reise  von  Leipzig  nach  Jena  berührten  die 
beiden  Privatdozenten  am  14.  Juni  Würchwitz,  wo  der  damals 
schon  durch  seine  Bemühungen  um  die  Ausbreitung  des 
Kleebaues  berühmt  gewordene  Schubart«^  ansässig  war.  Er 
fährte  sie  gefällig  durch  seine  Felder  und  erklärte  ihnen  alles. 
lena  konnte  ihnen  wenig  bieten.  «^  Den  weimarischen 
Kammerrat  Suckow,  der  seit  dem  Jahre  1756  Lehrer  der 
Physik  und  Mathematik,  auch  Forstwirtschaft,  Land-  und 
3tadtwirtschaft  war,  lernten  sie  als  einen  „sehr  großen  Eiferer 
[ür  die  Kameralwissenschaften**  kennen.  Wenn  sie  auch 
iußer  ihm  noch  einige  Bekanntschaften  machten  und  be- 
sahen, „was  in  ihrem  Fache  dienlich  seyn  konnte**,  so  ent- 
schlossen sie  sich  doch  bald,  nach  Erfurt  weiter  zu  reisen. 

Doch  diese  ehrwürdige  Hochschule  leistete  auf  dem  Ge- 
biete der  Kameralwissenschaften  nicht  mehr  wie  Jena.  Pro- 
fessor Gotthard«*,  der  an  die  Stelle  des  im  Jahre  vorher  ge- 
storbenen Professors  Hadelich^*  getreten  war  imd  nicht  ohne 
Beifall  die  Wirtschaftswissenschaften  vortrug,  lernten  sie 
nicht  kennen.  Sie  begnügten  sich,  den  Beamten  der  Kammer 
ihre  Aufwartung  zu  machen,  deren  einer,  der  Kammernit 
Müller,  sie  zur  Erbacher^^  Stahlquelle  hinführte,  wo  er  ihnen 
einige  Experimente  vormachte.    Außerdem  zogen  das  Polizei- 


^  t?ber  die  Geschichte  des  botanischen  (iartens  vergl.  Milteihingen 
ler  Deutschen  Gesellschaft  in  Leipzig,  Bd.   10,  S.  54/55. 

*^  Johann  Christian  Schubart,  edler  Horr  von  dem  Kieefrlde,  1734  bis 
[787,  bewirtschaftete  die  G<i(er  Würchwitz,  Pobles  und  Kreischati  in  der 
fegend  von  Zeitz.  Meusel,  Lexikon  der  verstorbenen  SchriflslelkT.  Bd.  12, 
5.  482. 

«2  fber  das  Kameralstudium  in  Jena  Stieda,  a.  a.  0.,  S.  78,  70. 

«»  Job.  Christian  Gotthard,  stirbt   1813,  Stieda,  a.  a.  ().,  S.   104. 

«*  Sigismund  Leberecht  Hadelich,  1734—1783,  Stieda.  a.  a.  0.,  S.  91). 

^^  Jac.    Dominicus,    Erfurt    und    das    Erfurtische    Gebiet    etc.    I7i)3, 
kl.    1,   S.    17,  führt  ein  Stahlwasser  bei  Urbich  an. 


182  Wilhelm  Stieda. 

haus  und  die  Zeug-  und  Wollenbandmanufaktur  ihre  Auf- 
merksamkeit auf  sich.  Der  einzige  Professor,  von  dessen 
persönlicher  Bekanntschaft  der  Bericht  spricht,  war  Stumm.** 

In  Göttingen  fanden  die  Reisenden  endlich  eine  Lehr- 
anstalt, die  sie  fesselte.  Die  Persönlichkeit  Beckmanns,  der 
seit  dem  Jahre  1766,  zuerst  als  Extraordinarius,  seit  dera 
Jahre  1769  als  Ordinarius  über  Mineralogie  und  Landwirt- 
schaft, Technologie,  Handlungswissenschaft,  Polizeiwissen- 
schaft und  Kameral Wissenschaft  vortrug ®^,  war  in  ihrer  Uni- 
versalität offenbar  eine  Idealfigur  für  die  Mainzer  Kamera- 
listen. Der  Ruhm  dieses  Gelehrten  sowie  seine  zahlreiche  Zu- 
hörerschar flößten  gebührende  Achtung  ein,  und  da  ihnen 
„an  seiner  Freundschaft  viel  gelegen  w^ar**,  so  schrieben  sie 
sich  für  seine  Vorlesung  über  Ökonomie  und  Technologie  ein, 
obwohl  dieselbe  schon  begonnen  hatte.  Die  „vollkommen  be- 
setzte" Bibliothek,  der  in  sehr  gutem  Zustande  befindliche 
botanische  (ökonomische)  Garten,  die  Erlaubnis  Beckmanns, 
seine  Mineralien-  und  Maschinensammlung  zu  benutzen, 
mußten   weitere   Anziehungsmittel   sein.«» 

Fünf  Wochen  später  berichteten  sie  dann  aus  Göt- 
tingen«^,  daß  ihre  Studien  sich  in  normaler  Weise  vollzögen, 
der  eine  Tag  wie  der  andere.  Sie  hörten  zwei  Stunden 
täglich  Vorlesungen  bei  Beckmann,  benutzten  Vor-  und  Nach- 
mittags einige  Stunden  die  Bibliothek,  „die  in  allen  Th^ilen 
der  Kameralwissenschaft  gut  besetzt'*  war,  und  arbeiteten  am 
Morgen  in  der  Frühe  wenigstens  zwei  Stunden  im  öko- 
nomischen Garten.  Die  ihnen  dann  noch  übrigbleibende 
Zeit  verbrachten  sie  mit  dem  Ordnen  ihrer  Auszüge  und 
Niederschriften  zu  Hause.  Bei  ihren  Studien  erwies  sich 
ihnen  von  großem  Nutzen  der  Bibliotliekar  Dietze"®,  der  zwei 
Wochen  darauf  an  die  Bibliothek  in  Mainz  benifen  wurde, 
aber  leider  früh  starb. •*  Kr  erlaubte,  die  Büchersammlung 
nicht  nur  zu  den  gewöhnlichen  Zeiten,  zweimal  die  Woche, 

*»''  Wie  es  sclieint  kein  Univorsitätsprofessor;  wenigstens  nirgends 
nachweisbar. 

♦»•  Johann  Beckmann,  173D — 1811.  Frensdorff,  Festschrift  zur  löOjäh- 
rigen  Feier  der  Gesellschaft  d.  Wissenschaften  (1901),  S.  549;  $tieda, 
a.   a.   0.,   S.   37. 

^^  Anhang  No.  7.  Auch  J.  Meerniann,  Freiherr  von  Dalem,  der  sieben 
Jahre  später,  naclideni  er  dort  ,,zwey  der  nützlichsten  Jahre'*  seines  Le- 
bens zugebracht  liatte,  aufs  neue  nach  Göltingen  kam,  war  seines  Lobes 
voll.  In  einem  Vergleiche  Göttingens  mit  Leipzig  mußte  das  letztere  „be- 
siegt vom  Kampfplatze  treten".  Moermanns  Reise  durch  Preußen.  Oster- 
reich  und  andere  deutschen  Länder  (1793),  Teil   I,  S.  34 ff,  271. 

f'O  Anhang  No.   8. 

"'•  Johann  Andreas  Dietze,  1729—1785.  Meusel.  L(^xikon,  Bd.  2, 
S.  365.  —  "J  Bückcnhcimer,  a.  a.  0.,  S.  43. 


Ausbildung  in  Kameralwissenschaft.  183 

sondern  auch  außerhalb  dieser  Stunden  zu  l)enutzen,  gab 
ihnen  Bücher  mit  nach  Hause  «und  hatte  nichts)  dagegen,  wenn 
sie  außerhalb  der  vorschriftsmäßigen  Bücherausgabe  ohne 
vorhergegangene  Bestellung  sich  Bücher  holten.  Trotz  aller 
dieser  fleißigen  Vorarbeiten  konnten  sie  sich  eines  gelinden 
Schauers  nicht  erwehren,  w^enn  sie  an  die  Ausarbeitung' ihrer 
Vorlesungen  für  den  bevorstehenden  Winter  dachten.  Sie 
verfehlten  nicht,  den  Herrn  Kurator  darauf  aufmerksam  zu 
machen,  daß  sie  für  diesen  Zweck  noch  manche  schöne 
Stunde  würden  opfern  müssen.  Noch  mehr  wurde  dieser 
Gresichtspunkt  im  letzten  Bericht  vom  5.  September 
1784'*  betont.  Sie  erklärten  es  geradezu  als  unmöglich,  die 
Menge  der  von  ihnen  gemachten  Auszüge  schon  in  Göt- 
lingen  in  ein  zusammenhängendes  System  zu  bringen,  und 
baten,  im  bevorstehenden  Wintersemester  noch  keine  Vor- 
lesungen von  ihnen  zu  erwarten. 

Laut  der  ihnen  gegebenen  Anweisung  hatten  die 
Reisenden  den  Rückweg  über  den  Harz  zu  nehmen,  offenbar 
in  der  Absicht,  sich  das  dortige  Bergwerkswesen  genauer 
anzusehen.  Bei  der  Verwirklichung  dieses  Planes  zeigten 
sich  indes  Schwierigkeiten.  Wenn  sie  Göttingen  nicht  vor 
Schluß  des  Semesters  verlassen  wollten,  so  konnton  sie 
erst  im  Oktober,  das  heißt  einer  für  den  Harz  ungeeigneten 
Periode,  ihre  Bergwerksreise  unternehmen,  für  die  sie 
glaubten,  vier  Wochen  nötig  zu  haben.  Wollten  sie  aber 
Göttingen  schon  im  Septeml)er  aufgeben,  so  mußten  sie 
auf  alles  verzichten,  was  ihnen  den  Aufenthalt  daselbst 
so  wertvoll  erscheinen  ließ.  Die  Anrejijung,  die  sie  dort 
empfangen  konnten,  schien  ihnen  zu  wichtig,  als  daß  sie 
sie  ohne  weiteres  entbehren  mochten,  ja  sie  hegten  vielleicht 
die  Hoffnung,  daß  der  Kurator  ihnen  erlauben  würde,  das 
Wintersemester  1784/85  ebenfalls  in  Göttingen  zuzubringen. 
Wenigstens  teilten  sie  mit,  daß  in  diesem,  drei  Wochen 
nach  Michaelis,  die  Vorlesungen  offiziell  begännen,  tatsäch- 
lich eine  Woche  nach  diesem  Tennine  und  schickten  ein  Ver- 
zeichnis der  für  dasselbe  angekündigten  Vorlesungen.  Die 
Bergwerksreise  durch  den  Harz,  meinten  sie,  würde  vermut- 
lich viele  Unkosten  verursachen  und  außcM-dem  glaubten  sie, 
da  ihnen  ja  noch  weitere  „praktische  Reisen"  in  Aussicht  ge- 
stellt waren,  dieselbe  ,,mit  weit  größerem  Vortheile'*  nach- 
holen zu  können. 

Demnach  ist  es  offenbar  zur  Rückreise  über  den  Harz 
nicht  gekommen.  Anfang  Oktober  verließon  die  beiden 
Kamcralisten  Göttingen,  das  ihnen  so  lieb  geworden  war,  und 

71'  Anhäng  No.  9. 


184  Wilhelm  Stieda. 

kehrten  über  Cassel  und  Fulda  nach  Mainz  zurück,  wo  sie 
gegen  Ende  des  Monats  eintrafen. 

Nach  glücklicher  Beendigung  ihrer  Reisen  waren  sie  nun 
jedenfalls  so  weit,  daß  ihrer  Zulassung  als  Privatdozent^n 
nichts  im  Wege  gestanden  haben  dürfte.  Vermutlich  ist  unter 
Empfehlung  von  Pfeiffer  ihre  Habilitation  ohne  jede  weitere 
Förmlichkeit  erfolgt.'^  jn  dem  Catalogus  lectionum  für  das 
Mitte  November  1784  beginnende  Wintersemester  erscheinen 
denn  auch  erstmalig  als  Docentes  Privati  Spoor  und  Schleen- 
stein.  Der  erstere  trug  die  Polizeiwissenschaft  (de  ordinando 
rei  public^e  statu  interno,  vulgo  Politiam  tradet),  der  letztere 
die  Landwirtschaft  (fundamenta  oeconomiae  ruralis)  vor. 
Wie  wir  wissen,  waren  beide  ohne  Vermögen,  und  da  von 
dem  Honorar  für  die  Vorlesungen  vermutlich  nicht  viel  er- 
wartet werden  konnte,  so  mußte  ihnen  ein  Einkommen  aus- 
geworfen werden.  Der  Kurator  beantragte  beim  Kurfürsten, 
ihnen  „bis  zu  weiterer  Verschickung  ein  mäßiges  Gehalt" 
auszusetzen,  das  sich  auf  100  Fl.  quartaliter  belaufen  sollte. 
Der  Kurfürst  war  damit  einverstanden.'*  Freiherr  von  Benzel 
hielt  aber  dafür  auch  an  der  Forderung  fest,  daß  beide  im 
Wintersemester  1784/85  als  Magistri  legentes  auftreten 
sollten.  Es  würde  an  Vorlesungen  fehlen,  wenn  sie  sich  nicht 
betätigen  wollten,  andererseits  kämen  sie  dadurch  ,,in  den 
Strohm  der  Arbeit".  Sie  würden  auf  diese  Weise  die  noch  in 
ihren  Kenntnissen  vorhandenen  Lücken  am  besten  ausfüllen. 

Es  hat  den  Anschein,  als  ob  sie  sich  dem  Wunsche  gefügt 
hätten  und  das  Wintersemester  1784/85  also  in  ernster  Tätig- 
keit verbrachten,  denn  die  Ausarbeitung  ihrer  ersten  Vor- 
lesungen war  trotz  der  mittlerweile  erlangten  Gelehrsamkeit 
keine  einfache  Sache.  Sie  scheinen  sich  ihrer  Aufgabe  mit 
Erfolg  unterzogen  zu  haben,  da  Professor  Pfeiffer  in  einem 
Berichte  an  den  Kurator  mit  Entschiedenheit  hervorhob,  daß 
beide  Privatdozenten  „verdienten  zur  Vollkommenheit  geführt 
zu  werden**.^^  Er  hielt  eine  nochmalige  Reise  für  zweckmäßig- 
Nur  müsse  diese  so  angeordnet  sein,  daß  man  bei  der  Wahl 
der  Gegenden  auf  vernünftige  Ersparnis  der  Kosten  und  vor- 
züglichen Unterricht  Bedacht  nehme.  Spoor,  der  sich  mit 
Polizei-,  Manufaktur-,  Kommerzienwissenschaft  und  Techno- 
logie befassen  sollte,  wäre  nach  den  Niederlanden,  Bremen, 
Lübeck,  Hamburg,  Sachsen,  der  Ober-Iiausitz  zu  schicken  und 
könnte  über  Teplitz  und  Nürnberg  zurückkehren.     Schleen- 

^•'  rijor  (Wo  Aus])il(lunji  des  modernen  Privatdozententums  vergl.  K. 
Hörn,  Zur  (leschiclile  der  Privatdozenten,  in  Mitteilungen  der  Gesellschaft 
f.   deutsche   Krziehunßs-  und   Scliulget^ehiclite,   IM.  XI  (1901),  S.  46flF. 

••i  Benzeis  Bericht  vom  20.  Novbr.   1784.   —  "  ^ni  16.  März  1785. 


Ausbildung  in  Kameralwissenschaft.  1H5 

ler  sich  den  ökonomischen  Wissenschaften  und  der 
«nssenschaft  zugewandt  habe,  sollte  über  Göttingen 
em  Harz  reisen,  über  Dessau  und  Magdeburg  nach 
Schlesien,  Böhmen  fahren  und  über  Regensburg  und 
imkehren. 

ichtschuldigst  nahm  der  Kurator  die  Pfeifferschen  An- 
m  auf  und  ließ  sie  an  den  Kurfürsten  gelangen.^*^ 
m  beide  Herren  ein  halbes  Jahr  öffentliche  Vor- 
n  gehalten,  sei  an  ihre  abermalige  Verschickung  auf 
zu  denken.  Indes  fügte  der  Kurator  hinzu,  daß  für  die 
IT  ins  Auge  gefaßten  Reisen  es  noch  zu  früh  schiene. 
3n  noch  nicht  in  der  Fassung,  ihr  Amt,  wie  es  sein 
5U  erfüllen.  Benzel  hielt  dafür,  daß  wesentlich  nach 
chtungen  die  weitere  Ausbildung  vor  sich  gehen  möge, 
sollten  die  Herren  die  Hülfswissenschaften,  die  ihnen 
bgingen,  nachholen  und  zweitens  sollten  sie  durch 
ron  Vorlesungen  fortzuschreiten  versuchen.  Bei  Pro- 
Fiebig"  könnten  sie  im  nächsten  Schuljahr  die  öko- 
le  Naturgeschichte  und  Botanik,  bei  Professor  Molitor 
3mie  „ordentlich**  hören.  Das  Studium  der  Physik 
r  angewandten  Mathematik  könnte  noch  bis  zum 
en  Jahre  verschoben  werden.  Unterdessen  aber 
beide  in  ihrem  Lehramte  fortfahren  Und  sich  mit  den 
ach  einschlagenden  Schriftstellern  und  überhaupt  den 
ikern  vertraut  machen. 

r  Kurator  legte  ferner  Gewicht  auf  praktische  Durch- 
.  Schleenstein  sollte  Zutritt  und  Bekanntschaft  in 
3ei  Mainz  nahegelegenen  Land^ute  suchen,  um  sich 
)chentlich  einmal  über  die  laufenden  Geschäfte  zu 
hten.  Im  Spätjahre  sollte  er  dann  einige  Wochen  bei 
sogenannten  Wiedertäufer  (sie!)  im  Wormsischen 
I.  Endlich  wäre  er  auch  zu  den  Geschäften  der  kur- 
len  Beamten  zuzulassen,  also  etwa  in  (iernsheim, 
llte  zu  den  kurfürstlichen  Waldvisitationen  an  der 
iße  zugezogen  werden,  in  die  Tätigkeit  der  Kameral- 
ion,  der  Generalrezeptur  Einblick  nehmen  usw. 
stein  sollte  namentlich  die  örtlichen  Zustände  im 
tentum  zu  erfassen  sich  bestreben,  denn  „es  giebt 
it  in  keiner  Wissenschaft  wenigere  allenthalben  an- 
re  Grundsätze  als  in  der  Landwirtschaft'*.  Spoor 
m  müßte  bei  dem  kurfürstlichen  Vizedom-Amte  in 
Jutritt  erlangen.     Er  hätte  zunächst  die  Handwerker 

im  27.  April  1785. 

übann    Fiebig,    Professor   der   Mineralogie,    stirbt   1792;    Bocken- 

,  a.  0.,  S.  34. 


186  Wilhelm  Stieda. 

und  Künstler  in  Mainz  zu  verzeichnen  und  zu  klassifizieren 
und  sich  dadurch  praktische  technologische  Kenntnisse  zu 
erwerben.  Vorzüglich  käme  es  auf  Beförderung  der  Spinne 
reien  und  Webereien  an.  Im  Herbste  sollte  dann  auch  er 
eine  Reise  machen  und  zwar  nach  Seligenstadt  und  in  das 
obere  Erzstift,  auf  dem  Rückwege  Hanau  und  Offenbach  he- 
suchen,  sich  überall  danach  umsehen,  wie  es  mit  dem  Aus- 
teilen der  Wolle  an  Landleute  zum  Verspinnen  zu  geschehen 
pflege.  Von  Frankfurt  und  Hanau  aus  werde  dieses  Ver- 
legen besonders  geübt. 

Der  Kurator  kam  somit  auf  die  in  den  ursprünglichen 
Instruktionen  und  Vorschlägen  Pfeiffers  enthaltenen  Ideen 
zurück.  Seligenstadt,  wo  Spoor  schon  gewesen  war,  mochte 
wegen  der  dortigen  Tuchmacherei  sich  für  die  Erlangung 
wirtschaftlicher  Kenntnisse  und  behufs  kritischer  Vorbil- 
dung zur  Durchführung  von  Reformen  besonders  eignen. 

Die  Entscheidung  zog  sich  jetzt  länger  hin,  als  es  früher 
der  Fall  zu  sein  pflegte.  Die  Privatdozenten  warteten  mit 
Ungeduld  und  drängten  auf  eine  Entschließung.  Im  Juni 
1785  berichtet  der  Kurator  dem  Kurfürsten,  daß  sie  mit 
ihren  Vorlesungen  über  Polizeiwissenschaft  und  Landwirt- 
schaft fertig  geworden  wären  und  nun  um  Angabe  bäten, 
was  sie  im  Sommer  tun  und  mit  welchen  Gegenständen  sie 
sich  im  Winter  beschäftigen  sollten.  Offenbar  wird  diese  An- 
frage eine  Wiederholung  gewesen  sein,  denn  bis  in  den  Juni 
hinein  konnte  das  Wintersemester  nicht  gedauert  haben. 
Was  dann  daraus  geworden  ist,  ist  unbekaimt.  Die  Akten, 
aus  denen  geschöpft  w^erden  konnte,  reichen  nicht  weiter. 

An  ihr  Ziel  sind  beide  Kandidaten  richtig  gelangt.  Seit 
dem  Wintersemester  1788  weist  der  Catalogus  lectionum 
(und  dann  auch  der  Kurmainzische  Hof-  und  Staats- 
Kalender)  als  ordentliche  öffentliche  Lehrer  an  der  Universi- 
tät Mainz  nach  Franz  Karl  Spoor  für  Technologie,  Fabrik- 
wissenschaft, Handelstlieorie  und  Staatsrechmmgswissen- 
schaft,  Schleenstein  für  Landwirtschaft,  Forstwissenschaft, 
die  Theorie  der  Gartenkunst,  die  ökonomische  Botanik  imd 
ökonomische  Zoologie.  Spoor  erscheint  zum  letzten  Male 
im  Vorlesungsverzeichnis  für  das  Wintersemester  179495; 
er  starb  im  Jahre  1794.  Schleenstein  ist  zum  letzten  Male 
im  Vorlesungsverzeichnis  für  das  Wintersemester  1797/^8 
nachgewiesen.  Er  war  jedoch  schon  im  Jahre  1793  nach 
Mannheim  übergesiedelt^**,  weil  er  der  französischen  Regie- 
rung den  bekannten  ,,Eid  für  Freiheit  und  Gleichheit"  nicht 

^**  Eigenhändiges  Schreiben  Schleensteins  aus  Mannheim  vom  25.  Märt 
17y3  an  den  damals  mit  dem  Hof  und  der  Regierung  in  Miltenberg  wei- 


Ausbildung  in  Eameralwissenschaft.  187 

leisten  wollte.  Nach  Aschaffenburg  wird  er,  wenn  nicht 
schon  früher,  jedenfalls  nach  dem  Tode  Friedr.  Karl  Joseph 
von  Erthals,  der  im  Jahre  1802  erfolgte,  übergesiedelt  sein. 
Karl  Theodor,  der  neue  Kurfürst,  gründete  aus  den  ihm  über- 
lassenen  Einkünften  des  Kollegiatstifts  St.  Peter  und  Ale- 
xander einen  allgemeinen  Schul-  und  Studienfonds,  aus  dem 
er  das  an  die  Stelle  der  Mainzer  Hochschule  getretene 
Lyceum  in  Aschaffenburg  dotierte.'^  Unter  den  Professoren, 
die  laut  einem  Dekrete  Dalbergs  vom  10.  Oktober  1802  für 
die  Übersiedelung  nach  Aschaffenburg,  um  im  bevorstehen- 
den Lehrjahre  mit  Anfang  des  Novembers  Collegia  zu  lesen, 
in  Frage  kamen,  war  auch  Schleenstoin.**^  Er  war  um  diese 
Zeit  bereits  in  Aschaffenburg  anwesend.  Über  seine  dortige 
Tätigkeit  hat  sich  nichts  mehr  ermitteln  lassen.  Er  dürfte 
im  Oktober  1816  gestorben  sein,  da  in  diesem  Monat  seine 
Witwe  um  ein  Gnadengehalt  aus  dem  allgemeinen  Schul- 
und  Studienfonds  sich  bewarb.  Durch  den  Tod  Schieon- 
steins waren  diesem  .einschließlich  der  Naturalien,  die  der 
verstorbene  Professor  bezogen  hatte,  1064  fl.  und  24  Kreuzer 
anheimgefallen,  aus  welcher  Summe  der  Witwe  212  fl. 
Sustentationsbeiträge  zugewiesen  worden  waren.  Mit  diesem 
Betrage  nicht  befriedigt,  erneuerte  die  verwitwete  Professorin 
ihr  Gesuch  am  13.  März  1807,  ohne  daß  aus  den  Akten 
ersichtlich  ist,  ob  sie  Gehör  gefunden  hat.«^ 

Spoors  Vorlesungen  erstreckten  sich  außer  der  Polizei- 
wissenschaft, mit  der  er  im  Wintersemester  1784/85  seine 
akademische  Wirksamkeit  begonnen  hatte,  und  die  er  auch 
im  Sommersemester  1785  las,  auf  Technologie  und  Gewerbe- 
polizei (politia  opificiorum),  die  er  bis  zum  Sommerseinester 
1788  im  Sommer  täglich  von  7 — 8  Uhr,  dann  seit  dem  Winter 
1788.89  im  Wintersemester  vortrug.  Sie  war  seine  Haupt- 
vorlesung und  wurde  im  Anschluß  an  Beckmanns  I3uch**- 
gehalten.  Neben  ihr  kündigte  er  seit  dem  Somnierseniester 
1788  Handelstheorie  und  Staatsrechnungswissenschaft  an, 
falls  sich  Zuhörer  finden  sollten  (siquis  adsit  desiderantium 
numerus).  Später  scheint  das  Interesse  für  die»  letztere 
Vorlesung,  die  ja  auch  eine  sehr  wichtige  war,  gew\achson 

lenden  Statthalter  und  Domdei'liant  DallHTjr.  (icfjillij:«'  MiUcilung  dos 
Kreisarchivs  Würzburg. 

'*  Bavaria,  Landes-  und  Volkskunde  dfs  Königroiehs  Havoni,  Md.  4, 
S.  339  (1866). 

«^  Bericht  des  (Jeistlirhon  Halos  Sclioidols  auf  das  Delikt  Kolhorgs. 
Gefällige  Mitteilung  des  Kpl.  Kroisarchivs  Würzbiirji. 

«'  Kgl.  Kreisarchiv  München.  M.  A.  1M)7.  Herr  Professor  (l.  Hart 
in  Ascbaffenburg  hatte  die  Güte,  mich  auf  diesen  Akt  aufmerksam  zu 
macbeti.    —  ®^  Anleitung  zur  Technologie  etc.,  1777. 


188  WUhelm  Stieda. 

ZU  sein,  denn  seit  dem  Sommer  1789  las  er  Handelstheorie 
und  Staatsrechnungswissenschaft  täglich  des  Morgens  von 
7 — 8  Uhr.  Daran  schloß  sich  eine,  vermutlich  kürzere,  Vor- 
lesung über  den  Einfluß  des  Handels  auf  den  Geist  der 
Nationen.  In  diesen  beiden  Vorlesungen  bestand  das  Pro- 
gramm des  Sommersemesters,  das  in  Mainz  vom  1.  Mai  bis 
Ende  September,  oder  von  Mitte  April  bis  Mitte  September  zu 
daueni  pflegte.  Im  Wintersemester,  das  in  der  Regel  am  12., 
seltener  schon  Anfang  November  begann  und  bis  Mitte  April 
dauerte,  beschränkte  er  sich  dann  auf  die  Technologie  und 
Gewerbepolizei,  einschließlich  der  Geschichte  gewerblicher 
Erfindungen. 

Schleensteins  Programm  war  etwas  umfangreicher.  Er 
las  über  die  Theorie  der  Landwirtschaft,  femer  Forstwissen- 
schaft und  Forstrecht,  über  Handelstheorie  (seit  dem  S.-S. 
1796)  und  seit  dem  S.-S.  1797  über  Technologie.  An 
einen  bestimmten  Turnus,  in  dem  seine  Vorlesungen  wieder- 
kehrten, scheint  er  sich  nicht  gehalten  zu  haben.**  Auch 
er  schloß  sich  an  Beckmannsche  Bücher  an  und  legte  die 
Grundsätze  der  deutschen  Landwirtschaft^*  seinen  Be- 
trachtungen zugrunde. 

Zur  Herausgabe  selbständig  erscheinender  Bücher 
scheint  weder  der  eine  noch  der  andere  Neigung  gehabt  zu 
haben.  Ob  sie  gelegentlich  in  der  periodischen  Presse 
kleinere  Abhandlungen  und  Aufsätze  veröffentlicht  haben, 
habe  ich  nicht  zu  ermitteln  vermocht. 


Anhang. 

1.   Instruktion  für  den  Dozenten  der  Technologie  und 

Handlungs-Theorie. 

Großh.  Hess.  Haus-  u.   Staatsarchiv  Darmstadt,  Akten  betr.  die  Kameral- 

fakultät  zu  Mainz,  S.  19—22.1 

1. 
Die  gegenwärtige  Instrukzion  beschränkt  sich  bloß  auf  die 
Vorbereitung,  welche  innerhalb  dieser  vier  Monathe  bis  zu  An- 
fang des  nächsten  Kursus   zu  nehmen  wäre. 

*"•  Nach  den  allerdings  nicht  lückenlos  erhaltenen  Vorlesungsverzeich- 
nissen der  Universität  Mainz  von  1784 — 1797  in  der  Stadtbibliothek  JO 
Mainz.    —  '*  Erste  Ausgabe,  Göttingen  1769. 

1  Die  Wiedergabe  dieses  wie  der  folgenden  Stücke  erfolgt  unver- 
kürzt und  in  der  Schreibweise  des  Originals.  Nur  in  der  Interpunktioa 
und  in  dem  Gebrauche  großer  Buchstaben  zu  Beginn  der  Worte  ist  g^ 
Icgcntlich  des  bessern  Verständnisses  wegen  geändert  worden.  Sofern 
die  Überschriften  vollständig  vom  Herausgeber  herrühren  oder  einige  Worte 
in  ihnen  ergänzt  sind,  wurden  Klammern  angewandt. 


Ausbildung  in  Kamerahvissenschaft.  J89 

2. 

Da  Naturgeschichte  und  Chemie  bis  auf  den  nächsten  Kurs, 
lysik  und  Mathematik  aber  bis  auf  die  weiteren  Kurse  aus- 
setzt bleiben,  so  hätte  er  sich  inzwischen  im  Zeichnen  zu  üben, 
)rzüglich  aber  sich  Fertigkeit  zu  erwerben,  Werkzeuge  und 
ischinen,  wie  er  sie  bey  Handwerkern,  Künstlern  und  Fabri- 
nten  antrifft,  gleich  nachzeichnen  zu  können. 

3. 
Dessen  Hauptbeschäftigung  aber  bleibt  sich  sowohl  im  theo- 
Lischen  als  praktischen  des  demselben  angewiesenen  Faches 
.  üben,  da  Sr.  Kurfstl.  Gnaden  ihm  Technologie,  Fabrikenwissen- 
haft,  Theorie  des  Handels,  der  Warenkunde  und  des  Buchhaltens 
ädigst   bestimmt  haben. 

4. 
Um  sich  aber  A.  im  Theoretischen  Kenntnisse  zu  sammeln, 
habe  derselbe  die  beste  in  seinem  Fache  bisher  erschienene 
tteratur  zu  benutzen,  und  welche  Werke  ihm  zu  seiner  weiteren 
Idung  nöthig  seyen,  anzuzeigen,  daß  sie  angeschafft  werden. 
>rzüglich  habe  er  durch  geschickte  Zeichnungen  sich  schon 
>iläufig  alle  Werkzeuge  und  Maschinen,  die  ganze  Manupulation 
jy  Handwerkern,  Künstlern  und  Fabrikanten  bekannt  zu  machen, 
m  schon  die  ganze  Art  zu  kennen,  und  um  nicht  alsdann  erst 
ie  Anfangskenntnisse  davon  studieren  zu  müssen,  wenn  bei 
Iwaigem  Besuch  derer  Handwerker,  Künstler  und  Fabrikanten  die 
leit  schon  zu  wirklicher  Beurtheilung  und  zu  soliden  Raisonne- 
neats  über  Kunstanlage  zu  verwenden  ist. 

Dergleichen  Zeichnungen  sich  in  denen  Kupferwerken  der 
Pariser  Encyclopadie  in  folio  und  in  denen  eigends  zu  solchen 
Gebrauch  zu  Paris  herausgegebenen  Zeichnungen  unter  Aufsicht 
'ier  Akademie  über  Handwerker,  Künstler  und  Fabriken  befinden. i** 
Er  habe  also  zu  sorgen,  daß,  ehe  er  die  Werkstätto  derer 
Handwerker,  Künstler  und  Fabriken  besuche,  ihm  die  Theorie 
^iavon  schon  ganz  geläufig  seye. 

5. 

Um  sich  aber  B.  auch  zugleich  i)rak tische  Erfahrungen 
*^  seinem  Fache  zu  sanmieln,  so  habe  derselbe 

a.  Werkstätten  derer  Handwerker,  Künstler  und  Fabrikanten 
*^  hiesiger  Stadt  zu  besuchen,  vorzuglich  diejenigen  zu  beob- 
^hten,  deren  Hauptprodukte  zu  einem  Handelszweig  werden, 
^nd  welche  mit  Spinnen  und  Weben  sich  beschäftigen.  Er  habe 
*ber  übrigens  alle  Gattung  Handwerker  und  Künstler  zu  be- 
suchen, um  bey  dem  Akademischen  Vortrag  der  Technologie  mit 
Bnsicht  und  Erfahrung  sprechen   zu  können. 

Um  aber  hierinn  desto  mehr  (jelegenheit  zu  seiner  Vorbe- 
reitung zu  erhalten,  geruhen  Sr.  Kurfstl.  Gnaden  demselben  den 
Jutritt  bey  dem  Kurfstl.  Amt  der  hiesigen  Stadt  gnädigst  zu  ge- 

*»*  Doch  wohl  Diderot  et  d'Alembert,  Encyclopedie  ou  dictioimaeri, 
iisftnnc  etc.  des  sciences,  des  arts  et  des  m6tiers,  1751 — 1777,  gemeint. 


190  Wilhelm  Stieda. 

statten,  mit  dem  Auftrage»  die  Handwerker  und  Künstler  der 
hiesigen  Stadt  (namentlich  die  vorzüglichsten  jeder  Art)  zu  ver- 
zeichnen, zu  klassifizieren  und  sich  dadurch  praktische  techno- 
logische Kenntnisse  zu  erwerben.  Der  weitere  Zutritt  zu  denen 
Stellen,  welche  mit  der  eigentlichen  Handlung  beschäftigt  sind, 
bleiben  noch  vorbehalten. 

6. 
um  sich  zugleich 

b.  auch  praktische  Erfahrung  des  Handels  zu  ver- 
schaffen, habe  derselbe  sich  um  Bekanntschaft  und  Zutritt  in  ver- 
schiedene hiesige  Handels  Comtoire  zu  bewerben,  um  in  freund- 
schaftlicher Unterredung  auch  den  praktischen  Gang  des  Handels 
zu  erfahren  und  mit  anzusehen. 

7. 

dann  habe  er 

c.  kleine  Reisen  nach  Höchst,  Frankfurt,  Offenbach,  Hanau, 
Homburg  und  zu  denen  der  dortigen  Nachbarstadt  sich  befindenden 
Kolonien  französischer  Refugids,  ferner  nach  Frankenthal  und 
Neuwied  zu  machen,  um  die  an  solchen  Orten  befindlichen 
Fabriken  zu  besehen,  auch  gelegentlich  solcher  Reisen  in  denen 
oberen  Städten*  und  in  Seeligenstadt  sich  umzusehen,  in  welchem 
Zustand  die  Wollspinne rey  und  Tuchweberei  dort  gegenwärtig 
seye,  und  zu  untersuchen,  wie  stark  ihre  Zahl  seye,  wie  weil 
ihre  Arbeiten  in  den  Grad  der  Kunst  gehen  und  wohin  sie  solche 
Produkte  ihrer  Industrie  veräußern. 

8. 
und  endlich  habe  er 

d.  während  der  künftigen  Herbstmesse  in  Frankfurt  sich 
aufzuhalten,  sich  das  bei  Anfang  der  Messe  erscheinende  Meß- 
schema anzuschaffen,  die  darinnen  genannte  auswärtige  Fabri- 
kanten und  große  Kaufleute  zu  bemerken,  ihre  Gewölber  zu  be- 
suchen, um  die  Art  ihrer  Waaren,  und  die  Preise  kennen  zu 
lernen,  wobey  er  durch  geschickt  angelegten  feineren  Umgang 
Gelegenheit  haben  wird  unter  dem  Vorwand  eines  Handelsgeschäfts 
in  nähere  Unterredung  zu  kommen  und  dadurch  sich  manche 
praktische   Erfahrung   zu   sammeln. 

Er  habe  zu  gleicher  Zeit  in  Frankfurt  den  Zug  des  dortigen 
Handels  und  die  verschiedenen  Niederlagen  auswärtigen  Handels 
zu  studieren,  bey  welchen  Frankfurt  der  Hauptort  des  Umtausches 
und  deren  Bestellungen  geworden  ist. 

2.    Note  zur  Instruktion  für  den  Dozenten  der  Landkultur. 

Gpoßh.  Hess.  Haus-  u.  Staatsarchiv  Darmstadt,  wie  oben. 

1. 
Die  Hauptabsicht  dieser  Instrukzion  wäre,  wie  sich  erwähnter 
Dozent  innerhalb  dieser  vier  Monathen  bis  zu  Anfang  des  künf- 
tigen Kursus  zu  beschäftigen  und  zu  seinem  angewiesenen  Fach 
sich  vorzubereiten  hal>e. 

^  lui  oberen  Erzstifte  V 


Ausbildung  in  Kameralwissenschaft.  191 

2. 

• 

Da  ökonomische  Zoologie,  ökonomische  Botanik  und  Chemie 
bis  auf  den  nächsten  Kursus;  Physik  und  Mathematik  aber  bis 
auf  weitere  Kurse  ausgesetzt  bleiben,  so  hätte  derselbe  inzwischen 
auf  Fertigkeiten  im  Zeichnen  zu  denken,  und  zwar  vorzüglich 
Pflanzen,  Bäume,  oekonomische  Maschinen,  Garten- Anlagen,  Län- 
derei Eintheilungen,  oekonomische  Gebäude  etc.  zu  zeichnen. 

3. 

Dessen  Hauptgeschäft  bliebe  aber  sich  das  Theoretische  und 
Praktische  seines  angewiesenen  Faches  mehr  bekannt  zu  machen 
und  zwar 

4. 

a.  in  Absicht  dos  Theoretischen  die  Theorie  seines  Faches 
in  denen  besten  Schriftstellern  über  Landkultur  und  in  denen 
neuesten  Werken  hierüber  zu  studieren,  neu  erfundene  Arten 
der  Landkultur  und  ökonomische  Maschinen  zu  untersuchen,  auch 
die  neuesten  Meinungen  in  landwirtschaftlichen  Sachen  sich  be- 
kannt zu  machen,  und  sie  zu  prüfen,  ob  sie  wirkliche  Nutzen  und 
Anwendung  finden  oder  nur  bloß  an  Charlatanerie  grunzen;  auch 
diese  letztere  mus  man  wissen,  da  ein  geschicktes  Genie  durch 
gehörige  Abänderungen  und  Zusäze  sie  zu  denen  praktischen 
Säzen   berichtiget. 

Hiezu  hätte  er  aber  die  theils  auf  der  Universitäts-Bibliothek 
schon  vorhandenen  Werke  zu  benuzen,  theils  anzuzeigen,  was 
ihm  nöthig  scheine,  daß  ihm  zu  solcher  Vorbereitung  noch  an- 
geschafft werde. 

5. 

In  Absicht  des  Praktischen  aber,  (§  3)  um  sich  zu- 
gleich praktische  Erfahrung  zu  sammeln  und  sie  mit  seiner  Theorie 
zu  vergleichen,  habe  er  innerhalb  dieser  vier  Monathen  folgende 
Vorbereitung  zu  befolgen,  und  zwar 

a.  Von  Zeit  zu  Zeit  in  ein  nahe  gelegenes  großes  Landgut 
zu  geben,  die  dortige  Einrichtung  zu  studieren,  und  zugleich  den 
ganzen  Gang  der  dortigen  Ökonomie  und  denen  Feldarbeilen  zu 
beobachten,  dann 

b.  die  Woche  etlichmal  in  die  der  Stadt  nahe  gelegenen 
Dörfer  zu  gehen  und  die  Einrichtung  ihrer  Feldarbeilen  imd  ihrer 
Landkultur  zu  untersuchen,  auch 

c.  beständig  kleine  Reisen  in  benachbarten  Gegenden  vor- 
zunehmen, z.  B.  ins  Rheingau,  ins  Nassauische,  Darmstädtische, 
Pfälzische,  um  auch  dort  die  verschiedene  Art  der  Landkultur 
zu  beobachteu,  und  zwar  nicht  bloß  in  Absicht  des  Getreidebaues 
und  Weinbaues,  sondern  in  Absicht  des  Hanfs,  Flachs,  Tabak, 
Futterrüben,  Färbekräuter  etc. 

d.  gelegenheitlich  solcher  Reisen  sich  Mühe  zu  geben  mit 
geschulten  Landwirthen  unserer  Gegend  in  Bekanntschaft  zu 
kommen    und    mit    ihnen    ökonomische    Gegenstände    zu    korre- 

ononrliarATi 


192  Wilhelm  Stieda. 

Bey  solchen  Reisen  hal)e  er  sich  nun  die  Flur-Eintheilung 
und  Erdarten  bekannt  zu  machen,  ob  Brache,  Gemeinde  weiden  da 
seyen  oder  nicht,  ob  man  Allmende  habe,  und  wo  man  sie  ab- 
geschaft  hat,  auf  welche  Art  es  geschehen  seye,  was  für  Pro- 
dukte gezogen  werden,  wie  die  Viehzucht  beschaffen  seye,  worinn 
ihr  Vorzug  oder  Mangel  bestehe,  was  für  Futterkräuter,  was 
für  Handelskräuter,  ob  Bienenzucht  da  seye  und  wie  sie  ge- 
schehe, ob  auch  schon  etwas  Seidenbau  da  seye  usw. 

6. 

Da  er  aber  in  seinem  Fach  nicht  bloß  auf  Gretreidebau, 
Hopfenbau,  Viehzucht  eingeschränkt  ist,  sondern  demselben  auch 
Gartenkunst  und  Forstwissenschaft  angewiesen  sind,  so  habe  der- 
selbe  auch   hierauf   Vorbereitung   vorzunehmen,    und    besonders 

a.  die  schönen  englischen  Gärten  unsrer  Gegend  zu  besuchen; 
den  Schwezinger  Garten,  den  schönen  Busch,  das  Wilhelms  Bad', 
den  Garten  der  verstorbenen  Landgräfin  bei  Hanau,  den  Graf!. 
Osteinischen  Garten  auf  dem   Niederwald.* 

b.  Von  Schwezingen  eine  kleine  Reise  nach  Carlsruhe  zu 
machen  und  die  dortige  schöne  Baumschule  zu  studieren,  und 

c.  auf  diesen  Reisen  in  denen  mainzischen,  pfälzischen, 
nassauischen,  hessischen  Waldungen  ihre  Forsteinrichtung  zu 
beobachten  und  die  in  jeder  gepflanzte  Holzarten,  wodurch  sich 
zugleich  vorbereiten  wird,  bey  der  nächsten  kurfürstl.  Wald- 
Visitazion,  wozu  ihm  der  Zutritt  gnädigst  gestattet  ist,  seine  Reise 
mit  mehr  Einsicht  benutzen  zu  können. 

7. 

Bei  allen  diesen  habe  er  aber  hauptsächlich  darauf  zu 
sehen,  daß  er  die  Lokal  Verhältnisse  unsrer  Gegend,  ihre  Pro- 
duktion, Natur-Vortlieile,  die  gegenwärtige  Art  der  Landkultur 
kennen  lerne,  u.  sie  mit  denen  benachbarten  pfälzischen, 
nassauischen,  hessischen,  Badenischen  Gegenden  vergleiche,  um 
einzusehen,  worinnen  dieselbe  voneinander  abgehen,  was  aus 
solchen  Staaten  wohl  noch  gut"^  wäre,  und  überhaupt  was  nach 
unserem  Lokalverhältniß  auf  seinen  durch  solche  Vorbereitung 
gesammelten  theoi'etischen  u.  praktischen  Kenntnissen«  sich  wohl 
bey  uns  anwenden  ließe. 

8. 

Inzwischen  seye  ihm  auch  der  Zutritt  a)  bei  der  kurfsll. 
Universitäts  Cameraldepulazion  und  b)  bei  der  Universitäts  Ge- 
neral Rezeptur  gestattet,  um  auch  durch  die  dort  vorhabenden 
landwirtschaftlichen  Geschäfte  Gelegenheit  zu  seiner  weiteren 
Bildung  zu  nehmen,  sich  allenthalben  anschaulich  zu  belehren 
und  würklich  mit  Hand   anzulegen. 

•^  Hoi  Wachenbuchen. 

*  t'ber  Gartenbau  vergl.  Hirsclifeld,  Theorie  der  Gartenkunst,  1779. 
in  kameralistischer  Beziehung  Krünitz,  Knzyklopädie,  Bd.  16,  S.  1471. 
341  ff.  Weitere  Literalurangaben  da.selbst  S.  376.  Außerdem  J.  v.  Falke, 
Der  CJarten,  seine  Kunst  und  Kunstgeschichte,  o.  J. 

5  Unleserlich.  —  ^  Unleserlich. 


Ausbildung  in  Kameralwissenschaft.  193 

9. 

Es  bleibe  ihm  aber  zu  seinem  Fache  angewiesen  die  ganze 
Landwirtschaft,  inclusive  die  Theorie  der  liandkultur  samt  Oarten- 
bau,  Forstwissenschaft,  der  ökonomischen  Zoologie  und  der  öko- 
nomischen Botanik. 

3.  (Schleensteins)  unterthänig  gehorsamste  Berichterstattung 
von  einigen  kleinen  ökonomischen  Reißen. 

Großh.   Hess.  Haus-  u.   Staatsarchiv  Darmstadt,  Aktori  bclr.  die  Kaineral- 

fakultät  zu  Mainz,  S.  35  ff. 

Der  von  Ew.  Excellenz  am  15.  July  mir  gnädig  zugetheilten 
Instruktion  zu  Folge,  war  es  sogleich  meine  erste  Beschäftigung, 
die  der  Stadt  nahe  gelegenen  Dörfer  die  Woche  etlichemal  zu 
besuchen  und  die  Einrichtung  ihrer  Feldarbeiten  und  ihrer  Land- 
kultur zu  untersuchen. 

Hierauf  nahm  ich  kleine  Reißen  in  das  Darmstädtische, 
Xassauische,  Pfälzische,  Zweibrückische  und  in  das  Rheingau 
vor,  um  auch  dort  (nach  gnädiger  Vorschrift)  die  verschiedene 
Art  der  Landkultur  zu  beobachten  und  dieselbe  mit  der  unsrigen 
zu  vergleichen  usw. 

Mit  dem  Wunsche,  daß  ich  hierin  die  Hohen  Absichten 
Ew.  Excellenz  nahe  gekommen  seyn  möchte,  erstatte  ich  Hoch- 
denselben   meinen   unterthänigen   Bericht   ab. 

Cionzenheim.'     Die  vorzüglichsten  Produkte,    welche  hier 
gewonnen    werden,    gewährt    der    Gartenbau,    den    die    hiesigen 
Laridleute  in  einem  Grade  von  Vollkommenheit  treiben,  der  alle 
Aufmerksamkeit   verdient.     Der   Boden    beinahe    in    der    ganzen 
Gegend   besteht   aus   einem   leichten    hitzigen    Sande,    dem   man 
aber  in  der  Nachbarschaft  des  Dorfes  seine  erste  Gestalt  nicht 
so  leicht  mehr  ansieht.     Die  geschickte  Behandlung  des  Bodens, 
die  starke  Bedüngung   (wozu   nebst  dein  eigenen   Viestande  des 
Dorfes  die  Nähe  der  Stiidt  den  größten  Vorschub  leistet)  haben 
ihn  in  einen  so  glücklichen  Mittelboden  verwandelt,  in  dem  die 
meisten  Gewächse  freudig  ihr  Fortkommen  haben.     Zum  Garten- 
bau aber  hat  ihn  die  Natur,  da  sie  die  Gegend  mit  Wasser  ver- 
seben hat,  da  das   Dorf  in  der   Nähe  einer   großen  volkreichen 
Stadt  liegt,  wo  die  Gartengewächse  gerne  Abnehmer  linden,  vor- 
züglich geschickt  gemacht.     Beide  Vortheilc  wissen  die  hiesigen 
Landleute    sehr    gut    zu    benutzen.      Ihre    Gartenländer    sind    in 
schmale  Beete  abgetheilt,  die  an  einer  Seite  mit  Graben  versehen 
sind,  wohin  sie  denjenigen  Vorrath  von  Wasser  leiten,  den  sie 
zu  hinlänglicher  Befeuchtung  ihres  Landes  bedürfen.     Erfahrung 
und   lange    Übung    haben    die    meisten    hiesigen    Wirthe    zu    ge- 
schickten Küchengärtnern   gemacht. 


'  Über  die  Ortschaften  Gonsenheini,  Mornbarh,  Dretzenheim,  Hcchts- 
h'eim,  Bodenheim,  Wachenheini  verjjl.  K.  J.  Rrilmayer.  Rheinhessen,  1905. 
tber  Frachtbarkeit,  Pflanzenproduktion  usw.  dieser  rheinlicssischen  Dörfer 
gibt  einige  Auskunft  J.  Konr.  Dahl,  Statistik  und  Topographie  der  mit 
dem  Großh.  Hessen  vereinigten  Lande  des  linken  Rheinufers,  1816,  S.  22  ff. 

Beitiige  s.  Gesch.  d.  Universitäten  Mainz  u.  Gießen.  13 


194  Wilhelm  Stieda. 

Moinbach.  Auch  hier  macht  der  Gartenbau  eins  der  vor- 
züglichsten Produkte  aus,  Allein  in  der  Vollkommenheit,  wie  ich 
ihn  in  Gonzenheim  antraf,  wird  er  hier  noch  nicht  betrieben. 

Bretzenheim  und  Hechtsheim.  In  diesen  beiden  Dörfern 
hat  der  Fruchtbau  den  Vorzug.  Das  Erdreich  besteht  im  Ganzen 
genommen  aus  einem  vermischten  Leimboden,  der  fast  durch- 
gängig sehr  gut  gedüngt  und  zubereitet  ist.  Fast  alle  Haupt- 
arten  werden  hier  vortheilhaft  gebauet.  Aueh  fand  ich  hier 
meistens  beständige  Stallfütterung  eingeführt,  besonders  in 
Bretzenheim,  wozu  freilich  die  Noth  wegen  Mangel  an  Weid- 
gange die  Leute  gebracht  hat.  Man  irret  aber,  wenn  man  er- 
wartet, daß  man  dagegen  einen  starken  Kleebau  eingeführt  hätte; 
ich  fand  nur  sehr  wenig  ewigen  und  deutschen  Klee  angebaaet. 
Allein  hier  eröffnet  sich  eine  andere  Quelle  zu  Unterhaltung 
ihres  Viehstandes.  Da  die  Stadt  so  nahe  ist^  so  besteht  ein 
großer  Theil  der  Fütterung  aus  den  Abgängen  von  den  Bier- 
brauereien, Branntweinbrennereien  u.  d.  g.,  welche  aus  der  Stadt 
herbeigeholt  werden.  Beide  Dörfer  würden  ihren  Viehstand  un- 
gemein vermehren  können,  wenn  sie,  indem  sie  gute  Felder 
haben,  den  deutschen  Kleebau  mehr  einführten.  An  beiden 
Orten  herrscht  noch  die  Gewohnheit,  die  Felder  in  drei  Fluren 
einzutheilen,  doch  aber  fand  ich  mit  Vergnügen,  daß  man  schon 
einen  guten  Teil  der  Brache  mit  Rüben,  Kappes  u.  d.  g.  anbauet. 
Eingeführter  Kleebau,  mehrere  Einschränkung  der  Schäfereien, 
die  hier  ziemlich  beträgtlich  sind,  Freiheit,  seine  Felder  nach 
W'ohlgefallen  zu  benutzen,  würden  den  Wohlstand  dieser  Dörfer 
ungemein  erhöhen. 

Nackenheim  und  Bodenheim.  Die  Lage  und  der  Boden 
des  hiesigen  Landes  haben  dasselbe  theils  zum  Weinbau  theils 
zum  Fruchtbaue  geschickt  gemacht.  Mit  Bedauern  sah  ich  an 
dem  letzteren  Orte  eine  ungeheure  Strecke  sehr  guten  Landes 
zu  einem  elenden  Weidgange  bestinunt,  das,  wenn  es  theils  zum 
Fruchtbaue,  theils  zum  ordentlichen  Klee-  und  Wiesenbau  be- 
nutzt würde,  seinen  Ertrag  ungemein  vermehren  und  die  Ge- 
meinde in  Stand  setzen  würde,  ihren  Viehstand  ansehnlich  zu 
vermehren.  In  Nackenheim  sah  ich,  daß  man  sich  schon  mehr 
auf  Produktion  einiger  andern  Naturalien  gelegt  hatte,  die  ich 
an  den  oben  benannten  Orten  noch  sehr  vermißte,  a.  B.  Flachs, 
Lein,  Welschkorn;  auch  traf  ich  hier  schon  hier  und  da  sehr 
schönen  deutschen  Klee  an. 

Gräfenhausen  im  Darmstädtischen.^  Das  Land  von 
Mainz  bis  Groß  Gera  und  von  hier  nach  Gräfenhausen  besteht 
aus  feinem  Sande,  der  fast  durchgängig  gut  zubereitet  ist.  Ober- 
haupt herrscht  im  Darmstädtischen  unter  den  Landleuten  viel 
Industrie.     Man   kann   eigentlich    nicht   sagen,   was    das   Haupt- 


*^  Hechtsheim  liegt  eine  Stimde  von  Mainz. 

ö  Liber  Gräfenhausen,  Pfungstadt,  Gundcmhausen  und  Dieburg  vtrfL 
J.  A-  Demian,  Statistik  und  Topographie  des  Großherz.  Hessen,  182Ö, 
Teil  2;  sowie  G.  W.  J.  Wagner,  Statistisch-to[K)gr.-histor.  Beschreibung  des 
Großherz.  Hessen,  1829— 3i. 


Ausbildung  in  Kameralwissenscliatt.  195 

Produkt  des  Landes  ist.  Man  sieht  die  Felder  hier  mit  Roggen, 
Gerste,  Haber,  Welschkom,  Hirse,  Lein,  Hanf,  Mohn,  Kappes, 
Cartoflen  usw.  abwechslen.  Die  Landwirte  gewinnen  dadurch 
den  Vortheil,  sich,  wenn  ihnen  ein  oder  das  andre  Produkt 
nnisrathen  sollte,  an  den  andern  wieder  zu  erhohlen.  Hier  fand 
ich  fast  allenthalben  die  Methode  eingeführt,  deutschen  Klee 
unter  die  Sommerfrüchte  mit  auszusäen  und  nach  abgebrachtem 
Getreide  den  Klee  in  der  Brache  zu  benutzen.  Viele  ehemalige 
Weidgänge  fand  ich  hier  abgeschafft  und  auf  eine  einträglichere 
Art  tenutzt.  kurz,  ich  bemerkte  noch  manche  zurückgelassenen 
glückliche  Spuren  der  in  Darmstadt  1777  angeordneten,  1780 
aber  wieder  aufgehobenen  Landkommission. ^^ 

Das  herrschaftliche  Schloß  in  Grafen  hausen  dient  zu  einem 
Invaliden  Hauße  und  zur  Erziehung  der  armen  Soldaten- Waisen- 
kinder.** Den  Fond  dazu  macht  ein  sehr  ansehnliches  dazu  ge- 
höriges Gut  aus.  Mit  Vergnügen  sah  ich  hier,  wie  man  die  Kräfte 
der  Alten  sowohl  als  jene  der  Kinder  zum  Vortheile  des  Haußes 
und  zur  Erhaltung  der  Gesundheit  in  den  manichfaltigen  Ge- 
schäften der  Wirtschaft  zu  benutzen  suchte.  Da  dem  Guie  ein 
sehr  geschickter  Verwalter  vorgesetzt  ist,  so  fand  ich  hier  für 
meine  Wißbegierde  sehr  viele  Nahrung.  Der  Viehstand,  der  nicht 
aus  dem  Stalle  kömmt,  ist  sehr  groß,  ohne  daß  bei  dem  Hofe 
viele  natürliche  Wiesen  sind.  Man  mußte  also  die  Hauptstärke 
auf  den  Kleebau,  sowohl  den  deutschen  als  auch  den  ewigen, 
setzen;  und  wirklich  wird  derselbe  in  einem  Grade  von  Voll- 
kommenheit getrieben.  Die  Methode,  wie  man  hier  den  deutschen 
Klee  baut,  habe  ich  in  der  Beilage  sub  Lit.  A  beigefügt. 

Pfungstadt.  Der  hier  eingeführte  Krappbau  reizte  vorzüg- 
lich meine  Aufmerksamkeit.  Die  Art,  wie  er  an  diesem  Orte  ge- 
baut wird,  habe  ich  in  der  Beilage  sub  Lit.  B.  bemerkt.  So  ein- 
träglich der  Krappbau  ist,  so  gewiß  reicht  die  Art,  wie  man  hier 
zu  Werke  gehet,  den  meisten  Landleuten  zum  Verderben.  Es 
hat  sich  nämlich  eine  Gesellschaft  zusammengethan,  welche  durch 
baaren  Vorschuß  den  Krappbau  befördern  will.  Hieher  wendet 
sich  der  Landmann,  der  des  (ieldes  bedürftig  ist,  er  bietet  sich 
an,  einen  Morgen  Landes  mit  Krapp  zu  bepflanzen,  und  erhält 
dafür  zum  Voraus  30,  40  und  mehrere  Gulden.  Anstatt  nun  den 
Acker,  wie  es  der  nützliche  Krappbau  fodert,  tüchtig  zu  bearbeiten 
und  zu  düngen,  verfährt  er  in  beidem  ganz  nachlässig,  und  die 
Folge  davon  ist,  daß  zur  Zeit  des  Einsammelns  anstatt  etwas  zu 
gewinnen,  kaum  der  Landmann  seinen  Vorschuß  herausbringt. 
Von  hier  aus  reißte  ich  über  Darmstadt,  wo  ich  die  beiden 
englischen  Gärten  sah,  nach  Gunernhaußen. 

Herr  von  Rimpsch^^  besitzt  hier  eine  sehr  ansehnliche,  wohl 


*'^  Vergl.  über  sie  Fr.  Soldan,  Geschichte  des  Großherzogtums  Hessen, 
1896,  S.   176  ff. 

*i  Es  wurde  im  Jahre  1770  zu  diesem  Zwecke  angewiesen  und  dann 
seit   1810  als  Militärhospital  benutzt;  Wagner,  a.  a.  0.,  Bd.   1,  S.  87. 

^'  Unleserlich;  könnte  auch  Rimpach  gelesen  werden. 


18« 


196  Wilhelm  Stieda. 

eingerichtete  Wirtschaft.  Bei  dem  melkenden  Rindviehe  ist  be- 
ständige Stallfütterung  eingeführt.  Allein  mit  den  Ochsen  wird 
eine  andere  Methode  befolgt.  Da  zu  dem  Gute  ansehnliche  Wal- 
dungen gehören,  so  bleiben  dieselben  beständig  darinnen,  fressen 
sich  fett  und  werdoiii  alsdann  verkauft.  Ein  großer  Theil  der  ge- 
wonnenen Produkte  wird  in  der  bei  Hofe  befindlichen  Brauerei 
und  Brennerei  benutzt. 

Dieburg.  Die  merkwürdigsten  Gegenstände,  die  meine  Auf- 
merksamkeit auf  dem  Gute  des  Herrn  von  Großschlag  ^^  beschäf- 
tigten, waren:  1.  Ein  sehr  schöner  und  in  wohlgebauten  Ställen 
gut  unterhaltner  Viehstand.  2.  Der  Küchengarten.  Die  verschie- 
denen Gattungen,  Arten  und  Abarten  der  Gemäße,  die  man  in 
diesem  vortrefflichen  Garten  antrifft,  müssen  in  jedem  Oekonoiuen 
den  Wunsch  erregen,  daß  doch  verschiedene  derselben,  die  gewiß 
zum  Theil  weit  einträglicher  sind,  als  unsere  gewöhnlichen,  in 
unseren  Feldern  gemeiner  gemacht  würden.  3.  Das  ausländische 
Gehölze.  Man  findet  hier  auf  einem  kleinen  Platze  eine  große 
Manigfaltigkeit  desselben. 

Aschaffenburg.  Der  Oeconomiehof  Seiner  Kurfürstl. 
Gnaden.  13a 

Das  hier  aufgeführte  Oekonomiegebäude  ist  schön  dauerhaft, 
und  in  allem,  dem  Zwecke  der  Oekonomie  gemäß.  Die  darinn 
befindlichen  Ställe  sind  reinlich,  geräumig  und  zum  Füttern  und 
Melken  des  Rindviehes  sehr  bequem  eingerichtet.  Aus  demselbf^n 
sind  Rinnen  in  das  in  der  Mitte  des  Hofes  angebrachte  Dünger- 
magazin geleitet,  das  zugleich  mit  Cisternen  versehen  ist.  Der 
Viehstand  ist  sehr  ansehnlich  und  von  guter  Schweizerart.  Be- 
sonders aber  vergnügte  mich  die  Nachzucht,  darunter  ich  Stücke 
fand,  die  mir  vor  der  Mutterart  Vorzug  zu  haben  schienen.  Das 
Land,  welches  zu  dem  herrschafthchen  Gute  gehört,  besteht 
theils  aus  feinen  hitzigen  Sande,  theils  aus  etwas  gröberem  Kies- 
boden. Da  es  hier  an  genügsamen  natürlichen  Wiesen  fehlt,  so 
muß  auf  den  Kleebau  vorzüglich  Rücksicht  genommen  werden, 
den  ich  auch  bei  meinem  Hierseyn  sehr  gut  gerathen  fand.  Allein 
diese  Quelle  bleibt  bei  der  Beschaffenheit  dieses  Bodens  in 
trockenen  Jahren  für  itzt  noch  immer  äußerst  gefährlich.  Sorg- 
fältiger Bau  des  Erdreiches,  gute  und  tüchtige  Bedüngung  des- 
selben werden  in  wenigen  Jahren  das  ganze  Land  in  einen  so 
gesegneten  Mittelboden  umschaffen,  dem  man  fast  alle  Arten  von 
Früchten  mit  Vortheil  wird  zumuthen  können.  Auch  werden 
die  Obstbäume  (welche  man  in  einer  bei  dem  Oekonomiegebäude 

1"  Der  letzte  Freiherr  Carl  Friedrich  Wilibald  Gröschlag  von  Di^ 
purg  starb   1799.     Kneschke,  Allgein.   Deutsches  Adels-Lexikon,  4..S.  H 

13a  Dpi-  Ökonomiehof  Seiner  Kurf.  Gnaden  ist  der  heutige  Nilkheimer 
Hof  in  der  Gemeinde  Seider  bei  Aschaffenburg.  Vergl.  über  ihn  P.  A. 
Winkopps  topogr.-stat  Beschreibung  des  GroßheJzogtums  Frankfurt,  Weim. 
1812,  S.  344/345;  J.  W.  C.  Steiners  Gesch.  u.  Topographie  der  alten  Graf- 
schalt  und  Cent  Ostheim  u.  der  Stadt  Obernburg  a.  M.,  Aschaffenb.  1821, 
S.  294  ff.  Eine  Instruktion  für  den  Hofverwalter  vom  Jahre  1780  im  KfL 
Kreisarchiv  Würzburg.  Gefällige  Mitteilung  des  Herrn  Kreisarchivn^ 
Dr.  Göbl   in  Würzburg. 


Ausbildun)?  in  Kameral Wissenschaft.  197 

ir  weißlich  selbst  angelegten  Baumschule  erzieht),  in  gehöriger 
Inung  auf  den  Feldern  umhergepflanzt,  dem  Land  mehr  An- 
Xh  und  dem  Boden  mehr  Consistenz  geben.  Auch  der  hier 
'gerichtete  schöne  Bienenstand  wird  bei  dieser  Umfassung  un- 
nein  gewinnen. 

In  den  beiden  schönen  Gärten,  dem  Schönbusche  und  Schön- 
Je,  fand  ich  bei  dem  Vergnügen  auch  für  meine  Wißbegierde 
le  Nahrung.  Ich  studierte  die  Anlage  der  beiden  Gärten,  be- 
läftigte  mich  mit  den  darin  befindlichen  ausländischen  Hölzern 
1  besonders  mit  der  Manigfaltigkeit  der  im  Schönthale  an 
Inden  gezogenen  Obstarten. 

Emerichshofen.  Das  Landgut  Sr.  Excellenz  Herrn  Curators 
1  Bentzel." 

Man  muß  bei  dem  Anblicke,  dieses  herrlichen  Landgutes 
h  nur  einen  Augenblick  die  ehemalige  Sandwüste  denken,  um 
i  entzückende  Vergnügen  zu  fühlen,  gleichsam  eine  neue 
^öpfung  durch  Menschenhände  hervorgebracht  zu  sehen.  Der 
den  des  Landes  besteht  fast  durchgängig  aus  einem  leichten, 
zigen  Sande;  allein  durch  abwechselnde  Bedüngung  desselben 
t  Leim,  Asche  und  Viehdünger,  durch  seine  geschickte  Bear- 
tung  und  Bepflanzung,  sieht  man  ihm  bei  dem  ersten  Anblicke 
nen  eigentlichen  Ursprung  nicht  an.  Das  ganze  Land  ist  in 
lönen  Ordnungen  mit  Obstbäumen  bepflanzt,  die  für  das  Auge 
3n  so  vielen  Reiz  haben,  als  sie  dem  Boden  durch  Ertheilung 
{hrerer  Haltbarkeit  nützen.  Die  zu  dem  Gute  gehörigen  Wiesen 
d  mit  italienischen  Pappeln  umpflanzt  und  bestehen  aus  einem 
rf gründe,  den  man  aber  durch  geschickte  Leitung  der  Canäle, 
rch  Oberdeckung  mit  anderer  Erde  usw.  gezwungen  hat,  das 
lönste  und  gesundeste  Gras  zu  geben.  Allenthalben  sieht  man 
j  Natur  durch  Einsicht  und  Industrie  zum  Vortheile  ihres  Be- 
eers  umgewandelt.  Das  herrschaftliche  Gebäude,  das  an  der 
len  Seite  an  einen  schönen  Garten  stößt,  der  mit  einem  Teich 
iflossen  ist,  ist  dauerhaft  wirtschaftlich  bequem  und  fällt  herr- 
h  ins  Auge,  ohne  verschwenderisch  prächtig  zu  seyn.  Die 
rigen  Wirtschaftsgebäude,  die  Scheunen,  Ställe,  die  Brennerei, 
3  Brauhauß  stehen  in  der  schönsten  Symetrie;  alles,  was  bei 
r  Wirtschaft  dem  Auge  eckelhaft  seyn  könnte,  hat  man  sehr 
schickt  zu  verl)ergen  gewußt,   und  doch   wird  man,  alle  diese 

*♦  Heute  die  zur  Gcmeirnle  Kahl  a.  Main  gehörige  Einöde  mit  Schloß 
:  drei  Wohngebäuden.  Bis  1767  befand  sich  an  dieser  Stelle  das  dem 
inzischen  Staate  gehörige  „Kahler  Reisig",  einst  Wald,  damals  unfrucht- 
•e  Heide,  etwa  2500  Morgen.  Der  Kurfürst  Emmerich  Josef,  nach  dem 
Ort  Emmcrichhofen  genannt  wurde,  überließ  am  17.  März  1768  das 
Tain  in  Erbbestand  an  die  drei  ,,Kntreprenneurs'* :  den  Geheimen  Hofrat 
mz  Anselm  Freiherm  von  Henz(?l,  den  Hofrat  Philipp  Karl  von  Dael 
i  den  Hofkammerrat  Johann  Heinrich  Linden  zum  Zwecke  der  Urbar- 
rhtmg.  In  den  nächsten  Jahren  wurde  die  Kultivierung  durchgeführt 
1  drei  Höfe  gegründet.  Der  Besitz  Benzeis  war  stark  überschuldet  und 
Ite  im  Jahre  1792  gerichtlich  versteigert  werden.  Nach  einem  kur- 
inzischen  Hofkammerakt  im  Kgl.  Kreisarchiv  Würzburg.  Gefällige  Mit- 
ung  des  Herni   Kreisarchivrats   Dr.   Göbl  in  Würzhurg. 


1 


198  WUhelm  Stieda. 

Gebäulichkeiten  nach  den  strengsten  Regeln  der  Oekonomie  be- 
urtheilt,  nicht  sagen  können,  daß  ein  einziges  bequemer  und  näU- 
licher  hätte  angebracht  werden  können.  Das  Rindvieh  ist  hier 
nicht  von  großer  Schweizer  Art,  sondern  von  einem  sehr  ein- 
träglichen Mittelschlage.  Allenthalben  fand  ich  Gegenstände,  die 
meine  Aufmerksamkeit  reizten  und  meine  Wißbegierde  befriedigten, 
und  ich  kann  dieses  Landgut  als  eine  praktische  Schule  der 
Landwirtschaft  ansehen. 

Nassau.  Unsere  großes ten  Cameralisten,  worunter  ich  Herni 
von  Pfeifer  in  seinem  Lehrb.  2.  B.,  1.  Th.,  §  268,  nur  anführen 
will,  haben  es  schon  lange  als  ein  Hauptmittel  zur  Verbesserung 
und  Aufnahme  der  Landwirtschaft  angesehen,  die  zerstreuten 
Güter  der  Unterthanen  zusammenzulegen  und  ihnen  ihre  Grund- 
stücke in  großen  Strecken  beisammen  zuzumessen.  Mit  diesem 
wichtigen  Geschäfte  hat  man  im  vorigen  Jalire  zu  Frikhofen^** 
im  Nassau-Dillenburgischen  den  Anfang  gemacht.  Ich  begab  mich 
hierher,  um  den  ganzen  Gang  ihres  Verfahrens  einsehen  und  die 
Mittel  kemien  zu  lernen,  wodurch  sie  die  Unterth^en  zu  diesem 
Unternehmen  bewegten.  Ich  hatte  das  Glück,  an  den  Herrn 
Comissarien  sehr  gefällige  Männer  zu  finden. 

Wendelsheim   im   Pfälzischen.^* 

Hier  hatte  ich  Gelegenheit,  mit  einem  sehr  geschickten  Oeko- 
nomen  bekannt  zu  werden,  Herrn  Krämer,  der  sich  schon  als 
Schriftsteller  in  diesem  Fache  gezeigt  hat.^*  Er  verwaltete  die 
Güter  des  Prinzen  von  Salm  Kirburg^^,  und  ich  fand  auf  den- 
selben Einrichtungen,  die  für  mich  in  vielen  Absichten  sehr  lehr- 
reich waren.  In  Begleitung  dieses  Mannes  setzte  ich  meine 
Reiße  nach  Kirchenpolandi^  fort,  wo  ich  den  dasigen  englischen 
Garten  sah.  Von  hier  aus  kamen  wir  nach  Kayserslautern. 
dem  ehemaligen  Sitze  der  Pfälzischen  Cameral  hohen  Schule.*^ 
Ich  besah  hierauf  in  dem  Umkreise  von  3  bis  4  Stunden  einige 
Landgüter,  die  mir  vorzüglich  waren  gerühmt  worden.  Den 
Schellenberg,  einen  ehemaligen  schlechten  Weidegang  von 
mehr  als  1000  Morgen,  sah  ich  in  schönes  Landgut  umgewandelt 
Auf  der  Reichenbach,  einem  ansehnlichen  Gute,  fand  ich 
herrliche  Felder.  Zu  Sichelbach,  wo  die  hohe  Cameralschule 
ein  Gut  angekauft  hatte  2®,  war  ich  Augenzeuge  von  der  Pro- 
stitution, die  sie  sich  in  der  ganzen  Gegend  gemacht  haben.    Schon 

14a  Frickhofen,  Pfarrdorf  im  preuß.  Regbzk.  Wiesbaden. 

1^  Rheinhessisches  Pfarrdorf.     Brilmayer,  a,  a.  0. 

i<*  Vielleicht  ist  Job.  Jak.  Krämer  gemeint,  der  im  Jahre  1782  „Be- 
trachtungen über  die  oekonomischen  Bemühungen  des  18.  Jahrhunderts" 
veröffentlicht  hat. 

1^  Friedr.  Joh.  Otto  Franz  Christian  Philipp,  Fürst  von  Salm-Kyrbarg 
seit  1779;  geb.   1745.     Krebel,  Europ.  genealogisches  Handb.  für  1784. 

18  Kirchheim-Bolanden,   Stadt  in  der   bayerischen  Pfalz. 
I     1*  Über  die  Hohe  Kameralschule  in  Lautem,  Stieda,  a.  a.  0..,  S.  109 
bis  119. 

^^  Über  das  Landgut  am  Siegelbach,  das  die  Hohe  Kameralschule 
als  Mustergut  bewirtschaften  heß,  vergl.  C.  Fraas,  Geschichte  der  Landbao- 
und  Forstwissenschaft,   1865,  S.  116;  Stieda,  a.  a.  0.,  S.  110. 


Ausbildung  in  Kameral wissenschalt.  J99 

r  3.  Pächter  war  kurz  vor  meiner  Ankunft  durchgegangen  und 
i  Früchte  wurden  auf  dem  Felde  versteigert.  Das  einzige 
^nument,  das  man  noch  davon  hier  antrifft,  ist  ein  prächtig 
>aater  Viehstall. 

Rheingau.  Meine  Hauptabsicht  bei  dieser  Reise  war,  die 
"schiedenen  Laagen,  Erdarten  und  die  Art  und  Weise  den 
»instock  zu  behandeln  genau  kennen  zu  lernen. 

Im  Vertrauen  auf  die  gnädige  Nachsicht  Euer  Excellenz 
terwerfe  ich  diese  meine  Berichterstattung  hohen  Einsichten. 

Euer  Excellenz  unterthänig  gehorsamster 

Schleenstein. 


Beilage  Lit.  A. 

Methode  den  Deutschen  Klee  mit  den  Sommerfrüchten 

zu  bauen. 

Man  säet  in  ein  gut  zubereitetes  und  wohlgedüngtes  Feld 
t  der  Gerste  z.  B.  den  deutschen  Kleesamen  aus  und  läßt 
[des  mit  einander  aufwachsen.  Nun  zur  Aerntezeit  wird  die 
rste  abgebracht,  und  wenn  das  Wetter  ein  wenig  günstig  ist, 

hat  man  sich  in  diesem  Jahre  noch  einer  Kleeärnte  zu  er- 
;uen.  Den  Winter  über  bleibt  das  Kleestück  mit  Mist  bedeckt, 
r  das  folgende  Frühjahr  wieder  abgezogen  wird.  Ist  nun  im 
ühlinge  kein  Frost  mehr  zu  befürchten,  so  wird  Gyps  auf  den 
ee  gestreut,  imd  die  Pflanzen  werden  dadurch  stärker  aus  dem 
Kien  getrieben.    Bedient  man  sich  aber  dieses  Mittels  zu  frühe, 

setzt  man  sich  der  Gefahr  aus,  bei  einstellenden  Frost  seinen 
ee  zu  verlieren.  Nun  wird  der  Klee  den  Sommer  über  3  biß 
tial  benutzt.  Gegen  den  Herbst  wird  das  Feld  in  groben  Stücken 
T  einmal  umgestoßen,  und  ohne  neuen  Dünger  zu  geben,  Roggen 
f  den  Acker  ausgesäet.  Die  Kleeschollen  faulen  den  W^inter 
er,  legen  sich  zusammen  und  düngen  den  Boden.  Wenn  nun 
3  Roggenämte  eingethan  ist,  so  wird  der  Acker  durch  Pflügen 
id  Eggen  tüchtig  zerrissen  und  gut  gedüngt.  Nun  fängt  man 
eder  von  vorne  an,  säet  z.  B.  Gerste  mit  Kleesamcn  aus  und 
rfährt  auf  die  oben   beschriebene   Weise.^i 


Beilage  Lit.  B. 

Wie  der  Krappbau  in  den  Gegenden  dos  Rheinstroms 

behandelt  wird. 

1.  Werden  zu  einem  Morgen  guten  Landes  a  160  Ruthen 
a  16  Rheinland.  Schuhe  16  vierspännige  Wagen  Dung 
erfordert. 


*i  Ober  die  Verbreitung  des  Kleebaues  in  Üeiitschlaiid  s.  C.  Fraas, 
schichte  der  Landbau-  und  Forstwissenschaft,  1865,  S.  215,  219.  In 
•  Pfalz  beginnt  der  Kleebau  sich  wesentlich  in  dem  Jahrzehnt  1760 — 1770 
szubreiten;  am  Rhein  soll  er  durch  einen  Schüler  Schubarts  einge- 
irt  sein. 


200  Willielm  Stieda. 

2.  wird  der  Dung  2  Schippen  tief  untergraben  und  wenn 
dieses  geschehen  ist,  zu  Anfang  des  Mayen,  bei  einer 
feuchten  Witterung  die  Pflanzen  gesetzt. 

3.  Auf  den  Morgen  werden  12000  Stücke  Pflanzen  gerechnet. 

4.  Wird  der  Acker  in  Beele  abget heilt,  deren  jedes  10  biß 
12  Schuhe  breit,  und  zwischen  2  allemal  ein  Zwischenraum 
von  2  Schuhe  gelassen  wird,  welchen  man  im  ersten  Jahr^ 
zu  Kraut,  z.  B.  Kohlrabi,  benutzt.  In  folgenden  Frühjahre 
wird  dieser  Zwischenraum  ausgehoben,  und  auf  die  Beete 
vertheilt. 

5.  Diese  Beete  werden  in  kleine  Furchen  abgetheilt,  da- 
rinnen die  Krapp  Setzlinge  5  biß  6  Zoll  von  einander 
gelegt,  mit  Erde  die  Wurzel  bedeckt  und  mit  dem  Fuße 
zugetreten.  In  diesem  Zustande  werden  sie  gelassen  bis 
in  den  folgenden  Herbst,  da  dann  der  Acker  unigerodet 
und  der  Krapp  ausgemacht  wird.  Inzwischen  aber  muß 
der  Acker  etlichemal  von  Unkraut  gesäubert  werden.  Vor 
dem  Ausmachen  wird  das  Krappkraut  abgemähet,  gedörrt, 
und  den  Winter  über  mit  den   Ochsen   verfüttert. 

Anmerkung. 

Wenn  der  Acker  also  gut  zubereitet  ist,  so  kann  er  bei 
einem  Mittelertrage  80  Zentner  grüne  Wurzeln  liefern,  die  a  2  11. 
pro  Pfund  von  dem  Acker  verkauft  werden,  ohne  was  vorher 
aus  Pflanzen  gelöst   werden   kann. 


oo 


4.  (Spoors)  kurzer  Bericht  über  eine  kleine  technologische 

Reiße. 

Gnoßh.   Hess.  Haus-  u.   Staatsarchiv  Darmstadt,  Akten  betr.  die  Kameial- 

fakultät  zu  Mainz,  S.  29—33. 

Bevor  ich,  nach  der  mir  gnädig  ertheilten  Instruction,  die 
kleine  technologische  Reiße  unternahm,  so  machte  ich  mich  mit?er- 
schiedenen  Handwerkern  in  hiesiger  Stadt  bekannt,  um  mir  da- 
durch Lust  und  Fähigkeit  zu  erwerben,  den  Zustand  derselbeiv 
auch    hei    Ausländem    zu    untersuchen,    und    ihre   Vortheile  unt^ 
neue  Erfindungen  zu  bemerken. 

Mit  dieser  j)raktisrhen  Vorbereitung  ausgerüstet,  die  nii^ 
meine,  auswärts  gemachte,  Bemerkungen  gar  vorzüglich  erleich.- 
terte,  träte  ich  d.   16 ^^n  Sept.  meine  Reiße  an. 

Mein  erster  Aufenthalt  war  in  Frankfurt  während  der  Messe*- 
Ich    Schafte    mir   allda    das,    bei    Anfang    derselben   erschienen^ 
Meßschema    an,    und    l)emerkte    mir    die,    darinn    genante,   aus- 
wärtige  Fabricantcn  und   Kaufleuthe. 


o.> 


rbor  Krapp  oder  Färberrötlio  s.  Vom  Anbau  und  Coramerc€  des 
Krapps  in  Deutschland,  Leipzig:  1770,  S";  Krünitz,  Enzyklopädie,  Bd.  12tJ. 
S.  213  IT.,  und  J.  Heckniann,  Gesch.  d.  Krfindungen,  Bd.  4,  S.  41ff.  Df^ 
Krapp  wurde  im  18.  .laliriiundert  wesentMch  in  Breslau  und  im  Elsaß  in 
der  Gegend   von   Hajienau   und   Hischweiler  jrebaut. 


Ausbildung  in  Kameralwissenschaft.  201 

Nachdem  ich  mir  ihre  Bekanntschaften  durch  mancherlei 
eege  zu  machen  suchte,  bat  ich  sie  um  die  Erlaubniße,  ihre 
twöll>er  zu  besuchen,  wozu  sich  Einige  desto  bereitwilliger 
igten,  je  gewisser  ich  mich  als  einen  Commissionair  hinstellte, 
r  vielleicht  noch  mancherlei  Geschäften  mit  Ihnen  zu  machen 
degenheit   haben   würde. 

Auf  solche  Weiße  lernte  ich  die  Art  der  Waaren,  ihre  Mannig- 
tigkeit,   ihre  Güte   und   Preiße   kennen. 

Auch  war  es  mir  hier  schon  eine  vorzügliche  Gelegenheit, 
ch  mit  den  Fabricanten  über  die  Verfertigung  der  Waaren 
Ibsten  in  nahe  Unterredung  einzulassen;  wodurch  aber  meine 
ssenschaftliche  Neugierde  nicht  befriedigt  wurde,  weil  ich  nicht 
Ort  und  Stelle  wäre,  wo  ich  die  ganze  Verfahrungsart  mit- 
sehen konte,  wie  aus  Naturproducten  Kunstproducte  werden. 
1  begäbe  mich  daher,  nach  weiterer  Anweisung  meiner  In- 
Tiction  am  Ende  der  Frankfurter  Messe  nach  Ofenbach,  das 
t   Recht  ein  Mänufacturstädtgen  genannt  zu  werden  verdient. 

Hier  hatte  ich  die  erwünschteste  Gelegenheit,  die  Arbeiten, 
d  Verfertigung  der  Bijouterie  waaren,  des  Plüsch,  und  Cafa, 
r  Wollenfärberei,  der  Wachslichter,  Waagbalken,  usw.  in  ge- 
riger Ordnung  zu  sehen;  wodurch  ich  in  den  Stand  gesetzet 
irde,  vermittelst  meiner  Kenntnisse  aus  der  Naturgeschichte, 
lisik,  Mechanik,  und  Chimie  die  Grünflo  der  verschiedenen 
beiten,  und  ihre  Folgen  leicht  zu  begreifen,  und  einzusehen. 

Ich  bemühete  mich  sodann  die  Kunstsprache  der  Arbeiter 
i  verstehen,  fände  aber  hierbei,  wie  unangenehm  es  seye,  daß 
nerlei  Werkzeuge  und  Arbeiten,  bei  verschieden(»n  Handwerkern, 
inz  verschiedene  Benennungen  haben;  welche  man,  wenn  gleich- 
wohl die  technologische  Terminologie  philosophisch,  oder  siste- 
utisch  bearbeitet  werde,  sich  dennoch  immer  eigen  macheu 
luß.  so  lange  wir  von  den  Handwerkern  und  sie  von  uns  ver- 
^^nden  werden  sollen;  sogut  als  man  die  Provinzialnahmen 
5r  Pflanzen  wissen  muß,  wenn  man  die  Botanik  gemeinnützlich 
achen  will. 

Die  rohe  Materalien,  und  Nebenmateriaiion.  die  Verschieden- 
st in  Werkzeugen,  und  Geräthschaften,  die  entweder  neue  Er- 
idungen,  oder  noch  nicht  allgemein  bekannt  sind,  suchte  ich 
-ht  allein  kennen  zu  lernen,  sondern  auch  letztere  durch  Zeich- 
'Hgen  meinem  Gedächtnisse  aufzubewahren. 

Ich  wurde  in  den  Werkstellen  von  dein  Grundsatz  voU- 
'tuiien  überzeugt,  daß  die  Geschicklichkeit  der  Handwerker, 
»^^i  die  Künstlichkeit  der  Werkzeuge  meistens  in  verkehrter 
'i'hältniß  stehen,  daß  je  künstlicher  die  Werkzeuge,  desto  ein- 
ftiger  die  Arbeiter  seyen,  usw.  -  -  Ich  bemerkte  aber  zugleich, 
i«  schwer  es  falle,  von  den  Arbeitern  etwas  abzusehen,  und 
i  erfragen,  die  meistens  nicht  gewohnt  sind,  über  ihre  Be- 
•häftigungen  nachzudenken,  noch  weniger  Lust  und  Fähigkeit 
iben,  sie  zu  erklären;  die  ungedultig  über  den  unwissenden 
f^mbden  werden,  der  sie  mit  Fragen  und  Einwürfen  aufhält, 
id  die  aus  Einfalt  eben  dasjenige,  als  eine  seltene  Kunst,  und 


202  Wilhelm  Stieda. 

als  ein  unerforschliches  Geheimniß    verheelen,  wonach  sich  der 
Gelehrte  sorgfältig  erkundigt. 

Von  Ofenbach  setzte  ich  meine  Reiße  nach  Seeligenstadt 
fort.  In  diesen  Landstädtgen  wohnen  ohngefähr  40  Wollen- 
weber **,  von  welchen  aber  nur  18  oder  20  auf  ihre  Rechnung 
arbeiten.  Sie  verfertigen  aus  Landwolle  ^1^  breite  geringe  Tücher, 
liefern  solche  theils  an  das  hiesige  Militär,  theils  verkaufen,  und 
schneiden  sie  selbige  in  den  benachbarten  Gegenden  auf  den 
Märkten  aus,  und  schmeicheln  sich  aus  dergleichen  Tücher  einen 
beträchtlichen  Gewinn  zu  ziehen;  wenn  nur  der  Absatz  davon 
durch  die  Menge  sehr  schmaler  und  schlechter  Tücher,  welche 
die  Pfälzische  und  Gräfl.  Erbachische  Weber  im  Mainzer  Lande 
um  einen  geringen  Preiß  verkaufen,  nicht  alzusehr  geschwächet 
werde;  da  doch  derselben  Herrschaften  den  Seeligenstädter  nicht 
erlaubten,  auf  den  Märkten  in  ihren  Landen,  mit  Tücher,  die. 
doch  weit  besser  seyen,  feil  zu  halten.  Ja  sogar  bestellten  die, 
in  Seeligenstadt,  und  in  der  Nähe  wohnenden  Juden  bei  den 
auswärtigen  Weber  dergleichen  schlechte  Tücher,  und  gingen 
mit  denselben  allda  haußiren. 

Es  ist  nicht  zu  läugnen,  daß  die  Seeligenstädter  Tücher  nach 
ihrer  Art  gut  ge webet  seyen;  nur  fehlet  es  ihnen,  meiner  Ein- 
sicht nach,  an  Kenntnisse    und  Muth,  die  Wolle  gehörig  zu  sor- 
tiren,  und  daraus   mehrere,   der  Feinheit  und  Breite  nach  ver- 
schiedene, Tücher  zu  machen,  da  es  doch  allemal,  sowohl  für 
den    Tuchmanufacturisten,    als    für    den    einzelnen,    sich    selbst 
verlegenden,  Weber  keine  vortheilhafte  Einrichtung  ist,   nur  ge- 
ringe, grobe  Sorten  von  Tücher  zu  verfertigen.    Die  hohe  Direction 
der  Handwerker  würde  also  sehr  reiflich  handeln,  die  Seeligen- 
städter Weber  anzuweisen,   auf  welche   Sorten   von   Tücher  sie 
ihre  Industrie  verwenden  sollen,   damit  daraus   sowohl   für  sie, 
als  das  Land   der  bestmöglichste  Vortheil   gezogen   werde:  und 
dann  wird  das  erste  seyn,  denselben  in  genauer    und  richtiger 
Sortirung  der  Wolle,  geschulten  und  faßlichen  Unterricht  zu  geben. 

Ich  behalte  mir  vor,  sobald  mein  Lehramt  mir  einige  Zeil 
übrig  last,  und  ich  die  Seeligenstädter  Webereien  noch  einmal 
besuchet  habe,  einen  vollständigen  Plan  zu  entwerfen,  wie  den- 
selben auf  die  leichteste  Art  aufzuhelfen  seye. 

Vor  der  Hand  aber  ginge  mein  dermaliges  Gutachten  dahin, 
die  Pfälzer  und  Gräfl.  Erbachischen  Weber  von  dem  Verkauf 
ihrer  Tücher  auf  den  Märkten  im  Mainzer  Lande  aufzuschließen  ; 
weil  1.  derselben  Herrschaften  den  Anfang  gemacht  haben,  eit^ 
gleiches  gegen  unsere  Weber  zu  verordnen;  weil  2.  dieser  ans- 
wärtigen  Tücher  weit  schlechter  sind,  und  unsere  Unterthanea^ 
durch  den  Anschein  eines  wohlfeileren  Preises,  ohnbemerkt  be- 
trogen  werden.  —  Sodann  solle  man  eben  den  in  Seeligenstadt 
wohnenden  Juden,  den  Verkauf  der  Pfälzischen  und  Erbachischen 
Landtücher  untersagen.  Durch  diese  gegründete  Verbothe  werden 
wenigstens  unsere  Seeligenstädter  Webereien  vor  dem  gänzlichen 

^•''  Im  Jahre  1825  hatte  Seligonstadt  noch  22  Tuchmacher  aufzuweisen 
Demiaii,  a.  a.  0.,  2,  S.  83. 


Ausbildung  in  Kaineralwissenschaft.  203 

ill  gesichert,  welcher  ihnen  nicht  ausbleiben  kann,  sobald 
licht  einen  ungestörten  Absatz,  auf  dermalen  und  mit  ge- 
n  Tücher,  erhalten. 

Der  letzte  Ort,  den  ich  auf  meiner  Reiße  besuchte,  wäre 
kenthal,  wo  ich  wieder  verschiedene  Manufacturen,  und 
Iken  angetroffen,  die  in  Ofenbach  nicht  etabliret  sind,  als 
3nzeug-  und  Tuchmanufactur,  Porcellanfabrik,  und  andere, 
»rauchte  hier  die  nemliche  Art,  meine  praktische  Kenntnisse 
ermehren,  die  in  Ofenbach  mir  so  mancherlei  Nutzen  ge- 
te,  und  hatte  auch  das  Glück,  in  diesen  Manufacturstädtgen 
hes,  sowohl  in  der  Zubereitung  der  Materialien,  als  der- 
n  Verarbeitung,  zu  erfahren,  das  meine  Erwartung  übertraf. 
Ich  schließe  meinen,  in  die  Kürze  gezogenen  Bericht  mit 
»der  Anmerkung,  daß  ich  schon  auf  dieser  praktischen 
3n  Reiße  recht  lebhaft  empfände,  was  D'Alembert  von  den 
ten  und  Handwerken  sagt:  „Es  lohnt  sich  sehr  wohl  der 
I,  daß  man  sie  kennen  lerne,  die  Künste  und  Handwerke;  es 
mtweder  wegen  der  Vortheile,  die  man  daraus  zieht,  oder 
n  der  Ehre,  die  sie  dem  menschlichen  Geiste  machen.  In 
lern  Sisleme  der  Phisik,  und  Metaphisik,  bemerkt  man  mehr 
iungsgeist,  mehr  Weisheit,  mehr  Harmonie,  als  in  den  Ma- 
en  des  Strumpfwirkers,  des  Tressenmachers,  des  Posamen- 
des  Tuchmachers  oder  des  Seidenarbeiters?"  Ein  Urteil, 
^anz  eines  D*Alemberts  würdig  ist! 

Unterthänig  gehorsamster 
F.  C.  Spoor. 

(Reisebericht  der  Herren  Spoor  und  Schleenstein.) 

1.  Hess.  Haus-  u.  Staatsarchiv  Darmstadt,  Akten  betr.  die  Kameral- 

lakultät  zu  Mainz,  S.  91—94. 

Halle  d.  1^^^  May  1784. 
Hochwohlgebohrener  Reichsfreiherr. 
Gnädiger  Herr  Curator! 

Eine  fehlgeschlagene  Gelegenheit,  mit  welcher  wir  schon 
ll^°  April  unsere  Reiße  anzufangen  dachten,  machte,  daß 
dieselbe  zuerst  den  folgenden  Tag  antratten.  —  Wir  be- 
rten,  daß  wir  auf  dem  Kurfürstlichen  Oeconomiehof  bei 
laffenburg  H.  Inspector  Weßeli  nicht  antreffen  konnten.  Wir 
ten  aber,  soviel  es  möglich  wäre,  uns  um  die  ganze  Anlage 
Einrichtung  zu  erkundigen.  —  In  Würzburg  waren  wir  so 
dich,  an  H.  Hofkammerrath  Stoll  einen  Mann  zu  finden, 
m  Gefälligkeit,  und  Einsichten  in  die  Landwirtschaft  uns 
t  Bekanntschaft  eben  so  angenehm,  als  lehrreich  machte, 
atte  die  Güte,  uns  selbst  auf  den  Fürstlichen  Oeconomiehof, 
er  vorgesetzet  ist  zu  begleiten,  und  alles  was  diese  ganze 
ilt  betrifft,  zu  erklären.  Die  vornehmste  Gegenstände  un- 
Aufmerksamkeit  waren  diesemnechst  das  berühmte  Juhus- 


204  Wilhelm  Slieda. 

hospital-*,   nebst  der   dabei    befindlichen   Botanik *^    Anatomie-^ 
und    chiniischen    Laboratorium,    die    Universitätsbibliothek,    die 
Wollenspinnerei,  und  Manufactur  im  Zuchthauße.^^    Wir  reisten 
von  hier  über  Fürt  nach  Nürnberg;  hier  begegnete  uns  das  Un- 
angenehme,   daß   diejenigen    Personen,    an    welche    verschiedene 
gute  Freunde  uns  Addressen  mitgegeben,  abgereist  waren.    Wir 
fanden  in  Rücksicht  der  Manufacturen,  die  bekannte  Rohgießereien 
ausgenommen,   beinahe  alles   wieder,   was   wir   in   Fürt   gesehen 
haben.  =*«     Auf  der   Hatsbibliothek   hatten   wir  das   unverrauthete 
Vergnügen  den  Verfasser  der  entdeckten  Geheimnissen  der  Land- 
und   Haußwirtschaft^ö,   H.    Baumann,    Ordensgeistlichen    aus  der 
Abtei  Eberbach,  kennen  zu  lernen.    Er  bezeigte  ungemeine  Freude, 
als  er  die  Absicht  unsrer  Reiße  erführe,  bot  uns  seine  Freund- 
schaft und  Briefwechsel  an,  und  machte  uns  sogleich  wegen  ver- 
schiedenen ausländischen  Sämereien  einige  Aufträge.     Er  ginge 
auf   Würzburg,    wo    er,    wie    wir    zu    vermuthen    viele    Ursache 
haben,  sich  um  eine  Professur  der  Oeconomie  bewerben  wird.  — 
Wir  werden  uns  immer  mit  dem  lebhaftesten  Vergnügen  an 
unsere  Aufnahme  bei  den  H.  Professoren  zu  Erlangen  erinnern, 
ihre  (jefälligkeit,  Freundschaft,  und  Verbindlichkeit  gegen  Fremde 
last  nichts  zu  wünschen  übrig.    H.  Hofrath  Schröber,  an  welchen 
wir  von  H.  Geh.  Rath  von  Pfeifer  eine  Addresse  hatten,  war  uns 
als  ein   Mann    beschrieben   worden,    bei   dem    wir  das    Gefällige 
im    Umgang    nicht    suchen    dürften.      Würklich    schien    uns   sein 
Äußeres  nicht  günstig;  er  ist  schüchtern,  spricht  sehr  ängstlich, 
und   zurückhaltend.     Um    so    auffallender    wäre   es    uns,   da  er 
mit  ungemeiner  Gefälligkeit  uns  selbst  in  den  hiesigen  botanischen 
Garten   führte,    in    dem   Universitäts-    so    wie   in    seinem   Privat 
Naturalienkabinett   mit  unverdroßener  Mühe   uns   alles   vorzeigte 
und  erklärte,  und  uns  empfal,  bei  unserer  Rückkunft  nach  Mainz 
ihm  Nachricht  zu  geben,  auch  bei  jeder  Gelegenheit,  wo  er  uns 
eine  Gefälligkeit  erweisen  könte,  ihm  zuzuschreiben.     Auf  unsre 
Bitte,  uns  mit  einer  Addresse  nach  Leipzig  zu  versehen,  war  er 
sehr   willig,   und    überreichte   uns  ein   Empfehlungsschreiben  an 
H.   Professor  Leske.     Bei   H.   Hofrath   Suckov,  einem   bejahrtea. 
gutherzigen  Mann,  der  uns  eine  Empfehlung  an  seinen  H.  Bruder 
zu  Jena  mitgab,  sahen  wir  die  phisicalische  Instrumenten.    Herr 
Hofrath  Meißel,  der  uns  sehr  freundlich  aufnähme,  besuchten  wir 
verschiedenmalen,   und    wohnten   einer   seiner   Vorlesungen  bei- 
H.   Hofrath   Delius,   Vorsteher  des   hiesigen   klinischen    Instituts, 

-*  Vorgl.  Lutz,  Rückblick  auf  die  Entstehung  und  Entwicklung  des 
Juiiusspitals,   Würzhurg  1876. 

^''  Vcrgl.  Lutz,  a.  a.  0.,  S.  33,  83. 

'^^_  Vergl.   Lutz,  a.  a.  0.,  S.  33,  81,  82. 

-"  Das  Zuchthaus  wurde  im  Jahre  1695  eröffnet  und  in  ihm  ei«^ 
Tuchfabrik  zur  Beschäftigung  der  Sträflinge  errichtet;  eine  Verbessernnf 
nahm  im  Jahre  1732  der  Fürst hischof  Friedrich  Karl  von  Schönbom  vor. 
Archiv  des  historischen  Vereins  von  l'nterfranken  und  Aschaffenburf. 
bd.   47  (1905),  S.   49.  Anm.  2. 

-^  Die    gleiche    Bemerkung    bei    Meermann,    Reise,    Teil    2,   S.  271 

29  Wien   1783. 


Ausbildung  in  Kamei'alvvissenschatt.  ii)b 

ein  großer  Chimist,  verlangten   wir  zu  sprechen;  allein  er  war 
krank  und  lag  zu  Bette. 

H.  Hofrath  Heberlin,  an  welchen  wir  von  H.  Hofrath  Hart- 
leben ^o  eine  Empfehlung  zu  machen  hatten,  begleitete  selbst  uns 
in  die  Universitätsbibliothek,  und  von  da  nach  denen  daselbst 
befindlichen  Manufacturen.'   Den  Abend  vor  unsrer  Abreiße  führte 
er  uns   noch   in  eine  Gesellschaft,   die  sich   wöchentlich  einmal 
versammelt,  und  worinnen  wir  noch  andere  H.  Professoren,  und 
Justitzräthe  kennen  lernten.    Der  Inhalt  ihrer  meisten  Gesprächen 
mit  uns  beträfe  die  verbesserte  Universität  zu  Mainz :  daß  ihre 
Lobeserhebungen   unverstellt    waren,    zeigten    ihre    Mienen,    aus 
denen  oft  ziemlich  deutlich  Beneidung  hervorblickte.    Wir  würden 
uns  mit  Vergnügen  auf  dieser  Universität  noch  lange  aufgehalten 
haben,  wenn  w^ir  Gelegenheit  gehabt  hätten,  ein  in  uns^r  Fach 
schlagendes    Collegium   zu    besuchen.      Es    waren    zwar   in   der 
Lectionstafel  verschiedene  angezeigt,  wovon  aber  keines  zu  Stande 
gekommen  war.  In  Rücksicht  der  Polizei  und  Oeconomie  der  Stu- 
dierenden erhielten  wir  verschiedene  hierüber  herausgekommene 
Vei Ordnungen.  —  H.  Hofrath  Schroeber  hatte  uns  an  H.  Kammer- 
legistrator  Wunder  in  Baireit  eine  Emphelung  mitgegeben;  dieser 
zeigte  uns  das  dortige  ansehnliche  Naturalienkabinett.     In  dem 
sogenannten  Brandenburger  Zuchthauße,  nicht  weit  von  der  Stadt, 
sahen  wir  die  berühmte  Marmorschneiderei  und  Schleiferei :  Wir 
erhielten   die   Verzeichnisse    sowohl   der   verschiedenen   Marmor 
Sorten,  als  der  Preiße  der  gefertigten   Waaren.    —    In   Hof,   wo 
?ehr  viele  Baumwolle   gesponnen,   und   zu   Schnupftüchern   ver- 
arbeitet wird,  besuchten   wir  einige   Webstühle.   —   In   I^i|)zig, 
wo  wir  uns  eine  Zeitlang  aufzuhalten   gesonnen   waaren,   gaben 
wir  unser  Emphelungsschreiben  an  H.  Professor  Leske  ab,  von 
^eni  wir  auch  sehr  freundschaftlich  aufgenommen  wurden.   Allein 
wir  fanden  ihn  we^en  der  Messe  mit  so  vielen  Geschäften  über- 
lauft, überhaupt  alles  so  sehr  im  Gedränge,  und  den  Aufenthalt 
so  kostspielig,   daß   wir  unsere   Reiße   nach   Halle   fortzusetzen, 
und  von  da  nach  Leipzig  wieder  zurückzukehren  beschlossen.  — 
Unßere  Reiße  hatte   bis  Hof   wegen   l)eständig  anhaltendem 
^gen  und  Wind  viele  Beschwerlichkeit  für  uns.   Aber  dieses  war 
wttr  unbeträchtlich  gegen  das,  was  wir  durch  das  Voigtland  aus- 
^tehen  hatten.    Der  häufige  Schnee,  der  auf  vielen  Bergen  noch 
*iicht  weggeschmolzen  war,   hatte  alles   bodenlos   gemacht.    Wir 
halten  Mühe,  mit  3  Pferden   des   Tags   G   Stunden   weit   fortzu- 
kpnimeu,  saßen  immer  in  offenen   Wagen,   und   nmßten   täglich 
die  Abwechslungen  von  Regen,  Schnee  und  Hagelwetter  erfahren. 
•^Ife  diese  Unbequemlichkeiten  verdopixjlten  unsere  Reisekoston, 
da  wir  überdies  hier  alles  theurer,   und  in  schwerem  Geldfuße 
^U  bezahlen  hatten. 

Wir  bitten  daher  unterthänig,  Ew.  Excellence  mögen  die 
pnade  haben,  uns  einen  Wechsel  nach  Leipzig  unter  der  Acldresse, 
'n  dem  blauen  Engel,  wo  wir  d.  22 ^^"c  May  wieder  eintrefen 


30  Franz    Joseph    Hartlebcn,    1740—1808,    Professor    der   Pandekten 
^  Mainz. 


!2<)6 


Wilhelm  Stieda. 


werden,  anzuweisen.  —  Wir  erwarten  demnächst  den  Hohen  Be- 
fehl, ob  wir  die  Rechnung  wegen  dem  empfangenen  Gelde  in 
der  Mitte  oder  am  Ende  unserer  Reiße  einschicken  sollen. 

Ew.  Excellence  werden  es  uns  nicht  zur  Ungnade  aufnehmen, 
daß  wir  nach  unserer  Schuldigkeit  Hochdenselben  nicht  schon 
eher  Nachricht  von  unserer  Reiße  gegeben  haben;  indem  wir 
keinen  sicheren  Ort  haben  anzeigen  können,  wo  wir  die  Hohe 
Befehle  zu  erwarten  hätten. 

Die  wir  mit  schuldigster  Ehrfurcht  uns  zu  nennen  die  Gnade 
haben  Ew.  Excellence 

Unterthänig  gehorsamste 
F.  Spoor  und  Schleenstein. 

6.    (Reisebericht   der  Herren   Spoor  und   Schleenstein  aus 

Leipzig  1784,  Juni  5.) 

Großh.  Hess.  Haus-  u.  Staatsarchiv  Darmstadt,  Akten  betr.  die  Kaxnenl- 

fakultät  zu  Mainz,  S.  96  ff. 

Hochwohlgebohrner  Reichsfreiherr, 
Gnädiger  Herr  Curatorl 

Mit  dem  gerührtesten  Danke  für  die  Hohe  Fürsorge,  die  uns 
Ew.  Excellence  immer  angedeihen  ließen,  melden  wir  Hochden- 
selben, daß  wir  von  Herrn  Kammerrath  Frege  zu  Leipzig  einen 
Wechsel  zu  200  Rlr.  Louisd*or  ä  5  Rthlr.  den  31.  May  ausbezahlt 
erhielten. 

In  Halle  waren  bei  unserer  Ankunft  die  Vorlesungen  noch 
nicht  angefangen;  wir  besahen  daher  innerhalb  Halle  die  Sladt- 
und  königliche  Salz-Koten,  das  berühmte  Waisenhauß  mit  allen 
dazu  gehörigen  Einrichtungen,  verschiedene  Fabriken  und  machten 
sodann  eine  kleine  Reiße  auf  einige  Meilen  in  der  Gegend  ron 
Halle.    Wir  befuhren  wegen  der  Verschiedenheit  der  Kohlen  und 
der  Art,   sie   zu   gewinnen,   zwei   Kohlenwerke   zu  Löbegin  und 
Wettin;  im  ersteren  hatten  wir  noch  das  Glück,  eine  ganz  neue 
Anlage  eines  Derckes  (?)  anzutrefen.    EJei  dieser  Gelegenheit  be- 
suchten wir  auch  den  durch  die  Schriften  des  Herrn  Hofrathen 
Schubart  so  berühmten  Landwirthen  Herrn  Oberamtmann  Holx- 
hausen^i  in  Gröbzig,   welcher  die  Güte  hatte,  uns  seine  ganze 
sehr  beträchtliche  Oeconomie  zu  erklären  und  allenthalben  selbst 
zu  begleiten.  Endlich  die  nahe  dabei  gelegene  Kupferschmelzhütte 
zu  Rothenburg.   Dei  unserer  Rückkehr  hatten  die  Kollegien  ihreti 
Anfang  genommen,  wo  wir  besonders  den  Vorlesungen  der  Renen 
Professoren   Förster   und    Karsten,    Professor   der   Experimental- 
phisic,   —  Junghans,   der  Dotanik,   —   Richter,  der   Chemie,  — ' 
Goldhagen,  der  Zoologie,  beiwohnten.   Herr  Professor  Förster  be- 
zeugte uns,   wie   wir   glauben  aus   besonderen   Absichten,  ricl^ 


•*  Vielleicht  ist  Job.  G.  Holzhausen  gemeint,  der  allerdin^  tt^ 
spätor,  nämlich  im  Jahre  17R5  „Beilage  zu  J.  C.  Schuharts  Schriften"  vd 
1787  „Schreiben  an  Schubarl  v.  Kleefeld  über  Riems  Reise  nach  Gröbnf 
veröffentlicht  hat. 


.?. 


Ausbildung  in  Kamend Wissenschaft.  207 

Freundschaft  und  Gefälligkeit;  er  führte  uns  in  die  Gesellschaft 
der  Gelehrten,  wo  wir  auf  einmal  mit  mehreren  berühmten 
Männern  Bekanntschaft  machten  und  von  Verschiedenen  die 
Correspondence  erwarben.  Nebst  verschiedenen  Privatnaturalien- 
Kabinetten  besuchten  wir  noch  die  Bibliotheken,  welche  wir  aber 
in  unserem  Fache  schier  gar  nicht  benutzen  konten. 

Bei  unserer  Rückreise  nach  Leipzig  machten  wir  dem  Herrn 
Kammerdirektor  Hofmann  von  Berlin,  der  sich  während  des 
Sommers  auf  seinen  Gütern  zu  Discau  aufhaltet,  unsere  Auf- 
wartung. Wir  hatten  hier  das  Glück,  einen  sehr  großen  und 
eifrigen  Landwirthen  zu  finden.  Nachdeme  er  uns  die  ganze  Ein- 
richtung seiner  Wirthschaft  erklärte,  hatte  er  sogar  die  Gefällig- 
keit, uns  sein  Oeconomiebuch  und  Rechnungen  zur  Ueberzeugung 
seiner   vortheilhaften   Bestellung   vorzulegen. 

In   Leipzig  erkundigten    wir  uns    sogleich    bei    Herrn   Pro- 
fessoren Leske  und  Roeßig  um  alles,  was  in  unser  Fach  einschlage. 
Wir    erfuhren    aber    wider    Erwartung,    daß    das    Studium    der 
Kameral Wissenschaften  auf  hiesiger  Universität  schlecht  betrieben 
würde:  Professor  Leske  zählet  in  seinen  Vorlesungen  über  die 
Naturgeschichte  6  Studenten  und  Roeßig  über  die  Oeconomie  nur 
Vier.    Die  Bibliothecken  sind  in  Ansehung  dieser  Wissenschaften 
gar  nicht  zu  achten,  und  der  botanische  Garten  ist  in  sehr  ge- 
ringen Umfang.    Wir  werden  daher  auch  in  Leipzig  uns  nicht 
lang  aufhalten,  sondern  sobald  möglich  nach  Jena  unsere  Reise 
fortsetzen.    Göttingen  wird  wohl  der  einzige  Ort  seyn,  wo  wir 
uns  mehreres  von  der  Bibliotheck  und   botanischem  Garten  zu 

versprechen  haben.    Wir  werden  eilen,  dahin  zu  -kommen. 

Wollen  daher  Ew.  Excellence  an  uns  hohe  Befehle  ergehen 

za  lassen  geruhen,  so  erwarten  wir  selbige  in  Göttingen,  jedoch 

«1  mehrerer  Sicherheit  mögen  Ew.  Excellence  auf  die  Adresse 

Post  restant  zu  schreiben  die  Gnade  haben. 

Leipzig  d.  ö.*«»  Juni  1784. 

Ew.  Excellence 
unterthänig   gehorsamste 
F.  Spoor  und  Schleenstein. 

'•  (Reisebericht  der  Herren   Spoor  und   Schleenstein  aus 

Göttingen  1784,  Juli  6.) 

^fofih.  Hess.  Haus-  u.  Staatsarchiv  Darmstadt,  Akten  betr.  die  Kameral- 

fakultät  zu  Mainz,  S.   100—101. 

Excellence 

Hochgebohrner  Reichsfreiherr, 

Gnädiger  Herr  Curator! 

Bei  unserer  Reiße  von  Leipzig  nach  Jena  besuchten  wir  den 
^nrch  seine  oeconomische  Schriften  so  sehr  berühmten  H.  Hof- 
'athen  Schubart**  auf  seinem  Landgute  zu   Würgwitz,   welches 


*-  Oeconom.^Jcameralistische  Schriften,   Leipzig   1783—1789. 


!208  Wilhelm  Stieda. 

nur  einige  Meilen  von  der  ordentlichen  Straße  ablag.  Dieser  große 
und  eifrige  Laiidwirth  hatte  die  Gefälligkeit,  uns  allenthalben  hin 
auf  seine  Felder  selbst  zu  begleiten,  und  alles  augenscheinlich 
zu  zeigen,  was  er  in  seinem  Werke  über  die  Landwirthschaft 
lehret.  In  Jena  fanden  wir  zwar  an  H.  Kammerrath  Suckow 
einen  sehr  großen  Eiferer  für  die  Kameralwissenschaften,  dessen 
Korrespondenz  zu  erhalten,  wir  auch  so  glücklich  waren;  allein 
im  Ganzen  geschiehet  auf  dieser  Universität  in  Rücksicht  er- 
wähnter Wissenschaften  sehr  wenig.  Wir  machten  also  nach 
Unserer  Instruktion  Bekanntschaft  mit  noch  einigen  H.  Pro- 
fessoren, besahen,  was  uns  in  unserem  Fache  dienlich  seyn  konnte, 
und  setzten  unsere  Reiße  nach  Erfurt  fort.  Hier  bedauerten  wir 
die  Abwesenheit  Sr.  Excellence  Herrn  Stadthalter;  allein  weil 
man  von  Hochdesselben  baldiger  Ankunft  sprach,  so  erkundigten  , 
wir  uns,  um  Gewißheit  zu  haben  bei  H.  Hofrathen  Redacker,  der  , 
uns  aber  auch  nichts  bestimmtes  sagen  konnte.  Wir  machten  in 
Begleitung  des  H.  Kammeracceßisten  Thelemann  bei  H.  geheimen 
Ralh  von  Bellmont^^^  m^d  h    Kammerräthen  unsere  Aufwartung. 

H.  Kammerrath  Müller  führte  uns  in  Gesellschaft  des  H. 
Professor  Stumm  und  Thelemann  nach  der  Erbacher  Stahlqueile, 
wo  ersterer  die  gewöhnlichen  Hand  proben  mit  diesem  Wasser 
machte,  und  uns  zugleich  das  Resultat  der  aus  diesem  Wasser 
gemachten  chimischen  Untersuchung  mittheilte. 

Wir  reißten  sodann  nach  Dietendorf,  um  die  dortige  Manu- 
facluren  der  Herrnhuther  zu  sehen.    In  Erfurt  besuchten  wir  vor- 
züglich das  Polizeihauß,  die  Zeug-  und  Landmanufactur.    Unsere 
Reiße  von  Erfurt  nach  Göttingen  nahmen  wir  über  Heiligenstadt**, 
wo  wir  uns  einen  Tag  aufhielten.    In  Göttingen  sprachen  wir  so- 
gleich mit  H.  Professor  Beckmann,  bei  dem  wir  uns  um  den  Zu-  ; 
stand  der  Kameralwissenschaften  erkundigten.    Wir  erfuhren  von 
ihm,   daß  die   Bibliothek  in   diesen   Fächer  vollkommen   beselit, 
und    der    oecouomische    Garten    in    sehr    gutem    Zustande  seye. 
Wir  freuelen   uns,   hier  endlich  das,   was   wir  nirgend  antrafen, 
nemlich  einen   Ort  zu  finden,   wo   wir  mit  den  nöthigen  Hülfs- 
mittein    unterstützet,    unsere    Kenntnisse    erweitern    könne.     Da 
uns    an    der    Freundschaft    des    Professor    Beckmann    sehr  viel 
gelegen  ist,  theils  um  die   öfentliche  Bibliothek,   und  den  oeco-  ] 
nomischen    Garten,    theils    seine    eigene    Privatbibliothek,    Mine* 
ralien,  und  Maschinensanmilung  zu  benutzen,  und  überdies  d«^ 
Ruhm  dieses  Mannes  und  sein  zahlreiches  Auditorium  uns  aS^' 
lockte,  so  beschlossen   wir,   seinen  Vorlesungen  über  die  Oecö' 
nomie  und  Technologie  beizuwohnen.     Hiezu  kömmt  noch,  d^ 
er  durch  den  oeconomischen  Garten,  die  ansehnliche  Sammlui^Ä 
von  Maschinen  usw.  in  Stand  gesetzt  wird,  die  Sachen,  die  ^ 
vorträgt,  vor   Augen   zu   legen.    Wir   glaubten   daher   nicht,  d^^ 
Hohen  Willensmeinung  Ew.  Excellence  entgegen  zu  handeln,  weO* 


33  Joh.  Arnold  Bellmont,  1718—1803,  Chiirf.  Mainzischer  wirkl.  g«^ 
Rat  und  Regicrungsdirektor  in   Erfurt. 

34  Preui:.  Stadt  im  Regbez.  Erfurt. 


Ausbildung  in  Kameralwissenschaft.  209 

wir  uns  in  seine  Collegien  für  dieses  halbe  Jahr  einschreiben 
ließen,  die  zwar  schon  einige  Zeit  angefangen  waren;  allein  da 
wir  aus  den  Vorlesungen  des  H,  Geheimen  Raths  von  Pfeiffer  in 
diesen  Wissenschaften  schon  bewandert  sind,  nichts  dabei  ver- 
lieren. — 

Wir  bitten  nun,  Ew.  Excellence  mögen  die  Gnade  haben, 
uns  einen  Wechsel  nach  Göttingen  zu  überschicken:  wir  können 
leicht  vermuthen,  daß  es  Hochdenselben  sehr  auffallend  seyn 
werde;  allein  die  große  Reißunkosten  und  das  außerordentlich 
theure  Zehren  von  Leipzig  bis  Göttingen,  die  Praenumerations- 
gelder  für  die  Collegien,  die  Anschaffung  der  nöthigen  Hand- 
bücher und  sonst  noch  andere  Vorausbezahlungen  entblösten  uns 
ganz  vom  Gelde. 

Wir  werden  mit  dem  zu  hofenden  Wechsel  viel  länger  aus- 
dauern  können,  indem  die  sehr  schwere  Reißunkosten  uns  von 
einer  sehr  ansehnlichen  Ausgabe  befreien. 

Die  wir  uns  zu  beharrlichen  Gnaden  schuldigst  empfehlen 

Göfüngen,  den  6.  Juli   1784. 

Ew.   Excellence 

Unterthänig    gehorsamste 

F.   Spoor  und  A.  Schleonstcin, 

wohnhaft   bei    Schneidermeister   Bruhns 

auf  der  Jüdenstraße. 


8.    (Reisebericht  der  Herren   Spoor  und   Schleenstein  aus 

Göttingen  1784,  Aug.  11.) 

Großh.  Hess.  Haus-  u.  Staatsarchiv  Darmstadt,  Akten  betr.  die  Kaineral- 

fakultät  zu  Mainz,   S.   108—112. 

Göttingen,   d.    11.   Aug.   84. 

Excellence 

Hochwohlgebohrner   Reichsfreilicrr, 

Gnädiger   Herr   Curator! 

Das  Hohe  Schreiben  Ew.  Excellence  vom  25^^'"  Juli  haben 
wir  den  30.*®"  Juli  empfangen,  und  sagen  Hochdenselben  dafür 
^«n  gehorsamsten  Dank. 

Die  Gnädige  Aufnahme  unserer  eingeschickten  Berichte  ist 
^  die  stärkste  Ermunterung,  alle  Kräften  aufzubieten,  uns 
^ö  der  Zukunft  dem  Staate  recht  brauchbar  zu  machen. 

Die  an  die  Kurfürstliche  Kammer  in  Heiligenstadt  ange- 
lesene 300  fl.  dortiger  Währung  haben  wir  den  SM^^  Aug.  er- 
*^ten.  Es  war  uns  daher  ohnmöglich,  dem  Hohen  Befehl  Ew. 
«xcellence  zufolge  die  beiliegende  Rechnung  zu  Ende  des  Julius 
ewizusehicken.  Nichts  wird  der  Rechnung  Ew.  Excellence  so 
auffallend  seyn,  als  der  Betrag  des  Fuhrwesen :  Allein  oft  trafen 
^r  den  Postwagen  zu  der  Zeit  nicht  an,  wo  wir  mit  unseren  Ge- 
schäften fertig  geworden;  oder,  wir  würden  uns  manchmalen 
ohne  allen  Nutzen  2  oder  3  Tagen   an  einem   Ort  aufgehalten 

^^rtgc  «.  Gesch.  d.  Universitäten  Mainz  u.  Gießen.  14 


210  Wilhelm  Stieda. 

haben,  wenn  wir  ihn  hätten  abwarten  wollen.  Zum  andern  wäre 
es  ohninöglich,  bei  sehr  kaltem  ungestümen  Wetter  durch  die 
Nacht  auf  offenem  Wagen  zu  fahren.  Und  w^ir  fanden  nach  ge- 
nauer Berechnung,  daß  der  ordinäre  Wagen  für  uns  beide  mit 
unserem  Koffer  beinahe  eben  so  hoch  gekommen  wäre,  als  wenn 
wir  auf  einen  besonderen  Wagen  gefahren. 

Unsere  Beschäftigungen  in  Göttingen  sind  an  einem  Tage, 
w^ie  dem  Anderen.  Die  Gegenstände  unserer  Arbeiten  sind  1.  die 
Vorlesungen  über  Oeconomie  und  Technologie,  den  Tag  durch 
2  Stunden  beizuwohnen,  2.  die  Universitätsbibliothek,  welche  in 
allen  Theilen  der  Kameralwissenschaft  gut  besetzet  ist,  und  welche 
w4r  die  Morgends-  und  Nachmittagszeit  durch  mehrere  Stunden 
benutzen,  3.  der  oeconomische  Garten,  der  uns  des  Morgens  in 
der  Frühe  wenigstens  zwei  Stunden  beschäftigt.  Die  übrige  Zeit 
müssen  wir  dazu  anwenden,  die  aus  Büchern  gemachte  Auszöge 
zu  Hauße  in  gehörige  Ordnung  zu  setzen. 

Ew.  Excellence  werden  daher  gnädig  einzusehen  geruhen, 
wie  beschwerlich  uns  die  Aufarbeitung  unserer  zukünftigen  Vor- 
lesungen durch  den  Winter  fallen,  welche  uns  manche  Stunden 
kosten,  die  uns  zu  den  erslen  Gegenständen  beinahe  ohnentbehr- 
lieh  sind. 

Nach  unseier  Instruktion  sollen  wir  auch  den  Harz  be- 
reißen.  Wir  finden  dazu  keine  andere  Zeit,  als  nach  geendigten 
Collcgien  im  Monath  October,  in  welchem  aber  die  gewöhnlich 
in  hiesiger  Gegend  eintretende  übele  Witterung  unsere  Reiße 
dahin  sehr  leicht  hindern  kann;  —  Bleiben  daher  Ew.  Excellence 
bei  der  Instruktion,  so  müssen  wir,  um  dem  Hohen  Befehl  ganz 
sicher  nachzukommen,  den  Monath  September  dazu  wehlen,  wo 
wir  aber  die  richtige  Vortheile  in  Ansehung  der  Bibliothek,  des 
oeconomischen  Gartens  und  der  oeconomischen  Vorlesungen 
dieser  Reiße  aufopfern  müssen;  da  unser  Aufenthalt  auf  dem 
Harz  wenigstens  durch  4  Wochen  bei  schwerem  Geldaufwand 
w^ehren  nmß,  um  daraus  den  gehörigen  Nutzen  zu  ziehen. 

So  leid  es  uns  ist,  die  schöne  Werke  auf  dem  Harz  der- 
malen nicht  zu  befahren,  so  sahen  wir  uns  dennoch  aus  ange- 
gebenen Ursachen  verbunden,  bei  Ew.  Excellence  deswegen  noch 
einmal  anzufragen;  da  wir  uns  überzeugten^  daß  es  der  Hohen 
Absicht,  warum  man  uns  hieher  nach  Göttingen  geschicket,  um 
deswillen  entgegenseye,  weil  wir  verschiedene  Vortheile  entsagen 
müßten,  wodurch  wir  unsere  Theorie  fester  und  ausgebreiteter 
machen,  und  wir  ohnehin  die  Befahrungen  mehrerer  Bergwerken, 
sofern  uns  die  praktische  Reißen  Gnädigst  gestattet  werden,  auch 
mit  weit  größerem  Vortheile  nachholen  könnten. 

W'ir  werden  uns  itzt  nicht  getrauen,  die  Reiße  nach  dem 
Harz  vorzunehmen,  l)evor  Ew.  Excellence  deswegen  die  Hohe 
Willensmeinung  an   uns   wieder   hal)en  ergehen   lassen. 

Die  Wintervorlesungen  fangen  gewöhnlich  3  Wochen  nach 
Michaelistag  an  und  endigen  sich  in  der  Osterwoche.  Die  Sommer- 
vorlesungen nehmen  3  Wochen  nach  Ostern  ihren  Anfang  und 
werden   in  der   Michaeliswoche   beschlossen. 


Ausbildung  in  Kameralwissenschaft 


m 


Bei  dem  ersten  Eintritt  in  die  Bibliothek  suchten  wir  die 
nntschaft  des  H.  Professor  und  Bibliothecarius  Dietz,  der 
auch  gleich  anfangs  gegen  uns  außerordentlich  freundschaft- 
bezeigte. Er  böte  uns  an,  die  Bibliothek  nicht  nur  zu  den 
ähnlichen  2  Tagen  der  Woche,  sondern  auch  außer  dieser 
zu  besuchen,  die  Bücher,  so  wir  besonders  benutzen  wollten, 

Hauße  mitzunehmen,  und  außer  den  gewöhnlichen  Stunden 
Selbsten  ohne  weitere  Anfrage  Bücher  zu  holen.  —  H.  Pro- 
r  Dietz  (hat)  Sonnabend  öffentliche  Vorlesung  über  die  ge- 
B  Geschichte,  besonders  vom  15.^«°  Jahrhundert,  welcher  wir, 
nehr  mit  ihm  bekannt  zu  werden,  beiwohnen.  —  Aus  seinem 
freundschaftlichen  Betragen,  welches  er  gleich  Anfangs  gegen 
geäußert,  merkten  wir,  daß  er  eine  geheime  Absicht  dabei 
n  müßte;  und  wir  haben  gefunden,  daß  wir  dieselbe  errathen, 
dem  wir  2  Wochen  nachher  seine  Vocation  an  die  Kurf. 
z.  Universität  erfahren. 

Ew.  Excellence  mögen  die  Hohe  Gnade  haben,  uns  zu  er- 
3n,  zwei  Herbaria  viva,  die  wir  auf  Anrathen  des  H.  Pro- 
►r  Beckmann  bei  dem  oeconomischen  Gärtner  bestellt  haben, 
ie  nächste  Rechnung  einzuführen.  Wir  haben  dieselbe  aus 
!r  Ursache  für  sehr  nothwendig  gehalten,  weil  sie  nicht  allein 
zu  Unterhaltung  der  gesammelten  Kenntnissen  der  Gewächsen 
jn,  sondern  auch  wir  die  Pflanzen  nach  der  Natur  den  zu- 
tigen  Zuhörern  der  oeconomischen  Vorlesungen  vorlegen 
len.  Wir  hätten  diese  Bestellung  noch  nicht  unternommen, 
em  zuvoderist  bei  Ew.  Excellence  darum  angefragt,  wenn 
nicht  hätten  befürchten  müssen,  daß  nach  einiger  Zeit  ver- 
jdene  Pflanzen  mit  den  Blüthen  ausgegangen  wären.  Das 
i  Papier  mit  Gewächse  einzulegen,  kostet  36  Kr.,  wie  stark 

die  Einlagen  werden,  läßt  sich  jetzt  noch  nicht  bestimmen. 

Wir  empfehlen  uns  Ew.  Excellence  zu  Hohen  Gnaden. 

Ew.   Excellence 
Unterthänig    gehorsamste 
F.  Spoor,  und  A.  Schleenstein. 


1784 

Berechnung  der  Gelder,  so 
uns  für  unsere  Sommerreiße 
aus  dem  Kurfürstlich  main- 
zischen Universitätsfonds  aus- 
bezablt  worden. 


Ein- 
nah- 
men 

fl.    Jkr. 
rh.   i 


Aus- 
gaben 


fl. 
rh. 


kr. 


Rest 


fl.  ikj. 
rh,  I 


ild.lOte° 

d.31ten 


;ust 

3icn 


d. 


In  Mainz  Conventionsgeld 

In  Leipzig  300  fl.  in  Louisdor 

ä  5  Thlr.  macht       .     .     . 

In    Heiligenstadt    300  fl.    in 

Louisdor     ä     5     Thlr.     4 

Groschen  machet      .     .     . 


300 


360  I- 


347  -23 


14* 


\ 


Wilhelm  äti«da. 


1784 
Berecliming    der    Gelder,    so 

Eiti- 
nah- 

Aus- 
gaben 

R^l 

unü   für  unsere  Summerrei&e 

aus   dem    Kurfürstlich    main- 

zischoii  üiiiversitätsfonds  aus- 

11.   ;(,, 

^-      k. 

fl-Lt 

liezahll  worden. 

rh.  1    - 

.h-     '''■ 

rb. 

VomlS.Apri 

Diäleii  rar  Beide 

bisIl.Augusl 
inclus. 

p.  Tag  1  n.  48  kr.  beiragen 

- 

- 

5r.G:  IS 

Rfiseuukoaten  ii.  Trink- 

gelder 

Mainz 

April  d,  IS"" 

Für  Fuhrwesen  nach  Asehaf- 

fenburjr 

— 

— 

ly 

4 



Aschaffenburg 

d.  ly«" 

Die  Einridilung  auf  dein  Kur- 
fürsll.     Oekunomiehor     zu 

1 

scheu 

_ 

_ 



48 



_ 

Für  Fuhrwesen    iiadi  Würz- 

burg        

— 

— 

12 

20 



Würz  bürg 

1 

d.  L>1'™ 

Trinkgeld   für  diejenigen,  so 

uns  im  Hospital  alles  zeigten 

— 

— 

3 

24 

—  — 

d.  a-jw 

Auf  dem  fürstl.  Oeconomiehof 

— 

— 

— 

48 

_  L- 

d.  24'" 

InderWoUeLspinnemundMa- 

nufactur  im  Zuchthause     . 

— 

_. 

— 

34 



_ 

In  der  Bibliothek     .... 

— 

— 

— 

36 

— 

d.  2;i"-" 

Für  Fuhrwesen  nach  Nürnberg 
Nürnbere  und  FiirLh 

— 

— 

18 

8 

— 

d.  ^ti'^ 

Dem  Lohiidiener  p.  1 '/»  Tage 

— 

— 

1 

30 

— 

_ 

Auf  der  Rathsbibliulliek   .     . 

— 

_ 

1 

12 

—  '— 

— 

In  der  Ruthgießerei      .     .     . 

_ 

— 

_ 

36 

_  ;— 

— 

In    der    Ürillantschleiferei    im 

/uehthause 

— 

^ 



24 

— ._ 

d.  -11'^" 

Auf  der  l'apiennühlezu  Mögels- 

dorf  hei  Nürnberg    .     .     , 

30 

d.  ^8'™ 

In  der  Hulfabrik      .... 

_ 

_ 

_ 

24 

—  - 

— 

In  den  Drahtxiehereien     .     . 



_ 

_ 

48 



— 

In  den  Roth  gerbereieil      .     . 

_ 

_ 

_ 

20 



d.  29"" 

Für     Fuhrwesen      nach     Er- 

langen     

Erlangen 
Dem  botanischen  Giirlner      . 

- 

- 

3 

ÜO 

d.  liO'"" 

_ 

_ 

1 

12 

J^ 

_ 

Im  Naturalien  kabinet    .     .     . 

_ 

._ 

48 

_ ,— 

Mav 

d.  1'«° 

In  der  Kattun  manufaklur 

_ 

_ 

_ 

36 



- 

In  der  Pa|.iermüble      .     .     . 

- 

- 

- 

26 



Ausbildung  in  KHinenü  wissen  sc  hafl. 


17«4 
Beredinung   der    Gelder,   so 

Ein- 
nah- 

gaben 

Rest 

uns    für  unsere  Sommer rei&e 

aus  dem  KurfürsUich  niainzi- 

sclien  Universitätsfonds  ausbe- 

fl. 

fl-'kr 

3;.;- 

zahll  worden. 

Lh.     I<r. 

vh.     *■'■ 

y  d.  1- 

In  der  Spiegelsdiieiferei   .    . 

_     _ 

-  ;  üi 

-^  ,_ 

In  der  Ooldsdilägerei  .     .     . 

— 

— 

~ 

1^ 

—  — 

\.  :i'"' 

in  der  Anatomie      .... 

■2i 

In  der  Bibliütheli     .... 

_ 

„ 

_- 

m 

—  1^ 

— 

Gewürkle  Strumpfmaeher 

— 

— 

— 

Ü2 

—  — 

Handscliubmadier  .... 

•24 



Bandmaiiuraktur       .... 



,- 

_ 

•m; 

_  _ 



Seiden-  u.  Sammelmaouraktiir 

_ 

__ 

_ 

18 

— 

_- 

].  4'^" 

Für  Fulinvesen  nacli  Bayreutii 
Bayreuth 

— 

- 

15 

45 

— 

i.  5""- 

— 

— 

— 

48 

— 

— 

— 

In  der  Marmorsdi neiderei  im 

Zudilhause 

— 

— 

1 

12 

— 

— 

1.  e«- 

Vür  Fuhrwesen  nadi  Hof_   . 

— 

— 

7 

10 

— 

— 

_ 

Unterwegs       Alaunsiedereieii 

und  Sdmidzwerk     .    .     . 

- 

ä 

2*< 

— 

— 

Hof 

J.  7"^" 

IndenBaumwollenspinnereien 

_ 

und  Webereien    .... 

_ 

— 

„ 

4» 





Für    Fuhrwesen    naeh    (iera 

— 

- 

14 

42 

— 

— 

Gera 

,.    lO'«" 

In  der  Zeugmanufaktur     .     . 

_ 

— 

— 

43'/, 

_ 

— 

— 

Das  Fuhrwesen  nacli  Leipzig 

_ 

_ 

15 

31"/" 

— 

_ 

^ 

Das  Goffre  nachznholen    .     . 
Leipzig 

— 

— 

5 

~ 

— 

" 

1.   11"" 

Dem  Lobiidiener     .... 

l 

12 

1.  la's" 

Für    Fulirweseii    nadi    Halle 
Halle 

- 

— 

11 

22'/. 

— 

— 

1.    15"° 

In  den  Salzkoten     .... 

1 

^5 

1.   IS«" 

Für  Fuhrwesen  nadi  Lübegin 

und  Gröbzig 

— 

— 

i 

25 

— 

— 

— 

In    der    Kohlengrube  L6 hegin 

— 

— 

1 

25 

— 

— 

Dem  Aufseher  zu  Grflbzig     . 

■st\ 

1.   19'^-" 

Für    Fuhrwesen  von  Gröbzig 
nach    Rothenburg,    Wellin 

und  zurück  nach  Halle      . 

5 

53 

— 

hl  derSchmdzhüttezuIiolhen- 

burg       

— 

— 

1 

19 

— 

— 

— 

In  den  Kohlengruben  zu  Weltin 

_ 

— 

2 

31 

— 

— 

1.  21'*" 

Die  Einrichtung    im  Waisen- 

hau&e     

— 

— 

l 

12 

— 

" 

Wilhelm  Slieda. 


1784 

Ein 

.. 

Bereclmung    der   Gelder,    so 

gaben 

Real 

uns  für  unsere  SommerreiSe 

men 

aus  dem  Kurfürstlich  inainzi- 

scliea  Universitfitsfonds  ausbe- 

n. 

fl. 

'' 

"-Ikr 

zaldt  worden. 

rh. 

'■ 

th. 

rlf 

Mayd.  Sl"*" 

1(11  Naluralienkabiriet   ,    .     . 

T~ 

~ 

TT 

U 



-^ 

Dem    Vorsieher   der   Seiden- 

l>lanlage 

— 

— 

— 

4* 

-  - 

d.  ^'i'«" 

In    der  Universitätsbibliothek 

ii 

_ 

hl  der  Rathsbibliotfaek      .     . 



_ 

1 

n 



— 

In  der  seidenen  Strumpfinanu- 

faklur 

-     2« 

d.  äö«" 

Für  das    Fuhrvvesea    zurück 

nach  Lei])zig 

— 

— 

9  3r> 



Leipzig 

(i.  2(1'«" 

Zusammen    dem   Lohndiener 

— 

— 

2    2-1 



bis    11.  Juni 

d.  28""' 

Ein  Privalnaturalieiikabinet  zu 

sehen      

— 

- 

1 

12 

-- 

(i.  aw» 

Die  UniversitäUhibliothek      . 

_ 

_ 

_ 

30 



d.  3«" 

Die  Modellkammeni     .     .     . 

_ 

— 

— 

5i 

— '— 

d.  Tten 

Die  Ratbsbibliothek     .     .     . 

— 

— 

1 

19 

-  ~ 

d.  9'«° 

Die  verschiedenen  Einrichtun- 

gen bei  Breilkupf     .     ,     . 

__  — 

I 

12 

- 

— 

— 

Kammfabrik 

_  — 



36 

— '  — 

d.  10'«° 

Seidene     Slrumpfmanufaklur 

—  — 

— 

18 

-  - 

d.  11'^" 

Im  botanischen  Carlen      .     . 

4r. 

d.  l^'™ 

Fuhrwesen  nach  Zeilz      .     , 

Zeitz 
Fuhrwesen  zu  Hofralh  Scliu- 

~  r 

10 

lä 

-    ' 

d.  U"-i 

barl  WQrchwitz    .... 

5 

18 

d.  In«™ 

Fuhrwesen  nach  Jena       .     . 

10 

28 

- 

d.    IS^«" 

Jena 
Im  Naluralienkabinet  auf  dem 

SeldnS 

_ 

— 

1 

12 

— 

_ 

Auf  den  Bibliotbekeji  .     .     . 

_ 

_ 

1 

39 

— 

d.   19'=° 

Im  biititnisdien  Gai'ten     .     . 

_ 

_ 



27 

— 

- 

Wollene     Slrumpfmanufaklur 

_ 

_ 

— 

13'/t 

- 

Gerbereien 

27 

d.  -im^^ 

Fuhrwesen  nach  Erfurt    .     . 

Erfurt 
In  der  Wollenbandmanufaktur 

- 

- 

8 

19 

- 

' 

d.  2^«» 

_ 

_ 

_ 

27 

d.  -Ji'«" 

Nach  Diwlendurf  um  die  dor- 
ligen      Manufakturen      der 

1 

Herrenliuler  zu  sehen   .     . 

— 

- 

3 

36 

- 

' 

Ausbildung  in  KHmeml Wissenschaft. 


178J 
Bereclinuug  der  Gelder,  so 
uns  für  unsere  Sonimerrpiße 
aus  dem  Kurfürsllich  mainzi- 
schen Universilälsfunds  ausbe- 
zahlt worden. 


Eiü- 
men 


lli 


Von  Erfurt  über  Gotlia,  MüJil- 

hausen   nach    Hciügcnstadt 

Heiligenstadt 

Fuhrwesen    nach    Göltinge:i 

Göllingen 

KollegieDgelder  iin<[ 

Bücher 

Das  Hoimrariuin  fiii-Pnif.  Beck- 
mann      

Beckmann  Landwirtschaft  in 
duplo*') 

Beckmann  Technologie'*) 

Vogt  Mineralogische  Beisen°') 

Nicolai  Beißen'*)     .... 

Für  ein  Werk  die  Einriclitung 
im  Hall i sehen  Pädagogio  he- 
trelTend       

Diu  Einrichtung  im  Hatliscben 
Waisenhause 


Sumtri 


Jötlingeii  den  11'«"  August  1784. 

Unlerthänigst  gehorsamste 
G.   A.  Schleeustein. 
F.  C.  Spoor. 

'  Gnindsälze  der  deutschen   Landwirtschall,  3.   Aufl.   1783.    1  IKIr. 

<  Anleitung  lur  Technologie.  2.   Aull.   1780.     2  Rtlr. 

'  J.  Karl  Wilb,  Voigt,  Miiicralogischo  IleiRcn  durch  das  Herzogtum 

,r  II.  Eisenach,  1782.     1  Rtlr.  15  Gr. 

*  Fr.  Nicolai,  Bcscbrciliung  einer  Hcis<>  diirrli  Deutschland  und  die 

ii,  12  Teile.  1783—17117,  zu  1  Rtlr.     Danarh  «-aren  offenbar  noch 

mehr   als   7   Bände   erstrliJenen.     Die  Itlicherp reise   nach   Hcinsius' 

'Icxikon  angegeben. 


216  Wilhelm  Stieda:   Ausbildung  in  Eameralwissenschaft. 

9.  (Reisebericht  der  Herren  Spoor  und  Schleenstein  an  den 
Kurator  Benzel   in  Mainz   aus  Göttingen   1784,   Septbr.  5.) 

Onoßh.  Hess.  Haus-  u.  Staatsarchiv  Darmstadt,  Akten  betr.  die  Kameral- 

fakultät  zu  Mainz,  S.   115 — 116. 

Excellence 

Hochwohlgebohrner   Reichsfreiherr, 

Gnädiger  Herr  Curator! 

Unseren  Brief  vom  11.  i^"  Aug.  nebst  der  dabei  gelegten 
Rechnung  werden  Ew.  Excellenz  erhalten  haben. 

Womit  wir  uns  hier  beschäftigen,  haben  wir  im  vorigen  Briefe 
schon  die  hohe  Gnade  gehabt  Hochdensell)en  anzuzeigen.  Be- 
sonders macht  uns  die  Bibliothek,  worauf  wir  den  größten  Theil 
des  Tages  zubringen,  außerordentlich  viel  zu  thun;  und  dieses 
um  so  mehr,  da  es  uns  an  der  Litteratur  in  den  Kanieral\>isseii- 
Schäften  beinahe  ganz  fehlte.  W'ir  sind  beschäftiget  alle  Werke 
in  diesem  Fache  durchzugehen,  und  uns  aus  tiUem,  was  uns 
nützlich  scheint,  Auszüge  und  Anmerkungen  zu  machen.  Diese 
Arbeit  häuft  sich  aber  so  sehr,  daß  wir  die  Hofnung  aufgeben 
müssen,  die  Menge  der  Auszüge  hier  in  ein  zusammenhängendes 
Sistem  zu  bringen.  W^ir  würden  Ew.  Excellence  um  die  hohe 
Gnade  ersucht  haben,  uns  von  den  Vorlesungen  den  nächsten 
W^inter  zu  befreien,  um  aus  dem  gesammelten  ein  vollkommenes 
Ganze  zu  machen,  wenn  wir  nicht  überzeugt  gewesen  wären, 
daß  unsere  Bitte  gegen  den  Plan  von  Ew.  Excellence  seye. 

Wir  legen  hier  einen  Catalog  von  den  nächsten  Winler- 
vorlesungen  in  Göttingen  bei ;  wir  müssen  aber  bemerken,  datl 
die  Vorlesungen  gewöhnlich  8  Tage  später,  als  die  Anzeige  ist, 
ihren   Anfang   nehmen. 

Nach  unserer  Instruction  nehmen  wir  die  Rückreise  über 
Cassel  und  Fuld.  Wir  halten  es  daher  für  nöthig,  zu  Anfang 
des  Octobers  von  Göttingen  abzureisen.  Ew.  Excellence  werden 
aus  der  eingegebenen  Rechnung  zu  ersehen  die  Gnade  haben, 
daß  wir  mit  dem  angezeigten  Reste  bis  zu  Ende  des  Octobers 
nicht  auskommen  können.  Wir  bitten  dahere  Hochdieselbe  uns 
wieder  mit  einem  W'echsel  nach  Göttingen  zu  versehen. 

Die  wir  Ew.  Excellence  uns  zu  hohen  Gnaden  ferner  eiiiphcleu 
und  in  tiefester  Ehrfurcht  beharren 

Ew.  Excellence 
untorthänig  gehorsamste 
Spoor  und  Schleenstein. 

Göttingen  d.  5.  September  1784. 


-<0»0»€»- 


iträge  zur  Geschichte  der 
idt  und  Universität  Gießen. 


Alt- Gießen. 

Von  Gustav  Frhm.  Schenk  zu  Schweinsbei^. 

einer   Siegdtafel   und  einem   Lagf|)lan;   im   Tcxk-  eine   PlanskizM, 
Ansichten,  drei  tiiegelabbildunficn.    Nelist  drei  urkundlidien  Bi-igalien 
und   einem   Anhang.) 

Die  Anfänge  einer  Stadt,  die  mehr  als  einmal  in 
reren  Kriegszeiten  den  Landesherrn  und  seine  obersten 
irden  in  ihren  festen,  von  Philipp  dem  üroßniülij;en  er- 
en  Mauern  geborgen  und  die  LandgrafschaFt  Hessen- 
nstadt so  vor  dem  Unlergang;  bewahrt  hat,  einer  Stadt, 
jeit  300  Jahren  der  Sitz  der  Landeshochschule  ist,  die 
ich  auch  als  Gemeinwesen  in  erfreulichstem  Aufblühen 
ifien  ist,  verdienen  eine  eingehendere  Untersuchung, 
»e  es  bisher  erfahren  haben. 

Meine  Arbeit  soll  dazu  den  Anfang  machen;  ihre  Er- 
ung  wird  hauptsachlich  von  einer  planmäßigen  weiteren 
eckung  der  Grundmauern  der  Burg  ?.n  erwarten  sein. 

I.   Die   Gründungszeit   der   Stadt   (iießcn. 
Die    Stadt  Gießen    wird    zum   erstenmal    im   Mai   des 
3S  1248  erwähnt  r  der  Schultheiß,  die  SchfiRen  und  die 
einde  der  Bürger  zu  ,,Gizen"  bekundeten  damals  einen 
ihrer  Kapelle  ausgesprochenen  Verzicht.    Die  Urkunde 


ifi'i  Gustav  Frlj-.  >  herLk  zi  Schweinsber^. 

fuhrt  als  Handlun'^szpugen  sieben  Ritter  und  fünf  Schöffea 
auf:  ihr  wurde  das  Stadtsiegel  —  ..nostre  ci\itatis  sigillum" 
—  angehän^'t.'  Dieses  .Siegel  zeigt  einen  gepanzerten  Reiter 
mit  Schild  und  Fahne:  es  führt  in  einem  späteren,  besser 
erhaltenen  Abdruck,  der  auf  der  Siegeltafel  unter  Xo.  2 
wiederge;;eben_ist.  die  Umschrift:  t  Willemmus.  dei  gracu. 
Palatim  s.  COM.  IN.  TrT'ii.^  Man  lernt  also  aus  ihm  den 
Stadtherrn  kennen:  den  Grafen  Wilhelm  von  Tübingen, 
der  mitunter  auch  als  (iraf  von  Gießen  bezeichnet  wurde. 

Fast  gleichzeitig  mit  dem  ersten  Auftreten  der  Stadt- 
gemeinde erhält  man  Kenntnis  von  dem  Vorhandensein  einer 
zweiten  Korporation  in  Gießen,  der  der  Burgmannen  der 
gräflich  tübingenschen  Burg.  An  zwei  Urkunden  aus  den 
Jahren  1251  und  1255  hängen  die  „castellani"  von  Gießen 
ihr  gemeinsames  Siegel  an,  ohne  dabei  der  Mitwirkung  der 
Stadtgemeinde  Erwähnung  zu  tun.^  Fürst  F.  K.  zu  Hohen- 
lohe-Waldenburg  hat  das  an  der  Urkunde  von  1255  hängende 
Burgmannensiegel  nach  dem  Original  abgebildet.*  Eine  Ver- 
gleichung  mit  dem  Stadtsiegel  ergibt  aber,  daß  es  sich  um 
ein  und  denselben  Stempel  handelt,  der  in  den  Urkunden 
sowohl  als  Stadt-,  wie  als  Burgmannensiegel  bezeichnet 
wird.  Beide  Gemeinschaften  waren  mithin  seit  Gründung 
der  Stadt  in  organische  Verbindung  getreten,  ohne  daß  die 
Burg  ihre  Sonderexistenz  aufgegeben  hätte. 

Wenn  eine  Stadtgemeinde  ein  Siegel  führt,  unter  einem 
Schultheißen  steht,  ein  Schöffenkollegium  gebildet  hat  und 
ihren  Gott(»sdienst  in  einer  eigenen  Kapelle  besucht,  so  ist 
offenbar  ihre  Gründung  bereits  zum  Abschluß  gelangt.  Es 
würde  im  allgemeinen  nichts  entgegenstehen,  die  Entstehung 
Gießens  vermutungsweise  bereits  in  eine  etwas  ältere  Zeit 
zu  versetzen :  in  vorliegendem  Falle  kann  man  aber  mit 
Wahrscheinlichkeit  den  rechtlichen  Abschluß  der  Gründung 
als  innerhalb  der  Jahre  1243  bis  1248  geschehen  ansetzen. 

Gerade  das  gemeinsame  Siegel  der  Stadt  und  der  Burg- 
mannschaft ermöglicht  diese  Ansetzung.  Es  ist  nämlicl^ 
durch  einen  stümperhaften  Stempelschneider  einem  Siegel 
des  Stadtherrn  selbst,  des  Grafen  Wilhelm  von  Tübingen, 

*  Trkundc  No.    1. 

^'  A.  Wyß,  Hessisches  Urkundenbuch,  1,  Abt.  I,  No.  215,  und  H^' 
No.  13r)f).  Wyß  wollte  es  als  No.  3  der  Siegellafeln  seines  3.  Bande? 
vvi'*dert:<'berj.      Infoljie  seiner   F^krankunc   unterblieb  es. 

•'   V.    F.    d.    Gudeniis,    Codex    Diplomaticus   etc.,    II,    No.   66  u.  P^- 

*  K  K.  z.  il.  t'ber  die  Siegel  der  Pfalzgrafen  von  Tübingen  s.  6  ö- 
Taf.  II.  .')•'.  Der  Abbildung  zugrunde  liegt  das  Originalsiegei  im  fürsHicl' 
s()lnisis(  heil  Hausarchive  zu  Hraunfels.  Dann  desselben  Autors  Sphrap- 
«tische  Aidiorisnien,   S.   103  u.  Tafel  25,  No.  281. 


Alt-Gießen.  221 

Lchgebildet  worden,  das  dieser  zuerst  im  März  1244  führte, 
Ihrend  er  im  August  1243  noch  mit  einem  nur  Schild  und 
jlm  des  Hauses  Tübingen  darstellenden  anderen  Stempel 
^gelte.*^  Fürst  Hohenlohe  bildete  beide  Siegel  nebeneinander 
',  und  wies  bereits  auf  die  Abhängigkeit  des  Siegels  der  Stadt 
>n  dem  ihres  Herrn  hin.  Er  kannte  freilich  das  älteste 
egel  des  Grafen  Wilhelm  nicht,  das  z.  B.  einer  hessischen 
•künde  aus  dem  Jahre  1239  anhängt.  Es  wurde  auch  zu 
n  Schiffenberger  Fälschungen  aus  angeblich  1229  und  1235 
nutzt.^  Dieses  Siegel  war,  besonders  auch  in  der  Umschrift, 
3it  besser  gestochen  als  das  von  1244.  Die  große  Lilie, 
3  in  dem  Siegel  von  1244,  wie  in  dem  Stadtsiegel,  als  auf- 
lliges  Beizeichen  zwischen  Bein  und  Gewand  des  Reiters 
m  Rande  aus  hoch  hinauf  reicht,  findet  sich  im  Siegel- 
st von  1239  an  jener  Stelle  gar  nicht,  obgleich  sie  darauf 
;h1bar  sein  müßte.  In  dem  Fragment  von  1229  sei  sie,  sagt 
yß,  unter  den  Füßen  des  Pferdes  teilweise  erhalten.  Sie 
iiß  also  bedeutend  kleiner  gewesen  sein;  etwa  nur  so 
oß    wie  in  dem  Siegel  des  älteren  Bruders  Rudolf.' 

Ich  vermag  mich  bei  dieser  Sachlage  der  von  Wyß  aus- 
sprochenen  Ansicht,  daß  das  älteste  Siegel  des  Grafen 
ilhelm  als  Muster  für  das  Gießener  neue  Stadtsiegel  ge- 
ent  habe,  nicht  anzuschließen.  Der  Stempelschneider  mag 
i  zwar  gekannt  haben,  richtete  sich  aber  in  wesentlichen 
unkten  auch  nach  dem  von  1244,  das  seinem  schwachen 
önnen  eine  leichtere  Aufgabe  stellte. 

Dann  müßte  also  der  Abschluß  der  Stadtgründung  kurz 
or  1248  fallen.  Dazu  stimmt  gut  die  Zeugenreihe  einer 
rkunde  von  1245,  die  einen  Austausch  zwischen  den 
Röstern  Arnsburg  und  Altenberg  über  ihre  Höfe  zu  Heuchel- 
«im  bei  Gießen  betrifft.  Als  anwesende  Zeugen  aus  (ließen 
reten  dabei  nur  drei  Burgmannen  auf;  aus  Heuchelheim  zwei 
ort  wohnhafte  Gießener  Burgmannen  und  alle  Bauern  des 
torfes.  Wäre  ein  Schultheiß  von  Gießen  bereits  bestellt  go- 
'^sen,  so  würde  seine  und  der  Schöffen  Anwesenheit  erwähnt 
worden  sein,  ebenso  wie  bei  einer  Urkunde  von  1251,  in 
^r  es  sich  auch  um  Heuchelheimer  Grundstücke  handelte.* 

Die  Sitte,  daß  landesherrliche  Städte  in  ihren  Siegeln 
^s  Bild  und  das  Wappen  ihres  Herrn  führten,  kommt  gerade 

^  Wirtembergisches   V.U.    IV,   S.  _60  u.    76.      Die   Umschrift   lautet : 

COMES  WlLLEHELMl'S  DE  TUWING. 

«  Wvß,  a.  a.  0..  III,  Nu.  1347,  1348  u.  1349,  und  in  seinen  Exzerpten. 

QU  der.  Umschrift    ist   erhalten:    f  WILHE    GRACIA  •  P    

HNGIN  —  •   F.  Hohenlohe,  a.   a.   0.,  Tafel   I,  No.   3. 

8  De  Gudenus,   Codex  dipl.,    II,   No.  59  u.   66. 


SiJ 


Gustav  Frhr.  öilienk  zu  Scliiveinsberj!, 


in  Hessen  um  Jiese  Zeit  recht  häufig  vor.  Nach  dem  Ver- 
kauf der  Herrschaft  Gießen  an  den  Stammvater  des  hes- 
sischen Fürstenhauses  erscheint  das  Bild  des  Landgrafen 
in  dem  neuen  Siegel." 

Auffällig  ist  die  völlige  Beibehaltung  der  Umschrift  des 
Herrensiegels  in  dem  der  StadI,  ohne  jeden  auf  den  Ort  be- 
züglichen Zusatz.  Aus  der  Nachbarschaft  ist  das  älteste 
gemeinsame  Siegel  von  Burg  und  Stadt  Friedberg  bekannt, 
das  auch  den  gemeinsamen  Herrn,  den  Kaiser,  als  Subjekt 
enthält:  Sigillum  Cesaris  in  Frideberic.'"  Hier  trennte  sich. 
aber  Sladt  und  Burg  bald,  wahrend  in  Gießen  die  Gemein- 
schaft auch  in  den  Siegeln  erhalten  blieb.'' 

Vor  der  Gründung  der  Stadt  Gießen  scheint  das 
zum  tübingenschen  Landesteil  gehörige  Großen-Linden  der 
Markt-  und  .Münzort  der  Herrschaft  gewesen  zu  sein.i=  , 


/««v» 


r^-^*^: 


"  Kü  M  rorslnhpnd  abgebildet  worden.  Auch  erscheiot  es  <>'''' 
gezeichnet  als  Aiißcnschmurl:  dieses  Bandes. 

'"  Ahgchildel  in  den  Kuiiatdeiikmälem  im  Großh.  Hessen,  Kreis  Ffi*^' 
berp,  S.   72,   —   "  Das  Näliere  iin   Ahsrlinilt   VII, 

'-  Die  HüHZC  Na.  1K2  im  Funde  vun  Naubom  mit  der  deutlitli* 
Umsi-tirifl.  Lindeii(Miunio)  wini  i-on  Faclileuten  als  ein  IJeischl&g  ru  if 
No.  117  desselben  FundeK  anposehen.  Ich  halte  sie  für  ein  Enenp^ 
der  LindeniT  Münzslätle,  die  von  dem  Herrn,  dem  Ptaligrafeo  von  !*■ 
liinppii.  Weiler  verliehen  gewesen  sein  wird.  Xn  das  MinisterialengtechlKV 
V.  Linden  als  Mlinzlierrn  ist  sirlicr  nicht  zu  denken.  Zeilschrift  L  TJnW»- 
malik,  XVI,  S.  lälE:  H.  Wctier.  Der  Hünzfund  von  Nanbora. 


Alt-Giei^cn.  nS 

II.  Die  Burg  Gießen. 

rüher  als  die  Stadt  selbst  findet  sich  schon  ihr  Name, 
1  dem  befestigten  Sitz  des  Gründers,  des  Grafen  Wil- 
von  Tübingen  und  seiner  Vorfahren  von  der  Mutter- 
her, haftete.    Nicht  nur  er  selbst  wird  seit  1214  mit- 

als  Graf  von  Gießen  bezeichnet,  auch  seine  Groß- 
r,  die  Gräfin  Salome,  wohnte  als  Witwe  im  Jahre  1197 
?r  Burg  „Giezzen**.  Sie  starb  vor  dem  Jahre  1203.  Ihre 
e  Tochter  Mechtild  war  mit  dem  Vater  des  Grafen  Wil- 
dem schwäbischen  Pfalzgrafen  Rudolf  von  Tübingen, 
hlt,  dem  sie  die  halbe  Erbschaft  des  einst  nach  dem 
Tg  benannten  Grafenhauses  in  die  Ehe  gebracht  hatte, 
raf  Wilhelm  von  Gleiberg,  der  sich  urkundlich  von 
-1158  findet,  war  mit  einer  Gräfin,  die  denselben 
en  Vornamen  Salome  führte,  vermählt.  Es  liegt  kein 
hender  Grund  vor,  an  der  Identität  der  um  das  Jahr 
erwähnten,  mit  der  noch  1197  lebenden  Gräfin  zu 
An.  Sie  mag  die  letzte  Gattin  des  Grafen  Wilhelm 
en  sein;  als  ihr  Geburtsjahr  aber  kann  man  etwa  das 
1117  annehmen.  Sie  würde  dann  als  Achtzigerin  ver- 
in  sein."  Ihre  einzige  Tochter  kann  als  Spätling,  etwa 
geboren  sein.    Sie  nannte  ihren  jüngsten  Sohn  nach 

Vater  Wilhelm;  ein  Taufname,  der  dem  Hause  Tü- 
a  bis  dahin  fremd  war.  Die  Einschiebung  einer  Gene- 
L  zwischen  den  Grafen  Wilhelm  von  Gleiberg  und  die 
;räfin  Mechtild  halte  ich  für  überflüssig.^* 
Ilrich,  Graf  von  Tübingen,  Herr  zu  Gießen,  ein  Sohn 
rrafen  Wilhelm,  hat  dann  bekanntlich  diese  ihm  ent- 
3  Besitzung  zwischen  dem  15.  August  1264  und  dem 
*pteraber  1265  an  Landgraf  Heinrich,  Herrn  von  Hessen, 
ßert.i*  Aus  der  Sühneurkunde  des  Käufers  mit  Hartrad, 
i  von  Merenbergi«,  erfährt  man,  daß  die  edlen  Männer 
[senburg  und  von  Brauneck  auch  wegen  des  Kaufes 
reite  mit  dem  Landgrafen  lagen.  ^^  Der  Herr  von  Meren- 


^  Dio  Hypothese,   die  Wyß,  a.   a.  O.,  S.  4filff.,  über  ihre  Abstam- 
auf gestellt  hat,  ist  nicht  haltbar.    Es  fehlen  ja  unter  den  Mitlierren 
etternich  um  1185  z.  B.    die  Herren  von  Isenburg  und  die  Grafen 
atzeneinbogen,  also  die  Hauj»terben  der  Grafen  von  Arnstein. 
4  Anders  Wyß,  a.  a.   0..  S.  451  f. 

*  Zuletzt  in  meinem  Aufsatz  in  den  Quartalblättern  des  Hist.  Vereins 
iroßh.  Hessen,  N.  F.,   IL  Bd.,  No.  6  (1897),  S.  227 ff.,  erörtert. 
6  Wyß,  a.  a.  0.,  No.  1356». 

'  Ich  habe  dort  zu  zeigen  versucht,  daß  es  sich  um  Ansprüche 
te,  die  von  den  Ehemännern  und  Kindern  zweier  Schwestern  des 
iers  erhoben  wurden.  Ich  bin  jetzt  zu  der  Ansicht  gelangt,  daß 
,  außer  um  Heilwig  von  Isenburg,  noch  um  die  ungenannte  Gattin  des 


2:24  Gustav  Frlji*.  Schenk  zu  Scliweinsbcrg. 

berg  erhielt  das  ehemals  von  dem  Grafen  von  Tübingen 
getragene  Gießener  Burglehen,  auf  das  er  bei  Beginn  des 
Streites  verzichtet  hatte,  zurück.  Die  Erwähnung  gemein- 
samer Gerichtsbezirke  zeigt,  daß  dieses  Verhältnis,  das  noch 
lange  zwischen  Hessen  und  Nassau  fortbestand,  aus  alter 
Zeit  herrührt. 

III.  Die  Familienzugehörigkeit  des  Grafen  Wilhelm 

von  Gleiberg. 

Daß  Graf  Wilhelm  von  einem  Sprößling  aus  der  Ehe 
des  Grafen  Friedrich  von  Luxemburg  mit  einer  Schwester 
des  letzten,  103(5  verstorbenen  Konradiners  der  Wetlerauer 
Linie,  des  Grafen  Otto  von  Hammerstein,  herstammte,  darüber 
besteht  jetzt  wohl  kein  Zweifel  mchr.*^.  Er  mag  etwa  ein 
Enkel  des  1057  erwähnten  Friedrich  von  Gleiberg  gewesen 
sein;  der  Name  seines  Vaters  ist  unbekannt.  Das  Reiter- 
siegel Wilhehns,  das  Wyß  seiner  trefflichen  Abhandlung 
beizufügen  beabsichtigte,  liefere  ich  unter  No.  1  der  Siegel- 
tafel nach,  weil  ich  mit  ihm  darin  übereinstimme,  daß  es 
sich  mindestens  um  den  Abguß  von  einem  echten  Siegel 
handelt,  wenn  es  auch  einer  späteren  Schiffenberger  Fäl- 
schung angehängt  ist.  Wilhelms  Geburtsjahr  kann  man  etwa 
auf  das  Jahr  1090  ansetzen. 

Die  einzige  ernste  Schwierigkeit,  die  dieser  Ableitung 
der  letzten  Grafen  von  Gleiberg  entgegenzustehen  scheint, 
ist  der  Umstand,  daJJ  weder  Graf  Wilhelm,  noch  sein  Vater 
in  der  SchiiTenberger  Stiftungsurkunde  von  1129  erwähnt 
werden,  während  die  Stifterin,  die  Gräfin  Clemencia  von 
Gleiberg,  hervorhebt,  daß  sie  eine  Teilhaberin,  die  Pfalz- 
gräfin Gertrud,  hatte,  der  ein  V'^iertel  des  Wiesecker  Waldes, 
in  dem  das  Kloster  erbaut  wurde,  zustehe.^^  Da  man  an  der 
Echtheit  der  Urkunde  nach  der  sorgfältigen  Untersuchung 
von  Wyß  nicht  wohl  zweifeln  kann  —  das  ihr  aufgedrückte 
erzbischöfliche  Siegel  folgt  unter  No.  3  der  Siegeltafel^  — ,  so 
bleibt  nur  die  Annalmie  übrig,  daß  die  Folgen  der  1103  ge- 

Hoinricli  von  Hrauiicck  liiinckln  wird  (1245 — 1265),  die  zwei  Söhne. 
Gobhard  (1267fr.)  und   Heinrich   (12ü7ff.),    haue. 

^^  Si(»lie  meine  genealogischen  Studien  zur  Reichsgeschichte  im  Archiv 
für  Hess.  Gesell,  u.  A.-K.,  i\.  F.,  III,  S.  351  ff.  Außer  Wyß  hat  sich  gleich- 
zeilig  H.  Witte  in  seinen  genealogischen  Untersuchungen  zur  Reichs- 
gescbichte  unter  den  salischen  Kaisern  mit  dem  Hause  Luxemburg-Gleiber^ 
eingelu^nd  iK'Scliäftigt.  (Mitteilungen  des  Instituts  für  österreichische  Ge^ 
Schichtsforschung,  V.  Ergänzungsband,  S.  441  ff.) 

!•'  Die  Pfalzgräfin  l>esaß  diesen  Bruclitcil  als  Zubehör  der  spateren 
Herrschaft  Cleeberg,  die  ihren  Anteil  an  der  Grafschaft  Gleiberg  darstellte. 

-<*  Noch  ein  and<?res  Siegel  desselben  Krzbischofs  folgt  unter  No.  5 
der  Siegeltafel,  auf  das  Wyß  wiederholt  Bezug  nimmt. 


Siegeltafel  zu  dem  Aufsatze  Alt-Qießen. 


Alt-Gießen.  2!25 

enen  Eroberung  der  sehr  festen  Burg  Gleiberg  durch 
Heinrich,  den  Vater  des  Grafen  Wilhehn  auch  seines 
es  an  dem  Wiesecker  Wald,  und  zwar  zugunst^en 
'  Agnaten  in  Luxemburg  beraubt  hatte.  Die  Rostitu- 
aag  erst  nach  der  Gründung  Schiflenbergs  geschehen 
Nachträgliche  Schwierigkeiten  können  also  der  Stiftung 
räfm  Clemencia  bei  dieser  Sachlage  leicht  erwachsen 
über  deren  Beseitigung  man  aus  echten  Urkunden 
weiß. 

m  Anhaltspunkte  für  Zeit  und  Umstände  der  Erbauung 
irg  Gießen  zu  gewinnen,  ist  eine  Orientierung  über  die 
veigungen  des  Hauses  Luxemburg  erforderiich, 
lema,  das  auch  durch  Wyß  und  Witte  nicht  völlig 
l  worden  ist.  Es  sind  dabei  zuerst  einige  künstlich 
iffene  Erschwerungen  des  Problems  zu  beseitigen, 
'itte  bringt  die  Eroberung  Gleibergs  mit  dem  Kampfe 
IS  Erbe  des  Pfalzgrafen  Heinrich  von  Laach  in  Ver- 
ig,  den  er  für  einen  Bruder  des  1057  erwähnten  Grafen 
ich  von  Gleiberg  und  für  einen  Sohn  des  Grafen  Dietrich 
axemburg,  des  jüngsten  Sohnes  der  konradinischcn  Erb- 
r,  hält.  Ich  sehe  aber  keinen  Grund,  an  der  gleich- 
en Angabe  in  der  Chronik  des  Marianus  Scottus  zu 
iln,  daß  Heinrich  von  Laach  ein  Bnider  des  Vaters  des 
königs  Hermann  von  Salm  gewesen  sei.-'  Es  bedarf  nur 
leichten  Änderung  in  der  Anordnung  der  Genealogie 
iuses  Luxemburg,  um  diese  Nachricht  verständlich  zu 
n.  Man  hat  Gisilbert  Graf  von  Salm  zu  scheiden 
nnem  ältesten  Sohn  Gisilbert  Graf  von  Luxemburg, 
i  jüngerer  Halbbruder  Heinrich  Graf  von  Laach  ge- 
sein  wird.  Als  nächste  Erben  des  Pfalzgrafen,  der 
)ekanntlich  seinen  Stiefsohn  an  Kindesstatt  annahm, 
n  nur  seine  Großneffen  in  Betracht  gekommen  sein, 
ie  nachstehende  Übersicht  ausweist, 
on  den  sechs  Söhnen  des  Grafen  Friedrich  von  Luxem- 
)leiben  nur  zwei  als  mögliche  Ahnherren  der  späteren 
i  von  Gleiberg  übrig,  die  Grafen  Hennann  und 
erich. 

an  hat  versucht,  diesen  Grafen  Hennann  mit  dem 
rafen  Hermann  II.  von  Lothringen  (1064  f  1085)  zu 
izieren.^*  Das  scheitert  an  den  Altersveriiältnisson  und 


Herr  Archivdirektor  Dr.  Friodensburg  hatte  die  Güte,  die  be- 
?  Stelle  im  Codex  Palatinus  830  zu  vergleichen:  sie  ist  unzweifel- 
ichzeitig  und  richtig  gedruckt. 

Wenck,  Hess.   Landes?.,   III.  S.  206—217;  dann  Annalen  d.  hist. 

f.  d.   Niederrhein,   XV,  S.  37 ff.     Ihnen  sind  M.   Schmitz,   Die 

Ige  z.  Gesch.  d.  Universitäten  Mains  u.  Gießen.  15 


zzo 


Gustav  Frhr.  Schenk  zu  Schweinsberg. 


S  S  2  ß 


es  J 


Gesch.  d.  lothringischen  Pfalzgraicn,  S.  32ff.,  und  Witte,  a.  a.  0.,  S.443 
aucli  Meyer  v.  Knonau  in  den  Jahrbüchern  d.  D.  R.  gefolgt;  währ» 
Wyß,  a.  a.  0.,  S.  4553),  diese  Hypothese  für  schwach  begründet  erklW 


-y 

=  £* 


BS 


§1      'S 


II. 


■US  der  Notiz  über  die  Guter  der  Äl>lei  Siegbiirg  zu  Bendorf  her- 
te  Aigument  ist  durch  Oppermanns  Unlcrsuchung  beseitigt  wordtu 
(deutsche  ZeitschriFt  f.  Gesch.  u.   Kunat,  XXI,  S,  83J 


:2!28  Gustav  Frhr.  Schenk  zu  Schweinsberg. 

besonders  auch  daran,  daß  Heinrich  von  Laach  aus  ehe- 
rechtlichen Gründen  unmöglich  die  Witwe  des  Bruders 
seines  Vaters  hätte  heiraten  können.  Man  weiß  über  die  Her- 
kunft dieses  Pfalzgrafen  Hermann  nichts  Sicheres.  Da  er  als 
cognatus  König  Heinrich  V.  bezeichnet  wird,  und  seine  Erb- 
schaft wenigstens  zum  Teil  an  diesen  gelangt  sein  soll,  da 
er  ferner,  gemeinsam  mit  König  Heinrich  IV.,  im  Jahre  1082 
einen  Forst  im  Kirchspiele  Remagen  besaß,  so  muß  er  aus 
sehr  angesehenem  Geschlecht  entsprossen  sein.  Dafür 
spricht  auch  seine  geplante  Heirat  mit  einer  Tochter  des 
Gegenkönigs  Rudolf  und  sein  Ehebund  mit  Adelheid  von 
Orlamünde.  Grafenrechte  besaß  er  im  Ruhrgau  und  Keldach- 
gau;  auch  seine  Beziehungen  zum  Kloster  Brauweiler  endlich 
sprechen  stark  dafür,  daß  er  mit  dem  Hause  des  Pfalz- 
grafen Ezzo  verwandt  war,  dem  sein  Vorgänger  angehörte.*' 

Bezüglich  des  Grafen  Theoderich  aber  habe  ich  in  der 
folgenden  Tafel  eine  Vermutung  zum  Ausdruck  gebracht, 
deren  Begründung,  als  hier  zu  weit  führend,  bei  anderer 
Gelegenheit  versucht  werden  soll.  Es  bliebe  also  nur  Graf 
Hermann  als  Ahnherr  der  letzten  Grafen  von  Gleiberg  übrig, 
deren  übersichtliche  Zusammenfassung  vorstehend  versucht 
worden  ist. 

Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  die  Herren 
von  Merenberg  durch  Beerbung  eines  Grafen  Otto  von  Glei- 
berg Mitherren  von  Gleiberg  geworden  sind.**  Sein  an  ge- 
fälschter Urkunde  hängendes  Siegel  ist  unter  No.  7  der  Siegel- 
tafel wiedergegeben. 

Meine,  in  der  genealogischen  Tafel  gegebene  Hypothese 
über  die  Abstammung  der  Grafen  von  Are  aus  dem  Hause 
Luxemburg  beseitigt  die  Schwierigkeit,  daß  die  halbe  Herr- 
schaft Gleiberg  allein  kein  Äquivalent  für  die  den  anderen 
Söhnen   Graf   Friedrichs   zugefallenen  reichen   Besitzungen 
gewesen  sein  kann.^^    Bereits  Witte  hat  die  Momente  her- 
vorgehoben,   die    für   eine    Verwandtschaft   beider   Häusef 
sprechen.    Die  Güter  um  den  Laacher  See  würden  danacl* 


2^  So  schon  Lacomblet  im  Archiv  f.  d.  Gesch.  des  Niederrlieins,  H^» 
J,  S.  33.  Die  späteren  Beziehungen  seiner  Witwe  zu  Limburg  a.  d.  I^b'* 
erklären  sich  einfach  aus  ihrer  dritlcn  Ehe  mit  Heinrich  v.  Laach. 

24  Der  Zweifel,  den  Wyß  (a.  a.  0.,  S.  458ff.)  an  der  Existenz  eines 
Grafen  Otto  von  Gleiberg  erhoben  hat,  läßt  sich  gegenüber  dem  meder 
aufgelundenen  lateinischen  Original  des  Eppsteiner  Lehnbuches,  dess^o 
Veröflentlicliung  durch  Herrn  Archivdirektor  Dr.  Wagner  bevorsteht,  nicht 
aufrechterhalten. 

2'»  Auch  Graf  Wilhelm  von  Gleiberg  war  zu  Thür  im  Maiengau  be- 
gütert. 


Alt-Gießen.  229 

i  den  ältesten  Besitzungen  des  Hauses  Luxemburg  ge- 
>ren  können,  über  dessen  Abstammung  ich  mich  bei 
iderer  Gelegenheit,  abweichend  von  Parisot,  äußern  werde. 

.  Graf  Heribert.  —  Das  Alter  der  Burg  Gleiberg. 

Der  Schwiegervater  des  Grafen  Friedrich  von  Luxom- 
irg,  der  ihm  als  Mitgift  seiner  Tochter  die  Burg  Gleiberg 
igewiesen  haben  muß,  war  der  Konradiner  Graf  Heribert, 
r  jüngste  Sohn  des  Grafen  Udo  (f  949),  der  der  Wetterau 
id  dem  Oberrheingau  vorstand.-«^  Die  Mutter  Heriberts 
unmtc  aus  dem  Hause  Vermandois.  Vermählt  war  er  mit 
nintrud  (Imiza),  einer  Tochter  des  Grafen  Megingoz  und 
r  Herzogstochter  Gerberge  von  Lothringen.*^ 

Heribert  starb  im  Jahre  992,  nicht  997,  wie  man  seither 
ich  einer  unbestimmten  Angabe  Thietmars  annahm.-»  Sein 
)destag  war  vielleicht  der  5.  Juni ;  es  findet  sich  im  Nekro- 
gium  des  S.  Cyriaciklosters  Naumburg  in  der  Wetterau  ein 
ntrag,  den  man  auf  ihn  beziehen  kann.^»  Dieses  in  der 
jrg  Naumburg  errichtete  Kloster  scheint  bereits  eine  Grün- 
ing  seiner  Vorfahren  gewesen  zu  sein.  Auch  ein  uneho- 
zhev  Sohn  Heriberts,  namens  Bernhart  oder  Bennelin,  bo- 
rhenkte es  im  Jahre  1035  mit  einigen  Hörigen.^» 

Aus  einem  Beichsaufgebot  für  Italien  vom  Jahre  981 
rhellt,  daß  Graf  Heribert  selbst  mit  20  Gepanzerten  zu  er- 
icheinen  hatte. ^i  Im  Todesjahre  Heriberts  verfügte  König 
3tto  die  Bückgabe  der  ihm  zu  Benefiz  verliehenen  Güter  des 
vlosters  S.  Maximin,  die  im  Nahegau,  Wormsgau  und  Speier- 
;au  gelegen  waren.  Im  Jahre  976  lagen  drei  Orte  bei  Geln- 
hausen im  Kinziggau  in  der  Grafschaft  Heriberts. 3-  Daß  er  die 
^urg  Gleiberg  bereits  besessen  hat,  das  erhellt  aus  einer  Nacli- 


^''  rdo  war  ein  Sohn  dos  910  verstorlienen  Herzogs  Gebhard  von 
'^•hringen. 

"'  Siehe  meine  genealogischen  Studien  zur  Reichsgescliichte  im  Ar- 
*^'v  f.  hess.   Gesch.  u.   A.   K..   N.   F.   III,  S.  351  ff. 

^      **'  Mon.  Germ.  SS.  XIII,  S.  20H.  Z.  48:  Ob  Horibraht  comes;  S.  207, 
'•4:  Oh   Heribran(h)t   comes.     Thietmari   Chron.    IV,   60. 

20  Oroßh.  Hofbihiiothek  zu  Darmstadt,  Handschrift  J.  1955  fol.: 
'^'iifacii  episcopi.  Obiit  Herebertus.  Qui  contulit  mojiaslerio  nostro  pro 
^^edio  anime  sue  quedam  mancipia  et  jus  (juod  habemus  in  ErbsUit. 

5"  Schmidt.  Zur  Gesch.  d.  Kl.  Naumburg,  im  Archiv  f.  hess.  Gesch. 
•  A.  K.,  I,  S.  2J3ff.  —  Im  Necrologium  ist  die  Schenkung  zum  1.  Ja- 
uar  eingetragen.  —  Dieser  Bennelin  scheint  sich  auch  als  Zeuge  seines 
'^ders  Otto  v.  Hammerstein  bei  einer  Sclienlcung  an  die  Abtei  Werden 
1  finden.     H.   Bresslau  in   Forsch,   z.   D.   Gesch.,   XXI.  S.   405. 

«'  Neuester  Abdnick  bei  Uhlirz,  Jahrbücher  d.  I).  R.  unter  Otto  II. 
»•  III..  Exkurs  VIII.    -  32  M.  G.,  DD.  II,  No.  128. 


230  Gustav  Frhr.  Schenk  zu  Schweinsberg. 

rieht,  die  seine  an  Weif  II.  vermählte  Enkelin  Imiza  von 
Luxemburg  betrifft.  Sie  stamme  aus  dem  salischen  Ge- 
schlecht von  der  Burg  Gleiberg.  Das  kann  sich  nur  auf  die  Her- 
kunft ihrer  Mutter  beziehen;  es  bedeutet,  daß  Gleiberg  von 
diesem  Geschlecht  bereits  bewohnt  war.  Ich  halte  es  aber  für 
unwahrscheinlich,  daß  es  eine  alte  Feste  der  Wetterauer  Kon- 
radiner  gewesen  ist,  deren  Hauptsitz  im  mittleren  Lahngau 
vielmehr  das  benachbarte  Wetzlar  war.  Die  Grenze  des 
Wetzlar  umgebenden  Bannforstes  lief  so  nahe  an  Gleiberg 
her,  daß  es  bei  dessen  Abgrenzung  nicht  Sitz  eines  Kon- 
radiners  gewesen  sein  wird.  Auch  findet  sich  innerhalb  des 
zum  Gleiberg  gehörigen  Gebietes  ein  alter  Herrensitz  zu  Oden- 
hausen  a.  d.  Lahn,  der,  seinem  Namen  nach,  Gründung  eines 
Udo  ist.  Er  diente  noch  im  13.  Jahrhundert  als  Witwensiiz 
der  Herrschaft  Merenberg.^^  Auch  das  Nichtvorhandensein 
einer  Klosterstiftung  zu  Gleiberg  spricht  für  eine  spätere 
Entstehung;  etwa  nach  der  Erbteilung,  die  Heribert  mit 
seinen  Brüdern  getroffen  hat;  also  nach  der  Mitte  des 
10.  Jahrhunderts. 

Die  Grafschaft  in  dem  vom  Dekanat  Wetzlar  des  Erz- 
bistums Trier  eingenommenen  Teile  des  Lahngaues,  der 
sich  von  Gießen  bis  Weilburg  zu  beiden  Seiten  der  Lahn 
erstreckte,  scheint  nach  der  Katastrophe  des  Herzogs  Eber- 
hard den  Konradinem  nicht  mehr  zugestanden  zu  haben. 
Während  des  10.  und  11.  Jahrhunderts  finden  sich  wenigstens 
keine  Grafennamen,  die  sich  mit  der  Familie  des  Grafen 
Heribert  oder  seiner  Erben  in  Verbindung  bringen  ließen. 
Es  scheint,  daß  erst  im  12.  Jahrhundert  die  Grafenrecht^ 
in  der  östlichen  Hälfte  des  Gebietes  an  das  Haus  Gleiberg 
gelangten,  das  bis  dahin  seine  Grundherrschaftals  Immunitat 
besessen  haben  wird.  Die  Art  der  Verteilung  der  Gerichts- 
barkeit im  Hüttenberg  zwischen  Hessen,  Nassau  und  der 
Herrschaft  Clc^berg  legt  allerdings  die  Vermutung  nahe,  daß 
mindestens  die  Centgerichtsbarkeit  dort  schon  frühe  zu  Glei- 
berg gehörte;  während  noch  1065  das  zum  Hüttenberg  gc 

33  Jni  Jahre  1906  habe  ich  hinter  dem  Kirchhofe  von  Odenhaus^i* 
die  Reste  eines  wahrscheinlich  quadratischen  Wohnturmes  von  über  9  Met^^ 
Seitenlang«'  bloßgelegt,  dessen  Mauerstärke   1,50  beträgt.     Er  gehörte  t^ 
einem  Herrenhofe,  der  jetzt  größtenteils  von  dem  Kirchhof   bedeckt  ist- 
Die   Kirche,    eine   kleine   romanische   Basilika,   gehörte  sicher   bereits  f* 
diesem   Herrenhofe.    — *    Über   Odenhausen,   auf   dem   Gipfel    des   Berge* 
Altenburg,  habe  ich  vor  einigen  Jahren  einen  ovalen  Mauerring  festgestellt- 
Die  gut  mit  Speiß  versehenen  Bruchsteinmauem  haben  eine  Fundameiit^ 
stärke  von  ca.  2  m;  der  Umfang  des  Mauerzugs  beträgt  384  m,  die  gröW* 
Breite  77  m;  der  Inhalt  0,95  Hektar.     Da  sich  keinerlei  Sparen  d«r  de- 
Wohnung  dieser  Stätte  fanden,  so  scheint  diese  Burganlage  unvollendet  ge- 
blieben zu  sein. 


Alt-Gießen.  231 

örige  Großen-Linden  in  der  Grafschaft  eines  Grafen  Wern- 
er lag. 

Auch  die  oberlahngauische  Grafschaft  Ruchesloh,  die 
n  Beginn  des  13.  Jahrhunderts  den  Herren  von  Merenberg 
Is  Allod  zustand,  zeigt  in  früherer  Zeit  fremde  Grafen- 
amen, die  freilich,  ebenso  wie  im  Hüttenberg,  Vasallen- 
imilien  der  Konradiner  und  ihrer  Erben  angehört  haben 
önnten. 

Daß  die  übrijgen  Kinder  Graf  Heriberts,  insbesondere 
rraf  Otto  von  Hammerstein  und  Gerberga,  Markgräfin  von 
chweinfurt,  teil  an  Gleiberg  gehabt  hätten,  dafür  findet 
ich  keine  Spur.  Sie  sind  offenbar  mit  anderen  Besitzungen 
bgefunden  worden. 

Auch  die  Pfalzgrafen  von  Tübingen  hatten,  obgleich 
ie  in  der  Burg  Gießen  Alleinbesitzer  waren,  ihren  Anteil 
n  Gleiberg  nicht  etwa  aufgegeben.  In  der  Sühneurkunde 
wischen  Hessen  und  Merenberg  vom  Jahre  1265,  die 
wistigkeiten  anläßlich  des  Ankaufes  der  Herrschaft  Gießen 
eilegte,  überträgt  der  Landgraf  alle  Rechte  und  Ansprüche, 
ie  der  Verkäufer,  Ulrich,  Graf  von  Tübingen,  an  der  Burg 
lleiberg   hatte,   dem   Herrn   von   Merenberg  zu   Eigentum. 

Endlich  vermag  der  Grundriß  der  Burg  Gleiberg 
lelbst  uns  vielleicht,  neben  der  Geschichte  ihrer  Herren, 
Vnhaltspunkte  zu  gewähren,  die  für  die  älteste  Geschichte 
Qießens  ins  Gewicht  fallen  können. 


Aus  der  hier  beigefügten,  nach  dem  Gleiberg-Führer 
'^^fgestellten  Skizze  des  ältesten  Teiles,  der  Oberburg  Ghd- 
^rg,  erhellt,  daß  zu  beiden  Seiten  des  innersten  Tores  a 
*^^ndere  Baugruppen  lagen;  jede  hatte  einen  Berchfrit 
w  Und  c)  und  daran  anstoßende  Wohngebäude  (d  und  e). 
P^r  zwischen  den  beiden  Baugruppen  gelegene  Hof  (f)  harrt 
^^  seinem  oberen  Teil  noch  der  Aufräumung.  Die  Reste  der 
romanischen  Kapelle  liegen  im  westlichen  Teile  bei  g.  Dieser 
Befund  entspricht  dem,   was   wir  aus  der  Geschichte  der 


2:^12  Gustav  Frhr.  Schenk  zu  Schweinsberg. 

Burgherren  erfahren  haben,  daß  nach  dem  Jahre  1136  nur 
noch  zwei  Linien  an  der  Burg  beteiligt  gewesen  sind. 

Auch  mir  erscheint  die  Art  des  Mauenwerks  an  dem 
viereckigen,  in  der  Außenmauer  stehenden,  gebrochenen 
Berchfrit  erheblich  älter  zu  sein  als  die  des  freistehenden 
runden  Turmes  b.  Der  Turm  c  ist  aus  verhältnismäßig 
kleinen,  rauh  behauenen  Stücken  hergestellt,  die  eine  recht- 
eckige Vorderseite  zeigen,  während  der  Turm  b  aus  Basalt- 
säulen aufgemauert  ist.  Die  Mauerstärke  des  viereckigen 
Tunnes  beträgt  nach  meiner  Messung  3,65  m,  die  lichte  Weite 
des  Innenraumes  4,65,  so  daß  also  die  Seitenlänge  nahezu 
12  m  erreicht. 3* 

Es  scheinen  mir  zwei  Möglichkeiten  zur  Erklärung  vor- 
zuliegen. 

i.  Nach  der  Zerstörung  der  Burg  im  Jahre  1103  fand 
der  Neubau  des  viereckigen  Turmes  statt.  Später,  nach 
1136,  wunle  die  Burg  geteilt,  der  Besitzer  der  Osthälfte 
errichtete  sich  dann  den  Rundturm  auf  seinem  Alleineigen 
tum.  VjT  oder  seine  Erben  kamen  in  Streit  mit  ihrem  Nach- 
barn, und  zerstörten  ihm  den  alten,  früher  gemeinsamen  vier- 
eckigen Berchfrit.  Der  so  in  seiner  Sicherheit  Bedrohte 
baute  sich  eine  neue  Burg  im  Tale  zu  den  Gießen. 

2.  Nach  der  Zerstörung  von  1103  wurde  die  Trümmer 
Stätte  geteilt.  Der  Herr  der  Osthälfte  baute  sich  einen  neuen 
nmden  Berchfrit,  während  der  der  Westhälfte,  auf  dessen 
Anteil  der  1103  gebrochene  viereckige  Berchfrit  gefallen 
war,  sich  nicht  zu  einem  Neubau  auf  Gleiberg  entschloß, 
sondern  (ließen  erbaute.  Er  behielt  seine  Rechte  auf  die 
Hälfte  von  Gleiberg  zwar  bei,  machte  aber  immer  weniger 
Gebrauch  davon.  Erst  1265  ging  das  volle  Eigentum  der 
Wcsthälfto  auf  den  Herrn  der  Osthälfte  über.^^ 

'  -''^  Die  völlige  Ausräumung  dos  Turmes  und  Hofes  steht  bevor;  aurb 
die  UntorsiKhunu  der  höher  erhaltenen  Turmwand  nach  dem  Albertusbau 
hin   \v;ir('  erwünscht. 

"'*  Herr    Dr.   Dersch   hat  in  einem  Marburger  Vortrag,  über  den  die 
Oherhessisclie  Zeitung  referierte,  die  Ansicht  geäußert,  daß  der  viereckig«? 
Herchfrit  noch   loGl  bestanden  liaben  müsse.     Er  stützt  sich  auf  eine  ini 
Marburger  Staatsarchiv  verwahrte  flüchtige  Kartenskizze,  die  in  jenem  Jahr^ 
anläßlicli   von    Grenzstreitigkeiten   zwischen   Hessen   und   Nassau   gefertigt 
w(»r<Ien   ist.     (legonüber  der  deutlichen   Federzeichnung  Dilichs  von  1591 
und   der   guten   Ansicht  der   Burg   bei  P.   Fürst,   Lihellus  novus  politicus 
pp.    VI,    F    17.    1638,   müßte  dann  die   Zerstörung  des  Turmes  vor  1591 
geschehen  sein.     Ks  fehlt  aber  auch  keineswegs  an  älteren  Skizzen^  di« 
deutlich  nur  den   einen  runden  Berchfrit  zeigen;  z.  B.   Plan  No.  662  in» 
l)iiiu*släulci'   Haus-  u,    Staatsarchiv,   der  zu   denselben  Grenzstreitigkeiten 
gehört,  wie  der  I^lan  von  1561.     Zudem  ist  der  Marburger  Plan  von  !5C- 
ganz  schematisch  ausgeführt:  er  zeigt  keine  Spur  des  Bemühens,  sorgfältig 
den   Zustand    d(M-   Burg   wiederzugeben.      Vergl.   auch:   Hessenland  1906, 
X.  20,  21  u.  23. 


Alt-Gießen.  233 

Da  Graf  Wilhelm  von  Gleiberg  (1131—1158)  in  seinen 
•künden  stets  allein,  ohne  Erwähnung  seines  an  Gleiberg 
tbeteiligten  Verwandten,  handelt,  so  scheint  mir  die 
ilung,  wie  sie  später  zwischen  Hessen  und  Nassau  vor- 
nden  war,  schon  frühe,  etwa  bald  nach  1136,  statt ge- 
aden  zu  haben. 

Die  Nichterwähnung  von  Gießen  zwischen  den  Jahren 
36  und  1197  ist  meines  Dafürhaltens  kein  genügender 
rweis  dafür,  daß  die  Burg  erst  kurze  Zeit  vor  1197  er- 
•htet  worden  ist. 

Die  Lage  und  die  Reste  der  Gießener  Grafenburg. 

Man  hat  in  Gießen  drei  Burgen  oder  Schlösser  zu 
iterscheiden : 

1.  Die  Grafenburg  aus  dem  12.  Jahrhundert,  die  den 
ilaß  zur  Gründung  der  Stadt  gab.  Sie  hieß  im  15.  Jahr- 
mderi   die  alte  Btirg,   im  Gegensatz  zu  einem  Neubau. 

2.  Die  zweite  Burg,  der  Sitz  des  landgräflichen  Amt- 
anns; später  das  alte  Schloß,  die  Kanzlei,  genannt.  Ihre 
rbauungszeit  ist  unbekannt;  sie  fiel  vermutlich  mit  der  Er- 
eiterung  der  Stadt  zusammen;  also  etwa  in  das  erste 
iertel  des  14.  Jahrhunderts. 

3.  Das  neue  Schloß,  das  erst  etwa  1537  von  Land- 
[raf  Philipp,  anläßlich  der  Erbauung  der  Festungswerke  er- 
ichtet  wurde. 

Die  falsche  Datierung  dieses  dritten  Baues  hatte  früher 
Mißverständnisse  verursacht.  Hier  soll  die  Lage  der  Grafen- 
>urg  und  ihre  Ausdehnung,  genauer  als  seither  bestimmt 
^erden.36 

Johann-Just  Winckelmann,  der  1620  als  Sohn  eines 
Superintendenten  in  Gießen  geborene  Verfasser  der  Hessi- 
schen Chronic,  hatte  bereits  die  richtige  Auffassung,  die 
*ich  späteren  Anzweifelungen  gegenüber  bestätigt  hat.^" 

'^  Frühere  Literatur:  F.  Kraft,  Gesch.  v.  Gießen  etc.,  S.  136 ff. 
J^ine  daran  anknüpfende  Ausführung  im  Archiv  f.  hess.  Geschichte  etc., 
p\  S.  427 ff.  H.  V.  Ritgen,  Die  erste  Anlage  Gießens  und  seiner 
Befestigungen,  im  IV.  Jahresbericht  des  ol)erhess.  Vereins  f.  Lokalgeschichte, 
>.  35  ff. 

^'  Hessenlands  Beschreibung,  H,  Cap.  6.  S.  209: „darzwischen 

'Onegst  ein  Burg-Schloß  gestanden,  itzo  noch  die  alte-Hurg  genant,  dessen 
"6  ifauren  mit  dem  Umgang  und  .Schießlöchern  in  der  Mitten  zusehen .... 
?  gedachter  Alten  Burg  sind  die  Gebäue  und  Gründe  frey,  darin  ist  auch 
10  Superintcndur  mit  Hauß,  Hof,  Stall  und  Garten  begriffen,  an  deren 
^  Schwaibach  adelichen  Wohnung;  ist  vormals  ein  Fürstl.  Lehen  ge- 
wesen, aber  im  Jahr  1585  mit  Bewilligung  des  I^ands-Fürsten,  von  den 

^veldoii   erblich   zum   Ober-Pfarrhauß   erkauft   Die   Haubt-Kircho 

^ehet  negst  bey  der  alten  Burg." 


1234  Gustav  Frhr.  Schenk  zu  Schweinsberg. 

Aus  dem  beigefügten  Grundriß  erhellt,  was  sich  bis- 
her von  den  Resten  der  Burgmauern  gefunden  hat,  und  wie 
sich  deren  Ergänzung  etwa  zu  denken  wäre.  Ich  schätze  den 
Flächeninhalt  dieser  Wasserburg  auf  fast  31/2  Morgen,  wozu 
dann  noch  der  breite  äußere  Graben  käme. 

Sie  bestand  aus  einer  im  Rechteck  angelegten,  mit  hohen 
Mauern  umgebenen  inneren  Burg  von  etwa  46  m  X  28,5  m, 
deren  Einbauten  sich  auf  den  Palas  des  Grafen  und  einen 
Berchfrit  beschränkt  haben  .werden.  In  dem  geräumigen 
Zwinger,  der  in  unregelmäßig  eiförmiger  Gestalt  die  innere 
Burg  umgeben  haben  muß,  hat  man  die  Ställe  und  Scheuem, 
auch  die  Unterkunftsräume  für  die  Burgmannen  und  das 
Gesinde  zu  suchen.»»  Über  das  Vorhandensein  einer  Vor- 
burg wird  weiter  unten  die  Rede  sein. 

Auf  der  Grundrißskizze  sind  die  Umrisse  der  Häuser 
und  Hofreiten,  sowie  ihre  Nummern,  nach  der  amtlichen  Auf- 
nahme eingetragen.  Seitdem  ist  über  die  Burgstätte  die 
Kirchstraße   neu   durchgeführt  worden. 

Die  vorhandenen  Mauerreste  und  die  Spuren  der  Graben- 
anlagen sind  mit  dem  bezüglichen  Urkundenmaterial  nach- 
stehend   übersichtlich   zusammengestellt   worden. 


A.  Die  innere  Grafenburg. 

1.  Die  Reste  der  Burgmauer.^* 

Erhalten  sind  über  der  Erde  in  dem  Wohnhause  der  j 
Hofreite  Flur  I,  No.  1088  (1887  Eigentümer:  Wallenfels,  '; 
August ;  bis  1772  Lehen  der  Familie  v.  Schwalbach,  dann 
dem  Landesherrn  heimgefallen),  die  Außenmauern  nach 
Westen  und  Norden  (1,50  m  stark  und  9,50  m  hoch).*®  Süd- 
lich an  diese  Hofreite  stößt  die  Hofreite  Flur  I,  No.  1093, 
„hinter  dem  Burggraben**  (1887  Eigentümer:  Leib,  Karl  und 
Ehefrau,  früher  ein  Teil  der  alten  Superintendentur,  1807 
an  Wagner  Loos  verkauft).  Die  westliche  Hausmauer  ist 
die  Verlängerung  der  des  nach  Norden  anstoßenden  Hauses 
Wallenfels.  Südlich  daran  stieß  in  derselben  Hofreiie  ein 
dreistöckiges  Wohnhaus  (die  alte  Wohnung  des  Superinten 
deuten),  deren  Westwand,  die  Fortsetzung  des  seither  ver- 


3«  Dio  Anordnung  des  Grundrisses  erinnert  an  die  Burg  Nordeck,  die 
aus  romanischer  Zeit  stammt.   —  3^  v.   Ritgen,  a.  a.  0.,  S.  42 — 44. 

*o  Kraft,  a.  a.  0.,  S.  136.  v.  Ritgen  sagt,  in  der  Westmauer  bitten 
sich  zwei  Rundbogenfenster  in  tiefen  Nischen  befunden,  die  sp&ter  er- 
weitert und   ins   Viereck  umgestaltet  worden  seien. 


Alt-Gießen.  235 

Igten  Maüerzugs  war.*i  Auch  zur  Südseite  dieses  Wohn- 
Luses  muß  als  Fundament  die  Burgmauer  benutzt  worden 
in.  Bei  Anlage  der  Baugrube  zum  neuen  Pfarrhause  (Flur  I, 
3.  1095),  das  über  der  Ecke  des  alten  Baues  steht,  trat 
e  Südwestecke  der  Burgmauer  gut  erhalten  zutage.*^  Da- 
it  wäre  die  Länge  der  Mauer  und  die  Richtung  dreier 
iiien  derselben  festgelegt.  Für  die  Lage  der  vierten,  der 
ätseite,  scheint  zwar  v.  Ritgen  auch  Anhaltspunkte  ge- 
nden  ^u  haben,  bezeichnet  sie  aber  leider  nicht  näher.*^ 
ir  diese  nach  der  Kirche  zu  gerichtete  Seite  des  Recht- 
;ks  der  inneren  Burg  liegt  mir  nur  eine  sichere  An- 
ibe  aus  dem  Jahre  1772  vor.  Als  damals  das  heimgefallene 
^hwalbachische  Burghaus  (I,  No.  1088)  für  den  landgräf- 
:!hen  Oberamtsverwalter  hergerichtet  wurde,  berichtet  der 
berst  und  Oberbaudirektor  L.  J.  Müller:  die  Hofmauer  sei 
3ihr  ruiniert,  sie  habe,  dem  Ansehen  nach,  vor  alten  Zeiten 
ine  Defensionsmauer  vorstellen  müssen.  Insoweit  solche 
ach  dem  Kirchenplatz  zu  gehe,  wolle  sie  der  Oberamts- 
erwalter  Sues  heruntergebrochen  haben,  weil  der  Hof  allzu 
nge  davon  eingeschlossen  sei.  Hier  wird  man  also  die  von 
Ä'inckelmaan  beschriebene  alte  Mauer  mit  dem  Umgang 
und  den  SchieÄlöchem  zu  suchen  haben. 

Verlängert  man  die  Nordwand  des  schwalbachischen 
Hauses  (1088)  bis  zur  heutigen  Grenze  der  Hofreite  nach 
dem  Kirchenplatz  zu,  so  wird  man  jedenfalls  ganz  in  der 
^ähe  der  Nordostecke  der  inneren  Burg  sein.  Eine  Parallele 
durch  diesen  Punkt  zu  der  Westmauer  schneidet  die  Hof- 
reite 1092,  dann  die  schmälste  Stelle  der  Kirchgassc,  und 
trifft  rechtwinklig  mit  der  Verlängerung  der  Südmauer,  etwa 
an  der  Grenze  der  alten  Parzellen  1100  und  1099a,  zu- 
sammen. An  diese  schmälste  Stelle  der  Kirchgasse  setze  ich 
die  1527  erwähnte  Behausung  in  der  alten  Burg  neben  und 
über  der  Porthen.  Dieses  innere  Burgtor  lag  danach  nahe 
der  Südostecke.  Für  den  von  Ritgen  vermißten  Berchfrit 
stehen  bisher  nicht  überbaute  Hof-  und  Straßenflächen  inner- 
halb der  Herrenburg  zur  Verfügung.  Auch  ist  es  nicht  aus- 
geschlossen, daß  ihn  eine  der  älteren  Bauten  überdeckt  hat. 


**  Beim  Abreißen  dieses  Baues  im  Jahre  1868  scheint  leider  keine 
^'•'fnahmo  der  Mauer  stattgefunden  zu  hahen.  Laut  Bericht  von  1779  he- 
jUnd  diesc'  Wand  des  Hauses  aus  Stein.  (Großh.  Haus-  u.  Staatsarchiv, 
*hen,  Pfarrgebäude,  Gießen.) 

*-  Eigene  Erinnerung,  die  die  allgemein  gehaltene  Angabe  v.  Ritgens 
^tätigt. 

*-'*  Nach  seiner  Rechnung  müßten  die  Nord-  und  Südseite  je  32  m 
^'^g  gewesen  sein,  während  icli  nur  28,50  m  annehme. 


i2:^ö  Gustav  Frhr.  Schenk  zu  Schweinsberg. 

2.  Urkundliches  über  die  Hofreiten  der  inneren 

Grafenburg. 

a.  Der  erste  schwalbachische  Burgsitz  (I,  No.  1088; 
daranstoßend  im  Zwinger,  1089  und  1090).  Dieser  Burg- 
sitz in  der  alten  Burg  zu  Gießen,  ein  Hauptwohnsitz  der 
Familie,  war  hessisches  Lehen.  Er  fiel  1771  dem  Lehns- 
herrn heim. 

b.  Der  zweite  schwalbachische  Burgsitz  (Teil  von 
1099a  und  1100).  Dieser  Burgsitz,  gelegen  zwischen  dem 
Kirchtunn  und  der  Superintendentur,  war  ebenfalls  hessi- 
sches Lehen.  Er  grenzte  1712  an  das  Haus  des  Kriegszahl- 
meisters Meurer,  der  ihn  mit  lehnsherrlichem  Konsens  von 
den  von  Schwalbach  erwarb.**  Es  sei  ein  uraltes  Gebäude 
nebst  Gärtchen.  Das  Meurersche  Haus  lag  an  der  Kirch- 
gasse, gegenüber  dem  Kirchturm  und  der  Hofreite  No.  1092. 
Es  gehörte  nach  und  nach  dem  Superintendenten  Dr.  Lieb- 
knecht, dem  Advokat  Dr.  Liebknecht,  dem  G.  K.  Filimann. 
Im  Brandkataster  von  1819  führte  es  die  Nummer  18.*^ 

1695  wird  der  Garten  bezeichnet  als  gelegen  bei  dem 
Haus  in  der  Altenburk,  wo  die  Durchfahrt  unterher 
gehet,  an  der  Frau  Clodien  Hauß*«,  mit  dem  Platz,  wo 
die  Scheuer  darauf  gestanden  bei  dem  Habs.*^  Ein  alter 
Vermietungsvertrag  dieses  Hauses  vom  Jahr  1527  bezeichnet 
es  als  die  Behausung  in  der  alten  Burgk  beyneben  und 
über  der  Porthen  und  die  Schuwer  daran,  den  Garten 
bueßen  der  porten  zu  der  obgemelten  Behausung  gehörig. 
Die  V.  Schwalbach  verliehen  sie  damals  an  den  Stadt- 
schreiber Job.  Hornigk,  der  die  verfallenen  Gebäude  wieder 
herstellen  sollte.*« 

An  der  engsten  Stelle  der  Kirchgasse  befand  sich  also 
noch  1695  die  alte  überbaute  Pforte  in  die  innere  Burg. 

c.  Der  erste  und  zweite  Burgsitz  der  v.  Roden- 
ha  Ilsen.  Diese  Familie  trug  noch  1496  zu  hessischen  Lehen: 
Ein  Haus  mit  seiner  Zubehörung  gelegen  zun  Gießen  in- 
wendig der  Altenburg,  und  noch  ein  Haus  nebst  Zubehöning 
daselbst  gegen  der  von  Dembach  Hausung,  die  früher  der 
verstorbene  Graft  v.  Rodenhausen  gehabt  habe.*^    Im  Jahre 

^^  Großh.   Haus-  u.   Staatsarchiv,   Lehnsakten,  v.   Schwalbach. 

^'*  Großh.  Ürtsgcricht  Gießen,  Kataster,  errichtet  zwischen  1728  und 
1743  und  später  fortgeführt. 

4«  Vergl.    hei    2,   d.     Gemeint   ist   die   Hofreite  No.    1092. 

♦^  (Jroßh.  Haus-  u.  Staatsarchiv,  Lehnsakten,  Band  betr.  Ausfindig- 
machung  der  Lelmsl)estandteile  von   1695  ff. 

♦^  Großh.  ILius-  u.  Staatsarchiv,  Urkunden,  Gießen.  Alte  Abschrift 
aus   Nebels  Nachlaß. 

*•♦  Großh.  Haus-  u.  Staatsarcliiv,  Leluil)uch  Landgraf  Wilhelm  lH. 
fol.  81'. 


Alt-Gießen.  ^7 

erkauften  die  Lehenträger  dem  Lehnsherrn  ihre 
g  mit  dem  Beihaus  und  der  Hofstätte  dabei  in  der 
rg  zu  Gießen  gelegen.^^  Es  ist  als  sicher  anzunehmen, 
3  dieselbe  Hofreite  ist,  die  Landgraf  Philipp  im  Jahre 
inem  Rentmeister  zu  Gießen,  Endres  Salfelt  genannt 
rn  und  seiner  Hausfrau  auf  Lebenszeit  einräumte, 
d  in  der  Urkunde  als  die  landgräfliche  Behausung 
lem  Pfarrkirchhof  bezeichnet."  Diese  Vergünstigung 
ielte  der  Landgraf  später  in  ein  Mannlehen.  In 
henrevers  der  Söhne  Salfelts  wird  es  als  landgräf- 
reihaus,  an  Joh.  v.  Schwalbachs  Behausung  gelegen, 
net.  Im  Jahre  1585  verkauften  die  salfeltischen 
^itzer  dieses  Haus  an  den  Gotteskasten  zu  Gießen, 
er  Lehnsherr  1590  einwilligte, 
j  älteste  der  beiden  Häuser  in  der  Superintendentur 
1807  veräußert  (No.  1093),  das  andere  wurde,  wie 
wähnt,  abgerissen.  Es  liegt  eine  Skizze  über  den 
iieser  großen  Hofreite  aus  dem  Jahre  1780  vor. 
ilich  fällt  jedenfalls  zum  Teil  noch  in  die  innere  Burg 
der  Burgsitz  der  von  Dernbach  (I,  No.  1092, 
ihörig  Knoll,  Wilh.,  und  Ehefrau).  Obgleich  diese 
ing  während  des  15.  Jahrhunderts  öfters  erwähnt 
>  fehlt  es  doch  an  älteren  auf  sie  bezüglichen  Lehns- 
jn.  Als  im  Jahre  1661  ein  Bauplatz  für  den  Super- 
it  Dr.  Misler  gesucht  wurde,  kam  ein  solcher  auf 
rchhof,  hart  an  dem  schwalbachischen  Hause  in 
lg.  Der  noch  mit  einem  Kellergewölbe  versehene 
n  lange  Jahre  her  wüst,  früher  habe  nur  ein  Stall 
gestanden.  Es  heiße,  er  sei  ein  Lehen,  das  die 
hach  trügen,  die  es  aber  an  die  vom  Scheide  ge- 
Veschpfennig  versetzt  hätten. 

V.  Dernbach  bestreiten  die  Lehnseigenschaft  und 
i  sich  zum  Verkauf  bereit^-,  der  auch  zustande  kam. 
N.  Misler  erbaute  ein  Wohnhaus,  das  er  an  eine 
i  Professor  D.  Clodius  verheiratete  Tochter  vererbte, 
lofreite  wechselte  häufig  ihre  Besitzer.  Im  Jahre 
körte  sie  einem  Herrn  v.  Rottenhoff^»,  der  sie  meist- 
veräußem  ließ.    Dies  Anwesen  wird  erst  nach  Zer- 

der  Ostmauer  angelegt  worden  sein;  es  erstreckt 
er  die  innere  Burg  hinaus  in  den  Zwinger  hinein. 


rroßh.   Hans-  u.   Staatsarchiv,   Urkunden,  Gießen, 
litteilung   des   Staatsarchivs   Marburg;   aus  dem   Idauen   Kopiare 
224.  —   52  Großh.   Haus-  u.   Staatsarchiv,  Pfarrakten,  Gießen, 
ficht  „V.   Rotenliausische",  wie  v.  Ritgen,  a.  a.  0.,  S.  44,  irrig 


238  Gustav  Frhr.  Sclienk  zu  Schweinsberjf. 

B.  Der  Zwinger. 

1.  Burgmannshäuser  im  Zwinger. 

a.  Der  Hof  der  Familie  Riedesel  v.  Bellersheim 
(Flur  I,  No.  1097  und  1098,  Hofreite  hinter  dem  Burggraben. 
1887 :  Baltzer,  Karl).  Seit  1455  bis  zum  Heimfall  im  Jahre 
1599^*  findet  sich  ein  Zweig  der  Familie  Riedesel  v.  Bellers- 
heim im  Besitz  eines  hessischen  Burglehens:  ein  Haus  mit 
Scheuern  und  Hofreite  gelegen  zu  den  Gießen  in  der  Alten- 
burg. Seit  1599  wird  das  Einkommen  aus  diesem  Lehen 
an  Miete  und  Erbzinsen  in  der  Gießener  Amtsrechnung 
verrechnet.  Landgraf  Ludwig  hatte  einen  Teil  des  Gartens 
zu  der  nach  Norden  anstoßenden  Superintendentur  abge- 
treten, damit  darauf  eine  Scheuer  erbaut  werden  könne. 
Dieses  Stück  reichte  bis  an  die  Südmauer  der  inneren  Burg, 
umfaßt  also  etwa  die  Hälfte  der  heutigen  Pfarrhaushofreite 
(1095,  1096).  Der  Rest  wurde  1622  an  den  Vizekanzler 
Dr.  Nie.  V.  Otthera  gegen  einen  Grundzins  von  5  fl.  über- 
lassen.*^ 

Diese  große  Hofreite  wird  vermutlich  aus  mehreren 
alten  kleineren  Burgsitzen  zusammengelegt  sein. 

b.  Der  Burgsitz  der  von  Elkerhausen,  früher  den 
von  Buseck  gehörig.  1408  belehnt  Landgraf  Hermann 
Drei  v.  Elkerhausen  mit  seinem  Hof,  als  der  begriffen  hat 
gelegen  zwischen  der  Stadtmauer  und  der  Kirchen  zu  den 
Gießen,  der  ihm  von  Burkard  und  Herrn  Gernand  v.  Buseck, 
Ritter,  heimgefallen  sei.  1446  wird  der  Hof  im  Lehnbrief 
bezeichnet  als  „zu  der  Cappellen** ;  1458  wohnte  der  Lehn- 
träger darin. ^<5  j^^  Jahre  1470  willigte  Landgraf  Heinrich 
in  den  Tausch,  den  der  Lehnsbesitzer  Graft  v.  E.  über 
sein  Haus  und  Burgseß  bei  der  Kirche  zu  Gießen  mit  den 
Baumeistern  und  Heiligenmeistem  der  Gießener  Pfarrkirche 
getroffen  hatte.  Der  Tausch  sei  ,,um  merglichs  noitdorftiges 
nutzens  willen"  der  Kirche  geschehen.  Auf  dem  Rücken 
der  Originalurkunde  steht  von  wenig  späterer  Hand  „zum 
baw**.^^  Es  ist  l>ereits  früher  bemerkt  worden,  daß  der 
allein  noch  von  der  alten  Pfarrkirche  stehende  Turm  die 


^*  Der   letzte  Lehenträger  war  Quirin  Riedesel,  f  1599,   Aug.  17. 

^''  Großh.  liaus-  u.  Staatsarchiv,  Lehnsakten  und  Rechnungen.  ^^ 
späteren  Besitzer  hießen  nach  dem  Gießener  Grundbuch  Dr.  Overijfk. 
(ich.  Rat  und  Universitätskanzler  Koch,  Hofkammerrat  Emmeriing,  Georf 
Heinrich  Ehel,  Joh.  Daniel  Ebel.  —  Nach  dem  Brandkataster  von  18^^ 
führte  es  die  No.   715. 

^•"'  Copional  des  Statthalters  Rudolf  Schenck  im  Archiv  des  Oberhof» 
zu  Nieder-Otleiden,  fol.   187*  flf. 

^''    Großh.   Haus-  u.   Staatsarchiv,   Urkunden,  Gießen. 


Alt.Gie&en.  239 

reszahl  1487  trägt.  Das  Chor  der  alten  Stadtkirche 
hte  bis  auf  gleiche  Höhe  wie  das  Haus  an  der  Nordost- 
5  des  Marktplatzes,  und  war  nur  ca.  22  Fuß  von  dem 
hause  der  Schloßgasse  entfernt.^'*    Die  Kirche  ist  nach 

nach  westwärts  vergrößert  worden,  ihr  Turm  scheint 
der  elkerhausenschen  Hofreito  erbaut  zu  sein,  die  sich 

dem  Platz  zwischen  der  Kirche  und  den  Hofreiten 
2  und  1089  befunden  haben  mag.  Diese  Lagebestimmung 
zwar  nicht  ganz  sicher;  die  urkundlichen  Nachrichten 
ersprechen  ihr  aber  nicht,  wie  ein  Blick  auf  den  Lage- 
1  zeigt. 

c.  Der  dritte  Burgsitz  der  v.   Rodenhausen,   später 
von  Trohe  zuständig.     In  den  Jahren  1414  und  1440 

en  sich  hessische  Lehnsurkunden  der  v.  Rodenhausen, 
lach  sie  einen  Burgseß  zu  Gießen  auf  dem  alten  Bürg- 
ten gelegen  bei  der  Kirchen  trugen.  Im  Jahre  1471 
xien  vier  Gebrüder  v.  Trohe  mit  einem  Burgseß  zu  den 
Ben   gegen   der   Capellen   daselbst   und   3  Mark   Geldes 

der  Stadt  beliehen,  inmaßen  die  Senand  von  Roden- 
sen  und  seine  Altern  gehabt.  Die  Lage  dieses  Burg- 
es  konnte  im  Jahr  1590  nicht  mehr  ausfindig  gemacht 
•den.  auch  1627  war  sie  gänzlich  unbekannt.^»  Es  scheint, 
\  auch  dieser  Burgsitz  in  dem  Raum  zwischen  der  Kirche 
l  den  Nummern  1092 — 1088  gelegen  hat,  neben  dem 
se  der  v.  Elkerhausen.     Er  wird  also  zum  alten  Kirch- 

hinzugeschiagen  worden  sein. 

d.  Der  Burgsitz  der  Familie  Schlaun  v.  Linden, 
diard  Schlaun  hatte  1414  einen  Burgseß  in  der  Alten- 
•g  zun  Gießen  zu  hessischem  Burglehen.  Seine  Nach- 
nmen  wurden  noch  im  16.  Jahrhundert  damit  beliehen, 
»es  Lehen  kam  später  auf  die  Schetzel  und  1661  an 
1  Kanzler  Fabricius.  Er  und  seine  Lehnserben  führten 
en  langen  Prozeß  mit  den  v.  Schwalbach,  dio  den 
Jaunschen  Burgsitz  im  Jahre  1517  angeblich  gemietet 
)eii  sollen.  Es  scheint  also,  als  wenn  der  Platz  dieses 
rgsitzes  unter  dem  Zubehör  der  großen  schwalbachischen 
freite  zu  suchen  wäre,  etwa  auf  No.   1089. 

}.  Mauer-   und   Grabenrestc   des   Burgzwingers. 

Der  einzige  Mauerrest,  der  sich  bis  jetzt  nach  Mitteilung 
{ Tiefbauamts  Gießen  gefunden  hat,  liegt  in  der  schmalen 

^  Grundriß  vom  30.  Okt.  1811  zum  Neubau  der  Stadtkirchc  im 
ßh.  Haus-  u.  Staatsarchiv,  Plansammlmig  No.  681  (5).  Eingetragen  in 
diesem   Aufsatz  beig;egebenen  Lageplan  der  alten  Burg. 

*ö  Großh.  Haus-  und  Staatsarchiv,  Lehnsurkunden  und  Adel,  Eu- 
er Tal. 


240  Gustav  Frhr.  Schenk  zu  Schweinsberg. 

Gasse  zwischen  dem  Hause  No.  1097  und  der  Grenze  von 
No.  1107  gegen  1106.    Ein  ungefähr  2  m  starkes  Mauerstück 
zieht  in  Tiefe  von  etwa  1  m  quer  über  die  Straße,  gleich- 
laufend mit  dem  sogenannten  Burggraben.   Es  kann  keinem 
Zweifel  unterliegen  —  ich  habe  es  bei  seiner  Aufdeckung 
gesehen   — ,   daß  es  ein   Rest  der  äußeren   Burgmauer 
ist.     Noch  heute  heißt  der  Raum  hinter  den  Häusern  am 
Markt   der    Burggraben.     Rechnet    man    seine    Breite    von 
der  Verlängerung  dieses  Mauerrestes   bis   zur  Grenze  der 
Hofreiten  am  Markt,  so  ergäbe  sich  das  stattliche  AusmaB 
von  10  m.   Denkt  man  sich  den  Grabenzug  in  dieser  Breite 
um  die  vorher  beschriebenen  Hofreiten  fortgeführt,  so  er- 
gibt sich  das  in  der  Planskizze  entworfene  Bild.  Die  heutige 
Stadtkirche  würde  mit  ihrer  hinteren  Hälfte  in  dem  alten 
Burggraben  stehen.   Die  äußere  Pforte  wird  man  dicht  süd- 
lich des  Kirchturms  anzunehmen  haben.   Der  Anschluß  der 
ältesten   Stadtmauer  ist  längs   der   nördlichen  Häuserreihe 
am  Kirchenplatze  zutage  getreten.    Das  schwächere  Mauer- 
werk mitten   in  der  Gasse  von  der  Marktstraße  nach  dem 
Burggraben  hin,  bedarf  noch  weiterer  Untersuchung. 

Es  ist  selbstverständlich,  daß  sich  durch  V^erfolgung 
der  Spuren  der  Außenmauer  noch  Änderungen  in  ihrem 
Grundriß  ergeben  köimen.  Bei  der  feuchten  Beschaffenheil 
des  Untergnmds,  auf  dem  sie  erbaut  wurde,  ist  es  nicht 
wahrscheinlich,  daß  man  später  auch  ihre  Fundamente  völlig 
entfernt  hat,  die  auf  einem  Pfahlrost  ruhen  werden. 

W.  Die  zweite  Burg  und  der  Lauf  der  ältesten  Stadt- 
mauer. 

Die  Anlage  einer  zweiten  Burg  in  Gießen  zeigt,  daß  di^ 
Verhältnisse  der  alten  Grafenburg  dem  Bedürfnis  des  Herr^ 
von  Burg  und  Stadt  nicht  mehr  genügten.    Es  kann  seii^* 
daß  die  gewöhnlich  in  der  schwäbischen  Heimat  wohnende?^ 
Grafen  v.  Tübingen  ihren  Gießener  Burgmannen,  auf  dere?^ 
Treue  die  Erhaltung  ihres  Besitzes  hauptsächlich  beruht ^^^ 
nach  und  nach  zu  viele  Rechte  eingeräumt  hatten.    Ihre  g^' 
nossenschaftliche  Selbständigkeit  mag  dem  neuen  Lande^^' 
herrn,  dessen  Hausbesitzungen  in  der  Nähe  lagen,  lästig  ^^' 
worden  sein.    Auch  das  Anwachsen  der  Stadt  und  damit  di^ 
Beschränkung  des  Raumes  für  die  landgräfliche  Gutswirt' 
Schaft,  ebenso  die  veraltende  Art  der  Befestigung  der  Grafe^' 
bürg   kann   den   Neubau  mitveranlaßt   haben,   in   dem  d^^ 
Amtmann  des  Landgrafen  allein  wohnte.    Er  enthielt  aucA. 
wie   heute    wieder,    Unterkunftsräume    für    den   Landes- 
herrn (Beilage  III,  S.  251)  selbst. 


I 

I 


Alt-Gießen.  ü^\ 

Die  erste  urkundliche  Erwähnung  der  neuen  Burg  mag 
das  Jahr  1328  fallen,  was  natürlich  nicht  ausschließt, 
die  Erbauung  selbst  beträchtlich  früher  anzusetzen  sein 
1.  Im  Jahre  1336  erneuert  Landgraf  Heinrich  dem  Kon- 
Herrn  V.  Trimberg  ein  Burglehen  „ad  caslrum  nostrum 

das  dieser  bereits  von  Landgraf  Otto  getragen  habe 

328).«o 

Ob  es  Zufall  ist,  daJJ  Landgraf  Heinrich  von  Hessen  im 
•e  1305  einen  Burgmann  aufnahm  „ad  oppidum  nostrum 
um  G".,  und  sein  Sohn  Otto,  als  er  den  Johann  Herrn 
^Testerburg  1324  zum  Burgmann  in  Gießen  annahm,  auch 
von  dem  „oppidum"  G.  spricht  ?ß*  Wäre  es  wörtlich  zu 
men,  so  bestand  die  neue  Burg  damals  noch  nicht.  Ich 
ne  keine  ältere  Urkunde,  die  b^ide  Burgen  nebeneinander 
ahnt. 

Zur  annähernden  Bestimmung  der  Erbauungszeit  der 
en  Burg  kann  auch  noch  der  Umstand  herangezogen 
den,  daß  Stadt  und  Herrschaft  Gießen  wahrscheinlich  be- 
?  vor  dem  Jahre  1335,  sicher  aber  vor  1338,  an  die  Reichs- 
imerer  von  Falkenstein,  Herren  zu  Münzenberg,  zur 
te  wiederkäuflich  veräußert  worden  war.^-  Diese  Zwei- 
'schaft  dauerte  bis  zum  Jahre  1364  an.  Die  Herren  von 
:enstein  erhielten  ihre  Hälfte  zu  hessischem  Lehen;  sie 
den  von  Hessen  auch  als  Ganerben  in  die  Herrschaft 
Jen  aufgenommen,  das  von  den  Besitzern  der  nahen 
en  Lieh  und  Butzbach  eine  kräftige  Stülze  für  das  1324 
lerte,  exponierte  Gießen  erwarten  niochte.^^  gg  jgt  un- 
rscheinlich,  daß  während  einer  solchen  Besitzgemein- 
ift  der  Neubau  der  Burg  geschehen  ist;  er  wird  bereits 
I>andgraf  Otto  angeordnet  worden  sein. 

^^  Senckenberg,  Sciccta  juris  <'t  Ilistoriaruni  elc,  III,  S.  .IßS,  uiul 
:k,   Hess.   Landesgesch.,    II.   II.   H.,  S.   342. 

"  VVenck,  Hess.  I^ndespescli..  11.  V.  B.,  S.  24Ü.  ^Korrektur  dos 
TIS  nach  Mitteilung  des  Herrn  Arcliivdirektors  Dr.  Reimer.)  Heur- 
eto  Nachricht  v.  d.  .  .  .  Comrnende  Scliiffenberg,  II,  Beilagen  No.  220. 

«-  Urk.  von  1338  in:  B<?urkundete  Nachricht  v.  d Com.  Scliiffen- 

II,   Beilage  No.  220. 

«••»  Archiv  f.  Hess,  (iesch.  u.  A.-K..  I.  S.  52  u.  53;  II,  S.  132.  Die 
nde  von  1335  April  27  hei  Heimer,  Hanauisches  l'.-B.,  II,  No.  439, 
3t  dafür,  daß  damals  die  Falkenstoincr  bereits  Mitherren  in  Gießen 
1.    Wyß  hat  die  Urkunde  von  1331).  Juli  28,  übersehen,  in  der  sämt- 

Herren  v.  Falkenstein  als  Herren  von  Gießen  handeln  (Scriba,  He- 
ra, Oberhessen,  No.  1310).  Kr  bezieht  irrig  die  (Janerbeneigenschaft 
alkensteiner  zu  Hessen,  Merenberg  und  Isenburg  auf  Cleeberg  (a.  a.  0., 
>.  495}.  während  sie  sich  auf  ihre  Mitherr.schaft  in  Gießen  gründete, 
luß,  analog  der  Urkunde  von  13(>3,  bei  der  ersten  Veräußenmg  bereits 
?setzt  worden  sein,  die  ich  zwis<*hen  1328  und  1333  geschehen  an- 
1  möchte. 

iltiige  z.  Gesch.  d.  Universitäten  Mainz  u.  Gießen.  16 


{ 


24i2  Gustav  Frhr.  Schenk  zu  Schweinsberg. 

Die  Beilage  2  enthält  ein  Inventar  der  Burg  und  der 
zugehörigen  Wirtschaftsgebäude  aus  dem  Jahre   1435. 

Die  Ansicht  der  Aula  auf  Seite  327  gewährt  gleichzeitig 
das  Bild  des  alten  Schlosses,  wie  es  im  Jahr  1754  beschaffen 
war.  Daß  es  vor  Anlage  der  Festung  Gießen  einen  andern  An- 
blick gewährte,  erkennt  man  aus  zahlreichen  Einträgen  der 
Festungsbaurechnung  von  1533.^*  Da  werden  wiederholt 
von  den  Maurern  Steine  an  der  Stadtmauer  liinter  dem 
Schloß  gebrochen,  ebenso  von  der  Stadtmauer  vor  dem 
Schloß.  Es  war  also  zwar  von  der  Stadt  durch  eine  Mauer 
getrennt,  al)er  doch  von  der  Stadtbefestigung  mit  einge- 
schlossen. Die  Mauerreste,  die  sich  früher  und  in  neuerer 
Zeit  vor  und  hinter  dem  Schloß  in  der  Erde  vorgefunden 
haben,  rühren  wohl  daher. 

Der  heutige  Zustand  des  alten  Schlosses  scheint  mir 
nicht  zu  gestatten,  seine  Erbauungszeit  über  das  14.  Jahr- 
hundert hinauf  anzusetzen.  Insbesondere  spricht  der  spitz- 
bogige  innere  Torbogen  neben  dem  Turm,  ein  Bauteil,  der 
wenig  Änderungen  ausgesetzt  zu  sein  pflegt,  für  diese  Zeit. 
Es  findet  sich  zwar  im  Keller  eine  im  Rundbogen  geschlossene 
Türöffnung,  aber  ohne  jede  Gliederung.  Eine  runde,  aus 
Quadern  aufgeführte  Säule,  ebenfalls  ohne  alle  Gliederung, 
stützt  das  Tonnengewölbe  des  Kellers  zunächst  des  Heiden- 
turmes. Sie  steht  nicht  in  der  Mitte  des  Gewölbes,  scheint  mir 
vielmehr  erst  nachträglich,  zur  Verstärkung  gegen  eine  neu 
angebrachte  Belastung  des  Gewölbes  über  ihr,  angebracht 
worden  zu  sein.*»^  Die  Art  der  Bearbeitung  der  Quader- 
steine hat  seinerzeit  E.  Wörner  veranlaßt,  sich  für  ihre 
Entstehung  in  romanischer  Zeit  auszusprechen««;  nach 
Äußerungen  von  Fachmännern  aber  ist  dieser  Schluß  nicht 
zwingend.  Es  könne  sich  auch  um  flüchtige  Renaissance- 
arbeit handeln.  Bekanntlich  wurde  das  alte  Schloß  im  Jahre 
1590  von  Landgraf  Ludwig  IV.  neu  zugerichtet.«* 


'••  (iroßh.    Haus-    u.    Slaatsarcliiv.    Kriejis-   u.    Militärangeiegenheitcn, 
II.   Abi.,    Küiiv.    10. 

G-'  Audi  V.  Kitgou.  a.  a.  0.,  S.  53,  glaubt,  daß  sie  eine  später 
angi'brachlc   Mauer  slülzen   sullte. 

•''i  QuartalbläthT  des  Hist.  Vereins  f.  d.  Großh.  Hessen,  1889,  S.  B2. 

»'•'  Kraft,  a.  a.  ü.,  S.  135,  Anni.  -j.  Durcli  Herrn  Hauptmann  und  Kon- 
servator Krämer  freundlich  verinitteltc  l^botographie,  und  gutachtliche  brief- 
liche Milteilunj:  des  Herrn  Prof.  Dr.  B.  Sauer,  der  auch  eine  xlußerttng 
des  Herrn  Privatdozenten  Dr.  Rauch  erwähnt.  Herr  Professor  Sauer  h*l' 
dje  untere  Kellertüre,  die  kein  Profil  und  keincjn  Beichlag  hat,  wegen 
der  Ahnlichkeil  ihrer  HerstelluiiK  mit  einer  Kellcrtüre  auf  dem  Wirberf 
für  romanisch. 


Alt-Gie&en.  243 

Bei  Herstellung  des  Schlosses  für  das  Absteigequartier 
des  Landesherrn  und  für  das  Museum  des  Geschichtsvereins 
hat  der  bauleitende  Architekt  H.  Hofmann  keine  Bauteile 
bemerkt,  die  meiner  Datierung  widersprächen. 

Vielleicht  aber  führt  ein  indirekter  Weg  zum  Ziele: 
die  Verfolgung  der  Mauern  der  ältesten,  kurz  vor 
1248  gegründeten  Stadt.  Ich  kann  mich  für  diese  Auf- 
gabe auf  die  detaillierten  Angaben  von  Kraft  und  v.  Ritgen 
(a.  a.  0.,  S.  45 fE.)  stützen,  sowie  auf  die  Einzeichnungen, 
die  das  städtische  Tiefbauamt  im  Verlaufe  der  Kanalisations- 
arbeiten gemacht  und  mir  freundlich  zur  Verfügung  gestellt 
hat.  Kraft  hebt  auf  S.  139  mit  Recht  hervor,  daß  man  dabei 
xlen  Umstand  nicht  außer  acht  lassen  dürfe,  daß  bereits 
1325  eine  Neustadt,  südlich  neben  der  alten  Stadt,  angelegt 
worden  war,  deren  Bewohner  damals,  ebenso  wie  die  vor 
den  Toren  Wohnenden,  den  Bürgeni,  die  innerhalb  der 
Mauern  der  Stadt  wohnten,  gleichgestellt  wurden.  Es  liegt 
nahe,  daß  man  nach  1325  die  trennende  Mauer  zwischen 
Alt-  und  Neustadt  beseitigte.  Kraft  rechnet  zu  dieser  alten 
Neustadt  die  Häuser  der  Marktstraßo  (Kühgasse)  vom 
E.  Pistorschen  Hause  an  bis  zur  abgerissenen  Neustädter 
Pforte.  Mauerreste  haben  sich  in  der  Alarktstraße  jedoch 
nur  weiter  nach  dem  Marktplatz  zu  gefunden.  Vom  Pistor- 
schen Hause  zieht  er  die  Mauer  der  Altstadt  westwärts  an 
den  Stadtbach,  an  dem  Südende  des  Burj^grabens ;  nach  Süd- 
Osten  aber  auf  das  J.  B.  NoUsche  Haus  (,,Zum  Ritter**) 
zu,  von  da  an  den  Hintergebäuden  der  Häuser  an  der  Mäus- 
burg her  an  die  Hintergebäude  von  Ph.  Möhl,  in  dessen  Hof 
ein  halbrunder  Wehrturm  erkennbar  gewesen  sei  (S.  138). 
Von  dort  lief  sie  nach  dem  früheren  Stadtwagehaus  in  der 
Schulstraße  hin,  neben  dem  noch  ungefähr  bis  zum  Jahre 
1870  ein  Stück  der  Stadtmauer  erhalten  war.  Bei  der  Kana- 
lisation in  der  heutigen  Schulstraße  haben  sich  Mauerreste 
nach  dem  Markt  hin  nicht  vorgefunden,  so  daß  man  an- 
nehmen darf,  daß  es  sich  bei  der  Stadtwaji!;e  um  einen  Rest 
der  ältesten  Mauer  gehandelt  hat.  Geht  man  nun  zuerst  zu 
der  Nordseite  der  Altstadt  am  Kirchhofe  über,  so  haben 
sich  die  Fundamente  der  1533  auch  hier  abgerissenen  Stadt- 
mauer längs  der  Häuser  an  der  IVonlseite  des  Kirchen- 
platzes vorgefunden.  Sie  zogen  danach  durch  den  Burg- 
graben nach  der  Zwingerniauer  der  Burg  hin.  Kraft  hat  die 
Fundamente  der  Stadtmauer  östlich  davon,  hinter  dem  früher 
H.  Heichelheimschen  Hause  am  Lindenplatz,  zu  dem  eine 
kleine  Gasse  von  der  Schloßgasse  nördlich  abzweigt,  ge- 
sehen; sie  seien  ,,im  Bogen  nach  der  Schloßgasse  ein- 


244  Gustav  Frhr.  Scbenk  zu  Schweinsberg. 

gezogen"  gewesen.^^  Wenn  ich  diesen  Ausdruck  richtig 
verstehe,  so  lief  dieses  Fundament  also  nicht  parallel  dem 
Stadtgraben,  der  nach  dem  alten  Schloß  zu  in  gerader 
Richtung  streicht,  sondern  es  wendete  sich  im  Bogen  nach 
Süden  hin,  nach  der  Schloßgasse  zu.  Verbindet  man  diesen 
Punkt  im  Bogen  mit  dem  Mauerrest  an  der  Stadtwage,  etwa 
vor  dem  Ostende  der  Kaplaneigasse  her,  so  fiele  das  alte 
Schloß,  samt  den  ihm  gegenüberliegenden  Hofreiten,  außer- 
halb des  alten  Mauerrings. 

Kraft  rechnet  (S.  140)  zur  alten  Stadt  nur  die  Häuser 
am  Markt  und  an  der  Süd-  und  Ostseite  des  Kirchenplatzes, 
in  einem  Teile  der  Schloßgasse,  die  früher  Burggasse  hieß, 
die  Kaplaneigasse,  einen  Teil  der  Schulstraße,  die  Wagen- 
gasse, die  Mäusburg  bis  zum  Stern,  die  Wettergasse  und 
die  Marktstraße  bis  zum  Pistorischen  Hause,  dessen  hintere 
Hofreite  an  den  Burggraben  stößt.  Endlich  noch  das  Gäßchen 
von  der  Marktstraße  nach  dem  Burggraben  zu. 

Das   ist  ein  sehr  beschränkter  Raum,   der  den  einer 
geräumigen   Vorburg   nicht  viel   überschreitet.    Da   in  der 
innem  Grafenburg  und  dem  Zwinger  keine  Kapelle  gelegen 
zu  haben  scheint,  so  darf  man  annehmen,  daß  die  spätere 
Stadtkapelle  dicht  vor  dem  Burgtor  wenigstens  in  einer  von 
Alters  dazu  gehörigen  Vorburg  lag.   Diese  Vorburg,  von  deren 
Befestigung  vielleicht  noch  die  Mauerreste  im  südöstlichea 
Teil  des  Burggrabens  herrühren,  wurde,  nur  wenig  erweitert 
zur  Anlage  der  Stadt  verwendet.    Der  Neubau  der  zweilca 
Burg  und  die  Anlage  der  Neustadt  im  Süden  mögen  danir 
auch  eine  unbedeutende  Erweiterung  der  Stadt  an  der  Nord- 
ostecke mit  sich  gebracht  haben,  um  die  Befestigung  der 
neuen  Burg  mit  der  Stadtmauer  in  Verbindung  zu  bringen.^^ 


6^  Kraft  glaubt,  daß  die  alte  Waldpforte  deslialb  hinter  dem  Heichel" 
heinischen  Hause  gestanden  habe,  nicht  an  der  Ecke  des  Einhorns.     Di^^ 
starken  Fundamentreste  am  Einhorn  sprechen  aber  gegen  Krafts  Annahnio*^ 
Übrigens  ist  der  Zug  der  Mauer  durch  die  Schloßgasse  bei  der  Kanalisier' 
rung  nicht  angetroffen  worden. 

^^  Man    iiat    lediglicli    aus    dem    Straßennamen   Mäusburg   schließe** 
wollen,  daß  noch  eine  dritte  Befestigung  bestanden  habe.     Mir  scheint  ^^- 
viel   näher   zu   liegen,   daß   dort  Hürger  des  zu  Gießen  häufigen  Namen ^ 
Mauß  wohnten,  deren  Behausung  von  Studenten  bewohnt,  scherzweise  di^^ 
Mäußburg   genannt  wurde.     Der  Name  kommt  meines  Wissens  nicht  vof 
l(i4r>  urkundlich   vor;   er   war  damals  wohl  noch  neu.     Einen  ähnlicheö 
Scberznamen  legten  nach  Nebels  chronikalisclien  Aufzeichnungen  1786  Stü- 
deuten  einem  alten  Keller  auf  dem  sogenannten  Graveliusberg  bei,  in  den^ 
sie  sich  einrichteten.     Sie  nannten  ihn  die  Eulenburg,  welcher  Name  blei- 
bend wurde. 


VII.  Die  Genossenschaft  der  Burgmanncn. 
Gießen  muß  von  der  Ritterschaft  der  Umgegend  be- 
sonders als  Wohnort  bevorzugt  worden  sein.  Auch  in  der 
Stadt  selbst,  nicht  nur  in  der  alten  Burg,  gab  es  nicht 
wenige  ihnen  zuständige  Wohnhäuser,  die  natürlich  nicht 
frei  waren,  sondern  der  Stadt  zu  dem  üblichen  Grundzins 
beitrugen,  der  jährhch  an  den  Stadtherrn  abzuführen  war.  In 
dem  Zinsregister  der  Stadt  von  1495,  das  Herr  Oberbiblio- 
thekar Dr.  Ebel  für  mich  freundlich  ausgezogen  hat,  finden 
sich  Häuser  des  Wigand  v.  Rodenhausen,  Gilberts  v.  Buseck, 
Grafts  V.  Weitershausen,  eine  ehemalige  Elkerhausensche, 
jetzt  landgräfliche  Hofstatt.  Ferner  das  Haus  des  Graft 
V.  Badenburg  und  der  Halber  (jetzt  landgräflieh),  das  des 
Mengos  v.  Fetzt)erg  (früher  dem  Craft  Rode  und  den  Milch- 
liiigen  gehörig),  Wernher  Rüßers  v.  Buseck,  Mengos  v.  Fetz- 
berg (angefallen  von  Eckard  v.  F.;  früher  Imelut  Clemmen 
gehörig),  Grafts  v.  Elkerhausen,  ein  Pfarrhaus  (früher  Fyhen 
V.  Bleichenbach  zustehend)  und  endlich  das  den  Burg- 
mannen gemeinsam  gehörige  Haus. 

Die  Burgmannen  waren  beteiligt  am  Gericht  der  Stadt'", 
an  der  Vermögensverwaltung,  besonders  an  der  des  Mark- 
waldes,  an  der  Vorstandschart  der  Kirchenfabrik.  Sie  traten 
noch  lange  hin,  auch  in  Kriegsfällen,  als  Genossenschaft 
selbständig  auf."  Noch  im  14.  Jahrhundert  führten  Burg- 
Diannschatt  und  Rat,  wie  früher,  ein  gemeinsames  Siegel, 
^  hierunter  abgebildet  ist. 


Später,  vor  1371,  führte  die  Stadt  ein  eigenes  Siegel. 
"^  wenig  schöne,  mit  dem  geflügelten  ü.  und  der  heid- 

'"  Noch  1356  prfolgte  eim'  Auflassung  vor  Burg  man  neu  und  Schöffen, 
"«  Recht  ist  zu  den  Gycaen.     Baur.  U.-B.  d.  Kl.  Amsburg.  No,  836. 

'■  So  2.  B.  13T0  IT)  einer  Fehde  mit  dem  Staufenherg  besitzenden 
'''afen  r.  Ziegenhain;  Kuchenbecker,  Analecta  Hassiaca,  1,  S.  130. 


246  Gustav  Frhr.  Suhenk  zu  Schweiiisber^. 

nischen  Krone  versehene  größere  Stadtsiegel,  das  nicht  vor 
1500  vorkommt,  ist  am  Schlüsse  dieses  Aufsatzes  abge- 
bildet worden. 

Wie  die  Burgmannen  ihre  geselligen  Vergnügungen  j;e- 
regelt  hatten,  wußte  man  bereits  aus  einer  Einung  vom 
30.  Dezember  1477,  die  unter  Mitwirkung  des  Landesherm 
zustande  kam.-^  Die  Beilage  2  gibt  eine  ältere  Einung  aus 
dem  Jahre  1388. 

Das  gemeine  Haus  der  Burgmannen,  ihr  Rathaus,  Trinb- 
stube  und  Festhaus,  die  heutige  Engelsapotheke  (No.  793  des 
Lageplans),  gehörte  im  18.  Jahrhundert  den  beiden  letzten  in 
Gießen  ansässigen  Burgmanne ngeschlechtem,  den  v.  Schwal- 
bach und  den  Nachkommen  des  Statthalters  Rudolf  Scheuet 
zu  Schweinsberg,  der  1544  das  Burglehen  derv.  Elkerhausea 
erworben  hatte.  Während  die  Familie  v.  Schwalbach  ihren 
Wohnsitz  in  der  alten  üratenburg  bis  zu  ihrem  Erlöschen  bei- 
behielt, wohnten  die  anderen  Burgmannengeschlechter  spälw 
meistens  auf  ihren  Gütern.  Nur  in  Kriegszeiten  bevölkerten 
sich  ihre  im  Schutz  der  Landesfestung  gelegenen  Burgsilze. 


Erklärung  der  Siegel.*) 

Auf  der  Tafel: 

1.  AcRoliliches  Su'gt'l  des  Grafen  Wilhelm  von  Gleibcrg  (1131— 1158) «« 
einer  petälschtcn  Urkunde.  Umschritl:  f  COMEÖ  -  WILLEHFXM'K 
GLIZIf . .  Vcrgl.  A.  WyB,  HesB.  Urkunden  buch,  I.  3-  Band.  So.  l'ß* 
und  S.  444  ff.,  ^  34  u.  g  35. 

3.  (iem(-in»anies  Siegel  der  Biirpnanneti  und  der  Stadt  Gießen,  134J  ^ 
um.  Umscliritl:  t  WLLI.EHMVS  ■  DEI .  GltACIA  PALAlim'SCO« 
IX  TViGI.  Verfil.  A.  WyÜ.  a.  a.  O.,  1,  1,  No.  21Ö;  I,  3,  Ko.  1^,  Anui. 
Abs.  2,     Im  Text  difscr  .^bhatidluiif  Seile  2'20. 

■s  Estor,  Auserlest-no  kleine  Scbriften,  III,  S.  296— 303.  Falls  Mainw^ 
Jahre^aiifan}!  anzunehmen  wäre,  so  müQtc  man  1476  datieren. 
';  In  ^/j  der  wahren  Größe  dargestellt. 


Alt-Gießen.  U7 

3.  Siegel  des  Erzbischofs  Megener  von  Trier.  1129.  Vergl.  A.  Wyß, 
SU  a.  0.,  I,  3,  No.  1329;  S.  409,  Kap.  2. 

4.  Angebliches  Siegel  der  Gräfin  Clemencia  von  Gleiberg  von  einer  ge- 
fälschten Urkunde.  Vergl.  A.  Wyß,  a.  a.  0.,  I,  3,  No.  1332;  S.  444, 
§  24.  Auch  abgebildet  bei  F.  K.  Fürst  zu  Hohenlohe^Waldenburg, 
Sphragistische  Aphorismen,  No.  43. 

5.  Zweites  Siegel  des  E.  B.  Megener.    1129.    Vergl.  A.  Wvß,  a.  a.  0. 

6.  Siegel  des  Klosters  Schiffenberg.  1246.  Vergl.  A.  Wyß,  a.  a.  0., 
No.   1352. 

7.  AngebHches  Siegel  des  Grafen  Otto  von  Gleiberg  von  einer  gefälschten 
Urkunde.  Umschrift:  t  OTTO  •  COMES  •  DE  •  GL IBER(G).  Vergl.  Wyß, 
a.  a.  0.,  I,  3.  No.  1342;  S.  445,  §  25. 

Im  Texte: 

8.  Seit«?  222.  Zweites  Siegel  der  Stadt  Gießen.  1264 ff.  Umschrift:  SIG 
ILLVM  :  CIVITATIS  :  DE  :  GIEZEN.     Vergl.  A.  Wyß,  a.  a.  0.,  No.  1356. 

9.  Seite  245.  Gemeinsames  Wappensiegel  der  Burgmannen  und  Bürger  zu 
Gießen.  1332ff.  Umschrift:  t  S'  CASTRENSIVM  ET  OPIDANORVM 
In  GYZYN.     Vergl.  A.  Wyß,  a.  a.  0.,   I,  2,  No.  576  u.  569. 

10.  Größeres  Siegel  der  Stadt  Gießen:  ein  geflügeltes  g,  daraus  hervor- 
springenden Löwen,  darüber  eine  „heidnische**  Krone  darstellend.  1500: 
1500.    Umftftrift:  8  maiufi  •  opibonorö  •  in  •  flieSfen.   Seite  i246. 

(Der   Stadt  klein   Ingesiegel   findet  sich   1392   erwähnt   bei   A.   Wyß, 
a.  a   0.,  No.   1245.) 


Beilagen. 

1.  Schultheiß,  Schöffen  und  Gemeinde  der  Stadt  Gießen 
bekunden  den  Verzicht  des  L.  v.  Rodheim  u.  s.  Ehefrau 
gegen  Kloster  Arnsburg  auf  Güter  zu  Steinbach.    1248  Mai.^ 

Canradus  sculthetus,  scabini  et  burgenses  universi  in  Gizen. 
Constare  facimus  omnibus  litteras  has  visuris,  quod  Ludewicus 
de  Rodeheim  et  Binhildis  uxor  ejus,  communicata  manu  renun- 
ciaverunt,   nobis    presentibus    ante    capellam    nostram    in    Gizen, 

^  Aus  eigenhändiger,  alle  Abkürzungen  nachzeichnender  Abschrift 
^<><hnanns,  die  beim  Nachlasse  Nebels  (Großh.  Haus-  u.  Staatsarchiv  zu 
^innstadt}  verwahrt  wird.  Die  sorgfältige  Nachzeichnung  des  Siegels 
^^^eist,  daß  es  das  auf  der  Tafol  unter  No.  2  wiedorgegebene  älteste 
Gießener  Siegel  ist.     Von  der  stark  beschädigten   Umschrift  war  nur  er- 

^en:  ...  MI  GRACI  Dasselbe  Siegel  wurde  be- 

^^its  nach  schlechter  Zeichnung  aus  Kindlingers  Handschriftensammlung  ab- 

pbildet  von  Günt'her,  Die  Wappen  der  Städte  des  Großh.  Hessen,  Fig.  14 

Wrchiv  f.  Hess.  Geschichte  u.  A.-K.,  III.  2.  Heft,  XI,  S.  30).    Unvollständiger 

"^ck  bei  Baur,   U.-B.   d.   Kl.   Arnsburg,   No.  54,  nach   Kindlingers  Hand- 

schriftensammlung.      Der    im    hiesigen    Archive    vorhandenen    Abschrift 

'^^  die  Bemerkung  beigefügt:  „Sigillum  cerae  albae  jam  fuscae  impressum". 

Ij,       Das  Original  befindet  sich  gegenwärtig  im  Staatsarchive  zu  Marburg. 

^^  trägt  die  Rückenaufschrift:  De  böls  l  Steinbach.     No.   16. 

j^      Das  Siegel  ist  nicht  mehr  im  selben  Zustand,  als  ihn  die  Zeichnungen 

^manns   und   Kindlingers   erkennen   lassen.     Es   fehlt  jetzt   das   untere 

^^ck,  anf  dem  die  Lilie  im  Siegelfeld  sichtbar  war.     Das  Faksimile  l^od- 

'^^^niis  ist  fehlerfrei. 


248  Gustav  Frhr.  Schenk  zu  Schweinsberg. 

omni  actioni  et  querimonie,  quam  habebant  vel  habere  poterant 
contra  conventum  in  Arnesburg  super  bonis  in  Steinbach,  et 
resignaverunt  eadem  bona  in  manus  Wilhelmi  abbatis  ejusdem 
loci,  recipientes  decem  et  octo  solidorum  Coloniensium  ab  eodem. 
In  evidentiam  hujus  rei  testes  ibidem  fuerant  deputati :  Sifridus 
de  Hattenrode  et  Wernerus  filius  ejus.  Waltherus  Sluen.  Ernestus 
de  Rodeheim.  Wernerus  de  Rodeheim.  Johannes  de  Leikestren. 
Eckardus  de  Luzellinde,  milites,  Meigotus,  Wigandus,  Eckardus, 
Rubertus,  Heinricua  scabini.  Albertus  quondam  abbas  in  Arnes- 
burg, Fridericus  Ovelacker  et  alii  quam  plures.  Ut  hoc  itaque 
ratum  maneat,  nostre  civitatis  sigillo  fecimus  hanc  paginara 
confirmari.    Actum  anno  domini  m.^cc."  xlviij.    Mense  Majo. 

2.    Ordnung   der  Trinkstube   der   Burgmannen   zu    Gießen. 

1388  Ausg.   1.2 

Dis  hiernach  geschrieben  ist  die  alte  Einunge^  unser  der 
burgman  zu  Gießen. 

Wir  die  burgman  gemeynlich  zu  Gießen,  die  wohnhaftig  sein 
zu  Gießen  oder  noch  wohnhaftig  werden,  erkennen  öffentlich  in 
disem  brieffe  vor  uns  und  alle  unsere  erben,  das  wir  einmutig- 
liehen  mit  unser  aller  guten  willen,  wissen  und  verhängnus  einer 
eynung  uberkonmien  sein,  als  von  unsers  gemeinen  haus  wegen 
zue  Gießen,  als  hiernach  geschrieben  stehet.  Zum  ersten,  welcher 
burgman  unter  uns  abgehet  von  tods  wegen,  das  gott  lange  ver- 
halte und  söhne  lesset,  die  nicht  haus  gehalten  haben  und  bey 
uns  wohnhaftig  sein  wollen,  der  söhne  soll  ieglicher  geben  den 
bawmeistern  an  den  baw  des  hauses  ein  gülden  und  geloben, 
die  eynung  zu  halten  als  hiernach  geschrieben  steht.  Were  es 
auch  Sache  welcher  burgman  söhne  bette,  die  gewapnet  ritten, 
die  sollen  auch  geloben  diße  eynung  zu  halten.  Auch  zöge  ein 
burgman  bey  uns  in,  (der)  in  unser  haus  nit  gehöret,  und  wil 
der  in  unser  eynung,  der  soll  geben  vier  gülden  an  den  baw  des 
hauses,  als  wir  vor  geben  haben,  und  die  eynunge  schweren 
zu  halten.  Auch  soll  unser  keiner  sich  mehr  zu  unserm  haus 
zu  thun,  unten  oder  oben,  er  thue  es  dan  mit  rath  der  bauw- 
meister.  Es  ist  auch  geredt,  daz  unser  keiner  unsern  keller  oder 
haus  beraden*,  weder  mit  wein  oder  hier,  oder  mit  keiner  andern 
Sachen  solle,  es  were  dan  sache  daz  wir  gemeynlichen  oder 
unser  ein  theil  heiße  sie  mehr  oder  minner ^  wein  oder  hier 
kauffen  wollen,  daz  mögen  wir  in  unsern  keller  legem  und  unter 
uns  den  wein  oder  hier  ohn  ein  kerb  geben  pristern  und  bürg* 
mannen.  Und  sollen  die  bauwmeister  den  wein  und  hier  scheren, 
und  wen  sie  zu  ihnen  ncmen  nach  moglicheyt.  Und  wan  der  wein 
oder  hier  auskommet,  wer  dan  wein  oder  hier  getrunken  hat,  soll 
bezahlen  den  unserm  knechte  binnen  ^  den  nechsten  monat  dar- 
nach, und  wer  das  nicht  thete  und  der  knecht  den  bauwmeistern 

2  Aus  ungefähr  1600  gefertigter,  fehlerhafter  Abschrift  im  Großh. 
Haus-   u.   Staatsarchive,   Urkundenabteilung,   Gießen. 

^  In  der  Vorlage:  ,,zeigunge**.  *  „bewoden"  in  der  Vorlage. 

^  „mehr  oder  nimmer".   —    •  „fienen*. 


Alt-Gie&en.  249 

Lgete,  den  sollen  die  bauwmeister  pfenden  und  des  möge 
lacht  han,  und  mag  der  knecht  die  pfände  versetzen  oder 
:ffen    ohn    zorn    und    ohn    alle    gefehrde,    und    were    es 

das  iemandt  sein  pfände  wehre te  den  bauwmeistern,  das 

uns  die  bauwmeister  kundt  thuen  und  zusprechen,  und 
llen  wir  ihme  gemeynlich  helffen  pfenden,  und  wer  es  darzu 
kommen,  der  soll  es  verbüßen  mit  einem  gülden,  den  soll 
uch  niemandt  laßen  und  soll  gefallen  an  den  bauw.  Auch 
iser  keiner  oder  unser  söhne  spielen  in  uiiserm  hauße  umb 
)der  um  bedegunge  ohn  gefehrde,  und  wer  das  breche,  der 
verbüßen  mit  einem  gülden  an  den  bauw  und  soll  man  den 
ndt  laßen,  und  wer  den  gülden  nit  gebe,  den  sollen  die  bauw- 
r  pfenden  als  vorgeschrieben  stehet.  Auch  wan  wir  holtz 
fen  in  unserm  haus  des  sollen  ihr  zween  ein  wagen  vol 
s  fuhren,  wen  die  bauwmeister  es  zu  der  zeit  heißen  ahn 
dte,  darwieder  soll  sich  unser  keiner  setzen  und  wer  das 
det,  den  sollen  die  bauwmeister  pfenden  vor  sesse  thornus 
»rgeschrieben  stehet  als  dicke  es  nur  geschieht.  Were  es 
das  wir  bauwens  an  unserm  hauße  bcdorffen,  betten  wir 
itt  gemeynes  geldts,  so  sollen  die  bauwmeister  mit  unser 
ath  oder  der  meinsten  menge  ein^  geldt  setzen ^  ein  thornos 
oder  minder  und  daz  bauwen  nach  rath  als  vorgeschrieben 
,  und  wer  des  geldts  nit  gebe,  den  sollen  die  bauwmeister 
m    als    vorgeschrieben    stehet    vor    zwirnt    als    viel    als 

gesatzt^  ist.  Were  es  auch  sache,  das  wir  gemeynlichen 
mser  eins  theils  zehren  wolten  in  unserm  hauße,  wan  dan 
knecht  oder  magdt  aus  gewinnet  von  was  Sachen  das  were, 
)llen  wir  gutlich  bezahlen  und  wer  das  nit  thete  und  unser 
t  oder  magdt  den  bauwmeistern  das  sagten,  den  sollen  die 
neister  pfenden  als  vorgeschrieben  stehet  vor  zwirnt  als 
Is  er  gelten  solt  ohn  geverdte.  Ist  es  auch  sache,  das  unser 
heils  zehren  in  unserm  hauße,  es  sey  eßen  oder  trincken, 
soll  niemandt  greiffen,  er  wolte  dan  mit  gelden  oder  sey  mit 

willen,  det  das  iemandt  darüber,  den  sollen  die  bauwmeister 
»n  vor  zwirnt  als  viel  als  der  einer  in  der  mitschaft  gilt 
►rgeschrieben  stehet.  Were  es  auch  sache,  daz  unser  einer 
nehr  mit  unserm  knecht  und  magdt  zu  schaffen  gewonnen 
de  mit  uns  von  was  sachen  das  queme,  des  sollen  sie  und 
1  den  bauwmeistern  belieben  und  wen  sie  unter  uns  darzu 
jn  und  sollen  des  macht  haben  gütlichen  oder  rechtlichen 
tscheiden.  Auch  soll  ein  jeglich  burgman  der  gesessen  ist 
n  knecht  und  magdt  geben  zwischen  S.  Michelstage  und 
rtenstage  alle  jerlichen  zwo  mesten  korns  und  wer  das  nit 

den  sollen  die  bauwmeister  pfenden  vor  daz  körn,  und 
ein  pfandt  wehrete,  der  soll  es  verbüßen  mit  eim  gülden. 
5  auch  ein  bauwmeister  ab  von  todts  wegen,  das  gott  friste, 
l  der  ander  bauwmeister  nach  unser  aller  rath  einen  andern 
neister  kueßen  oder  nach  reth  der  meinsten  menge  binnen  lo 
echsten  viertzehen  tasten,  und  darwider  soll  sich  niemand 


„mit**.  —  8  ,^stechen**.  —  ^  ,.gesagt'*.   —  ^^  ^finnen'*. 


i 


:250  Gustav  Frhr.  Sclienk  zu  Schweinsberg. 

setzen.    Auch  sollen   wir  keinerley  zweygunge  mit  worten  oder 
mit  vvercken  in  unserm  hauße  unter  ein  haben,  von  was  sacben 
das   queme,   und   soll   unser   keiner   auch   den   andern   keinerley 
schuld  in  unserm  hauße  fordern,  wer  das  breche  und  nicht  heltt^ 
der  soll  aus   dem   landt^^   als   ferne  ryden  und  bleiben  als  die 
bauwmeister  und  wen  sie  unter  uns  zu  ihn  nehmen   sprechen, 
das  er  thun  solle  ohn  geverdte.    Welche  zeit  auch  unser  bauw- 
meister uns  verbotten  in  unser  haus  umb  unser  noth,  da  sollen 
wir  alle  hinkommen  ohne  gefehrdte,  und  wer  daz  nit  thete,  der 
soll  das  verbüßen  mit  einem  Engeischen,  als  dick  des  noth  ge- 
schieht.   Alle   diße   vorgeschriebene   stuck   und   artikul   und  ein 
jeglichen   besonder  haben   wir   gelobt  und   geloben   in   handt  in 
guten  treuen  ahn  aydtstadt  stett  und  veste  zue  halten  ohn  alle 
gefehrdte  und  arge  liste.    Und  des  zu  uhrkundt  und  vestigkeyt 
haben   wir  die   burgmannen  die  in  unser  eynung   sind  alle  mit 
ein  gebeten  die  strengen  herm  C rafften  von  Rodenhausen,  herm 
Cunen  von  Dernbach,  herrn  Heinrich  vjon  Schwalbach,  herm  Ger- 
nanden von  Bußecke,  rittere,  das  sie  ihr  eigen  insiegel  vor  uns 
und  unsere  erben  und  vor  sich  selber  umb  unser  bitt  willen  an 
dießen  bricff  gehangen,  des  wir  die  vorbenanten  uns  bekennen. 
Datum  anno  domini  millesimo  trecentesimo  octuagesimo  octaro. 
in  crastino  Petri  aposloji  ad  vincula. 

3.  Verzeichnis  des  1435  abgeliefert3n  Inventars  und  Vorrats 

in  der  Burg  zu  Gie'ßen. 

Anno  domini  m^  cccc  xxxv  sabbato  post  festum  beati  Martini 
sunt  scripta  sub  sequentia. 

Item  hain  ich  Heynrich  Sneydeler  myme  gnedigen  herren 
virandeleg(etj  in  syme  huse  czun  Gießen  czuni  irsten: 

Item  850  maldir  gedroschens  kornß  uff  den  leben  in  dem 
huse  czun  Gießen  und  201/2  maldir  korneß.  —  Item  80  maldir 
gedroschener  habern  und  21/2  maldir.  —  Item  8V2  maldir  ge- 
droschener erwiß.  —  Item  3  maldir  unde  4  mesten  oleyß.  -7* 
Item  11/2  nialdir  unde  5  mesten  robesamenß.  —  Item  80  maldir 
korncs  in  der  schuwern  in  dem  stroe  alz  daz  myns  gnedigen 
herien  hoffemeynster  unde  sin  gesworn  gesynde  geacht(et)  haint 
dy  es  myt  der  band  dar  in  gelegt  hain.  —  Item  85  maldir 
habern  auch  in  der  schuwern  in  dem  stroe  alz  daz  myns  vor- 
ge{nanten)  gnedigen  herren  gesynde  auch  geachtet  haint.  —  Item 
40  maldir  gerslen  in  dem  stroe  in  der  schuwern  als  das  dy 
egnant(en)  myns  gnedigen  herren  knechte  geacht(et)  hain.  — 
Item  1  vienie  malcz  czu  eyme  gebruwe  unde  hoppen  dar  czu.  — 
Item  12  maldir  meles  uff  der  loyben  alz  daz  myns  gnedigen  herren 
hoffemeynster  geacht(et)  hait.  —  Item  in  unßers  herren  forwergk 
23  melkekuwe.  —  Item  20  steer  unde  kelbere.  —  Item  73  swyne 
groeß  unde  clcyne.  —  Item  9  phaelepherde  unde  1  jungfoln.  -* 
Item  4  folnhengist  unde  1  mudirchen.^^  —  Item  85  schefen  kese. 
—  Item  826  kese  alz  man  pleget  zcun  Gyeßen  machen.  —  Item 

n   ,/ler  handt".    —   i-'  „den". 

1-^  1437  war  der  Viehbestand:  21  küwe  (16  melke),  91  swine  (16  0^ 
dem  koben  zu  mesten),  318  schaffe. 


Alt-Gießen.  25! 

:|uart  botem.  —  Item  1  donne  smalczes.  —  Item  150  syten 
seh  unde  25  syten.  —  Item  7  kuwe  dorres  fleyschis.  —  Item 
cuwe  in  dem  salcze.  —  Item'  1  firtel  schafe  in  dem  salcze.  — 
1  8  fudir  beers.  —  Item  11/2  fudir  dunbeers.  —  Item  7  kessel 
>ß  unde  kleyn.  —  Item  9  phanne  groeß  unde  cleyn.  —  Item 
•en  doppen  groeß  unde  kleyn.  —  Item  8  ysern  kochleffel.  — 
1  9  ysern  unedeckel(!)  —  Item  2  haeln.  —  Item  1  dyegel. 
tem  4  hackemeßer  unde  1  schabe.  —  Item  8  beslahen  eymer. 
Item  i  senffmolen.  —  II cm  2  eßigkruge  unde  eyn  veßchiu 
eßiges.  —  Item  1  braetspiß.  —  Item  1  morßer  unde  1  stoeßel.  — 
1  2  genße  panne.  —  Item  2  roeste.  —  Item  in  dem  bnihuse 
rüphanne.  —  Item  2  koppern  schufen.  —  Item  1  sodekessel. 
Item  200  hemel  unde  3  hemel  in  dem  salcze.  —  Item  eyn 
jeczauwe  von  bodden.  —  Item  4  achtel  salczes.  —  Item 
ryntener  unßlydd(es).  —  Item  50  phund  wachses  alz  daz  der 
emeynster  unde  Henne  Ychel  geacht(et)  hain.  —  Item  3  hand- 
.  —  Item  3  erenbecken.  —  Item  4  erenluchter.  —  Item 
irmbrost.  —  Item  1  wynde.  —  Item  2  sp&ngurtel  unde 
locken.  —  Item  5  banckducher.  —  Item  9  stiilekußen.  — 
n  3  phund  garneß  czu  dyeschtuchern.  —  Item  myns  gnedigen 
Ten  bette  in  syner  kammern.  —  Item  1  heubtp51.  —  Item 
ruwedeckc.  —  Item  1  schürduch.  —  Item  4  bette  in  des 
iribers  kammern.  —  Item  3  heubtpole.  —  Item  7  par  lylachen 
der  burgk.   —  Item   1   bette  der  kelnirßen  unde   1  heubtp51. 

Item  uff  dem  kellir  1  bette  unde  1  heubtpöl.  —  Item  dy 
arknechte  2  bette  unde  2  pare  lylachen.  —  Item  den  meyden 
bette  unde  1  heubtpoel  eyn  decken  unde  1  par  lylachen.  — 
m  der  hofemeynster  1  bette,  1  heubtpöl,  eyn  betteduch  unde 
ylachen.  —  Item  des  foydiß  junge  eyn  bette,  eyn  decke  unde 
lylachen.  —  Item  2  betteduchir.  —  Item  Claeß  der  almüser 
ylachen.  —  Item  1  ruwedecken  uff  des  schrybors  bette.  —  Item 

kfißen  uff  den  betten  in  der  burgk.  —  Item  10  drelich  dys- 
ben.  —  Item  eyn  gude  lange  drelichs  handtwele  myns  gnedigen 
rren.  —  Item  anderwerbe  5  kleyne  drelich  handtvvelen.  — 
m  4  brotducher  den  knechten.  —  Item  eyn  wenig  fläßes  in 
Ties  gnedigen  herren  kysten.  —  Item  3  kluwen  garneß.  —  Item 
ionne  myt  feedem.  —  Item  4  hantb6ßen.  —  Item  eyn  halbe 
nne  myt  pylen.  —  Item  5  nuwe  boßen  dy  myn  gnediger  herre 
fn  Gießen  hait  gesand  kleyne  unde  groeß.  —  Item  6  hindir- 
•gke  an  dy  boeßen.  —  Itcni  eyn  bölien  dy  man  nennyt  den 
lenhüd.  —  Item  16  fudirge  vaß.  —  Item  1  halbfudirg  vaß.  — 
ni  4  kappftßbödden.  —  Itom  13  secke  hose  unde  gud.  — 
m  5  mesten.  —  Item  12  gude  ulen  myt  suermylch.  —  Item 
bestehen  weyne  in  myns  gnedigen  herren  forNv'ergk.  —  Item 
plugk  unde  3  cyden.^*  —  Item  4  czenen  schußein.  —  Item 
Ivalbfirtels  fleschin.  —  Item  1  quart  flesch.  —  Item  1  firmaß 
Jch.  —  Item  4  eckeß.  —  Item  4  hauwegabeln.  —  Item  0  mist- 

beln.  — 

Original   im  Großh.  Haus-  u.  Staatsarchiv  zu  Darmstadt,  Domanial- 
'äude,  Gießen. 

1*  Ob  statt  cydem  =  zetter  (Vordeichsel)? 


Anhang. 

Giessa  Hassorum, 
eine  in  Kupfer  gestochene  Ansicht  der  Stadt  aus 

dem  Jahre  1612. 

H.  V.  Ritgen  hat  in  seinem  Aufsatze:  „Die  erste  Anlage 
CJießens  und  seiner  Befestigungen**  die  ihm  bekamit  ge- 
wordenen Abbilduni^en  der  Festungswerke  von  Gießen  auf- 
gezählt. ^  Im  Jalire  1887  erwarb  das  Großherzogliche  Haus- 
und Staatsarchiv  aus  einer  aufgelösten  Darmstädter  Prival- 
sammlung  einen  bis  dahin  unbekannten  Kupferstich,  der 
(ließen  von  Südost  her  darstellt.  Wie  mangelhaft  er  vom 
künstlerischen  Standpunkt  aus  sein  mag,  so  gibt  er  doch  ein 
deutliches  IJild  der  Festungswerke  und  der  Hauptgebäude 
der  Stadt,  so  daß  er  neben  der  trefflichen  Federzeichnung 
W.  Dilichs  aus  1591  einen  bescheidenen  Platz  findea  mag. 
Das  Orij^inal  mißt  in  der  Breite  32,5  cm,  in  der  Höhe  fast 
18  cm:    nebenstehend    ist    es    verkleinert    wiedergegeben. 

Auf  dem  bnMlen,  unteren  Rande  sind  zwei  dichterische 
Krzeugniss(5  zum  Lobe  (ließens  gedruckt.  Das  in  lateinischer 
Spraciie  hat  (Um  Professor  der  Dichtkunst  und  Historie, 
auch  Universitätsbibliothekar,  Konrad  Bachmann  zum  Ver- 
fasser; (l(»r  des  deutschen  zog  es  vor,  seinen  Namen  zu  ver- 
schweig(Mi.  Dann  folgt  eine  Erklärung  der  dem  Stiche 
beig(»fügt(Mi  Buchstaben.  Das  Stück  ist  nebenbei  ein  alter 
datierter  Druck  Cbemlins-,  der  es  für  die  Besucher  der 
neuen  Fniversität  hergest(»llt  haben  wird.  Es  macht  fast 
den   Findruck  einer   Reklame. 

Sit:  facirs  (ill:lSSAK  oft,  (luani  fofsa  atque  aggere  valli 
Cinxit    Amor    Patriae,    Magno    Philippe,    tuus. 

Hoc  Valium,  haue  foffam  poft  Caefaris  ira  diremit, 
Keftituit   Fdei*    fed    Ludovicus    honor. 

*  VicruT  JaliroshiTicht  ilos  ()I.K'rii<'ssisth(.'n  Vereins  f.  Lokalgeschichte^ 

(üciioM  ixxr).  s.  r)7f. 

-  Er  uarder  zwoilälh'sto  (iii'l5ein*r  Uuclidrucker.  Vergl.  Ivönnccke,Hesi. 
I{iicl:«lrurk.Tl)ii(li.  Marljurj;  ^H\^,  S.  24:J,  und  Büchner,  Die  Anfänge  d» 
r.iu'li(lni(ks  ...  in  (ii«'ßcii.  .Milt«Ml.  d.  OIktIicss.  Ciesch.-Ver.,  N.  F.,  V, 
i>.  :54:   VI,  S.    11)1  IT.   —  -  So  für  fi<lei. 


254  ■  Anhang. 

Impofuitquc  doiisK|jba  "Mairli  et  belli  ufibus  aptaiu, 

Fecit  et  anribuä  divite  lubridium. 
Nunc  Utriusque  Nepos  animam  infpiravit,   et  urbem 

Eduxit  Coelo,  Tideribusque  locat, 
Caefaris  induitu  quando  huc  Academica  jura 

Tranftulit;  hinc  Patruo  Major  Avoqne  cluet. 

Conradtis  Barhmannus  Profeffor, 

GIESSEN  die  Statt  in  HeWenland 

Nun  mehr  in  aller  Welt  bekand  / 
;  Von  Sud-Ost  her  fo  wird  gefehn  / 

Wie  f ie  thut  hier  vor  Augen  {tehn  / 
Philips  Lantgraff  das  Fürstlich  Blut 
!  Dem  gantzen  Vatterland   zugut 

Die   Fertung  /  Burg  /  und   gantze    Statt 

Mit  Wehr  und  Wall  umbgeben  hat: 
Die  doch  hernach  durchs  Keyfers  Zorn 

Zerfchleifft  /  zerbrochen  /  und  verlorn : 
.Biß  das   Ludwig   der  gütig   Helt 

Sie  widerumb  zu  recht  gelle  11 1  / 
Verbelfert  hat  Paftei  und  Wall 
;  Dem  gantzen  Land   zu  wolgefaln. 

Das  Zeughauß  auffgebawet  schon  / 

Daflelbig  mit  Munition 
Gar  wol  verfehen  und  Gefchütz  / 

Und  was  zu  Krieges  Brauch  ilt  Nütz. 
Letzlich  aber  Ludwig  der  frumb 

Als   in    fein  erblichs   Eigenthumb 
Ein  hohe  Schul  gerichtet  an  / 

Wie  das   l)ekann(l    ift  Jederman  / 
Dadurch  ihr  liOb  /  Ruhm  /  Preiß  und  Ehr 

Von  Tag  zu  Tag  wechft  mehr  und  mehr/ 
Gott  wol  hinfort  diefelbig  Schul/ 

Widern  Teuffei  und  hellfchen  Pfuel 
Gnädig  befchützen  inunerdar  / 

Behüten  auch  für  falfcher  Lahr 

Und  uns  erretten  auß  Gefahr. 

nfdcnituni:  der  Buchstaben  im  Abriß:  a  Dedeut  die  Kirch  /  b  »Vit 
l  niversitet  und  nou  Fürstlich  Colletriuin.  c.  Das  Zeughauß.  d.  Die  Altaua 
d<'li  lliinniolslaiif!  zu  obsorx'k'rn.  e.  Das  Ampthauß.  f.  Das  Rahthaut 
|r.  Die  vier  l'forteii. 

(iedruckt  zu  Gieffen  /  durch  Cafpar  Chemiein.     1612. 

Auf  dem  Stiche  ist  das  Xeuweger  Tor,  dem  das  bo* 
Dilich  erschoinonde  Vorwerk  fehlt,  mit  dem  prosaischen 
JVamori  „Kuhthor"  bezeichnet,  der  im  Voiksmunde  noch  iio 
Allfange  des  neunzehnten  Jahrhunderts  gebräuchlich  g^ 
Wesen  sein  soll. 


VII. 

Neue  Betträge  zur  Geschichte 

von  Johann  Balthasar  Schuppius  in  der  zweiten 

Periode  seiner  Marburger  Professorentätigkeit 

(1639—1646). 

Von  Wilhelm  Diehl. 

Unter  den  E*rofessoren  der  liossen  -  darmstädtisclipn 
I^iidesuniversität  zu  Marburg  liat  keiner  das  Olürk  gehahl. 
'derartig  oft  nach  aUeri  Seiten  seines  Wesens  in  Mono- 
gfaphicn  dargestellt  zu  werden  wie  Johiinii  Balthasar 
Schuppius,  Trotzdem  giht  es  in  der  Lebonsgeschirhte  dos 
Mannes,  vor  allem  in  den  hessischen  PeriiKlen  seines  Lehens, 
■ßimer  noch  recht  viel  zu  entdociten.  Das  sehen  wir  z.  B. 
an  den  beiden  jüngsten  Arbeiten  von  Hessen-Darms tädtern. 
•l'e  sieh  mit  Schuppius  hescliilftigeii :  der  Ausgabe  von  Job. 
Balthasar  Schupps  Briefwechsel  mit  dem  Landgrafen  .lohann 
^on  Hessen,  die  Neb(?l  1890  in  den  Milteilungen  des  Oh^T- 
hessischen  Geschic^htsvereins.  Bd.  II.  S.  49f[.,  veransUvItet 
'•at,  und  der  vor  kurzem  in  den  ,, Beiträge  zur  hessischen 
Schul-  und  üniversitätsgeschicble",  Bd.  I.  S.  169  ff.,  abge- 
liruckten  Arbeit  \V.  Ü.  Beckers  „Ans  Johaiui  Balthasar 
Schupps   Marburger   Tagen",   die   eine   Anzahl   von   liriefen 


:>r)G  Wilhelm  Diehl. 

Schupps  an  den  Ulmer  Superintendenten  Dieterich  mitteill. 
Beide  Arbeiten  bringen  nicht  nur  eine  Fülle  neuen,  bisher 
unbekannten  und  unbenutzten  Materials  bei,  sie  rücken  auch 
das  Wirken  des  Maruies  unter  ganz  neue  Gresichtspunkfe  und 
lassen  manches,  was  man  bisher  nicht  oder  nicht  recht  ver- 
stand, in  einem  neuen  Lichte  erscheinen. 

Nachfolgende  Arbeit  soll  eine  Ergänzung  zu  den  Bei- 
trägen von  Nebel  und  Becker  bilden.    Sie  bezieht  sich  auf 
die  Zeit,  die  zwischen  den  von  beiden  Forschem  behandelten 
Perioden  liegt.    Sie  hebt  mit  dem  Zeitpunkt  an,  wo  der  von 
Becker  herausgegebene  Briefwechsel  Schupps  mit  Konrad 
Dieterich  durch  Dieterichs  im  März  1639  erfolgten  Tod  einen 
jähen  Abbruch  fand  und  erstreckt  sich  bis  zum  Anfang  von 
Schupps  Braubacher  Zeit,  von  der  Nebels  Studie  ihren  Aus- 
gangspunkt nimmt.    In  den  acht  Jahren,  welche  zwischen 
den   beiden    Endpunkten    1639   und   1646  liegen,   sind  für 
Schupps  Leben  drei  Ereignisse  besonders  wichtig  geworden: 
1.  der  Auftrag,  den  ihm  der  Landgraf  Georg  IL  im  Jahre 
1639   zur  Ausarbeitung  einer  Geschichte  Ludwigs  V.  und 
Georgs  IL  bis  zur  Gegenwart  gab,  2.  Schupps  Prorektorat 
im  Jahre   1643  und  3.  die  finanzielle  Not,   in  die  Schupp 
1644    kam,    die    1645   gegen   ihn   geführte   Disziplinarunter- 
suchung und  die  damit  zusammenhängenden  Bestrebungen, 
von  Marburg  wegzukommen.    Die  drei  Ereignisse  stehen  iß 
einem    gewissen   Zusammenhang.    Die   beiden   letzten  sind 
die  Ursache  dafür  geworden,  daß  aus  dem  ersten  und  damit 
Schupps  Opus  historicum  nichts  ward.   Hieraus  ergibt  sich 
die    Kiiitoilung   der   nachfolgenden   Studie. 

Das  Material,  das  zu  der  nachfolgenden  Arbeit  benutzt 
ist,  und  bei  dessen  Sammlung  ich  in  weitgehendem  Maße  von 
Herrn  Staatsarchivar  Dr.  Dieterich  unterstützt  ^vurde,  ist 
zum  Teil  bereits  früher  von  Forschern  auszugsweise  be- 
nutzt worden,  zum  Teil  war  es  bisher  unbekannt.  Es  ent- 
stammt drei  Fundorten,  dem  Haus-  und  Staatsarchiv  ia 
Darmstadt,  der  Registratur  des  Ministeriums  des  Innern  ift 
Darmstadt  und  dem  Universitätsarchiv  in  Gießen.  Ganz  un- 
bekannt wanm  bisher  die  aus  der  Ministerialregistratur 
stammenden  Akten  über  Schupps  Prorektorat  (Faszikel 
,, Rektorwahlen'*)  sowie  die  aus  den  Gießener  Akten  mit- 
geteilten LJ(»richte,  die  sich  auf  Schupps  Professorentätigkeit 
und  seine  Anteilnahme  an  der  Verteidigung  von  Marburg 
beziehen.  T(nl weise  benutzt  waren  die  Darmstädter  Archiv- 
akten, die  von  der  Reauftragung  Schupps  mit  der  Aus- 
arbeitung eines  Opus  historiciun  hassiacum  handeln,  sowie 
diejenigen,    welche   den    Briefwechsel   Schupps   mit  Maxi- 


I 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  357 

milian  zum  Jungen  darbieten.  Notizen  und  Auszüge  aus 
ihnen  haben  Wenck  in  seiner  hessischen  Landesgeschicht3 
und  Henke  in  der  Zeitschrift  für  historische  Theologie  (1866) 
dargeboten. 

I.  W^olff  von  Totenwarts  Plan  zu  einer  hessischen  Chronik 
und  das  Projekt  der  Ausarbeitung  einer  Geschichte  Ludwigs  V. 

und  Georgs  II.  durch  Schuppius. 

Im  Jahre  1639  tauchte  einmal  wieder  das  schon  mehr- 
mals in  Angriff  genommene,  aber  bisher  noch  niemals  durch- 
geführte  Projekt   auf,   zur   „höheren   Ehre   des   hessischen 
Regentenhauses**    eine    hessische    Chronika   bearbeiten   zu 
lassen   und   herauszugeben.    Die   Veranlassung   hierzu   bot 
der  damals  in  Hessen  hochangesehene,  bei  Georg  II.   „in 
besonderen  Gnaden**  stehende  Kanzler  Anton  Wolff  von 
Totenwart,  der  seit  1626  auf  die  Notwendigkeit  der  Veraus- 
gabe eines  solchen   Opus  historicum  hingewiesen  und  es 
zum  Beispiel  auch  fertig  gebracht  hatte,  daß  sein  Freund 
Melchior  Goldast  im  Anfang  der  dreißiger  Jahre  den  Auf- 
trag zur  Bearbeitung  einer  Chronica  hassiaca  erhalten  hatte, 
deren  Vollendung  und  Drucklegung  leider  durch  Goldasts 
Tod  vereitelt  worden  war.    Wolff  von  Totenwart   richtete 
am  19.  März  1639  zwei  und  am  3.  April  1639  ein  drittes 
Schreiben  an  Landgraf  Georg  IL,  in  denen  er  seinen  Plan 
ausführlich  darlegte  und  eingehend  begründete.  Wir  bringen 
diese  drei  Berichte  unten  zum  Abdruck  (Beilage  1).    Nach 
ihnen  sollte  das  von  Totenwart  geplante  Werk  die   ganze 
hessische  Geschichte  in  Vergangenheit  und  Gegenwart  be- 
treffen   und  zu  ihr  die  wichtigsten  Quellenstücke  und  Ma- 
terialien, teils  im  Wortlaut,  teils  im  Auszug  darbieten.    Es 
sollten  diese  Mitteilungen  gleichsam  ein  „Opus  Raritatum 
Hassiacarum"  bilden  und  die  Tendenz  verfolgen,  des  „uhr- 
alten fürstlichen  hessischen  Hauses  Gloria"  so  zu  verherr- 
lichen, wie  diese  es  verdiente.    Dabei  sollte  es  die  Gegen- 
wart  ebenso    berücksichtigen    wie    die    Vergangenheit;    so 
sollten  zum  Beispiel  in  ihm  die  ,, Schwedische  und  Rüssels- 
heimische  Sach"    und   die   Universit<ätsstatuten  ebenso   ge- 
wissenhaft  behandelt    werden,    wie    beachtenswerte    Kund- 
?ebungen  Ludwigs  V.  und  aller  seiner  Vorgänger. 

Außer  diesen  Nachrichten  über  die  Anlajce  des  «ranzen 
erkes   bekommen  wir  aus  den  drei  Berichten  noch  Mit- 
teilungen  über   die   Persönlichkeiten,   die   bei   der   Heraus- 
gabe beteiligt  sein  sollten.    Einen  bedeutenden  Einfluß  auf 
^s  Werk  wahrte  sich  der  Kanzler  selbst,  und  zwar  da- 

Bdtüge  I.  G€8ch.  d.  Unlrersitftteu  MaIos  u.  Gießen.  17 


258  Wilhelm  Diehl. 

durch,  daß  er  die  Materialsammlungen,  die  er  sich  seit 
Jahren  hergestellt  hatte,  zur  Grundlage  des  Werkes  machte. 
Außer  ihm  sollten  an  dem  Werk  noch  zwei  Personen  in 
besonderem  Maße  arbeiten:  Professor  Konrad  Bachmanii, 
dem  der  Kanzler  die  Rolle  eines  Vervollständigers  und  R^ 
daktors  seiner  Sammlungen  zugedacht  hatte,  und  der  Ober- 
archivarius  Tu  Isner,  der  die  Oberleitung  über  den  Druck 
haben  sollte. 

Aus  dem  in  den  drei  Berichten  entwickelten  Plan  des 
Kanzlers  ward  nichts.  Als  er  im  Jahr  1639  in  Ungnade  fiel. 
liel  mit  ihm  auch  das  eigenartige  Projekt,  zu  dessen  Her- 
stellung er  so  dringlich  geraten  hatte.  Toten  wart  trug  dazu 
selbst  ein  Wesentliches  bei.    Er  vernichtete  im  Zorn  über 
seine  Entlassung  seine  ganze  Materialsammlung  ^  und  machte 
es  dadurch  unmöglich,  daß  man  bei  der  Absicht  beharren 
konnte,   möglichst   bald   eine   die   gesamte   hessische  Ge- 
schichte umfassende  Chronika  zu  schaffen.  Wollte  man  möjr- 
lichst  bald  ein   Opus  historicum  hassiacum  haben,  so  mußte 
man  nunmehr  sich  dazu  bequemen,  nur  diejenige  Zeit  zu 
behandeln,  für  die  das  von  Totenwart  gesammelte  und  dann 
vernichtete    Material    am    ehesten    wieder    herbeigeschafft 
werden  konnte :  also  die  Zeit  der  letzten  Jahrzehnte.   Man  tat 
dies  auch.    In  den  Berichten,  die  von  der  Weiterführang  des 
Totenwartschon  Projekts  liandeln,  ist  stets  nur  die  Rede  von 
einer  Geschichte  der  letzten  zehn  Jahre  des  1626  verstorbenen 
Landgrafen  Ludwig  V.  sowie  der  Regierung  des  derzeitigen 
Landgrafen  Georg  IL    Aus  dem  Opus  Raritatum  Hassiaca- 
runi,  das  alle  Perioden  der  hessischen  Vorzeit  durch  Dar- 
bietung bedeutsamer  Aktenstücke  behandeln  sollte,  ward  ein 
mehr  darstellendes  Werk  über  die  24  letzten  Jahre  hessischer 
Geschichte.    Wie  ein  unseren  Akten  beiliegendes  Blatt  aus 
dem  Jahre  1640  beweist,  sollte  dies  neue  Opus  historicum  den 
Titel  tragen  :  „Vitae  Ludovici  lidelis  et  Georgii  Pacifici  Hassia»* 
Landgraviorum,  tibi  quasi  in  Theatro,  figuris  aeneis  ingenio- 
sissima  manu  Matth.  Meriani  sculptis,  ob  oculum  ponuntiir. 
et  simul  per  digressionem  repraesentantur,  et  fide  historica 
recensentur  Res,  in  S.  R.  Imperio  publice  gestae,  ab  Anno 
CD  IOC  XVll.  usque  ad  annum  MDCXL."  Was  in  dieses  Buch 
alles  Aufnahme  finden  sollte,  wird  uns  annähernd  klar,  wenn 
wir  das  Aktenstück  l)etrachten,  das  wir  unter  No.  III  zum  Ab- 


1  Auf  den  Bericlit  Totenwarts  vom  19.  März  1639  hat  eine  Hand  »W 
Gcorjjs  IL  Zeit  geschrieben:  „Diese  herrliche  Collectanea  hat  der  hoch- 
qualificirte  Herr  Stathalter  Wolf  von  Todenwart  bey  seiner  Widrigkeit  BW 
Verfolgung  verbrennet  und  gesagt :  Es  were  das  Hauss  Hessen  der  gleicbfp 
hochschätzbaren  Schatzes  nicht  würdig,  uti  audivi  ex  ore  Dn.  filü  Coosi- 
liarii  Aulici  Caesarei". 


Keue  Beiträge  zur  Gesciiichte  Scbuppa.  !£äV' 

druck  bringen.  Es  ist  ein  Entwurf  zu  dem  von  Georg  II. 
handelnden  zweiten  Hauptteil  des  geplanten  Weites,  her- 
gestellt von  einem  Mitglied  des  Geheimen  Rates. 

Wie  man  hinsichtlich  des  Inhaltes  des  zu  schaffenden 
Geschichtsweites  eine  Änderung  eintreten  ließ,  machte  man 


w  auch  mit  der  Person  des  llisarliiiittTs.  Der  von  Totenwart 
^Redaktor  vorgeschlagene  Professor  Bachmann  wurde  bei- 
*ite  geschoben  und  für  ihn  der  damalige  Professor  der  Elo- 
luenz  und  Historie  Joliann  Ltallhasar  Schuppius  mit  der 
Ausarbeitung  des  Opus  historicuin  betraut.  Es  lag  dies 
^rigens  auch  viel  näher,  Schupii  war  zur  Zeit  der  einzige 
Vertreter  des   Faches  der  tii'schichte  an  der  Universität, 


S60  Wilhelm  Diehl. 

während  Bachmaiin  zwar  vor  einer  Reihe  von  Jahren  auch 
einmal  Professor  der  Historie  gewesen  war,  1618  sogar  eine 
Übersetzung  von   Christoph   Helwigs    „Chronologia   univer- 
salis" hatte  erscheinen  lassen,  aber  seit  Jahren  sich  aller 
Publikationen  aus  dem  Gebiet  der  Geschichte  enthalten  hatte. 
Dazu  kommt,  daß  Schuppius  in  den  letzten  Jahren  deutlich 
gezeigt  hatte,  daß  er  der  Pflege  der  Historie  im  Sinne  seines 
verstorbenen  Schwiegervaters  Christoph  Helwig  sein  ganzes 
wissenschaftliches  Können  zu  widmen  bereit  war.    Nachdem 
er  1635  seine  Lehrtätigkeit  mit  einer  —  nach  unseren  Be- 
griffen allerdings  eines  Geschichtsprofeasors  wenig  würdigea 
—  dem  Kanzler  Totenwart  gewidmeten  Oratio  solemnis,  be- 
titelt: „Series  chronologica  imperatorum  in  Monar- 
chia  Romana**  (einer  Zeittafel  von  Julius  Cäsar  bis  Kaiser 
Ferdinand   IL)    eröffnet    hatte,  hatte  er  Christoph  Helwigs 
„Theatrum    historicum    et    chronologicum/*     sowie 
dessen  „Chronologia  universalis,"  ersteres  mit  reichen 
Zusätzen,  neu  herausgegeben  und  außerdem  zwei  weitere 
historische  Arbeiten,  seinen  „Deucalion  cristianus  seu 
de  vero  natali  Jesu  Christi  controversia  theologica'* 
und    seinen   „Hercules   togatus   seu   de   illustrissimo 
Georgio  IL  Cattorum  Landgravio**  geschrieben.   Welche 
Mühe  er  sich  gab,  auch  die  Studentenschaft  für  das  Ge- 
Schichtsstudium  zu  interessieren,  beweist  ein  unter  No.  II  ab 
gedruckter  Anschlag  am  schwarzen  Brett,  mit  dem  er  zu 
einer  Oration  eines  seiner  Schüler  einlud.    Er  redet  darin  von 
der  Wichtigkeit  der  Geschichtsforschung  in  hohen  Tönen. 
Jedenfalls  war  Schupp  als  Historiker  dem  alten  Bachmann 
überlegen.    Der  Landgraf  trug  ihm  aus  diesem  Grund  auch 
gleichzeitig  die  Ausarbeitung  des  Panegyrikus  auf  den  ver- 
storbenen Landgrafen  Friedrich,  dessen  Herausgabe  Toten- 
wart ebenfalls  als  notwendig  bezeichnet  hatte,  auf.   Schupp 
ließ  ihn  1642  unter  dem  Titel  „Oratio  de  familia,  vitaet 
obitn  Friederici  Hassiae  Landgravii"  erscheinen. 

Aus  dem  Vorstehenden  ergibt  sich,  was  man  von  den 
über  Bachmaruis  Stellung  in  der  Reihe  der  offiziellen 
hessischen  Chn)nikenschreiber  verbreiteten  Ansichten  z» 
halten  hat.  Bachmann  wurde  weder  vor  noch  mit  Schupp 
zur  Ausarbeitung  einer  hessischen  Chronica  herangezogen. 
Auch  wissen  die  Akten  nichts  davon,  daß  er  in  Ungnade  fiel- 
Endlich  ist  es  falsch,  wenn  man  mit  Bischoff  behauptet, 
Schupp  sei  in  die  Arbeit  nach  Bachmanns  Tod  eingetreten. 
Baclunann,  der  nie  den  Auftrag  zur  Ausarbeitung  des  Opus 
historicum  erhalten  hatte,  freute  sich  noch  sechs  Jahre  nach 
der  Übertragung  der  Chronikbearbeitung  auf  seinen  Schüler 
und  Kollegen  Schupp  des  Lebens. 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  S61 

Unter  welchem   Datum   Schuppius   mit  der  Ausarbei- 
tung   dieses   Werkes   beauftragt   wurde,    ist   zur  Zeit   aus 
den    vorliegenden   Akten   nicht  zu   ersehen.    Doch   scheint 
es  sicher,  daß  er  noch  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres 
1639  angewiesen  wurde,    sich    an    die    Bearbeitung    eines 
Planes    für   die   „Vitae    Ludovici    fidelis   et   Georgii    paci- 
fici"    zu   machen,   und   daß   man   ihm   schon   damals   „zu 
dissem   Behuff   Herrn   Goldasti   arbeit   communicirte."    Be- 
reits am  4.  März  1640  erging  eine  Verfügung  von  Seiten  der 
hessischen  Räte  Dieterich  Barthold  von  Pleß  und  Philipp 
Ludwig  Fabricius  an  Schuppius,  die  im  Hinblick  darauf,  daß 
der    Landgraf    „gern   den   anfang    solches    Wercks   hal)en 
möchte**,  den  Wunsch  aussprach,  Schupp  möge  doch  „soviel 
nach  ietziger  betrüblicher  Bewandtnus  der  LeufEte  geschehen 
löag,  nochmahls  seine  Gedancken  auf  das  Werck  schlagen; 
er  habe  sich  gewiß  zu  versichern,  da  Er  in  solcher  ihme  auf- 
getragenen arbeit  dcme  von  Ihrer  F.  Gn.  auf  ihne  gestellten 
guthen  Vertrawen  nach  fleißig  fortsetzen  würd,  daß  Seine 
F.  Gn.  solches  mit  würcklichem  gnedigen  Daiick  gegen  ihn 
zu    erkennen    ohnvergessen     bleiben    werden**.      Zugleich 
wurden  Schupp  zwei  kleinere  neue  Aufträge  gegeben.    Er 
sollte  „den  ihm  übersandten,  zwischen  den  beeden  fürstlichen 
Linien  Cassel  und  Darmstatt  aufgerichteten  Haubtaccord,  wie 
auch  die  darüber  vorhandene  Kayserliche  Confirmation  in 
einem  feinen  zirlichen  Stylo  lateinisch,  je  eher,  je  besser 
vertiren**.     Ferner  wurde  er  damit  betraut,  eine  Apologie, 
die  Landgraf  Georg  auf  ein  „an  eine  vornehme   bekandte 
Person  abgelassenes  Schreiben  des  Schwedischen  Hofcantz- 
<      lars  und    Legatus    in   Teutschland     Herrn   Salvius**    durch 
I      Professor   Schütz   hatte  abfassen   lassen,   „in   höchster   ge- 
haime**  und  „sobald  immer  müglich,  etwas  kürtzer  und  klärer 
zu  stylisiren**,  damit  sie  in  einer  etwas  „weniger  weitlauff- 
tigen**  Form  an  ihre  Adresse  befördert  werden  könne. 

Wenn  die  Geheimen  Räte  gehofft  hatten,  daß  Schuppius 
'^^reits  mitten  in  der  Arbeit  für  die  „Vitae*'  wäre,  so  hatten 
sie  sich  getäuscht.  Schuppius  berichtete  am  7.  März  1640 
'n  einem  Schreiben,  das  wir  unten  (Beilage  IV)  mitteilen, 
daß  er  vor  Berufsgeschäften  und  anderen  wissenschaftlichen 
Aufträgen  noch  nicht  recht  an  das  neue  Werk  gekommen 
sei;  er  bat  zugleich  um  Fintschuld igung  wegen  dieser  Pro- 
fr^tination. 

Trotzdem  Schuppius  in  dem  ebenerwähnten  Schreiben 
Versprach,  „daß  ihm  das  bevvuste  Historische  Werck  wohl 
^'econmiendiert  bleibe**,  kam  er  vor  anderen  Geschäften 
5uch  im  Verlauf  des  nächsten  Jahres  nicht  dazu,  dem  Pro- 


962  Wilhelm  Diehl. 

jekte  ernstlich  näher  zu  treten.    Das  erste  Schreiben,  das 
wir  über  die  Abfassung  des  Opus  historicum  aus  der  nächst- 
folgenden Zeit  besitzen,  ist  ein  vom  17.  Juni  1641  datierter 
Brief   Schupps    (Beilage   V).     Er   zeigt,   daß   Schuppius  es 
bisher  nur  zu   dem   Entwurf  „einer  disposition**   gebracht 
hat,  daß  er  aber  von  der  Absicht  erfüllt  ist^  nunmehr  das 
Werk  ernstlich  in  Angriff  zu  nehmen.    Ehe  dies  allerdings 
geschah,  hielt  er  es  für  nötig,  daß  allerlei  Vorfragen  ihrer 
Lösung  entgegen  geführt  würden.  Vor  allem  wünschte  Schup- 
pius, daß  man  ihm  einen  Amanuensis,  einen  Gehülfen  seiner 
Arbeit,  beigebe,  der  „unice  von  ihm  dependire**,  über  den 
er  Tag  und  Nacht  verfügen  und  den  er  im  Notfall  auch  ent- 
lassen könne,  femer,  daß  man  dem  Amanuensis  und  ihm 
selber,   die   durch  ein   besonderes  Jurament  auf  die  neue 
Arbeil  zu  verpflichten  wären,  nicht  bloß  für  die  Zeit  während 
der  Bearbeitung  ein  „Recompens**  verspreche,  sondern  für 
sie   auch    eine   spätere    besondere   Belohnung   in   Aussicht 
nehme.    Für  den  Amanuensis  erbat  er  „einen  schriftlichen 
Promiß  zukünftiger  Beförderung  auf  einen  guten  ahnnehm- 
liehen  Pfarrdinst**,  für  sich  aber  richtige  Auszahlung  seiner 
bisherigen  Professorenbesoldung  (hinsichtlich  deren  er  seit 
Jahren  Grund  zu  ernsten  Klagen  hatte),  außerdem  Liefenmg 
von   12    Klaftern   Holz    und   ein   par    Stück   Wild  jährlich 
und  ebenfalls  eine  schriftliche  Versicherung  des  Landgrafen, 
daß   er   und   seine   Nachfolger   Schupp   und   seine   Familie 
das,   was   sein   Schwiegervater  Helvicus   und   was  Schupp 
selber  zum  Besten  des  historischen  und  oratorischen  Stu- 
diums bisher  getan  hätten,  und  was  Schupp  mit  seiner  Aus- 
arbeitung  des    Opus   historicum   noch    tun   werde,    gnädig 
später  wolle  genießen  lassen. 

Auf  die  soeben  mitgeteilten  Wünsche  Schupps  ging  der 
Landgraf  ohne  weiteres  ein.  Am  6.  Juli  1641  ließ  er  ihm 
durch  ein  Schreiben  von  Philipp  Ludwig  Fabricius  kund 
tun,  daß  man  dem  Amanuensis  „52  Reichsthaler  und  etwa 
noch  eine  Uiscretion,  jede  Woch  nemlich  1  Reichsthaler'* 
geben  und  die  Versicherung  tun  werde,  daß  man  ihn,  „waa 
das  Werck  fertig,  zu  einem  guten  annehmlichen  Pfarrdinst 
befördern  wolle,  seinen  Qualitäten  nach**.  Ferner  erfuhr 
Schupp  aus  dem  Schreiben,  daß  ihm  die  12  Klafter  Holz, 
sowie  zwei  Stück  Wild  und  eine  W^ildsau  bewilligt  seien, 
daß  man  für  richtige  Bezahlung  seiner  Besoldung  sorgen 
und  ihm  unter  Hand  und  Siegel  des  Landgrafen  die  f' 
wünschte  schriftliche  Versicherung  geben  wolle.  Zuglei<* 
wurde  von  Schupp  Bericht  erfordert,  „ob  der  Amanuensis 
ein  Landkind  und  woher  er  sey**,  ob  die  Geldbesoldung  ßr 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  263 

jn  Amanuensis  genüge,  und  wie  er  etwa  denke,  daß  die 
nie  Geldquelle  für  seine  (Schupps)  Besoldung  erschlossen 
erden  könnte,  auf  die  er  in  seinem  Berichte  vom  17.  Juni 
n  gewiesen  hatte. 

Ehe  diese  Verfügung,  die  vom  2.  Juli  datiert  war,  in 
rhupps  Hände  kam,  hatte  er  bereits  einen  neuen  Bericht, 
u  Memorial,  eingereicht  (Beilage  VI),  in  dem  er  nochmals 
if  die  Bedingungen,  unter  denen  das  Werk  begonnen  werden 
mne,  einging.  An  wen  dieses  Memorial,  das  wir  unten 
im  Abdruck  bringen,  gerichtet  ist,  und  unter  welchem  Datum 
j  abgesandt  wurde,  wissen  wir  nicht;  doch  ist  sicher, 
aß  es  in  die  Zeit  nach  dem  17.  Juni  und  vor  Einlieferung 
er  Verfügung  vom  2.  Juli  fallen  muß.  Schupp  wiederholte 
ier  seine  Wünsche  und  erweiterte  sie  zugleich.  Er  bat 
ür  den  Amanuensis  um  eine  Discretion  pro  labore,  sowie 
rier  Klafter  Holz  zur  Erwärmung  des  Losaments.  Für  sich 
iber  bat  er  die  Gnade  aus,  daß  man  ihm  nicht  nur  sofort 
einen  Abschlag  seiner  rückständigen  Besoldung  aus  den 
Geldern  des  geistlichen  Landkastens  gebe,  sondern  der  Uni- 
versität reskriptlich  mitteile,  „daß  Schupp  lesen  möge,  wann 
er  kann**,  daß  er  also  von  seiner  Vorlesungspflicht  teilweise 
entbunden  werde.  Letztere  Notiz  ist  besonders  beachtens- 
wert, weil  Schupp  hier  diesen  Wunsch,  der  später  erfüllt 
wurde,  zum  erstenmal  aussprach.  Das  Memorial  ist  übrigens 
noch  in  anderen  Beziehungen  beachtenswert.  Schupp  läßt 
in  ihm  durchblicken,  daß  er  bereits  an  fler  Arbeit  ist:  in 
Punkt  1  bittet  er  um  Akten  über  die  Erziehung,  Reisen  und 
Hochzeit  des  Landgrafen  Georg  H.  und  in  Punkt  3  drängt 
er  auf  Verpflichtung  des  Amanuensis,  damit  „er  ihm  sicher- 
lich eins  undt  anders  abzuschreiben  undt  zu  excerpiren 
ahnvertrawen  dörffe**.  Ferner  gibt  er  uns  in  Punkt  5  und 
der  Beilage  zu  diesem  Memorial  einen  interessanten  Beitrag 
2ur  Gießener  Stadtgeschichte. 

Die  Antwort,  die  Schupp  auf  die  Verfügung  vom 
-•  Juli  gab,  kennen  wir  nicht.  Vielleicht  hat  er  sie 
<lem  Vizekanzler,  mit  dem  er  in  der  vorliegenden  Sache 
|nehrfach  persönlich  konferierte,  mündlich  gegeben.  Es 
ist  dies  um  so  bedauerlicher,  als  wir  dadurch  die  Mög- 
jichkeit  verloren  haben,  den  Namen  des  Amanuensis,  des 
in  Aussicht  genommenen  zukünftigen  Verfassers  einer  „deut- 
^hen  Hessischen  Chronic",  zu  erfahren.  Wir  müssen  uns 
<iamit  begnügen,  festgestellt  zu  hal)en,  daß  es  ein  Student 
^ar;  die  Annahme,  Bachmann  (damals  ein  Mann  von 
"9  Jahren!)  habe  Schupp  (seinem  Schüler)  als  Amanuensis 
ß^dient,  ist  damit  endgültig  als  irrig  erwiesen. 


264  Wilhelm  Diehl. 

Trotzdem  nach  der  Verfügung  vom  2.  Juli  nur  nocl 
nebensächliche  Punkte  zu  regehi  waren,  kamen  in  dei 
nächsten  Monaten  die  Verhandlungen  wegen  des  Opu 
historicum  ins  Stocken.  Schuppius,  der  um  des  übei 
nommenen  Werkes  willen  seinem  Freunde  Merian  die  vei 
sprochene  Neuausgabe  der  historischen  Chronik  aufgc 
kündigt,  den  Amanuensis  zum  Zweck  besserer  Bewahmn; 
des  officii  tacitumitatis  in  sein  Haus  und  an  seinen  Tiscl 
genommen  und  sich  mit  ihm  bereits  mit  Eifer  an  die  Arbei 
gemacht  hatte,  glaubte  bereits,  dem  Landgrafen  sei  die  Sach( 
wieder  leid  geworden,  er  „habe  etwan  seine  Resolutioi 
geendert".  Um  nicht  zwecklos  arbeiten  zu  müssen,  sandt4 
er  gegen  Ende  September  1641  zwei  Schreiben  wegen  def 
Opus  historicum  ab;  eines,  „Memorial**  betitelt,  an  ein« 
uns  unbekannte  Adresse,  das  andere  datiert  vom  27.  Sep 
tember  an  den  Vizekanzler  Fabricius  (vergl.  unten  No.  VI 
und  VIII).  In  dem  Memorial  bat  er,  daß  doch  endlich  di 
Anweisung  für  die  12  Klafter  Holz,  die  Formula  juraraent: 
der  wegen  Schupps  Vorlesungstätigkeit  an  die  Akademi 
zu  erlassende  Befehl  und  die  „Versicherungen**  für  ihn  un» 
den  Amanuensis  ausgestellt  und  übersandt  werden  möchter 
Zugleich  erneuerte  er  die  Bitte  um  Bewilligung  von  vie 
Klaftern  Holz  für  den  Amanuensis,  bat  um  Auskunft  übe 
die  Art  der  „Edition  des  Buchs**,  gab  Nachricht,  in  welche 
Weise  er  für  einen  rechten  Fortgang  des  Werkes  und  sein 
Stellvertretung  in  seiner  Professorentätigkeit  gesorgt  hab( 
oder  noch  zu  sorgen  denke,  und  fügte  zum  Schlüsse  eiaig< 
Fragen  an  (über  die  Instrumente  Philipps  von  Butzbach  un( 
die  gesetzwidrige  Arretierung  eines  Studenten  durch  eifi 
kaiserliches  Kommando),  die  mit  unserer  Angelegenheil 
nichts  zu  tun  haben.  Schuppius  läßt  in  diesem  Memorial 
deutlich  erkennen,  daß  er  eine  bestimmte  Entscheidun? 
darüber  wünscht,  ob  das  W^erk  fortgeführt  werden  oder 
liegen  bleiben  solle. 

Ausführlicher  und  darum  wertvoller  wie  dies  Memorial 
ist  der  Bericht,  Uen  Schuppius  am  27.  September  au  den 
V^izekanzler  abgehen  ließ  (Beilage  VIII).  In  ihm  kommen 
alle  Klagen  und  Bitten,  die  Schuppius  im  Memorial  aus- 
spricht, wieder  vor.  Daneben  aber  enthält  der  Bericht  einig? 
Stücke,  die  über  das  Memorial  hinausgehen.  Schuppius 
gibt  uns  davon  Kenntnis,  daß  auf  seine  Veranlassung  eil 
„ehrlicher  Mann**  bereit  sei,  ein  Stipendium  für  das  Studiun 
der  Elocjuenz  zu  stiften,  das  an  zukünftige  Theologen  ve 
geben  werd(*n  solle,  und  macht  Vorschläge,  wie  man  m 
Hülfe  des  zu  diesem  Stipendium  gewidmeten  Grundkapita 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  36^ 

n  und  vielleicht  noch  einen  zweiten  Professor  in  dieser  Not- 
nt  eine  Zeitlang  kontentieren  könne,  bis  die  Verhältnisse 
ieder  besser  würden.  Femer  gibt  er  am  Schlüsse  seines 
riefes  an,  wie  er  die  Arbeit  jeder  Woche  einzuteilen  gedenke, 
r  will  drei  Tage  in  jeder  Woche  unice  der  Theologie  widmen 
nd  den  Rest  der  Woche  ganz  auf  das  Opus  historicum 
»^enden.  Endlich  teilt  er  uns  mit,  in  welcher  Weise  er 
är  die  Vertretung  seiner  ordentlichen  Professur  gesorgt 
labe.  Er  hat  zwei  alte  Studiosen  dafür  gewonnen,  daß  sie  mit 
iülfe  der  ihnen  von  Schupp  übermittelten  „arcana"  seine 
CoUegia  oratoria  und  historica  übernehmen  wollen.  Er 
aennt  auch  ihre  Namen:  es  handelt  sich  um  Daniel 
Richter,  einen  Schlesier,  und  Heinrich  Delius,  einen 
Westfalen.  Ersterer  ist  derselbe  Gelehrte,  der  sich  später 
als  Lehrer  an  der  fürstlichen  Schule  zu  Gotha,  und  zwar 
besonders  durch  eine  von  Schuppius  entlehnte  Lehrart  ein^^n 
Namen  machte.  Schuppius  j^edenkt  seiner  in  seiner  Schrift 
yjkt  teutsche  Lehrmeister"  (II,  S.  71)  mit  folgenden  beach- 
tenswerten Worten :  „Ich  habe  hiebevor,  vermittels  eines 
sonderlichen  methodi,  als  ich  noch  Professor  Eloquentiae 
^ar,  meine  Auditores  zur  Wolredenheit  in  der  Lateinischen 
Sprache  angeführt,  und  ihnen  gezeiget,  wie  sie  copiam  ver- 
borum  et  rerum  sich  leichtlich  sammlen,  und  eine  Rede 
Dait  zierlichen  Worten,  fast  auff  unzehliche  Arten  verändern 
können.  Ich  weiß,  daß  alle  die,  so  meiner  information  sich 
hierinn  bedienet,  wohl  dabey  gefahren  sind.  Es  ist,  wie 
ich  berichtet  werde,  dieses  compendium  nunmehr  in  der 
herühmten  Fürstlichen  Schul  zu  Gotha  durch  Herrn  Daniel 
Richtern,  Fürstlichen  Gothischen  Rath  und  Amptsverwesern, 
dem  ich  diese  und  noch  andere  Handgriffe  gezeiget,  einge- 
führet  worden.** 

Die  beiden  eben  erwähnten  Briefe  Schupps  bewirkten 
^»daß  die  Vorverhandlungen,  die  wecken  des  Opus  historicum 
flötig  geworden   waren,  rasch  zum  Abschluß  kamen. 

Am  29.  September  1641  erging  an  die  Universität  eine 
l^ndgräfliche  Verfügung,  in  der  in  Anbetracht  der  Tatsache, 
laß  Schuppius  „bey  fleißiger  und  schleuniger  Fortsetzung 
ler  ihm  auferlegten  sonderbahren  Arbeit  nicht  wohl  jeder- 
zeit und  zu  gewöhnlichen  Stunden  die  ordentliche  Lectiones 
ferde  halten  können",  bestimmt  war:  „daß  er  Schuppius 
war  noch  jeweils  publicas  lectiones  halten  und  einen  wie 
en  andern  Weg  dahin  sehen  solle,  wie  der  studirenden 
igend  in  studio  Eloquentiae  et  Historiarum  und  also  soviel 
•ine  Profession  anlangt,  durch  sonst  ojute  anderwertliche 
nstalten  noch  wohl  vorgestanden  werde,  jedoch  aber  solte 


2€6  Wilhelm  Dlehl. 

er  umb  ietzangeregter  Ursachen  willen  die  Verwilligung  und 
Erlaubnus  haben,  daß  er  innerhalb  zweyer  Jahren  nicht 
eben  die  ordentliche  lectiones  praecise  zu  halten  verbunden 
sein  solle**. 

Vier  Wochen  später  lief  in  Marburg  das  Formular  für 
die  Eidschwüre  ein,  auf  die  Schuppius  und  sein  Amanuensis 
angenommen  werden  sollten.    Der  Inhalt  des  Eidschwurs,  für 
den  bei  Schuppius  „Handtastung  an  leiblich  geschworenen 
Ayds   statt**   eintreten  sollte,   ging  dahin,   „daß   beide  ver- 
sprechen und  zusagen  mußten,  daß  sie  alles  dasjenige,  was 
durch  Sr.  F.  Gn.  hirzu  verordnete  Rhäte  und  Diener  oder 
sonst  zu  Behuf  des  bewusten  Operis  Historici  von  allerhand 
üriginalien  und  andern  Schrifften,  die  in  einem  un3  andern 
Gehaimbhaltung  erforderten,  ihnen  zu  "banden  oder  sonsten 
in  Erfahrung  kommen  würde,  bey  sich  in  geheim  behalten 
und  davon   keinem  Menschen,  wer  der  auch  seye,  Offen- 
bahrung  weder  schrifftlich  noch  mündlich  nicht  thun,  noch 
durch  andere  in  einige  Weiß  oder  Wege  thim  oder  propa- 
liren  wollen,  so  wahr  ihnen  Gott  helffe  durch  seinen  Sohn 
Jesum  Christum*'. 

An  demselben  29.  Oktober,  an  dem  die  beiden  Eides- 
formulare expediert  wurden,  ging  an  Schupp  eine  Verfügung 
mit  zwei  Beilagen  a'b.  In  der  Verfügung  wurde  Schupp  g^ 
stattet,  sich  einen  Amanuensis  zu  halten,  für  den  „ein  ge- 
wisses Salarium,  nemlich  jährlich  52  Reichsthaler  und 
4  Claffter  Holtz"  ausgeworfen  wurde,  und  ihm  Mitteilung 
davon  gemacht,  daß  „er  von  Haltung  der  Lectionum  ordi- 
nariarum  innerhalb  etlicTier  Zeit,  wan  er  in  solcher  Arbeit 
begriffen  sein  werde,  befreyet  sein  solle,  daß  man  sich  aber 
dessen  in  Gnaden  zu  ihm  versehe,  er  werde  gleichwohl  der 
studirendcn  Jugend  dameben  also  wahrzunehmen  wissen, 
daß  sonderlich  die  Exercitia  oratoria  nicht  gar  zurückblieben." 
Gleichzeitig  wurde  ihm  angefügt,  daß  —  wie  die  beiden  Bei- 
lagen auswiesen  —  „ihm  vom  ersten  anfang  seiner  Arbeit  an 
zu  rechnen,  jährlich  zwölf  Claffter  Holtz  und  dan  2  Stück  Wild 
sambt  einer  Sawen  in  sein  Wohnhauß  und  Küche  geliefert 
werden  sollten;  die  Lieferung  des  Wildprets  sollte  durch  den 
Oberforst-  und  Landjägermeister  Caspar  Moritz  von  Waich* 
mar,  die  des  Holtzes  von  dem  Oberforstmeister  von  Marbur? 
Jost  Burckhard  Rau  von  Holzhausen  erfolgen." 

Mitte  November  wurde  Schuppius  und  seinem  Amanu- 
ensis  das   juramentum  taciturnitatis   abgenonrmien.     Gegen 
Ende  November  wurden  ihm  drei  Tomi  Akten  von  Gießen  aus 
zugeschickt.     Am  4.  Dezember  bedankte  er  sich  in  einem 
unten  abg(»druckten  Briefe  (Beilage  IX)  für  die  Gnadener- 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  267 

ise,  die  der  Landgraf  ihm  „zu  dem  vorhabenden  großen 
jrk"  hatte  zu  teil  werden  lassen,  worauf  dieser  wieder  am 

Dezember  in  einem  herzlichen  Schreiben  Schuppius  er- 
hnte,  auch  weiterhin  seinen  Fleiß  dem  Werk  zu  widmen. 

Mit  dem  Schreiben  des  Landgrafen  vom  10.  Dezember 
H  brechen  unsere  Akten  ab.  Es  ist  dies  auch  begreiflich, 
luppius  hatte  die  Vorverhandlungen  zu  Ende  geführt.  Es 
n  nun  darauf  an,  den  Auftrag  in  ruhiger  Arbeit  durchzu- 
iren.    Berichte  an  die  Behörden  waren  nur  nötig,  wenn  es 

I,  neue  Akten  zu  erhalten,  die  in  dem  Opus  historicum  ver- 
)eitet  werden  sollten.  Wenn  Schupps  Berichte  mit  dem 
ttuar  1643  trotzdem  wieder  einsetzen,  so  kommt  dies  daher, 
ß  Verhältnisse  ganz  besonderer  Art  eingetreten  waren,  die 
n  Fortgang  des  Werkes  wesentlich  hemmten.  Wir  gehen 
f  sie  im  nächsten  Abschnitt  ein. 

II.  Das  erste  Hemmnis  bei  der  Ausarbeitung  des  Opus 

historicum:  Schupps  Prorektorat  im  Jahr  1643. 

Unter  den  Tatsachen,  die  der  Ausarbeitung  des  Opus 
storicum  besonders  hemmend  im  Wege  standen,  steht  oben 
t  die  Arbeit,  die  Schupp  mit  der  Führung  des  Prorektorates 
i  Jahre  1643  hatte.  Da  über  diesen  Punkt  noch  recht  große 
iklarheit  herrscht,  ist  es  unsere  Aufgabe,  hierauf  etwas  aus- 
hrlicher  einzugehen.  W^ir  sind  dazu  imstande,  da  von  uns 
e  Akten  über  Schupps  Prorektorat  im  Ministerium  des 
nern  in  Darmstadt  aufgefunden  worden  sind. 

In  seiner  „Ersten  und  Eylfertigen  Antwort  auff  M.  Bern- 
id  Schmids  Discurs  de  reputatione  academica**  schreibt 
huppius  (I,  S.  776):  „Ich  bin  10  Jahr  ein  Professor  auff 
ler  vornehmen  Teutscheii  Universität  gewesen,  habe  die 
mehmste  officia  academica  als  Rectorat  und  Decanat  ver- 
ütet,  und  der  Bengel,  der  noch  in  die  Schule  gegangen,  und 
i  Ruthen  gestrichen  worden  ist,  als  ich  in  einem  vor- 
hmen  Ehren-Stande  gesessen  habe,  gehet  mit  mir  um,  als 
ich  mit  ihm  Brüderschafft  gesoffen  oder  mit  ihm  die 
hweine  gehütet  hätte!**  Auf  Gnuid  dieser  Stelle  behauptet 
il  (S.  12),  daß  Schuppius  das  höchste  Ehrenamt  der  üni- 
rsität,  das  Rektorat  „wenigst(Mis  Ein  Mal  bekleidet  habe.*' 
ist  unsere  Aufgabe,  zu  untersuchen,  ob  und  wann  dies  der 
II  war. 

Vor  allem  möchten  wir  hiorb(»i  feststellen,  daß  Schuppius 
seiner  Professorenlaufbahn  nur  höchstens  einmal  Rektor 
resen  sein  kann  und  zwar  entweder  im  Jahre  1639  oder 
Jahre  1643.    Die  philosophische  Fakultät  stellte  während 


268  Wilhelm  Diehl 

der  ganzen  Zeit  der  Professorentätigkeit  von  Schuppius,  wie 
das  ganz  in  der  Ordnung  war,  nur  dreimal  den  Rektor,  1636, 
1639  und  1643;  von  diesen  drei  Jahren  muß  aber  1636  für 
Schuppius  ausgeschaltet  werden,  da  er  erst  vor  kurzem  Pro- 
fessor geworden  war,  und  das  Herkommen  die  Wahl  eines 
„neuen"  Professors  zum  Rektor  ausschloß.  Ebenso  ist  sicher, 
daß  Schuppius  entweder  nur  im  Jahre  1639  oder  nur  im 
Jahre  1643  das  Rektorat  verwaltet  haben  kann,  da  nach  altem 
Herkommen  jedesmal,  wenn  das  Rektorat  wieder  an  dieselbe 
Fakultät  kam  —  also  in  der  Regel  alle  vier  Jahre  —  ein 
anderes  Mitglied  als  vorher  für  diese  Ehrenstelle  gewählt 
wurde;  besonders  in  der  philosophischen  Fakultät,  die  viele 
Mitglieder  zählte,  war  es  einfach  unmöglich,  daß  jemand  in 
zehn  Jahren  zweimal  Rektor  werden  konnte. 

Sehen  wir  uns  die  im  Ministerium  des  Innern  in  Dann- 
stadt aufbewahrten  Akten  über  die  Rektorwahlen  an,  so  tinden 
wir,  daß  1639  ein  anderer  Professor  der  Philosophie  das  Rek- 
torat führte,  und  daß  1643  Schuppius  an  der  Reihe  war,  Rek- 
tor zu  werden.  Es  ist  auch  sicher,  daß  die  Kollegen  1643  ge- 
willt waren,  ihn  zu  wählen,  und  daß  es  unter  den  Studenten 
viele  gab,  die  ihm  von  Herzen  diese  Ehre  gönnten,  wähnend 
andere  wiederum  es  bedauerten,  daß  Schuppius  unter  der  Last 
der  Rektoratsgeschäfte  ihnen  nicht  mehr  das  in  wissenschaft- 
licher Beziehung  weiterhin  sein  könne,  was  er  ihnen  bisher 
gewesen   war.     Alle  diese  Stimmungen  kommen  schön  in 
dem  ersten  Teil  eines  deutschen  Gedichts  zum  Ausdruck,  das 
am  4.  Januar  1643,  zu  einer  Zeit,  wo  der  neue  Rektor  noch 
nicht  gewählt  war,  der  Student  Christoph  Hoffmann  seinem 
verehrten    Lehrer   in   einem   mit   lateinischer   Vorrede  und 
Schlußwort  versehenen  Schreiben  zugehen  ließ.    Er  läßt  in 
ihm  Aglaia,  Thalia  und  Euphrosyne  auftreten  und  zuerst  ihre 
(Jedanken   über  die   bevorstehende  Rektorwahl  vorbringen. 
Aglaia  gibt  der  Stimmung  Ausdruck,  daß  von  dem  bisherigen 
Rektor,  dein  Mediziner  Horst  das  Szepter  an  Schuppius  weiter- 
gegeben werden  müsse ;  Thalia  und  Euphrosyne  finden  dies 
bedenklich :    dem   Mann  der  Wissenschaft  ist   Ruhe  nötig, 
darum  soll  man  ihn  mit  der  Last  des  Rektorates  nicht  be- 
laden.   Der  erste  Teil  des  Gedichtes,  der  diese  Stimmungen 
zeichnen  will,  lautet : 

,, Aglaia. 

Höret   waß   neues,   Ihr  Schwesteren,  höret! 

Höret,   und   machet  es  männiglich  kund! 

Welcher  unlängsten  mit  Feder  und  Mund 

Musen  und  (Jratien  wieder  verehret 

Voriges  Leben  und  ewige  Zier, 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  269 

Unser   Herr   Schuppiuß,   hat   itzt   erlanget, 
Daß  Er  zu  Marpurg,  als  Rektor,  herpranget, 
Daß   Ihm  Glück  wünschet  ein  jeder  alhier. 

Thalia. 
Ist  oder  wird  es  in  Warheit  geschehen, 
Daß  von  Herr  Horsten  Ihm  Scepter  und  Macht 
Heute  wird  ordentlich  werden  gebracht, 
Müssen  wir  traurig,  wie  vormals,  hergehen: 
Phöbuß  erblasset  mit  großem  Wehmuth; 
Pallaß  sich  hermet;  und  alle  Göttinnen 
Müssen  nur  Klage-Gethöne  beginnen, 
Weil  man  an  unserem  Lieben  so  thut. 

Euphrosyne. 
Thut  nicht  so  übel  an  unserem  Lieben! 
Warumb  sol  sein  getrew-eyfrigfer  Fleiß, 
Welchem  auch  Leyden  gab  Beyfal  und  Preiß, 
Sich   wie  auch  andre  nicht  herlich  außüben? 
(iläubet  mir  sicher:  Ich  sage  Euch  zu: 
Weißheit   und   Künste   verdunkelt  erliegen, 
Unser  Ruhm  bleibet  auch  gäntzlich  verschwiegen. 
Wo  man  Herr  Schuppen  nicht  gönnet  die  Ruh.** 

Euphrosyne  behielt  recht.  Schuppius  wurde  das  Rekto- 
nicht  übertragen.  Es  wurde  in  der  Sitzung,  von  der 
Gedicht  redet,  beschlossen,  was  vorher  schon  einmal 
Aussicht  genommen  worden  war,  dem  13jährigen  Erb- 
zen,  „Herr  Landgraf  Ludwigen,  uf  den  Fall  Ihr  Fürst- 
;  Gnaden  anhero  zukommen  sich  gnedig  beliben  ließe,  die 
tra  Academica  unterthenigst  zu  offcriren.**  Hiergegen 
3  sich  zwar  eine  starke  Opposition.  Der  Präsident  des  Ge- 
len Rates  glaubte,  „von  der  Annahme  dieser  Offerte**  ent- 
eden  abraten  zu  sollen,  „in  Ansehung  (wie  es  in  einem 
cht  vom   13.  Januar  1643  heißt)  der  darzu  erforderter 

bey  diser  Zeit  schwer  fallender  Spesen,  welche  man 
Anstellung  eines  ans«henlichen  Convivii  Ehrenhalber 
i  anwenden  müssen,  und  dan  auch,  daß  die  jungen 
tzen  ein  Zeithero  in  ihren  studiis  und  exercitiis  nicht 
ig  versäimibt  und  man  wohl  Ursach  hatt,  mehr  auf 
•ig  Widereinbringung  desselben  zu  gedenken,  alß  fernere 
mimpirung  vorgehen  zu  lassen,  wozu  noch  weiter  kombt, 
ob  man  zwar  in  Ermanglung  fürstl.  Gutschpferde  etwa 
renpferde  nehmen  könte,  er  doch  ohngern  darzu  rahten 
te,  das  in  Ermangelung  der  Gutscher  man  die  libe  junge 
tzen   durch   Bawernknechte  den   bößen   Weg  über  den 

solte  hinüber  gen  Marpurg  führen  lassen  und   könte 


270  .   Wilhelm  DiehL 

Über  diß  alles  die  Electio  ja  wohl  und  gar  leichtlich  biß 
ins  künfftig  Jahr  verschoben  werden.**  Aber  der  Einwand 
des  Präsidenten  half  nichts.  Der  Vizekanzler  und  der  Land- 
graf waren  dafür,  daß  des  Landgrafen  ältester  Sohn,  Land- 
graf Ludwig  (der  spätere  Ludwig  VI.),  die  Rektorwürde  an- 
nahm. Am  28.  Januar  siedelte  Landgraf  Ludwig  mit  seinem 
Hofmeister  v.  Oynhausen  nach  Marburg  über  und  am  29. 
trat  er  in  feierlichem  Akte  das  Rektorat  an  und  „erwiese 
nicht  allein  bey  dero  im  auditorio  publico  gehalttenen  Ser- 
mon, besondern  auch  die  ganze  wehrende  solennität  über 
solche  hochfürstl.  qualiteten,  daß  sowohl  die  gesampte  Herrn 
Professores  alß  studiosi  sich  warhafftig  darüber  verwundert, 
.  .  .  verschidene  ehrliche  Leuth  vor  Freuden  drüber  ge- 
weinet, die  Studiosi  auch  insgesampt  sich  verobligirt,  bey 
ihrem  Magnificentissimo  auf  alle  Begebenheiten  Gut  und 
Blut  aufzusetzen.** 

Auch  im  Jahr  1643  war  Schuppius  nicht  Rektor.  Trotz- 
dem wäre  es  verfehlt,  wenn  man  in  der  NichtÜbertragung 
des  Rektorats  auf  Schuppius  eine  Zurücksetzung  des  Mannes 
sehen  wollte.  Daß  eine  solche  nicht  beabsichtigt  war,  er- 
sehen wir  schon  daraus,  daß  er  durch  Dekret  vom  18.  Januar 
zum  Prorektor  ernannt  und  dadurch  mit  sämtlichen  Rekt*> 
ratsgeschäften,  die  der  Rektor  Magnificentissimus  nicht  ver- 
sehen konnte  und  sollte,  beladen  wurde.  Wir  können  sogar 
noch  weiter  gehen:  die  Übertragung  des  Rektoratsauf 
Landgraf  Ludwig  geschah  hauptsächlich  gerade  auf 
Schupps  Veranlassung.  Neben  dem  bisherigen  Rektor, 
Schupps  Schwager  Professor  Johann  Daniel  Horst,  kommt 
in  den  Akten  über  diese  Rektorwahl  immer  nur  ein  Mann 
als  das  eigentlich  treibende  Element  vor:  Schuppius.  Ganz 
besonders  deutlich  trat  dies  zutage,  als  in  der  ersten  Hälfte 
des  Januar  es  schien,  als  werde  aus  der  Sache  nichts  werden. 
Neben  den  Präsidenten,  der  entschieden  gegen  die  Über- 
nahme sich  aussprach,  traten  damals  nämlich  natürlicie 
Gewalten.  Es  trat  eine  furchtbare  Kälte  ein,  außerdem  war 
die  Lahn  derart  angeschwollen,  daß  man  z.  B.  in  Gießen, 
wo  „der  Schießplatz  mannshoch  uberschwenmiet**  war,  den 
Fluß  nicht  passieren  konnte.  In  dieser  Zeit  gab  sich 
Schuppius  die  größte  Mühe,  dem  entgegenzuwirken,  daß  man 
die  Übernahme  des  Rektorats  auf  das  nächste  Jahr,  wie  der 
Präsident  wünschte,  verschob  oder  auch,  wie  es  der  Wunsch 
Anderer  war,  eine  „Creirung  in  absentia**  eintreten  lie8* 
Er  richtete  mehrere  Briefe  an  den  Vizekanzler  Fabricius, 
von  denen  wir  den  letzten  unten  abdrucken  (Beilage  X),  uod 
brachte  es  durch  unablässiges  Bitten  und  Fordern,  auch  e)^^ 


-  % 


Neue  Beiträge  zur  Greschichte  Schupps.  271 

gewisse  Schärfe  dahin,  daß  aus  dem  Projekt  schließlich  doch 
etwas  ward. 

Aus    dem   allein   auf   uns    gekommenen   letzten   Brief 
Schupps  an  Fabricius  ersehen  wir  übrigens  auch,  weshalb 
sich  Schupp  so  sehr  dafür  begeisterte,  daß  aus  der  Rek- 
toratsübernahme durch  den  jungen  Landgrafen  etwas  ward. 
Schuppius,  in  dessen  ganzer  Auffassung  des  Studiums  der 
Eloquenz  in  dem  letzten  Jahr  ein  gewaltiger  Umschwung 
eingetreten   war,   ein   Umschwung   nämlich   zugunsten   der 
bisher  auch  von  ihm  mißachteten  deutschen  Sprache,  sehnte 
sich  danach,  einmal  bei  einer  wichtigen  Gelegenheit    von 
t     diesem  Umschwung  und  den  dadurch  im  einzelnen  bedingten 
?     Fortschritten  Zeugnis  abzulegen.    Er  hatte  nicht  nur  sich 
^     selbst  zu   „großen  Taten**   gerüstet,   sondern   er  hatte   seit 
T     Wochen  eine  große  Anzahl  seiner  Schüler  dazu  veranlaßt, 
4     poetische   und   oratorische  Arbeiten   in  deutscher  Sprache 
t    zu  verfassen,  die  bei  Gelegenheit  der  Rektoratsübernahme 
dem  Landgrafen  dargeboten  werden  sollten.   Er  wollte  sich 
:-|    mit  seinen   jungen  Leuten   nicht  umsonst  bemüht  haben; 
-  I    er  wollte  auch  nicht,  daß  ihm  diese  günstige  Gelegenheit 
zur  Ostentatio  ingenii  entgehe. 

Durch  einen  günstigen  Umstand  sind  einige  von  diesen 
dichterischen  Erzeugnissen  auf  uns  gekommen.  Eines  haben 
wir  oben  zur  Hälfte  mitgeteilt.  Sein  zweiter  Teil  schildert 
den  Eindruck,  den  die  Nachricht  von  der  Bereitschaft  des 
Landgrafen  zur  Rektoratsübernahme  gemacht  hat,  klagt 
jl  darüber,  daß  der  Landgraf  wegen  der  „zornigen  Län"  noch 
\  in  Gießen  bleiben  muß,  und  schließt  mit  einem  Wunsch 
für  Schupps  weitere  wissenschaftliche  Arbeit.  Dieser  zweite 
Teil  lautet: 

Aglaia. 
Bessere   Zeitung,    Ihr  Schwesteren,   kommet: 
Darumb  so  lasset  das  Sorgen  nur  seyn. 
Itzo  schickt  Darmstad  den  Printzen  herein, 
Welcher  das  Rectorat  über  sich  nimmet. 
Oeffnet  dem  Printzen  von  Hessen  die  Thorl 
Danck-saget  euerem  Vater  und  Helden, 
Daß  Er  Sein  Marpurg  noch  lasset  was  gelten! 
Schwebet  in  völliger  Freuden  und  Florl 

Thalia. 

Stillet  das  Sausen  und  Brausen,  Ihr  Winde! 
Lasset  das  Bellen  und  Schellen  aiistohnl 
Rase  nicht  also,  du  zornige  Länl 
Fließe  doch!    Fließe  doch  wieder  gelinde! 


272  Wilhelm  Diehl. 

Solche  vor  niemals  gesehene  Fluth, 
Solches  unsägliche  Demmen  und  Schwemmen, 
Sehet  I  wil   unser  Verlangen  auffhemmen; 
Machet   unß   einen  recht-traurigen  Muth. 

Euphrosyne. 

Gießen  mag  dieses  Haupt  haben  indessen. 
Bis  sich  der  Himmel  auffs  neue  beschmüekt, 
Erden  und  Felder  und  Wälder  anblickt. 
Brauche  der  Zeiten;  und  mache,  das  Hessen, 
Wie  du,  Geliebter,  vor  diesem  gethan. 
Möge  dein  Ehren-Lob  weiter  außbreiten! 
Schreibe!    Dein  Nähme  zu  itzigen  Zeiten 
Klimmet  schon  biß  an  der  Sternen  Altan. 

Drei  weitere  Dichtungen,  eine  „Entschuldigung  der  auf- 
geschwellten Lahn**,  einen  Dialog,  betitelt  „Marpurger 
Schäffer  Wüntsche"  und  einen  Hymnus  auf  Ludwig  VI, 
bringen  wir  in  Beilage  X  (b — d). 

Sehen  wir  aus  den  soeben  dargebotenen  Nachrichten, 
daß  schon  die  Vorbereitungen  auf  das  Rektorat  Ludwigs  VI. 
gerade  Schuppius  viel  Mühe  machten  und  sich  als  Hemmnis 
seiner  ruhigen  Arbeit  an  dem  Opus  historicum  erwiesen,  so 
war  dies  noch  mehr  der  Fall,  als  ihm  am  18.  Januar  unter 
dem  Titel  des  Prorektorats  die  ganze  Fülle  der  Rektorats- 
geschäfte aufgeladen  wurde.  Seine  Arbeit  mußte  darunter 
notwendig  leiden.  Es  trat  ein  Stillstand  in  der  Ausarbeitung 
des  Opus  historicum  ein,  der  bis  Ende  1643  anhielt. 

III.  Weitere  Hemmnisse  bei  Ausarbeitung  des  Opus  hifttoricum 
und  das  Ende  der  historischen  Arbeiten  Schupps. 

Die  Verwaltung  des  Prorektorates  im  Jahr  1643  warf 
Schupp  in  seiner  Arbeit  am  Opus  historicum  zurück.  Immer- 
hin hätte  er  in  dem  kommenden  Jahr  manches  Versäumte 
nachholen  können,  wenn  sich  nicht  noch  ein  anderes  viel 
<i;efährlicheres  Hemmnis  eingestellt  hätte:  Schupps  ver- 
zweifelte finanzielle  Lage.  Es  ist  aus  anderen  Darstellungen 
bekannt  und  auch  leicht  begreiflich,  daß  der  im  Jahr  1643 
begonnene  sogenannte  „Hessenkrieg'*  ganz  besonders  die 
Universität  Marburg,  und  zwar  vor  allem  in  finanzieller  Be- 
ziehung, schädigen  mußte.  Einer,  der  dabei  am  schwersten 
l)etroffen  wurde,  war  Schuppius.  Schon  1641  hatte  er  über 
mangelhafte  Lieferung  seiner  Besoldung  zu  klagen.  Er  be- 
mühte sich  vergeblich,  (ieldquellen  ausfindig  zu  machea, 
aus  denen   der  Landgraf  ihm  das  liefern  könne,  was  ihm 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  S73 

Hl  Rechts  wegen  gebühre.  Als  dies  nichts  half,  suchte  er 
i  Jahr  1642  Geld  zu  leihen.  Dies  gelang  ihm  auch,  aber 
>ch  nicht  in  dem  Maße,  daß  er  der  Greldsorgen  auf  die 
iuer  ledig  geworden  wäre.  Bereits  im  November  1643  be- 
nd  er  sich,  wie  Beilage  No.  XI  beweist,  in  solcher  Lage, 
iß  er  zu  ganz  absonderlichen  Maßnahmen  greifen  mußte. 
a  Jahr  1644  erreichte  das  Elend  des  Mannes,  der  alles 
idere,  nur  nicht  ängstlich  rechnen  konnte,  den  Gipfelpunkt. 
um  Beweis  sei  auf  den  Brief  hingewiesen,  den  wir  unter 
iO.  XII  mitteilen.  Er  redet  eine  deutliche  Sprache  1  Schupp 
alte  bereits  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  1644  die  Über- 
.eugung,  daß  er  in  seiner  Marburger  Professur  nicht  bleiben 
:önne,  wollte  er  nicht  verhungern.  Er  erneuerte  darum  seine 
)ereits  vorher  begegnenden ^  Versuche,  in  einen  Dienst  zu 
kommen,  der  ihn  besser  ernährte.  Es  boten  sich  ihm  auch 
irerschiedene  Gelegenheiten.  Am  29.  Juli  1644  schrieb  der 
bisherige  Superintendent  von  Schmalkalden,  Hieronymus 
Prätorius,  der  einen  Ruf  nach  Frankfurt  an  des  verstorbenen 
D.  Tettelbachs  Stelle  erhalten  hatte,  daß  er  sich  in  seiner 
Schmalkaldener  Stelle,  um  die  sich  eifrig  sein  KoUega 
M.  Johannes  Stephani  bewerbe,  keinen  anderen  Nachfolger 
2ÜS  Schuppius  wünsche.  Er  pries  ihm  die  Stelle  als  „conditio 
?uieta,  lauta  et  honorifica**  an.  Schupp  hatte  auch  Aussicht, 
iie  Stelle  zu  erhalten.  Statthalter  Pleß,  dem  er  sich  wegen 
Üeser  Angelegenheit  offenbarte,  trat  in  einem  noch  erhal- 
tenen Bericht  vom  28.  Oktober  1644  warm  für  Schupp 
^in.»  Aber  Schupp  zog  nicht  recht.  Er  hatte  schwere  Be- 
ienken,  an  einen  Ort  zu  gehen,  von  dem  er  vielleicht  in 
'inem  halben  Jahr  wieder  vertrieben  werden  konnte.  In 
Ueser  Lage  schrieb  er  an  Maximilian  zum  Jungen  den  in- 
^ressanten  Brief,  den  wir  unter  No.  XII  abdrucken.  Er 
«ijt  dem  vertrauten  Patron  darin  mit,  wohin  eigentlich  seine 
Vünsche  zielen.  Er  möchte  nach  Frankfurt  in  den  Pfarr- 
Üenst  kommen,  wohin  er  schon  1G39  getrachtet  hatte,  und 
labei  im  Nebenamt  Rektor  des  Gymnasiums  werden.  Wenn 
-r  nur  irgend  Aussicht  hat,  will  er  sofort  seine  Professur 
Juittieren,  sich  ganz  dem  Predigtdienst  in  Marburg  widmen 
^i  „sich  sonsten  in  der  Theologia  üben**. 

Es  ist  ganz  klar,  daß  die  schweren  Existenzkämpfe, 
iie  Schuppius  in  dieser  Zeit  durchmachen  mußte,  ihn  zu 
Rüdiger  Arbeit  nicht  kommen  lassen  konnten.   In  dem  so- 

*  Vgl.  Bocker,  a.  a.  0.  Außerdoni  hatte  er  sich  1G42  Mühe  gegeheii, 
^öperintendent  in  Gießen  zu  werden. 

•  Vgl.  Job.  Just  Winckelmanns  „Einfältiges  Bedenken",  herausg. 
QU  Diehl,  S.  1891 

Bdtrttce  s.  Geicb.  d.  Universitäten  Mains  u.  Gießen.  18 


274  WUhelm  Diehl. 

eben  erwähnten  Brief  vom  4.  Dezember  1644  sagt  er  ja 
ganz  offen,  daß  er  bereit  sei,  alle  seine  bisherigen  Berufs- 
geschäfte, also  auch  den  Auftrag  betreffend  Ausarbeitung  des 
Opus  historicum  fallen  zu  lassen  und  sich  lediglich  den 
Übungen  zu  widmen,  die  ihm  den  Weg  in  die  Frankfurter 
Pfarrei  besser  ebnen  könnten.  Tatsache  ist  femer,  daß 
Schuppius  weder  1644  noch  1645  eine  Arbeit  im  Druck  er- 
scheinen ließ,  ganz  im  Unterschied  von  seinen  Gepflogen- 
heiten in  den  vorausgehenden  und  in  späteren  Jahren. 

Schon  aus  den  im  Herbst  1644  geschriebenen  Briefen 
Schupps  geht  deutlich  hervor,  daß  ihr  Autor  verbittert  war. 
War  es  in  der  hessen-darmstädtischen  Kirche  bisher  auch 
schon  mehr  als  einmal  vorgekommen,  daß  leistungsfähige 
Theologen  den  Weg  nicht  machten,  den  sie  hätten  machen 
müssen,  so  war  doch  unter  diesen  Leidenskollegen  Schupps 
keiner,  der  soviel  gearbeitet  und  in  einer  Zeit,  die  so  manchen 
„promovierten  Schwachkopf**  aufwies,  so  wenig  erreicht 
hatte,  wie  er. 

Die  Folgezeit  lieferte  ihm  neue  Anstöße  zu  weiterer  Ver- 
bitterung. Er  kam  nicht  nach  Frankfurt  und  auch  in  Hessen 
bot  sich  die  Gelegenheit  zur  Promotion,  die  er  suchte, 
nirgends.  Dafür  brachten  ihm  die  nächsten  Monate  eine 
Disziplinaruntersuchung,  die  geeignet  war,  das  gute 
Urteil,  das  Landgraf  Georg  von  Schupp  hatte,  wesentlich  2U 
modifizieren  und  dadurch  seine  Aussicht  auf  die  verdiente 
Beförderung  noch  weiter  hinauszurücken.  Aus  dem  Be- 
streben heraus,  die  Marburger  Bevölkerung  religiös  zu 
fördern,  hatte  Schupp,  der  seit  Professor  Steubers  1643  er- 
folgtem Tod  Prediger  im  Deutschen  Haus  in  Marburg  war, 
eine  Betstunde  eingerichtet,  die  allsonntäglich  um  1  Uhr  in  i 
der  Elisabethenkirche  abgehalten  werden  und  in  „einer  Unter- 
richtung des  Catechismi**  gipfeln  sollte.  Dadurch  hatte  sich 
aber  eine  „unerhörte  Neuerung"  eingestellt.  Die  Betstunde 
wurde  nicht  hur  von  „dem  Teutschhäusigen  Gesinde  und  den 
Armen  im  Hospital**,  deren  Parochus  Ordinarius  Schupp  war, 
sondern  auch  von  vielen  Marburger  „Bürgern  und  Bürger- 
innen zusambt  ihren  Kindern,  Knechten  und  Gesind**  be- 
sucht, außerdem  hatte  Schupp  für  das  Gebet  eine  Form  ge- 
wählt, die  über  alles  Herkommen  hinausging:  es  wurde  iß  - 
ihm  nicht  nur  für  den  Kaiser  und  die  hessischen  Fürsten, 
sondern  auch  für  den  Teutschmeister  und  die  Ordens- 
personen gebetet  1  Vicestatthalter,  Vicekanzler  und  Räte  in 
Marburg  hielten  Schupps  Vorgehen  für  im  höchsten  Maß  be- 
denklich. Sie  luden  ihn  deshalb  auf  den  4.  Januar  1645  zu 
einer  Vernehmung  vor  die  Kanzlei  und  berichteten  darauf 


Neue  Beitrftge  zur  Geschichte  Schupps.  275 

den  Landgrafen.  Das  Protokoll  von  Schupps  Vernehmung 
um  der  Antworten  Schupps  willen  höchst  beachtenswert, 
r  bringen  es  in  Beilage  XIII  zum  Abdruck.  Ehe  die 
rburger  Regierung  mit  der  Abfassung  ihrer  Anklage- 
irift  gegen  Schupp  fertig  war,  in  der  auf  Erteilung  eines 
iharpfen  und  ernstlichen  Verweises**  Antrag  gestellt  wurde, 
il  Schupp  „in  seinem  aigensinnigen  Kopf  allerhand  an- 
gliche und  verächtliche  Wort  in  seiner  Vernehmung  ge- 
Luchet**,  trat  ein  neuer  Fall  ein,  der  Material  für  ein  Vor- 
len  gegen  Schupp  lieferte.  Als  Schupp  es  nicht  erreichen 
mte,  daß  die  Leichenpredigt  für  das  in  diesen  Tagen  ge- 
rbene  Kind  seines  Schwagers  Horst,  das  in  der  Elisa- 
iienkirche  beigesetzt  wurde,  von  dem  deutschherrischen 
irrer  Happel  in  Seelheim  gehalten  werden  durfte,  ließ  er 
:ht  den  Marburger  Archidiakonus  Henckel  die  Beerdigung 
rsehen,  sondern  hielt  sie  selbst  und  erwähnte  „pro  ex- 
iio,  wie  es  an  dem  were,  daß  er  jetzunder  billich  bey  den 
eunden  und  in  der  Trauerreihe  stehen  solte,  hette  aber 
jse  Predigt  übernehmen  müssen,  dan  was  er  thäte  (da 
gleich  zu  der  Ehr  Gottes  angesehen),  were  unrecht,  und 
)lte  ihm  alles  sinistre  interpretirt  und  nicht  gut  geheißen 
3rden  und  möchte  auch  wohl  darumb  der  unglückseligste 
Bnsch  sein;**  außerdem  schloß  er  „bey  gethanem  Gebett 
e  Teutsche  Herrn  wider  Verbott  und  Herkommen  expresse 
it  ein**.  Auch  über  diesen  Vorfall  wurde  von  der  Re- 
ening  in  Marburg  eingehend  an  den  Hof  berichtet. 

Das  Ergebnis  der  Disziplinaruntersuchung  brachte  für 
chupp  eine  schwere  Ahndung  seiner  Übertretungen.  Am 
L  Januar  1645  wurde  eine  aus  Gliedern  der  Regierung 
ttd  der  Universität  bestehende  Kommission  ernannt,  „die 
ch  invorders  mit  allem  nötigen  Underricht  vorher  auß  den 
-tis  und  sonst  gefast  machen,  furters  ihn  Schuppium  vor 
ch  erfordern,  demselben  seinen  Unfug  und  ungeziemende 
ebahrung  vorhalten,  des  Landgrafen  darob  geschöpfte 
isplicentz  neben  einem  starken  Verweiß  zu  erkennen 
oben  und  die  befehlende  Mainung  dahin  anzeigen  solte, 
aß  er  sich  der  angemasten  Neuerung  und  seiner  unge- 
emenden  Gebahrung  künftig  bey  Vermeidung  schwerer 
Ddung  gäntzlich  und  allerdings  enthalten  solle.*'  Am  21. 
ärz  1645  fand  die  Untersuchungssachc  gegen  Schupp  ein 
ade.  Er  mußte  in  allen  Stücken  nachgeben.  Seine  Bet- 
imde  und  sein  Gebet  fielen;  os  wurde  sogar  ein  Patent  an- 
schlagen, daß  alle  Bürger  und  selbst  die  Studenten  von 
n  an  nur  in  der  Stadtkirche  kommunizieren  dürften.  Nur 
riel  erreichte  Schupp,  daß  es  ihm  gestattet  wurde,  „in 


.1 
1 


276  Wilhelm  Diehl. 

das  Hospital  zu  gehen  und  die  armen,  wan  selbige  gessen 
haben,  aus  dem  Catechismo  zu  examiniren.** 

Durch    die   Disziplinaruntersuchung,   deren   Gang  und 
Ergebnis  wir  eben  geschildert  haben,  wuchs  Schupps  Ver- 
bitterung.   Wir  sehen  das  aus  den  Briefen  dieser  Zeit    Noch 
ehe    das    Urteil    gefällt    war,    wandte    er   sich    mit   einem 
Memorial  (Beilage  XIV)  an  den  Landgrafen,  in  dem  er  „aus 
hochdringender    Noth   und   höchstbewegenden   Uhrsachen" 
dem   Landesfürsten   vorträgt,   was   sein   Herz   bewegt.    Er 
gibt  darin   eine   Geschichte  seines  Marburger  Martyriums» 
legt  dar,  was  er  gearbeitet  hat,  und  wie  ihm  die  Arbeit  ge- 
lohnt worden  ist,  und  bittet,  ihm  Gelegenheit  zu  geben,  daß 
er  sich   in  der  Untersuchungssache  rechtfertigen  und  aus 
seiner  Not  erlöst  werden  könne.    Ähnliche  Gedanken  und 
Stimmungen  begegnen  uns  in  einer  Reihe  weiterer  Briefe, 
die  wir  unter  No.  XV  ff.  zum  Abdruck  bringen. 

Schupps  Memorial  konnte  den  Ausgang  der  Unter- 
suchung wegen  der  Betstunde  nicht  modifizieren.  Dafür 
bot  es  aber  die  Veranlassung  dazu,  daß  man  am  Hofe  sich 
wieder  einmal  an  das  Projekt  der  Ausarbeitung  des 
Opus  historicum  erinnerte  und  Maßnahmen  ergriff,  mn 
es  aufs  ne::e  zu  fördern,  und  daß  Schupp  gezwungen 
wurde,  diesem  Werk  noch  einmal  vorübergehend  seinen 
ganzen  Fleiß  zu  widmen.  Am  9.  Januar  1645  ließ  der  Land- 
graf den  Statthalter  von  Pleß  auffordern,  sich  doch  einmal 
fj^enauer  über  den  Stand  der  Schuppischen  Arbeit,  von 
der  man  in  Darmstadt  so  lang  nichts  gehört  habe,  zu 
orientieren,  „die  Arbeit  selbst  sobald  sich  zeigen  zu  lassen" 
und  über  das,  „was  dißfals  verfertiget  were,  nachrichtlich 
zu  berichten."  Selbstverständlich  stellte  sich  dabei  heraus, 
(laß  Schupps  Arbeit  noch  lange  nicht  vollendet  war.  Schupp 
erklärte  dem  mit  den  Erhebungen  von  Seiten  des  Statt- 
halters betrauten  Johannes  Mylius:  „Er  hoffe,  der  Herr 
Vicestatthalter  werde  sich  g.  erinnern,  in  was  Troubles  Er 
(Mue  jijeraume  Zeit  gelebt,  welche  Ihn  oftmal  so  verwirret 
in  seinen  Gedanken  gemacht,  dz  er  gar  nicht  eine  solche 
Arbeit  zu  verfertigen  vermocht,  massen  er  anitzo  eben- 
mäßig in  solchen  angustiis  begrieffen,  daß  er  seiner  nicht 
mächtig  sey.  Er  trage  deßwegen  Bedencken  eine  halbaus- 
gefertigte Arbeit  censuriren  zu  lassen,  thue  aber  unsern 
gnedigen  Fürsten  und  Herrn  underthenig  versichern,  so 
wahr  er  ein  ehrlicher  Mann  sey,  wolle  er  das  Ihm  aufge- 
gebene Werck  zu  hoch  besagter  Ihre  F.  Gn.  Contento  aus- 
fertigen. Er  wolle  gleichwohl  auch  dem  Herrn  Vicestatt* 
halter  morgen  selbsten  zusprechen  und  Ihm  sein  Anliegen 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  277 

entdecken.**    Was  Schuppius  dem  Statthalter  „entdeckt**  hat, 
(vissen  wir  nicht.    Wir  können  es  aber  erraten.    Er  hat  ihm 
i^^ohl    ein    doppeltes   entdeckt:    erstens   den   Stand    seines 
Werkes   und   zweitens   den   Stand   seiner  Finanzen.      Wir 
folgern  dies  daraus,  daß  aus  dieser  Zeit  drei  nicht  genauer 
iatierte  Briefe  Schupps  vorliegen,  einer  an  den  Statthalter 
ron  Pleß  (Beilage  XVI),   einer   an   den    Kanzler   Fabricius 
Beilage  XVII),  und  endlich  ein  Memorial  (Beilage  XV),  in 
ienen   diese   beiden  Themata  im   Mittelpunkt  stehen.     In 
iem  Brief  an  Pleß  insbesondere  übersendet  Schuppius  den 
ersten  Bogen  seines  Werkes  und  nimmt  dessen  unvollendete 
stilistische  Form  gegen  etwaige  Einwendungen  in  Schutz. 
Zugleich  bittet  er  dringend  um  völlige  Befreiung  von  seiner 
E^ofessur  und  um  Zahlung  seiner  Besoldung,  da  er  sonst 
genötigt  sei,  den  Dienst  zu  quittieren.     In  dem  Schreiben 
an  Fabricius,  das  von  einem  neuen  gleichzeitig  in  Pflicht 
zu  nehmenden  Schreiber  des  Schuppius  tiberbracht  wurde, 
handelt  Schuppius   von   denselben  Dingen.     Fabricius  hat 
bereits   den  ersten  Bogen  in  Händen  gehabt  und  an  ihm 
Kritik  geübt,   die  sich  besonders  auf  die  von   Schupp '  ge- 
wählte Form  des  Dialogs  mit  Lucidor  bezog.    Schupp  suchte 
die  Einwände  des  Kanzlers  zu  entkräften  und  ließ  gleich- 
zeitig durchblicken,  daß  es  viel  besser  wäre,  daß  man  ihm 
zu  seinem   Geld  helfe,  als  daß  man  an  einem   im  ersten 
Entwurf  befindlichen  Werk  herummäkele.    Die  Klagen  wegen 
mangelnder  Besoldung  muß  Schupp  in  der  Folgezeit  noch 
mehrfach  geäußert  haben.    Sie  führten  schließlich  dazu,  daß 
der  Landgraf   ihm   im   Mai   1645   ein   Präsent   überreichen 
ließ,  für  das  Schupp  in  dem  unter  No.  X\' 111  abgedruckten 
Briefe  sich  bedankte.     Dieser  Brief  beweist  übrigens  nocli 
mehr  als  die  beiden  vorausgegangenen,  daß  Schuppius  wieder 
mitten  in  der  Arbeit  war.    Hatte  er  in  dem  vorhergehenden 
Brief  an  Fabricius  in  Aussicht  gestellt,  daß  er  demnächst 
das  fürstliche  Archiv  in  Gießen  einmal  zu  seinen  Zwecken 
durchmustern  werde,  so  bittet  er  hier  um  «ranz  bostimnile 
Alten,   die   er  zu  seiner  Arbeit  braucht,   die   (lenealogien, 
die  Bachmann    einst   dem    Landgrafen    verehrt   hatte,   eine 
Arbeit  des  Hofrats  Johannes  Mylius  und  ,,so  etwa  sonsten 
etwas   von    Hessischen    Anti(juitäten    vorhanden**.      Gleich- 
zeitig bedankt  er  sich  für  die  Übersendung  einer  ,,ratzen- 
elnbogischen   Chronick**.    In  einem   vom   13.  Mai  datierten 
Schreiben    bittet   er    um    Auskunft    wegen    einer    Lindener 
Sage  und  um  nochmalige  Übersendung!;    alles  dessen,  ,,was 
nur  von   alten    schrifftlichen    Documentis   vorhanden    sei'*. 
Bei  dieser  Gelegenheit  erfahren  wir,  daß  Schuppius  immer 


278  Wilhelm  Diehl. 

noch  in  den  Anfängen  seiner  Arbeit  steckt;  er  hofft  aber, 
zur  „Beschreibung  der  fürstl.  Darmstadischen  Liniae"  über- 
gehen zu  können. 

Schupps  Wunsch  nach  genealogischen  Akten  und  Ma- 
terialien wurde  erfüllt.  Am  17.  Mai  wurde  der  Statthalter 
von  Pleß  aufgefordert,  für  Schupp  alle  einschlägigen  Ma- 
terialien, die  Bachmann  oder  Mylius  unter  Händen  hätten, 
zu  entlehnen.  Gleichzeitig  wurde  zur  Überlieferung  an 
Schupp  „eine  hessische  alte  Chronic  in  4to,  eine  in  folio 
und  eine  Beschreibung  der  an  Hessen  angränzenden  Lande" 
abgeschickt  und  Schupp  eröffnet,  daß  „sich  in  Gießen  von 
Genealogicis  nichts  sonst  und  fast  nur  fragmenta  befunden 
hätten,  außer  einer  großen  Tabula  Genealogica,  deren  In- 
scription  (vera  Genealogia  etc.)  auf  einligendem  Zettul  zu 
sehen**.  In  einem  Postskriptum  wurde  Pleß  noch  aufge- 
geben. Schupp  „ein  weiteres  zugleich  mittkoramendes  Con- 
volutlein  von  hiebevor  in  Vorschlag  gekommener  Zusammen- 
truckung  etlicher  Hessischen  Raritäten"  vorzulegen,  „davon 
Professor  Bachmannus  gute  Nachricht  haben  werde".  Es 
ist  dies  das  in  unseren  obigen  Ausführungen  benutzte,  zur 
zeit  im  Haus-  und  Staatsarchiv  aufbewahrte,  von  Bachmann 
handelnde  kleine  Faszikel. 

Die   Begeisterung,   mit   der   Schupp   trotz   der  Geldnot 
und   des   üblen  Ausgangs   der  Disziplinaruntersuchung  die 
Bearbeitung    des   Opus   historicum    wieder  in  Angriff   ge- 
nommen hatte,  hielt  nur  etwa  ein  halbes  Jahr  an.    Es  ist 
auch  durchaus  begreiflich.    Seine  finanzielle  Not  ward  von   ^ 
Monat  zu  Monat  immer  größer  statt  geringer.     Im  August   "^ 
1645  belief  sich  sein  Ausstand  an  rückständiger  Besoldung 
auf  über  1000  Kammergulden.    Dazu  kommt,  daß  ihn  das 
Unglück  geradezu  verfolgte.     Seine  Frau  wurde  von  einem 
schweren  Leiden  befallen,  das  ihre  Verbringung  in  ein  Bad 
nötig   machte.     Sein   Vater,   von   dem   Schupp   seit  Jahren 
die   Ausliefenuig   eines  stattlichen  Patrimonii  erhoffte,  hei 
ratete    im    Jahr    1645    noch    einmal    und    machte    dadurch 
Schupps  Finanzpläne  ein  für  allemal  zuschanden.    Die  Gläu- 
biger drängten   ihn ;  er  mußte,  um  die  schlimmsten  unter 
ihnen  zit  befriedigen,  wertvolle  Geschenke  und  sein  Silberge- 
räte verpfänden   (vergl.  hierzu  die  Briefe  aus  dieser  Zeit). 
Außerdem  war  keine  Aussicht,  daß  es  bald  besser  würde. 
Die  Umgegend  von  Marburg  füllte  sich  mit  Kriegsgetümniel, 
das  nach  keinem  guten  Ende  aussah,  und  in  Hessen  regte 
sich  niemand,   um  Schupp  auch  nur  eine  Vertröstung  aui 
eine    bessere    Zukunft   zu    geben. 

Schupps  Interesse  am  Opus  historicum  ließ  unter  solchen 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  279 

V^erhältnissen  naturgemäß  nach  und  die  Folge  hiervon  war, 
laß  ihn  nun  auch  dieser  Auftrag  nicht  mehr  an  Marburg 
imd  seinen  bisherigen  Beruf  kettete.  Als  sich  im  August 
1645  neben  der  noch  immer  offenen  Schmalkaldener  Super- 
intendentur  eine  weitere,  bessere  Pfarrstelle,  die  Stelle  eines 
Hofpredigers  bei  Landgraf  Johann  in  Braubach,  auftat,  für 
iie  Schupp  einen  Ruf  erhielt,  forderte  er,  kurz  entschlossen, 
iron  der  Universität  seine  Entlassung.  Er  erhielt  sie.  Die 
Folge  dieser  Aufkündigung  war  der  Verzicht  auf  Weiter- 
irbeit  an  dem  begonnenen  historischen  Werk.  Es  war  daher 
cein  Zeichen  der  Ungnade,  sondern  ein  ganz  folgerichtiger 
Akt,  daß  Landgraf  Georg  IL  am  16.  Oktober  1645  an  Schup- 
pius  den  Befehl  gelangen  ließ,  alle  ihm  überlassenen  Akten 
lern  Sekretarius  Malcomesius  abzuliefern,  „damit  sie  noch 
vor  dem  bevorstehenden  abzugk  naher  Darmstatt  mit 
sicherer  Gelegenheit  zum  fürstl.  Archiv  in  Gießen  gebracht 
wTÜrden**.  Außerdem  ist  zu  beachten,  daß  Marburg  immer 
mehr  in  Bedrängnis  kam,  wovon  der  Bericht  No.  XXIII  und 
XXIV  Zeugnis  ablegt,  mithin  für  den  Verlust  der  wertvollen 
Stücke   zu  fürchten  war. 

Schupp  blieb  in  Marburg  bis  Anfang  Dezember.  Am 
2.  Dezember  nahm  er  honores  Doctorales  in  Theologia*  an. 
Dann  traf  er  wegen  seiner  zukünftigen  Stellung  die  Wahl. 
Da  Schmalkalden  nun  nicht  mehr  in  Betracht  kam,  weil 
Praetorius  daselbst  verblieb,  entschied  er  sich  für  Brau- 
bach, für  welche  Stelle  er  anfänglich  nicht  recht  begeistert 
gewesen  war.     Dann  verließ  er  Marburg. 

Mit  Schupps  Abreise  von  Marburg  hören  alle  seine  Be- 
ziehungen zu  dem  Opus  historicum  hassiacum  auf.  Man 
übertrug  dessen  Ausarbeitung  im  Jahr  1647  Schupps  Schüler 
Johann  Justus  Winckelmann,  änderte  dabei  aber  den 
Plan  des  Werkes  wieder  im  Sinne  des  ursprünglichen  Toten- 
wartischen  Projektes :  Winckelmann  bekam  den  Auftrag,  eine 
,,hessische  Chronica**  zu  schreiben,  die  die  gesamte  hessische 
Vergangenheit  behandelte.  Ob  Schuppius  bei  der  Auswahl 
dieses  jungen  Mannes  irgendwie  mitgewirkt  hat,  wissen  wir 
nicht.  Wahrscheinlich  ist  es  allerdings  nicht.  Ebensowenig 
wissen  wir,  wohin  nun  das,  was  von  Schuppius  wirklich 
ausgearbeitet  war,  sowie  seine  Matcrialsiuninluug  gekommen 
/st.  Schuppius  hat  nach  seinem  Weggang  von  Marburg 
keinerlei  historische  Arbeiten  mehr  im  Druck  herausgegeben. 
Käst  alle  seine  Schriften,  die  er  in  der  Zeit  zwischen  1646 

*  Hierzu  sollten  ihm  nach  des  Landgrafen  Wunsch  40 — 50  11.  Zu- 
ichuß  gegeben  werden.  Da  kein  Geld  vorhanden  war,  sprach  die  Uni- 
'ersität  für  die  gleiche  Summe  „Wahren  beym  Krämer"  gut. 


280  Wilhelm  Diehl. 

und  1661,  seinem  Todesjahr,  erscheinen  ließ,  bezogen  sich 
auf   die   Gegenwart  und   erörterten  praktische   Fragen  der 
Religion,   Sittlichkeit  und  Bildung.     Er  scheint  sogar  ein« 
gewisse   Abneigung   gegen   die   Herausgabe   weiterer   histo- 
rischer Schriften   gehabt  zu  haben.     Sonst  hätte   er  doch 
wohl  die  Herausgabe  einer  der  vielen,  zum  Teil   umfang- 
reichen  Schriften,   die  er  in   den    Jahren   1657 — 1661    er- 
scheinen ließ,   unterlassen  und   dafür  eine  vermehrte  und 
verbesserte   Neuauflage    von   Christoph   Helwigs   Theatnim 
chronologicum    besorgt,    die   Schupp    so   nötig   schien   und 
so  sehr  am  Herzen  lag,  daß  er  in  seiner  Schrift  „Freunde 
in  der  Noth**  im  Jahr  1657  an  seinen  Sohn  Anton  Meno 
schrieb:    „Allein  diss  einige  must  du  mir  zu  Gefallen  und 
auff  meinen  Befehl  thun:  Du  must  deines  Großvaters  Thea- 
trum  chronologicum  augiren,  und  wieder  aufflegen  lassen. 
Und  du  solt  es  hinführo  augiren  und  defendiren,  so  lang  du 
lebst.    Res  haec  non  patitur  moram.    Dann  von  unterschie- 
denen Orten   gedrohet  wird,  wann  ich  es  nicht  also  bald 
wolle   aufflegen   lassen^   so   wollen   sie  es   aufflegen.     Und 
ist  allbereit  zu  Londen  in  Engelland  nachgedruckt  worden." 
Vielleicht,  daß  ein  späterer  Fund  uns  einen  Teil  des 
Schuppischen  Manuskripts  wiederbringt!    Bis  dahin  müssen 
wir  uns  mit  den  Notizen,  die  wir  oben  gegeben  haben,  zu- 
frieden geben.     Eines  freilich  muß  hier  zum  Schluß  noch 
einmal  besonders  betont  werden.     Die  Annahme  Bischoffs 
(S.   16),  Schuppius  habe  „wohl  zur  Beruhigung  des  Land- 
grafen  und  als  Vorgeschmack  des  zu  erwartenden  seinen 
Hercules  togatus  sive  de  illustrissimo  celsissimoque  heroe 
Georgio   H.   oratio   1640  in  Druck  gegeben**,  mithin:  man 
müsse  diese  Schrift  in  Zusammenhang  mit  dem  Opus  histo-    j 
ricum   bringen,   ist  unbedingt  abzuweisen.     Schuppius  hat    j 
diese  Rede,  die  recht  wenig  historischen  Stoff  enthält,  im    i 
Anfang  des  Jahres  1638  in  Marburg  gehalten  und  sie  erst-    j 
malig   mit   einer   Vorrede,    die   vom   Mai    1638   datiert  ist,     j 
herausgegeben.     Der   Inhalt   der   Rede   und   der   Plan,  sie     | 
drucken   zu   lassen,  stammt  also  aus  einer  Zeit,   wo  noch     j 
niemand  an  das  von  Schupp  auszuarbeitende  Opus  histori-     ] 
cum  dachte,  wo  noch  nicht  einmal  Wolff  von  Totenwart  dem     I 
Landgrafen  sein  Projekt  zu  einer  Sammlung  denkwürdiger     : 
Stücke  aus  Hessens  Vergangenheit  unterbreitet  hatte.  Axich     ; 
die  Ansicht,  daß  Schupp  um  dieser  Rede  willen  zur  Heraus- 
gabe  des   Opus   historicum   bestimmt  worden   sei,    scheint 
mir  hinfällig.     Beide  Ansichten  tun  dieser  Gelegenhoitsrede 
eine   Ehre   an,   die   sie   wirklich   nicht   verdient. 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  281 

Beilagen. 
I. 

)rei   Berichte  des   Kanzlers  Anton  Wolff  von  Todenwarth 
LU  Landgraf  Georg  II.  über  die  Abfassung  einer  hessischen 

Chronica. 

(Dannstadt,  Staatsarchiv,  IV,  1,  8.) 
a.  Das  erste  Schreiben  vom  19.  März  1639. 
E.  F.   Gn.   mag  ich,   nechst  undertheniger  und  gehorsamer 
trbihtung  meiner  pflichtschuldigen  getrewen  Dinste,  nicht  bergen, 
reicher  gestalt  ich,  bey  newlichster  perlustrir-  und  Durchblätte- 
xing   meiner  wenigen   privatbibliothec  under  anderm  sonderlich 
)bservirt,   daß   albereit   von   etlichen    hundert   iharen    hero    die 
löchste    Kayser:    und    Königliche,    auch    Chur:    und     fürstliche 
Jäusser,  im  heyligen  Römischen  Reich,  Ihre  große  embsigkeit  und 
ntention  dahin  gerichtet,  damit  von  Ihren  und  der  Ihrigen  großen 
md  löblichen  thaten,  auch  tugendhaften  expeditionen,  und  rühm- 
ichen    rahtschlägen    und    Verrichtungen    fort   und    fort,    in   der 
«reiten  Welt  viel  möge  gesagt,  gerühmet,  aufgezeichnet,  zu  ewigem 
preiß   in   truck   gebracht,    von   vornehmen   Scribenten   und   Ver- 
wahrern, gleichsam  aus  einer  Hand  des  Ruhms  und  encomii  in 
die   andere   gelifert,    und   also   allgemächlich   eine   familia  nach 
der  andern  celebrior,   augustior  et  honoratior  gemacht  werden, 
dessen  dan  viel,  fast  unzehlbare  treffliche  Zeugnussen  vorhanden, 
und  insonderheit  im  hochlöblichen  fürstlichen  Hauß  Hessen  (wan 
auch  schon  weiterer  Bericht  ermangeln  solte)  die  treffliche  historia 
et  series  multorum   praeclarissime   actorum   et  rerum   gestarum 
ex  scriptis   Sleidani,   Thuani  et  aliorum  vorhanden   seind,  und 
sonderlich   ist  Sleidanus  gleichsam  darzu  erbohren,  und   vom 
lieben  Gott,  aus  Niderland  in  Oberteutschland  gesandt  worden, 
daß  er  die,   von  Ewerer  Fen.   Gn.   hochgeehrtem  Herrn  proavo 
weyland   Herrn  Landgraf   Philippsen   dem   Eltern,   laudatissimae 
recordationis  zu  Krigs:  und  Fridenszeiten  geführte  wichtige  ex- 
peditiones,  auch  jeweils  dabey  mit  under^eloffene  denckwürdige 
reden,  und  anders  mehr  beschriben  hatt,  und  in  gefolgten  Jahren, 
hatt  mein   in   der   Jugend    gewesener   trewer    praeceptor,   under- 
^'eiser  und   Informator   Herr   Friderich   Hortleder,   nunmehr 
fürstlicher  Sachsen-Weymarischer  vornelinicr  Rhat,  vollends  gar, 
^He  Caroli  Quinti  Imperatoris,  adeoque  etiarn  Phiiippi  Magnanimi 
Woica  et  laudabilia  facta  et  acta   (so   weit  sich   von  Sleidano 
darauf  bezogen,   und    die   jjantze    historia   Sleidani    daraus   com- 
pilirt  worden)  zusammen  trucken  lassen,  und  wan  derselbe  Slei- 
danus  (welcher   sich   al)er   dardurch    dergestalt   abgemattet,    daß 
^f  endlich    allerdings    bis    puer    worden,    und    seiner    leiblichen 
Tochter  Tauf  nahmen,  aus  großer  Schwachheit  des  (leniühts,  nicht 
Leiter  nennen  können)   nicht   auf  die  Bahn   kommen  were,   und 
das  seinige,  in  so  mühsamer  fleißiger  Conscribirung  suae  historiae 
Carolinae,    nicht  so    tugendlich   gelaistel,   und   dem    Stattrhat  zu 
Straßburg,  nicht  alles  von  Wort  zu  Worten  vorgelesen,  und  der 
flhat  daselbst  sich  aus  guhtwilliger  anhörung,  desselben  ab:  und 
vorlesens,  der  Geschichte  und  wahrhaften  Relation  selbst  nicht 


282  WUhelm  Diehl. 

so  trewlich  erinnert  hette,  So  würde  Thuanus  zu  einem  so  ge- 
waltigen Anführer  und  Wegweiser  wohl  nimmer  kommen  sein, 
und  würde  sich  Ewerer  Fen.  Gn.  hochlöblicher  Herrn  Vorfahren, 
und  Ihres  Uhralten  fürstlichen  Hauses,  billiche  gloria,  nicht 
ohn  die  größeste  Injuri,  sonsten  sehr  geschwächt,  und  gleich- 
sam (salvo  debito  honore  suo)  zu  Bodem  gelegt  und  geschwächt 
befunden  haben,  welchen  Verlust  keiner  gesunden  Verstands  und 
ehrlichen  Hertzens,  vor  einen  geringen  Schaden,  und  vor  ein 
unschätzbares  halten  und  dises  hohen  uhralten,  alle  Zeit  mit 
Römischen  Kaysern,  auch  andern  christlichen  Königen  starck 
befreundeten  fürstlichen  Hauses  Dignitaet  und  Reputation  ein 
anders  gönnen  würde. 

Und  mag  E.  F.  Gn.  ich  mit  beständiger  redlicher  Wahrheit 
versichern,  auch  wohl  mit  ehrlichen  trewen,  ietzo  noch  lebenden 
Leuhten  beweisen  können,   daß  E.   F.   Gn.   hochseeliger  liebster 
Herr  Vatter  mein  weyland  gewesener  genediger  milder  Fürst  und 
Herr,  nicht  nur  von  Erhalt:  sondern  auch  nur  von  Ergrößemng 
Seiner   Fen.    Gn.    hohen   Hauses,    und   eben   auch   von    fleißiger 
Aufzaichnung  und  künftiger  Edirung  eines  und  des  andern  löb- 
lichen und  rühmlichen  Wercks,  oftmahls  im  spatzirenfahren  und 
dan   im   fast    täglichen    auf:    und   abgehen,    auf   meinem   Wahl- 
garten zu  Darmstatt,  viel  geredet  und  sonderlich  anno  1626  rn 
Rüsselsheim,  under  damahls  von  Hauß  aus  gebrauchter  Sawer 
bronnencur,    manchmahl    gantze    stunden    oder   halbe    Tage,  zu 
mir,  in  mein  inngehabtes  Zimmer,  mit  großer  fürstlicher  Leuht- 
seeligkeit  kommen,  und  von  so  bewandten  Sachen,  sehr  eyferig 
und   dergestalt  geredet,  alß   ob   Seine  Fe.   Gn.  auch   nicht  gern 
Verzugk  eines  einigen  Tags  darin  gestattet  oder  gesehen  betten, 
und  wan  es  under  so  gestaltem,  respective  genedigem  und  unter- 
thenigcm  Gespräch  ohngefehr  geschehen,  daß  etwa  freinbde  Brief 
oder  Posten  angelangt,  oder  sonst  dergleichen  andere  avocamenta 
sich  zugetragen,  haben  Seine  Gottseelige  Fe.  Gn.  sich  sehr  oft 
darüber  bewegt,  und  allezeit  die  Impedition  berewet,  wie  sonder- 
lich der  von  Hertingshausen,  Erbküchenmeister  und  alter  Jäger- 
meister (welcher  deßmahls   Ihrer  Gottseeligen  Fen.  Gn.  sonders 
gehaimer  und  vertniwler  Minister  war  und  Seiner  Fn.  Gn.  et\ra 
selbst  von  denen   Sachen  reden  gehört)  bezeugen  kann. 

Nun  habe  Gnedigcr  Fürst  und  Herr,  ich  eine  Zeithero  under- 
thenig  wahrgenommen,  daß  sehr  viel,  zu  Ihrer  und  Ihres  hohen 
Hauses  fürstlicher  Reputation  auch  billichmäßiger  Extollir:  und 
Laudirun^,  gehörige  Sachen,  wo  nicht  gar  nicht  zu  truck  g«' 
setzt,  jedoch  nicht  mit  solcher  großen  embsigkeit  und  Auf* 
mcrckung,  wie  es  sonst  wohl  biliich  sein  solte,  für  all  zu  großer 
und  häuftiger  menigc  der  täglichen  nicht  wohl  umbgänglicheo 
Expediendorum  in  achtgcnonimen  und  considerirt  worden;  dan 
obwohl  in  Seiner  Gottseeligen  Fen.  Gn.  annoch  vorhandenem 
Buch,  daß  Ehrengedächtnus  genannt,  viel  feine  und  anmuthig^ 
Sachen  befindlich  sein  mögen,  so  weys  ich  doch  aus  damahliget 
Zeit  noch  selbst  wie  eylfertig  alles  bey  Bestellung  der  fürstlichen 
Leich  und  Aufsetz:  oder  Vergreiffung  des  fürstlichen  Lebenver- 


Neue  Beiti'äge  zur  Geschichte  Schupps.  383 

ffs  habe  müssen  dahergehen,  und  daß  (wie  gemeiniglich  zu 
chehen  pflegt)  der  Geschäfte  hernach,  da  mann  einmahl  zu 
rten,  aufzuschieben  und  die  darzu  nohtwendige  geringe  Sump- 
zu  ersparen  angefangen,  so  gar  viel  zusammen  kommen, 
\  man  hernach  alß  schon  alles  considerirt  und  vorüber  ge- 
gen, nicht  wohl  zu  einem  jeglichen  Werck  genügsame  Zeit 
i  Arbeit  anwenden  können,  und  zweifelt  mir  nicht,  wan  in 
i  Tagen  Seiner  Fen.  Gn.  christseeligen  Lebens,  fein  alles  were 
lammen  gelegt,  und  dardurch  dasjenige,  was  man  hiernechst 
mahl,  serae  posteritati  gleichsam  zu  Händen  lifern,  und  alß- 
1  Ihro  daran  einen  verborgenen  Schatz  vertrawen  wolle,  in 
ipore  starck  beobachtet,  und  dem  hohen  fürstlichen  Hauß, 
i  vilen  aus  demselben  Hause,  löblichst  rührenden  und  her- 
mmenden  fürstlichen  Häubtern,  zu  Dinst  und  Nutz,  in  Zeiten 
ligirt  worden,  es  solte  sich  mancher  ehrlicher  Patriot  höch- 
1  darüber  erfreuwen  und  selbiger  Gestalt  würde  ohn  einigs 
Qschen  befugte  Beschwemus,  das  Lob  und  die  Würde  dises 
len  Hauses  ungleich  weiter  gebracht  und  ergrößert  worden 
a.  Und  bedünckt  es  mich,  auch  noch  Zeit  zu  sein,  daß  die 
:h  übrige  und  vorhandene  reliquiae  et  fragmenta,  welche  dan 
:h,  auf  dise  stund,  nicht  gering  zu  achten  seind,  compilirt, 
i  in  einen  tomum  oder  sonderbaren  fascicuhim  redigirt  würden, 
rzu  Ewerer  Frn.  Gn.  und  dem  gantzen  Land,  auch  dero 
"stlichen  hohem  Hause,  gantz  trewlich  dinen,  und  trefflichen 
laß  geben  könte,  der  noch  alhie  wohnende,  und  an  dergleichen 
:hen,  seine  Lust  und  Frewdigkeit  habende  und  under  den 
Dfessoren  zum  längsten  in  Dinsten  gewesene,  aus  Niderhessen 
itige  und  Ewerer  Frn.  Gn.  aufrichtig  und  trewlich  zugethane 
triot  M.  Conradus  Bachmannus,  mit  welchem  ich  gestriges 
ittags  lang  und  viel  darvon  geredet,  und  hirmit  derjenigen 
ick,  welche  ich  nur  hinder  ihm  Gott  lob  stattlich  und  häuffig 
Mi  copiose  vorhanden  zu  sein  vermercke,  zu  underthenigcr 
ichrichtung  in  abschrift  etwas  überschicke,  und  halte  gantz- 
ih  darvor  es  werde  auch  das  gantze  Werck,  welches  wohl  auf 
liehe  Alphabet  excessiren  möchte,  in  quarta  forma  oder  in 
lio  füglich  können  verlegt,  und  zu  dergleichen  newen  Collec- 
neis  manchem  Libhaber  so  vilcr  aiiinuhtiger  sachen,  ohn  einige 
Jschwerde  geholffen  werden,  doch  stehet  alles  zu  Eweier  Fen. 
n.  hochweiser  genediger  Verbesserung,  alß  deren  ich  keines- 
egs,  begehre  hirinn  oder  sonst  vorzugreifTen  oder  maas  zu 
'ben.  E.  F.  Gn.  und  dero  hochgelibte  Fraw  Gemahlin,  auch 
rstliche  junge  liebe  Kinder  Gottes  allniögender  Obhand  und 
ischirmung   gantz    trewlichst   in    underthenigkeit   eniphelend. 

Datum  Marpurg  am  19.  Martii  anno  1639. 
Postscriptum. 

Auch  Durchleuchtiger  Hochgeborner,  Genediger  Fürst  und 
rr,  hab  ich  biß  dato  underthenig  wahrgenommen,  daß  aus  freund- 
ber  guhter  einigkeit,  je  ein  Fürst  zu  Hessen,  für  des  andern 
nes  Mittfürsten  Reputation  und  existimation  sorgfaltig  gewesen, 
J  darvor  gehalten,  daß  die  honorirung  deß  andern  Anverwandten 


284  Wilhelm  üiehl. 

Fürsten  Ihm  zubef ordern  und  in  acht  zu  nehmen,  sonderlich  ob- 
ligen  solle,  und  solches  ist  dem  geschworenen  Erbvertrag  ähnlich 
und  gemäß  gestalt  im  Erbvertrag  mit  haytern  Worten  stehet,  Wir 
(principes  Hassiae)  sollen  unß  under  einander  fördern,  und  je  einer 
des  andern  nutz  und  ehre  suchen,  und  trewlich  mainen  etc.  und 
zweiffeie  nicht,  wan  etwa  in  vorigen  Zeiten  ein  im  Leben  geblibener 
Fürst,  dem  andern  seinem  Mittfürsten  ehre  erwisen,  und  aber  der- 
gleichen honorirung  dißmahls  nicht  geschehen  und  underbleiben 
solle,  so  würdens  des  seelig  verstorbenen  Fürsten  hinderlasseiie 
posteri,  vor  eine  vorsätzliche  geringhaltung  oder  gar  despectirung 
ihres  tods  verblichenen  progenitoris  (wo  eben  nicht  öffentlich,  je- 
doch heimlich)  mit  Unmuht  zu  Hertzen  und  gemüht  führen.    Weil 
dan   nunmehr   fast   geraume   Zeit  verstrichen,   in   welcher  wey- 
land  Herr  Landgraf  Friderich  der  Eitere,  Ewerer  Fen.  Gn.  Herr 
patruus,    unversehens    dises    Leben    geendiget,    so    könte    nicht 
schaden,    daß    E.    F.    Gn.    durch    ein    sonderlich    fürstlich   aus- 
schreiben, dero  Universität  alhie  befehlen  lißen,  daß  Seiner  Gott- 
seeligen Fen.  Gn.  zum  letzten  ehren  ein  professor  ex  Academia 
eine  wohlstudirte  lateinische  laudation  oder  parentation  halten, 
und   darmit  es   ihme   oratori   selbsten,   an   nohttürftiger  materia 
laudum  nicht   leicht   mangeln   möge,    mit   Ewerer   Fen.   Gn.  ge- 
heimen Rhat  und  Vicecantzlarn  D.   Fabricio  fleißig  und  zeitlich 
communiciren  solle. 

Dasselbe  fürstliche  Befehlschreiben  nun,  könte  auch  der 
fürstlichen  Fr<iw  Wittib  zu  Homberg  vor  der  Höhe  freundlich 
communicirt,  und  darbey  gebetten  werden,  Ihre  Fe.  Gn.  wollen 
daraus  ohnbeschwert  Ewerer  Fen.  Gn.  trewhertziges  redlich  ge- 
meintes intent  und  gemüht,  zum  beßten  versehen,  und  wan 
Sie,  hochgedachte  fürstliche  Fraw  W^ittib,  Gott  zu  ehren,  und 
dem  gantzen  fürstlichen  Hauß  zu  rühm,  und  reputation  etwas 
zu  moviren  hette,  dasselbe  noch  bey  guhter  Zeit  thun,  dan 
E.  F.  Gn.  gern  sehen  wollen,  daß  mit  der  vorhabenden  alhiesigen 
Oration  und  parentation  dergestalt  geeylet  würde,  darmit  dieselbe 
in  kurtzem  in  offen  truck  ausgehe,  und  allenthalben  zu  desto 
besserem  glimpf  verstanden  werde. 

Thue  hiermit  E.  F.  Gn.  alß  deren  ich  hierdurch  keineswegs 
begehi-e  vorziigreiffen,  in  dero  beharrliches  fürstliches  Wohl- 
wollen   mich    nochmahls   empfehlen. 

b.    Das   zweite   Schreiben   vom    19.   März   1639. 

Die    Vorzaichnus   derienigen    stücke,    welche    meines   unvor- 
greifflichen     undorthenigen     Darvorhaltens,     in    das     vorhabende 
sondorbaro   große  Opus   Haritatuni   Hassiararum   kommen  sollen, 
hab   ich   eben    ietzo   under   Händen   und    lasse  es   durch  Ewerer 
Fen.    (\n.    Landraiicollisten,    Johann    Hermann    Henrici    (welcher 
sonst  von  gar  fertiger  Hand,  und  des  Schreibens  in  Lateinischer 
und   Grichischer  Sprach    zindicb    kündig   sei)  sauber   zusammen- 
tragen,  in   l'nderthenigkeit  darvor  hallend,  wan  es   nur  einmahl 
fein  rein  und  hübsch  zusammengeschrihen  ist,  so  werde  hernach 
der  gantze  Truck  desto  schleuniger  fortgehen  können,  und  bitte 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  285 

mutig,  £.  F.  Gn.  geruhen,  die  hierzu  nohtwendiglich  gehörige 
»ram,  genedig  im  beßten  aufnehmen. 

Das   Werck  an   sich  selbst,   soll  mit  Gottes  Hülff,   sich  so 
jlich  schicken,  und  beschleunigen,  daß  es  verhoffentlich  Ihro 
keiner  Displicentz  geraichen  möge,  und  thue  hiermit  in  Ewerer 
n.  Gn.  Hulde  und  propension  mich  in  Gehorsam  emphelen. 

Datum  Marpurg  am  19.  Martii  anno  1639. 

c.  Das  Schreiben  vom  2.  April  1639. 

Mir  zweiffeit  nicht,  E.  F.  Gn.  werden  sich  gnedig  erinnern, 
.s  vor  etlichen  wenigen  Wochen,  an  dieselbe  ich  von  fleißiger 
servir:  und  Zusammentruckung  vornehmer  stücke,  welche  zu 
ro  uhralten  fürstlichen  Hauses  trefflichem  und  ewigem  Ruhm 
ieyen  könten,  underthenig   überschriben. 

Darauf  hab  ich  nunmehr  nicht  underlassen,  die  Verzaichnus 
rselben  stücke,  und  den  Catalogum  selbst,  underthenig  und 
ihlmainend  umb  desto  wenigem  Vergessens  willen,  aufzu- 
lehnen, in  ohngezweifelter  demütiger  Hoffnung,  aus  bloßer  über- 
kiung  der,  nunmehr  gefertigter  designation,  werde  das  gantze 
erck,  viel  heller  und  klärer  sich  selbst  recommendiren.  Und 
iibt  allezeit  der  ältiste  under  den  hisigen  professoren,  M.  Con- 
dus  Bachmannus,  bey  mir  unwürdigem  alten  Diner,  in  der- 
oigen  Recommendation,  daß  er  billich,  einem  guten  und  fleißigen 
LÜquario,  wo  nicht  eben  vorzuziehen,  doch  optimo  maximo 
re  zu  vergleichen. 

Derselbe  ehrliche  alte  Mann  aber  lebet,  wie  ich  wohl  spüre, 
iy  seinen,  disem  hochlöblichen  uhralten  fürstlichen  Hause 
essen,  trewlichst  und  willigst  geleisteten  Dinsten,  nicht  in  merck- 
chem  Überfluß,  also  daß  es  an  ihme  ein  wohlverdinter  rechter 
otteslohn  were,  wen  E.  F.  G.  seiner,  alß  eines  alten  Manns, 
ach  fürstlichem  guten  Beliben  und  Wohlgefallen,  etwa  zu  ge- 
igener  Zeit,  mit  einem  leidlichen  Stücklein  paaren  Gelds  gnedig 
edencken  lißen,  doch  bleibet  alles,  ohn  einige  masgebung  zu 
werer  Fen.  Gn.  Beübung  und  Gefälligkeit  lödiglich  ausgesetzt. 

Marpurg,  am  2.  Aprilis  1639. 
Postscriptum. 

Auch  Durchleuchtiger  Hochgeborner  Genediger  Fürst  und 
err,  hab  ich  nicht  underlassen,  zuerwögen,  und  in  Underthenig- 
Bit  zu  überschlagen,  was  die  abtruckung  des  gantzen,  zu  dises 
ochlöblichen  uhralten  fürstlichen  Hauses  vornehmer  Reputation 
^gesehenen  Wercks,  erfordern  und  kosten  werde.  Und  halle 
unmaßgeblich  mit  Vorbehalt  Ewerer  Fen.  Gn.  höherer  Gedancken 
wvor,  Ewerer  Fen.  Gn.  ietziger  Professor  poeseos  M.  Conradus 
achmannus,  als  welcher  ohne  das  wegen  der  an  Herren  Land- 
»f  Henrichs  hochseeligen  andenckens,  in  truck  gefertigter  exe- 
tialien,  und  darbey  gehabter  langwüriger  und  vieler  müh,  noch 
begaben,  und  vor  seine  trew,  mildiglich  zu  belohnen  ist, 
•rde  in  Underthenigkeit  danckbar  und  sehr  wohl  zufriden  sein, 
n  von  Ewerer  Fen.  Gn.  er  vor  dieselbe  vorige  müh,  und  dan 
'  die   ietzige,   an   Conquirirung   des   tomi   singularis  Hassiaci, 


286  Wilhelm  Diehl. 

in  allem  und  allein  getragene  labores  etwa  mit  dreyßig  Reichs- 
thalern  paar  begnadigt,  und  solches  ihm  forderlich  gelifert  werde. 
Ich  bedencke  auch  underthenig,   daß   bey  edirung  eines   so  an- 
sehnlichen fürstlichen  Buchs  in  Folio,  eine  nohtturft  erhaische, 
an  einem  bequemen  Ort  nach  collocirung  eben  deßienigen  fürst- 
lichen hessischen  und  fürstlichen  würtembergischen  Wapens,  wie 
solche    Wapen    auf    dem    fürstlichen    Schloßsaal    alhie,    in   dem 
höltzernen  Portal  stehen,  so  dan  nechst  Herbeyfügung  des  Chur- 
sachsischen   und   fürstlichen    Brandenburgischen    Wapens,    zwey 
feine  taugliche  emblemata  zu  setzen,  welches  dan  dem  fürstlichen 
Hauß  Hessen  und  disem  gantzen  Buch  einen  merklichen  Wohl- 
stand geben  würde,  und  vermeine  underthänig,  der  Ewerer  Fen. 
Gn.  ohne  das  gehorsamlich  wohlzugethane  Buchtrucker  Merian, 
werde    vor    solche    Wapen    und    emblemata,    wo    nicht    wohl- 
feiler und  leidlicher  doch  etwa  aufs  höchste  mit  vier  und  zwantzig 
Reichsthalern  zu  contentiren  sein. 

Daß  gantze  buch  an  sich  selbst  würd  mit  Gottes  Hülfif  gar 
wohl  abgehen,  sonderlich  wan  dieienige  treffliche  teutsche  send- 
brife,  deren  ich  in  meiner  underthenigen  Verzaichnis  gemeldet, 
darin  gelassen,  und  nicht  herausgenommen  werden,  dan  es  seind 
die  in  der  Schwedischen  und  Rüsselsheimischen  sach,  an  den 
damahligen  Römischen  Kayser  abgeschickte  Brif,  so  dan  die 
beede  Schriften,  w^elche  alhie  zu  Marpurg  anno  1625  auf  dem 
offenen  fürstlichen  großen  Saal,  durch  Malcomesium  lauht  ver- 
lesen worden,  ferner  Ewerer  Fen.  Gn.  hochgeehrten  Herrn  Gros- 
V alters,  Herrn  Landgraf  Georgens  hochseeligen  milden  Andenckens, 
an  das  hochlöbliche  fürstliche  Hauß  Würtenberg  abgangene  War- 
nungen und  andere,  theils  jocose,  theils  serio  abgefaste  und  vor- 
handene Stücke,  trefflich  und  dergestalt  gefasset,  daß  ich  gänlz- 
lich  darvor  halte,  es  werden  dieselben  Sachen  allein  daß  Werck 
sehr  wehrt  und  angenehm  machen,  und  die  daraus  helleuchtende 
Constantz,  W^eisheit,  Resolution  und  Redlichkeit,  denen  in  Gott 
ruhenden  hochgeehrten  liben  Fürsten  und  Herren  das  beste  und 
herrlichste  Monument  sein.  Ich  geschweige  der  hisigen  fürstlichen 
Hegirungsordnung  auch  statutorum  Academicorum,  welche  Stücke 
sänibtlich,  mit  solcher  Vigilantz  begriffen  seind,  das  sie  allein- 
wohl  etwas,  bey  einem  ieden  Leser  nutzen  werden,  und  billich 
hochzuachten  seind. 

Und  dörfften  E.  F.  Gn.  vor  den  Abtruck  des  gantzen  Wercks 
Selbsten,  sich  in  keinen  Unkosten  wagen,  sondern  die  Buch- 
trucker  werden  Gott  und  Ewerer  Fen.  Gn.  zu  dancken  ürsach 
haben,  wan  ihnen  das  gantze  opus  (dessen  conquirirung  und  Zu- 
sammenbringung gleichwohl  viel  müh  gekostet)  frey  under  di6 
Hand   gegeben,  und   überlassen   würde. 

In  alle  Wege  aber,  Genediger  Fürst  und  Herr,  ist  zu  nöhtigef 
Beobachtung  und  fleißiger  correctur  nöhtig,  daß  neben  eines 
ieden  Buchtruckers  ohne  das  billich  underhaltendem  fleißige''^ 
Correctore,  auch  insonderheit  Ewerer  Fen.  Gn.  Rhat  und  Ober* 
archivario  1).  Tülsnern  anl)efohlen  werde,  ein  scharpf  Aug  auf 
die    Obercorrection   zu   halten,   und   dieselbe   Correctur   za  ver- 


Neue  Beiträge  zur  Gresehichte  Scbupps.  287 

tten,  und  darmit  dasselbe  mit  desto  mehrer  anmuht  und 
iwdigkeit  durch  ihn  beschähe,  so  könte  durch  E.  F.  Gn.  ein- 
ingt  werden,  daß  Ihrem  Rhat  und  Oberarchivario  D.  Tülsnern 
supremo  Correctori  entweder  an  guten,  ihme  selbst  wohl- 
jtehenden  rohen  Büchern,  oder  an  paarem  geld  durch  die 
pographos  der  Wehrt  von  viertzig  gülden  nach  und  nach  ge- 
ldreicht werde. 

Wie  hoch  ein  gantzes  vollkommenes  exemplar  dises  vor- 
idenen  Wercks  lauffen  werde,  läßt  sich  ietzmahls,  und  eh  man 
ys,  wie  hoch  es  sich  an  der  Anzahl  des  papiers  ertragen 
rde,  schwerlich  bestimmen.  Weil  aber  E.  F.  G.  selbst,  wie 
.n  mit  Wahrheit  wohl  sagen  kann,  der  Author  des  gantzen 
$rcks  seind,  auch  auf  solche  maas  und  weise,  wie  ich  in 
derthenigkeit  droben  vorgeschlagen,  die  gradirstucke,  gantz 
rlegen  werden,  so  vermeine  ich  gehorsamlich,  es  soll  und 
rde  billich  kein  exemplar  über  vier  gülden  kommen  können, 
d  were  alßdan  himechst  auch  nothig,  daß  umb  wenigem 
rtewerns,  und  aus  der  sach  suchenden  privatnutzens  willen, 
3  taxa  aigentlich  bestimbt,  und  dardurch  Ursach  gegeben  werde, 
&  iederman  welcher  zu  erkauf:  und  Lesung  so  gethanen  gantzen 
ercks  Neigung  trägt,  desto  leichter  und  ohngehinderler,  darzu 
»mmen  könte.  Welches  alles  Ewerer  Fen.  Gn.  ohn  einige  Mas- 
tbung,  ich  underthenig  zugleich  anfügen,  und  mir  solches  zu 
ilden  gnaden,  zudeuten,  und  vor  keinen  Vorgriff  aufzunehmen, 
ihorsamlich  bitten  sollen.  E.  F.  Gn.  auch  dero  vielgeliebte 
ochangehörige,  Gottes  starkem  schütz  und  Schirm  zu  allem 
irstlichen   Wohlstand   trewlich  emphelend. 

II. 

iin  Programma,  mit  dem  Schuppius  die  Studenten  zu  einer 
historischen  üration  eines  seiner  Schüler  einlädt, 

vom  16.  Juni  1639. 

(Gießen,  Univ.-Archiv,  Personalakten  Schupps.) 

Job.  Balthas.  Schuppius,  Eloquent,  et  Historiarurn  Professor 
^  Academ.  Marpurgensi  Eloquentiae  aliarumque  arlium  liberaliuin 
'ultoribus  s.  p.  p. 

Euntes  ad  praelium  milites,  orationis  igniculis  accendendi 
^t,  ut  hostem  cupiant  prius  quam  feriant.  Dux  ipse  qui  et 
"ülitis  officium  subire  solet,  prius  dicit  quam  ducit,  prius  hor- 
*tur  quam  pugnat,  et  frustra  hostem  annis  invadit,  nisi  suos 
'fius  vicerit  oratione.  Vivimus  et  nos  in  militia,  o  Juveiies, 
lic  castra  et  arenam  habemus,  intra  hoc  perpeluum  bellum  nobis 
«ritur,  et  quotidie  pugnandum  est  contra  ignorantiam.  Hodic 
'Ora  prima  bono  cum  Deo  in  arenam  producam  tyronem  quendam, 
^  primum  publicae  lucis  tyrocinium  positurus,  aut  vincere  cupit, 
^i  ab  industria  vestra  vinci.  Erit  is  Doctissimus  juvenis  Dn. 
öann.  Esaias  Fabricius,  qui  Deo  adjuvante  orationem  recitabit 
«  Serie  Historiarum  ab  orbe  condito  usque  ad  hoc  aevum.  Reci- 
^ri  equidem  debeat   haec   oratio    in    Auditorio    philosophorum, 


288  Wilhelm  Diebl. 

sed  quia  viri  quidain  iii  illustrissima  aula  eminentes,  eam  audire 
cupiunt,  cogimur  actum  hunc  instituere  in  coUegio   ad  Lanuin. 
£a  enim  est  philosophicae  gentis  sive  negligentia  sive  fatalis  pau- 
pertas,    ut  ea   subsellia   non   possideat,    quibus   excipere   possit 
bospites  bonore  dignissimos.    Solus  Aristoteles,  cogitur  ire  pedes. 
Caeterum  ut  prolixis  verbis  ad  audiendam  orationem  hanc  vos 
invitem,  non  admoduni  necessarium  puto.     In  tempore  vivimus, 
turpissimum  itaque  nescire  quid  in  tempore  vel  sit,  vel  fuerit. 
Temporis    lux   est   historia,    historiae    lex   est   veritas.     Veritas 
virtutem  commendat.    Virtutis  censura  requirit  exactum  Judicium 
et  facundum  Ingenium.    Si  et  ingenium  et  Judicium  deest,  utrum- 
que  suppleri  potest  labore,  labore  superari  potest  omnis  si  quae 
occurrit  molestia.   Aestas  jam  est  o  commilitones  aut  si  mavultis 
fratres    vocari.     Cogitandum    itaque    de    Hyeme.     Hyems   ritae, 
senectus  est.     Senectutis  baculus,  bonesta  Juventus.     Juventutis 
cibus,  varia  doctrina.     Doctrinae  condimentum  Historia.    Non 
Video  quomodo  mereatur  nomen  literati,  qui  in  historiis  hospes 
est.     Quoties  amaenissimum  hunc  bistoriarum  bortum  ingredior; 
puto  me  invenisse  omnia,  quae  alii  mortales  misere  affectant  et 
aut   raro  aut  nunquam  consequuntur.     Jactent  alii   opes  suas, 
mibi,  cum  Cn.  Lentulo,  tot  sestertia  numerare,  licet  quot  libet 
Alii  in  quibus  nunc  evebendis  nunc  deprimendis  fortuna  jocatur, 
loquantur  quas  gerunt  sive  togae  sive  militiae  primas  dignitates. 
Mibi   nunquam   aditus    praeclusus   est   ad   Rempubl.    Romanam. 
Quotidie    loqui    mibi    licet,    sive    cum    Julio    Caesare   sive  cum 
Augusto.   Si  bellum  delectat,  sine  periculo  cum  Scipione  Cartha- 
ginem   expugno.     Si    putatis    o   amici,    me   vana    opinione  falli, 
respondeo,  eandem  opinionem  totum  fallere  mundum.     Vanitas 
est   in    Omnibus    rebus    bumanis.     Et   boc   ex    bistoriis   discitur. 
Volui  equidem  dicere  an  etiam  inveniri  possint  subsidia  quibus 
in  lectione  Historiarum  uti  possimus.    Ast  non  solum  Charta  me 
destituit,  sed  et  tempus.     Aptabit  se  propediem  alia  occasio,  ea 
de    re    disserendi.      Interim    valete    et   vos    amantem    redamare 
peragite. 

Dab.  raptim  16.  Jun.  1639. 

III. 

Zusammenstellung  der  Hauptabschnitte,   die   in  der 
,A  ita  Georgii  11."  von  Schuppius  behandelt  werden  sollten. 

(Entwurf  des   Geheimen   Rats). 

(Darm.stadt,  Staatsarchiv,  IV,  1,  8.) 

Praefatio  elegans  praemittatur. 

Eingang  zu  machen  per  diem  natalem.  Parentes.  Auch  nacl* 
einander  zu  setzen,  wie  verschickt  worden,  wz  vor  Länder  be- 
suchet .  .  .  zur  Zeit  obitus  patris.  Sey  nit  älter  alß  so  und 
gewesen,  da  sie  in  Regirung  getretten,  habe  Privilegium  Majoreii' 
nitatis  gezogen.  Träume.  Notificationes  der  Greheimden  Räthe,- 
Nvie  Tot  notificirt  worden.  Wie  Comiles,  Barones,  Nobiles  Dinsi» 
gesucht,    angemeldet.      Habe    sich    dargegen    vorgesehen. 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  289= 

Vattern  Käthen  gehalten.  Genedige  Versprechnus  der  Gnade. 
Stallungsrenovation   u.   Pflichtnehmung. 

Illnstrissimi  Ausschreiben  nach  H.  L.  Ludwigs  Tot,  so  an 
yser,  Chur:  und  Fürsten  ist  geschriben  worden.  Item  im  Land 
Regir.,  Univers,  und  Superintendenten,  alle  Beambten.  Leich- 
stattung. 

Caesaris  Gratulatio  zur  Regirung,  Hispanischen  Gesanden 
atulation,  der  Churfürsten  Meintz,  Colin,  Bayern,  Sachsen  und 
üz,  underschiedener  Communen  Gratulationes. 

Testamentseröffnung.     Privilegium  Majorenn itatis   H.   L. 

Huldigungseinnehmung. 

Einbekommung  der  Feste  Rheinfels,  feste  Platz  Calz.  ganz 
d  gar. 

Einbekommung  der  andern  adjudicirten  Oerter. 

Reformatio  zu  Schmalkalden  und  in  der  Nidergrafschafft. 

Landgraf  Johanße  verschickt  in  frembde  Lande. 

Accord  wegen  des  Franck.  Hauses. 

Fürstl.   Beylager  zu  Torgaw. 

Annus  secularis  Academiae  Marpurgensis. 

Gütliche  Handlungsanfang  mit  H.  L.  Wilhelmen. 

Vertragstomus.     Confirmationstomus. 

Selbstabfertigung  einer  Gesandschafft  gen  Wien  pro  confir- 
atione  Caesarea. 

Verschickung  Herrn  Landgraf  Johanßen,  und  wie  der  Ab- 
'hied  genommen,  auch  wz  vor  ein  Schreiben  mitgegeben  worden. 

Universal  Landtag  zu  Cassell  und  gäntzliche  Vollzihung  deß 
ccords. 

Particularlandtag  zu  Marpurg  und  Schalzungsbewilligung 
B  ao.  28. 

Abschaffung  der  Lindloischen  Soldatesca  auß  dem  Ober- 
irstenthumb  Hessen. 

Newe  Zunötigung  der  alten  Landgrälin  Fraw  Julianen  und  wie 
lostrissimus  Ihr  begegnet. 

Der  jungen  Landgrafen,  Casselischen  und  Darmsladischen 
ini,  Aidschwür  auff  den  Haubtaccord. 

Abwendung  und  Ausschaffung  der  casselischen  Einquartirung, 
>nderlich  Illusthssimi  Raiss  gen  Schweinfurt,  und  wie  sich 
ollaldo  erzaigt,  aucb  wie  Caesar  so  enixe  rescribirt.  Ubi  no- 
^nda  lUustrissimi  solicitudo   pro   subditis. 

Verschickung  H.  L.  Henrichs  und  L.  Friderichs  in  frembde 
ande. 

Tötlicher  Hintritt  Fräulin  Amalien  und  Leichbestattung, 
ßichherausbringung. 

Tötlicher  Hintrit  und  Herausbringung  auch  L.  Henrichs  Leich- 
^tattung. 

Periculum  principis  in  piscina  Reinheimensi. 

Fürstlich  Kindtauff  deß  jungen  Pri ritzen. 

Kirchenvisitation,  sonderlich  die  Instruction  uff  die  Kirchen- 
sitation. 

Landvisitation  und  Instruction. 

^^trilge  X.  Gesch.  d.  Universitäten  Mainz  u   Gießen.  19 


«90  Wilhelm  Diebl. 

H.  L.  Ludwigs  Epitaphium  zu  Marpurgk,  welches  Illuslrissi- 
mus  uffrichten  lassen. 

Meldung  Ehrngedechtnuß. 

Ysenburgische  Sach.  Proceß  mit  Ysenburgk. 

Proceß  mit  Maintz  wegen  etlicher  Ebisdorffischer  Gefälle. 

Commissio  in  der  Teutschmeister  Sache  und  w^ie  sich  lllustr. 
dargegen  erzaigt.    Seriem  facti  und  wie  Illustrissimus  respondirt. 

(1.  Remonstrationsschrifft,  2.  lalinus  Extractus.) 

Zusetzung,    so    lllustrissimo    geschehen,    in    der    Nidergraf- 
schafft,  Religionssachen  betreffend,  von  Churtrier. 

Illustrissimi   Rayß  gen  Regenspurgk  ao  30. 

Regenspurgische  Puncten,  wie  es  derzeit  im  Reich  gestanden. 
wol  auß  zuführen. 

Cantzleybaw    zu   Darmstatt,    wz   vor   Schrifft   hinein  gelegt 
worden. 

Reichsritterschaff t  Beginnen  und  wie  Rlustriss.  begegnet. 

Leipsischer  Tag  und  warumb  lllustr.  nicht  erschienen  und 
doch  darauf  negotiirt. 

Franckf.    Compositionstag. 

Güttlich  Handlung  im  Reich. 

Schreiben  ad  Caesarem  wegen  Rüsselsheim. 

Item   oratio  publica,   wie   resolvirt  worden. 

Zumuthung,  so  H.  L.   Wilhelm  beschehen,  die  Religion  zu 
mutiren. 

Closter  Geißmar  betr. 

Anderwortliche   Dolirung  der   Universität. 

Renovirung    des    Hohen    Hospital    und    Almoßen. 

Refutatio   Casselischen   Schreibens. 

Statuta   academica   NB.    Titulos    nach   einander   zu  setzen, 
wan  schon  kein  numerus  darbey  ist. 

Discurs   mit  dem   Reichscantzlar  Ochsenstem  pro  pace. 

Große  convicia  wider  lllustr.  et  Illustrissimi  Leuthe.     Wz  iR^ 
ausgestanden  iimocenter.    Drauf  zu  antwortlen  glimpflich  et  per  dicti' 

Uff  rieht  ung  des  Gymnasii  zu  Darmstatt. 

Schulbaw  zu  Darmstatt. 

Theilung  der  Superintendentzen. 

lllustr.  sein  damit  umbgegangen  ein  Gymnasium   zu  Gißß^   ] 
anzustellen,   hab  al)er  nicht  pro  voto  von  statten  gehen  woilcJ^ 
propter   tempora  deplorata. 

Comitiva  pro  Juridica  Facultate. 

Appellationsprivilegium. 

Ostfrießländisch  Heurath,  Werbung  zu  Regensburg. 

Abfertigung. 

Anstalt  deiJ  Statutenbuchs. 

Große  Jagen,  eventus  mit  dem  Hirsch  und  Schwein. 

E niewerte   Definitorum  Ordnung. 

Judenordnung    und   was   derselben   anhangt. 

Postanord  nungen . 

Executio  über  Straßenräuber,  so  1.  zu  Gißen,  2.  zu  Darr*^ 
statt   justificirt  worden. 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  ^1 

Illostrissimi  Vortrag  alhie  zu  Gießen,  ob  Illustr.  Recht  oder 
recht  gethan,  daß  sich  des  Leipsischen  Tags  enthalten,  et 
ponsum  ad  Landstände. 

Theologorum  responsum  in  eadem  causa. 

Regis  Sueciae  Schreiben  ad  Illustrissimum. 

Regis  Galliae  schreiben  ad  Illustr. 

Zu  gedencken,  daß  Gesandschafften  da  gewest. 

Deß  Kön:  Spanischen  Ambassadeurs  Verdugo  Ankunfft  und 
atulation  zu  Illustr.  Regirung. 

Alß  Spannisch  Volck  in  Illustr.  Land  gewesen  umb  Gießen, 
e  111.  darum  geschrieben  und  sonst  uffschlagen  wollen. 

Illustrissimi  Schickung  ad  reg.  Sueciae. 

Illustrissimi   Selbstraisen   ad   Reg.   Sueciae. 

Uebergab  Rüsselsheim  et  Capitulatio.  Schreiben  ad  Caesarem 
(fiwegen. 

Ordnung  wie  es  mit  den  Stipendiariis,  so  jura  studiren,  soll 
jhalten  werden,  13.  Augusti  1633. 

Vergleich  mit  H.  Landgraf  Johanßen  Fr.  Gn. 

Vorhabende  Anordnung  eines  Newen  Revisions-  oder  Ober- 
ppellationsgerichts. 

Newe  Cantzley  Ordnung  und  darauff  erfolgte  kayserl.  Con- 
rmation  den  6.  Martii  1635. 

Ordnung  von  besserer  Haltung  der  Sonn-  und  Feyertag  1632. 

Ordnung   von   besserer   Übung   deß   Catechismi    1633. 

Anstellung  Fast-,  Büß-  und  Bedtägen  de  Anno  1632  et  segq. 

Bestrafung  der  Gottslästerer. 

Illustrissimi  getragene  Sorgfalt  bey  allgemeinen  Fridens- 
aetaten. 

Wie  Ulustrissimo  zugemuthet,  Niderhessische  Volcker  ein- 
iinehmen,  item  in  Nidersächsische  Krayßverfassung  zu  begeben, 
ad  warumb  Illustrissimus  dessen  Bedenckens  gehabt  1639. 

Deß  Hertzogs  von  Longueville  u.  der  Weimarischen  Armee 
bergang  über  Rhein  und  genommene  Wintterquartier  in  lUu- 
^rissimi  Land,  deren  UflFbruch,  Hinderlassung  etlicher  Regimenter, 
eren  Geldpressuren  und  Exorbitantien,  1640  vom  Anfang  des 
^OQahts   Januarii  und  in  folgenden  Monaten. 

Beschickung  deß  Churfürstentags  zu  Nürnberg  u.  Antreibung 
wn  Pacificationsweßen   1640. 

Niderhessische  Administrationssach  1637. 

Creiß  Obristen  Ambt  1636. 

IV. 

treiben   von   Schuppius  an  Dieterich  Barthold  von  Pleß 
Und  Philipp  Ludwig  Fabricius  vom  7.  März  1640. 

(Darmstadt,  Staatsarchiv,  IV,  1,  8.) 

,  Derselben  hochgeehrtes  schreiben,  hab  ich  wohl  empfangen, 
'cht  darauff  in  höchster  eyl,  daß  mir  das  bewuste  historische 
^^k.  wohl  recommendirt  bleibe.  Nach  dem  ich  aber  in  etz- 
^^    schweren  Theologischen   Arbeiten  begrieffen,   undt  Matth. 


!29i2  Wilhelm  Diehl. 

Merian  zu  Francfort  seine  historische  Chronic  zu  refonniren  ver- 
heißen, welcher  sie  gegen  Johannis  auflfiegen  will  undt  zu  dem 
endt  mit  groseni   Unkosten  schon   für  einem  Jahr  etzliche  Ball 
Papier  zu  Basel  machen  lassen,  undt  über  das  die  Studiosi  in 
sorgen  stehen,  die  Beschwerung  undt  Trübsal  des  Landes  möge 
zunehmen   undt  wachsen,   daß   sie   etwa  genötiget    würden  you 
hier   abzuziehen,  alß   werde   ich    täglich   ja   fast  stundtlich  von 
ihnen  ahngelaufifen,  undt  will  einer  dieses  für  seinem  Abschied 
von  mir  haben,  der  ander  ein  anders.     Daß  mir  also  unmöglich 
ist,  alles  mit  Fleiß  undt  bedacht  zu  elaboriren.     Bitt  demnach 
unterdinstl.  E.  Wohl  E.  St.  auch  E.  Hg.  wollen  diese  abgenötigte 
Procrastination    sowohl   bey    Ihre    fürstl.    Gn.   in   unter-thänigkeit 
entschuldigen,   alß  auch   für   ihre   Person   in   bestem  ausdeuten. 

Das  scriptum  Apologeticum  hab  ich  gegenwertigem  Botten 
nicht  können  mit  geben,  will  es  aber  verfertigen  undt  mit  nechster 
post  über  schicken.  Den  Vertrag  zwischen  beyden  Fürstl.  Heusern, 
will  ich  gleichfalss  durchlesen.  Möchte  gern  \vissen,  ob  alle 
beygefügte  Schreiben  auch  sollen  vertirt  werden,  welches  auf 
ein  ziemlich  opus  auslauffen  würde.  Befehl  E.  hochE.  St.  auch 
E.  u.  Hgg.  in  Gottes  genädigen  schütz,  undt  mich  dero  beharr-  j 
liehen  Gunst,  verbleibendt 

Deroselben 
alzeit  verobligirter   Knecht  und   Diener 

Marp.  am  7.  Martii  1640. 

V. 

Schreiben   von     Schuppius    an   Philipp   Ludwig    Fabricius 

vom  17.  Juni  1641. 

(Darmstadt,  Staatsarchiv,  IV,  1,  8.) 

Aus  dem  ahn  meinen  Schwager  D.  Horsten  jüngst  abge- 
lassenen Schreiben,  werden  E.  Excell.  verständiget  seyn  worden, 
daß  ich  wegen  gefährlicher  Schwachheyt  meiner  Kinder  ver- 
hindert worden  sey,  wiegen  Ahnstellung  des  operis  historici  weiter 
Bericht  zu  thun.  Undt  nachdem  diese  Tag  ein  ander  Zufall 
sich  bey  diesen  Kindern  zugetragen,  muß  ichs  nochmalß  biß 
auff  künflftige  Post  verschieben.  Sende  inzwischen  E.  Excell- 
diese  in  eyl  entworfene  disposition,  und  bitte  sie  wollen  per 
ocium  sich  darinn  ersehen,  und  bedacht  seyn,  wie  ich  in  diesen 
acht  puncten  könne  völlig  informirt  werden. 

Wegen  der  Recompens  hab  ich  mich  bedacht,  undt  in  con- 
sideration  gezogen,  daß  sich  bey  diesen  bösen  Zeiten  ein  jedf'' 
patientiren  müsse.  Es  wird  auch  ein  jeder  der  mein  gemüth 
kennet,  wissen,  wie  so  gar  von  keinem  mercenario  ingenio  ich  seye. 

Bitte    derohalben,   daß    mir   nur    ein    Amanuensis    gehalte^i 
werde,  und  wohl   accomodirt  werde,   jedoch,  daß  er  unice  voft 
mir  dependire  undt  ich  macht  habe,  ihm  tag  und  nacht  zu  b^ 
fehlen,  undt  ihn  widerabzuschaffen,  wann  er  mir  nicht  ahnständig' 
Für  mich,  bitte  ich  nur  umb  richtige  Bezahlung  meiner  Besal-" 
düng.     Will  sie  geliebts  Gott  so  wohl  verdienen,  alß  ein  and^^ 
der  mit  dergleichen  Arbeiten  nicht  beladen  ist    Und  will  zu  def^^ 


Neue  Beiträge  zur  Gescliichte  Seimpps.  -293 

Irlangnng  ein  sonderliches  extraordinari  Mittel  furschiagen,  das 

leinen  Herrn  Collegis  ahn  ihrer  Bezahlung  nicht  soll  verhinder- 

ich  sevn.     Dofern  aber  in  unverhofftem  Fall,  dieses  nicht  solle 

hngehen,   stelle   ich    zu   E.    Excell.    Consideration,    oh   ich   aus 

[er  fürstl.  Renteammer  meine  gewisse  Bezahlung  haben  könne, 

Jso  daß  eß  hernach  der  Academi  ahn  ihrem  Deputat  abgekürtzt 

^erde.     Wollen  ihre  fürstl.  Gn.  dem  Oberforstm.  befehlen,  daß 

tr  mir  auff  den  Winter  12  Claffter  Holtz  gebe,  und  ein  par  stück 

Nildt   schieße,   hab    ihrer   fürstl.    Gn.    ich    dafür   unterthänig   zu 

lancken.    E.  Excell.  werden  sich  auch  erinnern,  was  bey  ihrem 

Vbzug  wegen  des  Wildts  gedacht.    Wann  ich  es  hal)en  könte,  wolt 

ich  nach  gehaltener  meiner  Disputation  die  Professores  einmahl 

ins  Avellin  bitten  und  auff  ihrer  fürstl.  Gn.  Gesundtheit  trincken. 

Damit  mir  der  Amanuensis  desto  williger  sey,  hoffe  ich  ihre 

fürstl.  Gn.  werden  ihm  eine  fürstl.  schrifftliche  promiß  thun,  daß 

sie  ihn,  wann  das  Werck  fertig  sey,  zu  einem  guten  ahnnehmlichen 

Pfardinst  befordern  wollen.     Es  ist  kein  gemeyn  ingenium,  wird 

einmahl  seine  Lücke  wohl  vertreten  können.    Will  ihn  NB.  dazu 

ahnführen,    daß  er  einmahl    bey   einem   solchen    ruhigen   fetten 

Pfarrdinst  eine  schöne  deutsche  Hessische  Chronic  schreibe. 

Ich  hab  auch  das  unterthänige  Vertrau  wen  zu  ihrer  fürstl. 

Gnaden,  sie  werden  sich  nicht  zu  wider  seyn  lassen,   mir  eine 

förstl.  Versicherung  zu  thun,  daß  ihre  fürstl.  Gn.  oder  dero  Suc- 

cessores  ahm  Regiment,  diese  Arbeit,  welche  mir  noch  manchen 

süßen   schlaff   brechen    wirdt,    undt    derentwegen    ich    fast    mein 

Studium  theologicum  in  etwas  zurücksetzen  muß,  genädig  gegen 

niich   oder    hinfuro    gegen    die    meinige    erinnern    wollen,    undt 

tollen  mich  oder  die  meinige  genießen  lassen,  nicht  allein  des 

f'leißes,  den  mein  Schwigervatter  D.  Helvicus  bey  der  Universität 

Gießen  ahngewendt,  sondern  auch  des   wohhneynens  dessen  ich 

niich  alhier  gebraucht  in  Widerauffbringung  des  Studii  llistorici 

^d  Oratorii,  welche  zu  Marpurg  fast  erloschen  waren. 

Endlich  stelle  E.  E.  ich  frey,  ob  sie  ein  fornmlam  juramenti, 
welches  ich  und  der  Amanuensis  ablegen  sollen,  wollen  abfassen 
fassen,  und  mir  es  zuschicken,  damit  ich  mich  darin  ersehen 
könne.  Biß  nechst  hiervon  mehr,  befehl  E.  Excell.  in  Gotles 
Stareken  Schutz,  und  wünsch  ihr  eine  glückliche  Bronnen  Cur. 
Marpurg  in  höchster  Eyl  am   17.  Jun.   1G41. 

VI. 
Memorial   Schupps,   Juni    1641. 

(Darmstadt,  Staatsarchiv,  IV,  1,  8.) 
Memorial. 
1.  Von  ihrer  fürstl.  Gn.  Herrn  Landgraf  Georgen  1.  educa- 
^*on,  2.  Reyse;  bey  dem  von  Grünroth. 

Item  ob  Ehrnged.  von  Grünrod  nichts  annotirt,  was  in  einem 
^«r  dem  andern  furgangen,  auff  dem  Beylager  in  Sachsen,  undt 
^®r  Heymführung  zu  Marpurg. 

.       2.  Daß  ein  fürstl.   Rescript  ahn  die  Academi  geschehe,  daß 
'^"  lesen  möge,  wann  ich  kann.    2.  Daß  mir  das  fürstl.  Rescript 


294  Wilhelm  Diehl. 

möge  zugeschickt  werden  wegen  versprochener  genädiger  Re- 
muneration, wann  das  Werck  glücklich  verfertiget.  3.  Ob  ich  ein 
Ahnweysung  auff  die  versprochene  12  Claffter  Holtz  haben  könne. 
NB.    Wild.  4.   formula  juramenti. 

3.  Daß  dem  Amanuensi  ein  formula  juramenti  furgeschrieben 
werde,  damit  ich  ihm  sicherlich  eins  undt  anders  abzuschreiben, 
undt  zu  excerpiren  ahnvertrauwen  dörjffe.    2.  Daß  ihm  das  fürstl. 
Rescript   zukommen   möge,   darin   ihre   fürstl.   Gn.    ihm   gg.  ver- 
sprechen, nach  Verfertigung  des  Wercks  ihn  zu  befordern,  undt 
jährlich   eine  Discretion   zu   geben  pro  labore.    3.    Weil  er  viel 
damit  zu  thun  haben  undt  tag  undt  nacht  arbeiten  wird  müssen, 
ob  er  nicht  ein  Ahnw^eisung  auff  4  Claffter  Holtz  haben  könne? 
Im  übrigen  will  ich  ihn  versorgen. 

4.  Ob  ich  nicht,  wann  mir  andere  Mittel  fehlen  solten, 
etwa  100  oder  150  Rthlr.  auß  dem  Geistlichen  Landtkasten,  in 
itziger  Meß  ahn  Abschlag  meiner  Besoldung  haben  könne?  Ich 
sag,  wann  mir  andere  Mittel,  darauf  ich  vertröstet  binn,  mangeln 
solten. 

5.  In  gg.  Recommendation  zu  behalten,  die  Sache  mit  dem 
Hauß.     E.  Excell.  sehen  hier  ein  Verzeichnüß  von  21  Heusem, 
darin  schlechte  Leuth  wohnen,  welchen  mann  gar  leichtlich  ein 
ander    Losament    schaffen    kann,    undt    ihre    Hern    Hoffmeister 
Streyffen  eingeben.     Ich  gedencke  ihrer  fürstl.  Gn.  so  treuwlich 
zu  dienen  alß  der  Herr  Hoffmeister,  hoffe  derowegen  ich  habe 
so   viel    Recht    zu    meines    Vattern    Gütern    alß   er.     Wann  der 
Herr  Hoffmeyster  sagen  wolt,  er  hab  in  diesen  vorgeschlagenen 
Heusern  nicht  Raum  genug,   wüste  ich  ihm  kein  bessern  Rath 
alß   daß  er   den    König   in   Spanien   umbs   Escurial   ahnspreche, 
darinn    hat   er    Palläst    genug.     Wie    mancher    großmütiger  vor- 
nehmer General  behilfft  sich  unter  einem  Bauwern  Tach?  Die 
Stallung    hat    mein    Vatter   selbst    vonnöthen   und    hat   nicht  so    ; 
viel  Platz,  darinn  er  ein  Handvoll  Grommet  legen  kann.    Ich  ge-    | 
schweyge,   wie  gefährlich  der  Schornstein  seye,  undt  deswegen    j 
zu  besorgen  sey,  es  möge  das  Gesindt  in  Abwesen  eines  Hauß-    i 
hern  der  gantzen  Statt  ein  Unglück  auff  den  Hals  ziehen.  \ 

6.  Wegen  der  fürstl.  jungen  Herrschafft,  ob  ich  den  bewusten 
Grafen   antworten  solle? 

Beilage: 
(Verzeichnis  von  Gießener  Häusern.) 

1.  Doctor  Otterains   Erben   Hauß,   so   des   Obristleutnamp*^ 
W.  bewohn tt. 

2.  Juncker  Schwalbachs  Hauß,  darinnen  Hermann  Rüdig^^^ 
wohnett. 

3.  M.  Bachmans  Hauß,  darinnen  der  Organist  w^ohnett. 

4.  Hanß  Jacob  Försters  Hauß,  so  Volpert  Daniell  Schen^^ 
zuvor  ingehabt,   auch   Secretarius   Barda(?)   bewohnett  hatt 

5.  Balthasar  Königs  Hauß,  darinnen  ein  Kutscher  wohne'  '^ 

6.  Jost   Junghauß   Hauß,   wohnett  ein  Trompeter. 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupp?.  295 

7.  Caspar  Barthen  Hauß,  darinnen  M.  Jacob  der  Schneider 
wohnett. 

8.  Des  Wirth  zum  Hirsch  Hauß  über  der  Lindenbach. 

9.  10.  Zwei  Häuser,  davon  eines  Conratt  der  Trompeter  be- 
wohnett,  das  ander  halt  Her  Jacob  Fabritius  der  Cammerdiener 
bewohne  tt. 

11.  Herr  Märten  Stephani  Hauß  von  Gleybergk. 

12.  D.  Kropsan  Hauß. 

13.  Capithän  Ortten  Hauß. 

14.  D.    Samuels    Hauß,    darinnen    Haupttman    Scheuerman 
wohnett. 

15.  Das  Schohlhauß,  darinnen  ein  Musicant  wohnett. 

16.  Hanß  Henrich  Graulags  Hauß,  so  lödig  stehett. 

17.  Cloß  Röderß  Hauß,  darinnen  M.  Herman  der  Balbirer 
wohnett. 

18.  Das  kalte  Loch,  darinnen  Caspar  Kirchnerß  VV.  wohnett, 
zuvor  Juncker  Kollenbach  undt  Ehr  D.  Winckelnian  S.  Superin- 
lendens,  hatten  dieses  Hauß  bewohnett. 

19.  Ludwig  Reitzen  Hauß,  darinnen  der  Sattelknechtt  oder 
Marstaller  wohnett. 

20.  Henrich  Loni  Hauß,  welches  der  Herr  Erbschenk  dabevor 
innengehapt. 

21.  Hans  Schencken  Hauß,  darinnen  M.  ChristoflFel  der 
Schneider  gewohntt.  Welches  zuvor  Peter  Junghen  bewohnett, 
auch  seine  Pferdt,  Kühe  undt  Schwein  darinnen  gestallt,  hat 
4  wo  nicht  fünf  Stuben. 

VII. 
Memorial  Schupps,  September  1641. 

(Darmstadt,  Staatsarchiv,  IV,  1,  8,) 
^  Memoriale. 

1  1.  Ahn  Herrn  Cantzlar  Fabricium  hab  ich  wegen  des  operis 

[      felorici  geschrieben,  auch  den   1.   Sept.  mündlich   geredet,  bitte 
\      ^instl.,  mein  hochgeehrter  Herr  wolle  ahn  seinem  vornehmen  Ort 
<^ahin  cooperiren,  daß  Resolution  erfolge. 

2.  Ich  hab  damahls  ahngehalten,  daß  mir  mögen  12  Clafter 

"oltz  ahngewiesen  werden,   undt   dann   daß   ich    meine  bey   der 

JJAiversität  stehende  Besoldung  empfangen  möge.    Welches  hochg. 

"^rr  Cantzlar  mir  auch  2.  Jul.  schrifftlich  versprochen.    Ob  ich 

'^'in  eine  würckliche  Ahnweysung  bekommen  könne? 

3.  Weil  der  Amanuensis  das  juramentum  taciturnitatis  prae- 
^^iren  soll,  wird  sichs  nicht  wohl  schicken,  daß  er  bey  Studenten 
^ohne.  Welche  ihm  in  die  Charte  gucken,  also  stell  zu  meines 
^hochgeehrten  Herrn  judicio,  ob  Ihrer  fürstl.  Gn.  unterthänig  vor- 
zubringen sey,  daß  ihm  zu  erwärmung  eines  eygenen  losaments, 
^^Iches  ich  ihm  eingegeben  hab,  mögen  4  Claffter  Holtz  ahnge- 
^'*csen  werden? 

4.  Zu  Beförderung  der  Sachen  hab  ich  den  Amanuensem 
^^  Disch  genommen,  undt  versprochen  sonsten  nach  NothurfiPt 
•'^n  zu  accommodiren,  damit  er  mir  gleichsam  ein  Registratur  in 


2%  Wilhelm  Diehl. 

den  actis  halte,  undt  mir  nicht  allein  eines  undt  anders  zu  seiner 
Zeit  auffzusuchen  wisse,  sondern  auch  Achtung  habe,  daß  nichts 
verlohren  werde.  Nun  kann  mein  hochgeehrter  Herr  leichtlich  er- 
achten, daß  mir  dieses  schwer  falle.  Bitte  also  dinstl.,  er  wolle 
mir  seinen  Hath  mittheilen,  ob  ich  ihn  bey  Zeyten  dimittiren  solle 
undt  sein  Glück  lassen  anderswo  suchen,  weil  die  würckliche  Ahri- 
ordnung  wegen  seines  Unterhalts  etwas  lang  außen  bleibt,  davon 
in  beyliegender  Copia  N.  2  ist  gedacht  worden. 

4.  Ob  Ihre  fürstl.  Gn.  das  juramentum  tacitumitatis  von 
mir  undt  dem  Amanuensi  wollen  abnehmen  lassen,  damit  desto 
sicherer  unß  ein  oder  ander  Document  könne  ahnvertrauwet 
werden?  Ob  etwan  wie  ich  längst  gebeten  ein  formula  juramenli 
auffzusetzen  sey,  daß  ich  mich  zuvor  darinn  ersehe? 

5.  Ob  dem  Amanuensi  das  fürstl.  Genadenschreiben,  davon 
in  dieser  Copia  N.  2  §  1  gedacht,  könne  eyngehändiget  werden, 
damit  er  mir  zu  aller  Arbeit  desto  williger  sey? 

6.  Ob  mir  das  fürstl.  Rescript,  davon  in  dieser  Copia  N.  1, 
§  3  gedacht,  könne  zukommen?    Es  möchte  etwa  kommen,  daß 
Ihre  fürstl.  Gn.  ich  wann  das  Werck  glücklich  absolvirt,  in  Unter- 
thäiiiijkiMl  umb  ein  genad  ersuchete,  welche  vielleicht  ihrer  fürstl- 
Gn.  Renteammer  nicht  würde  schädlich  fallen. 

7.  Wie  eß  mit  der  Edition  des  Buchß  solle  gehalten  werden'^ 

8.  Was  ich  gemacht  habe,  will  ich  alle  Monat  oder  alle  Vir- 
theil  Jahr  nach  Hoff  schicken.  Kann  wöchentlich  über  ein  Boge^ 
nicht  machen.  Hoffe  aber,  es  solle  so  gemacht  werden,  daß  es 
sich  mehr  durch  seine  Qualität  alß  Quantität  commendire. 

9.  Ob  (las  Schreiben  ahn  die  Academi  abgehen  könne,  daÖ 
ich  Macht  habe  zu  lesen,  wann  mir  möglich.  Davon  in  Copi* 
N.  1  zu  sehen  §  4.  Ich  hab  schon  solche  Ahnordnung  gemachte 
daß  so  viel  Privat  collegia  oratoria  werden  gehalten  werden,  da^ 
niemand  über  Mangel  der  Information  klagen  wird.  Ich  werd^ 
auch  nicht  vergessen,  durch  actus  publicos  jehandts  die  Jugea<i 
zu  excitiren. 

10.  Weyll  ihre  fürstl.  Gn.  Herr  L.  Philips  ihre  Instniraent 
der  Academi  vollcnd  verehrt,  wie  es  mit  dero  Abholung  solle  ge- 
halten  werden? 

11.  ^'^o  mann  ein  Platz  nehmen  solle,  da  die  Instrumenta 
hinzustellen  seyen  ? 

12.  Weyl  Johann  Witte  Riga  Livonus,  unahngesehen  daß  er 
ihrer  fürstl.  (in.   Paß  gehabt  auch  ein  offenes  testimonium  von 
der  Universität   furgezeygt,   dennoch  vom  Keyserl.  Commendaot 
zu  Hermanslein,  Freyherrn  von  Metternich  ahngehalten  worden. 
undt  ihm  nach  Erlegimg  einer  Rantzion  seine  Bücher  auffgehallen 
werden,  alß  hat  er  deswegen  ahn  ihre  fürstl.  Gn.  supplicirt  0^ 
es  nun  nicht  ein  Mittel  sey,  damit  dem  guten  Kerle  geholffen  werd**' 
daß  ahn  Ihre  fürstl.  Gn.  von  der  Academi  geschrieben  würde  und^ 
es  'hernach  ihre  fürstl.  Gn.  einschließen  undt  ahn  den  von  Mette*"' 
nich  begehrten,  daß  er  der  Universität  Suchen  möge  statt  gebeO' 
undt  g.  Witten  die  Bücher  folgen  lassen.    Oder  ob  es  ahn  Herr** 
Cantzlar   Schützen  könne   geschrieben   werden,   daß  er  es  et^'^ 


Neue  Beiträge  zur  Gescliichte  Schupps.  297 

ahm  Keyserl.  Hoff  suchte!  Es '  periclitirt  ihrer  fürstl.  Gn.  Re- 
putation, indem  der  Paß  nicht  besser  in  Acht  genommen,  undt 
die  Academi  ist  schuldig  sich  des  Kerles  in  diesem  unverdienten 
Fall  aihnzunehmen. 

VIII. 
Schreiben  von  Schuppius  an  Philipp  Ludwig  Fabricius 

vom  27.  September  1641. 

(Dannstadt,  Staatsarchiv,  IV,  1,  8.) 

E.  Excell.  wollen  mir  großg.  verzeyhen,  daß  ich  nochmahlige 
Erinnerung  thue  wegen  des  operis  historici.  Ich  hab  zwey  slu- 
diosos  dahin  disponiret,  daß  sie  collegia  oratoria  undt  historica 
halten  wollen.  Der  eine  ist  ein  Silesius,  nahmens  Daniel 
Richter,  der  ander  ein  Westphalus  mit  nahmen  Henr.  Delius, 
seindt  2  alte  Cärles.  Hab  ihnen  zu  dem  Ende  etzliche  arcana 
communicirt,  mit  welchen  ich  sonst  noch  ein  Weyl  zurück  ge- 
halten hette.  Undt  weyl  sie  unterschiedene  Materien  tractiren 
werden,  hoffe  ich,  es  soll  eine  Aemulation  zwischen  ihnen  er- 
wachsen, daß  einer  den  andern  zum  Fleyß  ahnfrische  undt  also 
die  Studirende  Jugendt  in  diesem  Paß  keineswegs  verseumbt 
werde.  Fürs  ander  hab  ich  Hern  Merian  seine  historische  arbeyt 
anffgekündiget,  damit  ich  zu  diesem  Werck  desto  mehr  Zeyt  undt 
Ruhe  haben  könne.  Undt  hab  hiemit  einen  grosen  Zorn  undt 
Saiiersehens  verdient.  Fürs  dritte  hab  ich  den  Amanuensem  zu 
Jwr  ins  Haus  und  ahn  meynen  Disch  genommen,  undt  bitte  dem- 
nach E.  Excell.  zum  dinstlichsten,  sie  wollen  ihren  hochwichtigen 
Schafften,  soviel  abbrechen,  undt  etwa  den  Herrn  Consiliariis, 
welche  itzo  der  Universitätsrechnung  beywohnen,  committiren,  daß 
sie  das  juramentum  taciturnitatis  von  mir  und  meinem  Amanuensi 
ahnnehmen  undt  etwa  sonst  mit  mir  reden,  was  ihre  fürstl.  Gn. 
in  diesem  Fall  wollen  von  mir  gehalten  haben.  II.  Daß  mir  die 
Acta,  alsobalt  gelieffert  werden,  damit  ich  alsobalt  horis  successivis 
darauß  excerpire,  was  zu  meiner  intention  dienlich  undt  also 
^öi  wenigsten  mache,  daß  mir  der  Amanuensis  nicht  müßig  da 
ßehe.  III.  Daß  der  Academi  ahngedeutet  werde,  daß  ich  lesen 
|nöge,  wann  ich  kann.  Ich  werde  doch  nicht  feyren,  sondern 
jehands  ein  actum  publicum  ahnstellen  undt  sehen,  daß  ich  die 
Studiosos  bei  gutem  contentement  erhalte.  IV.  Daß  mir  das  fürstl. 
^nadenschreyben  eingehändiget  werde,  daß  Ihre  fürstl.  Gn.  die 
Arbeit  wann  sie  fertig  ist,  genädig  erkeimen  wollen.  Ich  will  mit 
Lottes  genädiger  Hülff,  all  mein  euserstes  Vermögen  darin  un- 
Respart  lassen.  E.  Excell.  werden  sich  großg.  erinnern,  daß  im 
Rahmen  unsers  Gn.  Fürsten  undt  Herrn  sie  mir  den  2.  Jul.  schrifft- 
lich  versprochen,  daß  ich  meine  Besoldung  richtig  bekommen 
*?Ü€.  Also  stelle  zu  E.  Excell.  großg.  Belieben,  ob  sie  mir  ferner 
•ue  grose  Gunst  undt  Beförderung  thun  wollen,  undt  machen,  daß 
^  Herrn  Commissarii  etwa  auff  Mittel  gedencken,  und  mit  mir 
J"^en,  wie  ich  meinen  geringen  Ausstand  ahn  Gelt  und  Frucht 
^kommen  könne.  Wie  ich  hinfuro  könne  alle  Meß  bezahlt  werden, 
"^^u  hoffe  ich  Mittel  zu  erfinden,  welche  weder  ihrer  fürstl.  Gn. 


:298  Wilhelm  Diehl. 

beschwerlich,  oder  eynem  andern  Professor!  ahn  seyner  Zahlung 
verhinderlich  seyn  sollen.    Unter  andern  Mitteln  ist  auch  dieses. 
Es  ist  ein  Ehrlicher  Mann,  welchen  ich  dahin  disponirt,  daß  er 
ein  Stipendium  stifften  will,  daß  allezeit  ein  Studiosus  zu  Mar- 
purg  desselben  genießen  undt  ihrer  fürstl.  Gn.  sich  verobligireii 
soll,  daß  er  sich  auff  das  Studium  eloquentiae  begeben  undt  dahin 
sehen  wolle,  daß  er  es  in  Theologia  appliciren  undt  einen  guten 
Prediger  geben  könne.    Welches  itzo  fast  rarae  aves  sindt.   Wann 
nun  dieser  ehrliche  Mann  von  der  Academi  dieses  Capitals  halben, 
so  er  dazu  vermachen  wirdt,  auff  ein  gewiß  Unterpfand,  genug- 
sam könt  versichert  werden,  also  daß  die  Academi  dieses  Stipen- 
dium davon  richtig  bezahlen  wolte,  könte  mann  dieses  Capital 
nehmen,  undt  nicht  allein  mich  sondern  auch  sonst  noch  einen 
Mann   davon  ein   Jahr   oder  etzlich  contentiren.    Im  Fall  diese 
oder  dergleichen  Mittel  etwa  falliren  solten,  hoffe  ich,  E.  Exceil. 
werden  ihrem  gg.  Versprechen  nach,  mir  Beförderung  thun.  daß 
mir  meine  Besoldung  alle  Meß  auß  fürstl.  Rentcanimer  gegeben, 
undt  der  Academi  ahn  ihrem  Deputat  abgekürtzt  werde.    Es  ist 
ein  geringes,  wirdt  der  fürstl.   Renteammer  wenig  schaden,  ich 
aber  kann  es  ohne  höchste  Beschwerung  undt  Verhinderung  ahn 
meinem  scopo  nicht  entrathen.    E.  Excell.  werden  sich  erinnern, 
daß  derselben  ich   ohnlängst  zu   verstehen  geben,   daß  ich  viel 
auff  frembden  Academien   auff  meine   Studia  und   Conversation 
gelahrter  Leuth  gewendet  und  dannenhero  ein  hundert  Thaler  oder 
etzlich   schuldig  blieben.    Wann   ich  nun  dazu   ohne  Besoldung; 
leben  solle,  würde  mir  manche  arbeyt  gar  widerwertig  gemacht 
werden.  Mann  würdt  es  leichtlich  in  diesem  opere  spüren  können, 
wann  ich  liberi  et  praesentis  animi  gewesen  sey.   E.  Excell.  ver- 
sichern sich,  werde  ich  ein  wenig  contentirt,  ich  will  das  Werck 
mit  Gottes  Hülff  so  freuwdig  und  eyfferig  ahngreiffen,  daß  das 
gantze  fürstl.  Haus  Hessen  bey  der  Posterität  Reputation  davon 
haben   soll.    VI.   Verhoffe   auch,   E.   Excell.   werden  ahnordnung 
machen,  daß  der  Amanuensis  das  versprochene  fürstl.   Rescript 
bekomme,  daß  ihre  fürstl.  Gn.  ihn  nach  vollendeter  Arbeyt,  auJ 
seyn  unterthänig  ahnsuchen  ihn  für  andern  gn.  befordern  wollen, 
wozu  er  qualificirt.    Versicher  E.   Excell.,  daß  es  kein  gemeyi^ 
Ingenium  sey,  und  seine  Stell   wohl  einmahl   werde  mit  Ruhn» 
zu  orniren  wissen.   E.  Excell.  werden  auch  etwa  eingedenck  seyn» 
wie  er  sonsten  soll  accommodirt  werden.    Undt  weil  mehr  mi^ 
diesem  W^erck  es  zu  thun  geben  wirdt,  alß  mancher  meynt,  undt 
aber  der  Amanuensis  sehr  fleißig  ist,  und  des  Nachts  wird  wiede^ 
einbringen  wollen,  was  er  des  Tags  in  seinen  privat-Studiis  vef' 
seumbt,  alß  bitt  E.  Excell.  ich  dinstl.,  sie  wollen  für  allen  Dinget 
dahin    gg.    cooperiren,    daß    ihm    zu   Erwärmung   seiner  Stube ^ 
mögen  4  Claffter  Holtz  assignirt  werden.    Ich  wolte  wohl  miltf^]^ 
linden,  daß  ihm  ein  ander  das  Holtz  bezahlt.    Weil  er  aber  i 
Sache    so   er   abzuschreiben    hat,    niemand    darff    sehen   lasse 
muß  er  ein  eygne  Stub  haben,  undt  allein  wohnen.     Daß  Ubri 
sey  zu  ihrer  fürstl.  Gn.  genädigen  Disposition  gestellet,  ob  sie 
seyner  Alimentirun^  etwas  w^eyters  verordnen  wollen  oder  nie 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  299 

II.  E.  Excell.  werden  sich  auch  gg.  entsinnen,  daß  sie  den  2.  Jul. 
iiß  Gießen  berichtet,  daß  Unser  Gnädiger  Fürst  und  Herr  dem 
erm  Oberforstm.  Rauwen  genädig  befehlen  wollen,  daß  er  mir 
ieses  Jahr  12  Claffter  Holtz,  2  stück  Wildt  undt  1  Sauw  lieffern 
3lle.  Nachdem  nun  der  Winter  für  der  Thür  ist,  alß  stelle 
.  Excell.  ich  ahnheimb,  ob  sie  mir  Beförderung  thun  wollen, 
aß  ich  des  Holtz  halben  eine  Ahnweygung  bekommen  könne. 
1  unverhofftem  wiedrigen  Fall  müste  ich  mich  bey  Zeyten  ander- 
rerls  versehen,  ehe  etwa,  welches  Gott  gg.  verhüte,  des  Krigs 
olcks  halben  die  Wald  unsicher  werden  wolten.  E.  Excell. 
Aachen,  daß  zugleich  im  Befelch  ahn  H.  Oberforstm.  des  Wildts 
;edacht  würde,  dörffte  E.  Excell.  ich  hinfuro  nicht  etwa  weiter 
larumb  bemühen,  undt  würde  veruhrsacht  gegen  E.  Excell.  danck- 
öar  zu  seyn.  Wie  ich  dann  ohne  das  durch  vielfaltige  Guththaten 
von  E.  Excell.  so  hart  verobligirt  binn,  daß  ich  nicht  weyß,  wie 
ich  meiner  Schuldigkeit  genug  thun  könne. 

E.  Excell.  verzeyhen  mir,  daß  dieselbe  ich  dieser  Sachen 
halben  so  weitleufftig  importunire.  Ich  hab  die  betrübte  Weyß 
ahn  mir,  daß  wan  ich  meine  Gedancken  cum  impetu  auff  ein  Werck 
geschlagen  hab,  undt  werde  daran  verhindert  undt  laß  gemacht, 
so  werde  ich  hernach  des  Dings  gantz  überdrüssig  undt  binn 
hernach  gar  schwerlich  dran  zu  bringen,  Drumb  bitte  ich  dinstl. 
E.  Excell.  wollen  machen,  daß  ich  in  jetzigem  calore  erhalten 
werde.  Ich  hoffe  wann  ich  drüber  komme,  ich  wolle  halt  mit 
^ttes  Hülff  viel  gemacht  haben.  Ich  hab  mir  fürgenommen,  wann 
<Üe  Rechnung  undt  mein  Promotionwesen  furüber  ist,  ich  wolle 
einmahl  ein  par  Monat  nicht  für  die  Thür  gehen,  und  3  Tag  in 
<ler  Woche  unice  in  Theologia  studiren,  die  übrige  Tag  aber  unice 
auff  diese  Arbeit  wenden.  Im  Fall  Ihre  fürstl.  Gn.  etwa  ihre  He- 
solntion  geendert  betten,  undt  das  Werck  wolten  ahnstehen  lassen, 
were  ich  auch  in  Unterthänigkeit  wohlzufrieden  undt  wüste  meine 
Zeit  genugsam  ahnzuwenden.  Ich  habe  jüngst  ahn  Ihre  HochE. 
St.  Herrn  Praesidenten  Plessen  geschrieben,  hoffe  nicht,  daß  Ihre 
HochE.  St.  mir  meinen  gebrauchten  Furwitz  werden  für  übel 
hallen.  Im  Fall  aber  seyne  HochE.  St.  eynige  üisplicentz  daran 
geschöpfft,  bitt  ich  E.  E.  wollen  ihrer  preyßwürdigen  Gewohn- 
heit nach  mich  bestermahsen  exculpiren.  E.  Excell.  befehl  ich 
<^amit  neben  ihren  lieben  Ahngehörigen  in  Gottes  Bewahrung  undt 
Weibe  so  lang  ich  lebe. 

E.  Excell. 
gantz  ergebener  treuwer  Diener. 

Marpurg  in  Eyl  am  27.  Sept.   1641. 

IX. 

Schreiben  von  Schuppius  an  den  Landgrafen  Georg  II. 

vom  4.  Dezember  1641. 

(Darmstadt,  Slaatsarchiv,  IV,  1,  8.) 

Was  E.  fürstl.  Gn.  wegen  Ubernehmung  des  operis  Historici 
genädig  befohlen,  undt  deswegen  sich  ferner  fürstlich  resol- 


300  Wilhelm  Diehl. 

virt,  hab  ich  mit  unterthäniger  Reverentz  vernommen,  untlt  nicht 
allein  neben  meinem  dazu  benötigten  Amanuensi  das  juramentuin 
taciturnitatis  in  Gegenwart  E.  fürstl.  Gnaden  Raths  und  Pro- 
fessoris  D.  Tülsneri  abgelegt  sondern  auch  im  Namen  Gottes 
ein  würcklichen  Ahnfang  zu  der  Arbeyt  gemacht. 

E.  fürstl.  Gn.  versichern  sich,  daß  sie  durch  ihre  nicht  allein 
auß    selbigem   schreyben   sondern   auch   andern    fürstlichen  Be- 
zeygungen  verspürte  Clementz  mein  gantz  Gemüth  dergestalt  ver- 
knüpfft   undt  verbunden   haben,   daß   ich   solang   ein   lebendiger 
Athem   in  mir  bleiben   wirdt,   gantz  begierig  undt  eyferig  seyn 
werde,  alles  zu  thun  und  zu  leysten,  was  in  meinen  eusersteu 
Kräfften  und  Vermögen  ist,  und  was  nur  immer  ein  treuwer  auf- 
richtiger Patriot  seinem  so  gütigen  Landtsfürsten  undt  Herrn  in 
unterthänigem   Gehorsam  leysten  kann   oder   soll.    Ich   hab  offt 
beklagt,  daß  E.  fürstl.  Gnaden  hocherleuchten  von  Gott  reichlich 
gesegneten  Verstandt  undt  andere  heroische  fürstliche  Quahtäten 
andere  Leuth  mir  nicht  allein  alhier  sondern  auch  hiebevor  in 
frembden  Landen,  so  vielfaltig  gerühmt,  undt  ich   niemalß  das 
Glück  gehabt  habe,  E.  fürstl.  Gnaden  fast  recht  zu  sehen  oder 
dero  fürstliche  hochweyse  Discurs  selbst  ahnzuhören.    Undt  wie- 
wohl   ich   zu    diesem    schweren    VV'erck   E.    fürstl.   Gnaden  voll- 
kommene Tugenden  zu  beschreiben  ich  mich  gantz  ungeschickt 
undt  viel  zu  gering  befinde,  so  will  ich  doch  nechst  fleißiger  Ahn- 
ruffung  der  Göttlichen  Allmacht  mich  Tag  und  Nacht  dahin  be- 
arbeyten,  daß  E.  fürstl.  Gnaden  undt  die  Posterität  auß  diesem 
opusculo    sehen,    daß    ich    Fleyß,    Vermögen    undt    unterthänige 
Affection  hab  ungespart  gelassen.   Hoffe  E.  fürstl.  Gnaden  werden 
ihrer  offt  hochgerühmten  Gütigkey t  nach  mir  mein  Unvermögen 
bis  zu  besserer  Übung  geuädig  zu  guth  halten. 

Ich  ruffe  Gott  den  allerhöchsten  in  warer  Ahndacht  meine> 
Hertzens  demütig  an,  und  bitte  er  wolle  E.  fürstJ.  Gnaden  noch 
viel  erstreckte  Jahr  in  gesundem  Auffwesen  undt  florirendem  fürst 
liebem    Wohlstandt  erhalten,    damit   sie   als   ein   exemplarischer 
dapfferer   weyser   Regent   nicht   allein   unser   Hebes    Vatterlan^t. 
sondern  auch  die   übrige   gantze   hochedle  deutsche   Nation  niil 
vielen   hochweysen,   friedfertigen   Rathschlägen  undt  glücklichen 
successen  erfreu  wen,  undt  meiner  mehr  willigen  alß  vermögendem^ 
Feder    eine    Occasion    über    die    ander    suppeditiren,    E.    FürsÜ- 
(inaden  unsterbliches  Lob   gleichsam   wie  in  einem  Spiegel  der 
Posterität  zu  zeygen,  damit  also  E.  fürstl.  Gn.  ihrer  beyvvohnenden 
hohen  unvergleichlichen  Qualitäten  hochverdienten  Lob  bey  den 
Tugentliebonden    Nachkommen    empfinden,    undt    dieselbige  ein 
Exempel  eines  tugentreichen  Regenten,  von  E.  fürstl.  Gn.  nehmen 
können.    Derselbe  getreuwe   Gott   wolle   auch  E.   fürstl.  Gnaden 
fürstliche   Gemahlin   undt   junge   Herrschafft   mit   langem   Leben 
sättigen,  undt  auß  einer  fürstlichen  Glückseligkeit  in  die  ander 
führen.    Mit  welchem  christlichen  Wunsch  ich  alles   beschließe, 
undt  E.  fürstl.  (inaden  genädigen  undt  l>eharrlichen  Affection  mich 
in   Unterthänigkeit   ferner   recommendire. 

Geben  Marpurg  am  4.  Decembr.  1641. 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  301 

X. 

Ichreiben  von  Schuppius  an  Philipp  Ludwig  Fabricius 
vom    16.   Januar    1643   nebst   poetischen    Beilagen. 

(Darmstadt,  Ministerium,  Rektoratswahlen.) 

E.  Excell.  sende  ich  hierbey  etzliche  carmina  fast  von  den 
ngsten,  welche  Herrn  Landgraf  Ludwigen  zu  ehren  von  den 
diosis  gemacht,  undt  bey  seiner  fürstl.  Gn.  ankunfft  haben  ahn 

Kirche  sollen  geschlagen  werden.  Andere  schöne  Eccho, 
ier.  Sonnet,  Hirten  undt  Musen  Gespräch,  undt  dergleichen 
ireiche  poetische  Inventiones,  deren  allzeit  noch  15  Stück  ' 
11,  so  theilß  noch  nicht  gantz  außgearbeitet,  theilß  noch  nicht 
Bschrieben,  werde  ich  mit  nechstem  schicken.  Stelle  noch- 
[ß  zu  E.  Excell.  weyser  consideration,  ob  es  nicht  möglich  sey, 
1  einmahl  ein  geschrey  davon  spargirt,  daß  ihre  fürstl.  Gn. 
en  küniftigen  Sontag  herkommen.  Ahn  meinem  wenigen  Ort 
it  ich  nacht  und  tag  nachsinnen,  daß  Ihre  fürstl.  Gn.  in  diesem 
cio  gleichsam  ein  fundamentum  famae  publicae  legten,  undt 
le  nutz  und  frucht  in  Ihren  studiis  nicht  abginge.  Ist  noch 
e  spes  dazu  übrig,  so  möchte  ich  wünschen,  daß  es  durch 
en  eygnen  hotten  auf  Darmstatt  geschrieben  würde,  ich  wolt 
i  hotten  gern  bezahlen.  Daß  Ihre  fürstl.  Gnaden  in  absentia 
tirt  werden,  ist  furwar  ihre  fürstl.  Gn.  nicht  reputirlich  proptei* 
las  causas,  quas  praesenti  praesens  exponam.  E.  Excell.  ver- 
fhen  mir,  daß  deroselben  ich  so  libere  beichte.  Sie  schließen 
raus  meine  dinstliche  affection,  welche  E.  Excell.  so  vielfaltige 
leficien  in  mir  erweckt  und  macht,  daß  ich;  biß  in  mein  grab 
ch  obligirt  erkenne,  beharrlich  zu  seyn 

E.  Excell. 
gantz  ergebener  treuwer  Diener. 

Raptim  in  Marpurg  16.  Jan.  1643. 

a.  Entschuldigung  der  auf^eschwelleten  Lahn. 

1.  Zürnet  nicht,  zürnet  nicht  über  das  Schwellen, 
Edelster  Prinz,  so  ich  neulich  gemacht. 

Warlich  ohn  meine  Schuldt  haben  die  Wellen 

Hessenlandt  in  so  groß  Schaden  gebracht. 

Ich  bin  sonst  vol  Gütte, 

Undt  jage  das  Leidt 

Von  aller  Gremütte, 

Die  sich  bey  mir  zu  erquicken   bereit. 

2.  Alle  die  Berge,  so  immer  gefunden 
Umb  diese  Gegendt,  die  hatten  zue  Häuf, 
Nur  bloß  aus  Rachgir  sich  hefftig  verbunden 
Mir  durch  viel.  Wasser  zue  hemmen  den  Lauf, 
Weil  ich  so  vol  Gütte  etc. 

3.  Aber  ich  habe  nun  alle^  vertrieben. 
Was  mir  zuvor  so  verwirte  den  Sin, 
Fließe  nun  sänfter  nach  meinem  Belieben 
Wieder  durch  Gärte  und  Felder  dahin. 
Ich  bin  ja  vol  Gütte  etc. 


30t2  Wilhelm  Diehl. 

4.  Kommet  nur,  kommet  nur,  ich  will  mich  hütten, 
Schönester  Fürst,  daß  ich  bringe  kein  Schad 
Nicht  sobaldt  wiederumb  durch  überschütten, 
Weyll  es  viel  Seufzer  veruhrsachet  hat. 

Ich  bin  ja  vol  Gütte  etc. 

5.  Phoebus  der  wil  Euch  den  Scepter  vertrauen, 
Über  der  Musen  geadelte  Schaar, 

So  will  ich  alsdan  mit  Fleiße  beschawen, 
Wie  Euch  ich  mindre  des  Winters  Gefahr. 
Den  ich  bin  vol  Gütte  etc. 

6.  W"an  nun  der  Früling  wirdt  wieder  erscheinen, 
Sollen  die  Offer  in  Blütte  da  stehn, 

Weyl  ich  ohn  Fruchtbarkeyt  werde  bey  keinem 
Können   hinrauschen  mit  süßem  gethön. 
Ich  bin  ja  vol  Gütte  etc. 

7.  Alß  dan  soll  von  Euch  die  Tugendt  vermelden 
Unser  Herr  Schupp,  undt  selbieger  Ziehr 

Billich  vorziehen  viel  muthiegen  Helden, 
Unter  dem  schönen  gemürmel  alhir, 
Den  ich  bin  vol  Gütte  etc. 

8.  Kommet  nur,  kommet  nur,  ich  will  mich  hütten 
Schönester  Fürst,  daß  ich  bringe  kein  Schad 
Nicht  sobaldt  wiederumb  durch  überschütten, 
Weyll  es  viel  Seufzer  veruhrsachet  hat. 

Ich  bin  ja  vol  Gütte  etc. 

b.   Marpurgcr  Schäffer  W^üntsche. 

W'iewohl  die  Winterlufft  sich  hefftig  außgelassen, 

Jedennoch  mit  der  Herdt  auf  einem  Hügel  saßen 

Gantz  nah  bey  dem  Parnaß,  der  weise  Coridon 

Undt  alte  Titirus,  undt  redeten  darvon, 

Daß  großen  Schad  gcthan  mit  vielem  üebergießen 

Die  vormahls  kleine  Lahn.    Indem  kont  man  nicht  wissen  „ 

Was  vor  ein  schöner  Thon.  nicht  weit  darvon  geschact^  , 

Darumb  der  Titirus  in  solche  W^ort  entbrach. 

Titirus. 

Was  mag  dieses  wohl  bedeuten, 
Daß  dort  oben  ein  Geschrey? 
Man  siht,  daß  schon  diesen  Leuten 
Nunmehr  fast  vergessen  sey, 
Waß  das  W^1sser  umb  undt  an 
In  gantz  Hessen  hat  gethan. 

Coridon. 

Laß  sich  doch  die  Armen  frewen 
Wiederumb  nach  solchem  leidt. 
Denn  der  Himmel  zu  verleihen 
Ihnen  wollust  ist  bereit, 
Weill  der  Fürst  in  diesem  Landt 
Herr  der  Musen  ist  erkant. 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  r?03 

Titirus. 
Ey,  so  will  ich  daii  nicht  schweigen, 
Will   mein  Sackpfeif  lassen  gehn. 
Nimm  du  Coridon  dein  Geigen, 
Ich  will  besser  wohl  bestehn 
Alß  due,  undt  es  machen  recht 
Bistu  schon  ein  Musenlcnecht. 

Coridon. 

Nun  es  soll  mir  auch  behagen, 
Waß  wiltu  dan  setzen  auf? 
Ich  will  diesen  Stab  hir  wagen, 
Gib  ein  Schaf  due  aus  dem  Häuf, 
Wan  der  Sig  im  Singen  mein; 
So  kanstu  der  Erste  sein. 

Titirus. 
Wie  der  Lähnberg^  vielen  andern 
Gehet  in  der  Höhe  vor. 
Wie  due  wirst  umbsonst  durchwandern 
Diese  Gegent  bis  auf  Lohr 
Undt  nicht  finden  wohl  ein  Haus 
Dem  dis  Schloß  was  gebe  rauß; 
Wie  mein  Stab  vor  andern  allen 
Jungen  Mägdlein  wohl  gefeit; 
Also  muß  auch  wohl  gefallen 
Allen  Völckern  auf  der  Welt 
Dieser  Fürsten  hoher  Stamm 
Undt  so  weyt  berümbter  Nahm. 

Coridon. 
Wie  Parnassus  edle  Spitzen 
Alle  Berge  stechen  ab. 
Wie  die  Mauren,  so  beschützen 
Konten  vieler  Völcker   Hab 
Undt  das  Große  Babylon 
Andere  stißen  von  dem  Thron 
Wie  Apollo  Leyer  können 
Keiner  Sackpfeif  werden  gleich. 
Also   wirstu  dich   besinnen 
Gantz  vergebens  auf  ein  Reich, 
Da  ein  Stam,  den  dieser  nicht 
Weyt  an  Tugendt  übersticht. 

Titirus. 
Wie  ein  Böc-klein  vor  zuegchen 
Baldt  sich  schicket  vor  der  Herdt; 
Wie  zue  reiten  thut  l)estehen 
Alsobaldt  ein  statlich  Pferdt 
Also  thut  Herr  Ludwig  auch 
Wieder  aller  Jugendt  Brauch. 

•^prünglich:  Langenberg. 


304  Wilhelm  Diehl. 

Coridon. 
Wen  ein  Adler  kaum  bekühlet 
Schwingt  er  sich  schon  in  die  Höh* 
Wen  ein  Lew  die  Zähne  fühlet, 
Sucht  er  wo  er  Raub  erseh* 
Auch  der  Fürst  in  diesem  Landt 
Macht  sich  in  der  Blütt  bekandt. 

Titirus. 
Ey,  so  sollen  dan  die  Felder 
Ihm  zue  ehren  fruchtbar  sein, 
Alle  püsch'  undt  alle  Wälder 
Grünen,  wan  der  Sonnenschein 
Wieder   Hirt  undt   Herd   erfreuet 
Mitt  der  güldnen   Frülingszeyt. 

Coridon. 
Muthieges  Hessen  thue  nicht  vergessen  der  voriegen  Trew; 
Liebe  vermehre  und  stets  verehre,  Herr  Ludwig  aufs  New. 
Alles   gesinnen,  alles   beginnen  dis   fürstliche  Hertz 
W' irt  dahin  richten,  daß  es  mög  schlichten  den  traurigen  SchmerU, 
Den  von  viel  Jahren  due  nun  erfahren  durch  Krieges  Gewaldt 
Schädlicher  Leute,  die  wegen  Beute  in  Lieben  erkalt. 
Drumb  Ihn  auch  krönet  undt  itz  belehnet  der  Phoebus  mit  Macht 
über  die  Schaaren,  so  zue  vor  wahren  von  Musen  ver  wacht. 
W^en  dis  geführet  undt  sich  verliehret  bestimmete  Zeyt, 
Haben  viel  Kräntze,   fröliche  Täntze  die  Musen  bereit. 
Herr  Schupp  Euch  tragen  nach  dem  Behagen  des  Helicons  auf 
Allen  zue  singen  von  diesen  Dingen,  zue  ziehren  den  Lauf. 
Alles  bekleibet,  so  Ers  beschreibet  bey  ewiger  Welt, 
\Vas  nur  wirdt  können  weißlich  ersinnen  der  Edelste  Heldt. 

Was    wiltu    nun    hierzue    sagen? 

(lehn  dir  solche  Reim  auch  ab? 

Wirstu  es  nun  weyter  wagen 

So  bin  ich  ein  rechter  lap, 

(reit  due  kanst  itzundt  gar  Naut? 

Schem  dich  nur  in  deine  Haut. 
Der   Titirus   blutrot,    warf   seine   Sackpfeif  nieder, 
Sah  Coridon  schel  an,  verfluchte  alle  Lieder, 
Undt  gab  ein  Schaf,  undt  meint,  er  bette  sehr  geirrt, 
Daß  er  so  töricht  mit  dem  Mauskopf  sich  verwirl. 

c. 

0  wolte,  wolte  Gott,  ihr  bettet  ewre  Gaben, 

Die  in  der  Poesi  Opitz  und  andre  haben, 

0  Musae  mir  verehrt,  so  würde  diesesmahl 

Der  Printz,  der  Edle  Printz,  der  Hessen,  dem  die  Wahl 

Und  Würde  hat  gebracht,  daß  er  ein  Scepter  führet, 

Ein  Scepter,  wie  bekand,  daß  Königen  gebühret, 
Ein  würdig  Lobgedicht  in  Unterthenigkeit 
Empfangen.     Hier  gebrichts.     Doch  ist  der  Will   bereit 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  305 

ohlan  du  liebe  Leyr,  so  laß  ein  Thon  erklingen 
^r  schlechten  einfalt  nach,  laß  deine  Seyten  zwingen 
Von  unerfahmer  Hand,  und  sey  auff  Lob  bedacht 
Nach  bester  Möglichkeit,  nicht  wie  mans  sonsten  acht. 
n^,  weret  ihr,  o  Printz,  nicht  fürstlich  vom  Geblüthe 
iß  Königlich  doch  ist,  hett  gleichwohl  daß  gemüthe 

Zum  Fürsten  Euch  gemacht!     Ja  singe  auch,  daß  Bluth 
Wie  göttlich  es  auch  ist,  bey  euch  das  minste  thut. 
in  seyt  ihr  nit  ein  Bild  und.  Spiegel  aller  Tugendt 
m  Mutterbrüsten  ahn,  vom  ersten  Jahr  der  Jugendt? 
Hatt  nit  der  große  Sin  und  fewrige  Verstandt 
Auff  daß  waß  göttlich  ist,  von  Kindheit  sich  gewandt? 
rumb  hatt  der  große  Fürst,  von  dem  ihr  seyt  entsprossen 
)  bald  er  nur  vermerckt,  daß  Phöebus  hab  begossen 
Den  unvergleichten  Sin  mit  seiner  gaben  schaar 
Gantz  keine  müh  gespart,  dieweil  er  Vatter  war, 
am  Vatterland  zu  guth,  also  zu  unterbawen 
atß  die  Posterität  hieran  mög  Wunder  schawen. 
Diß  aber  hatt  gefehlt,  weil  Phoebus  nit  gewolt. 
Daß  sein  beliebter  Sohn   Regierer  werden  solt 
i  seinem  großen  Reich,  erst  nach  so  vielen  Jahren: 
ein,  sprach  er,  nit  also.     Jetzt  sollet  ihr  erfahren 
Sonst  unerhörte  Ding.    Dieweil  sichs  umgewand 
Daß  dießer  junge  Printz  den  Alten  ahm  Verstand 
nd  Künsten  kommet  gleich;  Soll  er  Gesetze  geben 
arnach  in  meinem  reich  all  Unterthanen  leben, 

In  seiner  Jugendtblüth :  dan  der  die  Cron  verdient 
Er  sey  jung  oder  alt,  der  wird  damit  gekrönt, 
lück  sey,  o  wehrter  Fürst,  bey  dießen  hohen  ehren 
ie  der  gelehrten  schaar  und  Phoebus  euch  gewehren: 
Die  Weyßheit  selber  nuhn  euch  ihren  Herren  nennt. 
Daß  ist  der  rechte  Lohn,  daran  man  Tugend  kent. 
5r  Macedonier  und  andre  Potentaten 
an  sie  umb  höchstes  Glück  die  alte  Götter  bathen. 
So  wünschten  Sie  allein,  daß  in  der  Weisen  Chor 
Und  Künsten  in  der  Welt,  sie  andern  kehmen  vor. 
^ß  habt  ihr,  Edler  Fürst,  mit  höchstem  rühm  erlanget. 
^d  noch  zum  Überfluß  ihr  mit  dem  Scepter  pranget 
Das  alle  Kunst  regiert;  dem  Scepter,  so  die  Welt 
Und  gute  Policey  in  ihren  Schrancken  helt. 
lück  zu,   o   Hessenlandt,   du    magst   dich   seelig   nennen^ 
aß  du  wirst  dermahleins  ein  solchen  Fürsten  kennen, 
Durch  dessen  hohen  Sin  und  mechtigen  Verstandt 
Wird   wohl  regieret  sein  daß   gantze   Vatterlandt. 
^ch  den  die  güldne  Zeit  und  Fried  wird  wiederkommen 
^a  über  zwantzig  Jahr  gantz   Teutschland  nit  vernommen 
Dan  wird  die  große  angst  und  Threnenflüß  verkehrt 
In  Frewdenzeichen  sein  und  waß  man  lang  l>egehrt 
lo  wird  daß  öde  Feld  und  umbgekehrte  Awen 
ersüngen  ihre  Frewd,  wan  jedes  sehn  wird  bavven 

Beltrigre  z.  Gesch.  d.  Unlversit&ten  MalDz  u.  Gießen.  20 


306  Wilhelm  Dielü. 

Das,  so  Pest,  Raub  und  Brand  in  Grund  verwüstet  hat 
Ja  lauter  Frewdigkeit  kombt  an  der  Threnen  stat. 
Wan  dan  ein  besser  Lied  von  den  gelehrten  Zungen 
Dir  wird,  o  thewrer  Printz,  zu  Ehren  sein  gesungen. 
So  soll  mein  alte  Leyr,  wan  gleich  auch  keiner  will, 
Von  deiner  Tugendt  Lob  doch  nimmer  schweigen  still. 

XL 

Schreibeil  von  Schuppius  an  Maximilian  zum  Jungei 

vom  7.  November  1643. 

(Darmstadt,  Staatsarchiv,  XII,  154.) 
Nechst  dem  von  E.  Hhg.  ich  abgeschieden,  hat  es  so  ' 
seltzame  änderunge  an  diesem  Ort  gegeben,  undt  last  sich  n 
ferner  so  seltzam  an,  daß  ich  undt  andere  gute  leuth  unser : 
selbst  vergessen.    Undt  ist  dieß  die  Uhrsach,  daß  E.  Hohg.  ich 
hero  nicht  ferner  zugeschrieben,  undt  mich  bedanckt  für  alle 
zeygte  hohe  Gunst  und  Beförderung,  welche  zu  verdienen  ich 
mein  Lebtag  will   hochlich  angelegen  seyn  lassen.     Undt  da 
E.  Hohg.  ich  ferner  Occasion  an  Hand  gebe,  mich  je  mehr 
mehr  zu  verknüpfen,  so  erinnere  dieselbe  ich  unterdinstlich, 
ich  jüngst  gedacht,   wie  meine  nothurfft  erfordere,  daß  ich 
Stück  Gelt  uff  meines  genädigen  Fürsten  undt  Hern  schrifftlic 
Consens  undt  sowohl  ihrer  fürstl.  Gnaden  alß  auch   meine 
thane  genügsame  Versicherung  aufnehme.    Hab  zu  dem  End  un 
dinstlich  gebeten  E.  E.  hochg.  wollen  mir  ferner  die  grose 
förderung   thun,  und  auß  gewissen  Uhrsachen  an  ihrem  ho 
Ort  durch  ihre  vielgeltende  Authorität  dahin  cooperiren,  daß 
Jud  im  Vogelgesang  könne  dazu  disponirt  werden,  alß  welcl 
der  mcynigeu  Zustand  bekant,  undt  der  auch  desto  kühner 
hochg.  ihrer  fürstl.  Gnaden  im  Widerfordem  seyn  undt  derowe 
mich  desto  eher  wider  auß  der  Obligation  bringen  könte,  in  ( 
er  mir  Anlaß   geben   würde,   auf  die   Zahlung  desto   besser 
tringen,  wann  er  mich  treiben  würde.    Wann  nun  dazu  Hofn 
vorhanden,  bitte  ich  unterdinstlich  E.  E.  hhgg.  wollen  durch  d 
praeceptorern  mich  mit  zweyen  Worten  berichten  lassen.    0 
durch  Zoygern  dieses  Herrn  Hans  Georgen  Neubauwern,  dem 
etwas  zu  thun  undt  darauf  vertröstet  habe.    E.  E.  Hhgg.  wöP 
mich   sehr  dadurch   obligiren,   undt  es  würde   an  starcker  \ 
Sicherung  a  parte  Illustrissimi  nicht  mangeln,  alß  desen  Für 
Gnaden  itzo  meiner  armen  Feder  zu  gebrauchen,  undt  derowej 
es  mir  an  genädiger  Hülf  nicht  werden  mangeln  lassen,  wann 
nur  Mittel  zu  helfen  vorschlagen  werde.    W^olte  von  Unserm  ^ 
stand  particularia  schrcyben,   wann  ich  nicht  eben   mit  and< 
verdrießlichen  negociis  obruirt  würde  undt  Zeiger  dieses  eyl< 
E.   E.  Hhgg.   werden  theils   von  Ihm   selbst  vernehmen  könn 
Womit  E.  E.  Hgg.  neben  allen  dero   lieben  Angehörigen  ich 
(xottes  genädigen  Schutz  empfehle,  undt  bleib  so  lang  ich  lebe 

E.  E.  u.  Hhgg. 

gantz  ergebener  treuwer  Knecht  undt  Diene 
In  höchster  eyl. 
Marpurg  am  7.  Nov.  1643. 


l 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  307 

xir. 

Schreiben  von  Schuppius  an  Maximilian  zum  Jungen 

vom  5.  Dezember  1644. 

(Darmstadt,  Staatearchiv,  XII,  154.) 

Wie  hoch  E.  Wohl  E.  St.  ich  mich  obligirt  erkenne,  hette 
ich  schon  längst  in  einem  publice  scripto  remonstrirt,  wann  nicht 
andere  sonderbare  Geschaffte,  Widerwertigkeyten  undt  Schwach- 
heyten  mich  bisher  dran  verhindert  undt  es  aufzuschieben  mich 
genötiget  betten.    Inzwischen  schwebt  E.  St.  grose  Humanität  mir 
immer  für  Augen,   und  macht  mich  so  kühn,  daß  dieselbe  als 
einen  arbitrum  meines  künfftigen  Glücks  ich  ersuche,  undt  die- 
selbe bey  dieser  zwar  eylfertigen   jedoch  sicheren   Gelegenhey t 
umb  einen  guten  Rath  bitte.     E.  St.  hab  als  einem  berühmten 
Patrono  operum  literatorum,  ich  schon  für  einem  Jahr  zu  Franck- 
fort  gekla^gt,    wie    mit   groser    Beschwerung   ich    mich   nun   ins 
zehende  Jahr  bey  der  Philosophischen  Facultät  zu  Marpurg  auf- 
gehalten, undt  weyl  der  Universität  alle  Mittel   zerrinnen,  undt 
mit  menschlichen  Augen  keine  Besserung  noch  in  vielen  Jahren 
zu  ersehen  sey,  were  mir  unmöglich  dieß  Leben  lä,'nger  zu  con- 
tinairen,  in  sonderbarer  Betrachtung,  daß  ich  weder  mein  oder 
meiner  Hausfrau  wen  Patrimonium   in  Händen   hab,   sondern  an 
meiner  Besoldung  hangen  müsse  wie  ein  Kind  an  seiner  Mutter 
Brüsten.     Weil  nun  dieselbe  so  viel  Jahr  außen  blieben,  müsse 
ich  mich  notwendig  in  despect  setzen,  weyl  ich  keinen  Credit  halten 
könne  etc.  etc.     Euwer  St   versichern  sich,   wann  ich  meinem 
ärgsten  Feind  mein  Uhrsachen  all  entdecken  sollt,  welche  mich 
bewegen,  daß  ich  alß  ein  mühdes  abgemattetes  Pferd,  aus  diesem 


i      «cwegeii,  uajj  icii  aiu  tjiii  iiiuimti.s  augeinai.ii.n45s  ri«iii,  aus  uiestsiii 

[     Professorischen   Joch   gern   weite   ausgespannet  seyn,  er   würde 


\ 


\ 


sie  für  erheblich  genung  halten,  wann  nur  noch  ein  christlicher 


\  Blutstropffen  in  seinem  Hertzen  zu  finden  were.  Ein  Stück  dieser 
Ührsachen  hab  ich  meinem  Patron  Vice  Statthalter  Plessen  ent- 
[  «leckt,  welcher  zwar  ungern  siehet,  daß  ich  von  der  Universität 
I  sollt  abgerissen  werden,  weyl  er  aber  meine  Resolution  so  fest 
gegründet  befunden,  hat  seine  St.  mich  gar  beweglich  an  Unsern 
^enädigen  Fürsten  und  Herrn  reconmiendirt,  undt  gebeten,  daß 
Ihre  Fürstl.  Gn.  auf  anderwertliche  Beförderung  genädig  bedacht 
seyn  wollen.  Es  hat  auch  Herr  Stall  ha  Her  mir  zu  verstehen 
geben,  was  Ihre  fürstl.  Gn.  Ihm  mit  eygnen  Händen  geantwortet 
haben. 

Undt  ist  an  dem,  daß  ich  zum  SufKirintendenten  zu  Schmal- 
^Iden  begehrt  werde,  wie  E.  St.  unter  andern  aus  Herrn  Super- 
miendenten  Praetorii  Originalschreyben  zu  ersehen,  da  er  gedenckt 
*^  medio  epistolae:  Successorem  i)raeler  Te  nulluni  alium  de- 
sidero  esse.  Nun  stehe  ich  abermals  in  Sorgen,  ob  meine  Wider- 
Fertigkeit  hierdurch  möge  geendet  oder  vielmehr  in  ein  ander 
Model  gegossen  undt  also  nur  geändert  werden?  Dann  1.  ist 
5<lhmalkalden  ein  Ort,  den  Unser  Genädiger  Fürst  und  Herr  nur 
Pfandsweys  inn  hat,  undt  ist  mann  nicht  versichert,  daß  mann 
®'nen  Monat  da   sicher   bleiben    könne,   so   ^ar   lassen   sich   die 


20* 


308  Wilhelm  DiehL 

Cassellaiier  itzo  mit  ihrer  Intention  heraus.     Nun  hab  ich  eine 
weitlaufftjge  Bibliothec,  welche  ich  nicht  zurücklassen  kann,  soll 
ich  diese  mit  grosem  Unkosten  den  unsichem  Weg  führen,  eine 
neuwe   Haushaltung   formiren,   undt  nicht  wissen,   ob   ich  über 
Nacht  wider  aufbrechen  müsse,  das  kompt  mir  undt  den  meynigen 
sehr  beschwerlich  für.    Zum  Andern  hab  ich  einen  alten  Vatter, 
von  dem  ich  ein  ehrlich  Patrimonium  zu  erwarten,  ziehe  ich  weit 
von   Giesen,   so   sind   Unser   Sachen   so   gethan,  daß   ich  deren 
wann  ich  weyt  davon  binn,  nichts  werd  genießen  können.  Anderer 
Discommoditäten  zu  geschweygen.    Ich  hab  zwar  alles  in  Gottes 
genädigen  Willen  gestellet.     Jedoch  hat  ein  Mensch  auch  seinen 
Verstandt    von    Gott,    daß    er    desen    braucUs^     E.   WohlE.  St. 
verzeyhen  der  eylfertigkeyt  desen,  dem  ich  diesen  Brief  anver- 
trau we,   welcher  mir   nicht   zuläst   mich   recht  zu  expectoriren, 
und  mit  gebührender  Discretion  E.  WohlE.  St.  mein  Anliegen  zu 
entdecken.     Mit  wenigem  erinner  E.   WohlE.   St   ich   etzlicher 
hochg.  Wort,  so  dieselbe  gegen  mich  schießen  lassen,  als  von 
derselben   ich   zu   Francfort   Abschied   nahm.     Undt   schütte  in 
höchster  Demuth  dieß  Arcanum  in  E.  St.  Schoa,   und  beychte 
deroselben   von   Hertzen,    daß   mir   nach   Marpurg   kein  Ort  in 
der  gantzen  Welt  bequemer  sey,  darin  ich  mein  Leben  zubringen 
möchte,    als   Francfort.     Wann   nun    Hern    D.    Tettelbachs  Stell 
besetzt   were,   undt  ich   könte   im   Ministerio   eine  quamcunqu« 
stationem    haben,   also   daß   mir   dabey  das   Gymnasium  anver- 
trauwt  würde,  dasselb  in  Flor  und  Aufnehm  durch  Gottes  Hüli 
zu  bringen,  Ich  wollte  alle  meine  Kräffte  darin  consumiren,  und 
leicht   auf   Mittel    dencken,    daß    Ihre    Fürstl.    Gnaden    mich  iJ^ 
Genaden   dimittirten.     £.   St.   entdeck   Ich   dieß  arcanum   nicht 
alß  einer  vornehmen  Regimentsseulen,  sondern  als  ihrer  Privat- 
person,  und  meinem  Hochgeehrten  Patron,  undt  sage  das,  daß 
ich  keinem  Menschen  auf  der  Welt  lieber  gönnen  wolt  die  Ehr 
mich   zu   befördern,   alß   E.   St.    Will   demnach    derselben  micli 
hiemit  selbst  gleichsam   schencken  undt  verehren.     Ein  besser 
Geschenck  als  mich  selbst,  hab  ich  nicht.     E.  St  machen  aas 
mir,  was  sie  selbst  wollen,  so  wird  das  Greschenck  desto  precioser 
werden.     Käthen  E.  St.  mir,  daß  ich  die  Gondition  zu  Schmal- 
kalden  acceptire,  so  seyen  sie  versichert,  daß  sie  an  dem  Ort 
einen    Diener   haben    werden,    der    täglich   für   sie   beten  wird- 
Rathen  sie  mir  aber  etwas  anders,  so  will  deroselben  ich  auch 
gehorsamlich  folgen.     Euwer  St.  thuen  doch  in  diesem  Fall  bef 
mir  wie  sonsten  Ihre  hochlöbliche  Gewohnheyt  ist  gegen  tugeD<i- 
liebende   undt  arme  Leuth   zu   thun.     Die  erste  Belohnung,  «r* 
warten    sie   von   Gott,    die   ander   mit   meinen   treuwen   DinsleD 
zu  erlegen  will  ich  mir  aufs  höchst  angelegen  seyn  lassen.   Herr 
Praetorius  wird  den  nechsten  allhier  erwartet.    Dmmb  bitt  E.  St 
ich  demütig,  sie   wollen  Ihrem  Domestico  M.  Matthiae  nur  mit 
zweyen  Worten  befehlen,  mir  zu  schreyben,  ob  und  wie  ich  nüA 
wegen    Schmalkalden    resolviren     solle?     Ich     schreyb    Unserni 
Herrn  Gott  nicht  für,  hoffe  aber  E.  St.  werden  meine  innerste 
Hertzensgedancken,  welche  ich  wegen  Franckfort  hab,  nicht  übel 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  309 

ausdeufen.     Ich   rede  also  davon  nach   menschlicher  Thorheyt, 
undt  überlasse  Gott  (qui  per  media  agil)  die  Disposition.    Undt 
damit  ich  in  meiner  Thorheyt  fortfahre,  so  mach  ich  mir  leicht 
die  Gedancken,  es  werde,  wann  etwas  furgehen  sollte,  Difficultät 
haben,    wegen   der   Oberstell.      Allein    E.    St.    seyen   versichert, 
wann   mir   dieselbe   offerirt   würde,    daß   ich   sie   constantissima 
modestia   recusiren  wolte.     Mallem  ego   locum   ornare   quam  a 
loco  omari.     Ich  binn  durch  so  viel  Vanitäte  gangen,  daß  ich 
nun  das  Ding  weniger  als  nichts  achte.     Ich  weys,  was  es  thut, 
wann  man  von  seynen  Collegis  geneydet  undt  nicht  recht  geliebt 
wird.     E.  St.   lassen  mir  nach   ihrer  beywohnenden  Höflichkeit 
zu,  daß  ich  meiner  süßen  phantasey  weyter  indulgire,  undt  mich 
erbiete,  wann  ich  spem  an  das  Ort  haben  könt,  undt  an  meinen 
Qualitäten  in  Theologicis  mangel  were,  wolt  ich  alsobalt  meine 
Profession  quitiren,  undt  mich  eynig  im  Deutschen  Haus  noch 
ein  Jahr  concionando  exerciren,  mich  sonsten  in  Theologia  üben 
und  also  femer  durch  Gottes  Hülf  capable  machen.    Sed  quorsum 
ego?    E.  Wohl  E.  St.  nehmen  hieraus  ab  die  grose  Confidentz, 
so  zu  derselben  ich  geschöpfft,  undt  wie  begierig  ich  sey,  mich 
diefer  in  deroselben  Schuld  und  Observantz  zu  setzen.    Die  eyl- 
fertigkeit  des  Überbringers  vergönnet  mir  nicht,  daß  ich  alle  Wort 
auf  die  Wag  lege,  welches  ich  auch  nicht  für  gar  nötig  halte  bey 
einem  solchem   Patron,   desen   hoher   Verstand   mein   demütiges 
Hertz  ansehen,   undt   dieses   von   einem   geängstigten    redlichen 
Gemüth   hergeflossenes  eylfertiges    Schreyben    mit    ewiger   Ver- 
schwiegenhey t  vergraben  wirdt.     Ich   widerhohle   meinen  christ- 
lichen Wunsch  so  für  E.  W^ohlE.  St.  und   dero  hochangehörige 
ich  oft  thu,  undt  bleib  mit  gantzem  hertzen 

E.  WohlE.  St. 
treuwer  gehorsamer  Knecht  u.  Diener  sohmg  ich  lebe 

Raptim  5.  Xbris  1644  in  Marpurg. 

XIII. 

Protokoll  der  Vernehmung  Schu[)ps  in  der  Disziplinarunter- 
suchung wegen  Anstellung  der  Betstunden. 

(Darmstadt,   Staatsarcliiv,    V,  7,  4G.) 
^«n  4.  Januarii  Anno  1645. 

Ist  Herrn  Lt.  Schupi)en,  Professorii  und  Predigern  zu  St.  Eli- 
sabethen  Kirchen   durch   den   Cantzleyknecht  angezeigt  worden, 
*^6  daß  im  Nahmen  und  von  wegen  des  Durchleuchtigen  Hoch- 
gebornen    Fürsten    und    Herrn,    Herrn    Georgen,    Landgrafen    zu 
Hessen,  Unsers  gnedigen  Fürsten  und  Herrn,  wir  mit  ihme  etwas 
nolhwendiges   zu   reden    iieitcn,    und    er  doch    auf  die   Cantzley 
kommen,  und  solches  vernehmen  wolle,  solle  Er,  wie  der  Cantzley- 
inecht  berichtet,  zur  Antwort  gegeben  haben,  1.  Er  wehre  etwas 
unpäßlich,  2.  bette  auf  zwey  Predigten  zu  studiren  und  3.  wüste 
nicht,    ob  er   ohne   Serenissimi    Specian)efelch   erscheinen   solte, 
sich  aber  doch  zu  bestimbter  Zeit  noch  eingestelt. 


310  Wilhelm  DiehL 

Darauf  ist  in  Praesentia  Herrn  Vicepraesidentens,  Johann 
Adolph  Rawens  von  Holtzhaußen,  Herrn  Vicecancellarii  D.  Ruppels. 
Herrn  Superintendentis  D.  Herdenii,  Herrn  D.  Hannekenii,  Ilerrn 
I).  Seilen,  Herrn  D.  Gehren,  und  Herrn  Lt.  Ruppels  mit  ihm  ver- 
handelt worden,  wie  folget. 

Anfänglich  ward  ihm  vorgehallen,  welchergestalt  die  fürstl. 
Regirungs  Räthe  in  Erfahrung  gebracht,  ob  solte  Er  in  der 
St.  Elisabethen  Kirchen  eine  sonderbare  Bettstund  angeordnet, 
solches  publice  vor  dem  Altar  verkündiget  und  noch  darzu  ein 
eigenes  Gebet  begriffen,  solches  trucken  zu  lassen  begehret,  und 
darinn  gesetzet  haben,  daß  erstlich  vor  den  Römischen  Kayser. 
2.  vor  den  Teutschmeister,  3.  vor  das  fürstl.  wHauß  Hessen  und 
4.   vor  die  Ordens   Personen   solle  gebeten  werden. 

Nun  betten  wir  unß  selbst  christlich  zu  erinnern,  daß  das 
Beten  hochnötig  wehre,  und  wir  die  Intentionem,  welche  Herr 
Lt.  Schupp  etwa  haben  möchte,  nicht  improbiren  könten.  Es 
müste  aber  solcher  Anstalt  also  gemacht  werden,  damit  unsemi 
gnedigen  Fürsten  und  Herrn  und  dero  hochlöblichem  Fürstlichem 
HauB  Hessen  dardurch  in  nichts  praejudicirt  noch  einige  ge- 
fährliche Newerung  zugezogen  würde :  wie  dann  niemahls  erhört, 
daß  in  St.  Elisabethen  Kirchen  vor  den  Herrn  Teutschen  Meister, 
oder  die  Ordens  Personen  gebeten  worden  wehre.  So  pflege  man 
auch  nicht  in  geiiere  vor  die  Fürsten  zu  Hessen  zu  bitten,  sondern 
es  würde  jedes  Orts  der  Landsfürst  vorgesetzet,  dero  F.  Gn.  Fraw 
Gemahlin,  fürstliche  Kinder  und  dann  dero  Herrn  Brüder  dar- 
auf benand,  und  eRdlich  des  fürstl.  Hauses  Hessen  in  genere  ge- 
dacht, und  bette  ihme  in  allwege  obligen  und  gebüren  wollen, 
solcher  nachdencklichen  wichtigen  Sachen  sich  nicht  allein  nicht 
anzumaßen,  sondern  uffs  wenigst  die  F.  Regirung,  oder  den 
Herrn  Superintendenten  darvon  zu  berichten,  alsdan  hette  alles 
mit  besserer  Manier  hergehen  können:  Item,  man  möchte  ieti- 
under  leichtlich  etwas  anordnen,  welches  hirnechst  die  Pontificü 
allegiren,  extendiren,  und  zu  ihrem  großen  Vortheil  gebrauchen 
dürften,  doch  hettcn  wir  vor  eine  Nottnrft  erachtet,  Ihn  selbst 
zu  hören,  und  mit  ihm  aus  diser  Sachen  zu  comnmniciren,  wie 
er  etwa  vermeine,  eines  und  das  ander  zu  behaubten. 

llle:  hette  ietzunder  seine  Gedancken  nicht  frey,  möchte 
wünschen,  daß  er  zu  anderer  gelegenheit  erfordert  worden  wehre. 
doch  wolle  er  so  viel  ihm  thunlich  sich  vernehmen  lassen,  fragte 
demnach  sobald,  ob  der  Teutsche  Meister  nicht  der  Teutschen 
Ordens  Personen  Obrigkeit  wehre? 

Nos:  Ja,  doch  certo  respectu,  und  daß  unser  gnediger  Fürst 
und  Herr  als  Landsfürst  vornehmlich  geehrt  und  dessen  Lands- 
fürstliche  Hoheit  beobachtet  würde. 

nie:  Weil  dan  wir  geständig,  daß  der  Teutsche  Meister  der 
Ordens  Personen  Obrigkeit  wehre,  so  wehre  Gottes  Wort  gemitf, 
daß  man  vor  die  Obrigkeit  betten  solle,  welches  er  gethan. 

Nos:  Er  müste  aber  auch  nichts  newes,  noch  solche  zur 
bösen  Consequentz  gereichende  Ding  anstellen,  sondern  der  fürstl. 
Hessischen  Kirchenordnung  und  herbrachter  Observantz  sich  con* 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  311 

•mireii,  darinn  würde  er  finden,  daß  zwar  vor  alle  Christliche 
tentaten   in   genere  solte   gebeten   werden,   gar   nicht,   daß  er 
specie  vor  den  Teutschen  Meister  beten  solle. 

nie:  Er  wüste  nicht,  wie  er  sich  in  dise  Sachen  richten 
Ite,  man  wolte  Mücken  säugen,  und  Cameel  verschlucken. 

Nos:  Das  wehren  sehr  harte  picquante  unbedachtsame  Wort. 
,  man  also  zu  reden  nicht  pflegete.  Wir  sässen  alhir  im  Nahmen 
id  von  wegen  des  Landsfürslen,  und  seyen  schuldig  und  pflichtig, 
rer  f.  Gn.  jura  besten  Fleißes  in  acht  zu  nehmen,  gantz  nichts 
»er  zu  negligiren,  oder  zu  versäumen,  und  betten  mit  ihm 
acide  reden  wollen,  So  gebrauchte  er  sich  nur  solcher  un- 
jscheidener  W^orten,  solte  sich  versichert  halten,  daß  wir  an 
(hörigen  Ort  dises  underthänig  berichten  werden,  und  waji  er 
it  dem  Herrn  Superintendenten,  als  seinem  Obern  auß  diser 
ächen  vorher  communicirt  hette,  wie  er  zu  thun  schuldig  ge- 
esen,  würde  selbiger  ihm  andere  und  bessere  Information  ge- 
?ben  haben,  maßen  dan  under  anderm  zum  Exempel  referirt  waitl, 
hnangesehen  Chur-Trier  Condominus  zu  Ober-IU)spach  wehre, 
aß  doch  der  Pfarrer  in  specie  vor  selbigen  nicht  bitten  dörffte. 

nie:  Er  respectirte  den  Herrn  Superintendenten  als  einen 
Iten  vornehmen  Theologum,  aber  als  seinen  Obern  zu  respec- 
ren,  dessen  hette  er  keinen  Befelch,  auch  hette  L).  Steuberus 
el.  selbigen  als  einen  Obern  niemahls  agnoscirt,  wie  dan  auch 
er  Herr  Landcommenthur  nicht  nachgeben  wollen,  daß  er  sich 
Ihir  in  der  Stattkirchen  hette  ordiniren  lassen  dörffen,  sondern 
etle  eher  naher  Franckfurt  reisen,  und  daselbst  sich  ordiniren 
issen  sollen. 

Nos:  Der  Carlstadische  Vertrag  brächte  cläriich  mit  sich, 
aß  Serenissimus  Landsfürst  wehre,  und  in  dero  Land  das  jus 
piscopale  hette.  Item  daß  die  Prediger  in  St.  Elisabethen  Kirchen 
ach  der  fürstlichen  Hessischen  Kirchenordnung  sich  reguliren 
'üslen,  hette  nun  Serenissiiims  das  jus  episcopale  und  kein 
nder,  so  würde  er  auch  Serenissimum  und  diejenige,  welche 
Ire  F.  Gn.  an  dero  statt  verordnet,  als  seinen  Superiorem  halten 
nd  erkennen  müssen,  und  hette  ihme  darurnb  gar  nicht  gebüret, 
n  absonderliches  Gebet  zu  machen,  und  gantz  newerlich  den 
eutschen  Meister  und  andere  Ordens  Personen,  darin  zu  setzen, 
eniger  vor  sich  eine  absonderliche  Bettstund  anzuordnen,  son- 
-rn  hette  er  erstgedachten  Carlsladischen  Vertrag  besser  be- 
Jachten sollen. 

nie:  Der  Carlstadische  Vertrag  würde  ihn  nicht  selig  machen, 
K:h  am  jüngsten  Tag  verantworten.  Er  hette  seine  erhebliche 
rsachen  zu  solchem  gemachtem  Anstalt,  insonderheit  aber  wehre 
m  beweglich  zu  gemüht  gangen,  daß  auf  den  Sontag  im  Teut- 
hen  Hauß  nur  eine  Predig  und  zwar  des  Morgens  uinb  Sechs 
IT  gehalten  und  darauf  der  gantze  Tag  entweder  mit  Fressen 
d  Sauffen,  Müßiggang  und  sonsten  das  sextum  praeceptum  zu- 
icht  werde,  item  daß  die  Annen  in  ihrem  Christenthum  so 
ilecht  erbawet  wehren,  daß  über  zwey  oder  drey  das  Vatter 
jer  nicht  recht  beten  könten,  disem  allein  nun  hette  Er,  so  viel 


312  Wilhelm  Diehl. 

möglich  vorbawen,  auch  daran  sein  wollen,  daß  die  arme  Leulhe 
besser  hetten  beten  lernen  sollen. 

Nos:  Seine  Intention  würde  von  uns  gar  nicht  improbir!. 
sondern  er  hette  einen  andern  modum  gebrauchen,  und  es  mit 
Vorbewust  Serenissimi  oder  der  f.  Regirung  anstellen,  und  dem 
fürstl.  Hauß  Hessen  zu  Praejuditz  und  dem  Pabstumb  zu  Vortheü 
gereichende  Newrung  nicht  vornehmen  sollen. 

nie :  Er  hette  mit  den  Herrn  Theologis  auß  diser  Sachen  com 
municirt,  die  hetten  sich  ja  solches  belieben  lassen. 

Herr  D.  Hannekenias:  Sagt  Ja,  Er  hette  mit  Ihme  geredet 
auch  das  abgefaste  Grebet  zu  censiren  geschickt,  darmit  es  ge- 
trucket  werden  möchte.  Er  hette  aber  mit  dem  Herrn  Superinten- 
denten tmd  andern  seinen  Herrn  Collegis  in  Facultate  Theologien 
communicirt,  welche  nebens  ihm  darvor  gehalten,  es  wehre  nicht 
zuzugeben,  daß  das  Gebet  sonderlich  mit  der  Ueberschrift  auf 
Anordnung  des  Herrn  Landcommenthurs  getrucket  würde,  so  er 
Herrn  L.  Schuppen  angezeigt,  und  darbey  errinnert,  Er  wüste 
nicht,  ob  es  styli  wehre,  daß  man  vor  den  Teutschmeister  und 
Landcommenthur  also  bäte  und  solte  Lic.  Schupp  sich  darinn 
wol  fürsehen.  Item  es  würde  sich  nicht  schicken,  daß  man  nur 
in  gencre  vor  die  regirende  Fürsten  in  Hessen  bähte  und  unsere 
gnedigen  Fürsten  und  Herrn  in  specie  nicht  gedächte,  sintemahl 
wir  ja  mehr  vor  Ihre  f.  Gn.  als  vor  die  Fürstin  zu  Cassel  zu  bitten 
hetten:  Item  Herr  Lt.  Schupp  hette  referirl,  das  Gebet  solte  im 
Hospital  abgelesen  und  verrichtet  werden,  und  w^ehre  der  Kirchen 
nicht  gedacht  worden.  I 

II  le:  Wann  er  wissen  solte,  daß  es  ihm  Ungelegenheit 
geben  solte,  wolle  er  lieber  den  Dinst  garitz  resigniren,  hette  doch 
nicht  so  viel   darvon,   daß  er  einer  Magd   lohnen  könne. 

Herr  D.  Hannekenius:  Er  solte  sich  bedencken,  was  er 
redete,  es  ließ  sich  nicht  thun,  daß  man  unserm  Herrn  Gott  den 
Stul  wolte  vor  die  Thür  setzen. 

Nos:  Das  wehre  keine  Ursach,  den  Dinst  zu  resigniren,  dann 
daß  wir  die  Errinnerung  thäten,  und  zwar  nicht  unbilHch,  vor 
unserm  gnedigen  Fürsten  und  Herrn,  exclusis  Magistro  et  mini- 
stris   ordinis  Teutonici   allein   zu   bitten,  das   wehre  die  Ursacb? 
weil  Ihre  f.  Gn.  Landsfürst  wehre,  und  dan  auch  nicht  die  Teut- 
schen  Ordensherm  die  Intraden  zu  Underhaltung  der  Armen,  derep 
die   Teutschen   Herrn   Pflegere   wehren   verschaffet,   sondern  d^^ 
Fürsten   von   Hessen   nach   und   nach   alles   hergeben  hetten,  E'' 
solte  selbst  bedencken,  was  vor  gefehrliche  Inconvenientien  dar- 
außer  entstehen   könnten  wann  der  Anstalt  mft  der  Bettstund^ 
bey  dem  Landcommenthur  stehen,  oder  man  vor  dem  Teutschefl 
Meister  und  die  Teutschen  Ordens  Personen  in  der  Kirchen  beten 
wolle,  und  daß  sich  solche  und  dergleichen  nachdenckliche  Sachen 
ohne  Ihi-er  F.  Gn.  Vorbewust  nicht  anstellen  ließen,  wie  dan  wir 
nicht  nachgehen  konten   noch  wollen,  daß  er  die  Betstunde  femer 
halten  möchte,  sondern  solte  warten,  biß  Unser  gnediger  Fürst 
und  Herr  von  der  Sachen  underthä^ig  berichtet  wehre,  und  sieb 
darauf  gnedig  resolvirt  helle. 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  313 

Hirauff  hat  Herr  Superintendens  per  discursum  gedacht, 
wie  so  vielmahl  Errinnerung  geschehen,  daß  ein  Prediger  im 
Teutschen  Hauß,  wan  er  die  Beicht  hörete  und  das  Abendmahl 
des  Herrn  halten  wolte,  außer  den  Ordenspersonen  und  Dienern, 
Niemand  weiter  admittiren,  sondern  die  Bürger  und  Bürgerin 
remittiren  solte,  dessen  aber  unerachtet,  vernehme  man,  daß 
noch  immer  fort  sehr  viel  Bürgersleuthe  in  der  St.  Elisabethen 
Kirchen  zum  Tisch  des  Herrn  gingen. 

nie:  Er  wüste  nicht,  was  das  vor  Picquen  wehren,  daß  man 
solches  verbieten  wolle. 

Herr  Superintendens:  Ey  wie  er  doch  darzu  komme, 
und  dise  Erinnerung  Picquen  nennen  möchte,  die  Cieistliche  in 
der  Stattkirchen  betten  ihre  befugte  gnugsam  erhebliche  Ursachen, 
und  betten  selbige  allein  wegen  der  Bürger  curam  animarum 
und  wehre  billich,  wo  einer  hingepfarret  wehre,  daß  er  auch 
daselbst  zum  Tisch  des  Herrn  gehen  müste,  maßen  dan  die 
fürstl.  Erleuterungs  Puncten  über  die  Kirchenordnung  solches 
austrucklich  erfordern. 

nie:  Es  wehre  ihm  leid,  daß  soviel  Personen  bey  ihm  im 
Teutschen  Hauss  zum  Tisch  des  Herrn  gingen,  und  wüste  er 
nicht,  wie  er  solche  zurückweisen  könte.  Er  sehe  selbst,  daß  es 
eine  Confusion  gebe  und  wüste  er  wohl,  daß  die  Bürger  in  der 
Statt  seine  Schaafe  nicht  wehren. 

Nos:  Dieweil  die  Bürger  in  der  Statt  seine  Schaafe  nicht 
wehren,  so  solte  er  Sie  auch  nicht  weiden,  und  könte  er  der 
Sachen  leichtlich  rahten,  wan  er  die  Bürgersleuthe  von  sich  ab, 
nnd  zur  Stattkirchen  wiese,  wann  man  aber  die  Leuthe  gleichsam 
an  sich  reitzete,  und  Ursach  darzu  gebe,  so  gienge  es  alsdan 
alsoher,  und  betten  wir  vernommen,  daß  verwichenen  Newen 
Jahrstag  Er  einen  Pfarrer  von  Seelheim  zu  sich  genommen, 
welcher  nebens  ihm  die  Beicht  hören  helffen,  welches  gleichfalls 
niemals  erhöret  worden  wehre. 

nie:  Er  wehre  ein  Ordenspfarrer,  den  würde  er  ja  zu  ge- 
l>rauchen   Macht  haben. 

Nos:  Das  geben  wir  nicht  nach,  sondern  (sicut  Dn.  Super- 
intendens addebat,  der  Pfarrer  von  Selheimb  M.  Happel  bette 
seine  Vocationem  naher  Sehlheimb  und  nicht  anhero)  und  seye 
^ben  die  Ursach,  daß  die  Bürgers  Leuthe  so  heuffig  in  der  St. 
Elisabethen  Kirchen  zum  Tisch  des  Herrn  giengen.  Er  solte  bey 
des  Ordens  Leuthen  bleiben,  und  die  andere  zur  Haubtkirchen 
remittiren,  zumal  er  verschiedene  Leuthe  admittire,  uinb  welcher 
Thun  die  Stattprediger  und  Kirchen  Seniores  offtmals  solchen 
Bericht  betten,  daß  selbige  allezeit  so  schlechthin  nicht  zu  ad- 
niittiren  wehren,  Er  bette  die  Kirchenordnung  und  die  Erklärungs- 
puncten,   damoch  solte  er  sich  achten. 

nie:  Er  bette  kein  Exemplar,  Herr  D.  Steuber  hetle  zwey 
Eiemplaria  gehabt,  und  wüste  er  nicht,  wo  solche  hinkommen 
Mehren. 

Nos:  Wir  wolten  schon  darauf  bedacht  sein,  daß  Er  ein 
Exemplar  bekommen  solle. 


314  Wilhelm  Diehl. 

XIV. 
Memorial   Schupps  an  den  Landgrafen,   Anfang   1645. 

(Darmstadt,  Staatsarchiv,  V,  7,  46.) 
Memorial. 

1.  Daß  Ao  1632,  als  das  Studium  Eloquentiae  lange  Zeyt 
auf  dieser  Academi  darnieder  gelegen,  und  ich  von  fremden  Uni- 
versitäten kommen,  und  exercitii  gratia  memoriter  perorit  und 
ein  collegium  historico-Geographicum  angeschlagen,  Herr  Cantzlar 
Wolf  wider  meine  Gedancken  mich  zu  sich  erfordert,  und  nach 
gethanen  grosen  promissen  mich  adhortirt,  daß  ich  mit  dem 
Studio  Theologico  das  Studium  Oratorium  fleißig  treiben,  in 
ihre  fürstl.  Gnaden  Dinst  mich  begeben,  und  nicht  allein  mit 
den  Stipendiaten,  sondern  auch  mit  andern  Studiosis  allerhand 
exercitia  anstellen  solle.  Dafür  wollen  Ihre  fürstl.  Gnaden  mir 
nicht  allein  ein  jahrliches  Recompens  geben,  sondern  auch  2  oder 
3  Jahr  auf  ihrer  fürstl.  Gnaden  Unkosten  auf  frembde  Univer- 
sitäten schicken. 

2.  Als  aber  ich  solches  eine  Zeit  lang  angetrieben,  undt  darauf 
in  Holland  gereyst,  da  heutiges  tags  die  beste  Oralores  leben, 
ist  die  böse  Zeyt  eingefallen,  und  sonderlich  nach  der  Nörd- 
linger  Schlacht  das  Land  durch  Pest  und  Krieg  sehr  ruinirt 
worden,  Herr  Cantzlar  Wolf  auch  meyste  Zeyt  außerhalb  Lands 
dem  Pacificationswesen  abgewartet,  also  daß  sich  niemand  meiner 
angenommen,  da  ich  dann  meinem  genädigen  Landsfürsten,  dem 
Vatterland  und  der  Universität  zu  ehren,  von  meinen  eygnen  Un- 
kosten dieß  Studium  continuirt,  und  nun  hören  muß,  daß  man  ■ 
mir  diese  wohlangewendete  sumptus  an  meinem  patrimonio  ab- 
kürtzen  wolle. 

3.  Im  Anfang  meiner  Profession  hab  ich  mich  bey  rechter     i 
Pferdtsarbeyt  mit  140  fl.   Besoldung  contentirt,   biß  endlich  ihre 
fürstl.  Gn.  meinen  Fleis  und  Treuw  mit  genädigen  Augen  ange-     i 
sehen  und  mir  die  Besoldung  vermehrt.     Da  aber  alsobalt  die 
VVeymarische  Armee  ins  Land  kommen,  und  bishero  die  Besoldung     ^ 
ins  Stecken  gerathen. 

4.  Was  ich  durch  Gottes  Bey  stand  bey  der  Profession  gethan,     i 
davon   werden  die   zeugen   können    (wann   sie  aufrichtig  wollen 
zeugen)    die    sich    meiner    Inventionen    gebraucht,    mit    meinen 
Federn   geschmückt  undt  in   oder  auser  dem   Land,   in  Dinsten 
sitzen  oder  sonsten  noch  sich  qualificirt  machen. 

5.  Weil  ich  aber  mit  dem  Ding  et  quidem  docendo  nun  mW 
12  Jahr  zubracht,   nicht  allein   in   Academiis,   sondern  auch  in 
officio   das   meinige   drüber   zugesetzt,    meine   beste   Zeyt  damit 
verderbt  und   mich   in   meinem   studio   theologico   gehindert,  da 
hergegen   andere  so  auf   Ihrer   fürstl.   Gnaden   Unkosten  studirt, 
haben  ruhig  sitzen  und  ihrer  facultati  superiori  abwarten  können, 
undt  nun  die  unumbgangliche  Nothurfft  erfordert,  daß  ich  micb 
mit  ernst  und   allem  Fleiß  aufs  Studium  theologicum  lege. 


Neue  Beiträge  zur  Greschichte  Schupps.  315 

6.  Als  ersuche  Ihre  fürstl.  Gnaden  ich  unterthänig  und  de- 
mtig,  sie  wollen  meiner  genädig  eingedenck  seyn,  und  mich  als 
in  mühdes  Pferd  genädig  ausspannen,  undt  zu  einem  officio 
cclesiastico  genädig  befordern  lassen,  da  ich  meines  Lel)ens 
hrlichen  Unterhalt  und  Occasion  hal)en  könne,  im  Predigen 
ind  andern  exercitiis  sacris  mich  unice  zu  üben.  Es  mag  sonst 
las  officium  so  unansehnlich  und  gering  seyn  als  es  woll. 

7.  Unterdessen  bitt  ihre  fürstl.  Gnaden  ich  demütig  und  unter- 
thänig, sie  wollen  der  Professionis  Eloquent iae  mich  in  genaden 
erlassen,  und  biß  zu  eröfnung  anderer  Promotion  mich  bey 
der  Universität  schützen,  und  inzwischen  die  Anordnung  thun 
lassen,  daß  mir  alle  Viertheil  Jahr  der  vierdte  theil  meiner  aus- 
stehenden Bestallung  geliefert  werde. 

8.  Dagegen  versprech  Ihrer  fürstl.  Gnaden  ich  in  Unter- 
thänigkeit,  daß  ich  das  opus  historicum,  darauf  ich  bißhero 
meine  meditationes  geschlagen,  unter  der  Zeyt  mundiren,  undt 
alle  Viertheil  Jahr  ein  Stück  davon  uberschicken,  auch  kein 
Gelt  fordern  wolle,  die  Arbeyt  sey  dann  schon  da. 

9.  Weyl  etzlichen  unter  den  fürstlichen  Herrn  Räthen  bekant, 
daß  mir  gantz  und  zumahl  unmöglich  falle,  meine  familiam  rebus 
sie  stantibus  alhier  in  die  Läng  zu  führen,  undt  vielleicht  in- 
zwischen sich  keine  Beförderung  zu  einem  officio  ecclesiastico 
diesen  Oertern  eröfnen  möchte,  alß  will  ich  hoffen  Ihre  fürstl. 
Gnaden  werden  es  für  keine  perfidiam  ausdeuten,  wann  ich 
andern  meinen  fautoribus  extra  patriam  meine  Noth  klage,  und 
deren  Beförderung  entweder  suche  oder  acceptire.  Ihre  fürstl. 
Gnaden  verobligir  ich  mich  in  Unterthänigkeit,  daß  krafft  einmahl 
Sethanen  juramenti  ich  derselben  treuw  verbleiben  wolle  biß  in 
•öein  Grab,  und  dofem  ihre  fürstl.  Gnaden  hinfuro  meiner  wenigen 
Person  wider  begehrten  ich  gehorsamlich  wider  folgen  wolle. 

10.  Weil  ich  auch  vernehme,  daß  das  Werck  mit  der  im 
deutschen  Haus  angefangenen  Bethstund  ungleich  aufgenommen 
Worden.  Alß  bitt  ich  unterthäaiig  ihre  fürstl.  Gnaden  wollen 
^wa  durch  dero  Hofräth  mich  hören  und  den  rechten  Grund 
^«mehmen  lassen.  Ich  binn  in  meinem  Hertzen  und  Gewissen 
Versichert,  daß  ich  neque  in  ipsa  re  neque  in  modo  peccirt  hab. 
sondern  vermög  meines  Ampts  und  deson  dein  deutschen  Orden 
^^rgebenen  Revers  weniger  oiler  mehr  nicht  hah  thun  können. 

Ich  hab  alzeyt  6  Wochen  zuvor,  nicht  nur  mit  einem  sondern 
"^^it  unterschiedenen  Ihrer  fürstl.  (in.  geystlichen  und  weltlichen 
Vornehmen  Dienern  davon  geredt,  welche  mir  von  keinem  Interesse 
fösagt,  das  Ihre  fürstl.  Gnaden  bey  dieser  Sachen  haben,  also 
«*b  ich  dafür  gehalten,  ich  hah  keinen  Beruf  dazu,  in  dieser 
Sachen  mehr  oder  weniger  zu  thun.  Wollen  Ihre  fürstl.  Gnaden 
naich  in  geheym  genädig  abhören  last^en,  so  will  ich  mein  ein- 
fiUliges  Bedencken  hierin  ferner  eröfnen,  welches  in  Schrifften  zu 
Jiun  ich  Bedenckens   trage. 


316  Wilhelm  Diehl. 

XV. 

Memorial  Schupps,  Anfang  1645. 

(Darmstadt,  Staatsarchiv,  IV,  1,  8.) 
Memorial. 

1.  Nachdem  ich  solche  Wort,  deren  ich  gestern  hab  hören 
müssen,  nicht  mehr  hören  kann  oder  will,  alß  will  ich  mit 
Gottes  g.  Hülf,  omni  diligentiae  impetu  mich  über  bewuste  arbeyt 
machen,  daß  ich  davon  komme,  und  soll  mir  unterweilens  die 
Sonn  so  früh  nicht  aufgehen,  daß  ich  nicht  schon  will  drüber 
seyn,  soll  auch  keine  W'och  oder  keine  Post  furbey  gehen,  da  ich 
nicht  etwas  davon  uberschicken  will,  sobalt  nur  bewuste  com- 
mission,  welche  den  22.  Aprilis  angestellt,  abgelegt  ist.  Welche 
mir  so  zu  thun  macht,  daß  an  deren  guten  oder  bösen  Fortgang, 
ein  gros  Stück  meines  zeytlichen  Glücks  oder  Unglücks  dependirl 

2.  Ich  w-ill  aber  verhoffen,  ich  werde  meine  Zahlung,  wie  mir 
versprochen,  erlangen.  E.  E.  hab  ich  meinen  elenden  Zustand  ent- 
deckt. Er  kann  leicht  schließen,  was  einer  bey  solchem  Zustand 
für  influentz  habe.  Frigent  carmina  quae  scribuntur  ab  aquae  po- 
toribus,  sagt  jener.  Protestir,  daß,  wo  mir  nicht  mit  meinem  aus- 
stand nach  und  nach  geholfen  wird,  so  kann  ich  solche  arbeyt 
mit  keiner  Dexterität  verrichten. 

3.  Hoffe  auch  ihre  fürstl.  Gn.  werden  mich  der  Professionis 
Eloquentiae  genädig  erlassen.  Nam  non  possum  simul  sorbereel 
Hare.  Will  darneben  hoffen,  Ihre  fürstl.  Gnaden  werden  mich  so 
lang  ich  mit  dem  o\yeve  Historico  bemühet,  bey  der  Universität 
Freyheyten  schützen,  und  mir  g.  vergönnen,  daß  ich  noch  unter- 
weilens möge  ein  publicam  orationem  halten,  deren  ich  etzliche 
hiebevor  entworfen,  und  noch  nicht  gar  elaborirt  und  publidrl 
hab.  Stell  es  zu  ihrer  fürstl.  Gnaden  genädiger  Discretion,  ob  sie 
mir  noch  ein  Jahr  etwa  die  Helft  meiner  Bestallung  g.  gönnen 
wollen,  will  desto  fleißiger  in  opere  Historico  seyn,  und  dem 
künftigen  Professori  Eloquentiae  solche  manuduction  thun,  daß  es 
Ihn  nicht  gereuwen  soll,  wie  Ich  dann  24  mit  fleiß  elaborirte  Dis- 
positiones  Oratorias  bey  mir  hab,  welche  ich  Ihm  alsbalt  über- 
lassen will,  davon  er  ein  schön  collegium  zum  ^fang  halten  und 
das,  was  ihm  an  dem  jährlichen  salario  abgehet  und  mir  zuge- 
wendet wird,  fast  wider  verdienen  kann.  Hab  diese  Orationes 
selbst  itzo  nach  der  Meß  unter  die  Bursch  spargiren  wollen,  allein 
w^eil  so  auf  dieß  Werck  getrungen  und  ich  durchaus  davon  seyn 
will,  als  ist  mir  die  Zeyt  zu  edel. 

4.  In  bew^uster  Commission  ist  D.  Bauer  auch  zum  Com- 
missario  verordnet.  Nachdem  ich  nun  seines  verstorbenen  Bruders 
halben  in  Differentz  mit  Ihm  gerathen,  und  die  Sach  coram  Ma^;; 
fico  schwebt,  alß  bitt  ich  dahin  alle  Beförderung  zu  mittebi, 
die  Commission  möge  eingezogen  oder  an  seine  Stell  jenis 
anders  substituirt  werde. 

5.  Wegen  D.  Schaudantzen,  die  distinction  unter  einein 
Juristen  und  jiutiMi  Christen  zu  expliciren. 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  317 

6.  Für  11/2  Jahr  ist  von  Ihro  fürstl.  Gnaden  mir  ein  fürstl. 
^ret  geben  worden,  daß  ich  200  Rthlr.  entlehnen  solle.  Darauf 
1.1  mir  Herr  Schäfer  50  Rthlr.  gelehnt,  wann  ich  die  übrigen 
>0  Rthlr.  ahn  einem  Ort  aufnehmen  könt,  wolt  ich  meine  gantze 
aereditatem  matemam  consensu  et  scitu  Serenissimi  dafür  ver- 
[änden,  und  mich  verobligiren  nichts  davon  hinfuro  zu  genießen, 
iß  dieß  bezahlt  sev.  Ad  hanc  extremitatem  res  meae  devenerunt. 
.axin  es  nicht  seyn,  und  werden  mir  auch  sonst  keine  Mittel  ge- 
öYg^>  so  mus  ich  gezwungen  etwas  anders  aus  Desparation 
hun.  Ich  kann  oder  weys  nicht  länger  fortzukommen. 

XVI. 

Sclireiben    von    Schuppius   an    den   Statthalter   von   Pleß, 

Anfang  1645. 

(Darmstadt,  Staatsarchiv,  IV,  1,  8.) 

Dieß  blat  hab  ich  aus  meinen  locis  communibus  geschnitten 
aus  mangel  gelt  und  papiers.  Wann  ich  meinen  billich  gefasten 
Unmuth  darauf  beschreyben  sollte,  wolt  ich  keine  Figur  in  der 
gantzen  Rhetoric  unersucht  lassen,  und  würde  mir  dieses  blätlein 
dazu  viel  zu  klein  werden.  Hette  ich  mehr  Papier  gehabt,  wolle 
ich  mehr  von  dem  opere  Historico  uberschickt  haben.  Nun  aber 
sende  E.  HochE.  St.  ich  hiemit  nur  den  ersten  Bogen,  und  stelle 
€8  zu  dero  hochg.  Belieben,  ob  sie  ihn  Unserm  Genädigen  Fürsten 
wid  Hern  zuschicken  wollen.  Bißher  ist  mein  Vatter  neben 
löeinen  Brüdern  auf  fürstl.  Commission  hier  gewesen,  da  ich  aller- 
^d  Anfechtimgen  hab  begegnen  müssen,  und  hab  also  nicht  ehe 
dieß  Ding  uberschicken  können.  Zudem  hab  ich  vermeynt,  Herr 
Cantzlar  Fabricius  oder  D.  Conrad  würden  hero  zu  L.  Ruppels 
Hochzeyt  kommen,  da  ich  vermeynt,  mündlich  mit  ihn  hieraus 
2U  conferiren.  Wollen  E.  HochE.  St.  mich  hören,  will  derselben 
ich  Uhrsachen  andeuten,  warumb  das  Werck  ich  auf  diese  Art 
stylisire,  undt  wie  ichs  ferner  formire.  Ich  binn  im  Anfang  nur 
aöf  die  res  bedacht,  daß  ich  dieselbe  zusammen  bringe.  Elegan- 
Ham  verborum  will  ich  geliebts  Gott  wohl  hinzu  zu  thun  wissen, 
Wann  mir  Gott  hinfüro  besser  Ruhe  gönnet.  Wollen  Ihre  fürstl. 
Gnaden  mich  der  Professionis  Eloquentiae  genädig  erlassen,  und 
die  genädige  anordnung  thun,  daß  ich  alle  quartal  den  vierten 
Wieil  meiner  ausstehenden  Besoldung  bekomme,  so  will  ich  ge- 
Hebls  Gott,  alle  post  oder  alle  Woch  ein  stück  von  dem  Werck 
Kefem  biß  daß  es  fertig  ist.  Im  widrigen  Fall  wird  mich  kein 
Christ  verdencken,  daß  ich  ein  ander  Resolution  fasse.  Es  wird 
JÄ  noch  etwa  ein  Stättlein  oder  Dorf  lein  in  Hessen  oder  sonst 
^  Deutschland  seyn,  dem  ich  so  viel  predigen  könne,  das  es  mir 
^ines  Leibs  notthurfftigen  Unterhalt  verschaffe.  Ehe  ich  länger 
^  leben  wolt,  ich  wolt  ehe  ein  Mussquetirer  werden.  Meine 
»öder  in  solcher  arbeyt  zu  führen,  kompt  mich  schwerer  an  alß 
^e  Mousquet  zu  tragen,  und  wo  ist  ein  Mussquetirer  im  Hessen- 
^d,  der  ein  Mont  oder  5  Schildwacht  gestanden,  und  nicht  ein 
Qiahl  ein   Monat   Sold    bekompt?     E.    HochE.    St.    wollen   nach 


318  Wilhelm  Diehl. 

ihrer  beywohnenden  hohen  Discretion  verzeyhen  meines  Hertzens 
Trawrigkeit  welche  mich  auf  diese  desperate  Wort  verleylet. 
Wunsch  derselben  so  viel  Glück,  so  viel  Unglück  und  Unmuths 
ich  empfinde,  und  bleib  mit  gantzem  Hertzen 

E.  HochE.  St. 

verobligirter  treuwer  Knecht,  Diener 

und  Vorbitter  bey  Gott. 

XVII. 
Schreiben  von  Schuppius  an  den  Kanzler  Fabriciiis, 

Anfang   1645. 

(Darmstadt,  Staatsarchiv,  IV,  1,  8.) 
Briefzeygern  hab  ich  zu  meinem  kleinen  Sohn  genommen, 
daß  er  ihn  informire,  und  mir  darneben  etwas  abschreybe.  Nach 
dem  ich  nun  sub  juramento  promittirt,  daß  ich  die  von  Ihre  fürstl. 
Gnaden  communicirte  arcana  niemand  frembdes  communiciren 
wolle,  alß  bitt  ich  nochmals  E.  Excell.  wollen^  zu  Beförderung 
undt  endlicher  Abhelfung  meines  Vorhabens,  Briefzeygern  in 
Handgelübnüs  nehmen  lassen,  damit  ich  Ihm  sicherlich  etwas  ab- 
zuschreyben  geben  könne.  Daran  mich  bishero  mein  gethanes 
eydiiches  promissum  verhindert  hat.  E.  Excell.  seyen  versichert, 
daß  er  solche  Ding  wegen  seiner  Jugend  nicht  verstehet,  und 
als  Ding,  die  zu  seinem  scopo  nicht  dienen,  nicht  hochachten 
wird,  also  daß  ich  keiner  Gefahr  mich  bey  ihm  versehe, 
sondern  nur  mein  Conscientz  wegen  des  gethanen  promissi  li- 
berirt  haben  möchte.  Und  möchte  wünschen,  daß  er,  als  ein  junger 
Mensch  kein  solenne  juramentum  thun  möchte,  sondern  nur  Hand- 
gelübnüs von  ihm  genommen  würde.  Dann  wann  viel  solennia 
bey  ihm  solten  furgehen,  möcht  er  mir  hof fertig  werden,  und 
meynen,  ich  werde  ihn  als  ein  geheymen  Secretarium  tractiren 
müssen,  dazu  ich  bey  diesen  Zeyten  keine  Mittel  hab,  sondern 
mus  mich  selbst  für  mein  eygen  Person  strecken  nach  der  Decken. 
E.  Excell.  wissen  zwar,  was  mein  genädiger  Fürst  und  Herr  zu 
Underhaltung  eines  Amanuensis  gn.  versprochen,  auch  wie  niir 
Ao.  1642  eine  Anweysung  von  füi-stl.  Renteammer  mit  Ihre  fürstl. 
Gnaden  eygnen  Händen  unterschrieben,  gegeben  worden,  über 
34  Rthlr.,  so  mein  erster  Scribent  verzehrt,  allein  ich  hab  nicht 
ein  Weispf.  empfangen,  hab  der  Renteammer  die  Anweysong 
wider  zugestellt.  Daß  ich  nun  von  dieser  Arbeyt  komme,  will  ich 
zu  mehrer  Beförderung,  diesen  jungen  Cärles  selbst  accomodiren. 

2.  Daß  ich  zu  Communication  etzlicher  nothdürftiger  Acten 
gelange,  binn  ich  nochmals  resolvirt,  morgen  mit  auf  Gießen  » 
ziehen  und  mich  in  der  fürstl.  Archiv  ein  wenig  umbzusehen, 
dofern  ich  Beförderung  haben  kann,  etwa  auf  ein  Wagen  für 
meine  person  zu  kommen.  Bitt  E.  Excell.  wollen  durch  Zeygent 
mir  widerantwort  widerfahren  lassen. 

3.  E.  Excell.  gedachten  gestern,  sie  wüsten  keinen  Historicum 
der  auf  solche   Art   und   quasi   per  modum  dialogi  ein  Ding  be- 
schrieben.   Nun  hab  ich  im  Anfang  protestirt,  daß  von  solchen 
Dingen  nicht  zu  judiciren  sey,  biß  es  recht  fertig  sey.    Gott  selbst 


Neue  Beiti'äge  zur  Geschiebte  Schupps.  319 

chuf  im  Anfang  rudern  indigestamque  molem,  darnach  ordinirt 
ind  formirt  er  es.  Was  den  methodum  anlangt,  so  will  E.  Excell. 
ch  etzliche  vornehme  Scribenten  erzehlen,  wann  wir  ferner  zu- 
ammenkommen,  die  sich  desen  gebraucht.  Die  Acta  Apostolorum 
ind  historiae  ecclesiasticae  primitivae  Ecclesiae.  Da  braucht 
dch  der  h.  (reist  selbst  eines  solchen  Methodi,  undt  erzehlt  es 
lem  Theophilo.  Vide  Acta  1,  v.  1.  Eia  solcher  Theophilus  soll 
nir  in  diesem  Fall  der  Lucidor  seyn.  Sed  de  bis  plura  praesenti 
praesens. 

Wünsch    E.    Excell.   eine   glückselige    Zeyt,    und   bleib   mit 
ganzem  Hertzen 

E.  Excell. 
willigster  und   treuwer  Diener. 

XVIII. 

Schreiben  von  Schuppius  an  den  Kanzler  Fabricius, 

Mai  1645. 

(Darmstadt,  Staatsarchiv,  IV,  1,  8.) 

E.  Excell.  hochgeehrtes  Schreyben  ist  mir  vergangenen  Sonn- 
abend wohl  geliefert.  Bedancke  mich  unterdinstlich  und  zum 
allerhöchsten  für  die  verspürte  continuirliche  hohe  Affection, 
werde  mit  nechster  Post  meinem  Genädigen  Fürsten  und  Herrn 
Selbsten  unterthänig  dancksagen  für  das  genädige  Praesent.  Ver- 
sicher Ewer  Excell.,  daß  ich  mein  Lebtag  in  solchen  angustiis 
nicht  gewesen  alß  itzo,  dennoch  aestimir  ich  hoher  ihre  fürstl. 
Gn.  genädige  affection,  und  E.  Excell.  dabey  verspürte  hoch- 
günstige Cooperation,  als  das  Praesent  selbst.  Ist  mir  leyd,  daß 
der  fromme  Fürst  mit  solchen  querelis  bey  diesem  ohne  das  be- 
trübten Zustand  von  mir  importunirt  worden,  allein  wann  mancher 
meinen  Zustand  wüste,  er  würde  mich  gar  leicht  excusirt  halten. 
Ich  hab  auf  die  fürstl.  Anweysung  noch  nicht  einen  pfennig  vom 
^ouomo  empfangen,  und  wann  E.  Excell.  meinen  Unmuth 
wüsten,  sie  würden  sich  nicht  verwundern,  daß  in  diesem  opere 
bistorico  es  etwas  kaltsinnig  hergehe,  und  schlechte  Influentz 
sich  spüren  lasse.    Sed  dabit  Deus  his  quoque  finein. 

E.  Excell.  übersende  ich  hiemit  in  höchster  eyi  diesen  Bogen. 
Bedanck     mich     für     communication     der     Catzenelnbogischen 
Chronick,  welche  ich  mit  Fleiß  durchlesen  hab,  und  den  nechsten 
wider  schicken  will.   Bitt  E.  Excell.  wollen  mir  doch  ferner  com- 
fliiiniciren,    was    ihre    fürstl.    Gnaden    von    Genealogien     haben, 
sonderlich  die,  welche  unser  Poet  Bachmannus  Ihre  fürstl.  Gnaden 
soll  in  Unterthänigkeit  verehrt  haben.    Item  H.   Mylii  laborem, 
und  so  etwa   sonsten  etwas   von  Hessischen    Antiquitäten  vor- 
handen.  Ich  binn  itzo  nur  auf  eueres  bedacht,  Ich  will  es  hinfuro 
eeJiebts  Gott,  wohl  wissen  zu  mustern.    Befehl  E.  Excell.  Gottes 
l^nädigem  Schutz,  bitt  meiner  Eylfertigkeit  gg.  zu  verzeyhen,  Ich 
>Jeib  so  lang  ich  leb 

E.  Excell. 
gantz  ergel)ener  treuwer  Diener 
und  Vorbitter  bey  Gott. 


320  Wilhelm  Diehl. 

Raptim  Marpurg,  Montags  nach  dem  Sontag  Vocem  jucun- 
ditatis,  quam  post  has  miserias  publicas  audire  iterum  patiaUir 
misericors  Dens  1645. 

XIX. 

Schreiben  von  Schiippius  an  den  Kanzler  Fabricius 

vom   13.   Mai   1645. 

(Darmstadt,  Staatsarchiv,  IV,  1,  8.) 

Gestern  hab  E.  Excell.  ich  etwas  uberschickt,  und  dabey  unib 
Communication   etzlicher   Sachen    gebeten.     Sende    hiebey   noch 
einen  Bogen.    Und  erinner  mich,  daß  mir  hiebevor  erzehlt,  daß 
da  die  Sophia  Brabantina  sey  mit  ihrem  Sohn  in  Hessen  kommen, 
da  hab  sich  kein  Ort  so  widerspänstig  gegen  sie  erzeygt  als  Lindeii 
bey  Gießen,  welches  damals  eine  ahnsehnliche  Statt,  Gießen  aber 
noch  ein  Dorf  gewesen  sey.   Da  sey  die  Sophia  sehr  über  die  von 
Linden  entrüstet  worden,  und  sie  mit  Gewalt  überzogen,  und  ihre 
Stattmawren  niederreyßen  lassen.  Des  Dings  hab  ich  in  Discursen, 
auch   damals   alß   ich   peregrinirt  hab,   viel   gehört,    weys  aber 
nicht,   ob  ichs   glauben   soll?    Bitt   E.   Excell.   wollen  mir  doch 
communiciren  lassen,  was  nur  von  alten  schrifftlichen  Documentis 
vorhanden.    Ich  werde   mich  nicht  lang  mehr   hierin  aufhalten, 
sondern    zu    Beschreybung    der    fürstl.    Darmstadischen    Liniae 
schreyten.    Thu  es  aber  nicht  ohn  erhebliche  ührsache,  daß  ich 
diese  Ding  praemittire.    Proxime  plura.    Befehl  E.  Excell.  Gottes 
genädigem  Schutz  und  mich  dero  beharrlichen  Gunst,  verbleih 

E.  Excell. 
gantz  ergebener  treuwer  Diener 
und  Vorbitter  bey  Gott. 

Raptim  Marpurg  am  13.  Maii   1645. 

XX. 

Schreiben  von  Schuppius  an  Maximilian  zum  Jungen 

vom  10.  September  1645. 

(Darmstadt,  Staatsarchiv,  XII,  1Ö4.J 

E.  WohlE.  St.  werden  vielleicht  dencken,  als  ob  der  Favor 
so  mir  für  2  Jahren  mit  der  Lehnung  der  20  Ducate  geschehen, 
Ich  vergessen  hett,  weil  Ich  bißhero  so  still  geschwiegen.  AlleiD 
Ich  hab  von  Tag  zu  Tag  auf  Besserung  gewartet,  und  dieselbe 
will  sich  unter  dem  Marpurgischen  Horizont  nicht  praesentiren, 
deswegen  Ich  zu  anderer  Resolution  binn  getrieben  worden  und 
bitt  E.  WohlE.  St.  wollen  sich  noch  eine  kleine  2^yt  patientiien, 
da  Ich  mein  danckbar  gemüth  im  Werck  selbsten  declariren  will- 

Ich  hab  von  der  Universität  meinen  Abschied  gefordert,  weil 
Ich  als  ein  junger  Mann  so  ohne  Besoldung  nicht  leben  kann.  ^ 
stehen  mir  über  dausent  fl.  Cammergelt  aus,  den  fl.  zu  4  Kopst- 
Weil  Ich  nun  zu  deren  Zahlung  kein  Mittel  sehen  kann,  als  hab 
Ihre  fürstl.  Gn.  ich  gebeten,  daß  es  mir  an  ein  Capital  geschlag^ 
und  mit  Frucht  verpensionirt  werde.  Stehen  mir  etzliche  Gelege^' 
heyte  für,  welche  Ihrer  fürstl.  Gnaden  ich  angedeutet  hab,  ^ua 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  321 

rwarfe  Ihrer  fürstl.  Gn.  Resolution,  ob  sie  mich  etwa  selbst  im 
^and   mit  einem  officio  ecclesiastico  accomodiren  wollen.    Herr 
iandgraf  Johann  begehrt  unter  andern  meiner  zum  Hofprediger, 
illein  die  Wahrheyt  zu  bekennen,  hab  Ich  nicht  gern  mit  Fürsten 
ind  Herrn  zu  thun.    Wann  es  ja  Gottes  Will  were,  daß  ich  im 
lessenland  bleiben  solt,  wolt  ich  lieber  nach  Schmalkalden.  Gott 
Stolle  es   alles   zu   seinen   Ehren   dirigiren.    Vier   Wochen  nach 
ler  Meß  werde  ich  geliebts  Gott  honores  Doctorales  annehmen. 
Veil  nun  mein  Vatter  ad  secunda  vota  geschritten  und  es  aller- 
land  Misverständ  geben,  daß  ich  der  Mittel,  die  mir  Gott  und 
lie  Natur  gegönt  nicht  geniesen  kann,  und  darneben  meine  Haus- 
rauw  in  eine  Schwachheit  gerathen,  daß  Ich  sie  nach  Schwalbach 
ind   von  dannen   ins   Embser   Bahd   hab   schicken  müssen,   als 
binn  ich  genötiget  worden,  mein  Silbergeschirr  zu  versetzen,  und 
darauf  ein  Stück  gelt  zu  entlehnen.    Habs  auch  von  Herrn  Hans 
Georg  Neuwbauwern  empfangen.    Nachdem  er  aber  bericht,  daß 
er  itzo  des  gelts  selbst  benötiget  sey,  und  schreybt,  daß  er  es 
verkaufen  wolle,  mir  aber  durchaus  das  Ding  nicht  feyl  ist,  als 
hab  E.  WohlE.  St.  als  einen  communem  patronum  literatorum 
ich  dinstlich  ersuchen   wollen,    sie   wollen   das    opus   charitatis 
christianae  in  diesem   Nothfall   an  mir  erweysen,   und   g.  Hern 
Neuwbauwer  Anleytung  und  Beförderung  thun,  daß  er  seyn  gelt 
gegen  gebührlich   Interesse   auf   dieß   Pfand   auf   ein  Jahr   oder 
Vi  Jahr  könne  bey  einem  guten  Mann  empfangen.    Ich  will  den 
pechsten  anstallt  machen,  daß  sonderlich  das  was  im  Kästleia 
ist,  wider  ausgelöset  werde.  E.  WohlE.  St.  werden  mich  in  meiner 
andern  zu  Gottes  Ehr  ziehlenden  Intention  hiedurch  mächtig  be- 
fördern, Gott  wird  der  erste  Vergelter  seyn,  und  ich  werde  an 
ineinem  wenigen  Ort  alle  Occasion  suchen,  mein  danckbar  Hertz 
?egen  E.  HochE.   St.   lieben  Angehörige  zu  contestiren.    Bitt  E. 
WohlE.  St.  wollen  dem  nothfall,  darin  mich  amor  patriae  et  boni 
Publici  bracht,  verzeyhen,  und  diese  Bitt  in  bestem  ausdeuten. 
Jch  mag  nicht  gern  haben,  daß  viel  dicentes  davon  geschehe,  wolt 
sonst  E.  WohlE.  St.  nicht  bemühet  haben.    Es  ist  im  Kästlein 
ein  Crantz  von  Perlen,  desen  ich  nach  der  Meß  bey  meiner  pro- 
Daotion   werde   von  nöthen   haben,    wann    jemand    itzo   das   Gelt 
schießen  wolt,  wolt  ich  denselben  nach  der  Meß  mit  so  viel  gelt 
^der  auslösen,  als  er   werth    were.    Befehl    E.   WohlE.    St.   in 
Gottes  g.  Schutz,  neben  allen  deren  lieben  Angehörigen,  und  bleib 

E.  WohlE.  St. 
gantz  ergebener  treuwer  Diener 
und  Vorbilter  bey  Gott. 

In  höchster  Eyl  den  10.  Sept.  1645  in  Marpurg. 


^^^e  t.  Gesch.  d.  Universitäten  Mainz  u.  Gießen.  21 


322  Wilhelm  Diehl. 

XXI. 

Schreiben  von  Schuppius  an  Maximilian  zum  Junge 

vom   17.  September  1645. 

(Darmstadt,  Staatsarchiv,  XII,  154.) 

Wann  ich  jüngst  aus  viel  zu  groser  Confidentz  peccirt, 
ich  unterdinstlich  umb  Verzeyhung.  Die  Noth  darin  mich  a 
virtutis  et  patriae  meae  gebracht  hat,  hat  mich  dazu  genöt 
und  mir  alle  Blödigkeit  benommen.  E.  WohlE.  St.  seyen  ui 
desen  dinstlich  gebeten,  und  continuiren  als  ein  communis  lil 
torum  afflictorum  patronus  ihre  grose  affection  gegen  ra 
Wenigkeyt,  ich  hoff  es,  werde  Gott  balt  Mittel  zeygen,  mein  da 
bar  Hertz  zu  remonstriren.  Mein  jüngste  Bitt,  hatt  zumahl  r 
dahin  gezielt,  ob  wolt  E.  WohlE.  St.  ich  molest  seyn,  son< 
daß  E.  WohlE.  St.  ein  guten  Rath  mittheilen  möchte,  wie  ich 
einem  guten  Mann  zu  dieser  Intention  gelangen  könt?  Herr  N< 
bauwer  schreybt  mir,  daß  er  die  Sachen  verkauffen  wolle, 
sind  sie  mir  gantz  \md  gar  nicht  feyl,  wann  ich  auch  s( 
hundert  Ducate  mehr  dafür  bekommen  sollt,  fals  sie  es  w 
sind.  Dann  ich  nicht  hoffe,  daß  es  in  dem  Zustand  mit  mir 
bleyben  soll.  Succedunt  summis  optima  saepe  malis.  Bitt  < 
nach  E.  WohlE.  St,  unterdinstlich,  sie  wollen  ihre  vielgeltt 
Authorität  interponiren,  und  ihm  H.  Neuwbaur  zureden  las 
daß  er  es  zum  wenigsten  auf  ein  Monat  bey  Juden  oder  Chri 
deponire,  so  will  ich  nach  euserster  möglichkeyt  ander  H 
suchen.  Ich  hab  mein  Wort  von  mir  geben,  daß  ich  m 
6  andern  Licent.  Juris  die  Woche  für  Martini,  Deo  volenlc 
Doctorem  promoviren  woU,  und  werden  andere  enderung  mit 
furgehen,  daß  ich  mich  itzo  nicht  anders  wenden  kann.  E.  Wo 
St.  werden  mich  hierin  hoch  obligiren,  und  Gott  wird  der  e 
Vergelter  seyn,  desen  Schutz  dieselbe  ich  befehl,  und  b 
wie  ich  binn 

E.  WohlE.  St. 
willigster  treuwer  Diene 

Raptim  Marpurg  am  17.  Sept.  1645. 

XXII. 
Schreiben  von  Schuppius  an  Maximilian  zum  Junge 

vom   19.   September  1645. 

(Darmstadt,  Staatsarchiv,  XII,  154.) 

E.  St.  wollen  mir  grosg.  zu  guth  halten,  daß  dieselbe  icl 
vielfaltig  importunire.   Es  ist  mir  sonderlich  hoch  angelegen, 
das  Silbergeschirr  so  ich  H.  Neuwbauwern  oppignorirt,  nicht 
kauft  werde,  und  solt  ich  auch  hundert  Ducate  mehr  dafür 
kommen,  als  es  werth  ist.    Bitt  demnach  E.  St.  nochmals  i 
dinstlichsten,  sie  wollen  ihm  doch  zureden  lassen,  daß  er  es 
Juden  oder  Christen  zum  wenigsten  auf  ein  Monat  lang  verse 
biß  ich  nach  andern  Mitteln  getrachtet.    Ich  will  ihm  Inter« 
davon  geben,  wieviel  er  begehret.   E.  St.  werden  mich  hierin  h 
obligiren,  und  werden  die  erste  Belohnung  von  Gott,  die  an 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  323 

on  meiner  Wenigkeit  zu  erwarten  haben.  Befehl  dieselbe  sampt 
iren  lieben  Angehörigen,  in  den  Schutz  Jesu  Christi,  und  bleib 
ie  ich  binn 

E.  WohlE.  St. 
verobligirter  treuwer  Knecht 
und  Vorbitter  bey  Gott. 
Raptim  JVIarpurg  am  19.  Sept.  1645. 

XXIII. 

Schreiben  von  Schuppius  an  den  Rektor 

vom  1.   November  1645. 

(Gießen,  Universitätsarchiv,  Personalakten  von  Schupp.) 

Ich  hab  vergangene  Nacht  nicht  ein  Aug  recht  zugethan, 
ion  wegen  vielfaltigen  auff-  und  ablaufens  von  Hertzen  mühd, 
ttd  soll  morgen  früh  predigen,  darauf  ich  noch  nichts  meditirt, 
.tt  also  E.  Magnif.  wollen  mich  entschuldiget  nehmen,  daß  der- 
slben  ich  nicht  selbst  ZQ9|Ncecbe.  Berichte  sie  Interim,  daß  in 
esem  Moment  der  H.  Oberf.  Rauw  von  mir  gangen,  der  aus 
jm  Lager  kommen,  und  mich  berichtet,  daß  auf  E.  Magnif.  uber- 
hicktes  memorial,  H.  Generalmajeur  sich  resolvirt  hab,  er  wolle 
e  Academi  nicht  in  diese  Tractate  einflechten,  sondern  sie  bey 
rer  vorigen  freyheit  allerdings  lassen,  auch  derselben  eine 
juwe  Salvagardi  ertheilen  auf  Art  imd  Weys,  wie  sie  selbst  be- 
ihre.  Also  ist  des  Herrn  Oberforstmeisters  Rath,  daß  E.  Magni- 
:entz  communicato  consilio  ein  Modell  einer  wohlclausulirten 
ilvaguardi  aufsetze,  und  sie  ihm  dem  Hern  Oberforstmeister 
rderlich  zusende,  so  werde  sie  von  hochg.  Hern  Generalmajeur 
iterschrieben  und  bekräftiget  werden.  Bittet  darneben  E.  Magnif. 
ollen  eylen  so  viel  immer  möglich,  damit  dieser  kostbare  Gast 
ider  von  diesen  Gräntzen  komme.  Ita  valeat  V.  Magnif.  et 
Qoscat  festinanti,  lassaeque  manui. 

1.  Novembris  1645  Noctu. 

Vest.  M.  ob. 

Schuppius. 

XXIV. 

Schreiben  von  Schuppius  an  Maximilian  zum  Jungen 

vom  14.   Dezember  1645. 

(Darmstadt,  Staatsarchiv,  XII,  154.) 

In  was  für  betrübten  Zustand  die  Statt  und  Universität  Mar- 
urg  geratben,  wird  meinem  hochgeehrten  Hern  bewust  seyn. 
nchdem  nun  nichts  gewissers  zu  erwarten,  als  eine  gantzliche 
^rstrewung  der  Professorum  und  Studenten,  als  hab  ich  mich 
solvirt,  bey  Zeyten  meinen  Abschied  zu  nehmen,  und  hab  den 
Decemb.  die  honores  Doctorales  in  Theologia  angenommen, 
td  darauf  in  Hern  Landg.  Johanns  Dinste  mich  begeben,  und 
-y  ihre  fürstl.  Gnaden  mich  auf  ein  Zeit  lang  für  einen  Hof- 
jediger  und  Inspectorem  uhev  Ihre  fürstl.  Gnaden  angehörige 
irche  bestellen  lassen.    Dörfte  wohl  geschehen,  daß  Ihre  fürstl. 

21* 


324  Wilhelm  Diehl. 

Gn.  halt  ein  ander  Resolution  fasten  und  widerumb  ein  Schwerd 
angürteten,  da  dann  der  gütige  Gott  etwa  ein  ander  örtlein  mir 
zeygen  wird.  Binn  unterdesen  zur  Reyse  gerüst  gewesen,  und  hab 
auf  Francfort  und  vollents  auf  Epstein  reysen  wollen,  alß  ich 
aber  anhero  nach  Gießen  kommen,  hat  Herr  General  Majeur 
Eberstein  mir  hochlich  widerratben,  auf  Francfort  zu  ziehen, 
wegen  der  in  der  Wetterauw  ankommenden  Völcker.  Hab  demnach 
nolens  volens  meine  Reyße  auf  Weilburg  und  Catzenelnbogen 
wenden  müssen.  Werde  aber  den  nechsten  geliebts  Gott  auf  Ep- 
stein und  dann  auf  Francfort  kommen,  da  meinem  hochgeehrten 
Herrn  ich  aufwarten,  und  wegen  desen  vielgeliebten  Sohns,  etwas 
sonderlichs  reden  werde. 

Inzwischen  bitt  meinen  hochgeehrten  Hern  ich  dinstlich,  er 
wolle    die   elende    Zeyt   contempliren,    darin   wir    gerathen,   wir 
Professores  zu  Marpurg  haben  seyt  Ao.  1640  nachdem  die  Wey- 
marisch  und  frantzösisch  Armee  im  Land  gewesen,  alle  euserste 
Mittel  ergriffen,  und  unter  unser  Arbeit  von  dem  unserigen  leben 
und  zehren  mü^en,  und  haben  allzeit  auf  Besserung  gehofft,  nun 
aber  gehet  dem  Faß  der  Bodem  gar  aus.    Ich  und  andere  gute 
leuth,   die  wir  unser  patrimonia  noch  nicht  in  Händen  haben, 
haben  all  unser  Silbergeschirr  versetzt,  daß  wir  uns  fortbracht 
haben.    Und  hab  ich  unter  andern  ein  Kästlein  bey  Herrn  Hans 
Georg  Neuwbauwern  mit  Silbergeschirr,   Ring  und  anderm  Ge- 
schmeyd  versetzt,  welches  ich  zwar  für  einem  Monat  wider  an 
mich   lösen  wollen,   allein   diese   Verwirrunge  sind   darzwischen 
kommen,  daß  es  unmöglich  gewest.    Bitt  demnach  meinen  hoch- 
geehrten Hern  als  eine  vornehme  Regimentsperson  und  berühmten 
fautorem  literatorum,  er  wolle  g.   Hern   Neuwbauwern  zureden 
lassen,  daß  er  in  Gedult  stehe,  biß  in  die  Woche  nach  dem  neuwen 
Jahr,  da  ich  geliebts  Gott  zu  Francfort  seyn,  und  ihm  genungsame 
satisfaction  thun  will,  daß  er  mit  Fug  nicht  zu  klagen  hab.  Daß 
die  Sache  verkaufft  werden,   ist  durchaus  meines   Thuns  nicht 
Und  do  sie  wider  alles  Verhoffen  verkaufft  weren,  muß  ich  sie 
wieder  haben.    Daß  ich  mit  der  Widerauslösung  etwas  verzogen, 
ist  nicht  mir,  sondern  der  eingefallenen  unverhofften  Unruhe  zu 
imputiren.    Hab  E.  St.  hierumb  ersuchen  und  bitten  wollen,  sie 
wollen  ratione  officii  mehrg.  Hern  Neuwbauwern  zu  Gemüth  führen, 
was  in  solchen  unverhofften  Fällen  die  christliche  Lieb  erfordere. 
Und  dofern  H.  Nouwbauwer  nicht  zu  solcher  geringen  ihm  zumahl 
nicht    schädlichen    Gedult    zu    disponiren    were,    will    ich   sein 
H.  Neuwbauwers  Schreiben  zu  Epstein  oder  Braubach  gewärtig 
seyn.    Hab  das  dinstlich  Vertrauwen  zu  E.  St.,  sie  werden  hierin 
mein  hochgeehrter  Beförderer  seyn.    Ich  verbinde  mich  zu  schul; 
diger    Danckbarkeit,    befehl   E.    St.   in   den   Schutz   Jesu   Christi 
und  bleib 

E.  St.  hhg. 
willigster  Diener  solang  ich  leb. 

Raptini  Gießen  den   14.  Decemb.   1645. 


Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Schupps.  325 

XXV. 

Memorial  Schupps  an  den   Ökonomus   der  Universität 
Marburg  von  Montag  nach  Trinitatis   1646. 

(Gießen,  Univ.-Archiv,  Personalakten  Schupps.) 

Memorial  an  den  Herrn  Oeconomum  zu  Marpurg. 

Demselben  wird  ohn  mein  Erinnerung  bewust  seyn,  was 
noch  bey  der  hochlöbl.  Universität  zu  fordern  hab.  Nun  wer 
selbiger  ausstandt  an  zehen  örtern  fast  nötig,  zuAbdielgung 
schulden,  welche  in  der  Universität  Dinsten  zu  machen,  ich  ge- 
iget worden.  Ich  sehe  aber  mit  betrübten  Augen  ahn  den 
iden  Zustand,  darin  die  gute  Universität  versirt,  und  wiewohl 
in  ihre  fürstl.  Gn.  meines  genädigen  Fürsten  und  Herrn  Landg. 
lanns  Dinsten  ich  mich  begeben,  die  Zusag  auf  diese  Con- 
on  fast  eynig  fundirt  gewesen,  daß  ihre  fürstl.  Gn.  bey  ihrem 
m  Bruder  mir  zu  wegen  bringen  wolten,  daß  ich  mein  aus- 
sende Besoldung  empfangen,  meinen  ehrlichen  Namen  lösen, 
ine  Creditores  befriedigen,  und  also  mit  jedermans  gutem  con- 
to von  der  Universität  Abschied  nehmen  könte,  ihre  fürstl.  Gn. 
in  genädiger  Fürst  und  Herr,  Herr  Landg.  Georgen  auch  in 
jener  fürstl.  Person  mir  g.  versprochen,  dieser  des  Hern  Brüdern 
ercession  würcklichen  Platz  einzuräumen,  so  mach  ich  mir 
ch  ein  Gewissen,  dieser  fürstl.  respective  Intercession  und 
Omission  ferner  zu  inhaeriren,  und  also  meinen  hochgeehrten 
«resenen  Hern  CoUegis  dadurch  gleichsam  einen  Abtrag  oder 
aejuditz  zu  machen,  wiewohl  ich  viel  durchtringende  Mittel 
rzu  wüste,  welche,  wann  ich  eygennützig  seyn  wolt,  auf  hoher 
rsonen  ansinnen,  leichtlich  ihren  fortgang  gewinnen  möchten. 
Ich  begehr  es  aber  nicht,  sondern  suche  vielmehr  nach 
Binen  eusersten  Kräfften  der  hochl.  Universität  Conservation  und 
weyterung,  und  wann  ich  es  mit  Wercken  nicht  erreichen  kann, 
11  ichs  thuen  mit  einem  guten  Wunsch. 

Und  erbiete  mich,  wann  der  hochlöbl.  Universität  damit  ge- 
int sey,  daß  nach  geschehener,  itzo  im  Werck  begrieffenen 
ser  geschwisterlichen  Erbtheylung  ich  all  mein  vätterlich  und 
itterlich  Erbguth  feyl  bieten,  und  zu  Gelt  machen  wolle,  was 
Gelt  zu  machen  sey,  und  wolle  Ehrng.  Universität  ein  halb 
usent  Gülden,  mehr  oder  weniger,  in  diesem  ihrem  betrübtem 
istandt,  an  Gelt  oder  Wein  oder  andern  Victualien  fürst  recken, 
t  der  Condition,  daß  sie  mein  ausstehend  Besoldung  diesen 
0  oder  mehr  fl.  addiren,  und  mir  für  die  gantze  Summ  etzliche 
ter  eingeben  wollen,  davon  ich  mein  pension  für  dieß  capital 
leben  könne. 

Solche  guter  eygenthumhlich  an  mich  zu  bringen,  trage  ich 
denckens.  Dann  es  geyst liehe  guter,  und  gemeyniglich  mit 
rcken  clausulis  vermacht  sind,  daß  sie  nicht  ad  profanos  usus 
len  verwendet  werden.  Also  stell  ich  zu  der  hochlöbl.  Univer- 
it  Consideration,  ob  sie  solche  Güter  als  ein  Pfandlehen,  mir, 
iner  Hausfrauwen  und  unsern  Leibserben  auftragen  wollen, 
o  daß  wir  derselbigen  Zevt  unsers  Lebens  an  Statt  der  Pension 


3i(t  Wilhelm  Diehl:  Neue  Beilrftge  Eur  Geschichte  Schnpp«. 

geniesen  sollen.  Wann  es  aber  nach  Gottes  Willen  sich  zutiüge, 
daß  ich  oder  meine  Hausfraw  ohne  Leybserben  sterben  sollm, 
so  solle  die  Helfft  des  Capitala  der  Universität  gescbenckt,  die 
übrige  HelfFt  aber  meinen  rechtmesigen  Erben  bezahlt,  nndt  also 
die  verpfändele  Lehengüter  der  Universität  wider  zagefallen  seyn. 

DieQ  faab  zu  des  Hern  Oeconomi  Privatinformation  ich  obiter 
andeuten  und  bitten  wollen,  er  ivolle  sich  gefallen  lassen,  mit 
ihre  Magnif.  wie  auch  den  H.  Decanis  daraus  za  commoniciien 
und  meiner  orklärung  auch  was  für  guter  zu  benennen  seyn, 
ferner  zu  erwarten. 

Raptiin  Montag  nach  Trin.   1646  in  Marp. 
Salvo 

I.  B.  Scfaapp. 

(Bitte  dieß  mein  übel  concipirtes  projekt  zu  seiner  infonnitiaB 
zu   behalteil  und  niemand  verständiges   zu  zeygen  in  originilL 

NB.  mit  dem  davon  wir  gestern  gered  haben,  wolle  der  Hni 
Schw.  so  lang  inhalten,  biß  ich  sehe,  ob  dieser  Vorschlag  fortgebe;} 


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ar  Geschichte  des  Pennalismus  in  Marburg  und 
Gießen. 

Von  Wilhelm  Martin  Becker. 


Die  Darstellung  des  akademischen  Lebens  früherer  Zeiten 
[  von  jeher  als  ein  wichtiger  Zweig  der  Kulturgeschjcht- 
hreibung  betrachtet  worden.  Denn  sie  lehrt  das  Leben 
les  Volksteiles  kennen,  der  sich  von  altersher  bis  heute 
sondert  hat  von  der  großen  Masse  des  Volkes,  der  aber 
its  seinen  Nachwuchs  aus  den  Besten  des  Volkes  ent- 
inimen  hat,  und  der  mehr  als  einmal  an  erster  Stelle, 
!ts  aber  in  bedeutungsvoller  Weise  an  der  Entwicklung  der 
iltur  teilgenommen  hat. 

Es  verlohnt  sich  aber  nicht  nur,  die  großen,  allgemeinen 
ge  des  akademischen  Lebens  kennen  zu  lernen,  sondern 
r  können  hier  die  Erscheinung  wahrnehmen,  daß  bei 
er  Gle'ichheit  im  großen  und  ganzen  die  einzelnen  Hoch- 
lulen  individuelle  Züge  tragen,  daß  sich  auf  dem  Boden 
r  einer.  Universität  das  Leben  in  ganz  anderer  Weise 
Spielt  als  in  einer  anderen  Musensladt,  daß  die  hohen 
hulen  durch  den  herrschenden  Ton,  durch  Sitten.  Bräuchf^ 
Deinander  sich  abheben.  Mag  das  Fluktuieren  der  stu- 
ntischen  Bevölkerung,  der  Wechsel  der  Professoren  noch 


:HS  Wilhelm  Marlin  Becker. 

soviel  von  den  Zügen  der  akademischen  Einzelphysiognomie 
verwischen,  der  Einfluß  einzelner  überragender  Persönlich- 
keiten, die  Stellung  zur  Behörde,  die  Tradition  einzelner 
lokaler  Gebräuche,  endlich  die  Einwirkung  der  bürgerlichen 
Bevölkerung  der  Universitätsstadt  hat  stets  dafür  gesorgt,  daß 
keine  Hochschule  der  andern  gleich  war,  daß  —  wie  Goethe 
sagt  —  „jede  der  deutschen  Akademien  eine  besondere 
Gestalt**  behielt.»  Daher  wird  es  auch  weiterhin  dem  Kul- 
turhistoriker von  Wert  sein,  zu  beobachten,  wie  die  großen 
Züge  der  Entwicklung  ini  kleinen  Einzelbilde  leicht  variiert 
wiederkehren,  denn  durch  diese  Einzelheiten  wird  das  Ge- 
samtbild erst  lebensvoll. 

Diese  Betrachtung  mag  es  rechtfertigen,  wenn  ich  ver- 
suche, hier  zur  Geschichte  des  Pennalwesens  auf  der  hessen- 
darmstädtischcn  Landesuniversität  zu  Marburg  und  Gießen 
einen  Beitrag  zu  liefern,  zu  dem  meist  ungedrucktes  Material 
benutzt  werden  konnte.    Auch  hier  werden  Einzelzüge  stär- 
ker hervortreten,  die  man  bisher  im  Bild  des  Ganzen  wenig 
beachtete,  wie  ja  überhaupt  die  Erforschung  dieser  abson- 
derlichen Kulturerscheinung  noch  an  vielen  Punkten  zu  wün- 
schen übrig  läßt.    Unter  dem  Pennahvesen  oder  dem  Pen- 
nalisnuis    ist   bekanntlich   ein   besonders    im    17.    Jahrhun- 
dert  blühender   Brauch   zu   verstehen,    der   darin    bestand, 
daß  die  älteren  Studenten  die  jungen  Ankömmlinge  („Pen- 
näl(**'  oder  ,, Pennäler**)  ein  Probejahr  durchmachen  ließen. 
ehe  sie  ihnen  durch  die  „Absolution**  die  Rechtsgleichheil 
mit  (Um  älteren  zugestanden.    In  diesem  Probejahr  waren 
sie  den   älteren  Burschen  zu  allerlei  Dienstleistungen  ver- 
pflichtet, nuißten  Quälereien  nach  deren  Belieben  ertragen, 
ihnen  Geld  zn  Schmausereien  spendieren;  ja  schon  äußer- 
lich  mußten   die   Neulinge   ihre    niedere   Stellung   dadurch 
zum  Ausdruck  bringen,  daß  sie  in  schmucklosen,  zerrissenen 
Kleidern  einhergingen,  keinen  Degen  trugen  usw.    Der  Kampf 
der  Beh(")rd(Mi  jregen  die  Auswüchse  dieses  Brauches  reicht 
vom  Beginn   dos  Jahrhunderts   bis   weit  in   dessen  zweite 
Hälfte  h'nuMn;  einen  ausschlaggebenden  Erfolg  konnte  er  erst 
um   1  ()()()   vorztMchnen. 

1. 

Der  Pennalismus  in  Marburg  nach  dem  Übergang 
der  Universität  an  Hessen-Darmstadt 

Im  Jahre  1()24  ergriff  Landgraf  Ludwig  V.  auf  Grund 
kaiserlichen  Urteils  Besitz  von  der  Universität  Marburg,  die 

^  xVus  iiH'iiM'in  Li'Im'II,  sK'listes  Buch. 


Zur  Geschichte  des  Pennal ismus  in  Marburir  und  Gießen.         3!JV 


330  Wilhelm  Martin  Becker. 

zwei  Jahrzehnte  lang  unter  der  alleinigen  Leitung  des  Land- 
grafen Moritz  von  Hefesen-KafjSel  gestanden  hatte.  Dieser 
Eingriff  bedeutete  für  die  Universität  mehr  als  den  bloßen 
Wechsel  des  fürstlichen  Erhalters.  Durch  rücksichtslose  Eat- 
lassung  einer  Anzahl  von  Professoren,  die  dann  nach  der 
Suspension  der  Gießener  Universität  von  dorther  ersetzt 
wurden,  erhielt  die  Marburger  Hochschule  einen  gänzlich 
veränderten  Charakter;  vor  allem  trat  sie  aus  der  Reihe 
der  reformierten  in  die  der  lutherischen  Hochschulen  über. 
Auch  die  Studentenschaft,  die  sich  zur  Zeit  der  Neuorgani- 
sation fast  ganz  verloren  hatte,  rekrutierte  sich  jetzt  mehr 
aus  lutherischen  Gebieten;  bald  konnte  Marburg  wieder  eine 
für  die   Kriegszeit  ansehnliche  Frequenz   aufweisen. 

Ein  Erbe  hatte  diese  Studentenschaft  von  früher  her 
in  die  neuen  Verhältnisse  übernommen,  ein  Erbe,  das  sich 
sowohl  von  Altmarburg  wie  von  Gießen  herschreiben  konnte, 
den  Pennalismus. 

Das  Pennalwesen  ist  in  Marburg  bereits  im  Beginn  des 
17.  Jahrhunderts  nachweisbar^;  eingeschritten  ist  der  Mar- 
burger Rektor  gegen  pennalistische  Formen,  die  „Pennal- 
schmäuse**  und  die  „Tischrückungen",  bereits  1610^  Und 
in  Gießen  findet  sich  der  Pennalismus  schon  in  der  Grün- 
dungszeit der  Hochschule.*  Sind  das  gleich  Anfänge,  die 
iroch  nicht  auf  eine  allgemeine  Einführung  pennalistischer 
Bräuche  schließen  lassen,  so  nahm  doch  bis  1624  die  Sache 
bereits  derart  zu,  daß  die  Universitätsbehörden  zu  ernsten 
Maßregehi  gedrängt  wurden. 

Gerade  in  den  ersten  Jahren  der  neuorganisierten  Mar- 
burgcr  Hochschule  schien  es  nun,  als  ob  der  Mißbrauch  des 
Pennalismus  nicht  einzudänunen  sei,  wenn  nicht  anders 
als  bisher  vorgegangen  würde.  Es  sind  die  Jahre,  in  denen 
der  nachmals  berühmte  Johann  Balthasar  Schupp  in  Mar- 
burg zu  studieren  begann,  und  was  er  vom  Pennalwesen 
sagt  —  er  kommt  ja  in  seinen  Schriften  öfters  darauf  zu 
sprechen  — ,  das  beruht  meist  auf  eigener  Marburger  Er- 
fahrung.^ 


-  Das  Scliiinpfwort  „Pennal"  wird  bereits  im  Protocollum  acad.  Mar- 
pnrg.   von   KJÜo  (Marburger  Universitätsarchiv)  erwähnt. 

^  Catalopus  studiosorum  Marpurg.  ed.  Caesar,  Bd.  IV  der  Buchao^ 
«labc  (1887).  S.  57 ff. 

*  Vergl  meine  Ausführung  in:  Mitteilungen  des  Oberhess.  Geschichls- 
\ereins,   XI   (1902),   S.   83. 

s  „Der  unterrichtete  Student"  (Lehrreiche  Schriften,  II,  408f.,  der 
Ausj:.  V.  1719):  „Von  der  Einbildung*'  (ebenda,  I,  540f.);  „Der  Freundin 
der  Noht"  (Neudruck,  Halle  1878,  S.  57)  u.  a. 


Zur  Geschichte  des  PeDnalismus  m  Marburg  und  Gießen.         331 

Die  Rektoratsakten  jener  Zeit  sind  nur  lückenhaft  vor- 
handen; aber  wir  können  doch  feststellen,  daß  am 
26.  August  1626  und  wieder  am  9.  Dezember  1627  Edikte 
(Programmata)  der  Universität  gegen  den  Pennalismus  er- 
gingen.« Wie  wenig  damit  erreicht  wurde,  ersehen  wir  aus 
der  Tatsache,  daß  um  die  folgende  Fastnacht  junge  Pennale 
sich  vor  den  Zumutung^i  verkleideter  älterer  Studenten 
nur  durch  schleunige  Flucht  von  Marburg  nach  Gießen, 
netten  konnten.' 

Aus  den  vorhandenen  Quellen  ersehen  wir,  daß  sich  der 
Pennalismus   damals   in   den  typischen   Formen   abspielte: 
„vexationes  et  exactiones,  quibus  novitii   studiosi   a  vete- 
ranis  impetuntur**.     Die  Pennale  wurden   gezwungen,   den 
älteren  Studenten,  namentlich  beim  Eintritt  in   die  Tisch- 
gesellschaft (Introitus,  Akzeßschmäuse),  mit  Speise  und  Trank 
reichlich  aufzuwarten,  selbst  wenn  sie  zu  diesem  Zwecke 
Bücher  und  Kleider  verpfänden  mußten ;  dazu  kamen  allerlei 
Verhöhnungen    und    Vexationen.     Wurden    die    Täter   ver- 
nommen, so  gaben  sie  vor,  es  habe  sich  nicht  um  die  ver- 
botenen Pennalschmäuse  gehandelt,  sondern  um  harmlose 
Schmause  oder  Zechereien.     Die  Pennale  selbst  aber  ver- 
rieten ihre   Quäler  auch  nicht. 

Die  Universitätsbehörde  suchte  dem  Unwesen  zu  steuern 
durch  Androhung  der  Relegation  mit  der  Verschärfung,  daß 
das  Relegationspatent  gedruckt  und  den  Eltern  und  Heimats- 
behörden des  Relegierten  überschickt  werden  sollte.  Von 
einer  Ausführung  dieser  Drohung  ist  in  diesen  Jahren  jedoch 
nichts  zu  bemerken. 

Ober  die  Stellung  der  jungen  Studenten  zu  den  älteren 
herrschten  nämlich  in  den  Kreisen  der  akademischen  Lehrer 
Anschauungen,  die  zwar  nicht  den  Mißbräuchen  des  Penna- 
Usmus  Berechtigung  zugestanden,  wohl  aber  ihrer  Grundlage, 
dem  Glauben  an  die  verschiedene  Rangstellung  der  jungen 
^nd  alten  Studenten,  zustimmten.  So  wird  selbst  in  den 
Scharfen  Verboten,  die  gegen  das  Pennalwesen  ausgingen, 
öicht  eine  Gleichstellung  aller  Studenten,  die  doch  unter 
gleichen  Gesetzen  stehen  und  gleiche  Privilegien  genießen 
Sollten,  erstrebt,   sondern   den  älteron  Studenten  wird   ein 

•  Konzept  des  letzteren  von  Feurborns  Hand  im  Gießener  Ijniversi- 
^Isarchiv.  Am  15.  Sept.  1626  schreibt  der  alte  Prof.  Mcntzcr  an  Konrad 
IHeterich  in  Ulm,  er  könne  von  Dietorichs  in  Marburg  studierendem  Sohn 
^ie  Namen  derer  nicht  erfahren,  die  ihn  pennalisiert  hätten.  Er  ist  für 
»Delegation;  ein  Programm  ist  angesclilagen.  ,,Es  mangelt  aber  oft  der 
l^ken  an  einem  guten  klüpfel."  (Or.  Staatsbibl.  München,  Deutsche 
Hdschr.  [Cgnt]   1255,  Bl.  326.) 

'  Catal.   8tud.   Marp.    IV,    199.     Erlaß   dagegen   von    V.    Cal.    Mart. 


332  Wilhelm  Martin  Becker. 

höheres  Ansehen  zugesprochen,  dem  die  jungen  Achtung 
schulden.  Das  Edikt  von  1627  verlangt  daher  von  den 
novitii :  „ut  in  vera  animorum  suorum  submissione,  seposito 
omni  fastu  superciliosoqne  spiritu,  veteranos  studiosos  ob- 
servent  et  honorent  et  suo  se  pede  metientes,  ta  tSia  pie 
agant**.  Man  will  also  den  älteren  Studenten  nicht  ihr  Vor- 
recht nehmen,  sondern  nur  dessen  Mißbrauch  abwehren. 
Es  ist  der  tiefeingewurzelte  Begriff  der  Standeszugehörigkeit, 
der  Abstufung  der  Stände,  der  hierin  seinen  Ausdruck  findet, 
derselbe  Begriff,  den  die  Studenten  von  ihrer  Seite  ebenfalls 
geltend  machten,  wenn  sie  das  Pennaljahr,  den  „Status**, 
von  den  Neulingen  verlangten.  Wie  in  so  vielen  Ständen 
der  Aufnahme  eines  neuen  Mitgliedes  eine  Probezeit  voraus- 
gehen mußte,  so  hielt  man  sie  auch  hier  bei  dem  selbstbe- 
wußten und  bevorzugten  Burschenstand  für  unumgänglich. 

Hinzu  kam,  daß  die  Pennale  doch  oft  sehr  jugendlich 
waren,  und  daß  man  es  seit  alter  Zeit  für  notwendig  ge- 
halten hatte,  jeden  einzelnen  in  Abhängigkeit  von  einem 
älteren  Studenten,  dem  praeceptor  privatus,  zu  halten.  Da 
war  es  natürlich,  daß  an  eine  Gleichberechtigung  aller  Stu 
deuten  auch  damals  noch  nicht  gedacht  wurde. 

Die  Erfahrungen,  die  man  mit  dem  Pennalwesen  gemacht 
hatte,  finden  natürlich  auch  ihren  Ausdruck  in  dem  großen 
Statutenwerk,  an  dem  in  Marburg  seit  einigen  Jahren  ge- 
arbeitet wurde,  und  das  1629  in  Kraft  trat  So  schloß  man 
an  den  aus  Philipps  des  Großmütigen  akademischen  Gesetzen 
entnommenen  Paragraphen  gegen  die  Verführung  junger  un- 
erfahrener Studenten  zu  Ausschweifungen®  folgende  neue 
Bestimmung  an  (Titulus  LXX\^  §  24) :  „Quicunque  novitios 
studiosos  contumeliis  male  consuetis  affecerint,  ad  compo- 
tationes  vulgo  Peamalschmeuse  dictas,  quocunque  titulo 
velentur,  sive  in  initio  sive  in  medio,  sive  in  fine  primi  ip; 
sorum  anni  academici  ullo  modo  provocarint  et  eiusmodi 
symposiis  interfuerint,  ii  et  praesertim  exactores  et  authores 
istorum  symposiorum  non  tantum  omnes  istos  sumptus  statini 
refundant,  sod  etiam  pro  ratione  circumstantiarum  pu- 
blice relegentur  et  relegationes  istae  typis  impressae  in  cuius- 
que  relegati  patriam  transmittantur**. 

Hierzu  fügte  man  noch  ein  Verbot  der  Introitus-  oder 
Akzeß-  und  der  Valete-Schmäuse  sowie  der  Nötigung  zü 
großen  Geburtstagsfeiern  usw. 

Wie  verfuhr  man  nun  in  der  Praxis?  Wenige  Tage 
vor  der  öffentlichen  Publikation  der  Bestimmungen  (Leclio 

•'*  Hildebrand,  Urkundensammluug  über  die  Verfass.  u.  Verw.  d. 
Univ.  Marburg  (1848),  S.  27 :  „Novicium  vcl  qucmvis  alium **. 


Zur  Geschichte  des  Pennalismus  in  Marburg  und  Gießen.         333 

;um),  die  in  Marburg  am  1.  Juli  stattzufinden  hatte,  kam 
i  Fall  vor,  der  uns  das  Verfahren  der  Universitätsbehörden 
istriert.  Am  17.  Juni  wurden  einige  Studenten,  die  von 
nnälen  ein  „Symposium**  erpreßt  hatten,  zum  Ersatz  der 
>sten  verurteilt I  Der  Rektor  fühlte  selbst,  wie  wenig 
jse  „Strafe**  den  Drohungen  entsprach,  in  denen  sich  die 
iherigen  Edikte  ergingen,  und  fügte  in  den  Annalen  wie 
tschuldigend  hinzu :  „.  .  .  et  gravius  etiam  fuissent  puniti, 
;i  intervenientes  circumstantiae  aliquam  mitigationem 
stulassent**.»  Die  in  der  Statutenbestimmung  befindliche 
atertür  war  also  benutzt  worden. 

Wahrscheinlich  kam  diese  lächerliche  Bestrafung,  die 
;entlich  gar  keine  war,  auch  dem  Landgrafen  Georg  II. 
Ohren,  wenigstens  erging  von  ihm  am  24.  Juni  ein 
hreiben  an  die  Universität^^:  Man  habe  mit  Bedauern  er- 
iren,  daß  das  Unwesen,  das  durch  die  neuen  Wörter 
ennäl,  haußpennäl,  pennäl-  und  absolvirschmäuse**  be- 
lehnet  werde,  auch  in  Marburg  einreiße.  Er  sei  ent- 
blossen,  es  in  seinem  „seminario  ecclesiae  et  reipublicae** 
cht  zu  dulden.  Ein  mitgeschicktes,  vollzogenes  und  be- 
Jgeltes  fürstliches  Edikt  solle  den  Studenten  den  Ernst 
igen;  es  solle  daher  neben  dem  zur  Lectio  legum  ein- 
lenden   Rektoratspatent   öffentlich   angeschlagen   werden. 

Was  hierauf  die  Universität  tat,  zeigt  deutlich,  daß  die 
ihonung,  die  man  soeben  im  Einzelfalle  gezeigt  hatte,  nicht 
isnahme  war,  sondern  System;  man  wollte  keine  strengen 
Eißregeln  gegen  die  Übertreter  ergreifen.  Die  Universität 
hrieb  nämlich  am  1.  Juli  an  ihren  Landesherm:  Inner- 
ilb  weniger  Tage  seien  etliche  Pennalschmäuse  derart  hart 
«traft  worden,  daß  manche  daran  Anstoß  nähmen;  die 
corbitanten  hätten  mit  Handschlag  an  Eidesstatt  Besserung 
irsprochen  ( —  also  war  keiner,  wie  im  Gesetz  vorgesehen, 
legiert  worden  I).  Das  „Häuserstürmen**  sei  erst  einmal 
►rgekommen,  der  Tumult  durch  den  Rektor  gestillt  worden. 
3ute  habe  man  den  Eifer  des  Landgrafen  den  Studenten 
nstlich  vorgeistellt  und  ein  Patent  abgefaßt,  worin  die  in 
ii  neuen  Statuten  angedrohte  Strafe  publiziert  werde.  Das 
likt  des  Fürsten  habe  man  noch  nicht  angeschlagen 
d  bitte,  daß  es  unterbleiben  dürfe.  Als  Grund  für  diesen 
iderstand  gegen  einen  fürstlichen  Befehl  gibt  das  Begleit- 
ireiben  des   Rektors  Feurborn  an:   die  in   den  Statuten 


*  Catal.  stud.  Marp.,  Fasz.  XV  (od.  Falckeiihcincr),  Marburger  Pro- 
nm   1888,  S.  7f. 

1"  Dieses  und  die  folgenden  Schriftstücke  befinden  sich  im  Gießener 
ersitätsarchiv. 


334  Wilhelm  Martin  Becker. 

festgesetzte  und  die  in  dem  fürstlichen  Edikt  angedrohte 
Strafe  stimmten  nicht  überein.  Letztere  sei  eine  Verschär- 
fung, da  von  gefänglicher  Haft  und  von  Leibesstrafe  die 
Rede  sei.  Diese  Drohung  könne  sich  nur  auf  notorische 
Kriminalfälle  beziehen,  nur  für  diese  sei  ja  die  fürst- 
liche Jurisdiktion  zuständig,  über  alle  sonstigen  Ver- 
gehen habe  die  Universität  zu  befinden. 

Das  war  deutlich;  die  Universität  verbat  sich  hiermit 
die  wohlgemeinte  fürstliche  Einmischung  unter  geschickter 
Berufung  auf  ihr  Exemtionsprivileg.  Und  sie  hatte  Erfolg: 
am  12.  Juli  nahm  Landgraf  Georg,  dem  es  sehr  darauf  an- 
kam, keine  Rechte  der  schwererkämpften  Universität  zu  ver- 
letzen, sein  Edikt  zurück.  Es  blieb  also  beim  alten,  und 
die  „Pennalputzer"   hatten  wieder  freie   Hand. 

Das  im  Schreiben  des  Senates  erwähnte  Universitäts- 
edikt wurde  dann  unterm  19.  Juli  gedruckt  und  angeschlagen. 
Es  richtet  sich  gegen  die  gewöhnlichen  Pennalqnälereien 
und  Erpressungen,  daneben  aber  auch  besonders  gegen  eine 
Spielart  des  Pennalismus,  gegen  die  Verfolgung  der  „Haus- 
pennäler**. 

Mit  diesem  Namen  bezeichnete  man  diejenigen  Stu- 
denten, die  aus  der  Universitätsstadt  selbst  gebürtig  waren 
und  in  ihr  studierten,  ohne  jemals  auf  anderen  Universi- 
täten gewesen  zu  sein.  Ihnen  standen  nach  damaliger  stu- 
dentischer Anschauung  die  Vorrechte  des  Studenten  nicht 
zu,  und  zwar  deshalb,  weil  das  älteste  aller  deutschen  aka- 
demischen Privilegien,  die  Authentica  Habita  des  Kaisers 
Friedrich  Barbarossa  nur  auf  solche  Studenten  sich  be- 
zieht, die  ihrer  Studien  halber  die  Gefahren  einer  Reise 
auf  sich  genommen  Jiaben.^^  Ihnen  pflegten  die  übrigen 
Studenten  ihre  Mißachtung  wie  den  Pennalen  durch  Angriffe 
und  Beschimpfungen  zu  zeigen.  Gegen  diese  auch  sonst 
verbreitete,  in  Marburg  aber  besonders  stark  auftretende 
Erscheinung  richtete  sich  im  Edikt  vom  19.  Juli  die  bezeich- 
nende Bestimmung: 

„Quicunque  sive  studiosos  iuniores  vocitaverint  pennales 


11  Vergl.  hierzu  Schupp,  Vou  der  Einbildung  (Lehn.  Schriften,l719. 

1,  54 Ij,  die  Gießener  Denkschrift  von  1659/60  (z.  B.  bei  Schöttgen,  Gesch. 
^.  Pennalwesens  [1747J,  48,  womit  sich  dessen  Erklärung  des  Wortes 
„Hauspennal**.  S.  18,  erledigt).   Aber  auch  Juristen  waren  gleicher  Ansicht, 

2.  B.  Horatius  Lutius,  Tractatus  de  privilegiis  studentium,  Franoof.  1625. 
S.  231.  D(»r  Gießener  Professor  Liebenthal  betont  dagegen  in  seiner  1620 
l^ehalter.en  Disputation  de  privilegiis  studiosorum,  daß  nicht  nur  Aie 
studiorum  causa  pereprinantes,  sondern  auch  die  in  patria  academia  slu- 
diorum  gratia  commorantes  die  Rechte  der  Auth.  Hab.  genießen;  desgl. 
schon  Petrus  Rebuffus,  Privilegia  universitatum,  Francoi   1575,  S.  S45L 


Zur  Geschichte  des  Pennalismus  in  Marburg  und  Gie&en.         335 

aliisque  iniuriosis  scommatibus  aut  etiam  verberibus  affe- 
cerint,  sive  nostros^^  aut  dorn,  consiliariorum  officialiumque 
ac  reliquorum  incolarum  civiumque  filios  appellitav^rint  pen- 
nales  domesticos,  Haußpennäler,  aliisque  indignis  mo- 
dis  eos  tractaverint,  hi  pro  ratione  circumstantiarum  gra- 
vissime  punientur". 

Im  übrigen  wurde  in  diesem  Programme  das  erwähnte 
Statut  in  Erinnerung  zurückgerufen,  sodann  aber  auch  die 
Pennäler,  die  zu  den  Schmausen  die  Kosten  beitrugen,  mit 
Relegation  oder  i —  pro  circumstantiarum  ratione  —  mit 
Karzer  bedroht;  dabei  wird  wiederum  nicht  vergessen, 
die  jugendlichen  Studenten  zur  schuldigen  Achtung  vor  den 
älteren  zu  mahnen. 

Aber  der  Erfolg?  Im  November  desselben  Jahres  resi- 
dierte Landgraf  Georg  selbst  im  Marburger  Schlosse;  es 
konnte  ihm  nicht  entgehen,  daß  der  Unfug  so  arg  wie  nur 
je  war.  Wir  merken  noch  den  Unmut  über  jene  Abweisung 
seiner  Hülfe  im  Juni,  wenn  er  am  14.  November  die  Uni- 
versität auffordert,  doch  nun  auch  selbst  Ordnung  zu  halten, 
wenn  sie  dann  die  Hülfe  seiner  Regierungsorgane  abweise. 
Gegen  zwei  Studenten,  die  auf  dem  Markt  vor  dem  Haus 
des  Ökonomen  „selbst  und  durch  ihre  bey  sich  gehabte 
jungen  tmnultuirt,  agirt  und  agiren  lassen**  (es  handelte  sich 
wieder  um  Aktionen  gegen  Hauspennäler),  mußte  in  der 
Tat  jetzt  einmal  scharf  verfahren  werden.  Sie  wurden  re- 
legiert i*;  aber  es  darf  billig  bezweifelt  werden,  ob  dies 
auch  geschehen  wäre,  wenn  sich  der  Landgraf  nicht  um 
die  Sache  gekümmert  hätte. 

Warum  ließen  es  die  Professoren  aber  auf  dieses  Ein- 
greifen des  Fürsten  ankommen? 

Erstens  scheinen  Klagen  aus  den  Reihen  der  Pennale 

Selten  gewesen  zu  sein.     Denn  die  Rangordnung,  die  das 

Pennaljahr  verlangte,   war  ihnen   so   in   Fleisch    und   Blut 

übergegangen,   daß   sie   sich   dagegen    nur   ausnahmsweise 

einmal  auflehnten,  in  den  meisten  Fällen  aber  ihre  Peiniger 

'^icht  anzeigten.     Sie  fürchteten  mit  Recht,  am  Ende  des 

Jahres  nicht  „absolviert**  zu  werden  und  dann  nie  für  voll 

^U  gelten.     Hinzu  kam  bei  manchen  wohl  auch  die  Lust, 

^s  später  anderen  ebenso  zu  machen.     So   konnte  es  nur 

in  krassen  Fällen  Klagen  geben. 

Ferner  aber  sahen  die  Professoren  ein,  daß  es  erfolglos 
^ein  würde,  wenn  sie  scharf  eingriffen.    Das  Ergebnis  mußte 


1*  Also  die  Professorensöhne ! 

12  Vergl.  Catal.  stud.  Marp.  XV,  13. 


330  Wilhelm  Martin  Becker. 

sein,  daß  die  Freunde  des  Pennalismus  sich  auf  andere  Hoch- 
schulen begaben.  Rottete  man  in  Marburg  den  Mißbrauch 
aus,  so  wurden  die  dortigen  Studenten  selbst  in  höheren 
Semestern  auf  anderen  Universitäten  als  Pennale  behandelt 
So  hören  wir  bereits :  Die  Studenten  haben  verlauten  lassen, 
daß  die,  welche  hier  die  bräuchlichen  Schmause  nicht  geben, 
sie  auf  andern  Universitäten  geben  müssen.  So  gut  war 
die  Studentenschaft  bereits  in  sich  organisiert,  daß  diese 
Kontrolle  in  der  Tat  möglich  war.  Der  Senat  war  daher 
der  berechtigten  Meinung,  daß  nur  ein  gemeinsames  Vor- 
gehen aller  deutschen  Universitäten  Erfolg  verspreche. 

Hiermit  im  Zusammenhang  stand  ein  persönlicher 
Grund.  Vertrieb  man  wirklich  durch  zu  strenges  Verfahren 
die  Studenten,  so  sank  mit  der  Frequenz  das  Ansehen  der 
Universität  und  das  Einkommen  der  Professoren  aus  ihrer 
Stellung  als  Tischwirte  und  aus  ihren  teuren  Privatkollegien. 

Daher  ließ  man  in  der  nächsten  Zeit,  wie  es  scheint, 
das  Pennalwesen  wieder  unangetastet**,  bis  man  in  der 
Lage  war,  einen  großen  Schlag  dagegen  zu  führen 

II. 

Marburgs  Anteil 
an  der  Gründung  des  Universitätskartells. 

Wie  wir  sahen,  wirkte  der  Pennalzwang  von  Universität 
zu  Universität,  so  daß  nicht  leicht  einer  durchschlüpfen 
konnte,  da  von  einer  Hochschule  zur  anderen  Mitteilungen 
über  die  Pennale  sich  verbreiteten.  Demnach  war  die  Or- 
ganisation des  Studentenbrauchs  im  Vorteil  gegenüber  den 
stets  nur  lokal  wirkenden  Maßregeln  der  Senate.  Nur  eine 
«lemeinsame  Aktion  aller  Universitäten  konnte  hier  helfen. 
Diesen  Gedanken  hatte  Professor  Feurbom  als  Rektor  seinem 
Landesherrn  gegenüber  bereits  1629  ausgesprochen,  und  er 
ließ  ihn  auch  in  der  Folgezeit  nicht  los.  Im  FrühHng  1633 
machte  er  eine  Reise  nach  Kursachsen.  In  Wittenberg  nahm 
ihn  der  Professor  Hülsemann,  ein  Marburger  Doktor  der 
Theologie,  freundlich  auf»'',  und  Feurbom  benutzte  seinen 
Aufenthalt   in   der  angesehensten  lutherischen   Universität, 


1^  Nur    1632   tritt   boi   einer  Relegation  unter  vielen   anderen  Ver- 
gehen auch  der  Pennalisrnus  als  Grund  auf  (Catal.  stud.  XV,  32).    ^^^ 
in  dem  Edikt  vom  5.  Mai  1633  wird  bei  der  Einführung  der  hessischen    | 
Hußtagf    förniHcli   mit   den   Pennalschmäusen   gerechnet:   ,,quos   (dies)  .  • 
sancte  observabilis,  a  compotationibus  quibuscunque,  maxime  vero  iis,  quas 
.1  novitiis   studiosis  deposcitis,  abstinebitis  .  .**. 

^'*  Seelen,   Deliciae  epistolicao  (1729),   S.  92 ff. 


Zur  Geschichte  des  Pennalismus  in  Marburg  und  Gießen.         337 

n  seine  Idee  eines  Zusammenschlusses  wenigstens  der 
niversitäten  dieses  Bekenntnisses  gegen  den  Pennalismus 
ngehend  mit  den  dortigen  Professoren  zu  besprechen.  ^*^ 
Wahrscheinlich  ist  es  seinem  Zureden  zuzuschreiben,  daß 
enige  Wochen  nachher  die  Universität  Wittenberg  den 
rsten  Schritt  tat  zur  Ausführung  des  Kartellgedankens. 
ektor  und  Senat  von  Wittenberg  wandten  sich  am  8.  Mai 
S33  an  die  Universitäten  Marburg,  Helmstädt,  Frank- 
irt  a.  0.,  Leipzig,  Jena,  Straßburg,  Altdorf  und  Königs- 
erg*" mit  dem  Vorschlag,  sich  gegen  den  Pennalismus  zu- 
ammenzuschließen ;  jeder  Student,  der  von  jungen  Studenten 
Iwas  erpresse  oder  sie  stark  tribuliere,  solle  nicht  nur 
on  der  einzelnen,  sondern  von  allen  Universitäten  relegiert 
«in.  Jedes  Programma  relegationis  solle  daher  allgemein 
mgeschlagen,  auch  an  seine  Eltern  überschickt  worden, 
lach  wird  empfohlen,  daß  ein  Versprechen,  sich  vom  Penna- 
ismus fernzuhalten,  in  das  Inunatrikulationsgelöbnis  auf- 
;enommen  wird.  Der  Marburger  Senat  war  etwas  rniß- 
rauisch  gegen  die  übrigen  Universitäten;  man  befürchtete, 
laß  „die  relegirte  sauff-  und  schmaußbrüder  nicht  weniger 
in  ein  oder  andern  orth  wegen  etwa  privatrespecten  auf- 
ind  angenommen  und  gedultet  werden**  könnten,  und  man 
vollte  doch  nicht  durch  eigene  Strenge  den  andern  Uni- 
versitäten die  Studenten  zutreiben.  Immerhin  äußern  die 
Warburger  Professoren  —  in  Übereinstimmung  mit  ihrem 
-•andgrafen  —  ihr  Einverständnis  mit  dem  Wittenberger 
Vorschlag,  wenn  nur  möglichst  viele  Universitäten  gewonnen 
werden  könnten.  Für  das  einzuhaltende  Verfahren  macht 
iiarburg  weitere  Vorschläge:  nur  die  Universität,  von  der 
ier  Delinquent  relegiert  worden  ist,  soll  das  Recht  haben, 
ihn  wieder  aufzunehmen;  stelle  sie  ihm  aber  ein  testimonium 
factae  receptionis  aus,  so  solle  ihn  jede  Kartelluniversität 
wieder  aufnehmen  müssen.  Doch  dürfe  diese  Amnestie 
nicht  zu  bald  geschehen  und  nur  gegen  schriftliche  An- 
erkennung, keinen  Pennalismus  mehr  zu  treiben  oder  von 
neuem  relegiert  zu  sein.  Bei  Rückfälligen  soll  die  Rezep- 
Won  um  so  schwieriger  sein,  je  häufiger  Rückfälle  vorge- 
kommen seien.    Zu  solchem  Verfahren  sei  jedoch  volle  Ein- 

i€  Feurbom  an  Dieterich,  ohne  Datum  (Cgni.  1258,  Bl.  101):  „1683 
•■».da  ich  zu  Wittenberg  hiervon  [Vereinigung  der  Universitäten]  sorgfältig- 
fch  handelte". 

"  Idi  Staatsarchiv  Damistadt  (Landesuniv.,  K.  9)  befindet  sich  das 
^^hreiben  an  Marburg,  sowie  Abschriften  der  weiteren  Akten;  ob  Königs- 
berg und  Altdorf  mit  den  and(jrn  Universitäten  ganz  gleichzeitig  Anschrei- 
ben erhielten,  ist  nicht  völlig  sicher. 

Bcitrige  s.  Gesch.  d.  Univenitäten  Mainz  u.  Gießen.  22 


338  Wilhelm  Martin  Becker. 

mütigkeil  des  Senats  erforderlich;  daher  wird  eine  Mar- 
burger Bestimmung  von  1628  zur  allgemeinen  Einführung 
empfohlen,  nämlich:  kein  Rektor  darf  allein  oder  privatim 
über  einen  Studenten  erk<^nnen,  sondern  nur  mit  dem  Senat 
(consistorium),  und  falls  es  sich  um  den  Tischgenossen  eines 
Professors  handelt,  ist  der  letztere  von  den  Verhandlungen 
auszuschließen.  Ein  gewisser  Gesamtbeschluß  aller  verbün- 
deten Hochschulen,  meint  Marburg  weiter,  müsse  zur  allge 
meinen  Kenntnis  gebracht  und  bei  der  Immatrikulation  mit- 
geteilt werden.-  Schließlich  betont  der  Marburger  Senat  aus 
Kenntnis  der  Verhältnisse:  „Es  muß  auch  die  angedräwte 
straff  denen  exorbitirenden  ohn  ansehen  der  persohn  unauß- 
bleiblich  infligirt  und  von  allen  steiff  und  fest  darüber  ge- 
halten werden.  Sonsten  würde  dieß  heilsame  werck  wieder 
ein  loch  gewinnen  und  nur  zur  beschimpfung  der  universi- 
teten  gerathen*'. 

Diese  endlich  im  September  1633  an  Wittenberg  abge- 
sandte Antwort  blieb  ohne  Gegenäußerung.  Über  Marburg 
wie  über  Wittenberg  kam  mancherlei  Drangsal  durch  Pest 
und  Krieg,  imd  die  Kartellangelegenheit  drohte,  in  Vergessen- 
heit zu  geraten.  Doch  Feurborn  behielt  sie  im  Auge  und 
bestürmte  in  wiederholten  Briefen  den  Wittenberger  Pro- 
fessor Hüls(Mnann,  sie  weiterzuführen." 

x\m  2.  Mai  1636,  fast  drei  Jahre  nach  dem  ersten  Aus- 
schreiben, komite  Wittenberg  seine  Ergebnisse  dem  Mar- 
burger Senat  unterbreiten.  Gleichzeitig  sandte  es  einen  Ent- 
wurf der  künftigen  Kartellstatuten  mit,  die  von  allen  Univer- 
sitiiten  gleichzeitig  in  Kraft  zu  setzen  und  auch  durch  den 
Huchhaiidel  zu  verbreiten  seien.  —  Straßburg  hatte  sich 
damals  noch  nicht  geäußert,  was  den  Marburger  Theologen 
Sorge  maclit(\  Feurborn  und  sein  Kollege  Hanneken  hatten 
deshtdl)  bewegliche  Briefe  an  den  dortigen  Theologen  SchmW 
geschrieben  und  auch  auf  Umwegen  Straßburg  zum  Beitritt 
zu  treiben  tresucht.  Trotzdem  dort  im  Kreise  der  Professoren 
selbst  sich  Widerstand  gellend  machte,  erklärtv?  denn  auch 
Stxaßbur«:  und  das  ist  offenbar  Marburgs  Verdienst  —am 
23.  Mai  1()3()  seinen  Beitritt  zur  Übereinkunft.^^ 

^^^  ljiisc}iul<lii!e  Xachrichtoii   17 IS.  S.  410. 

li'  r«Mjrl)(>rn  au  Diot^-rirli,  Cjini.  125«,  Bl.  101,  98.  Auch  Dieterich 
wird  um  Liilorstülzutig  des  Anliegens  in  Straßburg  gebeten.  „Ich  l»t)f 
keinen  söhn  auff  dieser  weit  mehr",  schreibt  Feurborn,  „und  gleichwohl  las* 
ich  mir  zur  ehr  jzottes  und  zum  besten  meines  nehesten  diß  werck  seiff 
zu  htTlzen  «iehen.  Dan  solanjz  dem  pcnnalleuffel  nicht  gowehret  ^4 
.solang  werden  redlicher  eitern  kinder  uff  universiteten  getödtet  oder  w 
verwundet,  oder  ie  in  ihren  studiis  verhindert  und  umb  viel  gelts  gebniclit 
Vergl.   auch   iSchmids  Brief:   Seelen,  Deliciae,  S.   70—73. 


'-~'j 


Zur  Geschichte  des  Pennah'smus  in  Marburg  und  Gießen.         339 

Aus   den  Antworten  der  einzelnen   Universitäten   ent- 
nehmen wir,  daß  völliges  Einverständnis  mit  den  Vorschlägen 
Wittenbergs    zunächst    bei   Jena,   Altdorf   und   Königsberg 
herrschte;  auch  Frankfurt  konnte,  obgleich  die  Universität 
sich  zurzeit  auf  der  Flucht  in  Küstrin  befand,  ihre  und  ihres 
Kurfürsten  Zustimmung  erklären.    Straßbiirg  war  ebenfalls 
einverstanden,     beantragte    jedoch,     gleichzeitig    mit    der 
Tochter,  der  Pennalputzerei,  auch  deren  Mutter  (,,oder  doch 
zum  wenigsten  pennalismi  occasio**),  die  Deposition,  abzu- 
schaffen.   Helmstädt  nahm  den  Gedanken  des  Zusammen- 
schlusses  am   eifrigsten  auf  und   suchte   die   Organisation 
durch  positive   Vorschläge  zu   bereichern.     Der  dort  herr- 
schenden versöhnlichen  Tendenz  zufolge  wünscht  der  Senat 
nicht  nur  eine  Übereinkunft  in  der  Pennalangelegenheit,  son- 
dern aufrichtiges  Vertrauen  unter  den  Universitäten  herge- 
stellt zu  sehen,  so  daß  ärgeniiserregende  Streitigkeiten  aus- 
geschlossen seien;  am  besten  sei   es,  eine  Konferenz  von 
llniversitätsvertretern  einzuberufen.    Auch  in  den  speziellen 
Vorschlägen  zeigt  sich  die  milde  Gesinnung  der  Helmstädter: 
die  erste  Relegation  eines  Studenten  soll  noch   nicht  für 
alle  Kartelluniversitäten  Gültigkeit  haben ;  auch  bei  infamen 
Vergehen,   auf   die  Helmstädt   die    Übereinkunft  ausdehnen 
will,  soll  eine  Relegation  anfangs  nur  für  die  verurteilende 
Universität  gelten,  und  selbst  bei  Rückfälligen  soll  auf  Für- 
sprache oder  glaubwürdigen  Nachweis  der  I3ess(»nmg  Resti- 
tution möglich  sein,  allerdings  soll  dann  bei  nochmaligem 
Rückfall  ewige  Relegation  von  allen  Hochschulen  die  Folge 
sein.    Eine  bessere  Kontrolle  versprach  sich  Helmstädt  von 
der  Einführung  eines  Abgangszeugnisses  (ähnlich  der  heu- 
Wgen  „Exmatrikel**),  das  einen  Vermerk  über  das  Betragen 
(bene,  mediocriter  usw.)  enthalten  soll,  und  ohne  das  kein 
Student  die  Hochschule  wechseln  darf. 

Eigentlichen  Widerstand  leistete  dem  Wittenberger  Vor- 
schlag nur  Leipzig,  damals  die  meistbesuchtt*  deutsche 
Universität.  Der  dortige  Senat  erklärte,  was  aniTv^strebt 
Werde,  habe  man  in  Leipzig  längst:  Relegation  und  Ex- 
klusion als  Strafe  für  Peiinalismus.  Man  sei  bereit  zur 
Anerkennung  der  Relegationen  von  Wittenberg,  mit  dem 
ohnehin  enge  Reziehungen  beständen,  halte  aber  weiteres 
für  bedenklich.  Für  Kursachsen  genügten  die  bestehenden 
Maßregeln,  und  ohne  Zustimmung  aller  Landesherren  könne 
^nan  nichts  tun.  Wittenberg  nahm  diese  Sonderbündelei 
Glicht  tragisch  und  meinte,  durch  sein  Abkoni!n<*n  mit  Witten- 
^«rg  stehe  Leipzig  ohnehin  im  Einverständnis  gegen  den 
gemeinsamen  Feind. 


340  Wilhelm  Martin  Becker. 

In  Marburg  blieb  das  Wittenberger  Schreiben  mit  seinen 
Beilagen   den   Sommer   1636   über   liegen;   die   Angst  und 
Aufregung    über     die     schwedisch -niederhessische    Brand- 
schatzung ließ  es  wohl  nicht  zu  ruhiger  Erwägung  kommen. 
Im  September  aber  erklärte  Marburg  mit  Genehmigung  des 
Landesherrn   seine   völlige   Zustimmung.     Gern   habe  man 
gesehen,  fügt  Marburg  hinzu,  daß  auch  Erfurt  eingeladen 
werde.    Wenn  man  des  dortigen  Professors  Meyfart  kürzlich 
erechienenes   Buch   betrachte 2",   „darinn   er   gleichwol,  wie 
wir  eusserlich  berichtet  worden  sind,  die  andern  teutschen 
universiteten  wegen  des  bißhoro  gelittenen  pennalismi  allzu- 
hart  angestochen    haben   sol**,   so   werde   dessen    Tendenz 
jedenfalls  doch   zum  Beitritt  führen,   „ohnerachtet  was  D. 
Meyfartus   in    excessu   verübelt  haben   mag**.     Da   Leipzig 
wohl  seine  Beilenken  fallen  lassen  werde,  so  bestände  die 
Übereinkunft    denn    schon    aus    zehn    Universitäten.    Man 
könne  daher  die  beabsichtigten  Gesetze  publizieren,  selbst 
wenn  sich  die  noch  fehlenden  Hochschulen  (Rostock,  Greifs- 
wald, Tübingen  und  Rinteln)  nicht  anschließen  sollten.    Unter 
den  Marburger  Vorschlägen  zur  Umgestaltung  des  Statuten- 
entwurfs ist  hervorzuheben,  daß  noch  immer  die  Notwendig- 
keit betont  wird,  die  jungen  Studenten  zur  Ehrfurcht  vor 
den  älteren  zu  erziehen.-*  — 

Jetzt  trat  wieder  eine  große  Pause  in  den  Verhandlungen 
ein.  Erst  am  1.  Oktober  1638  antwortet  Wittenberg  auf 
Marburgs  Schreib-en:  Tübingen,  Greifswald,  Rostock,  Rin- 
teln und  Erfurt  haben  wegen  der  Kriegsgefahr  noch  nicht 
benachrichtigt  werden  können;  es  soll  aber  nicht  mehr  ge- 
wartet werden,  sondern  die  Leges  —  deren  umgearbeiteter 
Entwurf  beifolgte  —  sollen  am  1.  Januar  1639  allerseits 
publiziert  werden. 

Es  klingt  recht  unwahrscheinlich,  daß  es  der  Universität 
Wittenberg  innerhalb  zweier  Jahre  nicht  gelungen  sein  solfc 
die  Erfurter  Hochschule  in  Kenntnis  von  ihren  Absichten 
zu  setzen,  während  das  soviel  entferntere  Marburg  benach- 

-"  Gemeint  ist  die  „Christliche  Erinnerung  von  der  auß  den  Evan^ 
lischou  Hochen  Schulen  in  Teutschland  ...  entwichenen  Ordnungen  t 
Schloißingen  1636**.  Vielleicht  hat  das  Erscheinen  dieses  gerade  durch 
seino  Cbertreibungen  Aufsehen  erregenden  Buches  die  Wittenberger  Cd»* 
versität  erst  wieder  zu  positivem  Handeln  angeregt;  vergl.  die  ErwähnoDS 
in  der  Einleitung  des  schließlich  zustande  gekommenen  Statuts  („^oü  »od^ 
illi   lihri ;   teruntur  rnultorum  manibus  feruntque  applausum"). 

-1  Nebenbei  sei  ein  Vorschlag  erwähnt,  der  sich  an  jenen  Helinstiilt«^ 
anschließt,  al>er  weit  über  ihn  hinausgeht :  die  ständige  Einführung  ^ 
schiedsgerichtlichen  Verfahrens  bei  Streitigkeiten  unter  lutherischen  G^ 
lehrten.     S.  Festschrift  der  Univ.  Gießen,  I,  249. 


L   f 


Zur  Geschichte  des  Pennalismus  in  Marburg  und  Gießen.         341 

richtigt  werden  konnte.  Wir  haben  es  offenbar  mit  einer 
Ausrede  zu  tun;  die  Wahrheit  liegt  anderswo.  Die  kur- 
sächsischen Theologen  wollten  mit  der  Universität,  an  der 
Meyfart  entscheidenden  Einfluß  besaß,  nichts  zu  tun  haben. 
Meyfart,  der  sich  ja  allerdings  in  starken  Cbertreibungen 
und  unberechtigten  Verallgemeinerungen  bewegt,  hatte  die 
maßgebenden  Kreise  Sachsens  so  vor  den  Kopf  gestoßen, 
daß  nicht  nur  sein  Buch  im  Kurfürstentum  konfisziert  wurde, 
sondern  die  Theologen,  besonders  der  Hofprediger  Hoe  von 
Hoenegg,  Gegenschriften  vorbereiteten-,  worauf  Meyfart  den 
Hofprediger  ebenfalls   persönlich  angriff.-^ 

So  schied  für  die  Sachsen  die  Universität  Erfurt  aus; 
doch  blieben  noch  immer  neun  von  den  vierzehn  lutherischen 
Universitäten  im  Einverständnis,  und  mit  der  Publikation 
der  Gesetze  brauchte  nicht  mehr  g'.»wartet  zu  werden.  In 
diesem  Sinne  schrieb  Marburg  noch  am  12.  November  1638 
an  Wittenberg ;  alles  schien  gemäß  der  Verabredung  zu  ver- 
laufen. 

Es  möge  hier  gestattet  sein,  auf  den  Inhalt  der  Gesetze 
einen  Blick  zu  werfen,  deren  Publikation  vorb(T(»itet  wurde, 
und  namentlich  Marburgs  Einfluß  bei  ihrer  (iestaltung  fest- 
zustellen.»* 

Die  Einleitung  stammt  aus  dem  Wittenberg(»r  Entwurf. 
Sie  gibt  eine  Schilderung  des  Mißbrauchs,  den  die»  unter 
dem  Namen  Studenten  auf  den  Hochschulen  sich  aufhal 
tenden  unfähigen  Drohnen  (inertes  fuci)  und  träg(4i  Tiere 
(pecus  ignavumj  an  den  Neulingen  üben.  Der  üble  Zustand 
sei  offenbar  ein  Werk  des  Teuft^ls,  der  die  guten  Studien 
zu  vernichten  trachte.  Daher  habe  er  os  soweit  gebracht, 
daß  in  ganz  Deutschland  die  Universitäten  von  diesem  Vor- 
fall ergriffen  wurden.  Die  Anstrengungen  der  Bc^hörden  auf 
den  einzelnen  Hochschulen  seien  vergeblich  gewesen,  und 
schon  sei  es  dahin  gekommen,  daß  die  deutschen  Uni- 
versitäten in  Mißachtung  gerieten.  Das  könne  nuni  aus 
bekannten  und  beifällig  aufgenommenen  SchriftiMi  („nee  certe 
auctorum  futilium**)  sehen;  schon  hätttMi  hervorragende 
Fürsten  einzelne  rniversitälen  geradezu  in  Verruf  erklärt.-^ 

*-  Tholuck,  Lebonszougen  der  luth.  Kircho  (1859),  S.  213;  vergl.  auch 
Thüluck,  Akad.  Loben,  I  (18o3i.  S.  278f. ;  Scliötttion.  Ferinalwescii,  S.  .VJf. 

-3  Schöttgen.  S.  4  f. 

-*  Ich  benutze  den  Wortlaut  des  Marburger  Druckes  (Sociannn  (Jer- 
^iMiniac  academianiin  leges  et  statuta  de  Pennal ismo.  quem  vocant.  tetra 
ilU  et  noxia  quam  plurimorum  malorum  lerna,  universaliter  abrogando 
^  extirpando,  Marpurgi  Cattorum  1639}  und  die  Akten  des  Staatsarchivs 
IWmstadt. 

,Sic   principes  maximos  audimus  censura  publica  academias  no- 


ii> 


342  Wilhelm  Marlin  Becker. 

Um  den  guten  Namen  den  Universitäten  wiederzugewinnen, 
müsse  man  mit  vereinten  Kräften  vorgehen.  Zu  diesem 
Zwecke  habe  man  sich  auf  Einladung  und  unter  Führung 
der  Universität  Wittenberg  auf  bestimmte  Leges  geeinigt, 
die  man  hienuit  publiziere.  Hierauf  folgen  die  elf  Gesetzes- 
artikel. 

Im  ersten  Artikel  wird  verboten,  von  den  Novitii  Geld 
oder  Gasterei  zu  erpressen  oder  abzulocken,   ihnen  etwas 
zu  rauben  oder  abzunehmen,  sie  mit  Schimpf  und  Schlägen 
zu   traktieren   oder   sonstwie   zu    quälen     oder   auch   dazu 
Beihülfe  zu  leisten.    In  diesen  Fällen  darf  der  Rektor  nicht 
allein  erkennen  (vergl.  Marburger  Vorschlag  von  1633),  son- 
dern nur  der  gesamte  Senat,  dem  nichts  verheimlicht  werden 
darf.     Sind   die   Angeklagten   Tischburschen   oder   Hausge- 
nossen eines  Senatsmitglieds,  so  darf  dieses  nicht  mitver- 
handeln,   um  Beeinflussungen  zu  vermeiden   (ebenfalls  ein 
Marburger  Gedanke). ^^  —  In  diesem   Artikel   hat   Marburg 
einen  Zusatz  zu  dem  Wittenberger  Entwurf  von   1636  er- 
wirkt, der  zeigt,  welche  Bedeutung  dem  erwähnten  Brauch, 
die  „Hauspennäler**  zu  quälen,  gerade  in  Marburg  beigelegt 
wurde;  zu  dem  Begriff  „novitii**  ist  ausdrücklich  zugefügt; 
„sive  aliunde  accesserint  academias  sive  in  iis  nati  atque 
ad  literarum  cultum  ibi  a  suis  educti  fuerint**.    Auch  die 
Verallgemeinerung  des  Begriffes  der  Quälerei :  „aut  quans 
ratione,   quocunque   loco  ac   tempore   exagitasse**   ist  Mar- 
burger Zusatz.     Ebenfalls  auf  Marburger  Antrag,  der  einer 
direkten   Mahnung   Landgraf  Georgs"   Folge   leistete,  geht 
die  Stelle  zurück,  die  ein  Mißtrauensvotum  gegen  die  Rek-   ; 
toreri  enthält,  indem  sie  den  Professoren  gegenüber  einem 
allzu  nachsichtigen  Rektor  selbständiges  Vorgehen  zur  Pflicht 
macht.^** 

Die  beiden  folgenden  Artikel  sind  inhaltlich  durch  Mar- 
burger Abänderungsvorschläge  nicht  beeinflußt;  sie  ent- 
sprechen jedoch  dem  oben  mitgeteilten  Marburger  Statuten- 


lasso nonnullas  atque  sie  quasi  in  mari  scopulos  aut  pestilentia  funesU 
loca  praecepisse   vitandas." 

^^'  „Nc  si  is  lenius  forte  ac  mitius  de  suis  (quibus  non  pauci  faven' 
semper  assolent)  statuat  aut  ilectat  in  diversa  alios,  si  sit  facundus  ac 
eloquenb,  aut  libere  decernendi  potestatem  eripiat  iis,  apud  quos  su» 
autoritate   phirinuim   valet." 

27  An  die  Universität  Marburg,   1G36  Sept  29. 

28  „Nunquani  autem  nee  connivebit  quicquam  rector  aut  dissimulabit 
huiusmodi,  nee  etiam  alios  patietur  id  facere.  Si  fiat  tarnen  (quod  minime 
futurum  existinianius),  reliqui  professores  sui  quemque  sedulo  monebont 
officii  dabuntque  operani,  ut  rei  ac  sontes  pro  legum  ratione  mature  *c 
sine  mora  puniantur." 


Zur  Geschichte  des  Pennalismus  in  Marburg  und  Gießen.         'SAH 

ikel.  Artikel  II  bestimmt:  die  dem  Novitius  verursachten 
isfen  sind  von  den  Urhebern  zu  ersetzen;  letztere  sind 
ne  jede  Rücksicht  zu  relegieron,  je  nach  dem  Grad 
s  Vergehens  auf  mehr  oder  weniger  Jahre,  so  daß  die 
delsführer  am  schärfsten  bestraft  werden,  die  Mitläufer 
i  geringsten.  Nach  Artikel  III  müssen,  wie  dies  in  Mar- 
rg  schon  früher  angedroht  war,  die  Relegationspatente 
Iruckt  und  Exemplare  davon  in  die  Heimat  der  Relegierten 
jchiclct  werden. 

Vor  allem  aber  müssen  -^  nach  dem  vierten  Artikel  — 
j  verbündeten  Universitäten  Abzüge  dieser  Patente  er- 
Iten,  um  sich  vor  der  Aufnahme  Relegierter  hüten  zu 
nnen.  Die  Rädelsführer  und  Hauptteilnehmer  an  Peimal- 
lionen  müssen  für  bestinunte  Zeit  von  allen  Universitäten 
sgeschlossen  bleiben;  die  Mitläufer  und  Verleiteten  aber 
rfen  von  den  anderen  Hochschulen  aufgenommen  werden, 
mn  sie  der  Behörde  ein  Bekenntnis  ihrer  Schuld  und  das 
^sprechen  abgeben,  sich  in  Zukunft  von  derartigem  fern- 
ihalten.  Hier  ist  ein  Marburger  Zusatz  in  das  Gesetz  auf- 
nommen,  der  zeigt,  wie  ernst  man  es  dort  mit  der  prak- 
ichen  Durchführung  des  Gesetzes  meinte  und  wie  man 
«halb  Hindemisse  aus  dem  Wege  zu  räumen  suchte:  Der 
npfang  des  Relegationspatentes  muß  den  Absondern  be- 
ätigt  werden;  bleibt  die  Bestätigung  aus,  so  muß  die  ah- 
ndende Universität  annehmen,  daß  die  Sendung  verloren 
gangen  ist,  und  sie  von  neuem  ausfertigen.-^ 

Auch  im  fünften  Artikel,  der  im  ersten  Entwurf  fehlte, 

ideii   wir   einen   Marburger   Gedanken    verwendet:    wenn 

11  Teilnehmer  eines  Pennalschmauses  nachweislich   nicht 

iißte,  daß  es  ein  solcher  war,  so  ist  er  nicht  mit  [Relegation 

bestrafen. 

Dagegen  gibt  Artikel  VI  bereits  im  Wittenberger  Ent- 
Jrf  den  Sinn  der  Ilelmstädter  Vorschläge  von  1638  wieder, 
f  die  wohl  schon  die  mildere  Bestimmung  des  Artikels  IV 
rückzuführen  ist.  Vorher  waren  von  der  sofortigen  Wieder- 
fnahme  die  Rädelsführer  ausgeschloss(»n  word(»n.  Jetzt 
ißt  es,  auch  ihnen  dürfte  nicht  alle  Hoffnung  genommen 
Tden.  Doch  könne  die  Restitution  nur  von  der  Universität 
llzogen    werden,    von    der   die    Relegation    ausgesprochen 


^•'  „Sociao  vero  acadeiniae,  simulac  arxopcrint  huiusincHli  litera,s, 
}ondebunt  statim  ac.  significabunt  roclc  fuiss<»  perlatas.  Quo,  si  detine- 
jr  alicubi  forte  aut  intorc(?ptac  penitus  sint,  ox  ipso  silcntio,  quid  iis 
um,  constare  queat,  utque  submitti  aliae  possint,  quae  priorum  partibus 
logantur.  Atque  baec  ratio  in  aliis  quoque  negotiis,  u})i  roinrnunica^ 
e  quadam  opus  f?st,  observabitur.** 


344  WiUielni  Martin  Becker. 

sei;  und  diese  müsse  ein  schriftliches  Zeugnis  darüber  ai 
stellen.  Die  Verzeihung  darf  nicht  alsbald  gewährt  werde 
sondern  nach  reiflicher  Erwägung;  der  Relegierte  muß  vorh 
eine  Bescheinigung  über  Besserung  seines  Lebenswandc 
beibringen,  und  vornehme  Leute  müssen  Fürbitte  für  il 
einlegen  und  gewissermaßen  Bürgschaft  für  ihn  übernehme 
Wird  er  dann  wieder  rückfällig,  so  ist  er  von  allen  Univt 
sitäten  dauernd  auszuschließen. 

Damit  kein  Student  Unkenntnis  des  Gesetzes  vorwend 
könne,  bestimmt  Artikel  VII  die  Aufnahme  eines  geg< 
den  Pennalismus  gerichteten  Verspr3chens  ins  Immatrik 
lationsgelöbnis.30  Im  achten  Artikel  werden  die  Pedelh 
zur  Aufspürung  und  Anzeige  der  „pennalisationes**  vc 
pflichtet,  im  neunten  die  Rektoren  angewiesen,  durch  d 
ordentliche  Obrigkeit  auf  die  Gasthalter,  Wirte  usw.  eil 
zuwirken,  damit  sie  Pennalschmäuse  weder  bereiten,  noc 
dazu  helfen  bei  Verlust  ihrer  Auslagen  und  bei  Stra'fe. 

Der  zehnte  Artikel  schärft  den  Universitätsbehörde 
ein,  von  jeder  Relegation  „quamcunque  ob  causam",  di 
Kailelluniversitäten  zeitig  zu  benachrichtigen  (vergl.  Hein 
Städter  Vorschlag),  damit  der  Relegierte  bei  seiner  Ankiini 
auf  einer  anderen  Hochschule  schon  bekannt  ist  und  übei 
wacht  werden  kann.  Dreimal  Relegierte  sollen  auf  keine 
Hochschule  mehr  aufgenommen  werden;  dasselbe  gilt  vo 
den  cum  infamia  Exkludierten.  Schließlich  ward  bestirnnr 
(Artikel  XI),  daß  für  diese  Gesetze  die  Zustimmung  un 
Autorität  derjenigen  Obrigkeit,  unter  der  die  Universiti 
stehl,  erwirkt  werden  soll. 

Die  Universität  Marburg  hatte  ihren  Landgrafen  übe 
die  Verhandlungen  stets  auf  dem  laufenden  gehaltei 
Georg  II.  ließ  daher  am  gleichen  Tag,  an  dem  das  Kartei 
Statut  in  Marburg  publiziert  wurde  (l.  Januar  1639),  ein 
Verordnung  im  Druck  erscheinen,  worin  er  die  (iesetze  Ik 
stätigte  und  im  Sinne  des  Artikels  IX  die  Lieferung  voi 
Speise  und  Trank  zu  den  Pennalschmäusen  verbot,  soga 
unter   Androhung    von   Leibesstrafe.^^ 

•'*"  WdIiI  auf  Marburgs  Antrag  wurde  hier  das  Wort  iurisiurandi  J^ 
auctoranienti  verwandelt,  mit  dem  Zusatz  „prout  recepta  admittit  ratio" 
in  Marburji;  wurde  hei   der  Aufnahme  kein  Eid  geleistet. 

31  D(»s  . . .  Herrn  Georgens,  Landgrafens  zu  Hessen  . . .  Confinnatioj 
und  Bestättigung  desjenigen  Statuti,  welches  mit  seiner  f.  gn.  Vorbewo» 
und  Consens  dero  Universität  zu  Marpurg  sambt  andern  consentirendeo 
Acadenüeri  in  Teutschland  zu  Abschaffung  deÜ  eingerissenen  schädlicb* 
Pennalunwesens  auffgerichtet  ....  Marpurg  1639.  Wie  aus  der  Verordnung 
S.  11  her\'<)rgeht,  war  gerade  vorher  ein  Fall  gefährlicher  Vennindun^ 
aus  Anlaß  des  Pennalismus  vorgekommen. 


Zur  Geschichte  des  PennaÜsmos  in  Marburg  und  Gießen.         345 

Parturiunt  montes  —  entsprach  der  Erfolg  den  Maß- 
regeln?   Daß  ein  halbes  Jahr  später  der  Kampf  gegen  den 
Pennalismus  in  Marburg  noch  dauerte,  zeigt  eine  Rede  des 
Rektors  SchragmüUer,  mit  der  er  die  statutenmäßige  Lectio 
legum  am  1.  Juli  einleitete.^*    Sie  betont  die  Notwendigkeit 
der  gemeinsamen  Aktion  gegen  den  Pennalismus.     Und  an 
die    Marburger    Spezialität,  das  Hauspennälertum,    werden 
wir  erinnert,  wenn  es  der  Rektor  auch  bei  dieser  Gelegen- 
heit für  nötig  erachtet,  die  Anwendbarkeit  der  Authentica 
Habita  auch  auf  die  non  peregrini   zu  erweisen,    die  „vel 
in  academiis  nati  et  educati  vel  ultra  milliare  patriam  ab 
academia  dissitam  non  habentes**.     In   rhetorischer  Weise 
greift  er  nochmals  den  Pennalismus  an,  der  mit  den  ärgsten 
Namen  bezeichnet  wird.    Also  nichts  Neues,  denn  die  Aktion 
gegen  den  Pennalismus  war  ja  auch  bisher  stets  mehr  rhe- 
torisch als  praktisch  gewesen. 

Für  die  nächste  Zeit  fehlt  es  uns  an  Material  üb<?r  die 
Wirkung  des  Pennaledikts;  es  steht  uns  daher  frei,  anzu- 
nehmen, daß  das  Kartellstatut  doch  heilsamen  Schrecken 
verbreitet  hat.  1641  aber  kam  wieder  ein  noctunius  ac 
execrabilis  tumultus  vor,  der  im  Zusammenhang  mit  dem 
Pennalwesen  stand.  Jetzt  war  der  Augenblick  da,  wo  man 
den  Tätern  zeigen  mußte,  daß  das  Kartellstatut  ernst  ge- 
meint sei.  Aber  die  Universität  verhängte  milde  Bußen. 
Wieder,  wie  einst  1629,  griff  der  Landgraf  ein,  verlangte 
verschärfte  Strafen.  Wieder  leistete  der  Senat  Widerstand : 
^  werde  dann  den  Anschein  haben,  als  sei  vorher  nicht 
statutengemäß  verfahren  worden,  und  man  könne  auch  dar- 
aus schließen,  daß  der  Landgraf  in  die  Disziplinargewalt 
^er  Universität  eingreife,  was  viele  Studenten  abschrecken 
öiußte.»3  Und  die  Universität  drang  durch:  ein  aka- 
demisches Edikt,  dessen  Entwurf  sich  erhalten  hat,  spricht 

*-  Pennali8  exulans  sive  do  causis  abrogati  perinalisrni  in  aliquot 
<^onfoedfralis  Germaniac  academiis.  Serm<»  panegyricus  . . .  liabitus  a 
M.  Conr.  Schragmüllem  . .  acadciniae  p.  t.  rcctorc.     Marpurgi  1639. 

3:,  Universität  Marburg  an   Landgraf  Oeorg,    1642  Mai   22.   —   Zum 

l^onflikt  zwischen  Landesherr  und  Universität  war  es  zu  gleicher  Zeit  aucli 

*U8  anderem  Anlaß  gekommen.     In  einer  Duellsache  war  die  Universität 

'^'cht  statutengemäß  verfahren  und  hatte  scbließlich  zugeben  müssen,  das 

^treffende  Statut  sei  „nicht  zur  obsenanz  kommen'*.     Das  nahm  Landgraf 

Georg  gewaltig   übel.      Es   habe   den   Anscliein.   läßt  er  sich  vernelmien, 

tM&  stünde  es  in  eweren  mächten  und  w^ilikühr,  die  von  unü  sanrirto  leg«'s 

*cademicas   zu   halten   und   durch   gehörige   erfüllung  denseilbt^n  kraft  zu 

feben,  oder  durch  einige  densell>en  obngemäße  gelindigkeit  und  nachsehen 

flieselben  zur  Observanz  nicht  kommen  zu   laj^sen".     Wie  die  Universität 

*^en  Standpunkt  verteidigte,  ist  auch  heute  noch  bemerkenswert:  Sie  ist 

gegen  die  vom  Landgrafen  verlangte  Relegation  cum  infamia  der  Duellanten, 

^'^il  „es  leider  dahin  kommen,  das  unsers  wissens  solche  [Duelle]  ingemein 


346  Wilhelm  Martin  Becker. 

aus,  daß  die  Haupttäter,  Joh.  Conrad!  und  Bemh.  Bruch, 
relegiert  —  würden,  wenn  sich  nicht  hervorragende  Leute 
für  sie  verwendet  hätten,  und  der  Landesherr  diesmal  Gnade 
für  Recht  ergehen  lassen  wolle.  Bruch  war  mit  zwei  Tagen 
Karzer  durchgekommen,  von  Conradis  Strafe  ist  uns  nichts 
bekannt. 

So  sah  es  mit  der  Handliabung  der  Kartei Istatuten  in 
Marburg  aus.  Die  Ursache  ist  nicht  schwer  festzustellen.  Das 
ganze  Kartellstat ut  konnte  nicht  zur  Durchführung  kommen, 
weil    die    maßgebendsten   Universitäten    im    letzten 
Augenblick  abschwenkten.    Die  Publikation  des  Kartell- 
statuts  erfolgte  außer  in  Marburg  nur  in  Altdorf,  Frankfurt 
und  Rostock.»*  Gerade  die  großen  sächsischen  Hochschulen, 
auch  die  ausschreibende  Universität  Wittenberg,  hielten  sich 
nicht  an  das  Übereinkommen.   Den  Grund  hat  schon  Tholuck 
im  Wittenberger  Archiv  ermittelt:  der  Kurfürst  von  Sachsen 
hatte  das  gemeinsame  Vorgehen  nicht  genehmigt.*'* 

In  Marburg  wußte  man  von  dieser  Wendung  der  Dinge 
damals  noch  nichts  =*«,  sonst  wäre  die  Pubhkation  wohl  auch 
dort  unterblieben.  Denn  unter  diesen  Umständen  mußte 
sich  das  Vorgehen  der  Universitäten,  von  vorübergehenden 
lokalen  Erfolgen  abgesehen,  als  ein  Schlag  ins  Wasser  er- 
weisen ;  es  konnte  die  akademische  Autorität  nur  schädigen, 
denn  wollte  die  einzelne  Universität  nicht  ihre  eigene  Fre- 
quenz zugunsten  der  sächsischen  vermindern,  so  durfte  sie 
ihr  eigenes   Statut  nicht  ausführen. 

Als  man  dann  in  Hessen  über  die  Haltung  der  Sachsen 
klar  zu  sehen  begann,  beauftragte  Landgraf  Georg  seine 
Universität,  in  Wittenberg  Schritte-  zu  tun,  um  die  Fühlung 
wiederzugewinnen,  und  es  liegt  auch  das  Konzept  eines 
Schreih(*ns  an  seinen  kurfürstlichen  Schwiegervater  vor, 
worin  auf  Publikation  der  Kartellgesetze  auch  in  dessen 
Hochschulen  gedrungen  wird.  Von  einem  Erfolg  ist  nichts 
zu   bemerken. 

und  indistincte  in  provo(!ante  et  provocato  auch  assistenten  vor  ein  ohn- 
ehrlich  und  schehnenstückh  an  keinem  ort  gehalten  werden,  bevorab  da 
solche  von  i^rosson  potentaten.  fürsten  und  herrn  geduldet,  verwillJ?|' 
l)efohlen  oder  auch  wohl  seihst  an  handt  genommen  werden  müssen"- 
Ik'sonders  gegenüher  hochgehornen  Studenten  lasse  sich  die  Bestrafung 
nicht  durchführen 

•^-  In  Rostock  erst  am  19.  Mai  1G89.  Die  Titel  der  Drucke  bei  Kr- 
man  u.  Hörn,  Hihliographie  d.  deutschen  Univ.,  Bd.  I,  No.  12527,  1252^. 
1252J^a.  tjher  Rostock  vergl.  Hofmeister  im  Archiv  f.  Kulturgesch.,  1^ 
(1906),   190.    —    ^^•'  Thohick,  Akad.  Lehen,   1,  291  f. 

•'^''  Landgraf  (ieorg  wies  in  seiner  Bestätigung  (oben  Anm.  31)  •^-  ? 
u.  8  noch  ausdrücklich  auf  die  Vereinigung  mit  den  kursächsischen  1'"^' 
versitäteii  hin. 


Zur  Geschichte  des  Pennalismus  in  Marburg  und  Gießen.         347 

So  war  man  in  Marburg  der  in  den  nächsten  Jahren 
nehmenden  Zügellosigkeit  der  Studenten  gegenüber  auf 
5  eigene  Kraft  angewiesen.  Die  Aktenstücke ^7,  aus  denen 
r  unsere  Kenntnis  der  Zustände  von  1643  und  1644 
löpfen,  zeigen  uns,  daß  von  Disziplin  gar  nicht  mehr  die 
!de  ist;  jeder  tut,  w^as  ihm  gefällt.  Nur  wenige  Züge  aus 
m  Studentenleben  jener  Tage  seien  mitgeteilt:  einige  Stu- 
nten  besuchen  einen  einzelnen  (Pennal),  lassen  sich  zu 
nken  geben,  zerschlagen  ihm  sämtliche  Fenster,  werfen 
äche  und  Bänke  hinaus,  schießen  beim  Gesundheittrinken 
it  „Pufferten**  und  Pistolen,  halten  vorübergehende  Sol- 
len an,  werfen  auf  dem  Heimweg  einer  Witwe  die  Fenster 
n,  geraten  dann  mit  Soldaten  aneinander;  ein  Fähnrich 
lut  einem  Studenten  auf  den  Kopf,  wird  dafür  von  den 
idern  bis  zum  Schloß  verfolgt,  wo  ein  Student  alle  (Sol- 
lten?) Mann  für  Mann  herausfordert.  —  Gegen  das  unge- 
jhrliche  Steinehauen  (mit  den  Degen)  und  Jauchzen  will 
rorektor  Schupp  einschreiten;  einer  der  Studenten  „hat 
ch  alsbald  in  postur  gestellt,  ihm  den  Degen  vorgehalten 
nd  gerufen:  Er  bleibe  mir  vom  leibe,  daß  er  keine  maul- 
*helle  kriege!**  —  Frankfurter  Pennäler  werden  im  Hause 
öu  der  Straße  aus  belästigt,  werfen  mit  Steinen;  dafür 
erden  ihnen  die  Fenster  eingeworfen;  den  Sturm  auf  das 
aus  verhindert  der  Prorektor  mit  der  Scharwache.  —  Beck- 
laiin  von  Lippstadt  fällt  in  der  Bezechtheit  dem  daher- 
Jitenden  Heydw^olf  von  Birmershausen  in  den  Zügel,  dieser 
eht  die  Pistole,  die  aber  nicht  losgeht,  haut  diem  Beck- 
lann  mit  dem  Degen  auf  den  Kopf,  daß  die  Waffe  in  Stücke 
)riagt.  —  Alles  dies  wird  von  der  Universitätsbehörde  selbst 
it  dem  Pennalwesen  in  Verbindung  gebracht,  das  den  An- 
fi  zu  derartigen  Vorgängen  gebe.  Dazu  kam  freilich  noch 
ie  Wirkung  des  Trunkes:  „Dz  biersaufen**,  schreibt  Pro- 
itor  Feurborn  1644,  „nimpt  jetzo  überhand,  welches  hiebe- 
)r  alhie  nicht  also  gebreuchlich  gewesen  ist,  und  weil  es 
icht  soviel  kostet  als  der  wein,  so  wird  dz  saufen  jetzo 
ihr  gemein.  Die  hiesige  bierbräwer  sollen  auch  solche 
icheii  in  dz  hier  thuen,  dardurch  den  leuten  die  köpfe  toi 
'machet  werden.  Darauff  überladen  sie  sich  mit  brand- 
ein und  saufen  toback  und  sind  dann  gleichsam  rasend 
id  begehen  viel  böses.** 

In  Marburg  taucht  denn  auch  schon  damals  der  Ge- 
^e  auf,  dem  Unfug  durch  Beschluß  eines  Reichstages 
Leibe  zu  gehen. 

3"  Akten   im  Gießener  Universitätsarchiv. 


348  Wilhelm  Martiu  Becker. 

III. 

Der  Pennalismus  in  Gießen  1650 — 1660. 

In    Marburg    hatte    die    schreckliche    Kriegszeit    ihre 
lähmende  Wirkung  auf  die  akademischen  Behörden  geltend 
gemacht;  in  Gießen,  wo  nach  den  Verträgen  von  1648  und 
1649  die   Landesuniversität  von  Hessen-Darmstadt   wieder 
ihren  Sitz  erhielt,  hatte  man  mit  der  äußeren  Bedrängnis 
nicht    mehr    zu    rechnen.     Mit    der    benachbarten    hessen- 
kasselischen  Universität  Marburg  war  ein  engeres  Pennal- 
karteil abgeschlossen  3»,  und  der  alte  Gregner  des  Pennalis- 
mus, Professor  Feurborn,  trat  auch  in  Gießen  wieder  auf 
den  Plan.    Es  zeigt  sich  gleich  anfangs  ein  Umschwung  im 
Verfahren;  mit  der  Relegation  wird   1650  unter  Feurboms 
letztem  Rektorat  Ernst  gemacht.   Freilich  ist  bald  auch  der 
alte  Schlendrian  zeitweise  wieder  zu  bemerken,  aber  nach- 
gerade scheint  die  öffentliche  Meinung  der  alten  Duldsam 
keit  nicht  mehr  günstig  gewesen  zu  sein.    Bekanntlich  er- 
folgte am  1.  Mai  1654  ein  Reichsschluß  der  evangelischea 
Stände  gegen  das  Pennalwesen,  an  dem  auch  Hessen-Darm- 
stadt  durch    den   Gießener   Kanzler   Just   Sinold,    genannt 
Schütz,  teilnahm.    Der  Inhalt  bietet  gegenüber  dem  Pennal- 
statut von  1639  nichts  Neues,  im  Gegenteil  sind  die  prak- 
tischen Bestimmungen  jener  Übereinkunft  nur  obenhin  er- 
wähnt.»»    Das  Ergebnis  war  in  den  folgenden  Jahren  kein 
anderes  als  das  von  1639.    Auch  jetzt  scheiterte  jede  Aus- 
führung   zunächst    am    passiven    Widerstand    Kursachsens. 
So  war  auch  in  Gießen  trotz  aller  Bemühungen  des  Land- 
grafen und   der  Professoren  in  den  nächsten  Jahren  noch 
nicht  viel  Besserung  zu  bemerken.    Erst  als  1661  der  Kur- 
fürst von    Sachsen   sich   zu    einem   Pennaledikt   entschloß. 
war  ein  gleichmäßiges  Vorgehen  möglich,  und  von  jetzt  ah 
verschwindet   der   Pennalismus   wenigstens   in   seinen  auf- 
fälligen Formen  (Kleiderunterschied!)  mehr  und  mehr  von 
allen  Universitäten. *o 


3^  Justi,  Hossisclie   Denkwürdigkeiten,    1  (1799),   194. 

39  Gedr.  Lüni?,  Reichs-Archiv,  part.  gen.,  S.  437f. ;  Schöttgen,  S.  149 ff  • 
V.  Meiern,  Acta  comltialia  Ratisbon.  publ.,  I  (1738),  S.  1156 ff.,  mit  Lese- 
fehlern in  den  Unterschriften.  —  Auch  die  Bestimmung,  daß  Pennal- 
putzer nicht  zu  Ämtern  zugelassen  werden  sollen,  ist  schon  früher  geäußert 
worden. 

*o  Vergl.  für  Gießen:  Unschuldige  Nachrichten  1710,  S.  324f.;  Acv 
demia  Hasso-Gissena  antiquo  suo  incremento  . . .  restituta  (1661),  ^-  " 
(vorn  4.  Sept.).  Daß  aber  Überfälle  auf  den  Stuben  und  Akzeßschinäu^ 
noch  immer  hie  imd  da  vorkamen,  zeigen  die  Akten  der  Visitation  ^^n 
1665  (Staatsarchiv). 


Zur  Geschichte  des  Pennalismus  in  Marburg  und  Gießen.         349 

Ich  bin  hier  auf  den  äußeren  Verlauf  des  Kampfes 
gegen  den  Pennalismus  nicht  genauer  eingegangen,  möchte 
aber  dafür  aus  den  Akten  einige  Angaben  machen,  die  uns 
eine  bisher  wenig  beachtete  Seite  des  pennalist ischen  Treibens 
enthüllen.  Im  Jahre  1656  kam  es  zu  einem  Verhör,  dessen 
Protokoll  uns  noch  vorliegt.*^  Fünf  Füchse  wurden  darüber 
befragt,  was  man  ihnen  getan  habe.  Ihren  Aussagen  ent- 
nehme ich   folgendes. 

Einem  Pennal  wird  in  der  Kirche**  angezeigt,  wann  Pcn- 
nalkonvent  sein  soll ;  er  lehnt  ab,  wird  aber  durch  die  Drohung, 
(laß  er  nicht  absolviert  werde,  eingeschüchtert.    Man  dringt  in 
ihn,  daß  er  sich  einschreibe  (in  die  nachher  zu  erwähnende 
Liste).     Andernfalls  dürfe  er  nicht  in  der  Kirche  bei  den 
anderen  stehen.    Auch  Ohrfeigen  werden  angedroht.    (Diese 
Drohung  wurde   auch  öfters  ausgeführt,   wenn   ein   Pennal 
die  aufgegebenen  Abschriften  nicht  rechtzeitig  lieferte.)   Der 
Hauptdränger  ist  ein  gewisser  Kopeke *^  ein  Holsteiner.   Von 
ihm  heißt   es:   „Röpicke   wolte   einen   jeglichen    tribuliren, 
und  die  exteri  (zu  denen  R.  gehört)  wollen  die  lantskinder 
undertrücken.**    Ein  anderer  Pennal  gibt  an,  Kopeke  habe 
als  Senior  vier  Präfekten  zur  Wahl   vorgeschlagen :   Kose, 
Bernfeld,   Plebanus    und   Tilen.    Bei    dem   letzten    Konvent 
habe  sich  niemand  so  „des  Werks  angenommen**  als  Kopeke, 
der  sich  aber  doch  nicht  sicher  fühlt,  da  er  erfahren  hat, 
daß  ihn  ein  Pennal  beim  Kektor  angezeigt  hat.    Er  äußert 
daher  beim  Heimweg  vom   Konvent  „vor  dem  Tor'*,   wer 
das  tue,  komme  „bey  der  bursch  in  ungnad**  und  werde 
'^jcht  absolviert.    „Hette  zeitung  mitt  hinauß  genommen,  daß 
die  ankommendte  solten   lesen,   und   wenn   sie   französisch 
pnd  andere  worth  nicht  betten  können  lesen,  so  hette  er 
^hn  ausgelacht,  wenn  einer  aber  hette  fertig  können  lesen, 
so  hette  er  gesagt:  daß  gibt  ein  brafe  pfaffe.**  —  Ein  Dritter 
s^gt:  „Drey  seien  praefecti  gewesen,  da  er  recipirt  worden, 
^Jß  Thiele,  Kose,  Plebanus."  Durch  eine  mitgebrachte  Brille 
'^^üssen  sie  knieend   die  Leges  lesen,  oft  durch  Zwischen- 
rufe, sie  möchten  das  Maul  auftun,  unterbrochen.    Sonder- 
bare Vexierbilder  werden  den  Neulingen  vorgehalten:  ein 
^ürkenkopf  mit  einem  Herz,  „eine  jungfraw  sampt  virilibus** 
~^  sie  sollen  sagen,  was  das  sei,   wissen  es  nicht  zu  er- 


*^  Im  Gießener  Universitätsarchiv. 

*•  Die  neue  Empore  in  der  Gießener  Kirche  führte,  wie  wir  aus 
•^^nem  Schreiben  von  1650  entnehmen,  bei  den  Studenten  den  Namen 
"^emialburg". 

*»  In  der  Matrikel  (Klewitz-Kbel,  S.  24):  Röpeh,  im  Rolegationspatent 
^'^m  26.  Jan.  1657 :  Röper. 


350  Wilhelm  Martin  Becker. 

klären  und  werden  veispoüet.  Einem  Nürnberger  wird  unver- 
merkt „ein  schwänze**  angehängt,  womit  dieser  bis  in  die  Stadt 
geht.    Immer  wiederholt  sich  die  Drohung :  w^er  ausplaudere, 
solle  sein  Leben  lang  nicht  absolviert  werden.    Die  Schreib- 
arbeit blüht:  einer  soll  29  Bogen  abgeschrieben  haben;  ein 
Student  hat  ein  collegium  concionatorium  aus   Wittenberg 
mitgebracht,  das  die  Pennale  abschreiben  müssen.    Für  die 
Musik  müssen  sie  Beiträge  zahlen.  —  Nur  ungern  und,  ,,den 
groll  der  Studenten  zu  vermeiden**,   hat  sich   ein  anderer 
„undergeben".    Bei   der  Einladung  zum   Konvent,   die  ihm 
in  der  Kirche  geworden  sei,   habe   man   ihm   gesagt:  „Es 
bette  nichts  zu  bedeuten,  wehre  nuhr,  wan  die  bursch  auf 
Wartung  begehrt,  daß  man  wüste,  wer  darzu  zu  gebrauchen, 
und  wan  etwz  abzuschreiben  wehre.**    Wiederum  Kopeke 
„hatte  den  Dolman**  mitt  hienauß  gebracht,  hette  ihm  zwar 
versprochen   gehabt  alles   guts  im   posthauß,   aber  darauff 
hette  er  es  am  ärgsten  gemacht,  hette  ihn  genandt  mit  Übeln 
nahmen,  es  glaubte  keiner,  wie  es  zu  gemüth  ginge,  wan 
einer  so  tractirt  würde."    Auch  den  Piofessoren  gegenüber 
gebrauchte   Röpeke    despektierliche   Ausdrücke;    er   nannte 
den  Theologieprofessor  Nikolaus  Misler  den  „Kirchenklaus". 
dessen  Kollegen  Peter  Haberkorn  den  „Kirchenpeter'*  oder 
auch   den    ,, geistlichen   Oßwald**,   wie   dieser   viele   Pferde 
hätte,  so  hätte  er  viele  Postillen.  *^  —  Ein  anderer  reicht 
seine  Beschwerde  schriftlich  ein :  ,,Wir  sindt  auff  einem  con- 
vent  geweßen  im  walt  unter  eychen,  da  wahren  viel  newe 
ponel  kommen,  da  hatt  der  Röpick  ein  schnür  vol  hölzern 
klöz,  die  musteii  die  penel  anhangen,  das  wahre  ihr  pater- 
nister,  darnach  warff  ihnen  der  Röpick  auß  der  schnür,  sc> 
musten   sie  die  penel   wieder  auffiesen  und  in   die  schnür 
thun  ....    Item   in   den   erlen   ist  damalß   ein   Nürnberger 
penal  dagewessen ;  denselbigen  haben  sie  den  Narnbürger 
rhat  [jrenannt?],  wie  derselbe  in  aufhabung  des  brilles  ge- 
lesen,   hat     ihn    ein    penal,    Odwalt    genandt,    den    rapp- 
schnabel*^'  von  der  nasen  ziehen  müssen,  daß  ihm  die  naaß 
i»ebhitet.    Item  in  den  erlen  hat  Ropicken  die  propositiones 
jzethan   und    haben    4    praefecten    envehlet,    auß    jedwetter 
nalion    einen*",    deren    einer    Tliilen,    Plebanus,    Roß,  den 

•*-•   Klcwitz-Ebel,   iS.  20:  ein  Livläiider. 

*•''  Vorgl.  dit'  Bezeichiuiiig  ..Postillenreiter**  für  einen  Pfarrer,  der  fiJ»* 
Pn  digtcii  aus  P(>still('n  abschreibt;  Oßwald  war  wohl  ein  Bereiter  »^ 
Gießen. 

*'^  liapschnab«*!  sonst  in  der  Bedeutung  Grünschnabel;  das  ,,Abziehen" 
des   R.   ein   /i«'b('n   an   der  Xase.  vergl.   das  Folgende. 

*"  Die  einzige  Stelle  der  Gießener  Akten,  wo  von  Nationen  die  R^*^ 
isl;  daher  wabrselieinlich  nur  eine  Fiktion  Röpekes,  der  den  Nationalisni«^ 


Zur  Geschichte  des  Pennalismus  in  Marburg  und  Gießen.         351 

ierdten  weiß  ich  nicht  zu  nennen.  Diese  aber  alle  mitein- 
ider  haben  im  letzten  convent  resignirt.  NB.  Der  Ropick 
luß  uff  alle  penelschmäussen  sein,  daß  er  die  penel,  die 
jffwartten  müssen,  plaget  und  schändlich  ausmachet,  daß 
j   zu  erbarmen  ist**. 

Geben  uns  nun  diese  Aussagen  bereits  ein  Bild  von 
*m  Treiben  in  den  Pennalkonventen,  so  muß  es  Erstaunen 
•regen,  wenn  man  sich  zu  der  Feststellung  genötigt  sieht, 
iß  es  sich  nicht  um  Übergriffe  von  älteren  Burschen  gegen 
eulinge,  sondern  um  lauter  Quälereien  unter  den  Pen- 
aten selbst  handelt,  daß  also  bei  dieser  Untersuchung 
ein  Tadel  auf  die  Burschen  fällt,  außer  dem,  daß  sie  Pennale 
um  Abschreiben  benutzen.  Denn  der  Senior  und  die  Prä- 
jkten,  auch  dieser  berüchtigte  Röpv?ke,  sind  selbst  noch 
^ennäle,  wenn  auch  älter  als  ihre  Opfer,  eine  Art  Brand- 
iichse.  Sie  lassen  ihren  Mutwillen  bereits  ebenso  an  den 
"ieulingen  aus,  wie  es  nur  die  Burschen  dürften,  und  miß- 
5rauchen  die  Autorität  des  Burschenstandes  zur  Einschüch- 
erung  der  unerfahrenen  Novizen.*"*  Das  Verhältnis  der 
Burschen  zu  den  Pennälern  scheint  nach  dieser  Unter- 
suchung gar  kein  besonders  übles  gewesen  zu  sein;  von 
Quälerei  durch  die  Burschen  ist  nichts  zu  spüren,  —  wenn 
s  auch  noch  vorkam,  daß  nach  altem  Brauch  einmal  ein 
'ennal  auf  seiner  Stube  überfallen  wurde  — ,  nur  gewisse 
flichtmäßige  Leistungen,  wie  Abschreiben,  Aufwarten  usw. 
nden  statt.  Wenn  eine  solche  Arbeit  zu  verrichten  ist, 
'enden  sich  die  Burschen  wohl  an  die  Pennalpräf(»kten 
nd  lassen  sich  einen  geeigneten  Pennal  abkommandieren; 
Uch  nehmen  sie  jedenfalls  an  den  Pennalschmäusen  teil, 
ber  die  Präfekten  haben  ihren  Spezialpennalismus  ein- 
öfiihrt:  ihnen  muß  —  wie  wir  jrloich  sehen  werden  - 
m  Antrittsschmaus  (von  Heringen)  gegeben  worden,  sie 
rillen  und  quälen  die  jungen  Ankömmlinge  unter  ßeihülfe 
irer  gleichalterigen  Genossen  nach  Herzenslust  und  erheben 
trafgelder  und   Gebühren   von   ihnen. 

•Us  Rostock?)  kennen  mochte.  Thileu  ist  ein  Frankfurter  oder  ein  Aache- 
*r  (Klewitz-Ebel,  S.  25),  Plebaii  aus  Butzbach,  Rose  aus  der  Grafschaft 
ippe. 

*^  Diese  Cberordnung  der  älteren  Pennale  ül)er  die  jungem  kennen 
*!•  auch  aus  Jena,  wo  eine  Einteilung  in  verschiedene  Klassen  nach  der 
^ll  der  akademischen  Wochen  üblicli  war  (Pennalismus  proscriptus  pro- 
^gatnscfue  ab  acad.  Jenensi.  1G61).  Die  Erwählung  von  Präfekten  aus 
ö*  Zahl  der  Pennale,  „welche  das  register  der  inniorum  halten,  auff  die- 
-Ibe  achtung  geben,  sie  convociren.  ihnen  coniniandircn  und  sie  den 
It^m  studiosis  zu  ihren  diensten  in  gewisser  Ordnung  anweisen  sollen" 
5^eßener  Bericht  von  1(>59/H0),  findet  sich  aber  meines  Wissens  nur  in 
ießen. 


352  Wilhelm  Martin  Becker. 

Ein  anderer  Anzeigezettel,  der  nach  den  vorkommenden 
Namen  einige  Jahre  später  (1659/60)  entstand,  mag  die  Lage 
der  Pennale  weiter  illustrieren.  „Solches  ist  vorgangen  am 
sonnabent  auff  dem  convent  bey  den  pennelen  und  auch 
sonsten.  1.  Haben  sie  den  gebrauch  under  ihnen,  wann 
itzund  ein  newer  ankompt,  welche  sie  ein  fuchs  nennen, 
der  muß  zu  erst  den  praefecten  einen  schmaus  geben  und 
darnach  ein  kopstück  inschreibgelt.  2.  so  muß  der  fuchs 
alle  woch  zweymahl  in  die  fuchsecken**  gehen,  so  schlagen 
sie  die  praefecten  und  rupffen  sie  bey  dem  haar  und  ziehen 
sie  bey  der  naßen,  das  heißen  sie  den  ratzschnabel  (I)  ab- 
ziehen. 3.  Darnach  wenn  sie  wiederumb  auff  dem  convent 
sein,  so  haben  sie  ein  dollen  hut  mit  lauder  hanenfettern 
bestücket,  denselben  setzen  sie  den  fuchsen  auff  und  jagen 
sie  durch  die  leuth  ....  [Die  Präfekten  haben  dem  Petri 
für  4  Kopfstücke  Heringe  und  für  2  Köpfst.  Bier  verzehrt, 

ähnlich  dem  Doli] 7.    so    haben    sie    einen   newen 

pennal,  der  kann  ein  wenig  auf  der  flöthen  peiffen,  der 
selbige  muß  ihnen  als  peiffen,  dan  müßen  die  fuchse 
dantzen,  wan  einer  nicht  dantzen  will,  so  geben  sie  ihm 
stattliche  stoße.  8.  so  hatt  der  Steusing  einen  pennal, 
welcher  noch  new  ist,  geschlagen,  der  hatt  ihm  müßen 
singen,  und  hatt  ihm  mitt  einex  spißgerten  an  das  maul 
gehawen,  dz  ihm  daß  maul  ist  gantz  uffgesprungen  und 
ihm  das  blut  über  seine  kleider  ist  herunter  gelauffen,  daß 
er  gar  erbärmlich  geweinet  hatt,  dz  die  andre  pennel  all 
über  den  Steusing  gezörnet  haben,  dz  er  den  kerlen  so 
ohne  uhrsach   geschlagen ** 

Ihre  schärfste  Beleuchtung  aber  findet  die  I^age  der  Pen- 
nale neben  diesen  Äußerungen  naiver  Roheit  durch  die 
Leges,  die  Pennalgesetze  (Fuchskomment),  nebst  den  Unter- 
schriften der  darauf  verpflichteten  Pennale,  die  eine  voll- 
ständige Pennalliste  für  1655/56  darstellen ;  sie  sind  bei  der 
vorerwähnten  Untersuchung  1656  in  die  Hände  der  akade- 
mischen Behörde  gefallen.  Es  existieren  zwei  Fassungen; 
beide  sind  ganz  im  Stile  der  akademischen  Gesetzgebung  ge* 
halten.  Den  damals  vielgelesenen  Scherzdisputationen  de 
iure  et  naturca  pennalium,  de  beanis,  de  studiosis  usw.  können 
si(5  ihrer  scheinbar  juristischen  Form  wegen  zur  Seite  gestellt 
werden,  sind  aber  von  jenen  ihrer  Bedeutung  nach  doch  sehr 
verschieden.  Während  es  sich  bei  den  erwähnten  Dispn* 
tationen  um  scherzhaft-übertreibende  Darstellung  derstuden- 

4^  Nach  den  nacliher  folgenden  Leges  (B  IV)  hatte  der  Fuchs  ü" 
ersten  Monat  an  den  Fredigten  und  Vorlesungen  stehend  und  barhäuptig 
toilzunolmicn,  und  zwar  an  dem  ihm  vorgeschriebenen  Platz  (Fuchseck?)- 


Zur  Geschichte  des  Pennalismus  in  Marburjr  und  Gießen.         353 

hen  Gruppen  und  ihrer  Rechte  handelt,  sind  diese  Pennal- 
etze,  von  älteren  Pennäloii  den  jüngeren  aufgezwungen, 
er  ernst  gemeint.  Ihre  Mitteilung  möge  den  Schluß  dieser 
sfühningen  hilden. 


Passung  A  der  Pennalgesetze. 

Cuicunque  iugum  Pennaiisnii  subeundi  aninnis  est,  is  legibus 
>sequentibus  se  obstrictum   esse  noverit.    • 

I.  Si  convenlus  iunionini  a  seniore  propter  certas  causas 
titutus  fuerit,  et  hunc  vel  ipse  vcl  alias  suo  nomine  et  iussu 
licaverit,  hoc  autem  quis  susque  deque  ferens  emariserit,  albis 
iltatur  4.  Si  quis  auteni  se  vocatum  lieget  et  res  interini  aliter 
mperiatur,  albis  rnultatur  5.  Exceptis  tarnen  iis,  qui  iustam 
lansionis  suae  protulerint  causam. 

II.  Si  quis  gymnasia  et  scholas  triviales  reliquerit  seque  ad 
adeniiam  nostram  Gissensem  studiorum  causa  contulerit  inque 
atum  numerumve  nostrum  vulgo  dictum  Pennal-Stand,  referri 
)luerit,  antequam  nobis  interesse  velit,  si  adhuc  cornua  gerat, 
jpositorem  adibit,  depositionem  subibit,  depositus  nos  conveniet, 

sie  in  nostnim  recipietur  numerum ;  si  quis  contra  fecerit,  non 
Imittetur,  sed  quasi  infamis  (ut  nos  infamiam  accipimus)  se- 
■«getur. 

III.  Si  quis  forte,  dum  suis  antehac  interfuit  scholaribus, 
?ulis  sericis  vel  aliis  ad  fastum  usus  fuerit,  illa  deponet  sibique 
>nvenientia  assumet,  renuens  pericula  non  evitabit  onmia. 

IV.  Cum  mos  hie  nostrae  sit  academiae,  ut  iunior  vulgo 
Pnnal  dictus,  antequam  plenam  studiosi  potestiitem  acripiat,  toto 
pno  expectare  c«gatur,  idcirco  illis,  qui  sine  ulla  studiosorum 
imissione  veniave  patriam  suam  visitarunt,  reversis  illud  quod 
eglexerunt  tempus  duplicabitur. 

V.  Quicunque  singulis  mensibus  in  loco  conventui  nostro 
icato  iusto  tempore  non  comparuerit,  solvet  albos  3. 

VI.  Quicunque  ea,  quae  proposita  et  inter  nos  traclata 
^rint,  divulgarit,  albis  punietur  10. 

VII.  Quicunque  officii  sui  immemor  debitani  studiosis  re- 
ßrentiam  non  exhibuerit,  tradita  describendo,  caput  aperieudo, 
^tus   apparendo,    10   albis   multator. 

VIII.  Quicunque  absolutiouis  actum  subire  meditatur,  1.  tem- 
^8  legitimum  et  studiosorum  calculo  approbatum  observet,  2.  prae- 
ctum  adeat,  e  pennalium  numero  ut  eximatur  petat.  Secus  si 
Cent,  tarn  diu  pro  infame  et  non  absolute  habebitur,  (juamdiu 
Vitien  ipsius  inter  peimalisantium  nomina  invenietur. 

IX.  Hisce  legibus  qui  se  opposuerit,  illas  non  approbando 
^t  po«nam  a  lege  iuste  definitam  destinato  tempore  non  solvendo, 

albis  multator;  hanc  autem  coustitutam  poenam  non  solvendo 
Uumero  nostro  removebitur. 

Bdtit^e  z.  Gesch.  d.  Unlvernltäten  Mftins  u.  Gießen.  W 


354  Wilhelm  Martin  Becker. 

Fassung  B  der  Pennalgesetze. 

Leges, 
[quibus]  onines,  qui  in  alma  Ludoviciana  pennalem  [agere?]  aul 
qui  annum  pennaliticum  absolvere  gaudent,  tenentur  et  obliganlur. 
Cuicunque  in  alma  acaderaia  hac  Giessena  annum  agere 
animus  est,  sive  e  gymnasio  aut  paedagogio,  sive  alia  schola 
triviali  excesserit,  sequentibus  legibus  sese  submittat  necesse 
est.  Nemo  vero  sibi  falso  persuadeat  has  sequentes  leges  a  nobis, 
sed  a  dominis  studiosis  esse  traditas  et  nunc  denuo  confirmatas.^*' 
Ergo  si  unicam  tantum  hanim  legum  quis  negligat,  poenas  infra 
notatas  suo  damno  sentiet. 

I.  Cornigerum  quoniam  albo  pennalitico  indignum  plane 
iudicamus,  ideoque  haec  prima  cura  esto,  ut  a  depositore  cor- 
nuum,  quae  gerit,  decussum  impetret,  qui  tarn  ipsum  ritibus 
studiosorum  academicis  initiabit.  De  huius  intercessione  [ni' 
si  forte  constaret,  vel  pecunia(m)  reciperetur,  vel  iam  tum  re- 
ceptus  turpiter  excludetur.^i 

II.  Deinde  sine  mora  praefectum  adito,  ut  inseratur  albo 
l^nnalitico  demisse  rogato  illique  honorarii  loco  10  albos  offerto, 
recusans   20   numerato. 

III.  Vestimenta  statui  nostro  convenientia  gestato,  illa  ul 
ligulis  boinbycinis,  subsericis  et  omni  luxu  nuda  sint  iubeinus. 
Si  vero  quis  igitur  ignarum(!)  i)eccet,  indicabitur  ipsi  huius  legis 
violatio;  sin  admonitionem  [nihili]  faciat,  ornatu  suo  denudabitur. 
20  albis   mulctabitur. 

IV.  Pennalitico  habitu  indutus  locum  a  seni[ori]bus  selectuni. 
quem  vulgo  fuchs  feck(!)  vocant,  primo  mensi  occupato,  cou- 
cionibus  et  lectionibus  aperto  capite  sine  sessione  auscultato. 

V.  Nemo  vero  talia  metuens  doini  sese  al^scondat  vel  diver- 
ticula  quaerat,  sed  absque  omni  exceptione  et  excusatione  se 
sistat,   impunis   non   abibit. 

VI.  Elapso  mense  praefectum  adeat  et  ab  ipso  ab  ouere  boc 
liberationem  privilegiorumque  pennaliticorum  cominunicatiouei» 
debita(m)  cum  reverentia  i)etat. 

VII.  In  primis  dominis  studiosis  debitum  obedientiae  f ^ 
reverentiae  culturn  exhibeto,  vocatus  citissime  adesto,  servitia 
nulla  detrectato,  caput  studiosis  pietatis  [causa]  detectum  pra^' 
beto  et  ad  quemvis  eorum  nutum  flectendum  pennalibus  esse 
aninmm  scito.  Refractariis  poena(m)  per  studiosorum  arbitriun^ 
decernet[ur]. 

VIII.  Nee  suum  absolutis  et  senioribus  honorem  denegat*^'; 
obviam  illis  veniens  in  salutando  prior  esto.  ContrariuiD  ^* 
innotescit,   tempore   conventus    10   alb.    plectetur. 

IX.  Nimia  quia  etiam  extitit  inter  iuniores  licentia  palH^^ 
unico  tantum  gestandi  humero,  inposterum  illud  non  cuivis  cov^" 


^^  Deckung   der  Pennalpräfektcn  durch  die  Autorität  der  Bursc^^^^' 
•'»*  Verderbte  Textstelle.     Statt  reciperetur  wohl:   mulctabitur. 


Zur  Gescliiclile  des  P^iinalismuä  in  Harburg  und  üiefien.        ST^ 

letar,  nisi  i  ad  minimuin  meases  pennalem  egerit,  delinquens 
Mre  mulctabitur   10  alb. 

X,  Conventum  si  seniores  instituuQl.  nemini  emanendi  facul- 
em  coQcedimua,  nisi  iustissimami  praefeclo  indicaverit  causam, 
as  si  quis  pro  lubitu  aberit,  ex  albo  pennalitico  delebitur. 

XL  Serio  aatem  mandamus  omnibus  et  smgulis,  ut  con- 
itiim,  acta  in  illo,  instilatoris  (!?),  praefectum  omniaqiie  celent 
dccultent  nee  lemere  quidvis  apud  quemvis  effundant;  si  vero  os 
3ddani  infrene  latentia  in  apricum  protulerit,  [sine]  omni  recep- 
ne   intempeslirus  ille  gamilus  e   numero   nostro   exciudetur. 

XII.  Si  propterea  qnidam  in  carcerem  coniicerentur,  reliqui 
a  solum  illos  visitent  alloquioque  temporis  taedium  dispellant, 
i  et  e  carcere  illos  redimant. 

XIII.  Nemini  las  eslo  patrios  revisitandi  lares  nisi  iinpetrata 
doiitinis  studiosis,  pracfecto  et  senioribus  venia.  Sccus  si  res 
boerit,  lempus  emansionis  duplicabiliir,  mulctabiturque  pro 
oioruin  iudicio. 

XIV.  Si  quis  actum  absolutioiiis  meditatur,  praefectum  rogel, 
sibi   testimoiiium  practerlapsi   temporis  suppedilet.  quod  do- 

inis  studiosis  exhibere  possit. 

XV.  Postea  dominorum  studiosorum  suffra(;ia  colligat  atque 
t  e  numero  pennalium  eximatur  iuraque  et  privilegia  studentira 
ibi  conferantur  submisse   pet[at]. 

XVI.  Quicunque  legis  violatlonem  videt  nee  violatorem  in- 
ical,  eadem  dissimulantem  quae  deliriquentem   poena  manebit. 


Zwei  hessen- homburgische  Prinzen  als  Gieflener 

Studenten  1722—23. 

Von  Ludwig  Voltz. 

Von  der  Sittengeschichte  unserer  Landesuniversitül  be- 
sitzen wir,  zumal  für  die  äftere  Zeit,  noch  kein  geschlosseueä 
Bild.  Um  ein  solcheszugewinnen,bedarf esnoch violerwicli- 
tiger  und  auch  kleiner  Züge,  welche  überallher  zusammen- 
zutragen sind,  um  dann  von  berufener  Hand  vereinigl  iü 
werden.  Sie  zu  finden  ist  nicht  immer  leicht  und  oft  eine 
Sache  des  Zufalls.  Der  in  amtlichen  Schriftstücken  aufsc- 
sammelt«  Stoff  entbehrt  naturgemäß  meist  der  Einzelheiten 
und  der  persönlichen  Züge.  Was  aber  von  nicht  amtlichen 
Aufzeichnungen  namentlich  persönlicher  Art  vorhanden 
war,  fiel  oft  aus  Unverstand  oder  Gleichgültigkeit  der  Ver- 
nichtung anheim,  anderes  kommt  erst  gelegentlich  zutage 
wieder  anderes  hat  Haß  und  Schmähsucht  mit  eutstellemitT 
Feder  niedergeschrieben.  So  fehlt  zu  einer  Geschiditi' 
Gießens  und  der  Ludoviciana  immer  noch  viel,  und  viir 
erst  mag  jeder  neue  Beitrag  dazu  nicht  unwillkommen  sein> 
Ein  solcher  läßt  sich  auch  aus  den  Briefen  und  Rechnungen 
über  den  Studienaufenthalt  zweier  hessen-homburgiscIiP^ 
Prinzen  in  Gießen,  welche  als  Konvohit  von  metirei*" 
hundert  Blättern  im  Groläherzo glichen  Haus-  und  Slaals- 
archiv  zu  Damistadt  aufbewahrt  werden,  gewinnen.  Neb'''' 
menschlich  nicht  Uninteressantem  erzählen  uns  diese  Blatte' 


«S^  K-ill 


Zwei  hessen-homburgische  Piinzen  als  Gie&ener  Studenten.        357 

auch  manches  von  der  Universität  und  ihrem  Leben  im 
ersten  Viertel  des  18.  Jahrhunderts,  wodurch  die  Darstel- 
lung jenes  Aufenthalts  gerechtfertigt  erscheinen  mag. 

Im  Frühjahr  1722  bezogen  die  beiden  Söhne  des  Land- 
gKafen  Friedrich  Jakob  (Friedrich  III.)  von  Hessen-Homburg* 
CU8  Universität  Gießen.    Beide  standen  noch  in  recht  jugend- 
Alter.    Der  ältere,  Ludwig  Johann  Wilhelm  Gnino, 
gerade  17,  der  andere,  Johann  Carl  Wilhelm  Ernst  Lud- 
wig, zählte  noch  nicht  16  Jahre.    Daß  fürstliche  Personen 
S>  jung  zur  Universität  kamen,  war  damals,  wie  jetzt,  nichts 
ngewöhnliches ;  in  diesem  Falle  mag  aher  der  Wunsch  des 
Vaters,  die  Erziehung  seiner  Söhne,  deren  Mutter  im  Sep- 
tanber  1721  gestorben  war,  zum  Abschluß  zu  bringen,  bestim- 
mend gewesen  sein.  Die  Wahl  der  Universität  Gießen  erscheint 
selbstverständlich  wegen  der  Nähe  der  Heimat  wie  der  ver- 
wandtschaftlichen   Beziehungen    zum    Landesherrn.      Zum 
Begleiter  der  jungen  Herren  wurde  Christian  Gottlieb  Passern 
bestimmt.    Von  Beruf  Jurist  stand  er  schon  seit  dem  Jahre 
1719  in  Diensten  der  landgräflichen  Familie,  vermutlich  als 
Erzieher  der  Prinzen.     Seine  Stellung  mochte  er  in  erster 
Linie  der  hohen  Tüchtigkeit  verdanken,  welche  sein  Vater, 
der  Lic.  jur.  Justus  Eberhard  Passern  als  langjähriger  Diener 
der  Laridgräfin-Regentin    Elisabeth    Dorothee  von  Hessen- 
Darmstadt,   bewährt  hatte.*    Die  Gießener  Informatorstelle 
übernahm  der  junge  Passern  für  jährlich  100  Gulden  in  der 
Hoffnung,  mit  den  Prinzen  große  Reisen  machen  zu  können ; 
es  glückte  ihm  auch,   sie   später  nach   Rußland   begleiten 
zu  können.     Nach  seiner  Heimkehr  finden   wir  ihn   1725 
als  Regierungsassessor  in  Gießen  wieder. 

Die  Instruktion,  welche  Passem  bezüglich  der  Unter- 
weisung der  Prinzen  gegeben  wurde,  liegt  nicht  vor;  doch 
lassen  ihn  die  Briefe  als  einen  sorgsamen  und  eifrigen, 
seinen  Schutzbefohlenen  aufrichtig  ergebenen  Mann  er- 
kennen, werm  sich  auch  seine  Fürsorge  oft  gar  sehr  aufs 
Äußerliche,  auf  die  ängstliche  Wahrung  der  Etikette  gegen- 
über seinen  erlauchten  Zöglingen  erstreckt.  Die  Oberleitung 
des  Aufenthalts  der  Prinzen  in  Gießen  übernahm  auf  Er- 
suchen des  Vaters  der  hessen-darmstädtische  Oberamtmann 

• 

lu  Gießen,  Johann  Friedrich  von  Kametsky^,  bereitwilligst, 

^  Ein  ansprechendes  Bild  des  Landgrafen  entwirft  in  wenigen  Strichen 
'•  G.  Estor,  Neue  kleine  Schriften  1,  Marhurg  1761.  705. 

2  Vergl.  L.  Baur  im  Archiv  für  österreichische  Geschichte  37,  Wien 
»867,  273  f 

.,  *  In  der  Form  Kametsky  schreibt  der  Oberamtmann  selbst  seinen 
^*nien;  in  anderen  Schriftstücken  findet  sich  Kametzky  und  Kameytsky, 
*'Pich  letzteres  die  ursprüngliche  und  richtige  Namensform  darstellt. 


358  Ludwig  VolU. 

konnte  sich  ihr  aber  erst  im  Juli  unterziehen,  da  er  bis 
dahin  dienstlich  von  Gießen  abwesend  war. 

Am   Mittwoch     8.   April    1722  wurde   die   Reise  nach 
Gießen  unternommen.    Drei  Wagen  mit  sechs  Pferden  be- 
förderten  die   Reisenden  und   ihr  Gepäck,   darunter  auch 
Möbel,  sowie  andere  nicht  unbedingt  nötige  und  befremd- 
liche Gegenstände,  wie  z.  B.  drei  Ohm  Bier  und  i/«  Zentner 
Pulver.    Im  Gefolge  der  Prinzen  befanden  sich  außer  Passern 
der  Kanzleirat  Stüler,  Leutnant  Ulner  und  sechs  Bediente. 
Über  Oberroßbach  ging's  nach  Butzbach,  wo  im  Goldnen 
Löwen  bei  Georg  Karl  Happel  zu  Mittag  gespeist  wurde, 
während   sich  die  Kutscher  bei    der  Frau  Maifahrtin    im 
Weißen  Roß  verköstigten.    Am  Abend  kamen  die  Reisenden 
in  Gießen  an.    Am  Seltzerthor  präsentierte  die  Wache,  doch 
wurde  kein  Spiel  gerührt  und  von  dem  Offizier  nicht  mit 
dem  Sponton  serviert.     Die  Prinzen  mit  Passern  nahmen 
Wohnung  im  Schlosse,  wo  keine  Wache  gestellt  war  „ohn- 
erachtet  doch  schon  ohnlängst  deßfalls  mit  Herrn  General 
von  Prettlach  zu  Frankfurth  Abrede  gepflogen".    Eine  ziem- 
liche Unordnung  empfing  die  Ankömmlinge.     Das  Gepcäck 
traf  der  schlechten  Wege  halber  erst  um  V2IO  Uhr  abends 
ein,  und  die  Frau  eines  Sergeanten  mußte  ihnen  die  Betten 
machen.    Noch  am  selben  Abend  kamen  der  Oberst  Längs- 
dorff,   der  Major  Wille  und   einige   andere   Offiziere  vom 
oberrheinischen    Kreisregiment,    um    ihre    Aufwartung  zu 
machen.     Der  nächste  Tag  verging  mit  Besuchen  und  Ge- 
schäften.    Der  tägliche  Mittagstisch  wurde  nicht  in  einem 
der  Gasthöfe  genommen;  man  wird  daraus  nicht  schließen 
dürfen,  daß  sie  übermäßig  schlecht  gewesen  seien,  sondern 
den  Wunsch  möglichster  Zurückhaltung  und   Abschließim? 
in  dieser  Maßregel  erkennen  müssen.    Daher  wurde  mit  der 
Frau  Regierungsrätin  Hoffmann  (Marie  Sophie  Hoffmännin, 
geb.  Myliin)  Verabredung  getroffen,  welche  anfänglich  nicht 
geneigt  war,  die  Prinzen  in  Kost  zu  nehmen,  bis  endlich 
nach   langem   Flehen   sie   sich   dazu   resolvierte,    sie    und 
Passem  für  wöchentlich  21/2  Gulden  die  Person  mittags  zu  ver- 
kr)stigen.    Den  Wein  mußten  sie  bei  Frau  Hoffmann  selbst 
Stollen;  anfänglich  tranken  sie  eine  Sorte  die  Maß  zu  1  fl-? 
weil  denn   solcher  zu  kostbar,  kaufte  Passem  eine  halbe 
Ohm  Moselwein  von  Professor  Arnoldi  für  22  fl.  15  Albus. 
womit  er  bei  täglich  1/2  Maß  bis  Ende  Juli  zu  reichen  dachte- 
Die  Tischgesellschaft  der  jungen  Herren  bestand  aus  zwei 
Herren  von  Kametzky,  Herrn  von  Löw^enstem,  von  Stemmer, 
Dexter,  Rudrauff  und  Professor  Masson.    Das  Abendessen 
gleichfalls  dort  zu  nehmen,  erschien  dem  Informator  nicW 


Zwei  hessen-homburgische  Prinzen  als  Gießener  Studenten.        359 

ten,  weil  die  Studenten  gemeiniglich  gern  pflegen  zu 
en  und  sich  darauf  lustig  zu  machen,  so  daß  einer 
er  Bezechtheit  leicht  den  Respekt  vergessen  könnte; 
ds  schickte  daher  Frau  Hoffmann  die  Speisen  in  ein- 
m  Assietten  aufs  Schloß.  Außerdem  wurde  manches 
Abendessen  direkt  eingekauft,  so  Brot  täglich  für  1  Al- 
Limburger  Käse  für  1  Albus  4  Heller,  ein  anderes  Mal 
3,  beziehungsweise  6  Albus.  Auch  wurden  die  jungen 
eu  von  Hause  mit  Bier  versehen.  Außer  den  mitge- 
menen  3  Ohm  bekamen  sie  am  23.  Mai  1  Ohm  V2  Ohm 
ertel.  „Das  letzte  vom  ersten  Faß  so  nicht  zu  trinken 
jsen,  weil  es  so  sauer  worden,  ist  es  den  Laquaien  ge- 
n  worden."   Übrigens  tranken  sie  den  verbrauchten  Wein 

das  Bier  nicht  allein,  sondern  die  Wein-  und  Bier- 
nungen weisen  aus,  daß  häufig  dem  einen  oder  andern 
hohen  Offiziere  und  Professoren  einige  Maß  als  Ge- 
nk  zugeschickt  wurden.  In  der  zweiten  Nacht  gegen 
Ihr  brachten  einige  Studenten  ihren  erlauchten  Kommi- 
en  eine  schöne  Nachtmusik.  Weil  aber  die  Prinzen 
n  zu  Bett  waren  und  die  Huldigung  nicht  vorher  an- 
eldet  war,  „hat  man  solches  wie  ein  Nachtständchen 
jchweigend  angehört,  da  im  Gegenteil  derenhalben  eine 
ation  hätte  müssen  gegeben  und  eine  Danksagung  ab- 
\{iei  werden;  welches  uns  aber  desto  lieber  gewesen, 
en  dadurch  große  Depenses  nebst  vielen  aufs  Trinken 
Igende  DesoiSres  vermieden  geblieben". 

Am  9.  April  weckten  die  Pfeifer  vom  ganzen  Regiment 
einer  Frühmusik  die  Prinzen.  Nachdem  dann  vor- 
ags  weitere  Besuche  von  Offizieren  erfolgt  waren  und 
Prinzen  die  Wache  hatten  aufziehen  sehen,  ging  am 
Imiittag  Passern  zum  Rektor  der  Universität,  Professor 
Bielenfeld,    um   die  Ankunft   der   Prinzen   zu   melden 

ihren  Besuch  für  Freitag  Nachmittag  3  Uhr  anzu- 
n.  Darauf  erschienen  am  Freitag  Vormittag  die  Pro- 
oren  Dr.  Weber  und  Dr.  Vordries  als  Deputation,  um 
erlauchten  cives  academici  den  Willkomm  der  Univer- 

zu  entbieten.  Die  Herren  wurden  von  Passem  unten 
ler  Treppe,  von  den  jungen  Herren  an  der  Tür  des  Vor- 
achs empfangen  und  beim  Weggehen  in  entsprechender 
se  geleitet.    Nachmittags  3  Uhr  stellten  sich  die  Prinzen 

Rektor  vor.     Unten  am  Tior  wurden   sie  empfangen 

in  das  Zimmer  geleitet,  „allwo  schon  2  große  Sessel 
z  allein  vor  die  durchlauchtigsten  Printzen  gestellet 
en.  Als  sie  nun  saßen,  wurden  vom  Universitätspe- 
3n  die   zwei    große   silberne   Zepter   gebracht   und  im 


360  Ludwig  Voltz. 

Ziiimier  auf  den  Tisch,  das  Matricül-Buch  aber  dazwischen  ge- 
leget, folgends  von  denen  durchlauchtigsten  Printzen  selbsten 
dero  Namen  hineingeschrieben  und  ihnen  darauf  vom  Rec- 
tore  ein  und  andere  gedruckte  Exemplare  wie  gewöhnlich 
überreicht".  Dann  wurden  sie  mit  einem  Glase  Wein  und 
einem  Aufsatz  Konfekt  traktiert,  und  schließlich  geleitete 
sie  der  Rektor  wiederum  bis  ans  Tor.  Der  Vater  der  Prinzen 
war  nicht  damit  einverstanden,  daß  sich  seine  Söhne  hatten 
inskribieren  lassen,  weil  er  es  für  unnötig  hielt;  erst  der 
Hinweis,  alle  anderen  Prinzen  hätten  sich  gleichfalls  im- 
matrikulieren lassen  und  dieser  Akt  bedeute  nur  eine  Ehre 
für  die  Universität,  vermochte  seine  nachträgliche  Zustim- 
mung zu  erwirken. 

Die  nächsten  Tage  waren  wieder  durch  Besuche,  Depu- 
tationen und  Einladungen  ausgefüllt,  unter  anderen  bei  dem 
Obersten  Langsdorff,   in   dessen  schönem   Garten  vor  der 
Stadt    die    Prinzen    sich  nach    Tisch  mit  Spazierengehen 
divertierten ;  zur  Verschönerung  erbat  sich  Langsdorff  durch 
Prinz  Gruno  vom  Landgrafen  ein  halb  Dutzend  Oranien- 
bäume  von  allerlei  Sorten  und  Figuren.     Am  19.  machte 
der  Rektor  Bielenfeld  seinen  Gegenbesuch,  wobei  ihn  Passem 
auf  der  Hälfte  der  Treppe,  die  Prinzen  vor  der  Tür  des  Vor- 
gemachs  empfingen.    Er  wurde,  „weilen  es  sich  mit  Wein 
nicht  schickte,  mit  einer  Tasse  Kaffee  traktirt  mit  dem  Ver- 
melden, daß  die  Prinzen  des  Nachmittags  solchen  gemeinig- 
lich pflegten  zu  trinken."  Die  Bewirtung  war  nötig,  weil  auch 
der  Rektor  die  Prinzen  bewirtet  hatte;  es  wurden  4  Lot 
präparierter  Kaffee  für  10  Albus  und  Biskuit  und  Konfekt  für 
8  Albus  gebraucht.  In  der  folgenden  Woche,  am  28.,  gab  sich 
der  Rektor  die  Ehre,  seine  vornehmsten  Kommilitonen  zum 
Mittagessen   einzuladen.     „Im  Hinfahren   gingen    allerseits 
Laquayen  neben  der  Chaise  her.  Die  Printzen  wurden  vom 
Rektor  und  den  schon  anwesenden  invitirten  Gästen  unten 
am  Tor,  von  der  Frau  Generalin  von  Spiegelin,  und  des 
Herrn  Dr.   Bielenfelds   Frau  Gemahlin  aber  oben  in  dem 
Zimmer  sehr  höflich  empfangen.    Vor  und  nach  dem  Essen 
wurde  den  Printzen  von  Herrn  von  Rodenhausen  das  in 
massiv  Silber  bestandene  Lavor  präsentirt,  wogegen  sie  sich 
bedanket.     Es  waren  bey  Tische  denen  durchs«"  Printzen 
ä  parte  Sessel  gesetzet  und  ist  nicht  eher  getrunken  worden. 
bis  die  durchl^'**"  Printzen  das  erste  Glaß  Wein  getrunken. 
Nach  dem  Essen  fuhren  die  Printzen,  als  sie  von  allen  an- 
wesenden Gästen  wieder  biß  ans  Thor  convoyiret  worden, 
wiedenim  ins  Schloß**.   Die  Berichte  Passerns  mochten  dem 
Vater  in  Homburg  zuviel  von   Geselligkeit  und  Besuchen 


Zwei  hessen-liom burgische  Prinzen  als  Gießeuer  Studenten.        361 

erzählen,  denn  er  bestimmte,  daß  die  Visiten  auf  gewisse 
Tage  und  Stunden  gesetzet  werden,  damit  seine  Söhne  da- 
durch nicht  an  ihren  Studien  mögen  verhindert  werden. 
Daher  wurden  Mittwoch  und  Samstag  von  5  Uhr  nachmittags 
ab  als  Empfangszeiten  bestimmt.  Inzwischen  war  auch  die 
Frage  der  militärischen  Ehrenbezeugungen  dahin  geregelt 
worden,  daß  ein  Doppelposten  mit  aufgepflanztem  Bajonett 
vor  der  Wohnung  der  Prinzen  aufgestellt  wurde.  Wo  sie 
sich  zeigten,  traten  die  ganzen  Wachen  ins  Gewehr.  Als 
Kapitän  des  Kreisregiments  erhielt  Prinz  Gruno  täglich 
durch  zwei  Sergeanten  die  Parole.  Femer  wurde  angeordnet, 
daß  die  Prinzen  beim  Eintreffen  von  Siandespersonen  jedes- 
mal schriftliche  Meldung  von  der  Torwache  erhielten,  um 
sie  begrüßen  zu  können.  Bei  der  Durchreise  des  Fürsten 
von  Waldeck  fühlten  sie  indessen  keine  Veranlassung,  ihre 
Aufwartung  zu  machen,  weil  er  „ein  neuer  Fürst**.* 

Mit  der  Wissenschaft  waren  die  jungen  Herren  zum 
erstenmal  am   15.  April  in  Berührung  gekommen,  wo  sie 
einer  theologischen  Disputation   beiwohnten.     Dabei  saßen 
sie  über  dem  Rektor,  was  nur  den  Fürsten  vom  Haus,  aber 
nicht  den  ausländischen  Prinzen  zugestattet  wird.    Anfang 
Mai   begannen  endlich  auch   die  Kollegien;   vorher  waren 
nicht  alle  Professoren  anwesend,  um  sich  wegen  der  Zeit 
ihrer  Vorlesungen  zu  verständigen,  welche  den  Prinzen  pri- 
vatim im  Schlosse  gehalten  wurden.    Es  liegt  darüber  fol- 
gender täglicher  Stundenplan  vor: 

Stunden-Einteilung  der  Collegien,  so  die  durchlauchtigsien 

Prinzen   halten, 
des  Morgend  s 
Von  6   Uhr   biß    7   wird   auf   die   Collegia   vorher   studiert   und 

gelesen. 
Von  7  biß  8  geh  ich  nur  obiter  mit  denen  durchl»*^"  Printzen  die 
Institutiones  civiles  durch,  um  zuvor  ehe  Sie  ein  Collegium 
darüber  halten,  ein  praegustum  dav^on  haben  zu  können. 
Von  8  biß  9  kombt  Herr  Professor  Anioldi  und  traktirt  mit  denen 

durchist^»   Printzen   Philosophica. 
Von  9  biß   10  kombt  Herr   Professor  Ayermann   und  ließt  über 
die  Historie. 


*  Die  Grafen  von  Waldeck  waren  mit  Georg  Friedrich  von  der  Wil- 
yunger  Linie  seit  1682  und  nach  deren  Erlöschen  mit  Friedrich  Anton 
prich  von  der  Eisenberger  Linie  seit  1712  der  Reichsfürstenwürde  teil- 
iJ^ftig  geworden  (vergl.  z.  B.  .1.  Hoffmeister,  Historisch-genealogisches  Hand- 
^^ch  über  alle  Grafen  und  Fürsten  von  Waldeck  und  Pyrmont,  Kassel  1883j. 
^^t'  Letztgenannte  war  der,  welchem  die  Homburger  Prinzen  den  Gruß 
^^^  Gleichstehenden  verweigerten. 


362  Ludwig  Voltz. 

Von  10  biß  11  ist  frey,  es  werden  aber  in  dieser  Stunde  die 
Collegia    wieder   ruminirt. 

Von  11  biß  12  Herr  Professor  Masson  über  das  Jus  naturae. 

des  Mittags. 

Von  2  biß  3  Herr  Professor  Liebknecht  über  die  Matheraatic. 

Von  3  biß  4  wird  vorhergehendes  repetiret  und  auch  das  nach- 
folgende gelesen. 

Von  4  biß  5  kombt  Herr  Professor  Verdrieß  und  ließt  über  die 

Physic,  wobey  Er  auch  die  Geographie  und  andere  nötige  Wissen- 
schaften  tractiren   wird. 

Diese  Fächer  wurden  im  Winter  1722/23  weiter  vorgetragen, 
wenn  auch  wohl  mit  etwas  verschiedenem  Inhalt  und  zu  anderen 
Stunden. 

Wie  man  sieht,  ein  ganz  reichliches  Programm  mit 
täglich  neun  Arbeitsstimden,  wozu  im  Sommer  noch  wöchent- 
lich dreimal  Reiten  und  von  Pfingsten  an  viermal  Tanzen, 
im  Winter  von  Dezember  an  viermal  Fechten,  sowie  zwei- 
mal Zeichnen  und  Malen  kam. 

Als  Prinzen  vom  Hause  hatten  die  jungen  Herren  den 
Unterricht  an  der  Universität  frei.  Doch  wird  schon  sehr  bald 
in  den  Briefen  die  Frage  behandelt,  ob  den  Lehrern  nicht 
doch  ein  Geschenk  für  die  Unterweisung  zu  geben  sei. 
Und  so  erhielten  am  Schlüsse  ihrer  Lehrtätigkeit  Professor 
Masson  für  neun  Monate  Unterricht  im  jus  naturae,  sowie  für 
vier  Monate  Politik  und  die  neueste  Zeit  in  französisch 
Schreiben  100  fl.,  Professor  Liebknecht  für  neun  Monate 
30  fl.  15  Albus,  ebensoviel  Profess-or  Arnoldi  für  die  philo- 
sophischen Vorträge,  Professor  Ayrmann  für  neun  Monat« 
Vorträge  über  die  Historie  40  fl.,  Professor  Verdries  für  die 
gleiche  Zeit  über  Mathematik  und  Physik  denselben  Betrag, 
der  akademische  Zeichenlehrer  Pronner  bekam  5  fl.  Dagegen 
erhielten  der  Tanzmeister  Neuwaldt  für  neun  Monate  48  fl.. 
der  Fechtmeister  Kaiser  (?)  für  vier  Monate  24  fl.,  der  Stall 
meister  Meyer  20  fl.  und  die  beiden  Stallmeister  an  der 
Reitschule  6  fl.,  woraus  sich  die  Wertschätzung  wissen- 
schaftlicher Arbeit  imd  Bildung  in  jener  Zeit  unschwer  er- 
kennen läßt. 

Zu  Lektüre  und  Studium  hatten  die  Prinzen  auch  eine 
Anzahl  Bücher,  welche  teils  mitgebracht,  teils  im  Laufe 
des  Sommers  von  Hause  oder  von  den  Buchführern  Johann 
Rhilipp  Andreae,  Dominicus  van  Sande  und  Johann  Müller 
beschafft  wurden.  Die  Zusammenstellung  dieses  studen- 
tischen Bücherschatzes  hat  wohl  Interesse  genug,  um  W^^ 
eine  Stelle  zu  finden.  Es  waren  (in  alphabetischer  Ordnung, 
die  Titel  sow^eit  möglich  ergänzt) : 


Zwei  hessen-homburgische  Prinzen  als  Giefiener  Studenten.        363 

strde,  Reflexions  sur  le  Ridicule. 

i  Job.   Heinr.  Resolutiones   legum  obstantium,   Wittenberg 

699,  8»,  1  fl.,  zu  binden  4  Albus. 

reibung  der  Bastille,  8^,  8  Kr. 

juris  naturae  ad  Dominum**  Duaci  (Halae),  1719,  4°,  45 Kr. 

on;  Telemac  teutsch,  8",  40  Cr.,  zu  binden  12  Alb. 

^buch,  2  Expl.,  zu  binden  je  18  Alb. 

iramatica  latina,  zu  binden  6  Alb. 

►rius,  Job.  Gottfr.)  Melissantes  jetzt  lebendes  Europa,  4  Bde., 

rankfurt  1715—1720,  80,  2  fl.,  zu  binden  2  fl. 

r    (Samuel),    Gründliche    Anweisung    zur    Logica,    Bautzen 

704,  8«,  2  Expl.,  je  12  Kr.,  zu  binden  mit  Titel  je  12  Alb. 

s   (Hugo),  De  jure  belli  et  pacis  c.  n.  var.  et  Becmanni, 

rancofurti    1699,   4»,   3  fl. 

,  Georg  Paul),  Betrugs-Lexicon,  Coburg  1722,  8«,   15  Alb., 

u   binden  3  Alb. 

*,  Andr.  Laz.),  Historischer  Bilder-Saal  mit  der  Fortsetzung, 

—6,  Anhang,  7,  Nürnberg  1697  (1712)— 1719,  8»,  15  fl.,  zu 

inden  in  8  Bände  3  fl.  6  Alb. 

((lOttfried),    Einleitung    zum    jure    publico,    Leipzig    1708 
L715),  80,  2  Expl.,  je  1  fl.  20  Kr.,  zu  binden  12  Alb. 
»ndiöses  Lexicon  Metaphvsicum  J.  H.,  Nürnberg  1715  (1717), 
0,  2  Expl.,  je  12  Kr. 

ici,  Prozesse  (wohl  ein  Sammelband  mit  den  verschiedenen 
chriften  L.'s),  4^,  3  fl.  3  Batzen  3  Kr.,  zu  binden  mit  Titul 
0  Alb. 

i'epliers)   Peplieur,  Grammaire  (royale  franpaise),  eine  der 
ielen  Ausgaben  vor  1722,  zu  binden  12  Alb. 
lorf  (Samuel),  Einleitung  in  die  Historie  .  .  .,  4  Bde.,  Frank- 
irt  1709  ff.,  4  fl.,  zu  binden  1  fl.  18  Alb. 
Lchsische  Robinson,  Leipzig  1722,  8^,  30  Kr. 
fderi    (Gabrielis)     Introductio    in     jus    publicum,    Tübingen 
722?  8«,  1  fl.,  zu  binden  12  Alb. 

i  Jurisprudentia  lat.,  12*^,  3  Expl.,  je  48  Kr.,  zu  binden 
5  10  Alb. 

(Samuel),  Examen  juris  feudalis,  Francofurti  1689  (1704), 
2®,  2  Expl.,  je  22  Kr.,  zu  binden  je  9  Alb. 
es,     Studenten-Bibliothecgen.     Leipzig     1718     (1721),     12« 
d.  8»,  24  Kr.,  zu  binden  10  Alb. 

isius  (Christian),  Fundamenta  juris  naturae  et  gentium, 
[alae  1705  (1708,  1713),  4»,  30  Kr. 

es  (Job.  Melch.j,  Conspectus  phiiosophiae  naturalis  seu  phy- 
icae  introductio,  Gießen  1720,  S\  2  Expl.,  je  32  Kr.,  zu  binden 
lit  Titul  je  12  Alb. 

3ach  (Christian),   Wahrhaffte  Cur  aller  Krankheiten,  Straß- 
urg  1712  (1715),  8'\,  48  Kr.,  zu  binden   12  Alb. 
iische  Zeitung  vom  19.  September  1722  bis  19.  März  1723, 

fl.  das  Halbjahr. 
svergen-Jagten,  fol.,  48  Kr. 

achdem  auch  noch  Papier  (einmal  für  24  Albus),  Tinte 
!  Albus),   Streusand  (für  3  Albus)    und  Löschpapier 


364  Ludwig  Voltz. 

(für  4  Heller)  besorgt  waren,  konnte  das  Studium  beginnen. 
Außer  den  üblichen  Einladungen  und  Besuchen,  von  denen 
Passems   Briefe   nach  Homburg  öfter    berichten,    mag  in 
Gießen  wenig   vorgegangen   sein,   was   die  jungen   Herren 
von  ihren  Studien  ablenken  konnte.    Von  allgemeineren  ge- 
sellschaftlichen   Veranstaltungen,    von    künstlerischen  Dar- 
bietungen, Konzerten  usw.  erfahren  wir  nichts.    Als  beson- 
deres Ereignis  wird  gemeldet,  daß  Herr  Professor  Liebknecht 
die  latema  magica  vorführte,  daß  Herr  Professor  Kortholt 
alle  kuriose  Bücher  und  Medaillen  der  Universitätsbiblio- 
thek zeigte,  und  daß  Herr  Professor  Hensing  einen  Vorlrag 
de  lapide  philosophorum  hielt  und  mit  Experimenten  er- 
läuterte.   Man  wird  nicht  fehl  gehen  mit  der  Annahme,  daß 
überhaupt  in  jenen  Monaten  sich  nichts  ereignet  hat,  was 
in  der  angedeuteten  Richtung  auf  Bedeutung  Anspruch  er- 
heben könnte.     Denn  es  ist  außer  allem  Zweifel,  daß  die 
Prinzen  daran  teilgenommen  hätten.    Die  Genügsamkeit  der 
Gießener  Gesellschaft  in  dieser   Beziehung  und  der  Mangel 
an  künstlerischen  Gelegenheiten,  welche  uns  für  die  zweite 
Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  bezeugt  sind*,  wird  dadurch  auch 
für  die  frühere  Zeit  bestätigt.    Selbst  wenn  man  die  Sonimer- 
monate  für  diese   Dürre  und  Stille  verantwortlich  macht, 
bleibt  das  Verhältnis  dasselbe.     So  bot  das  Leben  in  Gießen 
den  Prinzen  wenig  Abwechselung. 

Gleich  zu  Anfang  aber  ergaben  sich  Schwierigkeiten. 
Der  älteste  Prinz  war  morgens  nicht  aus  dem  Bett  zu  bringen 
(was  eigentlich  nicht  zu  verwundern  ist),  so  daß  nachdrück- 
liche Schreiben  nach  und  von  Homburg  gingen,  die  denn 
auch  den  Säumigen  zu  seiner  Pflicht  zurückführten.* 

5  0.  Buchner,  Gießen  vor  hundert  Jahren,  Gießen  1879,  76  ff. 

6  Schummer  aber  erschien  in  den  Augen  Passerns  und  des  Vaters 
ein  anderes  Vorkommnis,  über  welches  eine  beträchtliche  Menge  Papier  ver- 
schrieben wurde.  Passerns  Bericht  darüber  lautet :  .  .  .  daß,  als  ohnlängst 
der  allhiesigc  Oberstlieutenant  von  Kametzky  einen  Cadet  von  der  all- 
hiesigen Garnison  auf  den  Esel  und  wieder  davon  setzen  lassen,  derselbe 
wie  nicht  weniger  wegen  noch  anderen  mir  unbekandten  A£fairen  mit  dem 
Herrn  Obrist  Langsdorff,  indem  alles  ohne  dessen  Vorwissen  geschehen  seyn 
soll,  sehr  verfallen,  so,  daß  sie  sich  ex  post  dem  Verlauten  nach  darauf 
noch  duelliren  müssen,  hat  der  älteste  durchlauchtigste  Printz  daaamaW 
den  Affcci  zu  sehr  gezeyget  und  sich  bey  Tisch  vor  den  Obrist  Lanp- 
(lorfT,  nemlich  daß  solcher  recht  hätte,  hingegen  der  Obrist  Lieutenant  eiaeo 
Cadet  als  einen  Edelmann  nicht  so  sehr  beschimpffen  und  auf  den  Esel, 
noch  vielweniger  ohne  vorhergegangene  Meldung  beym  Obristen  wiedenu» 
henmter  setzen  lassen  können,  sehr  interessiret.  (Das  Reiten  auf  deo 
j.Esel"  oder  dem  ,, Pferd"  gehörte  zu  dpu  Disziplinarstrafen,  welche  ohne 
weiteres  Verfahren  verhängt  werden  konnten.  Der  „Esel**  war  eine  Art 
Langbaum,  auf  den  sich  der  Bestrafte  rittlings  setzen  mußte,  unter  Umstan* 
den  mit  Gepäck  und  mit  Steinen  an  den  Füßen.     Die  Strafe  dauerte  wobl 


Zwei  hessen-homburgische  Prinzen  als  Gießener  Studenten.        365 

Nun  verliefen  einige  Wochen  ohne  bemerkenswerte  Er- 
isse.  Ende  Juni  traf  der  Oberamtmann  von  Kametskv 
dem,  wie  oben  bemerkt  wurde,  die  Oberaufsicht  über 
Prinzen  übertragen  war.  Er  hatte  auch  die  Studienzeit 
verstorbenen  Prinzen  Franz  Ernst  von  Hessen-Darmstadt 
'wacht  und  war  so  vertraut  mit  den  Formen  und  Pflichten, 
ihe  junge  Herren  von  Stand  zu  beobachten  hatten.  Vom 
ili  «an  nahmen  sie  den  Mittagstisch  bei  ihm,  zu  3  fl.  die 
:he  für  jede  Person,  der  Wein  wurde  extra  berechnet, 
die  Person  täglich  V2  Maß,  zu  12  Albus  die  Maß. 
Mit  Kametskys  Ankunft  wurde  naturgemäß  die  Stellung 
;ems,  wie  alle  derartigen  schon  von  Hause  aus  nicht  die 
iteste,  noch  weniger  angenehm.'    Viel  Kummer  machte 


e  Stunden.  Ob  sie  über  Kadetten  wirklich  nicht  verhängt  werden 
e,  scheint  fraglich  und  war  wohl  eine  falsche  Anschauung  der  jungen 
jn.  Dagegen  mußte  die  Beendigung  der  Strafe  dem  anwesenden 
sten  Vorgesetzten  gemeldet  werden;  vergl.  z.  B.  J.  F.  Ludovici,  Ein- 
ig zum  Kriegs-Proceß,  Halle  17183,  4,  197.)  Daß  der  Prinz  sich  in 
umperamentvoller  Weise  und  dazu  noch  in  Gegenwart  seiner  Tisch- 
ten, der  jungen  Herrn  von  Kametzky,  zweier  Vettern  des  Oberst- 
Miants  über  den  Vorfall  geäußert  hatte,  war  zweifellos  nicht  richtig 
höchst  unangenehm.  Aber  es  will  doch  scheinen,  als  wenn  die  Sache 
buhrlich  aufgebauscht  worden  wäre.  Die  richtigste  Auffassung  hatte 
unge  Übeltäter  selbst,  wenn  er  um  Verzeihung  bittet  für  den  Fehler, 
jr  aus  einer  recht  großen  Unschuld  begangen.    „Ich  habe  keinen  affron- 

habe  auch  keinen  immediate  touchiret,  sondern  nur  frey  und  auf- 
ig herausgeredet  was  ich  gedacht.    So  hat  sich  auch  kein  Mensch  dar- 

affrontirct  befunden,  hat  auch  keiner  gedacht  sich  dargegen  zu  defen- 
Immerhin  erhielt  er  eine  nachdrückliche  Verwarnung  und  Wei- 
,  sich  nicht  um  fremde  Angelegenheiten  zu  kümmern,  und  sich  vor 
1  Wortwechsel  und  besonders  für  allen  unnötigen  Religions-Disputen, 
US  nichts  anderes  als  Haß  und  Verbitterung  zu  entstehen  pflegen, 
Uten. 

'  In  der  ersten  Zeit  des  Juli  hatte  in  dieser  Hinsicht  Passern  eine 
itümliche  Sache  nach  Homburg  zu  berichten.  Eines  Tages  erfuhr 
aß  die  Wache  am  Schlosse  den  Befehl  habe,  nach  9  Uhr  abends  ohne 
ruckliche  Erlaubnis  des  Oberamtmanns  niemand  außer  ihm  selbst 
»zulassen.  Diese  Maßregel  entrüstete  den  Informator  und  die  Prinzen 
löchsten  Maße,  und  das  mit  Recht:  mußte  sie  doch  auf  den  Lebens- 
lei und  die  Sitten  der  Prinzen  ein  höchst  bedenkliches  Licht  werfen, 
sie  sich  rasch  in  der  ganzen  Stadt  herumsprach,  ist  selbstverständ- 

Der  älteste  Prinz  regte  sich  dermaßen  auf,  daß  er  einen  ganzen  Tag 
8  essen  konnte  und  zu  Bett  liegen  mußte.  Passern  fühlte  sich  so  sehr 
^iner  Ehre  gekränkt,  daß  er  beim  Landgrafen  um  seine  Entlassung 
der  Informatorstelle  nachsuchte.  Er  sei  nicht  geneigt,  für  eine  will- 
che  ungerechte  Anordnung  seine  Reputation  aufs  Spiel  zu  setzen  und 
5  kein  Edelmanns-Sklav  sein;  auch  wolle  er  nicht,  daß  seine  Prinzen, 
iie  er,  wenn  nötig,  gern  sein  Leben  lasse,  vilain  oder  denjenigen, 
he  etwann  läuffig  und  etliche  Grad  geringer  sind,  gleich  gehalten  und 
ieret  würden.  Auch  werde  er  zurückgesetzt  und  bei  vielen  Gelegen- 
n,  wo  er  nach  seiner  Instruktion  die  Prinzen  zu  begleiten  habe,  nicht 
ngezogen,  so  daß  er  nicht  in  der  Lage  sei,  sie  dort  zu  beaufsichtigen. 


i 


366  Ludwig  Voltz. 

dem  Infonnator  auch  das  Exterieur  der  Prinzen,  worinnen 
sie  in  der  Jugend  sehr  negiigirt  worden,  so  daß  er  immer 
und  immer  wieder  zurechtweisen  mußte.  Auch  stellte  sich 
heraus,  daß  beide,  namentlich  aber  der  jüngste,  im  Fran- 
zösischen sehr  schwach  waren.  Da  diese  Sprache  großen 
Herren  heutiges  Tages  ohnumgänglich  und  höchst  nötig, 
schien  besonderer  Unterricht  darin  erforderlich.  Weil  aber 
die  beyde  hier  befindliche  Sprachmeister  (Gabriel  Maria 
und  Dulac«)  in  der  Prononciation  sowohl  als  nach  den  Regeln 
zu  weißen  gantz  nichts  taugen,  gewann  man  später  Pro- 
fessor Masson  als  Lehrer.  Einstweilen  aber  erbat  Passem 
aus  der  Homburger  Bibliothek  den  Bellegarde  sur  le  Ridi- 
cule  in  duplo,  um  Französisch  daran  zu  üben.  Und  so  wurde 
nach  und  nach  der  Studiengang  der  jungen  Landgrafen  in 
feste  Bahnen  geleitet.  Ein  kurzer  Besuch  beim  Vater  unter- 
brach Ende  August  auf  drei  Tage  die  Arbeit  des  Semesters. 
Noch  vor  seinem  Ablauf  sah  sich  Passern  veranlaßt, 
die  Anschaffung  neuer  Kleider  für  die  jungen  Herrn  zu 
beantragen,  indem  beyde  schwarze  Röcke,  deren  einige  ge- 
vvendt  gewesen,  schon  gantz  abgetragen  und  völlig  unbrauch- 
bar und  kahl,  hingegen  die  alte  rothe  Röcke,  welche  sie 
dennoch  auf  der  Reitbahn  und  sonsten  zu  tragen  pflegen,  all 
zu  kurz  und  enge  worden  sind.  Nach  Rücksprache  mit  dem 
Oberamtmann  hielt  Passern  vier  Anzüge  für  notwendig,  für 
welche  folgender  Voranschlag  aufgestellt  wurde: 

Zu  vier  Kleider,  nemlich  2  gute  und  2  alle  tags  Kleider, 
16  staab  tuch  unterschiedene  Farbe,  den  Staab  ohn- 
gefehr   6   fl 96 

unter  die  2  saubere  Kleider  18  Ehl  taffet  zu  unterfutter 
die  Ehl   ä   4  oder   Rthler 27 

auf  saubere  Kleider  massiv-knöpfe  die  garnitur  ä  8  Rthler 

vor  2  garnitur 24 

von  denen  durchbrochenen  Borten  auf  ein  Kleid  25  Ehl 
thut  auf  2  Kleider  50  Ehl  diese  wiegen  ohngefähr 
40  loth,  das  loth  äl 60 

Die  verstorbene  Landgräfin  habe  ihm  ihre  Söhne  aufs  Herz  gebunden  und 
ihm  zur  Pllicht  gemacht,  die  Stelle  niederzulegen,  wenn  er  die  notwen- 
dige Unterstützung  nicht  finde.  Daher  bäte  er,  ihn  dieses  unangenehmen 
und  beschwerlichen  officii  zu  entheben.  Es  stellte  sich  schließlich  heraus- 
daß  dio  Ordre  auf  Veranlassung  des  Herrn  Hofmeisters  von  La  Vallee  an 
den  Obersten  Langsdorf!  ergangen  war.  Wer  aber  der  eigentliche  Öf* 
heber  der  Absperrung  war,  wurde  nicht  festgestellt.  Schließlich  wurde  <!»* 
Sache  dahin  erklärt,  daß  die  Verordnung  nur  für  die  beiden  jungen  Herfl* 
von  Kametsky  (die  Söhne  des  Oberamtmannes?)  gegolten  habe.  Passeriö 
Demission  wurde  nicht  genehmigt,  nach  einigen  energischen  Briefen  des 
Landgrafen  und  des  alten  Geheimrats  Passern  war  der  Friede  wieder  her* 
gestellt,  und  die  Studien  nahmen  ihren  weiteren  Verlauf. 

8  0.  Buchner,  Aus  Gießens  Vergangenheit,  Gießen  1885—86,  251. 


Zwei  hessen-homburgische  Prinzen  als  Gießener  Studenten.        367 

den  alle  tags  Kleider  halb  Camelhaar  u.  seidene  Knöpfe 

die  garnitur  ä  3  fl.  thut  2  garnitur  auf  2  Kleider      6 
sppon  zum  unterfutter  20  Ehl  auf  ein  Kleid,  thut  auf  die 
2  alle  tagskleider  zusammen  40  Ehl.   4  Ehl  vor  1     15 

Summa  228  fl. 
o  ein  ganz  anständiges  Sümmchen. 

Die  Sache  wurde  zunächst  nicht  entschieden,  viehnehr 
sten  die  Prinzen  am  16.  September  in  die  Ferien  nach 
.use,  wobei  in  Butzbach  im  Hirsch  bei  Johann  Jost  Kramer 
igekehrt  wurde.  Am  12.  Oktober  kehrten  sie  nach  Gießen 
rück,  um  das  Wintersemester  zu  beginnen.  Die  Vor- 
lungen  des  Sonmfiers  wurden  fortgesetzt.  Bald  nach  Be- 
in des  Semesters  wurde  die  Absicht  der  Universität  laut, 
n  ältesten  Prinzen  Gruno  fürs  Jahr  1722  zum  Rektor 
ignificentissimus  zu  wählen.  Die  Gepflogenheit,  fürstliche 
udierende  durch  Wahl  zum  Rektor  zu  ehren  und  zugleich 
n  Glanz  des  fürstlichen  Namens  an  die  Universität  zu 
LÜpfen,  findet  sich  früher  überall  und  ist  auch  in  Gießen 
übt  worden.  Schon  im  ersten  Jahrhundert  der  Universität 
aren  eine  große  Zahl  junger  Herren  aus  fürstlichen  und 
)chadeligen  Häusern  Rectores  magnificentissimi  gewesen», 
ad  erst  kurz  zuvor  im  Jahre  1707  war  der  junge  Landgraf 
udwig  (später  Ludwig  VIII.)  und  1709  Landgraf  Franz 
mst  n)it  dieser  Würde  geschmückt  worden.  Nun  fanden 
eitläufige  Besprechungen  und  Schreibereien  zwischen  Hom- 
urg  und  Gießen  statt.  Zuerst  war  der  alte  Landgraf  nicht  ge- 
eigt,  seine  Zustimmung  zu  geben  und  hätte  lieber  gesehen, 
'enn  das  Rektorat  des  Prinzen  noch  tun  ein  Jahr  verschoben 
''Orden  wäre.  Der  junge  Herr  schien  ihm  noch  nicht 
ie  erforderlichen  Eigenschaften  zu  besitzen,  und  außerdem 
laiibte  er,  daß  die  Studien  notleiden  würden.  Endlich  hatte 
er  Vater  auch  wegen  der  Kosten  Bedenken  gegen  die  Über- 
ahme des  Ehrenamtes.  Allein  man  wollte  in  Gießen  offen- 
ar  von  einer  Verschiebung  nichts  wissen  und  noch  weniger 
on  einer  Ablehnung.  Es  wäre  kein  Exempel,  daß  ein  Prinz 
ergleichen  Dignität  rekusieret,  ließ  sich  der  Oberamtmann 
«lehren.  Auf  die  Bedenken  dos  Vaters  gegen  die  sofortige 
Übernahme  berichtete  er: 

Sonsten  hat  ein  Rektor  magnificentissimus  außer  der  latei- 
ischeri  Harangue,  die  er  bey  der  Erwählung  in  auditorio  öffent- 
«ih  abzulesen  hat  und  wodurch  der  durchlaucht.  Printz  große 

•  Seit  Gründang  der  Universität  hatten  bis  zum  Jahr  1723  nicht 
feiger  als  22  Herren  aus  dem  liohen  Adel  das  Amt  des  Rector  magni- 
*«ntis8imas  innegehabt.  Vergl.  Gießer  Intelligenz-Blatt  1798,  No.  13  bis 
5  u.  18,  S.  49/50,  54/5,  58/9.  70/1. 


368  Ludwig  Watz. 

Ehr  zu  acquiriren  verhoffet,  mit  den  Rektoratsaffairen  das  ganize 
Jahr  hindurch  nicht  das  allergeringste  zu  schaffen,  sondern  liegt 
dieses  munus  einig  und  allein  dem  zeitigen  Prorectori  ob,  wie 
denn  der  Seel.  Printz  Frantz  im  drevzehndten  Jahr  seines  Alters 
diese  Dignität  gehabt,  müßte  also,  falls  Euer  Hochfürstl.  Dchl. 
solches  nicht  gut  placidiren,  gantz  ein  andrer  praetext  und  ent- 
schuldigung  genonmien  werden.  Die  Depense  von  den  Rektorats- 
festin,  wann  alle  mögliche  menage  gebraucht  wirdt,  dörffte  wohl 
auf  200  fl.  kommen,  weil  die  Studenten  bey  dieser  Gelegenheit 
mit  einer  musique  des  nachts  aufzuwarten  pflegen,  da  dann 
zimblich  wein  aufgehet.  Ihro  Dchl.  der  ältere  Printz  ist  sehr  en 
peine,  es  möchte  ihn  ein  refus  so  wohl  hier  in  der  Stadt  als 
bei  anwesenheit  vieler  fremder  Studenten  an  anderen  orthen 
nicht  w^enig  tort  thun  und  jedermann  auf  den  Gedanken  gerathen, 
es  geschähe  aus  bloßer  menage. 

Der  Prinz  selbst  war  denn  auch  schon  vor  der  er- 
langten Genehmigung  des  Vaters  entschlossen,  sich  die 
Ehrung  nicht  entgehen  zu  lassen,  und  hatte  sich  auf  eigne 
Faust  und  gegen  Passems  Vorstellungen  dafür  schon  expresse 
ein  neues  Kleid,  welches  über  200  fl.  kostet,  verfertigen 
lassen,  was  ihm  allerdings  einen  gehörigen  Tadel  vom  Vater 
eintnig  und  Passem  zu  der  Bemerkung  Anlaß  gab,  die  Prinzen 
möchten  sich  selbsten  zuschreiben,  wann  sie  dermahleinst 
nichts  vor  sich  gesparet  haben.  Nachdem  die  Sache  einmal 
soweit  gediehen  war,  übernahm  der  Oberamtmann  von  Ka- 
metsky,  welcher  auch  dem  Prinzen  Franz  bei  seinem  Rek- 
torat zur  Seite  gestanden  hatte  und  daher  die  wünschens- 
werte Erfahrung  besaß,  die  notwendigen  Verordnungen  und 
Vorbereitungen. 

Während  so  der  ältere  Prinz  einer  hohen  Ehre  entgegen- 
ging, gab  in  dieser  Zeit  der  jüngere  Prinz  Carl  Veranlassung 
zu  ernsten  Klagen.  Nachdem  die  Ermahnungen  und  Zu- 
rechtweisungen seines  Erziehers  offenbar  schon  seit  langer 
Zeit  ohne  jeden  Erfolg  geblieben  waren,  wußte  sich  Passern 
nicht  anders  zu  helfen,  als  daß  er  dem  Vater  davon  Mitteilung 
machte :  daß  sich  der  jüngere  Printz  zeithero  gegen  alle  jeder- 
zeit gethane  treuste  aber  nicht  angenommene  Vermahnungen 
sowohl  in  studio  als  bei  Taffei  sehr  nachlässig,  kindisch 
nebst  denen  noch  an  ihm  klebenden  alten  und  einem  Printzen 
gar  nicht  anständigen  moribus  auch  sonsten  in  annoch  con- 
tinuirenden  railliren  woraus  einsmahls  in  der  Frembde  sehr 
große  Ungelegenheiten  entstehen  körmen,  sehr  übel  aufge- 
führet.  Der  alte  Landgraf  war  begreiflicherweise  sehr  be- 
trübt und  aufgebracht  und  drohte  dem  jungen  Missetäter 
mit  den  schärfsten  Maßregeln,  Gefängnis  und  körperlicher 
Züchtigung.    Das  gab  einen  heilsamen  Schrecken,  Carl  ge- 


Zwei  hessen-homburgisclie  Prinzen  als  Gießener  Studenten.        369 

►te  Besserung  und  bat  um  Geduld,  wenn  er  die  böse  an- 
bendc  affecten  nicht  auf  einen  coup  mit  der  Wurtzel  aus 
n  Hertzen  reißen  könne;  bald  konnte  Passern  berichten, 
ß  es  mit  den  guten  Vorsätzen  Ernst  sei  und  bat  um  Ver- 
häng für  seinen  Zögling,  die  denn  auch  gewährt  wurde. 

So  ging  das  Jahr  1722  zu  Ende,  und  es  nahte  der  große 
g  der  Rektoratsübernahme,  der  1.  Januar  1723.  Über  die 
stlichkeiten  verfaßte  Passern  einen  ausführlichen  Bericht, 
dem  man  den  Stolz  des  Lehrers  auf  die  Ehrung  seines 
glings  zwischen  den  Zeilen  liest;  er  wird  uns  den  Ver- 
if  der  Feier  am  besten  schildern. 

Unterthänigster  Bericht,  wie  es  mit  der  den  l**'"  Tag  im 
ir  1723  Vorgegangenen  Wahl  des  durchlauchtigsten  Printzen 
1  Herren,  Ludwig,  Johann,  Wilhelm,  Gruno,  Landgraffen  zu 
ssen  (tot.  tit.)  zu  einem  Rectore  Magnificentissimo  auff  der 
iversität  zu  Gießen  gehalten  worden. 

Anfangs,  und  zwar  etliche  wochen  vorher  hat  hochlöbliche 
iversität  zu  Gießen  durch  gewisse  deputirte  Professores  bey 
rrn  Ober-Ambtmann  von  Kametzky  sondiren  lassen,  ob  Ew. 
jcbfürstliche  Durchlaucht  wohl  gnädigst  erlauben  und  die  hohe 
lade  Ihnen  gönnen  würden  (Nb.  welche  anfrage  oder  erlaub- 
lö  auch  bey  andern  fürstlichen  Rectoratswahlen  zuvor  ge- 
beben), dero  ältesten  durchlauchtigen  Printzen,  Ludwig,  Johann, 
ilhelm,  Gruno,  auf  gegenwärtigen  Neüenjahrstage  1723  zu 
lern  haupt  der  Universität  und  Rectore  Magnificentissimo  mit 
iterthänigster  devotion  gehorsambst  zu  ervvehlen;  Nachdem  nun 
melter  Herr  Ober-Ambtmann  von  Kametzky  wie  nicht  weniger 
ti  desfals  unterthänigste  anfrage  gethan,  und  darauf  alles 
ädigst  placitiret  worden.  Als  hat  das  ganze  Corpus  Academicum 
n  IS***"  Dec.  eine  ordentliche  Deputation,  nemlich  den  Herrn 
'.  Verdries  Professor  Med.  onl.  und  Herrn  Massen  Professor 
oral.  ord.  abgeschicket,  davon  dann  der  erstere  an  den  durch- 
ichtigsten  Printzen  ohngefehr  in  folgenden  terminis  die  An- 
ie  gethan:  Ihre  Hochfürstliche  Durchlaucht  ließe  das  gantze 
>rpus  Academicum  sich  unterthänigst  empfehlen,  und  hiermit 
horsambst  mit  tiefsten  respect  intimiren,  wie  es  gesonnen 
ye,  Ihre  Durchlaucht  jetzo  herannahendes  neue  Jahr  seiner 
iterthänigsten  Schuldigkeit  gemäß  zum  Rectore  Magnificen- 
simo  zu  erwehlen,  hoffe,  ihre  Hochfürstliche  Durchlaucht 
irden  solches  in  Gnaden  aceptiren  pp.  Worauf  Ihre  Durch- 
lebt der  Printz  etwa  folgender  maßen  antworteten :  Sie  befänden 
;h  sehr  obligiret,  daß  das  corpus  Academicum  Ihnen  die  Ehre 
thun  wolte,  Sie  zum  Rectore  Magnificentissimo  zu  erwehlen, 
B  würden  solche  Ehre  mit  gröster  plaisir  acceptiren  und 
inschten  nichts  als  nur  im  Stande  zu  seyn,  dargegen  wiederum 
iige  gefäll igkeiten  erweisen   zu  können   pp. 

Den  Tag  vorm  Neujahr  als  den  31.  Dec.  1722  wurden  die 
5rm  Professores  und  einige  Herren  Geistlichen  durch  den  Uni- 
rsität-Pedellen,  die  Herren  officiers  und  andere  aber  durch  die 

BdUife  s.  0«8Ch.  d.  Universitäten  Mainz  tu  Gießen.  84 


:M0  Ludwig  VolU. 

Laqiiayen  auf  den  tag  nach  dem  Neüenjahr  um  11  Uhr  mittags 
zur  Rectorats-Mahlzeit  aufs  Schloß  invitiret. 

Eodem  den  31.  Dec.  nachmittags  kämmen  die  sämbtlichen 
Herix»n  Regierungsräthc  nebst  dem  Herren  Cantzley-Director  und 
gratulirten  beiden  durchlauchtigsten  Printzen  zum  Neüen-Jahr, 
da  dann  der  Herr  Regierungsrath  Zang  ein  gedrucktes  carmen 
in  lateinischen  versen  mit  rothem  Sammt  gebunden  und  güldenea 
bürden  besetzet  als  ein  gratulatorium  zum  Rectorat  Selbsten 
überreichte. 

Am  Neüenjahrs  tag  1723  morgens  früh  hatte  ich  die  Gnade 
ein  schlechtes  Carmen  wegen  des  Rectorats  dem  ältesten  durch- 
lauchtigsten Printzen  zu  überreichen  und  zugleich  allerseits  durch- 
lauchtigsten Printzen  zu  dem  in  hoher  Prosperität  erlebten  Neuen 
jähr  unterthänigst  zu  gratuliren. 

Darauf  kamen  noch  vor  der  Frühpredigt  Herr  Obrist,  Herr 
Obristlieutenant,  Herr  Major  nebst  denen  sämbtlichen  Herren 
üfficiers  vom  Crayß  Regiment,  und  wünschten  denen  beyden 
durchlauchtigsten  Printzen  ein  glückseeliges  Neues  Jahr. 

Folgends  fuhren  beyde  durchlauchtigsten  Printzen,  wie  ge- 
wöhnlich in  die  Kirche. 

Nachmittags  ohngefehr  um  1.  Uhr  versammleten  sich  die 
sämtlichen  Herren  Professores  auf  dem  Collegio,  und  schickten 
aus  denen  4  facultäten  an  den  ältesten  durchlauchtigsten  Printzen 
wiederum  Üeputirte  ab,  nemlich  aus  der  theologischen  Facultät: 
den  Herren  Superintendenten  Ür.  Schuppart,  aus  der  Juristischen 
Herrn  Dr.  Härtung,  aus  der  Medicinischen  Herren  Dr.  Verdries, 
aus  der  Philosophischen  Hn.  Professor  Ayermann;  unter  welchen 
gedachten  Herr  Su])erintendent  Schuppart  höchslermelten  Durch- 
lauchtigsten Printzen  ohngefehr  mit  folgenden  Worten  anredete: 
Ihro  Hochfürstliche  Durchlaucht  selten  im  Nahmen  des  gantzen 
corporis  Acadeniici  Sie  hiermit  in  unterthänigkeit  hinterbringen, 
wie  heute  die  einhellige  Wahl  zu  einem  Rectore  Magnificentissimo 
auf  Ihro  Durchlauchtigkeit  gefallen  seye,  nun  holen  sie,  Ihro 
Hochfürstliche  Durchlaucht  würden  solche  Ihre  hierunter  zeigende 
unterthänigsto  Devotion  (inädigst  auf-  und  annehmen,  und  Ihnen 
heute  die  Hohe  faveur  gönnen,  dem  Actui  Rectorali  in  Auditorio 
Solenni  zu  einem  sonderbahren  Splendeur  der  Universität  in 
hoher  gegenwarth  selbsten  beyzuwohnen,  Sie  würden  solche  hohe 
(inade,  worinnen  Sie  sich  sämbtlichen  gehorsambst  empfehleten. 
lebenslang  zu  rühmen  wissen  pp.  Ihro  Durchlaucht  der  Printz 
l>edanckten  sich  hierauf  in  einer  kurtzen  antworth,  und  giengen 
(weilen  es  nicht  weit)  mit  denen  Herren  Deputirten  vom  schloß 
aufs  Collegium,  worl)ey  die  2  pedellen  mit  Ihren  Soeptern  und 
gewöhnlichem  habit  Voran  marchirten,  und  Ihro  Durchlaucht  der 
Printz  gantz  allein  und  folgends  die  Herren  Deputirten  nach- 
folgten; (Nb.  sonsten  hätten  auch  der  Durchlauchtigste  Prinf^ 
in  der  chaise  aufs  Collegium  fahren,  und  die  Herrn  Deputirt« 
Voraus  gehen  können);  Unten  auf  der  treppe  des  ColIegJ' 
empfingen  den  Durchlauchtigsten  Printzen  der  Prorector  H. 
Dr.  Weber,  der  gewiesene  Rector  Herr  Oberkirchen-Rath  ond 
Superintendent  Dr.   Bielenfeld   nebst  denen  sämbtlichen  Herren 


Zwei  hessen-homburgische  Prinzen  als  Gießener  Studenten.        371 

i*rofessoribus ;  Als  nun  ermelter  Herr  ProRector  Herr  Dr.  Weber 
ind  Herr  Superintendent  ein  kurtzes  Empfangungs-Compliment 
ibgeleget,  gingen  die  2.  pedellen  mit  Ihren  Sceptern  Voran,  darauf 
ler  Durchlauchtigste  Printz  gantz  allein,  folgends  Herr  Prorector 
md  gewesene  Rector  Dr.  Bielenfeld  nebst  denen  übrigen  Herrn 
J^rofessoribus  nach  der  Ordnung  in  das  Auditorium  solenne, 
iVorinnen  sogleich  die  Music  angienge,  höchstgedachter  Durch- 
auchtigste  Printz  sich  auf  die  Professor-banck  gantz  oben  an 
letzte,  der  Herr  Prorector  Dr.  Weber  und  der  gewesene  Herr 
Elector  Dr.  Bilenfeld  aber,  wie  gewöhnlich,  sich  oben  auf  den 
Katheder  hinstellten;  (Nb.  Ihro  Durchlaucht  Printz  Carl  kamen 
sogleich  nachgefahren,  und  setzten  sich  bey  dero  Herren  Bruders 
Durchlaucht)  da  dann  Herr  Dr.  Bilenfeld  wegen  seines  jetzo  ab- 
egenden  Rectorats  officii  eine  lateinische  oration  hielte,  das 
matricul-buch,  die  Schlüssel  zum  Collegio  etc.  etc.  währender 
oration  dem  durchlauchtigsten  Printzen  zeigend,  dem  Prorectori 
Dr.  Weber  darreichte;  nach  endigung  dieser  rede  fiengen  Ihro 
Durchlaucht  der  Printz  als  nunmehriger  Rector  Magnificentissimus 
seine  nachgesetzte  lateinische  Dancksagung  mit  großem  applause 
abzulegen.  (Vom  Abdruck  der  Ansprache  sehen  wir  ab,  da  sie 
nur  die  üblichen  Dankesworte  an  die  Universität  und  die 
Professoren  enthält.) 

Nach  dieser  geendigten  rede  fienge  Herr  Prorector  Dr.  Weber 
ebenfals  eine  lateinische  oration  an  zu  halten,  auf  deren  schluß 
die  music  wiederum  angienge,  und  hiermit  der  Actus  Rectoralis 
in    Auditorio    beschlossen    war;    (Nb.    währender    dieser    music 
Ihro  Durchlaucht  Printz  Carl  voraus  in  die   Kirche)  nun  hätten 
ebenfals  der  älteste  Durchlauchtigste  Printz  von  da  in  die  Kirche 
fahren  können,  allein  weilen  es  ziemlich  gut  weiter,  so  giengen 
Sie   wieder   wie    zuvor,    nemlich   die    beyde    pedellen    mit   ihren 
Sceptern  voran,  der  Durchlauchtigste  Printz  gantz  allein,  hernach 
der    Prorector    Dr.    Weber    und    übrige    Professores    nach    ihrer 
Ordnung,  mit  zu   Fuß  in  die   Kirche,  und  setzten  sich  alda  zur 
Ehre    der    Universität    bey    die    Herren    Professores;    (Nb.    Ihro 
Durchlaucht  der  älteste  Printz  hätten  sich  auch,  wofern  Sie  mit 
dero  Herrn  Bruders  Durchlaucht  oder  auch  alleine  in  die  Kirche 
gefahren,   in   dero    ordentlichen   und    gewöhnlichen    Kirchenstuhl 
setzen  können,  alwo  dazumahl  Ihro  Durchlaucht  Printz  Carl  ge- 
sessen, allein  es  ist  das  gegentheil,  wie  gemekll,  aus  sonderbahrer 
Gnade  und  zur  gloiro  der  gantzc  Academie  geschehen,   w.  vor- 
hero  von  Herrn  Ober-Ambtmann  von  Kametzky  placitiret  worden.) 
In  der  Kirche  wurden  die  Scepter  von  den  Pedellen,  wie  jeder- 
zeit bey  diesem  Actu  gebräuchlich,  auf  das  altar  geleget;  nach 
verrichteten    Gottesdienst    fuhren    Ihro    Durchlaucht    der    Printz 
nacber  Hauß,  hingegen  begleiteten  die  Hn.  Professores  welches 
vorhero    mit   Fleiß    ebgeredet    worden,    den    Herrn    Prorectorem 
oacher  Hauß. 

Eodem  wurden  anstauen  gemacht  auf  die  morgende  Mahlzeit. 

Den  2.  Jan.  Versammleten  sich  die  geladene  Herren  Gäste 

''üttags  um  11.  Uhr  und  zwar  folgende:   1)  der  Herr  Prorector 

^.  Weber,  Herr  Ober-Kirchen-Rath  Dr.  Bilenfeld  und  sämbtlich 


372  Ludwig  Voltz. 

Herren  Professores.  2)  Der  Junge  Herr  Graff  van  Erbach.  3)  Herr 
Ober-Anibtmann  von  Kamelzky.  4)  alle  Regierungs-  und  andere 
Räthe.  5)  Herr  Obrist  Langsdorff.  6)  Herr  Major  von  Wille. 
7)  Herr  Hauptmann  von  Buseck.  8)  Herr  Hauptmann  von  Moritz 
und  folgende  Herrn  Capitains  vom  Regiment.  9)  die  junge  Herren 
von  Kametzky  im  nahmen  der  sämbtiichen  Herren  Studenten. 

Weilen  nun  diese  Persohnen  nicht  alle  an  einen  tisch  zu 
bringen,  wurden  2    tische  in  einem  Zimmer  gedecket,  um  nun 
alle    Rangdisputen   unter    denen    Herren    Gästen    vorzukommen, 
setzte  sich  der  eine  durchlauchtigste  Printz  an  eine,  der  andere 
an   die   andere    taffei,   folgends   alles    belle   melle;    So   bald  der 
älteste  Printz  nun  an  der  eine  taffei  die  gesundheit  anfienge,  so 
liengen  Ihro  Durchlaucht  dero  Herr  Bruder  an  der  andern  taffei 
solche    zugleich   ebenfals    an,    dabey    allemahl    eine    Compagnie 
Soldahten  vom  Ober-Rheinischen  Crayß  Regiment  zu  Fuß  Salve 
gegeben;   Zwischen   der   Mahlzeit   wurden    1)    Ihro    Durchlaucht 
l^rintz    Carls    unter    dero    versteckten   Nahmen    per   anasramma 
W.  E.  L.  C.  H.  L.  J.  Z.  gedruckte  französische,  2)  derer  sämbtiichen 
Herren  ofßciers  vom  Regiment  teütsche  in  blauem  Sammet  mit 
Silber   gestickt  eingebunden,    3)    Des    Herren    Regierungs  -  Raths 
Zangens  lateinische,  4)  Herrn  Dr.  Verdries  teütsche,  5)  Herren 
Professor  Liebknechts  lateinischen  programma  und  6)  meine  ge- 
ringe   Teutsch-verfertigte    Carmina    ausgetheilet.*® 

Nach  aufgehobener  Taffei  brachten  die  Sämbtiichen  Herreu 
Studiosi  des  abends  eine  Music  mit  vielen  fackeln,  und  hielte 
vor  dem  Durchlauchtigsten  Printzen  der  Herr  von  Stammer  ein 
Studiosus  im  nahmen  der  übrigen  eine  schöne  teütsche  rede, 
wobey  Er  eine  ebenfals  in  rothem  Sammet  eingebundene  teütsche 
Cantata  überreichte:  darauf  sind  die  Herrn  Musici  und  alle 
Studiosi  ins  Zimmer  geführet,  mit  confect  und  Wein  tractiret, 
und    hiermit   alle    Rectorats-Solenniläten    beschlossen    worden. 

Gießen  den  3^'-»  Jan.   1723. 

C.  G.  Passem  iunior. 

Die  Kosten  der  Rektoratsübernahme,  welche  den  Vater 
der  Prinzen  schon  geschreckt  hatten,  waren  in  der  Tat  nicht 
unbedeutend.  Kanietsky  versichert  in  späteren  Briefen 
wiederholt,  daß  er  alle  orsinnliche  menage  vorgewandt,  alles 
so  sparsam  wie  möglich  eingerichtet  habe.  So  z.  B.  bei  der 
Serenade,  wo  das  Haus  von  oben  biß  unten  voll  gewesen, 
habe  er  allein  an  die  100  Thaler  gespart,  dadurch,  daß  er 
seinen  Keller  schließen  ließ  und  die  Studenten  persuadirte, 
daß  sie  sich  retiriret,  denn  sonsten  gewiß  dreymal  soviel 
Wein  würde  daraufgegangen  sein.  Trotz  aller  Sparsamkeit 
beliefen  sich  die  Ausgaben,  soweit  nachweislich  ist,  auf  etwa 
300  Gulden.  Angesichts  der  kurz  vorher  erlassenen  land- 
gräflichen Verordnungen  gegen  den  Aufwand  bei  Rektor-  und 

^^'  Den  Druck  dieser  Gedichte  mußte  der  Gefeierte  zum  Teil  selbst 
bezahlen. 


Zwei  hessen-homburgrische  Prinzen  als  Gießener  Studenten.       373 

ktorschmäusen",  mögen  einige  Auszüge  aus  den  Rech- 
ngen  nicht  ohne  Interesse  sein.    Es  wurde  unter  anderem 
dem  Festmahl  gebraucht: 

Da  an  zwey  Taffein  jede  von  26  Couverten  benebst  noch 
hr  als  40  Bedienten  gespeist  worden:  für  4  geinäste  Welsche 
hne,  das  Stück  ä  2  fl.  10  albus,  9  fl.  10  Alb.;  für  16  alte 
hner  zur  Potage,  das  Stück  71/2  albus,  7  fl.;  für  20  junge 
hner  zu  Pasteten  und  Ragout,  das  Paar  10  albus,  3  fl.  10  Alb. ; 

6  geräucherte  Gänße,  das  Stück  ä  221/2  albus,  4  fl.  15  Alb.; 

75  e   Ochsenfleisch,   das  S  21/2  albus,   6  fl.   71/2   Alb.;  für 

S  Kalbfleisch,  das  ß  2  albus,  2  fl. ;  für  36  S  Hammelfleisch, 

J  8  21/2  albus,  3  fl. ;  für  vier  Westphälingische  Schincken  6  fl. ; 

vier  Hasselhühner,  das  Stück  20  albus,  2  fl.  20  Alb.;  für 
Ibsbrüste  2  fl.  18  Alb. ;  für  Schnecken  1  fl.  28  Alb. ;  für  Ar- 
boten  Blumenkohl  und  andere  grüne  Wahren  so  von  Ffurt 
[nmen  lassen  6  fl.  20  Alb.;  für  Castanien  1  fl.  27  Alb.;  für 
itten  1  fl.  15  Alb. ;  für  64  ffi  frische  Butter,  das  S  6  albus, 
fl  27  Alb.;  für  geschmeltzte  Butter  3  fl.  15  Alb.;  für  Eyer 
a.  20  Alb.;  für  Schön  Weißmehl  3  fl.  10  Alb.;  für  16  Maß  Wein 
in  der  Küche  gebraucht  auch  den  Köchen  gegeben  6  fl.  12  Alb. 

Außerdem  wurde  noch  Wildpret  von  Darmstadt  geliefert, 

der  Umgegend  von  Gießen  wurden  Krammetsvögel  zu- 

mmengekauft  und  von  Walther  de  Boche  aus  Köln  ein 

ißchen  Austern   für  2  fl.    15  Alb.   bezogen.     An  Konfekt 

iferte  Georg  Heinrich  Kohlermann  seelig: 

2  S  trucken  obst  2  fl.;  2  S  candirt  2  fl. ;  IV2  S  bißcuit  1  fl.; 
8  peffernuß  20  Alb.;  1  S  biter  mandelkuchen  24  Alb.;  4  B  back- 
Jrck  4  fl.;  1  S  Zimniet  Mandeln  24  Alb.;  1  8  gebackenc  Mandeln 

Alb.;  l  S  Zuckermandeln  15  Alb.;  1  B  Mandelbrodt  20  Alb.; 
8  bomerantze  schallen  2  fl. ;  1  ffi  Macronen  20  Alb. ;  2  tf 
»nfeckt    1  fl.;    lg    Makronen    20    Alb.;    IV2  ff    peffernuß    1   fl; 

8  bißcuit  15  Alb.;  1  S  candirt  1  fl.;  2  tE  backwerck  2  fl.; 
8  biter  mandel  Kuchen  24  Alb.;  in  Summa  22  fl.  26  alb. 

Auch  der  Verbrauch  an  Wein  war  ganz  ansehnlich, 
imlich : 

20  Maß  Hochheimer  zu  20  Alb.  (13  fl.  10  Alb.);  129  Maß 
f'«»^  Nürsteiner  zu  18  Alb.  (77  fl.  12  Alb.);  78  Maß  Ib^^^  Nür- 
8iner  zu  15  Alb.  (38  fl.)  und  36  Maß  Bert^sträßer  für  die  Köche 
id  Lakaien  zu  12  Alb.  (14  fl.  12  Alb.),  im  (ianzen  bei  dieser  einen 
^legenheit  263  Maß  Wein  für  143  11.  4  Albus. 

Nach  Beendigung  der  Festlichkeiten  fuhren  die  Prinzen 
Q  3.  Februar  nach  Homburg.    Aber  nicht  lange  sollte  sich 

^*  0.  Büchner,   Aus  Gießens  Vergangenheit,   278. 

^'  Die  Rechnungen  bieten  überhaupt  wertvolles  Material  zur  Kultur- 
Jchichte;  als  besonders  interessant  seien  diejenigen  der  Frau  Apothe- 
nn  Scipionin  ausdrücklich  namhaft  gemacht. 


374    Ludwig  Voltz:  Zwei  hesaen-liom bürg.  Printen  ab  Gi«fi«n«r  Slttdenltn. 

der  neue  Rektor  seines  Ehrenamtes  erfreuen.  Ein  mächti|et 
Wiile  griff  unversehens  in  die  Laufbahn  der  jungen  Land- 
grafen und  gab  ihr  für  immer  eine  neuf  und  ungeahnte 
Richtung.  Am  12.  Januar  1723  erschien  als  Abgesandter 
des  Zaren  Peter  des  Großen  von  Rußland  der  Generailenl- 
nant  Jagushinski  in  Homburg,  mit  einem  Schreiben  des 
Zaren,  in  welchem  er  die  Prinzen  zum  Eintritt  in  den  ni* 
sischen  Heeresdienst  aufforderte.  Peter  löste  damit  eio  Ver- 
sprechen ein,  welches  er  vor  Jahren  dem  Vater  gegeben  hatte. 
In  aller  Eile  wurde  zur  Abreise  gerüstet,  und  schon  am  13. 
machten  sich  beide  Prinzen  mit  Passem  auf  die  Reise 
nach  dem  fernen  Lande.  In  Gießen  blieb  noch  vielerlei  lU 
ordnen.  Namentlich  waren  noch  Zahluris;sver[jflich(ungen  in 
der  Höhe  von  1218  fl.  vorhanden.  Ihre  Krfüllunf;  machte  an 
sich  keine  Schwierigkeiten,  veranlaßte  aber  eine  Menge 
Schreibereien,  zumal  die  dem  älteren  Prinzen  als  Kapilän 
zustehende  Gage  (monatlich  32  fl.  43Vk  Kr.  und  sonstige 
Kompetenzen)  zur  Deckung  verwandt  werden  sollte,  was  la 
umständlichen  Verrechnungen  führte.  Im  Jahre  1727  endlich 
war  alles  geregelt,  so  daß  die  neun  Monate  Studienzeit  für 
die  Prinzen  und  ihren  Informator  zusammen  2448  fl.  14  Alb- 
gekostet  hatten. 

Die  Gießenor  Zeit  war  nur  eine  flüchtige  Episod'' 
in  dem  bewerten  Leben  der  beiden  jungen  Herren.  Diirrh 
Passern,  welcher  172.'j  nach  Gießen  zurückgekehrt  war, 
hielten  sie  Verbindungen  und  Beziehungen  der  verschie- 
densten Art  aufrecht,  bis  ihnen  das  ferne  Zarenreich  eine 
zweite  Heimat  wurde,  in  der  beide  zu  hohen,  der  ältere  so- 
gar zu  den  glänzendsten  Ehrenslellen,  emporstiegen,  che  sie 
der  Tod  in  der  Blüte  ihrer  Jahre  hinwegraffte.'* 

"  MiltpiliincPn  Hes  Verfins  für  Gf^chichte  und  Allertunisfcunilf  i« 
lluniliur^  V.  <i.  H..  h.  Jlett,  HomliuiT!  1892  (LehensbeschKtbung  des  Prinim 
Ludwig  lirumi  von  Krnst  Scliulzf).  —  l'onickau,  Friedrich  Wilhelm  voo, 
linmpm'iilirondos  Elm-n-dcdaclitniß.  wclclies  . . .  Johann  Carl  Wilhfli" 
limst  Ludwig  Landgraff  zu  HcKsen  . , .  Ihm  Selbsten  aufgerichtet    Hip 


„Von  tÖdUchem  Ableben  und  solenner  Beerdigung 

Rectoris  Magnifici." 

Von  Karl  Bader. 


Ein  seltsames  BegintK'n;  vom  Tod  zti  roden  iinil  ornsler 
Trauerprozession  in  den  Tajren  der  freiuligen  Feier!  Wanmi 
die  hcllslrahlende  Fackel  nach  unten  keliren,  warum  diu 
lustig  flatternden  Fahnen  halbstoek  senken,  wnnim  Toten- 
Slofken  ins  Festgelänt  nml  Tranerkantaten  in  Jnhelhymnon 
Illingen  lassen? 

Die  staunende  Frage  ist  so  berechtigt,  wie  die  AnlwurI 
nicht  schwer! 

Wohl  bei  keiner  der  Kürperschafleri  in  nnserem  öffent- 
lichen Lel)en  sind  Feiern  nnil  Fest."  liänÜKer  als  liei  den 
akademischen ;  während  sonst  allont halben  pnink-.  oft 
fast  weihelosp  Rinfachheil  alte  Festp-bränclie  ohne  Krbarmen 
Verdrängt  hat,  stehen  diese  anf  den  l'niversilälen  (trotz 
"lancher  Beschränkung  auch  liier)  noch  znr  Siniide  in  hoher 
Blüte.  Das  macht  deren  stete  Fühlung  mil  der  .lugend,  die 
die  Feste  feiert,  wie  sie  fallen,  und  bei  der  weder  das  ,,zu 
*'iel"  noch  das  Oeld  eine  einhaltgebietende  R(ilh>  spielt. 

V'olkskunde  und  Silfeiigeschichle  freuen  sich  deß.  Denn 
Feste  und  Aufzüge  si)i<'geln  die  Zeilen  wieder,  in  denen 
sie  stattfanden,  sie  sind  Marksteine  des  (leschinacks,  der 
(leschmacklosigkeit,  sie  bezeugen  den  Wohlsland  oder  früher 
auch  wohl  ein  von  fürstlichen  Gnaden  befohlenes  Zerrbild 


37B  Karl  liader. 

desselben.  Sie  melden  uns,  wie  und  worüber  man  trauerte, 
was  als  Mittel  beliebt  war,  die  Massen  zu  belustigen.  Diesen 
aber  bildete  ehemals  unendlich  viel  mehr  als  jetzt  das  Fest 
einen  grellen  Kontrast  zum  Alltagsleben,  von  dem  die  roman- 
tisch angekränkelte  Phantasie  sich  noch  immer  eine  viel 
zu  rosige  Vorstellung  macht.  Wen  man  feierte,  wann,  wie 
lang,  warum,  mit  welchem  Aufwand,  das  alles  sind  Fragen, 
an  denen  die  Geschichtsforschung  über  Völkergeschicke, 
Kriege  und  Umwälzungen  stolz  vorüberrauschte  oder  noch 
rauscht,  es  sei  denn,  daß  ein  gekröntes  Haupt  sich  geneigt 
hätte  zum  ewigen  Schlaf  und  mit  höchsten  Ehren  bestattet 
wird.  Viele  aber  wissen  auch  schon,  daß  nicht  nur  die  Kö- 
nige und  Großen  der  Erde  deren  Geschichte  verkörpern, 
sondern  auch  der  Einzelne  in  seinen  kleinen  und  kleinsten 
Lebensbetätigungen  mit  zum  Bild  des  Ganzen  gehört,  früher 
als  Staffage,  jetzt  mehr  als  je  im  Vordergrund  stehend.  Sie 
ergreifen  daher  liebevoll  jeden  Zug,  der,  wie  ein  erhellender 
Lichtstrahl  in  unsere,  nicht  eben  allzu  genaue  Kenntnis  vom 
täglichen  Kleinkram  früherer  Jahrhunderte  fallend,  Eniv^eite- 
rurig  und  Vertiefung  unseres  Wissens  von  alter  Zeit  darstellt 

Welch'  reiche  Beute  für  die  Kostümgeschichte  kann  die 
bildliche  Darstellung  eines  Festzugs  bringen,  welche  Einsieht 
in  das  Geistesleben  vergangener  Tage  vermag  die  Stoff- 
geschichte  aus  seinen  Reihen  zu  gewinnen,  wie  viel  steht 
zwischen  den  Zeilen  von  Devisen  und  Emblemen!  Welche 
Fülle  von  Devotion  submissest  ersterbender  Diener  spricht 
aus  den  Strophen  der  Gelegenheitsgedichte  und  Festcarmina. 
Man  ist  erstaunt,  daß  so  vielen  nach  einem  gestaltungsfähigen 
Thema  Verlegenen  die  Wünschelrute  in  dieser  Ader,  der 
deutschen  Heortologie,  noch  nicht  den  überreich  spni 
delnden  Quell  gezeigt  hat. 

So  mag  denn  auch  der  nachstehende,  bescheidene  Beitrag 
zur  Kulturgeschichte  der  Gießener  Universität  nicht  als  un- 
berechtigt unter  den  Festgaben  Aufnahme  finden.  Unwillkür- 
lich fordern  Jubiläen  zum  sinnenden  Überblicken  der  Zeit 
laufte  heraus,  die  durchmessen  wurden,  bis  die  Tage  bedeut- 
samen Abschnitts  erreicht  waren;  aber  auf  der  durcheilten 
Strecke  stehen  nicht  nur  Meilensteine  und  Weiser  nach  dem 
stets  weiterrückenden  und  darum  nie  erreichten  Ziele  der 
Wissenschaft :  der  Erkermtnis,  sondern  auch  ernst  gemahnend 
an  die  irdische  Endlichkeit  Grabsteine,  die  vom  Leben. 
Streben  und  dem  für  die  forschende  Arbeit  stets  zu  früh 
eingetretenen  Tode  mancherlei  Fesselndes  zu  erzählen 
wissen.    So  auch  bei  der  hessischen  Landesuniversität. 

Ihrer  zwei  berichten  uns  „Von  tödlichem  Ableben  uud 


.Tödliches  Ableben  und  Beerdigunj^  Recturis  Magnifici.*  377 

enner  Beerdigung  Rectoris  Magnifici",  von  Gelehrten,  die 
'ade  das  höchste  akademische  Amt  inne  hatten,  als  der 
bezwingende  Tod  sie  aus  dieser  Zeitlichkeit  abrief; 
;  gewiß  an  sich  nicht  wclterschütterndes  Ereignis:  das 
ischeiden  des  Präsidenten  einer  vortrefflichen,  jedoch 
inen  Gelehrtenrepublik,  wie  die  Hochschule  Gießen  sie 
pstellte;  aber  an  der  Hand  darüber  erhaltener  Akten  ge- 
hrt  es  uns  einen  fesselnden  Einblick  in  das  Hin  und  Her 

corpus  academicum,  wenn  es  gilt,  in  der  prunkvollen 
istinction**  der  sterblichen  Reste  des  Hauptes  zugleich  eine 
rang  der  Glieder,  also  auch  des  eigenen  Ichs  zum  Aus- 
ick  zu  bringen,  und  in  die  Beratungen  des  hohen  Senats 
er  die  kleinsten  aber  nun  einmal  notwendigen  Dinge  im 
snste  dieser  Veranstaltung. 

Wem  jedoch  Trauergeleite  und  -geläute  nicht  zu  des 
stes  „klingendem  singendem  Schall"  passen  wollen,  der 
lg  bedenken,  wie  nahe  schon  ohnehin  Trauer  und  Fröhlich- 
it  beieinander  wohnen,  zumal,  wenn  ein  hoher  Würden- 
iger zur  Grabesruhe  gebracht  wird;  das  findet  ja  symbolisch 
treffend  seine  Bekundung  in  dem  Brauch,  „bei  entdecktem 
iel"  unter  den  Klängen  lustiger  Weisen  den  Rückweg 
m  Begräbnis  anzutreten,  zu  neuer  Arbeit,  neuer  Freude  — 
jlleicht  auch  neuem  Leid  — ,  und  ein  noch  so  feierliches 
iktorenleichenbegängnis  ist  doch  nicht  für  alle  Teilnehmer 
le  ausschließlich  im  Zeichen  der  Trauer  stehende  Feier, 
r  Gießener  Studenten  des  18.  Jahrhunderts  zumall  — 

Wenn  man  auch  wohl  zum  Rektor  magnificus  und  er- 
Lhltem  Vertreter  der  Hochschule  einen  Mann  bestellte, 
m  nicht  Krankheit  oder  hohes  Alter  die  Bürde  des  Amtes, 
n  dem  es  in  einem  Berichte  heißt,  es  bringe  „große 
ihe  und  Verdruß",  noch  schwerer  machte,  und  bei 
m  darum  jeden  Augenblick  Tod  oder  Arbeitsunfähigkeit 

gewärtigen  stand,  so  rechnete  doch  der  Titulus  14  der 
eßener  Statuten,  lelzter  Paragraph:  ,,si  contingal,  ut  Reclor 
'ademiae  decedat**  immerhin  mit  der  Möglichkfüt,  daß  Rek- 
ren sterblich  sind.  Weniger  durchdrungen  von  dieser  Über- 
ugung  war  offenbar  der  Verfasser  der  ,,Series  Professorum 
leolog.  Giessensium**,  der  dem  Rektor  Joh.  Gottfried 
'hupart  nachrühmt:  ,,primus  exemplo  docuit,  rectores 
►stros  esse  mortales".* 

Merkwürdigerweise  ist  das  an  sich  seltene  Ableben  eines 
?ktors  im  Amt  zu  Gießen  vor  1730  ^ar  nicht,  dann  aber 


^  Acacl.    I.udov.    Reclor  Solcnnia  novi    Hoctori«,   29.   Sept.    1818,   iri- 
'^,  Giessae,  S.  15. 


378  Karl  Bader. 

im   18.   Jahrhundert  nicht  weniger  als  dreimal   eingetreten 
(von  Ereignissen  ähnlicher  Art  der  Neuzeit  ist  hier  absicht- 
lich keine  Rede).    Der  erste  derartige  Fall,  der  die  Universität 
des  „Caput  corporis**  beraubte,  war  der  Tod  des  erwähnten 
Professors  und  Superintendenten  Schupart*,  der  von  Heil- 
bronn 1721  nach  Gießen  berufen,  neun  Jahre  später  die  Rek- 
torwürde innehatte;  eine  akademische  Merkwürdigkeit,  ein- 
mal, weil  er  als  amtierender  Rektor  starb,  und  fast  mehr  noch, 
weil  er  der  erste  nicht  promovierte  Professor  der  Theologie 
zu  Gießen  war,  was  noch  nach  langen  Jahren  die  einen  als 
eine  unerhörte  Tatsache,  die  anderen  als  willkommenen  Prä- 
zedenzfall für  Ähnliches  bezeichneten.    Er  war  1677  geboren, 
also  ein  rüstiger  Mann,  als  er  im  Sommer  1730  die  Kur  zu 
Schwalbach    gebrauchte    und    von    einer,     wie    es    heißt, 
„apoplexia    inopinata**    plötzlich    dahingerafft    wurde,    im 
52.  Jahre  seines  Lebens,  am  3.  August.    In  Schwalbach  wrirde 
er  auch  begraben.    In  welcher  Gestalt  die  Universität  ihrem 
Anteil  an  seinem  Hintritt  Ausdruck  gab,  ist  nicht  bekannt; 
das  Schwalbacher  Kirchenbuch  vermeldet  nichts  davon.'  Es 
ist  auch  belanglos,  da  seine  Beerdigung  nicht  an  der  Statt? 
seiner  Wirksamkeit  stattfand,  also  auch  eine  Feier  bei  ihr 
nicht  in  Frage  kam. 

Es  sollte  nur  sechs  Jahre  währen,  bis  die  Hochschule 
Gießen  wiederum  vor  die  Aufgabe  gestellt  war,  den  Tod 
ihres  Rektors  zu  notifizieren  und  diesmal  mit  der  Notwendig- 
keit, für  seine  Beisetzung  eine  der  Würde  des  Verstorbenen 
und  des  von  ihm  bekleideten  Amtes  angemessene,  feierliche 
Form  zu  finden  und  mit  hochfürstlicher  Genehmigung  in  den 
Grundzügen  ihr  Zeremoniell  festzulegen. 

Diesmal  war  es  die  medizinische  Fakultät,  die  aus  ihren 
Reihen  dem  Tod  Tribut  zollte,  und  die  Teilnahme  weiterer 
als  der  speziell  akademischen  Kreise  am  Grabgeleite  war 
dadurch  gesichert,  daß  der  Verstorbene  ein  Gießener  Kind 
war,  also  zur  Musenstadt  manche  Beziehungen  hatte,  wenn 
er  auch  als  Junggeselle  gestorben  war:  Johann  Melchior 
Verdries. 

Wer  mit  Interesse  und  Teilnahme  im  Geiste  einer  Leiche 
folgt  und  nicht  den  toten  Körper  ohne  alle  Besinnung 
auf  die  seiner  Hülle  entwichene  Seele  begleitet,  sucht 
sich  gern  über  den  Lebensgang  des  Verstorbenen  z^ 
unterrichten.  Im  Falle  Verdries  steht  er  freilich  bald  bei 
den  Nachrichten  über  das  Leben  dieses  Mannes  kleinen  Vn- 

2  Nach  Strieder,  F.  \V.,  Cirundl.  z.  einer  Hess.  Gelehrten geschicbte^ 
M,   S.   40. 

^  Gütige  Milteilung  des  Kgl.  Dekans  Boell  in  Langenschwalbach. 


.Tödliches  Ableben  und  Beerdigung  Recloris  Magnifini."  379 

ligkeiten  gegenüber,  die  an  sich  nicht  allzu  wichtig 
trotzdem  aber  den  bisherigen  Mangel  an  einer  zuver- 
en  Neubearbeitung  der  Biographie  hessischer  Ge- 
tr  recht  deutlich  kennzeichnen  und  fühlbar  machen, 
ler,  der  annoch  unentbehrliche  Berater  der  Forscher 
r  Biobibliographie  unseres  engern  Vaterlandes  läßt  Ver- 

1735  sterben.  Nach  Strieder  richtet  sich  Pagel  in 
illg.  Deutschen  Biographie  und  nach  Poggendorffs  bio- 
isch-literärischem  Handwörterbuch  zur  Geschichte  der 
en  Wissenschaften,  II.   Bd.   1197.    Hier  ist  1735  und 

1736  als  Sterbejahr  angegeben.  Hirsch  in  seinem 
on  der  Ärzte  VI,  89  läßt  Verdries  1735  in  Schwalbach 
rben  sein,  eine  auf  flüchtigem  Lesen  beruhende  Ver- 
slung  mit  dem  schon  genannten  Schupart.  Ob,  wie  im 
sehen  Artikel  behauptet  wird,  die  kleinen  und  großen 
sinischen  Schriften  und  Abhandlungen  des  Professors 
irzneigelehrsamkeit  keine  große  wissenschaftliche  Be- 
ng  beanspruchen  können,  mögen  Berufene  entschei- 
Fleißig  schriftstellerisch  tätig  war  der  Verstorbene,  das 
ichnis  von  ihm  veröffentlichter  Schriften  bei  Strieder, 
>  Stück,  füllt  vier  Seiten  aus. 

ohann  Melchior  Verdries  war  am  26.  Juni  1679  in 
n,  nach  anderen  am  26.  Januar,  geboren  als  Sohn  des 
m  Christoph  Verdries,  eines  Handelsmannes,  der  zu- 
i  Bürgermeister,  Ratsherr,  Schöffe  und  Kirchenältester 

Er  begann  seine  Studien  an  der  vaterstädtischen  Uni- 
:ät,  deren  Rektor  er  einstmals  werden  sollte,  1694  mit  phi- 
hischen  und  medizinischen  Vorlesungen.  Nach  seiner 
otion  und  nach  Studien  in  Halle  und  mancherlei  Reisen 
e  er  in  die  Heimat  zurück,  wo  er  bald  zu  Amt  imd 
le  emporstieg:  seit  1707  außerordentlicher  Professor, 
e  er  13  Jahre  später  ordentlicher,  1727  Rat  und  Leib- 
3US.  Am  25.  Juli  1736  abends  9  Uhr  starb  er,  gleich 
part  ein  Mann,  der  noch  weit  von  der  Schwelle  des 
enalters  entfernt  war,  „ein  so  gelahrt  als  berühmt  und 
eißiges  Mitglied  der  Universität**.  Da  seine  feierliche 
tzung  erst  im  November  erfolgte,  so  hatten  die  obersten 
rden  in  Darmstadt  einer-  und  die  akademischen  in 
{n  andererseits  reichlich  Zeit,  zu  deliberieren,  wie  die 
cvolle  Rektorenbestattung  „modo  convenienti**  nach  dem 
3r  anderer  Hochschulen  ausgerichtet  werden  könnte.  Die 
tzung  war  lediglich  eine  Repräsentationsfeier,  keine 
iche  Beerdigung  (denn  die  erfolgte  ja  alsbald  nach  dem 
),  imd  das  in  einer  Zeit,  in  der  ganz  besonders  streng 
i  den  Luxus   bei  Trauerfällen  in  Privatkr:}isen  vorge- 


380  Karl  Bader. 

gangen  wardl  Es  ist  klar,  daß  es  der  Universität  darauf 
ankam,  neben  dem  Ehrengeleit  für  den  verstorbenen  Rector 
magnificus  einen  Aufzug  zu  veranstalten,  bei  dem  der  Rang 
und  das  Ansehen  der  obersten  wissenschaftlichen  Landes- 
anstalt zu  gebührender  Anerkennung  kam.  Der  Rektor,  so 
berichtet  der  Senat  an  den  Landgrafen,  sei  ein  ansehnlich 
Amt  und  Haupt  einer  Körperschaft  mit  hohem,  Prälatenrang. 
Auch  später  klingt  die  Wahrung  der  „dignitas  rectoralis" 
und  der  „Ehre  des  corporis**  durch  die  Vorbereitungen  hin- 
durch. So  kommt  es  auch,  daß  die  Universität  nach  altera 
Brauch  sich  einen  Vertreter  des  Landesherm  in  den  Leichen- 
zug erbittet  und  zur  „Erspahrung**  der  Kosten  den  Geh.  Rat 
Zang  vorschlägt,  was  unterm  20.  August  mit  einem  Teil 
anderer  von  ihr  gemachter  Vorschläge  beim  Landgrafen  aller- 
höchste Billigung  findet. 

Statt  der  in  Gießen  erbetenen  sechs  Pferde  zum  Leichen- 
wagen bewilligte  das  landgräfliche  Reskript  freilich  nur  deren 
zwei.    Kurze  Zeit  darauf  hat  der  Rektor  sich  abermals  nach 
Darmstadt  gewandt  und  unter  Hinweis  darauf,  daß  den  Uni- 
versitäten seit  den  Tagen  Kaiser  Friedrichs  darum  Purpur 
und  Szepter  zugelegt  sei,  um  anzudeuten,  daß  sie  den  Rang 
haben  über  Bischöfen  und  Prälaten,  dringend  zu  baldiger  Ge- 
nchmigimg  empfohlen,  daß  der  Leichenwagen  des  Rektors 
von  sechs  Pferden  gezogen  würde,  denn  deren  nur  zwei,  die 
jeder  haben  könnte,  dienten  nicht  genügend,  den  Rektor  zu 
distinguieren.     Zu    dessen    weiterer    Ehrung    diente    dann 
noch  die  Schmückung  des  Sarges  mit  dem  Antoniterkreiiz, 
als   dem    Wappen   der   Universität,    am    Fußende   das  Pri- 
vatwappen    des    verstorbenen    Rektors    und    die    Fakultäls- 
Wappen  an  den   Seiten.     Diese  Auszeichnung  des  Rectors 
Magnificus  als  „caput  totius  corporis*'  tritt  auch  bei  anderen 
Gelegenheiten   in  feinen  Abstufungen  im  Gepränge  zutage. 
Als  am  9.  September  1755  die  im  Wochenbett  verstorbene 
Gattin  des  gerade  amtierenden  Rektors  Johann  Ernst  Höpfner 
bestattet  ward,  sehen  wir  ein  Programm  angeschlagen  und 
vier    Pferde    den    Wagen    mit    der    Leiche    ziehen:    zwei 
Marschälle  und  alle  Studiosi    geleiten  sie  im  Fackelschein 
und    unter  dem   Geläut  aller  Glocken  Gießens   zur  letzten 
Ruhestatt,  wo  Musik  ertönt  luid  eine  kurze  Predigt  gehalten 
wird.    Was  die  Ehrung  eines  verstorbenen  Kanzlers  angehl 
so  erfahren  wir,  z.  B.  bei  der  Beerdigung  des  procancellarii 
Franz  Justus  Kortholt,  1771,  daß  ihm  der  Schmuck  des  Sarges 
mit  den  Wappen  der  vier  Fakultäten  bei  aller  Verehrung  und 
Würdigung  der  Verdienste  seiner  Person  versagt  blieb,  weil 
dergleichen  in  ähnlichen  Fällen  nie  geschehen  sei  und  keine 


.Todliches  Ableben  und  Beerdigung  Rectoris  Bfagnifici.*         381 

•dnung  bestehe.  Überhaupt:  Verordnung  und  Obser- 
I  eine  für  viele  zwingende,  alles  Bedenken  und  jede 
rung  von  vornherein  ausschließende  Macht  I 
)ie  unterm  20.  August  erlassene,  schon  erwähnte  land- 
che  Willensmeinung  verlangt,  daß  alles  in  guter  Ord- 
und  „menage"  vor  sich  gehe,  doch  wurden  am  22.  Ok- 

die  sechs  Pferde  vor  dem  Leichenwagen  genehmigt. 
iVer  im  Leben  steht,  weiß,  daß  alles,  auch  die  höchsten 
j,  erst  durch  allerlei  Hindemisse,  Kleinigkeiten  und 
jreitungen  hindurch  zur  Vollendung  reifen.  Im  Leben 
Jniversität  ging  es  damals  nicht  anders:  vom  Rector 
ificus,  der  sich  um  Trauermäntel,  Marschallstäbe,  Hand- 
le, Fackeln  kümmern  muß,  Wein,  Bretzeln,  Gebäck, 
turen  beschaffen  soll,  zu  den  mit  gewichtigem  pro  und 
a  votierenden  Professoren,  hinter  deren  oft  sehr  treffende, 
)er  auch  unpraktische  und  nicht  frei  von  Animosität  ge- 
ic  Gutachten  man  gerne  „parturiunt  montes"  schreiben 
te.  Die  Frage  der  Zitronen  im  Kondukt  hat  einiger 
egung  bedurft,  doch  siegte  die  Einsicht  in  ihre  absolute 
lüssigkeit.  Daß  aber  bis  in  die  Elite  des  Geistes  auch 
5  V^orurteile  über  Rang  und  Vortritt  dringen  und  sich 
breit  machen  können,  ist  ein  hochinteressanter,  wenn- 
i  nicht  neuer  Beitrag  zur  Geistesgeschichte.  Einige, 
1  der  Rang  und  die  Einweisung  in  den  Zug  nicht  zu  be- 
i  schien,  waren  verdächtig,  der  „Prozession**  fernbleiben 
ollen,  so  daß  man  ernstlich  erwog,  welche  Strafmittel 
ir  Teilnahme  zwingen  könnten.  Schließlich  verlief  aber 
alles,  wie  meist  bei  derartigen  Ereignissen,  trotz  schein- 
müberwindlicher  Hindernisse  programmäßig. 
)ie  am  8.  November,  also  drei  Monate  nach  dem  Tode 
;te  öffentliche  Leichenfeier  berichten  nach  den  Akten 
,Frankfurtischen  Gelehrten  Zeitungen**  1737,  S.  39  ff. 
eine  merkwürdige  Geschichte*',  und  in  der  Tat  mag  es 
i  eine  Schaustellung  gewesen  sein,  von  der  zu  lesen 

noch  heute  den  Freund  der  Gießener  Universitätsge- 
hte  unterhalten  mag. 

Nachdem  um  10  Uhr  das  hochfürstliche  Militär  in  sau- 
Montur  alle  Posten  mit  Musketieren  besetzt,  die 
idiere  aber  zur  Hauptwache  entsandt  und  das  Audi- 
n  mit  Doppelposten  bestellt  hatte,  und  von  11 — 12  der 
l  der  sämtlichen  Glocken  die  Feier  eingeläutet  hatte,  ver- 
leite sich  um  1  Uhr  eine  sehr  illustre  Trauerversamm- 

Die  Spitzen  der  Behörden  im  schwarz  ausgeschlagenen 
ischen  Auditorium,  die  Studenten  im  theologischen, 
lern  Haus  des  Kommandanten  stand  die  Garnison  in 


382  Karl  Bader. 

Parade,  die  Front  nach  dem  Kollegium,  mit  eingeflortem  Spiel. 
Nach  feierlicher  Einholung  des  landgräflichen  Vertreters  und 
Empfang  durch  den  Rektor  setzte  sich  der  Zug  in  Bewegung. 
Marschalldienst  taten  Studiosi  mit  schwarzen  Stäben;  ihrer 
zwei  eröffneten  die  Prozession.    Singend  folgten  die  Stadt- 
schüler, nach  ihnen  kamen  die  praeceptores  des  Pädagogs 
mit  dessen  Schülern,  eine  Gruppe,  deren  Einreihung  schon 
Unfrieden  gestiftet  hatte  und  noch  mehr  stiften  sollte;  aber- 
mals schritten  zwei  Marschälle  vor  dem  Leichenwagen,  den 
sechs  schwarz  behangene,  von  ebensoviel  schwarz  gekleideten 
Knechten  geführte  Pferde  zogen.  Bunt  stach  von  der  düstern 
Decke  das  Wappen  der  alma  mater:  blau  in  silber  eingefaßt 
das  Antoniterkreuz  ab,  und  nicht  minder  an  den  Seiten  die 
Schilder  der  vier  Fakultäten  und  der  verstorbenen  Magnifi- 
cenz  eigenes  Familienw^appen.    Studenten  geleiteten  als  Wan- 
delspalier den  Wagen.     Es  folgten  die  ministri  academici, 
die  Symbole  des  Rektorats,  die  Szepter,  alle  umflort,  tragend, 
der  fürstliche  Deputierte,  Geh.  Rat  Zang,  der  Rektor  und 
die    Professoren    in    Trauermänteln    paarweise    schreitend. 
Den  für  die  nächste  Gruppe  vorgesehenen  Sprach-  und  Exer 
zitienmeistern  —  es  hatte  da  vorher  Rangstreit  gegeben  - 
kam  die  Studentenschaft  zuvor,  indem  sie  den  Platz  unmittel- 
bar hinter  den  Professoren  in  Anspruch  nahm ;  wieder  ge- 
leitet von  Marschällen  schloß  sich  die  hochfürstliche  Regie- 
rung an,  Räte,  Assessores,  Akzessisten,  Advocati,  Procura- 
tores  u.  a.  m.,  alsdann  der  Herr  Oberstleutnant  Vogelsang 
mit  Stabs-  und  nicht  zur  Parade  konunandierten  Subaltem- 
oflizieren,  Oberamt,  Stadtrat  und  endlich  die  Zünfte,  22  an 
der  Zahl,   in  ausgeloster  Ordnung  hinter  ihnen   drein.    So 
ging*s  durch  die  neuen  Baue  übers  Kreuz  nach  dem  Markt, 
allwo  eine  zweite  Parade  stattfand,  und  nach  der  Kirche, 
die  abgesperrt  war  und  nur  den  Teilnehmern  in  bestimmter 
Platzordnung  ihre  Türen  öffnete.     Auf  der  schwarz  ausge- 
schhigenen  Professorenbühne  nahmen  der  fürstliche  Abgeord- 
nete und  die  Professoren  ihre  Sitze;  während  die  Pedellen 
die  schwarzen  Szepter  auf  den  Altar  legten,  rückten  die  Stu- 
denten in  die  ersten  Reihen  der  Weiberstühle,  die  Ratsstühle 
standen  der  Regierung,  den  Offizieren  die  Regierungsstühle 
offen.    Bürgermeister  und  Rat  setzten  sich  hinter  die  Studiosi 
Zünfte  und  Paedagogici  nahmen  auf  den  ihnen  immer  zu- 
stehenden Stühlen  Platz,  die  singenden  Stadtschüler  blieben 
im  Chor.    Nun  ertönt  die  Trauermusik.    In  den  ihre  Vorbe- 
reitungen betreffenden  Akten  machen  wir  u.  a.  die  Bekannt- 
schaft des  Herrn  Musikdirektors  Bieler,  eines  Mannes,  dessen 
Bericht  sich  wendet  „A  molto  ed  Excellentissimo  lUustrissi- 


.Tödliches  Ableben  und  Beerdigung  Recloris  Magnifici.*  383 

ino  Signor  Signor  Wahl,  Rectore  ed  Dottore  di  leggi  deir  Acca- 
demia  di  Gießa,  ed  presentzialmente  a  sua  Loggia**  und  den  er 
mit  der  Anrede  „Magnifice,  hochedler,  vest-  und  Hochgelahr- 
ter, Innsonders  hochgeertester  Herr  Rector  und  vornehmer 
Herr  Patron**  einleitet.*  Dieser  etwas  eigenartige  Mann  war, 
„pererratis  aliquot  regionibus**  nach  Gießen  gekommen,  aber 
schon  nach  dreiviertel  Jahren  vom  Amt  des  Musiklehrers  am 
Pädagog  abgesetzt  worden,  da  ihm  Albernheit  und  Undankbar- 
keit vorgeworfen  wurde,  nach  mancherlei  Zusammenstößen 
mit  seinen  vorgesetzten  Behörden.    Die  Musik  der  Verdries- 
schen  Leichenfeier  aber  lag  ihm  ob,  und  die  notwendige  „Me- 
nage** will  er  gern  eintreten  lassen,  aber,  „wenn  die  paeda- 
gogici  mit  musiciren  sollen**,  so  bittet  er,  „daß  mir  einer 
oder  zwei  von  denen  Herren  Pedellen  Alss  Zeugen  kommen, 
um  zu  sehen  und  mitwahrzunehmen,  ob  sich  diese  unarthige 
böse  Schüler  so  bezeigen  und  aufführen,  wie  ihre  Schuldig- 
keit erfordert  oder  pp.  damit  ich  vor  Lügen  und  Trügen  gegen 
den  Herrn  Professor  Benner  mich  verwahrt  sehe.     Jedoch 
an  das  Pädagog  versetze   ich  keinen  Schritt,  sondern  die 
Schüler  mögen  zu  mir  ins  Haus  oder  in  die  Kirche  zur  Probe 
konmien**.    Man  sieht,  die  ermunternde  Wirkung  des  Lieds, 
und  wäre  es  ein  Trauergesang,  bei  jungen  Gemütern  ist  alt, 
und  der  Kampf  der  Gesangslehrer  um  eine  geordnete  Dis- 
ziplin ist  nicht  von  gestern.    Ob  Bieler  sich  mit  seiner  zu- 
sammengekratzten Schar  Vokal-    und    Instrumentalmusiker 
seiner  Aufgabe  gut  entledigt  hat,  verraten  die  Akten  nicht. 
Jedenfalls  hatten  inzwischen  die  Träger  Zeit,  eine  feierliche 
Aufbahrung  des  Spriegels  in  der  Kirche  vorzunehmen :  die 
wappengeschmückte    Totenbahre,     bewacht    von    den    zum 
Ehrendienst  erlesenen  Studiosis  und  vom  Schein  der  in  zwölf 
silbernen    Leuchtern    brennenden    Wachskerzen    bestrahlt. 
Daß  gerade  der  Superintendent  Liebknecht,  dem  Wunsch  des 
Verstorbenen  folgend,  über  Psalm  73  V.  23   u.  24  sprach 
von  „die  grünende  Gebeine  eines  Rectoris  magnifici  — **  etc., 
bedeutete  eine  Ehrung  des  Menschen  und  seines  iVmtes  zu- 
gleich.   Alsdann  senkte  man  den  Sarg  von  der  Totenbahre  zur 
Erde  nieder,  und  der  Trauerzug  begab  sich  unter  abermaligem 
Glockengeläut  nach  dem  Brand.     Das  blühende  Leben  trat 
nieder  in  seine   Rechte,   vielleicht  bei  manchem   bald  nur 
allzu  kräftig  pulsierend!   Ein  Marsch  ward  ,,bei  entdecktem 
Spiel**  geschlagen,  und  nachdem  vor  dem  Kolleg  Schüler  und 
Zünfte  abgerückt  waren,  begab  sich  der  übrige  Trauerkon- 

*  Yergl.  Beil.  z.  Jahrcsber.  d.  (iroßh,  Gymnasiums  zu  Gießen,  Ostern 
1905,  S.  10-12. 


384  Karl  Bader. 

dukt  je  nach  Rang  in  die  einzelnen  Hörsäle,  wo  Confituren, 
Mandeln,  liretzeln  undWein  gereicht  wurden.  Bis  nach  8 Uhr 
währte  die  Feier;  ob  aber  die  zur  Vermeidung  von  „Des- 
ordres'*  vorgenommene  Verstärkung  der  Hauptwache  um 
zehn  Mann  sich  als  nötig  erwies  und  einschreiten  mußte,  ist 
nicht  überliefert,  doch  wird  man  nicht  fehl  gehen,  wenn 
man  kein  allzu  geräuschlos  verlaufenes  „Traktament"  an- 
ninmit,  und  eine  später  gemachte  Anspielung  macht  dies  sehr 
wahrscheinlich.  Der  nächste  Tag  brachte  in  der  Frühe  um 
10  Uhr  eine  akademische  Feier,  bei  der  der  Professor  elo- 
quentiae  Benner,  von  dem  wir  noch  hören  werden,  die  Fest- 
rede hielt;  nach  ihr  nahm  der  fürstliche  Abgesandte  vom 
Rektor  und  von  den  deputierten  Professoren  in  offizieller 
Weise  Abschied.  Damit  war  die  Feier  beendet,  bis  auf  die 
noch  zu  erledigenden  Geschäfte :  den  Zünften  ihre  40  fl.  zum 
Vertrinken  zuzustellen,  die  fremden,  von  Bieler  besorgten 
Musikanten  zu  verpflegen  und  den  Butzbachern  ihre  anher 
geliehenen  Mäntel  wieder  dankend  zurückzuschicken. 

V^ersuchen  wir  aber  doch  noch  einmal,  das  eigenartige 
Bild  im  Geiste  festzuhalten,  wie  ein  feierlicher,  ernster 
Leichenzug  durch  die  Straßen  Gießens  zieht.  Was  ihm 
fehlt,  ist  die  Farbenpracht,  die  allem  Trauerflor  zum  Trotz 
neuzeitliche  Studeiitenaufzüge  so  besonders  auszeichnet; 
keine  Orden  und  Bänder,  aber  schwarze  Stäbe,  Handschuhe 
und  Mäntel  zeichnen  seine  Spur.  Und  wie  wir  im  allge- 
meinen gut  tun,  mit  wenig  rosig  gefärbten  Bildern  uns  Er- 
ei}!;nisse  der  Vergangenheit  zu  beleben,  so  auch  im  beson 
deren  und  hier.  Es  gibt  zu  denken,  wenn  die  Universität 
hervorhebt,  die  Straßen,  vor  allem  der  Brand,  würden 
vom  Unrat  gereinigt  werden,  und  es  rät  zur  Vorsicht  und  Ein- 
sicht, uns  von  dem  damaligen  Gießen  keine  übertriebene 
Vorstellung  zu  machen,  zumal  in  einer  Zeit,  da  möglichste 
„Erspahrung**  ein  beliebter  und  oft  erklingender  Warnungs- 
ruf war.  Wenn  wir  z.  B.  gerade  zum  Jahre  1769  in  den 
Kam  bachischen  Sammlungen  lesen,  daß  die  Besoldung  eines 
Lehrers  für  einen  ledigen  nicht  ausreichte-^  so  zeigt  uns  dies 
an,  daß  bei  der  Rektorsleiche  von  1768,  von  der  noch  die 
Rede  sein  wird,  wie  bei  der  von  1736  das  äußere  Anseheft 
dieser  im  Zug  wandelnden  Gruppe  kaum  ein  durch  Elegant 
besonders  auffallendes  gewesen  sein  mag,  und  so  müssen 
wir  uns  das  Ganze  denken;  daß  die  hochfürstliche  Garnison 
Gießen  und  das  Kreisregiment  —  es  zählte  630  Mann  -^ 

^  Bei   Scliädel,   Jahresher.   d.   Gymnasiums  zu  Gießen,  Ostern  19t^- 
Deil,  S    18. 


«Tödliches  Ableben  und  Beerdigung  Rectoris  Magnifici.*  385 

mit  den  neuen  silberbetreßten  Uniformsröcken,  den  roten 
Strümpfen  und  Hutfedern  in  sauberer  Montur  auch  damals^ 
den  Vogel  abgeschossen  hat,  wird  keinem  einsichtigen  Be- 
urteiler des  äußeren  Anblicks  der  Prozession  zweifelhaft 
sein.  Auch  vor  allzu  hohen  Zahlenbegriffen  müssen  wir 
uns  hüten.  Das  ganze  Pädagog  stellt  mit  seinen  48  Schülern 
und  vier  Präceptoribus  kaum  ein  halb  hundert  Köpfe  zum 
Zug,  heute  oft  die  Schülerzahl  einer  einzigen  Klasse  einer 
Lehranstalt,  17  Personen  betrug  das  Professorenkollegium, 
etwas  mehr  die  Stärke  der  Oeconomi  und  sonstigen  Be- 
diensteten. Etwa  180  Studenten  waren  1736  immatrikulierte 
Höchstens  100  Leidtragende,  Vertreter  aus  den  Kreisen  der 
Regierung,  das  Konsistorium,  die  Advocati  und  Procura- 
tores  dürfen  wir  annehmen,  doch  entsandten,  laut  Rech- 
nungsausweis, die  Zünfte  allerdings  518  Mann  zur  letzten 
Ehrung  des  verstorbenen  Rektors  und  Gießener  Kindes. 

Was  Professor  Benner  in  seiner  „Oration"  gesagt  hat, 
ist  uns  nicht  überliefert.  Aber  es  läge  nicht  fem,  anzu- 
nehmen, daß  er  im  Namen  der  gesamten  Universität  wünschte, 
dieser  möchte  ein  gleicher  Schlag,  wie  er  die  Hochschule  nun 
in  sechs  Jahren  zweimal  getroffen  hatte:  der  Tod  eines 
Rektors  im  Amte  ad  multos  annos  erspart  bleiben.  Es  kam 
anders,  und  gerade  der  Redner  selbst  sollte,  als  der  einzige 
der  gesamten  Professoren  von  1736,  noch  ein  drittes  Mai 
den  tödlichen  Hintritt  eines  Rektors  erleben,  ja,  wie  wir 
sehen  werden,  in  die  Vorbereitungen  zur  Leichenfeier  be- 
sonders verwickelt  sein. 

Wenn  Buchner  in  seiner  Schrift:  „Gießen  vor  100 
Jahren",  Gießen  1879,  S.  23  meldet:  „Im  Dezember  1768  war 
der  Rektor  Müller  gestorben,  wurde  am  22.  mit  großen  Feier- 
lichkeiten beerdigt",  so  ist  die  erstere  Angabe  nicht  richtig. 
Wahr  ist,  daß  der  gerade  im  Rektoramt  befindliche  Professor 
Müller  am  24.  Oktober  1768  gestorben  ist  und  zwei  Tage  später 
früh  inorgens  in  der  Stille  auf  seinem  Erbbegräbnis  beigesetzt 
Wurde,  daß  acht  Bürger  ihn  trugen,  beim  Scheine  zweier 
Fackeln,  daß  die  Pedellen  mitgingen,  und  daß  diese  Be- 
erdigung, im  Gegensatz  zur  feierlichen  Leichenparade,  auf 
Privatkosten  vor  sich  ging.  Es  ist  gewiß  kulturgeschichtlich 
ßicht  ohne  Bedeutung,  wieviel  Zeit  die  Vorbereitungen  in 
Anspruch  nahmen,  und  was  Wichtiges  es  dabei  zu  bedenken 
^öd  zu  beachten  gab,  bis  am  22.  Dezember,  also  nach 
^ei  Monaten,   die  Leichenfeier  stattfand.     Wer  nun   war 

*  Keim,  Gesch.  d.  Inf.-Regts.  No.  117. 
^        ^  Nach  Eulenburg,  in  Abh.  d.  phil.-hist.  Kl.  d.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss., 
2y,  Ko.  II,  S.  160. 

Heitiftge.s.  G€tch.  d.  Universitäten  Mainz  u.  Gießen.  25 


:5Sr,  Karl  Bader. 

<ler  entschlafene  Rector  Magnificus?  Ein  Personalbogen  der 
Akten  erzählt  uns  von  dem  „weiland  hochwürdigen,  in  Gott 
andächtigen  und  hoch  berühmten  Herrn,  dem  dermaligen  in 
Gott  ruhenden  Rector  Academiae  Magnificus,  Johann  Stephan 
Müller,  der  heil.  Gottesgelahrtheit  weitberühmtem  Doctor,  wie 
auch  ordentlichem  öffentlichem  Lehrer,  Superintendent  und 
Assessor  Consistorii**,  daß  er  1730  geboren,  seinen  „theuer- 
geschätzten  Eltern,  zumal  der  groß-,  ehr-  und  tugendbe- 
lobten Frau  Mutter**  durch  Spuren  eines  frühzeitigen  Ver- 
stands und  vorzügliche  Fähigkeiten  Freude  machte  und  nach 
mancherlei  Streben  und  Arbeit  1763  nach  Gießen  kam,  wo 
ihm  später  neben  anderen  Auszeichnungen  die  Superinten- 
dentur  des  Marburger  Distriktes  übertragen  ward.  1768  er- 
hielt er  die  einhellige  Berufung  zum  Rektorat,  in  welchem 
Amt  er  ungeachtet  seiner  schwächlichen  Lreibeskonstitution 
alle  Kraft  daran  setzte,  mit  durch  Liebe  gemäßigtem  Ernst 
und  außergewöhnlicher  Klugheit  sich  allgemeinen  Beifall 
zu  erwerben. 

Wie  ein  rechtes  Lebensbild  mit  Sonnenschein  und 
trübstem  Leid  mutet  uns  seine  kurze  Biographie  an.  Zwei- 
mal seiner  Gattin  durch  den  Tod  beraubt,  im  zweiten  Fall 
durch  eine  Krankheit,  die  ihn  selbst  hinraffen  sollte,  heraus- 
gerissen aus  der  Arbeit  („Dogmatica,  Polemica,  Moralia  atque 
Catechetica  per  instans  semestre  tractabit**  heißt*s  im  Vor- 
lesungsverzeichnis seines  Sterbejahres),  zum  dritten  Male 
verheiratet,  aber  phthisisch,  ein  vorzeitig  gefällter  Bauni  mit 
Blüten  und  grünen  Blättern,  aber  morschem  Wurzelwerk. 
Er  starb,  erst  38  Jahre  alt.  Hier,  wo  es  gilt,  ihn  begraben, 
nicht  ihn  preisen,  bleibt  die  Frage  seiner  wissenschaftlichen 
Fähigkeiten  füglich  außer  Betracht.  Aber  wiederum  gibt 
uns  die  Art,  wie  man  den  Tod  des  Rektors  aufnahm  und 
ihm  eine  Leichenfeier  ausrichtete,  ein  nicht  uninteressantes 
Bild    aus  der  Zeit,  da  dies  geschah.  — 

Am  17.  Oktober  1768  war  der  Rector  Magnificentissinius 
vom  Jahre  1707,  Landgraf  Ludwig  VIIL,  von  jähem  Tod 
dahingerafft  worden.  Eine  Woche  später  folgte  der  Rector 
magnificus  nach,  und  alsbald  berichtet  die  Tniversität 
in  der  Gewißheit,  Serenissimus  werde  gnädige  Kompassion 
tragen,  den  Todesfall  nach  Darmstadt  und  fragt  wegen 
des  Ersatzes  und  der  feierlichen  Beisetzung  an,  zugleich 
sich  den  Oeh.  Rat  Mollenbeck  zu  Gießen  als  Vertreter 
des  Landesfürsten  erbittend.  Die  Genehmigung  der  vor- 
getragenen Punkte  bietet  nichts  Neues,  nur  soll  i^^ 
Schniaus,  als  ,,eine  entbehrliche  und  nur  zu  Aus- 
schweif unj^en      Anlaß      jTobende     Ausgabe**      in     Wegf^^^   ^ 


, Tödliches  Ableben  und  Beerdigung  Recloris  Magniftci/  387 

kommen.  Wir  werden  also  wohl  vermuten  dürfen,  ja  ge- 
radezu annehmen  müssen,  daß  bei  ähnlichen  Ereignissen, 
auch  bei  der  Verdriesschen  Leichenfeier  in  vorgerückter 
Stunde  unliebsame  Vorkommnisse  den  Tag  übNßl  abge- 
schlossen hatten,  und  man  dem  vorbeugen  wollte.  Pro- 
fessor Thom,  dem  das  Rektorat  bis  Ende  des  Amtsjahres 
übertragen  ward,  hatte  also  mit  Wein  und  Bretzeln  keine 
Beschwer,  aber  die  mancherlei  Vorbereitungen  kleiner  und 
kleinster  Art,  deren  Fäden  in  seiner  Hand  zusammenliefen, 
wurden  auch  ihm  natürlich  nicht  erspart,  doch  war,  da  der 
gleiche  Fall  1736  ja  vorgekommen  war,  allzuviel  Neues 
nicht  zu  beachten.  Uralt  und  doch  ewig  neu  waren  nur 
die  Rangstreitigkeiten,  deren  Vorgeschichte  und  Erledigung 
sittengeschichtlich  genügend  interessant  ist,  um  uns  ihre, 
im  Grunde  genommen,  unendliche  Unwichtigkeit  eine  Zeit- 
lang vergessen  zu  machen.  Was  sich  vor  unseren  geistigen 
Augen  wie  eine  Komödie  abspielt,  dabei  ist  damals  ganz 
ernsthaft  agirt  und  agitiert  worden,  und  die  Vertreter  der 
einzelnen  Rollen  treten  in  Wohlwollen  oder  Voreingenommen- 
heit oft  sehr  drastisch  in  die  Erscheinung. 

Wer  allerdings  ein  unbeugsamer  Anbeter  der  Heilig- 
keit der  ,, Observanz**  (ein  in  den  Akten  beliebtes  Schlag- 
Wort)  ist,  für  den  ist  der  im  folgenden  skizzierte  Streit  von 
großer  Wichtigkeit. 

Den  praeceptoribus  classicis  als  „membris**  dc»r  Univer- 
sität stand  von  alters  ein  Platz  .bei  dem  corpus  academicum 
offen,  zumal  bei  öffentlichen  Aufzügen,  und  zwar  ,,undisputir- 
lich**  und  bei  Trauerprozessionen  hinter  der  Leiche,  wo  ja 
auch  die  Universität  ging.     1736  aber  halte  man  sie  nebst 
ihren  Schülern  vor  die  Leiche  gereiht,  was  von  vielen  als 
eine  Gleichstellung  mit  den  um  Geld  singenden  Stadtschülern 
und  darum  als  Herabsetzung  empfunden  wurde.  Auch  in  den 
Rambachischen  Aufzeichnungen  wird  es  alsbald  als  eine  Un- 
gehörigkeit bezeichnet,  der  abzuhelfen    Sache  des  künftigen 
Pädagogiarchen  sein  werde.     Ebenso,  heißt  es  da,  wie  im 
Streit  der  Schüler  mit  dem  Gießener  Gemeinderat  um  den 
Vortritt  (einer  kulturgeschichtlich  köstlichen   Episode)    die 
ersteren  siegten,  so  würden  sie  auch  künftig  sich  den  ge- 
bührenden Platz  hinter  der  Leiche  gewiß  wieder  zu  ver- 
t      schaffen  wissen.    In  der  Tat  reichten,  als  die  Frage  bei  der 
^     Rektorsleiche  1768  wieder  praktisch  ward,  die  praeceptores 
\     eine  Denkschrift  ein,  in  der  sie    hinter  den  Professoren  zu 
m    gehen  beanspruchten.    Während  ein  Teil  der  Professoren  dies 
■    y^ohl  berechtigt  findet,  sieht  ein  anderer  nicht  ein,  warum 
1    diesmal  „Schwührigkeiten**  gemacht  würden.    Die  praecep- 


388  Karl  Bader. 

tores  finden  in  Hermann  Benner,  dem  langjährigen  Leiter  des 
Gymnasimns  und  vielangefeihdeten  Mann  einen  warmen  Für- 
sprecher; die  vom  Rektor  eingeforderten  Vota  im  Senat 
waren,  wie  gesagt,  zwiespältig:  hier  vorurteilsfreie  Einsicht 
in  die  Billigkeit  des  Verlangens  und  die  Überzeugung,  daß  die 
Rangordnung  von  1736  nicht  unumstößlich  sei,  zumal  sie 
von  „Erbfeinden  des  Pädagogiums"  herrühre,  die  „nicht 
frey  von  Affekten**  waren,  dort  Unfähigkeit  oder  Mangel  an 
Wille,  sich  von  dem  Fürstl.  Reskript  von  1736  frei  zumachen. 
Manche  sprachen  sogar  direkt  davon,  die  Rangfolge  bei  der 
Verdriesschen  Leiche  sei  geradezu  zur  besonderen  „Distinc- 
tion  Rectoris  Magnifici"  j;emacht  und  darum  doppelt  unantastbar. 

Besonders  ablehnend  verhielt  sich  der  Professor  der 
Rechtswissenschaft  Dr.  Job.  Christoph  Koch.  Die  Gründe 
der  Präceptores  sind  für  ihn  „gar  seicht**,  das  ganze  ist 
„bloßer  Schulstoltz**,  das  Pädagog  sei  zwar  keine  Trivial-, 
wohl  aber  eine  niedere  Schule  und  gehöre  samt  den  Präcep- 
toren  vor  den  Sarg.  Das  Lehrerkollegium,  das  dem  Rektor 
Verdries  die  letzten  Ehren  erwies,  sei  auch  keine  Gesellschaft 
von  „Katzenköpfen**  gewesen  und  hätte  den  ihm  zugewiesenen 
Platz  durchaus  nicht  tur  zu  gering  und  „verkleineriich''  gehallen. 

Inwieweit  die  bekannten  Deinakämpfe«,  deren  Aus- 
bruch damals  vielleicht  gerade  besorgniserregend  sich  an- 
kündigte, in  diese  Verhältnisse  hineinspielen,  kann  hier  nicht 
untersucht  sein.  Immerhin  ist  es  angezeigt,  an  sie  zu  erinnern. 

Ob  es  nun  ein  Sturm  im  Glas  Wasser  war,  der  tobte  und 
die  Gemüter  erregte,  oder  die  berechtigte  Äußerung  eines  ur- 
alten Ranganspruchs:  jedenfalls  geschah  den  Präceptoribus 
wie  Paedagogicis  nach  Wunsch.  Wir  finden  die  Lehrer  im 
Zug  hinter  den  Professoren,  die  Schüler  hinter  den  Studiosis 
eingereiht. 

Diese  letzteren  hatte  der  Rektor  in  einem  besonderen, 
eigenartigen  Programme  eingeladen,  das  am  14.  Dezember 
in  Gestali  einer  acht  Seiten  umfassenden  Druckschrift  er- 
schien.» Darin  spricht  sich  der  Rektor,  wiewohl  seines 
Zeichens  Professor  der  Eloquenz  und  des  Naturrechts  des 
näheren  über  das  Wesen  der  Schwindsucht  aus,  nicht 
ohne  ihre  Unheilbarkeit  besonders  hervorzuheben.  Was 
heute  daran  noch  wissenschaftlich  brauchbar  ist  und  gilt, 
mögen  Fachleute  beurteilen.  Hat  doch  der  Professor  Thom 
selbst  das  Gefühl  seiner  Unzuständigkeit  in  die  Worte  g^ 
kleidet :    ,,sed    quid    de    hoc    statuendum    est,    melius  ü» 

^  Mitl.  d.  GeseUsch.  f.  d.  Schulgesch,,  12.  Jahrg. 
9  Hector  Ernestus  Thoni  ad  Exequias  .T.  St.  Mülleri  cives  acadeiuicos 
invitat,   Giessae    1768.     4^. 


I 


.Tödliches  Ableben  und  Beerdigung  Rectoris  Magnifici.*  389 

j 

rum  scientiam  ea  pertinent,  disserere  possunt". 
jrade  diese  Krankheit,  so  führte  er  weiter  aus, 
31  Gießeiier  Universität  zwei  Rektoren  im  Amt 
1,  erst  Verdries  und  nun  Müller.  Diesem  das- 
eleit  zu  geben,  fordert  er  die  gesamte  Studenten- 
uf,  sei  es  im  Ehrendienst  als  Marschall,  sei  es  als, 
tier  an  der  wandelnden  Kundgebung  im  Trauerzug., 
ewegte  sich  drei  Tage  vor  Weihnachten  genau  nach 
schritten  von  1736  durch  die  Stadt.  Freilich  eine, 
ßten  Teil  wohl  neue  Generation  schritt  in  ihm;  von 
antlichen  Professoren  hatte  nur  Benner  schon  dem 
sehen  Leichenbegängnis  beigewohnt,  von  den  prae- 

am  Gymnasium  keiner.  Benner  hielt  auch  diei 
•ede.  Ein  Traktament  mit  Wein  und  Speisen  fand 
tt.  Und  nach  der  Gedächtnisrede,  die  am  andern  Tag, 

Dezember,  Professor  Bechtold  in  der  Universität 
akademischen  Feier  dem  verstorbenen  Rektor  hielt, 
tfusik  und  in  ihren  Klängen  u.  a.  die  Worte : 

„Wenn  selbst  des  Volkes  Lehrer  fallen, 
So  ist  der  Schade  allgemein, 
Ihr  Wohlergehen  nützet  allen 
Und  flößt  den  Gliedern  Kräffto  ein. 
Wo  aber  Haupt  und  Seele  weichen, 
Da  muß  der  Körper  bald  zerbleiclien. 
Wenn  selbsten  würd'ge  Häupter  fallen. 
So  ist  der  Schade  allgemein, 
Ihr  Wohlerireh'en  - 


..  ^rif'ii      ' 


'  eine  große  Geschichte  der  deutschen  Dichtung 
wird  an  diesen  Strophen  mitleidig  lächelnd  vor- 
m;  vielleicht  spielt  es  ähnlich  um  die  Mundwinkel 
ches,  der  mit  uns  den  Zug  hat  am  geistigen 
►rüberziehen  lassen.  Aber  den  Forscher  auf  dem 
Igst  nicht  genug  bestellten  Feld  der  Landes-  und 
hichte  ficht  das  nicht  an.  Es  ist  ein  Vorrecht  dieser 
historischer  Arbeit,  daß  sie  in  ihren  Ergebnissen 
rge  zu  versetzen  brauchen;  auch  kleine  Züge  dienen 
1  Biographen  wie  dem  Geschichtsforscher.  Es  wäre 
zu  wünschen,  daß  noch  ein  stattlicher  Haufen  ähn- 
jiner,  kunstloser  und  unbehauener  Bausteine  zur  hes- 
Geschichte  zusammengetragen  würde.  Aneinander 
äben  sie  wertvolles  Material  zum  großen  Bau  einer 
iden  Geschichte  unserer  engeren  Heimat,  das  zu 
sich  der  Beste  nicht  zu  schämen  brauchte.  Aber 
en  harrt  das  Werk  noch  des  genialen  Meisters.  — 


XI. 

Symbola. 

Aus  alten  GieQener  Stammbüchern. 

Von  Erwin  Preuschen. 

Von  welchem  Worte  die  Stammbucheintragiinfren  für 
die  Kultur-  und  Studentengieschichfe  sind,  ist  iiachgeradi' 
so  allgemein  anerkannt,  daß  man  darüber  keine  Wort?  zu 
machen  braucht.  Die  Entwicklimg  der  studentischen  Orden 
und  Landsmannschaffen  empfängt  ihr  Licht  in  erster  Linie 
ans  den  Stamm büchem.  für  die  Trachten,  die  galanten  Silien. 
für  studentischen  und  bürgerlichen  Brauch  und  ähnliches 
sind  diese  kleinen  Bändrhen  eine  unerschöpiliche  Quellf. 
Die  Forschung  hat  freilich  erst  angefangen,  sich  mit  dieser 
Quelle  zu  befassen.  Es  ist  nicht  der  richtige  Weg,  wenn 
man  imr  auf  interessante  Einträge  oder  auf  die  Autogramm'' 
hekanntpi'  Persönlichkeilen  -lagd  macht.  Was  auf  dies?  Weise 
erreicht  wird,  ist  nur  Stückwerk,  so  interessant  auch  di^ 
Ergebnisse  derartiger  Streifzüge  durch  die  Stammbücher  im 
einzelnen  sein  mögen.  Was  vor  allem  nötig  ist.  dürfte  dif 
Scheidung  nach  den  einzelnen  Universitäten  und  den  unl« 
ihrem  Einfluß  stehenden  Landschaften  sein.  'Jede  Univer- 
sität hat  ihren  besonderen  genins  loci,  der  sich  freilich  im 
Laufe  der  .Jahrhunderte  verändert,  aber  doch  so,  daß  die  g^- 


Symbola.    Aus  alten  Gießener  Stammbüchern.  391 

schichtliche  Kontinuität  gewahrt  bleibt.  Verständlich  wird 
lieser  genius  loci  mir  aus  der  Universitätsgeschichte  und  den 
ffancUtingen  des  geistigen  Lebens,  des  Geschmackes  und  der 
ätlicfaen  Urteile.  Wie  stark  man  aber  diese  geistige  Eigenart 
kir  einzelnen  Universitäten  empfunden  hat,  beweisen  Stamm- 
blichbilder, wie  das  auf  S.  329  abgebildete,  denen  sich 
tndere  mit  den  Vertretern  anderer  Hochschulen  an  die  Seite 
itellen  ließen. 

Für  die  richtige  Ausnutzung  der  Stammbucheinträge  ist 
1I0O  zweierlei  erforderlich:  Kenntnis  der  Geistesgeschichte 
imd  Kenntnis  der  Universitätsgeschichte.  Es  ist  selbstver- 
ständlich/ daß  sich  beide  gegenseitig  bedingen  und  gestalten. 

Die  großen  geistigen  Strömungen  werden  auf  den  Uni- 
rersitäten  in  Verbindung  mit  dem  dort  herrschenden  eigen- 
flmlichen  Geist  immer  eine  besondere  Verschmelzung  ein- 
gehen und  ein  eigenartiges  Leben  erzeugen,  ein  Leben,  das 
n  seiner  Besonderheit  eben  nur  dem  voll  verständlich  sein 
vird,  der  die  Vergangenheit  der  Hochschule  kennt  und  in 
hr  den  Schlüssel  zum  Verständnis  gerade  ihres  Wesens  und 
hrer  geistigen  Struktur  besitzt.  Besser  als  auf  irgendeine 
mdere  Weise  läßt  sich  diese  Eigenart  aus  den  Stammbüchern 
Tkennen;  denn  sie  sind  die  intimsten  Zeugnisse,  nicht  für 
remde  Augen  bestimmt,  sondern  nur  für  denjenigen,  der 
nit  diesem  geistigen  Leben  irgendeine  Fühlung  hat  oder  eine 
;oIche  sucht.  Es  kann  nicht  die  Sache  eines  im  Räume  eng 
)egrenzten  Aufsatzes  sein,  dies  bis  ins  einzelste  mit  Be- 
nutzung des  gerade  für  Gießen  recht  reichhaltigen  Materiales 
lachzuweisen.  Ich  muß  mich  vielmehr  darauf  beschränken, 
in  der  Hand  der  Einträge  die  Wandlungen  des  Urteils  und 
les  Geschmackes  kurz  deutlich  zu  machen. 

Die  ältesten  Stammbücher,  die  bis  in  die  Gründungs- 
:eiten  der  Universität  zurückreichen,  sollen  offenbar  eine 
^rt  von  Kompendium  der  Lebensweisheit  darstellen,  ge- 
ichaffen  von  Männern,  die  durch  Rang  und  Stand  orter  durch 
hre  Bildung  und  Gelehrsamkeit  ihrem  Wort  einen  l}eson- 
leren  Nachdruck  zu  verleihen  imstande  war?n.  Da  die  Ein- 
ragenden, wie  sich  aus  der  Gleichartigkeit  ihrer  Einträge  in 
leu  verschiedenen  Stammbüchern  ergibt,  ihre  Wahlsprüche 
einzuschreiben  pflegten,  so  bietet  sich  die  Möglichkeit,  zu 
erkennen,  in  welchem  Motto  man  damals  den  Inhalt  seines 
geistigen  Lebens  niederzulegen  gewohnt  war.  Die  Mehrzahl 
st  in  dem  ersten  Viertel  des  17.  Jahrhunderts  noch  religiös 
jefärbt.  Ein  Prunken  mit  gelehrten  Reminiszenzen  findet 
sich  kaum.  Höchstens  ein  Orientalist  glänzt  einmal  mit 
einem  syrischen  oder  hebräischen  Sätzchen;  so  wenn  sich 


:i[)i>  Erwin  Preuschen. 

1()20  ein  M.  Aloxaiider  Christian  aus  Demmin  in  Pommern 
mit  der  Sentenz:  Ratiare  ut  potiare  und  daninter  mit  ihn 
syrischen  \Vort(»n :  Neheweh  zebiänä  d'alähä  (der  Wilh' 
(rotles  wird  geschehen)  verewigt  hat.  Oder  wenn  der  Lacher 
Dekan  Th.   (luajrnerus  (Wagner)   1(>18  schreibt: 

Hcbraeis   quatliior   (cjuae   votis  onuiibiis   opto) 
Nomina  sunt  C'ör  iTöw  2Dw   löC 

—       T  V*  -ViVT 

Signant  haoc  cociuni,   solein,   rumoreni   oleumque 
Sir  viviini  seniper  lerque  bcatus  ero. 

Verhältnismäßig  seilen  sind  auch  griechische  Spruche. 
Nur  Mentzer  schreibt  seinen  Wahlspruch:  r'avcorcpa  xoXXto 
und  darunter   den   Vers: 

.loh.  Wolff  von  Weitolshausen  gen.  Schrautenbach,  Stadt- 
hauptmann von  Gießen,  steuert  einen  spanischen  Spruch 
b(»i :  0  dios  de  mi  alal)anca  no  calles  lorsque  bocca  de 
impio  e  bocca  engeima(h>r  se  han  abierto  contra  mi,  han 
hablado  de  mi   con   lengua  mendicosa  (Ps.   109,   1  ff.). 

Viel  häutiger  sind  Zitate  aus  der  Bibel  oder  Spräche 
rein  religir)sen  Inhaltes,  (iraf  Ernst  zu  Solms  schreibt  1608: 
„CInislus  ist  mein  Leben,  und  Sterben  ist  mein  Gewinn" 
(Phil.  1,  21).  Johann  Winckehnann :  „Ro  in  virtute  domini" 
(Ps.  71,  !()).  Just  US  Feurborn  hat  den  Spruch  des  Paulus 
gewählt:  (nus  nostrum  de  seipso  rationem  reddet  deo 
(llömer  14,  12).  M.  Christian  Scheibler  zitiert  PsaUn  32,  10: 
l)er  (Jolllose  hat  viele  Pla{i;e;  wer  aber  auf  den  Herren 
hofl'et,  den  wird  die  (iüle  umfanjren.  Der  Jurist  Christian 
Liebenthal  hält  es  wieder  mit  Pauhis  Römer  8,  31 :  Si  deus 
pro  nobis,  (|uis  contra  nos?  Zuweilen  zieht  man  eine  all- 
gemeinere Sentenz  vor;  so  (leorg  Horstius:  Quid  melius 
animo  pio  sua  sorte  contento?  Oder  der  schöne  Wahl- 
sj)ruch  ein(»s  (lraf(»n  zu  Solms:  Virtute  decet  non  sanguine 
niti.  Der  Komtur  des  Deutschherrnordens  zu  Schiffenberg, 
Oihmar  (ialen,  s<'hr(Mbl:  Ante  obitum  moriens  numquani 
morilunis    obiter. 

Solciie  und  ähnliche  Sprüche  führen  uns  in  die  Zeit 
der  lulh(Misclien  Orthodoxie,  deren  charaktervolle  Vertreter 
die  l:)(»ürütider  der  TniviTsilät,  ein  Balthasar  Mentzer  und 
Johann  Winckehnann,  frewes<Mi  sind.  Für  sie  ist  wirklich 
die  Hibrl  das  Huch  des  l.el»ens.  Wie  man  aus  ihr  die 
Kirchenlehre  entninnni,  die  Formulierunji  der  Glaubenssätze 
auf  ihr  Wort  baut,  wie  sich  in  den  Predigten  der  Zeit  ein 
l{(Mchlum  an  liibels])rüch(»n  findet,  der  auf  die  alleren|isle 
Dekaimtschaft  mit  d(»r  Bib(*l  schließen  läßt,  so  ist  das  Bibel- 


Synibola.    Aii^  alten  Utt-Iiener  Slniiimbflclierti.  393 


394  Erwin  Preuschen. 

wort  aiicli  der  Führer  im  Leben.  Es  sind  die  Nachklänge 
der  Ileformationszeit,  die  den  gleichsam  neu  entdeckten 
Schatz  ausmünzt  und  sich  in  seiner  Verwertung  nicht  genug 
tun  kann.  Für  Tod  und  Leben  hat  man  nichts  besseres  als 
das  Wort  Gottes. 

Hundert  Jahre  später  war  in  Gießen   die   Orthodoxie 
verdrängt  und  der  Pietismus  eingezogen.   An  die  Stelle  der 
starren   Formeln,   zu  denen   die  Lehre  der  Lutheraner  er- 
starrt war,  sollte  wieder  eine  lebensvollere  Erfassung  der 
Glaubenswahrheiten   treten.     Es   hat  einen   harten   Kampf 
gekostet,  bis  der  Pietismus,  den  man  wohl  als  eine  Sache 
des  Fortschrittes  bezeichnen  kann,  den  Sieg  erfochten  hatte. 
Leider  sind  gerade  aus  dieser  Zeit  nur  wenig  Einträge  er- 
halten.   Es  wäre  interessant,  zu  sehen,  inwieweit  die  Ge- 
danken   der   Pietisten    sich   allgemeinere   Geltung   zu  ver- 
schaffen gewußt  haben.   Aber  auch  die  beiden  Einträge,  die 
sich  in  einem  Stanunbuche  aus  jener  Zeit  finden,  sind  be- 
zeichnend   genug.    J.    L.    Kübel   schreibt   1707:    Justitia  et 
pietas    Christiani    ornamentum.    An   sich  hätte  jedes  Zeit- 
alter so  schreiben  können ;  aber  es  ist  sicher  nicht  zufällig, 
daß  hier  als  der  Schmuck  des  Christen  nicht  nur  die  Ge- 
rechtigkeit bezeichnet  wird,  wie  es  nach  paulinischer  Lehre 
etwa  die  Orthodoxen  getan  hätten,  sondern    daß  daneben 
auch   die   Frömmigkeit  tritt.    Darin  eben  spiegelt  sich  der 
Geist  des  Pietismus.    Noch  charakteristischer  ist  der  Ein- 
trag von  J.   C.  Bielefeld,  des  Mannes,   der  ^dem  Pietismus 
in   Gießen   zum   Siege   verholfen  hat.    Er  steuert  folgende 
Verse   bei : 

Wan  nutzt  ein  bloßer  Baum,  der  ohne  Frucht  und  Saflft? 
Und  was  ist  Gottes  Reich  in  Wortten  ohne  Krafft? 

Die  „Worte  ohne  Kraft**,  an  die  Bielefeld  denkt,  sind 
ohne  Zweifel  die  orthodoxe  Lehre,  die  Kraft  aber,  die  er 
verlangt,  ist  die  sittliche  Kraft,  ohne  die  der  Glaube  wert- 
los ist. 

Fünfzig  Jahre  danach  ist  ein  anderer  Geist  auf  der  Hoch- 
schule spürbar.  Die  Stammbücher  sind  nun  nicht  mehr 
Kompendien  der  Lebensweisheit,  die  von  Professoren  und 
hochstehenden  Persönlichkeiten  ihren  Inhalt  bekommen, 
sondern  sie  werden  daneben  und  vor  allem  Denkmäler  der 
Burschenfreundschaft.  Wer  dem  Besitzer  freundschafllid^ 
nahe  tritt,  steuert  ein  Blatt  bei,  nicht  wenige,  indem  sie 
zugleich  eine  Silhouette  als  bleibende  Erinnerung  auch  a" 
die  äußere  Frschoinnn»!;  heifü<ren.  And3re  stiften  ein  BM' 
ch(?n,  wie  man  sie  damals  wohl  handwerksmäßig  für  der- 


Symbola.    Aus  alten  üießener  Stammbüchern.  395 

ige  Zwecke  hergestellt  hat.  Eine  größere  Anzahl  der 
der,  welche  diese  Schrift  schmücken,  verdankt  den  Stamm- 
ehern  ihren  Ursprung. 

Die  Einträge  sind  in  dieser  Zeit  wesentlich  anders  ge- 
•rden.  Sie  werden  prätentiöser;  man  prunkt  mit  einer 
?vissen  Gelehrsamkeit,  sucht  seine  Literaturkenntnis  zu 
gen.  Die  deutschen  Dichter,  ein  Opitz,  Hagedom,  Günther, 
3ist,  Neukirch,  Geliert,  werden  zitiert,  ein  Beweis  dafür, 
ß  die  deutsche  Literatur  in  den  Kreisen  der  Studenten 
•e  Anhänger  gefunden  hat.  Selbst  die  ausländischen 
:rhter  werden  zuweilen  angeführt.  Leider  macht  sich  auch 
dem  nicht  ganz  seltenen  Gebrauch  der  französischen 
räche  bei  den  Einträgen  die  Ausländerei  als  Modekrank- 
it schon  unangenehm  bemerkbar.  Es  ist  nicht  abzusehen, 
trum  L.  R.  v.  Drechsel  den  geistreichen  Eintrag:  Penses 
moi!  Souven^s  vous  mon  eher  en  lisant  ces  lignes  de 
tre  tres  humble  serviteur  et  fidel  ami  nicht  ebensogut 
utsch  hätte  ausdrücken  )i:önnen.  Nicht  weniger  gedanken- 
kiwer  ist  auch  der  Eintrag  von  F.  v.  Geusau:  toujours  le 
jme!  C.  F.  Seiferheld  zitiert  Lafontaine:  Nous  faisons 
s  du  beau,  nous  meprisons  Tutile,  et  le  beau  souvent 
US   detruit. 

Mit  einem  Wort  aus  Popes  Essay  on  Criticism  hat  sich 
Vpfner  verewigt,  der  Jurist,  der  als  Tribunalsrat  in  Darm- 
idt  1797  gestorben  ist:  *tis  with  our  Judgments  as  our 
atches,  none  go  just  alike,  yet  each  believes  bis  owne. 
n  anderer,  der  Magister  der  Weltweisheit  Weisman,  zitiert 
»pe  in  deutschem  Gewand :  Alle  Freuden  der  Sinne  liegen 
dreyen  Worten:  Gesundheit,  Friede  und  Nothdurft.  Aber 
e  Gesundheit  bestehet  allein  mit  der  Mäßigkeit,  und  der 
iede,  o  Tugend!   gehöret  ganz  dir! 

Die  Professoren  lieben  Zitate  aus  den  römischen  und 
iechischen  Klassikern.  So  schreibt  der  Prokanzler  der 
liversität  F.  J.  Kortholt  einen  Spruch  aus  Phädriis: 

Non  sernper  ea   sunt  quae   videntur:   decipit 
Frons  prima  multos,  rara  mens  intelligit 
Quae  interiorc  rura  condidit  angulo.    (IV,  2,  6.) 

Aus  Isokrates  ad  Deinonicum  führt  J.  G.  Bechtold  die 
orte  an :   töv  [lev  deöv  rpoßoö,  xotx;  Ss  7ovei^  tt[ia,  xotx;  dk  yt- 

US  Horaz  (carm.   II,  16,  25ff.): 

Laetus  in  praesens  animus,  quod  ultra  est 
Oderit  curare :  et  amara  laeto 
Temperet  risu.    Nihil  est  ab  omni 

parte  beatum! 


396  Erwin  Preuschen. 

Den  Schlußsatz  allein  hat  J.  Christoph  Koch  als  Motto 
erwählt.  Ein  anderes  Wort  des  Horaz  (carm.  III,  2,  21S.i 
schreibt  der  Theologe  J.  Stephan  Müller  ein: 

Virtus  recludens  immeritis  inori 
Coelum,  negata  tentat  iter  via: 
Coetusque  vulgares  et  udam 
Spernit  humum  fugiente  penna. 

Den  Euripides  zitiert  in  lateinischer  Form  der  Hofrat 
L.   Gottfried  Mögen: 

Nullus  hominum  per  omnia  felix  est. 

In  den  deutschen  Sentenzen  macht  sich  der  Geist  der 
Aufklärung  schon  sl:ark  fühlbar.  Gott,  Tugend,  Unsterblich- 
keit werden  die  Schlagw^orte,  die  dann  bald  zum  Überdruß 
wiederholt  das  Glaubensbekenntnis  der  neuen  Zeit  abgeben. 
Für  diese  Stimmung  sind  Verse  bezeichnend  wie  die 
folgenden : 

Ich  bin  vergnügt,  das  bleibt  mein  Glück, 
loh  habe  wenig  und  doch  alles. 
Die  Seelen-Ruh  bleibt  nie  zurück. 
Mein  Heil   befürcht*  sich  keines  Falles; 
Ich  weiß,  daß  mich  kein  Kummer  kränket. 
Der  Friede  wird  mir  nicht  entrissen. 
Was  ist's,  das  mir  die  Wohlfahrt  schenket? 
Gott,  Tugend  und  ein  gut  Gewissen! 

So  schreibt  sich   1764  ein  Theologe  ein;  ein  anderer: 

Nur  zärtliche,  nur  reine  Triebe, 
Ein  Herz,  das  voll  von  Menschenliebe 
Auf  ewig  für  die  Freundschaft  glüht; 
Dies  kan  uns  unser  Lob  vergrößern, 
Dies  kan  uns  unser  Glück  verbessern. 
Wenn  man  dal)ei  auf  Tugend  sieht. 

Der  Jurist  G.  W.  E.  Hertel  trägt  die  Verse  ein: 

Es  ist  kein  nichtiges  Wort,  o  Freund !  es  giebt  eine  Tugend, 

Es  wohnt  ein  göttliches  Etwas  in  uns, 
Das  unsere  Thaten  durchschaut,  sie  billigt  oder  verdammet. 

Und  in  verborgene  Tafeln  sie  gräbt 

Daneben  tauchen  jetzt  auch  kecke  Burschenliedch^^ 
auf,  die  zu  beweisen  scheinen,  daß  das  S.  329  mitgeteiH* 
Bild  mit  seiner  Charakteristik  des  Gießener  Burschen  rect*^ 
hat.  Es  mag  mit  einigen  Proben  dieser  Poesie  genU» 
sein:  G.  L.  Klingelhöiler  schreibt  sich  1764  mit  folgende^ 
Zeilen  ein: 

Ein  Held  bey  Gläsern  und  bey  Schönen 

Kan  sich  das  Siegen  angewöhnen. 

Das  seh  ich  ein; 


Symbola.    Aus  alten  Gießener  Stammbüchern.  397 

Doch  daß  er  Feinde  werde  schlagen, 
Die  Türken  von  dem  Throne  jagen, 
Das  kan  nicht  sein! 

anderer,  Schönhals,  läßt  sich  so  vernehmen: 

3dler  Pursche  lebt  vergnügt,  jedoch  nicht  liederlich, 
i  dem,  der  nur  stehts  vor  dem  Zapfen  liegt, 
täglich  Streit  und  Schläge  kriegt, 
Jungfer  und  die  Magd  betrügt, 
s  endlich  wenn  sich  alles  fügt 

Am   Ende   lauserich. 
Pursche,  der  wie  du  mein  Freund 
rüderlich  und  ehrbar  meynt 

Das  ist  ein  Mann  vor  mich! 

:  und  gut  dichtet  Dem: 

er  schöne  Mädgen  haßt  und  auf  Studenten  schilt, 
sr  ist  mit  Haut  und  Haar  des  Teufels  Ebenbild. 

5  selten  geworden  sind  religiöse  Klänge.  Selbst  die 
n  zitieren  nicht  die  Bibel,  sondern  lassen  Dichter 
riftsteller,  altklassische  und  moderne,  reden.  Es 
ischend,  zu  sehen,  wie  schnell  der  Pietismus  religiös 
ist  und  wie  sehr  er  der  von  Frankreich  her  ein- 
en Aufklärung  die  Wege  geebnet  hat.  Es  ist,  als. 
Mnen  Bami  gebrochen,  der  auf  dem  geistigen  Leben 
deten  gelegen  hatte.  Der  Gesichtskreis  wird  weiter,, 
ng  strebt  hinaus  ins  Weite.  Die  etwas  hausbackene 
ie  sie  Geliert,  Hagedorn,  Günther,  Kleist  und  andere 
Markt  brachten,  enthielt  genug  praktische  Lebens- 
die,  wenn  auch  ohne  Schwung  vorgetragen,  doch 
en  reifer  v^erden  ließ.  Ganz  selten  sind  patriotische 
den  Eintragungen.  Das  Vaterland  scheint  bei  dem 
ertum  der  Zeit  nur  noch  eine  ideale  Größe  zu 
r  einmal  hat  sich  ein  Student,  G.  C.  Wahler  aus 
.,  an  Friedrich  dem  Großen  begeistert.   Er  schreibt: 

Auf  das  Wohl  von  Friedrichs  Staaten 
Trincken  wir  ein  gantz(es)  Glas  aus: 
Groß  an  Helden,  groß  an  Thaten, 
Lobe  sein   gecröntes  Hauß, 
Groß  im  Siege,  groß  im  Kriege 
Lebe  hoch  sein  tapfer  Heer, 
Und  der  letzte  seiner  Siege 
Sey  den  Feinden  ewig  schwer! 

st  bezeichnend,  daß  eine  andere  Hand  zu  diesem 
lie  Bemerkung  hinzugeschrieben  hat:  Herr  Bruder 
ir  einander  hier  an !  Offenbar  waren  politische  An- 
n   verpönt. 


398  Erwill  Preuschen. 

Auch  Schlüpfrigkeiten  und  galante  Anspielungen  fehlen 
in  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  noch  fast  ganz.  Ein 
Offizier   schreibt  einmal   ein   französisches   Lotterliedcheu: 

J'ai  jure  ä  ma  maitresse 

De  Taimer  jusqu'au  tombeau 

Dessus  la  feuille  d'un  orineau, 

J'ai  ecrit  cette  promesse. 

Mais  par  malheur  il  fait  du  vent, 

Adieu  la  feuille  et  le  serment! 

Doch  bleibt  solche  Poesie  noch  vereinzelt.  Un^l 
J.  L.  Meyer  wird  nicht  so  unrecht  gehabt  haben,  wenn  (^^ 
1752   schrieb : 

In  Gießen  geht  es  liederlich, 

So  heißt  es   überall, 

Allein  mein  Freund  erkund'ge  dich, 

Wie  geht  es  anderswo  und  sonst  in  diesem  Fall? 

So  wirst  du  bald  erfahren  müssen, 

Es  gehet  dorten  wie  in  Gießen. 

Dennoch  wird  man  nicht  in  Abrede  stellen  dürfen,  daß 
der  Gießener  Student,  wie  der  in  Halle  und  Jena,  auch  auf 
galante  Abenteuer  ausging,  wenn  sich  die  Gelegenheit  bot. 
Auch  das  gehörte  zu  dem  burschikosen  und  fröhlichen 
Leben,  das  nach  dem  bereits  genannten  Bild  das  Kenn- 
zeichen des  Gießener  Studenten  bildete.  Von  der  Kost- 
spieligkeit dieser  galanten  Abenteuer  weiß  C.  W.  Schmidt 
ein  Lied  zu   singen : 

Soll  ein  galantes  Kind  uns  zu  Gefallen  lachen, 
So  muß  der  Beutel  erst  die  Komplimenten  machen. 
Drum  ist  ein  schöner  Mund  ein  kostbarer  Magnet, 
Nach  dem  mit  manchem  Kuß  auch  mancher  Thaler  geht. 

Man  führte  das  Wort  Tugend  oft  und  gern  im  Mund^- 
Das  war  nicht  bloßes  Spiel.  Noch  wirkten  die  strengen  sitt- 
lichen Begriffe  des  Pietismus  insoweit  stark  genug  nach, 
daß  man  nicht  eine  Ehre  darin  sah,  wenn  der  Student  di^ 
Sittengebote,  die  Forderungen  des  Anstandes  und  der  Zucbt 
■einfach  mit  Füßen  trat.  Die  Zeiten  sollten  bald  anders 
werden.  Am  Schlüsse  dieser  Übergangszeit  mag  noch  ei^ 
17ö()  von  J.  W.  Beck  eingetragenes  Gedicht  stehen,  desset^ 
Verfasser  ausfindig  zu  machen  sich  lohnen  möchte: 

Laß  es   blitzen,   donnern,   wittern, 
Laß   brausen,    prasseln,    untergehn; 
Laß  alles,   was   du  bist,  erzittern: 
Du   bleibest  dennoch   feste   stehn. 
Wenn  alles  Uebel   deiner  Nacht 
Verblitzt,    verschossen    und    verkracht, 


Svmbola.    Aus  alten  Gießener  Stammbüchern.  399 

So  wird  es  endlich  still  und  öde: 
Dann  folgt  die  schöne  Morgenröte 
Und  gleich  darauf  der  helle  Tag. 
Dann  scheint  dir  deine  Sonne  wieder 
Und  was  kein  Licht  vertragen  mag, 
Das  muß  in  seine  Höhlen  nieder. 

die  Zeiten  der  Nachwirkungen  des  Pietismus  und 
n  Anfänge  der  Aufklärung  folgte  bald  die  Auf- 
die  zwar  das  Motto:  Tugend,  Gott,  Unsterblichkeit 
t,  aber  dennoch  wenigstens  zeitweilig  zu  einem 
tlichen  Verfalle  führte.  Die  Stammbücher  zeigen 
ich  genug.  Es  ist  eben  schon  darauf  hingewiesen 
daß  man  auch  in  den  dem  Rationalismus  voraus- 

Jahrzehnten  die  Ansätze  zu  einem  Verfall  der 
obachten  kann,  und  es  wäre  sicherlich  ungerecht, 
lärung  und  die  von  Frankreich  her  importierten 
ind  Vorstellungen  allein  für  etwas  verantwortlich 
m,  was  gewiß  schon  längst,  wenn  auch  nur  latent, 
n  gewesen  ist.  Es  wäre  sicherlich  nichts  ver- 
ils  zu  meinen,  daß  es  mit  der  Sittlichkeit  auf  den 
i  Hochschulen  in  der  Zeit  von  1750  bis  1780  plötz- 
ab  gegangen  sei.  Was  jetzt  auffallend  zutage  tritt, 
)ffenheit,  mit  der  die  Nachtseiten  des  Studenten- 
is  Licht  gezogen  werden.  Es  war  wohl  früher  in 
e  auch  nicht  viel  besser  bestellt  mit  der  Moral 
3hen;  aber  man  scheute  sich  doch  wenigstens,  da- 
zu reden.  Nun  konunt  die  Zeit,  wo  man  in  der 
um  schlimmer  war  als  früher,  wo  man  aber  etwas 
;ht,  mit  den  Heldentaten  auf  dem  Feld  der  Liebe, 
Idenmachens,  des  Renommierens  zu  prahlen.  Auch 
a  eine  Modekrankheit  gewesen,  und  wir  wissen 
Bviel  an  diesem  Zustand  der  verderbliche  Einfluß, 
flne  verkommene  Studenten  ausgeübt  haben,  schuld 
sein  mag.  Wenn  F.  C.  H.  Lauckhardt  1775  ein 
j  Distichon  einem  Freunde  ins  Stammbuch  schreibt, 
dessen  Mitteilung  verbietet,  so  läßt  sich  ermessen, 
Unheil  der  Verkehr  mit  ihm  stiften   konnte.    Man 

nicht  wundern,  \venn  auch  andere  Theologen  es 
;h  zu  tun  suchten.  Vielleicht  treffen  wir  hier  auf 
en  der  Wirksamkeit  von  C.  F.  Bahrdt,  der  eben 
n  Jahre  Gießen  mit  Marschlinz  vertauschte, 
ieser  Zeit  erscheinen  die  Parodien,  die  auch  vor 
)ottung  von  Bibelsprüchen  nicht  Halt  machen.  So 
1791  ein  Student  mit  Benutzung  von  1.  Job.  5,  7 : 
trahlt  wirklich  der  Mond  1  —  Sternlein  funkeln  am 


400  Erwill  Preuschen. 

Himmel!  Da  wacht  die  Liebe,  die  Weisheit,  die  Freund- 
schaft, und  diese  drei  sind  eins  —  heilige  Dreieinigkeit!  Ein 
anderer  verballhornt  Paul  Ebers  Lied :  Wenn  wir  in  höchsten 
Nöten  sein,  in  folgender  Weise: 

Wenn  wir  in  höchsten  Nöten  sein 
Und  wissen  nicht,  wo  aus  und  ein. 
So  reiten  wir  zum  Tor  hinaus 
Und  lachen  die  Philister  aus. 

Ein  Theologe  besingt  die  Liebe  in  den  Versen: 

Die  Liebe  fängt  vom  Himmel  Flammen 
Ihr  Thun  das  ist  gerecht  und  rein, 
Die  Engel  lieben  sich  zusammen. 
Wie  kann  es  Menschen  straf  bahr  sein? 
Drum  wähl  ich  diesen  edlen  Trieb 
Und  hab  ein  schönes  Mädgen  lieb! 

J.  A.  Diehl  spottet  der  Philosophen: 

Ein  Leibnitz  lehrt  aus  Unstern  Gründen, 
Es  sei  kein  leerer  Raum  zu  finden; 
Doch  zeigt  des  Purschen  Beutel  ja, 
Quod  saepe  dentur  vacua. 

Das  Burschentum,  wie  es  Zachariae  in  seinem  Re- 
nommist geschildert  hat,  tritt  uns  entgegen,  in  dem  Gespräch 
zwischen  zwey  honorigen  Purschen,  das  J.  G.  Beyn  1781  in 
ein  Stammbuch  eintrug: 

A.  Ein  bisgen  Ehre  küzelt  doch 
Und  war  es  noch  so  klein. 

So  trägt  man  doch  die  Nase  hoch 
Und  mögt  honorig  seyn. 

B.  Ey,  wenn  es  um  die  Ehre 
Nicht  so  was  großes  wäie. 

Wer  würde  wollen  Pursche  sevn? 
A.  Ich  nicht!    B.   Ich  auch  nicht! 

Das  Zechen  verherrlicht  ein  anderes  Verschen: 

Es  leb*  ein  jeder  deutsche  Mann, 
Der  seinen   Rheinwein   trinkt. 
So  lang  er's   Kelchglas  halten  kann 
Und  dann   zu   Boden  sinkt. 

Doch  es  lassen  sich  auch  schon  ernstere  Töne  ver- 
nehmen. Zwar  fehlt  es  nicht  an  den  Rührseligkeiten,  ^^ 
denen  die  Zeit  reicher  gewesen  ist  als  frühere  und  spätere 
Perioden.  In  hohen  Worten  wird  die  Freundschaft  gepriesen* 
Lodere  zärtliche  Froundschaftsflamme,  die  zu  unserem  GWck 
unter  uns  angefochten  (!)  ist?  aber  Freund  laß  sie  durch  der 
Zeiten  Länge  endlich  in  ein  warmes  und  unverlöschliches 
Feuer  ausbrechen.    Ein  anderer  gibt  folgenden  guten  R^** 


Symbola.    Aus  alten  Gielsener  Stammbüchern.  40jt 

1  du  bey  einem  Mädgen  ein  fühlendes  Herz,  sanfte 
1  und  einen  durch  Wissenschaften  verschönerten  Geist 
st,  so  verbünde  dein  Schicksal  mit  dem  ihrigen,  mache 
ir  zur  Freundin,  zur  Gefährtin,  zur  Gattin !  Ein  dritter 
3rrlicht  mit  den  Worten  von  Hagedom  die  Freundschaft : 

menschlich  ist  der  Trieb,  vom  Menschen  sich  zu  scheiden, 

d  Timons  Bärenstand  ist  nimmer  zu  beneiden; 

in  Weiser  haßt  die  Welt.    Auch  sie  versichert  ihn, 

s  werd*  in  einem  Freund  ein  heyrger  Schatz  verliehn. 

Nicht  alle  Einträge  dieser  Zeit  bewegen  sich  auf  so 

ilosen  Pfaden.    Die  Ideen  der  französischen  Revolution 

en  auch  hier  durch.    Es  geschieht  noch  nicht  häufig ;  es 

die  ersten  abgerissenen  Töne  der  Sturmglocken.    Was 

nser  Leben  ohne  Freiheit?  so  fragt  1783  einer.    Vier 

3  später  schreibt  ein  anderer:  Freiheit  ist  das  Leben  der 

ten,  Zwang  ihr  Tod!    Ein  anderer  läßt  sich  1779  so  ver- 

len :  Ein  köstliches  Ding  ist  die  Freiheit.    Wer  von  ihr 

noch  so  wenig  hat,  glaubt  viel  zu  haben.    Aus  dem- 

jn  Jahr  ist  der  Eintrag: 

Ruhm,   Reichtum,   Pracht,   des   Hofs   Beschwerde, 

Vom  Volk  verehrt 

Ist  Wahn  und  nicht  des  Herrn  der  Erde, 

Des  Weisen,  wert. 

Daneben  wagt  sich  auch  einmal  der  Pessimismus,  wenn 
nur  schüchtern,  hervor.  Glücklich  sind  die  Gestorbenen, 
.  sie  leben  nicht  mehr,  schreibt  1784  ein  Student.  Lange 
rt  1779  Goethes  Werther:  War  der  Leidenskelch  dem 
3  vom  Himmel  auf  seinen  Menschenlippen  zu  bitter, 
im  sollte  ich  groß  tun  und  mich  so  stellen,  als  schmeckte 
ir  süß? 

Wenige  Jahre  später  hat  die  Flut  der  politischen  Er- 
sse  auch  die  Hochschulen  ergriffen  und  ein  neuer  Geist 
it  sich  in  den  Einträgen  geltend.  Auch  jetzt  fehlt  es 
t  an  allgemeinen  Sentenzen,  wie  sie  für  jede  Zeit  und 
jede  Lebenslage  passen.  So  fordert  Schulz  fröhlichen 
insgenuß  mit  den  Versen : 

Der  ist  ein  Thor,  der  für  den  Morgen 
Auch  nur  eine  Freude  spart; 
Weiser,  wer  sich  trennt  von  Sorgen 
Im  Genuß  der  Gegenwart. 

Ernster  sind  die  Verse  Kosegartens,  die  Buxmann  1801 
hrt: 

Was  Staub   ist,   muß  verstäuben, 

Was  Moder  ist,  vermodern, 

Was  flanmit,  wie  Flamme  verlodern. 

Was  haucht,  wie  Hauch  vergehn. 

Itrftge  z.  Gesch.  d.  Universitäten  Mainz  u.  Gießen.  26 


i 


402  Erwin  Preuschen. 

Mit  mehr  als  Erdenblüle 
Blüht  Tugend,  Unschuld,  Güte, 
Ist  himmlisch  göttlich,  ewig. 
Mag  nimmer  untergehnl 

Ganz  besonders  beliebt  ist  Schiller.  Ihn  muß  man  da- 
mals besonders  eifrig  in  den  Kreisen  der  akademischen 
Jugend  gelesen,  an  seinen  Ideen  sich  begeistert,  berauscht 
haben.  Ein  hoher  und  idealer  Schwung  geht  durch  die 
Jugend,  der  sich  auch  in  den  Wahlsprüchen  ausdrückt.  Nun 
tauchen  Symbole  auf,  wie:  Wahrheit  und  Recht,  oder:  Dem 
Vaterlande  treu!  oder:  Ewigkeit  geschworenen  Eiden! 
Solchen  Wahrsprüchen  sind  denn  auch  die  Einträge  ange- 
paßt. Mit  Kant  sagt  Schleuning  1802:  Gerechtigkeit  hört 
auf,  eine  zu  sein,  wenn  sie  sich  für  irgend  einen  Preiß 
hingiebt. 

Welcker  schreibt  1801 :  Wer  frei  denkt,  denkt  edel !  Und 
Zwenger  in  demselben  Jahre: 

Mut  gegen  Unterdrückung, 
Verachtung  gegen  Uebermut. 

Spricht  sich  schon  in  solchen  Zitaten  ein  ernster  Simi 
aus,  der  eine  Begeisterung  für  die  höchsten  menschlichen 
Ideale  ahnen  läßt,  und  der  uns  das  Aufflammen  dieser  Be- 
geisterung in  den  Freiheitskriegen  verstehen  lehrt,  so  wird 
diese  Beobachtung  bestätigt,  wenn  wir  auf  die  Zitate  aus 
Schiller  sehen.  Heusler,  dessen  Wahlspruch  Wahrheit  und 
Recht  ist,  schreibt  die  Distichen  (der  Forscher)  aus: 

Alles  will  jetzt  den  Menschen  von  innen,  von  außen  ergründen 
Wahrheit,  wo  rettest  du  dich  hin  vor  der  w^ütenden  Jagd? 

Dich  zu  fangen  ziehen  sie  aus  mit  Netzen  und  Stangen 
Aber  mit  Geistestritt  schreitest  du  mitten  hindurch. 

Ein  anderer  führt  das  Distichon  an: 

Gleich  sei  kein:^r  dem  andern  und  gleich  sei  jeder  dem  Höchsten 
Wie  das  zu  machen?  —  Es  sei  jeder  vollendet  in  sich. 

Eckstein  schreibt  die  zwei  Tugendwege  ins  Stammbucti 

Zwei    sind    der    Pfade,    auf    welchen    der    Mensch    zur   Tugend 

emporstrebt ; 

Schließt  sich  der  eine  dir  zu,  thut  sich  der  andre  dir  auf. 
Handelnd  erzwingt  der   glückliche   sie,   der   leidende   duldend, 

Wohl  dem,  den  sein  Geschick  liebend  auf  beiden  geführt 

Diese  Beispiele  mögen  genügen.  Sie  zeigen,  daß  du" 
Worte  der  Dichter  in  den  Herzen  der  Jugend  Nachhall  g^ 
funden  haben.  Man  hat  sie  nicht  nur  gelesen,  hat  sich 
nicht  allein  an  dem  Klang  der  Sprache  berauscht,  sond^ni 
man  liat  sie  zu  Lebensführern  zu  machen  gesucht.    Es  zeigte- 


e 


Symbola.    Aus  alten  Gie&ener  StainnibQchern.  403 

1,  daß  die  Dichter  nicht  vergeblich  gesungen  hatten.  Ein 
63  Geschlecht  wuchs  heran,  dem  gewaltige  Aufgaben  ge- 
lt waren.  Wie  es  sich  gerüstet  hat,  diese  Aufgaben  zu 
illen,  das  können  uns  die  Stammbücher  aliein  nicht 
ren.  Aber  sie  geben  einen  nicht  unwichtigen  und  nicht 
nteressanten  Beitrag  zu  dieser  Frage.  Gerade,  wenn  man 
it  nur  die  Denkmäler  studentischer  Freundschaft  aus 
5er  Zeit  allein  betrachtet,  sondern  auch  die  der  voraus- 
enden Jahrzehnte  zum  Vergleich  mit  heranzieht,  ergibt 
i  deutlich,  wieviel  ernster  der  Student  in  dem  einen  Jahr- 
nt  von  1795  bis  1805  geworden  ist.  Die  galante  Spielerei 
:  fast  ganz  in  den  Hintergrund.  Die  Süßlichkeiten  der 
maligen  Modedichter  sind  vergessen,  von  Phyllis  und 
is  redet  man  nicht  mehr;  die  Zeiten  sind  vorbei,  wo  der 
denl  nur  an  „Freundschaft,  Wein  und  schöne  Mädgens** 
hte.  Die  Zeiten  sind  hart  geworden  und  verlangen  ein 
steres  Geschlecht.  Auch  der  Gießener  Student  hat  in 
sen  Tagen  seinen  Mann  gestanden. 

Leider  sind  aus  der  Zeit  der  Befreiungskriege  keine 
mmbücher  erhalten  oder  mir  bekannt  geworden,  die  sich 

Besitz  von  Gießener  Studenten  befunden  oder  Einträge 
i  solchen  erhalten  haben.  Ohne  Zweifel  würde  man  aus 
en  sehen  können,  wie  die  Gedanken,  die  seit  180O  unter 
i  Angehörigen  der  Hochschule  Platz  zu  greifen  beginnen, 
b  immer  stärker  durchsetzten  und  wie  so  das  Geschlecht 
'wuchs,  von  dem  im  besonderen  Maße  galt,  was  1619 
eits  von  dem  Professor  der  Theologie  Steuber  als  Wahr- 
lich der  jungen  Universität  eingetragen  wurde:  Litteris 
armis,  ad  utrumque  parati.  Das  Resultat  dioser  Ent- 
::klung  hat  im  Jahre  1819  in  dem  Stammbuch  eines  Offi- 
res,  des  Hauptmanns  Schmitz,  Düring  mit  den  Worten 
sgesprochen : 

Dann  wird's,  dann  bleibt's  nur  gut 
Wenn  du  au  Gut  und  Blut 
Wagst  Blut  und  Gut. 

Es  ist  ein  schönes  Stück  deutscher  Geistes-  und  Kultur- 
ichichte  aus  zwei  Jahrhunderten,  das  uns  diese  Stamm- 
:her  vor  Augen  führen.  Schade,  daß  die  schöne  Sitte 
Abgang  gekommen,  oder,  wo  sie  sich  noch  findet,  zur 
»ßen  Kinderei  geworden  ist.  Diese  alten  vergilbten  Blätter 
d  mehr,  als  interessante  persönliche  Zeugnisse  ver- 
igener  Generationen.  Ob  sich  Gelehrte  eingetragen  haben, 
ren  Namen  auch  heute  in  der  Geschichte  der  Wissen- 
laften  noch  unvergessen  sind,  oder  Studenten,  die  später 
Leben  ihren  Platz  ausfüllten  und  von  denen  solch  ein 


404  Erwin  Preuschen. 

Eintrag  vielleicht  heute  die  einzige  Lebensspur  ist  —  in  allen 
Fällen  lassen  sie  uns  alle  einen  Blick  tun  in  das  Denken  und 
Fühlen,  in  das  Hoffen  und  Sehnen  ihrer  Zeit.  Sie  sind  mit 
ihren  kurzen  Sprüchen  ein  Spiegel  der  Vergangenheit  und 
enthüllen  uns  oft  deutlicher,  als  die  Schilderungen  der  Sitten- 
schreiber ihrer  Tage  die  Geheimnisse  des  geistigen  Lebens 
früherer  Epochen. 

Aus  den  Gründungsjahren  der  Universität  Gießen  zeigen 
sie  uns  die  ehrenfesten  Männer,  die  mit  Vorliebe  die  Bibel 
reden  lassen  und  deren  Blick  nach  oben  gerichtet  ist,  auf 
jene  Welt,   die  nach  Balthasar  Mentzers   Wahlspruch  die 
schönste  ist.    Am  deutlichsten  läßt  diesen  Geist  das  Stamm- 
buch erkennen,  das  dem  M.  Conrad  Bachmann,  dem  ersten 
Bibliothekar  von  Gießen,  die  Kollegen  überreichten  und  in 
das  ihrer  dreizehn  sich  eingetragen  haben.    Der  ehrw^ürdige 
Johann  Winkelmann  eröffnete  den  Reigen,  alterum  pedem 
in  sepulchro  habens,  wie  er  am  23.  Dezember  1625  selbst 
hinschrieb.    Ein  halbes  Jahr  später  weilte  er  nicht  mehr  ani 
Leben.    Sie  alle  haben,  jeder  in  seiner  Art,  der  neugegrün- 
deten Hochschule  ihren  Geist  aufgeprägt,  einen  Geist,  der 
sich  trotz  der  Nähe  Marburgs  und  anderer  Hochschulen  er- 
folgreich  behaupten  konnte.     Und  schließlich  ist  es  doch 
dieser  Geist  gewesen,  der  es  bewirkte,  daß  die  Ludoviciana 
nicht  zu  ähnlicher  Bedeutungslosigkeit  herabsank,  wie  etwa 
Herborn  und  Rinteln,  Altdorf  und  Helmstedt. 

Hundert  Jahre  später  öffnet  Gießen  neuen  Gedanken 
und  neuen  Zielen  die  Tore.  Was  der  Pietismus  für  das 
geistige  Leben  unseres  Volkes  bedeutet  hat,  wie  er  Schranken 
niederriß,  unter  denen  die  Gebildeten  seit  hundertfünfzi? 
Jahren  seufzten,  das  kann  hier  nicht  ausgeführt  werden.  Ver- 
gleicht man  die  Entwicklung  bis  zum  Jahre  1750  mit  der- 
jenigen des  ersten  Jahrhimderts,  so  sieht  man  deutlich,  auf 
welche  Ziele  sie  zusteuert. 

Es  bereitet  sich  ein  Aufschwung  des  ganzen  geistigen 
Lebens  vor,  der  nach  einer  kurzen  Zeit  des  Niederganges  am 
Anfang  des  19.  Jahrhunderts  eine  kraftvolle  Entfaltung  des 
geistigen  Lebens  der  Nation  brachte.  Das  Volk  beginnt  z^ 
erwachen,  die  Jugend  stellt  sich  unter  die  Leitung  der 
geistigen  Führer,  der  Dichter  und  der  Philosophen.  Zuerst 
freilich  ergötzt  man  sich  an  dem  leichten  Getändel ;  es  waren 
erst  die  Präludien,  mit  denen  die  Instrumente  gestimnit 
wurden.  Die  Schäferspiele  wichen  bald  dem  Ernst  des 
Lebens.  Gestalten,  wie  die  des  großen  Preußenkönigs,  d'^ 
Taten  seines  Heeres  und  seiner  Helden  zeigen,  daß  das 
Leben  nicht  nur  ein  scherzendes  Spiel  ist.    Auch  der  Stu- 


SymboU.   Aus  alten  Gieäener  Statombachern. 


405 


:  erkennt,  daß  es  mit  dem  „burschikos  und  fröhlich"  allein 
it  getan  ist,  und  daß  es  höhere  Ziele  gibt,  als  mit  Mädchen 
ikem,  den  Schläger  wetzen  und  die  Philister  ärgern.  Von 
ikreich  her  erschallt  verlockend  der  Ruf  nach  Freiheit; 
iadet  ein  mächtiges  Echo.  Um  »o  mächtiger,  als  der 
g  der  Ereignisse  dem  Sehnen  die  Ketten  schmiedet  durch 
Faust  des  Eroberers.  Die  Flammen,  die  in  den  Freiheits- 
gen emporloderten,  sind  aus  den  Funken  entstanden, 
seit  zehn  Jahren  in  den  Herzen  der  Studenten  glimmten. 
c  auch  von  den  Geschlechtern  des  vierten  Saeculums 
m,  was  von  denen  der  beiden  ersten  gilt,  daß  sie  dea 
ich  zur  Wahrheit  machton : 

LUteris  et  armts  ad  utnimque  parati. 


Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grolman  in  Gießen. 
Von  Karl  Esselbom. 

Die  Verfassiingsurkunde  des  Großherzogtunis  Hessen 
vom  17.  Dezember  1820  weist  neben  der  Unterschrift  des 
erlauchten  Fürsten,  der  sie  gegeben,  die  Gegenzeichiiuuj! 
„von  Grohnan"  auf.  Das  Loben  dieses  Mannes  bis  zu  dem 
Zeitpuiiivt,  wo  er  als  verantwortlicher  Minister  die  Geschicke 
seines  Vaterlandes  zu  leiten  begann,  sollen  die  folgemlen 
Seiten    beschreiben. 

Karl  Ludwig  Wilhelm  Grolman  wurde  zu  r.ießen 
am  23.  Juni  1775  geboren,  einige  Monate  vor  Paul  Johann 
Anselm  Feuerbach,  mit  dem  ihn  eine  durch  seine  straf- 
rechtlichen Schriften  vermittelte  Freundschaft  verband,  die 
in  ihrer  Art  an  die  Freundschaft  zwischen  Goethe  uml 
Schiller  erinnert. 


*'  DU-  K<)[iflinsli.'  ist  i.'ini'  vprkloini?rle  KacLbÜdung  einer,  der  Krau 
Malliilili'  viN  tiroliiiaii  in  Karlsruhe  gehörenden  Silhouette,  dif  "" 
April  Iftft'i  nach  der  Taufe  seines  Sohne»  Johann  August  (IfOJ  i"3 
ItUSI,  naclini.ils  Professor  der  Heclite  in  Gießen,  angefertigt  wurde.  Auf 
ihr  sind   vüri   rechts  anfangend  folgetidn  Personen  abgebildete 

1.  Profe*iSorGroIinan;2.  seine  Kran;  3.  seine  TochlerWiihelmine. 
geb.  14.  Sdveiiiber  1801,  gest.  8.  .^iiril  1875  als  Witwe  des  Hof|crichls- 
prifcidentpn  Kriedrich  von  Homhergk  zu  Vach;  4.  seine  Torhter  C!i*r- 
lutte,  geb.  15.  Mai  1MI3,  gest.  zu  Darmstadt  am  28.  Februar  If«'; 
.">.  die  Stiffsrhwesler  seinfr  Frau,  Marie  Charlotte  von  Grolman,  ff»- 
IT.  August  1784,  gest.  9.  Juni  1873  als  Witwe  des  DiatrikUeinnebroerä 
Gg.  licssemer  in  Rüsselsheini;  li.  eine  freundin  seiner  Frau,  Fräuifi" 
Kar<ilinc  von  Mosel  aus  Kleve,  eine  Patin  des  Neugeborenen. 


Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grolman  in  Gießen.  407 

Der  Zweig  der  Familie  Grolman^,  dem  Karl  Ludwig 
Wilhelm  entstammte,  war  seit  drei  Generationen  in  Gießen 
ansässig.  Sein  Großvater  Melchior  Dettmar  Grolman, 
der  jüngste  der  vier  Söhne  des  gemeinsamen  Stammvaters 
des  ganzen  Geschlechts,  des  1635  geborenen  und  1714  als 
Kaufmann  und  kurfürstlich  brandenburgischer  Rentmeister 
zu  Bochum  in  Westfalen  gestorbenen  Georg  Grolman,  war 
am  17.  Februar  1668  zu  Bochum  geboren,  hatte  zu  Mar- 
burg, woselbst  er  im  Jahre  1689  promovierte  und  sich  habi- 
litierte, Rechtswissenschaft  studiert  und  war  1703  als  vierter 
Professor  der  Rechtswissenschaft  nach  Gießen  berufen 
worden.  Im  Jahre  1714  schloß  er  eine  dritte  Ehe  mit 
Maria  Klara  Mollenbeck  (1694—1766),  der  Tochter  des 
Geheimen  Rates,  Kanzlers  und  Professors-Primarius  der 
Rechte  Bernhard  Ludwig  Mollenbeck.  Ein  Jahr  später 
wurde  er  akademischer  Syndikus  und  nach  dem  1720  er- 
folgten Tode  seines  Schwiegervaters  dessen  Nachfolger  als 
erster  juristischer  Professor  und  Kanzler  der  Universität. 
Er  starb  am  28.  September  1722,  nachdem  ihm  kurz  vorher, 
am  O.Juni,  noch  einSlammhalter,  Adolf  Ludwig,  der  Vater 
Karls,  geboren  worden  war.  Adolf  Ludwig  war  Geheimer 
Regierungsrat  bei  der  Regierung  zu  Gießen  und  hatte  sich 
1772  mit  der  22  Jahre  jüngeren  Anna  Sophie  von  Rauen 
(gestorben  am  26.  August  1827  zu  Gießen),  der  Tochter 
des  braunschweigischen  Obersten  und  Forstmeisters  Fried- 
rich Wilhelm  von  Rauen,  vermählt.  Er  war  „ein  edler 
deutscher  Mann,  treuer  Diener  seines  Fürsten,  guter  Vater 
und  Gatte.  Stolz  kannte  er  keinen  außer  den  über 
seine  Familie.  «Vergeßt  nie,  daß  ihr  Grolmäner  seid», 
pflegte  er  seinen  Kindern  zu  sagen,  «das  ist  mein  Segen. 
So  könnt  ihr  nie  schlecht  werden.»** - 

Als  im  Jahre  1786  König  Friedrich  Wilhelm  IL  von 
Preußen  bald  nach  seiner  Thronbesteigung  den  Adelsstand, 
in  den  die  Nachkommen  des  ältesten  Sohnes  Georg  Grol- 
mans  im  Jahre  1741  aufgenommen  worden  waren,  auch  auf 

>  Die  Genealogie  der  Familie  Grolman  ist  am  übersichtlichsten  zu- 
sammengestellt in  dem  2.  Bande  des  „Handbuchs  des  preußischen  Adels**, 
Berlin  1893.  S.  382—31)5,  und  in  dem  1.  Jahrgange  (1907)  des  „Gothaischen 
genealogischen  Taschenbuchs  der  bricfadligen  Häuser",  S.  227 — 237.  Diese 
Darstellungen  beruhen  auf  der  von  Friedr.  Heyer  von  Rosenfeld  bearbeiteten 
Genealogie  im  8.  und  13.  Jahrgang  (1883  u.  1888)  des  „Genealogischen 
Taschenbuchs  der  Adeligen  Häuser'*.  Die  Heyerschen  Materialien  be- 
finden sich   im  Großh.   Haus-   u.   Staatsarchiv  zu   Darmstadt. 

2  Diese  und  die  folgende  Schilderung  A.  L.  Grolmans  berulit  auf 
Einern  im  Konzept  erhaltenen  Briefe  seines  Sohnes  Ludwig  an  den  Geh. 
Obertribunalspräsidenten  Heinrich  Dieterich  v.  Grolman  in  Berlin  aus  d.  J. 
1811.    Das  undatierte  Konzept  besitzt  Frl.  Lolo  v.  Grolman  in  Darmstadt. 


408  Karl  Esselborn. 

die  Nachkommen  der  beiden  jüngsten  Söhne  Georg  Grol- 
mans  ausdehnen  wollte,  weigerte  sich  Adolf  Ludwig,  „aus 
einer  Art  von  bürgerlichem  Vorurteil"*,  an  dieser  Aus- 
dehnung teilzunehmen,  so  sehr  ihn  auch  sein  Vetter,  der  Re- 
gierungs-  und  Konsistorialdi rektor  Ludwig  Adolf  Christian 
V.  Grolman  zu  Gießen  (1741 — 1809),  zuriet.  Auch  seine  Ge- 
mahlin, die  dessen  Vorstellungen  unterstützte,  indem  sie 
geltend  machte,  der  Adel  könne  doch  wohl  einem  ihrer  vier 
Söhne  nützlich  werden,  wagte  es  nicht,  den  festen  Willen 
ihres  Gatten  zu  bestreiten,  der  ebenso  stolz  auf  seine  „Bürger- 
lichkeit** wie  auf  seinen  Namen  zu  sein  schien  und  ge- 
legentlich schwur,  dasjenige  seiner  Kinder  zu  enterben, 
welches  sich  adeln  ließe.  Dieser  Zug  ist  um  so  charakte- 
ristischer, als  der  Adel  seiner  Gattin  und  der  Umstand,  dai5 
Mitglieder  des  neugeadelten  Zweiges  seiner  Familie  neben 
ihm  in  Gießen  lebten,  sowie  der  Vorteil,  den  seine  Söhne 
später  aus  der  Adelsverleihung  haben  mochten,  ihn  zur  An- 
nahme der  angebotenen  Auszeichnung  hätten  bestimmen 
müssen. 

Karl  Ludwig  Wilhelm  war  der  Zweitälteste  Sohn 
seiner  Eltern,  aus  deren  Ehe  im  ganzen  sieben  Kinder,  vier 
Söhne  und  drei  Töchter,  hervorgegangen  waren.  Sein  älte- 
ster, im  Jahre  1773  geborener  Bruder  Friedrich  Ludwig 
Adolf  (Kriminalrichter,  gestorben  als  Hofgerichtsrat  1855) 
ist  auch  schriftstellerisch  hervorgetreten;  sein  zweiter,  1777 
geborener  Bruder  Ludwig,  den  er  mehr  als  sich  liebte*, 
war  nach  vielfachen  Schicksalen  in  badische  Kriegsdienste 
gekommen,  Generaladjutant  des  Großherzogs  von  Baden  ge- 
worden und  am  6.  Februar  1813  in  Wilna  gestorben,  während 
sein  jüngster  Bruder  Friedrich  Ludwig  Karl  Christian, 
im  Jahre  1784  geboren,  1859  als  Geh.  Rat  in  Darmstadt  ge- 
storben ist.  Von  seinen  drei  Schwestern  war  die  älteste,  Luisa 
(1780  geboren),  mit  dem  Professor  Arens  verheiratet,  wäh- 
rend die  beiden  jüngeren,  1782  und  1786  geboren,  bald  nach 
der  Geburt  starben. 

Karl  genoß  eine  sorgfältige  Erziehung.  Sein  Vater 
scheint  die  Liebe  zur  Arbeit  und  zum  Studium  frühzeitig  in 
dem  Sohne  geweckt  zu  haben.  Charakteristisch  ist  in  dieser 
Beziehung  der  Stammbucheintrag,  den  er  ihm  am  27.  März 
1789  ins  Stammbuch ^  schrieb: 


3  Brief  Grolmans  an  den  Geh.  Staatsreferendär  Frh.  v.  Lichtenberg, 
V.  3.  Januar  1812,  in  den  Adelsakten  d.  Großh.  Ministeriums  d.  Innern. 

*  Zil.  Brief  vom  3.  Januar  1812. 

^  Im  Besitz  der  Enkelin  Grolmans,  Frau  Auguste  von  Znaniecka,  geb. 
von  Grolman,  in  Gießen. 


Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grolman  in  Gießen.  409 

„Ein  Knabe  leidet  viel  in  Arbeit  Frost  und  Schwitzen, 
Eh*  er  bei  alten  darf  im  Ehren  Tempel  sitzen. 

ienke  dieses  mein  Sohn!  und  werde  nie  laß  im  studiren. 

y  fromm,  tugendhaft  und  ein  Menschenfreund;  so  wirst 
glücklich    sein    und    Freude    machen    Deinem    Vatter 

L.  Grolman.** 

Seinen  Schulimterricht  erhielt  Grolman  teils  zu  Hause, 
is  in  dem  Gymnasium  seiner  Vaterstadt.  Strebsamkeit, 
waltender  Fleiß  und  schnelle  Fassungsgabe  werden  ihm 
Agerühmt.  Bei  den  am  Schlüsse  des  Semesters  regel- 
ßig  stattfindenden  Schulfeierlichkeiten  trat  er  mehrfach 
Redner  auf,  so  am  18.  März  1788,  wo  er  von  den  Zwei- 
npfen  der  alten  Deutschen  sprach  ß,  und  am  15.  September 
?9,  wo  er  eine  selbstverfertigte  Rede  über  das  Leben  und 
1  Tod  Josephs  II.  in  französischer  Sprache  hielt.^  Von 
nen  Lehrern  sei  hier  nur  erwähnt  der  Lektor  und  nach- 
.lige  Professor  der  französischen  Sprache  Franz  Thomas 
astel,  zu  dem  er,  wie  ein  Stanunbucheintrag  beweist,  in 
tierer  persönlicher  Beziehung  stand. 

Schon  während  seiner  Schulzeit  unterrichtete  ihn  der 
1 1784  privatisierende  Regierungsrat  Renatus  Karl  Frei- 
rrvonSenckenberg,  der  die  Schwester  Anna  Mar  gare  ta 
ner  Mutter  zur  Frau  hatte  und  sein  Pate  war,  in  dem 
utschen  Rechte  und  in  der  Diplomatik.  Vielleicht  war  es 
nckenberg,  der  dem  Knaben  schon  frühzeitig  die  akademi- 
le  Laufbahn  als  erstrebenswertes  Ziel  vor  Augen  gestellt 
tte.  Jedenfalls  legen  die  in  einem  Stammbucheintrag 
nckenbergs  vom  13.  Juni  1789  vorkommenden  Worte :  „in 
quoque,  mi  Carole,  Grolmannorum  Mollenbeciorumque 
►ria  indubitate  transibit,  modo  Tu  virtutes  eorum  velis 
itari**,  diese  Vermutung  nahe. 

Mit  16  Jahren  verließ  Grolman  das  Pädagogium  und 
irde  am  25.  September  1791  als  akademischer  Bürger  der 
doviciana  inmiatrikuliert.  Das  ganze  erste  Semester  und 
n  größten  Teil  des  zweiten  verwendete  er  zu  dem  Studium 
r  Philosophie  und  Geschichte;  er  hörte  bei  Job.  Daniel 
in  rieh  Musaeus,  der  mit  seiner  Cousine »  verheiratet  war, 

6  Einladungsschrift  1788  „ad  Paedagogia  solemnia  D.  XVII.  et 
III.  Mart.  MDCCLXXXVIII  celebranda",  S.   18. 

7  Einladungsschrift   1789,   „Bei   Gelegenheit  der  auf  den   14.   u.   15. 
Septembers    anzukündigenden   Redeübung   im   Giesner   Pädagogium'*, 

23. 

8  Johannette  Charlotte  Henriette  Friederike  Grolman  (1750—1794)  war 
Tochter  der  Schwester  von  Grolmans  Vater,  Lucretia  Charlotte,  und 

,   Geh.    Regierungsrats   Hermann   Adolf   Grolman,   eines   Vetters   seines 
ers. 


Karl  Ei^selhoni. 


und  Ijpi  Hplwic  Bcnihard  Jaup  Vorloaiingen  über  Reichsge- 

s.-liir!ih.,  |p..i  ,ln),.  (Inllfrjprl  Si!;i«nniiifl  l-(ii--li n -^r  iil.^r  NMur- 


■clii  niul   Rechisj^t'scliitlife,   bei   Aii^nst  Friedrich   Wilhelm 
roriie  über  Slalistik,  bei  Job.  Friedrich  Roos  über  eiiro- 

*  Da^  I>i'it;innl.  nus  itein  NiidilHÜ  seiner  um  38.  Februar  18^  ver- 
•>Th-m-\\  T.>(liicT  Cliarliitli;  stammeml,  besilit  Frau  Mathilde  von  GtoI 
au  zu  Kurbrulie. 


Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grolman  in  Gießen.  411 

päische  Geschichte,  bei  Georg  Gottlieb  Schmidt  über  Mathe- 
matik und  Experimentalphysik,  bei  Karl  Christian  Ehrhard 
Schmidt,  der  vom  Sommer  1791  bis  Sommer  1793  dem  Lehr- 
körper der  Liidoviciana  angehörte,  imd  bei  Friedrich  Wilhelm 
Daniel  Snell  über  Logik  und  Metaphysik.    Nach  diesen  Vor- 

'  Madien  widmete  er  sich  ganz  dem  Studium  der  positiven 
Bechtswissenschaft,  indem  er  bei  dem  Kanzler  Joh.  Christoph 
Koch  Institutionen,  Pandekten,  Straf-  und  Kirchenrecht,  bei 
Itiisaeus  Grundsätze  des  deutschen  Rechts,  des  Handels- 
Iqad  Wechselrechts,  bei  Jaup  deutscTies  Staats-,  Lehens-  und 
Tfeivatfürsten recht,  bei  Büchuer  zum  zweitenmal  Insti- 
lifttionenund  Pandekten,  sowie  eine  Erklärung  des  49.  Buches 
iter  Pandekten  und  schließlich  in  seinem  Kotzten  Gießener 
Semester  bei  Joh.  Christian  Gottlieb  Schau  mann  Natur- 
Wcht  hörte,  d 

„An.  dem  sogenannten   Burschenleben   seiner  Zeit  hat 

.  t3ä!ohaian*\  wie  sein  Biograph  in  den  „Zeitgenossen**  ^^^  be- 
ziehtet, „in  soweit  Anteil  genommen,  als  solches  seinen 
ttbrigen  Bestrebungen  zusagen  mochte**,  und  mit  s?inen 
Stadiengenossen  „die  Freuden  und  Genüsse  geteilt,  die  das 
akademische  Leben  jener  Zeit  gewährte**. 

Eine  authentische  Quelle  für  das  Student?nleben  Grol- 
ikians  hat  sich  in  seinem  bereits  envähnten  Stammbuch  er- 
halten. ^^  Aus  dem  bei  zahlreichen  Gießener  Einträgen  an- 
gebrachten Frankenzeichen  —  einem  verschlungenen  3r  und  C 
{^  Franci  coniuncti),  das  auch  in  Verbindung  mit  einem 
p  Und  m  (=  fidelitatem  constantiamque  praestare  memento) 
sowie  mit  N.  I.  L,  (:=  Francos  coniunctos  nemo  impune 

•  Die  Schilderung  seines  Studiengangs   l)eruht  auf  einem   lateinisrli 

(ncfariebenen  Lebenslauf,  der  in  der  Kinladungsschrift  zu  seiner  Promo- 

'&Hi:  jjlusaeus,  de  investitura  eventuali,  Gissac  17U.V,  S.   14 — 17,  abge- 

4nickl  ist     Der  Lebenslauf  ist  noch   vor  dem   Tode   seines   Vaters,   der 

^Jurin  alfi  noch  lebend  erwähnt  wird,  abgefaßt. 

w  „Zeilgenossen,  Neue  Reihe  3",  Leipzig  1823,  S.  2— 4(1  Der  Ver- 
fMier  dieser  Biographie,  dessen  Namen  nicht  ermittelt  worden  konnte, 
kiftte  Grolman  nahe  gestanden  und,  wie  er  selbst  S.  16  sagt,  „(ielogenheit 
■timbt}  Grolmans  Gesinnung  in  traulicher  Unterhaltung  k<*nnen  zu  lernen". 
Diese  zu  Lebzeiten  Grolmans  erschienene  Biographie,  die  zum  Teil  auf 
mfindtiche.  nicht  mehr  in  allen  Stücken  auf  ihre  Richtigkeit  zu  prüfende 
Quellen  zurückgeht,  hat  insoweit  die  Bedeutung  einer  ursprünglichen 
Quelle  für  Grolmans  Leben.  Auf  diese  Biographie  gehen  im  wesentlichen 
zurück  die  biographischen  Aufsätze  in  dem  ,, Neuen  Nekrolog  der  Deut- 
srhen**.  7.  Jahrg.  1821),  I,  S.  171—180  (1831).  in  der  „Allgemeinen  Enzy- 
klopädie der  Wissenschaften  von  Ersch  und  Gruber*',  II.  Sektion,  Bd.  i)2, 
S.  67 — 72  (1872),  verfaßt  von  H.  Pa  11  mann,  und  in  der  „Allgemeinen 
deutKhen  Biographie'*.   Bd.   ü,   S.    7 13 f. 

1*  Die  im  folgenden  aus  den  Stammbucheinträgen  gezogenen  Schlüsse 
verdanke  ich  brieflichen  Mitteilungen  des  Herrn  Bibliothekars  Dr.  \Vilhv.dm 
Fabricius  in  Marburg. 


4n  Karl  Esselborn. 

lacessat)  vorkommt  —  geht,  ebenso  wie  aus  den  sich  gleich- 
falls vorfindenden  Devisen:  F(ortiora)  A(dversis)  O(pponite) 
P(ectora)  R(ebus)  und  T(empore)  D(uro)  I(nspicienda)  F(ides) 
hervor,  daß  Grolman  der  1788  in  Gießen  gestifteten  Lands- 
mannschaft Franconia  angehört  hat,  die,  wie  eine  Unter- 
suchung im  Jahre  1789  erwiesen  hat,  in  einem  näheren 
Verhältnis  zu  den  Harmonisten  stand.  Seine  Angehörigkoit 
zur  Franconia  wird  auch  bestätigt  durch  eine  in  der  Univer- 
sitätsbibliothek zu  Gießen  befindliche,  etwa  im  Jahre  18O0 
angefertigte  Abschrift  einer  älteren  Frankenkonstitution i-, 
deren  Mitgliederverzeichnis  einen  „Grollmann  I  aus  Gießen" 
sowie  eine  Anzahl  in  Grolmans  Stammbuch  vorkonunender, 
als  Franken  gekennzeichneter  Namen  i»,  und  zwar  einige  in 
unmittelbarer  Nähe   Grolmans   aufführt.^* 

Den  Schluß  seiner  dreijährigen  Gießener  Studienzeit 
bildete  das  glücklich  bestandene  juristische  Fakultätsexamen. 
Mit  diesem  hielt  er  aber  seine  Vorbildung  noch  nicht  für 
abgeschlossen;  er  beschloß  vielmehr,  auf  der  Erlanger  Uni- 
versität seine  Studien  fortzusetzen.  Im  September  1794 
machte  er  sich  auf  den  Weg  dorthin.  Ein  Freund  und 
Studiengenosse,  L.  Stamm  aus  Darmstadt,  begleitete  ihn 
bis  Würzburg  und  trennte  sich  dort  von  ihm,  nachdem  er 
ihm  herzliche  Abschiedsworte  ins  Stanunbuch  geschrieben. 

In  Erlangen  hörte  Grolman  bei  dem  bekannten  Pandek- 
tisten Christian  Friedrich  Glück,  dessen  freundschaftliches 
Entgegenkommen  er  rühmend  erwähnt,  Pandekten  und  Straf- 

1-  Hs.  34  g.  Vergl.  daselbst  auch  die  Erklärung  der  Zeichen  und 
Devisen,  Bl.  1^,  8,  11»>  u.  12. 

1^  Es  sind  dies  folgende  Namen:  Carl  Besserer,  d.  R.  B.  aus  Gießen 
(1793),  S.  191 ;  Besserer,  stud.  jur.,  später  Fahnenjunker  1790,  S.  97; 
Danz  (1792),  S.  200;  G.  E.  Erdmann,  d.  G.  G.  B.  (1792),  C.  Erdmann, 
d.  G.  G.  B.  (1794),  beide  aus  dem  Darmstädtischen,  S.  156,   160;  G.  P 

F.  Haberkorn  (1792),  S.  127  (auffallend  jedoch  die  Anrede  „Sie"); 
P.  Heumann.  d.  Theol.  B.  „aus  dem  Canton  Odenwald"  (1792),  S.  213: 
L.  C.  Ludwig,  d.  R.  B«.  aus  dem.  Darmstädtischen  (1792),  S.  212;  Fr. 
Müller,  d.  R.  B.  aus  Gießen  (1794),  S.  124;  Pilgram,  d.  A.  G.  B.  aus 
Ziegenberp  (1793),  S.  225;  G.  Rauch,  d.  R.  B.  aus  Hatzfeld  (1793),  SAb»; 

G.  Schäfer,  d.  G.  G.  B.  aus  Biebesheim  bei  DarmsUdt  (1794),  S.  265: 
H.  L.  Schott,  d.  F.  B.  (1792),  S.  198;  Staudinger  (Vorname  unleserlich) 
aus  Vöhl  (1792).  S.  157;  Carl  Sues,  d.  R.  B.  aus  Gießen  (1792),  S.  126.-- 
lu  der  Frankenkonstitution  lauten  die  angeführten  Namen:  Besserer  und 
Besserer  II  aus  Gießen,  Danz  aus  Gedern,  Erdmann  I  und  II  aus  Zwingen- 
berjr,  Haberkorn  aus  Grünberg  im  Dariiistädtischen,  Heumann  aus  Reiß- 
heim,  Ludwig  aus  Bessuiigen  bei  Darmstadt,  Müller  aus  Gießen,  Pilgra"^ 
aus  Ziegen berg  bei  Friedborg,  Rauch  aus  Hatzfeld,  Schaefer  aus  Biebe>- 
heim  im  Darmstädtischen,  Schott  von  Grumbach  im  Darmstädtischen,  Stau- 
dinger  aus  Vöhl  in  der  Herrschaft  Itter,  Sues  aus  Gießen. 

1*  Besserer,   Staudinger,   Danz,  Müller,   Sues. 


Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grolman  in  Gießen.  413 

echt,  bei  Joh.  Burckhard  Geiger  Kirchenrecht,  Theorie  des 
i^ozesses  und  der  gerichtlichen  Klagen  sowie  die  Erklärung 
les  westfälischen  Friedens,  endhch  bei  Johann  Ludwig 
Clüber  deutsches  Recht  und  den  Prozeß  der  Gerichtshöfe 
les  Reiches. 

Auch  in  Erlangen  hinderte  ihn  sein  Eifer  für  das  Studium 
licht  an  der  Teilnahme  an  dem  Studentenleben.  Sein  Bio- 
graph in  den  „Zeitgenossen**  erwähnt  sogar  rühmend  eines 
Zweikampfs,  den  er  in  Erlangen  ausfocht,  während  uns 
;ein  Stammbuch  erraten  läßt,  daß  er  dem  Orden  der  Ami- 
Kisten  angehörte.  Abgesehen  davon,  daß  bei  den  Erlanger 
Einträgen  häufiger  als  bei  den  Gießenern  das  Amicisten- 
seichen^*  und  die  Devise  I.S.A.C.S.I.V.N.i«  vorkonrunt,  redet 
n  einem  Eintrag  der  Schreiber  desselben,  der  als  Amicist 
iurch  den  Ordensspruch  und  das  an  der  Jahreszahl  1795 
ingebrachte  Amicistenzeichen  imzweideutig  gekennzeichnet 
ist,  von  „unserm  Bund**  imd  „unserm  heiligen  Bunde**,  und 
in  einem  anderen  bezeichnet  sich  der  Schreiber  durch  das 
iem  Worte  „Bruder**  vorgesetzte  Amicistenzeichen  unwider- 
leglich als  „Amicistenbruder**,  eine  Bezeichniuig,  deren  er 
sich  nur  einem  Mitgliede  des  Ordens  gegenüber  bedienen 
konnte. 

Grolmans  Aufenthalt  in  Erlangen  war  nur  auf  ein  Jahr 
bemessen.  Kurz  vor  seinem  Abschied  schrieb  ein  Freund 
und  Ordensbruder,  Karl  L.  H.  Rabe  aus  Stendal,  der  „nach 
einem  Ziele**  mit  ihm  strebte,  für  den  Fall  des  Nichtwieder- 
sehens  folgenden  Wunsch,  der  sich  bei  Grolman  bald  er- 
füllen sollte,  diesem  ins  Stanunbuch:  „Lebe  glücklich  am 
Arme  eines  braven  Weibes  und  geliebt  von  Deinen  Mit- 
arbeitern und  geachtet  von  Deinen  Zuhörern  nebst  dem  ge- 
lehrten Deutschland.  Vivat  crescat  Dein  Auditorium ! !  Dem- 
nächst die  Pfeife  und  das  Canape.**  —  Noch  am  Tage  des 
Abschieds,  dem  1.  September  1795,  rief  ihm  ein  anderer, 
stud.  iur.  C.  W.  D.  Hussell  aus  dem  fränkischen  Ritterkanton 
an  der  Altmühl,  folgende  Worte  nach,  die,  weil  sie  Grol- 
man als  Freund  charakterisieren,  hier  eine  Stelle  finden 
mögen :  „Nimm  hier  nochmals  schriftlich  den  w^ärmsten  Dank 
hin  für  alles  mir  erwiesene  Gute.  Gebe  mir  doch  das  Schick- 
sal bald  wieder  einen  Freund,  wie  Du  warst;  aber  leider 
ist  dies  eine  Hoffnung,  die  wohl  lange  —  vielleicht  auch 
gar  nicht  in  Erfüllung  gehen  wird**. 

1^  Dieses  bestand  aus  einem  V,  in  das  ein  umgekehrtes  A  geschrieben 
war,  und  bedeutete  vivat  Vera  Amicitia,  Vivat  Amicitia  Fruclus  Honorum. 

^^  Jungimur  sancto  amicorum  consensu  sit  indissolubile  vinculum 
nostrum. 


414  Karl  Es.selborn. 

Den  Rückweg  nach  Gießen  nahm  Grolman  über  Würz- 
burg; zwei  Stammbucheinträge  vom  5.  September  über- 
liefern uns  den  Tag  seiner  Durchreise  daselbst.  Offenbar  hat 
er  in  Begleitung  von  Freunden  die  Rückfahrt  angetreten 
und  in  Würzburg  neue  Freunde  kennen  gelernt 

Ein  schmerzliches  Ereignis  sollte  ihn  bald  nach  seiner 
Ankunft  in  Gießen  treffen:  der  Tod  seines  Vaters,  der  am 
21.  September  1795  eintrat. 

Noch  in  demselben  Jahr,  am  15.  Dezember,  verteidigte 
er  seine,  vermutlich  in  Erlangen  ausgearbeitete,  die  donatio 
propter  nuptias  behandelnde  Dissertation",  nachdem  er  vor- 
her über  sechs,  am  Schlüsse  seiner  Dissertation  abgedruckte 
Thesen  disputiert  und  eine  Probevorlesung  über  das  Thema: 
,, Inwieweit  ist  eine  Enterbung  in  einem  Testament  zwischen 
Eitern  und  Kindern  zulässig   (Nov.   107)?**   gehalten  hatte. 

Die  nächste  Zeit  widmete  sich  Grolman  der  angestreng- 
testen Arbeit,  sowohl  literarischer  Tätigkeit  als  auch  der  Vor 
bereitung  zu  seinem  akademischen  Lehrberufe.  Im  Jahre  1796 
verfaßte  er  seinen  „Versuch  einer  Entwickelung  der  recht- 
lichen Natur  des  Ausspielgeschäftes**,  der  1797  zu  Gi3ßen 
erschien.  Veranlassung  zu  dieser  Schrift,  die  einen  für  die 
juristische  Literatur  neuen  Gegenstand  behandelte,  bot  ihm 
ein  Rechtsfall,  den  der  Marburger  Professor  Robert  der 
Jüngere  zum  Zwecke  seiner  praktischen  Vorlesungen  hatte 
drucken  lassen.  Das  theoretische  Resultat  der  Grolmanschen 
Untersuchungen   ist   das   folgende: 

Wenn  der  auszuspielende  Gegenstand  den  Spielern  ge- 
meinschaftlich gehört,  so  besteht  das  Spielgeschäft  darin, 
daß  jeder  sich  verpflichtet,  sobald  die  Bedingung  gegen  ihn 
verneinend  ausfallen  würde,  von  der  durch  die  Ausspielung 
gebildeten  Gesellschaft  abzutretsn,  seinen  als  Gesellschafts- 
gliod  ihm  an  die  gemeinschaftliche  Sache  zustehendenRecht^n 

zu  entsagen  und  sie  den  übrigen,  gegen  welche  die  bestimmte 
Bedingung  noch  nicht  absprechend  entschieden  habe,  also 
der  übrigen  noch  bestehenden  Gesellschaft,  überlassen  wolK'- 
Von  diesen  übrigen  Gesellschaftsgliedem  hat  keiner  größere 
Rechte  an  dem  Gegenstand  als  der  andere.  Sie  behalten 
also  auch,  wenn  sie  die  Gemeinschaft  fortsetzen,  gleiche 
Rechte,  und  bekommen   gleiche  Anteile,  wenn  sie  Teilung 


^'  ..Coininontationis  iuridicae  de  donatione  proptor  nuptias,  vidualit'^ 
atquo  (lotalitio.  praecipue  de  eonnn  effectibus  et  accurata  a  se  invict*"^ 
distinctione  sectio  prima:  de  donatione  propter  nuptias  Romana  et  pra^/' 
puo  (üuö  effectibus."  —  Von  dieser  auf  droi  Tiile  barechnetcn  Arlx'^' 
er.scliien  nur  der  erste. 


Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grolman  in  Gießen.  415 

)elieben.  Gehörte  dagegen  die  auszuspielende  Sache  einem 
nnzelnen,  so  geht  dem  eigentUchen  Spielgeschäft  ein  vor- 
)ereitendes  Geschäft  voraus,  wodurch  die  zur  Ausspielung 
rereinigte  Gesellschaft  die  Sache  erst  erwirbt.  Dieses  Ge- 
»chäft  ist  in  der  Regel  ein  Kauf,  und  zwar  dann,  wenn  dem 
ausspielen  ein  Einsetzen  vorausgeht,  wobei  der  Einsatz  aller 
Spieler  den  Kaufpreis  darstellt.  ^^ 

Grolman  hatte  seine  Schrift  u.  a.  auch  dem  durch  Goethe 
bekannten,  seit  1780  als  Oberappellationsgerichtsrat  in  Darm- 
>tadt  lebenden  Professor  Ludwig  Julius  Friedrich  Höpfner 
geb.  3.  November  1743,  f  2.  April  1797)  übersendet,  dar 
lie  anscheinend  sehr  beifällig  aufgenommen  hat.  Denn  am 
12.  Februar  1797  bedankt  sich  Grolman  bei  ihm  „nicht  nur 
ür  die  schmeichelhaftesten  Beweise  seiner  Wohlgewogen- 
leit  gegen  ihn,  sondern  auch  zugleich  für  sein?  interessanten 
Bemerkungen  und  literarischen  Notizen.  Am  Schlüsse  dieses 
Briefes  macht  Grolman  noch  das  Geständnis,  „daß  er  bei 
seiner  Arbeit  auch  nicht  ein  einziges  Buch  gebraucht  habe, 
iveil  er  in  keinem  eine,  auch  nur  im  geringsten  befriedigende 
Erklärung  seines  Ausspielgeschäftes  gefunden  habe,  sonst 
würde  er  dasselbe  anzuführen  nicht  vergessen  haben.**  ^» 

Ebenso  günstig  wie  von  Höpfner  wurde  Grolmans  Ver- 
such von  der  Kritik  aufgenommen.  In  einer  dieser  Be- 
sprechungen finden  sich  die  charakteristischen  Wort?:  „Der 
Verfasser  liefert  hier  ein?  Probe,  wie  ein  junger  denkender 
Mann  eine  Materie,  über  die  er  beinahe  bloß  denken  muß, 
behandelt.  Alles  in  der  kleinen  Schrift  ist  gedacht,  die 
Schreibart  gut  und  das  Ganze  so  beschaffen,  daß  es  ein?n 
Mann  zeigt,  der  künftig  den  Ruhm  seines  Großvaters,  d?s 
1722  verstorbenen  Kanzlers  Grolman,  wieder  erneuern 
wird**.^^ 

Eine  abfällige  Beurteilung  scheint  Grolman  nur  bei  dem 
Kanzler  Koch  gefunden  zu  haben.  In  einem  Briefe  vom 
12.  März  1797  fragt  dieser  bei  Höpfner  an,  wie  ihm  denn  der 
Grolmansche  Versuch  des  Ausspielgeschäftes  gefallen  habe, 
und  fährt  fort:  ,,Die  Fälle  sind  nicht  vollständig  und  die 
Note  Seite  6G  ist  gar  zu  erbärmlich.  Hier  hätte  der  Ver- 
fasser Gelegenheit  gehabt,  und  zwar  die  schönste  von  der 

lö  Vergl.   S.   22,   26,  47.   60. 

^^  Briefe  aus  dem  Freundeskreise  von  Goethe,  Herder.  Höpfner  und 
Merck.  Aus  den  Handschriften  herausgegeben  von  Karl  Wagner,  Leipzig 
1847,  S.   363  f. 

20  jveue  allgemeine  deutsche  Bibliothek,  Heft  33,  Kiel  1797.  S.  139 
^»s  141.  Eine  Aufzählung  der  wichtigsten  Besprechungen  von  Grolmans 
^Verken  gibt  Strieder,  Grundlag^en  zu  einer  hessischen  Gelehrten-  und 
^^hriftstell^rgeschichte,    18.    Bd.,"^  Marburg   1819,   S.   183 ff. 


416  Karl  Esselborn. 

Welt,  sich  als  einen  soliden  Juristen  und  als  einen  Ictum 
criticum  et  elegantiorem  zu  zeigen.  .  .  .  Herr  Grolman 
scheint  von  seiner  Gelehrsamkeit  sehr  eingenommen  zu  sein 
und  hat  mich  gar  nicht  consultirt,  da  ich  ihm  doch  nach 
meiner  Offenheit  und  Dienstbegierde  allen  freundschaftlichen 
Rat  liebreichst  erteilt  haben  würde.  So  wie  der  Versuch  da 
liegt,  ist  es  ein  exercitium  aus  einem  collegio  ellaboratorio 
practico.**  —  Drei  Tage  später  erklärt  Koch,  daß  „er  über 
den  Grolmanschen  Versuch  sich  in  Gießen  gegen  keinen 
Menschen  geäußert  habe,  und  er  zweifle  daran,  ob  ihn  einer 
in  Gießen  von  den  Ictis  (Jaupio  forsan  excepto)  ganz  ge- 
lesen und  die  erbärmliche  Note  Seite  66  studiert  habe". 

Bei  diesem  harten  Urteil  Kochs  mochte  die  Eifersucht 
mitgesprochen  haben.  Denn,  wie  der  Biograph  in  den  „Zeit- 
genossen" (a.  a.  0.  S.  6)  mitteilt,  fanden  Grolmans  Lehnor- 
träge,  in  denen  er  ebenso  wie  Koch  das  Strafrecht  behandelte, 
solchen  Beifall,  daß  sie  immer  von  einer  ansehnlichen  Menge 
Studierender  besucht  waren. 

In  dem  Vorlesungsverzeichnis  der  Universität  erscheint 
Grolman  zwar  zuerst  im  Sommersemester  1797,  wo  er  eine 
„Praecognita  iuris  Romani  privati  novissimi",  eine  private 
über  Theorie  des  Prozesses,  sowie  ein  Privatissimum  über 
bürgerliches  und  Strafrecht  ankündigte.  Seine  Tätigkeit  als 
Privatdozent  hat  aber  in  Wirklichkeit  schon  früher  begonnen, 
denn  in  seinem,  Ende  Dezember  1797  bei  dem  Landgrafen 
eingereichten  Gesuch  um  Übertragung  des  Amtes  eines  außer- 
ordentlichen Professors  sagt  er,  daß  er  sich  nun  bereits 
läncjer  als  zwei  Jahre  in  Gießen  als  Privatdozent  aufsehalten 
habe. 

Bald  nach  dem  Versuch  über  die  rechtliche  Natur  des 
Ausspielgeschäfts  erschien  das  erste  Stück  der  von  Grolman 
herausgegebenen  „Bibliothek  für  die  peinliche  Rechts- 
wissenschaft und  Gesetzkunde**.  Diese  Bibliothek,  von 
der  gleich  nach  jeder  Messe  ein  Stück  erscheinen  sollte, 
deren  drei  einen  Teil  ausmachton -^  brachte  neben  Abhand- 


21  Das  zweite  Stück  erschien  1798;  es  enthält  neben  einem  später 
zu  erwälinenden  Aufsatz  von  Feuerbach  zwei  Abhandlungen  von  Grolman: 
„Über  den  Grund  der  liärteren  Strafe  des  gefährlichen  Diebstahls  (CCC  159'" 
und:  „Wird  Dolus  bei  begangeneu  Verbrechen  vennutet?**.  —  Von  den 
Rezensionen  sei  nur  die  von  J.  G.  Fichtes  „Grundlage  des  Naturrechts" 
besonders«  angeführt.  Das  dritte,  1799  erschienene  Stück,  in  welche^ 
Harscher  von  Almendingen  zum  erstenmal  als  Mitarbeiter  auftritt,  enthält 
von  Grolman  einen  Nachtrag  zu  der  Abhandlung:  „Über  die  Begriffe  von 
Dolus  und  Culpa",  sowie  eine  Besprechung  der  Feuerbachschen  Schrift 
„Antihobbeb*'.  —  Der  zweite  Band,  von  dem  nur  ein  Stück  1800  er- 


Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grulman  in  Gie&en.  417 

Lingen  Rezensionen  der  auf  der  betreffenden  Messe  er- 
chienenen  Schriften,  sowie  unter  der  Rubrik  „Miscellen** 
nteressante  Verordnungen,  neue  Vorschläge,  Anekdoten, 
Tachrichten,  Anfragen  und  Anzeigen.  Das  erste  Stück  hat 
irolman  auch  größtenteils  zum  Verfasser,  so  insbesondero 
ie  Abhandlungen  „über  die  Begriffe  von  Dolus  und 
/Ulpa",  „über  doctrinelle  Gesetzesauslegung**  (CCC 
04  und  105),  „über  die  Strafe  der  Bigamie**  (CCC  121) 
md  „über  die  Strafe  des  Raubes**  (CCC  126).  Von  den 
lezensionen  sei  namentlich  die  von  Kants  „Metaphysischen 
infangsgründe  der  Rechtslehre**  hervorgehoben,  weil  sich 
irolman  in  ihr  mit  Entschiedenheit  gegen  das  Prinzip  der 
Viedervergeltung  erklärt. 

Dem  Jahre  1797  gehört  die  Vollendung  der  „Grund- 
ätze der  Criminalrechts  w  issenschaf  t  nebst 
iner  systematischen  Darstellung  des  Geistes  der 
leutschen  Criminalgesetze**  (Vorrede  vom  1.  Novem- 
ber 1797)  an,  die  im  Jahre  1798  erschienen  und  ihn  mit 
iinem  Male  unter  die  ersten  strafrechtlichen  Schriftsteller 
irhoben.  Am  9.  April  1798  brachte  die  „Allgemeine  Literatur- 
:eitung**  eine  Besprechung  des  Werkes,  die  mit  den  Worten 
»eginnt:  „Noch  nie  war  Rezensent  durch  eine  juristische 
Jchrift  freudiger  überrascht  worden,  noch  keine  schien  ihm 
;o  sehr  das  Gepräge  des  entschiedenen  Talents  an  sich  zu 
ragen  und  zu  größeren  Erwartimgen  von  ihrem  Verfasser 
:u  berechtigen,  als  die  gegenwärtige.  In  ihr  lebt  und  regt  sich 
;in  fester  philosophischer  Geist,  der  durch  Interesse  für 
Vahrheit  geleitet  wird,  und  zugleich  bescheiden  die  Scliran- 
:en  anerkennt,  welche  ihm  die  Rechte  einer  positiven  Wissen- 
chaft  vorgezeichnet  haben.  Ihr  Verfasser  hat  nicht  bloß 
Philosophie  gelernt,  sondern  er  versteht  zu  philoso- 
phieren; und  mit  diesem  unter  den  Rechtsgelehrten  so 
;eltenen  Talent,  welches  durch  edle  Freimütigkeit  einen  be- 
londeren  Wert  erhält,  verbindet  er  die  ebenso  seltene  und 
loch  so  notwendige  Gabe,  richtig  und  bestimmt  zu  schreiben. 
Rezensent  wünscht  der  Wissenschaft  zu  einem  solchen 
Pfleger  von  Herzen  Glück  und  Herrn  Grolman,  daß  er  überall 
^eser  und  Beurteiler  finden  möge,  die  seiner  würdig  sind.**  — 


cfaien,  ftthrt  Feuerbach  und  Almendingen  neben  Grolman  als  Herausgebor 
uf  dem  Titel  an;  er  enthält  nur  einige  Rezensionen  und  Miszellen  Grol- 
lans,  während  der  größte  Teil  des  Inhalts  die  beiden  andern  Herausgeber 
u  Verfassern  hat;  namentlich  findet  sich  in  ihm  die  Fortsetzung  der 
ilmendingenschen  Besprechung  der  ,, Grundsätze  der  Criminalrechtswissen- 
cliaft'*,  deren  Anfang  im  3.  Stück  des  1.  Bandes  erschienen  war. 

Beitrtge  z.  Gesch.  d.  Universitäten  Mains  u.  Gießen.  27 


418  Karl  Esselborn. 

Der  Rezensent,  der,  so  sehr  er  auch  in  allen  Teilen  dieser 
Schrift  den  Scharfsinn  des  Verfassers  anerkannte,  ihm 
dennoch,  was  die  von  ihm  aufgestellten  Prinzipien  der 
Wissenschaft  betraf,  seinen  Beifall  nicht  geben  konnte,  war 
—  Paul  Joh.  Anselm  Feuerbach.  Diese  Kritik  ist  das 
älteste  Zeugnis  für  die  Beziehungen  beider  Männer  zu 
einander. 

Aber  nicht  bloß  Freunde,  auch  Gegner  erwuchsen  Grol- 
man  aus  den  ,, Grundsätzen  der  Criminalrechts Wissenschaft". 
Hatte  er  doch  in  der  Vorrede  der  älteren  Jurisprudenz  gleich 
sam  die  Fehde  angekündigt.  „Jeder  Mann",  sagt  er  dort, 
„muß  bemerkt  haben,  daß,  ohnerachtet  alles  dessen,  was 
bisher  geleistet  wurde,  dennoch  die  mehrsten  Criminal 
reformatoren  gar  sehr  im  Finstern  mnhertappen.  Noch 
immer  hat  man  es  vergessen,  die  Wissenschaft,  über  welche 
man  reden  wollte,  auf  ihre  letzten  Gründe  zurückzuführen, 
wodurch  doch  allein  das  viele  seichte  und  vage  Raisonnierea 
und  Deraisonnieren  über  Gegenstände  der  Philosophie  des 
Criminalrechts  und  der  Criminalgesetzgebung  hätte  verbannt 
werden  können**. 

Den  von  Grolman  hingeworfenen  Fehdehandschuh  nahm 
Ernst  Ferdinand  Klein22,  gegen  den  Grolman  auch  in  seiner 
„Bibliothek  für  die  peinliche  Rechtswissenschaft**  polemisch 
aufgetreten  war,  auf,  und  richtete  gegen  ihn  einen  Aufsatz: 
„Herr  Professor  Karl  Grolmann**,  in  seinem  mit  Aloys  Gallus 
Kleinschrod  herausgegebenen  „Archiv  des  Criminalrechts*' 
(l.  Bd.,  4.  Stück.  Halle  1799.  S.  128—151).  Gleichwohl  er- 
teilt auch  Klein  zu  Beginn  dieses  Aufsatzes,  Grolman  das 
„gerechte  Lob",  daß  er  „gründliche  Kenntnis  der  Criminal- 
rechtswissenschaft  habe,  und  unter  die  denkenden  Köpfe  ge- 
höre, von  welchen  sich  viel  Gutes  erwarten  lasse".  Am 
Schlüsse  dieses  Aufsatzes  spricht  Klein  den  Wunsch  aus, 
daß  „Herr  Grolman  seine  Theorie  entweder  weiter  ausführte 
oder  näher  bestimmte*'.  Diesen  Wunsch  erfüllte  Grolraans 
nächstes  größeres  Werk,  das  etwa  um  dieselbe  Zeit  wie  der 
Kleinsche  Aufsatz  erschien. 

Außer  den  „Grundsätzen  der  Criminalrechtswissen- 
schaft**  erschien  im  Jahre  1798  eine  weitere  Veröffentlichung 

2-  Nachwcisbaro  persönliche  Beziehungen  hatte  Grolman  zu  Klein 
ebensowenig  wie  zu  Kleinschrod.  Wenn  daher  Grolman  in  der  „Deulschen 
Biograpliie**  a.  a.  0.  als  „Schüler  Kleins  und  Kleinschrods**  bezeichnet 
wird,  so  beruht  dies  auf  einein  Mißverständnis  folgender  Stelle  in  ^^'^ 
„Zeitgenossen"  (a.  a.  0.,  S.  5):  „Im  peinUchen  Rechte  waren  es  beson- 
ders Klein  und  Kleinschrod,  womit  er  sich  viel  zu  schaffen  machte:  ^^" 
mit  ersterem  meistens  nur,  um  ilin  zu  bekämpfen". 


Karl  Ludwig  Wilhelm  toii  Grolman  in  Gießen.  419 

Grolmans:  das  erste  Heft  des  ersten  Bandes  des  von  ihm 
„angelegten**  „Magazins  für  die  Philosophie  des  Rechts 
und  der  Gesetzgebung**,  welches  auf  95  Seiten  zwei  Auf- 
sätze (irolmans  „Über  Ehre  und  guten  Namen**  und  „Ober 
die  Rechtsgültigkeit  der  Verträge**  brachte,  ^^ 

Aber  nicht  bloß  in  literarischer,  sondern  auch  in  persön- 
licher Beziehung  ward  das  Jahr  1798  für  Grolman  bedeutungs- 
voll. Wie  bereits  erwähnt,  hatte  dieser  Ende  Dezember  um 
Verleihung  des  Amtes  eines  außerordentlichen  Professors 
nachgesucht.  Durch  ein  von  dem  Kanzler  Koch  entworfenes 
Votum  praeliminare  beschloß  die  Fakultät  mit  der  Begrün- 
dung, daß  Grolman  „mit  Beifall  gelesen  und  sich  auch  durch 
einige  gelehrte  Schriften  bekannt  gemacht  habe**,  dieses  Ge- 
such höchsten  Orts  zu  unterstützen,  worauf  er  am  19.  Fe- 
bruar 1798  zum  außerordentlichen  Professor  mit  einer  jähr- 
lichen Besoldung  von  100  Gulden  ernannt  wurde.  Die  feier- 
liche Einführung  in  sein  neues  Amt,  bei  der  er  in  einer  Rede 
die  Strafen  des  Kindesmordes  kritisch  erörterte,  fand  am 
S.  März  1798  statt.  2* 


Nachdem  nun  eine  Grundlage  für  seine  Existenz  ge- 
schaffen war,  schloß  er  am  1.  April  1798  zu  Kleve  die  Ehe  mit 
Emilie  van  de  Wall,  der  Stieftochter  des  Geh.  Regierungs- 
rats Georg  Christian  Ludwig  Adolf  von  Grolman  2^,  an  deren 
Seite  es  ihm  vergönnt  sein  sollte,  fast  30  Jahre  zu  leben, 
da  sie,  die  etwa  neun  Wochen  älter  war  als  er,  ihm  nur 
um  einige  Monate  (am  7.-  Mai  1828)  im  Tode  voranging. 
Die  Ehe,  aus  der  zehn  Kinder  hervorgingen,  die  aber  zum 


23  Das  2.  Heft  des  1.  Bandes  erschien  1799  und  enthielt  ebenfalls 
zwei  Aufsätze  von  Grolman:  ,,Noch  ein  paar  Worte  über  den  Eid",  und 
„Einige  Gedanken  über  den  Gerichtsgebrauch**.  Die  in  den  Jahren  1799 
und  1800  unter  dem  Titel:  „Magazin  für  die  Philoßophie  und  Ge- 
schi'chte  des  Rechts  und  der  Gesetzgebung**  erschienen  und 
unter  diesem  Titel  mit  den  beiden  ersten  Heften  als  1.  Band  vereinigten 
vier  Hefte,  enthalten  nur  die  eine  Abhandlung  von  Grolman:  „Sollte  es 
denn  wirkHch  kein  Zwangsrecht  zur  Prävention  geben?*'.  Dagegen  ent- 
halten die  drei  folgenden  Bände,  von  denen  die  beiden  letzten  von  Grol- 
man und  Löhr,  und  nach  des  ersteren  Tod  von  letzterem  allein,  unter 
"dem  Titel:  ,,Magazin  für  Rechtswissenschaft  und  Gesetzgebung**  (Neues 
ISagazin  etc.,  1.  u.  2.  Bd.),  herausgegeben  wurden,  nichts  von  Grolman. 
Das  letzte  (4.)  Heft  des  4.  Bandes  erschien  1844. 

24  Em.  Ludov.   Willi.  Nebel,  Series  professorum  in  ordine  iuriscon- 
sultonim  Giessensium,   Giessae  1813,   S.   29. 

2'i  Er    war    der    i5ohn   des    in   Note    8    erwähnten   Hermann   Adolf 
<j«rolman  in  Kleve. 

27» 


420  Karl  Esselborn. 

Teil  im  zartesten  Kindesalter  starben,  scheint  eine  glück- 
liche gewesen  zu  sein.^e 

Wie  schon  erwähnt,  begannen  Grolmans  Beziehungen 
zu  Feuierbach  im  Jahre  1798.  Noch  im  Jahre  darauf  schreibt 
dieser  in  einem   Brief  an   seinen  Vater  vom  30.   Januar: 
„Ich   kenne  bloß  den   Gelehrten  Grolman,   der  Mensch 
Grolman  ist  mir  ganz  unbekannt.    Unsere  Freundschaft  und 
Feindschaft  sind  bloß  literarischer  Art**.*'  —  Aber  hierbei 
sollte    es    nicht    bleiben.     Die    literarischen    Beziehungen 
wuchsen  sich  in  persönliche  aus;  zwei  Jahre  später  sehen 
wir  Feuerbach  als  Paten  eines  am  29.  November  1800  ge- 
borenen, aber  bereits  am  12.  April  1801  gestorbenen  Sohnes 
Grolmans,  und    am  1.  Januar  1821  konnte  Feuerbach  an 
seinen  Freund  schreiben :  „Unser  erstes  Begegnen  war  der 
Anfang  eines  ernsten  heißen  Kampfes;  aber  eines  Kampfes, 
welcher  das  Eigentümliche  hat,  daß  in  demselben  der  ab- 
gesagteste Gegner  zugleich  als  der  treueste   Genosse  und 
Mitstreiter  seines  Widersachers  gilt  und  der  Besiegte  selbst 
jedesmal  die  Freude  des  Sieges  teilt,  weil  er  immer  gerade 
so  viel  für  sich  gewinnt,  als  der  Sieger  über  ihn  gewonnen 
zu  haben  scheint.     Du  weißt,  mein  edler  Freund,  welchen 
Kampf  ich  meine.  .  .  Darum  achteten  wir  uns,  während  vni, 
in  Kampflust  brennend,  als  galt  es  Sieg  oder  Tod,  mit  Jüng- 
lingshoffnungen aneinander  uns  versuchten;  und  schieden 
endlich  Freundschaft  im  Herzen,  aus  dem  unentschiedenen 
Streite,  jeder  seine  Straße  ziehend,  doch  beide  zu  dem  einen 
Ziel,  welches  heißt:  das  Wahre,  Rechte  und  Gute**.-* 

Die  Theorien  Feuerbachs  und  Grolmans  werden  als 
Theorie  des  psychologischen  Zwangs  oder  Generalpräven- 
tionstheorie und  als  Spezialpräventionstheorie  bezeichnet. 
Nach  der  ersten  haben  die  in  dem  Gesetz  angedrohten  Strafen 
den  Zweck,  alle  unter  der  Herrschaft  des  Strafgesetzes 
Stehenden  von  der  Begehung  von  Wider rechtlichkeiten  al>- 
zuschrecken,  das  heißt  in  ihnen  Gegenmotive  gegen  die 
zu   Widerrechtlichkeiten   hindrängenden  Motive   zu  setzen, 

26  Eino  für  das  häusliche  Leben  Grolmans  charakteristische  Stelle 
findet  sicli  in  einem  Briefe  seines  früheren  Schülers,  des  württem- 
bergischen  Justizministers  Mau  der,  an  ihn  vom  16.  Mai  1818:  „. 
Ihr  schätzbares  Schreiben  vom  25.  v.  M.  rief  sehr  lebhaft  das  Andenken 
an  die  Zeil  zurück,  welche  ich  in  Ihrem  Familienkreise,  in  Ihrem  Hör- 
saale und  auf  Ihrem  Studierzimmer  gleich  angenehm  zugebracht  .  • 
Dem  geneigten  Andenken  Ihrer  liebenswürdigen  Frau  Gemahlin  bitte  ioh 
mich  angelegentlich  zu  empfohlen.'*     (Großh.  Haus-  u.  Staatsarchiv.) 

2^  Ludwig  Feuerbach,  Anselm,  Ritter  von  Feuerbachs  Leben  und 
Wirken,   1.   Bd.,   Leipzig   1852,   S.  51. 

2^  Widmung  in  Feuerbachs  Betrachtungen  über  die  Öffentlichkeit 
und  Mündlichkeit  der  Gerechtigkeitsptlege.     Gieißen  1821. 


Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grolmaii  in  Gießen.  421 

während  nach  der  Spezialpräventionstheorie  die  Strafe  die 
Sicherung  der  Rechte  vor  künftigen  Verletzungen  des  Ver- 
brechers bezweckt,  indem  sie  nur  den  Bestraften  selbst 
von  weiteren  Widerrechtlichkeiten  abhalten  soll.  Gegen  die 
Spezialpräventionstheorie,  die,  an  sich  nicht  neu  und  nament- 
lich durch  Kleinschrod  und  Stübel  vertreten,  von  Grolman 
eifrig  verteidigt  und  klarer  und  ausführlicher  dargestellt 
w^orden  war,  hatte  sich  Feuerbach  schon  vor  dem  Er- 
scheinen der  „Grundsätze  der  Criminalrechtswissenschaft** 
in  seinem  „Antihobbes"  (Gießen,  1797,  Vorrede  vom  12.  Au- 
gust, S.  205)  erklärt.  Eingehender  bestritt  er  sie  jedoch  zuerst 
in  der  durch  jenes  Werk  Grolmans  veranlaßten  Abhandlung: 
„Ist  Sicherung  vor  dem  Verbrecher  Zweck  der  Strafe, 
und  ist  Straf  recht  Präventionsrecht?**  (Bibl.  f.  d.  peiril. 
R.  W.,  1.  Teil,  2.  Stück,  S.  2—43).  Diese  Abhandlung  und 
Feuerbachs  bereits  erwähnte  Kritik  der  „Grundsätze  der 
Criminalrechtswissenschaft"  bestimmten  G  ro  1  m  a  n ,  seine 
Theorie  näher  auszuführen  und  gegen  die  Angriffe  Feuer- 
bachs zu  verteidigen  in  der  1799  erschienenen  Schrift :  ,,Über 
die  Begründung  des  Strafrechts  und  der  Strafgesetz- 
gebung nebst  einer  Entwicklung  der  Lehre  vom 
Maßstabe  der  Strafen  und  der  juridischen  Impu- 
tation".  (Vorrede  vom  März  1799.) 

Zu  gleicher  Zeit  arbeitete  Feuerbach  seine  Einwen- 
dungen gegen  die  Grolmansche  Theorie  weiter  aus  in  der 
„Revision  der  Grundsätze  und  Grundbegriffe  des  po- 
sitiven peinlichen  Rechts"  (insbesondere  1.  Teil,  Anhang 
zum  1.  Kapitel),  die  zusammen  mit  Grolmans  „Begründung" 
auf  den  Büchermarkt  kam  (Vorrede  vom  4.  April  1799).  Da 
keine  dieser  letztgenannten  Schriften  die  andere  benutzen 
konnte,  so  begegnete  Feuerbach  den  neuen  Argumenten 
seines  Gegners  in  der  Schrift:  „Über -die  Strafe  als  Siche- 
rungsmittel vor  künftigen  Beleidigungen  des  Ver- 
brechers" (Chemnitz  1800)-».  Auf  diese  Schrift  antwortete 
wieder  Grolman  in  seiner  Abhandlung:  „Sollte  es  wirk- 


29  Vergl.  „Die  Revision  der  Fortschritte  des  Criminalrechts 
in  den  letzten  drei  Quinquennien**  in  der  ,, Revision  der  Literatur** 
für  die  Jahre  1785 — 1800  in  den  Ergränzungsblättern  zur  „Ailg.  Lit.-Zeitung** 
dieses  Zeitraums,  1.  Jahrg.,  1.  Bd.,  Sp.  388 f.  —  Landsberg,  Geschichte 
der  deutschen  Rechtswissenschaft,  3.  Aft.,  1.  Halbhand,  Noten  S.  318 
(Mönchen  und  Leipzig  1898),  schreibt  diese  Artikelserie,  die  sich  auf  die 
Nni.  33.  34  und  49—52  der  angeführten  „Revision**  erstreckt,  Grolman  zu. 
Wenn  es  auch  feststeht,  daß  Grolman  Mitarbeiter  der  ,.AUg.  Lit.-Zeitung** 
war  (vergl.  Jahrg.  1829,  Bd.  5,  Intelligenzblätter,  Sp.  308),  so  sprechen 
doch  sowohl  innere  wie  äuUere  Gründe  (z.  B.  die  durchgängige  Schreibung 
seines  Namens  mit  ,.nn**)  gegen  seine  Verfasserschaft  dieser  Artikelserie. 


422  Karl  Esselborn. 

lieh  kein  Zwangsrecht  zur  Prävention  geben?**  (Maga- 
zin, Bd.  1,  Heft  2,  S.  241—265.) 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  die  Wandlungen  darzulegen,  die 
Grolmans  Theorie  ^o  im  Verlaufe  seines  Streites  mit  Feuer- 
bach durchgemacht  hat.    Die  Gestalt,  in  der  sie  aus  diesem 
Kampfe  herv^orging,   ist   folgende,  ^i     Die  Idee   eines  recht- 
lichen Zustands  erfordert  nicht  bloß  das  Unterbleiben  jeder 
wirklichen   Rechtsverletzung,   sondern    auch    die  Ab- 
wesenheit   jeder    auf    eine     Rechtsverletzung     gerichteten 
Willensbestimmung.    Dies  ist  aber  nur  dann  möglich,  wenn 
der  Wille  der  Menschen,  der  ihre  Handlungen  leitet,  in  allen 
Momenten  genügende  Motive  gegen  das  Unrecht  findet.    Des- 
halb entspricht  jedes  derartige  Motiv,  auch  wenn  es  nur  rein 
äußerlich,  ohne  die  Gesinnung  des  Menschen  zu  berühren, 
wirkt,    der   Rechtsgesetzgebung.     Ein   solches    äußerliches 
Motiv  zur  Willensbestimmung   ist  der  Zwang;   aber  nicht 
der  Entschädigungszwang,  das  heißt  der  zivilrechtliche  An- 
spnich  auf  Herausgabe  (rei  vindicatio)  und  Schadensersatz, 
der  nur   das    geschehene   Unrecht  aufhebt,    sondern  der 
Straf  zwang  (Präventionszwang  i.  e.  S.),  welcher  die  Ge- 
fahr aufliebt,  die  in  der  Möglichkeit  einer  widerrechtlichen 
Willensbestimmung  liegt.    Wer  nun  ein  Verbrechen  begeht 
oder  es  zu   begehen   versucht,   beweist  dadurch  unzwei- 
deutig, daß  bei  ihm  die  Möglichkeit  einer  widerrechtlichen 
Willensbestimmung  vorhanden  ist,  das  heißt,  daß  bei  ihm 
genügende  Motive  gegen  solche  Willensbestimmungen  fehlen. 
Er  erscheint    daher,    solange   dieser   Zustand   unverändert 
bleibt,  als  stets   gefahrdrohend.     Gegen  ihn  ist  deshalb 
der     Präventionszwang     begründet,     dessen     rechtlicher 
Zweck  es  ist,   durch  Aufhebung  seines  Grundes  den  Zu- 
stand  der    Gefahrlosigkeit    herzustellen.     Diesem    Zwecke 
dienen  die  Präventionsübel,   das   heißt  die   Strafen;  diese 
können  nur  insoweit  gerechtfertigt  werden,  als  sie  in  jedem 
einzelnen  Fall  für  ihren  Zweck  notwendig  sind,  und  zerfallen 
in  bloß  abschreckende  und  absolute  Sicherheitsstrafen.   Die 
letzteren    heben    die     physische     MögHchkeit,     Rechtsver- 
letzungen zu  begehen,  auf  und  dürfen  nur  dann  gebraucht 

30  Von  der  reichen  Literatur  über  diese  Theorie  sei  hier  nur  hervor- 
gehoben der  Aufsatz  von  F.  V.  Ziegler:  „Über  die  Sicherungstheorieen" 
in  Bd.  14  (1862;  des  „Gerichtssaals**  (Literaturangaben  daselbst,  nament- 
lich S.  27):  Heinze,  „Strafrechtstheorioen  und  Strafrechtsprinzip**  im  l.Bd. 
des  Holtzendorffschen  „Handbuchs  des  deutschen  Strafrechts**  (1871),  insbes. 
S.  261  f.,  und  V.  Bar,  „Geschichte  des  deutschen  Strafrechts  und  der  Straf- 
rechtstheorien*-  (1882),   S.  246  ff. 

31  Gnindt?ätze  der  Criminalrechts-Wissenschaft,  4.  Aufl.,  Gießen  1825, 
§§  1-1^. 


Karl  Luilwi{?  Wilhelm  von  Grolman  in  Gießen.  4^3 

werden,  wenn  die  abschreckr»nden  Mittel  erfahrungsgemäß 
keine  Wirkung  auf  den  zu  Bestrafenden  ausüben. 

Beschränkt  sich  hiernach  die  beabsichtigte  Wirkung  der 
Strafe  auf  die  Person  des  Verbn»chers  (Spezialprävention), 
so  bewirkt  doch  die  in  dem  rechtlichen  Bewußtsein  eines 
jeden  Menschen,  sei  es  nun  an  und  für  sich  existierende 
oder  durch  das  Strafgesetzbuch  geweckte,  Vorstellung  der 
auf  die  illegale  Handlung  notwendig  folgenden  Bestrafung  eine 
(psychologische)  Abschreckung  aller  (Generalprävontion). 

Nicht  unerwähnt  mag  bleiben,  daß  einer  der  bedeutend- 
sten neueren  Kriminalisten,  der  im  Jahre  1902  gestorbene 
Hermann  Seuffert^^  ein  Anhänger  der  Spezialprävention 
war.  In  einer  1896  gehaltenen  Rektoratsrede  hat  er  es  klar 
ausgesprochen,  daß  „nur  die  Einwirkung  auf  den  Verbrecher 
selbst,  um  ihn  vor  weiterem  Unrechttun  abzuhalten'*,  das 
Ziel  der  staatlichen  Strafe  bilden  könne. 

Neben  Feuerbach  muß  auch  dessen  und  Grolmans  ge- 
meinsamer Freund,  der  Herborner  Professor  der  Rechte  und 
spätere  Oberappellationsgerichtsrat  zu  Hadamar,  Ludwig 
Harscher  von  Almendingen  genannt  werden,  wenn 
auch  die  freundschaftlichen  Beziehungen  Grolmans  zu  ihm, 
die  etwa  in  derselben  Zeit  begannen  wie  diejenigen  zu  Feuer- 
bach, bald  erkalten  sollten.  Als  Mitarbeiter  an  (Irolmiuis 
„Bibliothek  für  die  peinliche  Rechtswissenschaft*  haben  wir 
Almendingen  schon  kennen  gelernt.  Wie  nahe  seine  persön- 
lichen Beziehungen  zu  ihm  waren,  zeigt  sich  darin,  daß  er 
neben  Feuerbach  bei  einem  Sohne  Grolmans  die  Patenstelle 
versah. 

Ihrem  gemeinsamen  Freundschaftsbunde  haben  alle  drei 
in  ihren  Schriften  ein  Denkmal  gesetzt.  Voran  jiing  Feuer- 
bach, der  seinem  zuerst  im  Jahre  1800  in  Gic^ßen  erschiene- 
nen „Lehrbuch  des  gemein L*n  in  Deutschland  gültigen 
peinlichen  Rechts**  die  bedeutsame  Widmung  voran- 
schickte: „Seinem  von  Almendingen  und  Sv-^inem  (irolman. 
'A^a^j  eptc  quum  invicem  se  mutuis  exhortationibus  amici 
ad  amorem  veritatis  exacuunt.**  Ihm  folgte  Grolman,  indem 
er  seinen  beiden  Freunden  seine  ,, Theorie  des  gericht- 
lichen Verfahrens**  ,,zum  Denkmale  seiner  innigsten  Ver- 
ehrung und  jener  ewigen  Freundschaft  und  Liebe  widmete, 
welche  die  Herzen  aller  redlichen  Forscher  nach  Wahrheit, 


3"  Herrn.  Seuffert,  „Was  will,  was  wirkt,  was  soll  die  staatliche 
Strafe?*',  Bonn  1897,  S.  25.  —  Verpl.  auch  v.  Liszt,  „Hermann  Seuffert,  ein 
Nachruf**,  Zeitschr.  f.  d.  gesamte  Strafrechtswissenschaft,  23.  Bd.  (1903;, 
S.  322  ff. 


4!24  Karl  Esselborn. 

SO  verschieden  auch  die  Resultate  ihres  Forschens  sein 
mögen,  unzertrennlich  vereinigt**.  Auch  Almendingen 
stand  nicht  zurück,  indem  er  den  ersten  Band  seiner  kleinen 
juridischen  Schriften,  der  die  Darstellung  der  rechtlichen 
Imputation  enthielt  (Gießen  1802),  „seinen  Vorgängern, 
Führern,  Freunden,  Feuerbach  imd  Grolman,  zum  Denk 
mal  inniger  Verehrung  und  Liebe**  darbrachte. 

Von  den  im  Jahre  1799  erschienenen  Schriften  Grol 
maus  haben  wir  die  größte,  die  „Begründung  des  Straf 
rechts**,  bereits  kennen  gelernt.  Daneben  veröffentlichteer 
in  diesem  Jahre  noch  einige  kleinere  Abhandlungen,  die  zum 
Teil  in  zwei  von  ihm  in  Verbindung  mit  seinen  Kollegen  J.  E. 
C.  Schmidt  und  F.  W.  D.  Snell»»  begründeten  Zeitschriften 
enthalten  waren.  Die  erste  dieser,  das  „Journal  zur  Auf- 
klärung über  die  Rechte  und  Pflichten  des  Menschen 
und  Bürgers**,  dessen  „ersten  Bandes  erstes  Stück'*  zur 
Oslermesse  erschien,  hatte,  wie  in  der  „Vorerinnerung**  gesad 
wird,  den  Zweck,  „die  wichtigsten  Wahrheiten  der  Rechts 
lehre,  Sittenlehre,  moralischen  Religionslehre  und  Staats 
Wissenschaft,  die  noch  zu  sehr  ein  Eigentum  der  Schule 
seien,  unter  dem  großen  Publikum  zu  verbreiten  und  sie 
zum  Gemeingut  jedes  denkenden  Mannes  machen  zu  helfen". 
Von  den  in  dem  ersten  Stück  enthaltenen  Aufsätzen  rührt 
der  zweite :  „Über  die  Notwendigkeit,  die  Menschen  in  der 
Rechtslehre  und  Gesetzkunde  zu  unterrichten**  und  wohl 
auch  der  erste  über  die  „Würdigung  der  Gründe  für  und 
wider  das  Unternehmen,  über  Rechte  und  Pflichten  der 
Menschen  zu  schreiben**   von  Grolman  her. 

Dem  ,, Journal**  war  jedoch  nur  eine  kurze  Zeit  des  Be- 
stehens beschieden;  dem  im  folgenden  Jahre  erschienenen 

3^  Mit  Schmidt,   Siieii   und  Ludwig   Dieffenbach,   dem  V'erfasser  des 
Aufsatzes  „Einiges  über  die  Erziehung  zur  Geistesgröße",  des  letzten  d^s 
Journals,  kam  Grolman,  wie  Friedrich  Gottheb  Welcker  in  seiner  Selbst- 
biographie berictitet,  abends  im  Buschischen  Garten  zusammen.     In  diese 
Gesellschaft  wurde  u.  a.  auch  F.  G.  Welcker  zugezogen.     Welcker  gedenkt 
zwar  seines*   ersten  Bekanntwerdens  mit  den  „Dioskuren  an  dem  kleinen 
Slernhimme!    der    Universität**,    dem   Theologen   Job.   Ernst   Chr.   Schmidt 
und  Grolman,   von  denen  er  dem  ersteren  den  Vorrang  an  »»wissenschaft- 
licher Genialität**  einräumt,  doch  scheint  er  in  keine  näheren  Beziehungen 
zu  Grolmjm   getreten  zu  sein.     Berichtet  er  doch,  daß  ihn  Grolman  und 
Arens,  als  er  im  Herbst  1816  nach  seiner  Berufung  nach  Göttingen  einen 
beweglichen  Abschied  im  Pädagogium  genommen  hatte,  bei  dem  Examen 
zu  „verunglimpfen**  suchten.    Vgl.  Kekul6,  Das  Leben  Friedrich  Gottlieb 
Welcker?.,  Leipzig  1880,  S.  29f,  147.     Der  daselbst  S.  59  mitgeteilte  Brief 
vom  15.  August  1806  ist  vermutlich  an  Grolmans  jüngsten  Bruder  Friedrich, 
einen  Altersgenossen  und  —  wie  ein  Blatt  in  Friedrich  Grolmans  Stamm- 
buch (im   Besitze  seiner  Enkelin,   Fräulein  Lolo  von  Grolman  zu  Darm- 
stadl)    beweist    —   Freund   und   Bundesbruder   Welckers,    gerichtet. 


Karl  Ludwi)^  Wilhelm  von  Grolman  in  Gie&en.  4^ 

weiten  Stück,  in  dem  sich  kein  Aufsatz  als  von  Grolman 
errührend  nachweisen  läßt,  folgte  keine  Fortsetzung  mehr, 
loch  weniger  lebensfähig  erwies  sich  die  zweite  Zeitschrift, 
ie  „Allgemeine  Bibliothek  der  neuesten  philoso- 
'hischen  Literatur**,  die  ihr  Erscheinen  mit  dem  ersten 
itück  des  ersten  Jahrgangs  einstellte.  An  Beiträgen  von 
rrolman  enthält  dieses  erste  und  einzige  Stück  eine  aus- 
iihrliche  Besprechung  von  Joh.  Gottl.  Buhles  , »Lehrbuch 
es  Naturrechts**  sowie  von  Feuerbachs  ,,Antihobbes**,  den 
r  bereits  im  dritten  Stück  des  ersten  Teils  der  „Bibliothek  für 
ie  peinliche  Rechtswissenschaft**,  jedoch  nur  insoweit  be- 
prochen  hatte,  als  in  ihm  die  letzten  Gründe  des  Straf- 
echts  behandelt  waren. 

Der  Aufsatz:  „Ein  Wort  über  Untersuchungen  bey 
ngeschuldigtem  Verbrechen  der  beleidigten  Maje- 
tät.  Bey  Gelegenheit  der  Rechtssache  des  Herrn  von  Bra- 
eck  zu  Söder**,  den  das  15.  Heft  des  Häberlinschen  „Staats- 
irchivs**  (Bd.  4,  S.  387—395)  brachte,  schließt  die  Reihe 
einer  Veröffentlichungen  des  Jahres  1799.  (Vgl.  auch 
'euerbachs  Leben,  a.  a.  0.,  S.  53.) 

Da  sich  Grolman  bei  seinen  Vorlesungen  keiner  Hefte 
lediente,  um  abzulesen,  sondern  völlig  frei  sprach,  so  war  es 
hm  ein  Bedürfnis,  einen  gedruckten  Grundriß  in  den  Händen 
einer  Hörer  zu  wissen.  Aus  diesem  EJeweggrund  halte  er  die 
.Grundsätze  der  Criminalrechts Wissenschaft**  ver- 
aßt,  die  „vorzüglich  zum  Gebrauche  bei  seinen  Vorlesungen 
►estimmt**  waren.  Demselben  Motive  verdankt  auch  seine 
.Theorie  des  gerichtlichen  Verfahrens  in  bürger- 
ichen  Rechtsstreitigkeiten  nach  den  gemeinen  deut- 
chen Gesetzen**,  die  im  Frühjahr  1800  (Vorrede  vom 
.  April)  gleichzeitig  mit  dem  spater  sehr  beliebt  gewordenen 
Lehrbuch  des  deutschen  gemeinen  bürgerlichen  Prozesses** 
on  Christoph  Martin  erschienen. 

Grolmans  „Theorie  des  gerichtlichen  Verfahrens**  stellt 
inen  bedeutenden  Fortschritt  gegenüber  den  älteren  An- 
eitungen  zum  Prozesse  dar.  Auch  vor  dem  erwähnten  Mar- 
inschen  Lehrbuch,  das,  ohne  Ansprüche  auf  Neuheit  und 
Eigentümlichkeit  zu  erheben,  seine  Sätze  kurz  und  einfach 
ortrug,  hat  sie  den  Vorzug  der  anregenden  Darstellung, 
'on  den  älteren  Lehrbüchern  des  Prozesses  unterscheidet 
ie  sich  in  der  Form  namentlich  dadurch,  daß  die  allge- 
leinen  Betrachtungen  den  besonderen  vorausgehen,  ver- 
chiedene  fremdartige  Teile,  wie  alles  auf  den  peinlichen 
lerichtsstand  und  den  peinlichen  Prozeß  Bezügliche  weg- 
issen,  dagegen  die  sogenannte  Praxis  des  Prozesses,  das 


4:26  Karl  Esselborn. 

heißt  namentlich  eine  Anleitung  zur  Anfertigung  prozessualer 
Arbeiten  sowie  eine  Darstellung  der  Richtungen  der  Tätig- 
keit des  Richters  bei  einem  Rechtsstreite,  aufgenommen 
worden  ist. 

Das  Werk  wurde  von  der  Kritik  sehr  günstig  aufgenom- 
men. „Es  ist  die  erste  in  einer  wissenschaftlichen  Manier,  so 
wie  sie  unseren  Zeiten  angemessen  ist,  geschriebene  An- 
leitung zum  deutschen  Prozeß**,  heißt  es  in  einer  Be- 
sprechung, s*  Welchen  Anklang  das  Werk  fand,  geht  aber 
am  deutlichsten  daraus  hervor,  daß  es  bereits  im  Jahre  1803 
eine  „zweite,  zum  großen  Teile  umgearbeitete  Auflage**  (Vor- 
rede, Mai  1803),  im  Jahre  1810  eine  dritte  und,  nachdem 
Grolman  bereits  seine  akademische  Lehrtätigkeit  aufgegeben 
hatte,  in  den  Jahren  1819  und  1826  noch  zwei  weitere  Auf- 
lagen erlebte. 

Kurz  vor  seinem  25.  Geburtstag  erfolgte  durch  Dekret 
vom  7.  Juli  1800  seine  Ernennung  zum  ordentlichen  Pro- 
fessor und  ordentlichen  Mitglied  der  Juristenfakultät  unter 
Gewährung  einer  Besoldungszulage  von  200  Gulden.  Noch 
in  demselben  Jahre,  am  22.  Dezember,  wurden  ihni  die 
vollen  Rechte  eines  ordentlichen  Professors  der  Rechte  nebst 
dem  Anteil  an  den  Promotionssporteln  übertragen. 

Eine  weitere  Verbesserung  seiner  Stellung  erhielt  Grol- 
man dadurch,  daß  er  am  24.  Juni  1801  zum  Bibliothekar 
der  von  seinem  am  18.  Oktober  1800  gestorbenen  Oheim 
und  Paten  Renatus  Karl  Freiherm  v.  Senckenberg  der  Uni- 
versität vermachten  Bibliothek  ernannt  wurde,  wodurch  er 
eine  jährliche  Gehaltszulage  von  200  Gulden  und  freie  Woh- 
nung im  Senckenbergschen  Hause  erhielt.  Ob  Senckenberg, 
als  er  am  22.  August  1800  in  seinem  Testamente  bestimmte, 
daß  „jedesmal  der  jüngste  Professor  der  Rechte  oder  der 
Geschichte,  welcher  die  beste  Handschrift  habe,  .  .  .  zum 
Bibliothekar  genommen  werden  solle**,  an  seinen  Neffen  ge- 
dacht hat,  der  damals  der  jüngste  Professor  der  Rechte 
war,  und  dessen  zierliche,  kleine  und  deutliche  Handschrift 
den  Vergleich  mit  keiner  anderen,  die  nicht  gerade  eine 
Kopistenhandschrift  war,  zu  scheuen  brauchte?  —  Es  ist 
möglich,  daß  Senckenberg  bei  der  Errichtung  seines  Testa- 
meJits  seinen  baldigen  Tod  geahnt  und  in  Grolman  den 
Bibliothekar  seiner  Bibliothek   erblickt   hat,   zumal  es  bei 

^^  „Neuf  allgemeine  deutsche  Bibliothek",  60.  Bd.,  Berlin  u.  Stettin 
1801,  S.  44.  Vergl.  auch  „Allgemeine  Literatur-Zeitung"  1800.  Bd.  4» 
X<j.  28S,  Sp.  65 — 70;  „Göttingische  Anzeigen  von  gelehrten  Sachen",  1^00, 
3.  Bd.,  S.  1401  IT.,  und  „Literatur-Zeitung",  Erlangen  1800,  Bd.  2,Sp.l40U 


Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grolman  in  Gießen.  427 

[1er  Bestätigung  des  Genannten  als  Bibliothekar  ausge- 
sprochen wurde,  daß  es  Wille  des  Stifters  sei,  „daß  der 
jüngste  Professor  der  Rechte  das  Bibliothekaramt  bis  zu 
seinem  Lebensende  behalten  solle".  Dieses  Nebenamt  hat 
[irolman  bis  zu  seiner  endgültigen  Berufung  nach  Darm- 
stadt bekleidet,  wenn  er  auch  später  die  ihm  obliegende 
.\rbeit  der  Anfertigung  eines  Katalogs  mit  Einwilligung  der 
Universität  einem  ünferbibliothekar  übertrug,  den  er  jähr- 
ich  mit  200  Gulden,  dem  Betrage  seines  Gehalts  als  Biblio- 
hekar,  besoldete.  ^^  Bis  zu  seinem  Weggang  von  Gießen 
^at  Grolman  auch  in  dem  Senckenbergischen  Hause  ge- 
lohnt; sein  Nachfolger  als  Bibliothekar  ward  am  4.  Ok- 
ober  1819  MarezolL^e 

Bei  der  Bedeutung,  die  Grolman  durch  seine  erfolg- 
reiche literarische  Tätigkeit  erlangt  hatte,  ist  es  nicht  zu 
verwundern,  daß  auswärtige  Universitäten  sich  bemühten, 
ihn  für  sich  zu  gewinnen.  Der  erste  bekannte  Ruf,  der  von 
?iner  andern  Universität  an  ihn  erging,  ist  der  durch  Nico- 
aus Thaddäus  Gönner  (1764—1827)3"  vermittelte  Ruf  als 
)rdentlicher  Professor  nach  Landshut  mit  einem  „fixen 
5alario**  von  beinahe  1000  Reichstalern.  Der  Annahme  dieser 
Berufung,  die  seine  pekuniäre  Lage  wesentlich  verbessert 
lätte,  indem  der  Gehalt,  den  er  in  Gießen  selbst  bei  künf- 
igeni  Aufrücken  jemals  erhalten  konnte,  noch  nicht  die 
tälfte  des  einstweilen  von  Landshut  aus  gebotenen  betrug, 
Land  sein  Wunsch  entgegen,  „dem  Fürsten  seine  Dienste 
a  widmen,  welchem  doch  selbst  im  Auslande  sein  Herz 
tets  angehören  würde",  einem  Fürsten,  ,, dessen  erhabene 
enkungsart  sich  durch  die  mildeste  und  gnädigste  Re- 
ierung  charakterisierte,  und  dessen  persönliche  erleuchtete 
rundsätze  dem  Freunde  der  Wissenschaften  eine  Lehr- 
nd  Schreibefreiheit  verbürgten,  welche  er  in  dem  Grade 
ergeblich  in  einem  andern  Staate  suchen  würde".  Er  lehnte 
eshalb  am  23.  Dezember  1801,  nachdem  ihm  für  den  Fall 
er  Ablehnung  des  Rufes  nach  Landshut  von  dem  Land- 
rafen,  an  den  sich  Grolman  auf  den  Rat  seines  „hohen 
Gönners",  des  Staatsministers   Freiherrn   von   Barkhaus, 

3'»  Bericht  an  Großh.  Staatsministerium  vom  16.  Juli  1810  über  die 
3äter  zu  erwähnenden  Gießener  Konferenzen,  in  den  Akten  Großh.  Mini- 
«riums  der  Justiz. 

3*»  Heuser,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Universitätsbibliothek  Gießen 
s    Beiheft  6  zum  Centralblatt  für  Bibliothekwesen,  Leipzig  1891,  S.  48. 

*'  Mit  Gönner  stand  er  in  dauernden  freundschaftlichen  Beziehungen. 
>ies  beweist  ein  im  Besitze  der  Frau  Auguste  v.  Znaniecka  befindlicher  Brief 
lönners  vom  6.  Oktober  1819,  in  dem  Gönner  Grolman  zur  Teilnahme  an 
inem  zu  gründenden  „Archiv  für  die  Gesetzgebung"  auffordert 


428  Karl  Esselborn. 

am  17.  Dezember  unmittelbar  gewandt  hatte,  eine  Gehalts- 
zulage von  350  Gulden  zugesichert  worden  war,  die  er  auch 
bei  künftiger  „Ascendenz**  behalten  sollte,  die  Berufung  nach 
Landshut  aus.  Dasselbe  tat  er  am  gleichen  Tage  in  An- 
sehung eines  kurz  zuvor  an  ihn  ergangenen  Rufes  nach 
Erlangen,  den,  weil  er  nach  seinem  eigenen  Geständnis  dort 
„die  schönsten  Tage  seines  Lebens  verlebt  hatte,  nicht  so 
gleichgültig  betrachten  konnte".  ^^ 

Die  Erfolge,  die  Grolman  bisher  auf  theoretischem  Ge- 
biet erzielt  hatte,  wiesen  die  Regierung  darauf  hin,  seine 
Fähigkeiten  auch  unmittelbar  für  die  Praxis,  und  zwar  zu- 
nächst auf  dem  Gebiete  der  Gesetzgebung,  nutzbar  zu 
machen.  War  man  sich  doch  wohl  bewußt,  daß  die  durch 
den  Reichsdeputationshauptschluß  vom  25.  Februar  1803 
herbeigeführten  Gebietsveränderungen  neben  der  Neuorgani- 
sation der  gesamten  Staatsverwaltung  bedeutende  gesetz- 
geberische Aufgaben  stellte,  und  auf  keinem  Gebiete  not- 
wendigere, als  auf  dem  der  Strafgesetzgebung.  Waren  doch 
neben  die,  in  den  alten  Landen  geltenden  mangelhaften  und 
veralteten  Strafgesetze,  die  bei  jeder  wichtigeren  Entschei- 
dung die  Einholung  der  Sanktion  des  Gesetzgebers  erforder- 
lich machten,  in  den  neuen  Gebietsteilen  besondere  Gesetze 
getreten.  Demgemäß  erging  am  20.  Juli  1803  an  Grolman 
und  den  Regierungsrat  Schwabe  in  Gießen  die  Auf- 
forderung, innerhalb  vier  Wochen  ein  Gutachten  darüber  zu 
erstatten,  welches  die  zweckmäßigsten  Modifikationen  seien, 
unter  welchen  die  in  dem  badischen  achten  Organisations- 
edikte vom  4.  April  180339  enthaltenen  Normen  über  die 
Strafgerechtigkeitspflege  als  Gesetz  in  den  hessen-dann- 
städtischen  Landen  bei  Belassung  der  peinlichen  Gerichte 
in  ihrem  bisherigen  Bestand *<^  eingeführt  werden  könnten. 

Trotzdem  Grolman  und  Schwabe  ihrer  Berufsgeschäfte 
teilweise  enthoben  waren,  genügte  die  kurze  Frist  zur  Voll- 
endung der  ihnen  aufgetragenen  Arbeit  nicht.  Sie  baten 
deshalb  am  16.  August  1803  um  Fristverlängerung,  weil  sie 
sich,  wie  sie  in  ihrem  Gesuche  ausführten,  „sehr  bald  über- 
zeugten, daß  die  prozessualischen  Verfügungen,  welche  das 


3^  Vergl.  die  im  Großh.  Haus-  u.  Staatsarchiv  befindlichen  Briefe 
Giolmans  an  den  Geh.  Sekretär  Schleiermacher  vom  17.  u.  23.  Dezember 
1801,  sowie  die  Eingabe  an  den  Landgrafen  vom  17.  Dezember  1801. 
*''  Organisation  der  Badenschen  Lande.  Neue  Aufl.,  Mannheim  1^03 
*"  Das  geplante  Strafgesetz  sollte,  wie  das  badische  Vorbild,  nur 
ein  provisorisches  sein,  weil  die  Einführung  eines  endgültigen  zu  viel 
Zeit  zu  erfordern  schien. 


Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grolmau  in  Gießen.  4S9 

badische  Edikt  enthalte,  überaus  unvollständig  seien,  über- 
dies zum  großen  Teil  auf  falschen  Ansichten  beruhten  und 
zu  einer  Nachahmung  in  den  diesseitigen  fürstlichen  Landen 
nicht  zu  empfehlen  seien.  Sie  hätten  sogleich  die  Notwendig- 
keit eingesehen,  sich  über  die  Brauchbarkeit  oder  Nicht- 
brauchbarkeit  der  in  der  peinlichen  Gerichtsordnung  von 
1726  enthaltenen  Normen  über  das  Verfahren  erklären  zu 
müssen,  und  hierbei  entwickelten  sich  ihnen  viele  notwendige 
Gegenstände  für  ihre  Berücksichtigung,  so  daß  sie  sich  ab- 
solut genötigt  sähen,  sich  über  das  ganze  gerichtliche  Ver- 
fahren ausführlich  zu  verbreiten**. 

Am  20.  Oktober  reichten  sie  den  Gesetzesentwurf  mit 
dem  Gutachten  in  zwei   stattlichen  Bänden  ein.    Da  ihrer 
in  dem  Cberreichungsschreiben  entwickelten  Ansicht  zufolge 
das   badische  Edikt,   dessen  prozessualische  Verordnungen 
nicht  viel  besser  als  gar  keine  seien,  anstatt  die  Gerichte 
nach   Aufhebung   des   akkusatorischen   Prozesses   zu   einer 
Quelle  hinzuweisen,  die  nur  für  die  abgeschaffte  Prozeßart 
Bestimmungen    enthalte,    weit    besser    daran    getan   hätte, 
wenn  es  die  Strafen  der  Karolina  beibehalten  und  den  Straf- 
prozeß  möglichst   bestimmt   geregelt  hätte,   so   enthält   der 
Entwurf,  auf  dessen  Inhalt  an  dieser  Stelle  nicht  näher  ein- 
gegangen werden   kann,    in   seiner  ersten   Hälfte   strafpro- 
zessuale Bestimmungen.    Neben  der  Aufhebung  aller  landes- 
gesetzlichen Kriminalgesetze  schlägt  der  Entwurf  die  An- 
erkennung einer  subsidiären  Geltung  der  peinlichen  Gerichts- 
ordnung Kaiser  Karls  V.  insoweit  vor,  „als  sie  mit  den,  auf 
müdere  Grundsätze  gebauten   Bestimmungen   dieses   neuen 
provisorischen  Gesetzes  im  Einklang  stehe**. 

Die  Erhebung  des  Entwurfs  zum  Gesetze  wurde  nie 
c^rnstlich  erwogen.  Zwar  wurden  Gutachten  der  in  dem 
Organisationsedikte  vom  12.  Oktober  1803  zur  Ausarbeitung 
oines  neuen  Zivil-  und  Kriminalgesetzbuchs  niedergesetzten 
CJesetzgebungskommission  eingefordert,  der  Grolman  seit 
fäem  13.  Oktober  1803  als  Mitghed  und  Redakteur  ange- 
liörte,  bis  er  am  27.  September  1808  auf  sein  Nachsuchen 
dieses  Amtes  enthoben  wurde.  *i  Dann  blieb  aber  der  Ent- 
jvurt  bei  den  Akten  liegen*^  und  auch  sein  Inhalt  wurde 

*i  Mini sterialref erat  vom  21.  September  1808  im  Großh.  Haus-  und 
Staatsarchiv  Über  die  Gesetzgebungskommission  bemerkt  dieses  Referat 
^anz  allgemein,  daß  „die  Erfahrung  gelehrt  habe,  daß  bei  ihr  überhaupt 
nicht  der  bei  ihrer  Errichtung  beabsichtigte  Zweck  erreicht  werde,  viel- 
mehr öfter«  nur  die  Sache  verweitläuftiget  werde,  und  hiemächst  wohl 
doch  eine  anderweite  Einrichtung  nötig  sein  dürfte**. 

**  Akten  des  Ministeriums  der  Justiz,  X.  Abt.  Justizangelegenheiten, 
7.  Abschn.  Materielle  Justiz  in  Strafsachen:  Entwurf  einer  löriminalgesetz- 
gebung. 


430  Karl  Esselborn. 

nicht  bekannt,  weil  Grolman  „weder  der  von  der  Baye 
Tischen  Regierung  bestimmte  Preis  auf  die  besten  Be- 
merkungen über  die  Kriminalgesetzgebung,  noch  Privatauf 
forderungen,  die  ihm  von  Mitgliedern  der  bayerischen  Ge 
setzgebungskommission  zugingen,  noch  endlich  vorteilhafte 
buchhändlerische  Anerbietungen  bestimmen  konnten,  irgend 
etwas  von  dem  zu  divulgieren,  was  er  dem  Besten  seines 
Vaterlandes  glaubte  einzig  gewidmet  zu  haben.***' 

Die  literarische  Tätigkeit  Grolmans,  die  er  selbst 
als  seine  ,, Lieblingsbeschäftigung**  bezeichnete**,  hatte  sich 
mit  seiner  Ernennung  zum  ordentlichen  Professor,  die  ihin 
weitergehende  Amtspflichten  auferlegte,  vermindert  und  zeit- 
weise ganz  geruht.  Im  Jahre  1803  beschränkte  sie  sich  auf 
die  Neuherausgabe  seiner  „Theorie  des  gerichtlichen  Ver- 
fahrens** und  einen  Aufsatz:  „Über  die,  in  dem  Verfahren 
bei  Reichsständischen  Gerichten  so  häufig  ver- 
kannte Nothwendigkeit  einer  Citation  bey  unclau- 
sulirten  Mandaten**,  der  im  zweiten  Hefte  des  von  Martin 
und  Walch  herausgegebenen  „Magazins  für  den  gemeinen 
Teutschen  bürgerlichen  Prozeß**  erschien. 

Das  nächste  Jahr  brachte  ihm  abermals  eine  ehren- 
volle Berufung.  In  einem  Briefe  vom  15.  Januar  1804  frug 
der  Marburger  Professor  Johann  Karl  Ludwig  Hauff  bei  ihm 
an,  ob  er  geneigt  sei,  eine  mit  einem  Gehalt  von  2000  Rubel 
und  der  Verleihung  des  erblichen  Adels  verbundene  Stellung 
als  Lehrer  des  Kriminalrechts  an  der  Universität  Mos- 
kau anzunehmen.  Auch  dieses  Mal  blieb  Grolman  der 
Ludoviciana  treu;  die  Verleihung  des  Charakters  eines 
wirklichen  Oberappellationsgerichtsrats  mit  der  Aussicht,  bei 
einer  schicklichen  Vakanz  in  das  Oberappellationsgericht  zu 
Darmstadt  einzutreten,  sowie  die  Gewährung  einer  Gehalts- 
zulage von  300  Gulden  bestimmten  ihn  zur  Ablehnung  des 
Rufes  nach  Moskau.  Am  25.  März  1804  bedankte  er  sich 
bei  dem  Landgrafen  für  die  ihm  gewordene  Beförderung. 
Die  Aussicht  einer  Benifung  nach  Darmstadt  erschien  ihm 
verlockend.  „Einst  unmittelbar  unter  Eurer  Landgräflichen 
Durchlaucht  Augen  dem  Staate  dienen  zu  dürfen**,  so  schrieb 
er,  „ist  mein  größtes  Glück.*'  —  Dieses  Glück  sollte  ihm 
später  in  größerem  Maße  zuteil  werden,  als  er  damals 
ahnen  konnte. 

*'^  Bericht  an  das  Ministerium  vom  19.  Dezember  1808  in  den  .\kten 

des  Großh.  Ministeriums  der  Justiz,  betr.  Einführung  des  Code  Napoleon. 

**  Vorrede  zur  2.  Aufl.  der  „Theorie  des  gerichtlichen  Verfahrens". 


Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grolman  in  Gießen.  431 

Die  ihm  als  Oberappellatioiisgerichtsrat  obliegende 
itigkeit,  die  in  der  einstweiligen  Ausarbeitung  geschlosse- 
r,  bei  dem  Oberappellationsgericht  hangender  Rechts- 
chen  bestand,  sagte  ihm  namentlich  aus  folgenden  Gründen 
3nig  zu.  Zunächst  förderte  ihn  diese  Arbeit  nicht,  weil 
seine  Ausarbeitungen  einschicken  und  ihrem  Schicksal 
►erlassen  mußte,  ohne  daß  ihm,  wie  dies  beim  Abstimmen 
einem  Richterkollegium  der  Fall  gewesen  wäre,  die  Wider- 
jung seiner  Gründe  wenigstens  Belehrung  gewährt  hätte, 
mn  konnte  er  sich  nicht  verbinden,  „die  Arbeit  in  circa 
?r  Wochen  zu  absolvieren,  da  der  akademische  Gelehrte, 
jnn  er  seine  Pflichten  als  solcher  erfüllen  wollte,  öfters 
jhr  als  vier  Wochen  zu  einer  Recherche  verwenden  und 
jrbei  notwendig  nach  ungebundener  Laune  arbeilen 
ißte**.  Dazu  kam,  daß  seine  Zeit  durch  die  inzwischen 
twendig  gewordene  neue  Auflage  seiner  „Grundsätze  der 
iminalrechtswissenschaft**,  deren  er  für  seine  im  Winter- 
nester  1805/6  zu  haltende  Vorlesung  über  das  Strafrecht 
lurfte,  damals  sehr  in  Anspruch  genommen  war.  Grol- 
in  suchte  deshalb  unter  Anführung  dieser  Gründe  um 
thebung  von  dieser  Tätigkeit  nach,  die  ihm  am  17.  März 
06  gewährt  wurde. ^"^ 

Sein  Ruf  nach  Moskau  war  nicht  der  letzte,  den  Grol- 
tn  erhielt.  Sind  auch  die  näheren  Umstände  und  die  Daten 
ner  späteren  Berufungen  unbekannt,  so  wissen  wir  doch 
3  seiner  Biographie  in  den  „Zeitgenossen"  (a.  a.  0.,  S.  45), 
ß  er  einen  Ruf  nach  Göttingen;  aus  dem  bereits  er- 
ihnten  Brief  an  Lichtenberg  vom  3.  Januar  1812,  daß  er 
lon  mehrmals  „V^okationen  in  Preußische  Dienste"  und 
och  zuletzt  einen  glänzenden  Ruf  auf  die  erste  Universität 
lutschlands"  erhalten  hat  und  endlich  aus  dem  ebenfalls 
reits  erwähnten  Briefe  Mauclers  vom  16.  Mai  1818,  daß 
1  „der  König  von  Württemberg  für  seinen  Dienst  und  ins- 
sondere  für  die  Revision  und  Bildung  der  Zivil-  und 
iminalgesetzgebung  zu  gewinnen"  gewünscht  hat.  Alle 
?se  Berufungen  teilten  aber  das  gleiche  Los,  Grolman 
mtc  sie  sämtlich  ab. 

Die  zweite,  wesentlich  umgearbeitete  Auflage 
iner  „Gnmdsätze  der  Criminalrechts Wissenschaft"*^  er- 
hien  zur  Herbstmesse  des  Jahres  1805.  In  dieser  Auflage 
rteidigte  er,  wie  er  in  der  vom  23.  Juli  1805  datierten 


*^  Vergl.  das  im  Großh.  Haus-  u.  Staatsarchiv  befindliche  Mini- 
rialreferat. 

*♦*  So  lautet  von  dieser  Auflage  ab  der  im  Verhältnis  zu  dem  der 
ten  Auflage  gekürzte  Titel. 


43a  Karl  Esselborn. 

Vorrede  ausführte,  „sein  früheres  System  seinen  wesent- 
lichen Bestimmungen  nach**,  obwohl  ihn  ein  schmerzlich 
beunruhigendes  Gefühl  ergriffen  hatte,  „als  er  auch  die 
denkendsten  Köpfe  die  Präventionstheorie  verdammen  sah, 
als  von  Alm  endin  gen  seine  frühere  Verteidigung  dieser 
Theorie  öffentlich  bereute,  als  Stübel  selbst  öffentlich  die 
Theorie  verwarf,  auf  welche  er  ihn  geführt  hatte,  und  als 
er  endlich  gar  von  den  Revisoren  des  Kriminalrechts  in  der 
„Leipziger  Literaturzeitung**  seinen  Freund  Tittmann  da- 
rum öffentlich  bemitleidet  sehen  mußte,  weil  er  noch  einzig 
einer  Theorie  anhänge,  von  welcher  man  nicht  einmal  mehr 
zu  reden  brauche**. 

Einen  bedeutenden  Einfluß  auf  Grolmans  Leben  sollte 
das  Edikt  vom  1.  August  1808  ausüben,  das  die  Einführung 
des  Code  Napoleon  als  allgemeines  Gesetzbuch  im  Groß- 
herzogtum unter  Vorbehalt  der  Bestimmung  über  den  Zeit- 
punkt seines  Inkrafttretens  und  die  Art  seiner  Annahme 
durch  ein  späteres  Edikt  anordnete,  eine  besondere  Kom- 
mission zur  Prüfung  „der  Modifikationen  und  Bestimmungen, 
welche  Verfassung  und  besondere  Verhältnisse  erheischten", 
ins  Leben  rief,  die  Abhaltung  öffentlicher  Vorlesungen  über 
den  Code  Napoleon  auf  der  Landesuniversität  befahl  und 
sämtlichen  Justizdienem  vorschrieb,  sich  mit  dem  Geiste 
dieses  Gesetzbuchs  vorläufig  bekannt  zu  machen. 

Zu  Mitgliedern  dieser  Kommission  wurden  am  1.  Ok- 
tober 1808  Grolman  und  der  Professor  Heinrich  Karl  Jaup*' 
ernannt.  Das  Dekret  ihrer  Ernennung  wurde  von  Winkopp 
in  dessen  Zeitschrift:  „Der  Rheinische  Bund"  (Bd. 8,  S.457) 
veröffentlicht,  was  für  beide  die  Unannehmlichkeit  hatte, 
daß  sie  am  16.  Dezember  1808  zum  Bericht  darüber  auf- 
gefordert wurden,  „wie  das  lediglich  an  sie  gerichtete 
Reskript  auf  diesem  Wege  und  noch  dazu  in  einer  höchst 
entstellten  Unterschrift*»  zur  öffentlichen  Kunde  gebracht 
worden  wäre".  —  Beide  erklärten  in  einem  gemeinsamen 
Bericht  vom  19.  Dezember,  daß  die  Veröffentlichung  ohne  ihr 
Wissen  und  Zutun  erfolgt  sei.  Außerdem  schrieb  Grolman 
am  folgenden  Tage  an  den  Geh,  Staatsrefendär  Freiherm 
von  Lichtenberg,  daß  „ihm  lange  nichts  widerfahren  sei,  was 
ihn  so  tief  gekränkt  hatte,  als  dieses  Ereignis Er  könne 


*•  Er  war  der  Sohn  Helwig  Bernhard  Jaups  (f  1806),  den  wir  als 
Lohrcr  Grohnans  kennen  gelernt  haben. 

*«  Von  den  Nanien  der  beiden  unlerscliriebenen  Greh.  Referendi^en 
Frhr.  v.  Lichtenberg  und  Strecker  war  der  des  letzteren  eine  Zeile  tiefer 
gedruckt.     Vergl.   „Rheinbund",   Bd.   10,   S.   336. 


Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grolman  in  Gießen.  438 

auf  die  Ehre  des  redlichen  Mannes  versichern,  daß  er  nie 
einem  Sterblichen  das  höchste  Reskript  mitgeteilt  habe.  Nur 
über  dessen  Natur  habe  er  sich  mehrmals  mit  denkenden 
Männern,  insbesondere  mit  Herrn  Geh.  Rat  von  Münch  unter- 
halten und  er  glaube,  daß  dieses  eher  pflichtgemäß  als  tadel- 
haft genannt  werden  könne**.  —  Da  Winkopp  in  einem  Briefe 
vom  10.  Januar  1809  an  Lichtenberg  erklärte,  ein  Freund, 
der  weder  ein  Untertan  seiner  Königlichen  Hoheit  sei,  noch 
in  den  großherzoglichen  Staaten  wohne,  habe  ihm  die 
Abschrift  jenes  Reskripts  übersandt,  die  er  vermutlich  bei 
seiner  Reise  durch  Gießen  genommen  hätte,  so  begnügte 
sich  das  Ministerium  mit  dieser  Erklärung  und  der  Be- 
richtigung der  entstellten  Unterschrift. 

Die  nassauische  Regierung,  die  den  Code  Napoleon 
ebenfalls  „mit  Modifikationen,  wie  sie  deutsche  Sitte,  Lage 
und  Anordnungen  erheischten**,  einzuführen  gedachte, 
schlug,  um  eine  gleichfönnige  Einführung  des  französischen 
jiesetzbuchs  in  beiden  Staaten  zu  bewirken,  der  hessischen 
ilegierung  einen  Zusammentritt  der  beiderseitigen  Kom- 
nissionen  vor,  und  zwar  hatte  sie  als  ihren  Kommissar  den 
Jberappellationsgerichtsrat  Harscher  von  Almendingen 
lusersehen.  Die  hessische  Regierung  erklärte  am  19.  De- 
ember  1808  ihre  Zustimmung  und  schlug  zugleich  vor, 
f  ießen  zum  Orte  des  Zusanmientritts  deshalb  zu  bestimmen, 
veil  die  diesseitigen  Kommissarien,  die  Professoren  Grol- 
nan  und  Jaup,  deren  vorläufige  Ernennung  zu  Mitgliedern 
lieser  hessisch-nassauischen  Kommission  am  Tage  darauf 
frfolgte,  dadurch  nicht  in  ihren  Vorlesungen  gehindert  werden 
irürden. 

Am  14.  Juni  1809  forderte  die  hessische  Regierung  den 
"ürsten  Rrimas  auf,  an  den  gemeinschaftlichen  Beratungen 
lurch  zu  ernennende  Kommissarien  teilzunehmen.  Dieser 
erklärte  am  22.  Juni  seinen  Beitritt  und  ernaimte  zu  Kom- 
nissarien  den  Appellationsrat  Danz  zu  Frankfurt,  den  Pro- 
essor  Bachmann  in  Aschaffenburg  und  den  Professor 
5iickel  in  Wetzlar. 

Bereits  am  20.  Mai  1809  hatte  Harscher  von  Almen- 
lingen  dem  Freiherrn  von  Lichtenberg  einen  Aufsatz  über 
lie  „Gesichtspunkte  für  die  von  den  deutschen  Regenten 
Mir  die  Bearbeitung  des  Kodex  Napoleon  niedergesetzten 
Konunissionen**  überreicht.*^   Diese  Gesichtspunkte  wurden 


**  Diesen  Aufsatz  veröffentlichte  Harscher  von  Almendingen  zuerst 
im  Julihefl  1809  des  „Rheinischen  Bundes"  (Bd.  12,  S.  142—148).  femer 
ia  der  „Allg.  Bibliothek  für  Staatskunst,  Rechtswissenschaft  und  Critik**, 
Heft   10,   Gießen   u.  Wetzlar   1810,  S.   42—51,  sowie  in  seinen   „Offiziell- 

Beitr&ge  s.  Gesch.  d.  Universitäten  Mainz  u.  Gießen.  28 


434  Karl  Esselborn. 

von  dem  Ministerium  gebilligt  und  Grolman  und  Jaup, 
deren  bisheriges  Stillschweigen  Zweifel  erregte,  ob  sie  bei 
ihren  Vorarbeiten  auch  von  dem  richtigen  Gesichtspunkt 
ausgingen,  am  13.  Juni  zur  Richtschnur  mitgeteilt. 

Zum  Zeitpunkt  des  Zusammentritts  der  gemeinschaft- 
lichen Kommission  wurde  der  1.  September  festgesetzt.  Es 
fanden  sich  zu  dieser  Zeit  Danz,  Stickel  und  Almen- 
dingen in  Gießen  ein,  während  Bachmann  durch  Krank 
heit,  die  seinen  Tod  am  8.  Dezember  1809  herbeiführte,  ani 
Erscheinen  verhindert  war.  Am  4.  September  wurden  die 
Sitzungen  in  einem  von  der  Großh.  hessischen  Hofkammer 
zu  diesem  Zweck  eingeräumten  Zimmer  eröffnet.  Es  fanden 
im  ganzen  45  Sitzungen  statt.^^  Einen  großen  Teil  dieser 
Beratungen  füllten  die  Vorträge  Almendingens  aus,  die 
er  zum  größten  Teil  in  den  Jahren  1811 — 1813  in  zwei  Bänden 
veröffentlicht  hat. 

Die  hessischen  Konmiissarien  trugen  in  den  Sitzungen 
vom  7. — 9.  September  1809  ein  ausführliches  Gutachten. 
„Bemerkungen  über  die  Vorfragen,  welche  deutsche  Re 
gierungen  bei  einer  beabsichtigten  Einführung  des  Code  Na 
poleon  zu  entscheiden  haben",  vor,  dem  sie  in  den  Sitzungen 
vom  14.,  15.  und  18.  September  desselben  Jahres  zwei  Nach 
träge  und  am  27.  Oktober  eine  „schließliche  Erklärung  über 
die  bei  der  Einführung  des  Code  Napoleon  von  deutschen 
Regenten  zu  lösenden  Vorfragen  und  den  darüber  von  der 
Herzogt.  Nassauischen  Kommission  erstatteten  Vortrag' 
folgen  ließen.  ^^ 

Dagegen  hielten  die  primatischen  Bevollmächtigten  keine 
ausgearbeiteten  Vorträge,  sondern  beschränkten  sich  auf  die 
Abgabe    von    Erklärungen.      Appellationsrat    Danz    ^^rdr 

wissenschaftlichen   Vorträgen   über  den   Codex   Napoleon  und  seine  orga 
ganischen    Umgebungen,    gehalten   in   den   Conferenzen  zu   Gießen"  IBH 

1.  Bd.,   S.   1—8. 

SP  Am  4.,  5.,  7.-^9.,  11,  14.,  15.,  18.,  20.,  23.,  26.  und  30.  September. 
femer  am  17.,  18.,  23.,  27.  und  28.  Oktober,  1.,  18.,  20.  und  21.  November.      ; 
U.— 16.    Dezefrnber   1809,  sowie  am   15.,   16.,   18.  und  31.   Januar,  1..  '- 
7.-9.  Februar  und  am  8.,   10.,   12.— 14.,  24.,  26.  und  28.  März  1810. 
Über    die    Geschichte    dieser    Verhandlungen    vergl.    „AUg.    Bibliothek  für 
Staatekuiisi.  Rechtswissenschaft  und  Critik",  Heft  10,  S.  32—41,  u.  Heft  U 
S.  1—17.  Gießen  1811;  sowie  „Zeitgenossen",  3.  Reihe,  1.  Bd.,  Heftöu.^- 
S.  101—110,  und  Brei  den  bach,    Commentar  über  das  Großh.  Hessisch^ 
Straf?esetzburh.  1,1,  Darmsladt  1842,  S.  9 ff.,  sowie  die  Akten  des  Großh 
Ministeriums   des    Innern   und    der   Justiz,    X.    Abt.    Justizangelegenhciten. 

2.  Absch. :  Materielle  Justiz  in  Zivilsachen,  Gesetzbücher:  Einführung  <Ip"^ 
Code  Napoleon. 

^1  Außer  diesen  Vorträgen  der  hessischen  Kommission  sind  noch  die 
in   der   Sitzung   vom   26.    September  verlesenen   Bemerkungen  zu  Almen 
dingens  Vortrag  über  den  ersten  Titel  des  ersten  Buchs  des  Code  Napoleon. 
sur  la  jouissance  et  la  privations  des  droits  civils  zu  nennen. 


Kar)  Ludwig  Wilhelm  von  Grolman  in  Gie&en.  435 

Übrigens  bald  zurückberufen  und  verabschiedete  sich  in  der 
Sitzung  vom  15.  September  1809.  Auch  der  als  einziger 
primatischer  Kommissar  zurückgebliebene  Professor  Stickel 
schied  am  30.  September  des  gleichen  Jahres  aus  und  wurde 
durch  den  Direktor  und  Kurator  von  Mulzer  aus  Aschaffen- 
burg ersetzt. 

Die  Beratungen  umfaßten  das  französische  Zivilgesetz- 
buch in  allen  seinen  Teilen;  am  ausführlichsten  wurden  die 
Vorfragen  und  das  erste  Buch  erörtert.  In  bezug  auf  die  wich- 
tigsten Grundfragen  vertraten  die  hessischen  Kommissare 
folgende  Ansichten:  Die  französische  Gesetzgebung  sei  als 
Kodifikation  ohne  subsidiären  Fortbestand  des  römischen 
Rechtes  zu  rezipieren  und  zwar,  da  sie  noch  zu  neu  sei, 
als  daß  eine  wahrhaft  gute  und  fehlerlose  Übersetzung  jetzt 
schon  möglich  sei,  im  Original.  Deshalb  müßten  die  Modi- 
fikationen in  einem  besonderen  Promulgationsedikt  enthalten 
sein,  welches  die  obligatorische  Kraft  des  ganzen  Code  auf 
^ine  bestimmte  Zeit  suspendieren  solle,  nach  deren  Ablauf 
3r  mit  allen  seinen  „wesentlichen  Umgebungen**  in  die  Wirk- 
ichkeit  einzutreten  habe.  Zu  den  notwendigerweise  aufzu- 
lehmenden  französischen  Instituten  gehörten:  1.  wegen 
Gänzlicher  Trennung  von  streitiger  und  freiwilliger  Gerichts- 
barkeit, das  Notariat.  2.  das  Ministäre  public,  3.  die  Standes- 
imter  (officiers  de  Tetat  civil)  und  4.  die  Hypothekenbe- 
wahrer.  Die,  die  Freiheit  des  Eigentums  lähmenden  Rechts- 
institute, die  vom  Code  Napoleon  teils  ausdrücklich,  teils 
stillschweigend  abgeschafft  seien,  wie  namentlich  das  Re- 
traktrecht,  die  Bauerngüter,  Leibeigenschaft,  gutsherrliche 
Frondienste  und  Bannrechte,  Stammgüter  und  Lehensver- 
fassung seien  allmählich  abzuschaffen. 

Eine  der  wesentlichsten  Abweichungen  der  nassauischen 
Kommission  von  den  Ansichten  der  hessischen  bestand  da- 
rin, daß  jene  dem  Code  Napoleon  einen  viel  weitgehenderen 
Einfluß  auf  die  gesamte  Staatsverfassung  und  Behörden- 
organisation einräumte  als  diese,  und  daß  sie  eine  stufen- 
weise Rezeption  des  Code  Napoleon  empfahl,  derart,  daß 
dieser  zunächst  nur  insoweit  rezipiert  werden  sollte,  als 
■er  keine  anderen  als  die  einheimischen  Behörden,  die  soweit 
als  möglich  den  fremden  substituiert  werden  sollten,  voraus- 
setze; soweit  er  aber  die  Schaffung  neuer  Behörden,  die 
nach  und  nach  errichtet  werden  sollten,  erheische,  sollte 
er  bis  zur  Errichtung  der  betreffenden  Behörden  suspendiert 
bleiben. 

Auf  die  Einzelheiten  der  Verhandlungen  kann  hier  nicht 
^eingegangen  werden.    Am  28.  März  1810  gab  die  Kommission 


436  Karl  Esselborn. 

ihre  gemeinschaftliche  Überzeugung  in  einer  von  Mulzer  ver- 
faßten Erklärung^-  zu  Protokoll,  wobei  sich  die  hessische 
Kommission  ihre  schließlichen  Erklärungen  wegen  mangeln- 
der Instruktion  vorbehielt.  Darauf  wurden  die  gemeinschaft- 
lichen Kongreßsitzungen  bis  zum  Empfang  weiterer  Wei- 
sungen auf  unbestimmte  Zeit,  wie  sich  später  zeigen  sollte, 
ad  kalendas  graecas  vertagt. 

Am  5.  April  1810  erhielt  Grolman  von  Mulzer  die  Mit- 
teilung, (laß  der  Fürst  Primas  bei  den  Veränderungen, 
welche  dem  Primat  ialstaate,  dem  künftigen  Großherzogtuni 
Frankfurt  bevorstünden,  die  auf  den  1.  Mai  1810  festgesetzte 
Einfühnmg  des  Code  Napoleon  auf  den  1.  Januar  1811  ver- 
schoben habe  und  wünsche,  daß  die  so  nützliche  Aus- 
tauschung der  Ideen  auf  dem  Kongresse  zu  Gießen  noch  fort- 
dauern möge. 

Nachdem  Almendingen  von  diesem  Schreiben  in 
Kenntnis  gesetzt  worden  war,  verließ  auch  er  am  11.  April 
Gießen,  um  —  nach  einer  von  Grolman  in  zwei  Briefen  an 
den  Geh.  Staatsreferendär  Freiherrn  von  Lichtenberg  vom 
12.  und  16.  April  1810  geäußerten,  nicht  von  der  Hand  zu 
weisenden  Vermutung  —  in  Frankfurt  zu  versuchen,  ob  man 
nicht  mit  dem  Fürsten  Primas  schnell  über  ein  gemeinschaft- 
liches Arrangement  sich  einigen  könne.  Anfang  Mai  finden 
wir  Almendingen  in  Darmstadt,  wo  er  die  Instruktion,  mit 
(leren  Mangel  die  hessischen  Kommissarien  so  oft  ihre  ver- 
weigerten Erklärungen  entschuldigt  hatten,  unmittelbar  an 
der  Quelle  zu  erwirken  suchte  und  ein  vom  4.  Mai  datiertes 
Promemoria  überreichte.  Diese  Schritte  Almendingens 
hatten  insofern  Erfolg,  als  am  12.  Mai  eine  neue  Instruktion 
an  Grolman  und  Jaup  erging. 

Nach  dieser  waren  1.  alle  Veränderungen  in*  der  inneren 
Verwaltungsorganisation  auf  unbestimmte  Zeit  zu  suspen- 
dieren und  Gutachten  über  die  aufzunehmenden  neuen  fran- 
zösischen Rechtsinstitute  einzureichen;  2.  war  der  Code 
Napoleon  in  Übersetzung  durch  ein  Rezeptions-  urid  Modi- 
fikationsedikt aufzunehmen,  das  alle  Zusätze  und  Abände- 
rungen enthalten  und  die  bisherigen  Rechtsnormen  als  subsi- 
diäres Recht  anerkennen  sollte;  3.  war  der  Entwurf  einer 
Prozeßordnung  einzureichen  und  4.  wurde  der  Kommission 
zur  Beratung  von  Gegenständen,  welche  die  Finanzver- 
waltung berührten,  der  Geh.  Rat  und  Hof-Kammerdirektor 
V  o  n  M  ü  n  c  h  beigegeben.  Die  Bestimm img  eines  Einführungs- 
tennins   und   die   gleichzeitige   Abschaffung   der   dem  Code 

^-  Teilweise  abgedruckt  in  der  „Allg.  Bibliothek  für  Staatskunst', 
Heft   II,   S.   3—6. 


Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grolman  in  Gießen.  437 

apoleon  fremden  deutschen  Rechtsinstitute  lehnte  die  In- 
truktion  ab  und  ordnete  zum  Schlüsse  die  Fortsetzung  der 
erhandlungen  mit  dem  nassauischeii  Kommissar  entweder 
urch  konferenzielle  Beratungen  oder  schriftliche  Mit- 
jilungen,  sowie  die  gutachtliche  Prüfung  der  Almendingen- 
:hen  Vorträge  an. 

Grolman  und  Jaup  setzten  sich  jedoch  nicht  mit  Almen- 
ingen in  Verbindung.  Wie  sie  in  einem  Berichte  vom 
5.  Juli  1810  an  das  Staatsministerium  ausführten,  hatte 
ieser  sie  von  der  Beendigung  seiner  interimistischen 
endung,  derentwegen  er  im  April  Gießen  verlassen,  nicht 
i  Kenntnis  gesetzt.  Die  Prüfung  der  Almendingenschen 
orträge  glauben  sie,  wie  sie  in  dem  erwähnten  Bericht  er- 
ärten,  am  besten  durch  Ausarbeitung  eines  ausführlichen 
ezeptionsedikts  mit  Motiven  ausführen  zu  können;  „da 
ese  Vorträge  größtenteils  entweder  dem  Mangel  solider 
ristischer  Kenntnis  des  Code,  oder  einem  übertriebenen 
'uritus  reformandi  ihren  Ursprung  verdankten,  so  würde 
ne  direkte  Beantwortung  derselben  für  sie  eine  saure  und 
idankbare  Arbeit  sein,  welche  sie  noch  dazu  der  ünan- 
jhmlichkeit  aussetzen  würde,  durch  notwendige  Be- 
hningen  die  üble  Stimmung  eines  Mannes  zu  reizen,  der, 
>  viel  sie  ihn  kennten,  lieber  belehren  als  belehrt  werden 
olle*'.  An  den  Entwurf  des  Einführungsedikts  und  der 
rozeßordnung  könnten  sie  erst  dann  gehen,  wenn  fest- 
ehe,  „was  unbeschadet  der  gegenwärtigen  administrativen 
Erfassung  des  Großherzogtums  von  der  französischen 
echtsverfassung  angenommen  werden  solle'* ;  ihre  erste 
rbeit  müsse  deshalb  die  Ausarbeitung  eines  ausführlichen 
iitachten  über  die  Aufnahme  des  Notariats,  des  Enregistre- 
ents,  der  bureaux  conservateurs  des  hypotheques  und  der 
ficiers  de  l'etat  civil  sein.  Doch  empfehle  es  sich  gerade 
n  diesen  Institutionen,  sie  durch  einen  oder  mehrere  Sach- 
^rständige  in  Frankreich  beobachten  und  dann  begutachten 
i  lassen.  Schließlich  führten  sie  aus,  daß  sie  nicht  in  der 
Ige  seien,  sich  sämtlichen  ihnen  aufgetragenen  Arbeiten 
i  unterziehen.  ,,Er,  der  Oberappellationsrat  Dr.  Grolman 
ibe  mehrere  Tage  in  der  Woche  vier  Stunden  Vorlesungen 
1  halten,  welche  ihm,  im  Durchschnitte  genommen,  doch 
enigstens  sechs  Stunden  dc^s  Tags  raubten.  Er  sei  jetzt 
ekan  der  juristischen  Fakultät,  im  September  falle  ihm 
is  Rektorat  der  Universität  an.  Diese  beiden  Funktionen 
.übten  durch  vielfache,  obgleich  nicht  bedeutende  Ge- 
häfte  immer  noch  eine  beträchtliche  Zeit.  Nehme  man 
nzu,  daß  es  ihm  Pflicht  sei,  in  der  Literatur  nicht  stille 


438  KrH  EsselboriL 

ZU  stehen,  daß  die  Fortsetzung  seines  Handbuchs  über  den 
Code,  wenn  auch  nicht  von  dem  öffentlichen,  doch  auf  jedea 
Fall  von  seinem  individuellen  Interesse  erfordert  werde, 
daß  er  zugleich  die  dritte  Auflage  seines  Lehrbuchs  über 
den  Prozeß  besorgen  müsse,  so  werde  man  zugeben  müssen, 
daß  schon  eine  dauerhafte  Gesundheit  dazu  gehöre,  um 
nur  diesen  Arbeiten  nicht  zu  unterliegen.**  —  Ähnliche 
Gründe  führte  Jaup  an. 

Auf  diesen  Bericht  hin  wies  das  Ministerium  unterm 
30.  Juli  1810  Grolman  und  Jaup  an,  die  „Vernehmlassung" 
der  Nassauischen  Kommission  abzuwarten,  da  derselben  am 
12.  Mai  eröffnet  worden  sei,  daß  die  Hessische  Kommission 
die  Instruktion  erhalten  habe,  entweder  auf  konferenzielle 
Weise  oder  im  Wege  schriftlicher  Mitteilung  die  Verhand- 
lungen fortzusetzen.  Im  übrigen  wurde  die  Ansicht  wegen 
der  Prüfung  der  Almendingenschen  Vorträge  gebilligt,  wegen 
der  aufzunehmenden  französischen  Rechtsinstitute  sei  den 
angekündigten  Vorschlägen  der  Nassauischen  Kommission 
entgegenzusehen,  und  man  erwarte,  daß  sie  einen  Teil  ihrer 
Muße  zur  Vollziehung  ihres  ehrenvollen  Auftrags  verwenden 
würden. 

Damit  ließ  man  von  Seiten  der  hessischen  Regierung  die 
Sache  einschlafen,  zumal  der  inzwischen  zum  Großherzog 
von  Frankfurt  erhobene  Fürst  Primas  durch  ein  kurzes  Edikt 
vom  25.  Juli  1810  den  Code  Napoleon  vom  1.  Januar  1811 
an  in  seinen  Staaten  einführte  ^^  und  sich  damit  offiziell  von 
der  Vereinbarung  mit  Hessen  und  Nassau  lossagte,  und  auch 
letzteres  durch  ein  landesherrliches  Edikt  vom  4.  Februar 
1811  den  Napoleonischen  Zivilkodex  als  Hauptgesetzbuch 
vom  1.  Januar  1812  an  einführte.^* 

Aus  seiner  Beschäftigung  mit  dem  französischen  Zivil- 
rechte, über  das  Grolman,  entsprechend  dem  Edikte  vom 
1.  August  1808,  zum  erstenmal  im  Wintersemester  1808/09 
eine  Vorlesung  hielt,  ging  sein  Entschluß  hervor,  ein  auf 
sechs  bis  acht  Bände  berechnetes  ,, Ausführliches  Hand- 
buch über  den  Code  Napoleon  zum  Gebrauch  wissen- 
schaftlich gebildeter  deutscher  Geschäftsmänner**  zu  ver- 
fassen. Hierzu  bestimmte  ihn  nicht  „Streben  nach  eitlem 
literarischen  Ruhme,  sondern  das  patriotische  Bestreben, 
seinem  Vaterlande  durch  Abhelfung  eines  der  dringendsten 

^'^  „Frankfurter  Staats-Ristretto",  128.  Stück,  Samstag,  den  U.Aug. 
1810.  S.  639f. ;  auch  abgedruckt  im  „Rheinischen  Bund**,  Bd.  16  (1810i> 
S.  200—206. 

S4  ,,Der  Rheinische  Bund",  Bd.  18  (1811),  S.  *264. 


Karl  Ludwig'  Wilhelm  von  Grolman  in  Gießen.  439 

Bedürfnisse  der  Zeit  nützlich  zu  werden. ''^'^  —  Diese 
vor  Erscheinen  des  ersten  Bandes  seines  Werkes  getane 
Äußerung  zeigt,  daß  er  erst  nac^h  denn  1.  August  1808 
mit  der  Bearbeitung  dieses  Werkes  begonnen  haben  kann, 
denn  vorher  lag  für  die  hessischen  Beamten  keine  Veran- 
lassung vor,  sich  mit  dem  Inhalt  der  französischen  Gesetz- 
gebung zu  befassen. 

Seinem  Charakter  entsprechend,  „da,  wo  er  etwas  als 
eine  Pflicht  erkenne,  zu  deren  Erfüllung  er  die  Kräfte  zu 
haben  glaube,  nicht  erst  abzuwarten,  ob  andere  diese  Pflicht 
erfüllten  und  ihn  der  Aufopferung,  welche  mit  der  Erfüllung 
derselben  verknüpft  sei,  überheben  würden** ^ß,  ging  er  eifrig 
au  die  Ausarbeitung,  so  daß  zur  Ostermesse  1810  der  erste 
Band  erscheinen  konnte.  In  diesem  Werke  wollte  er  „kein 
bis  in  das  feinste  Detail  entwickeltes  und  ausgeführtes  System 
des  französischen  Zivilrechts**,  sondern  nur  „eine  Samm- 
lung dogmatisch  exegetischer  Bearbeitungen  der  einzelnen 
Titel  des  Code**  liefern.  Deshalb  sei  in  seiner  Arbeit  „die 
Bearbeitung  eines  jeden  Titels  für  sich  ein  Vollstcändiges, 
dem  die  Ankündigung,  daß  dieser  Bearbeitung  noch  Be- 
arbeitungen ande'rer  Lehren  folgen  würden,  weder  einen 
größeren  Wert  geben,  noch  irgend  etwas  von  seinem  Werte 
rauben  könne**.  —  Diese  Worte»  finden  sich  in  der  im  März 

1811  geschriebenen  Vorrede  zum  zweiten  Bande,  wo  er 
schon  mit  der  Möglichkeit  rechnet,  daß  „di?  Zufälligkeiten 
des  menschlichen  Lebens  es  ihm  'nicht  erlaubten,  die  Samm- 
lung über  die  sämtlichen  Titel  zu  erstrecken**.  Während 
er  in  dem  ersten  Bande  nach  einer  „Einleitung  über  die 
Ziviljustizverfassung  Frankreichs**  den  Präliminarartikel,  so- 
wie den  ersten  bis  vierten  Titel  des  ersten  Buches  des 
Code  Napoleon  behandelt,  enthält  dv?r  zweite  Band  den 
fünften  Titel:  „Von  der  Ehe'*  und  d?r  dritte,  zur  Ostermesse 

1812  erschienene  Band  den  sechsten  Titel:  „Von  der  Ehe- 
scheidung**. 

Durch  die  Nichterwähnung  seiner  Schriften  in  dem 
„Handbuche**  fühlte  sich  Almendingen  vorletzt,  zumal  er 
glaubte,  daß  Grolman  durch  Entlehnung  von  (Jedanken  aus 
seuien  Schriften  Plagiate  an  ihm  verübt  habe.*^^  Deshalb 
verfaßte  er  im  Dezember  1810  eine  in  sehr  scharfem  Tone 


^•'*  In  dem  auf  der  Gießener  Konferenz  am  7. — 9.  September  1801) 
vorgetragenen  ausführlichen  (iutachlen  S.  63. 

*^  S.  die  im  Februar  1810  verfaßte  Vorrede  zum  ersten  Bande  des 
„Handbuchs",   S.    VI. 

^'  Almendinpen,  PoHtische  Ansichten  über  Deutschlands  Vergangen- 
heit,  Gegenwart   und   Zukunft,  Wiesbaden   1814,   S.  377. 


440  Karl  EsseUioni. 

gehaltene  ,,Bcurkundete  Eigenthumsklage  mit  recht- 
licher Bitte  gegen  das  ausführliche  Handbuch  über 
den  Code  Napoleon  des  Herrn  Oberappellationsraths 
Grolniann  zu  Gießen**,  die  1811  im  Januarheft  dos  „Rhei- 
nischen Bundes**  (Bd.  18,  S.  16 — 36)  erschien.  Diese  „be- 
urkundete Eigentumsklage**  ist  das  erste  öffentliche  Zeichen 
einer  Entzweiung  Grolmans  und  Almendingens,  die  offen- 
bar auf  der  Gießener  Konferenz  stattgefunden  hat.  Denn 
aus  der  Nichterwähnung  der  Almendingenschen  Schriften 
in  dem  „Handbuch**  konnte  noch  nicht  auf  einen  Bnich 
zwischen  beiden  Männern  geschlossen  werden,  weil  die 
Literaturangaben  in  diesem  Werke  eben  nicht  reichlich,  ge- 
schweige denn  vollständig  sind.  Hebt  doch  selbst  Thibaut 
in  seiner  noch  näher  zu  betrachtenden  Kritik  des  „Hand- 
buchs*'^'* hervor,  daß  Grolman  manche  und  insbesondere 
deutsche  Schriften  nicht  erwähnt  habe.  Für  die  Beurteilung 
der  Nichterwälmung  der  Almendingenschen  Schriften  kommt 
allerdings  hinzu,  daß  sich  deren  Verfasser  zu  dieser  Zeit 
infolge  einer  gewissen  Cberhebung  in  wissenschaftlichen 
Kreisen  in  einer  Art  Verfehmung  befand.^^  Er  selbst  sajit 
hierüber,  daß  „vom  Anfang  des  Jahres  1809  an  seine 
Schriften  aus  allen  literarischen  Zeitschriften  als  Kontre- 
bande   proskribiert   worden  seien**.^'^ 

Einen  Verteidiger  in  dem  durch  seine  „Eigentumsklage" 
angestrengten  „Rechtsstreit**  fand  Almendingen  nur  in  dem 
Professor  an  der  napoleonischen  Universität  Koblenz,  F.  von 
Lassau Ix^^S  der  in  einer  im  übrigen  durchaus  anerkennen- 
den Besprechung  von  Grolmans  „Handbuch**  in  den  von  ihm 
herausgegebenen  „Annalen  der  Gesetzgebung  Napoleons"" 
folgendes  ausführt:  „Unter  den  deutschen  Rechtsgelehrten, 
welche  als  Schriftsteller  über  das  französische  Recht  anf- 
getreten  sind,  hat  kcnner  gleich  anfangs  eine  so  vertraute 
Bekanntschaft  mit  dem  Geiste  der  französischen  Gesetz- 
gebung bewährt,  als  Herr  von  Almendingen.  Um  so  mehr 
mußte  es  uns  auffallend  sein,  dessen  Namen  in  dem  rirol- 

^»  Hoidi'll.erger  Jahrbücher  der  Literatur,  1811,  S.  33—44.  60-64, 
sowie  1812,  S.  8G4— 867. 

ö«  Allg.   deutsrhe   Biographie,  Leipzig   1875,   Bd.   1,  S.  351. 

^"  Politische  Ansichten  etc.,  S.  376. 

6'  hl  der  Vorrede  zum  1.  Bd.  seines  „Handbuchs"  (S.  IX)  verteidigt 
Groi.inan  Lassaulx  durch  die  Worte:  „Dieser  in  deutschen  Blättern  zur  Un- 
gebühr und  nicht  zur  Eliro  der  deutschen  kritischen  Anstalten  mißhandelte 
Mann  habe  sich  durcli  seinen  Kommentar  (zum  Code  Napoleon)  allerdings 
Verdienste  erworl)en'*. 

ß2  Bd.  4.  Koblenz  1811,  S.  37 ff.,  137  ff.  und  250ff.;  Bd.  5(1811). 
S.   44  0.     Die   zitierte   Stelle   s.   Bd.   4,   S.    147  f. 


Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grolman  in  Gießen.  441 

manschen  Werke  auch  nicht  ein  einziges  Mal  erwähnt  zu 
finden,  während  wir  uns  doch  des  Gedankens  kaum  er- 
wehren können,  daß  Herr  Dr.  Grolman  mehrere  seiner  An- 
sichten aus  den  v.  Almendingschen  Schriften  entlehnt 
habe  .  .  .  Auch  können  wir  die  stillschweigende  Vorbei- 
gehung eines  der  um  das  neue  französische  Recht  verdien- 
testen Rechtsgelehrten  um  so  weniger  dem  bloßen  Zufall 
zuschreiben,  als  man  in  dem  G roimanschen  Werke  die  deut- 
schen Schriftsteller  über  die  Napoleonische  Gesetzgebung 
mit  großer  Vollständigkeit  angeführt  findet,  so  daß  wir, 
außer  den  Almendingschen  Schriften,  keine  derjenigen  ver- 
missen, welche  bis  zur  Herausgabe  dieses  ersten  Teils  über 
die  darin  abgehandelten  Gegenstände  in  Deutschland  er- 
schienen waren.** 

Es  steht  nicht  fest,  ob  Grolman  auf  die  von  Almendingen 
gegen  ihn  angestrengte  „beurkundete  Eigentumsklage**  sich 
eingelassen  hat  oder  nicht.    Wahrscheinlich  ist  das  letztere 
der    Fall.     Seine  Ansichten   über   die  Almendingschen   Ar- 
beiten ist  uns  bekannt;  er  hat  sie  in  dem  Bericht  an  die 
hessische  Regierung  vom  16.  Juli  1810  dargelegt  (s.  o.  S.  487). 
Die  allgemeine  Ansicht  über  das  Grohnansche  „Hand- 
buch'* gibt  der  Heidelberger  Rechtslehrer  Thibaut  in  seiner 
bereits  erwähnten  Besprechung  desselben  wieder,  indem  er 
^agt:  „In  der  TatI  das  ist  ein  Werk,  welches,  des  Namens 
des    Verfassers  würdig,   unserer   Nation   in   vieler  Hinsicht 
die   größte  Ehre  macht.  .  .     Zu  den  geringsten  Verdiensten 
dieses  Werkes  gehört  eine  herrliche  klassische  Sprache  und 
^ine  nur  selten  von  deutschen  Schriftstellern  erreichte  Ruhe 
xind  Würde  bei  Prüfung  streitiger  Meinungen.     Der  innere 
Gehalt  der  Ideen  des   Verfassers   übertrifft  noch,  wenn  es 
t:nöglich  ist,  die  äußere  Form.    Überall  die  höchste  Klarheit 
und   Konsequenz  des  Gedankenganges   .  .  .     Der  Verfasser 
gibt  gereifte,  von  allen  Seiten  durchdachte  Grundsätze  und 
^eiii  Bestreben,  die  Theorie  mit  Interpretation  der  französi- 
schen Praxis  zu  verflechten,  verdient  musterhaft  genannt  zu 
Averden.**     Daß  Thibaut  kein   blinder  Lobredner  ist,  ergibt 
sich  daraus,  daß  er  in  der  Besprechung  des  zweiten  Bandes 
^„zweierlei  im  allgemeinen  tadelt,  nämlich  teils,  daß  die  Dar- 
stellung nicht  selten  etwas  zu  ausführlich  und  gedehnt  ist, 
teils,   daß  der  Verfasser   manchmal   auf  unerweisliche   Be- 
^weggründe  des  Gesetzes  zu  viel  bauet,  zu  viel  voraussetzt 
xind  annimmt,  was  durchaus  dunkel  und  ungewiß  ist.'* 

Das  „Handbuch  über  den  Code  Napoleon**  ist  ein  Torso 
geblieben.  Hieraus  darf  man  keine  weitgehenden  Schlüsse 
auf  die  politische  Gesinnung  Grolmans  ziehen,  wie  es  Pall- 


44:2  Karl  Esselborn, 

mann  (a.  a.  0.,  S.  69)  tut,  indem  er  „einen  Zusammenhang 
der  Unterlassung  der  Fortsetzung  dieses  Werkes  mit  der 
Wendung  am  politischen  Horizont"  annünmt.  Bezeichnet 
sich  doch  Grolman  selbst  in  einem  Briefe  vom  20.  Januar 
1812«^  als  „der  Politik  abgestorben  und  in  literarische  Ar- 
beiten vergraben**.  Bedenkt  man,  daß  Grolman  in  seinem 
Handbuche  zunächst  den  richterlichen  Beamten  seines 
engeren  hessischen  Vaterlands,  die  sich  nach  dem  Edikt 
vom  1.  August  1808  mit  dem  Geiste  des  französischen  Ge- 
setzbuchs einstweilen  vertraut  zu  machen  hatten,  ein  Hülfs- 
mittel  zu  dessen  Studiiun  in  die  Hand  geben  wollte,  so  war 
es  nur  folgerichtig  von  ihm  gehandelt,  daß  er,  nachdem 
seit  dem  erfolglosen  Ausgang  der  Gießener  Konferenzen 
während  zweier  Jahre  von  der  Regierung  kein  weiterer 
Schritt  zur  Einführung  des  Code  geschehen  und  es  immer 
fraglicher  geworden  war,  ob  es  je  dazu  kommen  werde, 
das  Handbuch  nicht  mehr  fortsetzte.  Welche  politischen 
Motive  für  das  Verhalten  der  hessischen  Regierung  in  Frage 
kommen  mochten,  mag  dahingestellt  bleiben,  auf  Grolman 
hatten  sie  keinen  unmittelbaren  Einfluß. 

Wie  bereits  erwähnt,  hat  Grolman  im  Wintersemester 
1808/09  zum  erstenmal  über  Napoleonisches  bürgerliches 
Hecht  gelesen,  eine  Vorlesung,  die  er  im  folgenden  Somraer- 
semester  fortsetzte  und  vollendete.  Seitdem  hatte  er  von 
1809  bis  1814  in  jedem  Wintersemester  in  einem  zwölf- 
stündigen  Kolleg  das  Napoleonische  Gesetzbuch  unter  Zu- 
grundelegung der  1809  zu  Gießen  erschienenen,  von  dem  Hof- 
gerichtsadvokaten Heb.  Friedr.  Daniel  Gerhardi  zu  Darm- 
stadt verfaßten  Übersetzung,  die  er,  wie  wir  aus  einer  Be- 
merkung Almendingens  wissen^,  durchgesehen  und  durch 
Kartons  verbessert  hatte,  dogmatisch-exegetisch  erläutert. 

Eine  hier  bis  jetzt  noch  nicht  betrachtete  Seite  von 
Grolmans  Berufstätigkeit  betrifft  die  Verwaltung  der  Uni- 
versität. Der  hervorragende  Anteil,  den  er  an  ihr  nehmen 
sollte,  beginnt  mit  dem  Jahre  1807.«^  Die  Gießener  Universität 
hatte  nämlich  den  Mangel  eigener  Disziplinargesetze  öfters 
schmerzlich  empfunden  und  sich  häufig  darüber  beklagt, 
daß  sie  sich  teils  mit  den  alten  Marburger  Statuten,  teils 
mit  verschiedenen  einzelnen  Reskripten,   an  deren  zweck- 


^^  An  den  Geh.  Staatsreferendär  Frhr.  v.  Lichtenberg  in  den  Adels- 
akten  des  Großh.   Ministeriums  des   Innern. 

64  Vergl.   „Der  Rheinische  Bund",   18.   Bd.,  S.  30. 

6*  Der  folgenden  Darstelhing  liegen  Ministerialreferate  im  Besitz 
des  Großh.   Haus-  u.   Staatsarchivs  zugrunde. 


Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grolrnan  in  Gießen.  443 

mäßige  Sammlung  nie  gedacht  worden  war,  behelfen  müsse. 
Um  diesen  Mangel  zu  beseitigen,  hatte  Ludewig  1.  befohlen, 
daß  die  vorhandenen  Gesetze  gesammelt  und  unter  Benützung 
der  Statuten  anderer  Universitäten,  insbesondere  der  neuen 
Würzburgischen,  mit  den  nötigen  Zusätzen  bereichert  werden 
sollten.    Die  daraufhin  von  dem  Ministerium  dem  Großherzog 
vorgelegten    Grundprinzipien    des    zu    entwerfenden    Dis- 
ziplinargesetzbuchs  genehmigte  dieser  am  24.  April  1807, 
sowie  den  weiteren  Antrag,  daß  die  Ausarbeitung  den  Pro- 
fessoren Schmidt,  Grolman,  Müller  und   Crome  über- 
tragen werden  sollte.    Die  von  den  Genannten  eingereichte 
Arbeit  wurde  von  dem  Ministerium  einer  genauen  Prüfung 
unterzogen,  in  Einzelheiten  ergänzt  und  näher  ausgeführt 
und  am  21.  Mai  1808  genehmigt.    Damit  hatte  das  neu  er- 
richtete Disziplinargericht  gesetzliche  Normen  erhalten. 
Dieses   Gericht,  dessen  Errichtung   bereits   am   3.   Juli 
1805   von  dem  Landesherrn,   dem  Antrage  der  Universität 
entsprechend,  beschlossen  worden  war,  erschien,  nachdem 
das   Kanzellariat  durch  den  am   14.  Januar  1808  erfolgten 
Tod  des  Kanzlers  Koch  erledigt  und  bald  darauf  aufgehoben 
worden  war,  als  ein  dringendes  Bedürfnis.  Über  die  Art  der 
Konstituierung  hatten  die  zur  Redaktion  des  akademischen 
Gesetzbuchs  ernannten  Kommissarien  vorgeschlagen-,  daß  das 
Gericht  außer  dem  Rektor  aus  vier,  den  vier  Fakultäten  an- 
gehörigen  Professoren  bestehen  solle,  von  denen  alljährlich 
einer   auszuscheiden   habe,   um   durch   ein   anderes,   durch 
scrutinium  zu  bestimmendes  Mitglied  derselben  Fakultät  er- 
setzt zu  werden.    In  Fällen,  wo  es  auf  den  Modus  procedendi 
und    das   Straferkenntnis    ankommt,    habe   der  juristische 
Beisitzer  eine  fingierte  Stimmenmehrheit;  gegen  den  Spruch 
des  Gerichts  sei  eine  Appellation  an  das  Ministerium  zulässig. 
Diese  Vorschläge  befürwortete  das  Ministerium  mit  der  Maß- 
gabe, daß  die  Fakultätsmitglieder  nicht  per  scrutinium,  son- 
dern nach  dem  senio  eintreten  sollten,  und  daß  der  juristische 
Beisitzer  keine  fingierte  Mehrheit  haben,  und  daß  auch  keine 
Appellation   stattfinden  sollte. 

Im  Herbst  1810  ward  Grolman  zum  Rektor  der  Uni- 
versität gewählt  und  machte  sich  während  seines  Rek- 
torats um  die  Besoldungsverhältnisse  der  Professoren,  die 
Verwaltung  des  Universitätsfonds,  die  Vermehrung  der  Sti- 
pendien und  vor  allem  um  die  Verbesserung  der  Disziplin 
wnter  den  Studenten  sehr  verdient.  Seine  Veridienste  wurden 
auch  insbesondere  von  seinen  Kollegen  empfunden  und  ge- 
würdigt. Allen  voran  ging  Groimans  ehemaliger  Lehrer 
Crome,  der  im  Juli  1811  den  Wunsch  äußerte,  man  möge 


444  Karl  Esselborn. 

das  Rektorat  Grolmans,  welches  auf  Michaelistag  endigle, 
uni  ein  Jahr  verlängern.  Denn  Grolman,  der  durch  Eifer, 
Tätigkeit  und  Energie  diese  heilsamen  Verbesserungen  zu 
vollstrecken,  zu  befestigen  und  bis  aufs  kleinste  Detail  zu 
vollenden  gesucht,  und  bei  den  damit  verbundenen  Schwierig- 
keiten so  viel  wie  nicht  leicht  ein  anderer  außer  ihm  erreicht 
habe,  müsse  Gelegenheit  haben,  die  noch  einer  weiteren 
Pflege  bedürfenden  neuen  Verbesserungen  mehr  zu  be- 
gründen. 

Auf  den  Antrag  des   Ministeriums,   dem  durchaus  ge- 
rechtfertigten Wunsche  Cromes  zu  entspreclien,  verfügte  der 
Großherzog  am  29.  Juli  1811,  es  sei  nötig,  da  Crome  nicht 
das  Ganze  der  Professoren  darstelle,  sondern  nur  als  Einzel- 
person erscheine,  die  übrigen  Professoren  darüber  zu  hören, 
ob  sie  mit  diesem  Vorschlag  einverstanden  seien  oder  nicht. 
Bei  der  hierauf  veranstalteten  Abstimmung  stimmten  sämt- 
liche Professoren  bis  auf  je  zwei  Angehörige  der  medizi- 
nischen und  philosophischen  Fakultät  für  die  Verlängerung. 
Nebel  war  gegen  diese,  weil  er  durch  die  Verlängerung  ein 
Jahr  später  zum  Rektorat  gelange,  Wilbrand  deshalb,  weil 
er  die  Würde  der  übrigen  Mitglieder  des  Lehrkörpers  dadurch 
heruntergesetzt   glaubte.      Von  den    dissentierenden  Ange- 
hörigen 5er  philosophischen  Fakultät  äußerte  Rumpf  den 
Wunsch,  daß  Grolman  wenigstens  für  so  lange  Mitglied  der 
Pädagogkommission  sein  möge,  bis   sich  die  neue  Organi- 
sation  als   wirkliche   Verbesserung   bewährt   haben  würde. 
Welcker  dagegen  wollte  sogar  neben  dem  wechselnden  Rek- 
torat ein  ständiges  Direktorium,  also  im  Grunde  das  Kan- 
zellariat,    welches   Grolman   zu    übertragen    sei,    eingeführt 
wissen.     Nunmehr   bewilligte   der   Großherzog   am   6.  Sep- 
tember 1811  die  Verlängerung  des  Rektorats  Grolmans  um 
ein  Jahr. 

Grolmans  Rektorat  zeichnete  sich  durch  eiiien  Kampf 
gegen  die  studentischen  Verbindungen  aus.  Er  war  Vor- 
sitzender des  Disziplinargerichts,  das  die  Ergreifung  von 
Maßregeln  gegen  die  auf  den  Universitäten  bestehenden 
Landsmannschaften,  Kränzchen  oder  sonstige  verbotene  Stu- 
dentenverbindungen beantragte.  Die  dem  Großherzog  ge- 
machten V^orschläge  hielt  dieser  jedoch  nur  dann  für  die 
Universität  von  Nutzen,  wenn  sie  mit  den  auf  andern  Uni- 
versitäten ergriffen(»n  Maßregeln  übereinstimmten,  während 
sie  ihm  im  entgegengesetzten  Fall,  wenn  sie  nur  für  Gießen 
allein  zur  Anwendung  kämen,  dieser  Universität  mehr  Nach- 
teil als  Vorteil  zu  bringen  schienen.  Erst  nachdem  ihm  be 
richtet  worden  war,  daß  sowohl  auf  den  badischen  Univer- 


( 


Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grolrnan  in  Gießen.  445 

en    Heidelberg    und    Freiburg,    als    auch    in    Tübingen 
Leipzig  ähnliche  Maßregeln  ergriffen  worden  seien,  ge- 
nigte er  am  6.  September  1811  die  folgenden  Bestim- 
gen««: 

„1.  Daß  in  Zukunft  alle  Studiosen,  welche  in  irgend 
verbotene  Verbindung,  was  sie  auch  für  einen  Namen 
en  möge,  träten,  so  wie  alle  diejenigen,  welche  sich 
.  schon  in  einer  solchen  befänden  und  nicht  sogleich 
raten,  ohne  alle  Rücksicht  mit  der  Strafe  der  öffentlichen 
gation  belegt  werden  sollen.** 

„2.  Daß  das  akademische  Disciplinargericht  die  Befugnis 
n  solle,  in  jedem  einzelnen  Fall,  wo  es,  nach  seiner 
alischen  Überzeugung,  glaube,  daß  eine  vorgefallene 
aJität  mit  den  jetzigen  oder  ehemaligen  Verhältnissen 
Täters  zu  einer  verbotenen  Verbindung  im  Zusammen- 
stehe, diesen  sogleich  und  ohne  Weiteres  mit  der 
:e  der  öffentlichen  Relegation  zu  belegen.** 
Es  ist  nicht  zweifelhaft,  daß  dieses  Vorgehen  der  Re- 
ingen gegen  die  studentischen  Verbindungen  dem  Ein- 
e  Napoleons  zuzuschreiben  ist,  der  ein  sicheres  Gefühl 
r  hatte,  daß  sich  diese  Verbindungen  zu  Pflanzstätten 
'  national-deutschen  Gesinnung,  die  sich  gegen  die 
idherrschaft  erheben  würde,  entwickeln  könnten. 
Dieses  auf  deri  ersten  Blick  befremdlich  erscheinende 
ehen  gegen  die  studentischen  Verbindungen  seitens  Grol- 
5,  der  selbst  einer  solchen  während  seiner  Studienzeit 
hörte,  war  nicht  durch  die  Bewundenmg  der  franzö- 
en  Staatseinrichtungen,  die  ihm  das  Studium  des  fran- 
chen  Rechts  eingeflößt  hatte,  veranlaßt,  sondern  eine 
endige  Folge  der  für  Hessen  durch  seine  Zugehörig- 
zum  Rheinbund  vorgeschriebenen  Politik,  für  die  er 
erweise  persönlich  nicht  verantwortlich  gemacht  werden 


Ebensowenig  ist,  wie  es  Pallmann  (a.  a.  S.,  S.  69)  ver- 
t,  die  Erhebung  Grolmans  in  den  Adelsstand  als 
Belohnung  für  seine  französische  Gesinnung  anzusehen, 
nicht  Behauptung  gegen  Behauptung  zu  stellen,  ist  es 
,  auf  diese  Angelegenheit  näher  einzugehen. 
Grolman  beantragte,  wie  gleich  an  dieser  Stelle  hervor- 
ben  werden  mag,  die  Erhebung  in  den  Adelsstand,  die 
selbst  nur  insofern  von  Nutzen  sein  konnte,  „als  er 
zum  Teil  in  Venuögenshinsichten  im  Preußischen  inter- 

»*  Disziplinar-Gesetze    und    Statuten    der    Großh.    Hess.    Universität 
1,  1815,  S.  46  f. 


446  Karl  Esselborn. 

essiert  war",  nicht  um  seiner  selbst  willen,  sondern  handelte 
dabei  einzig  und  allein  im  Interesse  seines  Bruders  Lud- 
wig.«" Dieser  war,  da  ihm  als  einem  Nichtadeligen  der  Ein- 
tritt in  preußische  Kriegsdienste  erschwert  wurde,  im  Jahre 
1792  in  holländische  Dienste  getreten,  hatte  aber,  als  Holland 
in  vollständige  Abhängigkeit  von  Frankreich  geraten  war, 
trotz  vorteilhafter,  ihm  wegen  seiner  Kenntnisse  im  Ingenieur- 
fache gemachter  Anerbietungen  den  holländischen  Dienst 
verlassen,  um  nichts  mit  den  Feinden  seines  Vaterlands 
gemein  zu  haben. 

Nachdem  er  darauf  einige  Zeit  in  hessen-darmstädtischen 
Diensten  gestanden  hatte,  nahm  er  im  Jahre  1803  eine  Stelle 
als  Adjutant  des  Erbgroßherzogs  Karl,  des  Enkels  des  Kur- 
fürsten Karl  Friedrich  von  Baden  an.  Den  im  Jahre  1805 
ausgebrochenen  Koalitionskrieg  gegen  Frankreich  machte  er 
als  Chef  des  Generalstabs  der  von  Baden  dem  Kaiser  Na- 
poleon gestellten  Truppen  mit,  einzig  aus  Pflichtgefühl,  nicht 
um  der  Sache  willen,  die  ihm  verhaßt  war.  Den  im  folgenden 
Jahre  entbrannten  Krieg  Frankreichs  gegen  Preußen  machte 
er  als  Adjutant  des  Erbgroßherzogs  mit  und  hatte  an  d  n 
Gefechten  nur  passiven  Anteil. 

Zu  Anfang  des  Jahres  1808  ward  er  Major  und 
nahm  an  dem  spanischen  Feldzug  teil,  bis  er  im  Febniar 
1809  unter  Ernennung  zum  Flügeladjutanten  und  Obrist 
lieutenant  nach  Karlsruhe  zurückgerufen  wurde,  weil  ein 
Krieg  mit  Österreich  vor  der  Türe  sei.  Nach  seiner 
Rückkunft  empfing  ihn  der  Erbgroßherzog  Karl,  der  seit 
1808  Mitregent  war,  ungemein  gnädig  und  sagte  ihm:  „Der 
Adel  mag  ein  Vorurteil  sein,  aber  Sie  wissen,  wie  sehr  man 
an  unserni  Hofe  darauf  sieht.  Ich  habe  durch  Ihre  Er- 
nennung zu  einer  bloß  adeligen  Stelle  für  Sie  das  Außer- 
ordentliche getan.  Nun  höre  ich  aber,  daß  Ihre  Familie  ge- 
adelt ist.  Wozu  dann  der  Stolz,  das  Wörtchen  «von»  weg- 
zulassen, da  Sie  wissen,  daß  dieses  Ihnen  und  mir 
schadet**.  —  Grolman  setzte  ihm  darauf  den  Sachverhalt 
rückhaltlos  auseinander,  worauf  ihn  der  Erbgroßherzog  .,bat, 
nicht  länger  anzustehen,  den  adeligen  Titel  anzunehmen". 
Alsbald  nach  der  Thronbesteigung  des  Erbgroßherzogs  wurde 
Ludwig    (irolman   in   das    neuverfertigte   Adelsbuch  des 

^^  Dor  folgenden  Darstellung  liegt  der  in  Note  2  erwähnte  Brief  zu- 
grunde, der  im  Jahre  1811  nach  dem  Regierungsantritt  des  Großherzogs 
Karl  von  Baden  (10.  Juni  1811)  geschrieben  ist.  Vergl.  auch  L.  Grolmans 
von  r.  J.  Rehfues  im  Jahre  1814  hsgg.  „Tagebuch  eines  deutschen  Offiziers 
über  seinen  Foldzug  in  Spanien  im  Jahre  1808",  sowie  „Badiscbe  Biogra 
phien",  hsgg.  von  Friedr.  von  Weecli,  Bd.  1,  Heidelberg  1875,  S.  321-323. 


Karl  Ludwig  Willielin  von  Grolman  in  Gie&en.  447 

Landes  eingetragen,  indem  der  Großherzog  befahl,  daß  die 
Abschrift  des  Adelsbriefes,  den  Grolman  von  seinem  Vetter, 
dem  Regierungs-  und  Konsistorialdirektor  Ludwig  von  Grol- 
man in  Gießen  (f  25.  Dezember  1809)  hatte  kommen  lassen 
müssen,  auch  als  für  ihn  gültig  zu  betrachten  sei. 

Ludwig  Grolman,  der  bald  darauf  Generaladjutant  gewor- 
den war.  konnte  für  seine  Person  die  badische  Anerkennung 
seines  Adels  genügen.  Jedoch  der  Gedanke,  daß  er  einen 
adeligen  Titel  führe,  der  seinen  Brüdern  nicht  zukomme, 
und  der  Wunsch,  falls  er  heiraten  und  Kinder  bekommen 
sollte,  diesen  keinen  andern,  als  den  preußischen  Familien- 
adel zu  vererben,  ließen  ihm  die  Ausdehnung  des  alten 
Adelsbriefes  auf  sämtliche  Söhne  seines  Vaters  erstrebens- 
wert erscheinen.  Deshalb  hatte  er  in  der  zweiten  Hälfte  des 
Jahres  1811  in  Frankfurt  eine  Zusammenkunft  mit  seinem 
Bruder  Karl.  Welche  Schritte  Ludwig  selbst  nun  zur  Er- 
reichung dieses  Zweckes  getan  hat,  ist  ungewiß.  Soviel  steht 
iber  fest^ö,  daß  sein  Bruder,  der  Professor  Karl  Grolman, 
>ei  dem  Geh.  Obertribunalspräsidenten  Heinrich  Dietrich 
/on  Grolman  (1740 — 1840)  in  Berlin,  —  dem  Vater  des 
jJeiierals  Karl  von  Grolman,  und  wie  dieser  von  glühendem 
lasse  gegen  Frankreich  beseelt  —  angefragt  hat,  ob  er  sich 
:u  bewirken  getraue,  daß  der  alte  Adelsbrief  auf  ihn  und  seine 
3rüder  ausgedehnt  werde. 

Nach  Empfang  der  zusagenden  Antwort  wandte  sich 
[Jrolman  in  einem  Briefe  vom  3.  Januar  1812  an  den  Geh. 
iJtaatsreferendär  Frhrn.  v.  Lichtenberg,  in  welchem  er  diesem 
lie  Gründe  auseinandersetzte,  die  ihn  zu  diesem  Schritte 
jestimmten  und  ihn  um  eine  schriftliche  Erklärung  der 
tlegierung  bat,  daß  man  ihm  erlaube,  die  Ausdehnung  des 
preußischen  Adels  auf  den  Zweig  der  Familie  Grolman,  dem 
?r  angehöre,  zu  erwirken,  und  daß  man  diesen  Adel  auch 
m  Großherzogtum  anerkennen  werde.  Lichtenberg  erteilte 
laraufhin  in  einem  nicht  erhaltenan  Briefe  Grolman  Rat- 
schläge, wie  dieser  zu  seinem  Ziele  gelangen  könnte. 
[n  Grolmans  Dankschreiben  vom  20.  Januar  1812  auf  diesen 
Brief  „gesteht  er,  daß  ihn  ei«i;entlich  die  Furcht,  Preußen  möge 
sich  für  die  russische  Partie  erklären,  zu  dem  Versuche  be- 
stimmt habe,  ob  nicht  noch  vor  dem  Torschlüsse  die  An- 
gelegenheit in  Ordnung  zu  bringen  sei.  .  .  .  Sollte  Preußen 
tlie  unglückliche  Partie  ergreifen  und,  wie  es  dann  wahr- 
scheinlich sei,  untergehen,  so  habe  er  jede  Hoffnung  ver- 
loren, seinem  Bruder  helfen  zu  können".  Er  beschließt  diesen 

•»**  Die   folgende   Darstellung  l)eruht  auf  den  Adelsakten  des  Großli. 
"Ministeriums  des  Innern. 


448  Karl  Esselboni. 

Brief  mit  der  Bitte  „um  die  einzige  geneigte  Gefälligkeit, 
daß  er  (Lichtenberg)  ihn  von  dem  Eintritt  des  wahren  Zeit- 
punkts nur  durch  die  zwei  Worte:  «izt  handle I»  benach- 
richtigen möchte.  Der  Politik  abgestorben  und  in  literarischen 
Arbeiten  vergraben,  würde  er  diesen  Zeitpunkt,  den  der 
Leute  Gerede  sehr  falsch  bestimmen  dürfte,  nicht  zu  er- 
kennen vermögen**. 

Diesen  Zeitpunkt  gab  ihm  Lichtenberg  in  einem  ebenfalls 
nicht  erhaltenen  Briefe  vom  1.  März,  den  Grolman  erst  am 
7.  März  erhielt,  an.  Gleich  am  folgenden  Tage  ließ  Grolman 
die  „Bittschrift**  an  den  Großherzog  abgehen.  „Ich  glaubte", 
so  'schrieb  er  an  dem  hämlichen  Tage  an  Lichtenberg,  „keinen 
Augenblick  versäumen  zu  dürfen,  weil  mein  Bruder,  um 
dessenwillen  ich  dieses  Alles  tue,  sich  wieder  bei  der  Armee 
befindet*^^  und  vielleicht  izt  noch  ein  Momentchen  ergreifen 
kann,  um  die  Sache  in  Berlin  zu  ihrem  Ziele  zu  führen**.  — 
Er  fürchtet  jetzt  keinen  unglücklichen  Ausgang  seines  Ver- 
suchs mehr,  wenngleich  er  noch  immer  mit  der  Möglichkeit 
rechnet,  „daß  der  Plan  —  z.  B.  wenn  sein  Vetter  unterdessen 
seinen  Einfluß  am  Berliner  Hofe  verloren  hätte  —  noch 
scheitern  könnte**. 

Die  an  den  Großherzog  gerichtete  Bitte  Grolmans  halte 
Erfolg.  Am  28.  Mai  1812  wurde  ihm  die  Versicherung,  daß 
der  Großherzog  die  Ausdehnung  des  der  Grolmanschen  Fa- 
milie im  Jahre  1786  verliehenen  preußischen  Adels  auf  die 
Linie  seines  Vaters  gestatte,  und  solche,  wenn  sie  erteilt 
werde,  bestätigen  würde.  Auch  in  Berlin  hatte  Grolman 
Erfolg,  denn  am  22.  Oktober  1812  wurde  er  und  seine  Brüder 
in  den  preußischen  Adelsstand  erhoben. 

Wie  die  vorstehende  Darstellung  zeigt,  hat  Grolman 
die  Erhebung  in  den  Adelsstand  durch  den  als  franzosen- 
feindlich bekannten  Geh.  Obertribunalspräsidenten  erreicht 
und  nur  durch  diesen  zu  erreichen  gesucht.  Damit  ist  aber 
die  Vermutung  Pallmanns  widerlegt,  daß  „es  vielleicht  eine 
Belohnung  für  die  französische  Gesinnung  Grohnans  ge- 
wesen sei,  wenn  der  König  von  Preußen,  dem  damals  alles 
daran  gelegen  gewesen  sei,  von  Frankreich  nicht  als  Feind 
behandelt  zu  werden,  ihm  für  sich  und  seine  Nachkommen 
den  Adel  erneuerte**. 

Grolman  selbst  machte  zunächst  von  seiner  Erhebung 
in  den  Adelsstand  keinen  Gebrauch  und  unterließ  es  vor- 
erst, um  ihre  landesherrliche  Bestätigung  nachzusuchen.  „Er 
wurde  in  diesem  Entschlüsse  durch  das  Unglück  der  Zeiten 

^^  Er  begleitete  den  Grafen  Wilhelm  von  Hochberg  als  Chef  seines 
Generalstabs  auf  dem  Feldznge  nach  Rußland. 


Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grolman  in  Gießen.  449 

rkt;  das  auch  ihn  aufs  empfindlichste  verwundete,  indem 
Jruder,  dessen  Interessen  einzig  sein  Handeln  bestimmt 
n,  vielleicht  auf  immer  für  ihn  verloren  war."  ^"  —  Erst 
eh.  Rat  von  Stein,  von  dessen  „pniritus  Zeitschriften  zu 
ehern**  er  schon  vor  Jahren  einmal  gesprochen  hatte '^ 
Nachricht  von  seiner  Standeserhöhung  in  dem  letzten 
tnberheft  der  „Allgemeinen  Literaturzeitung**  "^^  das  Grol- 
ersl  im  Februar  1813  zu  Augen  kam,  einrücken  ließ, 
er  dem  Freiherrn  von  Lichtenberg  in  einem  Briefe  vom 
ebruar  1813  den  soeben  geschilderten  Sachverhalt  mit, 
cherte  ihn  ausdrücklich,  „daß  er  wirklich  vollkommen 
luldig  an  einer  Bekanntmachung  sei,  welche  von  seiner 
,  vor  der  Bestätigung  seines  gnädigsten  Herrn,  einen 
nswerten  Gebrauch  von  dem  Preußischen  Adel  dar- 
in könnte**,  und  bat  ihn  imi  einige  ihm  wichtige  Auf- 
sse. Alsdann  suchte  er  am  24.  Februar  1813  um  die 
jsherrliche  Bestätigung  der  Ausdehnung  des  preu- 
en  Adels  der  Grolmanschen  Familie  auf  die  Linie 
s  verstorbenen  Vaters,  Adolf  Ludwig  Grolman,  nach. 
>  wurde  ihm  am  4.  März  erteilt  und  am  9.  März  in 
,Großh.  Hessischen  Zeitung** '^  bekannt  gemacht. 

Das  letzte  Produkt  von  Grolmans  schriftstelle- 
lier  Tätigkeit  war,  wenn  von  den  beiden  letzten  Auf- 
L  der  „Grundsätze  der  Criminalwissenschaft**  (3.  Aufl. 
;  4.  Aufl.  1826)  und  „der  Theorie  des  gerichtlichen  Ver- 
ins**  (4.  Aufl.  1819;  5.  Aufl.  1820)  abgesehen  wird,  eine 
3ßschrift,  die,  wie  sehr  viele  derartige  Schriften,  anonym 
ihre  1814  erschien.  Ihr  Titel  lautete:  „Über  olographe 
mystische  Testamente.  Eine  Deduktionsschrift  in 
Rechtssache  der  verstorbenen  Freyfrau  von  Barkhaus- 
enhütten, geborene  von  Veitheim,  gegen  die  Intestat- 
1   derselben**. 

Die  Veranlassung  dieser  Deduktion  ist  folgende:  Die 
ahlin  des  ehemaligen  hessischen  Staatsministers  Frei- 
1  von  Barkhaus-Wiesenhütten,  der  uns  als  „Gönner** 
nans  bereits  bekannt  ist,  hielt  sich  mit  ihrem  Gatten  in 
etzten  Zeit  ihres  Lebens  zu  Frankfurt  a.  M.  auf,  wo  sie 
3.  Februar  1812  nach  den  Vorschriften  des  Code  Na- 


'^  Diese   in   einem   Briefe   an   den   Freiherrn   von   Lichtenberg  vom 
ebruar    1813    ausgesprochene    Ahnung    trog    Grolman    nicht;    einige 
vorher,  am  6.  Februar,  war  sein  Bruder  in  Wilna  gestorben. 
^1  In  einem   Brief  an  Lichtenberg   vom   20.   Dezember  1808  in  den 
über  die  Gießener  Konferenzen. 
'-  Ko.  328  vom  31.  Dezember  1812.  —   ^3  Jahrgang   1813,   S.  236. 

ilrftge  z.  Gesch.  d.  Unirendtäten  Mainz  u.  Gießeu.  29 


450  Karl  Esselborn. 

pol6on,  der  damals  im  Großherzogtum  Frankfurt  galt,  zwei 
wörtlich  gleichlautende  Testamente,  ein  olographes,  das  heißt 
eigenhändiges,  und  ein  mystisches,  das  heißt  dem  Kotar 
verschlossen  übergebenes,  errichtete.  In  diesen  Testamenten 
hatte  die  im  April  verstorbene  Erblasserin  ihren  Gemahl 
mit  gänzlicher  Übergehung  ihrer  Halbgeschwister,  die  ihre 
gesetzlichen  Erben  gewesen  wären,  zum  Universalerben  ihres 
ganzen  beträchtlichen  Vermögens  eingesetzt.  Auf  Grund 
dieser  Testamente  hatte  sich  der  Gemahl  in  den  Besitz  der 
Erbschaft  gesetzt.  Gegen  ihn  erhoben  die  gesetzlichen  Erben 
bei  dem  Hofgericht  zu  Darmstadt  Klage  auf  Herausgabe  der 
Erbschaft,  weil  die  beiden  Testamente  nichtig  seien. 

Als '  den  Klägern  die  Erlaubnis  zu  triplizieren  nicht  er- 
teilt wurde,  ließen  sie  die  für  sie  als  Triplik  ausgearbeitete 
Deduktion  im  Druck  unter  dem  Titel:  „Über  die  Grund- 
lage, die  Natur  und  die  Behandlungsart  des  olo- 
graphen  und  mystischen  Testaments  des  Franzö- 
sischen Rechts"  (Wiesbaden  1814)  erscheinen.  Der  Ver- 
fasser dieser  Deduktion  war  Harscher  von  Almendingen, 
und  nicht,  wie  dieser  in  zwei  von  ihm  selbst  verfaßten 
Kritiken"*  seiner  Schrift  angibt,  der  Hofgerichts-  und  Re- 
gierungsadvokat Stam[m].  Der  Widerlegung  der  Deduktion 
Almendingens  ist  diejenige  Grolmans  gewidmet.  Das  Gericht 
schloß  sich  den  zweifellos  zutreffenderen  Ansichten  Gröl- 
inans  an,  indem  es  unter  Anerkennung  der  Rechtsbeständigkeit 
der  beiden  Testamente  die  Klage  kostenpflichtig  abwies.'^ 

Der  Biograph  in  den  „Zeitgenossen"  (a.  a.  0.,  S.  U) 
schreibt  diesem  Siege  Grolmans  über  Almendingen  eine  Ent- 
zweiung der  beiden  Freunde  zu.  Er  sagt  mit  dieser  Be- 
hauptung aber  offenbar  zu  viel.  Denn  das  Verhältnis  beider 
Männer  zueinander  war  einerseits  schon  seit  den  Gießener 
Konferenzen  ein  so  kühles,  daß  von  einer  Entzweiung  nicht 
mehr  die  Redcj  sein  konnte;  andererseits  war  kein  völliger 
Bruch  zwischen  beiden  eingetreten,  denn  sonst  hätten  nicht 
die  beiden  letzten  Auflagen  der  „Theorie  des  gerichtlichen 
Verfahrens",  ebenso  wie  alle  früheren  ihm  und  Feuerbach 
gewidmet  sein  können. 

Der  Wirksamkeit  Grolmans  als  Rektor  ist  bereits  g^ 
dacht  worden.  Hier  ist  nur  noch  die  Frucht  zu  erwähnen, 
die  ihm  die  bewährte  Führung  seines  zweijährigen  Rektorats 

"*  Alljromeine  Literaturzoitung,  Leipzig  1814,  I,  No.  42  u.  43,  Sp.  329 
l)is  33y.  Jonaische  allg.  Literaturzeitung  1814,  I,  No.  43,  Sp.  837-844; 
die  letztere   Besjjrechung  ist  L  H  v.  A  unterzeichnet. 

^^  Heidelberger  Jahrbücher  der  Literatur,  7.  Jahrg.  1814,  S.  465 — 4^2. 


Karl  Ludwig  WiUielm  von  Grolman  in  Gießen.  451 

ichte:  die  Übertragung  der  höchsten  Würde,  die  die 
idoviciana  zu  vergeben  hatte,  nämlich  des  Kanzel - 
riats.^^  Das  Kanzellariat,  das  im  Gegensatz  zu  den  übrigen 
ademischen  Verwaltungsämtern,  die  alljährlich  wechselten, 
uernd  übertragen  wurde,  sollte  die  Einheitlichkeit  in  der 
rwaltung  wahren.  Der  Kanzler  stand  gleichsam  an  der 
itze  sämtlicher  Zweige  der  Universitätsverwaltung,  die, 

sich  voneinander  unabhängig,  durch  ihre  Unterordnung 
ter  diese  ständige  Instanz  in  einen  gewissen  organischen 
isammenhang  zueinander  traten. 

Nach  dem  Tode  des  Kanzlers  Koch  wurde  die  mit  Ge- 
lt verbundene  Kanzlerwürde  am  2.  April  1808  aufgehoben 
d  ausgesprochen,  daß,  wenn  je  wieder  ein  Kanzler  er- 
nnt  werden  sollte,  diese  Auszeichnung  nur  ein  reiner 
irentitel  sein  solle.  Neben  Gründen  der  Sparsamkeit  war 
r  die  Aufhebung  noch  die  Erwägung  maßgebend,  daß  einer- 
its  der  ursprüngliche  Zweck  des  Kanzellariats,  die  Er- 
ilung  der  Erlaubnis  zu  den  Promotionen  im  Namen  des 
lisers,  dessen  Reservatrecht  die  Verleihung  akademischer 
ürden  bildete,  nach  Auflösung  des  Reiches  weggefallen  war, 
id  daß  man  andererseits  im  Jahre  1805  dem  Rektor  einen 
is  den  vier  Fakultäten  gebildeten  engeren  Ausschuß  zur 
nie  gestellt  hatte,  der  den  Rektor  bei  seiner  Amtsführung 
iterstützen  sollte  und  den  Wirkungskreis  des  Kanzlers  ver- 
tigerte,  wenn  nicht  überhaupt  illusorisch  machte. 

Allein  dieser  engere  Ausschuß  ersetzte,  wie  sich  bald 
ligte,  den  Kanzler  keineswegs.  Ebensowenig  bewährte  sich 
e  von  dem  Rektor  und  den  Dekanen  der  vier  Fakultäten 
jführte  Verwaltung  der  Universitätsgefälle,  und  zwar  auch 
inn  nicht,  als  man  im  September  1808  den  Wechsel  der 
ommissarien  aufhob  und  eine  ständige  Verwaltungsbehörde 
edersetzte,  die  jedoch  dem  bisherigen  Gebrauch  gemäß 
IS  Mitgliedern  der  vier  Fakultäten  bestand.  Die  Mißstände 
aten  klar  zutage,  als  der  geistliche  Rat  Schmidt,  der  als 
eologischos  Mitglied  der  Kommission  den  Vorsitz  in  ihr 
hrte,  am  4.  Oktober  1815  dieses  Amtes  enthoben  wurde, 
eil  er  dasselbe  „als  fremd  und  mit  seinen  Berufsgeschäften 

keiner  Verwandtschaft  stehend  ansah**.  Es  erschien  des- 
ilb  wünschenswert,  „daß  erstens  bei  Constituierung  der 
erwaltungs-Kommission  nicht  auf  Alter  und  Dienstjahre, 
ich  nicht  auf  die  Fakultäten,  sondern  auf  persönliche  Kennt- 
sse  und  Qualifikation  gesehen  werde,  und  daß  zweitens 
ü  derselben  ein  mit  dem  Geschäfte,  das  er  leiten  solle,  und 

^6  Die  fülgcrulo  Darstellung  beruht  auf  Ministerialreferaten  im  Be- 
z  des  Großb.  Haus-  u.  Staatsarcbivs. 


452  Karl  Esselborn. 

der  Üniversiiätsverfassung  überhaupt  vertrauter  Direktor 
vorgesetzt  werde,  damit  Einheit,  Ordnung  und  Tätigkeit  in 
das  Geschäft  komme  und  jemand  vorhanden  sei,  der  eine 
Übersicht  über  das  Ganze  habe". 

Zur  Bekleidung  dieser  wichtigen  Stelle  erschien  Grol- 
man,  wie  das  Ministerialreferat  vom  11.  Dezember  1815  an- 
gibt, aus  folgenden  Gründen  hervorragend  geeignet:  „Ein- 
mal sei  die  Kenntnis  von  Geschäften  und  rechtlichen  Formen 
bei  den  Mitgliedern  anderer  Fakultäten  (als  der  juristischen) 
nicht   zu   erwarten;   außerdem   habe   Grolman   bei    seinem 
Rektorat  bewiesen,  daß  er  dieser  Stelle  vorzüglich  gewachsen 
sei.    Unter  seiner  leitenden  Hand  sei  in  alle  akademischen 
Institute  neues  Leben  gekommen.    Er  habe  die  Reform  des 
Pädagogs  bewirkt  und  es  zu  einer  Stufe  der  Vollkommen- 
heit gebracht,  auf  der  es  lange  nicht  gestanden  hätte;  er 
habe  die  organischen  Gesetze  des  philologischen  Instituts 
entworfen,     die     bei     der     Stipendienkommission     stattge- 
fundenen,  durch  den  Erfolg   bewährten  Veränderungen  in 
Vorschlag   gebracht  und  die   Disziplin   mit  so  viel  Würde 
und  Schonung  gehandhabt,  daß  das   gesamte  akademische 
(k>rpus  darauf  angetragen  hätte,  seine  Rektoratszeit  auf  ein 
weiteres  Jahr  zu  verlängern,  damit  das  von  ihm  angefangene 
(iute    unter    seiner    Pflege    feste    Wurzeln    fassen  könne. 
Einzelne  Professoren  hätten  sogar  damals  schon  darauf  an- 
getragen, ihm  entweder  das  Kanzellariat  oder  ein  ständiges 
Direktorium  der  Universität  zu  übertragen.    Weiterhin  ver- 
bürgten    die    von    ihm     während     seines     Rektorats   ge- 
sammelten Erfahrungen,  seine  vielseitigen  Kenntnisse,  seine 
Tätigkeit  und  der  lebendige  Anteil,  den  er  bisher  an  allen 
Zweigen  des  akademischen  Wesens  und  an  ihrem  Besser- 
werden genommen  hätte,  sowohl  seine  vorzügliche  Fähigkeit 
zu  diesem  Amte  als  auch  seinen  Willen,  diesen  Obliegen- 
heiten Genüge  zu  leisten". 

„Überdies  habe  sich  sein  Patriotismus  für  sein  Vater- 
land und  dessen  hohe  Schule  durch  Ausschlagung  reizender 
und  vorteilhaftester  Vokationen  bewährt;  daher  dürfte  diese 
Beförderung,  obwohl  sie  eigentlich  nicht  sein,  sondern  der 
Universität  Bestes  bezwecke,  nebenher  zugleich  als  Beloh- 
nung und  als  ein  neues  Band,  das  ihn  fester  an  die  Univer- 
sität knüpfte,  angesehen  werden.**  Schließlich  könnte  man 
dieses  Amt  nicht  mit  einem  der  beiden  älteren  Professoren 
der  juristischen  Fakultät,  die  auf  diese  Auszeichnung,  wenn 
sie  bloß  Ehrenamt  wäre  und  nicht  zugleich  die  ganze  An- 
strengung eines  Mannes  in  Anspruch  nähme,  ihres  höheren 
Dienstalters    wegen   „aspirieren**    könnten,    besetzen,   ohne, 


Karl  [judwig  Wilhelm  von  Grolman  in  Gieücn.  453 

\vie  seither,  in  den  Fehler  zu  verfallen,  „daß  nicht  persön- 
liche Kenntnisse,  sondern  eine  gewisse,  durch  Alter  und 
Fakultät  bestimmte  Rangordnung  den  Weg  zu  akademischen 
Ämtern  bahnte".  Zudem  habe  der  eine  —  Professor  Büchner 
—  sich  schon  seit  geraumer  Zeit  Selbsten  von  allem  An- 
teil an  öffentlichen  Geschäften  zurückgezogen,  und  des 
anderen,  Professors  Musaeus,  Alter  vertrüge  sich  nicht  mit 
der  „Tätigkeit**,  welche  besonders  in  den  ersten  Jahren  die 
Haupteigenschaft  des  Kanzlers  sein  müsse.  Deshalb  könne 
letzterer  mit  der  Erklärung  zufriedengestellt  werden,  daß 
man  ihn  mit  den  vielerlei  anstrengenden  Geschäften,  die 
das  Kanzellariat  auferlege,  aus  schonenden  Rücksichten  nicht 
habe  beschweren  wollen.  — 

Der  Großherzog  genehmigte  am  1,4.  Dezember  1815  diese 
Vorschläge  und  ernannte  Grolman  zum  „Kanzler  der  Uni- 
versität** mit  einem  jährlichen  Gehalt  von  300  Gulden  und 
den  statutenmäßigen  Befugnissen  und  Rechten  eines 
Kanzlers.  Gleichzeitig  wurde  der  Geh.  Rat  und  Universitäts- 
syndikus Dr.  Joh.  Daniel  Hch.  Musaeus  „im  Vertrauen  auf 
seine  besondere  Bekanntschaft  mit  den  Rechtsangelegen- 
heiten der  Universität**  der  akademischen  Verwaltungskom- 
mission „beigesetzt**,  die  aus  den  seitherigen  Mitgliedern, 
Geh.  Rat  Büchner  sowie  den  Professoren  Nebel,  Walther 
und  Schmidt  (Mathematiker)  als  ständigen  Beisitzern  und 
aus  dem  Kanzler  als  Vorsitzenden  gebildet  wurde. 

Die  Wiederherstellung  des  Kanzellariats  wurde  von  der 
Universität  freudig  begrüßt.  Der  Geh.  Rat  Schmidt,  der  in 
ihr  einen  wesentlichen  Gewinn  sowohl  an  Würde  als  an 
innerer  Haltung  erblickte,  beantragte  am  25.  Dezember  des- 
selben Jahres  den  Erlaß  eines  Dankschreibens  an  den 
Oroßherzog,  ein  Antrag,  der,  von  dem  damaligen  Rektor 
Dr.  Arens  warm  befürwortet,  allgemein  angenommen  wurde. 
Nur  Musaeus  fand  keinen  (jrund  zu  einem  solchen 
Schreiben,  da  seiner  Ansicht  nach  dies  eine  persönliche 
Pflicht  des  zu  der  neu  hergestellten  Würde  Beförderten  sei. 

Dagegen  fügten  ihrem  Votum  besondere  Worte  der  Zu- 
stimmung bei :  der  alte  Cromo:  „Ich  dächte,  man  dürfte  nur 
an  das  zweifache  Rektorat  des  werten  Kollegen  und  Ober- 
appellationsrats Dr.  Grolman  und  an  dessen  Wert  für 
die  Universität  sich  erinnern,  mn  dem  werten  CoUegen  Geh. 
Rat  Schmidt  beizupflichten**;  Löhr:  „Ich  glaube,  daß  die 
Ernennung  eines  in  jeder  Hinsicht  ausgezeichneten  Mannes 
zum  Kanzler  der  Universität  es  uns  zur  Pflicht  macht.  Seiner 
Königlichen  Hoheit  zu  danken**,  und  Müller:  „Majora  sind 
da  und  ich  werde  unterschreiben,  ob  es  gleich  etwas  neues 


454  Karl  Esselborn. 

und  niemals  geschehen  ist.  Schätzte  ich  Herrn  Kanzler 
V.  Groiman  nicht  als  einen  gelehrten  und  rechtschaffenen 
Mann,  der  außerdem  eine  Zierde  unserer  Universität  ist, 
so  würde  ich  nicht  unterschreiben". 

Die  Übertragung  der  neuen  Würde  hat  Groiman  nach 
seinen  eigenen  Worten  „ganz  unvermutet,  wie  ein  Dieb  in 
der  Nacht  überfallen  und  war  ihm  eben  darum  besonders 
angenehm,  weil  sie,  nicht  entfernt  von  ihm  veranlaßt,  ihm 
als  ein  Beweis  freyer  Gnade  seines  Herrn  erschien".^" 

Das  Bild  von  Grolmans  vielverzweigter  Wirksamkeit 
würde  kein  vollständiges  sein,  wenn  nicht  seiner  Tätigkeit 
als  Chef  des  ersten  Bataillons'  des  Landwehrregiments  No.  17 
und  später  als  Inspekteur  der  8.  Landwehr-Inspektion  kurz 
gedacht  würde.  Die  Landwehr  war  im  Großherzogtum  Hessen 
durch  Edikt  vom  7.  Januar  1814^8  eingeführt  worden;  sie 
diente  neben  den  durch  Konskription  gebildeten  Linien- 
truppen der  Landesverteidigung  imd  zerfiel  in  drei  Klassen, 
von  denen  in  der  Regel  nur  die  erste  Klasse,  die  sich  aus 
denjenigen  Leuten  der  Konskription  von  17  bis  25  Jahren, 
welche  in  der  Regel  vom  Zug  frei  waren,  aus  den  waffen- 
fähigen Männern  der  konskriptionspflichtigen  Klassen  vom 
25. — 35.  Jahre,  sowie  aus  denjenigen  Söhnen  der  Bürger 
Darmstadts  und  Gießens,  deren  Familien  nicht  wenigstens 
einen  Freiwilligen-Jäger  gestellt  hatten,  zusanmiensetzte,  auch 
außerhalb  der  Landesgrenzen  und  zmn  Ersatz  der  Linien- 
regimenter gebraucht  werden  konnte. 

Die  Spuren  dieser  militärischen  Tätigkeit  Grolmans  sind 
bis  auf  einige  Berichte  im  Großh.  Haus-  und  Staatsarchiv, 
die  kein  allgemeines  Interesse  bieten,  verweht.  Sein  Biojiraph 
in  den  „Zeitgenossen"  (a.  a.  0.,  S.  16)  berichtet,  „daß  aus 
allen  seinen  Äußerungen  die  bestimmte  Tendenz  her\^orging, 
erforderiichenfalls  mit  gewaffneter  Hand  und  unter  Auf- 
opferung aller  individuellen  Rücksichten  des  Eigennutzes, 
der  Rückkehr  eines  politischen  Verhältnisses  im  Vaterland 
abzuwehren,  dem,  nach  seiner  Überzeugung,  dasselbe  nur 
mit  Schmach  und  Schande  sich  würde  unterziehen  können. 
Die  feurigen  Reden  und  Tagesbefehle,  die  Groiman  in  seiner 
neuen  Eigenschaft  als  militärischer  Chef  seiner  Vaterstadt 
erließ,  flössen  demnach  gewiß  aus  den  innersten  Motiven 
seines  Gefühls". 


'7  Brief  Grolmans  vom  23.  Dezember  1815  an  seinen  ältesten  Bruder, 
den  Ilofgerichtsrat  Adolf  von  Groiman,  im  Besitze  der  Tochter  des  Adres- 
Sciten,  Fräulein  Berta  von  Groiman  in  Gießen. 

'^  Sammlung  der  in  der  Großh.  Hess.  Zeitung  vom  Jahr  1814  publi- 
zierten Verordnungen,  Darmstadt  1815,  S.  2 — 4. 


Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grolman  in  Gießen.  455 

Auch  diese  Haltung  Grolmans  billigt  Pal  Im  an  n  nicht; 
nn  indem  jener  den  auf  den  deutschen  Hochschulen 
senden  napoleonfeindlichen  Geist  in  der  Blütezeit  der  na- 
leonischen  Herrschaft  eifrig  bekämpft  habe,  nach  1813 
er  ebenso  eifrig  gegen  Napoleon  aufgetreten  sei,  „habe 

zu  der  zahlreichsten  Klasse  von  deutschen  Männern  ge- 
rt,    welche  den  Franzosen,    solange   sie    mächtig   waren, 

die  Hand  arbeiteten,  um  sie  nachher  ebenso  schnell  zu 
rlassen**.  —  Dieses  Urteil  ist  in  seiner  schroffen  Richtung 
gen  Grolman  nicht  gerechtfertigt.  Denn  dieser  teilte  die 
iitik  des  von  ihm  innig  verehrten  und  aufrichtig  bcwun- 
rten  Großherzogs  Ludewigs  I.  Als  dieser,  durch  seine 
utsche  Gesinnung  ausgezeichnete  Fürst,  der,  wie  die 
uosten  Untersuchungen  J.  R.  Dieterichs^»  überzeugend 
abgewiesen  haben,  in  der  vergeblichen  Hoffnung  auf  die 
ilfe  Preußens  so  lange  mit  dem  Anschluß  an  Frankreich 
zögert  hatte,  bis  diesen  Schritt  Selbsterhaltung  und  Not- 
jhr  geboten,  der  Verbündete  Frankreichs  geworden  war, 
>chien  die  Rheinbundpolitik  als  unabänderliche  Norm  für 
olmans  Handeln,  die  aber  für  ihn  die  bindende  Kraft  ver- 
•,  sobald  sich  sein  Landesherr  von  dem  Rheinbund  los- 
sagt hatte. 

Die  politischen  Veränderungen  in  Deutschland  und 
iropa  sollten  bald  einen  bedeutenden  Kinfluß  auf  die  Ge- 
bicke  Grolmans  ausüben.  Bei  der  territorialen  Umge- 
staltung des  Großherzogtums  schien  di?  Gleichförmigkeit 
r  Gesetzgebung  als  ein  Mittel,  um  das  Band  zwischen  den 
en  und  neuen  Landesteilen  auf  beiden  Seiten  des  Rheins 
iter  zu  knüpfen.  Deshalb  verfügte  ein  Edikt  vom  4.  No- 
mber  1816^«  die  Ausarbeitung  eines  neuen  Zivilgesetz- 
chs  für  das  gesamte  Großherzogtum  auf  Gnindlage  des 
rgerlichen  Gesetzbuchs  der  österreichischen  Monarchie,  so- 
e  einer  neuen  Zivilprozeßordnung. 

Man  hatte  sich  um  deswillen  entschlossen,  die  neue 
nlgeselzgebung  an  ein  bestehendes  Gesetzbuch  anzu- 
iließen,  weil  ein  ganz  neues  Zivilgesetzbuch  zu  schaffen 
n  beabsichtigten  Zweck,  die  neuen  Gesetze  bereits  am 
Januar  1818  in  gesetzlicher  Kraft  zu  erblicken,  offenbar 
rzögert  und  erschw^ert  haben  würde.  Für  das  öster- 
chische  Gesetzbuch  entschieden  hierbei  „namentlich  sein 
atscher  Ursprunjr,  seine  Beschränkung  auf  den  Kreis  des 

••'  Quartalblättcr   dos    Historischen    Vereins   für   das   Großherzogtum 
{sen,  Neue  Folge  4,  S.  40 £f. 

8*^  Großh.  Hess.  Zeitung  vom  14.  November  1816,  No.  137. 


456  Karl  Esselborn. 

reinen  Privatrechts,  seine  Kürze  und  Bestimmtheit,  die  für 
es  sprechende  Erfahrung  und  der  bei  der  letzten  Redaktion 
gemachte  Gebrauch  anderer  Gesetzbücher,  namentlich  des 
französischen,  wodurch  besonders  die  neuen  Staatsange- 
hörigen auf  der  Unken  Rheinseite  manches  Bekannte  und 
Gewohnte  wiederfinden  konnten**. 

„Da  es  weniger  auf  theoretische  Vollkommenheit  ein- 
zelner Sätze  als  auf  baldige  Begründung  eines  auf  jeden 
Fall  besseren  und  gewisseren  Zivilrechtszustandes  ankam, 
so  sollten  nur  da,  wo  es  notwendig  oder  offenbar  nützlich 
wäre,  Abänderungen  vorgeschlagen  werden",  zumal  man 
dabei  auch  in  Erw^ägung  zog,  „daß,  je  geringer  die  Anzahl 
der  Abänderungen  in  dem  österreichischen  Zivilgesetzbuch 
sein  werde,  desto  größer  die  Möglichkeit  der  nicht  ganz 
unbegründeten  Erwartung  sein  werde,  daß  das  Beispiel 
Seiner  Königlichen  Hoheit  bei  manchen  Nachbarstaaten 
Nacliahmung  finden,  mithin  Veranlassung  zu  einer  dem- 
nächstigen größeren  oder  geringeren  Gleichförmigkeit  in  der 
Gesetzgebung  mehrerer  deutschen  Staaten  geben  könne".**^ 

Zur  Ausarbeitung  dieser  neuen  Gesetzgebung  wurde 
durch  Verordnung  vom  gleichen  Tage  eine  neue  Gesetz- 
gebungskommission gebildet,  die  aus  dem  Universitätskanzler 
von  Grolman,  dem  Oberappellationsgerichtsrat  Peter  Josef 
Floret  zu  Darmstadt  und  dem  Kriegsgerichtspräsidenten 
Wilhelm  Wernher  zu  Mainz  bestand.  Dieser  Kommission 
waren  der  Oberappellationsgerichtsrat  Peter  Josef  Freiherr 
von  Gruben  und  der  Oberforstrat  Karl  Christian  Eigen- 
brodt  beigegeben,  damit  sie  „zu  den  Beratungen  der  Kom- 
mission in  dem  Maße  mitwirken  sollten,  daß  sie  nicht  nur 
mit  ihr  über  einzelne  Hauptarbeiten,  wenn  diese  beendigt 
seien,  zu  konferieren  und  ihr  Gutachten  abzugeben  hätten, 
sondern  auch  während  der  Arbeiten  über  einzelne  Punkte 
zugezogen  werden  könnten**.  Der  eigentlichen  Kommission 
war  aufgegeben,  „bis  zum  2.  Dezember  1816  in  Darmstadt 
zusammenzutreten,  um  über  die  Art  und  Weise  und  Ein- 
teilung ihrer  Arbeiten  gehörige  Verabredung  zu  treffen*'.  -7 

Bereits  im  Jahre  1808  hatte  Grolman  bei  Gelegenheit 
seines  Gesuchs  mn  Entlassung  aus  der  älteren  Gesetzgebungs- 
kommission betont,  „daß  der  Gesetzgebung  notwendig  eine 

81  Vergl.  die  vorläufige  Instruktion  der  Kommission  in  den  k^^^^ 
des  Großli.  Ministeriums  des  Innern  und  der  Justiz,  Abt.:  Gesetze-Redak- 
tionskommission, Konv.  I.  —  Außer  diesen  Akten  vergl.  zum  folgenden: 
Breidcnbach,  a.a.O.,  S.  14£f. ;  Motive  zu  dem  Gesetzbuch  für  dasGro»- 
herzogtum  Hessen  über  das  Verfahren  in  bürgerlichen  Rechtssachen,  heraus- 
gegeben von   P.  J.   Floret.   1.  Heft,  Darmstadt   1818.  S.   1£E. 


Karl  Ludwig  Wiliielm  von  Grolman  in  Gießen.  457 

Stelle  in  der  Zentralregierung  gebühre,  und  daß  die  Re- 
daktion schlechterdings  nicht  von  einer  Provinz  aus  besorgt 
werden  könne"  «2^  und  abermals  in  seinem  Bericht  über  die 
letzten  Verhandlungen  der  Gießener  Kommission  vom  12.  Mai 
1810  darauf  hingewiesen,  daß  „bei  einer  Sache,  welche,  wie 
Gesetzgebungen  in  ihren  einzelnen  Teilen  und  in  ihrem 
feineren  Detail,  einer  großen  Verschiedenheit  der  Ansichten 
verständiger  Männer  Raum  ließen,  es  wirklich  nicht  wohl 
möglich  sei,  in  dem  schriftlichen  Vortrage  alles  so  zu  ent- 
"wickeln,  daß  zum  Voraus  jeder  möglichen  anderen  Ansicht 
begegnet  würde.  Vorzüglicher  sei  es  in  dieser  Hinsicht  gewiß, 
wenn  neue,  große  Reformen  der  Gesetzgebung  entweder 
selbst  von  denjenigen  oder  doch  unmittelbar  unter  der 
Leitung  derjenigen  bearbeitet  würden,  welchen  der  Vortrag 
im  Gesetzgebungsfach  in  der  höchsten  Zentralregierung  an- 
x^ertraut  sei." 

Die  Richtigkeit  dieser  Bemerkungen  Grolmans  hatte  man 
^war  dadurch  anerkannt,  daß  man  der  neuen  G^setzgebungs- 
Ivommission  ihren  Sitz  in  Darmstadt  anwies,  ihre  Bedeu- 
tiung  aber  insofern  nicht  völlig  gewürdigt,  daß  man,  wie 
<lie  vorläufige  Instruktion  erklärt,  „bei  dem  Interesse,  welches 
<:lie  Anwesenheit  des  Gr.  Universitätskanzlcrs  v.  Grolman 
-ZU  Gießen  für  die  Landesuniversität  habe,  von  der  Ansicht 
.ciusging,  daß  .  .  .  derselbe  vielleicht  während  der  Dauer 
dieser  Arbeiten  nicht  inuner  in  Darmstadt  verweilen  müsse, 
Xjnd  daß  namentlich,  wenn  etwa  derselbe  die  Redaktion  der 
-Zivilprozeßordnung  vorzüglich  übernehme,  auf  diese  Weise 
das  Interesse  der  legislativen  Arbeiten  mit  dem  der  Landes- 
^miversität  einigermaßen  zu  vereinigen  sein  möchte".  — 
--Aber  die  Tatsachen  zeigten  bald,  daß  eine  Vereinigung  beider 
Zwecke  nicht  möglich  sei;  Grolmans  Anwesenheit  in  Darm- 
^tadt  sollte  zu  einer  dauernden  werden. 

Als  Grohnan  sich  zur  Übernahme  der  legislativen  Ar- 
Jbeiten  nach  Dannstadt  begab,  hegte  man  in  den  Kreisen 
^er  Universität  die  Erwartung,  daß  seine  Entfernung  nicht 
lange  dauern,  und  daß  er  seine  Vorlesungen  mit  dem  Anfange 
<ies  Jahres  1817  wieder  fortzusetzen  imstande  sein  werde. 
-Als  sich  jedoch  diese  Erwartung  nicht  erfüllte,  richteten 
^eine  Zuhörer  in  den  ersten  Tagen  des  Januar,  in  der  Be- 
sorgnis, daß  die  ersehnte  Rückkehr  ihres  verehrten  Lehrers 
-sich  noch  länger  verzögern  könnte  und  ihnen  dadurch  dessen 
Vorlesungen  für  das  Wintersemester  1816/17  völlig  entzogen 
"Würde,     an     den    Rektor    Professor    Baiser    eine    Bitte 

8»  Brief  an  den  Geh.  Sekretär  Schleiermacher  vom  20.  August  1808 
im  Großh.  Haus-  u.  Staatsarchiv. 


458  Karl  Esselborn. 

um    dringende    Verwendung    für    die    baldigste    Rückkehr 
Grolmans. 

Diese  Bitte  wurde  durch  einen  Bericht  vom  8.  Januar 
1817«^  an  die  höchste  Staatsbehörde  erfüllt,  dem  das 
Schreiben  der  Studierenden  beigelegt  wunle.  Dieser  schil- 
derte zunächst  den  „großen  fortdauernden  Schaden,  welchen 
einen  sehr  beträchtlichen  Teil  der  Studierenden  durch  die 
längere  Abwesenheit  des  Großh.  Kanzlers  treffen  müsse, 
und  welchem  man  durchaus  nicht  zu  begegnen  imstande  sei, 
da  keiner  der  Fakultätskollegen  die  große  Lücke  auszufüllen 
vermöchte,  welche  die  Unterbrechung  der  Grolmanschen  Vor- 
träge nach  sich  ziehe**.  Dann  fährt  der  Bericht  fort:  „Je 
allgemeiner  überdies  der  Ruf  und  die  Verdienste  unseres 
hochverdienten  Kollegen  in  dem  In-  wie  in  dem  Auslande 
anerkannt  sind,  um  so  nachteiliger  muß  die  Kunde  seiner 
Entfernung  auf  die  Akademie  z\irückwirken,  welche  in  ihm 
eine  ihrer  schönsten  Zierden  besitzt,  und  es  ist  mn  so  mehr 
vorauszusehen,  daß  dadurch  manche  abgehalten  w^erden,  die 
hiesige  Universität  zu  besuchen,  da  wir  mit  Bestimmtheit 
versichern  können,  daß  schon  jetzt  einige  allein  aus  dem 
angeführten  Gnmde  nicht  wieder  zurückgekehrt  sind,  und 
daß  noch  mehrere,  welche  hauptsächlich  wegen  der  Vor- 
träge unseres  abwesenden  Kollegen  sich  hierher  begaben, 
bei  längerer  Entfernung  desselben  die  hiesige  Universität 
zu  verlassen  entschlossen  sind**.  — 

Zum  Schlüsse  weist  der  Bericht  für  den  Fall,  daß  die 
Geschäfte  der  Kommission  für  die  Revision  der  Zivilgesetze 
eine  längere  Abwesenheit  Grolmans  notwendig  machen  sollte, 
darauf  hin,  „daß  durch  die  Verlegung  des  Sitzes  jener  Kom- 
mission von  Darmstadt  nach  Gießen  für  die  Arbeiten  der 
Kommission  wohl  kein  erheblicher  Nachteil  entspringen,  der 
Akademie  aber  der  Vorteil  zuteil  werden  könnte,  daß  der 
Großh.  Kanzler  von  Grolman  alsdann  zugleich  täglich  eine, 
vielleicht  auch  zwei  Stunden  seinem  Lehramt  noch  zu 
widmen  vermöchte,  wodurch  den  eben  geschilderten  Nach- 
teilen wenigstens  zum  größeren  Teile  begegnet  werden 
würde**.  —  In  Darmstadt  glaubte  man  noch  immer  an  die 
Rückkehr  Grolmans  nach  Gießen.  Für  das  Sommersemester 
1817  kündigte  dieser  eine  Vorlesung  an:  „Über  das  rechtlich 
Notwendige  und  Mögliche  in  den  Gesetzgebungen  und  Ver- 
hältnissen der  Völker,  oder  über  das  sogenannte  Natur- 
und  Völkerrecht**. 


**-  In  den  Akten  der  Großh.  Landesuniversität,  betr.  Professor  Ober 
appellationsrat  von  Grolman. 


Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grolman  in  Gießen.  459 

Grolman  hat  diese  Vorlesung  nicht  gehalten.  Mit  dem 
Wintersemester  1817/18  verschwindet  sein  Name  für  immer 
aus  dem  Vorlesungsverzeichnis  der  Ludoviciana.  Am  7.  Sep- 
tember 1818  wurde  seinem  Schwager,  Professor  Arens,  der 
ihn  inzwischen  schon  vertreten  hatte,  wegen  der  noch  fort- 
dauernden Abwesenheit  Grolmans  der  „spezielle  Auftrag  zu- 
teil, auf  so  lange,  als  der  Großh.  Universitätskanzler  noch 
von  Gießen  abwesend  sein  werde,  an  dessen  statt  und  bis 
zu  dessen  hiemächstigem  Wiedereintritt  die  Funktionen  eines 
Universitätskanzlers  zu  verrichten,  auch  in  allen  nicht 
dringenden  Fällen  mit  dem  Kanzler,  damit  auch  dieser  die 
Obersicht  behalte,  amtlich  zu  korrespondieren  oder  wenig- 
stens ihm  Universitätsberichte  zuzuschicken**.«*  —  Lag  also 
immer  noch  eine  Rückkehr  Grolmans  nach  Gießen  im  Be- 
reich der  Möglichkeit,  so  sollte  diese  bald  ganz  schwinden, 
indem  Grolman  am  31.  Juli  1819  „zur  Erleichterung**  des 
von  einer  unheilbaren  Krankheit  befallenen  Staatsministers 
Freiherrn  von  Lichtenberg  zum  wirklichen  Geheimen 
Rate  und  Mitglied  des  Geheimen  Staatsmini- 
steriums ^^  und  nach  Lichtenbergs  Tode  am  25.  März 
1820  zum  Staatsminister  ernannt  wurde. **6 

Kanzler  der  Universität  blieb  Grolman  nominell  bis 
zum  3.  Februar  1821,  wo  Arens,  dem  am  1.  Oktober  1819 
die  von  Grolman  innegehabte  dritte  Professur  übertragen 
worden  war,  zum  Universitätskanzler  ernannt  wurde.  Damit 
war  das  letzte  BanJ,  das  Grolman  mit  der  Ludoviciana  ver- 
knüpft hatte,  zerschnitten,  vielleicht  nicht  ohne  schmerz- 
liches Gefühl  für  diesen,  der  um  die  Zeit  seiner  Ernennung 
zum  Geh.  Rate  bei  Schleiermacher  angefragt  hatte,  „ob 
ihm  die  Intention  des  Großherzogs  über  die  Frage:  wie  es 
mit  dem  Kanzellariate  gehalten  werden  solle?  bekannt  sei**, 
und  für  den  Fall,  daß  „darüber  noch  kein  Beschluß  gefaßt 
wäre**,  den  Wunsch  äußerte,  „daß  ihm  diese  Stelle  vor- 
behalten bliebe**,  da  er  „dadurch  das  beruhigende  Bewußt- 
sein erhalte,  daß  er  bei  möglichen  Ereignissen,  z.  B.  wenn 


^^  Akten  der  Grußh.  Laiuiesuniversität.  botr.  Kanzler  Dr.  von  Arens. 

'*•''  Großh.  Hess.  Regierungsblatt  1819,  S.  28.  Bald  nach  seiner  Beru- 
ung  ins  Ministerium  wurde  Grohnaii  am  17.  August  1819  des  ihm  am  9.  Juni 
.818  übertragenen  Präsidiums  bei  dem  für  die  Provinz  Rheinhessen  in 
>ann8tadt  provisorisch  errichteten  Kassations-  und  Revisionsgericht  ent- 
loben. Eine  Remuneration  war  mit  diesem  Amte  übrigens  nicht  ver- 
aiüpft;  denn  Grolman  eraclilete  sich  für  die  während  seines  Aufenthaltes 
Q  Darmstadt  ihm  gewährten  Tagegelder  „zu  jeder  ihm  daselbst  über- 
ragenen  außerordentlichen  Dienstleistung  verbunden'*.  Vergl.  das  Mini- 
iterialreferat  vom   16.  August  1819  im  Großh.  Haus-   u.   Staatsarchiv. 

86  Reg.-Bl   1820,  S.   172. 


460  Karl  Esselbom. 

er  das  Unglück,  was  Gott  verhüten  möge,  haben  sollte,  den 
besten  Fürsten  zu  überleben,  sich  auf  diesen  ehrenvollen 
Posten   zurückziehen  könnte". 

Die  Gesetzgebungskommission  erkannte  bald,  daß  eine 
Verbesserung  der  bürgerlichen  Gesetzgebung  die  Festsetzung 
einer  gleichförmigen  Justizverfassung  für  das  ganze  Groß- 
herzogtum und  die  Bestimmung  gleichförmiger  Grundlagen 
für  das  gerichtliche  Verfahren  voraussetze.  Dieser  Er- 
kenntnis verdankt  das  hauptsächlichste  Ergebnis  der  Kom- 
mission sverhandlung,  das  Edikt  vom  1.  Dezember  1817*^ 
seine  Entstehung,  das  den  Grundsatz  der  Trennung  der 
Justiz  von  der  Verwaltung  verkündete  und  als  Grundlagen 
des  künftigen  gerichtlichen  Verfahrens,  sowohl  in  Straf-  als 
auch  in  Zivilsachen  die  Grundsätze  der  Öffentlichkeit  und 
Mündlichkeit  anerkannte. 

Auf  dieser  Grundlage  bearbeitete  die  Kommission  den 
Zivilprozeß.     Sie  vollendete   nur   den   ersten   und    zweiten 
Abschnitt  des  besonderen  Teils,  die  das  gewöhnliche  Ver- 
fahren  bei  den  Land-   und   Stadtgerichten,   sowie   bei  den 
Mittelgerichten  in  erster  und  zweiter  Instanz  behandelten. 
Diese   beiden  Abschnitte  wurden  unterm  21.  August  1818 
bezw.   14.  Mai   1819   publiziert«^,   damit  die  Justizbeaniten 
das  neue  Gesetz  nach  und  nach  kennen  lernen  sollten.   Der 
dritte  bis  vierte  Abschnitt,  der  das  gewöhnliche  Verfaliren 
bei  dem  Oberappellationsgerichte  in  erster  und  zweiter  In- 
stanz, die  Arten  des  außerordentlichen  Verfahrens  und  die 
außerordentlichen  Rechtsmittel  gegen  Urteile  enthalten  sollte, 
sowie   der  allgemeine  Teil,   der  die  Lehre  von  den  Ge- 
richten, den  Gerichtspersonen,  den  Parteien,  den  Prokura- 
toren  und  Advokaten,   die   allgemeinen   Verfügungen  über 
dcui  Prozeß  und  die  Lehre  von  den  Beweisen  behandeln  sollte, 
blieb  unausgeführt,  da  die  Arbeiten  der  Kommission  bald 
nach    Grolmans    Berufimg   in    das    Ministerium    ausgesetzt 
wurden.    Hatten  dessen  legislativen  Arbeiten  in  dieser  Kom- 
mission zwar  mehr  Erfolg  als  seine  früheren  im  Jahre  1803 
und  1809/10,  so  blieb  doch  auch  dieser  letzten  Konunission 
die  Erfüllung  ihrer  Hauptaufgabe  versagt:  der  Entwurf  eines 
bürgerlichen  Gesetzbuchs  und  einer  Zivilprozeßordnung,  so 
daß  noch  Art.  103  der  am  17.  Dezember  1820  erlassenen 
Verfassungsurkunde   deren  Einführung  in  Aussicht  stellte. 


^''  Zit.  Sammlung  der  Verordnun^jon  1817,  S.  103 — 111. 

8B  Zit.  Sammlung  der  Verordnungen  1818,  S.  113—132;  1819,  S.  35 
bis  ß6.  Mit  Motiven  herausgegeben  von  Floret  als :  „Motive  zn  dem  Ge- 
selzbuche  für  das  Großherzogtum  Hessen  über  das  Verfahren  in  bürger- 
lichen Rechtssachen",  Heft  1,  Darmstadt  1818;  Heft  2,  ebd,  1819. 


Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grolnian  in  Gießen.  461 

In  Grolman  hatte  die  Ludoviciana  nicht  nur  einen  Ge- 
lehrten von  anerkanntem  literarischem  Ruf,  sondern  auch 
einen  hervorragenden  akademischen  Lehrer  verloren.  Wie 
sein  Biograph  in  den  „Zeitgenossen"  (a.  a.  0.,  S.  11)  be- 
richtet, huldigte  er  nicht  der  damals  mehr  als  heutzutage  ver- 
breiteten Unsitte  des  Diktierens.  Klarheit  und  Deutlichkeit 
seines  imponierenden  und  angenehmen  Vortrags  sollen  nach 
derselben  Quelle  seine  Vorlesungen  zu  den  besuchtesten  und 
erfolgreichsten  gemacht  haben.  In  diesen  hat  er  übrigens 
nicht  nur  die  Gebiete,  auf  denen  er  schriftstellerisch  hervorge- 
treten ist,  nämlich  Strafrecht,  Prozeßrecht  und  französisches 
Recht  behandelt,  sondern*  namentlich  auch  —  auf  Grund- 
lage der  Lehrbücher  von  Gros  bezw.  Hellfeld  —  das  soge- 
nannte Natur-  und  Völkerrecht,  sowie  das  Pandektenrecht. 

Mit  seiner  im  Jahre  1819  erfolgten  endgültigen  Über- 
siedelung nach  Darmstadt  verließ  Grolman  für  immer  den 
Schauplatz,  auf  dem  sich  mit  Ausnahme  seines  Erlanger 
Studienjahres  sein  ganzes  früheres  Leben  abgespielt  hatte, 
Gießen,  die  Stätte  seiner  Jugend-,  Schul-  und  Studienzeit, 
des  Wirkens  in  seinen  besten  Mannesjahren  und  der  Ent- 
stehung seiner  sämtlichen  schriftstellerischen  Werke.  Da- 
mit hat  auch  sein  mit  der  Ludoviciana  so  enge  verknüpftes 
Leben  das  unmittelbare  Interesse  für  diese  verloren.  Die 
Schilderung  der  folgenden  Jahre  seines  Lebens,  das  am 
L4.  Februar  1829,  fast  14  Monate  vor  demjenigen  seines 
jeliebten  Landesfürsten,  den  er  ja  nicht  zu  überleben  ge- 
nrünscht  hatte,  geendigt  hat,  würde  nicht  als  ein  „Reitrag 
:u  der  Geschichte  der  Universität  Gießen"  angesehen  werden 
:önnen.  Dazu  kommt,  daß  die  Darstellimg  der  staats- 
nännischen  Tätigkeit  Grolmans,  die  in  der  bewegten  Zeit 
ler  Entstehung  der  hessischen  Verfassimgskunde  beginnt, 
>ei  dem  Mangel  einer  ausführlichen  Darstellung  der  hessi- 
jchen  Geschichte  des  gleichen  Zeitraums  ein  so  ausführ- 
iches  Eingehen  auf  diese  erfordern  würde,  daß  sie  den  hier 
:u  Gebot  stehenden  Raum  weit  überschreiten  müßte.  Es 
lürfte  daher  gewiß  gerechtfertigt  erscheinen,  daß  die  Gie- 
Jener  Zeit  Karl  Ludwig  Wilhelm  von  Grolmans  hier 
üs  ein  abgeschlossenes  Ganze  behandelt  ist,  und  die  Dar- 
stellung des  letzten  Teils  seines  Lebens  der  Zukunft  über- 
assen  wird. 


XIII. 
Ein  Gießener  Professor  als  hessischer 

Staatsminister. 
Von  Julius  Reinhard  Dieterich. 

Fürst  Bismarck  bespriclil  im  einleitenden  Kapitel  seiner 
„Gedanken  und  Erinnerungen"  den  auffälligen  Umstand,  daß 
Preußen  seit  den  Tagen  Friedrichs  des  Großen  bis  auf  seiiie 
eigene  Zeit  so  arm  an  einheimischen  Diplomaten  gewesen 
sei.  So  begegneten  uns  als  Vertreter  der  preußischen  Könige 
an  auswärtigen  Höfen  fast  aiisschließUch  Träger  ausländi- 
scher Jiamen,  die  man  zum  Teil  aus  fremden  Diensten  über- 
nommen habe.  Nicht  nur  dies!  Auch  die  erfolgreichsten 
preußischen  Feldherren,  so  beschließt  er  seine  Erörterungen. 
die  Blücher,  Gneisonau,  Moltke  und  Goeben,  seien  „keine 
preußischen  Urprodukte,  ebensowenig  wie  im  Zivildienste 
btein,  Hardenberg,  Hotz  und  Grolman",  gewesen. 

Es  ist  sicher  kein  Zufall,  daß  wir  die  gleichen  Beobach- 
tungen, wie  Bismarck  bei  Preußen,  bei  den  meisten  deutschen 
Staaten  des  ausgehenden  achtzehnten  und  in  der  ersten 
Hälfte  des  neunzehnten  Jahrhunderts  machen.  Gberall 
stoßen  wir  in  den  leitenden  Stellen  des  Heeres,  im  diploma- 
tischen Dienst,  in  den  Ministerien  und  Staatskanzleien  auf 
landesfremde  \md  zum  Teil  nichtdeutsche  Namen. 

Die  Ursachen  für  dieses  merkwürdige  Zurücktreten  des 
einheimischen  Elements  sind  wohl  in  vielen  Fällen  dieselben 
oder  ähnliche  gewesen  wie  in  Preußen.  In  der  Landgraf- 
schnft  Hessen-Darmstadt  haben  dazu  außer  der  AbneigunE 


Ein  Gießener  Professor  als  hessischer  Staatsminister.  463 

des  Adels  gegen  die  diplomatische  Laufbahn  und  der  Enge 
des  Gesichtskreises  der  herrschenden  Bureaukratie,  wie  sie 
Bismarck  für  Preußen  feststellt,  noch  eine  Reihe  weiterer, 
unten  erörterter  Gründe  mitgewirkt.  Tatsache  ist  aber  auch 
hier,  daß  in  den  Zeiten  der  letzten  Landgrafen  und  des 
ersten  Großherzogs  fremde  Elemente  im  Zivil-  wie  im  Militär- 
dienste die  erste  Rolle  gespielt  haben. 

Karl  Friedrich  von  Moser,  der  Vorgänger  des  Sachsen 
Christian  Hartmann  Samuel  Gatzert,  dessen  staatsmännische 
Tätigkeit  den  Gegenstand  der  nachfolgenden  Ausführungen 
bilden  soll,  war  ein  Schwabe,  Gatzerts  Nachfolger,  Karl 
Ludwig  von  Barkhaus-Wiesenhütten,  der  Sproß  einer  Alt- 
frankfurter Kaufmannsfamilie.  Der  hervorragendste  hessi- 
sche Minister  des  neunzehnten  Jahrhunderts,  Karl  du  Bos 
du  Thil,  der  1829  den  Hessen  v.  Grolman^  ablöste,  gehörte 
einer  im  Solms-Braunfelsischen  heimisch  gewordenen  Huge- 
riottenfamilie,  Reinhard  v.  Dalwigk,  du  Thils  Nachfolger, 
dem  niederhessischen  Adel  an.  Nennen  wir  daneben  den 
Kurhessen  v.  Pappenheim,  die  Hannoveraner  v.  d.  Bussche 
und  V.  Düring,  den  Holländer  v.  Oyen,  den  Engländer  Graf 
Jenison-Walworth,  dann  haben  wir  auch  zugleich  die  Mehr- 
zahl der  hervorragenden  militärischen  Namen  aus  der  Zeit 
Ludwigs  IX.  und  X.  (I.)  hergezählt. 

Woher  kam  diese  Bevorzugung  der  Fremden? 

Die  Landgrafschaft  Hessen-Darmstadt  umfaßte  unter  den 
beiden  letzten  Landgrafen  mit  der  seit  1736  mit  ihr  vereinig- 
ten Grafschaft  Hanau-Lichtenberg  rund  500  Quadratkilometer 
mit  etwa  270000  Einwohnern.  Sie  war  zu  klein  und  zu  eng, 
lun  einen  geeigneten  Nährboden  für  das  Heranwachsen  her- 
vorragender  Staatsmänner  und   Soldaten   abzugeben. 

Die  Reichsgeschäfte  der  Landgrafen  beschränkten  sich 
seit  dem  Frieden  zu  Hubertusburg  und  bis  zur  Zeit  der 
Koalitiouskriegc  gegen  die  französische  Republik  im  wesent- 
lichen auf  die  Teilnahme  an  den  Verhandlungen  des  alters- 
schwachen und  würdelosen  Reichstags  zu  Regensburg,  auf 
dem  nach  einem  Worte  du  Thils  die  Politik  „mit  Folianten 
der  Reichsabschiede  und  der  Reichshistorie**  gemacht  wurde, 
und  auf  die  Beschickung  des  oberrheinischen  Kreistags  zu 
Frankfurt  a.  M.,  der  im  kleinen  ein  Abbild  des  jämmerlichen 
Regensburger  Reichstags  darstellte. 

Regensburg  ist  in  jener  Zeit  alles  andere  eher  gewesen 
als   eine   hohe   Schule   für  Diplomaten  und   Staatsmänner. 

1  Die  Familie  Grolman  war  übrigens  auch  landesfremd,  sie  stammte 
aus  Westfalen. 


464  Julius  Beinhard  Dietericb. 

Schon  die  Tatsache,  daß  Hessen-Darmstadt  beim  Reichstag 
über  ein  Jahrzehnt  durch  einen  unfähigen,  pedantischen  und 
geschwätzigen  Gesandten,  den  bei  Freund  und  Feind  gleich 
gering  geachteten  Geh.  Rat  v.  Schwarzenau,  vertreten  war, 
beweist  uns,   wie   wenig   Gewicht  auch  der  Landgraf  auf 
die  Reichstagsverhandlungen  legte.     Am  Hofe  des  Kaisers 
selbst,  in  Wien,  ließ  er  in  der  Regel  seine  Geschäfte  durch 
untergeordnete   Agenten    und   Residenten   führen,   die  mit- 
unter zugleich  noch  andere  kleine  Reichsstände  vertraten, 
und  bei  deren  Auswahl  wohl  nur  zu  oft  weniger  die  Geschick- 
lichkeit als  ihre  geringen  Anforderungen  an  den  Staatssäckel 
den  Ausschlag  gaben. 

Landgraf  Ludwig  IX.  ist,  wie  sein  Sohn  in  der  ersten 
Zeit  seiner  Regierung  und  in  den  Jahren  nach  dem  Sturze 
des  Staatsministers  v.  Barkhaus,  sein  eigener  Minister  des 
Auswärtigen  gewesen.  Ein  nicht  ungeschickter,  energischer 
und  zielbewußter,  aber  vorurteilsvoller  und  eigensinniger 
Minister  !- 

Im  großen  und  ganzen  erschöpften  sich  die  auswärtigen 
Geschäfte  der  Landgrafschaft  in  jenen  Tagen  in  Grenz-, 
Geleits-  und  Lehnsstreitigkeiten  mit  den  Nachbarn,  in  Ver- 
handlungen über  Münz-  und  Zollfragen  und  über  die  Durch- 
märsche fremder  Truppen  und  ähnliches  mehr  \md  endlich 
in  der  Pflege  der  nicht  inmier  freundschaftlichen  Beziehungen 
zu  dem  mächtigeren  Bruderstaate  Hessen-Kassel. 

Der  nicht  sehr  zahlreiche  Adel  der  Landgrafschaft  — 
der  fürstliche  Lehnhof  umfaßte  um  1790  nur  rund  ein  halbes 
Hundert  adeliger  Familien  —  hielt  sich  von  jeher,  besonders 
aber  'seit  dem  Regierungsantritt  des  seiner  Ritterschaft  wenig 
günstig  gesinnten  Landgrafen  Ludwig  IX.  fast  ganz  von  den 
Militär-  und  Zivildiensten  zurück.  Unter  der  höheren  Be- 
amtenschaft des  Landes  finden  wir  zu  seiner  und  zu  Lud- 
wigs X.  Zeiten  einep  einzigen  Vertreter  des  hessischen 
Adels.  Auch  die  Offizierslisten  des  Pirmasensers  weisen  nur 
einen  Namen  der  hessischen  Ritterschaft  auf.  Unter  den 
mehr  als  hundert  Adeligen,  die  unter  Ludwigs  X.  Fahnen 
dienten,  kommt  nur  ein  knappes  Dutzend  hessischer  Edel- 
leute  vor.  Übrigens  bestand  das  Offizierkorps  vorwiegend 
aus  Bürgerlichen. 

2  So  hat  er  beim  Abschlüsse  des  Fürstenbunds  1785  aus  einer  an 
sich  durchaus  achtenswerten,  aber  unzeitgemäßen  Ehrfurcht  vor  der 
brüchigen  Reichsverfassung  das  einstimmige,  sicher  unter  dem  Einflüsse 
Gaizerts  entstandene  Gutachten  seines  Geheimen  Rats,  der  sich  für  den 
Anschluß  an  Friedrich  den  Großen  aussprach,  zugunsten  einer  unklugen 
Neutralitätspolitik  verworfen  und  sich  so  die  Sympathien  beider  Parteien, 
der  Preußen  wie  des  Kaisers,  verscherzt. 


Ein  Gießener  Professor  als  hessischer  Staatsminister.  465 

Da  auch  die  Matrikel  der  Landesuniversität  in  jenen 
hrzehnten  nur  sehr  wenige  adelige  Namen  aus  Hessen  ver- 
ichnet,  wird  der  hessische  Adel,  soweit  er  nicht  in  fremden, 
kaiserlichen,  holländischen  und  anderen  Militärdiensten 
tnd,  vorwiegend  der  Bewirtschaftung  seiner  Güter  gelebt 
ben.  Als  (inmd  für  dieses  Fernbleiben  aus  don  Diensten 
•es  Landesherrn  wird  einmal  in  einer  Denkschrift  der 
tterschaft  die  Zurücksetzung  vorgeschützt,  „welche  die 
ssischen  Ritter  im  inländischen  Dienste  erführen,  und 
)  sie  zwänge,  im  Ausland  ein  Fortkommen  zu  suchen**. 

In  der  Tat  war  das  Verhältnis  des  Adels  zu  den  Land- 
ifen,  namentlich  aber  zu  Ludwig  IX.,  nicht  das  beste, 
if  den  Landtagen  hat  die  Ritterschaft  unter  der  Führung 
r  Erbmarschälle  zumeist  in  der  schärfsten  Opposition  ge- 
mden.  Mit  ihr  hat,  wie  wir  sehen  werden,  Minister  Gatzert 
ine  erbittertsten  Kämpfe  führen  müssen. 

Auf  der  anderen  Seite  stellte  die  Beamtenschaft  des 
ndes,  in  deren  Reihen  Gatzert  durch  das  Vertrauen  seines 
rsten  berufen  wurde,  eine  fest  zusammengefügte,  jedem 
rtschritt  abholde  Kaste  dar.  Sic  rekrutierte  sich  aus  einer 
rhältnismäßig  kleinen  Anzahl  von  Familien.  Einzelne 
iter  verblieben  oft  mehrere  Generationen  hindurch  in 
lem  und  demselben  Hause.  Der  Sohn  erhielt  die  Anwart- 
laft  auf  die  Stelle  seines  Vaters,  die  „Exspectivierung**. 
m  konnte  so  fast  von  einer  Erblichkeit  dieser  Stellen 
rechen. 

Wie  jede  Kaste,  schloß  sich  auch  die  hessische  Bureau- 
atio  eifersüchtig  gegen  jeden  Zuwachs  aus  den  unteren 
assen  und  aus  der  Fremde  ab.  In  der  Gesetzgebung  des 
ndes  genossen  die  „Honoratioren**  besondere  Vorrechte 
r  Bürgern  und  Bauern.  Man  ging  sogar  zur  Zeit  Lud- 
gs  X.  mit  dem  Gedanken  um,  in  Darmstadt  ein  besonderes 
[onoratiorengefängnis**  zu  bauen. 

Dem  Sohn  des  kleinen  Mannes  war  nicht  nur  der  Zutritt 

den  höheren  Beamtenstellen  so  gut  wie  verschlossen, 
s  Studium  wurde  ihm  sogar  nach  Möglichkeit  erschwert, 
e  Stipendien  an  der  Landesuniversität  waren  vorw^eg  für 
3  „Honoratiorensöhne**  bestimmt;  es  sollte,  wenn  es  an- 
ige,  ganz  vermieden  werden,  daß  durch  Handwerker-  und 
Luemsöhne  „andere  von  Jugend  auf  zur  Wissenschaft  erzo- 
ne  und  durch  ihren  Stand  bestimmte  Leute  verdrängt*' 
irden. 

Ludwi«:  IX.,  der  selbst  durch  eine  jahrelange  Abwesen- 
it  aus  seinen  Stammlanden  die  Mißstände  in  seiner  Be- 

Bciträge  z.  Gesch.  d.  üniversitAtcn  Mainz  u.  Gießen.  30 


406  Julius  Reinhard  Dieterich. 

amtenschaft  in  erster  Linie  verschuldet  hatte,  konnte, 
trotzdem  er  gelegenthch  einmal  in  seiner  derben  Weise 
dazwischenfnhr^,  auf  die  Dauer  nichts  gegen  die  festge- 
schlossene Phalanx  der  vielfach  untereinander  versippten 
Bureaukratie  ausrichten.  Erst  Ludwig  X.  hat  hierin  allmäh- 
lich Wandel  schaffen  können,  und  daß  es  ihm  gelungen  ist, 
verdankt  er  nicht  zuletzt  einem  Fremden,  dem  von  seinem 
Vater  in  den  Geheimen  Rat  berufenen  Gießener  Professor 
Christian  Hartmann  Samuel  Gatzert. 

Der  Haß  gegen  die  fremden  Eindringlinge^  die  den  ein- 
heimischen Honoratioren  das  Brot  wegnahmen,  hat  wesent- 
lich zu  dem  Sturze  des  größten  Staatsmannes  mitgewirkt, 
den  Hessen-Darmstadt  im  achtzehnten  Jahrhundert  besessen 
hat.  In  dem  Kampfe,  den  Karl  Friedrich  von  Moser  nach 
seiner  Entlassung  gegen  den  Fürsten  führte,  der  iltn  ins 
Land  berufen  und  fast  ein  Jahrzehnt  gegen  die  versteckten 
und  offenen  Angriffe  seiner  Kollegen  und  Untergebenen  ge- 
schützt hatte*,  trat  der  Ingrimm  der  Einheimiscben  gegen 
den  Fremdling  oft  in  der  häßlichsten  Form  zutage. 

Mit  diesem  Hasse  hatte  auch  der  Mann  zu  kämpfen,  der 
in  vieler  Hinsicht  die  Erbschaft  Karl  Friedrichs  v.  Moser 
antrat,   derselbe  Mann,   der  in  dem  Kampfe  Ludwigs  IX. 


^  So  resolvierte  er  auf  das  Referat  vom  20.  Februar  1790,  durch 
das  einem  Handwerkersohii  das  Studium  erschwert  werden  sollte,  in  den 
scharfen  Worten :  „Ich  statuire  absolute  kein  Monopolium  in  diesem  Fall. 
Ich  habe  Exempei,  daß  Bauern-  und  Soldatensöhne  weit  besser  ausgefallen 
sind,  als  die  Kinder  der  Geheimbden  und  anderen  Räthe.  Jene  verlassen 
sich  nicht  auf  Protektionen,  die  diese  mit  auf  die  Welt  bringen,  und  so 
wenig  die  Geschicklichkeit  angeerbet  und  durch  das  Hoch-  und  Wohl- 
geborene  Blut  fortgepllanzet  wird,  so  sehr  bemühen  sich  im  Gegenteil 
arme  hilflose  Kinder,  sich  durch  wirkliche  Geschicklichkeit  fortzubringen." 

*  Eine  scharfe  Abfertigung  der  Fremdenhasser  stellt  die  Resolution 
des  Landgrafen  auf  die  Eingabe  der  Landstände  gegen  die  Bevorzugung 
der  Fremden  vom  13.  April  1776  dar.  „In  der  Annahme  derer  Bedienten", 
so  lieißt  es  hier,  „sie  seyen  Landeskinder  oder  fremd,  lassen  Wir  uns 
ninmiermehr  die  Hände  binden,  hätten  Wir  keine  frembie  Diener  ange- 
nommen, wie  z.  E.  der  Präsident  von  Moser  ist,  so  wäre  das  Land  und 
dessen  Interesse  so  wenig  als  das  Meinige  gewahrt,  und  die  Erfahrung 
lehrt,  daß  je  mehr  Frembde  eingeschaltet  werden,  je  mehr  Emulation 
gibt.  es.  und  je  weniger  Hoffnung  oder  Rechnung  haben  sich  die  im  Land 
getKirenen  Ignoranten  auf  Beförderung  zu  machen,  die  sich  in  vorigeQ 
Zeiten  darauf  verlassen  haben,  die  Bedienungen  seien  erblich,  sie  mögen 
etwas  oder  nichts  leisten,  könne  es  Ihnen  nicht  fehlen;  es  gehet  just  wie 
bei  einem  Ilejiiment,  je  mehr  Nationen  darunter  sind,  je  größer  ist  der 
Ehrgeiz  und  die  Ambition,  und  in  denen  größten  Staaten  suchet  man 
getreue  und  jieschickte  Subjecta,  ohne  sich  zu  erkundigen,  wes  Landes 
Kinder  sie  sind. 

Ludwig,  Landgraf  zu  Hessen." 


Ein  Gie&ener  Professor  als  hessischer  istaatsmi nister.  467 

gegen  Moser  die  stärkste  Stütze  des  Landgrafen  war : 
Christian  Hartmann  Samuel  fiatzert.  Seine  erbit- 
tertsten Gegner  hat  auch  er  unter  den  Mitgliedern  der  Körper- 
schaft gefunden,  die  ihn  dem  Landgrafen  zur  Berufung  nach 


Darmstadt  vorschlug,  in  dem  fürstlichen  Geheimen  Rat,  der 
etwa  dem  heuligen  Gesainlministcrium  entsprach.' 

*  Der  Geheime  Rat,  dessen  MitiilieOcr  zuweilen  auch  Minister  genannt 
nnrilen,  bestand  zu  Mosers  Zeit  aus  dem  PräsiiU'ntcn  sUmllJcbcr 
Landcskolle^ien,  Moser  selbst,  lU-t  aber  zu^leirh  Präsident  der  Regie- 
rung zu  Darnistadl.  Präsidpnl  der  l,Jiiidli(iinniisaion  und  der  Genera ikasse- 
deputation  war,  und  aus  vier  Geheimen  Hiilt-n :  dein  Präsidenten  des 
Oberappellat Jonsgerichts,  ilen  Direktoren  der  Regierung(>ii  zu  {Hellen  und 


468  Julius  Reinhard  Dieterich. 

Nachdem    der   seitherige    Oberappelationsrat    Neurath 
durch  einen  ehrenvollen  Ruf  ans  Reichskammergericht  dem 
hessischen  Staatsdienste  entfremdet  war,  schlugen  die  Ge- 
heimen Räte  zu  seinem  Nachfolger  den  Gießener  Professor 
der  Rechte  Gatzert  vor.    ,,Er  besitzt",  so  empfiehlt  ihn  das 
Referat  vom  19.  Januar  1782,  „neben  einem  rechtschaffenen 
Charakter   außer    der  bürgerlichen   Rechtsgelahrtheit    eine 
solche  Stärke  im  deutschen  Lehn-  und  Staatsrecht**,  daß  er 
es  verdient,  außer  der  Stelle  am  Oberappelationsgericht  noch 
die  Stelle  eines  „Publicistcn  und  Deducenten  des  Fürstlichen 
Hauses**    zu   bekleiden,    „um   die   Publica   des    Fürstlichen 
Hauses  und  die  Streitigkeiten  mit  denen  benachbarten  und 
anderen  Ständen**  zu  führen.    Gatzert  solle,  so  schlugen  die 
Minister  vor,  das  Referat  darüber  im  Geheimen  Rat  über- 
nehmen imd  in  diesem  als  Geheimer  Referendarius  Sitz  und 
Stimme  haben. 

Ihnen,   wie  Landgraf  Ludwig  IX.   selbst,   kam   es  vor 
allem  darauf  an,  in  den  wichtigen  Prozessen,  die  damals 
gegen    Hessen-Darmstadt    beim    Reichshofrat  in   Wien    an- 
hängig   waren    oder,    wie  der  Prozeß  Moser,   in  Aussicht 
standen,  einen  im  Reichsrecht  wohlbewanderten  Helfer  und 
Führer  zu  werben.    Der  Landgraf  stimmte  deshalb  freudig 
zu,  und  Gatzert,  der  „in  denen  unangenehmen  Collisionen, 
worinnen  er  mit  seinen  Collegen  stehet,  des  Professors  Leben 
mid  des  so  oft  vorkommenden  Vortrags  einerley  Wahrheiten 
von  Herzen  müde**  war,  nahm  die  Rerufung  an.   Schon  ain 
22.  Februar  1782  hat  ihn  der  Landgraf  „als  einen  bekannt- 
lich geschickten  und  ehrlichen  Mann**  zum  wirklichen  Ge- 
heimen Rat  ernannt. 

Gatzert  ist  dem  Versprechen,  seinem  Adoptivvaterlande 
nach  Kräften  zu  dienen,  treu  geblieben.  Dald  nach  seinem 
Eintritt  in  den  hessischen  Staatsdienst  trat  eine  verlockende 
Berufun»:;  an  das  Reichskammergericht  an  ihn  heran.  Die 
ihm  in  Aussicht  gestellte  Besoldung  war  glänzend,  das  Ein- 
kommen, (las  er  in  Darmstadt  erreichen  konnte,  weit  ge 
rin<i,er.  Trotzdem  ist  er  in  seinem  Entschlüsse,  bei  Landgraf 
Ludwiir  IX.,  dessen  Vertrauen  er  sich  in  kurzem  erworben 


Duniisladl  und  dorn  Kammcrpräsidonton,  der  zugleich  Präsident  des  ObtT- 
forsfanils  und  der  Kriejiskonnnission  war.  Nach  Mosers  Entlassung  Miel' 
die  Stelle  eines  ,, Präsidenten  aller  Landeskollejrien"  unbesetzt.  Bei  (iatzert^ 
Killt  ritt  bestand  der  Geheime  Hat  aus  dem  l)irektor  der  Generalkasse  v. 
Hesse,  dem  Direktor  der  ReKierunti  zu  Darmstadt  v.  Miltenberg,  doiu 
Kammerpräsidenten  Klipstein  und  d<Mn  Präsidenten  des  Oberappellatiom- 
«ijerirhis  Hofmann.  Von  1787  bis  zum  Kintritt  des  Geheimen  Rats  v.  Bark- 
haus-Wiesenhiitlen  (17^)8)  bestand  der  Geheime  Rat  nur  aus  drei  Gliedern: 
V.    Hesse,    Gatzert   und   Lehmann. 


Ein  Gießener  Professor  als  hessischer  Staalsminister.  469 

lattc,  auszuharren,  nicht  wankend  geworden.  Er  hat  seine 
Vblehnung  des  Rufes  nach  Wetzlar  nicht  zu  bereuen  gehabt, 
n  Wetzlar  wäre  er  zwar  auch  nur,  wie  in  Darmstadt,  Mitglied 
»ines  Kollegiums  gewvirden.  In  Darmstadt  hat  er  abc^r  schon 
lehr  bald  seine  Kollegen  überflügelt  und  einen  Einfluß  er- 
angt,  wie  er  ihn  als  Kammergerichtsbeisitzer  nie  hätte  er- 
eichen  können.  Beide  Landgrafen,  denen  er  diente,  haben 
hu  im  Laufe  der  Zeit  mit  Ehrenstellen  und  Auszeichnungen 
iberhäuft.  Sie  haben  ihn  auch  schließlich  so  gut  gestellt, 
laß  die  finanzielle  Einbuße,  die  er  durch  den  Verzicht  auf 
las  Reichskammergerichtsassessorat  erlitt,  mehr  als  aus- 
;eglichen  wurde. 

Als  „Publicist  und  Deducent  des  fürstlichen  Hauses** 
mtfalteteGatzert  eine  eifrige,  erfolgreicheTätigkeit.  Er  führte 
lie  verzweifelten  Prozesse  des  Landgrafen  am  Reichshof- 
at  mit  soviel  Geschick,  daß  die  in  mehr  als  einem  Falle 
Irohende  Reichsexekution  vermieden  wurde.  In  der  Mainzer 
vlostersache«  ergriff  Ludwig  IX.  auf  sein  Betreiben  Re- 
kurs an  den  Reichstag,  und  hier  hat  Gatzert  als  geschickter 
Vnw^alt  seines  Herrn  die  Vertagung  der  Sache  durchgesetzt. 
Me  ist  erst  durch  die  Umwälzungen  am  Anfang  des  neun- 
:ehnten  Jahrhunderts,  mit  dem  Übergang  eines  Teils  der 
•echtsrheinischen  Mainzer  Ämter  an  Hessen,  aus  der  W^elt 
geschafft  worden. 

Der  wichtigste  Prozeß,  der  gegen  den  Landgrafen  beim 
leichshofrat  anhängig  wurde,  war  der  des  gewesenen  hes- 
lischen  Ministers  v.  Moser.  Über  das  Maß  des  Rechts  und 
Jnrechtp  auf  seiten  der  Parteien,  Mosers  und  des  Land- 
grafen, ist  schwer  zu  urteilen.  Die  Tatsache,  daß  gegen 
^foser  tumultuarisch  und  nicht  nach  strengen  Rechtsbegriffen 
rorgegangen  wurde,  hat  Gatzert  später  selbst  zugegeben. 
)ie  infamierende  Entlassung,  die  finanziellen  Schädigungen 
les  Entlassenen  und  seines  Bniders,  die  der  leidenschaftliche 
^andgraf  verfügte,  überschritten  das  Maß  des  Erlaubten.  Auf 
1er  anderen  Seite  hat  sich  der  gewesene  Minister  schwere 
k^erfehlungen  in  seinem  Amte  und  gegen  seinen  Landesherrn 
zuschulden  kommen  lassen.  In  dem  Prozesse  war  Moser 
nsofern  im  Vorteil,  als  er  die  Gunst  des  Kaisers  besaß, 
foseph  II.  hat  ihn  1781,  als  er  beschwerdeführend  in  Wien 

<>  Landgraf  Ludwig  IX.  liatto  die  in  seinom  Gebiete  liojjendcn  Güter 
md  Gefälle  der  zugunsten  des  Mainzer  Universitätsfonds  aufgehobenen 
vlöster  eingezogen,  war  aber  in  dem  vom  Erzbischof  beim  Reichshofrat 
mhängig  gemachten  Prozesse  unterlegen,  zur  Herausgabe  der  beschlag- 
lahmten  Stücke  verurteilt  worden  und  auf  seine  Weigerung  hin  der 
leicbsoxekution  verfallen. 


470  Julius  Reinhard  Dieterich. 

erschien,  zum  Reichshof  rat,  also  zum  Mitglied  des  höchsten 
Gerichtshofs  selbst,  an  dem  der  Prozeß  zur  Entscheidung 
kommen  mußte,  ernannt  und  ihm  die  Stelle  eines  ersten  Etats- 
rats in  Wien  angeboten.  In  der  Tat  ergingen  verschiedene 
Urteile  des  Reichshofrats  gegen  den  Landgrafen,  und  es  hat 
der  ganzen  Geschicklichkeit  eines  im  Reichsrecht  so  gut  be- 
schlagenen Juristen,  wie  Gatzert  es  war,  bedurft,  um  die 
auch  hier  drohende  Reichsexekution  abzuwenden  oder 
wenigstens  hinauszuschieben.  Gatzert  ist  die  Seele  des  Pro- 
zesses gegen  Moser  geworden.  Auch  zu  dem  publizistischen 
Kampfe  gegen  die  Pamphlete  Mosers  hat  er  die  Richtlinien 
gezogen  und  das  Material  geliefert.  Die  Folge  davon  war, 
daß  Moser  auch  ihn  in  der  leidenschaftlichsten  und  ge- 
hässigsten Weise  angriff.  Gatzert  verrichte  Scharfrichter- 
dienste an  ihm.  „Scharfrichterdienste  an  ihm  getan  zu 
haben",  schreibt  daraufhin  der  Landgraf  in  seiner  bissigen 
Weise,  „ist  unwahr;  denn  sonst  müßte  der  Kopf  hunten 
liegen,  und  Ich  wünsche,  daß  dieses  noch  geschehen  kann**. 
Durch  diese  seine  Tätigkeit  in  der  Moserschen Sache  war 
Gatzert  dem  Landgrafen  bald  unentbehrlich  geworden.  Seine 
Dankbarkeit  für  die  Hülfe  drückt  Ludwig  IX.  inuner  wieder 
in  den  wärmsten  Worten  aus.  Zweimal  hat  er  in  offenen 
Briefen  seinen  Diener  gegen  die  Angriffe  des  Exministers  in 
Schutz  genommen  und  ihm  sein  Wohlverhalten  bezeugt. 
Gatzert  war  in  der  Tat  in  der  erbitterten  Fehde  die  stärkste 
Stütze  Ludwigs,  der  im  Gegensatze  zu  ihm  die  Unfähigkeit  der 
übrigen  Darmstädter  Geheimen  Räte  in  der  schärfsten  Weise 
betont. 

,, Drittens  ist  uns  bekannt",  heißt  es  z.  B.  in  seinem  Briefe 
vom  9.  August  1784,  ,,daß  die  übrige  Herrn  Geheimde  Käthe 
ebenfalls  darinnen  (d.  h.  im  Reichsrecht)  nicht  weit  gekommen 
sind,  und  außer  dem  Herrn  Geheimden  Rath  in  wichtigen  Sachen 
wenig   leisten   können. 

Geh.  Rath  v.  Hesse  ist  ein  Musicus,  wäre  einsmals  zu 
Frankfurt h  mit  Schulz,  rühmte  bei  der  retour  blos  seinen  Empfang, 
so  daß  Schulz  endlich  sagen  mußte,  wir  müssen  doch  auch  dem 
Prinzen   von    der   Haupt   Sache    sprechen. 

Klipstein  ist  abgearheitet,  und  verstünde  ehedessen  was 
vom   Keichs   Prozeß. 

Miltenberg  ist  vor  dem  Sporer  Thor  bekannt'  und  nahm 
Antheil  an  der  Juden  Parthien.** 

"*  In  Kranichstoin?  Bei  dorn  Erbprinzen?  Daß  Ludwig  IX.  auf 
seinen  Sohn  eifersücbtiji  war,  ist  bekaiuit.  Haben  sich  die  Minister  mit 
dorn  Thronerben  wider  den  Willen  des  Vaters  gut  gestellt?  Auch  Gatzert 
hat  schon  frühe  die  Beziehungen  zu  dem  späteren  Landgrafen  Ludwig  X. 
gepflegt.      Oder   soll    der   barocke   Ausdruck   nur   die   Enge   des   Gesichts- 


Ein  Gie&ener  Professor  als  hessischer  Staatsminister.  471 

Lehmann  ist  wegen  seines  Hochmuths  und  Eigensinn  von 
Zweybrücken   weggekommen. 

Dem  Herrn  Geh.  Rath  Gatzert  müssen  Wir  aber  das  Zeugnis 
ertheilen,  daß  Er  der  einzige  ist,  der  nach  Unserm  Willen  und 
Beyfall  arbeitet,  und  als  Geh.  Rath  Praestanda  praestiren  kann, 
und  seinen   Zirkel   ausfüllet. 

Seit  Aö  1741  habe  ich  die  Geister  gerufen^  und  meine 
Diener  kennen  lernen.  Wären  die  übrigen  Geheimde  Räthe  nicht 
gewesen,  und  hätten  sie  ihre  Schuldigkeit  gethan,  So  wäre  Moser 
nicht  in  den  Dienst  gekommen.  Wenn  also  wieder  eine  Stelle 
im  Geheimden  Rath  erledigt  werden  sollte.  So  werde  Ich  einen 
Mann  erwählen,  der  auch  arbeiten  und  wie  der  Herr  Geheimde 
Rath  Dienste  mit  Beifall  und  Ehre  thun  kann,  und  mit  welchem 
ich   wohl  zufrieden  bin. 

Der  Herr  Geh.  Rath  Musicus  ist  ebenfalls  vor  dem  Jäger thor« 
nicht  unbekannt.** 

Aus  dieser  Charakterisierung  der  Minister  geht  hervor, 
wie  gering  Ludwig  IX.  seine  Geheimen  Räte,  wie  hoch  er  da- 
gegen Gatzert  einschätzte.  Ludwigs  Briefe  und  Resolutionen 
sind  überhaupt  erfüllt  von  starken  Ausfällen  gegen  die  Darm- 
städter Beamtenschaft,  die  „Honoratioren*'. 

Daß  die  Zustände  in  diesen  Kreisen  auf  die  Dauer  un- 
haltbar waren,  konnte  einem  Manne  wie  Gatzert  nicht  ent- 
gehen. An  seinem  Teile  hat  er  redlich  dazu  beigetragen, 
Besserung  zu  bringen,  in  seinen  eigenen  Kreisen  hat  er 
wenigstens  mit  eiserner  Faust  Ordnung  geschafft.^^ 

Im  Jahre  1785  übertrug  ihm  der  Landgraf,  ohne  auf 
die  Einwände  der  übrigen  Geheimen  Räte  zu  hören,  neben 
dem  Direktorium  im  Oberappelationsgericht,  das  ihm  bald 
nach  seinem  Eintritt  in  den  Staatsdienst  zugefallen  war, 
auch  noch  die  Stelle  eines  Direktors  bei  der  Darmstädter 
Regierung.  Aus  den  Berichten  Gatzerts  an  Ludwig  IX.  und 
den  Vorschlägen,  die  er  machte,  um  den  Geschäftsgang  bei 
den  ihm  unterstellten  Kollegien  zu  verbessern,  können  wir 
entnehmen,  welche  Zustände  bei  dieser  Behörde  herrschten. 
Zwei  von  ihm  entworfene  scharfe  Verordnungen  aus 
den  Jahren  1785  und  1786  versuchten  dem  Unwesen  zu 
steuern.    Schon   aus    den    drakonischen    Strafen,    die   hier 

kreiscs  der  beiden  Minister  andeuten?     Vielleicht  dürfen  wir  darin  auch 
einen  Hinweis  auf  einen   lockeren  Lebenswandel  des  Getadelten  sehen? 

8  Eine  mir  unverständliche  Anspielung. 

^  Ludwig  IX.  schrieb  sich  die  Oa!)e  des  Hellsehens  zu. 
10  Gatzert  hatte  schon  als  Gießener  Professor  Erfahrungen  auf  diesem 
Gebiete  sammeln  können.     Er  hatte  im  Winter  1778/79  dem  Grafen  von 
Solms-Rüdelheim  bei  der  Neuorganisation  der  Verwaltung  der  Grafschaft 
mit  Hat  und  Tat  Beistand  geleistet. 


472  Julius  Reinhard  Dieterich. 

angedroht  werden  —  einjährige  Suspension  ab  officio  et  sa- 
lario,  Kassation  u.  s.  f.  — ,  schließen  wir,  wie  notwendig  ein 
rücksichtsloses  Eingreifen  w^ar. 

Über  den  Erfolg  können  wir  den  Akten  nichts  entnehmen. 
Es  unterliegt  aber  keinem  Zweifel,  daß  sich  die  Verhält- 
nisse in  der  Beamtenschaft,  nicht  zum  geringsten  durch 
Gatzerts  Tätigkeit  und  wohl  auch  durch  sein  Beispiel  der 
Pflichttreue,  langsam,  aber  stetig  gebessert  haben.  Die  Klagen 
sind  freilich  noch  lange  nicht  verstunmit.  Aus  verschiedenen 
Äußerungen  Ludwigs  X.  können  wir  entnehmen,  daß  unter 
ihm  noch  bei  vielen  Behörden  ähnliche  Zustände,  wie  bei 
der  Darmstädter  Regierung  zur  Zeit  ihrer  Übernahme  durch 
Gatzert,  herrschten.  So  spricht  Ludwig  in  einer  Resolution 
vom  30.  Juni  1794:  „von  denen  räudigen  Dienern,  die  ich 
dorten  (in  Gießen)  habe".  „Auf  diese  schlechten  Leute** 
sei  ein  wachsames  Auge  zu  haben,  „damit  ich  im  Nothfall 
mit  einem  solchen  ein  frappantes  Beispiel  geben  kann". 

Gründlichen  Wandel  in  dieser  Hinsicht  hat  erst  die  große 
Erzieherin,  die  Not,  geschaffen.  Die  Neuorganisation  Hessens 
nach  dem  Reichsdeputationshauptschluß  hat  ein  anderes 
tüchtigeres,  pflichttreueres  Geschlecht  vorgefunden. ^^ 

Freilich:  viele  Freunde  wird  dem  rücksichtslosen,  tat- 
kräftigen Manne  dieses  Vorgehen  nicht  gerade  geworben 
haben.  In  dieser  Hinsicht  teilte  Gatzert  das  Schicksal  seines 
größeren  Vorgängers  und  Gegners,  Karl  Friedrichs  von  Moser. 

Gleich  Moser  hat  er  sich,  zu  der  Gegnerschaft  seiner 
Amtsgenossen  und  Untergebenen,  noch  die  erbitterte  Feind- 
schaft der  hessischen  Landstände,  besonders  aber  der  Ritter- 
schaft zugezogen.  Die  Kämpfe,  die  er  mit  diesen  auszu- 
fechten  hatte,  haben  seine  ganze  Darmstädter  Amtszeit  von 
seinem  Eintritt  in  die  Dienste  Landgraf  Ludwigs  IX.  (1782) 
bis  zu  seiner  Abordnung  zur  Rastatter  Reichsfriedensdepu- 
tation (1797)  erfüllt. 

Sie  hoben  mit  1782,  wenige  Monate  nach  seiner  Über- 
siedlung nach  Darmstadt,  an.  Er  hat  den  Verhandlungen  des 
landständischen  Rechnungstages  im  August  dieses  Jahres 
als  fürstlicher  Kommissarius  beigewohnt  und  hier  ziun 
erstenmal  Gelegenheit  gefunden,  sich  auszuzeichnen.  Er  hat 
auch  in  der  Folge  dieses  Amtes  auf  den  Landtagen  und 


^^  Gatzert  hat  auch,  wie  wir  sehen  werden,  bei  der  Neuorganisation 
der  rechtsrlieinischen  Ämter  der  Grafschaft  Hanau-Lichtenberg  die  erste 
Rolle  gespielt.  Auch  hier  hatte  er  mit  ähnlich  verrotteten  Zuständen  zu 
kämpfen,  wie  1785  86  hei  der  Darmstädter  Hegierimg,  auch  hier  hat  er 
talkräftig  durchgegriffen  und  Besserung  bewirkt. 


Ein  Gieüener  Professor  als  hessischer  Stautsminister.  473 

agungen  der  laiidsläudischen  Ausschüsse  zur  großen  Zu- 
riedenbeit  seiner  fürstlichen  Auftraggeber  gewaltet.  Der 
echte  Mann  am  rechten  Platze,  vertrat  er  hier  die  Rechte 
einer  Herren  in  den  schwierigsten  Lagen  und  gegen  gefähr- 
che  Gegner.  Mit  unermüdlichem  Eifer,  scharf  und  rück- 
ichtslos,  dabei  aber  mit  einer  Klugheit  und  Geschmeidig- 
eil, die  ihm  nachhaltige  Erfolge  zeitigten,  hat  er  die  Ver- 
andlungen der  Stände  in  des  Wortes  voller  Bedeutung 
eleitet. 

Gatzert,  der  zu  Mosers  Zeiten  als  Vertreter  der  Landes- 
niversität  von  der  Prälatenbank  aus,  auf  der  die  Abgeord- 
eten  der  Hochschule  saßen,  zeitweilig  selbst  der  Regierung 
charf  opponiert  hatte,  trat  jetzt  den  unbotmäßigen  Ständen 
Is  ein  erklärter  Anhänger  des  fürstlichen  Absolutismus  ent- 
egen.  Er  hat,  wie  die  beiden  Landgrafen,  denen  er  diente, 
US  seiner  Abneigung  gegen  das  landständische  Wesen  kein 
[ehl  gemacht.  Eine  Auflösung  des  Landtags  freilich,  mit 
er  er  gelegentlich  spielte,  oder  gar  seine  Abschaffung,  die 
rst  im  Jahre  1806  unter  veränderten  Zeitumständen  er- 
)lgte,  konnte  er  aus  Rücksicht  auf  die  Staatsgläubiger,  denen 
ie  Stände  verbürgt  waren,  nicht  wagen.  Er  hat  sich  deshalb 
lit  ihnen,  so  gut  oder  schlecht  es  ging,  verständigen  müssen. 

Gatzert  suchte  vor  allem  durch  eine  kluge  Nachgiebigkeit 
n  kleinen  den  guten  Willen  der  „kapriciösen"  Ritterschaft, 
ie  unter  Führung  der  Erbmarschälle  die  hartnäckigste 
fegnerin  der  Forderunj^en  ihrer  Landgrafen  und  uner- 
lüdlich  im  Vorbringen  von  „Desiderien"  und  Besch\verden 
rar,  zu  gewinnen.  Gelegentlich  hat  ihm  die  Beliebtheit  des 
rbprinzen,  des  späteren  Landgrafen  Ludwig  X.,  Vorspann 
eisten  müssen,  um  die  Stände  günstig  zu  stimmen.  Er  hat  vor 
eni  Rechnungstagc  Juni/Juli  1794,  um  die  Mißvergnügten 
u  beschwichtigen  ---  das  ganze  Land  seufzte  unter  den 
lilitärlasten  -,  den  Landgrafen  dazu  veranlaßt,  den  Vätern 
Her  im  Felde  stehenden  und  der  neu  zum  Dienst  eingc- 
ogenen  Soldaten  eine  halbjährige  Kontribution  zu  erlassen, 
.udwig  IX.  hatte  in  einem  ähnlichen  Falle  Gatzerts  Vor- 
chlag,  die  einflußreichsten  Vertreter  der  Landstände  durch 
esonderc  Liebenswürdigkeiten  und  Verwilligungen  vor  der 
'agung  kirre  zu  machen,  als  seiner  unwürdig  abgelehnt. ^- 
V'o  es  anging,  spielte  der  Minister  nach  dem  Grundsatze  *di- 
ide  et  impera'  die  Vertreter  des  einen  Standes  gegen  die 

^2  „Weil  ich  den  ohnehin  scliiihnjicn  guten  Willen  eines  jeden  Lands 
tands  pegen  seinen  Landesherni  nicht  zuvor  capliviren  und  überhaupt 
leiner  Neigung  denio  guten  rechtschaffenen  Manne  Zufriedenheit  zu  be- 
eugen,  nicht  schon  jetzo  eine  Gene  geben  will." 


474  Julius  Reinhard  Dieterich. 

anderen,  die  Städte  etwa  gegen  die  Ritter  und  Prälaten  aus. 
Im  äußersten  Falle  aber  scheute  er  selbst  nicht  vor  der 
offenen  Drohung  mit  der  Ungnade  und  Rache  des  Fürsten 
zurück.  Die  Klagen  über  das  schroffe  Auftreten  des  fürst- 
lichen Kommissars,  dem  alle  Mittel  recht  schienen,  um  seinen 
Auftraggebern  Vorteile  zu  verschaffen,  waren  deshalb  sicher 
nicht  unberechtigt.*' 

Gatzerts  außerordentliche  Gewandtheit  mit  Wort  und 
Feder,  seine  ausgebreiteten  Kenntnisse  im  Staats-  und  Lehn- 
recht kamen  ihm  bei  den  Verhandlungen  der  Landstände 
sehr  zu  statten,  vor  allem  aber  der  Umstand,  daß  sich  im 
Kreise  der  Prälaten,  zu  dem  auch  seine  früheren  Kollegen 
von  der  Landesuniversität  rechneten,  der  Ritter  imd  Städter 
kein  Einziger  fand,  der  ihm  an  schlagfertigem  Wissen  auch 
nur  einigermaßen  gewachsen  gewesen  wäre. 

Die  Erfolge  blieben  nicht  aus.  1782,  um  nur  die  Haupt- 
tagungen zu  erwähnen,  hat  Gatzert  nach  heftigen  Kämpfen 
sämtliche  Forderungen  des  Landgrafen  bis  auf  einige  ge- 
ringe Abstriche  durch-  und  sich  so  in  der  Gunst  Lud- 
wigs IX.  festgesetzt.  1790  verschaffte  er  dem  jungen  Land- 
grafen zu  seinem  Regierungsantritt  ein  reicheres  don  gratuit, 
als  es  seither  herkömmlich  war,  und  der  Landgräfin  ein  über 
alles  Erwarten  großes  Geschenk  der  Landstände.**  Auf  dem 
Notlandtage  1792,  der  diesmal  in  Gießen,  wohin  sich  der  Hof 
vor  den  Franzosen  zurückgezogen  hatte,  abgehalten  wurde, 
setzte  er  es  bei  den  Landständen  durch,  daß  sie,  freilich 
nicht  ohne  die  Sicherung  durch  eine  Generalhypothek  auf 
sämtliche  Einkünfte  der  Landgrafschaft,  die  Bürgschaft  für 
ein  vom  Landgrafen  aufzunehmendes  Kapital  von  600000  11. 
übernahmen. 

^''  Als  Beispiel  für  die  Art,  in  der  Gatzert  mit  den  Landständen  verfuhr, 
sei  hier  das  scharfe  Mandat  wiedergegeben,  das  er  bei  Gelegenheil  des 
Gießener  Rechnungskongresses  am  24.  Juli  1794  an  die  Abgeordneten  erließ: 
„Da  es  denen  Landständischen  Herrn  Deputirten  geftällig  gewesen,  l)ei  der 
Session  des  gegenwärtigen  Congresses  gegen  Observanz  ohne  Degen  zu 
erscheinen,  so  muß  fürstliche  Kommission  diese  befremdliche  AVillkühr 
um  so  mehr  durch  gegenwärtiges  zur  protokollarischen  Rüge  bringen,  als 
solches  den  repraesentativen  Verhältnissen  derselben  eben  so  wenig  an- 
gtniessen,  als  dem  Herkommen  und  der  feyerlichkeit  der  Zusammenkunft 
enti^prechend   ist". 

1^  Bei  der  Verteilung  der  Summen,  die  das  fürstliche  Ehepaar  von 
diesen  Verwilligungen  zu  wohltätigen  Zwecken  bestimmte,  erwirkte  Gatzert 
wie  er  selbst  in  einem  Briefe  an  den  Rektor  mitteilt,  10000  fl.  für  die 
schon  lan«ie  geplante,  aber  inmier  wieder  wegen  des  Widerstands  des 
Lanrllags  zurückgestellte  Errichtung  eines  Landeshebammeninstituis 
in  (ließen. 


Ein  Gie&ener  Professor  als  hessischer  Staatsminister.  475 

Den  Beschwerden  der  Landstände  gegenüber  verhielt  er 
h  meist  ablehnend  oder  er  behandelte  sie  dilatorisch.  Ein- 
.1  dagegen,  bei  Grelegenheit  des  landständischen  Kongresses 
5  Jahres  1794,  der  wieder  in  Gießen  zusammentrat,  hat  er 
h  zum  Sprachrohr  der  Beschwerden  der  Gießener 
irgerschaft  gemacht. 

In  Gießen  herrschte  unter  den  Bürgern  große  Unzu- 
3denheit  über  den  Wachdienst.  Die  Festung  war  von 
ippen  entblößt.  Deshalb  lag  den  Bürgern  die  Bewachung 
r  Stadttore  ob.  Da  von  den  700  Bürgern  sich  400  unter 
3n  möglichen  Vorwänden  von  dem  Dienste  drückten, 
eben  nur  300  waffenfähige  Bürger  zur  Bewachung  der 
idt  übrig,  so  daß  die  Einzelnen  fast  Tag  für  Tag  Posten 
hen  mußten.  Die  Erbitterung  in  den  davon  besonders  hart 
roffenen  Handwerkerkreisen  war,  da  der  altersschwache 
tdtkommandant  auch  die  Besetzung  überflüssiger  Posten 
•langte,  sehr  groß.  Ein  Schreiner,  der  sich  unter  diesen 
iständen  die  Franzosen  herbeiwünschte,  wurde  ins  Zucht- 
iis  gesetzt. 

So  lag  die  Sache,  als  Gatzert  in  Gießen  eintraf,  und  die 
rgerschaft  bei  ihm  vorstellig  ward.  Der  hartköpfige  Stadt- 
umandant,  von  ihm  zur  Rede  gestellt,  wollte  sich  auf 
e  Einschränkung  des  Postendienstes  nicht  einlassen.  So 
ndte  sich  der  Minister  in  einer  eingehend  motivierten 
igabc  an  den  Landgrafen. 

Er  stellte  darin  die  üble  Lage  der  Bürgerschaft  vor, 
r  schon  durch  den  Abzug  der  Garnison  der  Verdienst 
schmälert  sei.  Die  Universität  verfalle  mehr  und  mehr. 
5  zähle  jetzt  nur  noch  140  Studenten.  Ein  großer  Teil 
r  Handwerker  sei  brotlos.  Sie  murrten  über  den  über- 
ißigen Wachdienst,  den  sie  für  die  Soldaten,  die  doch 
s  ihren  Steuern  erhalten  würden,  leisten  müßten.  Statt 
innschaften  nach  Gießen  zu  schicken,  beurlaube  sie  der 
ndgraf,  und  sie  müßten  zu  den  Steuern  auch  noch  die 
enste  der  Soldaten  leisten.  Die  Unzufriedenheit  sei  all- 
nein.  Man  denke  daran,  eine  beschwerdeführende  Do- 
tation an  den  Landesherrn  zu  schicken.  „Kurz**,  so  schließt 
r  Minister  seinen  Bericht,  in  dem  er  die  Sache  der  Gießener 
m  Landgrafen  wann  ans  Herz  legt,  „die  Lage  ist  kritischer, 
;  ich  vorher  vermuthete**. 

Ludwig  X.  sagte  sofort  Abhülfe  zu.  Die  schlechte  Stim- 
mg  in  der  Bürgerschaft  komme  nicht  von  selbst,  sondern 
n  den  „räudigen  Dienern**,  die  er  dorten  habe.  „Daß  wenig 
jdenten  sich  auf  der  Universität  befinden,  ist  Folge  des 
iegs,   und   daß  Gießen  eine  (zwar  erbärmliche)  Vestung 


476  Julius  Reinhard  Dieterich. 

ist.  Wenn  diesem  Krieg  und  dem  schändlichen  Professors 
Krieg  endlich  ein  Ende  gemacht  worden  ist,  so  wird  es 
ganz  anders  mit  der  Universität  aussehen. "^^ 

Den  letzten  Zusanunenstoß  mit  den  Landständen  hat 
Gatzert  auf  dem  „Rumpflandtag**  von  Alsfeld  im  Jahre  1796 
gehabt.  Die  Stände  des  von  den  Franzosen  in  der 
schlimmsten  Weise  gebrandschatzten  und  mit  einer  nahezu 
unerschwinglichen  Kontribution  belegten  Oberfürstentunis 
hatten  sich,  mit  Genehmigung  des  ältesten  Ministers 
V.  Hesse,  aber  ohne  Wissen  imd  Willen  des  in  Klein- 
Tschocher  bei  Leipzig  im  Exil  weilenden  Landgrafen,  hier 
versammelt,  um  über  die  Aufbringung  der  Gelder  zu  ver- 
handeln. 

Gatzert.  traf  zufällig  auf  seiner  Rückreise  von  Leipzig, 
wo  er  mit  Ludwig  X.  über  die  Lage  des  Landes  beraten 
hatte,  in  Alsfeld  mit  den  Ständen  zusammen.    Er  beteiligte 
sich   an    den    Sitzungen    und   Verhandlungen,    trotzdem  er 
vom  Landgrafen  keine  Vollmacht  hatte.  Es  kam  zu  heftigen 
Zusammenstößen.    Die   Stimmung   im   Lande  war  für  den 
Frieden.    Das  Volk   war  aufgebracht  über  die  Abgabe  d^r 
sogenannten    englischen    Brigade.     Die    Stände    verlangten 
deren  Zurückberufung.    Sie  beschwerten  sich  über  Gewalt- 
tätigkeiten und  Härten  bei  den  Werbungen.    Die  „Gemüter 
waren  sehr  gespannt  und  beschwert**.   Die  Ritterschaft  war 
für  eine  Anleihe  in  Kassel,  das  heißt  bei  dem  dortisen  Land- 
grafen,    wozu    sich    Ludwig    X.    unter    keinen    Umständen 
verstehen  wollte.  Die  Stände  der  Obergrafschaft  waren  über- 
haupt nicht   eingeladen   worden,   da   ihnen   von   den  Fran- 
zosen eine  noch  viel  höhere  Kontribution^^  auferlegt  war, 
an  der  die  Oberhessen  nicht  teilnehmen  wollten. 

Das  Rumpfparlament  in  Alsfeld  verlief  so  sehr  stürmisch. 
Näheres  über  die  Verhandlungen  wissen  wir  nicht,  da  die 
Akten  der  Tagung  verloren  sind.  Doch  soviel  steht  fest, 
daß  der  Landgraf  und  sein  Minister  im  Drange  der  ^'ot 
schließlich  Zugeständnisse  gemacht  haben.  Ludwig  X.,  der 
aufs  äußerste  über  die  eigenmächtige  Berufung  des  Kon- 
gresses und  die  Vorgänge  in  Alsfeld  aufgebracht  war,  hat 
seinen  Ständen  diese  Überrumpelung  nie  vergessen. 

Mit  der  Teilnahme  am  Alsfelder  Kongreß  schloß  die 
landständische   Tätigkeit   (iatzerts    ab.    Sie   hatte   ihm  Ge- 

*•'  Dor  Ausriruck  „schändlicher  Professors  Krieg'*  geht  auf  die  uii- 
enpiicklichon  Verhältnisse,  die  damals  schon  seit  Jahren  in  der  Gießener 
l^iofessorcnsrhaft  herrschten,  und  die  seinerzeit  auch  Gatzert  den  :\uf' 
enthalt   an    der    Alma   niater   Ludoviciana   verleidet   hatten. 

1^  2  .Million   11.,   die   des   Oberfürslentums   betrug   IV2  Million  H- 


Ein  Gießener  Professor  als  hessischer  Staatsiiiinister.  477 

?geriheit  gegeben,  seinem  Herrn  die  größten  Dienste  zu 
eisten.  Seine  Tätigkeit  in  den  Staatsprozessen  und  auf  den 
•andtagen  haben  den  Grund  zu  der  tiberragenden  Vertrauens- 
tellung gelegt,  die  er  bei  Ludwig  IX.,  mehr  noch  aber  bei 
lUdwig  X.  inne  gehabt  hat.  Dem  alten  Landgrafen  ist 
atzert  der  vertrauteste  Diener,  aber  immerhin  nur  Diener 
ewesen,  dem  jungen  dagegen  ist  er  schon  bald  zum  ver- 
•autcsten  Freunde  geworden. 

Wir  wissen  nicht,  ob  Ludwig  IX.  Gatzert  überhaupt  per- 
inlich  gekannt  hat.  In  den  letzten  Jahren  seiner  Herrschaft 
at  der  Landgraf  Darmstadt  und  seine  Stammlande  gemieden, 
as  aber  wissen  wir  gewiß,  und  fast  jede  Seite  des  regen 
riefwechsels,  der  zwischen  Herrn  und  Diener  geführt  wurde, 
ezeugt  es  uns,  daß  Gatzert  sich  fast  vom  ersten  Tage 
^iner  Darmstädter  Wirksamkeit  des  vollsten  Vertrauens 
3ines  Fürsten  erfreut  hat,  und  daß  die  Dankbarkeit,  die 
ch  so  oft  in  den  Briefen  Ludwigs  IX.  in  den  wärmsten 
Torten  äußert,  wohlverdient  und  berechtigt  war. 

Näher  noch  als  das  Verhältnis  zu  dem  Pirmasenser 
aren  die  Beziehungen  Gatzerts  zu  Ludwig  X.  und  der 
andgräfin  Luise.  Ludwig  X.  hat  sich  schon  als  Erbprinz 
:ters  den  Rat  des  klugen  und  diskreten  Ministers  erbeten. 
"ar  dieser  unter  Ludwig  IX.  der  bevorzugte  Ratg?ber  der 
rone  gewesen,  so  hat  er  unter  dessen  Nachfolger  nahezu 
n  Jahrzehnt  unbestritten  die  erste  Rolle  im  Staate  gespielt. 

Der  junge  Landgraf  war  von  seinem  Vater  eifersüchtig 
Dil  den  Regierungsgeschäften  fern  gehalten  worden.  Er 
ar  von  dem  besten  Willen,  von  einer  warmen  Liebe  zu 
;inem  Volke,  die  immer  wieder  in  seinen  Entscheidungen 
im  Ausdruck  kommt,  beseelt,  als  er  37jährig  die  Zügel 
3r  Herrschaft  ergriff.^^  Ein  neuer,  frischer,  gesunder  Geist 
im  in  die  Verwaltung  des  kleinen  Landes,  seitdem  der 
andgraf  in  Darmstadt  selbst,  in  der  alten  Residenz  seiner 
tamnilande,  und  nicht  mehr  in  dem  weltverlorenen  Pir- 
asens  residierte.  Mit  wahrem  Feuereifer  stürzte  sich  der 
inge  Fürst  in  die  Staatsgeschäfte.  An  allem  nahm  er  leben- 
igen Anteil.  Kein  Ressort,  in  dessen  Wirkungskreis  er 
ch   nicht  einmischte.    Daß  dabei  Mißgriffe  unvermeidlich 

1*  Unter  den  Pai»ieren  Ludwijjs  X.  findet  sich  der  Entwurf  zu  einer 
i^rordnunjr,  durch  die  er  l)eini  Antritt  seiner  Regierung  die  Leil)eigenschaft 
seinen  Herrscliaftsgehieten  aufhel)en  wollte.  Die  Ungunst  der  Zeiten, 
e  Franzusennot  und  die  finanziellen  Schwierijikeiten,  in  denen  sich  die 
indgraf^cliaft  befand,  liaben  es  verhindert,  daß  dieser  hocliherzige  Hnt- 
hluÜ  schon  damals  zur  Tat  geworden  ist. 


478  Julius  Reinhard  Dieterich. 

waren,  nimmt  uns  bei  ihm  nicht  wunder,  der  bis  zum  Tode 
seines  Vaters  als  bescheidener  Privatmann  im  Auerbacher 
Fürstenlager  gehaust  und  wenig  Gelegenheit  gefunden  hatte, 
Staatsmann ische   Erfahrungen  zu   sanuneln. 

Das  schwierigste  Gebiet  war  das  der  Finanzen,  die  durch 
die  altüberkommene  Verschuldung,  durch  die  kostspieligen  mi- 
litärischen Passionen  des  alten  Landgrafen  und  zuletzt  noch 
durch  das  Ausbleiben  eines  großen  Teiles  der  Elsässer  Re- 
venuen in  der  übelsten  Verfassung  waren.  Ludwig  übernahm, 
um  die  Einnahmen  und  Ausgaben  seines  Landes  überbHcken 
und  regeln  zu  können,  selbst  die  Verwaltung  der  General- 
kasse. Den  Vorsitz  im  Kriegskolleg,  den  er,  allerdings 
ohne  einen  bestimmenden  Einfluß  ausüben  zu  können,  schon 
in  den  letzten  Jahren  seines  Vaters  geführt  hatte,  behielt 
er  bei.  Die  Leitung  der  auswärtigen  Angelegenheiten, 
die  in  einer  Zeit,  in  der  sich  jene  gewaltigen  Umwälzungen 
in  Frankreich  vollzogen,  die  auch  ihn  durch  seine  elsässische 
Grafschaft  in  Mitleidenschaft  zogen,  und  in  der  sich  der 
Gegenstoß  der  deutschen  Großmächte  gegen  die  Revolution 
vorbereitete,  von  Tag  zu  Tag  auch  für  unsere  Landgraf- 
schaft bedeutsamer  Avurden,  nahm  er  gleich  seinem  Vater 
selbst  in  die  Hand. 

Auf  allen  diesen  Gebieten,  dem  der  Finanzen,  dem 
militärischen  und  dem  der  auswärtigen  Politik  hat  der  Land- 
graf in  den  ersten  Jahren  schweres  Lehrgeld  bezahlen 
müssen,  auf  allen  dreien  ist  ihm  aber  mit  der  Zeit  der 
Minister  Gatzert  ein  treuer  Helfer  und  kluger  Berater  ge 
worden,  auf  allen  dreien  hat  er  schließlich  nichts  mehr 
ohne  oder  gegen  dessen  Stimme  unternommen.  Allmählich 
hat  sich  darm  eine  solche  Harmonie  der  Anschauungen  in 
den  wichtigsten  Fragen  bei  Herr  und  Diener  herausgebildet, 
daß  Ludwig  X.  nur  selten  etwas  an  den  Vorschlägen  seines 
Ministers  auszusetzen  und  zu  ändern  hatte,  und  daß  es  uns 
heute  schwer  fällt,  den  Anteil  beider  an  der  inneren  und 
äußeren  Politik  Hessens  zu  sondern. 

Mit  dem  jungen  Landgrafen,  so  selbstbewußt  und 
herrisch  er  auftreten  konnte,  war  in  jeder  Hinsicht  leichter 
und  besser  zu  arbeiten,  als  mit  dem  alten  eigensinnigen 
Herrn.  Ludwig  X.  war  einsichtig  genug,  der  überlegenen 
Erfahrung  Gatzerts  Zugeständnisse  zu  machen,  die  seinem 
Vater  niemals  hätten  abgerungen  werden  können.  Er  ver- 
trug unter  Umständen  auch  ein  offenes,  tadelndes  Wort 
und  behandelte  den  in  seinen  Diensten  ergrauten  und  zeit- 
weise  überarbeiteten    und    überreizten   Minister  mit  einer 


Ein  Gießener  I'rofessor  als  hessischer  Staatsminister.  479 

rührenden  Geduld  und  Schonung.  Auf  der  anderen  Seite 
hat  Gatzert  niemals  die  Linie  überschritten,  die  ihn,  den 
Diener,  von  seinem  Fürsten  trennte. 

Aus  dem  Vertrauen,  das  ihm  Ludwig  X.  von  allem 
Anfange  an  schenkte,  ist  mit  den  Jahren  eine  seltene  Freund- 
schaft erwachsen.  Die  Beweise  der  Anhänglichkeit  und  Dank- 
barkeit, wie  sie  die  Briefe  des  Landgrafen  an  den  Minister 
und  vor  allem  die  unzähligen  Resolutionen  auf  Referate 
und  Gutachten  Gatzerts  erfüllen,  legen  Zeugnis  von  den 
innigen  Beziehungen  beider  ab.  Bei  den  mit  den  Jahren 
häufiger  auftretenden  Krankheiten  Gatzerts  äußert  sich  die 
Teilnahme  des  landgräflichen  Paares  in  rührender  Anhäng- 
lichkeit. Die  Versicherungen  der  Dankbarkeit  kehren  in  den 
Briefen  Ludwigs  X.  immer  wieder.  Sie  sind  ernst  und  ehr- 
lich gemeint.  Die  Schuld  des  Landgrafen  ist  es  nicht  ge- 
wesen, daß  diese  Freundschaft  nicht,  wie  er  einmal  in 
launigen  Worten  in  Aussicht  stellt,  das  Grab  überdauert  hat.^* 

x\ls  „Deducent  des  fürstlichen  Hauses**  bekleidete  Gatzert 
von  allem  Anfang  an  eine  Vertrauensstelle  bei  seinem 
Landesherrn.  Die  Abfassung  von  Ehepakten,  der  Ausgleich 
der  Streitigkeiten  um  Apanagen  und  Erbschaften,  die  Rege- 
lung des  Schuldenwesens  der  jungen  Prinzen,  der  Brüder 
und  Vettern  des  regierenden  Landgrafen,  die  staatsrechtlich 
verwickelten  Verhandlungen  mit  der  apanagierten  Homburger 
Seitenlinie :  all  dies  gehörte  in  sein  Ressort  als  Hausminister. 

Er  hat  sich  auch  hierin  das  unbeschränkte  Vertrauen 
des  Landesherrn,  durch  den  Freimut  und  die  Gradheit  aber, 
mit  der  er  den  Brüdern  und  Vettern  Ludwigs  X.  entgegen- 
trat, mächtige  Feinde  am  Hofe  erworben.  Als  der  Land- 
graf im  Sommer  1792  zur  Armee  abgehen,  vorher  aber 
sein  Haus  bestellen  wollte,  hat  Gatzert  im  Auftrag  seines 
Herrn  die  Verhältnisse  der  Vormundschaft  über  die  land- 
gräflichen Kinder,  die  Aufbesserung  des  Wittums  der  Land- 
gräfin,  die  Regelung  der  Apanagen  in  einem  ausführlichen 
Gutachten  erörtert.  Seine  Vorschläge  sind  von  dem  Auf- 
traggeber  genehmigt   und    rechtskräftig   geworden. 


^^  Resolution  vom  September  1793:  „. . .  tausend  Dank  hiermit  schrift- 
lich, und  erschrecken  Sie  nicht,  wenn  meine  Person  es  Ihnen  mündlich 
bald  noch  mehr  danket,  und  bitte  meine  Person  auch  nicht  für  einen  Geist 
anzusehen;  sollte  auch  die  Lauter  (der  Landgraf  war  im  Begriff  zur  preu- 
ßischen Armee  abzugehen,  die  damals  an  der  Lauter  stand)  mich  zum 
Gespenst  machen,  so  kann  ich  nichts  als  ein  guter  Geist  für  Ihnen  werden, 
der  mir  so  viele  Proben  von  wahrer,  aufrichtiger  und  geradeaus  gehender 
Freundschaft  immer  gegeben  hat,  sollte  ich  es  nicht  mehr  körperlich  sein, 
so  ivill  ich  es  wenigstens  noch  geistig  bleiben.** 


480  Julius  Reinhard  Dieterich. 

Überwog  schon  unter  Ludwig  IX.  das  Ansehen  Gatzerls 
das  der  anderen  Minister,  so  hat  sich  unter  dem  letzten 
Landgrafen  sein   Einfluß   so   gehoben,  daß  er  unbestritten 
der  erste   nach  dem   Fürsten  war.    Dem   Dienstalter  nach 
rangierte  zwar  der  Geheime  Rat  v.  Hesse  vor  ihm.   Hesse 
unterzeichnete   die   Referate  an  erster  Stelle.    In    der  Tal 
aber  war  Gatzert  der  allmächtige  Premierminister,  in  dessen 
Händen  zuletzt  alle  Fäden  der  inneren  und  äußeren  Politik 
Hessen-Darmstadts  zusanunenliefen,  ohne  den  keine  wich- 
tigen Entscheidungen,  in  welchem  Ressort  es  auch  gewesen 
wäre,  gefaßt  werden  konnten.    Die  Hanau-Lichtenberger  An- 
gelegenheiten, die  in  der  ersten  Zeit  den  Angelpunkt  der 
hessischen  Politik  bildeten,  hat  er  unabhängig  von  dem  Darm- 
städter Ministerium  geleitet.    Seit  etwa  1792  gehen  die  aus- 
wärtigen Angelegenheiten  durch  seine  Hände,  allein  durch 
seine  Hände.    Seine  Kollegen  im  Ministerium,  über  deren 
Fähigkeiten  auch  Ludwig  X.  gering  dachte,  wurden  nur  ganz 
ausnahmsweise  und  unter  dem  Widerstreben  ihres  Landes- 
herrn um  Rat  gefragt.    Sie  beklagten  sich  dann  w^ohl  darüber, 
daß  sie  ganz  ohne  Kenntnis  der  Lage  und  der  V'^orv^erhand- 
lungen  urteilen  sollten,  und  schlössen  sich  in  den  meisten 
Fällen  unbedingt  der  reiferen  Erfahrung  Gatzerts  an.    Als 
der  Minister  Freiherr  v.  Lehmann  einmal  in  einem  Referat 
durchblicken  ließ,  daß  er  die  seither  befolgte  Politik  nicht 
billige,  zog  ihn  der  Landgraf  strenge  zur  Verantwortung. 

Auch  auf  die  militärischen  Angelegenheiten  gewann  Gat- 
zert immer  mehr  Einfluß.  Wie  in  der  Elsässer  Sache  mit 
dem  passiven  Widerstände  der  Buchsweiler  Regierung,  halte 
er  hier  mit  dem  bösen  Willen  des  Kriegskollegs  zu  kämpfen. 
Bei  Hofe  arbeitete  ihm  eine  starke  Partei,  wie  es  scheint, 
unter  der  Führung  des  preußenfreundlichen  Prinzen  Georg, 
entgegen.  Auch  mit  dem  ftinzen  Friedrich  hat  er  sich  zeit- 
weise überworfen.  In  bitteren  Worten  klagt  er  einmal  über 
die  Intriguen,  die  durch  einen  ehemaligen  Hanau-Lichten- 
berger Regierungsrat  Hermanni  von  Darmstadt,  vom  Hofe 
aus  gegen  seine  Politik  in  Basel  angezettelt  wurden.  „Ich 
war  überzeugt**,  heißt  es  in  seinem  Referat  vom  22.  Juli 
1795,  „und  bin  es  noch  in  diesem  Augenblicke,  daß  die 
Sache  ein  hier  angelegter  Handel  ist,  unsere  zu  Basel  (zu) 
machenden  Einleitungen  auszukundschaften  und  zu  contre- 
carriren.  Es  ist  unglaublich,  wie  und  unter  welchen  Per- 
sonen die  Cabale  hier  gegen  alle  gute  Unternehmungen  im 
Fiiistern  schleichet,  wie  schwarz  und  gröblich  gottlos  intri- 
guirt  wird,  und  wie  sehr  man  dabey  höchstdero  gutes  Herz 
mißbrauchet,  daß  Sie  selbst  noch  ohne  es  zu  wissen  imd  zu 


Ein  Gießener  Professor  als  hessischer  Staatsminister.  481 

wollen,  die  Hände  und  Unterstützung  dazu  biethen  müssen. 
Stünde  ich  nicht  wie  der  Felss  im  Wasser,  und  behielte  ich 
nicht  meinen  unbeugsamen  steifen  Gang,  so  wäre  meine 
moralische  Existenz  schon  lange  nicht  mehr.** 

Gatzert  hat  sich,  gestützt  auf  das  Wohlwollen  und  Ver- 
trauen seines  fürstlichen  Freundes,  aJlen  diesen  Widerstän- 
den zum  Trotz,  überall  durchzusetzen  vermocht.  Eine  kurze 
Übersicht  seiner  Tätigkeit  in  den  neunziger  Jahren,  die  not- 
wendigerweise zugleich  eine  Skizze  der  hessischen  Politik 
jener  Zeit  überhaupt  sein  muß,  zeigt  uns  den  Aufstieg  zum 
Höhepunkt  sedner Tätigkeit  als  Ministerund  wird  uns  zugleich 
die  Ursachen  klarlegen,  die  endlich  seinen  jähen  Sturz  herbei- 
geführt haben. 

Die  Frage  der  Entschädigung  für  die  Verluste  auf  dem 
linken  Rheinufer  hat  von  1790  bis  zum  Reichsdeputations- 
hauptschluß den  Angelpunkt  der  hessischen  Politik  gebildet. 
Durch  den  denkwürdigen  Beschluß  der  französischen 
Nationalversammlung  vom  4.  August  1789  waren  dem  Land- 
grafen die  landesherrlichen  Rechte  und  Einkünfte  in  seiner 
elsässischen  Grafschaft  Hanau-Lichtenberg,  zu  der  noch  die 
sogenannten  Reichsämter  Lemberg  mit  Pirmasens  links, 
Schaafheim,  Lichtenau  und  Willstätt  rechts  des  Rheins  ge- 
hörten, beträchtlich  geschmälert  worden.  Die  Grafschaft  löste 
sich,  so  anhänglich  die  Bevölkerung  an  das  angestammte 
Fürstenhaus  war,  unter  dem  Drucke  der  Revolution  all- 
mählich von  der  alten  Herrschaft  los.  Die  Regierung  zu 
Buchsweiler,  die  von  jeher  auf  Grund  des  Testaments  des 
letzten  Grafen  von  Hanau-Lichtenborg  (f  1735)  eine  große 
Selbständigkeit  genoß,  verhandelte  auf  eigene  Faust  mit  den 
französischen  Machthabern  und  wahrte  nach  der  Ansicht 
Ludwigs  X.  das  Interesse  Darmstadts  nicht,  wie  es  wün- 
schenswert gewesen  wäre. 

So  tauchte  bei  Gatzert  schon  1790  der  Gedanke  auf, 
die  Verwaltung  der  Grafschaft  schrittweise  aufzulösen  und 
nach  und  nach  der  Regierung  der  Landgrafschaft  an-  und 
einzugliedern.  Er  schlug  seinem  Herrn  vor,  die  Buchs- 
weiler Regierung,  um  besser  auf  sie  einwirken  zu  können, 
vorläufig  in  das  näher  und  außerhalb  des  Bereichs  der 
Franzosen  gelegene  Pirmasens,  später  aber,  bei  günstiger 
Gelegenheit,  nach  Darmstadt  zu  verlegen.  Zunächst  solle 
man  wenigstens  das  einige  Stunden  von  Darmstadt  ent- 
fernte Amt  Schaafheim  der  Dannstädter  Regierung  ganz 
einverleiben  und  die  drei  übrigen  Reichsäniter  einer  be- 
sonderen, in  Darmstadt  einzurichtenden  Behörde  unter- 
Beiträge z.  Gesch.  d.  Universitäten  Maiuz  u.  Gießen.  31 


48^  Julius  Reinhard  Dieterich. 

stellen,  die  sie  allmählich  in  die  hessische  Verwaltung  hin- 
überleitete.  Zugleich  könne  dieser  Behörde  die  Oberaufsicht 
über  die  sämtlichen  Hanau-Lichtenberger  Angelegenheiten 
übertragen   werden. 

Auf  seine  Vorschläge  hin  ward  Gatzert  selbst  mit  dem 
Titel  eines  Hanau  -  Lichtenbergischen  Greheimen  Kabinetts- 
ministers zum  Vorstand  dieser  neuen  Behörde  ernannt.  Der 
Widerstand  der  inzwischen  nach  Darmstadt  geflüchteten 
Buchsweiler  Regierung  gegen  die  neue  Organisation  war 
schwer  zu  überwinden.  Ihr  seitheriger  Präsident,  Freiherr 
Ludwig  Samson  von  Rathsamhausen,  der  durch  Gatzerts  Er- 
nennung von  der  ersten  auf  die  zweite  Stelle  herabgedrückt 
war,  ließ  nichts  unversucht,  dessen  Pläne  zu  hintertreiben. 
Dieser  Widerstand  und  die  Kriegsereignisse  der  Jahre  1792  bis 
1794  haben  den  Abschluß  der  Reform,  die  schon  zum  I.Januar 
1792  durchgeführt  sein  sollte,  bis  ins  Jahr  1794  hinaus  ver- 
zögert. Der  letzte  Rest  der  Selbständigkeit  der  Hanauer  Ämter 
ist  dann  erst  nach  Gatzerts  Sturz  und  nach  der  Abtretung 
des  linken  Rheinufers  an.  Frankreich  verschwunden. 

Als  Hanau-Lichtenberger  Geheimer  Kabinettsminister 
referierte  Gatzert  unmittelbar  an  den  Landgrafen.  Das  Re- 
ferat über  die  auswärtigen  Angelegenheiten,  die  sich  in 
den  neunziger  Jahren  um  die  Hanau-Lichtenberger  Ent- 
schädigungsfrage drehten,  ist  so  allmälilich  in  seine  Hände 
hinübergeglitten.  Der  Landgraf  hat  seinen  Minister  mit  weit- 
gehenden Vollmachten  ausgestattet.  Gatzert  hat  das  Ver- 
trauen in  jeder  Weise  gerechtfertigt.  Er  hat  seinem  Herrn 
so  viel  gerettet,  als  noch  zu  retten  war,  und  sich  den  Dank 
der  Hanau-Lichtenberger  Untertanen  in  den  schweren  Jahren 
der  französischen  Okkupation  und  der  Koalitionskriege  durch 
sein  väterliches  Walten  in  vollstem  Maße  verdient. 

Seine  rechte  Hand  in  Pirmasens  imd  später  in  den 
rechtsrheinischen  Ämtern  Lichtenau  und  Willstätt  war  der 
Regienmgsrat  Kappler,  ein  verbummelter  Theologe  ^^  der, 
nachdem  er  als  Weinhändler  bankerott  geworden  war,  zuerst 
als  Agent,  dann  als  Beamter  in  Hanau-Lichtenberger  Dienste 
kam,  ein  überaus  gewandter,  kluger  und  willensstarker,  in 
der  Wahl  seiner  Mittel  nicht  immer  wählerischer,  seinem 
Fürsten  aber  aufrichtig  ergebener  Mann.  Er  hat  später  bei 
den  Baseler  Friedensverhandlungen  und  in  Rastatt  eine 
große,  freilich  nicht  immer  eindeutige  Rolle  gespielt. 

Mit  der  Hanau-Lichtenberger  und  der  Entschädigungs- 
frage war  die  ganze  auswärtige  Politik  der  Landgrafschaft 

^^  Nach  anderen  war  er  Jurist. 


Ein  Gießener  Professor  als  hessischer  Staatsminister.  483 

0  eng  verwachsen,  daß  sich  der  Einfluß  einer  so  energischen 
nd  zielbewußten  Persönlichkeit,  wie  Gatzert  es  war,  bald 
uch  auf  anderen  Gebieten  fühlbar  machte.  Ludwig  X.  be- 
iente  sich  seiner  u.  a.  zu  seinen  Korrespondenzen  mit  dem 
/iener  und  Berliner  Hofe.^o  Gatzert  hat  mit  der  Zeit  auch 
?lbständig  und  ohne  Mitwirkung  seiner  Amtsgenossen  die 
istniktionen  für  den  hessischen  Gesandten  beim  Regens- 
urger Reichstag  entworfen.  Sein  Einfluß  auf  die  Ent- 
:hließungen  Ludwigs  X.  ist  so  immer  mehr  gewachsen,  bis 
ieser  zuletzt  in  der  auswärtigen  Politik  auch  nicht  den 
leinsten  Schritt  ohne  den  Beirat  des  klugen  und  gewandten 
[inisters  unternahm,  dessen  gewandte  Feder  dem  im  schrift- 
chen Ausdruck  wenig  Geübten  bald  unentbehrlich  wurde. 

Schon  1790  hat  Gatzert  mit  dem  preußischen  General 
rafen  Kalckreuth  über  einen  mit  Preußen  abzuschließenden 
ubsidientraktat  korrespondiert.  Das  Nähere  darüber  ent- 
ieht  sich  noch  unserer  Kenntnis.  Die  Verhandlungen 
^heinen  zwischen  Ludwig  X.  und  seinem  Schwager  König 
riedrich  Wilhelm  II.  direkt  und  zum  Teil  mündlich  geführt 
u  sein.  Sie  sind  überhaupt  nicht  zum  Abschluß  gekommen 
nd   erst  im  Sormner   1792  wieder  aufgenommen  worden. 

Die  Subsidienfrage  war  eine  Lebensfrage  für  die  Land- 
rafschaft.  Ohne  Subsidien  war  es  Ludwig  X.  auf  die  Dauer 
nmöglich,  eine  achtunggebietende  Militärmacht,  wie  er  sie 
790  aus  den  Bataillonen  seines  Vaters  neu  formierte,  auf 
en  Beinen  zu  erhalten.  Hatte  er  bei  seinem  Regierungs- 
ntritt  die  strengste  Sparsamkeit  eingeschärft :  auf  einem 
ebiete  gab  es  kein  Sparen  für  ihn,  auf  dem  des  Militär- 
''esens.  Als  Erbprinz  hatte  er  der  Einschränkung  der  mili- 
irischen  Ausgaben  das  Wort  geredet  und  sich  hierin  im 
(Cgensatz  zu  seinem  Vater  befunden.  Die  Militärausgaben 
teilten  zu  Ludwigs  IX.  Zeiten,  die  Zeiten  des  Friedens 
raren,  Luxusausgaben  dar,  Ausgaben  für  eine  kostspielige 
liebhaberei  des  Landesfürsten.  Als  Ludwig  X.  1790  die 
Legierung  antrat,  waren  die  Verhältnisse  von  Grund  aus 
erändert,  war  die  Bereithaltung  einer  starken  Militärmacht 
ine  Lebensfrage  für  Hessen-Darmstadt  geworden. 

Der  Konflikt  der  deutschen  Großmächte  und  des  durch 
ie  Maßregeln  des  Nationalkonvents  im  Elsaß  schwer  ver- 
»tzten  Reiches  mit  Frankreich  war  in  nächste  Nähe  gerückt, 
ludwig  X.  sah  mit  Sicherheit  voraus,  daß  er  in  einem  Kriege 
ur  dann  mitzusprechen  und  etwas  auszurichten  vennochte, 
»-enn  er  eine  ansehnliche  Militärmacht  in  die  Wagschale 

2'>  Verhandlungen  mit  Frankreich  hat  der  Landgraf  in  der  ersten  Zeit 
omer  schroff  von  der  Hand  gewiesen. 

8l« 


484  Julius  Reinhai'd  Dieterich. 

werfen  konnte  und  außer  dem  schwachen  Reichskontingent 
von  300  Mann  Infanterie,  das  er  im  Falle  eines  Reichs- 
krieges zu  stellen  hatte,  noch  ein  wohlgeübtes,  gut  ausge- 
rüstetes, für  die  Größenverhältnisse  seines  Landes  starkes 
Korps  von  allen  Waffengattimgen  zur  Verfügung  hatte. 

Mochten  einzelne  Reichsstände  sich  mit  der  Stellung 
ihres  Kontingents  begnügen  oder  gar  durch  Zahlungen  in 
die  Reichsluitionskasse  loskaufen:  der  Verlust  des  Land- 
grafen auf  dem  linken  Rheinufer  war  so  beträchtlich,  seine 
Lage  in  unmittelbarer  Nähe  des  Reichsfeinds  so  gefährlich, 
daß  für  ihn  ein  schwaches,  passives  Verhalten  die  ver- 
kehrteste Politik  gewesen  wäre.  An  eine  Entschädigung  für 
die  Verluste  bei  einer  künftig  unausbleiblichen  Neuordnung 
der  Verhältnisse  und  an  ein.  Eintreten  der  Großmächte  für 
ihn  war  nur  dann  zu  denken,  wenn  Hessen-Darmstadt  im 
Besitze  einer  schlagfertigen  Truppe  war. 

Ludwig  X.  hat  deshalb  1790  die  einzig  richtige  Politik 
eingeschlagen:    er   entschloß    sich    schweren    Herzens   zur 
Beibehaltung  und  Neuformation  seines  Heeres.     Schweren 
Herzens,  denn  die  schlimme  Finanzlage  seines  Landes  schien 
weitere  Aufwendungen  für  militärische  Zwecke  zu  verbieten. 
Von  allem  Anfange  an  hat  sich  der  Landgraf  deshalb  auch 
mit  dem  Gedanken  getragen,  im  Falle  des  seiner  Ansicht 
nach  unvermeidlichen   und    nahe    bevorstehenden    Krieges 
mit   Frankreich   seine  Truppen   an  eine  der  beiden   Groß- 
mächte oder  das  Reich  gegen  Subsidien  abzugeben.    Die 
Vorteile  des  Planes  waren  doppelte:  einmal  erwies  er  den 
Großmächten  einen  Gefallen  imd  erwarb  in  ihnen  mächtige 
Fürsprecher    in    der    Entschädigungsfrage,    dann    aber   be- 
deutete die  Abgabe  der  Truppen  gegen  Subsidien  eine  große 
Erleichterung    für    sein    schwer    belastetes    Land    und    im 
günstigen  Falle  ein  gutes  finanzielles  Geschäft.    Er  sah  bei 
seinem  Vetter,  dem  Landgrafen  von  Hessen-Kassel,  der  seine 
in  Deutschland  damals  beispiellose  finanzielle  Lage  in  erster 
Linie  seiner  Subsidienpolitik  verdankte,  welche  Vorteile  aus 
einem    günstigen    Subsidientraktat  herausspringen  konnten. 
Im  Gegensatze  zu  dem  Kasseler  Vetter  hat  aber  Ludwig  X. 
von  vornherein  eine  Abgabe  seiner  Truppen  an  eine  fremde 
Macht  weit  von  sich   gewiesen.    Nur  das   Reich  oder  die 
beiden  deutschen  Großmächte,  Preußen  imd  Österreich,  und 
die  Teilnahme  an  dem  unvenneidlichen  Reichskrieg  kamen 
für  ihn  in  Frage.    Er  hat  sich  erst  in  der  allergrößten  Not, 
unter  dem  Drucke  der  Verhältnisse  zur  Abgabe  eines  Teils 
seiner  Truppen  an  die   Engländer  verstanden. 

Im    Sommer    1792    hat    Landgraf    Ludwig    die    abge- 


Ein  Giefiener  Professor  als  hessischer  Staatsminister.  485 

brochenen  Verhandlungen  über  einen  Subsidienvertrag  mit 
dem  König  von  Preußen  wieder  aufgenommen.  Er  hat  mit 
seinem  königlichen  Schwager,  der  im  Juli  zu  Mainz  mit 
Kaiser  Franz  II.  zusammentraf,  mündlich  darüber  verhandelt. 
Subsidien  zu  zahlen,  war  Preußen  infolge  seiner  schlechten 
finanziellen  Lage  nicht  imstande.  Dagegen  wurde  verab- 
redet, daß  der  Landgraf  unter  preußischer  Garantie  bei  dem 
preußischen  Hofbankier  Geh.  Rat  v.  Willemer  in  Frankfurt 
eine  Anleihe  von  900000  fl.  aufnehmen,  dagegen  aber  sofort 
seine  Regimenter  mobil  machen  und  zu  den  Preußen  stoßen 
lassen  solle,  die  am  Vorabend  ihres  Einmarsches  in  Frank- 
reich standen. 

Die  Verhandlungen  über  die  preußische  Garantie,  die 
Aufnahme  der  9000lOO  fl.  und  den  Anschluß  des  hessen- 
darmstädtischen  Korps  an  die  preußische  Armee  zogen  sich 
in  die  Länge.  Das  Geld  war  sehr  knapp.  Die  Darlehens- 
geber zeigten  sich  schwierig.  König  Friedrich  Wilhelm  II. 
verlangte,  nachdem  ihm  sein  Schwager  die  Truppen  zuge- 
sagt hatte,  für  seine  Garantie  immer  neue  Bürgschaften, 
Verpfändungen  und  Sicherheiten.  Zuletzt  stellte  er  eine  Art 
von  Rückversicherung  durch  den  Kaiser  als  Bedingung.  Als 
dann  Ludwig  X.  seinerseits  Forderungen  stellte  und  vor 
allem  außer  der  Garantie  feste  Zusagen  über  die  Gewährung 
bestimmter  Entschädigungen  für  den  Fall  eines  Friedens 
mit  Frankreich  verlangte,  drang  Preußen  auf  eine  be- 
dingungslose Annahme  der  von  ihm  vorgeschlagenen 
Militärkonvenllon.  Nur  zu  einer  ganz  allgemeinen  Zusage 
seiner  Verwendung  für  Hessen-Darmstadt  beim  Friedens- 
schluß verstand  es  sich  schließlich. 

Erst  in  diesem  Stadium  der  Verhandlungen  wandte  sich 
der  Landgraf  an  seinen  Geheimen  Rat.  Bis  dahin  hatte  er 
die  Verhandlungen  mit  den  Preußen  im  tiefsten  Geheimnisse 
betrieben.  Nur  sein  Schwager,  Landgraf  Georg,  war  ein- 
geweiht und  bei  den  Abreden  beteiligt  gewesen. 

Das  Referat  der  Minister  vom  27.  Juli  1792,  in  dem  sie 
sich  über  die  Bedingungen,  imter  denen  Hessen  seine  Truppen 
marschieren  lassen  sollte,  und  über  die  preußische  Garantie 
äußerten,  führt  eine  feste,  offene  und  würdige  Sprache.  Die 
Ausdrucksweise  Gatzerts  ist  in  ihm  nicht  zu  verkennen. 
Die  Geheimen  Räte  verwahren  sich  feierlich  dagegen,  daß 
sie,  die  bei  den  seitherigen  Verhandlungen  über  die  Sub- 
sidien- und  Garantiefragen  übergangen  worden  seien,  jetzt 
die  Verantwortung  übernehmen  sollten. 

Bedingungen  zu  stellen,  sei  es  zu  spät.  Man  müsse,  da 
des  Fürsten  Ehre  engagiert  sei,  bedingungslos,  „gewisser- 


486  Julius  Reinliard  Dieterich. 

maßen  auf  Diskretion**  die  Militärkonvention  annehmen  und 
sich  wenigstens  die  geringen  Zusagen  der  großen  Mächte 
verbriefen  lassen.  „Eine  schriftliche,  wechselseitige,  verbind- 
liche Verabredung  ist  allemal  wesentlich  nöthig,  und  eine 
späte  ist  immer  noch  besser  als  gar  keine**.  Zur  preußischen 
Garantie  eines  Anlehens,  die  Hessen  an  Preußen  auf  Gnade 
und  Ungnade  ausliefere,  raten  sie,  nur  im  äußersten  Not- 
falle, und  wenn  sie  ohne  entehrende  Bedingungen  gegeben 
werde,  zu  greifen. 

Um  gut  zu  machen,  was  noch  gut  zu  machen  war,  nach- 
dem der  Landgraf  selbst  in  allzugroßer  Vertrauensseligkeit 
die  Sache  verfahren  hatte,  wurde  Gatzert  im  August  1792 
in  das  preußische  Hauptquartier  nach  Trier  geschickt.  Die 
Preußen  verharrten  auf  ihren  Bedingungen:  forderten  ihrer- 
seits bedingungslose  Annahme  der  Militärkonvention  und 
verweigerten  unter  allen  möglichen  Ausflüchten  die  Garantie 
für  die  Aufnahme  der  für  die  Mobilmachung  unbedingt  not- 
wendigen 900000  fl.  So  zerschlug  sich,  zum  Glück  für  den 
Landgrafen,  die  ganze  Sache. 

Der  Ausgang  des  preußischen  Feldzugs  in  der  Cham- 
pagne ist  bekannt.  Nach  den  Unglückstagen  von  Valmy  trat 
die  Armee  einen  unrühmlichen  Rückzug  an.  Ludwig  X. 
hatte  inzwischen,  immer  noch  in  dem  Gedanken,  den  An- 
schluß an  Preußen  doch  noch  zu  finden,  einen  Teil  seiner 
Truppen  mobil  gemacht  und  stand  in  und  um  Darmstadt. 

Ende  September,  beim  Einfall  Custines  wurde  er  vor 
die  Entscheidung  gestellt,  ob  er  sich  der  Koalition  anschließen 
wollte  oder  nicht.  Auf  diese  Entscheidung  hat  Gatzert  durch 
ein  motiviertes  Gutachten  eingewirkt,  bei  dem  wir  etwas 
länger  verweilen  müssen.  Stellt  es  doch  die  erste,  ent- 
scheidende Einwirkung  überhaupt  dar,  die  er  auf  die  aus- 
wärtige Politik  des  Landgrafen  ausgeübt  hat. 

Custine  bedrohte  mit  15000  Mann  Speyer  und  die  dort 
befindlichen  wertvollen  kaiserlichen  Magazine.  Speyer  war 
nur  durch  ein  schwaches  Korps  von  Österreichern  und  Kur- 
mainzern gedeckt.  Der  kaiserliche  Minister  beim  ober- 
rheinischen Kreise,  Graf  Schlick,  forderte  den  Landgrafen 
zur  schleunigen  Hülfeleistung  auf.  Der  Bischof  von  Speyer 
bat  flehend,  seine  Stadt  zu  retten.  Dieser  Brief  kam  schon 
zu  spät.  Die  Franzosen  waren  so  überraschend  erschienen, 
daß  das  zweite,  am  selben  Tage  (30.  September)  abgelassene 
Schreiben  des  Bischofs  schon  von  dem  Beginn  des  für 
die  Reichstnippen  unglücklich  verlaufenden  Gefechts  bei 
Speyer  melden  konnte. 

Ludwig  X.  war    zur  Hülfeleistung    bereit.     Aber  das 


Ein  Gießener  Professor  als  hessischer  Staatsminister.  487 

Darmstädter  Korps  mit  seinen  3 — 4000  Mann  war  allein 
dazu  zu  schwach.  Nur  mit  Unterstützung  der  pfälzischen 
Truppen  war  ein  Angriff  auf  die  Übermacht  der  Franzosen 
zu  wagen.  Die  pfälzische  Regierung  in  Mannheim  aber, 
an  die  sich  Ludwig  schon  wegen  des  Durchzugs  und  der 
Benutzung  der  Rheinbrücke  bei  Mannheim  gewandt  hatte, 
verriet  die  deutsche  Sache  und  erklärte  ihre  Neutralität. 
Ludwig,  der  schon  den  Befehl  zum  Ausmarsch  seines  ganzen 
Korps  gegeben  hatte,  und  selbst  schon  mit  einem  Teile  im 
Marsche  war,  mußte  so  das  aussichtslose  Unternehmen  auf- 
geben und  umkehren.  Wie  es  sich  später  herausstellte, 
wäre   er  außerdem  sicher  zu  spät  gekommen. 

Zu  seinem  Entschlüsse  und  zu  den  ferneren  Maßnahmen 
hat  ihn  zweifellos  in  erster  Linie  Gatzert  bestimmt,  der  im 
Einverständnis  mit  den  anderen  Ministern  und  mit  dem 
Generaladjutanten  v.  d.  Bussche  in  einem  eingehend  moti- 
vierten Gutachten  vom  4.  Oktober  1792  die  Rämnung  Darm- 
stadts  und  den  Rückzug  ins  Oberfürstentum  nach  Gießen 
vorschlug. 

Ein  verhängnisvoller  Vorschlag,  dessen  Ausführung  dem 
Landgrafen  die  schlimmsten   Vorwürfe  eintragen  sollte! 

Gatzert  wirft  im  Eingang  des  denkwürdigen  Akten- 
stückes die  Fragen  auf:  was  hat  Ludwig  als  Fürst  und 
Vater  seines  Landes  und  zur  Aufrechterhaltung  seiner 
eigenen  Ehre  ,,in  Ansehung  der  gethanen  zeitherigen 
Schritten  zu  tun?" 

Die  landesväterlichen  Pflichten  gehen  unter 
allen  Umständen  vor.  Der  offene  Bruch  mit  Frankreich, 
der  seither  noch  vermieden  war,  kaim  unübersehbare  Folgen 
für  Fürst  und  Land  haben.  Es  ist  unmöglich,  daß  Hessen 
allein  den  Franzosen  Widerstand  leistet.  „Die  hiesigen 
Bürger  sind  schon  äußerst  schwührig  und  bis  zu  einem 
Grade  des  Mißmuths  und  der  Frechheit  durch  das  heutige 
Ausmarschieren  gebracht  worden  .  .  .  .,  daß  sie  ohne  Scheu 
drohten,  wenn  auf  solche  Art  der  Feind  gereizt,  das  aus 
lauter  Landeskindern  bestehende  Militare  auf  die  Schlacht- 
bank ausgeliefert,  ihr  Eigentum  Preiß  gegeben  und  Stadt 
und  Bürgerschaft  der  Verheerung  ausgesetzt  werden  wolle, 
sie  sich  widersezzen  und  so  gut  als  möglich  selbst  helfen 
und  Sicherheit  verschaffen  würden  und  müßten.**  „Hier**, 
so  fährt  das  Gutachton  fort,  „droht  also  öffentlicher,  sich 
gar  leicht  im  ganzen  Lande  verbreiten  könnender  Aufruhr, 
und  ich  muß  aufrichtig  bekennen,  daß  ich  diesen  inner- 
lichen Feind  für  weit  gefährlicher,  besonders  in  der  Folge 
halte,  als  den  äußerlichen**. 


488  Julius  Reinhard  Dieterich. 

Der  Landgraf  möge  deshalb  seine  Truppen  ins  Ober- 
fürstentum entsenden,  „um  sowohl  in  Ansehung  der  Fran- 
zosen den  Schein  feindseliger  Absichten  und  geflissent- 
licher Reizzung  zu  beseitigen,  als  den  Unterthanen  ihre 
Besorgnis  mit  einemmal  zu  nehmen". 

Dem  Kaiser  und  den  Reichsständen  müsse  dieser  Rück- 
marsch als  „forciert  und  notgedrungen",  den  Franzosen  und 
dem  Lande  als  freiwillig  hingestellt  werden.  Der  Land- 
graf behalte  so  zunächst  immer  noch  freie  Hand,  „unter 
veränderten  Umständen  die  Reichsständischen  Pflichten, 
vielleicht  auch,  so  weit  thunlich,  Ihre  sonst  getroffenen 
Engagements  seiner  Zeit  annoch  zu  erfüllen". 

Die  Furcht  vor  einer  Insurrektion  war  es  also  in  erster 
Linie,  die  Gatzert  zu  seinem  Rate,  den  Landgrafen  zum 
Rückzug  ins  Oberfürstentum  bestimmte.   War  sie  begründet? 

Wir  hören  allerdings  gelegentlich  von  französischen 
Emissären  in  Langen,  Arheilgen  und  Nieder-Beerbach,  später 
von  Putschen  der  Handwerker  in  Darmstadt,  Gießen  und 
Umstadt  —  in  Darmstadt  ist  sogar  1795  vor  der  Bierbrauerei 
von  Appel  eine  „Art  von  Freiheitsbaum"  aufgepflanzt  worden 
— ,  doch  hat  es  sich  dabei  nur  um  vereinzelte  Vorkomm- 
nisse gehandelt.  Die  Furcht  vor  einer  Erhebung  des  Volkes 
erscheint  uns  heute  als  Gespensterfurcht.  Das  Gros  der 
Bevölkerung  ist  sicher  gut  gesinnt  und  fürstentreu  gewesen. 
Das  Entschuldigungsschreiben,  das  am  Tage  nach  dem  Volks- 
auflauf, am  5.  Oktober,  die  Darmstädter  Bürgerschaft  an 
ihren  Landesherrn  richtete,  um  ihn  ihrer  unwandelbaren 
Treue  zu  versichern,  verdient  Glauben.  Glaubwürdig  ist 
auch  ihre  Versicherung,  „daß,  wenn  auch  in  der  Angst,  wo- 
rinnen  sich  alles  um  sein  Leben  und  sein  Eigenthum  be- 
fand, einer  oder  der  andere  einen  Ausdruck  gebraucht  haben 
sollte,  der  sich  mit  seinen  Pflichten  nicht  gereimet  hätte 
oder  einer  zweydeutigen  Auslegung  fähig  gewesen  wäre, 
solcher  nicht  als  die  Meynung  seines  Herzens  zu  betrachten 
sey".  Der  Landgraf  hat  daraufhin  den  Bürgern  seiner  Re- 
sidenz in  einem  ungemein  gnädigen  Schreiben  vom  6.  Ok- 
tober volle  Verzeihung  gewährt:  „Nur  bei  der  unvermeid- 
lichen Gefahr  werde  ich  mich  entfernen,  verlassen  werde 
ich  meine  gute  hiesige  Bürgerschaft  niemals". 

Stellen  wir  uns  die  Lage  vor,  so  werden  wir  die  Be- 
sorgnisse Gatzerts  begreifen.  Die  Furcht  vor  der  revo- 
lutionären Propaganda  war  damals  am  Rhein  allgemein. 
Daß  selbst  militärische  Kreise  davon  nicht  frei  waren,  be- 
w^eist  ein  Brief  des  Generaladjutanten  v.  d.  Bnssche  an  den 
Landgrafen  vom  3.  Oktober,  in  dem  er  dringend  vor  offen- 


Ein  Gieüener  Professor  als  hessischer  StaatsmiDister.  489 

siven  Maßregeln  warnt.    Sie  würden  dem  Lande,  ,,d essen 
Unterthanen  schon  schwierig  sind,   nur  schaden". 

Gatzert  gegenüber  hat  sich  derselbe  noch  offener  ge- 
äußert, „damit  doch  heute  oder  morgen  jemand  existiere, 
der  seine  wahren  Gesinnungen  zu  deuten  wisse**.  Er  sei 
der  Ansicht,  „daß  das  ganze  Korps  entweder  gefangen  oder 
desarmiert.  oder  man  genöthigt  werden  würde,  sich  zur  Neu- 
tralität zu  erklären  oder  zum  Nicht-Dienen  ( ?)  anheischig  zu 
machen.  Er  wünscht  daher,  daß,  statt  das  ihm  anvertraute 
Füsilier-Bataillon  (das  in  Gießen  lag)  hierher  bringen  zu 
sollen,  er  beordert  werden  möge,  in  Gießen  zu  bleiben,  daß 
die  Truppen  auseinandergehen  und  beurlaubet  werden 
möchten."  Auf  meine  Frage,  schließt  Gatzert  seine  Mit- 
teilung, „warum  er  dieses  Höchstdenenselben  nicht  selbst  ge- 
sagt habe?",  fiel  die  Antwort:  „er  könne  nicht  damit  an- 
kommen". 

In  der  nächsten  Umgebung  des  Landgrafen  sind  Strö- 
mungen für  die  Offensive  gewesen..  Durch  sie  ist  v.  d.  Bussche 
an  einer  offenen  Aussprache  seiner  Meinung  gehindert 
worden.  Gatzert  hat  das  Odium  auf  sich  genommen  und 
die  Zurückberufung  der  bereits  abmarschierten  Truppen 
und  den  Rückzug  des  ganzen  Korps  in  das  Oberfürstentum 
durchgesetzt.  Man  hat  Gatzert  sein  Eintreten  für  die  neutrale 
Haltung  Hessen-Darmstadts  in  Hof  kreisen  sehr  verargt.  Eine 
Zeitlang  schien  es,  als  ob  er  diesen  Einflüssen  weichen 
müsse.  Aus  den  Tagen  der  Krisis  liegt  ein  Abschiedsgesuch 
von  ihm  vor,  das  aber  der  Landgraf  nicht  genehmigt  hat. 

Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  Gatzerts  Ver- 
halten in  dieser  Angelegenheit  bestimmend  für  die  künftige 
Politik  der  Landgrafschaft  gewesen  ist.  Daß  sein  Votiun 
richtig  war,  hat  die  Folge  gelehrt. 

Noch  war  der  Reichskrieg  gegen  Frankreich  nicht  er- 
klärt. Den  Krieg  gegen  die  Republik  führten  nur  die  beiden 
Großmächte  und  die  mit  ihnen  durch  Militärkonvention  Ver- 
bündeten, wie  der  Landgraf  von  Hessen-Kassel.  Die  Hessen- 
Darmstadt  angetragene  Konvention  war,  nicht  durch  die 
Schuld  des  Landgrafen,  gescheitert.  Die  benachbarten  Mit- 
stände, Baden  und  die  Pfalz,  verhielten  sich  neutral.  Die 
Franzosen  waren  überall  im  Vordringen.  Hessen-Darmstadt 
lag  ihnen  offen.  Ein  Übertritt  Ludwigs  X.  zur  Koalition  wäre 
in  diesem  Augenblicke  Wahnsinn  gewesen. 

Der  schwerste  Vorwurf,  der  dem  Landgrafen  gemacht 
worden  ist  —  er  würde  auch  seinen  Ratgeber  Gatzert  mit- 
treffen, weim  er  berechtigt  wäre  — ,  ist  der,  daß  durch  seine 
Schuld  Mainz  verloren  gegangen  sei.    Er  ist  so  wenig  be- 


490  Julius  Reinhard  Dietericb. 

rechtigt  wie  der,  daß  Ludwig  X.  Speyer  im  Stiche  gelassen 
habe.21 

Der  Landgraf  zog  sich  mit  seiner  gesamten  Truppen- 
macht in  die  Festung  Gießen  zurück.  Gatzert  folgte  ihni 
dahin,  während  die  übrigen  Minister  in  Darmstadt  blieben. 
Die  Landgrafschaft  wurde  von  den  Franzosen,  die  am  linken 
Mainufer  gegen  Frankfurt  vorrückten  und  die  Obergrafschaft 
ganz  verschonten,  sehr  glimpflich  behandelt.  Dies  w^enig- 
stens  hatte  der  Landgraf  durch  sein  auf  Gatzerts  Rat  ein- 
geschlagenes Verhalten  erreicht. 

Gatzert  entfaltete  in  Gießen  eine  ausgebreitete  Tätig- 
keit. Es  gelang  ihm,  was  schon  erwähnt  ist,  bei  den  Land- 
ständen die  Garantie  für  die  Aufnahme  eines  Kapitals  von 
600000  fl.  durchzusetzen  und  so  die  ganz  erschöpften  Kassen 
wieder  auf  einige  Zeit  zu  füllen.  Diese  Anleihe  ging  ganz 
durch  seine  Hände ;  er  hat  sie  mit  unbeschränkter  Vollmacht 
des  Landgrafen  verwaltet.  In  den  nächsten  Monaten  hat 
er  sich  überhaupt  die  größten  Verdienste  um  die  Finanzen 
Hessens  erworben.  Ohne  seine  Anweisung  durfte  nichts 
aus  der  Generalkasse,  die  er  neben  der  Reichskontingenten- 
kasse  verwaltete,  bezahlt  werden.  Er  entnahm  Gelder  aus 
der  einen  Kasse,  um  den  Bedürfnissen  der  anderen  abzu- 
helfen. Auch  die  Kriegskasse  „und  allenfalls  andere  Kassen" 
standen  zu  seiner  Verfügung.  In  der  ersten  Hälfte  des  Jahres 
und  weiterhin  bis  zur  Lösung  der  Subsidienfrage  —  es  sind 
für  die  hessischen  Finanzen  die  schlimmsten  Monate  des 
ganzen  schlimmen  Jahrzehnts  gewesen  —  hat  Gatzert  das 
Unmögliche  möglich  gemacht  und  den  Staat,  der  dem 
Bankerott  nahe  war,  über  Wasser  gehalten. 

Die  Verpflegung  der  Truppen,  die  Instandsetzung  der 
Festung  Gießen,  die  Vorbereitung  für  die  Errichtung  eines 
Landsturms:  Alles  lag  auf  dem  einen  Mann. 

In  Gießen  erwartete  der  Landgraf,  der  entschlossen  war, 
sich  hier  gegen  die  Franzosen,  die  bis  nach  Nauheim  vor- 
gerückt waren,  zur  Wehr  zu  setzen,  das  Vorrücken  der  ver- 
bündeten Hessen-Kasseler  und  Preußen.  Um  den  Schein 
der  Neutralität  zu  wahren  —  noch  war  der  Reichskrieg  gegen 
die  Franzosen  nicht  erklärt  — ,  beschloß  er,  sich  von  der  preu- 
ßischen Armee  gewissermaßen  mit  fortreißen  und  zum  An- 
schlüsse zwingen  zu  lassen. 

Dies  geschah.  Ludwig  führte  Anfang  Dezember  1792 
dem  König  von  Preußen  seine  Truppen  zu,  nahm  aber  an 

-^  Icl)  werde  im  nächsten  Bande  des  ,, Archivs  für  hessische  Ge- 
scliichte*'   auf  diesen  Vorwurf  zurückkommen. 


Ein  Gießener  Professor  als  hessischer  Staatsminisler.  491 

den  kriegerischen  Aktionen  nur  geringen  Anteil.  Als  die 
Preußen  Mainz  zernierten,  zog  er  sich  in  die  Obergrafschaft 
zurück  und  deckte  sie  gegen  Einfälle  der  Franzosen.  Erst 
nach  der  Kriegserklärung  des  Reichs  (22.  März  1793)  ging 
er  über  den  Rhein  und  stieß  zu  den  Österreichern,  ver- 
einigte sich  aber  später  wieder  mit  den  Preußen  vor  Mainz. 

Auch  diesmal  „auf  Diskretion**!  Der  Versuch,  Preußen 
zur  Übernahme  der  Hessen  gegen  Subsidien  oder  auch  nur 
zu  einer  Anleihe  zu  vermögen,  schlug  wieder  fehl.  Mit 
Hängen  und  Würgen  verstand  sich  Friedrich  Wilhelm  H.  zu 
einem  Darlehen  von  ganzen  37000  fl.,  die  beinahe  ganz  für 
„Douceurs**  an  preußische  Offiziere  draufgingen,  und  zur 
Garantie  eines  Anlehens  von  40000  fl.,  von  der  aber  Lud- 
wig niemals  Gebrauch  gemacht  hat. 

Mittlerweile  nahm  der  Barbestand  der  hessischen  Kassen 
und  Hessens  Kredit  reißend  ab.  Die  Truppen  vor  Mainz 
zehrten  die  unter  ständischer  Garantie  aufgenommenen 
600000  fl.  auf.  Woher  Sold  und  Gage,  Brot  und  Fleisch, 
Pferde   und  Ausrüstungsgegenstände  bezahlen? 

In  dieser  Not  erbot  sich  der  kaiserliche  Oberbefehls- 
haber, Prinz  von  Koburg,  zur  Übernahme  der  Hessen-Darm- 
städter gegen  Reichssubsidien.  Prinz  Georg,  Ludwigs  X. 
Schwager,  führte  die  Verhandlungen:  wieder  unter  völliger 
Ausschaltung  des  Ministeriums.  Sie  kamen  bald  ins  Stocken, 
Die  Kaiserlichen  w^ollten  und  konnten  die  hessischen  For- 
denmgen  nicht  erfüllen.  Die  Reichsluitionskasse,  aus  der 
die  Subsidien  bezahlt  wurden,  war  beinahe  erschöpft.  Das 
französische  Emigrantenkorps,  das  man  unter  viel  gün- 
stigeren Bedingungen,  als  man  sie  jetzt  Hessen  anbot,  auf- 
gestellt hatte,  verschlang  Unsummen.  Die  Gelder  gingen- 
spärlich  ein,  da  ein  großer  Teil  der  Reichsstände,  der 
sich  seither  losgekauft  hatte,  seine  Kontingente  in  natura 
stellte. 

In  diesem  kritischen  Augenblick,  als  der  ganze  Plan 
schon  gescheitert  schien,  griff  Gatzert,  trotzdem  er  durch 
die  Zurücksetzung  des  Geheimen  Rats  gekränkt  war,  wider 
den  Willen  des  Landgrafen  in  die  Verhandlungen  ein.  Der 
kaiserliche  Unterhändler,  der  die  für  Hessen-Darmstadt  un- 
annehmbaren Gegenvorschläge  aus  Wien  überbringen  sollte, 
ließ  sich  —  der  Landgraf  war  abwesend  —  in  Darmstadt 
bei  ihm  melden  und  besprach  mit  ihm  die  Lage.  Gatzert 
berichtete  darüber.  Ludwig  verwies  ihm  zwar  den  Eingriff 
in  die  Befugnisse  des  Prinzen  Georg,  nahm  aber  doch  wenig- 
stens des  Ministers  gute  Ratschläge  an.  Im  Lauf  der  Ver- 
handlungen wurde  Gatzerts  Rat  dem  Landgrafen  bald  un- 


49:2  Julius  Reinhard  Dietericb. 

entbehrlich.  Als  die  Not  aufs  höchste  stieg,  und  der  Zu- 
sammenbruch Hessens  ihm  drohend  vor  Augen  stand,  hat 
er  sich  an  der  unbeugsamen  Willenskraft  Gatzerts  aufge- 
richtet, der  so  zuletzt  auch  in  der  zuerst  ganz  den  Militärs 
vorbehaltenen  Subsidiensache  unbestritten  die  Führung  hatte. 
Auch  Prinz  Georg  hat  schließlich  den  Minister  darum  gebeten, 
sich  der  unter  seiner  Leitung  gänzlich  verfahrenen  Sache 
anzunehmen. 

Entscheidend  war  das  Gutachten,  das  Gatzert  am  15.  Mai 
1793  über  die  Gegenvorschläge  der  Kaiserlichen  erstattet. 
Mit  außerordentlicher  Klarheit  wägt  er  hier  das  Für  und 
Wider  mit  einer  erstaunlichen  Beherrschung  der  finanziellen 
und  militärischen  Fragen  ab  und  kommt  zu  dem  Schlüsse, 
daß  man  dem  Kaiser  ein  Ultimatum  stellen  müsse.  Die 
Drohung,  daß  der  Landgraf  seine  Truppen  von  der  Be- 
lagerung von  Mainz  abrufen  und  auflösen  werde,  war  ernst 
gemeint.    Sie  hat  schließlich  auch  gefruchtet. 

Auf  Gatzerts  Rat  ist  dann  Prinz  Georg,  um  den  Abschluß 
zu  beschleunigen,  nach  Wien  gegangen.  Seine  Instruktionen 
sind  sämtlich  aus  Gatzerts  Feder  geflossen.  Nach  seinen 
Weisungen  hat  Prinz  Georg  in  Wien  verhandelt,  hat  Lud- 
wig X.  seinem  Schwager  die  Befehle  gegeben. 

Die  Kaiserlichen  zeigten  auch  jetzt  nur  geringes  Ent- 
gegenkommen. Kein  Wunder!  Auch  ihre  Kassen  waren 
leer!  Auf  der  anderen  Seite  war  Hessen-Darmstadt  außer- 
stand, noch  etwas  zuzusetzen.  So  blieb  denn  Ludwig  X. 
nach  dem  Fall  von  Mainz  nichts  anderes  übrig,  als  seine 
Drohung  wahr  zu  machen.  Er  zog  sein  Korps  in  die  Ober- 
grafschaft zurück  und  beurlaubte  es  zum  großen  Teile. 

Dies  wirkte  in  Wien.  Die  Verhandlungen  kamen  wieder 
in  Fluß.  Es  war  aber  auch  die  höchste  Zeit!  Das  W^asser 
stand  den  Hessen  am  Halse.  Gatzert  aber  wußte  auch  jetzt 
noch  Mittel  und  Wege.  Er  wies  die  ihm  von  dem  Prinzen 
von  Koburg  angebotenen  Vorschüsse  zurück,  um  sich  nicht 
die  Hände  binden  zu  lassen.  ,,Und,  wenn  der  Traktat  nicht 
zustande  kommt**  ?  fragt  ihn  verzweifelt  der  Landgraf.  ,,Aber, 
Gott!"  antwortet  er,  ,,was  soll  es  alsdann  geben?  Und  welch' 
ein  Abgrund  stehet  ims  dann  bevor,  wenn  wir  uns  durch 
unsere  Selbständigkeit  helfen  sollen!** 

Endlich,  am  5.  September  1793,  trifft  aus  W^ien  die 
frohe  Botschaft  ein:  „Der  Vertrag  ist  gesichert!**  Aber  noch 
waren  die  Tage  des  Hangens  und  Bangens  nicht  vorüber. 
Das  Verhängnis  wollte  es,  daß  Ludwig  X.  durch  einen 
falschen  Schachzug  das  Ganze  wieder  in  Frage  stellte. 

Am  selben  5.  September  schlug  der  englische  Gesandte 


Ein  Gießener  Professor  als  hessischer  Staatsminister.  493 

am  preußischen  Hofe,  Lord  Yarmouth,  dem  Landgrafen  einen 
Subsidientraktat  mit  England  vor.  In  der  Meinung,  durch 
die  Mitteilung  hiervon  die  Kaiserlichen  eifersüchtig  machen 
und  den  Abschluß  beschleunigen  zu  können,  schrieb  dies 
Ludwig  X.  ohne  Wissen  Gatzerts  sofort  an  seinen  Schwager 
in  Wien,  damit  er  davon  geeigneten  Gebrauch  mache. 

In  Wien  war  man  aber  froh,  einen  Partner  gefunden  zu 
haben,  trat  mit  England  in  Unterhandlung  und  machte  Lud- 
wig den  Vorschlag,  England  und  das  Reich  sollten  sich  in 
seine  Truppen  teilen. 

In  Darmstadt  hatte  unterdessen,  auf  die  Nachricht  vom 
5.  September  hin,  der  Landgraf  mobil  gemacht,  um  sofort 
nach  Unterzeichnung  des  Traktats  mit  der  vollen  Truppen- 
zahl in  den  Genuß  der  darin  stipulierten  Bezahlung  treten 
zu  können.  Für  diesen  Zweck  nahm  er  jetzt  auch  den  schon 
einmal  angebotenen  Vorschuß  aus  der  Reichsreluitions- 
kasse  an. 

In  fieberhafter  Spannung  wartete  man  inzwischen  in 
Daraistadt  auf  die  Nachricht  von  der  Unterzeichnung  des 
Traktats.  Sie  blieb  aus.  Endlich  kamen  die  Wiener  Vor- 
schläge, die  auf  eine  Teilung  der  hessischen  Truppen 
zwischen  dem  Reich  und  England  hinausliefen. 

Der  Entschluß,  seine  Truppen  zu  teilen  und  die  eine 
Hälfte  den  Engländern  zu  überlassen,  kostete  Ludwig  X. 
viel  Überwindung.  Die  Aufregungen  der  letzten  Wochen 
hatten  ihn  krank  gemacht.  Auch  Gatzert  konnte  nur  mit 
übermenschlicher  Anstrengung,  halbtaub  imd  fiebernd,  seinen 
Geschäften  nachgehen.  Er  riet  zur  Annahme  der  Wiener 
Vorschläge.  „Inzwischen**,  so  tröstete  er  seinen  niederge- 
schlagenen Herrn,  „muß  man  noch  an  den  Pforten  der  Hölle 
den  Mut  nicht  sinken  lassen**. 

Die  Lage  war  in  der  Tat  verzweifelt,  der  finanzielle  Zu- 
sammenbruch stand,  verwarf  man  den  Subsidien vertrag,  in 
nächster  Nähe.  Wie  sollten  die  350000  fl.  Vorschuß  aus  der 
Reichskasse   zurückgezahlt  werden  ? 

Es  blieb  kein  anderer  Ausweg.  Ludwig  verstand  sich 
zur  Teilung  seiner  Truppen.  Am  23.  September  1793  meldete 
er  Gatzert  den  Abschluß  des  Traktats  mit  England,  am  25. 
beglückwünschte  ihn  dieser  zu  der  am  17.  erfolgten  Unter- 
zeichnung des  Wiener  Vertrags.  Schon  am  27.  marschierten 
die  ersten  drei  Bataillone  zu  den  Österreichern  ab. 

Damit  waren  die  größten  Sorgen  von  Ludwig  und  seinem 
Minister  genommen.  Die  Übernahme  des  Militärs  in  fremden 
Sold  und  fremde  Verpflegung  überhob  sie  der  finanziellen 
Nöte  und  gab  der  hessischen  Politik  ihre  feste  Richtung. 


494  Julius  Reinhard  Dieieiich. 

Ludwig  hat  den  Vertrag  mit  dem  Kaiser  nicht  als  einen 
Dien  st-,  sondern  mehr  als  einen  Bündnis  vertrag  angesehen. 
Die  darin  aufgenommene  Zusicherung,  der  Kaiser  garantiere 
ihm  im  kommenden  Frieden  seine  linksrheinischen  Be- 
sitzungen, die  von  Franz  IL  in  dem  jetzt  reger  werdenden 
Briefwechsel  zwischen  Wien  und  Darmstadt  immer  wieder- 
holte Beteuerung,  er  werde  seinen  treuesten  Bundesgenossen 
niemals  verlassen  und  ihm  im  Frieden  entweder  die  Graf- 
schaft Hanau-Lichtenberg  oder  doch  wenigstens  ein  an- 
ständiges Äquivalent  verschaffen,  erweckten  in  dem  reichs- 
und  kaisertreuen  Landgrafen  das  Gefühl  vollkommener 
Sicherheit.  Auf  diesem  festen  Grunde  hat  er  mit  Gatzert 
sein  „System*'  aufgebaut,  das  in  einer  blinden  Anhänglich- 
keit an  den  Kaiser  gipfelte.  Gatzert  hat  freilich  dabei  noch 
die  Pflege  guter  Beziehungen  zu  Preußen  betont,  von  der 
Ludwig,  der  seit  Mainz  und  der  Subsidiensache  mit  seinem 
Schwager  Friedrich  Wilhelm  II.  entzweit  war,  wenig  wissen 
wollte.  Er  war  fest  überzeugt,  daß  ihm  Preußen  in  Wien 
Steine  in  den  Weg  geworfen  und  das  Übereinkommen 
zwischen  dem  Reich  und  England  über  seine  Truppen  be- 
fördert habe. 

Die  nächsten  Monate  waren  für  Gatzert  Zeiten  ver- 
hältnismäßiger Ruhe.  An  dem  Kongreß  in  Wilhelmsbad  nahm 
Landgraf  Ludwig  aus  Rücksicht  auf  den  Kaiser  nicht  teil. 
Seitdem  sie  in  den  Subsidienverträgen  vom  Jahre  1793  einen 
festen  Untergrund  gewonnen  hatte,  war  die  hessische  Politik 
sehr  einfach  geworden. 

Gatzert  l>efaßte  sich  mit  der  Neuorganisation  der  Hanau- 
Lichtenberger  Lande,  mit  Landtagsverhandlungen  u.  a.  m. 
Neue  Arbeit  auf  dem  Felde  der  großen  Politik  gab  es  wieder 
für  ihn,  als  Preußen  in  Basel  Friedensunterhandlungen  mit 
Frankreich  einleitete.  Es  suchte  auch  den  Landgrafen  zum 
Mittun  zu  gewinnen.  Ludwig  X.  wies  aber  den  Gedanken 
an  einen  Separatfrieden  mit  der  verabscheuten  Republik 
weit  von  sich.  Dagegen  ordnete  er  wenigstens,  aber  „nur 
auf  Spekulation*',  seinen  Regierungsrat  Kappler  nach  Basel 
ab,  um  bei  den  Franzosen  seine  elsässischen  Ansprüche 
und  alten  Forderungen  an  die  Krone  Frankreichs  geltend  zu 
macheu.  Kappler  war  aufs  strengste  angewiesen,  sich  nicht 
als  Charge  d 'affaires  und  Friedensunterhändler  aufzuspielen. 
Wir  wissen,  daß  er  trotzdem  einmal,  September  1795,  dem 
französischen  Minister  Barthelemy  in  einer  Note  von  einem 
französisch-hessischen  Separatfrieden  sprach.  Daß  er  dies 
ohne  Auftrag  tat,  geht  klar  aus  seiner  Korrespondenz  mit 
Gatzert  und  aus  dem  vertraulichen  Briefwechsel  Gatzerts  mit 


Ein  Gießener  Professor  als  hessischer  Staat<<minisler.  495 

Ludwig  X.  hervor.  Als  der  Landgraf  Verdacht  schöpfte,  wurde 
Kappler  streng  angewiesen,  „zu  keinen  Zweydeutigkeiten 
Anlaß  zu  geben**.  „Ich  habe  bewiesen**,  schreibt  Ludwig 
am  10.  Oktober  1795  an  Gatzert,  „daß  Beharrlichkeit  endlich 
siegt,  ohne  zur  Schlechtigkeit  seine  Zuflucht  nehmen  zu 
müssen**,  und  eine  Schlechtigkeit  war  jedes  separate  Ver- 
handeln mit  Frankreich  in  seinen  Augen.  Gatzert  aber  hat 
seinem  Vertrauten  „eine  tüchtige  Lektion"  gegeben,  „damit, 
wenn  die  Nachwelt  dereinst  diese  Papiere  der  Baseler  Korre- 
spondenz findet.  Niemand  auf  den  irrigen  Gedanken  ge- 
rathen  kann,  als  hätten  Euere  Hochfürstliche  Durchlaucht 
oder  auch  nur  meine  Wenigkeit  dergleichen  Schlechtigkeit 
im   geringsten  gutgeheißen  oder  ohne  Ahndung  gelassen". 

Ludwig  X.  war  über  den  Friedensschluß  Preußens  mit 
Frankreich  aufrichtig  empört.  Er  lehnte  es  ab,  in  die  darin 
verabredete  Demarkationslinie  eingeschlossen  zu  werden,  und 
hat  es  seinen  Beamten  verübelt,  daß  sie  September  1795 
bei  Einfall  der  Franzosen  den  Schutz  der  Preußen,  den  diese 
sehr  bereitwillig  zusagten,  nachsuchten.  Die  Stimmung  des 
Volkes  war  allerdings  dafür.  Mit  Neid  sah  man  auf  die 
Nachbarn  in  Hessen-Kassel,  die  infolge  ihres  Friedens  mit 
der  Republik  von  beiden  kriegführenden  Parteien  verschont 
wurden,  während  die  befreundeten  Österreicher  in  der 
Obergrafschaft  wie  in  Feindesland  hausten. 

„Über  Plünderungen  auf  dem  Lande**,  schreibt  Gatzert, 
den  der  Landgraf  bei  seiner  Flucht  vor  einem  französischen 
Einfall  Ende  95  mit  plein  pouvoir  zurückgelassen  hatte,  an 
diesen,  „wird  sehr  geklagt**.  Die  Damistädter  seien  den 
Österreichern  aufsässig.  Es  sei  zu  Exzessen  gekommen,  und 
die  Darmstädtor  Polizei  tauge  zu  nichts.  An  ein  Separatab- 
kommen mit  Frankreich,  zu  dem  soeben  der  kurmainzische 
Minister  v.  Albini  einlade,  sei  trotz  dieser  Stimmung  nicht 
zu  denken,  solange  kaiserliche  Truppen  im  Lande 
stünden. 

Hat  Gatzert  vielleicht  schon  damals  im  Innerst?n  ge- 
schwankt, Ludwig  X.  hielt,  trotzdem  er  im  Exil  zu  Eisenach 
weilte,  unabänderlich  an  seinem  gefaßten  Entschluß:  ,^kein 
Friede  ohne  das  Reich  und  den  Kaiser*'  fest  und  erklärte  das 
wieder  einmal  umgehende  Gerücht,  er  habe  Friede  mit  Frank- 
reich geschlossen,  für  eine  „Infamie**. 

Daß  Gatzert  schon  damals  an  der  Zuverlässigkeit  der 
Österreicher  zu  zweifeln  anfing,  geht  aus  einem  Referat 
vom  3.  Januar  1796  hervor,  in  dem  er  wieder  von  Friedens- 
gerüchten schreibt :  „England  soll  sich  mit  Friedensgedanken 
tragen.     Österreich    mag    alsdann    wohl    einen    ziemlichen 


496  Julius  Reinhard  Dieierich. 

Frieden  machen,  allein  das  Reich  dürfte  übel  weg- 
kommen; da  England  für  uns  gar  nichts  thut,  so  machen 
alle  diese  besonderen  Umstände  nöthig,  auf  unsere  Politik 
eine  neue  und  doppelt  fürsichtige  Wachsamkeit  zu  legen, 
damit  wir  am  Ende  vom  Kayser  wider  seinen  Willen  und 
eigenen  Wunsch  nicht  gar  mit  bloßen  papierenen  Compli- 
menten   abgespeiset  waren.** 

Ludwig  dagegen  war  voll  Siegeszuversicht,  und  die  Siege 
der  Österreicher  gaben  ihm  zunächst  recht.  Im  Sommer  1796 
wendete  sich  dagegen  wieder  einmal  das  Blättchen  zugunsten 
der  Franzosen.  Der  Landgraf  mußte  zum  zweitenmal  das 
Land  seiner  Väter  verlassen  und  in  Klein-Tschocher  bei 
Leipzig  eine  Zuflucht  suchen. 

Diesmal  lastete  der  Krieg  schwerer  als  je  auf  dem  armen 
Hessenlande.  Unerschwingliche  Kontributionen  und  Requisi- 
tionen, Räubereien  und  Mordbrennereien  der  französischen 
Soldateska  trieben  das  Volk  fast  zur  Verzweiflung.  Gatzert, 
der  an  der  Spitze  der  Regierung  zurückgeblieben  war,  brach 
unter  der  Wucht  der  auf  ihn  einstürmenden  Ereignisse  zu- 
sammen. Württemberg  und  Baden,  der  schwäbische  und  frän- 
kische Kreis  verständigten  sich  mit  Frankreich.  Es  schien, 
als  ob  Süddeutschland  rettungslos  dem  Feinde  preisgegeben 
wäre.  Da  entschloß  auch  er  sich  zu  dem  schweren  Schritt, 
seinem  Herrn  zum  Abschluß  eines  Waffenstillstands  oder, 
wenn  es  nicht  anders  anginge,  eines  Separatfriedens  zu  raten. 
In  einem  ausführlichen  Gutachten,  dem  sich  seine  beiden 
Kollegen  anschlössen,  begründete  er  seine  Sinnesänderung. 
Er  selbst  ging  mit  diesem  Gutachten  nach  Leipzig,  um  bei 
seinem  Herrn  persönlich  seine  PLäne  zu  vertreten.  Zu  gleicher 
Zeit  wurde  Regierungsrat  Kappler  in  das  Hauptquartier  des 
französischen  Generals  Jourdan  abgeordnet,  um  mit  diesem 
zunächst  ein  vorläufiges  Abkommen  zu  treffen. 

Das  Nähere  über  die  mündlichen  Verhandlungen  in 
Leipzig  und  Klein-Tschocher  wissen  wir  nicht.  Fest  steht 
nur,  daß  er  Ludwig  X.  den  Entschluß,  in  Verhandlungen  mit 
den  Reichsfeinden  einzutreten,  mit  großer  Mühe  abgekämpft 
hat.  Am  21.  August  stellte  der  Landgraf  Gatzert  eine  weit- 
gehende Vollmacht  aus,  die  ihn  zu  Waffenstillstands-  und 
Friedensverhandlungen  mit  Frankreich  ermächtigte. 

(latzert  hat  von  ihr  keinen  Gebrauch  machen  können. 
Er  wurde  auf  dem  Rückwege  durch  das  Rumpfparlament  in 
Alsfeld  aufgehalten.  Als  er  nach  Darmstadt  zurückkam, 
hatte  sich  die  Situation  völlig  verändert.  Erzherzog  Karl 
hatte  seine  Siegeslaufbahn  angetreten.  Ganz  Süddeutsch- 
land jubelte  ihm  zu,  als  er  Jourdan  und  Moreau  über  den 


Ein  Gießener  Professor  als  hessischer  Staatsminister.  497 

Rhein  zurückwarf.  Ludwig  X.,  der  sich  noch  eben  in  seinem 
Asyl  von  den  Franzosen  bedroht  gesehen  hatte,  atmete  auf. 
Schon  am  6.  September  widerrief  er  in  kategorischer  Form 
alle  Vollmachten,  die  er  in  letzter  Zeit  ausgestellt  hatte^ 
darunter  auch  die  Gatzerts.  Aus  seinen  Briefen  an  diesen 
klingt  der  Jubel  darüber  heraus,  daß  ihm  der  schwere  Schritt, 
ohne  den  Kaiser  mit  den  Franzosen  zu  verhandeln,  erspart 
geblieben  ist.  In  den  schärfsten  Worten  verurteilt  er  jede 
Verhandlung  mit  der  Republik  als  einen  Verrat  an  Kaiser 
und  Reich.  Mit  Leib  und  Seele  ist  er  kaiserlich.  Die  Fort- 
schritte des  jungen  Helden,  Erzherzog  Karls,  verfolgt  er 
mit  heller  Begeisterung.  Der  ersehnte  Frieden  mit  den  Ent- 
schädigungen für  die  schweren  Verluste  der  letzten  Jahre 
schien  ihm  schon  in  nächste  Nähe  gerückt. 

Gatzert,  der  wieder  in  Darmstadt  mit  unumschränkter 
Vollmacht  waltete,  war  skeptischer.  Auch  er  ist  dafür,  daß 
man  an  der  einmal  ergriffenen  Partie  festhalte  und  jetzt 
alles  auf  die  Karte  Österreich  setze.  Der  Tag  in  Alsfeld  hatte 
ihm  die  Augen  über  die  Stimmung  des  Volkes  geöffnet.  Von 
einer  Volksbewaffnung,  wie  sie  anderwärts  beim  Rückzug 
der  Jourdanschen  Armee  ins  Werk  gesetzt  wurde,  riet  er 
dringend  ab.  Die  Erbitterung  gegen  die  Österreicher  war 
im  Wachsen:  „auch  die  biedersten  Einwohner  des  hiesigen 
Landes  sind  gegen  das  weise  System  ihres  der  Reichs- 
Constitution  treuen  Fürsten  taub.**  Die  Furcht  vor  der  Rück- 
kehr der  Franzosen  und  ihrer  Rache  im  Falle  einer  allge- 
meinen Volksbewaffnung  sei  überall  sehr  groß.  Dazu  käme 
die  Sorge  um  die  Geiseln,  die  die  französischen  Generale 
bei  ihrem  Rückzug  mitgeschleppt  und  wahrscheinlich  ins 
Innere  Frankreichs  verschickt  hätten. 

Waren  die  österreichischen  Waffen  in  Deutschland  sieg- 
reich, um  so  schlimmer  sah  es  auf  dem  italienischen  Kriegs- 
schauplatz aus.  Hier  war  Bonaparte  in  stetem  Vordringen. 
Im  April  stand  er  nur  noch  wenige  Tagemärsche  von  Wien 
entfernt  und  zwang  so  die  österroicher  zu  dem  am  18.  April 
1797  unterzeichneten  Präliminarfrieden  von  Leoben.  I3er 
Kaiser  bedang  sich  darin  wohl  die  Integrität  des  Reiches 
aus,  zur  Beratung  über  den  Reichsfrieden  sollte  aber  ein 
besonderer  Kongreß  berufen  werden,  auf  dem  die 
schon  1795  gewählte  Reichsfriedensdeputation,  zu  der 
auch  gegen  das  Votum  Preußens  und  auf  das  Betreiben 
des  Kaisers  Hessen-Darmstadt  vom  Regensburger  Reichs- 
tag bestimmt  worden  war,  gemeinsam  mit  dem  Kaiser  und 
Frankreich  die  Friedensbedingungen  ,,auf  der  Grundlage  der 
Integrität  des  Reiches**  feststellen  sollte. 

Beiträge  z.  Gesch.  d.  Univenltäten  Mainz  u.  Gießen.  82 


498  Julius  Reinhard  Dieiericb. 

Bereits  1795  war  Gatzert  zum  Deputierten  auf  den  Reichs- 
friedenskongreß ernannt  und  bevollmächtigt  worden.  Er 
hatte  sich  schon  zur  Abreise  nach  Basel,  wo  der  Kongreß 
stattfinden  sollte,  bereit  gemacht,  als  der  Wiederausbnich 
der  Feindseligkeiten  das  kaum  begonnene  Friedenswerk  über 
den  Haufen  warf. 

Daß  auch  jetzt  als  hessen-darmstädtischer  Bevollmäch- 
tigter nur  Gatzert  in  Frage  kam,  versteht  sich  von  selbst; 
ebenso,  daß  auf  dem  kommenden  Kongreß  Hessen-Darm- 
stadt nur  im  engsten  Anschluß  an  den  Kaiser  vorgehen 
konnte.    So  wollte  es  das  System. 

Um  vor  dem  Abschlüsse  des  definitiven  Friedens  noch- 
auf  die  Wiener  maßgebenden  Instanzen  einwirken  und 
womöglich  noch  eine  Beriicksichtigung  der  hessen- darm- 
städtischen Forderungen  im  Friedensinstrument  durchsetzen 
zu  können  —  Ludwig  X.  glaubte,  darauf  als  Verbündeter 
des  Kaisers  Anspruch  zu  haben,  und  war  durch  die  Nicht- 
erwähnung Hessens  im  Präliminarfrieden  befremdet  — , 
schien  es  Gatzert  gut,  persönlich  in  Wien  für  Hessen  einzu- 
wirken, und  sein  Vorschlag,  ihn  selbst  dahin  abzuordnen, 
fand  den  Beifall  des  Landgrafen. 

Am  10.  Mai  traf  Gatzert  in  Wien  ein.  Er  ward  vom 
Kaiser,  von  Thugut  und  sämtlichen  maßgebenden  Persön- 
lichkeiten im  Staats-  und  Reichsministerium  mit  Auszeich- 
nung empfangen.  Man  hörte  seine  Vorträge  freundlich  an 
und  gab  ihm  überall  unverbindliche,  wohlwollende  Zusagen. 
Da  das  Reichsministerium  mit  dem  Staatsministerium  verfein- 
det war,  imd  beide  fast  ohne  Fühlung  miteinander  vorgingen, 
und  der  hessische  Abgeordnete  von  dem  einen  Ministerium 
ins  andere  verwiesen  und  überall  mit  billigen  Versprechungen 
abgespeist  wurde,  kam  dieser,  trotzdem  er  nichts  unversucht 
ließ,  während  seines  monatelangen  Aufenthalts  in  Wien 
auch  nicht  einen  Schritt  weiter.  Nicht  einmal  das  Ver- 
sprechen einer  besonderen  Verwendung,  einer  „Mediation" 
des  Kaisers  bei  Frankreich  gelegentlich  der  künftigen  Reichs- 
friedensverhandlungen, vermochte  er  zu  erlangen.  Bei  allen 
Behörden,  mit  denen  er  zu  tun  hatte,  beim  Kaiser  selbst, 
bei  den  Ministem  fand  er  eine  auffallende  Unkenntnis  der 
Verhältnisse  im  Reich  und  namentlich  des  Landgrafen.  Er 
hat  diesem  Mangel  durch  eine  Reihe  von  Noten,  Gutachten 
und  Denkschriften  abzuhelfen  versucht.  Sie  wurden  wohl- 
wollend entgegengenonnnen,  fruchteten  aber  auch  nichts 
weiter.  Über  die  Friedensverhandlungen  in  Campo  Formio 
hüllte  man  sich  in  undurchdringliches  Schweigen.  Landgraf 
Ludwig  ging  sehr  irre,   als   er  eimnal,  verführt  durch  die 


Ein  Gießener  Professor  als  hessischer  Staalsminister.  499 

begeisterten  Schilderungen  Gatzerts  über  seine  Aufnahme 
und  seinen  immer  steigenden  Einfluß,  schrieb;  er  hoffe,  daß 
sein  Minister  die  Aufnahme  eines  für  sein  Land  günstigen 
Artikels  ins  Friedensinstrument  durchsetzen  könne.  Gatzert 
selbst  täuschte  sich  über  das  Gewicht  seiner  Vorstellungen 
in  Wien.  Er  nahm  die  glatten  Worte  der  gewiegten  Diplo- 
maten für  Ernst  und  schätzte  einzelne  Vertrauensbeweise  ^^^ 
viel  zu  hoch  ein,  so  daß  er  selbst  zum  Schlüsse  eine  über- 
triebene Vorstellung  von  seinem  Einfluß  bekam.  Gelegent- 
lich freilich  dämmerte  doch  in  ihm  die  Erkenntnis  auf,  daß 
auf  Österreich  kein  Verlaß  sei.  Dann  empfahl  er  wohl  ein- 
mal direkte  Verhandlungen  mit  Paris.  Auch  legte  er  dem 
Landgrafen  an  das  Herz,  die  Fürsprache  Preußens  zu  ge- 
winnen. Er  habe,  schreibt  er  einmal,  „immer  das  System 
gehabt,  die  Assistenz  dieses  Hofes  mit  der  des  Kayserlichen 
zu  verbinden".  Preußen  würde  es  nicht  übel  nehmen,  wenn 
der  K.  K.  Hof  für  Hessen  bei  Frankreich  vermittelte,  der 
K.  K.  Hof  nicht,  wenn  Hessen  die  Unterstützung  Preußens 
suchte.  „Beide  Höfe  sind  aller  politischen  Kälte  ohnerachtet 
dennoch  keine  Feinde**.  Wien  zur  Zeit  Thuguts!  Konnte 
man  die  Lage  mehr  verkennen,  als  hier  Gatzert? 

Trotzdem  man  ihn  über  den  Frieden  von  Campo  Formio 
noch  immer  im  Dunkeln  ließ,  trotzdem  er  auch  nicht  die 
geringste  feste  Zusage  erhielt,  wuchs  unter  dem  faszinie- 
renden Einfluß  der  österreichischen  Diplomaten,  eines  Thu- 
gut,  Lehrbach  und  Metternich,  das  Vertrauen  Gatzerts  in  die 
Zuverlässigkeit  des  österreichischen  Hofes  so,  daß  er  zuletzt 
fast  blind  gegen  die  sich  immer  mehrenden  Anzeichen  der 
Perfidie  wurde,  mit  der  Österreich  in  Campo  Formio  das 
Reich  und  seine  Bundesgenossen  behandelte.  Am  1.  Juli 
1797  meldete  er  stolz  nach  Darmstadt,  „daß  an  den  Orten, 
wo  es  gilt,  das  Vertrauen  gegen  mich  täglich  zunimmt,  und 
zwar  oft  in  einem  Grad,  der  mich  schamroth  macht;  daß  die 
Zusagen,  sich  unserer  bestens  annehmen  zu  wollen,  wieder- 
holt bestätiget  werden,  und  ich  durchaus  überzeugt  bin, 
daß  zu  unseren  Gunsten  hier  überall  sich  Rechtschaffenheit 
mit  dem  besten  Willen  vereinigt.  Ich  hoffe  also,  es  durch 
mein  unablässiges  Anklopfen  so  weit  zu  bringen,  als  es  die 


2iii  Die  Staatskauzlei  hatte  ihm  u.  a.  vertraulich  die  Instruktionen  für 
die  Delegierten  zum  lleichsfriedenskongreß  vorlegen  lassen,  in  denen  diese 
angewiesen  wurden,  die  Forderungen  Hessen-Darmstadts  besonders  zu 
unterstützen.  Er  selbst  wurde  aufgefordert,  seine  Gedanken  darüber  zu 
Papier  zu  bringen,  und  nun  berichtete  er  dies  triumphierend  nach  Darm- 
stadt. Auch  auf  die  Ernennung  der  Delegierten  selbst  und  ihres  Personals 
schrieb  er  sich,  doch  wohl  irrtümlich,  einen  weitgehenden  Einfluß  zu. 

82* 


500  Julius  Reinhard  Dieterich. 

Umstände  mir  immer  erlauben  und  manchen  hinter  mir 
zu  lassen,  der  die  nemlichen  Anliegen  hat." 

Das  Vertrauen  Ludwigs  X.  in  Österreichs  Bündnistreue 
wurde  durch  diesen  und  ähnliche  Briefe  nur  bestärkt.  Als  Ok- 
tober 1797  der  Wiederausbruch  der  Feindseligkeiten  mit 
Frankreich  drohte,  kam  für  ihn  ein  Waffenstillstand  oder 
ein  Abkommen  mit  den  Franzosen,  die  sicher  zu  haben  ge- 
wesen wären,  überhaupt  nicht  in  Frage.  Er  machte  sich 
zur  Flucht  nach  Prag  bereit.  Freilich  müsse  er,  so  schreibt 
er  am  5.  Oktober  an  den  Minister  Gatzert,  dann  sein  Land 
preisgeben,  das  alle  Schrecken  des  Krieges  noch  ein- 
mal auskosten  werde.  Er  solle  ihm  einen  Rat  geben,  wie 
dem  Unglück  gesteuert  werden  könne  „auf  eine  gute  und 
loyale  Art**. 

Ludwigs  Besorgnisse  waren  unbegründet.  Der  Friede 
von  Campio  Formio  kam  zustande.  In  der  publizierten 
Fassung  war  nichts  über  die  Entschädigung  des  Landgrafen 
zu  finden.  Die  geheimen  Artikel,  die  wichtigsten,  wurden 
auch  Gatzert^  trotz  seines  eingebildeten  Einflusses^  vorent- 
halten. Mit  leeren  Händen  und  mit  vielen  nichtssagenden 
Versprechungen  kam  er  zurück,  aber  trotzdem  ganz  im 
Bann  der  österreichischen  Politik.  Er  war  mit  den 
beiden  Hauptgesandten  Österreichs  und  des  Reichs  zum 
Rastatter  Friedenskongreß,  mit  den  Grafen  Metternich  und 
Lehrbach,  befreundet.  Beide  gaben  sich  zugleich  als  auf- 
richtige Freunde  des  Landgrafen  aus.  Lehrbach  war  hes- 
sischer Vasall  und  Ludwig  X.  vielfach  zu  Danke  verpflichtet. 
Er  hatte  sich  seither  schon  seine  Freundschaft  teuer  abkaufen 
lassen. 

Im  Vertrauen  auf  diese  persönliche  Freundschaft  und 
auf  die  leeren  Zusagen,  die  man  ihm  in  Wien  gemacht  hatte, 
ging  Gatzert  nach  Rastatt,  in  dem  Glauben,  daß  er  hier 
eben  durch  seine  Wiener  Beziehungen  berufen  sei,  eine 
große  Rolle  zu  spielen.  „Wenn  es  der  Stimme  des  hiesigen 
Publikimis  nachginge**,  schreibt  er  einmal,  „würden  wir  bey 
dem  Frieden  am  besten  wegkommen.  Jedermann  glaubt 
dieses  und  gratuliert  uns.** 

Am  16.  November  1797  ist  Gatzert  in  Rastatt  einge- 
troffen. Er  fand  bald  ein  gutes  Verhältnis  zu  den  fran- 
zösischen Ministem,  ohne  sich  aber  in  nähere  Verhandlungen 
einzulassen»  weil  es  „durchaus  der  Verfassung  zuwider" 
sei.  Die  Reichsverfassung  war  überhaupt  für  den  alten 
Staatsrechtler,  der  so  viel  über  Verfassungsfragen  ge- 
lehrt und  geschrieben  hatte,  der  Leitstern  bei  allen  seinen 
Verhandlungen.    Da  Hessen-Darmstadt  durch  das  Vertrauen 


Ein  Gießener  Professor  als  hessischer  Staatsminister.  501 

des  Reiches  in  die  Reichsfriedensdeputation  berufen  sei, 
sei  es  doppelt  verpflichtet,  die  Reichskonstitution  zu  wahren. 
Er  selbst  fühlte  sich  in  erster  Linie  als  Vertreter  des  Reichs, 
erst  in  zweiter  als  Vertreter  des  Fürsten,  der  ihn  nach 
Rastatt  abgeordnet  hatte.  In  den  Konflikten  zwischen  seinem 
Reichsauftrage  und  seiner  Pflicht  gegen  den  Landgrafen, 
die  nach  Einleitung  direkter  Verhandlungen  zwischen  Darm- 
stadt  und  Paris  unvermeidlich  waren,  hat  ihn  sein  Herz 
auf  die  Seite  des  überall  und  von  allen  mißhandelten  Reichs 
getrieben. 

Vorerst  ließ  sich  in  Rastatt  alles  gut  an.  Die  Aufnahme, 
die  Gatzert  bei  einem  Besuche  in  Karlsruhe  fand,  war 
glänzend.  Seine  Wiener  Freunde  empfingen  ihn  liebens- 
würdig wie  immer.  Wie  ein  Meteor  tauchte  vor  Er- 
öffnung der  Verhandlungen  Bonaparte  in  Rastatt  auf,  um 
noch  vor  Eintreffen  des  kaiserlichen  Plenipotentiarius,  des 
Grafen  Metternich,  wieder  zu  verschwinden. 

Der  vertrauliche  Bericht,  den  Gatzert  über  seinen  Be- 
such bei  Bonaparte  an  den  Landgrafen  gerichtet  hat,  möge 
hier  im  Wortlaut  folgen.  Ist  sein  Inhalt  auch  dürftig,  so 
verdient  er  doch  wegen  des  Mannes,  von  dem  er  handelt, 
den  Abdruck. 

Rastatt,  den  29.  Nov.  1797. 

Gestern  Abends  8  Uhr  habe  ich  in  Gesellschaft  einiger  andern 
Deputirten  zu  der  von  Ihm  bestimmten  Zeit  meine  Visite  bey  dem 
General  Buonaparte  gemacht.  Er  empfing  uns  überaus  höflich, 
kam  uns  biß  an  die  Thür  seines  Hauptzimmers  entgegen,  setzte  sich 
mit  uns  an  den  Camin  und  begleitete  uns  hernach  biß  an  die  Thür 
seines  ersten  Vorzimmers.  Die  Unterhaltung  war  die  Einrichtung 
der  Deputation  und  bey  Gelegenheit,  daß  von  der  Religions  Gleich- 
heit gesprochen  wurde,  kam  er  auf  die  Kriege  Carl  des  fünften, 
des  Churfürst  Friedrichs  und  Moriz  von  Sachsen,  Philipps  des 
Grosmütigen  von  Hessen  p.  Er  war  sehr  gesprächich,  ob  er  schon 
sonst  gar  wenig  redet.  Er  war  munter,  mischte  Scherze  mit  ein, 
versprach  sich  baldigen  Frieden  und  äußerte  sich  im  allgemeinen 
sehr  billig.  Das  Aeußere  des  kleinen,  hagern  und  überaus  blassen 
Mannes  verspricht  die  Größe  nicht,  die  seine  Thaten  und  Geistes 
Kraft  voraussezzen.  Er  hatte  nur  2  Adjutanten  im  Zimmer,  die 
an  der  Wand  auf  einem  Sopha  saßen.  Sonst  war  er  ohne  allen 
Prunk  und  hatte  nur  die  gcstikkte  ganz  zugeknöpfte  Generals 
Uniform  an,  selbst  ohne  Degen  und  Schärpe.  Einer  seiner  Ad- 
jutanten empfieng  uns  an  der  Thür  des  ersten  Vorzimmers  luid 
ein  anderer  begleitete  uns  hernach  biß  an  die  Trepj)e.  Bey  den  drey 
anderen  französischen  Bevollmächtigten  wurden  wir  nicht  ange- 
nommen. Ueberhaupt  war  der  Besuch  nur  noch  zur  Zeit  eine 
bloße  privat  Höflichkeits  Visite ;  sobald  die  Legitimation  geschehen 
seyn  wird,  muß  die  Kaiserliche  Pienipotenz--  uns  der  französischen 

-'  Der  Generalbevollmächtigte  des  Kaisers,  Graf  Metternich. 


502  Julius  Reinhard  Dieterich. 

Gesandtschaft  en  Corps  präsentiren.  Er  trug  uns  auch  noch  über- 
haupt sein  Compliment  an  unsere  hohe  Principaischaft  auf.  Seine 
Lebens  Art  ist  besonders.  Vormittag  gegen  11  Uhr  stehet  er  ge- 
wöhnlich auf;  frühstückt  sodann,  fährt  oder  reitet  sodann  aus; 
dann  gehet  es  an  das  schreiben  und  arbeiten  um  3  Uhr;  um  6  Uhr 
speiset  man  gewöhnlich  zu  Mittag;  um  8  Uhr  gibt  man  Audienz, 
nimmt  Besuche  an  oder  giebt  sie;  das  Schauspiel  folgt  hierauf; 
sodann  schreiben  und  arbeiten;  um  Mitternacht  wird  soupirt  und 
hernach  legt  man  sich  zu  Bette.  Er  erklärte,  seine  Gemahlin 
werde  nur  alsdann  kommen,  wenn  der  Congreß  lange  dauern  sollte. 
Dermalen  sey  sie  zu  Paris.  Vorerst  hat  er  ihre  Zimmer  mit  be- 
zogen. 

So  eben  (um  3  Uhr)  schickt  er  einen  General  Adjutanten, 
den  Obrist  Marbois,  statt  der  Gegen  Visite  mir  sein  Compliment 
zu  machen,   wie   bey  allen  übrigen  Gesandtschaften. 

Der  Eindruck,  den  Bonaparte  auf  Gatzert  machte,  muß 
groß  gewesen  sein.  Von  der  Energie  des  kleinen,  mageren 
Generals  hat  er  offenbar  eine  günstige  Einwirkung  auf  den 
Fortgang  der  Friedensunterhandlungen  erhofft.  Sein  Weg- 
bleiben von  Rastatt  bedauerte  er  deshalb  sehr.  „Das  Trau- 
rigste ist**,  schreibt  er  am  6.  Dezember  1797  an  den  Land- 
grafen, „daß  man  anfängt,  an  der  Zurückkunft  des  Buona- 
parte  hierher  zu  zweifeln.** 

Am  9.  Dezember  1797  fand  endlich  die  erste  Sitzung 
statt.  Gleich  im  Anfang  setzte  es  eine  kleine  Rang- 
streitigkeit mit  der  badischen  Gesandtschaft  ab.  „In  An- 
sehung der  Alternative,**  meldet  Gatzert  am  6.  Dezember 
nach  Darmstadt,  „zwischen  mir  und  der  badischen  Subdele- 
gation, muß  ich  zugleich  eine  Art  von  Differenz  erwähnen, 
die  der  Umstand,  daß  bei  der  letzteren  außer  dem  Minister 
von  Edelsheim  auch  ein  Secundarius  in  der  Person  des 
Geheimen  Rats  Meiers  angestellt  ist,  veranlaßt  hat.  Schon 
vor  mehreren  Tagen  stellte  ich  dem  Minister  von  Edelsheim 
vor,  daß  die  Alternative  zwischen  mir  und  ihm  bey  den 
Sessionen  zwar  keinem  Zweifel  unterworfen  seyn  könne, 
daß  ich  oben  gemachten  Anstand  nehmen  müsse,  auf  eine 
gleiche  Weise  seinen  Secundarius  gegen  mich  altemiren  zu 
lassen,  weil  ich  alsdann  im  Fall,  wenn  Baden  den  Vorsitz 
hätte,  jedesmal  zwey  Stühle  herunter  käme,  und  solches  eine 
auffallende   Disparität  bewirken  würde.** 

Nach  vielem  Hin  und  Her  kam  man  endlich  auf  den 
Ausweg,  daß  neben  den  hessischen  Subdelegatus  jedesmal 
ein  leerer  Stuhl  gesetzt  würde,  „den  meines  gnädigsten  Herrn 
Hochfürstliche  Durchlaucht  nach  Gutfinden  alsdann  'auch 
durch   einen  secundarius  einnehmen  lassen  könnte**. 

Die  Verhandlungen  des  Kongresses,  die  sich  monatelang 


Ein  Gielsener  Professor  als  hessischer  Staatsminister.  503 

hinzogen,  sind  bekannt.  Gatzert  hat  fleißig  über  alle 
Wechselfälle  Bericht  erstattet.  Er  ging  immer  und  überall 
im  engsten  Anschluß  an  die  Kaiserlichen  und  den  öster- 
reichischen Delegierten  vor  und  richtete  seine  Abstimmungen 
nach  den  ihrigen  ein. 

Selbst  die  Übergabe  von  Mainz  an  die  Franzosen  infolge 
der  österreichisch-französischen  Konvention  hat  ihn  nur 
einen  Augenblick  an  seinen  Wiener  Freunden  irre  gemacht. 
Schreibt  er  am  20.  Dezember  an  den  Landgraf:  „die  Trac- 
taten-Abschließer  in  Wien  erscheinen  in  einem  sehr  bösen 
Licht**,  so  entschuldigt  er  seine  Freunde  später  so :  die  Über- 
gabe der  Festung  sei  eine  unerwartete  Folge  einer  im  übrigen 
harmlosen  Maßregel  gewesen.  „Einer  Convention  zu  Campo 
Formido  wegen  Maynz,  der  Rheinschanze  oder  überhaupt 
des  linken  Rheinufers  widersprachen  sie:  aber  der  Fehler 
lag  in  der  Zusage,  die  Haustruppen,  Artillerie  pp.  zurück- 
zuzuziehen. Man  dachte  nicht  an  die  gleichwohlen  so 
leicht  vorauszusehenden  Folgen.  Hinc  illae  lacrymae.** 

In  Darmstadt  sah  man  freilich  die  Sache  anders  an  wie 
Gatzert.  Die  Wegnahme  von  Mainz  stellte  eine  stete  Be- 
drohung der  Obergrafschaft  dar.  Das  Benehmen  der  Kaiser- 
lichen, die  bis  dahin  jedes  heimliche  Abkommen  mit  Frank- 
reich geleugnet  hatten  und  jetzt  auf  Grund  von  heimlichen 
Artikeln  des  Friedens  Mainz  dem  Feinde  preisgaben,  wurde 
hier,  wie  überall,  verurteilt.  Die  Stimmung  in  den  wei- 
testen Kreisen  war  deshalb  gegen  Österreich  und  für  eine 
Verständigung  mit  Frankreich.  Auf  die  Dauer  konnte  sich 
auch  der  Landgraf,  der  noch  im  Januar  1798  seinem  Dele- 
gierten in  Rastatt  versicherte,  daß  er  fest  auf  die  Erkennt- 
lichkeit des  Kaisers  baue,  dieser  Stimmung  nicht  entziehen. 

Am  Hof  in  Darmstadt  bekämpften  sich  damals  drei 
Strömungen,  eine  kaiserfreundliche,  die  aber  durch  die  Ab- 
wesenheit ihres  Hauptführers,  Gatzerts,  geschwächt  war,  eine 
preußische  und  endlich  seit  kurzem  eine  dritte  Partei,  die 
für  den  Anschluß  Hessen-Darmstadts  an  Frankreich  ar- 
beitete. Führer  dieser  Partei  war  der  Oberstallmeister  Frei- 
herr V.  Barkhaus-Wiesenhütten. 

Karl  Ludwig  v.  Barkhaus  war  durch  die  Vermittlung 
Gatzerts  in  den  hessischen  Staatsdienst  gekommen.  Er  war 
ihm  nicht  nur  hierfür  zu  Dank  verpflichtet.  Wie  aus  den 
mir  zur  Verfügung  gestellten  hinterlassenen  Papieren 
Gatzerts  2^  hervorgeht,  hat  ihm  dieser  mehrmals  aus  schweren 
finanziellen  Nöten  geholfen.     Dies  hat  Barkhaus  nicht  ab- 

2-^  Ich  bin  für  deren  Überlassung  Herrn  Geh.  Regierungsrat  Bopp, 
Darmstadt,  zu  Dank  verflichtet. 


504  Julias  Reinhard  Dieterich. 

gehalten,  in  die  schärfste  Opposition  gegen  Gatzert  einzu- 
treten. Der  weit-  und  geschäftsgewandte,  in  der  Wahl  seiner 
Mittel  nicht  gerade  skrupulöse  Oberstallmeister  machte  be- 
reits Ende  1797  einen  Vorstoß.  Es  sind  uns  zwar  nur  Reste 
seiner  Korrespondenz  mit  seinem  Schwager,  Oberst  v.  Pap- 
penheim, erhalten.  Doch  geht  aus  diesen  deutlich  hervor, 
daß  es  bereits  1797  nahe  daran  war,  daß  Pappenheim  oder 
Barkhaus  selbst  in  geheimer  Sendung  nach  Paris  ging.  Der 
Einfluß  der  Landgräfin  scheint  diesen  Plan,  der  wohl  unter 
dem  frischen  Eindruck  des  Verrats  von  Mainz  entstanden 
war,  vereitelt  zu  haben. 

Februar  1798  war  die  Partei  der  Franzosenfreunde  glück- 
licher. Von  Paris  aus  selbst  wurde  die  Entsendung  eines 
Agenten  in  Darmstadt  angeregt.  Die  Nachrichten  aus  Rastatt 
lauteten  trostloser  denn  je.  Gatzert  selbst  mußte  zugeben, 
daß  auf  eine  allgemeine  Säkularisation  der  geistlichen 
Staaten,  wie  sie  von  Frankreich  und  allen  den  Fürsten,  die 
auf  Entschädigungen  für  Verluste  in  Elsaß  Anspruch  hatten 
—  nur  nicht  von  Hessen-Darmstadt,  das  die  größten  Ver- 
luste erlitten  hatte  — ,  betrieben  wurde,  kaum  zu  rechnen 
sei.  Der  kaiserliche  Hof  vor  allem  war  dagegen  und  stand 
für  die  Erhaltung  der  drei  geistlichen  Kurfürstentümer,  „als 
wesentlich  zur  Verfassung  des  Reichs  gehörig**,  ein.  Ini 
Falle  einer  Abtretung  des  linken  Rheinufers  sollten  die  Erz- 
bischöfe von  Mainz,  Köln  und  Trier  auf  dem  rechten  ent- 
schädigt werden.  Daß  dann  für  die  weltlichen  Fürsten  und 
ihre  Ansprüche  herzlich  wenig  oder  gar  nichts  abfiel,  viel- 
leicht nur  eine  Geldentschädigung,  war  leicht  vorauszusehen. 
Preußen,  zu  dem  das  Verhältnis  Hessen-Darmstadts  auch 
nach  der  Thronbesteigung  Friedrich  Wilhelms  HI.  nicht 
wärmer  geworden  war,  war  zurückhaltend  und  zweideutig, 
wie  immer  in  den  letzten  Jahren.  Frankreich  allein,  das  sich 
aufs  entschiedenste  für  die  allgemeine  Säkularisation  und 
für  die  Entschädigung  der  Elsässer  Verluste  auf  dem  rechten 
Rheinufer  einsetzte,  schien  der  einzige  Hort  der  deutschen 
Fürsten  zu  sein.  Schon  verhandelten  einzelne  von  diesen 
in  Paris  direkt  mit  dem  Direktorium. 

Hier  setzte  Barkhaus  ein,  und  es  gelang  ihm,  Lud- 
wig X.  für  die  Entsendung  eines  Agenten,  der  aber  ge- 
gebcnenfalies  auch  als  Gesandter  sich  legitimieren  konnte, 
nach  Paris  zu  bestimmen.  Den  richtigen  Mann  für  diese  Auf- 
gabe schluo  er  ebenfalls  vor:  August  Wilhelm  von  Pappen- 
heim. Ende  Februar  ist  dieser  in  geheimer  Sendung  an 
das  französische  Direktorium  nach  Paris  abgeordnet  worden. 

Diese  Abordnung  bedeutete  eine  empfindliche  Nieder- 


Ein  Gie&ener  Professor  als  hessischer  Siaatsminister,  505 

läge  für  Gatzert  und  sein  System.  Gatzert  hatte  wohl  selbst 
früher  einmal  gelegentlich  die  Entsendung  eines  Spezial- 
gesandten  nach  Paris  ins  Auge  gefaßt:  gegen  die  Abord- 
nung Pappenheims  hatte  er  sich  aber  mit  allen  ihm  zu  Ge- 
bote stehenden  Mitteln  gewehrt.  Der  Landgraf,  den  die 
Übergabe  von  Mainz  und  die  österreichischen  Erklärungen 
über  die  Säkularisation  völlig  ernüchtert  hatten,  hörte  nicht 
mehr  auf  ihn.  Seine  Gegner  in  Darmstadt  gewannen  immer 
mehr  Terrain.  Barkhaus  wurde  ins  Ministerium  berufen 
und  brachte  hier  bald  seine  Maxime:  „los  von  Österreich 
und  Preußen,  die  uns  nichts  mehr  zu  bieten  haben,  und 
hin  zu  Frankreich** !   zur  vollen  Geltung. 

Pappenheim  hatte  in  Paris  die  beste  Aufnahme  ge- 
funden. Mit  List  und  Gewandtheit  verschaffte  er  sich  Zu- 
tritt zu  den  maßgebenden  Stellen.  Die  von  ihm  vorgebrachten 
hessen-darmstädtischen  Entschädigungsforderungen  wurden 
wohlwollend  geprüft  und  im  Prinzip  gebilligt.  Schließlich 
schlug  man  dem  Landgrafen  eine  Defensiv-  und  Offensiv- 
allianz vor.  Der  Plan  eines  Rheinbundes  deutscher  Fürsten 
unter  Hessens  Führung  tauchte  auf. 

Den  Gedanken  an  eine  Allianz  mit  Frankreich,  die  sich 
nur  gegen  das  Reich  und  den  Kaiser  richten  konnte,  hat 
aber  Ludwig  X.,  trotz  seiner  Erbitterung  über  die  Unzu- 
verlässigkeit  der  Österreicher,  entrüstet  von  sich  gewiesen. 
Auch  Gatzert,  der  zu  Gutachten  über  die  Vorschläge  Pappen- 
heims aufgefordert  wurde  (Mai/Juni  1798),  hat  sich,  wie 
dies  nicht  anders  von  ihm  zu  erwarten  war,  aufs  schärfste 
dagegen  ausgesprochen:  „Als  redlicher  treuer  Diener  Sere- 
nissimi kann  ich  zu  einer  Off-  oder  Defensiv  Allianz  mit 
Frankreich,  solange  unsere  Reichs  Verfassung  noch  existiert, 
gegen  Kayser  und  Reich  um  so  weniger  einem  Fürsten  rathen, 
der  sich  fast  einzig  und  allein  durch  treue  Anhänglichkeit 
an  dieselbe  den  ganzen  Krieg  hindurch  so  vorzüglich  aus- 
gezeichnet und  (leßhalb  seinem  Nahmen  und  Hauß  einen 
unverwelklichen  ewigen  Ruhm  erworben  hat**.  Eine  Ver- 
bindung gegen  das  „deutsche  Vaterland  auf  dieser  Basis** 
erklärt  er  offen  für  einen  ehrlosen  Verrat.  Also  keine 
Allianz,  sondern  nur  eine  friedliche  Verständigung  über  die 
schwebenden  Fragen  für  den  Fall  eines  Wiederausbruchs 
des  Kriegs  sei  anzubahnen.  Davon  müsse  man  aber  loyaler- 
weise  die  Höfe  von  Wien  und  Berlin  verständigen.  ,, Einen 
anderen  Ausweg  weiß  ich  nicht  anzugeben.  Statt  daß  mich 
Jean  de  Bry^*  -  hier  kommt  Gatzerts  ganzer  Schmerz  über 
die  veränderte  Politik  des  Landgrafen  zum  Durchbruch  — 


'*  Französischer  Minister  in  Rastatt. 


506  Julius  Reinhard  Dieterich. 

sonst  rhomme  vendu  ä  TEmpereur  nannte,  heißen  wir  jetzt 
hier  überall  die  ärgsten  Anhänger  der  französischen  Re- 
publik.** 

Pappenheim,  dem  übrigens  Gatzert  in  diesem  Gutachten 
das  Zeugnis  ausstellt,  er  sei  „ganz  auf  dem  richtigen  Weg 
bei  seiner  Unterhandlung**,  ein  Zugeständnis,  das  dem  Ge- 
rechtigkeitsgefühl des  Schreibers  alle  Ehre  macht,  Pappen- 
heim verstand  es,  die  Machthaber  in  Paris,  ohne  sich  tiefer 
auf  die  ihm  gemachten,  verlockenden  Anträge  einzulassen, 
günstig  für  den  Landgrafen  und  seine  Forderungen  zu 
stimmen  und  sich  offene  und  geheime  Wege  für  wichtige 
Verhandlungen  zu  bahnen.  So  verließ  er  Paris  wieder,  um 
die  Beratungen  mit  den  zu  den  Friedensverhandlungen  nach 
Rastatt  delegierten  französischen  Ministern  fortzusetzen. 

In  Darmstadt  hatte  sich  unterdessen  der  große  Um- 
schwung in  der  auswärtigen  Politik  vollzogen.  Durch  den 
Eintritt  Barkhausens  ins  Ministerium  war  die  Landgrafschaft 
ins  franzosenfreundliche  Fahrwasser  gekommen. 

Dieser  Umschwung  machte  sich  sofort  auch  in  der  Stel- 
lung Gatzerts  beim  Reichsdeputationstage  zu  Rastatt  gel- 
tend. Die  Anzeichen,  daß  der  noch  vor  wenigen  Monaten 
allmächtige  Minister  von  den  jüngeren  Rivalen  aus  dem 
Sattel  gehoben  war,  mehrten  sich.  Am  6.  August  1798 
ward  August  Wilhelm  von  Pappenheim  als  Vertreter  des  er- 
krankten Regierungsrats  Strecker  unter  dem  Titel  eines  Ge- 
sandten und  Bevollmächtigten  nach  Rastatt  abgeordert.  Er 
hatte  den  Auftrag,  die  in  Paris  begonnenen  Unterhandlungen 
mit  den  französischen  Ministern  beim  Reichsfriedenskongreß 
fortzusetzen.  Die  ganze  Entschädigungsfrage,  das  Herzstück 
der  auswärtigen  Politik  Hessens,  wurde  in  seine  Hand 
gelegt.  Er  hatte  den  gemessenen  Auftrag,  sich  über 
alle  Fragen  mit  Gatzert  zu  benehmen,  während  dieser  um- 
gekehrt angewiesen  wurde,  seine  Instruktionen  und  Vota  mit 
Pappenheim  zu  „kommunizieren**.  Da  Pappenheim  von  vorn- 
herein die  Erlaubnis  hatte,  ohne  besonderen  Urlaub  nach 
Darmstadt  zu  reisen  —  Gatzert  war  durch  die  Sitzungen  der 
Deputation  gebunden  — ,  blieb  er  in  steter  Fühlung  mit  dem 
jetzt  ganz  und  gar  von  Barkhaus  dirigierten  Geheimen  Rat 
und  mit  dem  Landgrafen  selbst,  während  Gatzerts  Stellung 
immer  isolierter  wurde. 

Schon  im  August  1798  kam  es  zum  Konflikt.  Gatzert 
wird  Pappenheim  zunächst  ganz  ignoriert  haben.  Man 
schien  ihn  sogar  in  Darmstadt  im  Verdacht  zu  haben,  daß 
er  seinen  persönlichen  Einfluß  dazu  ausnützte,  um  Pappen- 
heim gesellschaftlich  bei  den  Gesandtschaften  zu  schädigen. 


Ein  Gie&ener  Professor  als  hessischer  Staatsminister.  507 

Die  Anweisung  an  Gatzert,  er  solle  sein  Votum  nach 
den  mit  Pappenheim  vorher  getroffenen  Vereinbarungen  ein- 
richten, war  allerdings  schwer  für  einen  Mann,  der  seit 
Jahren  unabhängig  und  selbständig  die  ganze  Politik  Hessens 
geleitet  hatte.  Ob  er  wohl  gewußt  hat,  daß  Pappenheim 
beauftragt  war,  in  seinen  Berichten  nach  Darmstadt  die 
Punkte  anzugeben,  auf  die  Gatzert  in  Rastatt  instruiert 
werden  sollte?  Wahrscheinlich!  Pappenheim  war  am 
22.  August  nochmals  angewiesen  worden,  seine  Instruktionen 
Gatzert  ebenfalls  vorzulegen. 

Wie  hatten  sich  die  Zeiten  geändert!  In  Darmstadt 
beherrschte  Barkhaus  den  Geheimen  Rat.  Wie  vordem 
Gatzert  selbst,  erstattete  er  die  maßgebenden  Gutachten,  hatte 
er  das  Ohr  des  Landgrafen.  In  Rastatt  verfolgte  Pappenheim 
eine  von  Gatzert  verabscheute  Politik,  die  des  Anschlusses 
an  Frankreich.  Gatzert,  der  seither  selbständig  gehandelt 
und  die  ihm  von  Darmstadt  zugesandten  Instruktionen  selbst 
vorher  entworfen  und  eingesandt  hatte,  wurde  jetzt  ange- 
wiesen, die  genauesten  Berichte  nach  Darmstadt  zu  schicken, 
damit  man  ihm  dort  die  Instruktionen  ausfertigen  konnte, 
die  ihm  Abstimmungen  vorschrieben,  die  seiner  politischen 
Überzeugung  stracks  zuwiderliefen. 

Gatzert  hat  sich,  wohl  im  Vertrauen  auf  die  Freund- 
schaft seines  Landesherrn,  um  diese  Befehle  zunächst  nicht 
viel  gekümmert.  Da  beschwerten  sich  die  Minister  in  Darm- 
stadt: er  schicke  die  einverlangten  Gutachten  nicht.  Noch 
mehr:  er  habe  auf  die  letzte,  in  sehr  genauer  Weise  abge- 
faßte Instruktion  erwidert,  „daß  er  ohnverfehlen  würde, 
sein  Votum,  so  weit  Klugheit  oder  Vorsicht  es  gleich- 
balden  zulassen",  einzurichten.  Das  sei  offene  Wider- 
setzlichkeit. Die  Resolution  (28.  August)  des  Landgrafen  ist 
in  sehr  erregtem  Tone  abgefaßt.  Ludwig  X.  empfand  Gatzerts 
Verfahren  als  eine  Beleidigung  „für  mich  und  dem  Mini- 
sterium**, als  „vorsätzliche  Widerspenstigkeit  gegen  Meine 
Befehle  und  Gleichgültigkeit  gegen  Meinem  und  des  Landes 
Wohl**.  Der  Schluß  war:  Gatzert  solle  angewiesen  werden, 
künftig  „purim  (so!)  sein  Votum  nach  der  Instruktion  ein- 
zurichten**. „Es  kostet  ihm'*,  begründete  der  Landgraf  am 
folgenden  Tag  (29.  August)  seinen  Tadel,  „viel  weniger 
Überwindung,  wie  es  scheint,  mein  Interesse  auf  das  Spiel 
zu  setzen,  als  von  der  Österreichischen  Parthev  sich  zu 
entfernen.  Er  macht  Ausflüchte.  Redet  (er)  von  seinen  dop- 
pelten Pflichten  gegen  Mir  und  das  Reich,  so  ist  das  lächer- 
lich.** Gatzert  habe  nur  seine,  des  „Kommettenten**,  Befehle 
auszurichten.    „Ich  sollte  fast  glauben,  daß  böser  Wille  eine 


508  Julius  Reinhard  Dieterich. 

Triebfeder  bey  ihm  ist,  um  alles,  was  mir  Vortheil  ver- 
schaffen kann,  zu  vernichten.'*  Wenn  der  Landgraf  dann 
fortfährt:  „Seine  pohtischen  Neuigkeiten  glaube  ich  nicht**, 
so  will  er  kaum  damit  sagen,  daß  Gatzert  ihn  belüge,  son- 
dern vielmehr,  daß  er  gutgläubig,  was  ihm  seine  öster- 
reichischen Freunde  voriogen,  weitergebe. 

Gatzert  sah  ein,  daß  seine  Stellung  unhaltbar  sei.  Er 
reichte  seine  Entlassung  ein.  Sie  wurde  abgelehnt.  Er 
blieb,  um  sich  Demütigungen  über  Demütigungen  auszu- 
setzen. Seine  Feinde  waren  in  den  Mitteln,  ihn  zu  kränken, 
nicht  wählerisch.  Selbst  das  alberne  Gerücht,  er  sei  von 
Österreich  bestochen,  ist  ausgesprengt  und  geglaubt  worden. 
In  seinen  Instruktionen  wurde  Gatzert  ausdrücklich  auf  die 
Abstimmungen  in  der  Reichsdeputation  und  auf  sein  Amt 
als  Hanau-Lichtenberger  Kabinettsminister  eingeschränkt. 
Die  Verhandlungen  über  die  Entschädigungsfrage  wurden 
ganz  in  Pappenheims  Hände  gelegt.  Als  Anfang  De- 
zember 1798  der  Wiederausbruch  des  Krieges  drohte,  ver- 
fügte der  Landgraf,  daß,  komme  es  zum  Bruch,  alles  nach 
den  Vorschlägen  Pappenheims  gehen  müsse. 

Im  Frühjahr  1799  ward  Pappenheim  mit  neuen  Auf- 
trägen nach  Paris  gesandt.  Um  diese  Zeit  ist  Gatzert 
wieder  einmal  in  einem  scharfen  Schreiben  an  seine  Pflicht 
verwiesen  worden.  Die  Antwort  darauf  war  ein  erneutes, 
allerdings  noch  nicht  formell  gestelltes  Entlassungsgesuch.=^^ 

Seitdem  v.  Pappenheim  in  Paris  mit  Talleyrand  direkt 
verhandelte,  war  Gatzerts  Stellung  in  Rastatt  zu  völliger 
Bedeutungslosigkeit  herabgesunken.  Er  hielt  noch  bis  zum 
Schlüsse  aus  und  hat  noch  einen  eingehenden  Bericht  über 
den  Rastatter  Gesandte rmiord  nach  Darmstadt  erstattet. 
Sofort  nach  seiner  Rückkehr  am  8.  Mai  1799  reichte  er  sein 
Entlassungsgesuch  ein.  Er  begründete  es  einmal  mit  den 
verschiedenen  scharfen  Verfügungen,  die  ihn  schwer  ver- 
letzt hätten,  dann  aber  mit  Krankheit  —  sein  Gehör,  sein 
Gesicht,  seine  Kräfte  hätten  abgenommen,  ein  Auge  habe 
er  fast  gänzlich  verloren  — ,  vor  allem  aber  mit  der  Un- 
gnade seines  Herrn. 


-''  „übrigens  kann  ich  Ew.  Hochfürstl.  Durchlaucht  in  tiefster  Weh- 
mut treudevotest  nicht  bergen,  daß  ich  über  den  sonstigen  In-  und 
Gehalt  er\s ahnten,  gnädigsten  Rescripts  (vom  3.  Februar  1799)  mich  in 
mehrerm  Betracht  äußerst  zu  beschweren  gerechteste  Ursache  habe,  und 
dali  dasselbe,  verbunden  mit  der  zeither  unverdienter  Weise  erlittenen 
Behandlungsart,  mich  nöthiget,  auf  der  huldreichen  Gewährung  einer 
hüchstdenonselbcn  bei  meiner  letzten  Anwesenheit  zu  Darmstadt  mündlich 
dar^'elegten  unterthänigsten  Bitte  bei  meiner  Zuröckkunft  treugeh oi-samst 
zu   bestehen." 


Ein  Gießener  Pi'ofessor  als  hessischer  Staatsminister.  509 

Am  14.  Mai  hat  Ludwig  das  Abschiedsgesuch  in  gnä- 
digen Worten  gewährt.  „Der  in  gedachtem  Ihrem  Schreiben 
geäußerten  Meinung  aber",  heißt  es  hier,  „als  ob  mein  sonst 
gegen  Sie,  lieber  Herr  Geheimer  Rath,  gesetztes  Zutrauen 
erloschen  seye,  muß  ich  um  so  mehr  wiedersprechen,  als 
Sie  versichert  seyn  können,  daß  ich  meinen  Grundsätzen, 
die  Sie  jederzeit  eifErigst  zu  unterstützen  bemüht  waren, 
immer  treu  bleiben  werde,  und  daß  hiervon  jene  Fälle,  wo 
die  Lage  der  Umstände  und  Verhältnisse  mich  nöthigten, 
Ihnen  die  Schritte  vorzuzeichnen,  gänzlich  verschieden  sind." 
In  seiner  Antwort  vom  20.  Mai  hat  dann  Gatzert  noch  ein- 
mal unumwunden  den  Gefühlen  der  Zurücksetzung  und  der 
„gekränkten  Ehre"  Ausdruck  gegeben.  Der  Landgraf  scheint 
darauf  nicht  erwidert  zu  haben.  Doch  ist  Gatzert  nicht  in 
Ungnade  aus  hessischen  Diensten  geschieden.  Er  hat  später 
noch  Briefe  mit  seinem  alten  Herrn  gewechselt.  1805  hat 
ihn  dieser  in  Gießen  besucht,  zu  einer  Zeit,  in  der  für  ihn 
und  Hessen  alles  auf  dem  Spiele  stand,  an  dem  Vorabend 
des  Übertritts  Hessen-Darmstadts  auf  die  französische  Seite. 
Bis  dahin  hatte  wenigstens  Ludwig  X.,  trotz  aller  Verhand- 
lungen mit  den  Machthabem  in  Paris,  das  von  Gatzert  über- 
kommene System  wenigstens  insofern  weiter  befolgt,  als  er 
nähere  Anknüpfung  mit  Frankreich  vermieden  hatte. 

Am  2.  April  1807  hat  der  Tod  dem  arbeits-  und  sorgen-, 
aber  auch  segensreichen  Leben  des  Entlassenen  eine  Grenze 
gesetzt. 


Ganz  anders  als  der  leidenschaftliche  Moser  hat  Gatzert 
den  Verlust  des  Amtes,  das  ihm  zu  schwer  geworden  war, 
ertragen.  Ein  Kampf,  wie  ihn  Moser  jahrzehntelang  mit 
verbissener  Wut  vor  Gericht  und  literarisch  gegen  seinen 
alten  Herrn  gekämpft  hat,  lag  nicht  in  seiner  Natur.  Gatzert 
war,  als  er  sein  letztes  Entlassungsgesuch  schrieb,  ein  ver- 
brauchter, körperlich  und  wohl  auch  seelisch  gebrochener 
Mann.  Schweigend  und  gehorsam,  mit  ruhiger  Würde  zog 
er  sich  von  der  Stätte  seiner  Tätigkeit  zurück,  um  noch 
ein  paar  Jahre  beschaulicher  Ruhe  in  der  kleinen  Uni- 
versitätsstadt zu  verbringen,  von  der  seine  staatsmännische 
Wirksamkeit  ihren  Ausgang  genommen  hatte. 

Es  liegt  nahe,  Vergleiche  zwischen  Moser  und  Gatzert 
zu  ziehen.  An  Material  dafür  fehlt  es  nicht.  Beide  Staats- 
männer haben  eine  fast  unübersehbare  Reihe  schriftlicher 
Zeugnisse  in  ihren  Berichten  und  Gutachten,  Referaten  und 


510  Julius  Reinhard  Dietericb. 

Briefen  hinterlassen.  Schon  im  Äußerlichen  prägt  sich  der 
Charakter  der  Schreiber  aus.  Mosers  Handschrift  ist  gleich- 
mäßig, klar  und  deutlich,  dabei  aber  schön  und  elegant; 
die  Gatzerts  groß  und  ungelenk.  Ihr  eigenartiger  Duktus  mit 
seinen  steifen,  schlichten,  aber  klaren  und  kräftigen  Buch- 
staben entspricht  dem  Bilde  des  Mannes,  das  wir  entworfen 
haben. 

Mosers  amtliche  Schriftstücke  sind  frisch  und  anschau- 
lich, zum  Teil  geistreich  entworfen.  Sie  stellten  vielfach  kleine 
literarische  Meisterstücke  dar  und  ergehen  sich  leicht  ins 
Allgemeine,  Philosophische,  Sententiöse. 

Gatzert  ist  inuner  logisch,  sachlich  und  nüchtern.  *  Seine 
Ausdrucksweise  ist  kurz  und  treffend,  nur  zuweilen  eintönig 
und  trocken.  Staunenswert  ist  die  Meisterung  des  Stoffes, 
die  Übersichtlichkeit  und  Durchsichtigkeit  der  Disposition. 
Auch  auf  Gebieten,  die  dem  Jurist  ferne  lagen,  auf  dem 
Finanziellen,  Militärischen  u.  s.  f.,  spricht  er  nur  dann,  wenn 
er  sein  Material  vollständig  beherrscht  und  wirklich  etwas 
zu  sagen  hat.  Kommt  bei  Moser  immer  wieder  der  Philosoph 
und  Schöngeist  zum  Vorschein,  so  kann  Gatzert  nirgends 
den  Juristen  verleugnen.  Seine  Schriftstücke,  so  tunfang- 
reich  einzelne  sind,  hat  er  meistens  ohne  Konzept  in  einem 
Zuge  und  fast  ohne  Korrekturen  und  Einschaltungen  nieder- 
geschrieben. Fremder  Schreibhülfe  hat  er  sich,  namentlich  in 
vertraulichen  Sachen,  anscheinend  nur  ungern  bedient. 

Die  Gewandtheit  mit  der  Feder  scheint  nicht  unwesent- 
lich seine  Stellung  zu  seinen  Kollegen  beeinflußt,  ihm  schon 
bald  ein  Übergewicht  über  sie  gegeben  zu  haben.  In  kurzem 
bürgerte  sich  der  Brauch  ein,  daß  er  die  Ergebnisse 
wichtiger  Beratungen  selbst  niederschrieb.  Bei  Gutachten  der 
Geheimen  Räte  ließ  man  ihm,  trotzdem  dienstältere  Kollegen 
vorhanden  waren,  den  Vortritt.  Es  war  freilich  für  diese 
älteren  Kollegen  recht  bequem,  daß  der  Jüngere  so  die 
Hauptarbeit  auf  sich  nahm.  Mit  der  Zeit  hat  aber  diese 
Gepflogenheit  die  überragende  Stellung  Gatzerts,  die  ihm 
sein  Wissen  und  Können  auch  sonst  verbürgten,  nur  ver- 
stärken können.  Darin,  daß  ihm  in  späterer  Zeit  in  den 
Referaten  fast  immer  der  Vortritt  gelassen  wird,  prägt  sich 
die  Tatsache  aus,  daß  er,  wenn  nicht  de  iure,  so  doch 
sicher  de  facto  der  Premierminister  Hessen-Darmstadts  ge- 
wesen ist.  Moser  ist  auch  de  iure  der  Präsident  des  Ge- 
heimen Rats  gewesen.  Nach  seinem  Rücktritt  wurde  diese 
Stelle  nicht  wieder  besetzt.  Gatzert  war  nur  der  primus 
inter  pares. 

Moser    und    Gatzert    sind    die    markantesten    Erschei- 


Ein  Gießener  Professor  als  hessischer  Staatsminister.  511 

nungen  Hessens  in  der  zweiten  Hälfte  des  achtzehnten  Jahr- 
hunderts. Beide  Staatsmänner  haben  viel  Gemeinsames  in 
Wesen  und  Wirken.  Beiden  eignete  eine  staunenswerte , 
Arbeitskraft,  eine  zielbewußte  Seelenstärke,  eine  ungemeine 
Vielseitigkeit  und  Gewandtheit,  die  es  ihnen  ermöglicbte, 
sich  in  den  verschiedensten  Geschäften  zurechtzufinden. 
Doch  ist  K.  F.  Mosers  Gesichtskreis  der  weitere  gewesen. 
Moser  war  die  tiefere  Natur.  Er  stand  mitten  in  den  litera- 
rischen und  philosophischen  Bewegungen  seiner  Zeit.  Seine 
Herkunft  aus  einer  altangesehenen  Familie  mit  literarischen 
Traditionen  war  seiner  staatsmännischen  Ausbildung  förder- 
lich. Von  Jugend  auf  in  Staatsgeschäften  bewandert,  der 
geborene  Hofmann,  dem  das  Leben  an  den  kleineren  und 
größeren  Höfen,  in  Wien  und  Kassel,  vertraut  war,  hatte  er 
vor  dem  aus  kleinen  Verhältnissen  stanunenden  Gießener 
Professor,  der  erst  allmählich  in  seine  Aufgaben  hinein- 
wuchs, einen  bedeutenden  Vorsprung. 

Gatzert  trat  erst  in  reiferen  Jahren  in  die  Staatsgeschäfte 
ein.  Er  mußte  sich  Erfahrungen  und  Geschicklichkeiten, 
die  jenem  sozusagen  angeboren  waren,  erst  erarbeiten.  Er 
ist  zeitlebens  ein  etwas  weltfremder  Doktrinär  geblieben. 
Das  glatte  Parkett  der  Höfe  war  ihm  ein  ungewohnter  Boden. 
Wien  und  Rastatt  zeigten  uns,  wie  leichtgläubig  und 
linkisch  er  war.  Eine  gerade,  offene  Natur,  die  ohne  Um- 
schweife das  heraussagte,  was  er  dachte,  ist  er  der  Spiel- 
ball  gewissenloser  Diplomaten  geworden. 

Wie  seine  Briefe  lehren,  ist  er  nicht  unempfänglich 
gegen  Ehrenbezeugungen  gewesen.  Charakteristisch  für  seine 
Art  ist  die  Geschichte  seiner  Erhebung  in  den  Reichsfrei- 
herrenstand. 

Sein  Kollege,  Geh.  Rat  Lehmann,  hatte  den  Wunsch, 
geadelt  zu  werden.  Geh.  Rat  v.  Hesse,  der  dies  dem  Land- 
grafen übermitteln  sollte,  fragte  erst  bei  Gatzert,  der  als 
der  Dienstältere  ein  näheres  Anrecht  auf  Ehrung  hatte,  an, 
ob  er  ihn  dem  Landgrafen  zum  Adel  eingeben  solle.  Gatzert 
lehnte  es  ab:  er  sei  kinderlos  und  lege  keinen  Wert  auf 
derartige  Auszeichnungen.  Nun  wurde  Lehmann  allein  ein- 
gegeben. Als*  aber  Gatzert,  der  seither  von  Lehmanns  Be- 
mühungen um  den  Adel  nichts  wußte,  hörte,  daß  der  Land- 
graf an  den  Reichsvikar,  den  Kurfürsten  von  der  Pfalz,  dem 
die  Verleihung  des  Adels  während  der  Vakanz  des  Kaiser- 
throns nach  Josephs  H.  Tod  (1790)  zustand,  ein  die  Verdienste 
Lehmanns  ungemein  lobendes  Fürbittschreiben  richten  wolle, 
regte  sich  in  ihm  die  Eifersucht:  jetzt  verlangte  auch  er 
eingegeben   zu  werden.    Der  Landgraf   tat  dies   und  über- 


512  Julius  Reinhard  Dieterich. 

nahm  die  nicht  unbeträchtlichen  Kosten  des  Adelsdiploms 
auf  die  Staatskasse,  während  Lehmann  die  seinigen  selbst 
bezahlen  mußte. 

War  Gatzerts  Gesichtskreis  auch  enger  als  der  seines 
großen  Rivalen,  sein  Arbeitsfeld  kleiner:  auf  den  Gebieten, 
auf  denen  er  eingearbeitet  war,  waren  seine  Leistungen  denen 
Mosers  ebenbürtig. 

Moser  war  erfüllt  von  modernen  Ideen,  Gatzert  ein 
Freund  der  Tradition,  des  Althergebrachten.  Beide  sind  Ver- 
treter eines  aufgeklärten  Absolutismus.  Moser  war  selbst  ein 
Despot.  Seine  Herrschsucht  führte  den  Bruch  mit  Ludwig  IX. 
herbei,  der  ihm  bis  dahin  freie  Hand  gelassen  hatte.  Gatzert 
dagegen  war  von  wahrer  Ehrfurcht  vor  dem  Träger  der 
Krone  erfüllt.  Er  hat  nie  vergessen,  daß  der  Landgraf  sein 
Herr  und  er  der  Diener  sei.  Bescheiden  tritt  er  überall 
hinter  den  Herrscher  zurück.  Seine  Fürstentreue,  seine  An- 
hänglichkeit und  Ergebenheit  und  nicht  zuletzt  seine  Auf- 
opferungsfähigkeit sind  unbestritten. 

Bei  Moser  war  die  eigene  Person  die  Hauptsache.  Den 
Landgrafen  benutzte  er  für  seine  Zwecke.  Das  Glück  des 
Landes,  so  oft  er  es  auch  im  Munde  führte,  kam  ihm  erst 
in  zweiter  Linie.  Herrisch,  launisch  und  hochfahrend, 
wechselnd  in  seinen  Entwürfen  und  Entschlüssen,  sich  in 
immer  neuen  Plänen  übereifemd,  zu  ungeduldig,  um 
seine  Unternehmungen  ausreifen  zu  lassen,  war  Moser  das 
Gegenstück  zu  dem  gelassenen,  zielbewußten,  in  seinen  ein- 
mal gefaßten  Entschlüssen  unabänderlichen  Gatzert.  War 
dieser  nicht  so  reich  an  Einfällen,  wie  Moser,  so  übertraf 
er  jenen  in  der  Exaktheit  der  Durchführung.  Seine  dritten 
Worte  sind  „systematisch",  „System**,  „Konsequenz'*  und 
„konsequent**.  An  seinem  einmal  angenommenen  System 
hält  er  bis  zur  äußersten  Konsequenz  fest.  So  konrnit  es 
auch,  daß  er  sich  in  die  neue  Zeit  nicht  schicken  kann  und 
will  und  darüber  zugrunde  geht. 

Sind  Mosers  Pläne  oft  zu  weit  gespannt  oder  gar  fast 
phantastisch,  strebt  er  nach  dem  Unmöglichen,  so  faßt 
Gatzert  immer  nur  das  Mögliche  ins  Auge.  Er  ist  ein 
nüchterner,  kalter  Rechner»  IVIoser  dagegen  leicht  begeistert, 
leidenschaftlich  und  unüberlegt.  Die  Urteilsfähigkeit  im 
übrigen  ist  bei  beiden  gleich  groß:  sie  finden  sofort  das 
Wesentliche,  den  Kern  der  Sache  heraus  und  sind  uner- 
schöpflich in  ihren  Mitteln.  Besonders  Gatzert  hat  viel  von 
der  Art  eines  guten  Advokaten.  Er  durchschaut  die  Winkel- 
züge der  (legner  und  begegnet  ihnen  mit  kalter  Überlegen- 
heit. Sein  Unglück  ist  es  geworden,  daß  er  geglaubt  hat,  mit 


Ein  GieBener  Professor  als  hcs.sis<rlier  Staalsniinister.  51 '{ 

liesen  Künsten  auch  auf  dem  Felde  der  hohen  Politik  aiis- 
:nreichen. 

Sind  beide  Staatsmänner  Männer  einer  rücksichtslosen 
•Energie,  so  ist  Gatzert  doch  der  nachhaltigere  gewesen, 
^rotz  Krankheit  und  Schmerzen,  im  Fieb<»r,  halbtaiib  und 
blind  erlahmte  er  nicht  in  der  Arbeit  für  seinen  Herrn. 
Selbständige  Helfer  duldete  keiner  von  ihnen  neben  sich. 
\'enn  Gatzert  sich  der  Hülfe  des  Rejjierungsrals  Kappler 
n  den  Hanau-Lichtenberger  Angelegenheiten,  in  Basel  und 
Rastatt  bediente,  wenn  er  in  späteren  Jahren  seinen  Neffen, 
len  Regierungsrat  Strecker,  zu  einzelnen  VertTauenssachen 
leranzog:  einen  größeren  Einfluß  auf  seine  Entschlüsse  und 
intscheidnngen  hat,  soviel  wir  sehen,  keiner  von  ihnen  aus- 
geübt. Seine  Koll(»gen  schob  er  überall  auf  die  zweite  Stelle, 
^ficht  als  ob  er  sich  herrschsüchtig  in  ihre  Kreise  eingedrängt 
lätte,  sein  überlegenes  Wissen  und  Können  bewirkten  es, 
vie  von  selbst^  daß  er  einem  nach  dem  andern  die  Zügel 
lus  den  Händen  nahm.  Die  ungewöhnliche  Zeil  verlangt«^ 
iu^ewöhnliche  Mittel  und   ungewöhnliche  Menschen. 

Es  isl  eine  stehende  Erfahrung,  daß  Männer  vom  Schlage 
»ines  Moser  und  Gatzert,  zumal  wenn  die  Umgebung  so 
jubaltern  ist  wie  die  ihrige,  zu  Menschenverächtem  werden. 
Jie  Schroffheit,  mit  der  sie  auftreten,  das  scharfe  Urteil  über 
.^ersonen  und  Dinge  erg<?ben  sich  von  selbst  aus  den  Um- 
iländen,  unter  denen  sie  wirken.  Auch  hierin  haben  beide, 
iatzert  und  Moser,  viel  Gemeinsames.  Nur  sind  die  Cha- 
-akterzüge,  die  sich  aus  ihrem  Verhältnis  zur  Umw(»lt  er- 
geben, bei  Gatzert  durchweg  sympathischer  als  bei  Moser. 

Ist  (lieser  j)arteiisch,  vorurteilsvoll,  leidenschaftlich  im 
Lieben  wie  im  Hass<»n,  so  ist  fJatzerl  bei  aller  Strenge  und 
Schärfe  genaht  und  maßvoll,  gerecht  auch  izegcMi  seinen  ev- 
9ittertsten  Gegner,  Moser  selbst:  er  isl  leidenschaftslos  und 
gelassen  im  Unglück,  während  Moser  durch  seinen  Sturz  zum 
Denunzianten  und  Pamphletisten  winl.  Die  ätzende»  Schärfe, 
iie  ironische  Art,  mit  der  Moser  charakterisiert,  gehl  Gatzert 
fast  ganz  und  gar  ab.  Macht  er  auch  gelegentlich  spöttische 
[Bemerkungen  über  seine  Kollegen,  so  erkennt  er  auch  wieder 
mdrcsrseits  das  Gute  an  ihnen  unumwunden  an. 

Im  Glücke  einsam,  haben  beide  Staatsmänner  im  Un- 
glück wenige  oder  keine  Freunde  gehabt.  Der  lange  ange- 
sannnelte  Haß  der  beiseite  geschob(»nen  Kollegen,  der  ge- 
knechteten und  verspotteten  SubalterntMi  kam  jetzt  zum 
Durchbnich.  Moser  hat  sich  durch  wütende  Angriffe  an 
seinen  (ic^gnern  gerächt.    Aus  Gatzerts  Feder  ist  uns  aus  der 

Belirkije  z   (.;os(!h.  d.  rniversitäten  Mainz  u.  Gießen.  a.l 


514    .1.  R.  Uieterich:  Ein  Gie&ener  l^rolcssor  als  hessischer  Staatsminit»ter. 

Zeit  nach  soiiiem  Rücktritt  kein  Wj)rt  der  Klage  und  des  l'n- 
niuts  erhalten.  Dies  erklärt  sich,  wie  aus  ihren  Charakteren, 
auch  aus  den  Umsländen,  unter  denen  sie  aus  dem  Amte 
schieden. 

Moser  war  noch  mitten  in  derArhoit.  Viele  seiner  Unter- 
nehmunjien  waren  noch  in  ihren  Anfängen.  Er  stand  auf  dem 
Höhepunkte  seiner  Macht,  als  er  fiel  und  den  Posten  des  all- 
mächtigen Ministers  mit  dem  eines  verarmten  Privatmannes 
vertauschte.  Aus  der  Ferne  mußte  er  mit  ansehen,  wie  seine 
Pläne  durch  den  linverstÄud  seiner  Mitarbeiter  verkrüppelten, 
und  seine  Reformen  z.  T.  rückgängig  und  zunichte  gemacht 
wurden. 

Gatzerl  hatte  abgewirtschaflel,  als  er  ging.  Er  war  am 
Ende  seines  Könnens.  Sein  System  war  hinfällig  geworden. 
Zum  llnjlernen  war  er  zu  alt. 

So  hat  Beider  Lebenswerk  keinen  Bestand  gehabt.  Daü 
Moser  nicht  vergessen  ward,  verdankt  er  weniger  seinen  Re- 
formen, als  seiner  literarischen  Wirksamkeit.  Gatzerts  Namen 
ist  fast  verschollen.  Als  du  Thil,  der  wenige  Jahre  nach 
üatzerts  Rücktritt,  in  den  Staatsdienst  trat,  seine  Lebens- 
erinnerungen schrieb,  war  das  Gedächtnis  des  ehemaligen 
Gießener  Pwfessors  der  Rechte  in  Darmstadt  schon  so  ver- 
blaßt, daß  du  Thil  nur  noch  wenige  unwesentliche  Anekdoten 
von  ihm  zu  erzählen  wußte.  Der  Lhnstand,  daß  der  größte 
Teil  der  Gebiete,  denen  Gatzerts  Walten  als  Kabinettsminister 
gegolten  hatte,  Hessen  entfremdet  wurde,  mag  dazu  beige- 
tragen hab<Mi.  Die  Zeit  der  großen  Umwälzungen  in  Hessen 
und  Deutschland  um  die  Wende  des  achtzehnten  aber  und 
die  groß<?n  Reformen  in  den  ersten  Jahrzehnten  des  neun- 
zehnten Jahrhunderts  haben  die  letzten  Spuren  seines 
Wirkens  V(T\vischt. 

Daß  (^hrislian  Hartmann  Samuel  Gatzert  es  trjtzdvMn 
verdient,  daß  sein  Gedächtnis  erneu<Tt  wird,  werden  die 
vorsteh<MHlen  Blätter  bewiesen  haben.  Die  Tage,  an  denen 
imsere  Alma  mater  TiUdoviciana,  der  er  seine  kräftigsten 
Mannesjnhre  geweiht  hat,  ihr  Ehrenfest  feiert  und  das  An- 
denk(Mi  so  vieler  ehemalij^jer  (ilieder  des  akademischen  Lehr- 
körpers wieder  auffrischt,  haben  den  erwünschteu  Anlaß  ge- 
geben, d(Mn  Manne  ein  Blatt  der  Erinnerung  zu  weihen,  der, 
ein  aufri('hliji(»r  h'reund  s<»ines  Fürsten,  Hessen  in  der 
scJi\veF*(Mi  Z(Mt  der  Kranzoseiinot  die  wichtigsten  Dienste  ge- 
leislel.  hat.  und  dem  k<'in  schönerer  Ehrentitel  beijieleijl 
werden  knnn,  als  d(*r,  den  ein  (inWit^rer  für  sich  in  Anspruch 
genoinnuMi   hat:   .,ein   triMier  Diener  seines   H(»rrn'*. 


Register. 

Von  Frau  Emi  Dieterich. 


Aai:hen  7,  JJÖl, 
Aclorft.  Dr.  :i. 
Ar-slicampiaiius.     Joh. 

12.  29.  41.  47f.  50t. 

!>3SL   ö'Jf.    Ü2f[.   üü. 

71.  77.  7il.  81;(;<;or([ 

m. 

Aerii'ol.1.  Ruii,  ö. 
Alhiiii.  Minister  V.  im. 
Alicli,      Wi-rtu-r,      aus 

Spn-Di  97. 
.Minrnilin)!!-]!,    Ludwig 

Harsi'lHT    von    4lli. 

417.      423(.      433ff. 

430  ff.    450. 
.Mstflii    47<i.   4!lüf. 
AlliliTf.        InivcrsiMI 

ff;i7-  ;!;!!).  34». 

.Mtcnlnire  2'il. 
Alk-tiburi.'    bei    Odeu- 

huii».'[i  230. 
Aiiintili'-ii».    I'iiiil.   iius 

Pr,rd<>ii<>ii[-  3)1. 

413. 
.\irM.rkvh.  Biiiiit.  77- 
Aii<lr.-ac,     J..li.      I'ljil,, 

riiir]i(ii]|r<>r  .'1112. 
Anüsl.       Wi.lfü.,      uns 


Aiisticlin,  rii.  31. 
.\iil«i.r|MMi  14.  38. 
Ai'urtaiiuH.   it.  Jürm-ii 


Ari-iis,   Prüf.   I''rz.   Job. 

408.   424.   4.5:1.   4511. 
ArheilRcn   488. 
ArnsburR.      Kl.      221. 

247f.;     Abi     Albi-rt 

2Hi;     Aht     WillU'liii 

248. 
Anioldi.      I'rof.      35«. 

3B1  f- 
AniHli'iii,      lira.fcii     v.    l 


Asi'biiffi'nbiirg  73.  81. 
173.  177.  187.  196. 
203.   212:   Stift:   St. 


187: 
177. 


ViiifdnmaiMt 
Tli. 


Am-rlJarh  72.  82,  47t 
AugHbure  47.  172.  17G: 

AventinuB',   Joh.   7H. 
A\Linf!iii  ».  Ilai-illui'iiiH, 
Trof.  ;Uilt. 


(70. 


lt. 


ßiK'hiJiaiiii,  Prof.  Kuiir. 

2.'i2.     2ü8tf.     277f. 

2KI.  2«r..  294.  31'.!.  , 

404;     l'raiiK    Moritz   , 

4331. 
Bai-illarius       Axungia, 

Pubijus     Viuilaiilius 


BaMunaus,  Hier.  PiuH 

33. 
liallenHtädt,   Adalb.   v. 

22fi. 
Balspr,    Cii-org    Frieilr. 

Wilh.    4.-.7. 
Baiiilicrg  r>4.  71. 
nanliBiitcr.  Konr.  89. 
Bania,    äi-krctar  204. 
Bark  liaus-  W  icse  n- 

liütten,  Karl  Lud.  v., 

SlaalsiiiiiiistiT    427. 

449,       4ti3t.       4I1Ö. 

503ff. 
Hartli.    (.-afipar   295. 
B;i»i-I   r)7.   77.   82.   91. 

292.  480,  482.  494!. 

498.       BiichdrunkiT: 

IliTunerii  70.  Konzil 

91. 
Bastilk    3C.3. 
Hauer.  Dr.  3tfi. 
Bawcr,  Woltß.,  a.  I-.-ip- 

ziR     !>H. 

Itaiiniaiin.  H..  MAnrh  in 
KbiThacli    177.  204. 
Knut7,<']i    %-i. 


ll:i 


489.   49ß.  502. 


B<-rh<:  W.ilth.;rdr373. 


516 


Register. 


Beck,    Renatus.    ,,zuin 

TiergcorleFi'*,  Buchdr. 

in  Straßl>urs  33. 
Beckmann,     J.,     Prof. 

182.  187f.  208.  211. 

215.   363. 
Beckmann,    Stud.    aus 

Lippstadt    347. 
Bi'haim,  Dr.  Lorenz  54. 

72. 
rj'diiMm,    (feorji,     Kan. 

an  rjebfran  in  Mainz 

9i)  f. 
Beilstein.  Adelav.  220; 

Graf  Konrad  v.  22ü. 
Beiliel,    Dr.,    Jod.    27. 
Bellegarde  3i;3.  3(5(>. 
Bellersheini 

s.    Riedesel. 
Bellniont,     .loh.     Arn. 

208. 
Bendorf   227. 
Benner,       Prof.       Joh. 

Herni.     383  ff.     387. 

38i). 
Benzel.    FrciluTr    von 

16(i.      168  ff.      184  f. 

197.  208.  215. 
Bcrgeri,     Joh.     Hcinr. 

3Ü3. 
Bergmann,    Prof.    Jos. 

170. 
Berlin    17(i.    180.    185. 

207.   483. 
Bernfcld,    J^fud.    341). 
Bfrnhart       iBennelin), 

Bastard    des    Grafen 

Heribert    229. 
Beioaldus.  LMiil.  7.  26. 

46.   56.    71. 
Bertram,  Prof.  Joh.,  a. 

Naumburg   78.   97. 
Besold,    Matliias    58. 
Bcsserur,    Carl    412 
Besserer,      stud.     jur. 

412. 
Beuschel   (Beußel)  aus 

Rnjeiiburu  a.  T.,  M. 

Juhamn's    iJoJi.    Tu- 

berinus  Krythrapoli- 

tanusi    65. 
BeuI3<;r,  Dr.  Franz  Phil. 

158. 
BeulJer,      Prof.     Casp. 

126.      130  ff.      139  f. 

145  ff.   152.   155. 
Bevn,    J.    Ci.    400. 


Biel  (GabrieD  6.  88. 
Bielenfeld,     Prof.     Dr. 

J.    C.    359  f.     370 f. 

394. 
Bieler,      Musikdirektor 

383. 
Bingen  97. 
Birmershuusen    347. 
Bismarck    462'.    514. 
Bleichenbach,  Fvhe  v. 

245.  * 

Bb'vdenstatt,  Prof.  Dr. 

Val.  A.  131.  152. 
Blücher   462. 
Blum,    Dr.   Georg    158. 
Bock.    s.    V.    Pack. 
Bodeidieim    173.    193  f. 
Bodmann  89 ;  s.  Kuppel. 
Böhmen   185. 
Bologna  7.  11.  28f.  32. 
37.46f.56f.  71.  78 f.; 

deutsche  Nation  78. 
Bolongaro    173. 
Bonaparte    497,    501  f. 
B(matus     de     Forlivio, 

(Juido    38. 

Bonn,  Gerb.,  Propst  zu 
097 

IU)nomus,    Petrus    aus 

Triest  40. 
Brabant,    Herzogin 

Soi>hie   V.   320. 
Brabeck,  Moritz  v.  425. 
Bracellus,      Jac,      aus 

Genua    HS. 
Brandenburg,  Kurfürst 

V.  339;  Joachim  60  f. 

72;  s.  Mainz. 
Braut,   Seh.   33. 
Brau})ach    279.    324. 
Brauneck,  Fdelherrn  v. 

223;   Gebh.  v.  224; 

Heinr.    I.     v.     224; 

Heinr.   II.   v.   224. 
Braunschweig    Sf<. 
Braunschweig-Lüne- 

burg,    Herz.    Heinr. 

13;  Herzogin  Marg., 

geb.      Herzogin     v. 

Saclisen    13. 
Brauweiler,         Kloster 

228. 
Breitknpf  21  L 
Bremen    39.     181. 
Brendel,     Daniel,    von 

HniTibur^'      KU :     s. 

Mainz. 


Breitenbach,    Domherr 
Bernh.   v.    42.   92. 

Breithart,  Adolf  v., 
Stiftsherr  90. 

Breslau   14.   68.  80. 

Bretten    80. 

Bretzenheim  173. 

193  f. 

Brixia    46. 

Broich,  Prof.  D.  N. 
155. 

Bruch,  Bernh.,  stud. 
346. 

Bruchsal    176. 

Bruder,  Job.,  aus  Mün- 
ster, gen.  Monasterii, 
Kan.    97. 

Bruel,  Prof.  Dr.  Georg 
126. 

Brulefer,  Steph.,  ord. 
S.  Franc.  97. 

Brumann,  Heinr.,  aus 
Mainz   59.   61  f.   75. 

Brunfels,    Otto   a5f. 

Brunheimer,  Prof.  Dr. 
ph.  et.  med.  Stepb. 
Dominikus  126.  129. 
149.    161. 

Buchdrucker  in 
Basel:  Herwage» 
70 ;  D  e  V  e  n  t  e  r :  v. 
Breda  39;  Genf: 
Fick  29;  Gießen* 
Chemlin  252;  Ha- 
ue n  a  u  :  Secerius 
68:  Gran  63.  84; 
Köln:  Quentel  89; 
Leipzig:  LotteröO; 
Mainz :  Faust;  Fust» 
17.  76;  Friedberg  9. 
20.  27:  Gutenberß 
17  f.  89:  Heumann 
84;Heyll62:  Schöf- 
fer 67.  76;  Oppen- 
heim :Koebel  19.60; 
T*forzheim:  Ans- 
helm  31:  Spever: 
Dracb  96;  Straß- 
burg: Cephalaeus 
68f. ;  Grüninger  68; 
Mvlius  70;  Schott 
85;  Prüß  31;  Beck 
33;  KnoHouch  t»6. 
Büchner,    Joh.    Gotlfr. 

Sigism.    410.   453. 
Buchsweiler    480  f. 
Bülüw  s.  Lebus. 


Reirisler. 


r>i7 


Bürg«T.  Prof.  Dr.  12ß. 
150  f. 

Buschius  Pasiphilus. 
}I(>rnuuiniis  (v.  d. 
Biisschot    41.   61. 

Biisock,  Burpsitz  deror 
V.  238;  Burk.  V.  238; 
(Jornand  V.  238.  250: 
(iilb.  V.  245;  .Ma- 
karius  v.  92;  Woni- 
h«*r  lliissor  v.  245: 
Hnuptni.    V.   372. 

Busse iic.  (ienoraiadju- 
taiit  V.  d.  4B3.  487  ff. 

Butzbach  241.  358. 
307.  381;  „Goldener 
Low»'**  und  „Weiüos 
Hob-  358:  „Hirsch" 
3<)7. 

BuxMiann   401. 

i\  und  K. 

Kärnten    170. 

Kahl  a.   Main   197. 

Kaiser  und  Könige, 
deulstlie:  Albrerhtll. 
«9;  Franz  IF.  iHTt. 
488.  494  ff.  497  f. 
Ö04f. ;  Friedrich  I 
334.  345;  '  Frie- 
drich [II.  11.  3t).  38; 
Ileinricli  IV.  228; 
Heinrich  V.  09;  .lo- 
sepli  II.  404.  409 f. 
51 1  ;  Karl  V.  53.  57. 
OK  f.  252.  281.  289. 
501 :  Maximilian  1. 
11.  17.  19.  28.  30  f. 
39  f.  71;  Otto  111. 
229;    Rud.)lf    228. 

Kaiser.     Hermann    58. 

Kaiser  (^?J,    Fecht- 
meister  3t)2. 

Kai.se rsberp   Ol  f. 
s,  (ieiler,   An^st. 

Kaiserslautern    173. 
198. 

Kaickreuth.    (Jraf   483. 

Calidomius  s.  Lupinus. 

Calphurnius,  Prosp.  40. 
Joh.  40. 

Kametzky,  Joh.  Frii'dr. 
V..     Oheramtmann 
357  f.   301.   305  ff. 

Kam  peil   39. 

Campius,    Dr.    Dionvs. 
130  f.    UOff. 


I 


Campe   Fomiio    498  ff. 

503. 
Kant,    Immanuel    417. 
Cariter    Frisiua    Andr. 

38;    Jac.     27  f.     35. 

38  f.    41:    Petor   38; 

l'rsula    (Gerda)    38. 

(.'apitel,     Ür.     Michael 

102. 
Capito,    Wolf«.    Fahri- 

cius  83.  85. 
Capnio  s.   Reuchlin. 
Cappel    92. 
Kappler,  Regierungsrat 

482.   494  ff.   511. 
Karbach.     Nik.      75  ff. 

81  ff. 
Karl,     Großherzüt»     v. 

Baden    440  f. 
Karlsruhe  440.  501. 
( 'a  rlstadtischer  Vert  ra^ 

311. 
Karlstadt.    Andr.    79. 
Karsten,  Prof.  W.  J.  (i. 

180.   200. 
Cassel    97.     170.     1.S4. 

210.   201.   289.   308. 

470. 
Kastei   90;   s.    Frank. 
Kalz    a.    Rh.    289. 
Kalzeiielnbogen      289; 

tirafeii  v.  223:  Chro- 
nik   277.    319. 
Kaufmann,    Jnh.   38. 
Keilbach.    M.    Ph.    71. 

80. 
Keidachßau  228. 
Cellarius  Gnostopolita- 

nus,  Job.,  aus  Kun- 

stadt    85. 
Celtis,  Konr.  7.  9.  27  ff. 

33.    35  ff.    40.    -15  ff. 

50.    70  f.    84. 
Kempen,  Johannes  89. 

Konr.  130. 138. 141  f.: 

Prof.     WiKand,     aus 

Paderborn   0. 
(*ephalat>us,    Wolfj?.» 

Buclidr.     in     Straß- 

burg  t)8f. 
Kepj>e|   87. 
Cervantes   17. 
Kesse.    Heinr..    l*fr.    in 

Hirnjeii   97. 
Charnpat^ne  480. 
Chaslel.     Franz     Tho- 
mas. Lektor  409. 


■    Christian.   AI.  392. 
Kinziggau  229. 
KirchiHTg.  Job.,  Stifts- 
herr   90. 
Kirchheinibolanden 

173.   198. 
Kirchner.   Kasp.   295. 
Kißlau  9. 

Kitzscher,  Joh.  von  20. 
CU»eberg,  Herrsch.  224. 

230;  Grafen  v<)n,  und 

Mörlo  220. 
Kb'efelde.     v.     d.,     s. 

Schubart. 
Klein,  Krnst  Ferd.418f. 
Klein  .  Tschocher    470. 

490. 
CI(>nune.  Imelut  245. 
Kk»inschro<I,  AIovs 

Gallus   418.  421. 
Klipslein,  Geh.  Rat  v. 

40K.   470. 
KÜiber,    J(diann    Lucj. 

wie    413. 
Klingelbnffer,     G.     L. 

390. 
Clodius,  Prof.  237; 

Frau    230. 
:    Knaiier,      l*rof.      Ant. 

!»S. 
.    Knobh)ucli.  Job.,  Straß- 
I       burger  Buchdr.  00. 
;    Knodt,  Dr.  Heinr.  88 ff. 

93. 
Coburc  303. 
Coccius  Sabellicus, 

Marc.   Antou.  45. 
Koch,   Geh.    Rat»    Uni- 
versität skanzler  238. 

38«. 
Koch,   Joli.    Christoph, 

411.    M5.   410.   419. 

4i;;.   451. 
Koch.    Chr.    390. 
Cochlaeus,    Joh.    82. 
Code    Napoletm   432  ff. 
C(»drus     Urceus,     Ant. 

aus  Rubiera  45  f. 
Köl>cl,  Jak..  Buchdr.  in 

Oppenheim    19.    00. 
Köln    5.    38 f.    41.    40. 

5H.    Ol.    73 f.    87 ff. 

97.    100.    102.    373; 

Buchdr.  Quentel  39; 

Reichstae  41. 

Kurfürst    2S9.    504: 
Köniu.  Balth.  291. 


51 S 


Register. 


Kr>nigsberg  337.  339. 
Köui^stoin   o2,   s.    V.\)- 

stein.    Kunigsteiii. 
Kdhlennaiin,  (ioorjk! 

Heinr.   373. 
Kolor,    Dr.    Jac.   7. 
Cüllaltü  2m. 
Collaurius     Firmianus, 

Joh.    2S. 
Kolionbach,   Junker 

295. 
Colunia  ( Colon iasius?\. 

Joh.   <k\   Siogler 

142«.    151. 
Coloniensis,  Barth.  39. 
Kon,     Barthol.,     Kam- 
merdiener   140. 
Conrad,    Dr.   317. 
Conradi,  Joli.,  Stud. 

34ß. 
Konradiner     230  f.     s. 

Wotterau. 
Coppernikus   46. 
Curdiis,     Kuricius    39. 

68. 
Kortholt,    Prof.    Kranz 

Just.  364.  380.  395. 
Corvinus   s.    Ungarn. 
Co«pus,    Angel  US,    aus 

Bologna  37. 
Cranebiter,  Dr.  lH2f. 
Kranichstein    470. 
Krakau    11.    45:    Stu- 
dium Jage11oni('uni45. 
KräFiior,  Job.  Jak.  198. 
KranuT,  Joh.  Jost  367. 
Krebs,    Prof.    Dr.    Juh. 

.Adam      131.      154  f. 

159. 
Krfischau     bei     /ritz 

181. 
KffÜ.  Ant.  54. 
Crome,  Aug.  Friedrich 

Wilhelm    410.    443. 

444.    453. 
Kronberg      s.      Mainz, 

Kurfürst»'». 
Kropsan    (Vi.    I).    295. 
Trotus   Rubiiitnis   74. 
Kniinitiau    38. 
Kübel.   J.    L.   394. 
Küh(»rri  (Cui-hnrni.  Dr. 

FJernhard,  aus  Slult- 

u.irl?56.  130.  134ff.; 

Jaki)))     5S:     Johann 

56.  5S:  s.   i"'fini<'n»r. 
Küstrin  339. 


,    Kunigstein,     Joh.     (v.) 

76.    80. 
I    Kunowitz,   Job.   v.   56. 
Kunstadt   85. 
Kuppel,  Marl,  von  Bod- 

mann    97. 
Curcellina  arx   67. 
Cusanus  34. 
Cuspinianus,    L.    Jnh. 

27  f.   35  f. 
Custine    48<i. 


D. 

PalbiTg.   V.    187;   Joh. 

45.  50.  70 ;  s.  Worms. 
DalcFu  s.  Meermann. 
Dalwigk,    Reinhard   v., 

Staatsminister  463. 
Danz      412;      Appella- 
tionsrat    433.     434; 
j        J.  F.  F.  433  f. 
'    Daripinus    s.    Sibutus. 
Darmstadt  191f. 

194  f.  261.  271.  276. 

282.  301.  379  f.  408. 

415.   430.   436.   450. 

454.      456  ff.        465 

467  ff.      477.      480  f. 

486  ff.    490  f.    493  ff. 

497.       49».       501  f. 

503  ff. ;      Kanzlei  bau 

290;   (lymnasium 

290 ;    Sporer-;  Jjicer-) 

Tor    470;     Brauerei 

Appel   488. 
Decimator   (Zebendcri, 

Prof.    75.    78. 
Deel.   Pn>f.   Phil.   Karl 

von    197. 
Dclius,    Heinr.,    fürstl. 

(lothaisrher   Bat 

265.   297. 
Debus,  Prof.  H.  F.  178. 

204. 
Dernhach,     v.     2t)6f.; 

Burgsitz  der  Familie 

236 f.;  Cune  v.  2.50. 
Dessau   1H5. 
,    Devonler.  Buchdrucker 
'        Jacobus       Bre'iensis 

39. 
De    Wall,    Kmiiie    van, 

406.    119. 
Dexter    358. 
Dieburg    194.    196. 
Diedendorf  20S.   214. 


I 


Dieffcubach,  Ludw. 

424. 
Diehl,   J.   A.   400. 
Dietericb,    Kour..    Sil- 

pt^rint.   in   Ulm  301. 

338. 

;    Dietze.    J.    A.,    Biblio- 
thekar  182.   211. 
Dil,   Floren!.   96. 
Diskau    207. 
Doli,  Stud.  352. 
Dolman,    Stud.   350. 
,    Dominicus,     Dr.     pkil. 

et  med.   Sleph.  15<). 
Dopperich,  Gabr.,  Hof- 

sekretarius    128  f. 

1.50  f. 
Dorfricht,   Sekretär 

149  f. 
Drach,      Peler,     Buch- 
drucker in  Speier  9ft. 
.    Drechsel,  L.  R.  v.  .39o. 
i    Dresden    176. 
j    Dürkheimer.  Xik.,  Pfr. 

zu   EltviUe   97. 
Dürer.  A.   40.   J83. 
Düring,       (Jeneralleut- 

nant    v.    463. 
du  Thil,  Karl  du  BtH^s, 

Staatsminister     lOil. 

514. 

E. 

Ebel,  ü.  H.  23S;  J.  D. 

23«. 
Kber,   M.   Alex.   9. 
Eberbach    177.   204. 
Ebersheim,  .Adam  131. 
138 f.:  Prof.Dr.Uerh. 
131.   138f.   141  f. 
'    Eberstein,    Generalma- 
jor  323  f. 
Ebsdorf  290. 
Eck,  Johann  41.  79. 
I    Edelsheim,  Minister  v. 
;       502. 
Eggeling    (Angelu'* 
Becker)   von    B  ran  ti- 
sch we  ig   88. 
j    Egnatius    82. 
'    Eickemever.  Prof.  F^ujI. 
!        170. 
Eigenbrodt,    Karl 

Christ.  456. 
Eisenach    495. 
Eier,  Andn^as  aus  Mfi- 
ningen   97. 


Rejrister. 


51« 


Kifuthoriiis    s.    LohkI- 

rius. 
Elkorhauson.  v.  238 f.; 

Hurgsilz      (U'TOT     v. 

288.   24;") f.;   Oaft  v. 

Klsaß   478.   4H()f.   488. 

494.    504. 
Eltville    97. 
KiiKleii    89. 
KiniiK'rirJishofcii     178. 

197. 
Knirnorling,       fldfknin- 

iiuTiat   288. 
r.ins  321. 
KnjilanH     484.     492  ff. 

495 f.;  <*n(flis(ho  Uri- 

gadi*    47(). 
Kpislolae     obsrurnriiin 

vironim  7.  72  ff.  84. 
?'l.p<»rwlorf,    H^'inr.    v., 

aus   Frd[>iirg   ß9. 
K].|)stoin    324. 
Kjistein,    Philipi)    Fn*i- 

lu»rr     V.,     H«*rr     in 

Königsteiii    52. 
Krasirius,       Dt'sidcriiis 

58.  ()7.  (>9f.  72.   7(1. 

81  f.  84  ff. 
Krharli    202;    C.raf    v. 

872;  StahlqiiHI('l81. 

208. 
Erhsta<lt   229. 
Knlinaiiu,    (J.    K.    H2; 

(;.    412. 
Erfurt,  Tniv.  5.  8 f.  11. 

58.  78.  87.  97.   IB8. 

181.  208.  2nf.  810. 
Krlaiigcn.   l'niv.   177 ff. 

212.  41 2  ff.    »28. 
r.rtiial    s.    .Mai?'/.,    Kur 

fürstcn. 
Ksrhcnlirockor.      fiolt- 

srhalk     aus     Kiildii, 

SliflsluMT  90. 
E'ic-hlcr,       Prof.       .Idli. 

98. 
Ksi  iirial    294. 
Kliling«'ri   15.   17. 
Kiirharius,  Dr.  75.  80; 

F. 

KalKT  ."^lajiuh.'iisis,  Jac. 
81  f.:  Dr.  Karl  12(). 
181  f.  184  f.  18sf. 
142.   155  f. 


Fahririus,   Joli.   Esaias 

287;  V\i.  Lud.,  hess. 

Cioli.   Rat  und   Vize- 
kanzler    289.    2t»lf. 

270  r.  277.  284.  291  f. 

295  ff.    801.    81 7  ff.; 

.Icicob,      Kamm«Tdi«*- 

iier   295. 
Kalki*usl(*in     zu     Mün- 

z<MilH*rtr,     Honr.     v. 

241. 
Faust,  Prof.  lAr.  Franz 

l'hil.      180  f.      189  f. 

145ff. ;    .lolianu    7(>; 

s.    Fust. 
l'Vynor,     Konrad,     aus 

ri<'rhaus«'n    17. 
Feldkirrh    40. 
IV-tudon   8()8. 
I'rru'strifiris,  ('orn»dius 

74. 
Ffrrara    29.    4(5. 
Fetz  her«.     Mfuiios     v. 

245;   Eckard  v.  245. 
I'(MM.*rl>ac'li,    Paul    .loh. 

.\ms.  4(H;.  M8.  420ff. 

450. 
Fi'urhoni,     Prof.     881. 

888.   88t».   888.   847. 

848.  892. 
l'VuiTfeld    5t). 
Fichart,       Prof.       .loli. 

Karl    180  f.    18  t  ff. 
Ficht«',    J.    (;.    Ut>. 
Fick,  Joh.  Wilh.  Bucii- 

drucker  zu  (iont  29. 
Fifbig,   Prof.   J.   185. 
Fiosro,       Befehlshaber 

von    liolo^na   78. 
Finck.     Dr.     .\ik.,    aus 

Lorch    7. 
Firuiianus     s.     Collau- 

rius. 
Flach,   Marlin   29. 
Fia<-hs\v<'ihT,    Peter, 

aus  Trier  97. 
Fläck,    Lic.    1158. 
Florenz  4(5. 
Floret,  Peter  .h»sef  15(5. 

tt»0. 
Förster.    Pn»f.    .1.    Fh. 

180.  20(5. 
ITirsler.     Hans     .lakob 

294. 
I'oroiulii   48. 
Fiirlivin    8S. 
I'rank.   M^rr-h..   Pfi-.  zu 


Kastei  90;  Dr.  Henn. 

I    Franken,  Herzog  Eber- 
i        hard  V.  280. 
;    Frankenthal    172.    174. 
i        190.  208. 
FraFjkfurl    a.    M.    14 f. 

57.  74.  80.  Vri.   172. 

18(5.  190.  278  f.  289 f. 

811.   824.   847.   851. 

858.   8(i8.    48(>.   488. 

447.   449.   4(58.   470. 

485.  490;  S.  Harthol. 

(5.   (17.    185 f.;   Messe 

174.    2(K). 
Frankfurt  a.  d.  ().,  Uni- 
versität   8.   54  f.   58. 

(50  ff.    72.    887.    339. 

840. 
Frankreich    291.    463. 

478.       481.       488  f. 

485  ff.     491.      194  ff. 

508  ff. 
Kranz,    Prof.     F.    Chr. 

1(57. 
Freg<',  Kammerrat  2(H5. 
Freiburg,      l'niversität 

88.   40  f.  (59.  81.  99. 
Freising,  Hischof.  Pfalz- 
graf  Heinrich    52. 
F'revstjult  i.  S.  45. 
Frietlberg    222;     Peter 

V..    Buchdrucker    in 

Mainz    9.    20.    27. 
I'riedrich    Wilhelm    I? 

V.    Preußen    407. 
Friedwalt,  Hieb.,  Kan. 

100. 
Frikhofen    198. 
I'risius   s.    ('anter,    l-l- 

senius. 
Fritzlar.   St.    i».-ler  92. 
Fuchs,    .lak.    71. 
Ffirderer  ( Forderet"), - 

Joli.  5(5;   s.   Kühorn. 
Fürth    177.    201.    212. 
Fulda  90.   194.  21«. 
Fust,  Joh.,  Buch<lr.  zu 

Mainz    17.    7(5. 

(i. 

Ctiilvu.   Otlnnar  892. 
(Jalla.    Frsula   85. 
(■aliinarius,    .loh.,    aus 

Heidelberg   81.    (50. 
(iaihis,  .liidokus29.  81; 

s.    Villa    hei. 


520 


Ke^riäler. 


Galz,  .lodokus  29. 
(rarson    s.    (Jorson. 
(lalzcrt,  Froih.  Christ. 

HarLni.     Samuel     v., 

Slaatsiiiiiüster  462  f. 

4  (55  -5 15 ;     Fort  rä  I  s 

4«2.   467. 
CiaudtMisis  s.  Badius. 
(Jebwiler,  Hior.  12.  2'.»  f. 

83.    :i5. 
Ciohron.  Dr.  310. 
(ioyor,   J)r.    Baltli.   67. 
(it'iger,    Joli.     ßurckli. 

413. 
(rcilcr  von  KaistTsberg. 

.loh.    6.   31.   3*^    55. 

«1. 
(ieisenheiin    81. 
(liMsiiiar    290. 
(it'ldoni,  Graf  (.Icrliard 

V.   226;    Gräfin   Clo- 

iiientia   226. 
GeiiihausLML   229. 
Gi'inuiiiigfMi    K.    Mainz, 

Firzbisrhöfr. 
Gcnea iogioii,  hessische 

277  f.  319. 
(ienf,  Buchdrurker: 

Kick    29. 
Gensfleisch   s.   Sort^en- 

lücb. 
Gera   213. 
Gorbelius,  Nieolaus,  zu 

Straßburi;     68.     82. 

100. 
Gerhardi,  Heb.  FritMlr. 

Daniel  442. 
(ierhausen    17. 
Gernon,    L)r.   -\ik.    148. 
(iernsheini  185. 
Gerson,    Job.    41.    60. 
(iousau.    F.    V.    ;>95. 
Giebelslatt    ;s.    /obel. 
(ließen,    JStadt    217 

254.  263.  26r>.  270  ff. 

278.  290  f.  308.  320. 

324.  331.  363  f.  367. 

374.   406.    1.33.   461. 

467.      472.        474  ff. 

487  ff.;         Ansichl.'n 

217.  2.Ö3.  255;  Sieuel 

220.      222.      2 15  ff.: 

fÜFslI.    Archiv    277. 

27J);  Sc.buUiieilj, 

Sclinffrn219f.247f.; 

Kaprib'    219  f.    2U. 

247;     Kirche    238. 


349:  PfarrkirchlK.f 
237.  239.  243:  (iot 
teskasten  237 ;  Su- 
pcrinlendenlur  234. 
236  f.  238 ;  neues 
i*farrhaus23 1 :  Kirch 
Straße,       Kircbtiasse 

234  ff. ;  Kirchen  platz 
2:^5.  244;  Markt  239. 
243  f.:  VValdpfortr« 
244 ;  Schloßijasse 
239;  Neustadt  2 43 f.: 
Kubt^asse  243;  Lin- 
denplatz 243 ;  Scbloß- 

({asse  243 ff. ;  Kapla- 
neifiasse  248;  \Va 
«engasse  241;  Sladl 
waKebaus  243  f.: 
Kuhlnr  (Neutori252: 
J.in<lenbach  295; 
das  ,, kalte  Loch** 
295;  ,,zum  Hirsch" 
295;  „der  llaller" 
295;  Mäusbur«  243  f. 
Burg  223 ff.  231  ff.; 
Alteburg-G  rafen- 
burg  233ff.  Gruntl- 
riß  2.34;  die  'Porlhe* 

235  f. :  der  Zwinger 
237 ff.;  lh>f  zu  der 
Capellen  238;  „auf 
dem  alten  Burggra- 
hen"  239 f.;  „hinler 
dem  Burggraben'* 
234.2.38;  Burgmauer 
234  ff. ;  altes 
Schloß  i  Kanzlei) 
233:ncues  Schloß 
233;  neue  Burg 
240 f.;  Inventar  der 
Burg  2 15 f.;  Burg- 
mannen  220 f.  24(). 
245  ff. ;  Haus  der 
Burgmaimen  246 ; 
Ordnung  der  Trink- 
stube 248ff;  (ira- 
f«'!!  V.  (ließen  s. 
(Weiberg,  Tübingen; 
l)Uclidru<*ker : 
Clu'tnlin  2-52;  Fe- 
stung 242;  Garni- 
sf.n  381.  384.  454: 
Gravriiusburg  244; 
Kuleiiliurg2  1 4 :  I'ni 
viTsiät  217.  514. 
.356  ff.  37(>ff.  409  ff. 
41().     442  ff.     450  ff. 


457..  465  f.  468.  471. 
473  ff.  509.  Rektor 
377.  381  f.  38Hf.: 
I.'uiv. -Statuten  257. 
442  f.:  Kanzellarial 
443.  107.  451  ff.  450. 
481  ff.;  Disziplinar- 
gericht 443.  445:  P.-- 
dellen  :i82t.  385: 
Studenten  377. 

382  ff.  388:  Stamii. 
bücher  390  f.  40«  f. 
411  f.  424;  Fennahs-. 
nius  327.  330.  34.s 
— 355;  Nationali^• 
uHis  3.59:  Hanno- 
nisten  414;  Fnin- 
conia  411  ff. ;  Kon- 
ferenzen über  d.  Ein- 
führung d.  Code  Na- 
jxdeon  433  ff. :  Gym- 
nasium 290.  408;  Pü- 
dagug  383.  385.  >>^; 
Landesh<d)atnnien 
institut    474. 

Gleiberg  223.  22ö. 
228  ff.  295 ;  Bunj 
231  ff.  (fMan  231: 
Grafschaft  224.  22S: 
Gräfin  ( -lernen  t  in 
224 ff.  (Siegel  247  : 
Crraf  Friedrich  224  f. 
227  f. :  Graf  Hermann 
227:  (fraf  NX.  225. 
227;  Graf  Otto  227  f. 
(Siegel  228.  247»; 
(jräfin  Salome  22S. 
227;  Graf  Wilhelm 
223  f.  227.  232.  246. 
(Siegel  224);  (.iräfiri 
Mechtild  s.  Tübingen 
223.    227. 

(jrlizberg  s.  Gleib«>rg. 

Glück.  Christ.  Fried r. 
412. 

(ineisenau   462. 

(rnostopolitanus 
s.    Cellarius. 

(jueben,    A.    v.    462. 

(fönner,  Nicol.  Th.idd. 
427. 

(ioeUie    328.    415. 

(löttingen  41.  176. 
182f.  185.  207.  2(K»!. 
215  f.    431. 

(ioldast,  Melch.  257. 
261. 


Register. 


521 


Goldhagen,  Prof.  J.  F. 
180.  206. 

(lonzenheini  173.  193  f. 

Gotha  215;  Fürstt^n- 
sciiulo    2()5. 

GoUhard,  Prof.  J.  Cli. 
181. 

Grafen  hausen  173. 

194  f. 

(iran,  Heinrirh,  Buch- 
drucker in  Hagenau 
63.  84. 

(rratius,    Ortwin    74. 

Graulag,  fians  Hein- 
rich   293. 

Gravensand,  Gishert 
von 's    88. 

(iregorius,  Joh.  GoUfr. 
363. 

(Jreifswald,  Universität 
1H7.    340. 

Gresemiuid  son.,  gen. 
Meschede,  Dr.  Die- 
trich 8  f.  lOff.  23. 
42.  59:  Dr.  Dietrich 
jun.  7.  9f.  12.  18ff. 
27 ff.  42.  47.  51.  r>3i. 
57.  59.  66.  «0:  AI. 
({ottschalk  S:  M. 
Ih'rmann    8.   59. 

Gricius,  M.  Svlv.  67. 
74.  78.  80 f.;*  s.  Hüt- 
ten. 

Gröhzig  (AFih. -Dessau) 
180.  206.  213. 

Gi-oeninnen  38. 

Grolman,  Ad.  Ludw. 

407.  414.  448  f.: 
Anna  S(»i>lii<'  ^eh. 
von  Hauen  407 ;  Char- 
lutte406.410;Eniilif 
g<'l).  van  de  Wall 
406.  419;  Friedrich 
Ludw.  Adolf  408. 
44Sf. ;  Friedr.  Ludw. 
Karl    Christian    von 

408.  424.  447;  Georg 
407 ;  (ig.  Christian 
Ludw.  Adolf  von 
419;  Hch.  Dieter, 
von  407.  447  f.: 
Herrn.      .Adolf      von 

409.  419;  Joh.  Aug. 
409.419;  Joh.  Chart. 
H<'nr.  Friederike  409 : 
Karl  Ludw.  Wilh. 
406-461.    463;    Lu- 


cretia  Charlotte  409; 
Ludwig  Theod.  Die- 
ter. Christian  407  f. 
446  ff.;  Luisa  408; 
Marie  Charlotte  von 
4(M>;  Maria  Klara 
geb.  Mollenbeck  407; 
Melchior  Dettinar 
407.  409.  415;  Wil- 
helm Heinrich  462; 
Wilhelmine   406. 

Großen-Linden  222. 
230.  277.  320. 

Glx)8ser,  Samuel  363. 

Grosschlag  v.  Diepurg, 
Frhr.  Carl  Friedr. 
Wilib.    196. 

Groß-Umstadt   488. 

Grotius  (Hugoi  363. 

Gruben,  Peter  Joseph 
Frhr.   von   456. 

Grüninger,  aus  Straß- 
burg, Buchdrucker 
tJ«. 

Grünrolh  v.  293. 

(rrvnaeus,  SjnioFi  70. 
83. 

Guarinus.   Ba])t.   46. 

Guben  57. 

Günther,  Pel.,  aus  Neu- 
stadt a.  «1.  H.  19. 
30 f.   47.   6(>. 

(iundernliau.sen  173. 
194. 

Gurk    s.    Lang. 

Gutenberg,  Joh.  17 f. 
89. 

H. 

Haaren,  Dr.   163. 

Daberkorn,  G.  i*.  F. 
350.    412. 

Hacus,    Christoph    85. 

Hadelich,  Prof.  S.  L. 
181. 

Häberlin,  Prof.  K.  F. 
178.  205.  425. 

Häffelin,    Kas.    90. 

Hagenau  63.  82.  85; 
Buchdrucker:  s.Ciran 
84;  Secerius  68. 

Halberstadt  13. 

Halle  177.  179f.  205f. 
213.   215.   363.   379. 

Hambaclier,    Seh.    7t). 

Hamburg    184. 

Hamelburg    1 2. 

Hammerstein,         Graf 


Otto    V.     224.    229. 

231. 
Han,   Jak.,   aus   Straß- 
burg  22. 
Hanau    172.   186.    190. 

192. 
Hanau-Lichtenberg 

480  ff.   494.   508. 
Hanneken,    Prof.    310. 

312.    338. 
Happel,  Pfarrer  in  Seel- 
heim 275.  313;  G(*org 

Karl    358. 
Hardenberg,  Fürst  462. 
Harthiben,  l'rof.  Franz 

Jos.    205. 
Hartlieb,  Prof  Dr.  med. 

Justus      129.      157. 

160 f.;  Dr.  Jod.  161. 
Härtung,  Prof.  Dr.  370. 
Harz    176.     183.     185. 

210. 
Hassenstein  v.,  Bohus- 

laus  39.  47. 
H.'issenst<*i!i      s.     Lob- 

kowitz. 
Hatstein,    v.,     Markw. 

77. 
Hattenrode,  Sifridus  v. 

248;  Wernherv.  248. 
Hattstein,  Joh.  v.  52. 
Hauff,   Joh.   Karl   Lud. 

430. 
HechtsheiFii  173.  193  f. 
Heger,  Dr.   163. 
Heg i US,    Alcv.    40. 
Heidelberg,  Universität 

7  f.    15.    19.   29.   31. 

38.  54  f.  81.  85.  S8. 

91  f.  98.  176. 
Heilbronn  56  f. 
Heiligenstadt         :20Sf. 

i'li. 
Heind>ach,    Hebcliii    v. 

96  ff.    106. 
Hei  na    20. 
Helmstedt,    Cniversität 

17S.  337.339f.  343L 
Helsinger,  Ad.  101. 
Hei w ig,     Pn)f.    Christ. 

260.  262.  280.  293. 
Henckel,         Archidiak. 

275. 
Henneberg  s.   Mainz. 

Erzbi.schöfc ;      Hein- 
rich v.  "I'i. 
ilenner      (Gallinariusi, 


5^:2 


Register. 


Dr.  Fluch.,  aus  Brot- 
lou   75.   80. 

Henrici,  Joh.  Horm., 
Landkanzellist   287. 

Hcnsel.  Konrad,  aus 
Kasst'l    97. 

Hensing,    Pnjf.    Hß4. 

H«Tdeiiius,  I).  Sup<'r- 
intendont  310. 

Hormaniii,  Hetrjorungs- 
ral    480. 

Hcrmaniisgrün  s.  Wolf. 

Hormamisleiri    296. 

Hf^rold,  Prof.  Hf»inr.  98. 

Hcrtol,  G.  W.  39«. 

Hertingshausenv.,  Erl>- 
küchonincister    282. 

Hrrwagon, Buchdrucker 
zu  Basel  70. 

HiTZogenhusch   41. 

Hesse,"  Geh.  Kai  V.  468. 
470 f.  476.  480.  511. 

Hessen  224.  230  ff. 
241.  280  ff.  298. 
311  ff. ;  Landgra- 
fen: Heinrich  I.  223. 
238.  241:  Hermann 
238:  Ludwig  v.  Mar- 
burg 238.  242.  252: 
Philip]»  der  Groß- 
niülige  80.  219.  237. 
252  f.  281.  332.  501: 

H  e  s  s  e  n  - 1)  a  r  ni  s  t  a  d  t 
219.  338.  348.  462 
— 514;  Landgra- 
fen: Franz  Km  st 
365.  367  f. :  Krie- 
drich  'i60.  284.  289; 
Prinz  Friedrich  480; 
Georg  I.  286.  293; 
Georg  H.  257  ff. 
274  ff.  279  ff.  299  ff. 
3(M»ff.  333  ff.  342. 
344  ff. :  Prinz  Georg 
480.  485.  491  ff.; 
H.iiirich  285.  289; 
Jnhanri  279.  289  ff. 
321.  323  ff.;  Lud- 
wij»  V.  257  ff.  282. 
289  f.  328;  Lud- 
wig VL  289  ff.  .301  ff.; 
Ludwig  Vl[.  367. 
38o;  Lufhvin  L\. 
n;2ff.  477  ff.  180. 
»83;  Ludwig  X.  406. 
116.  127  f.  4  13  f.  448. 
459.  461.  462  ff.  470. 


472-514:  Philipp 
(von  Bulzhach)  296; 
I.andgräfinnen : 
Amalio  289;  Elisa- 
])eth  Dorothea  357; 
Juliane  289;  Luise 
474.  477.  479.  504; 
Sophia  320;  Land- 
stände  466.  472  ff. 
490. 

Hessen -Homburg 
479;  Landgrafen: 
Friedr.  Jakob  (Frie- 
drich TU)  357.  360; 
Johanti  Carl  Wil- 
helm Ernst  Ludwig 
357 ff. ;  Ludwig  Jo- 
hann Wilh.  Grimo 
357  ff. 

Hessen -Kassel  320. 
484.  489  f.  495; 
Landgraf  330: 

Wilhelm    289  f. 

Heue  hei  heim  221. 

Heumann.  P.  412; 
Friedr.,  Ruchdrucker 
iu    .Mainz    84. 

Heusegen  (Oecolampa- 
dius)  \Vynsj)urgen- 
sis,    Johannes   30. 

Heverling.  M.  Thile- 
mann   41. 

Hevdwolf,  Stud.  v.  Bir- 
mershausen  317. 

Heyl,  Joh.,  von  Cappel, 
Kanonikus  zu  Fritz- 
lar  92. 

Heyll,  Tniversitäts- 
buchdr.  zu  Mainz 
162. 

Hipparius,  Pfr.  Dr. 
Christ.  126.  129. 
1 32. 

Hochstaden,  Graf  Otto 
V.    227. 

Ihu-hstraten,  Jakob  v. 
73.    75.    85. 

Höchst    172.    190. 

Hölzel.   fiiasius  40. 

lh>e  V.  Hoonegg,  Hof- 
{»HMliger  341. 

Hönn,  Gc.r^'  Paul  363. 

Höpfner.  Job.  Ernst 
38(1:  Ludwig  Julius 
Frieflrich    395.    415. 

Ilüniigk,  Dr.  Ludwig 
von   160ff.   163. 


I 


I 


I 


Hof   205.    213. 
Hoffmann.  Christ.  2Ö^: 

Marie    Sophie,    geb. 

Myliin   358f. 
Hofmann.      Kammordi- 

rektor       180.      207; 

Geh.    Hat    468. 
Hohenstatt,    Dr.    med. 

Joh.  Marl.  129.  157f. 

1 60  f. 
Höllenstein  s.Straßburg. 
Hohen  stein,  Graf  Wilh. 

V.    33. 
Hohenzollern,  Haus  72. 
Holdingshausen  87. 
Holdmann,    Prof.    Xik. 

98.    100  f. 
Holland   314. 
Hol  (mann.   Prof.  Gerh. 

126.  149 ff.;  s.  HoM- 

mann. 
Holtzweiler.     Dr.     leg. 

Fh>rentinus  7. 
Holzhausen,Oberanitin. 

Joh.  G.    180.  200. 
Homburg      s.      Mainr. 

Brendel. 
Homburg      101.      IW. 

284.        364.        373; 

Bibliothek  3l>6. 
Honcamp,   Dr.   164. 
Hornigk.    .Tob.,    Stadt 

schrei  lier  236. 
Horst.    (L    392;    Prof. 

med.       Joh.        Dan. 

268  ff.   275.   292. 
Hortleiler,  Friedr.  2Sl. 
Hubertusburg   463. 
Hülsemann,   Pn»f.  33*». 

338. 
Hüttenberg   230  f. 
Huß  87. 

Hussell,  C.  W.  D.  41:1. 
Hütten,   ririch   v.  52f. 

59.    61  ff.    71.    73f. 

77 ff.     81  ff.:     s.    a. 

Ciriccius. 
Huttich,       Job.,       aus 

Strinz    35.    53.    5(5. 

62  ff.   65  ff.    75  ff. 

I.  (.1.) 

Jagushinski,     (ieneral- 

leutn.  374. 
Jaup,     Hehvig     Bernli. 

410.  416.  432:Heinr. 

Karl   432  ff. 


Rejf  ister. 


523 


Ibichm  (?\  Konr.  55; 

Peter   55. 
Jena    178.    181.    207  f. 

214.   337.   339.   351. 
Jenison-Walworth, 

Graf  463. 
Irnelin        (Immularia), 

Barb.   s.   Hiedner. 
Inihof,  Andr.  Laz.  363. 
Inimolarius     Nemeten- 

sis.    Job.    30. 
hieben,     Marsilius     v. 

5.5. 
Ingolstadt  3.  7.  37.  79. 

iü3. 
jnst<»nbüfer,      Kl«)gius, 

Kapitular    an    Lieb- 
frau zu  Wuniis  99  f. 
Jourdan,    franz.    Gene- 
ral  496  f. 
In*niriis,     Franz.     35. 

53  f.   67.    76.   80  f. 
Irniintrud  (Iiitiza),  (le- 

inablin    des    Grafen 

Heribert    229. 
Isenburg      241.      290; 

Herren  v.  223;  Heil- 

wig  V.  223;  s.  Mainz. 

Krzbiscliöfe. 
Italien     197. 
.lung,  Prof    Dr.  Simon 

158.    160  f. 
Jungen,  Max.  z.  256 f. 

273.  306  f.  320.  :522  f. 
Jungbans,  Prof.  l'b.  K. 

180.   206. 
Jungbaiiß.  Jost   294. 
Jungben,    P«*ter    295. 

K.   s.   u.   ('. 
L. 

Laacb,  Pfalzgraf  Hein- 
rich V.   225  f.   228. 

Laacber    S«*«*   228. 

Lac,  Prof.  Dr.  Dietr. 
127.    137. 

i^aetus,  Poniponius  13. 
34. 

Labn  270  f.  28S.  301  f. 

Lahnberg'.i^angcnbergi 
302. 

Labngau  230. 

Landau  in  Xieder- 
liayern  70. 

Landsbut    427. 

l^ang,  Mattiiaeus,  aus 
Augsburg,  Bisebuf  v 


Gurk,      Kardinalerz- 

biselinf   V     Salzburg 

14. 
Lange  (Goltfr.)  363. 
Langen  488;  Rud.  v. 

27. 
Langenscbwalbarb 

378  f. 
Langsdorff .  Oberst  358. 

3(>0.   364.   372. 
Lapicida,    Job.    100. 
Lassaulx,  Ferd.  v.  440. 
Lasser.   Prof.   163. 
Lauckbard,  F.  C.  399. 
Lauter    479. 
Lauterburg   27. 
Lauten»    198. 
Lebus.   Biscbof:   Dietr. 

V.  Bülow  61. 
Leen,    Gerbard,    Bucb- 

drucker   zu   Antwer- 
pen  38. 
Lebmann,  Geb.  Hat  v. 

468.  471.  4S0.  511. 
Lelirbacb,  Graf  499  f. 
Leibyestcrn,     JdIi.     v. 

24S. 
Leinibacb.  Job.   v.  58. 
Leyinpacb.        Markus, 

aus    Leipzig    58. 
Leipzig  3  ff.  7.  10.  12  f. 

29.    42.    46.   50.   54. 

5.S.    62.    65  f.     78  fL 

85.      176fL      204  ff. 

209.  211.213f.  290f. 

337.   339.   363.   476. 

496;      Bucbdruc'ker: 

Lotler  50;  Gastb.  z. 

blauen   Enge]   205. 
LtMuberg.    Amt    4M. 
L(M.»bf'ii    497. 
Leont(»rius.   Koiir.,  aus 

Mauibronn    20. 
Leske.     Prof.     N.     G. 

178  f.  204  L  207. 
Lieb  241. 

Licbteuau,    Amt    481  f. 
Lichtenberg,  Aug.Frbr. 

V.    408.    431  f.    442. 

448  ff.  459. 
Liebentlial,    Cbr.    392; 

Prof.    334. 
Liebknecbt,   Prof.   Job. 

Gvnru  362.  361.  372. 

383;   Su]»erinten«lent 

23*5;     Advokat      Dr. 

236. 


Limburg  a.  (L  L.  228. 

Linck,  Jakob,  aus 
Munzingen?    56. 

Linden,  Itofkanunerrat 
Joli.  Heinr.  197;  v., 
Ministerialen  222. 

Lindloe'scbe  Soldates- 
ka   289. 

Linz   40. 

iiippe.   (irafscb.   351. 

Lippstadt   347. 

Livland    .350. 

Lobkowitz  V.  Hassen- 
stein, Bobuslaus  11. 

Locber,  Jakob  7.  48. 
51. 

Löbejün   180.  213. 

]-.oebr,  F.gid  v.  419. 
453. 

Löwen   73. 

Löwenstern,   v.  358. 

Lobr    172.    302. 

London    280. 

Longinus  KleutbcTius, 
Vinr<*nlius    45f. 

Longuevilh',  Herz.  v. 
291. 

Loni.  Henricb  295. 

Lorcb    7. 

Lorsch.   Kl.  83. 

Lossen,  Prof.  Dr.  Andr. 
V.    154.    159. 

Lotbringen.  (ierberga 
V.  229:  Herzog  Geb- 
bard  v.  229;  F»falz- 
graf  Kzzo  228;  Her- 
njaim  II.  225f.  228; 
Siegfried  iv.  Orla- 
münde)  226 f.;  Pfalz- 
gräfin  Gertrud  (v. 
Ncirdbeirni  224.  227. 

L<»tt«T.  Melchior.  Buc.b- 
d rucker  zu  Leipzig 
50. 

Luder.  Peter,  aus  Kiß- 
lau    9. 

Ludersbeim  b.  Nürn- 
beru    1 1 . 

Ludovici    363. 

Ludwig,    L.    C.   412. 

Lilhben  i.d.  Ijausitz  64t'. 

Lübeck    41.    18  L 

Lützellin<len,  Kckard 
V.    248. 

Lupinus  (!alidomius, 
.\lattbaeus   36. 

Luther.   Martin   79 f. 


524 


Register. 


Lutrea  6. 

Luxemburg  225.  2281; 
Graf    Dietrich    225;    : 
Friedr.      224.      227.    i 
229.  I 

Oiselhert  225  f. 

Heinrich  22«.  227: 
Hermann  225.  227 f.;  : 
Konrad  22ü;  Theo- 
derich  225.  227  f.  ; 
Wilhelm  226;  Gräfin 
dementia  s.  Glei- 
burg;    Imiza   230. 

M. 

Magdeburg  12  ff.  185; 
Erzb.  Herzog  Ernst 
V.  Saclisen   13. 

Maiengau   228. 

Mainz,  Erzstift, 
Stadt  u.  Univer- 
sität   3—21«.    290. 


469.  485  f.  491  f.  494. 
503.  505;  Humanis- 
mus in  M.  3 — Sd; 
f^rster  Rektor  87 — 
93;  Bursen  zum  Al- 
gesh(;imer  und  zum 
SchenkiMiberK  94  bis 
124;  ihre  Statuten 
108-124;  Berufun- 
Ken  von  [*rofessc)n»ri 
125  -164;  kameral- 
wisspuschaftl.  Aus 
bildung  der  Profes- 
soren 165  216; 
Kollegium  zum  hl. 
Thomas  v.  Acjuino 
99  ff.;  I'niviTsitäts. 
Statuten  95.  98;  Sta- 
tuten  der  Artisleii- 
fakultät  98;  Univer- 
sitätsbibliothek 89f. ; 
Erzbisrhöfo  und 
Kurfürsten  289: 
Adolf  (V.  I^assaui  6. 
8;  Albn'cht  iv.  Bran- 
<ienburgi  53.  5(5. 
70.  77.  82  f.;  An- 
selm  Kasimir  127. 
129.  131.  156  ff.; 
Bert  hold  (V.  Ih'nn«*- 
hergi  8  f.  13  f.  19. 
30.  42  ff.  48  ff.  54: 
Damiaii  Harlrad 
162:  Daniel  129. 
133;       Diether       \\\ 


I 


Isenburg)  5  f.  11.  87. 
99:  Emmerich  Jo- 
seph 197;  Franz  Lo- 
thar 163 ;  Friedrich 
Karl  (v.  Erthalj  125. 
165.  187;  Georg 
Friedrich  152 ;  Job. 
Schweickardt  (v. 
Kronberg)  128. 130ff. 
138 ff.;  Jak.  (v.  Lie- 
benstein)  32  f.  34. 
49  ff.  52.  56.  111; 
Karl  Tlieodor  187 ; 
Sebastian  101;  Uriel 
(V.  Gemmingen)  52. 
73.  Wolfgang  128. 
130.  134 ff.;  Weihbi- 
schof  Malth.  Emich 
92;  Buchdrucker: 
Faust  (Fust^  17  f.  76; 
V.  Fried berg  9.  20. 
27;  Gutenberg  17  f 
89;  Heumann  84 
96;Hevl  162;  Schöf- 
fer  15.  17  f.  19.  55. 
76.  82  ff.  90. 

Malc(miesius.  Sekretär 
279.   286. 

Mannheim   186.   4^<7. 

Mansfeld»  Graf  Albr. 
V.  58;  Graf  Gel>h. 
V.    58. 

Mannt  ius,  Aldus  28. 
37.    45.   82. 

Manzohis,    Alex.    46. 

Marburg.  Stadt  u. 
Universität  266. 
269  ff.  272.  274  ff. 
278  ff.  283.285.  287. 
289  f.  292  ff.  299  ff. 
306  ff.  320 ff.  327-- 
348;  Universitätssta- 
tuten  332.  342: 
Duelhvesen  345  f.; 
Pennalismus  323 — 
347;  Auditorium  phi- 
losophorum  288; 
Collegiuin  ad  Lanum 
288;  Drut.sches  Haus 
272.  304  ff. 

Marezoll.  Gust.  Ludw. 
Thcnd.    427. 

Maria,  Spracli  meist  er 
Gabr.   3t»6. 

Marianus    Srotus    225. 

Mnrins.  Dominikus 

aus   Novara   46. 


Martin.  Christoph  425. 

430. 
Masson,      Prof.     358. 

362.  366.  369. 
Maucler,    Paul   Frie»lr. 

Theod.   Eugen  Frhr. 

V.,  württemb.  Juslix- 

minister  420.  431. 
Maulbronn  20. 
S.  Maximin  91.  226. 
Mecklenburg  41. 
Meermann,  j.,  Freiherr 

von   Dalem   182  ff. 
Megini^oz,     Graf    229: 

Gem.:    Gerl»erga   v. 

Lothringen. 
Meier,   Geh.    Rat  501. 
Meiningen  97;  s  Mein- 

mingen 
Melanchthon,     Philipp 

19.  26.  81. 
Mellrichstadt,     Melier- 

Stadt  s.  Policli. 
Memmiiigen   6. 
Mentzer,  Prof.  v)31 :  ß. 

392. 

Merenbcrg  228.  230  ff. 

241 ;  Hartrad  v.  223. 
007 

Mergenthai  20. 

Mergentheim,  Dr.  Juli. 
7. 

Merian,  Matth.  25.**. 
264.  286.  291  f.  ĻT. 

Merstetter.  Jak.,  au.* 
Ehinjfen  i>9.  54  ff.  97. 

Meschede  8;  s.  a. 
Gresf*nmnd. 

Metternich  223:  Frei- 
herr v.,  Komman- 
dant von  Hermann- 
stein 296;  Graf  49i«fL 

Metz,  Bisch.  Konrad 
91. 

Meurer,  Kriegszahi- 
meister   23(>. 

Mensel,  Prof.  J.  (i. 
178.   204. 

Meyer,  J.  L.  39^; 
Peter,  zu  Frankfurt 
a.   M.   74. 

.Mevfart,   Prof.  340 f. 

Micvlhis.   Jak.   83. 

Milrhling,  die  215. 

Miller,  Job.  38. 

Mih.'nberß  186;  Geh 
Rat  V.  468.  470. 


Register. 


525 


pn,  Dr.  Albr.  v. 

bergfr,     Rulin 

Siipermtcndeiit 
37;  J.  N.   237. 

orf  212. 
.   Cleeberg. 
L.  G.  396. 
Prof.  Nik.  Karl 

r.   U>3. 

eck.    Geh.    Rat 

386.  407.  409; 

Klara  407. 
462. 

h   173.    193  f. 
rii       (Monster, 
steri**nsis),  Joh. 
OO;   s.   Bruder. 

franz.  CJcneral 

V.,  }Iau]itinann 

430. 

aroliiip  von  -KH). 
lus.   l  Vir  US  79. 

Minister  Karl 
r.  V.  4()3.  466ff. 

.  r)09ff. 

62. 

usen    215. 

Prof.       Joh. 
.38.").  3S9.  39r,: 

führcr   362:    L. 

"XTSt  23');  Karl 
Christ.     443. 

Fr.  412:   Kani- 

it   181.  208. 
Hell.   Krlir.  v., 
Kat    un<l    Hof- 

H'nlirf'ktnr  433. 

n   39  f.   176. 
r  97. 

reifol,    KI.    227 
r-Maifcld  H^. 
,     l)r.     liieren., 
•>l(lkirrli    40. 
IS,    Joh.    .\deij»- 
aus    Slralihnrjz. 

V.,  Direktor  u. 
lor  4: {51-.  436. 
IhaicT.  Dr.  130. 


;    Munzingen   56. 

Murner.     Thomas    31. 
I       42.  47  f.  80. 
Musaeus,    Joh.    Daniel 
Heinr.  409.411.  453. 
Mutianus    s.    Uufus. 
Mvlius,  Joh.,  Diakonus 
I        276;     Hofrat     277  f. 
i       319;     Crato,     Buch- 
drucker in  StraÜburg 
69  f. 

N. 

Nackenheini   173.   194. 
Nahegau    229. 
Nassau  173.  191  f.  198. 

224.    230.    232 f.;    s. 

Mainz,    Frzbischöte. 
Nassau-Di  llenluirg  198. 
Nassau-Oranien    87. 
Nassau-Siegen  87. 
Nauborn   222. 
Nauclerus    s.    Veruen- 

hans. 
Nauheim    490. 
Naumburg    97, 
Naumburg    i.    d.    Wet- 

terau,  Kloster  S.  Cv- 

riaci    229. 
Nausea    6. 
Nebel.     Krnst    T.udwig 

Wilh.    441.    453. 
iS'enwaldt,  Tanzmeister 

3()2. 
Netphen    87. 
.Neubauer,    Georg   30(». 

321  f.  324. 
Neuenahr,  Hermann  v. 

53. 
Neurath,    (Jberappella- 

tionsral    468. 
Neustadt   a.   d.  H.    19. 
Neuwied    190. 
Nicolai,   Fr.  215. 
Nieder-Beerbacli   488. 
Niederlande    184. 
Nilkheimer   Hof   196. 
Nittel,    Martin    15. 
Nördlingen   40. 
Nr>rdheim       s.      Loth- 

rinizen. 
Nothafft.    Peter   v.   52. 
.Xovara    46. 
Nürnberg   11.  21.  39 f. 

47.     54.      71.      172. 
177.    181.   204.   212. 


291.    350.    363. 


Nurberß,  Ulricii  Graf  v. 
227. 

O. 

(dier-Ehnheim    48. 

Oberlahngau    239. 

Ober-Lausitz    184. 

(Jberrheingau    229. 

OberroDbacb  311.  358. 

Odenliausen   230. 

OdwaM,  Slud.  350. 

Okolampadius  s.  Heu- 
segen. 

Osterreich  484.  486. 
489.  491  ff.  495  ff. 
503.  505.  507 f.:  Erz- 
herzog  Karl   496i. 

Offenbacb  172.  174. 
186.    190.   201  ff. 

Offenburg    33. 

Offenhals,  Prof.  Dr. 
130.    1381. 

Olmütz,  Bisch.:  Stanis- 
laus   Thurzo   37. 

Opitz,    Marl.    303. 

Ol.peuheim  19.  34.  50. 
81;        Buchdrucker: 
Koebel  19.  tiO.  66. 

t>ppenheimer.  Dr.  Jo- 
hann   .lak.    158. 

Orb.    Ph.    B.    179. 

Orl)    172. 

Orlamunde  s.  Loth- 
rinuen  :  Adelheid  \ . 
226.   228. 

Ort  lieb,  Herrn.,  aus 
Piotenburg    97. 

Ortt,    Capitän    295. 

Oüwald    350. 

Ostein.    (Jraf    v.    191. 

Ostfriesland  290;  Graf 
Kdzaru    1.    39. 

Olthera.  Vizekanzler 
Dr.  Nie.  v.  238. 
294. 

Ovelacker,  Frid.  248. 

Overlack,    Dr.    238. 

Oxenstierna   290. 

Ovnhausen,  Hofmeister 
*v.  270. 

( )v«'n,  Generalleutnant 
v.   463. 

P. 

Pa<k,  Otto  V.  68f.  75. 
78 ff.:  Philipp  v.  69. 
75.  78 f.;  Dr.  Jolianii 


52ü 


Register. 


V.    78;    Johannes    v. 

78. 
Paderborn    iX. 
Padua   2S.    4(). 
Päpste:  Alexander  VI. 

25.  30;  Nikolaus  V. 

91. 
Pallmann,  R.  411.  441. 

441  ff.       445.       448. 

455. 
Pap{)enheini     v.     463. 
.   504  ff. 
Paris   5.    74.   94.    189. 

409.    501  f.    504  ff. 
Parisiensis.       Ciuillier- 

inus    40. 
Pasiphilus  s.  Flusch ius. 
Passern.  Christ.  Ciottl. 

357 ff. ;   fjc.  jur.  Ju- 
st us      Eberli.      357. 

364  ff. 
Pelri.    stud.    352. 
Pepliers    des    363. 
Perger,   Beruh.   23. 
Perugia    129. 
Petri,    Slud.    352. 
Petz,    Dr.    163. 
IVutinger,     Konr.     14. 

34.   47.   67. 
l'faff,    Prof.    Jnh.    98. 
Pfalz    191.    199.   202. 

487.       489;       Kur- 

fürst:  289:   Philipp 

7  f.  29;  Karl  Theodor 

511;   Pfalzgrafen: 

rieorg.  Johann,  Heiii 

ric.lj   52. 
Pfalz-Z  wci  hrückcn 

171;        Pfalzgraf: 

Ludwiy    II,    66 f. 
Pfeffer.  Dr.  .foh.  Adam 

1  ÖS. 
Pfefferkorn,  A.  7ü.  72. 
Pfeiffer.       Pmf.       joh. 

Prifdr.  v.  1H5.  167  ff. 

184.    \S)H,   201.   209. 
Pfirmsthoiii.      l)r.     fjj- 

lirntius     131.     153i. 

lös. 
Pforzln'ini     66:     Hurli- 

drurker:        Anshelin 

31. 
Pflui:.   V.   s.   /»'il/. 
Pfunustadt     17."..    191  f. 
Philips,      hr.     KiiMzhT 

130.    131. 
Philesiu-«    41. 


Pierius     Graecus,     Jo- 
hannes  36. 
Pighinueius,   Fridianus 

13. 
Pilgram   412. 
Pinder,    Dr.    Ulr.,    aus 

iNördlingen   40. 
Pirckheiiner.    Wilibald 

47.  54.  67  f.  72. 
Pirmasens     464.     472. 

481  f. 
Pistorius,        Donivikar 

Jak.    101. 
Placeutinus  45. 
Plcbanus,     stud.     349. 

351. 
Ph'b.     Dieterich     Bar- 
thold V.,  hess.  Geh. 

Rat,  Statthalter  261. 

273.  276  f.  278.  291. 

299.    307.    317. 
Pobles   bei   Zeitz   181. 
Pork,    Otto   de   79. 
Policli  gen.  Mellerstadt, 

M.,  aus  Mellrichstadt 

10  f.    40.   58. 
Ponmiersfelden,      Lor. 

Truehseß  v.  73.  77. 
Poniekau,  Friedr.  Wilh. 

V.  374. 
Pope    395. 
Porca,  Jac<>po  ronte  di 

irouH's    Purliliaruin) 

43  f. 
Pordenone    36. 
Prartr)rius,    Hit»r.,    Su- 

perinfj'iident         von 

Schmalkalden      273. 

279.    307  f. 
Prag  5.  45.   176. 
Pn'tllaek    v.,    General 

358. 
Prt'uben    462.    479f. 

483 ff.    4.s9ff.    493  ff. 

497.  499.  504 f.;  Kö- 

niuc:    Fri<Mlrirh    II. 

397.  462.  461:  Fri.- 

drirh      Wilhelm    II. 

407.  483.  485.  490  f. 

494:    Fri.'drieh    Wil- 

heln.   III.  504. 
PronruT,  Zeifhenlelirt-r 

362. 
PriiL»,.lnh.,lUu]»<lrutki.'r 

31. 
PuiViidorf  Samuel- 


••,••1 
oo.>. 


Purliliarum,    romes  s. 
Porca. 

Q. 

Quenlel,     Buchdrucker 
39. 

R. 

Rabe,  K.  L.  H.  413. 
Rak  s.  Rhagius. 
Rastatter  Kongreß  472. 

482.   .500  ff.   506  fl. 
Ratdolt,     Erb.,     Buch 

d rucker   zu    Venedig 

38. 
Ratsam  hausen,  Alb.  v. 

47:    Ludw.    Sams'm 

482. 
Rau     V.     Iloltzhauüon, 

Ad.  51;  Josl  Burkh. 
^    V..   hess.    OberjägtT- 

meister  zu   Marburg 

26(5.   299.   323;  Joh. 

Ad.,  Vizepräsid.  310. 
Rauch,    G.    412. 
Rauen,  Anna  Sophie  v. 

407;  Anna  Marg.  v. 

409 ;  h  riodr.  Wilh.  r. 

407. 
Redacker,  Prof.  H.  20S. 
Regensburg     54.     IST). 

290.  463  iff.  483.  497. 
Reichenbaoh     198. 
Reichskamiuergericht 

14  f.    56.    4ti8ff. 
Reinheim    289. 
Reisrh,  Gregor  85. 
Reitz.    Ludw.    295. 
Keinagen    228. 
Renez  v.   Wiesen>ti'lij, 

Martin,      Rekt(»r     v. 

Heidelberg   91. 
Reuchlin,     Joh.     (Cap- 

nio),   aus   Pforzheim 

15.  29.  31.  52  f.  .'>4. 

57.     eV).     Uli.     78. 

84  f. 
Khagius,         Aesticain- 

pianus,    Job.    7.    43. 

45 ff.  .r2 ff.  60 ff.;  s. 

A  es  ticam  planus. 
Rheingau     54.      191  f. 

199. 
Hhegius,    l'rbanus   79. 
Rheinock,  Graf  Otto  v. 

226  f. 
Rheinfels    289. 
Rhenanus,  Beatus,  aus 


Register. 


527 


tstadt  34  f.  60. 
32. 

Dan.  •2(55.297:    i 
ISO.  20(>.  ' 

in.    l>r.    Lam-    , 

7. 

Joli.,    V.   Lu- 
im    bri    Niirii- 
Ll.    18. 
,  Dr.  Jol».  57 f.:   ! 
IfTslieini   288: 

tz  2;^H[  Quirin 

I 

(>. 

,    V.     195.  I 

i         Fhilc'sius,    i 
IS    41.  , 

Univ.  840.         i 
un.,  Prof.  414.    I 
'rafr    245. 
Ilsen,    V.    28H.    ; 
m);    Craft    v. 
50:  Senand  v. 
Vi^and  v.  245; 
t/.(»     der     Fa     1 
231).    239.  : 

i,  leimst  V.248: 
dis     V.     247  f. 
K  247 f.:   Wer- 
.    248. 
;ioß  295. 
87.  I 

(U<ipi<k<»    Rö 
U>jHT.  nö]iifki, 
349  ff. 
*w(.  K.  (;.  180.    ! 


Ii,    Hj'rnli.    .'>7. 
).     U\.    82.    91.    ' 
157.  ; 

s.   .Inli.   i\{).  ■ 

.li.  Tricdr.  410. 

(Ivnßi.  stud. 

1!.     II.    340. 
J5 1 . 

i'U    a.    T..    <>5. 
Ciipfi  rsclitiw'l/.«' 
2i;i. 
»ff,  V.  2:J7. 

4(1.  I 

i»li,      ( ii.ii^'.  ii.  ! 

IV..!.    .\ik.  9S. 

f   :ir)S. 

M-ini  2S2.29()f. 


Hüsser    s.    v.    Buseck. 

Huffach    29. 

Kufus,  Conr.  Mutiauus 
35.    43. 

Ruhrj?au    228. 

Rumpf,  Friodr.  Karl 
444. 

Ruppf'l,  Dr.  Vizekanz- 
ler 310;  Lic.  310. 
317. 

Rußland,  IVler  d.  Gr. 
374. 

S. 

Sabellicus    s.    Cocciu.s. 

Sachsen  170.184.330. 
339.  341.  348;  Kurf. 
V.  289.  340.  348; 
Firn.sl  11 ;  Friedr.  d. 
Weise  10.  77.  501: 
.Moritz  501 :  Herzf>ß 
Krnst,  Krzh.  von 
Maßdehurg  13 :  rieorg 
31.  05 ff.  79 ff.;  Ko- 
l)urK,  Prinz  v.  491  f. 

SachsiMilniru    79. 

Salfeld  233:  Kndn's. 
uen.  zum   Bern  237. 

Salm,  Ciisilhert  v. 
225 f.:  Hermann  v. 
225 f.;  Sf)phie  Cirä- 
fin  V.  220;  Fürst  v., 
Frii'dr.  Joh.  Otto 
Franz  Clir.  Ph.   198. 

Salvins,  sriiwed.  H«)f- 
kanzh.'r  201. 

Salzburg   s.    Lang. 

Sambucus,  Jnh.  09. 

Samuel,    f).    295. 

Sand«'.  Domin.  v.. 
Buchführer   302. 

Sapidus,  .loh..  aus 
Srhh'itsladI    :n.    85. 

SchaaflH'iiii.  Ai'it  1^1  ff. 

Srhad.    Dr.   Jnli.    11. 

Schäfrr,  (;.  412;  N.  \. 
317. 

Scluiudanz,   Ur.  310. 

Scliaumann.    .loli. 
Christ,  (lotll.   411. 

Srhrihler,  Christ.  392. 

SchciN'nberu   198. 

Schciirk.      liaii.s      2ir); 
Vt)lp<Tl    D.nii.'l    291; 
zu       Sih\\<'inslM'rK 
|{udi»ll    2;js.    210. 

Sdi.-lzt'l.    V.    239. 


[ 


Scheuerma  nn,     Haupl  - 

mann   295. 
Schourl,     Clirist.,    aus 

Nürnberg     29.      47. 

56  ff. 
Schiffr'iiberg   221. 

224 ff.:  (Siegoll  247. 
Schiller   402. 
Schlarp  (Sorbillo),  Joh., 

aus   Geisenheim    70. 

81. 
Schlaun,    Prof.    Eurh. 

98. 
Schlaun  v.  Linden  239; 

Kckhard    239;    Wal- 

ther   248. 
Schlauraff,     Phil.     75. 

80. 
Schleenslein,        Georg 

Adam     108fL     193. 

203.  206  f.  209.  211. 

215  ff. 
Schleiermacher.    Frnst 

Christ.  Frifdr.  Adam 

428.   457.   459. 
Schlesien    185. 
Schleltsladt  9.  33.  69. 

71.    85. 
Schlick,  (;raf  480. 
Schmalkaldon  47.  273. 

279.  289.  307  f.  321. 
Schmid,  ProL  in  StraU- 

burg  338:  M.  Beruh. 

207. 
Schmidberg,  Dr.  lleirir. 

29. 
Schmidt,      (^hr.      398; 

Joh.  Krnst  Clir.  424. 

413.  451.  453:  Karl 

Chri'^t.     Khrh.     411; 

(n'Olg       (inttl.       411. 

l.-)3. 
Schmu'k,   .l(di.   57. 
Srhiu'V(hT.  Ih'iur.  250. 
Sc  h<»ffer,    .Inh..     Buch 

druckrr  in  Mainz  17. 

19.     55.     70.     82  fL; 

Ivn    83;     Pcler     15. 

17.   90. 
Schnfferlin.  Dr.  Beruh. 

15  f.    17.    82. 
Scluuihusrh    197. 
Schruihals   397. 
Srhöiithal    197. 
Srln.tl,     Pinf.     B..rnh. 

9S:  II.  L.    U2:  .Jnh., 

Buchdrucker    ju 


5^8 


Register. 


Straßbiirg  Ö5;  Peter, 

aus  Straßburg  11. 
Schragmüller,        Prof. 

345. 
S<'lira\iff,  Dr.  Georg  7. 
Seh  reber,  Prof.  J.  Cb. 

D.    178.    204  f. 
>>cbubart,  J.  Ch.,  edler 

Herr  von  dem  Klee- 

feldc  181.   199.  206. 

207.    214. 
Schütz,       Prof.      261 ; 

Kanzler  s.   Sinolt. 
Schulz,  Geb.  Rat  470. 
Schupart,     Prof.     Job. 

Gotlfr.   377f.  379. 
Scbupparl,   Dr.   Super- 
intendent 370. 
Schuppius.   Anton  Me- 

no    280;    Prof.    Job. 

Balthasar  257-326. 

330.     3'47;      Porträt 

259. 
Schwabe,    J«»b.    Andr. 

Pb.,      Regierurigsrat 

428. 
Srhwall»acb.   v.   233  ff. 

239.   246.  294;   Job. 

V.  237;   Heinrich   v. 

250 ;       s.       Langeii- 

scbwalbach. 
Schwarzenau.  Ge- 

sandter V.   464. 
Schwebelius,    Job.    68. 
Schweden.     König     v. 

291  ;     f  Juslav     Adolf 

von    90. 
Schweder         ((iabriel) 

363. 
Schweinflirt    3<i.    289; 

Markgrnfin  Gerberga 

V.  231. 
Schwetzingen    191. 
Secerius,    Buchdrucker 

in    Hagcnau   68. 
Si'elboini    275.    313. 
Seider    196. 
Si'Ibach,   Jndocus   101. 
Sciigonsladt    174.   187. 

190.   202. 
S'ij.    Dr.    310. 
S«*nckenberg,   K.   Frlir. 

V.    409.    426. 
Sfuffcrt,   Herrn.   423. 
SevJTUs.  Pfr.  93. 
Sibutus  Daripinus, 

(ieorgius  39.  41. 


I 


Sichelbacb    198. 

Siegburg,    Abtei    227. 

Siegclbach    198. 

Siegen,  Landkapitel  87. 

Siena  30.   46. 

Simler,  Georg,  aus 
Wimpfen   31. 

Sinolt,  gen.  Schütz, 
Just,  Kanzler  296. 
348. 

Sirk    s.   Trier. 

Sleidanus   280. 

Snell,  Friedr.  Wilh. 
Dan.   411.   424. 

Solnis,  Wigand  v.  75; 
Graf  Ernst  329;  Phi- 
lipp 11;  Rupert  92; 
-Braunfels  463;  -Rö- 
delbeim   471. 

Sommerfeld,  Job.  v. 
45;  s.  Aesticampia- 
nus. 

Sopher,  (rervasius  33. 

Sorbillo   s.    Scblarp. 

Sorgenlocb  gen.  Gens- 
fleisch, Job.,  Vice- 
pleban  zu  S.  Emme- 
ran    100. 

Spangel,    Pallas    60. 

Spanien   289.   294. 

Speier  6.  8.  18 f.  27. 
56.  80.  96.  176.  486. 
490 ;  Buchdrucker 
Peter   Dracli   96. 

Speiergau   229. 

Spiegel.Generalin  v.360. 

Spießheim  s.  Cuspinia- 
nus. 

Sponbeim    20. 

Spoor,  Franz  Karl 
168  ff.  203.  206  f. 
211.   215f. 

Spretb    97. 

Stahle»    34. 

Slamni,  Hofgerichtsad- 
vokat   450;    L.    412. 

Stammer  v.  372. 

Staudinger   412. 

Stechmann,  Dr.  Seh. 
156. 

Steiermark    176. 

Stein,  (ieorg  v.,  kgl. 
Ungar.  Bat  72;  Ei- 
tel wolf  V.  71  f.; 
(ieorg  72:  Minister 
Frbr.  462;  Frbr. 
Franz  Jos.  449. 


Steinbach    247  f. 

Steinfeld,  Kl.  227. 

Stemmer,    v.    358. 

Stephan,    Märten    295. 

Stephani,  M.  Joh.  273. 

Steuber,  Pfr.  in  Mar- 
burg   274.    311. 

Steusing  (Steußing), 
stud.    352. 

Sticket,  Prof.  Frz.  433. 
435. 

Stolberg   58. 

StoII,  Franz  Seh.,  Hof- 
kammerrat 177.  203. 

Straßburg  6.  15.  21  f. 
31.  33.  41.  47  f.  51. 
67  ff.  81  f.  a-).  281. 
337  ff.  363;  Bischof 
Graf  Wilh.  V.  Hohen- 
stein  51.  67;  Buch- 
drucker: Beck  33; 
Cephalaeus  68  f. ; 
Flach  29:  Grüninger 
68:  Knoblauch  W): 
MyHus  70;  Prüß  31; 
Schott  85. 

Strecker,  Hegierungs- 
rat  506.  511. 

Streiff,  Hofmeister  294. 

Strevesdorf,  W.  H.  v. 
162. 

Strintz   62. 

Stromer.  Dr.  Heinr., 
aus    Auerbach    72  t. 

Struvius    363. 

Stryck,    Sam.    363. 

St  übel,  Christ.  Karl 
421.  432. 

Slüber,  Kauzleiral  358. 

Stunun,  Prof.  182.  208. 

Stumpf  gen.  Kberl»ach, 
Prof.   Joh.   98. 

Sturm,  Jak.   41.  60. 

Stumus(Stnrlini),  Job.» 
aus  Schmalkalden 
47. 

Stuttgart  56.  167.  176. 

Suckow,  Pn)f.  S.  G. 
178.   181.  204.  208. 

Sues,  Carl  412;  Ober- 
amtsverwalter    235. 

T. 

Tallevrand    508. 

• 

Tannhauser,         Peter, 
aus     Nürnberg     40. 
Teplitz    184. 


Register. 


529 


Tet  sehen,  Joli.  v..  aus 

*lt»r     Farn.     Wartcn- 

t)<*rg    IG. 
Tetlelbach.     Dr.     *273. 

308. 
Teutlebon.     Genoral  vi- 

kar    Val.    v.   98. 
Theiii,  Dr.  Joh.  Cloorg 

161. 
Tholfniann,     Kammer 

akzessist  20H;   Prof. 

208. 
Themar  19  .»*.  Werner. 
TluMMlerlri,   .Mcx.,   aus 

MenuninKen    (i.   9. 
Thibaut.    Ant.    Kri»'dr. 

Just.  410.  411. 
Thietinar     (v.      Merse 

hurg)  2'2\K 
Tlioiuck  :UJ). 
Thom,       Prof.      Krnst 

H87f. 
Thuanus   281  f. 
Thür      im      Maienj^an 

228. 
Thugut,    Graf    4iWf. 
Thurzu  s.   Olniülz. 
Tileii    (Thiele,    Thilen) 

stud.   3 19  ff. 
Tinctoris,    Uohnus   97. 
Tirol    17H. 

Tillmann,    ('.    A.    432. 
Torgau    281). 
Tütenwart,   Ant.   Wolff 

V..       hess.      Kanzler 

257  ff.   2801.   314. 
Travi'Hnian.    Dr.    Joh. 

Friedr.    I2ti. 
Trier    91.     97.     22»;  f. 

230.  290.  480;  Krzh. 

504;    Jakob    v.    Sirk 

91  ;       Meyeiier      247 

1  Siegel  I. 
Triest   40.    17(J. 
Triniberg,    Kour.    Herr 

V.  241. 
TriHu'mius,    Joi).,    Abt 

zu      Sponheim      20. 

2()ff.  37.  41.  71. 
Trohe,    Durgsitz    «lerer 

V.   239. 
Truchselj,      l^omiz    v. 

I^lmmer^5f^.•ldl'n      73. 

77. 
Tuberinus  Frythrapoli 

(anus,      .M.    Job.    s. 

Beusehfl. 


Tübingen  49.  56.  06. 
84.  94.  99.  340.363; 
(Jrafen-    und    Pfalz-    j 
grafen      221.      231.    ! 
240:     Gräfin    Mech 
tibi      (s.      (ileiborg) 
223.    227;    Pfalzgraf 
Rudolf      221.     223. 
227;      Graf     Flrich    , 
223.    231:    Pfalzgraf   ! 
Wilhelm   220 f.   223. 
227. 

Tu  Isner,     he.ss.     OImt- 
archivarius  25.S; 

Prof.   286  f.   3(K). 

l\ 

r<li*nbeim,  Oab»  v.  71. 
rim     176.     185.     331. 

338. 
riner,   Leutii.   3.58. 
risenius     Frisius, 

Dietr.,    aus    Kampen 

39  f. 
Frigarn,  König  Mathias 

(,'orvinus  72.  ! 

Ingariseh-Brud    in  | 

Mähren    .56. 
libig   bei    Krfurt    181. 
l'rceo   s.   Cord  US. 

V. 

\alla  Plao'ntinus,    (ie- 

orgius    15. 
Valmy   486. 
Vet'toris,  Prof.   Diether   . 

78. 
Veggio,  Maffeo  26. 
Veluis,  llioron  33. 
Venedig    38.     45.     S2 

17(5;       Huclidrucker 

Iladult    38. 
Venrai  Sieamlier.    Hut- 

gf-rus  20.   27.   (H). 
Verdries,   Joh.    Christ. 

379;    Prof.    Dr.   Joh. 

M.dch.      359.     362  f. 

3(i9f.  372.  378  f.  383. 
3NS  f. 

Verdugn.      kgl.     Span. 

(iesandter  291. 
VorKeiiha  n>  .  Xaucleru> 

Joli.     15;    Lud.     15. 
Vr'rnjandois  229. 
Virrsi'ii.  Prof.  Prlrr  v. 

11.  92.  99  f. 


Vigilius,    Joh.    29.    33. 
Beiträge  z.  Oewh.  (\    Unlversitateu  Miiiuz  u.  (Jiciicu. 


Vilhaucr,   Joh.   97. 
Villa  Dei,  Dr.  Alex  de 

45. 
Völcker,  Pnd.  Dr.  Joh. 

Jak.    127.    129.    156. 

158. 
Vogelsang,    Oberslllnt. 

382. 
Vogt.    Dr.    Franz    132. 

144;  J.  K.  Wilh.  215. 
Voigtland    205. 
Volusius,     Rektor    Dr. 

162. 

W. 
Waehenbuchen  192. 
Wachenheim    193. 
Waeker,   Joh.    Dek.    zu 

S.  Moritz  97. 
Wagner,    Tb.    392. 
Wahl,    Prof.    Dr.    383. 
WahhT,   G.   C.  397. 
Wairbmar,  Casp.  Mor. 

V.,    iiess.    Oberforst- 
meister   2()(i. 
Waleh,     Karl     Friedr. 

430. 
Waldeck,     Fürst    v. 

3()1  :      -Kiseid)erg, 

Fürst   Frierlr.   Anton 

l'lrich        V.        361; 

-Wildungen        Fürst 

Georg  Friedr.  v.  361. 
Warten  i>erg      ».      Tot- 

schen. 
Walimuth.  Dr.  163. 
Weber.   Prof.   Dr.  359. 

370  f. 
Weidmaim,    Prof.    Dr. 

Konrad.  aus  Basel  7. 

57.   75  ff.  98. 
W<-ilburg    230. 
Weili.  Ad.   101. 
Weilibach.  Christ.  363. 
Weitershausi'ii,      Craft 

V.   245. 
Weitmühl,     Christ,     v. 

46  f. 
Weitolshau.'ien.  Wolf  v. 

W>'|ekrr   4n2;     Frieilr. 

(m.III.    424.    411.- 
WrIdiT,  Jak.  ,s7ff.  97. 
Wendelslwim       i.       tl. 

Pfalz   173.   19S. 
Wenb'U,    Abt.'i    229. 
Wi'rn«'r    \^.m    Tij<*mar. 

Ad.   19.  27. 

:u 


HtTiili-r.     (iraf    23fi: 

Willi,    jrili, 
WVrllii-Liii.     lii'niTulvi. 

bur    Grjf    Willi,    v. 


Wessi'ii,  InKpplilijrAiil. 

Tlii.111.  177,  -203. 
WcsU'rLiiirv,  J»li.  Herr 

V.  241. 
Weslliniispii.  l'n.f. 

Kas|>.  V.  7S. 
Wi-stlioti-ri,   l>n>r.    Kiirl 


inintrudl: 
TocIiUt 
J24ft. -iJT: 


WicklT,    Ihirl,-!!    V.    i)2. 
Wicdi'Laili    (Wideiib.l. 

KuKp..  ituaUulii-iiriK, 

61. 
Wipn   7.   33.   :lüf.    lö. 

17li.  Itil.  iÜHll  1K1. 

JUlft.   4'J7ff. 
Wit;s«rb   224  If. 
tt'k'sunsleip  s.   Rfiii-z. 
Wilbrami,  J.-h.  Bt-nA,. 

444. 
Wilhclmabad  192.  494. 


4K5. 
Wtll<-iidorf  S7. 
WJllatiitt    4»lff- 
Wilna  4(K  44!i. 
Wimpfi-liiig,  ,liik.,  aii-i 

Sililprisladr    (If.    !lf, 

KJff.  äHff.  41  f.  47f. 

f.l.  5Hff.  HO.  80.  ^'i. 
Winipfcii  -M. 
\Vijii|ijiiii,  K.W.  X  i:-t. 
Witirki-liiiaiiri.Joti.Jii;«! 

■im.   2;t'>;    Sii|HTinl. 

2:!;!.  27:1,  27ü.  2'.):.. 

3t)2.  404. 
\Viiil.-rli.-ll,Clirisl.itLji1. 

llWf. 
Wirl,  Wie,  27. 
Willi-,  Joli..  aus  Kit-ii 

2ilü. 
Wit1fJi1<.Ty  3.  10.  4r>f. 

JW.   7K   Ml.   K5.   3:-«i 

;i4;i.  ;t4ii.  35U.  ;(ü3. 

\V;i(iti,    Joli.    12;    Iva. 

ans  Ilniiii.'lbiirK  12ff. 

17.  -)4.  81.  89.  120. 

1KH;  Klaus  12;  Mar- 

Kar.  12. 
Wiiir,  .\liiiilidlls  .H2.  41. 

(!0:    Tlwtua«    junior 

2H.  .111.  41.  17/.  üO; 

Joh.    (v.    llprmaiius- 

grünj  13. 
Worms     Ü3;     Biüiliot: 


üalbetv.Joli.v.U.iü. 

4.^.    50.    7». 
\V(jrma([au  229. 
Wiln-liwilz    IKl.    214. 
WiirlU'mlMTj[28C;  (iwl 

KbiTliariNO;  Herz« 

llrii-li    l.j. 
;   Wiir7,l.ur^71. 177.2031 


Vai 


Hill, 


-iird 


ZrtiiU.    t;i;li.    Ital    3«P. 
;i82:  Rejr-Kal  :i70. 

Zasius,  l-lrirh  41.  77. 
Z''lKMidi'r    li;    *.    llrti- 

Zi'ilz  18i.214;Bisrlio[ 

Julius  V.  Pfiup  ;ü. 

ZivRloi',  Jak.,  au«  Lmi- 

liau  70. 
/iii|;i'l,   (iPoriiius  UX 
/tilitl  von  Uiohulstadt, 

Ur.    Jtielr.    mt.   o3. 

I)(i.   77, 
Zolkni.      Ural      Kili^l 

l''rii-itri('li      KaniniL-r 

richlpr   14. 
ZumtiH'rleltt      s.    S<>m- 

Zwt'ibrüeken  193.  471. 


Bemerkungen  zu  den  Abbildungen  und  Plänen. 


Dio  /cM-liMiinjj;  zu  dviu  SiiiiuM  rlrs  llislor.  Voiviiis  für  das  (iroÜli. 
Hesseil  auf  KiiibaiiiMcrkc,  l'inschl.i}:  iiiid  V<»rsatzi)lalt  von  Arcli.  N.  F.  Hd.  V 
ist  von  Prof.  H.  Hülse fier,  D.irmsta«!!,  nach  d«'rn  ällrsleii  SiejU'l  Land- 
graf Heinrichs  I.  vnn  Hessen  anjirfeiiijrl.  H.  liat.  auch  die  Zeiclninn?;  für 
den  Heitor  niil  dem  Ji>'^sisclifn  Wappen  auf  Kiniiaiiddeck<*,  rnischla<!  und 
Tile!  de»'  Sunderausiiabe  «liesi's  iJjiiuIes  (..llcilrägi«  •/..  (Jesch.  d.  Tniv.  Mainz 
und  Gießen")  und  auf  dein  i\el>entilel  vi»n  Anh.  N.  F.  V  nach  dem 
(ließener  Stadlsi»*«rel  von  125»),  das  auf  Seite  222  nacii  dem  Original 
wiederjrejfeben    isl.    enhvorf«*n. 

Die  Ansicht  von  Mainz  um  1550  ^Seiie  ^{^  \:\\}\  einen  Hdlzschnill  im 
Uesilz  dei  (IroLJh.  Hofliihliothek,  di«*  von  ca.  ltK)()  (Seit«;  127)  den  Stich 
von  rieler  Hendrik  ScInU  \vied«'r.  Für  <li<'  .Mdjildunu  ih-r  iJurse  zum 
Algesheimer  in  ihrem  heuti}jcn  Zuslan«!  Seite  OÖ.  Imt  uns  Fml'.  Neel>, 
Mainz,  eine  von  ihm  ^^cierlij^tü  photo^Tapiiisclie  Aufnahme  in  dankenswerter 
Weise  ül)erlassen. 

Auf  Seile-  21  i)  ist  (ii«'ücn  nach  einer  [''tMltTziMchnunir  W.  Dilichs  v.  .1, 
1591  dargestellt.  Die  Ansicht  auf  S<-ite  2i)'i  uiifl  die  AhhildunK  des  Kolle^ien- 
iiebäudes  (Seiti*  327)  wiedeiluden  zwei  im  Jahre  1751  \oii  (!.  M.  I'romier 
.ius|ieführle  Aquarelle  der  Handschrift  No.  2')1»  der  firoüh.  Hofhihliothek. 
Das  Hild  von  (lielien  auf  Seite  Vil.  die  Ansicht  des  SchielJhauses.  Seite  ;i5t), 
die  tles  Hu.schschen  Wartens,  S*Mtc  ;J7.'),  jene  der  rniversitätsreilhahn, 
Seite  391,  und  die  beiden  Studenlenbilder  auf  Seite  329  und  393  sind  alten 
Gießener  Stammbüchern  aus  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts 
entnommen. 

Die  Silhouette:  Grulman  im  Familienkreis,  Seite  406,  und  das  .lujiend- 
bildnis  K.  L.  W.  v.  Grohnans.  Seite  410,  sind  nach  Oriiiinah'ii  im  Hesitze 
von  Frau  Math.  v.  Gmlman,  Karlsruhi».  u'cätzt  worden.  Die  Silhouette 
Ch.  Galzerts  auf  Seite  4li2  ist  im  Kupf«'rsiich  in  dem  Gießener  juristi- 
schen Almanach  von  1782  enthalt*Mi.  Das  Fnrtiäl  auf  Seite  4f)7  uiht  einen 
von  C.  Felsinjü  nach  der  in  Darmstadt  im  Jalire  1791  entstanch'nen  Zeich- 
nunji  F.  J.  Hills«  anjief«'rlititen  Kupferstich  wieder.  Das  Bild  Johaim  Hal- 
thasar  Sclnipps  auf  Seite  259  ist  im  Jahre  1043  von  Sebastian  Furck  in 
Frankfurt  a.  M.  in  Kujifer  gestochen  worden.  Wir  geben  es  nach  einer 
Pliotojiraphie  im  Besitze  des  Großh.  Lantlesnmseums  wieder,  dem  wir 
aucli  die   Vorlagen   zu   den   Bildnissen  Gatzerls   verdanken. 

Die  rniversitätssiejiel  (Siei^el  der  Universität  Mainz.  Seite  1.  Siejiel 
der  dortigen  medizinischen  Fakultät,  Seile  8tl,  der  Jurist i^lH-n,  Seile  93. 
der  theologischen,  Seite  124.  der  plnlosophischen.  Seite  104,  der  l'niver- 
sität  (iießiMi,  Seite  217.  «ler  dorti;;en  tlKHjloiiisi  lien  Fakultät.  Seile  320,  der 
philosophischen.  Seili-  .'>.")5,  der  jurisliscljcn.  Seite  374,  der  medizini.scheri, 
Seite  405)  sind  nach  F.  und  H.  Gritzner,  „Die  Siegel  der  deutsehen  Uni 


58a      BemerkunKei)  zu  den  Abliildungen  und  PlAnen.  —  Nachtrag. 


vtM*silül«Mi.  Münihorp  IIKIU**  (,I.  SicluiuuluTs  großes  und  allgeüLeines  AVapiJon- 
buch   I,  IS,   Al  v\i«MliT}jrt'y;rln'ii. 

Di«'  SioirrI  auf  di'i-  Sifui-ltaft-l  izvvischon  Seite  224  urid  Seite  225) 
und  die  Siejicl  d.-r  Stailr  (iießt-ri  \c»ii  i2Ji4  (Seite  222)  und  1331  jSeite246i 
howie  ^la^  der  Hurüniannen  und  lUirjit.'r  zu  üioüen  von  1332  (Seite  245)  sind 
nach  (iip>Ml)iiiW>en  und  Orijfinalfn  iin  Üesitze  des  Großh.  Haus-  u.  Staiits- 
aicliivs  zu  Dannstadt  al>ge})il(h'l.  Kine  genaue  Beschreibung  findet  sich 
auf  Seile  24t)  217. 

Die  Abbilflium  der  Medaille  auf  dii?  Wiedererrichtinig  der  Mainzer 
l  niversiliit  im  .lahn-  17M  auf  Seile  Dki  «libl  i-ini'U  Kupfei*stich  des  Mainzer 
riiivi'rsität.-kujiferslri  Ihts  IL  Cnntiii'U  in  i;iner  Dissertation  v.  J.  1784 
v.i»M|i-r. 

Die  (Irundri!'»skiz/.iri  der  Unr;^  (IIimImt«:  auf  Sfil«'  2.'U  und  der  liurjr 
zu  (lii'tien.  {\\o  zwischen  Seil»»  24t)  und  241  einjfeschall«*!  ist,  .^^ind  von 
diMii  Virfasfser  »h's  Aufsatzes  „Alt  (JieiJt-ir*.  Archivdirektur  Dr.  Frhr. 
Sriieiik   ;:  u   Schwii  ns  he  r{£,   sellist   entworfen. 


Nachtrag  zum  Beitrag  VI.  Alt- Gießen. 

:\;uli  Abschiulj  iiitMiM'r  Arbeil  <Mbielt  icb  v*ui  Herrn  l'rofossor 
Dr.  A.  Rocschi'ii  eine  t'rj^iliizeiKle  Mitteilung.  Er  booluuhtote 
im  Soiinner  1905  in  (l(»r  Scbloligasse  Mauerresto,  die  bei  der 
Kanalisation  ziitai^e  traten.  Ks  fand  sich  am  östlichen  Eingang 
d<M'  Schloüiüasse  ein  Maiierzuu  zwischen  der  Möbelfabrik  von 
Pb.  Brück  lind  dem  Hocbsletterscben  Ibuise.  Ein  anderer  Mauer- 
resi  t.  rat  in  der  Mille  dcM*  Straße  zutage  vor  dem  Hause 
des  Sehn  bmac  hermeislers  Wacker.  Er  zoj;  längs  der 
Scbl<»ßij;asse  von  Osten  nach  Westen;  seine  Stärke  betrug 
uni;«'fähr  einen    Meter. 

Dieser  zweite  Maiierzug  scheint  entweder  der  ältesten  Sladt- 
maih'r  anznt;;<di«»r<'n  oder  eiiu^m  (rebäude  der  alten  StaiU.  das 
bei  (bMen  Erwi'ileruiii^  (b'r  Straßenanlage  weichen  mußte.  Die 
zu*Msl  erwähnte  Maiu'r  ist  zweifcdlos  die  bei  Anlage  der  Festung 
abgiM'issene  Stadtmauer  nach  dem  alten  Schlosse  zu.     G.  s  /.  s. 


Xitteris  et  arm/s 


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