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JJiAKE-SIi«roRD-.rW^nOR'VTC/El(Strä-
BEITRAG
pur Geschichte der Universitäten!
MAINZ und GIESSEN
Herousgejiabfin (m Auftrage de» Hlitoriichen
Vereins für dai GroBliertoetiim HesMn von
Julius Reinhard Dieterich «..d Karl Bader
GIESSEN 1907
In KorrrmlM'uit ila' VnHi^^bucliltiwwtlunt ipn Cinlt Rolti
M
Beiträge zur Geschichte der
Universitäten Mainz und Gießen
r
BEITRÄGE
zur Geschichte der Universitäten
MAINZ und GIESSEN
Herausgegeben im Auftrage des Historischen
Vereins für das GroBherzogtum, Hessen von
Julius Reinhard Dieterich und Karl Bader
1 o
GIESSEN 1907
t der Verlagsbuchhandlung von Emil Rglh
I
264688
Geilriukt in der (I. F. Wiiiterschen Biicluhuckerei
in Darmstadt vom 10. Juni bis H. Juli 1007
Iii<hldru(k, Aulolypion und Zinko;:raj)liif'n von
der Liclildruckanstall Zedier iV Vojs'ol Danii-tadt
•• • •
. •».
... * . - -
Dieses lUicli ist zujfleicli als V. Bund der nemMi Folj:e dos Archivs
für Iiessische (iescliichte und Alterhunskunde ausjrefj'cbcn wordrn.
Der HISTORISCHE VEREIN
für das Großherzogtum Hessen
zur dritten Jahrhundertfeier der
ALMA MATER LUDOVIOlANA
Inhalt.
Beiträge lur Qetchichte der Univertltlt Mainz I—'^IG
I. l'n,l,-y,H<ir Dr. liustav Uaucli. Hreslnii: Aus ilrr ne.scliiilitp
Ups HHiiizci' Eluiiiaiiisiiiu.s Il— 8<i
It. ITnrrt^r frofc^^icr I). Dr. Frnnz Falk. Kli-iii-WLiilcmhciiii:
Jaku)i WclJcr, ilrr ci-sIp Rrkloc <ler Mniiizi-r llorhsc-liiile
(1478 -MSt) 87 -at
III. (>l>erl('lii'rr E.i<'. Frttz Herniiann, ÜarriislRÜl: Di«' Mninzcr
Kursen ,/uiii Algi-^lieimer* uiiil .Zum Si'hGiikrnliM'i;' uml
ilire Slaluteii '.14- H4
IV. I Die Hell rcr Profe^'sor Dr. Hpinrich ScIirDlic, Mainz; Dia
WieJrrbesctzutig erlciligtpr l'i'iifcssai'en. Ein Deiliiig zur
Uainzer UiiiversitätsgeHchitlilc des iitt-fKeliendon lü, sowie
(los 17. JAlirliundcrts Idri-Hi4
V. riiiversiUibiirurcssiir Dr. Wilhelm Slii-iln. Uiiizi^: Wi<-
inHii im 18. JiilirliunJurt an iler rniceisiiril Mainz ffir die
Ausbilüunij; vun Prcifessoreii iler Kamera hvissenstlin 11 siincle Di-'i ~!:>1ll
BehrSge zur Qetchichte der Sladl und Universil&t Gießen . ^17— ')lt
VI. Archivdircktor Dr. UustuvFreiliciT Schenk zu >:<;li »-Ollis-
herg, Darmsla.lt: AlMüeüen 2ll>-^r,l
Aniiaiti;: (jiessa HuKsoruni. Eine in Kiiiiler ^.'esliii'lieiie
Aii^idjl der ütuh aus ilctii Julirc ll>lä jriä— äri4
VII. Pfnrrer I>. Dr. Wilhelm Dielil, Hirschlii>rn: \'euc Kei-
Irfiice zur (iesthichle vun Johann Bnltliasar Si'lmiipius in
der zweiten l'eiindi; si'iiicr Marhuiner l'roressi>riTiati(;-
keit (itiS'.t -l(i4ii) ä:«)-32e
VIII. Olierlelirer Dr. Wilhelm Martin Becker, Darmsliull : Zur
(iewliiclite ileH Pcniialiüiiius in Harburg und (licQeti . . 'Ml -^'tTi
IX. Oberliibliüllieknr b. Cr. HofblblJDtliek Dr. Ludwi» Tul tz.
llarmstBÜl : Zwei Hessen- Ilomliurt-isi'bp I'riiizennls Gtieüenei'
Sluileiilen (I7ää -173:f} :tr.ll-:t74
X. HibÜDlhcknr b. Ur. Huflubliotliok Prof. Dr. Karl K.i.lor.
Diirmstadt: ,Vi>n lOdlieliem Ablclien und solenner Beenii-
(!unp ReeliJris Magnifici' :t7."i— :!8'.i
XI. nbei-lebrer Prof. D. Dr. Emin Preuscbeii, Darmsladt:
Synibula. Aus allen tiießencr StiumnbOchem 3iHt—Ml't
XII. HOlfsbitiliolheknrh. (ir. Hofbibliotbek Dr. Knri £ssetl>orn,
Darmstadl: Karl Lud wi|; Wiliiclin von Grulmnn in lüeüen 41m;— 4CI
Xltl. Ilnus- uiul Staulsarcbivar Dr. Julius Bernhard Dieterich,
DnrmsUiiIt: Ein UiuGencr Professor als licssLsciier Sta.iLs-
minister Mil—TiM
XIV. Kran Em i Dicleritli, Üiiriiisladt; Befislor T,\:>-iitn
Eiiii Diclericli, Diiniislndti Be^
[islor . .
limiKcn zu ilon Alibililun^'en um!
1 Tafdn
niK zum Itcilraif VI: Alt-tiiofipn
Beiträge zur Geschichte
der Universität Mainz.
t. (Tu iTcni tuten Ualni u. nieCcD.
« • • • •
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^^
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus.
Von Gustav Bauch.
Die Mainzer Universität galt im Anfange des XVI. Jahr-
hunderts gewissen Zeitgenossen sozusagen als eine Spezial-
Universität für die Juristen und die Humanisten oder foeten.
Das bezeugt in recht wenig freundlichem Sinne ein
grämlicher Bericht', den 1511 in Leipzig am Alten hängende
Artisten und Theologen, die sich über die Entwicklung der
1ÖÜ2 und in den folgenden Jahren von dem Herzog Georg
von Sachsen anläßlich der Gründung der bald zugkräftigen
neuen Universität in Wittenberg angeordneten Reformen
amtlich aussprechen sollten, an den Herzog sandten.
Darin heißt es: „Über alle ohgemelte stucke wollen E.
r. ü, gnediglich hertzlich betrachten, das dise uniuersitet
nach dem bildtniß der I'arisischen, dye do aller uniuersi-
teten mutter ist, durch hochloblicher gedeehtnis E. F. G.
voreldern ist fundirt und gestiHtet, in welcher alleweg den
vorczug hat Studium philozophic, ariium und theologie, wie-
wol man auch iura und poelcn lisf. Es haben also dye
Leyptzischen lange das lob bey andern uniorsitt-ten ge-
habt, das sie gute philozophi weren. Darauß gekommen,
das Ingelstadt durch doclor Adorff, Wittonbcrgk durch
ilellerstadt, Franckfurt durch Wympina als gelerte phi-
' Codex di|il<jtiiatirus Sa<(onini- Regiae, !I, XI. 317. .318 (.Vo. 252).
Zur Datierung vcrjl. V. Geß im Xcuwi Archiv (ür Süchsisclic Gfseliichte,
XVI, 86.
4 Gustav Bauch.
lozophos uffgericht seyii und erwachsen. Es hat auch Stu-
dium philozophie biß doher E. F. G. uniuersitet erhalden,
wenn alleweg dye meisten schuler in derselbigen gewest
seyn. Darumb solch fundament zurutten und weyter ein-
zureumen andern faculteten, wird zu großem ungedeyen
reychen. Und so iura und poetica sollten dye obir-
handt haben, wurd eyne Mentzische uniuersitet ge-
beren, do es sich dermaßen heldt. Es seint aber
allenthalb offtmals aide kaum hundert supposita.**
Es ist kaum nötig, besonders zu betonen, daß dieses
schroffe, einseitige Urteil über die Mainzer Universität ten-
denziös übertrieben ist; denn wir können gerade dort trotz
des trümmerhaften Zustandes der Überlieferung wie sonst
nicht bei allen alten Universitäten den Nachweis führen,
daß alle Fakultäten, auch die damals in Deutschland meist
blutarme medizinische, Zeichen von ihrem lebendigen Da-
sein hinterlassen haben. Und wenn wir soeben das Be-
dauern über den trümmerhaften Zustand der Nachrichten
zur Geschichte der Alma Mater Moguntina äußerten, so be-
trifft die Klage ganz im besonderen eben den von Leipzig
aus so mißtönend stigmatisierten Humanismus.
Den scheinbaren Widerspruch in diesem Forschungs-
befunde durch den Aufweis von wiederaufgefundenen und
periodenweise geordneten Fragmenten in objektiver Dar-
stellung aufzulösen und durch die Betrachtung des huma-
nistischen Spezialgebietes von Mainz die allgemeine Ge-
schichte des deutschen Humanismus zu fördern, diesem
Zweck sollen die folgenden Zeilen gewidmet sein. Und
unter diesem Gesichtspunkt möge sie auch der gütige Leser
würdigen. —
Wenn jemand sich in Übertreibungen bewegt, so liegt
doch manchmal den Extravaganzen ein positiver Kern zu-
grunde, \md so war es auch bei den morosen Leipzij]:cr
Magistern, die sich am liebsten mit dem „Quieta non mo-
vere** hätten beruhigen lassen. Es war das unbehagliche
Empfinden, daß das ihnen ehrwürdige, gewohnte und auch
bequeme Alte unter den sich in der wissenschaftlichen Welt
allmählich vorbereitenden Neuerungen doch schon leise zu
wanken anfing und daß die augenscheinliche Geneigtheit
des Herzogs Georg für das Neue noch Schlimmeres für
Leipzig fürchten ließ. Was war nun aber das Neue, das
sie so perhorreszierten und das in Mainz schon in die Er-
scheirning getreten sein sollte? Das Jus und die Poetica!
Da leider 11. Stintzing in seiner ZusammensteUuni^
der Entwicklung des Rechtsstudiums an den deutschen l'ni-
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 5
versitäten im zuendegehenden Mittelalter^ Mainz ganz über-
gangen hat, müssen wir diese Lücke ausfüllen.
Es war hier nicht das Jus canonicum, das zu dem alten
eisernen Bestände der Universitäten gehörte, gemeint, son-
dern das stärkere Auftreten des Jus civile, das wegen seiner
wachsenden praktischen Bedeutung immer größere Berück-
sichtigung seitens der Landesherrn der Universitäten ver-
langte und das in Leipzig noch immer eine schwächliche
Existenz hatte 3, während es in Mainz von Anfang an vor-
handen und nicht bloß wohlgelitten war, sondern gleich-
mäßig weiter gepflegt wurde.
Man hätte in Leipzig nicht auf Paris zu exemplifizieren
brauchen, man hätte auf die echte Tochter von Paris in
Deutschland, Köln*, man hätte aber auch, was noch näher
lag, auf Leipzigs Mutter, Prag% zurückgreifen können, wo
überall das kanonische Recht überwog und in der Reprä-
sentation der Universitäten dabei doch von geringer Bedeu-
tung war, und wo, wenn auch Doctores iuris utriusque pro-
moviert wurden, das kaiserliche Recht trotz des Titels nur
so nebenbei und bruchstückweise in die Vorbildung der
Promovenden mit einbezogen wurde.
Als die eigentliche deutsche Juristenuniversität, die man
in Leipzig auch 1511 noch nicht hätte nennen dürfen, galt
im XV. Jahrhundert Erfurt. ^ Der Stifter der Universität
Mainz, Erzbischof und Kurfürst Diether von Isenburg,
damals Kanonikus in Mainz, hatte vom Wintersemester 1432
ab in Erfurt studiert, wo das bürgerliche Recht schon seit
1409 vertreten war. Als Rektor des Sommersemesters 1434
wird er zwar nur als „in artibus baccalarius** bezeichnet,
doch war diese Stufe in der artistischen Gradleiter auch
die erste Stufe zum juristischen Studium wegen der Vor-
übung in der Kunst zu disputieren; er ist sicher als Stu-
diosus iuris in Erfurt zu denken. Da seine neue Universität
Mainz sich gerade durch die Pflege der Jurisprudenz aus-
zeichnete, wollen wir auch noch ein Wort über die Be-
deutung des Jus an einer Universität, die einen geistlichen
Herrn zum Begründer hatte, einfügen, das uns dann zum
Humanismus überführen soll.
Man muß den anachronistischen Standpunkt verlassen,
als wäre es zu jenen Zeiten schon passender gewesen,
2 R. Stintzing, Ulrich Zasius, 323 f.
3 E. Friedberg, Das Collegium Juridicum. 28 f., 30 f.
* R. Stintzing, a. a. 0., 329. — & R. Stintzing, a. a. 0.. 325.
^ Th. Muther, Zur Gescliichte der Reclitswissonschaft. Die Juristen
der Erfurter Universität im 14. und 15. Jahrhundert.
6 Gustav Beuch
wenn alle, die sich dem geistlichen Stande zuwandten,
Theologie studiert hätten ; Kanoniker und angehende Bischöfe
aber hatten, so paradox das klingen mag, um zu selb-
ständigem Urteil und Einfluß, zu gelangen, Jurisprudenz
ebenso nötig oder bisweilen fast nötiger wegen der infolge
der auf weltlichem Besitz fundierten Bistümer und der
anderen kirchlichen Stiftungen ihnen zur Erhaltung der
Grundlage ihrer Existenz obliegenden und "unumgänglich
notwendigen Verwaltungsgeschäfte. Es war gewiß er-
wünscht, wenn ein Bischof, ein Dechant, ein Archidiakonus,
ein Kanonikus oder jeder Vicarius in spiritualibus (das
Vikariat war häufig, später bisweilen regelmäßig mit dem
Generaloffizialat verbunden) theologische Kenntnisse hatten,
doch konnte auch in den meisten von diesen Stellungen
Kenntnis des kanonischen Rechts nicht recht entbehrt
werden. Prediger konnten des theologischen Wissens nicht
antraten und waren deshalb oft gelehrte Theologen, man
denke an Geiler in Straßburg, an Biel und Wimpfeling
in Speier, an Lutreia, Zehender und Nausoa in Mainz;
für alle höheren Geistlichen, ja selbst für Pfarrer genügte
in der Praxis das von theologischen Kenntnissen, was für
die Erlangung der Priesterweihe allgemein vorgeschrieben
war, und das bedurfte keines großen Studiums. Daher wurde
das juristische Studium, wie z. B. die Forschungen an
italienischen Universitäten nachweisen, im Mittelalter be-
sonders stark von Angehörigen des geistlichen Standes ge-
trieben. Diether hatte dazu auch noch, wie aus dem vor-
liegenden Tatbestande hervorgeht, die Wichtigkeit des Zivil-
rechts erkannt und deshalb für beide Zweige des Rechts
in Mainz von Anbeginn gesorgt, ohne die Theologie und
ihre Amme, die Philosophie (Mainz scheint der Via moderna
angehört zu haben), wie die Medizin zu vernachlässigen.
Von Legisten können wir', ohne daß Vollständigkeit
zu erreichen wäre, doch, weil auch die Nachfolger Dicthers
sich seinen Intentionen anschlössen, eine immerhin respek-
table Reihe anführen: Wigand Kennicken aus Padorl)orn,
Doctor legum und Professor, Kantor zu St. Viktor und
schon Sekretär Adolfs IL, gestorben 1480 als Dechant zu
St. Bartholomäus in Frankfurt; Alexander Thcodorici
aus Memmingen'*, Doctor legum und Licentiatus canonum.
". Zum Folgenden vergl. IL Knodt, De Mogiintia litterata Coinincn. II,
ö, 52, 53, 54, 55.
^ Niclit Meinungen oder Meininjjon. Er ist Anfang 1467 in Heidelberg
als Alexander The<jdrici de Memmingen diocesis AugU!>t(?nsis immalrikuliert
und am 13. Juli 1408 Baccalaureus artium in via moderna geworden.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 7
1483 Dekan, 1496 Prokurator am Reichskammergericht;
Georg Schrauff, Doctor legmn, 1488 Rektor (f 1504);
1488 Floreiitinus Holtzweilcr und Johannes Mergent-
heim, Doctores legum, Mergentheim auch kurfürstlicher
Rat; Jakob Kolcr, Doctor legum, 1493 Dekan und Judex
generalis (f 1498); sein Nachfolger Nikolaus Finck aus
Lorch, Doctor legum (1504); Lambertus Richtergin aus
Aachen, Doctor legum und 1501 Ordinarius; Rolinus Tinc-
toris, Liceatiatus legum imd Lektor, 1509 Doctor iuris
utriuscpie; Johannes Fürderer oder Kühorn, Doctor
legum, c. 1508; Dietrich Gresemund Junior, Doctor
legum, der in einer Nachricht von seinem Tode Ordinarius
genannt wird^; Konrad Weidmann, Doctor legum und
1518 Ordinarius, lö
Die Leipziger hatten nicht unrecht, Juristen und Poeten
in einem Atemzuge zu nennen. Noch zog ein großer Teil
der Scholares iuris nach Italien, in das Mutterland der
juristischen Studien, besonders die Legisten und die Be-
flissenen des vollen Jus utrumque, da in Deutschland doch
im ganzen das Jus civile sich an den Universitäten lang-
sam einfand (in der kaiserlichen Residenz Wien z. B. erst
1493) oder einnistete. Dort lernten sie die humanistische
Elocpienz kennen oder zogen bald dahin, um sie sich bei
solchen Lehrern, wie Philippus Beroaldus^^ in Bologna
anzueignen, die Eloquenz, die für die höhere Beamten-
laufbahn -einschlagende Juristen vor 1500 schon vonnöten
war 12, wenn sie bei Verhandlungen und Staatsaktionen als
Oratoren zierliche (docti) Reden halten oder als Kanzler und
Sekretäre elegante Briefe schreiben wollten. Sie und andere,
die als Dozenten an deutsche Universitäten übergingen,
pflegten die Erkenntnis auch ihren Verwandten und Schülern
einzupflanzen. Der Verbreitung dieser Anschauungen wird
man inne, wenn man die Schüler des Konrad Celtis im
Wiener Poetenkollegium ^^ und die Jakob Lochers in Ingol-
stadt — bei diesem spricht sogar die Ansetzung seiner Lehr-
^ Zu Dietricli Gresomund Junior vcrgl. weiter unten.
1^ Zu Konrad Weidmann vergl. weiter unten bei Johannes Rhagius
und den Epistolae obscuroruni viroruni.
11 Hierzu verjil. die Dedikationen seiner Werke. G. Bauch, Die Re-
zeption des Humanismus in Wien, 141.
1- Da ist es recht charakteristisch, wenn, wie Wimpfeling in seiner
Expurgatio contra detractores sagt, Pfalzgraf Philipp ,,decreuerat in suo
gymnasio (d. h. in uniuersitate Heidelbergensi) lectiones nouas in oratoria,
in poetica, in graecis literis (cum legistarum coFlegio) instituere".
12 G. Bauch, Die Rezeption des Humanismus in Wien, 14ü.
8 Gustav Baucli.
stunden durch die Universität dafür^^ — oder die Erziohung
der Söhne des Pfalzgrafen Philipp in Heidelbergs^ und in
Mainz betrachtet. Auch unter den aufgezählten Mainzer
Legisten werden wir Vertreter dieser Richtung finden.
Unsere Darstellung aus der Geschichte des Mainzer Hu-
manismus werden wir jedoch nicht mit der Vorführung
eines humanistisch gebildeten Juristen, sondern eines Me-
diziners einleiten, den wir an die Spitze stellen, weil er
am frühesten aus unserer Schar, schon vor dem wirklichen
Inslebentreten der Universität, in Mainz war und dann zu
ihr übertrat. Das ist Dr. Dietrich Gresemund der Ältere.
Dietrich Gresemund ist eine allen Mainzer Forschern
wohlbekannte Persönlichkeit, und doch hat sich niemand
um die Zeilen aus kompetenter Feder näher bekümmert,
die sich über seine Stellung zum Humanismus scharf und
deutlich aussprechen. Er war in Meschede in Westfalen ge-
boren, weshalb die Angehörigen seiner Familie in Mainz
manchmal Meschede genannt wurden^^, und stammte aus
einer Literatenfamilie. Sein Bruder, Magister artium Got-
schalk Gresemund, der im Sommersemester 1424 die
Universität Erfurt bezogen hatte, bekleidete in den Winter-
semestern 1437 und 1445 und im Sommersemester 1456
das Rektorat der Universität und waltete im Wintersemester
1457 als Vizerektor. Er war nach Absolvierung der arti-
stischen Studien Doktor und Professor der Theologie und
Kanonikus, später Dechant zu St. Marien. Ein anderer
Bruder, Hermann Gresemund, kam im Wintersemester
1445 nach Erfurt und führte als Magister artium und Bac-
calaureus theologiae formatus im Wintersemester 1463 das
Rektorat. Dietrich Gresemund folgte seinen Brüdern im
Wintersemester 1455 nach Erfurt" und trat dort ein halbes
Jahr nach Berthold von Henneberg xmd ein halbes Jahr
vor Rudolf Agricola ein. Er wurde im Jahre 1459 Bak-
kalar und 1465 Magister der Künste. Als Erfurter gehörte
er wie seine Brüder zu der scholastischen Via moderna,
die allein daselbst vertreten war. In Italien lag er dann
medizinischen Studien ob und ließ sich als Doctor medicinae
zuerst in Speier nieder und darauf in Mainz. Kurfürst Adolf
^* G. nauch. Die Anfänge des Humanismus in lupolstadt. 84.
^^' Lehrer der Söhne waren: Adam Werner, Koiirad Celtis. Johann
ReuchHn, Oecolampadius, Johannes Hhapus Aesticampianus.
1« Vergl. H. K. Singer, Der Humanist Jakob Merstetter, 50. wo der
Sohn Theodor Älescliede Leg. Dr. Def. lieißt.
^" G. Dauch, Die Universität Erfurt im Zeitalter de* Krühiiunianis-
mus, 50.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 9
machte ihn 1470 zu seinem Leibarzt und ebenso Kurfürst
Berthold 1484, der ihn auch als Rat aufnahm." Ein Be-
weis des Vertrauens war es, daß Berthold ihn 1486 mit
Dr. Alexander Theodorici und Magister Andreas
Eber als Vertreter dreier Fakultäten, mit Ausschluß der
Theologie, zum Bücherzensor des Erzstifts Mainz bestellte.^
Wohl schon in Erfurt, wo der fahrende Poet Peter
Luder aus Kißlau 1461 und 1462 lehrte^o, vom Humanismus
beeinflußt, brachte er aus Italien eine feine humanistische
Bildung mit heim und gehörte zu so früher Zeit schon der
schärferen Richtung des Humanismus an, die bereits an
eine Refonii der Universitäten in ihrem Sinne dachte. Hier-
über belehren uns Äußerungen seines Sohnes Dietrich
undWimpfelings xmd auch seine Freundschaft mit Konrad
Celtis.
Daß Wimpfelings enthusiastische Worte an Dietrich,
den Sohn, bisher so wenig Berücksichtigung gefunden
haben, erklärt sich wohl daraus, daß man seine etwas
geschraubten Sätze nicht richtig verstanden hat, und
weil er gerade an der Stelle, an der er die Bildung des
Vaters lobend anerkennt, eine Bezeichnung gebraucht, die
leicht falsch verstanden werden kann. Er sagt nämlich
1493 in der Widmung seiner Elegantiae maiores^^: „Ich weiß
nicht, Dietrich, ob ich Deine geistige Begabung eher als
die väterliche Unterweisung loben soll, so sehr gefällt mir
beides. Denn weder würde ohne einen gewissen eigen-
artigen Vorzug Deines Fleißes der Vater selbst mit großer
Mühe etwas ausrichten, noch hätte Dein recht zartes Alter
schon ein so gehäuftes Studium der humanen Wissen-
schaften bewältigt, wenn es nicht den hervorragenden und
andere weit übertreffenden Führer und Lehrer in den guten
Wissenschaften zur Verfügung hätte. Daher werde ich Dich
loben, solange ich lebe; ich werde aber auch Deinen hoch-
gelehrten Vater loben, der, obgleich er ein Deutscher, doch
ein sehr großer Liebhaber der italienischen Eloquenz (italice
eloquencie), im Vertrauen auf die wunderbaren Gaben Deines
Geistes glaubte, daß Du in der Rhetorik und Poetik unter-
wiesen werden könntest.** Und zum Schluß schreibt er
^^ Joannis, Scriptores historiae Moguntinae. III. 393.
19 F. W. E. Roth im Katholik 1898, II, 243.
2« G. Bauch, a. a. 0., 44 f.
-^ Jacobi l'ymphelinpi Sletstatonsis Elojiantianim niO(lulla. oratorie-
que precepta. In ordinem iiiuentu facilein. copiose. clare hrouitorque rt'ducta
0. 0. und J. (Mainz, Peter Fried berg). 4^.
21 Widmungsbrief: 17. kal. Novbr. 1493.
10 Gustav Bauch.
noch: „Lebe wohl und bringe mich durch dieses Werkchen
Deinem Vater nahe".
Die italische Eloquenz ist hier natürhch nicht in der
Bedeutung von Gewandtheit in der italienischen Sprache,
sondern schon von der verfeinerten lateinischen Beredsam-
keit der italienischen Humanisten zu nehmen, von der
Wimpfeling und andere seiner humanistischen deutschen
Zeitgenossen noch weit entfernt waren.
Seine entschieden gegnerische Stellung zu der üblichen
Behandlung der lateinischen Sprache an den deutschen
Schulen und Universitäten werden wir mit den Worten
seines Sohnes aus demselben Jahre später beleuchten. Da
Wimpfeling den Vater ausdrücklich als den einzigen Lehrer
des Sohnes in den Humaniora preist, ist dies wohl auch
zugleich ein Zeichen dafür, daß damals die Gelegenheit,
sich humanistisch zu bilden, in Mainz trotz der Universität
noch ziemlich sparsam geboten war.
Hiemach wäre Dietrich Gresemund, der Vater, der
Ahnherr des Mainzer Humanismus. Sein Sohn erwies
sich damals schon imd noch mehr nachmals als eines
solchen Vaters durchaus würdig, denn dieser ist der erste
Mainzer Humanist geworden.
tJm 1480 ungefähr bewegte sich ein Mann als Scholar
der Medizin in Mainz, der zwar eigentlich niemals selbst
ein wirklicher Humanist geworden ist, der aber doch eine
Rolle in der Geschichte des Humanismus gespielt hat, der
nachmalige erste Rektor der Universität Wittenberg, Martin
Polich von Mellrichstadt in Franken, und deshalb meist
kurzweg Meilerstadt genannt. - Es ist nicht ausge-
schlossen, daß er dort, etwa in der Atmosphäre Grese-
munds, humanistische Keime aufgenommen oder vorher
schon in Leipzig aufgenommene weiter entwickelt hat. Im
Sommersemester 1470 Leipziger Student, 1472 Bakkalar
und im Wintersemester 1475/76 Magister der Artes, hatte
er fleißig ausgearbeitete thomistische Vorlesungen gehalten,
in Mainz wairde er Doktor der Medizin und 1482 Leibarzt
des jungen Herzogs Friedrich von Sachsen, dcir später
als Kurfürst den Namen Friedrich der Weise erhielt.
Melierstadt hat 1486 seinen Freund und zukünftigen So-
dalen Konrad Celtis dem Herzog Friedrich bekannt ge-
macht und dadurch der Krönung des ersten Laureaten in
Deutschland durch Kaiser Friedrich III. in Nürnberü: 1487
-- Zu Martin F^olich vergl. G. Bauch, Geschichte des Leipziger Früh-
huinanis-nius, 7 f. etc.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 11
vorgearbeitet; denn Kurfürst Friedrich von Sachsen war
Pate bei diesem Akte. Daß Po lieh nicht erst infolge seines
Verkehrs mit Celtis zum Humanisten wurde, läßt sich aus
seinen poetischen Versuchen in den achtziger Jahren, z. B.
aus seinem heroischen Gedicht auf den 1486 gestorbenen
Kurfürsten Ernst von Sachsen, folgern; denn Verse hätte
er, der Scholastiker, doch wohl kaum in einem Jahre
schreiben gelernt. Als seine Mainzer Lehrer in der Medizin
sind wohl Gresemund und Dr. Peter von Viersen, der
als erster Ordinarius der Medizin 1480 dem Rektorat der
Universität vorstand, und vi;*lleicht auch Dr. Albrecht
von Minsingen23^ den Kurfürst Diether 1478 zu seinem
Leibarzt und Rate machte, zu betrachten. Er ist auch kein
verächtlicher Mediziner gewesen, sondern hat durch seine
medizinischen Produktionen der Universität, die ihm den
Doktorhut verlieh, Ehre gemacht und ohne Schwierigkeit
den Weg von den Arabisten zur klassischen Medizin ge-
funden.
Nur durch einen zufälligen Umstand, die Wirkung
eines Empfehlungsbriefes, erfährt man von einem fahrenden
Poeten, doch einem Poeten ohne Verse, der kurz nach
Mellerstadt in Mainz aufgetaucht sein muß, von dem
Doktor des kanonischen Rechts Johannes Riedner von
Ludersheim bei Nürnberg, dem Freunde Peter Schotts
aus Straßburg und des berühmtesten böhmischen Huma-
nisten und vornehmen Herrn Bohuslaus Lobkowitz von
Hassenstein. Mit diesen Männern hatte Riedner in
Bologna Freundschaft geschlossen, wo er schon als Magister
von 1473 an kanonisches Recht studierte. Im Winter-
semester 1479 trat er in Krakau als Poeta auf und im No-
vember 1480 ebenfalls als Poeta in Rostock. Daran schloß
sich sein Aufenthalt in Mainz, der durch die Erfurter Matrikel
bezeugt ist. 2* Dort trug ihn im Wintersemester 1482 der
Rektor Graf Philipp von Solms mit den Worten in das
Album ein : »jJohann-^ s Ryednor de Luderßheim, iuris pnn-
tificii doctor, gratis ob reuerentiam uniuersitatis huius et
rectoris studii Maguntini." Er kam also r?cta via aus Mainz,
doch ist leider der Name des Mainzer Rektors nicht über-
liefert, der mindestens durch seine Empfehlung eine freund-
liche Gesinnung für das Studium humanitatis an den Tag
gelegt hat. Verse sind von Riedner gar nicht bekannt.
-^ Zu Viersen und Minsingen vergl. H. Knodt, a. a. ()., II, 2, 6, Gl;
zu Viersen auch Roth, a. a. 0., 115.
-* G. Bauch, Die Universität Erliurt, 56 f.
12 Gustav Bauch.
er behandelte mehr stilistisch-rhetorische Disziplinen und
fand endlich 1484 eine feste Anstellung als Poeta et Orator
in Ingolstadt, wo er 1491 ein Stein des Anstoßes für Kon-
rad Celtis wurde, der ihn als vetulus poeta verächtlich
angriff und seinetwegen erst 1494 dort dasselbe Ziel er-
reichte.
Wenn dieser Fahrende so ohne Sang und Klang durch
die Hörsäle von Mainz gegangen ist, kommt man wohl leicht
zu der Frage, ob nicht ein anderer aus der beweglichen
Schar der Wanderpoeten deutlichere Spuren von seiner
Anwesenheit in Mainz zurückgelassen hat. Nur an Celtis
wäre hierbei zu denken, aber auch seine Einwirkung auf
die Mainzer Verhältnisse außer durch seine Schüler und
Sodalen ist ziemlich schemenhaft. Erst Aesticampianus
hat nachweislich befruchtend auf empfängliche Geister ge-
wirkt. Doch bevor wir zu Celtis und Aesticampianus
übergehen, haben wir dem Sohne und Schüler Grese-
munds unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Nur einem
Mainzer Gelehrten wollen wir noch den Vortritt gönnen,
der vermutlich anregend für Gresemund gewesen ist, weil
dessen Biograph Gebwiler seine historischen Studien be-
sonders hervorhebt und die Publikationen Gresemunds
das ebenfalls bestätigen, wie er denn auch schon in seinem
ersten Jugendwerke auf die Geschichte hinweist, deren
antike Vertreter doch damals immer wie die anderen pro-
saischen Autoren unter den Begriff Rhetorik subsumiert oder
nach der Weise der Scholastiker gar imter die Poeten ein-
gereiht wurden. Dieser erste Mainzer Humanist mit nicht
bloß sprachlichen und poetischen, sondern auch mit histori-
schen Interessen war Ivo Wittich aus Hamelburg-^ der
Sohn des Klaus Wittich und seiner Frau Margare ta.-<^
Ivo Wittich war im Sommersemester 1473 in Leipzig
immatrikuliert worden wie schon im Sommer 1463 ein Jo-
hannes Wittich de Hamelborgk, der wohl sein Bruder
gewesen ist, und hatte im Wintersemester 1475 das ar-
tistische Bakkalaureat erworben, war aber dann zum Stu-
dium des kanonischen Rechts übergegangen und Doctor
decretorum geworden. Zu der Zeit, als Konrad Celtis
nach Leipzig kam, 1486, unterrichtete er in Magdeburg
mit dem italienischen Humanisten Fridianus Pighinucius
2^' Zu Ivo Wittich veriil. Roth, a. a. 0., 106f.: II. Knodl. a. a. 0.,
8f. ; G. r>aurh, Geschichte des Leipziger Frühhumanismus, 6f., lü, 21, 22.
2'' Für (He Kitern, die Roth fälschlich Ivo und Katharina nennt, vergl.
Wittichs Legitimationsbrief im Zentralblatt für Bibliothekswesen, XIV, 526.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 13
aus Lucca den jugendlichen Erzbischof Herzog Ernst von
Sachsen, Pighinucius in der besseren Latinität und
Wittich im Jus. Das Zusammensein mit dem fein ge-
bildeten italienischen Poeten hat ihn in seinen humanisti-
schen Neigungen und Studien gefördert, aber an seiner
gut deutschen Gesinnung nichts geändert. Beide hielten
mit Celtis, der zeitweise auch in Magdeburg geweilt hat",
auf brieflichem Wege freundschaftlichen Verkehr. Noch 1487
war Wittich in Magdeburg und trat in diesem Jahre, mit
Pighinucius vereint, als Herausgeber eines römischen
Historikers hervor. Auf der Rückreise von der Vermählung
der Schwester des Erzbischofs Ernst, Margareta, mit
dem Herzog Heinrich von Braunschweig-Lüneburg im
Februar 1487 unterhielt sich der gelehrte Rat und Orator
Ernsts Johannes Wolf von Hermannsgrün-^ ein
Schüler des Pomponius Laetus, in Halberstadt mit Pighi-
nucius über römische Geschichte, und man kam dabei auf
Flonis zu sprechen. Wolf besaß eine Handschrift des Florus
und schickte sie einige Tage später Pighinucius. Nach
dieser guten Handschrift gaben Wittich und Pighinucius
den Autor heraus, und Wittich las in Leipzig darüber.
Zu seinen Zuhörern zählte der junge Konrad Wimpina.^»
In der Widmung des Florus an Erzbischof Ernst hat Pighi-
nucius sich scharf gegen die leeren scholastischen Haar-
spaltereien und das zwecklose übermäßig lange Verweilen
bei den logisch-dialektischen Disziplinen ausgesprochen und
er hat damit die humanistische Parole zum Kampfe gegen
das Althergebrachte in Leipzig ausgegeben.
Aus so guten und schneidigen Vorbedingungen kam
Wittich nach Mainz und er ist hier, obgleich bald viel-
seitig als juristischer Gelehrter und Fachmann tätig und
verwandt, nicht wie so mancher andere Mann der Praxis
den Bestrebungen seines Vorlebens untreu geworden und
hat dadurch dem Humanismus in Mainz mehr genützt, als
das die flüchtigen Zugvögel der fahrenden Poeten imstande
waren. Wir lassen zuerst die Entwicklung seiner Laufbahn
am Rhein an uns vorüberziehen.
Am Dienstag nach Invocavit 1491 nahm ihn Kurfürst
Berthold von Henneberg zu seinem Rat und Diener
auf, ein Verhältnis, in dem sich Wittich zur Zufriedenheit
seines Herrn vollkommen bewährte. Den 3. November 1495
^' Nach einem Briefe Adam Werners von Themar an Celtis in Celtis*
Codex epistolaris.
2« G. Bauch, Die Universität Erfurt, 107 f.
29 G. Bauch, Geschichte des Leipziger Frühhumanismus, 7.
14 Gustav Bauch.
wurde er in Frankfurt als erster inainzischer Beisitzer des
Reichskammergerichts von dem Kammerrichter Grafen Eitel
Friedrich von Zollern in Pflicht genommen, und am
4. Mai 1496 befreite ihn, der noch Subdiakon war, Ber-
thold von der nach kanonischem Recht durch sein
Assessorat am Reichskammergericht hervorgerufenen Irre-
gularität und öffnete ihm dadurch den Weg zu den höheren
Weihen und zu höheren geistlichen Würden. Zum Jahre
1499 soll er daim seine Stelhmg am Reichskammergericht
niedergelegt haben.^^ 1494 war er in seiner Eigenschaft
als kurfürstlicher Rat mit am kaiserlichen Hoflager in den
Niederlanden und saß in Antwerpen in Sachen des Bischofs
von Worms Johannes von Dalberg contra Worms zu
Gericht. Später, 1498, fiel ihm in den Streitigkeiten zwischen
dem Bischof und der Stadt noch eine, allerdings erfolglose,
Vermittlerrolle zu. Am 18. Dezember 1494 wurde er und
der Doctor legum Johannes Schad, ebenfalls in Antwerpen,
von Maximilian I. beauftragt, dem kaiserlichen Sekretär
Matthäus Lang aus Augsburg, dem der Kaiser die J^icentia
in legibus verliehen hatte, die Doktorinsignien zu erteilen.»^
Lang, damals schon und später als kaiserlicher Locum-
tenens in noch höherem Grade eine bedeutende Persön-
lichkeit am kaiserlichen Hofe, ist der nachmalige Bischof
von Gurk und Kardinal-Erzbischof von Salzburg. Im Jahre
1499 erhielt Wittich von Bert hold die durch den Tod
des Matthäus Eberwein erledigte Lektoralpräbende ^u
St. Viktor und wurde damit Ordinarius des kanonischen
Rechts an der Universität. Das Jahr 1501 brachte ihm die
"Würde des mainzischen Sigillifer. 1504 endlich hatte er
das Rektorat der Universität inne, nachdem er 1501 und
1502 ihr Kanzler gewesen war. Zu dem Kanonikat bei
St. Viktor imd einem andern bei Beatae Mariae Virginis
ad Gradus empfing er 1506 noch eins an der Kathedrale zu
St. Johann in Breslau .^^ Am 4. Dezember 1507 ist er aus
diesem Leben abgeschieden, er gehörte al)er zu den bevor-
zugten Privatleuten, die ein bleibendes Andenken in der
deutschen Literatur haben.
Die an der Elbe in ihm geweckte Vorliebe für die Ge-
schichte^s, der er an der Pleiße darauf durch Vorlesungen
3" llarpprecht, 11. 50, «0.
s^ Paul Legers. Kardinal Matthäus Lang, 74, wo für Joani luoni zu
lesen ist. — ^- Vergl. hif*rzu den oben zitierten Lej:itiniationj>l)rief.
3^ Roth, 111, berichtet, daß Wittich mit Konrad Peutinger im Brief-
verkehr gestanden und ir)0;-J j^ich hei ihm nach dem Krscheinen seiner
Arbeil über est- und weströmische Münzen erkundigt habe. Diese Arbeit
hat wahrscheinlich heute die Wiener Hofbibliothek handschriftlich aus dem
besitz Peutingers.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 15
Rechnung getragen hatte, pflegte er am Rhein weiter und
bewährte sie in zwiefacher Weise. Zunächst stiftete er
1504 als Rektor eine Lcktur für Geschichte an der Uni-
versität und dann beteiligte er sich an einem großen Über-
setzungswerke, das der erste Inhaber seiner Lektur, Doctor
legum Bernhard Schöfferlin»*, begonnen hatte. Es ist
sonderbar, daß die landläufigen Darstellungen der wissen-
schaftlichen Renaissance dieser Seite des Humanismus meist
nicht gerecht werden oder sie gar nicht kennen, so daß
man leicht zu der falschen Anschauung kommt, als wären
die Humanisten weltfern auf romantischen Wolken über
die Masse des deutschen Volkes, also ohne jegliche Fühlung
mit ihm und ohne Streben danach, hinweggeschritten. Für
die Humanisten am Rhein und zu dieser wie zu der fol-
genden Zeit gilt das in keiner Weise, denn hier, in Heidel-
berg, in Straßburg und in Mainz, suchte man^ von patrioti-
schen, pädagogischen und moralischen Gesichtspunkten ge-
leitet, positive Früchte aus dem Studium des Altertums
auch anderen, die der lateinischen Sprache nur wenig oder
gar nicht mächtig waren, zugänglich zu machen.
Wie Schöfferlin nach Mainz gekommen ist, entzieht
sich der Kenntnis, vielleicht setzte er sich dort zur Ruhe.
Er war in Eßlingen geboren und am 19. Oktober 1454 als
Student in Heidelberg eingetreten, wo er am 10. Juli 1456
Baccalaureus in artibus viae modernae wurde. Seine juristi-
schen Studien hat er, nach seiner humanistischen Bildung
zu schließen, in Italien gemacht. Im Jahre 1485 war er
Assessor des württembergischen Hofgerichts, dem auch
Johann und Ludwig Vergenhans (Nauclerus), Martin
Nittel und Johann Reuchlin angehörten. Mit Reuchlin
war er befreundet. Im Jahre 1495 wurde er erster, vom
Lande Schwaben präsentierter Beisitzer des Reichskammer-
gerichts und als solcher am 2. November in Frankfurt
vereidigt. 1499 wurde er aufs neue Rat bei Herzog Ulrich
von Württemberg, vorbehaltlich seiner Stelle bei dem
Reichskammergericht, und 1500 schwäbischer Bundesrichter
namens der Städte. Schon 1503 ist er in Mainz mit der
Übersetzung des Livius für die Schöffersche Offizin be-
schäftigt gewesen.
Von welchen Anschauungen getragen er an diese Hte-
rarische Arbeit ging, das gibt seine Vorrede wieder. Er
sagt: „So ich offt und vil by mir selbs betracht hab, was
einem weltlichen man allermeist zu vernimfft dienen, zu
3- Zu SchöfTcrlin vergl. RoHi, a. a. 0., l()2f.; Harpprocht, II. f>2. 03.
16 Gustav Bauch.
manheit (virtus) und einem tugenrichen leben bringen müchl,
find ich nach myneni bedunken nit nützers noch frucht-
barlichs, dan flyßig historien und alt geschichten ze lesen,
wa die allein ordenlich, als sich des die alten Roemer
geflyssen haben, beschriben werden; wan von inen ein
yde geschieht warlich, wie sich die an ir selbes begeben
hat, mit allen umbstenden, worten und tatten, daran icht
gewesen ist, beschriben wirt. Wa das nit beschicht, moecht
syn, das sich uff historien zu geben, kleine frucht gebar.
Dan was hilfft mich oder warzu dienet es mir, das ich weiß,
das die Roemer ir küng vertrieben und ein ander re^iment
an sich genommen haben, so ich nit weiß, warumb und uß
was Ursachen es beschehen ist.** Ebenso setzt er ausein-
ander, wie wichtig und lehrreich es sei, die Taten Scipios
ZU betrachten: „das dynet einem yeden, der sich in ritter-
lichen oder weitlichen Sachen üben soll und muß, daruß
nympt der alt wißheit, der iung manheit und geschiklicheit
und lernet, wie man sich zu tujgenten keren, schand und
laster flihen und myden soll** etc. Zu der Entwicklung Roms
von geringen Anfängen zur Weltherrschaft, dem Rückgang
und Verfall bemerkt er: ,,das dynet nit wenig einem yden,
der von gott dem almechtigen darzu angesehen und ver-
omet ist, das er land oder stett regieren soll**. Zum Schluß
spricht er von seinem nationalen Standpunkt aus: „So ich
nun befynd, das in tütscher zungen sollicher waren und
recht beschribner historien großer mangel ist, hab ich
Bernhard US Schoef erlin, doctor in keyserhchen rechten,
mir selber fürgenommen, mit hilff des almechtigen gotz,
der myn vernunfft und zungen leyten wol, dem gemeinen
nutz zu gut, zu lob und eer tütscher nation zu beschriben
die rechten waren roemischen hystorien von Ursprung der
statt Rom, wie sie von erst gebuwen ward, wie ir regiment
von anbegynn durch die küng, darnach durch iarlichen
gewalt zweyer burgermaister, die sie Consules genent haben,
und eins ratz ein lange zyt bestanden sy, wie ouch das
roemisch volck durch di(» gemeind oder zunfftmeister, die
sie Tribunos plebis genannt haben, den hogsten gewalt an
sich und die gemeind pracht hat imd wie es am ledsten zu
der Monarchia, das ist zu gewalt und regiment eins einigen
menschen kommen sy, dadurch die keyserlich würde iren
Ursprung und anfang genommen hat, und was zwytragti-
keit, krieg und stryt sich darunder zwyschen f runden und
fynden begeben haben. Ich würd ouch zu synen zyten der
tütschen manheit \md tugent nit vergessen, sonnder orden-
lich beschriben, was in vor fünffzehenhundert iaren mit den
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 17
Roemern und ander nation begegnet ist, wan ich fynd
souil manheit und ritterlichs werben von inen l)eschriben,
das sie in dem für alle nation gelobt syen.** Nachdem er
noch darüber Auskunft igegeben hat, daß er eklektisch ver-
fahre und frei übersetze, kommt er zuletzt mit einem Hiebe
gegen die literarischen Neigimgen der Zeit, einem schul-
meisterlichen Gegenstück zu den satirischen Intentionen des
Cervantes: „Ich hoff, es soll zu dem mynsten mer nutz
pringen, dann das man die fabel, die man nennet die ritter-
bucher, die erdachte, ungeschehene, ouch ungloepliche ding
in sich halten, lese, die ouch den menschen zu sollicher
vernunfft und geschiclicheit als dise warhafftige hystorien
nit sturen noch pringen mügen".
Schöfferlin starb nach Vollendung der beiden ersten
Teile, wahrscheinlich noch 1504, und Wittich führte das
Unternehmen fort. Er setzte mit dem Kriege der Römer
gegen Philipp von Mazedonien ein und schloß den dritten
Teil mit dem Regierungsantritte des Perseus (Buch XXXI
bis XL); 1505 erschien die stattliche, vornehm gedruckte
Ausgabe. Ihre Wiederholung und Erweiterung zeigt, daß
die Mühe der beiden Gelehrten nicht verloren war.
In der dem Bande vorgesetzten Widmung an Kaiser
Maximilian I., in der der Verfasser ohne Namensnennung
nur mit „ich** spricht, steht das bekannte Zeugnis für die
Erfindung der Buchdruckerkunst in Mainz durch Johann
Gutenberg, das Johann Fust und Peter Schöffer nur
den Ruhm der Weiterbildung' der schwarzen Kunst zuge-
steht.85 Da sich die Vorrede Schöfferlins munittelbar
hinter dem Register anschließt, so ist doch wohl dieser der
Verfasser der Widmung^«, imd das würde die Bedeutung
des Zeugnisses noch heben, da in Eßlingen, der Heimat
Schöfferlins, schon in den siebziger Jahren eui tüchtiger
alter Drucker, Konrad Feyner aus Gerhausen, tätig war,
der ihn doch am Ende über den Ursprung der Typographie
genügend hätte unterrichten können.
Sonderbarerweise hat Johann Schöffer, der doch
bald mit seinen gefälschten Angaben über die Erfindung
hervortrat, nicht nur hier die Widerlegung seiner Lügen
3^ ... in welicher stadt auch anfengklich die wunderbare kunst der
Truckerey und Im ersten von dem kunstreichen Johan Güttenbergk.
do man zait nach Christi unsers heren gebürt Tausent vierhunderth und
funffzig jare, erfunden und darnach mit vleyß, kost und arbeyt Johan
Fausten und Peter Schoeffers zu Mentz gebesserth und bestendig
gemacht ist worden.
^'^ IJ. Heidenheimer tritt für Ivo Wittirh als Verfasser ein. Zeitschrift
für Bücherfreunde, 2. Jahrgang, II, 368 f.
Beitrüge z. Gesch. d. Universitäten Mainz u. Gießen. 2
18 Gustav Bauch.
selbst abgedruckt, sondern er hat sie auch ruhig in den
Wiederholungen des Livius von 1514 und 1523, die doch
auch von ihm hergestellt wurden, unverändert stehen lassen.
Wittich hat allen Mainzern sichtbar durch einen in
seinem Rektoratsjahre, 1504, gesetzten Denkstein gleichfalls
sein Zeugnis für Gutenberg vor aller Welt abgelegt.-^"
Und mag auch die Revolutionszeit diesen Stein vernichtet
haben, die Fedeni der Historiker und die Lettern der Drucker
haben dieses unanfechtbare Zeugnis der Wahrheit auch
für alle Zeiten sichergestellt. So haben die beiden humani-
stischen Freunde der Geschichte für die Geschichte der
Menschheit und der Verdienste der Deutschen um sie ein
Monumentum aere et saxo perennius geschaffen.
• Reicher an eignen Werken und Editionen als Wittich
und auch produktiv in Viersen, die wir von Wittich gar
nicht besitzen, war Dietrich Gresemund der Jüngere-^**,
obgleich sein Leben noch rascher ablief als das Wittichs;
aber er war auch seßhafter in Mainz und hatte zugleich
einen größereu Freundeskreis, der ihn immer wieder zu
literarischen Arbeiten anregte.
Als Riedner in Mainz lehrte, war er ein Knab? von
fünf Jahren. Er ist 1477, obwohl stets Moguntinus genannt,
weil er als ganz kleines Kind nach Mainz kam, in Speier
geboren. Seine Mutter Barbara war eine Imelin oder Im-
molaria.
Wie oben berührt wurde, übermittelte ihm der Vater
eine tüchtige humanistische Vorbildung nach italienischem
V^orbilde, die von Besuchern des väterlichen Hauses schon
an dem Kinde bewundert wurde, und ließ ihn zwar an der
Universität die dialektischen Studien in via moderna ver-
folgen, doch nur sow^eit, als für einen Juristen nötig er-
schien. Durch eigene Erfahrungen belehrt, wollte er nicht,
daß der Sohn bis zum Magisterium f ortschritte, damit er
nicht zwecklos seine geistigen Fähigkeiten und die kostbare
Zeit in den üblichen leeren Wortgefechten der Logiker -
die Modernen galten darin als die Weitschw^eifigslen - ver-
geudete. Während dieser Vorbereitungszeit, bereits 1493,
wandte er sich auch schon den ersten Studien im Zivil-
recht ZU.33
In diesem Jahre trat der Vierzehnjährige, wohl durch
^' Vergl. H. Heidonheimer, Vom Ruhme Johannes Gutenhergs. 26 f.
^'^ Zu Dietrich Gresemund Junior vergl. die liebevolle Darstellung
Heidenlieimers in der Zeitschrift für Kulturgeschichte». N. F, 4, 111, 21 f. ;
G. Bauch im Archiv für Literaturgeschichte, XII. 346 f.
^'J K. Hartfelder, Adam Werner von Themar, 49.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 19
einen Besuch bei seinen Verwandten in Speier, mit W im-
pf el in g in Verbindung, der einen großen und dauernden
Einfluß auf seine ganze humanistische Richtung gewann,
und den er deshalb dankbar als seinen Lehrer verehrte.
Man könnte auch sagen: damit beginnt die Wimj)fe-
lingsche Periode des Mainzer Humanismus. Ebenso
knüpfte er 1493 mit dem pfälzischen Prinzenerzieher Adam
Werner von Themar auf brieflichem Wego an und durch
Verse, die beide bis zum Jahre 1495 miteinander wechselten.
Der Anknüpfungspunkt war das Gedicht, das Werner zu
den Versen Wimpfelings De conceptu et triplici Mariae
candore beigegeben hatte, und das Gresemund durch Zu-
sendung eines eigenen zum Lobe Wimpfelings erwiderte*<^,
welches an Kurfürst Berthold, dem Wimpfeling sein
Werkchen gewidmet hatte, gerichtet ist. Der Schluß preist
Berthold, und das wollen wir aus weiter unten noch
zu erörternden Gründen nicht seitwärts liegen lassen, als
Gönner der humanistischen Dichter:
... res placida est magisque multo,
Quod, Bertholde, tibi, beate presul
Moguntine, dicauit hoc celebre
Carmen, tu solita benignitate
Donis atque doces amare Musas.
Eternum merito tibi parandum est
Nomen post cineres cado tepentes.
Mit einem andern, wohl 1495 entstandenen Gedichte,
einer Elegie, feierte er Bert hold als Säule der Kirche,
als Hüter des Reichs, als treuen Helfer Maximilians und
als unermüdlichen Anwalt des ewigen Landfriedens.*^
An dem Briefwechsel nahm auch ein Schüler Werners
teil, der nachmalige Lehrer Philipp Melanchthons,
Peter Günther aus Neustadt an der Haardt, und kam da-
durch ebenfalls in Freundschaft mit Gresemund. 1496
war Günther Schulmeister in Oppenheim und Freund und
wissenschaftlicher Helfer des Stadtschreibers und Druckers
Jakob Köbel.*- Im Sommer 1517 stand er, nun Magister
artium und Doktor beider Rechte, der Universität Heidel-
berg als Rektor vor. Und 1521 gab Johann Schöffer in
Mainz zwei Bücher De arte rhetorica, von ihm heraus.*^
*<^ K. Hartfelder, a. a. 0., 93. - *» K. Hartfelder, a. a. 0.. 91.
*- Vergl. Das Bistiim Worms in den Historisch.j)olitischen Hlätlern.
Jahrgang 1876, II, 936.
*2 Petri Guntheri iurisconsulti, et oratoris, ac poetae laureati de
arte rhetorica libri diio. eloquentiae candidatis mire utiles futnri & breiii-
tate praeceptionuni. & exeniploriim uarietate. MQguntiae M. D. XXI. 49.
2*
«20 Gustav Baucb.
Hier heißt er auf dem Titel noch Orator ac poeta laureatus.
Wir werden ihn später als Streitgenossen für Wimpfeling
Seite an Seite mit Gresemund antreffen.
Als dritten im Jahre 1493 gewonnenen Freund Grese-
munds haben wir noch den Benediktinerabt zu St. Martin
in Sponheim, Johannes Trithemius, anzureihen, denn
schon am 1. Januar 1494 schrieb er an diesen als an einen
Bekannten und ehrte ihn mit der Anrede Praeceptor. In
einem Briefe dankte Werner Gresemund für die Zu-
sendung seiner Lucubratiunculae.** Das war die erste,
Trithemius gewidmete Arbeit, die der bei der Abfassung
erst sechzehnjährige Gresemund 1494 durch die Presse
ausgehen ließ. Sie bildet unter der Form eines Traumes
ein dreiteiliges Werk, das 1493 in Mergenthai entstanden
war, wohin er vor einer pestartigen Seuche geflüchtet war.
Ihr Titel heißt: Theoderici Gresemundi iunioris Mo-
guntini lucubraciuncule bonanim Septem artium liberalium
Apologiam eiusdemque cum philosophia dialogum et ora-
tionem ad rerum publicarum rectores in se complectentes.**
Sie sind begleitet von Applausen von Johannes Trithe-
mius, Konrad Leontorius aus Maulbronn, dem Zister-
zienser, von Jakob Wimpfeling und dem Regularkano-
niker in Heina Rutgerus Venrai Sicamber, die sich sämt-
lich nur auf das erste Stück beziehen. Trithemius und
Wimpfeling hatten wohl die andern Dichter angeworben,
die Verse aller bildeten eine nicht verächtliche Glorie für
das jugendliche Haupt des Verfassers. Es wird uns später
klar werden, wie gewichtig immerhin die Jünglingsarbeit
in dem damit auch in Mainz beginnenden Kampfe gegen die
alles überwuchernde scholastische Methode mitspricht.
In der Einleitung ziun ersten Dialoge, der zwischen
den Interlocutores Chiron und Aristobolus geführt wird,
die Dietrich zum Schiedsrichter angerufen haben, ergeht
sich der Verfasser in sehr scharfen Ausdrücken gegen den
Haufen der trägen Priester, denen der Name der guten
Künste so verhaßt sei, daß sie die Gelehrsamkeit der Schande
gleichachten und Unterrichtete mit unauslöschlichem Hasse
verfolgen.
Der Dialog spinnt sich nun in der Weise ab, daß
Aristobolus die einzelnen „Artes" angreift, ohne auch nur
eine gelten zu lassen, und Chiron, der die Ansichten Grese-
*4 K. Hartfeldor, a. a. 0., 85 X.
*^ Impressum in nobili ciuitate Moguntina per Petrum Fridbergensem
Anno virginei partus. M. cccc. xciiij. 49.
Aus der Gesohiclile des Mainzer Humanismus. 21
munds vertritt, sie verteidigt; keiner überzeugt den andern,
obwohl ihre Gnindanschauungen zusammentreffen.
So behauptet Aristobohis, die Grammatik sei gering
zu schätzen, da sie ad bene beateque viuendum keine Be-
deutung habe, sich nur mit der lateinischen Sprache be-
schäftige und höchstens für Knaben gut sei. Chiron wendet
dagegen ein, sie sei nötig zum Verständnis der Werke be-
rühmter Männer, in denen die besten Vorschriften für Er-
reichung der Tugenden überliefert würden, deren Kenntnis
zur Verbesserung der Sitten und damit ad feliciter viuendum
viel beitrage. Die Grammatik erstrecke sich auch auf die
griechische Sprache. Aristobolus wirft bei Chirons Auf-
zählung der grammatischen Elemente ein, daß die Knaben
nicht so unterrichtet würden. Denn es würden ihnen die
Regeln der Modi significandi beigebracht, die von einem
Nutzen für die Erwerbung der lateinischen Sprache so weit
entfernt zu sein schienen wie der Sanid, den man auf er-
tragfähigen Acker streut, um Früchte zu erzielen, von der
Fruchtbarkeit. Chiron meint darauf, auch vieles andere
minder Nützliche geschähe in altem Schlendrian, woraus
dann der von Aristobolus angedeutete Vorteil hervorgehe.
Es sei eitel und eine Schädigung der jugendlichen geistigen
Anlagen, wenn man sie unnützer Weise mit den Modi signi-
ficandi belaste, deren gründliches Verständnis einen Philo-
sophen erfordere. Daher glaube auch er, daß es mit dem
Zwecke der Grammatik nichts zu schaffen habe, sondern
daß die kostbare Zeit verschwendet, die (xeister verpfuscht
und für die höheren Wissenschaften verdummt würden,
wenn ihnen von trägen und deshalb ungc^lehrten Lehrern
nur die alte Barbarei, die sie von ihren Lehrern gehört
hätten, trotz des jetzt vorhandenen Reichtums an bewährten
Grammatiken, vorgesetzt würde. Die Lehrer führten die
verschiedenen Erklänmgen der Verse des Alexander Gallus
an, dächten die Berechtigung aller Einteilungen aus, häuften
die unnützen und ganz dunklen Kräfte der Regimina, die
von den Knaben nicht verstanden würden, zusammen, sie
zimmerten das unentwirrbare Labyrinth der fünf Figuren,
trügen jene alten Streitfragen und Behauptungen vor, von
dem Vokativ, von den unpersönlichen Verben und von den
Gerundien. Ganz zu schweigen von der weitschweifigen
und verzwickten Behandlung der Temporalia des Donatus,
von den verworrenen Redereien über die Hindernisse der
Konstruktion des Alexander Gallus^ von den unaufhörlichen
Zweifeln, die sowohl im Donatus wie in dem Alexander
mit einer langen Reihe von vielen Argumentationen den
i
22 Gustav Bauch.
Köpfen der Knaben eingepfropft würden, so daß ein Jüng-
ling, der fünfzehn Jahre die Schulen und Universitäten be-
sucht hatte, gefragt, was ihn die Lehrer gelehrt hätten,
geantwortet habe: ^,Die beiden Teile des Alexander**. Da-
her geschehe es, daß manche, die bei unsern Landsleuten
Magister der Philosophie hießen, wenn sie die Universitäten
verließen und unter wirkliche Gebildete kämen, weder la-
teinisch zu reden noch Gedichte zu schmieden, noch Briefe
abzufassen, keine Geschichten zu erzählen, noch sich über
die Geheimnisse der Moral und der Natur auszusprechen
wüßten, eben weil sie ihre ganze Lebenszeit mit den Modi
significandi und der Quiddiiät der Nomina und den ver-
zwickten Universalien und den übrigen Nichtigkeiten dieser
Art hingebracht hätten. Purer Wahnsinn sei es, mit so
leeren Lehren das jugendliche Alter zu ruinieren, da mit
einfacher Behandlung, die keinem Ekel errege, besser zum
Ziele zu kommen wäre. Bestätigend sagt Aristobolus, die
klugen Italiener lehrten mit Weglassung der Schwierig-
keiten ihren Jünglingen eine kürzere und vorteilhaftere
Grammatik, die dann so schnelle Fortschritte machten, daß
sie mit zwanzig Jahren zu dem Doktorat in den höheren
Fakultäten gelangten. Und er spricht sich mit dem Vorbe-
halt, daß er von der Grammatik überhaupt nichts wissen
wolle, noch schärfer dahin aus, daß die „Grammatelli'*
keine bessere Methode hätten ausdenken können, die Bil-
dung aufzuhalten und problematisch zu machen, und daß
Pluto, der Gott der Unterwelt (hier dem Teufel gleichge-
setzt), um die von Jupiter gestreuten Samen zu vernichten,
diese unentwirrbar verfilzten Irrtümer den Menschen ein-
gegeben habe.
Wenn wir den Disput über die Grammatik so ausführ-
lich wiedergegeben haben, so war die Bedeutung des Gegen-
standes für jene Zeit, für das Jahr 1493, und für das
rheinische Gebiet der Anlaß dazu ; denn erst 1496 erschien
AVimpfelings Isidoneus, von Jakob Han aus Straßburg
dem Straßburger Scholastikus Heinrich von Henneberg,
dem Bruder Bertholds, gewidmet, auf dessen Vorschläge
für die Reform des grammatischen Unterrichts so oft, wenn
auch nicht ganz mit Recht, als epochemachend für ganz
Deutschland hingewiesen wird, ohne daß man Gresemunds
gedenkt. Gresemund hat also doch wohl seine Ideen mehr
vom Vater als von W^impfeling übernommen, obgleich,
wie wir hervorzuheben nicht unterlassen wollen, die Aus-
führungen W^impfelings in dem Isidoneus, besonders in
den Kapiteln 17 und 21, inhaltlich und bisweilen fast wört-
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 2Ii
lieh mit denen Gresemunds übereinstimmen und es uns
schwer fällt, Wimpfeling als den Nehmenden und nicht
als den Gebenden zu betrachten. Beide, Gresemund und
Wimpfeling, haben in den grammatischen Reformen schon
1482 den Wiener Humanisten Bernhard Perger mit seiner
Grammatica nova nicht bloß als theoretischen Vorläufer,
sondern als praktischen Vorherausführer ihrer Wünsche ge-
habt.*^ Gresemtind der Ältere stand vielleicht auf dessen
Schultern.
Nachdem alle sieben Künste durchgehechelt sind, wird
Gresemund, der von vornherein für Chiron gestimmt war,
durch die Erscheinung und Bitte der sieben Künste noch
mehr in seinem Urteil bestärkt und entscheidet, ein jugend-
licher Salomo, in allen Punkten gegen den Angreifer. Von
der Logik sagt er, sie sei so zu berücksichtigen, daß man
auf sie nicht allein Mühe verwende, damit nicht die Zeit,
die für bedeutendere Disziplinen verwendet werden müßte,
bei ihrem Betriebe verbraucht würde. Aber die jungen
Leute müßten sich mit zuerst auf sie legen, da sie zu
vielem diene. Das ist das Urteil des Vaters, der nicht wollte,
daß sein Sohn das philosophische Magisterium erwarb, da-
mit er nicht seine guten Anlagen und die kostbare Zeit in
überflüssigen dialektischen Haarspaltereien verschwendete.
Die Astronomie (Astrologie), deren Vorhersagungen
Aristobolus als „Astronomorum commentum** behandelt hat,
nimmt er in Schutz, weil sie die Himmel offenbare und
den Menschen die Geheimnisse der Unsterblichen eröffne;
dadurch pflege sie auch den Staaten bisweilen sehr zu
nützen.
Diese Deklamation fand bei den Zeitgenossen lebhafte
Anerkennung, die sich nicht mir in den angehängten
Applausen ausspricht, sondern auch zu mehrfacher Wieder-
holung durch den Druck führte.*^ Dadurch wurde sie natür-
lich auch ein humanistisches Agitationsmittel im Kampfe
gegen die mittelalterliche Behandlung des Lateins. Die Vor-
liebe übertrug sich nicht auf die beiden folgenden Stücke
dieses Erstlingswerkes, den Dialog Gresemunds mit der
Philosophie und die Rede der Oratoria an die Staatslenker.
Der einzige Konrad Celtis hat ein Hexastichon daran ge-
w^agl, den ersten Dialog und die Geheimnisse der Philosophie
zu loben, aber es blieb in seinen Epigrammen begraben.*«
*^ G. Bauch, Die Rezeption des Humanismus in Wien, 15 f.
*• Hierzu vergl. Helhig, Bibliophile bolge, XI" annee, 1876, 22f., 209f.
*** Epigramme, ed. Hartfelder, III, 43: De Gresmundo. Von Hart-
felder fälschlich auf den Vater bezogen.
24 Gustav Bauch.
Das Zwiegespräch mit der Philosophie, das mehr Leben
und Geschick als der erste Dialog zeigt, schließt sich an
die Defensio an. Die Philosophie bittet Gresemiind, auch
ihre Verteidigung zu übernehmen. Er erklärt sich dazu
bereit, doch verlangt er, daß sie zuvor ihre eigne Sache bei
ihm führe, damit er wisse, wie er sie gegen die Angriffe
Übelwollender schützen könne. Er fragt sie, wanim sie
dulde, daß so viel Unheil und Verwirningen entstünden.
Die Philosophie behauptet, das sei nicht ihre Schuld; da
die Fürsten auf ihren Rat nicht hörten und der Auswurf
der Menschen den Sitz einnähme, auf dem sie sonst bei
den Fürsten zu ruhen gepflegt habe. Gresemund verweist
sie auf die Hülfe ihrer fünf Töchter, der Physik, Metaphysik,
Ethik, Mathematik und Logik, und der fünf Töchter der Logik,
der Grammatik, Poetik, Dialektik, Rhetorik und Historik.
Mit Hülfe dieser Nachkommen solle sie an die „Reforma-
tio rerum publicarum" jj;ehen.
Darauf erzählt die Philosophie, was sie schon versucht
habe. Sie habe erkannt, daß die gefährliche Krankheit von
dem Haupte ausgegangen sei. Daher sei sie sofort zu den
Fürsten geeilt, habe aber infolge des Einflusses der
schlechten Ratgeber tauben Ohren gepredigt und sei schließ-
lich durch bewaffnete Trabanten hinausgewiesen w-orden.
Ähnlich sei es kurz darauf der Concordia ergangen, und
als sie für diese eingetreten, sei sie hinausgeworfen worden.
Hierauf habe sie den Versuch gemacht, die Fürsten anzu-
gehen, wo sie, von ihren schlimmen Ratgebern getrennt,
sie vielleicht geduldiger anhören würden. Sie habe dazu
ein Gastmahl der Kaiser, Könige und Fürsten erwählt und
sich ihrer Schwester Justitia als Botin bedient. Diese sei
aber von den Dienern als ihr verwandt erkannt und mit
Schlägen abgewiesen worden, bis man sie rufe. Auf ihrem
Heimwege sei dieser ein scheußliches Weib, eine Megäre,
begegnet, die sich zu dem Mahle der Fürsten begab, um
Gift in ihre Becher zu schütten, daß keiner, der davon ge-
trunken, ruhen könne, bis er seinen Staat zu Grunde ge-
richt(»t habe. Auf die flehentliche Bitte und die Anrufung
des Zeus und d(»s Styx stand die Furie von ihrem Plane
ab; (loch sagte sie bei ihrem Verschwinden, daß die Rat-
g(^ber der Fürsten von ihrem Tranke schon vielfach ge-
nossen hätten.
Nach diesem fehlgeschlagenen Versuche habe sich die
Philosophie zu den Fürsten privatim begeben und geneigtes
Gehör gefunden; diese hätten um ihre Hülfe und ihren Rat
gebeten. Sie habe ihnen geraten, die Reformation bei sich
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 25
selber zu beginnen und dann die übrigen durch ihr Bei-
spiel zur Integrität aufzurufen. Zuersl aber müßten sie
die schlechten, habgierigen, unbilligen, grausamen, unge-
gelehrten, hochmütigen und Aufruhr erregenden Menschen
aus ihren Beratungen entfernen, die am meisten die Ruhe
der Staaten störten, und dafür gelehrte, rechtschaffene, ge-
rechte, friedliebende, treue, verschwiegene und kluge Männer
zu Rate ziehen. Die Fürsten nahmen die Ermahnungen
gnädig auf, zweifelten aber, daß ihre Vasallen ebenso bereit-
willig sein würden. Sie beauftragten die Philosophie, zu
diesen Fürsten und zu den Leitern der Städte zu gehen und
sie zu einer Versammlung zu berufen. Auch die Unter-
fürsten nahmen sie freundlich auf; nicht so die Lenker der
Städte, die sich nach ehrenvollem Empfange hochmütig er-
wiesen und erst nach eindringlichen Ermahnungen ihren
Starrsinn fahren ließen.
Hier tritt nun noch eine weibliche Erscheinung hinzu
und warnt vor dieser Nachgiebigkeit, da in den Städten
auch noch die schwankende Meinung des „Vulgus ignobile**
dazu käme. Diese Frau entpuppt sich als Veritas, die
Schwester der Philosophie. Gresemund hat sie nicht er-
kannt, weil ihr Gesicht von Narben entstellt ist. Sie hatte,
lange abwesend, überall in Lebensgefahr, alle Klimata
durchwandert und endlich, schwer verwundet, in einem
Kloster Hebreiche Aufnahme gefunden. Die Philosophie
nimmt sich nochmals der Städte an und verweist auf die
Fürstenzusammenkunft, wo ihre Enkelin Oratoria sprechen
werde.
Oratoria warnt die Fürsten vor Schmeichlern und
fordert von ihnen, nach dem Vorbilde römischer Feldherren
auch mitten in den Geschäften die Wissenschaften und die
Philosophie zu pflegen. Der ungebildete Fürst sei dem Ein-
flüsse schlechter Männer leicht ausgesetzt; der unterrichtete
sei schwerer zu täuschen. Sie sollten Gelehrte begünstigen,
um durch sie unsterblich gemacht zu werden; nicht bloß
Pferde, Hunde und Jagdfalken sollten sie ernähren. Staat
und Kirche würden dadurch neuen Glanz erhalten. Dann
aber sollten sie Gerechtigkeit üben; jc»doch so, daß sie als
Ausfluß der Frömmigkeit erschiene, und gleichmäßig gegen
Freund und Feind. Sich selbst aber müßten sie durch
Continentia im Zaume halten.
Sodann mahnt sie zur Eintracht. Papst Alexander
und Kaiser Maximilian sollen für Eintracht in beiden
Ständen des Staates sorgen. Alexander, ,,numon in terris
choruscans maximum", solle dem geistlichen Stande in
2G Gustav Bauch,
Heiligkeit der Sitten vorangehen; der mit jedem Verbrechen
belastete, fast zugrunde gerichtete Stand müsse sich wieder
erheben; doch müsse der Papst die Reformation ,,a maiori-
bus** beginnen. Von Maximilian wird vor allem verlangt,
daß er alle Fürsten und Völker einige, um sie zur Aus-
rottung der Türken zu führen. Die Versammelten erklären
nach Beendigung der Rede, daß sie ihnen angenehm ge-
wesen und daß sie ihnen auch für die Zukunft nützlich
sein solle.
Die scharfen Ausfälle, der Widerspruch der berührten
Verhältnisse mit der Wirklichkeit erklären wohl hinlänglich,
daß diese beiden Abschnitte der Lucubratiunculae nicht
wieder abgedruckt worden sind. Die Idee zu diesen Stücken
mag Gresemund wohl durch die Lektüre von Maffeo
Veggio empfangen haben. Fast zwei Jahrzehnte später
hat wieder ein Deutscher, Johann von Kitzscher, das-
selbe Fahrwasser aufgesucht*^ aber er tat es als ehemaliger
Schüler des Philippus Beroaldus und älterer Mann und
auch nicht nur zu deklamatoriscrhen Zwecken. G r e s e -
munds, eines halben Knaben, Leistung, der Italien noch
nicht gesehen hatte, ist daher um so respektabler. Man
denke, welche Mühen Philipp Melanchthon auf-
wenden mußte, um in Wittenberg Deklamationen, zusammen-
hängende prosaisch-rhetorische Darstellungen, auf die Bahn
zu bringen *o, und er hat sie doch dann noch zum guten
Teil für den Vortrag — selbst geschrieben.
Gresemund fand aber auch für das ganze Werk schnell
genug einen dauernden Lohn durch eine Rezension, die
ihm, so jung er war, kaum erst am Anfange literarischer
Tätigkeit und als Lebendigen in einen von den großen
papierenen Friedhöfen aufnahm, die die von manchem inn-
sonst ersehnte literarische Unsterblichkeit, ob auch nicht
immer „sans phrase", garantieren. Der Pate des Werkes,
Trithemius, reihte ihn mit den größten Lobsprüchen auf
den neuen Cicero in seinen Catalogus illustrium virorum^^
trotz seiner Jugend ein, weil er Bücher „wie ein Mann"
geschrieben habe.
Er tat dies aber nicht allein wegen der ihm durch die
Widmung widerfahrenen Ehre; der Knabe stellte sich ihm
*'*' G. Bauch. Johann von Kitzscher, im Neuen Archiv für Sächsische
Geschichte, XX, 314 f.
^^ G. Bauch, Die Einführung der Melanchthonischen Declamalionen
an der Universität zu Wittenherg, Breslau IIKK).
^^ Cathalogus illustrium virorum Germaniam suis ingeniis et lucu-
hrationibus omnifariam exornantium domini Johannis Tritemii abbatis Span-
hemensis etc. 0. 0. u. J. (Feter Friedberg, Mainz 1495), 4".
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 27
auch noch 1494 zur Seite in seinem gegen den Bruder
Wigand Wirt wegen der Immaculata conceptio geführten
Streite. Als er mit seinem Tractatus de laudibus sanctis-
sime matris Anne hervortrat '»^ hatte er um der verstärkten
Wirkung willen eine stattliche Reihe von Poeten dafür
mobil gemacht — in dem Streite reichten sich die sonst
doch bei den Theologen so verschrieenen Poeten mit den
strengsten Theologen die Hand. Trithemius selbst schritt
auch als Poet voran. Dann folgten Konrad Celtis,
Dietrich Gresemund der Jüngere, Rudolf von
Langen, Jodocus Radius (Asconsius) Gaudensis, Rudger
von Venrai, Dr. Jodokus Beissel, der Aachener Patrizier,
Adam Werner von Themar und Johannes Herbst aus
Lauterburg, einer immer den andern an Enthusiasmus für
die heilige Anna überbietend. Gresemund war mit seinem
Tetrastichon so unter die vornehme Gemeinde der nam-
haften Poeten der Zeit aufgenommen.
Die Lucubratiunculae trugen ihrem Verfasser nicht nur
den Beifall des Trithemius und seiner Freunde ein, er
beklagt sich in mehreren, seinem zweiten prosaischen Werke
angehängten Gedichten, daß ein falscher Freund hinter
seinem Rücken behaupte, sie seien mit fremdem Hammer
und Amboß geschmiedet. Der Zoilus hatte wohl nicht ganz
unrecht, wenigstens w^as die Selbständigkeit des Urteils an-
betrifft. Das Buch, in dem sich der verletzte Autorenstolz
äußert, ist: Podalirij Germani cum Catone Certomio de
furore germanico diebus genialibus carnispriuij Dialogus."
Das Werkchen ist von Versen der gekrönten Dichter
L. Joannes Cuspinianus und Jacobus Canter Frisius
begleitet** und unter dem letzten Februar 1495 dem Mainzer
Kanzler Georg von Helle, Pfeffer genannt, gewidmet.
Die Interlocutores des Dialogs sind der Deutsche Podalirius
Ecdicetes und der Italiener Cato Certomius. Cato urteilt
seinem Namen gemäß sehr streng und abfällig über die
tolle Ausgelassenheit des Karnevals bei den Deutschen, den
er in Speier kennen gelernt hat. Nach langem Disput mit
dem Verteidiger Podalirius, der Gresemund Gelegenheit
gibt, seine klassische Gelehrsamkeit zu zeigen, läßt er sich
aber doch bereit finden, jetzt in Mainz daran teilzunehmen.
*- De laudibus sanctissimc matris arme tractatus perquam utilis
domini ioaanis tritemij abbatis spanhcimensis ordinis diui patris bcnedicti.
Impressum in nobili ciuitate Maguntina per petrum Friedbergensem Anno
virginei partus Mccccxciiij xij. kalendas Augusti.
*3 Ohne Druckvermerk (Mainz, P. Friedberg), 4^^. Ausführlich be-
handelt von H. Heidenheimer in der Zeitschrift für Kulturgeschichte, N.
(4.) F., III, 21 f. — ^* Zu diesen beiden Männern vergl. weiter unten.
i
28 Gustav Bauch.
Da jedoch verdirbt sich Gresemund absichtlich oder un-
absichtlich die Pointe selbst^ indem er den Genossen Catos
Munacius als im Gedränge verwundet einführt. Natürlich
bedankt sich nun Cato trotz des Protestes des Podalirius
dafür, sich an dem Unfuge zu beteiligen. Dieses Zwiege-
spräch ist viel lebendiger und plastischer als die abstrakten
Lucubratiunculae und zeigt daher noch mehr wie jen?,
daß die Zeitgenossen nicht ohne Grund das Talent des
jungen Mannes bewunderten. Der Zwiespalt des Dialogs
wiederholt sich auch in den Begleitversen. Cuspinianus
lobt zwar den noch so jungen Verfasser, die Hoffnung
Deutschlands, doch weniger das verrückte Faschingstreiben :
Canter lobt gleichfalls Gresemund und ziemlich ironisch
auch den Karneval.
Wenn man den heiteren Gegenstand dieses Dialogs
betrachtet, wird man nicht geneigt sein, zu glauben, daß
Gresemund um dieselbe Zeit, als er das Buch schrieb,
daran dachte, ins Kloster zu gehen ^^, und doch ist dem
so. Am 11. April 1495 schrieb Trithemius an Konrad
Celtis, Dietrich sei vor zwei Monaten heimlich, vor seinem
Vater fliehend, zu ihm geflüchtet und habe um Aufnahme
unter die Mönche gebeten. Trithemius, der ihm nicht
gern willfahren w^ollte, zog ihn hin. Inzwischen besann sich
Dietrich, durch Briefe und Boten des Vaters bewogen,
eines andern und kehrte nach Hause zurück. Der Grund
der plötzlichen Abwendung vom Irdischen w^ar ein Fehl-
tritt: famulam domus grauidam reddidit; die Furcht vor
dem Vater hatte den schnellen Entschluß hervorgerufen.
Nach diesem Zwischenfalle schickte ihn der Vater nach
Italien, der Heimat der juristischen Studien. 1495 war er
in Padua und 1497 ist er in das Album der deutschen Nation
in Bologna eingetragen. Dort studierte er gleichzeitig mit
Thomas Wolf Junior^^, dem „Echo" Wimpfelings. Ein
anderer Bologneser Freund war der nachmalige Sekretär
Maximilians I., der 1504 bei dem Kaiser für Aldus Ma-
nu tius wirkte, als dieser seine Akademie nach Deutschland
verlegen wollte, Johannes Collaurius Firmianus.^"
Ihm widmete er eine Elegie „Epicurus**, die ein beschei-
denes, anspruchsloses Leben preist. Den legistischen Doktor-
^'* Das Folgende nach einem Briefe des Trithemius an Celtis in Celtis"
Codex epistolaris.
^6 Zu Thomas Wolf Junior vergl. Ch. Schmidt, Histoire Iitl6raire de
TAIsace, II. 58 f.; G. Knod, Deutsche Studenten in Bologna. 642, No. 427«;
G. Bauch, Die Universität Erfurt, 128 f.
■'^' Archiv für Literaturgeschichte, XII, 355, Anm. 1; G. Knod, a. a. 0.,
262, No. 1802; Studi e documenti, VIII, 282.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 29
hut erwarb er 1498 in Ferrara. Diesen italienischen Lorbeer
mußte er dann, als er in Deutschland einen Lehrstuhl an-
strebte, noch einmal verteidigen, weil einige transalpine
Universitäten in dem Rufe standen, gegen Geld und gute
Worte die akademischen Ehren zu übertragen. Darauf lehrte
er trotz seiner Jugend unter großem Beifall das kaiserliche
Recht. Hieronymus Gebwiler, der dies erzählt^«, nennt
die Universität nicht, es kann aber nur Heidelberg gemeint
sein, wo Gresemund am 29. Mai 1499 immatrikuliert worden
ist. Ähnliche Schwierigkeiten machte 1507 die juristische
Fakultät in Leipzig dem in Bologna promovierten Freunde
des Aesticampianus Dr. Heinrich Schmidberg, und
Dr. Christoph Scheurl trat deshalb für ihn ein.^»
In Heidelberg wohnte Gresemund im Hause des
„Wirtes der Philosophen**, wie man im Kreise der Sodalitas
literaria Rhenana sagte, imd Spezialfreundes des Konrad
Celtis wie auch Vertrauten des edlen Wormser Bischofs
und pfälzischen Kanzlers Johann von Dalberg Johannes
Vigilius«®, und lebte mit dem seit 1498 wieder nach Heidel-
berg zurückgerufenen Wimpfelingin engem Verkehr.^^ Bei
den „sokratischen** Mahlen im Hause des Vigilius trat er
auch Johann Reuchlin näher.
Der überaus fruchtbare Wimpfeling brachte ihm eben-
falls Gelegenheit, den Griffel zu führen. So als Wimpfe-
ling und eine große Schar seiner Schüler und Verehrer
sich im Juli 1499 mit einer an Kurfürst Philipp und seine
Söhne gerichteten Epistel für die Gleichberechtigung der
Modernen oder Nominalisten mit den Antiqui oder Realisten
an der Universität verwendeten. «^ Unter den 51 Poeten, die
das Gesuch mit Versen in die Öffentlichkeit geleiteten, steht
an zweiter Stelle, hinter dem Theologen Jodokus Gallus
aus Ruffach und vor Jakob Wimpfeling, Dietrich
Gresemund. Der im Oktober 1499 beendeten Adolescentia
Wimpfelings«3 gab er wieder an zweiter Stelle nach Jo-
dokus Galz ein Tetrastichon „contra mendacium** bei. Bei
*® Bei Historia de violala Cruce 1514.
^* Neue Mitteilungen des Thüringisch-Sächsischen Vereins, XIX, 404.
•® G. Bauch, Die Rezeption des Humanismus in Wien, 70.
•1 G. Knod, Wimpfeling und die Universität Heidelberg (Zeitschrift
für die Geschichte des Oberrheins, N. F. I), 321 f.
«* G. Knod, Zur Bibliographie Wimpfclings (Zentralblatt für Biblio-
thekswesen. V), 474, No. 2; H. F. Singer, Der Humanist Jakob Mer-
stetter, 24 f.
•3 Uns liegt die Ausgabe vor: Adolescentia Jacobi wimphelingij cum
nouis quibusdam additionibus per Galiinarium denuo reuisa ac elimata.
Straßburg, Martin Flach, 1511.
30 Gustav BaucI).
den 47 Poeten, die hier mitwirkten, findet man Peter
Günther, Johannes Immolarius Nemetensis, wohl einen
Verwandten Gresemunds, und Johannes Heusegen
(Oecolampadius) Wynspurgensis, den wir nochmals mit
Gresemund zu erwähnen haben werden.
Schwierig ist, da wir keine genauere Datierung und
auch keine anderen Verbindungsfäden auffinden können,
eine eigene Publikation Gresemunds aus demselben Jahre
in dem richtigen Zusammenhange unterzubringen. Er hielt
bei einer Synode unter dem Vorsitz des Erzbischofs Bert-
hold in Mainz eine Rede, die gedruckt vorliegt. ^^ Er er-
scheint in dieser Ansprache als strenger Sittenrichter. Den
belesenen Humanisten zeigt der Eingang, worin er nach-
weist, wie hoch die Priester in der heidnischen Vorzeit bei
Ägyptern, Galliern, Babyloniern, Indern, Äthiopen, Römern,
Hebräern und unseren deutschen Vorfahren geschätzt
wurden, und wie sehr der Priesterstand durch die christ-
liche Religion an Bedeutung zugenommen habe. Daher aber
müßten die Sitten des Standes auch als Norm für ein gott-
seliges Leben gelten können, und die Geistlichen hätten,
wenn sie unwürdig seien, einst härtere Strafen als die
übrigen Menschen zu erwarten. Er muß hiernach doch
wohl schon 1499 eine kirchliche Position in Mainz gehabt
haben.
Wenn sein Biograph Geh weiter erzählt, er habe sich
aus Liebe zur Religion und zu den Altertümern nach Rom
begeben, das er aber bald, der Stadt überdrüssig, wieder
verlassen, so muß das etwa 1501 geschehen sein, denn am
31. Juli 1501 ist er in Siena nachweisbar. Wir werden nach
Gebwilers Äußerung wohl nicht fehlgreifen, wenn wir in
diese Zeit die beiden sehr scharfen Epigramme Grese-
munds gegen das Rom Alexanders VI. setzen, die seiner
einstigen Rede der Oratoria so entgegengesetzt sind, viel-
leicht das Beste, das seine Muse hor\'orgebracht hat.«^ Das
Thema des ersten ist, daß Venus für den Ehebruch mit
Mars sich von diesem habe Rom schenken lassen und dort
nun gebiete, das des zweiten, daß nicht mehr Simon Petrus
als Stellvertreter Christi in Rom weile, Petrus sei zum
Fischfange zurückgekehrt, Simon sei geblieben.
*»* Oratio Thcodorici jrresemimdi ad sanctarii syiiodnm MoKuntinain
ologaiilissinia. Ohne Druckvorrncrk (Hist, Speior) 4^. Das Jalur ist auf
der Rücksoitc* des Titels anjiegeben.
^^ Pasquilli extatici. scu iiiiper e coelo reuersi . . cum Marphorio
colloquium et«., o. O. u. J., S. 19.), 202. E. B.» kitis, Ulrichi Hulteni
opera, III, 77.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 31
Auf dem Rückwege» nach der Heimat wurde Grese-
m u n d in Straßburg von einem Freunde dem Johann
Geiler von Kaisersberg zugeführt, der Neigung für den
bescheidenen jungen Mann gewann. Damals wird er wohl
auch zu der zwar erst 1503 erschienenen, aber von Wim-
pfeling schon quinto Idus Sextiles 1501 den Liebhabern
der guten Künste ,,ex heremitorio diui Guilhermi** gewid-
meten Ausgabe von Magnencij Rabani Mauri De Laudibus
sancte Crucis opus«^ seine zwei Gedichte hinzugefügt haben.
Poetische Genossen waren hierbei Johann Reuchlin, Jo-
dokus Gallus, Johannes Gailinarius aus Heidelberg
und Georg Simler aus Wimpfen. Bald rief eine Fehde
Wimpfelings Gresemund mit zum literarischen Kampfe.
Wimpfeling hatte 1501 in seiner Germania ad rempublicam
Argentinensem^' den Nachweis zu führen gesucht, daß Straß-
burg und die übrigen Städte des Rheins niemals dem galli-
schen Reiche angefügt gewesen seien. In seinem patrioti-
schen Eifer schied er nicht zwischen Gallien und Frankreich,
und daher ist seine ganze Beweisführung, nebenbei auch
in den Beweismitteln, etwas wunderiich. Die Schwächen
der Deduktion forderten den bekannten Humoristen Thomas
Murner zum Angriff heraus, ohne daß freilich auch er
Klarheit in die Sache gebracht hätte. Daß er gegen den
hochverehrten Wimpfeling geschrieben «^ bei ihm von
veterana deliratio gesprochen und mit Bezug auf die von
diesem zitierten sieben Zeugen gesagt hatte: „Wer von
sieben sagt, der lügt gern**, das war für die zahlreichen
Anhänger Wimpfelings zuviel. Eine Defensio Germaniae
Jacobi Wimpfelingii trat zuerst Murner entgegen. '^^ Den
Reigen eröffnete darin Peter Günther, der sich hier den
Beinamen Murena zulegt, mit einem derben Briefe an den
Leser, precipue Argentinensibus. Das Hauptstück der Samm-
lung, auch an Grobheit, ein Brief des Thomas Wolf
Junior, ist auch in eine zweite Verteidigungsschrift auf-
genommen: In hoc libello hec continentur Versiculi Theo-
dorici Gresemundi Legum Doctoris Epistole Thomc
Wolffij iunioris. Decretorum Doct. Carmina Esticam-
piani Poete laureati Tetrastichon Jacobi Wimphelingi.
^•» Pforzheim, Thomas Ansholm Martin monsc. M. V. III. etc. 2^.
6^ Imprcssa per industrium Johannom Prüß Ciuem Argontinen. Tro-
tecimo kalendas Januarij. Amin Millesimo quingontesimo primo. Vergl.
r\rchiv für Literaturgeschichte, Vli. lüöf.
<"»" Neudruck: Thomae Murner Argenlini Ordinis Minorum Sarre Thco-
ügio Baccalarii Cracouiensis ad rempublicam Argentinam Germania noui.
Impressum Genevae per Jul. Guiil. Fick 1874.
^3 Impressum Fribv. o. J. 4^^.
32 Gustav Baucli.
Epistola Thome Murner. Lector eme et gaudebis. Joannes
Strosack feliciter impressit.'® Der Sammler dieser Pam-
phlete ist Gresemund, er widmete Wimpfeling das Buch
(Ex Spira V. id. Nouemb. 1502). In seinem ersten Gedicht
behauptet er, die Germania Wimpfelings gefalle allen
Gelehrten, nur „merdosae cuidam cucullae** nicht, denn
„asinus rudis praeoptat auro stramina nihilque est porco
cum cithara"; im zweiten wehrt er sich dagegen, daß
Murner ihn, den Deutschen, zu einem Franzosen machen
wolle; im dritten beklagt er die Germania, daß nicht ein
K()nig, ein Kaiser oder der Türke ihr Verstümmelung drohe,
sondern eine übelbekannte Kutte, ein „semimortuum ca-
dauer**, weil sie, der guten Mutter überdrüssig, Gallien
vorzieht, wo das leichte Gehirn hätte geboren werden
müssen.
Als Thomas Wolfs Bruder Amandus, den er jeden-
falls auch von Bologna her kannte, 1504 starb, tröstete
er Thomas mit einem Briefe, den Wimpfeling 1513 seinen
Concordata Principum Nationis Germanicae einverleibte."
Im Jahre 1505 gab er zu dem von Wimpfeling dem
Kurfürsten von Mainz Jakob von Liebenstein gewicfineten
Soliloquium pro pace christianorum et pro Heluecijs ut
resipiscant. Ad honorem Regis Romanorum et principum.
Ad cautelam etiam Ciuitatum Sa. Ro. Imperij : ne apostate
fiant. ein Dodekastichon. Etwa 1505 muß er auch sein
umfangreichstes poetisches Werk geschaffen haben.
Fieberkrank behandelte er infolge eines Gelübdes die
von der Legende in das Jahr 1383 versetzte Verstümmelung
eines Kruzifixes durch einen Spieler namens Schelkropf.
Gresemund geht ab ovo aus, "behandelt zuerst in großer
Ausführlichkeit mit vielen gelehrten Zitaten die Geschichte
des Spiels und die schändlichen Folgen des Spiellasters
und erzählt dann, wie Schelkropf in der Wut des Spiel-
verlustes ein Kruzifix und die Statuen der Mutter Jesu
und des heiligen Johannes verstümmelt habe, wie aus den
Wunden der Bilder Blut geflossen sei und Schelkropf dafür
den Feuertod erlitten habe. Das didaktisch gedachte mora-
lische Gedicht ist ohne poetischen Wort. Ein handschrift-
liches Exemplar hängte der Dichter nach seinem Gelübde in
der Kirche B. Virginis in campis auf.
Wimpfeling hätte das Werkchen, das ihm sympathisch
70 0. 0. und J. 40.
'^ 0. Knod in L. Geigers Vierteljahrsschrift für Kultur und Literatur
•Jer Renaissance, II, 278.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. v{3
war, gern gedruckt gesehen, aber Gresemund konnte sich
dazu nicht entschließen. "^ Dagegen wünschte er schon 1506,
damit es einen größeren Wirkungskreis bekäme, daß Se-
bastian Brant die Historia de violata Cruce in deutsche
Reime übertrüge. Er beauftragte Johannes Vigilius, der
nach Straßburg reiste, Brant, mit dem er selbst noch nicht
bekannt war, seine Bitte vorzutragen. Er schrieb auch
selbst (19. Oktober) an Brant und bat auch Wimpfeling,
auf Brant einzuwirken (20. Oktober). Aus dieser Über-
setzung scheint nichts geworden zu sein. Dafür predigte
Geiler, dem die Dichtung auch gefiel, 1511 darüber. End-
lich konnte Wimpfeling 1512 die gedruckte Historia" dem
Mainzer Kanonikus Dietrich Zobel von Giebelstadt,
den Gresemund „virum profecto nobilium eniditissimum
et eruditorum nobilissimum** und seinen Frewnd nannte,
widmen. Gresemund äußerte den Wunsch, daß die Leiter
der Schulen und besonders Hieronymus Gebwiler in
Straßburg, Johannes Sapidus in Schlettstadt und Ger-
vasius Sopher in OSenburg das Gedicht vor den Schülern
behandeln möchten, um die jungen Leute vom Spiel ab-
zuhalten. Mindestens Gebwiler hat das auch getan und
1514 eine neue Ausgabe mit Scholien für den Schulgebrauch
davon veranstaltet und eine warme Vita des damals schon
verstorbenen Verfassers beigegeben.^* Die erste Ausgabe
schon ist durch poetische Beistücke von Hieronymus Pius
Baldungus, dem Wiener Schüler des Celtis und Uni-
versitätslehrer in Freiburg, von Hieronymus Vehus, dem
badischen Kanzler, und Icolampadius geschmückt.
Gresemund erstieg in Mainz in der kurzen Spanne
seines Lebens eine ganze Reihe von Ehrenstufen, wie Ber-
thold, so hat ihm auch Jakob von Liebenstein sein
Vertrauen geschenkt. 1505 wurde er Kanonikus zu St.
Stephan, 1506 Provikar für den vielfach abwesenden Grafen
Wilhelm von Hohenstein und Generalvikar des Erz-
bischofs Jakob, 1508 Protonotar und Judex generalis sedis
Moguntinae, 1509 Diffinitor cleri minoris bei St. Stephan
und 1516 Scholastikus bei demselben Stift. Von seinem
'- Für das Folgende vergl. G. Knod, Zur Bibliographie Wimpfelings,
a. a. 0., 470.
'^ Hibtoria violate crücis Theodorici Gresemundi. Excussum Agcn-
tinae (I) in edibus (\'ulgo) zum thiergarten: per Renatum Beck. Anno
M. D. XII. Decinnoquinto Kai. April. 4®.
'♦ Theoderici Gresemundi. Carmen de Historia Violatae Crucis. Et
eius vita. Cum interpretatione Hieronymi Gebuileri Scholarum Summi
templi Argentoracwisium moderatoris. Excusum Argen! ine per Renatum
Beck ciuem Argentinensem. Anno M. D. XI III. 4^.
Beitrfige z. Gesch. d. Univcrsit&ten Mainz u. Gießen. 3
43 Gustiv Bauch.
Biographen wird er uns als tüchtiger und gerechter Richter,
als fronun und tadellos in seinem Privatleben geschildert.
Seine amtliche Tätigkeit ließ ihm noch Zeit für weitere
Verfolgung seiner humanistischen Studien und die Pflege
der Freundschaft.'^
Eine Lieblingsbeschäftigung Gresemunds war das
Sammeln antiker Münzen und Inschriften. Beatus Rhe-
nanus, der ihn 1509 besuchte und bei ihm für Jacobus
Faber Stapulensis nach dem Directorium speculantis des
Cusanus forschte, bewunderte seine reichen Funde''» und
ermahnte ihn, in der ihm gewidmeten Ausgabe der apo-
kryphen Werke des Pomponius Laetus von 1510, diese
Antiquitäten nach dem Beispiele des Konrad Peutinger
herauszugeben. Gresemund willfahrte vorläufig nicht, da-
für ließ er in demselben Jahre erscheinen: In hoc libello
subiecta continentur Valerii Probi interpretamenta litterarum
singularium in antiquitatibus Romanis, cum plerisque circa
singulas litteras additionibus. Idem Valerius Probus de
abbreuiaturis Nominum ciuium Ronianorum. In iure ciuili
de legibus, et plebiscitis. De actionibus. De edictis perpe-
tuis. De ponderibus. De numeris. Pomponij Laeti libellus
de Romanorum magistratibus. Idem de sacerdotijs Ro.
Idem de diuersis Legibus Ro.«^ Dieser Sammlung ist ein
Brief Wimpfelings beigegeben. Er hatte auf einer Reise
nach Worms Gresemund in Mainz besucht und bei ihm
die nun gedruckten echten und unechten Stücke gesehen
und forderte ihn auf, diese, die gesammelten Antiquitäten
und die Violata Crux herauszugeben und den versprochenen
Katalog der Bischöfe und Erzbischöfe von Mainz zu ver-
fassen. Gresemund hat nur den Interpretamenta bei jedem
Buchstaben (X ausgenommen) lange Ergänzungen beigefügt,
alle übrigen Sachen sind schon in früheren Drucken so
vorhanden. In einem Briefe an den Leser versprach er,
daß bald seine, dem Dietrich Zobel gewidmeten, in Mainz
und Umgebung gefundenen Antiquitäten erscheinen würden.
Diese beabsichtigte Publikation wurde durch den Tod ver-
7^* Ein Straßburger Freund Gresemunds war auch Joannes Adelphus
Mulingus, der ihm unter dem 1. März 1508 Hermolaus Barbarus gegen die
heidnischen lasziven Poeten widmete. Hei Margarita Facetiarum Alfonsi
Kegis Vafre dicta etc. Straßburg 1509.
"^'^ G. Knod, Zur Biographie und Bibliographie des Beatus Rhenanus,
Zentralblatt für Bibliothekswesen. II, 260. A. Horawilz und K. Hartfelder.
Briefwechsel des Beatus Rhenanus, 27, 28.
'^ Impressum Oppenheim . anno . Domini millesimo . quingonlesimo de-
cimo. Die peroratio ist von VVimpfeling. V^ergl. Kap. VIll der Diatribe
de proba institutione puerorum etc. Hagenau 1514.
Aus der Gesdiichle des Mainzer Humanismus. 35
eitelt, Gresenuind hatte schon, wie Johann Huttich an
Zobel schrieb *^ seine Antiquitäten dem Typographen über-
geben, sie gingen jedoch nach seinem plötzlich erfolgten
Tode durch die Fahrlässigkeit des Druckers verloren. Ob
der auch von Irenicus erwähnte'« Katalog der Mainzer
Bischöfe wirklich geschrieben vorhanden ist, läßt sich nicht
nachweisen. Gebwiler berichtet noch von Gesängen
(Gresemund war also auch Musiker) und vielen Epitaphen.
Im besten Mannesalter starb Gresemund im Oktober
1512 an einem Bruchleiden. Sein Bild gibt uns Gebwiler
mit den Worten: „Dietrich war von schlankem Körper,
mittlerer Statur, mit wohlgestaltetem Antlitz, dunklem Haar,
grauen Augen, ruhigem Gemüt, ohne Galle, ohne Anmaßung,
ohne Stolz, ohne Affekte, ohne Lästerung, ohne Falschheit**.
Durch eine Äußerung des Altvaters des thüringischen
Humanismus Conradus Mutianus Rufus nach dem Er-
scheinen der Exegesis des Irenicus erfahren wir, daß er
1502 in Mainz mit Gresemund herzliche Freundschaft ge-
schlossen hatte.^^ Beatus Rhenanus zählte ihn in einem
Briefe vom 1. März 1512 an Jakobus Faber Stapulensis^^
unter den Deutschen auf, „omnem latinorum splendorem
complectentes", und Erasmus setzte ihm 1516 in der Aus-
gabe der Werke des Hieronymus^^ das schöne Denkmal:
„Postremo [Moguntia] non solum veterum, hoc est alienis,
clara litteris, sed et suis ingeniis illustrata, quippe quae
cum ahos permultos omni doctrinae genere praestantes viros
edidit tum vero praecipue Theodoricum Gresmundum,
hominem ab ipsa natura ad humanitatem, ad bonas
litteras, ad eloquentiam illam vere Atticam sculptum
et factum**.
In der Biographie Gresemunds sind uns drei Männer
begegnet, die auch noch ein paar Worte erfordern: Celtis,
Cuspinianus und Canter.
Gern würden wir über des ersten gekrönten deutschen
Poeten Konrad Celtis Beziehungen zu Mainz recht viel
berichten, aber das meiste von dem, das er über seinen
Aufenthalt dort selbst erzählt, ist der poetischen Fiktion
seiner dritten Liebe zu Ursula Galla gewidmet. Er ist
vermutlich im Sommer 1494 und im Herbst 1495 in Mainz
'' Vorrede zu den Collectanea. S. w. unten. Vergl. auch G. Kiiod,
a. a. 0.. 261.
'ä Gennaniae exegesis, 71b.
'^ K. Gillert, Der Briefwechsel des Conradus Mutianus, 266.
^'^ G. Knod, a. a. 0., 265; A. Horawitz und K. Hartfelder, Brief-
wechsel des Beatus Rhenanus, 41.
8^ Omnium opp. Divi Eusebii Hieronymi Stridon. tom. I, fol. 40b.
8*
36 Gustav Bauch.
gewesen. Seine Ode an Dietrich Gresemund den
Alteren, in der er diesen „hospitem suum Mogundinum"
nennt^^ hat so wenig Inhalt und auch so wenig Lokalfarbe,
daß mit ihr nicht viel anzufangen ist. Sie könnte 1494
geschrieben sein. Daß er Dietrich den Jüngeren, den
Stern des Hauses, darin gar nicht erwähnt, ist mindestens
auffallend. Sein Epigramm auf die Lucubratiunculae, das
erst nach dem Drucke geschrieben ist«^^ mag wohl in das
Jahr 1495 gehören. Von in Mainz gehaltenen Voriesungen
veriautet nichts.
Eher wird es uns gelingen, etwas über Johannes
Cuspinianus festzustellen. Die Verse zu dem Dialog
Gresemunds über den Karneval sind nicht das einzige
Zeichen seines Aufenthalts am Rhein. Johannes Spieß-
heim aus Schweinfurt, latinisiert L. Johannes Cuspini-
anus^, ein Landsmann und bald guter Freund, Schüler
und Sodale des Celtis, hatte von einem anderen Freunde
des Celtis, dem etwa 1501 gestorbenen ersten Vorsteher
der Sodalitas Leucopolitana, Magister Matthaeus Lupinus
Calidomius, den ersten Unterricht in den humanen Fächern
erhalten imd sich in nur drei Jahren vom Anfänger bis zum
gewandten Prosaisten und Poeten durchgearbeitet.«^ Im
Sommersemester 1490 ist er als Johannes Spiesham de
Schweinfurt in die Leipziger Matrikel eingetragen und zum
Wintersemester 1493 ist er in Wien als Johannes Spies-
haym Sweynfordensis intituliert.«^ In Wien bildete er sich
unter dem italienischen Humanisten Paulus Amaltheus
aus Pordenone weiter, und bei dem feierlichen provisori-
schen Leichenbegängnis des Kaisers Friedrich III. krönte
Maximilian I. den erst neunzehnjährigen Poeten für ein
Gedicht auf den heiligen Leopold mit dem Dichterlorbeer.
Im August 1494 gewährte ihm die artistische Fakultät auf
seine Bitte ein Lektorium, w<3il er etwas Schönes in der
Poesie lesen wollte, und auch ein Buch aus der Bibliothek
der Fakultät. Er gab für seine Vorlesungen, Johannes
Pierius Graccus, dem Mäzen aller Humanisten und be-
sonders des Celtis und seiner Sodalen, gewidmet, die
Hymnen des Prudentius heraus und bald dahinter die
poetische Schrift des Dionysius Aloxandrinus De situ orbis
»2 Libri Oflarum quatuor, Straßburg 1513, 111, 27.
^^ Epigramme, 111, 43: De Gresmundo.
** Für das L. vor dem Namen läßt sich keine KrkKärung finden.
Schon Balbi gebraucht es 1494.
«•'- (J. Riuch, Geschichte des Leipziger Frühhumanismus, 60, 29.
*"* G. Bauch, Die Rezeption des Humanismus in Wien, 48 f.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 37
nach der Übersetzung Priscians. Trotz dieser humanisti-
schen Lektionen hatte er sich schon am 14. Mai 1494 als
Scholar der Medizin eintragen lassen. Der erste festange-
stellte Wiener Poet Hieronymus Balbi richtete an ihn
ein sittlich nicht eben feines Epigramm.**^
Er verließ 1494 oder Anfang 1495 als Magister Wien,
um seine medizinischen Studien in Mainz fortzusetzen. Dort
in Berührung mit dem jungen Dietrich Gresemund
schrieb er die erwähnten Verse.*^ Am 29. April 1496 mel-
dete«^ Johannes Trithemius, den Cuspinianus, um die
Sponheimer Bibliothek zu sehen, besucht hatte, dem Celtis
in Ingolstadt, daß Cuspinianus, den Celtis wohl während
seiner Heidelberger Episode 1495 kennen gelernt hatte, nach
Wien gegangen sei, um dort über Medizin zu lesen. Dieser
war aber vielleicht noch um Himmelfahrt in Mainz und
dann im Juni und noch im Dezember bei Celtis in Ingol-
stadt als sein Schüler. 1497 begrüßte er Celtis mit den
andern Sodalen poetisch in Wien. Als Doctor medicinae,
wohl Mainzer Promotion, führte er im Wintersemester 1500
bis 1501 das Rektorat der Wiener Universität und wurde
1501 ihr Superintendent. 1502 vertrat er den abwesenden
Celtis im Poetenkollegium, 1508 hielt er diesem die Leichen-
rede, übernahm seine Lektur in Oratoria et Poetica und
setzte Celtis und dem engeren Kreise der Sodalen einen
Denkstein in seinem Wiener Hause. Er hat seine humanisti-
schen Vorlesungen wieder mit Dionysii Periegesis, diesmal
nach der Übersetzung des Rufus Avienus, eröffnet und hierzu
mit Unterstützung des Aldus Manutius eine verbesserte
Ausgabe geschaffen.^o Bald entführten ihn Sendungen im
Auftrage des Kaisers Maximilian seiner Lektur, zuerst
zeitweise, bis er sie 1514 ganz an Angelus Cospus aus
Bologna überiieß. Seine weitere staatsmännische Laufbahn
und seine großen historischen Arbeiten übergehen wir, weil
es uns nur darauf ankam, aus seiner früheren und späteren
Tätigkeit die Folgerung abzuleiten, daß er bei seiner großen
Vorliebe für die humanistischen Studien neben der Medizin
auch wohl in Mainz neben seinen medizinischen Studien
über Humaniora gelesen haben wird, und dann wäre es
87 G. Bauch, a. a. 0., 50.
8** L. Joannes Cuspinianus artium doctor poetaque laureatus ad le-
ctorem etc.
8^ Für das Folgende vergl. G. Hauch, a. a. 0., 167 f.
^® Zu dieser dem Bischof Stanislaus Thurzo von Olniütz gewidmeten
Ausgabe (1508) vergl. Studi e documenti, VIII, 276f. ; Firmin-Didot, Aide
Manuce et rHell^nisme ä Venise, 219, 220.
38 Gustav Baucli.
nicht ausgeschlossen, daß Gresemund zu seinen Schülern
gehört hat.si
Auf bloße Vermutungen über den Grund seiner An-
wesenheit in Mainz sind wir bei dem gekrönten Dichter
Magister Jacobus Canter Frisius angewiesen; er war
einer von den beweglichen Zugvögeln der damaligen Ge-
lehrtenwelt, wie wir sie noch wiederholt in Mainz kennen
lernen werden. Er gehörte einer bekannten Gelehrten-
familie aus Groeningen in Friesland an.^^ Sein Vater Jo-
hann war Magister artium, Doctor iuris utriusque und auch
Theologe. Dieser bildete seine Söhne Johann, Peter,
Andreas, Jakob, aber auch seine Tochter Gerda oder
Ursula zu Gelehrten. Johann der Sohn studierte gleich-
zeitig mit Celtis 1484 in Heidelberg und war zuerst Astro-
loge und dann Doktor der Medizin. Als Hofastrologe Frie-
drichs ni. stellte er 1487 in Nürnberg das Horoskop für
die Dichterkrönung des Celtis.»^ -j- 1506. Jakob war auch
Astrologe Wie und von wem er zum Poeta, laureatus ge-
macht wurde, ist unbekannt. 1481 gab er mit einer Epistola
ad Joannem Miller sideralis scientie studiosum simulque
carmina ad eundem super indice nuper huic operi addito
heraus: Guidonis Bonati de Forliuio Liber astronomicus.
Venet. Erhard Ratdolt.»* 1487, Mai 11., ließ er sich in
Köln als Jurist intitulieren. 1489 gab er in Antwerpen bei
Gerard Leen Francisci Petrarche secretum de contemptu
mundi heraus. 1492 langweilte er in Ingolstadt Celtis
und Johann Kaufmann durch seine Geschwätzigkeit, wo-
für sich Celtis an ihm durch eine Ode unter dem Namen
Henricus rächtc^^ 1495 gab er in Mainz das Gedicht
zu Gresemunds Dialog vom Fasching.^ß Von 1497 bis
etwa 1501 lebte er in Krummau in Mähren, doch nicht als
Physikus, wie Aschbach für Phrisius verlesen hat, eher
als Schulmeister, bat von dort aus Celtis um Aufnahme
in die Sodalitas Danubiana und trat in Beziehungen zu
^^ 1521 bei dem Reichstage in Womis näherte sich Cuspinianus freund-
lich Luther. Enders, Luthers Briefwechsel, III, 122.
9- C. Krafft und W. Creceüus, Beiträge zur Geschichte des Humanis-
mus am Niederrhein und in Westfalen, 65 — 67. Doch fehlt dort Johann der
Sohn, der im Briefwechsel des Trithemius vorkommt.
^^ Nach Celtis' Proseuticon. Nürnberg, Kreusner, 1487.
^•^ Für dieses und das bald folgende Werk Petrarcas vergl. F. Gott-
fried Reichhart, Beiträge zur Inkunabelkunde im Beiheft XIV zum Zentral-
blatt für Bibliothekswesen.
9^ Libri Odarum quatuor, II, 20: De garrulo Phrysio. Daß hier
Jakob Canter gemeint ist. geht aus dem Briefwechsel des Celtis hervor.
9'» Jac()i)i Canteris Frisij artium liberalium doctoris et poete laureati
ad Germauiam vcrsiculi.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 39
Bohiislaus von Hassenstein, der ihn zu neuen Dich-
tungen ermunterte und ein Epitaph auf seinen Vater Johann
schrieb. 1505 bei Gelegenheit des Kölner Reichstags sang
er den soeben vom Kaiser gekrönten Dichter Georgius
Sibutus Daripinus an.^^ Andere Gedichte von ihm ent-
hält der Münchner Codex 4408. Später erscheint Canter
als Doktor und Geistlicher in Emden, wo er 1524 vergeb-
lich die Hülfe des Grafen Edzard I. gegen don lutherischen
Prädikanten M. Jürgen Aportanus anrief.*^ Er legte des-
halb sein Amt nieder und ging nach seiner Heimat; aber
1527 war er wieder in Emden, der Epigrammatiker, Doktor
der Medizin und Stadtarzt in Bremen, Euricius Cordus,
der den Grafen Edzard damals bei einem unheilbaren
Leiden behandelte ^^ besang ihn als von der Muse erwärmten
Dichter des rauhen Nordens. ^^'^^ Da er in seinem Alter
Doktor genannt wird, mag er wohl in Mainz die in Köln
aufgenommenen juristischen Studien fortgesetzt und so die
Gelegenheit erhalten haben, sich in die Geschichte des
Mainzer Humanismus einzutragen.
Als vierter gekrönter Dichter kam 1502 der Volksgenosse
Canters und Mediziner Dietrich Ulsenius aus Kampen
in Overijssel auf die Universität Mainz. Er war auch nicht
weniger unruhig wie jener. Celtis zählte ihn zu seinen
intimsten Freunden und Sodalen.^^^ Nach seiner Bildung
und seinen Neigungen war er Astrologe, Arzt und Poet.
1491 pries ihn Bartholomaeus Coloniensis in zwei Ge-
dichteniö* als Dichter und Astronomen oder Astrologen.
Seine medizinische Bildung verdankte er Italien. Etwa neun-
Jahre (1493 — 1502) war er Stadtarzt in Nürnberg, bis ihn
der Bankerott des Kaufmanns Konrad Barchanter aller
seiner Ersparnisse beraubte und ihn wegen der dadurch
verschlechterten Existenz zwang, seinen Stab weiterzu-
setzen. Von seinen astrologischen Arbeiten ist ein Pro-
gnosticon auf das Jahr 1488 erhalten. ^^^^ Aus dem Jahre
^" Bei Do diui Maximiliani Cesaris adu«. ntii in Coloniam. doque gcstis
suis cum admiranda virtule et Maiestate. Georgij Sibuti Daripini Poete
Laureati Panegyris etc. Köln, Quentel, 1505. 4^.
9^ C. A. Cornelius, Der Anteil Ostfrieslands an der Reformation, 5, 6.
9« K. Krause, Euricius Cordus Epigrammata (1520), XXVll, XXVIII.
100 Euricii Cordi Opera poetica (1564), 203: Ad Jacobum Canterum
Frisiurn.
101 Der Codex epistolaris des Celtis zählt 17 Briefe des Ulsenius.
102 Bartholomei Coloniensis Silua carminum, Deventcr, Jacobus Dre-
densis 1515, Bib, Bij.
10* Cod. lat. Monacen. 957: Theodorici Ulsenii Campensis super dis-
positionem a. 1488 prognosticon.
40 Gustav Bauch.
1496 liegt eine medizinisch-poetische Doppelschrift ^^ vor,
ein seinem Nürnberger Kollegen Dr. Ulrich Pinder aus
Nördlingen gewidmeter prosaischer Modus cognoscendi
(schon 1493 geschrieben), der auf Hippokrates zurückgeht,
und die poetischen, Dr. Martin Polich gewidmeten Libri II
de pharmacandi modo. 1496 gab er auch sein poetisches,
von Albrecht Dürer mit dem sogenannten Pestbilde ge-
schmücktes In epidimiacam scabiem (Syphilis) vaticinium
heraus. 1^5 In demselben Jahre ermunterte er den lleißigen
Editor, Verehrer und Sodalen des Celtis Peter Tann-
hauser aus Nürnberg zur Herausgabe der Werke des Guil-
hermus Parisiensis.^^^ Handschriftliche Dichtungen von ihm
an den Schulmann Alexander Hegius, an den Nürnberger
Arzt Dr. Hieronymus Münzer aus Feldkirch und an den
kaiserlichen Sekretär Petrus Bonomus aus Triest bew^ahrt
die Münchener Hof- und Staatsbibliothek. i^? Celtis benutzte
ihn 1496 als Zensor für sein werdendes viertes Buch der
Amores. 1501 wirkte er als kaiserlicher Leibarzt bei der
von Celtis veranstalteten Aufführung des Ludus Dianae
vor dem Kaiser Maximilian in Linz mit^os n^d hat wohl
zu dieser Zeit auch den poetischen Lorbeer vom Kaiser
erhalten und Verse an den kaiserlichen Sekretär Blasius
Hölzel wegen der Erlangung der Dichterkrone geschrieben.
Am 27. März 1502 ist dann Theodericus Ulsenius
Frisius, artium et medicinae doctor nee non poeta laurea-
tus, von der Mainzer medizinischen Fakultät rezipiert
worden 1^9 und vermutlich bis etwa 1504 in Mainz geblieben.
Es ist merkwürdig, daß diese so lebensvolle Persönlichkeit
dort so wenig greifbare Spuren hinterlassen hat. Nachdem
er schon am 12. Januar 1504 auf ein Jahr pro lectura in
medicinis in Freiburg im Breisgau angenonunen worden
war, ist er am 12. März 1504 daselbst immatrikuliert
worden, ii*' Doch schon am 14. November erklärte die Uni-
versität, sie wolle zwar das Abkommen mit ihm bis zum
Fest des heiligen Hilarius halten, könn« er sich aber in-
zwischen eine andere Stellung verschaSen, so wäre das
ihr nicht unangenehm. Er hat hiernach vermutlich schon
die Stelle, die er bald antrat, im Auge gehabt.
•
1"* Auf der ersten Seite steht statt des Titels großgedruckt Numberga.
Kein Kolophon. 4^.
lOÄ Einblattdruck. Exemplar München, Hof- u. Staatsbibliothek. Fol.
löG Je ein Brief von Ulsenius und Tannhauser bei der Ausgabe.
107 Cod. lat. Monacen. 42S, 486.
108 G. Bauch, Die Rezeption des Humanismus in Wien, 121.
109 H. Knodt, a. a. 0.. comment. II, 62.
HO Schreiber, Geschichte der Universität Freiburg i. B., I, 230, 231,
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 4t
Aus seiner Freiburger Zeit sind wieder Dichtungen
erhalten, die ihn in Berührung mit dem Kreise Wimpfe-
lings und mit dem jungen Johann Eck zeigen. Als am
20. August 1504 Amandus Wolf, der Bruder des Thomas
Wolf Junior, starb, richtete er mit Ulrich Zasius, Jakob
Wimpfeling, Jakob Sturm, Thomas Aucuparius,
Mathias Ringmann Philesius und Aesticampianus
Trauer- und Trostverse an Thomas Wolf, die 1505 in
Straßburg mit der Schrift des Johannes Gerson De mi-
seria humana zum Druck gelangten. ^^^ Ebenso gab Ulsenius
zu der erst 1506 vollendeten und 1507 in Straßburg ge-
druckten Bursa Pavonis Johann Ecks ein Gedicht in Con-
tubernii pavonici laudem.^^- Und damals entstand wohl
auch sein Carmen bei den Statuta synodalia episcopatus
Basiliensis.^*^
1505 bei dem Reichstage in Köln bewegte er sich unter
den Freunden des Trithemius und wechselte wie C anter
Verse mit dem gekrönten Poeten Georgius Sibutus Dari-
piaus"*, den er vielleicht von Nürnberg her kannte. In
das Jahr 1505 und nach Köln darf man wahrscheinlich auch
seine Lobverse auf Hermannus Buschius Pasiphilus
setzen "^ die in Rostock sehr anstießen, weil er damit den
Rostocker Gegner des Buschius, M. Thilemann Hever-
ling aus Göttingen, kränkte^"; 1506 bewarb er sich deshalb
vielleicht vergeblich irni eine medizinische Professur in
Rostock. Von 1505 bis 1508, wie es scheint, war er Arzt
in Lübeck und Leibarzt der Herzöge von Mecklenburg. Als
mecklenburgischer und kaiserlicher Leibarzt gab er einen
Hymnus de sancto Judoco heraus. In der Folge ging er nach
seiner niederländischen Heimat zurück und starb in Her-
zogenbusch.
Waren es zienrilich rasch vorübergehende humanistische
Erscheinungen, die wir soeben betrachteten, so setzte doch
fast gleichzeitig mit dem Eintreffen des letzten der beweg-
lichen Gesellen, des Ulsenius, oder kurze Zeit früher^^'
i*A Joamies Garson de misoria humana Epistole consolatoric. Epi-
grammata & Epitaphia a doctis disertisque Germanie viris edita ad Thomam
Vuolphium iuniorem in obitum fratris. Joannes Gruninger quarto nonas
Martij Anno M. D. V. Argentinc imprimebat. 4^.
11^ Th. Wiedemann, Johann Eck, 44*).
^** Riegger, Amoenitates, 11, 232.
^^* Bei dem Panegyrigus des Georgius Sibutus Daripinus, Köhi 15C)5.
1'^ Bei Buschius, Spicilegium, Devonter o. J. (1505). Liessem, Biblio-
graphie, No. XXII.
"« Cod. 58. 6. Fol. Wolfenbüttel, fol. 71. Campbell, Annales de
la lypographie Neerlandaise, No. 1696.
ii" Er scheint tiach einem Gedichte, Musa poetam obiurgat, das nach
4:2 Gustav Bauch.
eine markante Periode des Humanismus an der
Mainzer Universität ein, die Zeit seiner An-
erkennung durch die obrigkeitliche Autorität. Und
das mögen die Leipziger Doktoren und Magister von 1511 im
Auge gehabt haben: jetzt kam die von ihnen so abfällig
beurteilte Vermählung von Jus und Poetik (studium humani-
tatis) zustande, für die wir die inneren Gründe dargelegt
haben und für die fast ein Jahrzehnt früher der junge
Dietrich Gresemund mit seiner Feder vorgearbeitet
hatte.
Der Vorgang vollzog sich durch des Kurfürsten Ber-
thold eigenes Eingreifen, und daher werden wir es wohl
nicht von uns weisen können, die Sache einmal schärfer
zu beleuchten.
In seiner sonst trefflichen Charakteristik des Erzbischofs
Berthold^iö als Erzkanzlers, Reichsreformers, Erzbischofs,
Gelehrten, Patrioten und Menschen sagt H. Ulmann: ,,Die
Wissenschaft schätzte er: manche Schriftsteller denken
seines Verständnisses mit inniger Verehrung und widmen
ihm gern ihre Arbeiten (der Dechant Bernhard von
Breydenbach sein Passagium in terram sanctam, Wim-
pfeling seine Abhandlung De triplici candore Mariae).
Indes das ist keineswegs eine hervorragende Seite seines
Wesens. Von Humanismus ist keine Ader in ihm : eine prak-
tische Frömmigkeit leitet auch hierbei seine Schritte, eine
Frömmigkeit, die noch durchaus auf mittelalterlichem Boden
steht . . . Den Geist der neuen Zeit, dessen Wehen auf
den Fittichen gedruckter Blätter sich vernehmlich machte,
wähnt er durch eine Zensur in die Schranken, die ihm
genehm, bannen zu können** etc.
Es ist doch etwas zu weitgehend, wenn Ulmann das
Zensuredikt von 1486 gewissermaßen als die Quintessenz
der Gesinnung des Kurfürsten gerade im Verhältnis zum
Humanismus auffaßt, ohne daran zu denken, daß ein Maim
wie Dietrich Gresemund der Ältere zu der Zensur-
kommission gehörte, und nur gestützt auf die Mutmaßung,
daß hierbei seine „mittelalterliche Frömmigkeit** maßgebend
war. Hatte er wirklich selbst keine Ader von Humanismus
an sich, so besaß er doch reichlich das Verständnis für die
mit dem Humanismus verknüpften praktischen Bedürfnisse
seiner Zeit.
dem Tode liertholds geschrieben ist, entweder im Herbst 1501, oder, was
wegen seiner Beteiligung am Streit Wimpfelings mit Murner walirschein-
licher ist, etwa zum Neujahr 1502 nach Mainz gekommen zu sein.
11** Heinrich Ulmann, Kaiser Maximilian I., I, 2D4f.
Aus der Gescliiclite des Mainzer Humanismus. 43
Wir geben zur Richtigstellung des Urteiles dem ersten
festangestellten Mainzer Humanisten Johannes Rhagius
Aesticampianus das Wort für die Verse, die er dank-
baren Gemütes nach dem Tode Bertholds veröffentlichte ^^^
und die schon deshalb nicht als bloße poetische Phrasen
zu betrachten sind und auch deshalb nicht, weil Rhagius
kein homo^^o ^^levis et amasius" und keiner von den poeti-
schen Gunstjägern war. Er sagt in seinem Gedicht Ad
Bertholdum Archiepiscopum :
Sedula Palladij, Antistes sanetissime, ludi
Cura tibi est, quando res dura Llborque molestus
Festa fatigatae concesserit ocia nienti,
Ut stabili cunctis prescribas lege magistris.
Quid iuuenes doceant Gennano sanguine natos.
Quo faciles tenero nascantur i)€ctore mores,
Barbara crassiloquo decedant verba palato
Aspera precipitisque cadant iam murmura linguae
Et res priuatae crescant et publica surgant
Commoda Gernianisque accedat gloria nostris.
Ne tantum frameas quatiant, hastilia frangant,
Quadrupedes pascant, ursos venentur et apros,
Ingenij quibus est aiiimi vis, gratia, virtus,
Sed discant artes, componant carmina, iura
Enodent, patrias laudes et fortia tristis
Gesta canant belli preclaraque facta virorum,
Qui proprijs seuos pepulerunt sedibus bestes
Certaque belligeris exempla nepotibus augent.
Nain Chyroii, Phoenix, Nestor, Cato, Scipio, Caesar
Terribilem placidae Martern iunxere Mineruae.
Sic Grecis nomen Roniaiiis fama decusque
Et simul imperium deuicti creuerat orbis
Quodque sibi fuso nostri peperere cniore
Maiores, quorum nos, haud indigna proj)ago
Semine, sed sceptri et virtutis dicimur umbrae,
Quando nee Musis operam damus omnibus acrem
Arma nee horrisoni tractamus bellica Martis
Delicijs capti Veneris Bacchique furentis.
Nachdem er dann noch die Schwächen der Deutschen
weiter ausgeführt und auf die furchtbare Gefahr der Türken,
wie er sie 1499 an den schrecklichen Verwüstungen in
Oberitalien mit eigenen Augen kennen gelernt hatte ^^i, hin-
gewiesen hat, fährt er fort:
^^^ Epigrammala, Bv. f. Zu den Epigrammata s. weiter unten.
120 So drückt sich Mutianus Hufiis über ihn aus, Briefwechsel, ed.
K. Gillert, I, 385.
1-1 Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Altertum Schlesiens,
XXXI, 125. Den entsetzlichen Einfall der Türken, den er als fünfzehn-
jähriger Knabe miterlebt hatte, schilderte Jacopo conte di Porca (comcs
44 Gustav Bauch.
.... sludij fit mentio rara probati
Raraque virtutis vel cura vel ardor honoris,
Quo potiora putans, princeps aequissime, sollers
Gyninasij tutor, locupletis maxiinus urbis
Rector et aeternae clarissima relligionis
Maiestas, ludum renoiias, ingentia culto
Freinia virtuti et studio sua niuncra ccpto
Ponis et argutos posita mercede inagistros
Allicis
Und er schließt endlich mit den elegischen Versen:
Pugnaces nostri Gallos vicere parentes,
Ut veteri celebris cannine fama refert.
Nostris laurigeri ducibus creuere triumphi
Candidaque imperij lilia torsit auis.
Solus Alexander patria pro laude duellum
Excipiens fortes sub iuga misit auos
Et superat gentes modica virtute potentes,
Parrhasis astrifero quas videt ursa polo.
0 si magnanimum referas mihi, Roma, Camillum
Marcia vel prestes Caesaris arnia tui,
Qui tumidam Galli cristam rupere superbi
Efferaque immiti subderet ora iugo.
Sed quid Roma tuas et non Maguncia vires
Erigo? Bartholdo Gallia vict-a duce est!
Gallia victa triplex, nam tot suus incola partes
Scripsit grammaticus siceus, acerbus, iners.
Quare victori darum decerne triumphum
Bartholdo, quisquis liber ab hoste truci esl'
Mit diesen poetischen Ausführungen, die den Kurfürsten
Berthold gerade besonders wegen seiner Sorge für die
Humaniora neben der für die freien Künste (Philosophie)
und das Jus (von Theologie und Medizin schweigt der
Dichter) preisen, dürfte das Urteil Ulmanns doch wohl er-
heblich eingeschränkt sein; am schärfsten jedoch durch
die SchluMistichen: denn was darin gesagt ist, bedeutete
einen Vorsprung der Mainzer Universität vor allen
Universitäten Deutschlands ohne Ausnahme in der
Sache des Humanismus nicht allein, sondern es war
die erste Überleitung der sprachlichen Studien an
einer Universität auf die moderne Bahn durch Ber-
thold von Henneberg. Da hat er doch wohl eine Ader
von Humanismus gehabt! Es war die Beseitigung der drei
(vier) Teile des das Mittelalter beherrschenden Doctrinale
des Alexander de Villa Dei oder Gallus, an dessen bar-
Purliliaruin) in soincT Schrift: Do rccciiti Foroiuliensium Clade a Turcis
passa MID Kaleiidis Octobris (il giorno di S. Girolamo).
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 45
barischen leoninischcn Versen die scholastische dialektisch-
netaphysische Behandlung der Grammatik die schlimmsten
exotischen Blüten getrieben hat^^^^ und seine Ersetzung durch
iie humanistische positive Grammatik ohne jegliche philo-
sophische Argumentation. Wittenberg, darin die nächste
Universität nach Mainz, ging zu dieser Reform erst ca. 1506
jbej.123^ die anderen Universitäten meist viel später. Der
Anreger Bertholds bei dem Fortschritte in Mainz war
ier Dichter und Berichter Rhagius selbst, ihm wenden
svir uns nun zu.
Johannes Rak oder Rhagius*^* war schon 1457 oder
irielleicht wahrscheinlicher erst 1463 in Sommerfeld in der
?fiederlausitz geboren.^^ö üix^r seiner Jugendzeit und seinen
ersten Studien liegt tiefes Dunkel. Da er 1509 den italieni-
schen Himianisten Girolamo Balbi in Verbindung mit Prag
jeinen „peruetustum amicum" nennt, könnte er ihn dort
)twa 1492 oder 1499 als Student kennen gelernt haben.^^^
Durch Celtis zuerst wurde er ganz den Musen gewonnen i^^,
md obgleich Johann von Dalberg wenig höflich für das
Studium Jagellonicum sagt „in barbarissimis locis", so ge-
jchah das in Krakau, wo er am 19. Mai 1491 kurz vor
)der nach der Abreise des Celtis als Johannes Johannis
Ic Zommerfelth in die Matrikel eingetragen worden ist.
Im Herbst 1499 begab er sich mit dem vertrauten
'>eunde des Celtis, Vincentius Longinus Eleutherius
Lus Freystadt in Schlesien, von Wien aus, unterwegs im
^'riaul durch die eingefallenen Türken gefährdet, nach
talien^*® und zuerst nach Venedig. Hier wurden Aldus
»lanutius, Marcus Antonius CocciusSabellicus^^^und
Jeorgius Valla Placentinus^^^ aufgesucht, um ihre Be-
*** G. Bauch, Die Rezeption des Humanismus in Wien, 7, 9. Vergl.
ras oben S. 22 f. zu den Lucubratiuncule Gresemunds gesagt ist.
1** G. Bauch, Wittenberg imd die Scholastik (Neues Archiv für
ächsische Geschichte, XVIII), 308f.
1** Nicht zu verwechseln mit dem etwas älteren Krakauer Dozenten
Dbannes von Sommerfeld (Aesticampianus). G. Bauch, Deutsche Scho-
iren in Krakau, 26, No. 6; derselbe im Archiv für Literaturgeschichte,
III, If.
1*^ Archiv für Literaturgeschichte, XII, 321. Nach einem Gedicht
ei dem 1507 geschriebenen und 1508 gedruckten Kommentar des Rha-
us zur Grammatik des Marcius Capella war er 1507 45 Jahre alt.
12C G. Bauch, Die Rezeption des Humanismus in W-ien, 41, 63.
127 K. Momeweg, Johann von Dalberg, 358.
1*^ Das Folgende nach einem Briefe des Ix)nginus an Celtis, Rom
KX). Codex epistolaris.
12* C. Malagola, Della vita e delle opere di Antonio ürceo detto
odro, 218; J. Schuck, Aldus Manutius, 119.
ISO j. Schuck, a. a. 0., 119.
46 Gustav Bauch.
kanntschaft zu machen und Belehrung v^on ihnen, besonders
im Griechischen, zu gewinnen. Dann setzten sie nach Padua
über und hospitierten in den öffentlichen Vorlesungen von
Prosper und Johannes Calphurnius aus Brixia. ^^^ In
Ferrara wollten sie den Vorkämpfer des Humanismus Bap-
tista Guarinusi-^2 hören; dieser hatte jedoch, geängstigt
durch die Erkrankung eines seiner vornehmen Schüler, die
Vorlesungen ausgesetzt, so daß sie ihn nur im Garten lust-
wandelnd antrafen. In Bologna gingen sie endlich für einige
Zeit fest vor Anker.
Sie hörten den Antonius Codrus Urceus aus Ru-
biera in gelehrten lateinischen und griechischen Vor-
lesungen und bei dem „Commentator Bononiensis" Phi-
lippus Beroaldus^'^3 Philosophie, Rhetorik und Poetik. In
Naturphilosophie und Metaphysik war Alexander Man-
zolus^^* ihr Lehrer, in Mathematik Dominikus Marius
aus Novara, der Lehrer des Köpern ikus. Dieser las Euklid
und den Almagest des Ptolemäus und in der Domus Fos-
carina, wie Beroaldus die Naturgeschichte des Plinius
Secundus, die Kosmographie des Ptolemäus vor den böh-
mischen Edelleuten Johann von Tetschen aus der Fa-
milie Wartenberg und Christoph von Weitmühl. Rha-
gius, der später in der deutschen Heimat, in Leipzig, Köln
und Wittenberg, als Propagator des Plinius wirkte, und Lon-
gin us folgten den Vorträgen als Gäste.
Longinus brach im Jahre 1500 über Florenz und Siena
nach Rom auf, ob ihn Rhagius sogleich begleitete oder
etwas später folgte, können wir nicht sagen, jedenfalls war
er im Mai wieder in Bologna ^^s y^jj beschäftigte sich eifrig
mit Plinius und Plautus, zu anderer Zeit trieb er Griechisch,
um damit bereichert nach Deutschland zurückzukehren.
Auch Jurisprudenz hat er dort studiert. Bald empfand er,
wie teuer das Leben in Bologna w^ar, und bitter besch^vert
er sich über die vielen Feiertage, die die Vorlesungen un-
liebsam unterbrachen. Daher bat er Celtis, er möge als
sein Lehrer handeln und ihn an irgendeinem Orte unter-
bringen, wo er Jurisprudenz oder Rhetorik lehren könnte.
Von den Deutschen, mit denen er in Bologna Verkehr
hielt, kennen wir nur Johannes Sturnus (Sturlin) aus
1" C. Malagola, a. a. 0.. 82.
132 C. Malagola, a. a. 0., 52, 62; J. Schuck, a. a. 0.. 3.
iss C. Malagola, a. a. 0., 222.
131 C. Malagola, a. a. 0., 234 f. Als Predigermönch Bartholomäus
genannt. Er war Skotist.
13.0 Vergl. seinen Brief an Celtis, Bologna, 27. Mai 1500. Codex
opistolaris.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 47
)chmalkalden, den Freund des Celtis und des Bohuslaus
'on Hassenstein und Pädagogen des Christoph von
Veitmühl, den Juristen Christoph Scheurl aus Nürn-
iergi36^ Thomas Wolf Junior und dessen Freund Al-
»recht von Ratsamhausen.
Im Jahre 1501 war Rhagius wieder in Deutschland,
n Basel, wo er einigen Freunden die später von ihm ge-
lruckte Kebestafel vorlas, i" Dqy Rückweg hat ihn wohl
iber Augsburg geführt, denn Konrad Peu tinger hatte den
/Veitertransport seiner Bücher übernommenes^, die er noch
n Mainz erwartete.
Als er Straßburg berührte, kam er gerade zu rechter
5eit, um an dem Streite Wimpfelings mit Thomas
tfurneri39 teilzunehmen. Thomas Wolf, der Murners
Jermania nova seinem „Theseus** Albrecht von Ratsam-
lausen nach Bologna sandte (mit dem Briefe, der dem von
3ietrich Gresemund herausgegebenen Pamphlet gegen
tfurner einverleibt ist), schrieb diesem: „Unser Aesti-
;ampianus, ein Mann, der doch sonst so überaus geduldig
st, konnte die Stacheln seiner Entrüstung nicht zurück-
lalten, sondern hat, obgleich auf der Durchreise und mit
indem Dingen beschäftigt, den phrenetischen Wahnsinn
enes Mönchs mit einigen Verslein gemalt, denen ich einen
jriefuo als Schlußstück zugefügt habe." (Es folgen die
Epigramme des Rhagius.)
Aesticampianus, hier zum ersten Male „vates lau-
reatus** genannt — er soll den Lorbeer vom Papst in Rom
erhalten haben — , ging auch wirklich auf das Meritorische
ies Streites gar nicht ein, sondern gab nur seinem Unwillen
^.usdruck. Er wendet sich ad Argentinam in Thomam
Hurner, blateronem monachum, und ad Jacobum Wym-
3helingum, oratorem et historicum insignem. Wie dem
gefangenen Maulwurf, sagt er in dem ersten Epigramm,
iie Fackel, dem Blinden die Sonne, so diene einem levis
Sallus, der der Vernunft, der Sinne, des Wissens und der
Treue entbehre, eine scharfsinnige Schrift zu nichts. Ein
13«. Aesticampianus an WiUbald Pirckheimer, Wittenberg die s. Julia-
lae virginis 1518. Heumann, Documenta literaria, 318.
1*' In der Vorrede zu seiner Ausgabe der Kebes-Tafcl, Frankfurt
i. 0. 1507.
1'® Aesticampianus an Celtis, Mainz, 28. August 1502. Codex epis-
:olaris.
139 Vergl. oben S. 31, Versiculi Theodorici Gresmundi Legum Docto-
ris. Epistole Thome Wolffij iunioris etc.
^^^ Das ist sein grober Brief an Murner, der scbon in der von Peter
Liünther herausgegebenen Streitsclirift (s. oben S. 31) mitenthalten ist.
48 Gustav Bauch.
geborener Straßburger**^, dem die Freiheit der Stadt teuer
und ihr Schmuck heilig sei, rate ihr, den hochfliegenden
Adler zu verachten und den drei niedrigen Lilien anzu-
hangen! Mit Viperzungen zischt er gegen alle Gelehrten,
die die Stadt oder ihre Kinder unterrichtet haben. 0 über
die an fruchtbarem Blute reiche Stadt, die einen solchen
Sprossen zeugt, kleidet, liebt! Und dieser glaubt, die alten
Annalen richtig zu kennen, der kaum drei Worte Latein
versteht! Er rühmt sich, alle Universitäten besucht zu
haben; ich will zugrunde gehen, wenn er weiß, wonach
seine Kutte riecht! In den Versen an Murner gesteht er
diesem allenfalls die Kenntnis des Pentateuchs, aber nicht
dessen, das in der deutschen Greschichte enthalten sei, zu.
Von Wimpfeling aber sagt er, er werde das aus dem
stygischen See hervorgekrochene Scheusal, das jeden mit
seiner dreigeteilten Zunge berühre, mit seinem Fäulnis her-
vorrufenden Gift bespritze undWimpfelings Ruf begeifere
ein neuer, ein deutscher Aleide, als Führer mit seiner Keule
niederschlagen, und wenn diesem etwa nach Hydrenart neue
schlüpfrige Glieder nachwüchsen, würden seine Streiter sie
abhauen. An neunter Stelle findet sich noch ein Epigramm
an Wolf, das diesen als Vorkämpfer für den „emeritus
dux" preist; hoffentlich werde er unter dem Beifall des
Gottes des Lachens den aufgeblasenen Schlauch durch-
bohren. Ein angehängtes Distichon greift Murner noch
einmal verächtlich an.
Die Teilnalune des Rhagius an dem Kampfe gegen
Murner war seine erste Berührung mit Wimpfeling. Mit
ihm verband ihn eine literarische, wohl auch sonst der
Sinnesart beider Männer — bei Aesticampianus überwog
auch später die Neigung zur praktischen Theologie der
Kirchenväter noch die für den Humanismus — entsprechende
Freundschaft, die erst ein Jahrzehnt später durch das hitzige
Vorgehen Winipfelings in seinem Zwist mit Locher ge-
trübt wurde. ^*3
Auf der Fortsetzung seiner Reise der Heimat zu, den
Rhein abwärts, wurde Aesticampianus von dem Erz-
bischof Berthpld zmn Verweilen in Mainz vermocht. Dieser
wollte, wie wir schon gehört haben, als Gönner der Studia
liberalia der Mainzer Universität durch die feste Einfügung
der humanistischen Studien einen neuen Aufschwung ver-
*** Murner war nicht in Straßburg, sondern in Ober-Ehenheim ge-
boren, nannte sirh aber Straßburger.
142 Vergi. hierzu G. Bauch, im Archiv für Literaturgeschichte, XIII,
27; derselbe, Greschichte des Leipziger Frühhumanisnius, 180.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. - 49
leihen und warb ihn als ersten besoldeten, ordentlichen
Professor der Rhetorik und Moralphilosophie. ^*^
Nicht alles, was der vorsorgliche Berthold geschaffen
hatte, blieb während seiner letzton, schwachen Tage in un-
verrücktem Zustande"*, es gab auch Gegner an der Uni-
versität, die sich dagegen stemmten, imd so konnte Rhagius
1506 klagen : „0, wenn doch die Universität (res lileraria)
in ihrer Ordnung verharrt hätte, es würden wahrlich aus
ihr — damit ich sage, was ich denke — viel beredtere mid
ehrbarere Jünglinge als jetzt hervorgegangen sein.** Doch
Bertholds Nachfolger, Jakob von Liebenstein, ließ es
in dieser Beziehung auch nicht an sich fehlen, er führte,
auch nach dem Wunsche der Mehrheit der Doktoren an
der Universität"^, Bertholds Intentionen weiter und flößte
seiner Neuschöpfung festeres Leben ein, so daß auch ihn
Rhagins wegen der von ihm erfahrenen unzähligen Wohl-
thaten dankbar erheben und im Vorwort zu seinen Epi-
grammen sagen durfte: „Im Vertrauen auf den glücklichen
Stand deiner Herrschaft und den blühenden Zustand der
humanen Wissenschaften bilde und verfeinere ich in stän-
diger Arbeit und bei reichem Gehalt, womit du mich hegst
und zierst, die noch rohen jungen Leute und was mir von
Mu£e gegeben ist, verbringe ich ganz und gar damit, daß
ich Männer wegen ihrer Tugend, wegen ihres Wohlwollens
oder ihrer Noblesse gegen mich lobe.**
Ungewöhnlich erscheint es, daß dieser erste ,,Poet** sich
als Professor der Oratoria (Rhetorik) und der Moralphilo-
sophie bezeichnet, aber die Kombination beruht nicht etwa
auf Bertholds „praktischer Frömmigkeit** und war keines-
wegs ohne Vorgang. In Tübingen i*«, wo die Universität fast
zu gleicher Zeit mit der Mainzer ins Leben gerufen wurde,
bestimmte schon die erste Ordnung Graf Eberhards von
Württemberg vom 23. April 1481 ein Gehalt von dreißig
Gulden für „einen der in oratoria lyset**, und die zweite
Ordnung desselben Fürsten vom 20. Dezember 1491 hat
zwar das Gehalt auf zwanzig Gulden herabgesetzt, dafür
aber die Tätigkeit dieses öffentlichen Dozenten genauer um-
^*" Rhagius in der Widmung seiner Epigrammata.
^** Für das Folgende s. ebenfalls Rhagius, a. a. 0.
*** In den Hendecasyilabi ad lectorem vor seinen Epigrannmen sagt
Rhagius von sich:
Quem Maguntia Rhenus et benigna
Annis quatuor omnium voluntas
Doctorum tenuit probe virorunn.
**^ (Roth) Urkunden zur Geschichte der Universität Tübingen aus den
Jahren 1476—1600, 71, 85.
Beitrttge c. Gesch. d. Universitäten Mainz u. Gießen. 4
50 (Justav BuucL.
schrieben, als die eines „der ungeuärlich liset in oratoria,
moraiibns oder poetrij**. Daß Rhagius, wie allerdings fast
selbstverständlich ist, „et publice et priuatim** las, bezeugt»**
ausdrücklich Johann von Dalberg.
Celtis hatte inzwischen seinen Schüler aus seiner Für-
sorge nicht entlassen. Um ihm eine Stellung zu verschaffen,
hatte er sich mit dem Haupte der Sodalitas literaria Rhenana
Johann von Dalberg in Verbindung gesetzt. Gegen Ende
des Monats August 1502 berief Dalberg, als er seinen Ge-
burtsort Oppenheim besuchte, Aesticampianus von Mainz
zu sich, um ihm die mit Celtis verabredeten Vorschläge mit-
zuteilen. Aesticampianus schlug jedoch die Anerbietungen
des Bischofs aus, weil er, wie Dalberg sagt, ebenso wie
Celtis gänzlich von der Begierde ergriffen schiene, ganz
Deutschland zu durchziehen, trotzdem er ihm wenig Frucht
davon versprochen habe. Dasselbe spricht Rhagius aus.^**
Er fühle sich durch die Anträge von Celtis und Dalberg
hochgeehrt, aber zurzeit sei ihm ein Eingehen darauf nicht
möglich, er wolle neue Gegenden sehen, gelehrte Männer
hören, und mit dem rerum usus seine Studien verbinden.
Dies aber wolle er so schnell als möglich abmachen und
dann Celtis dankbar und dem Bischof zu Willen sein.
Der schon im Jahre 1503 erfolgte Tod Dalbergs hat dies
Versprechen wirkungslos gemacht.
Der Aufenthalt in Mainz muß doch so viel Anziehendes
für ihn gehabt haben, daß er auch seiner Wanderlust vor-
erst nicht nachgab, sondern sich dort auf vier volle Jahre
fesseln ließ. Er fand hier so viele Männer, Gönner und
Freunde, die ihm gleichgesinnt waren, und Schüler, die
begierig seine Lehren aufnahmen, daß wohl Mainz einer
der wenigen Orte ist, an die der viel umhergeworfene Ge-
lehrte auch später noch mit Freuden zurückdenken konnte.
Seine ,,Epigrammata** lassen uns einen nicht uninteressanten
Blick in sein Leben daselbst tun.
Diese Sammlung i*», die erst 1507 in Leipzig gedruckt
worden ist, war in allem Wesentlichen schon in Mainz ira
Jahre 1505 entstanden; „strenae**, Neujahrsgedichte an seine
Gönner, sind es meist, wenige ältere, wie das uns schon
bekannte an Erzbischof Berthold, sind beigefügt. Sie sind
^*' K. Morneweg, a. a. 0., 357, 358.
^*^ Rhagius an Celtis, Mainz, 28. August 1502. Codex epistolaris.
^*'* Epigrammata Johannis Aesticampiani. Impressum est hoc opus
epigraminaton I^yps. per Melchiorem Letter ciuem Lypsensem Anno do-
mini MilIesinKH|uingentesimoseptimo. 4^^. Der Frankfurter Schüler des
Aesticampianus, Joachim von Bülow, hängte an den Schluß der Samm-
lung ein Carmen commendaticium, das einzige Mainz fremde Stück, aa
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 51
in ihrer Gesamtheit dem Nachfolger Bertholds, Jakob
\ron Liebenstein, gewidmet als Dank für seine Gunst und
ias freigebige Gehalt. In der Dedikation gibt er ein Pro-
gramm seiner Dichtungen.
Als Gaben der Frömmigkeit erscheinen zwei Gedichte,
eins auf den Schutzpatron der Diözese Mainz, den heiligen
Martin, das Dietrich Gresemund in dem vorgesetzten
Applaus dem Dichter zu besonderem Verdienst anrechnet,
weil er als erster den Heiligen in die Poesie eingeführt habe,
und ein anderes, ein Votivgedicht auf die heilige Barbara,
seine eigene Schutzheilige. Wenn Aesticampianus in der
Widmung auch nach Humanistenart die Heiligen „homines
sanctos in deorum numerum ascitos** nennt, so wendet er
sich im Anfang des heroischen Gedichtes auf St. Martin
nicht an Apollo und die Musen, sondern an Christus —
Wimpfeling konnte ihn daher in seinem Zwiste mit Locher
wie Gresemund unter den Dichtern aufführen ^^o^ (jie Chri-
stus, nicht die heidnischen Götzen anrufen — , auch in der
weiteren Entwicklung tritt das hiunanistisch-mythologische
Beiwerk nicht allzu störend hervor. In die Lebensbeschrei-
bung ist eine lebendige Schilderung des Festes des Heiligen
eingewebt, wie es nach altem Brauche in Mainz begangen
wurde. Durch ein Begleitgedicht ist die Vita dem Kustos
der Kathedrale und nachmaligen Bischof von Straßburg
Wilhelm von Hohenstein gewidmet.
In dem Hymnus in laudem divae Barbarae, worin ihre
Schönheit, Frömmigkeit und ihr Martyrium besungen werden,
ahmt Aesticampianus, bisweilen wörtlich, Horaz nach,
doch fehlt ihm der dem Gegenstande angepaßte Geschmack
seines Vorbildes. Er preist seine Helferin dafür, daß sie
ihn glücklich vor den wilden Kohorten der Feinde, vor
den Schlingen des Räubers gerettet, und weiht ihr das
Gedicht, als er, aus den Thermen zurückkehrend, einer
Schar junger Leute, die ihm mit gezückten Schwertern nach
dem Leben trachteten, unverletzt entronnen. Diese Verse
sind mit zwei Beigedichten als Neujahrsgabe an den Scho-
lastikus der Kathedrale, Kanonikus zu St. Alban, Beatae
Virginis ad Gradus und St. Crucis, Adolf Rau von Holtz-
hausen, gesendet, der sie den ihm unterstellten Klerikern
der Domschule mitteilen sollte.
Aus religiösem Gebiet ist noch ein dritter Stoff ge-
wählt: De hostia sacramenti in sanguinÄam carnem mutata
in monte sancti Albani religiöse custodita.
1*^ Contra turpem libellum Philomusi Defensio theologie scholastice
ii neotericorum. 0. 0. u. J. Cap. VI.
4*
52 Gustav Bauch.
Mit einem Neujahrsgedichte an den Erzbischof Jakob
beginnt die Reihe der lebenden Viri illustres. ^^^ Es ist an-
zuerkennen, daß sich Rhagius von unwürdiger Schmeichelei
fernhält. Das nächste Gedicht ist dem Propst zu St. Martin,
späteren Bischof von Speier und Gönner Johann Reuch-
1 ins 1^2^ (Jem Pfalzgrafen Georg, gewidmet, dessen Titel
in humanistischer Spielerei mit dem Vergilischon Pallas zu-
sammengebracht wird. Georg wird als frommer, wohl-
tätiger, milder Mann geschildert. Pfalzgraf Johann, sein
Bruder, wird als eifriger Jäger, der aber auch die Wissen-
schaften liebt, besungen. Auch der junge Pfalzgraf Hein-
rich, früher Propst zu St. Alban, jetzt Bischof von Freising,
erhält ein Neujahrsgedicht, und zuletzt von diesen er-
lauchten Herren ist der Pfalzgraf Wolf gang bedacht, der,
ein Knabe noch, vom Vater nach Mainz geschickt worden
ist, um dort, auch bei Rhagius, seine Studien zu machen.
Drei Gedichte sind dem Kanonikus an der Kathedrale,
Philipp, Freiherrn von Epstein, Herrn in Künig-
stein, gewidmet. Er ist ein gewaltiger Nimrod, und Rha-
gius scherzt mit ihm, er möge mit ihm tauschen. Er wolle
mit dem Jagdspeer die Tiere verfolgen, Künigstein solle
dem niedlichen Mädchen genehme Verse schmieden. Von
ihm wolle die schwarzäugige Schöne nichts wissen, vielleicht
würde sie vor ihm auf den Schoß Künigsteins flüchten.
Als Gegenbild folgt der Dechant zu St. Martin und Doctor
iur. Uriel von Gemmingen, der nach Jakob den erz-
bischöflichen Stuhl bestieg. Ihm wird das Lob gespendet,
daß er Ruhm aus dem Studium erstrebe und ein gründ-
licher Kenner des Rechts sei ; die ihm untergebene Geistlich-
keit halte er in strenger Zucht und Ordnung.
Dem Kanonikus zu St. Martin und St. Alban Peter
von Nothafft sandte Rhagius ein Neujahrsgedicht, zu-
gleich als Dank für die Einladung zu einem festlichen Mahle
nach dem Gottesdienste, das geistliche und weltliche Ge-
lehrte vereinte. Als gastlicher, die heitere Geselligkeit lie-
bender Herr wird auch der Kanonikus und Magister fabricae
Johann von Hatstein besungen. ^^^ Ihm, wünscht Rha-
gius, möge nie das Material für die Pflege und den Glanz der
herrlichen Kathedrale ausgehen ; ihn ziehe, fährt er offen fort,
^^^ Dio Daten über die geistlichen Herren sind, wenn sie nicht von
Rhagius herrühren, Joannis, a. a. 0., II, entnommen.
1^2 L. Geiger, JolÄnn Reuchlin, 298, 303, 363.
1^3 ^ach Joannis, a. a. 0., II, 244, 367, ist Johann von Hatstein
1518 gestorben. In welchem Verhältnis stand dann zu ihm der Johann
von Hatstein, in dessen Haus sich Ulrich von Hütten 1520 (Böcking, I,
355) von Philipp Fürstenberg Bücher erbat?
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 53
die habsüchtige Pfrüiidenjagd nicht ab, die jetzt so viele
ergriffen habe, die die einigen Genossen zu häßlichem Zwist
anrege und das habgierige Forum Roms anzugehen zwinge.
Er sei mit einem Altar zufrieden und spende davon auch
noch den Armen, dem Grottesdienste und den Freunden.
Ein anderer Gönner war der Kanonikus und spätere
Scholastikus zu St. Martin Dr. i. u. Dietrich Zobel von
Giebelstat, dem Dietrich Gresemund das ehrenvolle Prä-
dikat „vir profecto nobilium eruditissimus et eruditorum
nobilissimus" beigelegt hat und dem Aesticampianus,
freilich ohne Effekt, prophezeite, es werde ihn einst, wie
jetzt der grüne Lorbeer des juristischen Doktorats, die Inful
schmücken. Zobel, unter drei Erzbischöfen Vicarius in
spiritualibus, von großem Einfluß unter Kardinal Albrecht,
wird von Irenicus zu den deutschen Poeten gerechnet.^"^*
Wir kennen ihn als eifrigen Reuchlinisten ; Hermann von
Neue nähr widmete ihm aus diesem Grunde die Defensio
Joannis Reuchlin.*" Als Ulrich von Hütten am Hofe
Albrechts von Mainz lebte, gehörte Zobel zu den
Männern, die ihn antrieben, die Livius-Ausgabe von 1518
dem Kardinal zuzuschreiben ; in sein Haus erbat sich
Hütten Briefe von Freunden. ^^^ In enger Freundschaft
stand Zobel mit Dietrich Gresemund dem Jüngeren^",
der ihm seine Antiquitäten zugedacht hatte. Sein Interesse
für literarische Tätigkeit brachte ihn auch in Verbindung
mit Wimpfelingiss und Erasmus.^^^ Als Kaiser Karl V.,
von seiner Krönung kommend, im November 1520 auf der
Reise zum Wormser Reichstage Mainz berührte, empfing
ihn Zobel mit (?iner glänzenden Rede.^^"
Zobel muß die Sorge für die Wohnung des Rhagius
im Hause „zum Korbe** zugestanden haben ^^^ denn in einem
anderen Gedicht (Extrudit Musam) fordert dieser die Muse
auf, sie möge Zobel voranlass.en, daß er ihm das schadhafte
Dach seiner „Sportella** ausbessern lasse. In den folgenden
Versen (Musa poetam obiurgat), die vielleicht zu den voran-
164 Germaniae oxojiesis, fol. 45 b.
i^-*» L. Geiger, a. a. 0.. 401, 403; E. Böcking. a. a. 0., I, 153.
156 E. Böcking, a. a. 0., I, 241, 264.
15' Nach Gebwilers Vita Gresemimdi. S. oben S. 33.
15^ S. oben bei Dietrich Gresemund, a. a. 0.
15'*' J. Förstemann und (). Günther, Briefe an Desideriu.s Erasmus von
Uolterdam, 96, 449.
160 Herum memorabilium Paraleiporaena, hinter Chronic, abbat. Urs-
perg, 1568, CLX.
1*1 Huttich hat in seinen Collectanea antiquitatuni, Bog. B., eine
Inschrift aus diesem Hause.
54 Gustav Bauch.
gehenden gehören, spielt der Schluß scheinbar schon auf
seinen Weggang nach Frankfurt an. Darin wird ein Ivo
erwähnt, der das Gehalt zu zahlen verweigere; der Scherz
bezieht sich auf die Zeit, wo Berthold soeben gestorben
war, auf die Zeit der Sedisvakanz; die Stelle des Rhagius
war sichtlich noch nicht fest dotiert. Ivo ist natürlich
Ivo Wittich, den er in einem Gedichte bittet, er möge
ihm statt der früheren schweren Weine einen leichteren
schicken; wenn ihm auf Rheingauer Boden neue Weine
gewachsen sein würden, würde er den geschenkten wieder
ersetzen. Er stand also auch mit Witt ich auf vertraulichem
Fuße.
Als seinen großen Gönner und Freund rühmt dann
Rhagius auch den Lizentiaten der Theologie und Kanonikus
Beatae Virginis ad Gradus Georg Behaim, der, geboren
im norischen Lande, wo der rußige W^erkmann aus ge-
mischtem Metall mächtig tönende Glocken und dem Donner
und Blitz gleich zu fürchtende Bombarden gießt, ein Mann,
der rein denkt, spricht und handelt, bescheiden und mäßig
lebt, selten lacht, wenig redet, ein strenger Richter der
Vergehen, ein frommer Priester ist. Georg Behaim war
aus Nürnberg, entstammte aber nicht der bekannten Pa-
trizierfamilie i«^, sondern ist ein Bruder des Reuchlinisten
und Freundes von Wilibald Pirckheimer, Dr. Lorenz
Behaim, Scholastikus bei St. Stephan in Regensburg und
Kanonikus in Bamberg, gewesen. Er hat vom Sonmaer-
Semester 1482 ab in Leipzig studiert und ist dort 1485
Bakkalar und 1489 Magister der Künste geworden. In Mainz
war er Dozent der Theologie und wurde^ 1513 nach dem
Tode des Antonius Kreß zum Propst bei St. Lorenz in
Nürnberg erwählt. Irenicus nennt ihn unter den theologi
nobiliores von Deutschland i«^^ Pirckheimer unter den
Theologen, die zu Reuchlin hielten.^^i
Gleichfalls ein Theologe und einer der nächsten Freunde
des Aesticampianus war der Pfarrer zu St. Emmeran
Jakob Merstetter aus Ehingen i^^, ein Heidelberger Schüler
Wimpfelings, scholastischer modemer Philosoph und Theo-
16-' Roth, Die Einführung der Reformation in Nürnberg, 45, 59, 98;
Will s. V. Bcheim, Georg; E. Böcking, a. a. 0., 1, 133; CK Scheuria
Briefbuch, 1, 128; Ch. ScheurI, Vita des Antonius Kreß, in Pirckheimeri
Opera ed. Goldast, 350 f.
^^^ Irenicus, a. a. 0., fol. 44 b.
164 Pirckheimer, in der Vorrede zu Lucians Piscator; Böcking, a. a. 0-,
I. 153.
1«^ IL F. Singer, Der Humanist Jakob Merstetter, Mainz 1904; G.
Knod, im Zentraiblatt für Bibliothekswesen V, 474, 475.
Aus der Gescliichte des Mainzer Humanismus. 55
loge und Humanist wie dieser. Er hatte 1490 in Heidelberg
das artistische und später in Mainz das theologische Bakka-
laureat erworben. Als Dichter und Liebhaber der klassischen
Literatur und der „pagina sacra**, als gewandter Kanzcl-
redner, als Liebling des Erzbischofs, der keuschen Geist-
lichkeit, als beliebt bei den Gelehrten, bei hoch und niedrig
wird er uns gezeichnet. Ihm teilt Aesticampianus seine
beabsichtigte Obersiedlung nach Frankfurt a. 0. mit und
malt seine Zukunft freundlich aus. Seinen Gegnern soll
Merstetter sagen, er strebe nach einer höheren Kathedra,
sie möchten sich einen andern Poeten suchen, der soviel
Arbeit und Mißgunst ertrage. Es ist die3 die einzige Stelle
außer der Widmung^««, wo Rhagius für ihn unerquickliche
Verhältnisse in Mainz erwähnt. Von dichterischen Lei-
stungen Merstetters liegen empfehlende Gedichte zu
Wimpfelings De hymnorum et sequentium auctoribus, zu
dem christlichen und patriotischen Soliloquium pro pace
christianorum und ein Distichon zu Wimpfelings Schrift
Pro concordia dialecticorum vor. Hervorragend neben
Wimpfeling und im Verein mit Gresemund beteiligt war
Merstetter und zugleich als Leiter des Druckes 1499 bei
der Heidelberger Nominalistenpetition und den eingefloch-
tenen Epigrammen^^^ auf Marsilius von Inghen. Ein
Hexastichon hat er auch 1503 dem bei Johann Schöffer
gedruckten Mercurius Trismegistus de potestate ac sapientia
Dei beigegeben.
Zu den geistlichen Freunden des Aesticampianus
gehörte auch der Kantor zum heiligen Kreuz und Kanonikus
zu St, Stephan, der im Druck verstümmelt Konrad Ibichm
genannt wird; ihm ist ein langer Dialog gewidmet zum
Danke für gastliche Bewirtung. Ein Verwandter von ihm
namens Peter war des Rhagius Schüler. Als letzter aber
in der zahlreichen Schar der geistlichen Gönner ist der
Licentiatus decretorum, Magister artium und Kanonikus zu
St. Johann, als Inhaber dieser Präbende Professor an der
^^^ Einen Tadler seiner Verse nennt er in (Jen Hendecasyllabi ad
leclorem vor den Epigrammen:
Si non utibiles erunt legenti
Tanquam difficiles et implicati
Nullius genijque graciaeque,
üt quidam cynicus putat magisler,
Captori venient probos in usus.
1^' Diese Epigrammenflut war die Ursache zu dem Epigrammenregen
bei Wimpfelings Adolescentia, indem Wimpfeling seinen Hörern einen Brief
Johann Geilers vorlas, in dem dieser die ehrbaren Verse auf Marsilius im
Gegensatz zu lasziven höchlichst lobte.
56 Gustav Baueil.
Universität und also des Rhagius Kollege Johann Monster
(Monasteriensis), später (1511 konsekrierl) Suffragan von
Mainz und episcopus Vicecomponensis ^^^ zu nennen. Ihn
bat Rhagius um Wein und versprach ihm Verse dafür.
Monster resignierte zwar seine Lektoralpräbende 1510,
blieb aber der Universität zugetan und legierte ihr (f 1544)
hundert Floren in Gold. Vielleicht noch zu den Geistlichen
gehörig ist Jakob Linck^^^, ein Mann mit humanistischen
Neigungen und gern gesehener Besucher der ,,Sporta**, der
den Dichter bei sich mit den Früchten seines Gartens und
Wein bewirtet und ihn, obgleich schon grau, durch seine
munteren Gesänge aufheitert.
Wie bei Linck, ist es auch bei einigen anderen
Männern, die in den Epigrammen verewigt sind, nicht ganz
leicht, ihre Lebensstellung zu bestimmen. So gleich bei
dem ersten weltlichen Freunde des Aesticampianus, dem
Doktor Bernhard Kuhorn^-", der ihm als Geschenk einen
fichtenen Tisch und zwei Stühle gegeben, und dem er zum
Danke im neuen Jahre viele Erfolge und einen Erben
wünscht. In welchem Verhältnis zu diesem der dahinter
folgende Jurist Johann Kuhorn steht, ist nicht klar. Jo-
hann Kuhorn^'i wird als gerechter und milder Richter ge-
rühmt, der auch die Ausonischen Musen hege, und den
seine Beredsamkeit als Schüler dos Philippus Beroaldus
erkennen lasse. Unter seinem Vorsitz bei der Tafel fänden
Heiterkeit und Ernst gleichmäßij; ihr Recht. Johannes
Fürderer (Forderer) aus Richtenfels (Scheurl sagt: aus
Stuttgart), häufig nach seinem Stiefvater Jakob Kühorn
aus Feuerfeld bei Heilbronn Kühorn genannt, wurde 1495
als Familiäre des vornehmen Herrn Johann von Kuno-
witz auf Ungarisch-Brod in Mähren in Bologna bei der
deutschen Nation der Juristen eingeschrieben. Etwa 1500
Doktor beider Rechte und noch 1501 Syndikus der Nation,
wurde er 1507 von dem Kurfürsten Jakob von Mainz als
Kleriker der Speierer Diözese zum Assessor am Reichs-
^*^^ Außer Joaunis, a. a. O., II, 44, H. Kuodt, a. a. 0., 65.
'♦'^ Ein Jacohus Liiick de Muiizingen, der dieser nicht sein kann, ist
am 11>. Dezember 1499 in Heidelberg intituliert und dort am 16. Januar
1502 Raccalar viae modernae geworden.
^'^' Hin Bernhard Kühorn aus Stuttgart ist 1480 in Tübingen im-
n.alrikuliert. Vielleicht ist es dieser.
1"! G. Knod. Deutsche Studenten in Bologna, 129, No. 911; F. W. E.
Roth, a. a. 0., 449 f. Warum Roth die Identifizierung Knods nicht gut-
heißt, verstehe ich nicht. Dagegen erscheint es mir nicht glaublich, daß
der Scholastikus Johann Kuhorn mit unserm identisch ist, weil dem die
Titulaturen bei dem Anniversar Johann Fürderers widersprechen. Vergl.
Roth, 450, Anm. 5.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 57
kammergericht präsentiert und blieb es extraordinarie bis
zum Jahre 1515, wo er kurmainzischer Kanzler wurde. 1508
hatte er schon die Lektoralpräbende zu St. Viktor bei Mainz
erhalten und las an der Universität ordinarie die Rechte.
1521 legte er das Kanzleramt nieder, war aber noch 1528
Rat des Kurfürsten Albrecht. Als Kanzler und Rat viel-
fach zu wichtigen Geschäften und Sendungen gebraucht,
verfaßte er die 1521 von Kaiser Karl V. bestätigte „Hof-
gerichtsordnung** und wurde dafür von Albrecht zum Bei-
sitzer des Hofgerichts ernannt. Zu den Zeiten des Rhagius
mag er wohl extraordinarie Jus an der Universität gelesen
haben, 1507 deutet Christoph Scheurl, der sich mit ihm
und dem ebenfalls mainzischen Juristen Dr. Johann Ried-
esel in Bologna befreundet hatte, darauf hin.^^^
Ein anderer juristischer Freund war der Sachwalter
Johannes Schmuck, der dem von einer Krankheit ge-
nesenen Rhagius Wein und Kuchen schickte. Der Wein
habe, sagt der Dichter, ihm den Husten erleichtert, darum
möge der Freund wiederum welchen senden, reichliche
Prozesse im neuen Jahre würden ihm eine gute Ernte
bringen.
Welcher Stellung der nun folgende Bernhard Rohr-
bach angehört, ist nicht zu bestimmen; zu dem näheren
Freundeskreise muß er gezählt werden, das geht aus dem
an ihn gerichteten Abschiedsgedichle hervor; er ist ver-
mutlich der Frankfurter Patrizier des Namens gewesen. ^^^
Unter den näheren Freunden des Aesticampianus
dürfen wir auch den Mann nicht vergessen, der wie Grese-
mund den Epigrammen ein empfehlendes Gedicht voraus-
schickte, der humanistisch gebildete Magister Konrad
Weidmann aus Basel. i'* Er war jedenfalls, wie Grcse-
nuind auch, ein Kollege des Rhagius an der Universität
und später Dozent der Jurisprudenz. Wir wollen seiner erst
ausführlicher in der nächsten Periode, die unter dem Zeichen
des Kampfes Johann Reuchlins mit Johann Pfeffer-
korn stand, gedenken, wo er mehr hervortritt.
Den Freunden des Aesticampianus werden wir billig
seine Schüler, soweit wir ihrer noch nicht Erwähnung getan
haben, anschließen. Leider fehlt uns als Übergang dazu
1'* Neue Mitteilungen des Thüringisch-Sächsischen • Vereins, XIX,
408, 409.
1^^ Die Familie Rohrbach, im Archiv für Frankfurts Geschichte und
Kunst, 3. F. II, 165. Ein Bernhard Rohrbach aus Heilbronn, Wiener Ma-
gister, war seit 1486 in Tübinjien. Später (seit 1497) dort publicus medi-
cinarum professor, auch noch 1505 und weiter.
17* E. Böcking, a. a. 0., III, 563. Das Gedicht Gresemunds, 564.
58 Gustav Bauch.
eine Übersicht über seine Vorlesungen, wie wir sie aus
seiner Leipziger Zeit besitzen i^^, und konstruieren wollen
wir sie nicht. Nach den Epigrammen dürfen wir zuerst als
solchen den Lausitzer Edelmann Kaspar Widenbach aus
Guben ansprechen. Das Gedicht an ihn schildert, vielfach
scherzhaft, den Abschied Kaspars von der Heimat bei dem
Abgange zur Universität.
Deutlicher treten als Mainzer Hörer die beiden Leip-
ziger, Wolfgang Bawer und Markus Leympach, her-
vor*^^; beide werden wegen ihres eifrigen Studiums des
Altertums gepriesen, Leympach auch als Jurist. Beide
sollen ihren Angehörigen und ihrer Vaterstadt Ehre machen.
Bawer hatte schon im Wintersemester 1495 seine Studien
in Leipzig begonnen und ist im Sommersemester 1510 in
Frankfurt a. 0. immatrikuliert. Sonst wissen wir von ihm
nichts. Anders steht es mit Markus von Leimbach. Er
war ein Sohn des herzoglich sächsischen Rates und Land-
rentmeisters Johann von Leimbach, der nach Möglichkeit
für seine Studien sorgte, und seinem Vater ähnlich an Ge-
sicht und humanem Wesen. Schon im Sonunersemester 1494
war Markus mit seinem Bruder Johann in Leipzig imma-
trikuliert worden. Etwa 1501 und 1502 waren beide Brüder
unter der Aufsicht des tüchtigen Magisters Hermann
Kaiser aus Stolberg, der vorher die jungen Grafen Al-
brecht und Gebhard von Mansfeld in Leipzig erzogen^"
und unterrichtet hatte, in Köln.i^« Während Johann zum
Wintersemester 1502 nach Erfurt zog, begab sich Markus
mit Kaiser, der dorthin als Propst der Allerheiligen-Kirche
und eventueller Kanzler der neuen Universität berufen war,
nach Wittenberg, wandte sich aber von da nach Mainz, wo
er Schüler des Rhagius wurde und mit den Doktoren
Johann Kühorn und Johann Riedesel zu Tische ging.*'*
Nach Wittenberg zurückgekehrt, wurde er am 18. Juli 1508
von Dr. Christoph Scheurl, dessen contubernalis disci-
pulus er war, zum Bakkalar des kanonischen Rechts pro-
moviert. Bei der Promotion war Markus schon Propst
*'•'• G. Bauch, im Archiv für Literaturgeschichte XIII, 12 f. Es ist
kaum glaublich, daß keine Mainzer Editionen des Rhagius . vorhanden
sein sollen.
i^<» Hier hätten die Leipziger Magister über Konkurrenz seitens der
geringgeschätzten Universität Mainz klagen können.
^^" G. Bauch, Geschichte des Leipziger Frühhumanismus, 58, 59.
^^** Cod. Gothanus, 395, 1, 2: Martin PoHch an Hermann Kaiser,
o. 0. 6. April 1502, Quedlinburg 12. Juni 1502 und Dr. Mathiaa Besolt
an denselben, Torgau 10. April 1502.
»"» Xeu(; Mitteilungen etc., XIX, 409.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 59
''on Würzen. Die Rede, die Scheurl bei dem Akte gehalten
latte, ließ er auf Wunsch des Vaters drucken. i«o Es ist
lieses „deutschen Cicero" schwächste Rede, ein trauriges,
:usajnmengestoppeltes Machwerk.
Eines der schönsten Gedichte ist seinem Schüler und
■^amulus Heinrich Brumann aus Mainz gewidmet. Böcking
lat es, weil es die Dienste eines Famulus so lebhaft aus-
nalt, ganz abgedruckt. ^^^^ Ihm ist Aesticampianus ein
räterlicher Freund gewesen. Wir werden Brumann auch
loch wieder begegnen. Durch ein eigenes Gedicht ^^^^ es
väre sein erstes bekanntes, kündigt sich Ulrich von Hütten
ichon als Mainzer Schüler des Rhagius an. Wenn wir
ins früher durch die scheinbar falschen Angaben über
)ietrich Gresemund den Älteren in seinen Versen^**
n den Querelen (1510):
Magna Geresmundum seruat Moguntia utrumque,
Legibus Aonias iungit uterque deas.
ibhalten ließen, dies zu glauben, weil wir unter den beiden
jresemund Vater und Sohn Dietrich verstanden, so
lalten wir das jetzt für einen Fehlschluß, weil der Vater
lamals wohl schon tot war und der jüngere Dietrich noch
?inen Bruder hatte, der in Heidelberg am 9. November 1512
lIs Hermannus Greszmundt -de Maguntia intituliert ist
md recht wohl ein Mitschüler Huttens gewesen sein
:önnte.i»* Überdies kommt für die Beurteilung die Stellung
les Huttenschen Gedichtes mitten unter den mainzischen
linzu.
Aus einer anderen Quelle kennen wir noch einen
5chüler unseres Humanisten aus Mainz, den bekannten
Vntiquarius Johann Huttich, der uns später die G^legen-
leit geben soll, nach einer Abschweifung bis zur gelben
)der mit Mainz wieder anzuknüpfen.
Um mit den Epigrammen des Aesticampianus zu
ilnde zu kommen, sei noch erwähnt, daß neben einem
Scherzgedichte an seinen Barbier Antonius und drei sati-
•ischen (in lurchonem, in sciolum, in Polyphemum) auch
loch Liebesgedichte darin enthalten sind; zwei Mainzerinnen,
^lartha und Cattha, hätten hiernach das Herz des Dichters
180 Oratio doctoris Scheurli attingens laudes virlutis, Leipzig 1508.
0; Neue Mitteilungen etc., a. a. 0.
181 E. Böcking, a. a. 0., 111, 564.
182 E. Böcking, a. a. 0., III, 563.
183 E. Böcking, a. a. 0., III, 76; Elegia X, v. 205.
18* Dietrich konnte natürlich nicht, wie Böcking, 111, 565, will,
[uttens Mitschüler sein.
60 Gustav Bauch.
entzündet. Wir lassen diese Verse, die manchmal deullicher
als schön sind, beiseite, weil sie für uns unwesentlich sind
und als bloße Nachahmung der Alten dem Bilde des Mannes,
wie es Mitlebende entworfen haben ^«^ gar nicht entsprechen.
Es bleiben uns nun noch zwei Stücke übrig, die nach
dem Oberrhein weisen und Witnpfeling und Thomas
Wolf betreffen.
Als Wimpfeling für Jakob Sturm 1505 sein Buch
„De integritate" geschrieben und damit den Augustinern
nicht allein, sondern einem großen Teile der Mönche über-
haupt zu heftigen Angriffen Anlaß gegeben hatte i^«, konnte
er bei der zweiten Ausgabe dieser Schrift^^? unter denen,
die sie billigten, auch Aesticampianus anführen. Ein
Gedicht unserer Sammlung auf das Buch ist auch im An-
hange dieser Ausgabe neben Briefen und Gedichten von
Pallas Spangel, Georgius Zingel, Johannes Roma-
nus, Heinrich Bebel, Beatus Rhenanus, Rudger
Venrai Sicamber und Johannes Gallinarius abge-
druckt. Rhagius hält sich darin von der Kontroverse, ob
der heilige Augustinus ein Mönch gewesen sei, fern, und
lobt nur das mit sokratischem Ernste geschriebene, keusche
Buch.
Auch W impfe 1 in gs allezeit getreuer Genosse Thomas
Wolf Junior erscheint in den Epigrammen; ihm als dem
liebsten unter allen rheinischen Sodalen, sandte Aesticam-
pianus ein Abschiedsgedicht, da er sich fertig machte, nach
Frankfurt a. 0. überzusiedeln, wohin der Kurfürst Joachim:
Duros grammaticos, leues sophistas,
Audaces medicos, malos poetas,
Vanos leguleios, theoiogosque
Rixosos ....
berufen hatte. Er sollte später, als er wieder an den Rhein
kam, Wolf nicht mehr unter den Lebenden i*^^ treffen (f 1509).
Dem Bruder des Thomas, Amandus, der, wie wir schon
gehört, 1504 starb, hatte er in einem Trostbriefe ^^^ an
Thomas außer Trauerepigrammen die seine eigene Denkart
wiedergebenden Worte nachgerufen : „Ad te siquidem atque
ad illum, Maguncia soluens, tanquam in portum me tutissi-
is.'i llioronvmi Welleri Opera omnia, I. 174.
i8fi Ch. Schmidt. Histoire litteraire de TAlsace, I, 42f.
^'*" Joannes Knoblouchus Ciuis Argentinensis ex Archetypo denuo
imprimebat. Anno quingentesimo sexto supra millesimum. XI. kalendas
Nouembris. 4".
184; G. Bauch, Die Universität Erfurt etc., 130—132.
189 Abgedruckt mit seinen Trauerepigrammen bei : Joannes Garson de
miseria humana etc. S. oben S. 41 bei Ulsenius.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. Hl
mum retulissem. . . Non enim dubito, quin feniore adoles-
cencie decocto dulcioBibus Ulis mxisis paulispcr a se remotis
grauioribus se shidijs penitus dedisset. Non enim ludo et
luxui incumbebat, et pro Cicerone Paul um, pro Vergilio
Jesaiam, pro Liuio Moysen leclitauisset.'* Aus diesen weit-
flüchtigen Worten ersieht man zugleich, daß Rhagius 1504
seine Wandergedanken schon ganz aufgegeben und sich
darauf eingerichtet hatte, bis zu seinem Alter in Mainz zu
bleiben; aber er stand jetzt, ohne es zu ahnen, gerade an
der Schwelle des unruhigsten Teiles seines Lebens.
Der Kurfürst Joachim 1. von Brandenburg berührte
auf der Reise zum Reichstage in Köln 1505 Mainz i»<>; in
seinem Gefolge befand sich der Bischof von Lebus Dietrich
von Bülow, dem als vertrautem kurfürstlichen Rat und
zukünftigen Kanzler und Konservator der neuen Hochschule
in Frankfurt a. 0., die am 26. April 1506 ins Leben trat,
deren Organisation oblag. Rhagius wurde für sie als ordent-
licher Orator et Poeta gewonnen. In einem Briefe ^^^ an
Hermann von dem Busche, der auch den Wunsch hatte,
in Frankfurt angestellt zu werden, verlieh er seinen hoff-
nungsvollen Anschauungen Ausdruck. „Fürst Joachim**,
sagt er, „ist begabten Menschen günstig. Bischof Dietrich
liebt jene humanen Studien, und endlich alle Hochgestellten
aus der Umgebung, soviel ich aus ihrer Miene und Rede
entnehmen konnte, pflegen und verehren die lateinische
Sprache**. Busch kam nicht nach Frankfurt, und auch
Rhagius überzeugte sich bald, daß er mit Annahme der
Frankfurter Stellung einen schlechten Tausch gemacht hatte.
Vorerst aber gab Mainz, da es, wie wenn bei Schulen
ein Rektor den Ort wechselte, auch bei den Poeten üblich
war, daß Schüler von ihnen mit auszogen, einen kleinen
Ableger, den Poeten Rhagius und einige seiner Mainzer
Hörer, an Frankfurt ab, und die neue Universität wurde
ihrerseits wieder ein Pflanzgarten für die Mainzer. Der
Name des Rhagius, obgleich dieser schon offiziell an der
feierlichen Inthronisation der Universität teilnahm, fehlt in
der Matrikel ^*2^ dafür sind sogleich im ersten Semester die
uns aus Mainz schon bekannten oder in der Folge dort
erscheinenden Kaspar von Wiedebach, Heinrich Bru-
mann, Ulrich von Hütten, Wolf gang Angst aus Kaisers-
190 Pur das Folgende vergl. G. Bauch, Die Anfänge der Universität
Frankfurt a. 0., besonders 23, 97 f., lOOf.
*^^ Hermann von dem Busche, Spicilegium von 1607. Der Brief
latiert Mainz 28. September 1505.
i»2 Die Gründe dafür bei G. Bauch, a. a. 0., 98.
62 Gustav Bauch.
berg und Johann Huttich aus Strintz in das Album ein
getragen. Bei Angst ist es nicht beglaubigt, aber wegen
seiner humanistischen Bildung und seiner alten Freund
Schaft mit Hütten so gut wie selbstverständlich, daß auch
er ein Schüler des Rhagius war.
Mit dem bei ihm gewöhnlichen Eifer nahm Rhagius
bald seine Tätigkeit als Dozent und Editor auf, und von
seinen Schülern wurden rasch literarische Leistungen öffent-
lich sichtbar. Als der Kollege des Rhagius, der Inhaber
der zweiten Lektur für Oratoria et Poetica, Publius Vigi-
lantius Bacillarius Axungia, der bei der Einweihung der
Universität die Festrede gehalten hatte, diese, eingeschlossen
in eine Beschreibung der Stadt Frankfurt und der Ein-
weihungsfeierlichkeiten, 1507 erscheinen ließ^^^^ tj-yg j^r
Druck empfehlende Verse von Rhagius, eine Elegie von
Udalricus Huttenus Phagigena, Aesticampiani disci-
pulus, zum Lobe der Mark und der neuen Universität und
eine Elegie Henrici Brummanni Magonciaci, sectatoris
Aesticampiani, auf das Buch des Vigilantius. Hütten
gab dann noch 1507 eine Elegiaca exhortatio ad studiosos
adolescentes zu der von Rhagius herausgegebenen Gram-
matik des Marcianus Foelix Capeila und ebenfalls 1507
eine andere Elegiaca exhortatio de ^irtute zu der Ausgabe
der Kebcstafel seines Lehrers. ^^* Der junge Ritter wid-
mete sich aber nicht nur poetischen Arbeiten, sondern schloß
hier auch seine scholastischen philosophischen Studien da-
mit ab, daß er im September 1506 das Bakkalaureat *^^ er-
warb. Als am Ende des Wintersemesters 1507/8 Aesticam-
planus nach Leipzig überging, folgte ihm Hütten auch
dahin, trat aber von dort aus bald seine Reisen auf eigene
Hand an. Brumann ließ sich in Frankfurt bei der juri-
stischen Fakultät als Scholar einschreiben i^« und wurde
durch diese Studienrichtung wohl seinen bisherigen poe-
tischen Bestrebungen ziemlich entrückt. Erst in Mainz er-
fahren wir wieder von seinem \Veit<»rleben.
Nach dem ei-sten philosophischen Lorbeer strebten auch
Angst und Huttich und erhielten ihn^^^ jj^ Februar 1507.
^9"' Aus dem einzigen bekannten Exemplar der Breslauer Universitäts-
bihliotliek wieder abgedruckt in Akten und Urkunden der Universität
Frankfurt a. 0., VI, If. Die Gedichte von Rhagius, Hütten und Brumann
ebenda, 1, 30, 31. E. Böcking, a. a. 0., III, 5, 7.
194 G. Bauch, Die Anfänge der Universität Frankfurt a. 0., 104, 103.
19-'^ Akten und Urkunden, I. 20.
i9ß Akten und Urkunden, VI. 53.
197 Akten und Urkunden, I, 23.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 63
ifVolfgang Angst hat darauf vom 14. Januar 1512 ab seine
Studien in Freiburg i. B. wieder aufgenommen. Nachdem
jr als gelehrter Korrektor bei Heinrich Gran in Hagenau
gewirkt hatte, siedelte er zu dem gleichen Berufe nach Mainz
iber, wir werden ihn dort wiederbegrüßon. Huttich^^'*
lielt sich in Frankfurt wie Angst von literarischen Publi-
:ationen fern, noch war seine Zeit nicht gekommen, aber
lein Name wird doch schon von dieser Zeit ab gedruckt ge-
lannt. Aesticampianus hat wie auf Hütten lebhaft an-
egend auf diese tüchtige Natur eingewirkt.
Die Grammatik des Marcianus Capelia hatte Aesticam-
>ianus seinen verwaisten kleinen Nefien Georg und Jo-
lannes gewidmet; die Sorge für ihren Unterricht hatte
T seinem Amanuensis Huttich übertragen. Als rheto-
ischen Anhang zu der Grammatik ließ er alsbald Aelius
)onatus de figuris folgen. i»» Dieses Werk hat er Huttich
iugeeignet tmd in der warmempfundenen Widmung sagt er:
»Arbeite du mehr und mehr daran, daß auch dieser Teil der
Iranmiatik, der ihr wie ein Wäldchen angehängt ist, von
neinea Neffen und dir, gewissermaßen ihrem Unterlehrer,
►ffenbarlich verstanden wird, zumal da jenen wie dir diese
)ache von großem Nutzen sein wird. Von wem könntet ihr
.uch diese Dinge besser als von Donatus, der mündlich das
acht unserer Religion, Hieronymus, darin unterrichtet hat,
lach meinem Vortrage lernen, damit nichts ausgelassen wird
- weil ich nun einmal das Amt eines Grammatikers über-
lonunen habe — , was zum wahren und wohlanständigen
Interricht zu gehören scheint, obwohl dir das nicht mehr
:anz unbekannt ist, da du ja schon deinen Sinn auf die
löheren humanen Studien, wie auf das Verständnis der
k.räfte der Eloquenz, auf die Sammlung der Vorschriften für
in gutes Leben und auf die Durchdringung des ganzen Alter-
ums gerichtet hast, indem du mit Lesen und Hören und
»kommentieren deine ganze Zeit hinbringst und den Müßig-
ang wie eine Pest des Geistes und eine Seuche des Körpers
1*^ Zu Huttich vergl. G. Bauch, Archiv für Literaturgeschichte, XII,
BOf.; F. W. E. Roth, Euphorion, IV, 1121. Roths Biographie ist im
esentlichen eine Bearbeitung meiner Darstellung, aber er vermeidet es
orgfältig, auch nur einmal meinen Namen zu nennen. Unrichtig ist bei
lotb, daß Huttich schon in den Epigrammen des Rhagius vorkommt.
faß der von Roth, S. 772, 775, angeführte Domvikar und Altarist Johann
iuttich und der unsere eine Person sein sollen, ist ausg;eschlossen, da
er 1487 oder 1488 geborene Huttich 1506 noch nicht das kanonische
her hatte, um die dazu nötige Priesterweihe zu erhalten. Eher ist es
er schon 1488 genannte Mainzer Huttich.
i»ö G. Bauch, Die Anfänge etc., 104.
64 Gustav Bauch.
fliehst und verabscheust. Und aus diesem Gnuide hast du
auch die Marken des süßen Vaterlandes und di3 lieblichen
Gefilde der Stadt Mainz, die Weingärten, die Fluren und
die Verwandten verlassen und endlich don Rhein, den Vater
der Nymphen, wie die Dichter meinen, um in Lübben die
Bäche meiner Lausitz (Spreewald) zu sehen und deine
Heimat ein wenig zu verleugnen, um endlich dein Haus
reicher an Wissen, berühmter durch Beredsamkeit und auch
reiner im Leben wieder aufzusuchen und dieses mein Urleil
in Bezug auf deinen Geist, deni Studium und deine Liebe
zu mir als ein ewiges Denkmal mitheimzubringen, damit
du nicht vergeblich die Gefahren der Reise oder die Mühen
der täglichen Arbeit, denn du bist mir zur Hand (a manu
enim mihi es), oder auch noch Schaden an Geld und Zeit
auf dich genommen zu haben scheinest.** In einem ange-
hängten Schlußgedichte Ad nepotes et Johannem Hutti-
chium Maguntinum lobte er nochmals seinen Amanuensen
und wies auch noch darauf hin, daß dieser bereits bei ihm
Griechisch gelernt hatte:
Tuque, Maguntine spes urbis et ardua Rheni
Gloria, Lusatii tutor honeste gregis,
Dulcis Johannes, teneros mea cura, nepotes
Respice et hec rudibus trade elementa gulis,
Ut possint ronchos Itali sannasqne Pelasgi
Effugere et duplici fingere verba sono.
Quod paucis nostro hominibus iam contigit euo,
Nunc dabit hoc pueris cura laborque tuis.
Ein Distichon an den Leser versprach einen Kommentar
zu Marcianus Capeila; auch dieser erschien noch 1508 mit
einem gleichen zu Aelius Donatus^'^^ wieder den Neffen zu-
geschrieben. Die in so wenig Worten gegebene liebevolle
Schilderung des Rhagius von Mainz in der besprochenen
Epistel an Huttich erhält einen wehmütigen Zug, wenn man
damit die Verse vergleicht, die Pierius Joannis Aesticam-
piani grex bei dem Kommentar an die Neffen richtet; diese
Verse sprechen nicht nur von durch die angeschwollene
Oder w^eggeschwenunten „faciles et innocentes despecti
miseris modis poetae**, sondern sagen auch noch:
Vos ad Lusatios redite fines:
Nee firmi comites, nee expediti.
Et cum grammatica valete vestra,
Nos sectabimur Aesticampianum,
200 ü. Bauch, a. a. 0., 105.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 65
Quo vel fata vocont, deus vol autor
Vel sors hac melior schola vel urbe.
Huttich wanderte mit den Neffen nach Lübben, al>er
schon im Wintersemester fand auch er sich in Leipzig ein.
Bis zum Wintersemester 1513/14 schweigen jedoch dann die
Nachrichten über ihn. Zu diesem Termine trat er dort
herausfordernd als Poet auf. 201 Der artistische Dekan des
Semesters Magister Johannes Tuberinus Erythrapoli-
tantis, Johannes Beuschel oder Beussel aus Roten-
burg a. T., ein zu den Scholastikern haltender wässeriger
humanistischer Poet, der zum Gespött der Huma^jisten
schärferer Tonart^o« in demselben Semester durchsetzte, daß
ihm die Fakultät zum Druck seiner dickbändigen wertlosen
„Musithias** dreißig Floren bewilligte und ihm gestattete,
in einem Jahre anstelle des Terenz darüber zu lesen, war
als zünftiger und patentierter Poet natürlich mit Recht da-
rüber entrüstet, daß schon vor Anfang der Exerzitien und
Lektionen zwei Bakkalare zu lesen begannen. Er schritt
ein, weil Überfluß an lesenden Doktoren und Magistern
wäre und sie bloß Scholastici seien, die nicht die Erlaubnis
zu lesen hätten. Der eine gehorchte sofort und hörte auf
zu lesen; der andere wollte zuerst durchaus nicht von seiner
Anmaßung lassen, stand dann aber doch von seinem Be-
ginnen ab, als ihm von seinen Oberen und dem Dekan eine
Frist von fünf Tagen gesetzt worden war. Auch einen
dritten Scholaren oder, wie viele sagten, einen Frankfurter
Bakkalar, obgleich er selbst es leugnete, unsern Huttich, ver-
hinderte er am Lesen. Da er aber nicht hören wollte, rief
der Dekan auf Geheiß der Senioren die Hülfe des Rektors
zur Bestrafung des Ungehorsamen an. Der Rektor er-
kundete die Meinung des Universitätskonzils über die Sache,
und dieses beschloß, daß jener Jüngling zu verhindern sei.
Huttich aber appellierte an die ganze Universität, deren
Nationen ihm befahlen, vom Lesen abzustehen. Dieser je-
doch, der seinem dreisten Verfahren nicht den Rücken
kehren wollte, reichte dem Herzog Georg eine Bittschrift
ein, in der er die Magister leichtfertig, „ut mos est gyroua-
gorum**, mit schwerer Beschuldigung verklagte. Der Fürst
schrieb darauf an die Universität und verlangte, daß ihm
*ö' Liber papyreus dos Archivs der Leipziger philosophischen Fakul-
tät, fol. 59, und Liber conciusorum et arforum uniuersitatis, fol. 158.
Codex diplomaticus Saxoniac Regiae II, XVII, 48().
**^- Codex dipl. Saxoniae Regiae, a. a. O., 471). Epistolae obscurorum
virorum, E. Böcking, a. a. 0., Supplemeiitum 1, 27. Ks springt ins Auge,
wie vorzüglich der Verfasser (Crotus) über die Sache unterrichtet war.
Beiträge x. Gesch. d. Universttäten Mainz u. Gießen. ß
6G Gustav Bauch.
die Erlaubnis zu lesen nicht verw^eigert werden sollte. Die
Universität verschanzte sich hinter ihre Statuten und löb-
lichen Gewohnheiten und belehrte ihn über die Menge der
Magister in Leipzig, die „cultioreni literaturam** vortragen
könnten. Damit beruhigte sich der Herzog, und „dictus
temerarius poetaster** wurde bei einer Strafe von zehn
Floren, die ihm der Rektor nach Beschluß der ganzen Uni-
versität androhte, gezwungen, von seinen Lektionen abzu-
lassen.
So teilte Huttich das Schicksal seines Lehrers Aosti-
campianus, dem die Universität L511 aus Schikane ein
Lektorium verweigert-03 und den sie dann nach einer scharfen
Abschiedsrede -04, um ihn ganz loszuwerden, trotz der Inter-
zession des Herzogs Georg schleunigst auf zehn Jahre
relegiert hatte. Huttich trat jetzt seinen Rückweg nach
dem goldenen Mainz an.
Nach Joannis^oö erscheint er dort in Urkunden als
Magister, Examinator und Geistlicher. Er hat also wohl
in Mainz seinen Grad erlangt, also auch dort wieder zu der
Universität gehört. Die Anregungen des Acsticam planus
und was er von Gresemund vernahm, wirkten bei ihm
weiter; er beschäftigte sich in seinen Mußestunden mit der
Sammlung von römischen Inschriften imd alten Münzen. Im
Jahre 1516 gab er ein empfehlendes Hexastichon zu einem
Oppenheimer Drucke ^o«, zu dem Enchiridion ferme de omni
ludorum genere des Tübinger Professors der Jurisprudenz
Johannes Aquila. Das Buch, das auch Peter Günther
poetisch empfahl, behandelt erlaubte und unerlaubte Spiele,
Spiel im weitesten Sinne ji^enommen, und stellt die uner-
laubten abschreckend mit Verboten und Strafen dar. Es
ist also gewissennaßen eine Ergänzung zu Gresemunds
Violata crux.
Seine vielseitige Bildung bewirkte, daß er als Lehrer
des jugendlichen Ludwig II. von Pfalz-Zweibrücken
an dessen Hof berufen wurde. Als solcher schrieb er 1518
an Reuchlin-*^' und tröstete den schon sieben Jahre auf
Gerechtigkeit Harrenden mit der Gunst des Bischofs von
-*J^ G. Bauch, Archiv für Literaturgeschichte, XIII, 19 f.
2o< Obersetzt von 0. Giemen, Neue Jahrbücher für Pädagogik, II
(IV), 236 f. — 20f. Joannis, a. a. 0., III, 322.
206 Opusculum Enchiridion appellatum Joannis Aquile Ferme de omni
ludorum genere. Impressum Oppenheim (Jakob Köbel). Anno domini.
1. 5. 16. 40.
20" lilustrium virorum epistolae ... ad Joannem Ileuchlin Phorcen-
sem. Hagenoae ex officina Thomae Anshelmi. Anno Inc. Verbi M. D. XIX-,
Üiij b.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 67
Straßburg, Grafen Wilhelm von Hohenstein, mit der Be-
wunderung seines Schülers Ludwig und den Hülfsaner-
bietungen der Vornehmen von dessen Umgebung. Daß
Huttich sich unter den Gelehrten damals schon eines an-
gesehenen Namens erfreute, beweist neben der gleich-
zeitigen Erwähnung 208 durch Irenicus, daß er in dem den
Epistolae illustrium virorum vorgedruckten Verzeichnis der
Defensores Capnionis mit aufgeführt wird. Als Reuch-
linist hat er auch bei Schlauraff und in dem Briefe des
Obscurus vir M. Sylvester Gricius Aufnahme gefunden.^o»
Im Jahre 1520 erschien die Frucht der Mainzer For-
schungen, das erste Werk Huttichs: Collectanea anti-
quitatum in urbe, atque agro Maguntino repertarum.^io Das
Buch war schon früher vollendet, wie der an Dietrich
Zobel gerichtete und vom 22. Juli 1517 „ex arce Curcellina
regni deserti" datierte Widmungsbrief bezeugt. Scherzend
sagt er darin, daß er trotz des Spottes des Erasmus (in
seinem Encomium moriae) unter die Altertumsnarren für
Mainz gehen wolle, um dadurch Zobel, der schon ein Lieb-
haber alter Münzen sei, anzuregen, aufgefundene Altertümer
zu sammeln und dadurch vom Untergange zu retten. Er
habe nur ausgeführt, was Gresemund, der Vater der Alter-
tümer, begonnen, im Verein mit dem Doktor der Dekrete
Balthasar Geyer (von 1524 ab Scholastikus bei St. Peter*"
und außerdem Kanonikus bei St. Viktor, bei dem hl. Kreuz
und in Frankfurt bei St. Bartholomäus) habe er in Stadt
und Land geforscht und nach dem Vorbilde Peutingers alle
Inschriften mit eigenen Augen geprüft. Das nicht fehler-
lose-" Werk, das 42 Inschriften und eine Abbildung des
Eigelsteins enthält, ist von Schöffer 1525 aufs neue ge-
druckt worden. 213 Joahnis hat die ganze Schrift nach dieser
zweiten Ausgabe in seine Sannnlung aufgenonmuMi.-i*
Mit dieser Veröffentlichung, oder vielmehr schon mit
dem Briefe an Reuchlin, entschwindet Huttich auf einige
Zeit unseren Augen; durch eine gelegentliche Notiz-^* in
einem Briefe an Pirckheimer erfaliren wir nur, daß er
1521 aus Spanien zurückgekehrt ist. Was ihn dorthin ge-
*®8 Gennaniae exegcsis, fol. 45 b. — 200 g iji(»|. weiter unten.
*^^' Ex aedibus Joannis Schoeffer Mognntini. Anno Christi M. D. XX.
mense Martio. Fol. — *^^ Joannis, a. a. 0., 1, 505, II, 324.
21- Leibniz in Olium Hanoveranum von Feller, Li})s. 1718, 207.
*15 Ex aedibus Joannis Schoeffer Mogunlini. Anno Cliristi M. D. XXV.
Mcnse Septejnb. Fol.
*i* Joannis, a. a. 0., II, 327 f. Die Meinung von Joannis, daß beide
Ausgaben identisch seien, beruht auf einem Irrtum.
21^ Heumann, Documenta literaria, 225.
68 Gustav Bauch.
führt, wissen wir nicht. Als er den Brief schrieb (18. Ok-
tober 1524), hielt er sich in Straßburg auf und wurde dort
von Beatus Rhenanus, mit dem er befreundet war unä der
bei ihm den Sonuner zugebracht hatte, gebeten, dem "Buch-
drucker Grüninger als gelehrter Korrektor für die Ptole-
maeus-Ausgabe Pirckheimers behilflich zu sein. Er über-
nahm zur Freude Pirckheimers, der ihm schon von früher
nahestand (er hatte ihm vor mehreren Jahren schon seinen
„Piscator** übersendet), die mühsame Arbeit. Aus der Ant-
wort Pirckheimers ersehen wir, wie hoch er Huttich
als Gelehrten schätzte. Die Tätigkeit war für Huttich nicht
sehr erfreulich, zweimal beklagt er sich brieflich bitter über
den Druckerei«, und Pirckheimer dachte ebenso wie er.
In Straßburg wurde Huttich am 28. Februar 1525 als
Bürger aufgenommen und 1527 wurde er auf Grund von
primae preces Kaisers Karl V. Kanonikus zu St. Thomas,
1533 ungefähr erhielt er die Pfründe des Rex chori an der
Kathedrale, deren reiches Einkommen ihm gestattete, seiner
Vorliebe für die Altertümer, für historische Studien und
für das Sammeln von Handschriften und Büchern zu leben.
Im Jahre 1526 verötTentlichte er das zweite, in Straß-
burg großgezogene Kind seiner Mainzer Forschungen: Im-
peratoruni Romanorum libellus. Una cum imaginibus, ad
uiuam effigiem expressis.^»- Dieses Buch ist dem Rate des
Herzogs Georg von Sachsen Otto von Pack^^s zuge-
eignet, zwei Jahre ehe dieser das berüchtigte Breslauer
Bündnis erfand. Die Vorrede des in den schweren Zeiten
des Bauernkrieges verfaßten Buches läßt uns einen tiefen
Blick in Huttichs Seele tun. Die Klagen, denen er Worte
leiht, tönen in den Werken vieler seiner humanistischen
Genossen fast wörtlich wieder. 219 Die Verderbnis der Sitten
und Zeiten, sagt er, sei eine so große, daß man am klügsten
handle, wenn man den Umgang und Verkehr mit Menschen
ganz meide. Als Jünglingen habe ihnen die Hoffnung auf
das Wiederaufleben besserer Wissenschaften erglänzt, jetzt
-^^ Heumann, a. a. 0., 226, 228; B. Pirckheimer, Opera, ed. Gold-
ast, 313; Hase, Die Koberger, 2. Aufl., 97 und passim.
-^^ Wolgangus Cephalaeus Argentinae suo aere et impensis excussit.
Anno salutis M. ü. XXVI.
2^^ Zu Otto von Pack vergl. weiter unten. Für die ursprünglich
günstige Stellung Huttichs zur Reformation vergl. Centuria epistolarum
theologicarum ad Joh. Schwebelium, Zweibrücken 1597, 42, wo unrichtig
Job. Heltichius steht.
219 Vergl. die Vorrede des Nicolaus Gerbelius bei Jacobi Bracelli
Genuensis, historici eruditissimi Libri quinque, Hagenau Secerius 1530;
r.uricii Cordi Siniesusii Botanologicon, Köln 1534, 42.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 69
sei sie entschwunden und zusammengefallen, daß sie nie-
mals geringer gewesen sei. Einst treue und offene Herzen
seien nun ganz stumm oder sich unähnlich geworden. Plötz-
lich wie Götter (im Drama) seien einige Verteidiger eines
reineren Christentums erstanden, aber wie diese von dem
ganzen Weltkreise mit Beifall aufgenommen worden seien
(denn eine hochwichtige Suche sei die Erkenntnis der Wahr-
heit), so beklage man nun, daß einige von jenen oder sicher
Anhänger von ihnen die Schauspieler der traurigen Tragödie
dieser Zeit spielten und, von der evangelischen Milde zu auf-
rührerischem Geiste abgefallen, alles mit Mord und Raub
erfüllten. Daher sei es gekommen, daß die für Ankämpfer
gegen das Evangelium gehalten würden, die vorher als seine
Vorkämpfer angesehen worden seien. Das sei durch unge-
lehrtes Schreien ins Volk (Schilderung der Prädikanten, meist
ausgelaufener Mönche) veranlaßt worden, daß die Menge
sich zu Plünderung und Raub gewendet habe. Aber auch
die Fürsten hätten ihre Schuldigkeit nicht getan, für diese
habe er nun die Kaiserleben zusammengestellt, Cephalaeus
habe die Bilder nach Münzen dazugegeben.
Huttich erinnert Pack am Schlüsse daran, daß sein
Bruder Philipp von Pack^^^ ihm einst bei der Aufspürung
von alten Denkmälern und Münzen eifrig beigestanden und
wie bewundernd Otto die Funde aufgenommen habe; darum
und weil der durchreisende Heinrich von Eppendorf (aus
Freiburg, ein Antipode des Erasmus) ihn dazu ermuntert
habe, widme er ihm das Werk.
In dem Buche findet man die Bildnisse und Lebens-
beschreibungen der Kaiser bis auf Karl V. Wo Huttich,
wie bei den Juliern, Fraucnbilder kannte, sind auch diese
aufgenommen, wo ihm Abbildungen fehlen, z. B. von Hein-
rich V. bis auf Albrecht H., deuten dies leere Rinj2;e an.
Die Biographien sind kurz, die Bilder zum f^roßon Teile»
recht gut. Nachdem das Werk zweimal nachgedruckt worden
war, ließ es Huttich 1534 noch einmal, \ ermehrt um einen
Elenchus der Konsuln und Abbildungen von Münzen aus
der Zeit der Republik, ausgehen. 2-1
Die Bibliothek Huttichs schloß matiche Schätze in
sich, so sah Beatus Rhenanus bei ihm einen alten Psalt'r
in deutscher Sprache-", und Crato Mylius erhielt von
2-0 Zu Philipp von Pack vorgi. weiliT uiilen.
'-* Argentorali Vuolphgangus Caephalaeus excussit Anno. M. D.
XXXIII. In derselben Offizin erscliien 15511 (1552) eine neue von .loa.
Sambucus redigierte Auflage. Eine deutsche Ausgabe merkt Roth, a. a. 0.,
782, all.
**- Beati Rhenani Selestadiensis rerum Germanicarum libri tres. Ra-
sileae 1531, 108.
70 Gustav Bauch.
ihm eine aus Johanns von Dalberg Büchern stammende
Handschrift des Chronicon Urspergense für seine zweite
Ausgabe dieses Geschichtswerkes. ^^^ Auch die Zusammen-
stellung von Entdeckungsreisen und ähnlichen Sachen, die
unter dem Titel: Nouus orbis regionum ac insularum
veteribus incognitarum una cum tabula cosmographica, et
aliquot alijs consimilis argumeilti libellis etc. 1536 (37 ?
Titel) bei Herwagen in Basel erschien, ist, wie Simon
Grynaeus in der Vorrede berichtet, von Huttich ge-
sammelt und Herwagen zu gemeinsamem Abdruck über-
geben worden. Nicht mit Unrecht nimmt Roth slh--^, daß
Huttichs Beschäftigung mit Ptolemaeus ihn zum Sammeln
solcher Schriften geneigt gemacht habe.
Von dem regen, angeregten und anregenden Briefwechsel
Huttichs mit Beatus Rhenanus sind Schreiben von 1527
bis in sein Sterbejahr, 1544, erhalten.^^^ Da gibt er Nachricht
über das Resultat seiner Durchforschung der Bibliothek Dal-
bergs, über Urkunden, über mittelalterliche deutsche Rechts-
quellen — auf seine Anregung wurde der Sachsenspiegel ge-
druckt — , über historische Lokalitäten und altdeutsche Aus-
drücke. In einem Briefe empfahl er den greisen ehemaligen
Schüler und Sodalen des Konrad Celtis und Freund des
Erasmus, den Kosmographen, Kritiker des Plinius und Auf-
heller des skandinavischen Nordens Jakob Ziegler aus
Landau in Niederbayern, der aus den „Thermae Antonianae"
für den Rest seines Lebens nach Mainz übersiedeln wollte
und deshalb durch Vermittlung des Beatus einen Empfeh-
lungsbrief des Irenikers und letzten Bischofs von Zeitz
Julius von Pflug an den Kardinal-Erzbischof Albrecht
von Mainz begehrte.
In seinem letzten Briefe (26. Januar 1544) äußerte er
lebhafte Besorgnisse über die Kränklichkeit des Beatus und
gab ihm gute Ratschläge; aber nicht diesem drohte ein nahes
Ende, sondern ihm selbst.--*^ Er starb schon am 4. März 1544
und wurde im Chor bei St. Leonhard begraben. Beatus
Rhenanus schrieb ihm ein heute nicht mehr erhaltenes
Epitaphium. Als Straßburger Bürger setzte er sich ein Denk-
-2;» Paraleipomena rerum Memorahilium etc. Argentorati apud Crato-
nem Mylium, Mense Martio, Anno M. D. XXXVI II, 1. Hinter der Aus-
gabe des Chronicon Abbat. L'rsperg. — --* Rotli, a. a. 0., 784.
22^ A. Horawitz und K. Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhena-
nuH, 372, 373, 417, 418, 435, 477f., 488, 489, 491, 509, 510.
226 pj-jr (Jqj; Folgende vergl. die Briefe von Huttichs Vetter und Nacli-
foljier als Hex cliuri iSebastian Hanibacher an Beatus Rhenanus, a. a. C,
519, 527.
Aus der Geschichte des Mainzer Hunianisnius. 71
mal durch eine wohltätige Stiftung für die Ausstattung armer
Straßburger Bürgertöchter, die sich verheiraten wollten.
Mit Huttich sind wir in die Atmosphäre Reuchlins
und seines Kampfes um die Judenbücher getreten. 227 Mainz
wrurde zu einem Heerlager für seine Sache, die man bald
nicht als Judenbegünstigung, sondern von der Höhe der
Wissenschaft im humanistischen Sinne auffaßte. Der Huma-
nismus hatte in Mainz festen Fuß gefaßt, und der Kreis seiner
Anhänger war nicht nur an der Universität gewachsen,
sondern hatte sich zudem auch in der zahlreichen höheren
Seistlichkeit weiter ausgedehnt, die durch Studien, besonders
im Jus, in Italien, aber auch durch die lebhaften Beziehungen
zur Kurie sich längst in dem Banne der italienischen Renais-
sance befand und daher, wie wir schon bei den Freunden
und Gönnern des Aesticampianus gesehen haben, dieser
Richtung auch an der Universität freundlich gegenüberstand.
Freilich die Scholastik war deshalb noch keineswegs von der
Hochschule verschwunden oder auch nur besiegt, obgleich
man von Plänen erfährt, sie in ihren Auswüchsen zu be-
seitigen; aber diesen Kampf hat der Humanismus auszu-
[echten keine Zeit gehabt, weij ihm die kirchliche Refor-
mation die Herrschaft über die fieister der Gebildeten ab-
iahm und ihn in dem von ihr geführten Kampfe gegen die
Scholastik nur als Bundesgenossen in dienender Stellung
zuließ, um später selbst dann wieder ihrer eigenen Scholastik
zu verfallen und den Humanismus in seinem innersten Wesen
2;eschwächt zurückzulassen.
Als einen Reformator der Universität bezeichnet Hütten
in seinem schönen Trauerb riefe--** an seinen Freund, den
Bamberger und Würzburger Kanonikus Jakob Fuchs,
seinen treuen Gönner, den gelehrten Edelmann Eitelwolf
von Stein, einen Schüler des Crato von Udenheim in
3chlettstadt und in Bologna des Philippus Beroaldus,
iem Kaiser Maximilian auch den Lorbeer als Orator und
Poeta verliehen und der schon als Sodale des Celtis sich
eifrig an den Bestrebungen dieses überall Anregungen aus-
streuenden Apostels des Humanismus beteiligt hatte. Die
einzig erhaltenen Verse Eitelwolfs Irägi die Nürnberger
Ausgabe der Werke Roswithas von 1501, die unter der
igide der Sodalitas des Celtis erschien.--' Tritheniius
iennt*'<* eine ungednickte Schrift von ihm: De laudibus
22< Hierzu L. Geiger, a. a. 0., 240f. ; 1). Strauß. Ulrich von Hütten,
l AuH., 150f. — ^^^ E. Böcking, a. a. 0., 1. 44, 45.
229 0. Bauch, Die Rezeption des Humanismus in Wien, 713 — 81.
230 Joh. Trithemius, Opera, I, 181, 392.
72 Gustav Bauch.
heroum et illustrium vironim, die seinem Oheim, dem in
Schlesien gründlich verhaßten Vertrauten und Rat des Königs
Mathias Corvinus von Ungarn Georg von Stein ge-
widmet war. Mit dem Erzbischof AI brecht als sein Rat
und Hofmeister vom Hofe Joachims I. von Brandenburg
1514 nach Mainz übergesiedelt, um sich hier für seine alten
Tage häuslich einzurichten, strebte er auch nach Betätigung
seiner wissenschaftlichen Anschauungen. Er erzählte einst
Hütten, daß er bedauere, Joachim zur Errichtung der
Frankfurter Universität angeregt zu haben, da er sehe, daß sie
von tingelehrten Gelehrten in Besitz genommen sei und nicht
von im Griechischen und Lateinischen Unterrichteten weiter-
gefördert werde. Und so ging der wegen seiner treuen, dem
Hause HohenzoUern geleisteten Dienste von Albrecht hoch-
geschätzte und deshalb einflußreiche Mann in Mainz im Ver-
trauen auf die Freigebigkeit seines humanen Fürsten daran,
die Universität auf eine Stufe zu heben, daß sie in Europa
nicht ihresgleichen hätte, teils selbst mit eigenem Gelde, teils
damit, daß durch Entfernung „unnützer Professorchen** die
ausgesetzten Gehälter für eine bessere Verwendung freige-
macht würden. Nur die Vorbereitungen und die Anfänge
seiner guten Absichten hat der wackere Herr ins Werk setzen
können, denn er starb als kaum Fünfzigjähriger schon 1515.
Von einem Zurückdrängen des Scholasticismus an der Uni-
versität, wenigstens in Bezug auf ihre Bedeutung, kann aber
auch nach dem Abscheiden Eitelwolfs gesprochen werden,
da Kurfürst Albrecht dem Humanismus durchaus wohl-
wollend gesinnt war.
Albrecht war, wie er Erasmus schätzte, auch ein
Gönner Reuchlins, ja selbst Reuchlinist. Sein Leibarzt
Dr. Heinrich Stromer aus Auerbach^ai schrieb 1517 an
Wilibald Pirckheimer: ,,Aber, um von mir zu schweigen,
die größte, ja eine ungeheuere Verwunderung hat mich erfaßt,
daß du deine Arbeiten (die Übersetzung von Lucians Piscator
und seine an Lorenz Behaim gerichtete Vorrede für
Reuchlin) nicht dem Mainzer Erzbischofe als Geschenk zu-
geschickt hast, meinem mildesten Herm, aller gebildeten
Männer Liebhaber und Mäcen, dessen Würde ich mit bestem
Rechte einen Reuchlinisten, um ein Wörtchen der Ver-
leumder der Reuchlinisten zu gebrauchen, nennen karnii
da ja seine Hochheit unsern hochgelehrten Capnion, den
ich niemals ohne ganz besondere Lobpreisung nennen darf,
als einen durch das Alter verehnmgswürdigen Mann, einen
'-'^^ E. Böcking, a. a. 0., 1, 155.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 73
lit seltener Gelehrsamkeit, mit ausgezeichneter Unbe-
iholtenheit des ganzen Lebens, mit einzigartiger Bered-
imkeit in deutscher, hebräischer, chaldäischer, griechischer
nd lateinischer Sprache und mit der Zier aller schönen
ugenden Ausgestatteten wunderbar liebt und hegt und ihn
lit Lobsprüchen erhebt". Und Hütten weiß zu berichten 232^
aß er, als ihm Stromer einmal ein Buch Pfefferkorns
lit wüsten Schimpfereien gegen die Freunde Reuchlins
berreicht hatte, dies, nachdem er es gelesen, in das Feuer, an
em er gerade saß, voll Absehens über den unflätigen Inhalt,
3Worfen habe mit den Worten : „So mögen die umkommen,
ie so reden I**
Die günstige Stimmung für Reuchlin war aber schon
3r den Tagen Albrechts in Mainz vorhanden. Als
sikob van Hochstraten am 9. September 1513 Reuch-
n schon für den 15. des Monats nach Mainz vor seinen
ichterstuhl gefordert hatte, ermöglichte ihm das ver-
mittelnde Eingreifen des Mainzer Domkapitels, daß er am
Oktober persönlich in Mainz erscheinen konnte. Der
?. Oktober ward zur Urteilsvcrkündigung angesetzt ; da, am
L. Oktober — der Domdechant Lorenz Truchseß von
ommersfelden und das Domkapitel hatten deshalb einen
ilboten nach Aschaffenburg zum Erzbischof Uriel von
e mm in gen geschickt — erhielt Hochstraten ein
chreiben des Erzbischofs, der die Vertagung der ürteils-
irechung auf einen Monat verlangte, im Weigerungsfalle
ie Zurückziehung der vier erzbischöflichen Gcrichtsbei-
tzer androhte, die von Reuchlin eingelegte Appellation
1 den Papst anerkaimte und alles, das etwa in der Zwischen-
;it geschähe, für null und nichtig erklärte und so Reuchlin
is auf weiteres rettete. Der Brief erreichte Hochstraten
jrade in dem Augenblicke, als er, umgeben von den Mainzer
ominikanern und Abgesandten der Reuchlin feindlichen
leologischen Fakultäten von Köln, Erfurt und Loewen, vor
ner großen Menschenmenge, die durch das zu erwartend<^
^hauspiel und die Verkündigimg eines dreihnndorttägigeu
blasses angelockt worden war, auf Gnuid der Venirteilung
irch die theologischen Fakultäten feierlich die Verbrennung
m Reuchlins „Augenspiegel'* vornehmen w^oUte.-'^-*
Das soeben Erzählte wird uns auch manches Burleske
i dem Folgenden, das in heiterer Weise aus WahrlH»it und
ichtung kunstreich zusammenneselzl ist, deutlicher machcm.
ie Universität war in den kurfürstlichen konnnissarischen
"2i»2'l^.~Böcking, a. a. 0., 1, U'yS.
"3 L. Geiger, a. a. ü., 290f.; D. Strauß, a. a. O., 160, 161.
74 Gustav Bauch.
Richtern bei diesen Verhandlungen vertreten, sie enthielt
aber auch unter ihren Doktoren, Magistern und „Suppositis"
nicht wenig stramme Reuchlinisten, die durch Kanoniker
der vielen Stifte noch vermehrt wurden. Das Hauptquartier
der Mainzer Reuchlinisten war das Gasthaus ,,zur Krone"
und deshalb ist es in den Epistolae obscurorum virorum ver-
ewigt worden. Schon im ersten, von Crotus verfaßten
Bändels* der Epistolae klagte Cornelius Fenestrificis dem
Ortvinus Gratius, wie ihn zwei „Trufatores" in diesem
Hause unziemlich gehänselt und die Pariser und Kölner
Theologen (magistros nostros) als Fantasten und Dummköpfe
heruntergerissen, wie auch auf die ganze scholastische
Philosophie als auf leere Albernheiten geschimpft hätten,
und rächte sich an ihnen durch unsäglich kunstvolle und
geistreiche Verse. Er nannte aber keine Namen. Hütten,
der Verfasser des zweiten Teils, holte dies als Ortsange-
sessener, Orts- und Personenkundiger reichlich nach. Bei
ihm berichtetest der Magister Sylvester Gricius demselben
Adressaten: ,„Da ich ja darauf eingeschworen bin, daß ich
meine Fakultät verteidigen und ihren Nutzen in allen Dingen
fördern wolle, deshalb will ich euch Punkt für Punkt
schreiben, welche hier den Theologen und welche Johann
Reuchlin günstig sind, damit ihr es den Theologen saget,
daß diese sich danach richten können. Erstlich gewisse
Tischgenossen im Gasthaus zur Krone, die tun immer unseni
Magistern (Theologen) und den Brüdern vom Predigororden
den größten Schabernack an und bewirken, daß niemand
in diesem Gasthause den Predigermönchx?n ein Almosen gibt.
Ich weiß die Namen von einigen. Einer heißt Magister
Philipp Keilbach, der redet immer von Reuchlin und
empfiehlt ihn, und einmal hat ihn unser Magister Peter
Meyer, der Pfarrer in Frankfurt (und Denunziant R^uch-
lins), tüchtig abgeführt. Einer, Ulrich von Hütten, der
ist sehr bestialisch und sagte einmal, wenn die Prediger-
brüder ihm solches Unrecht täten, wie sie Reuchlin tun,
wollte er selbst Feind derselben werden und, wo er immer
einen Mönch von diesem Orden fände, da wollte er ihm die
Nase und die Ohren abschneiden. Der hat auch viele
Freunde am Hofe des Bischofs, die auch Reuchlin sehr
günstig sind. iVber jetzt ist er weggegangen (Gott sei Dank!),
^^■^ K. Böfkinjj, a. a. 0., Suppl.. I, 17, 18. Zu Crotus' Verfasser-
schaft vergl. W. Brecht, Die Verfasser der E[)istoiae obscurorum viro-
rum, 3 f.
23-' K. Röckinp, a. a. O.. Suppl. 1. 272—274. Zu Hütten als Ver-
fasser des zweiten Teiles vergl. VV. Brecht, a. a. Ü., 13 f.
Aus der Geschichte des Mainzer Humauismus. 75
um Doktor zu werden, und in einem Jahre war er nicht hier.
Der Teufel hole ihn! Dann sind zwei Brüder, die Edel-
leuie Oiho und Philipp von Bock, selbige vexieren alle
Theologen. Und einmal, bei jenem heiligen Akte, den unsere
Magister in Mainz gegen den „Augenspiegel** vornahmen,
da gab der Magister Jakob van Hochstraten kraft seines
Amtes allen, die jenem Akte beiwohnten, Ablässe. Da
spielten jene zwei Brüder mit andern Lotterbuben, sitzend
im Angesicht der Theologen, die dort in dem Gasthause
waren, mit Würfeln um diese Ablässe. Noch ist dort einer,
der heißt Johann Huttich, der ist auch euer Feind, und
sonst ist so ein neuerdings zum Doktor im Rechte Promo-
vierter, Konrad Weydmann, selbiger hilft allen, die etwas
gegen euch unternehmen. Und ein anderer Doktor, der einst
Artist vom Wege der Modernen war und heißt Eucharius.
Und mit diesem Nikolaus Karbach, der in der Poesie
liest. Dann Heinrich Brumann, so Vikar im Dome ist und
ein guter Organist ist. Und ich sage immer zu ihm: Ihr
solltet euch um eure Orgel kümmern und die Theologen in
Ruhe lassen. Aber vor allem sind fast alle Kanoniker für
Reuchlin, außerdem viele andere Magister, die die Poetria
lieben, deren Namen ich nicht kenne**. Bei den Gegnern
Reuchlins gibt Gricius noch einem von den Reuchlinistefi
einen kleinen Stich: „Da ist noch ein Mainzer Bürger, der
Wigand von Solms genannt wird. Jener ist noch jung,
aber so gelehrt, daß er einem Magister noster das Gleich-
gewicht halten kann. Selbiger sagt, daß er mit Reuchlin
um zehn Gulden disputieren wollte. Und neulich überdis-
putierte er den Johann Huttich, daß er mit Schlüssen zu-
gedeckt wurde und nichts zu antworten wußte**.^^«
Das war schon sehr belustigend für alle Anhänger
Reuchlins weit und breit, aber noch mehr mögen auf
manche die unglaublich gebauten leoninischen Verse des
dummtäppischen Magister Philipp Sc hl au raff gewirkt
haben, die schlechterdings keine Tborsetzung vertragen:
et sie recessi cum vuhiere
Usque ad Moguntiam, ubi mihi gratiam
Fecit predicator Barthol ohieus Deciniator,
Dans mihi hospitium et iurans per dcum viuum,
Si iuissem ad Coronam, quod accepissem vexationern
honani,
23^ E. Bücking, a. a. U., Suppl. 1, 19Ö, VJd.
76 Gustav Bauch.
Quia ibi commensales sunt valde nequitiales,
Nicolaus Carbachius, qui legens pro scholaribus
Exponit Titum Liuium: tunc reperi Huttichium,
Qui ex antiquo odio percussit me cum scamno,
Quod feci unum bombum: tunc reperi Huttichium,
Doctor Conrat Weydmann: ich sprach, wie sal ich das
vorstan ?
Tunc trusit nie Johan Kunigstein, quod cecidi de gra-
dibus,
Et sie post hoc periculum contuli me ad Rhenum.
Wir haben die Obscuri selber reden lassen, sie zeichnen
trotz der dick aufgetragenen komischen Farben die huma-
nistischen Mainzer Reuchlinisten und zumal die von der
Universität doch recht kenntlich. Eine ernster zu nehmende
Feder mag noch ein paar Striche zu dem Bilde hinzufügen2*^
bevor wir uns die Einzelnen etwas näher ansehen. Fast
zur selben Zeit, als Hütten die Pritsche schwang, 1518,
schrieb Franciscus Ireniciis: „Quid Moguntiam me-
morem, tam praestantissimis hominibus consitam ! Illic enim
Cunradus Vuidmannus, Johannes de Kunigstein,
Johannes Sorbillo atque alij proba eruditione, qui et
ketiora studia prolitentur. Tpta urbs Nicoiao Carbachio
singularis eruditionis magistro in graecis exercitatissimo
utitur".
Das Jahr 1518 brachte endlich Mainz noch eine andere,
eine typographische Ehrung, die Ausgabe des um bessere
Lesart bereicherten und um zwei Bücher vermehrten Livius
nach der in der Bücherei der Kathedrale aufgefundenen
Handschrift -3^, die dem nun Reuchlin allmählich an der
obersten Stelle im Humanismus ganz ablösenden Desi-
derius Erasmus Anlaß bot, auch seinerseits sich über den
Mainzer Humanismus und seine Solidität zu äußern. Sein
Thema gibt er schon in der Oberschrift an : ,,Misobarbaris
atque iisdem Philomusis omnibus** und lobt zunächst Jo-
hann Schöffe^, der gewissermaßen nach Erbrecht der Fort-
selzer Johann Fausts, des Erfinders der Buchdrucker-
237 y Ircilicus, Gcrnianiao ('xojioisis, II, Xlilll, fol. 45. Diese Stelle
ist merkwürdigerweise von den Mainzer Geielirten bisher noch niemals
benutzt worden.
-*" Titiis Livius Pataviniis Historicus. Dvolms T.ibris Avctus Cvm
L. Flori Kpitonie. Et Annotatis In Lihros VII. Molli Maced. Mognntiae
In Aedibus Joannis Scheffer, Monse Novembri. An. MDXVIII. Fol. Zu
den Manipulationen des Druckers bei dieser Ausgabe vergl. F. W. E. Roth,
Der Katholik. 18Ü8, II, 354, 355; derselbe. Die Mainzer nuclidruckerfanülie
Schöffer, Beiheft IX zum Zentralblatt für Dibliothekswesen, 41, 42.
Aus der Geschiclite des Mainzer Humanismus. 77
kunst, in seiner rühmlichen Tätigkeit sei. Dann wendet er
sich, an Reuchlin und sich selbst denkend, den Feinden
der „cultior literatura** zu: „rumpantur ut ilia Codris istis,
qui cum rursus in hoc conspirarunt, ut sub praetextu tuendae
religionis, quicquid est elegantioris eruditionis, conspurcent
atque extinguant; nihil aliud assequentur, quam ut, quod
oppugnant, reddant illustrius et suum liuorem stolidati pa-
rem magis ac magis denobilitent". Demgegenüber erstreben
Deutschlands Fürsten Ruhm durch Förderung der gelehrten
Bildung, vor allem „insignis ille nobilitatis pariter et reli-
gionis antistes Albertus, cardinalis et archiepiscopus Mo-
guntinensis**, so Sachsens berühmter Herzog Friedrich, zu
schweigen von den Vornehmen geringeren Ranges. Für die
Edition schulde man nicht mittelmäßigen Dank dem unver-
gleichlichen Manne Dietrich Zobel, dem Domscholaster
und Vikar des Erzbischofs, der sich mit besonderem Eifer
bemüht habe, diesen Ruhm seiner Stadt zu sichern. Dann
dem gelehrten Manne Nikolaus Karbach, „quinquennium
iam Titum Liuium publico salario summa cum laude profi-
tenti**, und Wolf gang Angst, von denen, wie schwer abzu-
schätzen wäre, eine gewaltige Arbeitsleistung gezeitigt wor-
den sei. Auch Hütten würdigte die mühsame Arbeit Kar-
bachs und Angsts, die die Handschrift abgeschrieben,
mit den Drucken verglichen, den Text redigiert und die Kor-
rektur besorgt und eine Musterleistung damit geschaffen
hatten. Er hatte auf Wunsch des Dechanten Lorenz
Truchseß von Pommersfelden, des Scholasters Diet-
rich Zobel und seines Verwandten, des Kanonikus Mark-
wart von Hatstein, die Widmung an Albrecht geschrie-
ben.239 Er vergaß hierbei nicht, die Verdienste des Lorenz
Truchseß um die Rettung Reuchlins im Jahre 1513 gebüh-
rend hervorzuheben.
Wenn wir nun zur Besprechung der in den vorstehenden
Zeugnissen und früher schon von Huttich berührten Univer-
sitätsangehörigen übergehen, so hat wohl unser ältester Be-
kannter unter ihnen, Konrad Weidmann aus Basel, den
berechtigten Anspruch, daß wir uns mit ihm zuerst beschäf-
tigen.
Zu den Zeiten des Aesticampianus war er bereits Ma-
gister und ging dann zur Jurisprudenz über. Er studierte in
Freiburg i. B. unter Ulrich Zasius Zivilrecht.^*» Mit des
Zasius Liebling Bonifatius Amorbach, seinem Basler
Landsmann, befreundet, verkehrte er mit diesem und Zasius
~m"E^7BückiDg, a. a. 0., I, 249 f.
^*» StinziQg, Ulrich Zasius, 169; ü. Zasii epistolae, ed. Riegger, 412.
78 Gustav Bauch.
freundschaftlich in dem Hause des jovialen Legisten. 1518
wird er von Gricius als neuerdings promovierter Doktor in
Mainz erwähnt, in demselben Jahre auch als Ordinarius
legum und 1520 als Dekan der juristischen Fakultät. Mit
diesen Angaben läßt sich vorläufig schwer vereinigen, daß er
schon 1513 als Doctor iuris und kurfürstlicher Kommis-
sarius mit Kaspar von Westhausen, Johann Bertram,
Diether Vectoris, Bartholomäus Zehender (Decima-
tor), sämtlich Professoren der Universität 2*1, bei dem
Ketzergericht über Reuchlin in Mainz mitgewirkt haben
soll. Dem scheint auch die sonst angegebene Vierzahl der
mainzischen Beisitzer zu widersprechen. Sollte sich die
Sache aber faktisch so verhalten, dann wäre sein Einschub
in das Tribunal auch als eine Reuchlin freundliche Maß-
regel anzusehen.
Juristen und Poeten wie Weidmann waren auch die
beiden Gebrüder von Pack (Bock, Pock), deren Verhalten
und Bestrebungen in Mainz Huttich und Gricius, einan-
der ergänzend, beleuchten. Sie gehörten dem meißnischen
Adel an, waren Söhne des herzoglich sächsischen Rates
Dr. Johann von Pack und stammten aus Delitzsch.
Philipp von Pack hatte im Wintersemester 1501 die Uni-
versität Leipzig und im Sommersemester 1507 die in Witten-
berg, beidemal mit seinem Bruder Johannes, bezogen;
wann er nach Mainz kam, ist wegen des Verlustes der alten
Matrikeln nicht bestimmbar; zwischen 1513 imd 1517 muß
er dort gewesen sein. Huttich lobt 1526 in wehmütiger
Erinnerung an den Toten seine eifrige Mitwirkung bei dem
Aufspüren von alten Inschriften und Münzen. 1517 ist
Philipp bei der deutschen Nation in Bologna eingetragen;
er war dort zu gleicher Zeit mit Hütten wie vorher in
Mainz. In diesem Jahre kam es in Bologna zu einem großen
Student enkrawall-*^ der Seditio Longobardica; die Lombar-
den erhoben sich ohne begründete Ursache gegen die Deut-
schen. Daß einige italienische Nationen, die Spanier, die Un-
garn und die Polen den Deutschen ihren Beistand anboten und
daß der Gubeniator der Stadt einschritt, machte dem Auf-
ruhr ziemlich rasch ein Ende, ohne daß es zu allzu großem
Blutvergießen gekommen wäre. Hütten und Philipp von
Pack wurden in gewissem Sinne Opfer der Seditio. Hütten
wurde als Abgesandter der deutschen Nation gegen den
Befehlshaber der Stadt, einen Fiesco, so heftig, daß er es
2*i F. W. E. Roth, KathüHk, 1898, II, 245, 112.
-*" Ada nationis (ierniaiiicae uiiiversitatis Bunonioiisis, 282; Joh.
Cocblaeus an W. Pirckheimer, bei E. Böcking, a. a. 0., I, 132.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 7^
für geraten hielt, einige Zeit Bologna zu meiden, und nach
Ferrara ging.^** Über Philipp von Pack berichten die
Acta der Nation: Ex consensu nationis Philippo Pack
pro sarciendis suis vulneribus, que fortissime pugnans contra
Longobardos excepit, coUati sunt duodecim floreni duo
ducati Renenses. Der tapfere Deutsche erlag noch in dem-
selben Jahre in Bologna einem bösartigen ansteckenden Fie-
ber und wurde bei dem hl. Dominikus bestattet.
Eine viel bekanntere Persönlichkeit als Philipp ist
Otto von Pack***, aber eine übel bekannte. Dieser war
schon im Sommersemester 1499 in Leipzig immatrikuliert
worden. Gleichzeitig mit dem Bruder war er in Mainz und
interessierte sich auch für die Forschungen Huttichs nach
Altertümern und bewunderte die Funde Huttichs und
Philipps. Im Jahre 1517 aber ging er nicht nach Italien,
sondern nach Ingolstadt, wo er Mitglied der 1516 von Jo-
hannes Aventinus gestifteten Sodalitas literaria Angilo-
stadiensis wurde 2*\ die das einzige von ihm erhaltene Ge-
dicht „Carmen extemporaneum ad principem Wilhelmum,
Bauariae ducem**, druckte. Noch 1518 weilte er in der
Stadt der „Rettigesser** in freundschaftlichem Verkehr mit
seinem Sodalen, dem gekrönten Dichter und späteren Refor-
mator Urbanus Rhegius. Dieser grüßte in einem Briefes*^
den von ihm hochverehrten Aesticampianus im Namen
Packs, der ihm wohl als zeitweiliger Schüler bekannt war.
1519 befand sich Pack wieder in Leipzig und wurde wegen
seiner humanistischen Bildung dazu ausersehen, die von
Petrus Mosellanus auf Befehl des Herzogs Georg ver-
faßte Rede, mit der die folgenreiche Disputation Johann
Ecks mit Andreas Karlstadt und Martin Luther einge-
leitet werden sollte, zu halten.-*' Eine plötzliche Erkrankung
entzog ihn dem Katheder, und Mosellan mußte selbst ein-
treten. Mit Mosellan war er eng befreundet-*«, daher
schickte ihm Hütten, den er durch Mosellan gegrüßt hatte,
1520 in seinem temperamentvollen Briefe an Mosellan über
2*5 E. Böcking, a. a. 0., 1, 146.
*** Otto von Pack ist nicht mit dem in Erfurt 1501 und in Leipzig
1505 immatrikulierten Otto de Pock aus Sachsenburg zu verwcchsehi.
2*^ Th. Wiedemann, Johannes Turmair gen. Aventinus, 24, 28; C.
Praiitl, Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität, 1, 134.
2*^ Ch. G. Wilischius, Arcana bibliothecae Annaebergensis, 110. Dort
ist für Otho Bart Back zu lesen.
-*^ 0. G. Schmidt, Petrus Mosellanus. 46.
2*9 G. Bauch in Briegers Zeitschrift für Kirchengeschichte, XVII 1,
404, Aom. 6.
J
80 Gustav Bauch.
Luther-*^ durch diesen einen (Jegengriiß zurück. In Leipzig
wurde Pack 1520 Bakkalar und Liceiitiat und 1521 Doctor
utriusque iuris. Im Dienste des Herzogs Georg von
Sachsen, zuerst als Sekretär und später als Rat und Kanzler
hat er für seinen Herrn bei den Reichstagen und kirchlichen
Verhandlungen eine rege Tätigkeit entwickelt. Er täuschte
jedoch wie ein Rat im Sinne des jungen Dietrich Grese-
mund den Herzog in gröblicher Weise. Durch schlechte
Wirtschaft in Schulden verstrickt, beging er Betrug und
Unterschlagungen und erdichtete endlich, um eine größere
Geldsumme von dem Landgrafen Philipp von Hessen für
seine erlogenen Eröffnungen zu erhalten, das nie ge-
schlossene Breslauer Bündnis (von 1527) katholischer Für-
sten gegen die Protestanten. ^^o Schon hatte Philipp das
Schwert gezogen, da gelang es noch einmal, die ganz Deutsch-
land bedrohende Kriegsfurie hintanzuhalten. Als politischer
Abenteurer schlimmster Art endlich in den Niederlanden
aufgegriffen, endete Pack 1537 durch die Hand des Henkers.
Mit den beiden P^ck nennt Hutten-Gricius noch zwei
Reuchlinisten, über die sonst nur sehr spärliche oder gar
keine sicheren Nachrichten vorliegen. Als einen überaus
eifrigen Reuchlinisten führt er den Magister Philipp Keil-
bach an. Von diesem sagt ßöcking^^S daß er ein gelehrter
Frankfurter gewesen sei und daß ihm Thomas Murner 1511
seine Schrift „Arma patientie contra omnes seculi aduer-
santes" gewidmet habe. Von dem Doktor Eucharius, „der
einst ein Artist von dem Wege der Modernen war**, können
wir es mit ßöcking-^^ j^uj. offen lassen, ob er der Eucharius
Henner oder Gallinarius aus Bretten ist, der schon 1475
in JHeidelberg immatrikuliert, ist und 1478 Bakkalar und
1479 Magister wurde, doch in via antiqua! Dieser war Ka-
nonikus in Speier und Schüler Wimpfelings, dem er auch
in seinem Streite mit Murner zu Hülfe kam. Auch von
dem Tribulator Schlauraffs Johann von Kunigstein ist
nach Irenicus bloß festzustellen, daß er zu den bekannteren
humanistischen Gelehrten in Mainz und zur Universität zu
zählen ist.
iJ*y G. Bauch, a. a. 0., 403, 404; E. Böcking, a. a. 0., IV, 689.
Bücking hatte eine Aversion gegen Otto von Pack und ließ ihn daher hier
nicht gelten, sondern tat lieber dem Text Gewalt an, und ebenso in seinem
Index bibliographicus, 314 siib voce Bock.
2^^ \V. Schomburgk, Die Packschen Händel, im Historischen Taschen-
buch, 1881. 175f. ; II. Schwarz, Landgraf Philii»p von Hessen und die
Packschen Händel, Historische Studien, XIII.
2'>> K. Böcking, a. a. ()., Suppl. II, 402.
^••" E. Böcking, a. a. 0., Suppl. II, 366.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 81
Wenig belangreich ist ebenfalls unser Wissen über
Johann Sorbillo. Irenicus zeichnet ihn 1518 deutlich
als zur Universität gehörig, als wohlgelehrten Artisten und
doch zugleich als Vertreter der laetiora studia, des Humanis-
mus. Johann Schlarp oder latinisiert Sorbillo (sorbere
schlürfen) aus Geisenheim^^^ trat, wie aus der scheinbar
überaus rasch erfolgten Promotion zum Magister zu schließen
ist, wahrscheinlich nach Vorstudien anderswo, vielleicht in
Mainz, 1505 in Freiburg i. B. ein und begab sich 1506 nach
Heidelberg, wo er schon 1507 Magister in via moderna wurde.
Von seiner literarischen Tätigkeit zeugt nur ein kleines Ge-
dicht auf Johann Geiler von Kaisersberg bei der 1510 in
Oppenheim gedruckten Trauerschrift auf den Tod Geilers:
In Johannis Kaiserspergii theologi doctrina vitaque pro-
batissimi primi Argentinensis ecclesie predicatoris mortem
planctus et lamentatio cum aliquali vite sue descripüone et
quorundam epitaphiis.
Wieder festeren Boden erreichen wir mit Nikolaus
Karbach, wenn wir auch weder den Gang noch die Orte
seiner Studien noch seine Heimat kennen.^'^* Er war viel-
leicht aus IVIainz, vielleicht auch aus Aschaffenburg. Seine
Arbeitskraft und seine tüchtigen Leistungen als humanisti-
scher Dozent an der Universität, als Herausgeber, Korrektor,
Übersetzer und als erster namhafter Kenner des Grie-
chischen in Mainz haben ihm ein ehrenvolles Andenken
gesichert. Nach Roth hatte er den Wittichschen Lehrstuhl
für Geschichte inne, und das würde recht wohl dazu stimmen,
daß er, wie Erasmtis versichert, 1519 schon fünf Jahre
mit ordentlicher Besoldung über Livius gelesen habe. Daß
Gricius angibt, er lese „in poesi", woraus man folgern
könnte, er sei etwa ein Nachfolger in der einstigen Stelle
des Aesticampianus gewesen, ist nicht notwendigerweise
als verbürgt anzusehen; vielmehr ist das nur absichtlich
v^on Hütten in der banausischen Redeweise der scholasti-
schen Artisten gesagt, die alle antiken Schriftsteller zu-
sammen kurzweg als Poeten bezeichneten.
Seine Beliebtheit als Lehrer im Griechischen hebt Ire-
nicus nachdrücklich schon 1518 hervor, also in demselben
Jahre, wo W^ittenberg in Philipp Melanchthon den ersten
schulgerechten Lehrer des Griechischen empfing, und seine
253 F. W. E. Roth, Neue Jahrbücher der Pädagogik, 2. Jahrg., 172.
25* F. W. E. Roth, Katholik, a. a. ()., 352 f.; F. Falk im Zentralblatt
für Bibliothekswesen, IV, 218f.
Beitrage z. Gesch. d. Universitäten Maiuz u. Gießen. 6
82 Gustav Bauch.
letzte exakte wissenschaftliche Arbeit, abgesehen von einer
Übersetzung, war die Verifizierung der griechischen Namen
in den 1525 von Johann Cochlaeus auf Wunsch Johann
Schöffers herausgegebenen Canones Apostolonim. Veter-
um Conciliorum Constitutiones. Decreta Pontificum anli-
quiora etc.^" Er hat auch die Last der Korrektur* des Ganzen
auf sich genommen.
Bekannter ist er geworden und bis heute den Philologen
schätzbar geblieben durch die von Erasmus und Hütten
effektvoll eingeleitete Liviusausgabe von 1518/19. Er hat
den Hauptteil der Arbeit verrichtet, da er über Livius schon
von 1513 ab las, wohl auch die Mainzer Handschrift auf-
gefunden. In jahrelanger, mühevoller Tätigkeit hat er die
Ausgabe vorbereitet und die Textredaktion festgestellt, denii
sein Helfer bei der Kollationierung und der Korrektur, Wolf-
gang Angst, ist, wie es scheint, erst 1518 von Hagenau nach
Mainz gekommen.^^ß Hatte Erasmus schon den beiden,
Karbach 'und Angst, Gerechtigkeit widerfahren lassen, so
hat Hütten in seiner Widmung an Albrecht diesen seinen
Freunden gleichfalls ein Denkmal gesetzt, indem er sie als
die Urheber seiner Widmung darstellte und sie unter die
bekanntesten Herausgeber dieser Zeit einreihte: „Dazu
haben mich die wohlunterrichteten Männer Wolfgang
Angst und Nikolaus Karbach angeregt, die bei uns zu
druckenden Büchern dieselbe Mühe zuwenden wie Egna-
tius nach Aldus in Venedig, w^ie in Rom gewisse Gelehrte,
wie in Basel Beattis Rhenanus und die Amerbach, wie
in Straßburg Nikolaus Gerbellius, bei anderen andere;
denn diese haben mich nämlich mit gelinder Gewalt ge-
zwungen, dir den Livius zuzuschreiben, nicht weil sie das
selbst nicht könnten, sondern weil sie glaubten, daß, wenn
dies an deinem Hofe geschähe, es auch für dich ehrenvoller
wäre**. Karbach und Angst haben tatsächlich auch nur in
kürzeren Schreiben bei der Ausgabe über ihre Arbeit
Rechenschaft gegeben und ihre Ratio edendi dargelegt.
Karbach hat jedoch damit nicht seine Livianischen
Studien abgeschlossen, sondern er hat es auch auf sich ge-
nommene^", die Übersetzung von Schöfferlin und Wittich,
^^'' C. Otto, Johannes Cochlaeus, der Humanist, 155 f.
''*^* Nach der Äußerung des Krasnius hei E. Böcking, a. a. 0., I, 260.
tf57 Homische historien Tili huij mit etlicher newen Translation, so
kurzuerschienen jaren im hohen thum Styfft zu Mentz jm latein, erfunden,
und vorhyn nit mer gesehen. Das Register hat die Jahreszahl 1522, der
Brief Karhachs datiert 1523 Mittwoch nach dem tag der geburt der ge-
bererin gots Marie.
Aus der Gescliiclite des Mainzer Humanismus. 83
B Johann Schöffer 1514 noch einmal gedruckt hatte,
tt die in Mainz gefundenen Bücher erweitert, weiterzu-
hren. Höchst verständig spricht er sich in einem Schluß-
iefe an den Leser darüber aus: „Es ist fürwahr**, sagt
, „als mich bedunckt, gar nichts also schwer, als etwas
n eyner sprach in die ander geschicklich und eygentlich
bringen, umb vielerley Ursachen ... in sunderheit aber
Tumb, das eyn ytliche sprach ein besundere eygenschafft
. ir hat, die der andern etwan gar nit oder seer wenig gemeß
id gleich ist**, und entschuldigt sich am Ende dann wegen
wraiger Gebrechen der Übersetzung. Nachdem «lurch
mon Grynaeus im Kloster Lorsch ein neues Bruchstück
funden und in Basel gedruckt worden war, wurde durch
irbach und Jakob Micyllus auch dieser Fund ins
jutsche übertragenes», und so geben dann die Mainzer
isgabe Ivo Schöffers von 1533 wie ebenso die von
46 und 1557 diese vierteilige Gestalt der Übersetzung.
Im Jahre 1519 bereitete Karbach für Johann Schöffer
id wahrscheinlich für eigene Vorlesungen M. Tnllii Cice-
nis de finibus bonorum et malorum ad M. Brutum libri
inque zum Druck vor (Vorwort pridie Cal. Nouembr. 1519),
id seine Ausgabe erschien 1520 im März."» In diesem
hre, 1520, in dem Johann Schöffer als Drucker Hutten-
her Schriften von Alb recht unter päpstlichem Druck in
s Gefängnis gesetzt wurde ^«o, war Karbach des vom
.pste verfolgten HtitteA vertrauter Briefvermittler in Mainz
A mit Wolfgang F,abricius Capito bekannt.2«i Auch
ir mit einem Vorwort eingeleitet (Nonis Septembribus)
b Karbach 1524 wohl ebenfalls in Johann Schöffers
teresse Sancti Prosperi presbyteri Aquitani aduersus ini-
cos gratiae dei libellus etc. Epistola Aurelij Carthaginiensis
iscopi contra Pelagianos etc. heraus. Diese Publikation
t etwas von lutherischem Beigeschmack.
Mit dfem Jahre 1533 erlischt jede Kunde von Karbach,
i bei der erweiterten Ausgabe der Liviusübersetzung^e»
o Schöffers von 1533 seine Epistel an den Leser ganz
rtgeblieben ist und er selbst nur den ersten Teil des Lor-
258 Vor dem vierten Teile steht: Das vierdt teyl der Roemischen
tonen, auß fünff büchern Tili liuij imm latein newlich erfunden, und
M. D. xxxiij. jar verteutscht, zwey durch Nicolaum Carbachium, die
ier drei durch Jacobum Micyllum.
259 p w. E. Roth, Die Mainzer Buchdruckerfamilie Schöffer, a. a. 0.,
No. 55. ~ 2«o E. Bücking, a. a. 0., 1, 364 § 6, 367.
«1 E. Böcking, a. a. 0., I, 365.
2^2 Siehe oben bei Besprechung dieser Ausgabe.
6*
84 Gustav Hauch.
scher Fundes übersetzt hat, so ist er wohl 1533 schon aus
dem Leben geschieden.
Wolfgang Angst hat offenbar keinen persönlichen Zu-
sammenhang mit der Universität gehabt, aber wir möchten
doch noch ein Wort über ihn sagen, das nicht den Livius
betrifft. Bei Heinrich Gran in Hagenau waren 1516 unter
seiner Aufsicht, wie er selbst Erasmus unter Beifügung
eines Exemplars mitteilte ^cs^ die Epistolac obscurorum
virorum (erster Teil) gedruckt worden. Da liegt es bei der
Freundschaft zwischen Hütten imd Angst nicht fern, zu
vermuten, daß er auch "den Druck der Huttenschen Epistolae
obscurorum virorum nouae (zweiter Teil) geleitet habe.
Druckort und Drucker sind gänzlich unbekannt und nach
der typographischen Ausstattung, sie sind mit einer kleinen
verbrauchten gotischen Dutzendtype gesetzt, kaum jemals
bestimmbar. Aber das Buch trägt am Schluß bei einem
Knoten in Holzschnitt eine Rätselfrage 2«*, die schelmisch
auf den Herausgeber oder den Drucker weist. Sie lautet:
„Quinta luna obscuros viros edidit. Lector, solue nodum
et ridebis amplius**. Übersetzt man Quinta luna mit Mai,
so kommt man nicht weiter, und eine so einfache Lösung
würde auch keine Heiterkeit erwecken. Setzt man dafür
das entlegenere Quintilis (Juli) und überträgt das ins
Deutsche, so gelangt man zu der Namensform Heumond
oder auch nach Schreibung der Prognostica Heumon oder
Heuman. Das würde zu dem Mainzer Drucker Friedrich
Heumann führen. Dieser ist allerdings vorläufig höchstens
bis zum Jahre 1515 nachzuweisen -0^; es wäre jedoch nicht
ausgeschlossen, daß seine Offizin als Kleindruckerei für Ak-
zidenzdruck, Prognostica und dergleichen auch ohne Drucke
mit Kolophon weiter bestanden hätte. Eine solche Druckerei
gerade wäre wegen ihrer unansehnlichen Typen vor der
Gefahr der Entdeckung, schon war der Bann gegen den
ersten Teil geschleudert, so ziemlich sicher geWesen, und
Angst hi le dann bei dem Drucke mitwirken können.
Seitdem Reuchlin die Teilnahme aller Gebildeten ge-
funden hatte, war in den humanistischen Kreisen das Axiom,
das die Sodalitas literaria oder Academia Platonica des
Celtis schon 1495 auf ihren Schild geschrieben hatte ^^'S
if«^ E. Böcking, a. a. ()., I, 126. Der Brief gehört in das Jahr 1516.
K. Sleiff, Der erste Buchdruck in Tübingen, 217, Anm. 1.
26* E. Böcking, a. a. 0., Suppl. II, 6.
'^'* V. W. E. Roth im Zenlralblatt für Bibliothekswesen, X, 482.
26'' G. Bauch, Die Rezeption des Humanismus in Wien, 71.
Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus. 85
allgemein aufgekommen, es müßte jeder wahre Gelehrte
„trilinguis** sein, das heißt er müßte außer Lateinisch und
Griechisch auch noch Hebräisch verstehen. Es wäre doch
wunderbar, wenn nicht auch in Mainz, gerade in Mainz, wo
Reuchlin den ersten gerichtlichen Ansturm Hochstra-
tens auszuhalten gehabt hatte, die „heilige Sprache" irgend-
einen Verehrer gefunden hätte. Von 1520 ab besaß die Stadt
an dem Domprediger Wolfgang Fabricius Capito aus
Hagenau einen Kenner des Hebräischen, der nach der lehr-
haften Beanlagung der Deutschen und wegen früherer Übung
des Lehrens gewiß anderen priv^atim als Lehrer gedient hat
Etwa 1518 kam aber auch ein fahrender Hebraist nach
Mainz, um an der Universität Hebräisch zu lehren, es war
Johannes Cellarius Gnostopolitajius aus Kundstadt
in Oberfranken, der dann 1519 in Heidelberg las und noch
in demselben Jahre, nach einem vergeblichen Versuche, in
Wittenberg anzukommen, in Leipzig lehrte. Nur daß er
selbst davon spricht-'ß^^ daß er auch in Mainz gewirkt habe,
ist uns bekannt.
Wir können unsere Ausführungen nicht schließen, ohne
wenigstens "noch leinen Blick auf einen Humanisten zu werfen,
der Mainz seine Vaterstadt nannte und der wohl mindestens
einen Teil seiner nicht ganz gewöhnlichen Bildung in Mainz
erhalten haben wird, auf den Böttchersohn und Karthäuser
Otto Bninfels. Sein erstes gednicktes Werk, eine päda-
gogische Publikation, Aphorismi institutionis puerorum^e^
hat er (1519, 1. August) von der Karthause bei Straßburg
aus, dem gelehrten Provinzial Gregor Reisch gewidmet,
ausgehen lassen. Jakob Wimpfeling hat sie Johann
Schott zum Dnick dringend empfohlen, weil sie für Lehrer
und Schüler gleich nützlich seien. Der Schlettstädter Schul-
rektor Johannes Sapidus hat eine poetische Empfehlung
beigetragen. Das Buch beginnt mit hohem Lobe des Eras-
mus und zeigt eine gewaltige Belesenheit des Verfassers
wie auch Kenntnisse im Griechischen. Wie der Karthäuser
als Anhänger der Reformation das Kloster bei Mainz ver-
ließ, so trat er auch 1523 dem früher so hoch von ihm ver-
^6^ Zu Johannes Cellarius vorgl. (r. Bauch in der Monatsschrift für
Geschichte und Wissenschaft des Judentums, N. F., 12. Jahrg., 286 f.
Seinen Begleiter zu Reuchlin, Christophorus Hacus (1518), begrüßte Hütten
in Mainz mit einem Gedichl. E. Böcking, a. a. 0., 1, 239.
2€ö Aphorismi institutionis puerorum Othone B. Moguntino, Car-
thusiano, autore, frugi Adulescentibus, atque ijs qui illos probe erudire
velint adprime conducibiles. Argentorati apud Joaijnem Scotuni, in Thome-
loci pomerio, penultima Augusti, Anno Christiano. M. D. XIX. 4^.
86 Gustav Banrli
ehrten Erasmus als Freund Huttens entgegen***, als jeoia
seine böse Spongia"" gegen den unglücklichen Ritter, der
während des Druckes oder vor dem Erscheinen derselben ge-
storben war, ausgeschickt hatte. —
*^* Olhonis Brunfcisii pro tJIricho Hutleno defnncto ad Erasmi Roiero-
dnmi Spongiam Responsio. Bei E. Bücking, a. a. 0., II, 325f.
!'o Spongia Erasmi adversus Aspergines Hutleni. BCcking, a. a. 0.,
II, 265f.
II.
Jakob Weider, der erste Rektor der Mainzer
Hochschule (1478 — 1483).
Von Franz Falk.
Längst schon besaß das Erzstift Mainz eine angesehene
Hochschule, nämlich zu Erfurt. Es kann als Zeichen hohen
Wissensstandes betrachtet werden, daß eine zweite Hoch-
schule folgte, und zwar am Sitze des Meiropoliten selbst, zu
Mainz. Als das Stiftnngsjahr galt stets das Jahr 1477.'
Die Wahl des Rektors der jungen Stiftung mußte auf
einen Mann von Ansehen fallen, sie fiel auf Jakob Weider
von Siegen. Was geschichtliche und andere Dokumente
in betreff seiner überliefern, mag im folgenden seine
Zusammenstellung finden. Bei dem Verluste der Archi-
valien zumal der ältesten Hochschulperiodc mag das Wenige,
das wir haben, von Wert sein.
Der Geburtsort Weiders ist das nassauische Siegen,
jetzt zum Regierungsbezirk Arnsberg der Provinz West-
falen gehörig. Siegen war früher ein Fürstentum des west-
fälischen Kreises, gehörte der Familie Nassau-Oraiiien und
gab der Familie Nassau-Siegen den Namen.
Obwohl näher bei Köln gelegen als bei Mainz, gehörte
Siegen in kirchlicher Hinsicht nach Mainz und so noch bis
zum Ende des Kurstaats. Der Mainzer Staalskalender zählt
auf: Siegnisches Landkapitel mit den (wenigen) Pfarreien:
Heoß, Holdingshausen, Keppcl, Netphen, Siegen, Willen-
tkirf und Rödgen, — ohne Definitoron, Kämmerer und Sekretär
wegen seines geringen l'mfangs.
I Id der Wal lere teinschen Bibl. zu Malhineen II, 1, fol. »4 (l<));
Dielheri aepi mog, instruntent. fuiidationis universitatis Mo;. Drucke der
l^mchlung in Gudenutt, Cüd. dipl. IV, 432; Würdlwein, Subs. dipl. 111. 182.
88 Franz Falk.
Somit erklärt sich, daß Welder seine Studien in Köln
machte, in Mainz aber seine Verwendung fand.
Das Geburtsjahr Weiders ist nicht ül>erliefert ; da seine
Immatrikulierung in Köln ins Jahr 1453 und sein Tod ins
Jahr 1483 fällt, so können wir ungefähr sein Geburtsjahr
bestimmen, sagen wir zwischen 1423 und 1433.
Die Kölner Matrikel unter dem Rektorate des Gisbert
von's Gravensand verzeichnet zum Jahr 1453:
Jac. Welder de Segen, magunt. dioec. ; art. ; solvit et
juravit; Juni 17, das ist
Jacob Welder von Siegen, Mainzer Diözese, in artibus,
hat die Gebühr entrichtet und den Eid geleistet am
17. Juni 1453.
Ein anderer Jacob Welder von Siegen, vielleicht der
Oheim unseres Welder, lebte etwas früher, was zur Ver-
wechslung führte-; 1441 wurde nämlich ein Jakob Welder
zu Heidelberg immatrikuliert, als Propst von Liebfrauen zu
Mainz.^
In demselben Jahre war auch Eggeling (Angelus Becker)
von Braunschweig* zu Köln inskribiert worden, desgleichen
Gabriel Biel, welche beide später in Mainz sich wieder-
finden.
Reihen wir hier jene Stelle ein, welche wir dem Ge-
schichtschreiber der Hochschule, Heinrich Knodt^, Doktor
beider Rechte, Sacri Palatii Comes, Assessor und Biblio-
thekar der Hochschule verdanken; er gibt einen Catalogus
chronologicus rectorum magnificorum in universitate mo-
guntina 1751 ^ und nennt an erster Stelle zum Jahr 1478:
Jacobus Welder, SS. Theologiae Doctor Ejusdemque Pro-
fessor publicus et Ordinarius, wozu er einige biographische
Angaben fügt:
„Natus fuit in Siegen Nassau (ubi ejusdem familia in
hunc usque diem floret), et postquam assiduam studiis
operam navasset, in Universitate Coloniensi titulum Doc-
toris, ac Moguntiae ad Gradus B. M. V. nee non S. Petrum
Canonicatus et respective Decanatum obtinuit, primum in
Academia Moguntina SS. Theologiae Professorem egit, quo
in officii munere et sedulitate in laborando, prudentiaque
in docendo, ac honestate in recte beateque vivendo ita
2 So H. Keussen in der Herausgabc der Kölner Matrikel, S. 426,
Note zu 257, 58. — ^ Studierte auch zu Bologna. Knodt, S. 102.
* Joannis II. 675; Gudenus. 1. c. 11, 719; Würdtwein, 1. c. IV, 163.
^ Gehürtiji zu Münster-Maifeld im Kurtrierischen ums Jahr 1718; er
wurde Stadtgerichtsassessor, Konsulent im St. Rochusspital und starb 1784,
April 18. — ^- Bildet die Commentatio II der Moguntia liUerata.
Jakob Weider, der ei-ste Kektor der Mainzer Hochschule. 89
SC gessit, ut a suis Discipulis singulariter observaretur et
ab Omnibus Civitatis Incolis egregie amaretur.**
Danach erlangte er zu Köln den Doktorgrad, und zu
Mainz ein Kanonikat tfx ^.iebfrau und Dekanat zu St. Peter.
Es wird also ihm, dem Theologieprofessor, besonderes
emsiges Arbeiten, Klugheit im Unterricht sowie achtbarer
Lebenswandel nachgerühmt, so daß ihm seine Schüler
hohe Achtung, alle Bewohner der Stadt besondere Liebe ent-
gegenbrachten.
Einerseits genügt dieses so kurze Lob zur Würdigung
des Mannes, andererseits möchten wir Einzelheiten er-
fahren, wie es ihm möglich war, die Blicke der ganzen
Stadt auf sich zu ziehen — ob durch Reden, Predigten
oder Schriften — und die Herzen der Schüler zu gewinnen.
Ob es seine Richtigkeit hat, was Bodmann in den Rhein-
gauischen Altertümern S. 137 andeutet: „Wie es übrigens
zugegangen seye, daß man ungeachtet so vieler, von jeher
zu Mainz über die Erfindung der Kunst Gutenbergs der
gelehrten Welt mitgeteilten Schriften noch nicht darauf ge-
kommen sey, das um die Aufnahme und Verbreitung der-
selben so überaus erhebliche Verdienst der in so mancher
Rücksicht höchst ehrwürdigen Männer, eines Jvo Witt ig,
ingleichen des Johannes Kempen^ . . . und endlich dos
gelehrten Dechants und ersten Rektors der Hochschule zu
Mainz, Jakob Weider, gebührend zu erheben und ins Licht
zu setzen, ungeachtet die ergiebigsten Quellen^ dazu bisher
vor der Hand gelegen sind, ist uns wahrlich unbekannt**.
Weider trat nach Knodt erst 1478 sein Rektorat an. Wie
andere Hochschulen, so weist auch die Mainzer eine Reihe
von Gönnern auf, welche in verschiedener Weise, zumal
im Zuwenden von Büchern, ihre Liebe zu der Anstalt
bekundeten. Es bestand sogar ein Liber Benefactorum,
welches Knodt noch kannte. Er entnimmt .demselben fol-
gende Stelle:
„Eximius Dominus Jacobus W'elder, Arliiim Magister,
sacre pagine Doctor», et hujus IJniversitatis Moj^untine pri-
mus Rector, et Facultatis Theologicae Ordinarius, donavit
ad communem librariam Universitatis Libros XXII.**
Sollte sich von dieser Bücherzuvvendung nichts erhalten
haben? Verhängnisvoll war für die Bibliothek die schwe-
" Egregii hon. mcm. quondam Dni Job. Kempen, Sacr. Canon. Dris.
Call. Eccl. B. M. V. ad gr. Necrol.
** Oh Bodmann andere Quellen, bessere als wir, kannte? In der äl-
testen Gescbichte der Erfindung Caitenbergs wollte mir der Name J. Weider
nicht begegnen. — ^ Soviel als theologiae doctor.
1)0 Franz Falk.
dische Okkupation der Stadt, denn der König Gustav Adolf
hatte die Sammlung der Hochschule seinem Kanzler zum
Geschenk gemacht 1631, die Bücher gingen leider bei der
Überfühning nach Schweden zugrunde. Jedoch ein Werk,
das ein Geschenk Weiders war, entging diesem Schicksale,
nämlich der Schöfferdruck von Institutionum opus prae-
clarum Mog. X. Kalendis Jun. 1476 consummatum. Dieses
Exemplar sah noch Knodt in der Universitätsbibliothek laut
seiner Angabe in De Moguntia litterata Commentatio 1.
1752, p. 31.1Ö
Die Stadtbibliothek, ^n welche die Bücher der ehe-
maligen Hochschule übergingen, besitzt diesen Wiegendruck
leider nicht mehr.^i
Möglicherweise taucht das Weldersche Exemplar der In-
stitutionen von 1476 anderwärts auf.
In der Reihe der Stiftskirchen der Stadt stand St. Peter
außerhalb der Stadtmauern (nördlich) als das älteste an
erster Stelle. Seine Pröpste lassen sich ins zehnte Jahr-
hundert verfolgen; des Stifts Ansehen ergibt sich daraus,
daß sein Dekan Os cleri secundarii war.
Joannis gibt in der Liste der Stiftsdekane folgendes an:
Jacobus Weider de Siegen, SS. Theol. D., huius et B.M.V. ad
gradus Canonicus, Primus Academiae Moguntinensis anno
1477 institutae Rector. f anno 1483, die 18. Maii.^^
Eine Amtshandlung Weiders als Dekan von St. Peter
hat uns Würdtwein in der Dioecesis Moguntina in archi-
diaconatus divisa II, 22 aufbewahrt; Weider nämlich und
die gesamte Stiftsgeistlichkeit geben dem Stiftsherrn Job.
Kirchperg und dem Pfarrer Bernhard Frank zu Castel den
Auftrag, den Send im Archidiakonatsbezirke des Propstes
von St. Peter abzulialten auf Tiburtiustag 1479. Jacobus
Weider decanus, Adolffus de Breythart scolasticus etc. . . .
mandatum ded(?re . . . cclebrandi synodum in archidiaconatu
praepositurac S. Petri.
1^' Knodt teilt die Schlußschrift mit unter Abdruck des Fust-Schöffer
sehen Druckerzeichens (Fust-Schöffer Doppelschild),
11 Das in der Sladtbibliothek vorhandene Exemplar der Institutionen
stammt aus der Kartause und war ein Geschenk des St. Stephansstiftsherm
Gotschalk Eschenbrocker aus Fulda, der auch den noch vorhandenen Oster-
kerztnleuchter ins Stift schenkte, 1512, laut der Inschrift auf demselben.
Vgl. Falk, Aus der Stiftsgeschichte von St. Stephan zu Mainz, in: Zeitschr.
des Ver. für Rheinische Geschichte (1883), HI. 303.
1- Joannis. Her. nioji. II, 499; über os cleri secundarii p. 486. Der
lelzto Propst des Stiftes (aufgehoben 2. Juli 1802) war Kasimir Häffehn,
seit 1790 Weihhischof, starb als Kardinal, 90 Jahre alt, zu Rom 1827.
KlcpjM-r, Die St. Peterskirche, 1874.
Jakob Weider, der erste Rektor der Mainxer Hochschule. 91
Für den ersten Augenblick mag es auffallend erscheinen^
laß der Stiftsdekan und Professor Weider in der Matrikel
5U Heidelberg erscheint. Es heißt darin zum Jahre 1475
mter dem Rektorate des Martin Renez von Wiesensteig ^3.
Magister Jacob us Weider de Siegen, s. theologie professor^
äcclesie s. Petri extra muros Moguntinensis decanus
XV. August. Doch war es keine Seltenheit, daß Kleriker
in höheren Stellen und in höherem Alter sich an einer
Hochschule inskribieren ließen, um sich der Vorrechte der
Hochschulen zu erfreuen. Übrigens lag darin für die Hoch-
schule wie für einen Studiosus dieser Art eine gegenseitige
Ehrenerweisung.
Eine nicht geringe Ehre wurde unserem St. Peter-
stiftsdekan im Jahre 1473 zuteil. Die benachbarte Metro-
pole Trier besaß nämlich noch nicht eine Hochschule ; Köln
wrar ihr längst mit gutem Beispiel vorangegangen 1388. Ge-
legentlich der glänzenden Pilgerfahrt 1*, welche Erzbischof
Fakob von Sirk 1450 mit Bischof Konrad von Metz und
unter Begleitung von 140 Edelleuten nach Rom zum Jubi-
äum machte, trug er dem Papste Nikolaus V. den Wunsch
iror, zu Trier ein sogenanntes Generalstudium einrichten zu
iürfen ; der Papst gewährte die Bitte unter Zusicherung aller
Rechte und Vorrechte, welche der Kölner Hochschule ver-
liehen worden waren.
Nachdem die Männer zusammengefunden waren, welche
ien Lehrkörper der Universität bilden sollten, wurde der
16. März zur Wahl des Rektors festgesetzt, zugleich auch
sur Eröffnung durch feierlichen Gottesdienst im Dome.
Nebst den Doktoren, Lizentiaten, Magistern der freien Künste
srschienen die Äbte und Prioren der Abteien St. Maximin
Lind St. Matthias, die Konventualen aller Klöster, alle Pröpste
und Dignitäre der Stiftskirchen, Vikarien und Altaristen des
Domes, die Präbendaten von Liebfrau, Bürgermeister und
Räte der Stadt, und viel Volk aus der Stadt.
Die Feierlichkeit begann mit einer Predigt über den
Heil. Geist, gehalten zwischen 8 und 9 Uhr, und zwar
iTon unserm Ja!kob Weider von Siegen, Magister der freien
Künste und Professor der Theologie. ^^ Das Thema paßte
13 Töpke I, 243.
1* Von den Kirchenfürsten, welche Papst Nikolaus in dem Juhi-
äumsjahrc begrüßen konnte, ist namentlich der Trierer Erzbischof Jakob
r. S. zu nennen. In Begleitung von 140 Rittern kam er, einst von allen
ileichsfürsten der rührigste Anhänger des Konzils (von Basel), nach Rom,
im sich mit dem heil. Stuhle auszusöhnen. Pastor, Päpste I, 360.
1^ Die näheren Umstände, welche zur Berufung Weiders als Fest-
9a Franz Falk.
zu der Inauguration einer Anstalt, die zur Förderung der
Wissenschaften bestimmt war.^«
Nach dem Hochamte zpgen alle Wahlberechtigten in
das Refektor des Doms zur Wahl des Rektors; sie werden
mit Namen genannt, darunter Jakob Weider von Siegen,
Dr. der Theologie, Herm. Frank, Dr. der Rechte u. s. f. Den
Schluß bildete ein Festes^a .
Ins Jahr 1479 fällt die Untersuchung der Lehren des
Johannes von Wesalia, welcher als Dompfarrer von der seit-
herigen Kirchenlehre abweichende Äußerungen getan haben
sollte. Schon die Zeitgenossen gingen in Beurteilung über
Johannes auseinander. Es ist hier nicht der Ort zur weiteren
Erörterung. Wir wissen, daß Freitag nach Maria Lichtmesse
1479 eine Sitzung stattfand, in welcher der Beschluß zu-
stande kam, Johannes solle alle seine Schriften zur Begut-
achtung vorlegen, ut per proprios sermones vinceretur.
An der Sitzung nahmen teil alle Doktoren und Magister
von Heidelberg, der Mainzer Weihbischof Matth. Emich, der
Graf Wilhelm von Wertheim, Generalvikar, Graf Rupert von
Solms, Kustos, Bernard von Breitenbach, Makarius von
Busek, Domherren, der Frankfurter Pfarrer, der Rektor der
Universität und der Dekan der Artisten. i" Obwohl letztere
nicht mit dem Namen genannt werden, so wissen wir doch,
daß der Rektor Weider gemeint ist.
Das Rektorat Weiders erstreckte sich ins Jahr 1480, denn
als Nachfolger wird in diesem Jahre Petrus von Viersen ge-
nannt, 1483 Johannes Scriptoris.
Im Jahre 1483 erscheint Jakob Weider während des
Rektorats des Johann Scriptoris aus Ulm unter den Aus-
stellern eines Aktenstückes, welches den Johann Heyl von
Cappel, Baccalaureus in Theologie, auf ein Kanonikat zu
St. Peter in Fritzlar präsentiert:
„Joannes Scriptoris de Ulmena, artium et s. theol. prof.,
rector ahne universitatis generalis studii Mog., Jacobus
Weider de Siegen artium et sacre pagine prof., Alexander
Theodorici de Meinungen art. et jur. civ. doctor etc."***
Unsere Daten hängen allerdings lose aneinander, immer-
hin geben sie genügenden Anhalt dafür, daß Weider ein vor-
züglicher Rektor gewesen sein muß.
prcdiger beitrugen, wenien nicht genannt; doch wird der Ruf bedeutender
Rednergabe sicher mitgewirkt haben.
^^ Nach Marx, Erzstift Trier, II, 457, 458; einer Beziehung Weldcrs
zu Mainz ist bei Marx nicht gedacht.
• 1' Schunk, Beilr. I, 296: Falk, Bibelstudien in Mainz, S. 60.
1« Knodt, Comment. II, 2, 3.
Jakob Weider, der ei'ste Aekltr der Haiiizer Hochschule. 'J3
Sein Grab erhielt er da, wo er Dekan war, nämlich im
Stifte St. Peter. Die Grabinschrift lautet:
A. D. 1483 die 18 mensis maii obiit vcneraiidug Jacobus
Walder de Siegen, artium et divinanmi literanim professor
cximius, hujus ecclesiae can. et deo.
So schrieb Pfarrer Severus, gestorben 1779, das Epitaph
ab, wie es in dem Teile des Würdtwein sehen Nachlasses
steht, den der Nassauische Altertumsverein zu Wiesbaden
besitzt, und woraus Zais in; „Beiträge zur Geschichte dea
Erzstifts Mainz", 1880, S. 39 den Abdruck gab."
Den Stein sah noch Knodt und bemerkt a. a. 0.: „ad
S. Petrum sepultus teste lapide, qui ad lemplum Odenmünater
translatus ante aliquot annos, dum ilhul adhucdum stellt»
in choro visebatur".
1' Bodmann enlnahni dem Vtlu» Prolor. Capli S. Pplri, fol. 42 v,. die
Kolii: die XIX maij ob, hrabilis Dnus Jacobus Weiler dec, S. Pelr., et
\igore precum imperial. Dnus Bern. Gros etc. Diese Notiz scfirieb Hod-
inami seinern Gudenus, Cod. dipt. IV. 425 (Stadtbibl,), bei ; gleicliwobl
wird das Epitaphdatum vorzuziehen sein.
III.
Die Mainzer Bursen „Zum Algesheimer" und
„Zum Schenkenberg" und ihre Statuten.
Von Fritz HeiTinann.
Die zweite Hälfte des fünfzetinten Jahrhunderts erl«^
in der scholastischen Philosophie einen heftigea Kaq^tf
zwischen den Vertretern der viatnodema und derviaautifpu,
der gewöhnlich als ein Ringen der beiden alten Gegeaijlze
<ies Nominalismus und des Hcalismiis aufgefaßt wird, bl*
dessen ist nach neueren Forschungen* keineswegs die
Univcrsalienfrage der Kernpunkt des Gegensatzes, wie dfiBD
auch die moderni die Bezeichnung nominalistae ablehnffL
Vielmehr hanclelt es sich darum, daß gegen den aU via no-
derna Herrschaft den Ückamismus, dem eine scharfe TrennDBg
der Gebiete des Glaubens und des Wissens, sowie eine nooe
Logik eigentümlich ist und der sich bei aller wissenschi^-
liclien Tüchtigkeit in abstruse Spitzfindigkeiten zu verlieren
begann, eine skotistisch-realistische Reaktion aufkam, die
in ihrer Hinwendung zu den konkreten Einzeldingen als
Vorläuferin der realen Wissenscliaften anzusehen ist und
den Sieg des Humanismus, zu -dem zahlreiche ihrer Verfcceler
hinneigten, mit erringen half. Diese von Paris ausgehende
via antiqua drang seit etwa 1450 in die seither rein nomina-
lislischen Universitäten Südwcstdeutschlands ein und fand
solchen Anklang, daß die drei im achten Jahrzehnt des
Jahrhunderts errichteten neuen Hochschulen zu Ingolstadt,
Tübingen und Mainz bereits hei ihrer Gründung sie neben
der via nioderna in der theologischen und der artistischen
1 Tübingen vor der Be-
r Burseii und ihre Statuten.
Fakultät zulassen mußten. So bestitnmeii tlie ällosten
Mainzer üniveraitätsstatuten ' in ihrem § 15 über das con-
cilium maius: ut rector, tloctores et ikentiati quarumlibet
[acullatum hie recepli, deianus facultatis arlium, cum quo
magistri quatuor de doctriua modcniorum et
^ AuBet dem iltesluii älatuU'tibudi (Slaiitbilil. zu Mainz'; sind im fol-
genden benutzt das Dürrsclic Manuskript über <lio L'nivcrsitäl.-igL-schicbte
ie\nl.) und die Collectantra zur Gescbiehtc di-r luivi-rsitäl .Mainz aus dem
llodma:ui>H&bel!)chen NachlaÜ (Konv. 4U8; lleicbüarcb. zu Miinchciii. die
gtriclifalls DüiFSche Materialien enllialten.
di'} Fritz Herniiann.
([ u a t u o r de d o c t r i n a a n t i q u o r u m , regant uiiiversi-
tatem" ; doch scheint hier die via aiitiqua einen starken
spezifisch thomistischen Einschlag gehabt zu haben.
Bei der Dürftigkeit der Nachrichten, die über die An-
fangszeiten der Mainzer Universität überhaupt und über den
Lehrkörper insbesondere vorliegen, läßt sich die Zugehörig-
keit der einzelnen Professoren zu 'der einen oder der anderen
Richtung in den wenigsten Fällen mehr feststellen. Immer-
hin bleibt eine Untersuchung doch nicht ganz ergebnislos.
Sie knüpft am besten an die im Jahre 1500 verfaßte hand-
schriftliche Mainzer Chronik Hebelins von Heimbach an,
der auch einiges über die Universitätsverhältnisse seiner
Zeit berichtet. 5 Er nennt als den primus modernorum den
Pfarrer an St. Christoph und Domvikar Florentius Diel*
aus Speier, „qui in ea doctrina plurima volumina notatu
digna conscripsit**. Eines dieser Handbücher ist die 1490
bei Peter Drach in Speier erschienene Etymologia Donatio;
es ist mir jedoch nicht zweifelhaft, daß auch die im gleichen,
Verlage und ebenfalls unter der Flagge des Mainzer Kollegi-
urns der Modernen ausgegangenen Summulae logicales von-
1489^, sowfe die Exercitata librorum Perihermenias von|
1490^ gleichfalls Diel zum Verfasser haben, wenn er aucli
als solcher nicht ausdrücklich genannt ist. Nach 1500 hat
er auch noch eine Grammatik« verfaßt, die bei Frieär. Heu-
^ Co(J. map. Chart, fol. No. 187 dor Univers.-Bibl. zu Würzburg. Über!
den Verf. und die Handschrift cf. F. W. E. Rotsb in N. Jahrl). f^ Philo-;
logie 1899, II, 175 f. '
* Cf. die Biographie von F. W. E. Roth im Katholik 78 (1898), U,
238 ff., und F. Falk, Die pfarramtl. Aufzeichnungen des Florentius Diel (firL
u. Erg. zu Janssen-Pastor, Bd. 4, Heft 3). * *
^ Modernorum de collegio maiori moguntino etymologia praeclara:
donati noviter exarati: et in duas primo minorem et secundo mfiorem;
editiones partita: ad discipulorum diversorum c^pacitatem successivam.!
Die Schrift ist F. W. E. Roth in seiner Gesch. u. Bibliogr. der Buchdrucke«'
reien zu Speier im 15. u. 16. Jahrh. (Mitt. d. bist. Ver. der Pfalz 18
[1894], Iff.) entgangen. Den Hinweis auf den Druck und den Verfasser,
der f. a 8b sowie in der vom 26. September 1489 datierten Schlußschrift
sicli nennt, verdanke ich Herrn Hofbibliotheksdirektor Dr. Schmidt in
Darnistadl.
^ Modernorum sunmmlae loj^icalc.*; cum notabilibus topicorum ac dispu-
tatis elenchorum librorum ex aristotelo, boetio, boato augustino, marsilio
et ab aliis, subtilioribu.s sententiis. viris doctissimis fideliler enucleatae, ac a
magistris collepii moguntini regentibus de modernorum doctrina sunt studio-
sissime innovatao. Roth, a. a. 0., 49; über «len Inhalt cf. Prantl, Gesch.
d. Logik im Abendlande, 4, 192, 233f.
" Modoniorum de collegio Maguntino exercitata librorum Periherme-
nias rlari.^siina. Roth, a. a. 0., 78.
^ riraminatica initialis valde resoluta et etimologica et syntaxis octa
partium orationis compendiosa adeo, 15()9: cf. F. W. E. Roth im ZcntralbL
f. Bibliothekswesen 10 (1893), 479, und im Katholik, a. a. 0., 240.
Die Mainzer Bursen und ihre Statuten^ 97
Tiaan in Mainz erschienen ist. So stellt er sich uns schon
liirch seine schriftstellerischen Leistungen in der Tat als
1er Führer der Modernen dar. Als seine bedeutendsten
Schüler führt Hebelin an: Nikolaus Dürkheinier, Pfarrer
5u Eltville und Kanonikus an St. Peter^ Heinrich Kesse,
Pfarrer und Kanonikus in Bingen ^^^ den Dichter und Theo-
ogeu Jakob Merstetter^i und den damaligen Regens des
Kollegium maius Rulin Mintzenberger.^^ Als weitere
VIodeme aus der älteren Zeit wird man die Theologen
lohann Bertram von Naumburg^^ Werner Alich von
Spreth**, Konrad Hensel von Cassel^^ und Hermann Ort-
ieb von Rotenburges und die Artisten Andreas Eier von
Vfeiningen^^ und Peter Flachsweiler von Trier^** ansehen
iürfen, die sämtlich aus Erfurt kamen, das sich von der
ria antiqua stets frei hielt.
Die via antiqua soll nach Mainz durch den Franzis-
kaner Stephan Brulefer^^ verpflanzt worden sein, der
edoch nur im Minoritenkloster gelehrt hat Als Realisten
in der Universität nennt Hebelin den Dekan an St. Moritz
fohann Wacker^ und den Kanonikus an St. Johann und
ipäteren Sufiraganbischof Johann Bruder aus Münster,
gewöhnlich Monasterii genannt.21 „Hi**, so sagt der
Jhronist, „doctrinam eorum, qui reales (in sermotionalibus
icriptis) appellantur, plantant, roborant et augent, inter
>raecipuos quoque huius doctrinae magistri et auctores
jxistunt". Man wird diesen beiden Theologen die von der
homistischen Kölner Hochschule ausgegangenen Jakob
Velder^^, den ersten Mainzer Rektor, und Johann
Juattermart*3, sowie Johann Vilhauer^* und den Ar-
isten Martin Kuppel von Bodmann^^ zuzählen dürfen,
8 Cf. die Biographie von Roth im Katholik, a. a. 0., 249 ff.
10 H. Knodt, Hist. univers. Mog., 2, 43.
11 H. F. Singer, Der Humanist Jakob Merstelter 1460—1512. Mainz
504.
^* Gemeint ist vielleicht der Knodt, 55, genannte Rolinus Tinctoris.
" Cf. die Biographie von Roth im Katholik, a. a. 0., 242 ff.
1* Knodt, 11; Weißenborn. Erfurter Matrikel, 1, 317.
i'i Knodt, 40; Weißenborn, 1, 223.
1« Knodt, 42; Weißenbom, 1, 364.
17 Knodt, 6ö; Weißenbom, 1, 322.
1« Knodt, 11; 66; Weißenbom, 2, 202.
ly Hermelink, 137; Wetzer u. Weite, Kirchenlexikon 2, 2, 355 f.; N.
aulus in Theol. Quartalschr., 75 (1893), 291 ff.
**> Knodt. 41; Gudenus, Cod. dipl., 3, 944.
** Joannis, Rer. Mog., 2, 441 f. Sein Familienname war bisher un-
pkannt. Knodt, 65. — 22 Knodt, 1. Cf. auch F. Falk in diesem Buche, 87 fr.
i^ Knddl, 41. — 24 Ebd. 39. - ^^ Ebd. 64.
Beltiftge z. G«icb. d. Universitäten Mains a. Gießen. 7
98 Fritz Herrinann.
welch letztere beide durch die Heidelberger Matrikel als
antiqui bezeugt sind.^ß
Hebeliii von Heimbach wirft den Artisten vor, „quod
niniis diuturnam operam in dialectica nimiumque tenipus
in ea terunt**, und nennt die Dialektik eine wahre Mutter
des Streites. Näheres über Zwistigkeiten zwischen den V^er
tretem der beiden Richtungen in Mainz wissen wir nicht
daß aber solche zum Schaden der Universität häufig vor-
kamen, läßt sich durch zwei Zeugnisse belegen. Die im
Jahre 1523 von Erzbischof Albrecht eingesetzte Kommission
für die Refonnierung der Hochschule, die aus den Pro
fessoren Johann Stumpf gen. Eberbach, Konrad Weidmann,
Eucharius Schlaun, Johann Eschler und Nikolaus Holt
mann bestand, erklärte in ihrem Reformationsentwurf*',
daß die Statuten gereinigt werden müßten, und zwar „in-
primis providendum esse, ut nomina variarum sectaruin
antiquonim et modernorum et si quae similia sunt, ne sint
dissidionim, factionum, invidiae et simultatis occasio, e
statutis Omnibus toUantur et in eorum locum nomina domo-
rum, collegiorum aut gymnasiorum sufliciantur". Dieser An-
regung scheint damals zwar Folge gegeben worden zu sein,
aber die Parteinamen ließen sich nicht so rasch be-
seitigen. Denn die unter dem Vorsitz des Generalvikars
Valentin von Teutleben arbeitende Reformationskommission
von 1535, der die Professoren Bernhard Scholl, Johann Pfaff.
Nikolaus Rucker, Konrad Weidmann, Anton Knauer und
Heinrich Herold angehörten 2«, sah sich veranlaßt, in der Vor-
rede zu den neuen Statuten der Artistenfakultät zu dekre-
tieren, „ut nomina eorum videlicet antiquorum et moder-
norum, quae universitatem hactenus subinde turbarunt,
exturbentur funditus neque posthac alter realista, alter vero
nominalis vocetur, nam istae pueriles ineptiae et sectae,
revera dissectae, contentionibus ac simultatibus haud raro
ansam pracbuerunt**.^»
Was der unter dem Einfluß des Humanismus stehenden
Generation — auch anderwärts hat man um diese Zeit den
scholastischen Zwiespalt zu nennen verboten — als
„kindische Torheit" erschien, das bewegte zur Zeit der
Gründung der Mainzer Universität die Geister aufs tiefste. Es
ist der Forschung bis jetzt entgangen, daß man auch in Mainz.
^G Töpkc, I, 286; II, 401, 409.
-' Notula roformationis generalis studii Moguiilini. Collectanea, a. a. 0-,
497 ff. Knodt, 26, gibt irrtümlich das Jahr 1521 an.
2» KnodI, 26.
29 Dürrsches Mskr., Fasz. 3i, f. 3; Fasz. 3f, f. 46 ff.
Die Mainzer Bursen und ihre Statuten. 99
ähnlich wie in Tübingen und Freiburg, die der philo-
sophischen oder Artistenfakultät angehörigen Studenten je
nach ihrer Richtung in zwei verschiedenen Bursen unterge-
bracht hat, um zu verhüten, daß der wissenschaftliche Streit
sich von den Hörsälen in die Wohnungen der Schüler fort-
pflanzte: Die beiden Häuser Zum Algesheimer und
Zum Schenkenberg sind die Heimstätten für die
moderni bezw. die antiqui und beherbergten außer den
Schülern auch einen Teil der Magister jeder Richtung, stellen
sich also zugleich als sogenannte Kollegien und als Bursen
dar. 30 So erklärt sich denn auch, daß der Reformationsent-
wurf von 1523 an den Stellen der Statuten, wo bisher die
Namen der Richtungen genannt waren, einfach die Namen
der betreffenden Häuser oder Gymnasien einzusetzen vor-
schlagen kann.
Das hinter der Christophskirche gelegene, nach seinem
früheren Besitzer, einer Mainzer Patrizierfamilie, genannte
Haus Zum Algesheimer war im Jahre 1478 von Diether von
Isenburg der neuen Hochschule zur Errichtung eines Ma-
gister- und Studentenhauses überlassen worden** und hieß,
wie aus dem Titel der von den hier wohnenden Modernen
herausgegebenen, oben erwähnten Etymologia Donati hervor-
geht, auch collegium maius. Schon dieser Name beweist,
daß, zum mindesten seit 1489, eine zweite — Realisten
Burse vorhanden war, die den entsprechenden Namen Kleines
Kolleg gehabt haben dürfte. Die Bezeichnung Kollegium
Zum Algesheimer für die Burse der Modernen findet sich be-
reits in einer Urkunde aus dem Jahre 1488, aus der auch
hervorgeht, daß die Senatsversammlungen in diesem Hause
stattfanden.^^
Die antiqui nannten ihr Kollegium „Zum h. Thomas
von Aquino**. Es scheint von Anfang an in dem der Patrizier-
familie Jostenhofer gehörigen Hause Zum Schenkenberg —
in der heutigen Altenauergasse — untergebracht gewesen zu
sein, das die Regenten der Burse gemietet hatten. Im Jahre
1508 oder 1509 kauften sie es von dem damaligen Besitzer
Elogius Jostenhofer, Kapitular am Liebfrauenstift zu Worms,
für 330 Goldgulden. Hier\^on blieben 130 G. als Hypothek
gegen 6 G. jährlichen Zins bei dem Verkäufer stehen, 200 G.
lieh das Regentenkollegium von dem Professor der Medizin
Peter von Viersen und den Kanonikern an Liebfrau Georrt
Beheim und Tilmann Seibach gegen Verpfändung des Hauseo
'0 Cf. Kaufmann, Gesch. d. deutschen Universitäten, 2, 214 ff.
»1 Gudenus, 2. 509. — ss Knodt, 3.
?♦
100 Fritz Heirmann.
und einen jährlichen Zins von 10 G. Aus den beiden In-
strumenten ^^ über diese Kapitalaufnahme erfahren wir, daß
die damaligen Regenten Johannes Lapicida, Nikolaus Holt-
mann und Nikolaus Gerbel — in der lateinischen Urkunde
heißen sie ,,artium magistri et actu regentes bursae
Schenkenberg de via s. Thomae Aquinatis**, in der deutschen
„Regenten dieser Zeit der Rursen realistarum genant
Schenkenberg*' — versprachen, die Zinsen aus eigenen
Mitteln zu zahlen, falls sie sie aus den Rewohnem der Burse
nicht herausschlagen könnten. Vermögen sie aus Mangel
an Studenten ihre Regentschaft nicht aufrecht zu erhalten,
so steht ihnen die Kündigung des Vertrags frei. Zur bau-
lichen Unterhaltung muß jeder eintretende Bursist 2, jeder
Raccalaureus 3 und jeder Magister 6 Albus zahlen; auch
werden die Strafgelder der Studenten für das Fehlen bei den
Vorlesungen zum gleichen Zwecke verwandt. Geht einer der
Regenten mit dem Tode oder anderweitig ab, so soll ein ge-
lehrter und ehrbarer Mann und zwar nur mit Zustimmung
der Geldgeber an seine Stelle treten. Nach deren Tode aber
sollen im Falle einer solchen Vakanz der Prior und der Lektor
der Mainzer Dominikaner oder einer dieser beiden ersucht
werden, ob sie „ob honorem s. Thomae de Aquino** bei der
Resetzung mitwirken wollen; ist ein Ersatz in Mainz nicht
zu finden, so soll eine geeignete Person aus Köln verschrieben
werden „pro conservatione viae praedictae" sc. antiquae.
Auch versprechen sämtliche Regenten und Senioren des alten
Wegs, der Rurse je 2 G. zu vermachen ; dafür wird ihrer all-
jährlich in der Memorie für die Wohltäter der Burse, welche
die Dominikaner gegen eine Entschädigung von V« G. ab-
halten sollen, gedacht werden. — Die Geldgeber handeln also
ebenso wie die Regenten im Interesse der via antiqua, als
deren natürliche Verbündete die Dominikaner gelten; daß
man auf die Kölner Universität zurückzugreifen in Aussicht
nimmt, dürfte darauf hindeuten, daß die Richtung von dort
nach Mainz gekommen ist.^*
33 1510 Januar 10; Mainzer Sladtarch., Stadt. Urk.; als Bürgen werden
genannt Johannes Monasterii, Kanonikus an St. Johann, und Richard Fried-
walt, Kanonikus an St. Peter. — Die Regesten verdanke ich Herrn Biblio-
thekar Dr. Heidenheimer in Mainz; cf. auch dessen Studie: Der Humanist
Nicolaus Gorbel in Mainz, im Korrespondenzbl. d. Westd. Zeitschr. f. Gesch.
u. Kunst. 15 (1896), 184 fif.
3* Peter voji Viersen vermachte die von ihm geschossenen 60 G. im
Jahre 1517 testamentarisch der Burse; das Guthaben des Georg Beheim
ging an das Liebfrauenstift, das des Elogius Jostenhofer an den Vize-
pleban an St. Emmeran, Johann Sorgenloch gen. Gensfieisch, und an
seinen gleichnamigen Vetter über. Das nocii stehende Kapital im Betrage
Die Mainzer Bursen und ihre Statuten. 101
Die Befürchtung der Regenten wegen des etwaigen jn
genügenden Besuches ihres Hauses läßt erkennen, daß der
Realismus in Mainz um 1510 immer noch weniger Zuzug
hatte als seine Gegner; denn an und für sich war der Betrieb
einer Burse immer aussichtsvoll, da die Universität nicht
nur von den Studenten des philosophischen Kursus, sondern
auch von den Magistern verlangte, .daß sie in einer solchen
wohnen sollten.^^ Doch erwiesen sich die Bedenken als un-
begründet, ja es konnte das Kollegium Zmn Schenkenberg
bereits im Jahre 1521 durch Ankauf der beiden Nebenhäuser
Zum großen und Zum kleinen Laufenberg erweitert werden.^*
Ein Vierteljahrhundert später aber drohte ihm die Gefahr der
Aufhebung. Erzbischof Sebastian, der selber einst Zögling
der Burse gewesen war, wollte diese in ein Pädagogium um-
gestalten und nur noch den Algesheimer als Kollegium be-
stehen lassen. Der Plan fußte wohl auf der eingetretenen Er-
weichung der Gegensätze und der Neigung, diese völlig zu
beseitigen. Infolge des energischen Protestes der Regenten,
die ihre Anstalt nicht „ab equis ad asinos" degradiert sehen
wollten, unterblieb die Ausführung. Sie gaben in ihrer Dar-
legung an den Rektor u. a. zu bedenken, daß ihr Haus im
Gegensatz zu dem der Modernen aus den eigenen Mitteln und
Beiträgen der Insassen erworben sei und also nicht einfach
aufgehoben werden könne, daß auch an anderen Universi-
täten doppelte Kollegien mit parallelen Vorlesungen sogar
in der juristischen Fakultät zu finden seien, und daß die
Rivalität zweier Anstalten auch ihr Gutes habe. Mit Recht
wiesen sie auch darauf hin, daß die dem Hause Schenkenberg
zugewandten Legate, Stipendien etc. eingehen müßten und
die Lust zu ähnlichen Stiftungen schwinden würde, wenn
man sähe, daß ein solches Institut kurzer Hand aufgehoben
werden könne.»*
Schließlich hat denn auch gerade das Kollegium zum
Schenkenberg das längste Dasein gehabt und die Burse Zum
von 270 G. trug der Domvikar Jakob Pistorius im Jahre 1511) mit Zustim-
mung der Regenten Adam Heisinger, Nikolaus Holtmann, Jodocus Seibach
und Adam Weiß ab und bezog nunmehr als alleiniger Gläubiger des Hauses
die 13 G. Zins; Schaab, Erfindung der Buchdruckerkunst, 2, 334 ff.
^•'» 1504 Januar 30 hatte die Universität beschlossen, ,.quod magistri
volentes regere in facultate artium cum suis suppositis debent stare in
donriibus sive bursis per universitalem approbatis et habere mensam com-
munem, nee habeat universitas neque facultas artium amodo dispensare
pro aliquo gradu sive baccalariatus sive magistcrii in artibus cum bis, qui
stcterunt extra bursas approbalas*' (Alt. Statutenb.. f. 246). Doch wurde
diese Bestimmung wohl nicht allzu streng gehandhabt, und die Notula
ref. von 1523 beantragt, den Satz nee habeat etc. zu streichen.
«« Schaab, a. a. 0. ^ — 3^ Die ganze Eingabe gibt Knodt, 20 ff.
lOä .•'.••"•'•-' Fritz Herrmanii.
• • : '
• •*•. VUgeslieimer überdauert. Diese hob nämlich Daniel Brendel
"' von Homburg im Jahre 1562 auf und übergab das Haus den
von ihm nach Mainz berufenen Jesuiten ; er kaufte überdies
noch die drei anliegenden Häuser Zum Hammerstein, Zum
Herbst und Zum Birnbamn für den Orden an, damit dieser ge-
nügend Raum für seine Mitglieder und für das Konvikt
habe.3« Als einzige allgemeine Burse blieb sonach nur das
Haus Zum Schenkenberg bestehen, dessen Professoren, wie
früher mit den Vertretern der via moderna im Algesheimer,
nunmehr mit den Jesuiten in der Rangordnung, in der Be
Setzung des Dekanats und bei den Prüfungen in der philo-
sophischen und jetzt auch in der theologischen Fakultät —
für beide wurden die Patres als Lehrer herangezogen —
konkurrierten. Im Jahre 1740 verlegte die Universität ihre
Burse auf die Große Bleiche in das spätere städtische
Bibliotheksgebäude^s und vermietete die „alte Burse**, die
dann im Jahre 1767 an die Altenauersche Mädchenschul-
stiftung verkauft wurde.
Solange die Kollegien Zum Algesheimer und Zum
Schenkenberg nebeneinander bestanden, wurde nur ein Teil
der artistischen Vorlesungen, die lectiones publicae oder
formales, für alle Studenten des philosophischen Kursus im
Universitätsgebäude, die übrigen aber zu gleichen Stunden
doppelt von den Vertretern der zwei Wege in den beiden
Häusern für deren Insassen besonders gehalten. Als Ziel
galt die Einführung der Bursisten in die besten Autoren der
beiden Sprachen, vor allem aber in den „princeps philo-
sophorum**, Aristoteles, jedoch „resecta commentariorum
Silva**. Ein aus der Zeit nach 1623 stammender Lektions-
plan schreibt vor für 5, im Winter 6 Uhr morgens : Porphyrii
introductio in praedicabilia Aristotelis, praedicamentorum
liber eiusdem Trepi spiAsvetac sive de enunciatione priorum et
posteriorum resolutionum cum topicis et locis sophisticis
(zweijährig); für 8 (9) Uhr: Caesarii dialectica (einjährig); für
12 Uhr: Vergilius oder ein anderer pudicus poeta; für 1 Uhr:
Lectio physica für die Baccalaurei; für 3 Uhr: Lectiö Graeca;
für 4 Uhr: Disputatio grammatica, dialectica et physica Mut-
wochs und Freitags, an den übrigen Tagen die drei er^tai
Bücher Quintilians De institutione rhetorica, oder Ciceros Ad
Herennium, De ofificiis oder De oratore, oder endlich Rudolf
Agricolas Topica. Abwechselnd von je einem Magister aus
3*^ Joannis, 1, 873.
sö Schaab, Geschichte der Stadt Mainz, 2, 287 f.
Die Mainzer Bursen und ihre Statuten. 103
n beiden Häusern wurde die von Jvo WiUirh*^ gestiftete
»ctio historica um 7 (8) Uhr nachmittags, und zwar in der
liversität gehalten; zugrunde gelegt wurden dabei Livius,
ilerius Maximus, Sallustius, lustinus, Suetonius, Julius
orus. Für die poetischen und historischen Lektionen waren
L» Magister zur Wiedergabe der Autoren in deutscher
irache verpflichtet.
In den beiden mit den Bursen verbundenen Pädagogien
r die jüngeren Studenten wurde traktiert um 5 (6) Uhr
orgens: Grammatik (halbjährig); um 8 (9) Uhr besuchten
ö Pädagogschüler die bereits genannte dialektische, um
Uhr die poetische Lektion, welch letztere für sie um
Uhr nachmittags besonders wiederholt oder durch die
iktüre der Fabeln Asops oder einer Komödie des Terenz
gänzt wurde, wobei der Nachdruck auf die Übung in der
ymologie und der Syntax zu legen war. Außerdem mußten
)chentlich schriftliche Arbeiten geliefert und von den
.dagogmagistem korrigiert werden.
Über die Verfassung der Kollegien und das Leben der
igister und Scholaren geben die allgemeinen Universitäts-
ituten in ihren §§ 39 und 44 — 50 einige Auskunft. Besseren
id vollständigeren Einblick aber gewähren die von der
listen fakultät für die beiden Häuser erlassenen statuta
irsalia, die in ihrer Ausführlichkeit wohl einzig unter den
irsenstatuten von deutschen Hochschulen dastehen und
5 vorzügliche Quelle für die Kenntnis des studentischen
ibens zu Beginn der Neuzeit einen Abdruck verdienen,
e in den Papieren des Historikers Dürr erhaltene Ab-
hrift*^ trägt zwar die Bezeichnung „antiquissima statuta**
i., in Wahrheit aber stammt die Fassung derselben, wie eine
Tgleichung mit der Notula reformationis von 1523 ergibt,
s der Zeit nach diesem Jahre und ist überdies durch die
n Dürr als „variantes lectiones** gekennzeichneten Zusätze
äter noch berichtigt und ergänzt worden. Auf Grund dieser
atuten ergibt sich folgendes Bild.
In jedem der beiden Kollegien haben vier Magister die
izielle Leitung als Regenten (regentes principales oder
imarii). Es wird von ihnen erwartet, daß sie durch ehr-
ren Wandel und durch Gelehrsamkeit sämtlichen Insassen
s Hauses ein Vorbild sind. Vor allem liegt ihnen die Sorge
r die regelmäßige Abhaltung der Lektionen und Dispu-
*« über ihn cf. F. W. E. Roth im Arcli. f. kath. Kirchenrecht, 80
00), 194 ff.
*i Fasz. 39. — Kleinere Lesefehler des Abschreibers sind in unserem
:hfoIgenden Abdruck stillschweigend getilgt.
i
104 Fritz Herrmaiin.
tationen ob, die sie verteilen und überwachen. Wie für die
wissenschaftliche Ausbildung der Schüler, so sind sie auck
für deren Erziehung zur Gottesfurcht und gesittetem Wandel
verantwortlich : sie sollen daher ihre Zöglinge zum reg^v
mäßigen Kirchgang, zur Teilnahme an den Prozessionen und
zum Sakramenlsgennß sowie zu anständigem Betragen m
der Anstalt, in der Kirche, bei akademischen Akten und auf
der Straße anhalten. Abwechselnd hat einer von ihnen die
Woche. Der hebdomadarius ist kostgeldfrei, muß aber
dafür bei jeder Mahlzeit zugegen sein und die Tischgebete
sprechen, hat für die rechtzeitige Öffnung und Schließung
des Haustores zu sorgen und meldet die bei Torschluß fehlen-
den Scholaren dem Regentcnkollegium zur Bestrafung. An
(J ehalt bezogen die Regenten als Professoren der Artisten-
fakultät die Einkünfte aus den dieser zustehenden Kanoni-
katen*- und, nachdem diese auf Wunsch der Universität
getilgt und durch jährliche Zahlungen der betreffenden Stifter
ersetzt worden waren, ein in zwei Raten durch den. Rektor
zahlbares fixiertes Einkommen, das nach einer etwa dem
dritten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts angehörenden Auf-
zeichnung*-* für die Senioren der beiden Häuser je 25, für die
übrigen Regenten je 20 Gulden betnig; dazu kamen noch die
Kollegiengelder, die bis ca. 1523 für die Vorlesungen in den
beiden Häusern bezahlt wairden, während die öffentlichen
Lektionen der Artisten wie sämtliche Vorlesungen in den
oberen Fakultäten von allem Anfang an frei waren.
Eine besondere Stellung unter den Magistern nahmen
neben den Regenten noch die beiden magistri pädagogi-
*^' Die im Jahre 1511 erfolgte Verteilung der Universitätspräbenden
auf die vier Fakultäten cf. bei J. P. Schunde, Beiträge zur Mainzer Ge-
schichte, '5, 220 f. Die Notula reformationis von 1523 fordert, daß die
Stifter di(i Lektoralpräbenden eingehen lassen und dafür jährliche feste
üehalte zahlen; wollen sie das nicht, so sollen sie wenigstens die l^
fessoren an den Tagen, an welchen gelesen wird oder eine Universitäts-
versammlung stattfindet, vom Chordienst befreien, ohne ilmen die Präsenz-
gelder zu streichen. Nach der dem Entwurf eingefügten Zusammenstellung
ertrugen die theologischen Lektoralpräbenden an St. Peter 100, an
St. Maria ad gradus 120; die juristischen an St. Viktor 130, an St.
Bartholomäus in Frankfurt 60, an St. Peter und Alexander in Aschaffen-
burg 70, an St. Peter in Fritzlar 60; das medizinische an St. Ste.
phan 60; die artistischen an St. Johann 50, an St. Crucis 60, an St
Alban 50, an B. Mariae virg. in monte zu Frankfurt 30, an St. Leonhard
ebenda 20, an St. Martin in Bingen 30 unjd an St. Katharina in Oppen-
heim 20 Gulden. In der Tat wurden denn auch in der Folgezeit die
tituli ecclesiastici bei einer Reihe von Präbenden getilgt. Das etwas spä-
tere Verzeichnis der Annui proventus im Alt. Statutenbuch, f. 31, gibt
durchschnittlich niedrigere Erträge an.
*3 Alt. Statutenbuch, f. 31.
Die Mainzer Bursen und ihre Statuten. 105
orum jedes Hauses ein. Sie leiten die Ausbildung der für
den Besuch der Vorlesungen noch nicht reifen jüngeren
Scholaren, die in Grammatik, Syntax und den Anfangs-
gründen der Dialektik und Poetik unterrichtet werden, und
haben deren wöchentliche schriftliche Arbeiten zu korri-
gieren : ihr Gehalt beträgt je 10 Gulden.
Die übrigen Magister der Kollegien (magistri legentes
oder non regentes oder iuniores genaimt) werden trotz ihres
Titels und ihrer Vorlesungstätigkeit noch gewissermaßen als
Schüler behandelt. Die Statuten ermahnen sie zu anständigem
Betragen und warnen sie — die angehenden Lehrer! — vorm
Beschädigen ihrer Wohnräume und vor verdächtigem Um-
gang insbesondere mit Frauen von zweifelhaftem Ruf — eine
Warnung, die auch an die Scholaren gerichtet wird und, wenn
man den Worten des Chronisten Hebelin „nam meretricum
illic infinitus est numerus, raro mulier est contenta viro uno"
glauben darf, besonders angebracht war. Auch vor Spiel
und Streit sollen sie sich hüten, ihren Hausschlüssel nicht
zum Vorteil der Scholaren mißbrauchen, nicht eigennützig
auf Privatvorlesungen aus sein und einander die Schüler ab-
spannen, nicht im Beisein der Zöglinge über etwaige
schlechte Kost klagen und was sie durch die Regenten von
den secreta universitatis vel propriae domus erfahren, nicht
ausplaudern.
Die Kassenführung eines jeden Hauses übernimmt einer
der Magister als Kollektor. Er vereinnahmt die Lektions-
gelder, die unter die Magister verteilt werden, und nimmt
auch das Wohnungs- und Holzgeld, die Abgabe für das
Küchengeschirr und die sogenannten Beanalia in Verwah-
rung, aus denen die Reparaturen am Gebäude und am Haus-
rat, die Neuanschaffungen und die Kosten des Brennmaterials
bestritten werden. Auch hat er zu Beginn jedes Semesters
den Bestand des Hauses an Lehrern und Schülern in das
Album einzutragen.
Das Hauswesen im engeren Sinne besorgt der Ökonom
(oeconomus, praepositus, dispensator), der möglichst für eine
Reihe von Jahren zu bestellen ist und aus der Zahl der
Magister oder der Scholaren genommen werden kann; nur im
äußersten Notfall soll einer der Regenten diesen Posten über-
nehmen. Der Ökonom hat außer freier Station Anspnich
auf einen Keller, ein Wohn- und ein Schlafgemach und be-
zieht als Entschädigung für seine Arbeit von zwölf Kommeu-
salen zusammen wöchentlich 3 Albus ; ist die Zahl der Tisch-
gäste größer, so gibt jeder zwei Denare in der Woche. Außer-
dem hat er einen kleinen Gewinn aus dem ihm allein zu-
1(>6 Fritz Herrniann.
Stehenden Weinschank und braucht, falls er Scholar ist,
keine Lektions- und Repetitionsgebühren zu bezahlen. Er
engagiert den Famulus des Hauses und die Köchin, die
jährlich höchstens sechs Gulden Lohn aus der Hauskasse
erhält, und der er selbst täglich eine halbe Maß Wein unent-
geltlich zu stellen hat. Die Insassen der Burse speist er aa
zwei Tischen, dem besseren der Magister, an dem auch ver-
mögendere Schüler teilnehmen können, und dem frugaleren
der Studenten. Über die Kost scheint öfter geklagt worden
zu sein ; die Statuten sehen an mehreren Stellen Beschwerden
darüber vor, und Hebelin von Heimbach, der den Mainzer
Studenten Gier nach Wein und Speisen vorwirft, fügt zur
Entschuldigung hinzu: „licet tenuis sit mensa bursalis.**
Jeden Samstag rechnet der Ökonom mit den Regenten ab,
mit deren einem er wöchentlich auch das Haus und die
Stuben auf ihre bauliche Beschaffenheit hin zu revidieren hat.
Als Schüler (alumnus, scholasticus, scholaris, Studi-
osus) wird zu den Vorlesungen in der Artistenfakultät nur
zugelassen, wer ordnungsmäßig die Deposition durchgemacht
hat, immatrikuliert ist und in einer der beiden Bursen wohnt,
wenn er nicht als Sohn eines Mainzer Einwohners oder als
Famulus eines außerhalb der Kollegien wohnenden Pro-
fessors oder auf Grund besonderer Erlaubnis des Rektors vom
Bursenzwang befreit ist. Zu zahlen hat der Schüler bei seiner
Aufnahme die Beanalia im Betrage von 8 und pro utensihbus
6 Albus, ferner jährlich als Miete für ein Schlafgemach
1 Gulden, an Holzgeld 8 Albus und für die ordentlichen Lek-
tionen, falls er noch das Pädagogium besucht, 2, andernfalls
3 Gulden, oder aber, wenn er nur noch einzelne Vorlesungen
hört, für jede im Semester 12 Albus; als die Lektionsge-
bühren wegfielen, kam zu diesen Abgaben noch ein Beitrag
von Vs Gulden pro Semester für die Unterhaltung des Ge-
bäudes. Für Privatunterweisung durften die Magister nicht
mehr als vier Gulden von jedem Schüler nehmen. Das Kost-
geld wird in den Statuten nicht angegeben und änderte sich
wohl je nach den Preisen der Lebensmittel. — Eine bevor-
zugte Stellung unter den Scholaren nehmen der Famulus des
Hauses, der dem Ökonomus untersteht, und die Famuli der
einzelnen Magister ein; für die pekuniären Erleichterungen,
die sie genießen, sind sie jedoch zum Spionieren verpflichtet
Studium und Betragen der Scholaren unterstehen
strenger Aufsicht. Der Besuch der Vorlesungen und Dis-
putationen wird kontrolliert und das Schwänzen bestraft,
ebenso der Gebrauch der in der Burse verpönten deutschen
Sprache. Auch Waffentragen, W^irtshausbesuch, Fluchen und
^
Die Mainzer Bursen und ihre Statuten. 107
Schwören, ungebührliche Kleidung, ünfug im Hause, dessen
Verunreinigung durch Befriedigung natürlicher Bedürfnisse
etc. etc. werden unter Strafe gestellt; das Spielen ist nur
am Donnerstage — dem dies academicus — erlaubt, und
zwar lediglich recreandi animi causa, nicht um des Geld-
gewinnes willen.
Das Sommersemester beginnt Montag nach Quasimo-
dogeniti und endet am Tage vor Matthäi (21. September),
das Wintersemester dauert vom Tage nach Galli (16. Oktober)
bis zum Samstag vor Palmarum. Kleine Ferien sind vom
Pfingslsamstag bis zum Donnerstag nach Pfingsten und vom
Mittwoch vor Quinquagesimae bis zum Aschermittwoch ein-
schließlich; Weihnachtsferien kennt man nicht. Ausgesetzt
werden die Lektionen vormittags an den drei Tagen vor
Himmelfahrt (dies rogationum) und an Allerseelen, nach-
mittags am Vortage von Fronleichnam, der Kirchweihfeste
der Christophs- und der Quintinspfarrkirche — Algesheimer
pfarrte in die erstere, Schenkenberg in die letztere — , von
St Christophori (25. Juli) und St. Quintini (31. Oktober),
von Mariae Himmelfahrt, Empfängnis, Reinigung und Ver-
kündigung, von Allerheiligen, von Martini und vom Drei-
königstag, damit Magister und Scholaren die preces vesper-
tinae in ihren Pfarrkirchen mitsingen können.
Wer einen artistischen Grad erwerben will**, muß
sich gegen entsprechende Bezahlung unter die besondere
Aufsicht eines Privat-Praeceptors stellen, der täglich mit ihm
zu arbeiten hat. Um das Bakkalaureat kann sich der Bursist
schon nach drei Semestern bewerben, während die außer-
halb der Bursen wohnenden Studenten das volle Biennium
aushalten müssen. Außer den erwähnten ordentlichen dia-
lektischen, poetischen und rhetorischen Vorlesungen in der
Burse und der historischen im Kollegiengebäude hat der
Bakkalaureand die öffentlichen „interlocutiones formales, im-
primis arithmeticam et sphaeram materialem, tunc et musi-
cam" zu hören und muß achtmal bei den Samstagsdispu-
tationen den Magistern sowie viermal den Bakkalaren respon-
dieren. Die offiziellen Repetitionen — auch reparationes ge-
nannt — für die an Martini zu promovierenden Bursisten be-
ginnen am Lucastage (18. Oktober), die für die am 1. Mai zu
promovierenden am Tage nach Ambrosii (4. April). Zum
Examen lädt der Dekan durch Anschlag an den Türen der
beiden Studienhäuser und des Domes ein; die Fakultät be-
*• Db» Folgende zum Teil mit Benutzung der Statuten der Artisten-
fakultät und ^er JMuia leiormationis.
108 Fritz Herrmann.
schließt über die Zulassung und bestimmt zur Abhaltung der
Prüfung vier Magister, je zwei aus jeder Burse. Zum Exa-
mensprandium, gegen dessen Üppigkeit öfter geeifert wird,
werden bei 1 — 3 Promovenden nur die Examinatoren, der
Dekan, der Promotor und der Pedell, bei 4 — 6 auch die Re-
genten und Professoren der beiden Gymnasien, bei 7 — 9 auch
der Rektor und sämtliche Magister der Artistenfakultät, bei
10 — 12 auch die Dekane der höheren Fakultäten und bei 13
und mehr Promovenden der gesamte Lehrkörper eingeladen.
Die Bakkalare haben in der Burse und bei allen offiziellen
Gelegenheiten den Vortritt vor den übrigen Scholaren.
Die Magisterwürde wird jährlich nur einmal und zwar
sub autumnales ferias verliehen; eingeladen wird dazu durch
öffentlichen Anschlag am Matthäustage (21. September).
Auch hierbei genießen die Bursisten, denen stets die Mainzer
Bürgersöhne und die Pensionäre der Doktoren gleichgestellt
werden, den Vorzug, daß sie bereits drei Semester nach der
Erwerbung des ersten Grades sich melden können, wäJhrend
alle anderen Baccalaurei zwei volle Jahre warten müssen.
Der Bewerber hat nachzuweisen, daß er in seinem Gym-
nasium außer der Topik des Agricola und der Rhetorik
Quintilians oder Ciceros auch die Dialektik und die Physik
des Aristoteles, welch letztere für die Magistranden zur
Stunde der oben genannten, für die Anfänger bestimmten
lectio dialectica oder der lectio poetica gelesen wurde, und
außerdem sämtliche lectiones formales im Universitätsge-
bäude gehört hat, nämlich die Metaphysik, Ethik, Politik und
Ökonomik des Aristoteles, die drei ersten Bücher des Euklid,
des Dionysius De situ orbis, die Parva naturalia und Georg
Feurbachs Theoriae planetaruni. Ferner muß er sechsmal
bei den Samstagsdisputationen unter dem Vorsitz der
Magister respondiert, viermal bei den Sonntagsdisputationen
praesidiert und zwanzigmal den Magisterdisputationen bei-
gewohnt haben. Besteht er die Magisterprüfung, so setzt man
ihm das violette Barett auf, steckt ihm den goldenen Ring an
und überreicht ihm das Buch. Damit hat er den Abschluß
seiner Studien in der untersten Fakultät erreicht und ist „in
philosophicum senatum et ad facultatum alteriora fastigia"
aufgestiegen.
■*^^«^>* —
antiquissimaTstatuta bursalia domum
schenckenbergicae et algesheimensis.
Praefatiuncula.
Quoniam praeter universitatis statuta siiigulae facultates
privatas leges suaque peculiaria statuta habent, ad quorum prae-
scripta velut ad Lesbiam normam sese componunt, par est, ut
facultatis artium alumni domestica quaedam, quae vulgo bursalia
statuta dicuntur, non desiderent, quibus cum magistri tum scho-
lares honeste regantur ac formentur studiose. eorum catalogum
et publicationem aequis animis attenteque auscultetis.
Statuta magistros regentes concernentia.
Decrevit universitas nostra, ut in utroque facultatis artium
gymnasio quaterni foveantur regentes principales et duo magistri
paedagogiorum.i quatuor primariis regentibus hoc muneris in-
cumbet, ut regimine suo et gymnasii administratione bona fide
seduloque fungantur gerantque se honestos et graves nee non
caeteris omnibus in gymnasio magistris et alumnis tum morum
integritate tum eruditione praecellere videantur. qui simul omnes
gymnasium inhabitent foveantque mensam comnmnem et ex or-
dine hebdomadarii munus vicissim subibunt. hebdoinadarius ut
erit asymbolus et immunis a solutione sumptuum mensae eins
hebdomadis, ita nunquam a mensa abesse debet, consecrationein
prandii et coenae dicturus. ab eodem peracto prandio et coena
agantur gratiae curetque, ut aestate hora nona, hieme vero hora
octava gynmasii fores^ claudantur, matutino autem tempore reclu-
dantur hora quinta.'* quotidie sub vesperam coassumpto sibi
1 qui dno gymnasium inhabitare et mensam communcm fovere
teneantur.
* per oeconomum.
* per eundem oeconomum.
* quod si quis gymnasii alumnus aestate sub horam nonam. hieme
vero sub octavam perclusis foribus pulsaverit, oeconomus pulsanti e vestigio
afieriat neminemque a Musanim consortio aüenum, quive domui nostrae
dedecori aut inconmiodo esse videatnr, vel egredi vel ingredi permittat,
sub poena superattendentium et magistrorum regentium arbitraria.
Illnd etiam muneris magistro hebdomadario incumbat, ut non modo
per suam hebdomadam mensae communi adstrictus sit continue, verum
etiam sequenti septimana novo hebdomadario, successori suo, in mensa
frequenter assideat quamvis enim commodissimum foret, omnes omnibus
horis magistros et gymnasio et mensae semper interesse, tamen quia ad
110 " Fritz Herrmann.
vel famulo communitatis vel praeposito visitet scholasticorum
cubicula noletque absentes, quos regentibus postridie indicabit.
postero die magistri regentes omnes aut maior ipsorum pars euni.
qui foris pernoctavit, inquirere debent, qui si legitinias absentiae
causas medio iuramento dicere non potest, mulctetur poena sex
alborum, at si saepius deliquerit, a regentibus oninibus vel maiore
ipsorum parte domo excludatur.^
Item per vices unus ex regentibus non hebdomadarius^ cum
praeposito singulis septimanis structuram aedium ab omni parle,
omnia quoque cubicula diligeiiter inspiciant et si quid ruinosum
minusve sartum aut tectum deprehenderint, id quam primum
magistris regentibus significabunt, ut mox resarciatur. ^
Quodsi in quatuor primariorum regentium seu principalium
locum aliquis surrogandus est, is sufficiatur, qui maxime in hoc
videtur idoneus adeoque iudicio et consensu superatteridentium et
regentium, quibus se promissione et iuramento obligabit. simi-
liter paedagogiorum magistri a superattendentibus et regentibus
rite suscipiantur amoveanturque, si ita consultum videatur. idem
observctur in oeconomo, qui et suscipi et moveri officio a prae-
dictis Omnibus debet.
Et quoniam tum universitatis tum facultatis statuto cautuin
est, ne quis studiosorum arma deferat, ideo magistri regentes
aut quicunque discipulos privatos habent, iam inde a priino
ingressu gymnasii arma et enses, si quos habent, ab eis petant,
quae ipsi magistri usque ad discessum studiosorum custodiant.
quod si quis huic statuto fraudem fecisse comperiatiir et arma
quaedam occultaverit, ea tam magister hebdomadarius quam
inspector aedium visitando auferre ab ipsis sibique retinere debe-
bunt. appellatione autem armorum hie veniant gladii, cuspides.
doloncs. phimbata, bombardae, canales etiam ex clavibus factae.
pulvis Martins caeteraque omnia, quibus damnum vel domui
vel personae alicui inferri possit, et breviter omnia, quae in im-
perialibus legibus armorum appellatione significantur.
In Universum omnes regentes per se quisque accurate attendat
ad omnes Icctiones et disputationes gymnasiorum, ne qua earum
intermittatur. quod si quis nogligentius egerit aut circa aliquod
statutum deli(|uerit, duo regentes natu maximi aut seniores-
honestorum viroriini convivia quaudoque vocantur, sancimus, ut memorati
domini magistri, videlicet hebdomadarius veterior et rccentior, mensae et
gymnasio suis temporibus siut cpiam maxime addicti. vel si quando legitima
de causa adiunctum illum abesse contingat, suum in locuTü sufficiat
alium ordinis sui magistrum. et si quis forte aliorum magistrorum honoris
gratia vocatus foris prandere aut coenare voluerit, statuimus, ne in septi-
mana ultra uniiis dici spatium a mensa communi absit. hebdomadarius...
^ si quis praedictorum statutorum cuipiam fraudem fecisse coro-
periatur, trium alborum poena gymnasii aerario conferenda mulctabitur.
^ adiunctus videlicet, cuius supra facta est mentio.
'* id si facere neglexerint, quisque poenam unius albi luet doraus
aerario.
^ iuniorum duorum regentium et eorum, qui paedagogio praefecti
sunt, negligentiam superattendentibus indicent.
Die Mainzer Burseii und ihre Statuten. HI
animadvertant in iuniores duos et pacdaj^ogioruin magistros.
contra si quis seniorum non functus fuerit suo munere, a
iiinioribus observ^entur^ mulctenturque : quos iibi audire nolu-
crint^®, ad facultatis artiuin decisionein fiat provocatio salvis
statutis universitatis folio undecimo.*i
Nemo regentium et magistrorum legentium ultra hebdoma-
ilam peregre abeat sine scitu conregentium seu collegarum suorum
nee quenipiam in locum suum surroget nisi idoneum et proba-
tum regentibus tarn quoad mensae procurationem quam quoad
lectiones, visitationes caeterosque actus magistros concernentes,
sub poena dimidii floreni structurae domus applicandi. quod
si substitutus quippiam neglexerit, nihilominus privatim mulc-
tabitur. niulcta autem neglectarum lectionum aut disputationum
domesticarum haec esto, ut quivis tot albos pro una neglecta
lectione vel disputatione pendat, quot denos aureos pro annuo
salario accipit. regentium mulcta, quae regentibus circa scho-
lasticorum delicta atque neglecta conceditur, duodenos aibos
non superet.
Caeterum cum in omnibus rebus pietatis praecipua cura
esse debeat, provideant magistri regentes, ut iuventus schoiastica
in timore dei et pietate adolescat, festis autem diebus paro-
chialibiis suis ecclesiis una cum scbolasticis interesse debebunt,
modeste cantaturi sacrum et audituri concionem evangelicam;
similiter ves|)ertinis precibus intersint, sub poena duorum alborum
tarn regentibus quam legentibus infligenda salva unicuique excu-
satione sua legitima.
Et res erit non solum pia sed et boni exempli, si omnes
regentes et legentes sacris interessent. sed quoniam id negli-
gentius nonnunquam observatur, ideo volumus, ut duo magistri
necessario ad hoc adstricti hebdomadatim cum iuventute scho-
iastica templum petant eo modo et ordine, quo in statutis facul-
tatis artium de disputationibus pubiicis cautum est. ita quidem
senior regens cum iuniore paedagogiorum magistro die dominica
festisque eiusdem septimanae diebus intersit, sequenti vero do-
minica die secundus regens cum altoro iuniore paedagogiorum
magistro, tertia vero hebdomade vocentur in partes ])ietatis duo
regentes intermedii et sie redeundo in circulum per vices ob-
senretur. hebdomadarii isti duo pridie domin icae diei vel alius
festi hora duodena pomeridiana — intermittatur tum ordinaria
lectio — iuventutem officium missae praecinendo doceant ad-
jiciantque aliquales musicae regulas.
Item magistri regentes cum scholaribus bis in anno in paro-
chiali sua ecclesia celebrent liturgiam seu officium missae de
spiritu sancto, unam post dominicam Quasimodogeniti, alteram
^ ut eorum negligentiam superattendentibus indicent.
it» ad magnificum universitatis nostrae rcctorem negotium discutien-
dum deferant.
1' interdicimus praeterea, ne quis mapistroruin sub pubiicis loctioni-
bus privatim doceat, volumus enim publicas privatis praefcrri, sub poena
sex alborum, quotiescunque hoc factum fuerit.
112 Fviiz Herrmann.
vero statiin a festo divi Galli, cui omnes regen tes et legentes
inagistri cum universa iuventute scholastica sub poena duorum
albonim Interesse debebunt.
HuiuB quoque admonendi sunt regentes, ut ipsi cum ma-
gistris legentibus et universis scholasticis in festo Corporis Cbristi
et dedicationis sui templi honesto decenteque habitu compareant,
pompam venerabilis sacramenti comitaturi ac toti sacro inter-
futuri ad finem usgue; id triduo ante moneantur studiosi affixa
per regentes^* schedula, quae absentibus mulctam statuet sex
albonim structurae domus applicandorum.
Hebdomadarius ^3 colligat mulctas, quaruin in hebdomadario
calculo reddat rationem, referanturque in aerarium seu privatam
quandam capsulam, unde magistris festis quibusque diebus in
parochiali ecclesia praesto existentibus singulis dependantur qua-
terni nummi, hebdomadariis vero ecclesiasticis octoni.
Curae deinde regentium incumbet, quod suos domesticos
circa mores et bonas literas accurate instituant eosque sedulo
adhortentur, ut in plateis, gynmasiis, templis et scholasticis ac-
tibus, praecipue quando publici universitatis et facultatis con-
ventus agitantur, modeste honesteque vestiti incedant, ineptiis,
garrulitate ac strepitibus, quibus caetcri studiosi atque vicini
turbari possint, symposiis quoque caeterisque rebus illicitis severe
minitando interdicant, indisciplinatos errones et vagabundos,
lusores, obtrectatores, conspiratores debita animadversione coer-
ceant, ita tamen, ne poena pecuniaria excedat duodenos albos;
semel atque iterum emendatus atque mulctatus, si adhuc dicto
audire nolit, cohibeatur censura^* magnifici rectoris.
Insuper magistri regentes ad lectiones gymnasionim non
admittant nondum pro more depositos necdum albo universitatis
inscriptos nee ullum, qui sine rectoris venia ot Chirographe
extra gymnasium habitat, nisi forte incola huius urbis aut doc-
toris vel nostratis magistri famulus existat, sub poena linius
aurei universitatis fisco inferendi.
luventutem ad latini sermonis usum et consuetudinem assue-
faciant adigantque accurate magistri regentes et praeceptores pri-
vati neque ferant, ullum gynmasii sui studiosum vernacula ser-
mone loqui, sive is sub privata sive extra privatam curam degat.**
Item magistri legentes auditorum lectionum suarum nomina
in catalogum describant et de eorundem absentia inquirant dili-
genter, mulctam quatuor nummorum pro qualibet neglecta hora
exigant salva legitima excusatione. exactam pecuniam ad diem
Sabbathi regentibus in computo tradant capsulae praesentiariae**
inferendum.
Nullus alterius magistri scholarem ad sc pertrahat, sub poena
quatuor florenorum, qui cedant universitati.
^2 hebdomadarium.
i"' Collector exigat mulctas, quarum singulis mensibus reddat rationem
suj)ierattendentibus et reji^entibus domus suae.
^^ superattendcntium, dehinc, si abstinere noluerit, magnifici d<v
mini rectoris. — ^^ sub mulcta superattendentium arbitraria.
^^' acrario domus.
Die Mainzer Bursen und ihre Statuten. 113
Cm eilt omnes magistri tarn regentes quam iegentes, ne vel
ipsi vel aliquis scholaslicorum secum fov^eat in gymnasio homines
pJobeios et a Musanim consortio alienos aut etiam scorta, sub
poena diinidiati floreni ad structurann aedium applicandi. quod
si semel atque iterum monitus non desierit, si regens sit aut
magister, a regentia et legendi munere amoveatur, si vero scho-
laris, pellatur gymnasio.
Pro privata scholarium cura seu disciplina a singulis pri-
vatis non ultra quatuor florenos monetae exigant; cum pau-
peribus autem mitius agatur.^^
Pro lectionibus vero ordinariis et cura gymnasiorum siqui
paedagogium frequentant, toto anno solvant florenos duos, bacca-
laureus tres et interraedii quoque tres numerabunt. hi vero, qui
non nisi unam aut duas lectiones in gymnasiis audiunt, dent
singulis semestribus de unaquaque lectione duodenos albos; cum
paupertate docentibus benignius agi debet.
Pro lignalibus communitatis non plus accipiatur a studioso
quam octo albi anno toto, quam pecuniam a collectore exactam*^
oeconomo coemendis lignis traditum iri iubemus.^^
Et quemadmodum dominorum multitudo obest rebus publi-
cis, sie magis in rem gymnasiorum videtur, ut unus sit prae-
positus, qui pluribus annis rem domesticam bene dispenset, potius
quam ut hanc provinciam magistri regentes lectionibus et re-
gendi oneribus gravati ulterius subeant, nisi summa urgente ne-
cessitate, si alius nemo reperiri possit et ob id regentes eo
munere vicissim defungi cogantur.
Oeconomo recta assignetur apotheca seu vinaria cella, aestu-
ariuni et cubiculum-®, qui in aestiiario suo famulum communi-
tatis et mulierem culinariam praesertim hyberno tempore secum
fovere teneatur.
Repetitiones (vulgo reparationes dictae) cum baccalaureandis
Bub festum divi Martini coronandis incipientur Lucae evange-
listae, alterae vero cum insigniendis ad festum Philippi et Jacobi
incipientur postridie divi Ambrosii.
Duorum seniorum regentium erit, singulis diebus a festo
Palmarum usque ad Pasca instituere iiiventiitem de suscipiendo
venerabili sacramento eucharistiae legendo et docendo pro tem-
porum ratione.
Duorum vero iuniorum erit curare, ut a Mauritii usque ad
1" sub poena dominorum superattendcntium.
^^ aerario inferri iubemus.
1^ unaquaeque domus suum habcai aerarium a magistris regentibiis
ohservalum, in quod cuiusque- domus mulctae caetericpio aedium provcntus
conjicianlur; caeterum claves aerarii a dominis supcrattendcntibus custo-
diantur.
Item magistri regentes statutorum domesticorum interpretationem a
superattendentibus petant, quibus recta praocipientibus obediro tenoantur.
sub poena amotionis a regentia et munere legendi, (juod si quis semel
atque iterum monitus dictiun audire noiuerit, gymnasio excludatur.
'*^ eaque omnia gratis.
Bi'iirägc z. Gc«ch. d. Universitftteu Mainz u. Gießen. 8
114 Fritz HerrmaDii.
festuui divi Galli quotidie una legatur hora in, paedagogio ante
raeridiem, ne gymnasium onmino vacuum sit lectionibus.
Semestria tempora hoc modo auspicabuntur : aestivum a
feriis pascalibus die Lunae post dominicam Quasimodogeuiti, et
finiatur pridie divi Matthaei apostoli; hybernum vero auspicari
debet postridie divi Galli finiaturque pridie Palmarum.
Calculus lectionum et habitationum a magistris regeatibus
ponatur die Lunae post Judica et pridie Malthaei apostoli. Eli-
gatur tunc quoque collector, qui ab adolescentibus mercedem
lectionum, habitationum et beanalia (ut vocant) exigat. neque
hoc omissum iri volumus, quin singulis hebdomadibus diebus
Saturni a magistris regentibus hebdomadaria cum praeposito
suppuletur ratio adeoque duplicis mensae cum portionarionim
tum magistrorum.
Pecunia lectionum distribuatur inter magistros regentes et
legentes, sed habitationum et aestuariorum mercedes adserventur
in aedium structuram; utensilium pecunia ad culinae suppellec-
tilem, lignalia vero et beanalia comparandis lignis deputentur.'^
Magister collector indicet computum lectionum publicarum
et habitationum cum scholaribus de hyberno semestri Sabbatho
ante dominicam Judica, de aestivo autem triduo ante Matthaei
festum aut proxima die non feriata sequenti. collector item Status
magistrorum et scholarium conventus tertio die ante proponat in
album.
Diebus rogationum et animarum ante prandium non legetur,
a prandio rursus ad studia redibunt.
Pridie Pentecostes a prandio feriae agantur usque in diem
Jovis proximum exclusive.
In vigilia Corporis Christi et encaeniorum parochialium eccle-
siaruni divorum Christophori et Quinlini, item in vigilia divorum
Christophori et Quintini, similiter Assumptionis matris virginis.
Conceptionis, Purificationis, Annunciationis, Omnium item sanc-
torum, pridie quoque Martini et Tri um regum a prandio non
le|];etur, sed magistri cum scholastica iuventute vespertinas preces
cantaturi suas parochias petant.
Bacchanalibus non legatur a die Mercurii ante dominicam
Quinquagcsiinae usque in diem Jovis post eandem dominicam
exclusive.
In vigilia Natalis domini regentes moneant omnes comme«
salos, ut famulum comnmuitatis et coquam natalitio munere pro
se quisque honestare non recuset, ipsique caeteris ea in re exeni-
plo sint.
In hisce Statut is domesticis ap[>ellatione aurei vel floreni
intelligi volumus viginti quatuor albos.
Postremo sollicite et attente prospiciant rei literariae, mensae
communi et domui, ut sarta tecta sint oninia.
2^ pecunia bal»ilationuni et aestuariorum mercedes, utensilium pe-
cunia et beanalia in aerarium domus comporlentur, unde suo tempore
supcrattendentes cum regentibus necessaria domus procurabunt.
Die Mainzer Bui'sen und ihre Statuten. 115
uramentum magistromm, qui in ^ege^tillIn principalium
conaortium iamiam sunt cooptandi.
Ego magister N. iuro et promitto vobis dorainis^* regentibus
onorem et reverentiam, pacem atque concordiam in omnibus
bservandam; adhaec utilitatem reipublicae tarn literariae quam
omesticae, quantum per me iieri potest, procurabo, circa rectani
iscipulorum institutionem sedulus caeteraque officia, quae re-
endi munus concernunt, nullum in aliquo discriinine ponam, sed
equali favore ad unum onmes prosequar, statuta et statuenda
icultatis et huius gymnasii studiose observaturus. ita me deus
diuvet etc.
Statuta magistros iuniores non regentes concernentia.
Statuimus, ut magistri iuniores nondum principales regenies,
ive publice sive privatim in gymnasio nostro docere velint, tarn
xtra quam intra gymnasium sine armis, sed omni cum modestia
t honestate vestium, ut magistros decet, incedant, nee uUos gym-
asii alumnos arma ferentes secum in plateis ire permittant.
Item cubiculum seu aestuarium sibi locatum seu locandum
laesum servare teneatur sub poena instaurandi diruta, effracta aut
.eglecta per eum. similiter de ciavibus sui aestuarii atque cubi-
uli regentibus principalibus rationem reddat.
Inbonesta loca atque suspecta nunquam ingrediantur nee
liquos scholasticorum ullo quo vis tempore secum perducanl ;
[uod ubi fecerint et a magistris regentibus moniti non desistant,
. lectione et gymnasio expulsi sine cuiusquam iniuria discedaut.
Item lectiones a regentibus sibi cominissas ab horae principio
;d finem usque persequantur, a privatis autem lectionibus, quae
n gymnasii detrimentum pergere possent, abstineant nee scho-
asticos lectionibus publicis abducaut, immo publicas privatis pro-
erant.
Item nuUam speciem ludi in gymnasio exerceant et scholasti-
:os lusores indicabunt regentibus, nee extra gymnasium praesen-
ibus studiosis ludant, sub arbitraria magistrorum regentium poena.
Praeterea a rixandi studio alieni contentiones, miurias modis
>mnibus vitabunt, iniurias vero vel contumelias passi causam
itque negotium coram magistris regentibus prosequantur, quo loco
d negotium componi non poterit, provocatio fiat ad magnificuni
lominum rectorem.
Quodsi alicui iuniorum magistrorum clavis ad ostium domus
ieu gymnasii concessa sit, nullum seholarem tempore nocturno
;ecum vel ingredi vel egredi, immitterc aut emittere sine regentium
ronsensu liceat. nee etiam ullam personam, quae non sit in con-
»ortio universitatis, aut alias impudieam intromittant, sub poena
[ua supra; et si a regentibus lectione et gymnasio expellantur,
•Jtra alicuius iniuriam recedere debebunt, ciaves, si quos habcnt,
nagistris regentibus reddituri.
*- supcrattendentibus et
8»
116 Fritz Herrmann.
Si quando cos consiliis aut conviviis magistrorum regentium,
ubi vel secreta universitatis vel propriae domus tractantur, inier-
esse contingat aut quibuscunque aliis iustis certisque negotiis,
quae magistri regentes clam esse velint, id nemini revelent.
Item nullus soUicitet aut alliciat ad se scholares privates
alterius magistri, ut eos in suam disciplinam pertrahat, sub mulcta
quatuor florenorum in statutis universitatis explicatonim, nisi cog-
nitione rectoris legitimisque causis explicetur. ^^
Eorum quoque officii est, studiosos omnes et praesertim sub
ipsorum disciplina degentes ad latine loquendum sedulo cohor
tari legitimeque compellere.
Nolumus item, eos oeconomo, sive is magister sit sive scho-
laris, aut eius familiae molestos et contumeliosos fore, et talia
molientes prohibeant significentque regentibus. quod si quis de-
fectus aut negligentia circa mensam aut vina contigerit, id non in
mensa coram compransoribus proclamabunt, sed secreto ad re-
gentes 2* deferant.
Quicunque magistrorum vel regentium famulum suscepturus
est, imprimis eum regentibus sistere debet, quibus iuramenttmi
fidelitatis, pacis et obsequii praestet. quod si facere neglexerint,
quicquid damni famulus iste dederit, magister illius pensabit.
sint tales quoque famuli laboribus communitafis puta ferendis
lignis aut serendae domui curiaeve obnoxii idque iussu regentium
atque praepositi.
Si quis forte magistrorum meliorem nactus conditionem
gymnasio excedere suoque legendi officio se abdicare voluerit,
id non clam regentibus faciat, sed ante mensis spatium magistris
regentibus indicet et traditis clavibus tum cubiculi tum aestuarii
bona" magistrorum regentium venia gymnasio emigret.
Paedagogiorum magistri, quorum officium est, pueris episto^
laria argumenta praescribere, diebus^e Saturni^' epistolas a singu-
lis, qui paedagogium frequentant, conscriptas accipiant et emen
dent unumquemque etiam sui officii rationes deposcant.
Praescripta omnia et subsequens iuramentum iunionim quis-
que magistrorum praestabit seque iurasse et recte observaturuni
sua manu subscribendo contestabitur.
Juramentum magistros iuniores nondum principales regentes
concernens.
Ego magister N. iuro et promitto vobis^® magistris huius
gyinnasii primariis regentibus vestrisque ibidem successoribus
honorem et obedientiam in rebu3 Ileitis et honestis quodque
commodum et utilitatum reipublicae literariae istarum aedium,
quoad potero, promovebo, pacem et concordiam cum regentibus
imprimis, deinde cum caeteris eiusdem collegii magistris atque
scholaribus eonindemque familia observabo aliisque eandem tur-
^^' quae imilcta universitatis fisco applicabitur.
^* ad siiperattendontes et regentes. — sr. superattendentium et.
2^'' Lunae, Martis et. — 27 j^ora quarta vespertina.
2** dominis superattendentibus.
Die Mainzer Bursen und ihre Statuten. 117
[jare quoquo modo tentantibus pro mea viril i resistarn; officio
Tieo circa lectiones, disputationes caeteraque tyrocinia scholastica
mihi commissa aut imposterum comniittenda nunqaam defutunis
üscipulos nostros doctiores ac meliores reddere sedulo curabo,
statuta denique gymnasii privata tum decreta tum decernenda
bona fide observare totis conabor viribus, ita me deus adiuvet etc.
Statuta ad oeconomum seu gymnasii dispensatorem
pertinentia.
Praecipuum oeconomi officium esto, ut rem domesticam et
culinariam provide utiliterque administret, tum optima fide cuncta
obsonia omnemque penum coemat, prudenter dispenset suoque
tempore coram magistris regentibus de singulis rationem reddere
teneatur.
Oeconomo nullum sua autoritate compransorem continuum
nisi primum consultis regentibus suscipere liceat, a suscepto
autem e vestigio pecuniam utensilium, puta sex albos, exigat.
Item quandocunque nomine supeliectilis, quae utensilia vulgo
dicuntur, pecuniam receperit, videlicet a singulis compransoribus
sex albos, eam in nullos alios usus quam pro coemenda supellec-
tile consultis primum super ea re magistris regentibus con vertat.**
hinc culinae supellectilem ac mensarum linteamina, libram itidem
et pondera recte faciat, custodiat curetque diligenter, quarum
remm duos habeant catalogos, magistri regentes unum, alterum
praepositus. si quid vel effractum vel vetustate attritum fuerit,
praepositus expensis communitatis aut refici curabit aut iussu^^
regentium nova comparet.
Et ut mundam, illaesam beneque custoditam supellectilem
adservet, fores culinae clausas contineat, ne scholasticis aliisve
aditus pateat, per quos damnum dari aut aliquid auferri possit.
Lignorum quoque et carbonum cura praepositi sit, quae in
tempore accepta in id a'^ magistro collectore pecunia providere
atque coemere debebit; obsonando duplici mensae diligenter, uti-
liter laudeque prospiciat, quarum una magistrorum et qui cum
eisdem lautius vivere volunt, altera vero frugaliter et portionaria
pro tenuioribus instituatur. nam ut duplex habeatUr mensa^
non una subest ratio, tamen ea potissimum, ut hi, qui a re
familiari laborant, si non lautiorem, tamen frugaliorem mensam
coemere sibi possint.** carnes decentes ac pisces vivos obsonetur
oeconomus, a mortuis autem piscibus aut carne foetida mor-
bidave oeconomus obsonando abstiueat, cibum omnem bene dili-
genterque coqui providebit.
Oeconomus vendendo vina reipublicae literariae non suae
avaritiae siudeat omnesque agitandorum symposiorum occasiones
-* beanalia etiam, videlicet octo albos, ab unoquoque recens deposito
orconomus exigat referatque singula in aerarium gymnasii.
3" superattendcntium et. — ^i superattendentibus et regentibus.
^' si forte temporis successu superattendentibus atque [regentibus]
gymnasiis videatur magistrorum mensa gravamini fore, liberum erit, ean-
dom quoque in portionariam mensam commutare.
118 Fritz Herrmann.
scholasticis vina vendendo praecipiat negue ad se in suum vel
aestuarium vel cubiculum compotandi cansa alliciat.
Haud minimum oeconomi munus est curare ac prospicere,
nt sarta tectaque in aedibus sint omnia, tegulas, calcem, arenam,
cementa caeteraque ad reficiendam domnm cum consensu regen*
tium disponat, quae omnia a^^ magistro collectore solvantur,
et cum magistro regente, cui adiunctus fuerit, hebdomadatim
structuram domus et cubicula diligenter inspiciat. quod si quid
ruinosum fractumve comperiatur, iussu regentium mox refici curet.
Sit quoque diligens observator, ne scholastici mensas, scarana,
fenestras caeteraque vel corrumpant vel frangant, et si quid
talium rerum rupium fractumve fuerit, oeconomus quamprinium
refici curabit eins impendio, qui damnura dedit, aut, si omnino
incognitus sit, expensis communitatis.
Oeconomus pro suo salario habeat singulis septimanis non
minus tribus albis, quos duodecim commensales pendere possunt;
quod si plures fuerint commensales, singuli dabunt duos denarios
idque in commodum cedat praepositi. mensam praeterea gra-
tuitam habeat, is quoque ^^ solus vina vendat iusto pretio. quod
si scholaris sit et ad gradum aliquem aspiret, lectiones, repara-
tiones et cathedralia, habitationem, cellam quoque vinariam gratis
habeat. olim praepositus cum famulo communitatis coci partes
agebant; id quia nunc obsolevit et receptum est, ut mulieres
culinariae provectae aetatis conducantur, ideo famula culinae^
pro annuo salario ad summum a regentibus accipiat sex florenos
monetae; quod si qua minoris conduci potest, id in rempublicam
gymnasii cedet. oeconomus, cui soli admittitur vini vendendi
facultas, teneatur mulieri culinariae quotidie dare de suo vino
dimidiam vini mensuram.
Juramentum oeconomi seu praepositi.
Ego N. in oecononum ac fidelem huius gymnasii dispen-
satorem suscipiendus iuro ac promitto vobis magistris regen-
tibus honorem et reverentiam, pacem et concordiam cum uni
versis servandam. porro in dati et expensi rationibus aliisque
harum aedium et communitatis negotiis optima fide agam omnia,
culinae supellectilem caeteraque mihi commissa accurate custo-
diam, rationem quoque de singulis redditurus. et quaecunqne
mensam communem concernunt, laute ac munditer instrui curalM),
domus huius structuram cum magistro regente in id deputato
inspiciam, pecuniam, quae ad utensilia datur'«, a singulis deben-
tibus exigam, de eins fide rationem suo tempore redditurus,
statuta ac statuenda praeposituram concernentia rationi consen-
tanea de damno cavendo bonoque promovendo pro ingenii mei
viribus exactissime observabo. sie me deus adiuvet etc.
3'* superattendentibus et regentibus.
3* ad arbitrium ac iustam aestimationem superattendentium.
^^ ei famulus communitatis a praeposito deligantur, suscipiatur auteni
a dominis superattendentibus [et] regentibus famula. pro annuo salario
ad summum a regentibus accipiat sex florenos monetae.
3^' beanalia item.
Die Mainzer Bursen und ihre Statuten. 119
Statuta, quae ad famulum commiinitatis attinent.
Famulus communitatis a praeposito deligatur et a collegio
regentium suscipiatur, qui, simulatque assuniptus fuerit, sub-
sequeus iuramentum corani ma^istris regentibus praestet. idem
cum famula in culina gratis victitet, habitationem ( !), lectiones
et si baccalaureatus aut magisterii gradus tambiet, reparationes
et cathedralia ei gratis permittantur. a singulis beaniam de-
ponentibus accipiet unum album, cuius dimidia pars cedet mulieri
culinariae.
Juramentum famuii communitatis.
Ego N. assumendus in famulum iuro vobis^^ magistris regen-
tibus honorem et reverentiam debitamque obedientiam circa omnes
res licitas atque honestas. iuro etiam, nie onmibus harum aedium
magistris, scholaribus totique domui fidelem, utilem ac frugi fore,
eorum commodum tarn publicum quam privatum promovendo
incommodaque cavendo, quoad eins per me fieri polest, item
officio mihi iniuncto ex dominorum regentium et oeconomi prae-
scripto, quibus obedire tenebor, bona fide, ut famulum communi-
tatis decet, def Ungar, quod si oeconomus mihi vel minimis la-
boribus vel aliis negotiis forte molestus esse ceperit, id non
privata cum eo controversia, sed coram'^ magistris regentibus
in hebdomadario calculo congregatis finiam. rem praeterea gym-
nasii fideliter procuraturus fidelem me cum in omnibus tum vero
in re pecuniaria, pane, came, vino caeterisque praestabo nee
quicquam praedictarum rerum alicui magistronim aut scholarium
nisi oeconomi consensu depromam.
At si conviviis magistrorum eorumve conventibus aut ratio-
nibus vel quibuscunque ipsorum negotiis interero, eorum secreta
dicta factave nee verbis nee scripto aut alio quovis modo ulli
unquam manifestabo. omnes guoque detractiones, minas, iniurias
aut danma a gymnasii incolis privatim aut publice facta quam-
primum magistris regentibus aut saltem uni manifestabo. nulluni
etiam ludi genus in gymnasio aut extra committam et studiosos
nostros haec facientes apud magistros regentes deferam. domum
sive gymnasium praeclusum nulla arte aut modo quocunque
tempore sine unius aut pluriuni regentium consensu aperiam
neque scholares id conantes aut per fenestras aliave loca ingredi
aut egredi tentantes vel inhonestas personas introducere volentes
consilio vel opera mea iuvabo, immo quamprimmn hoc aliquos
molientes rescivero, mox magistris regentibus significabo.
Domum absque praepositi venia non exibo adeoque prius-
quam omne mihi ex officio praescriptum pensum absolvero, nee
unquam sine eiusdem aut alicuius regentis scitu extra gymnasium
p^moctabo. item si quando magistris regentibus visuni fuerit,
ita ot famulandi officio amovendus sim, citra alicuius iniuriam,
infamiam aut contumeliam sum modeste recessurus. postremo
^7 dominis superattendentibus et.
^^ dominis superattendentibus et.
120 Fritz Herrm«inn.
universa decreta et decernenda sive scripta sive non ßcripta
a magistri regentibus mihi iniuncta citra omnem fraudem ol>-
servabo atque perficiam neque meo officio me abdicabo, nisi
oeconomum aut magistros regentes prius ad totum mensis spatium
de hoc certiores reddidero, si non urgens necessitas me excuset.
sie me deus adiuvet etc.
Praedicta omnia me bona fide iurasse ego N. manus meae
chirographo protestor.
De famulis magistrorum regentium et iegentium.
In fanmlum magistri alicuius assumendus praesto exhibeatur
regentibus, quem illi sui officii praemoneant et subsequens iura-
mentum iurandum offerant. hi famuli'^ quemadmodum et doc-
torum et nostratium magistrorum omnium lectiones et repara-
tiones gratis audiant, habitationes quoque sicut communitatis in
colae habeant.
Sequitur eorundem iusiurandum.
Ego N. in famulum magistri N. assumendus iuro vobis ina-
gistris regentibus, me non solum magistro meo N., sed et istanim
aedium communitati fidum, morigerum, pacificum ac honeste
officiosum fore, incommoda gymnasii, quoad eins per me fieri
potest, cavebo, lusores et scortatores et eos, qui magistris re-
gentibus vel legentibus obloquendo detrectant, aliave illicita per-
petrantes magistro meo vel uni e regentibus candide indicabo.
postremo, si quando opera mea commodove potero, usibus gym-
nasii famulo communitatis iussu praepositi aut regentis non sum
defuturus omniaque agam, quae fidelem ac studiosum famulum
decent. ita me cleus adiuvet etc.
Statuta scholaribus gymnasiorum inquilinis et compran-
soribus communia.
Imprimis praeposito adv^entum suum indicent, qui non sine
regentium consensu suscipiantur, quorum quisque pro utensi-
libus sex albos numeret.
Convivas illiberale hominum genus et circumforaneum nemo
compransorem adducat.
Discessuri ad tempus a mensa, nisi praeposito dixerint.
totius septimanae pretium solvant professoribus artium aut ali-
arum facultatum ; nisi continue operam dent, a mensa excludantur.
Maiores minoribus nuUum offendiculum praebeant, sed sua
et cum sui similibus agant.
Morum quoque barbariem nullam introducant nee ullam statu-
tis tarn publicis quam privatis fraudem facere conentur.
Prandentes et coenantes sint placidi, modesti et quieti neque
fernere de esculentis apposilis iudicent, sed si quid acciderit,
quod censura dignum videatur, praeceptores suos certiores faci-
ant, sub poena a regentibus eis infligenda, si aliter fecerint.
^'* liabitntionein, reparaliones, cathedralia gratis habebunt.
Die Mainzer Bursen und ihre Statuten. 121
Praescripta statuta ab uno magistro regentiuin in praesentia
iraepositi futuro compransori praelegentur, cui mox subsequeiis
Tomissio a regente deferatur.
Superiora inhabitantes coenacula et cubicula ea potissimum.
[uae vias*<^, quo vulgo iter fit, prospectant. si quid vel deiecerint vel
ffuderint. quo praetereuntes ledantur, arbitrio regentium pro ad-
(lissi criininis ratione mulctantur, salvo tainen iure partis lacsae.
Gymnasiorum inquilini sine consensu sui praeceptoris aut
nagistrorum regentium foris nunquam pernoctent, sub poena sex
.Iborum structurae domus applicandorum, salva uniusruiusque
(xcusatione legitima, quam medio iuramento dorebit.
Decrevit item facultas **, ne quis studentium aut inhabitan-
ium gymnasia alliciat ad se extraneos, plebeios aliosve a Musarum
;onsortio alienos introducendo eos ad cubiculum suum neve in
',0 tales contineat, nisi quare hoc faciat, sui magistri consensu ac
renia sese purgare poterit. talem vero vel tales ultra octiduum in
;ymnasio secum retinere non liceat, nisi iusta legitimaque causa
actum excuset. et iste, qui talem aliquem secum foverit, obli-
jatus esto pro impendiis, damiiis et eo, quod interest regen-
ibus, oeconomo caeterisque gymnasii inquilinis, sub poena dimi-
iii aurei gymnasio ad structuram domus praestandi. sed si hoc
nodo introductus consanguineus sit alicuius in proximiori gradu
dque certis documentis constet, tum quidem niitius agendum est.
amen pro iudicio magistrorum regentium.
Inhabitantibus non liceat mutare cubicula vel suscipere so-
lalem aut pellere sine permissu magistri hebdomadarii, sub poena
iimidii floreni, salvo damno magistrorum regentium.**
Promissio scholarium inhabitantium et commensalium.
Ego N., gymnasii huius inquilinus atque compransor, con-
;eptis verbis promitto vobis dominis regentibus, vestris institutioni-
)us, disciplinis atque statutis domesticis me probe morigerum
:ore, ea diligenter observaturus nullamque eis facturus fraudem
aec contra aliquem insurgere aut conspirare tentabo, factiones,
lamna tam publica quam privata nemini inferens, inferre volentes
pro mea virili vetabo ac magistris regentibus aut saltem uni indi-
cabo. praelerea commodum et utilitatem huius gymnasii, quoad
potero, promovere conabor, in omnibus tum licitis lum honestis
vobis obediam. quod si ulla de causa, quae magistros moveat, a
mensa et inhabitatione discedere iussus fuero, id sine cuiusquam
iniuria, damno, infamia aut offendiculo faciam idque manuali pro-
nissione firmum esse volo.
statuta scholasticos omnes, sive intra sive extra gymnasium
habitent, ex aequo concernentia.
üniversitatis edicto cautum est, ne quis studiosorum ad publi-
ras vel privatas lectiones admittatur, nisi prius deposito pro
*<> cui vulgus intersit. — *^ universitas.
*^ inhabitans cubiculum gymnasii singulis annis singulos inde dc-
»endai aureos.
122 Fritz Herrm^iin.
more beanio nomen magnifico rectori universitatis matriculae
inscribendum dederit solveritque magistris regentibus pro sui re
ceptione in consortium studiosorum eius collegii, in quo militare
vult, beanalia, quae sunt octo albi.
Cavit item universitas, ne studiosi, qui novitiis beanium de-
ponentibus testes praesto adsunt, eos iniuriis aut contumeliis
afficiant neque manus adferant, immo hoc, quidquid est negotii, per
mittatur depositori; nam in hac fabula eos potius spectatores
quam actores mavult universitas, quibus praeter verborum iocos
nihil permittatur, sub poena dimidii floreni.
Extra gymnasium sine rectoris consensu, cognitione et sigillo
non habitent nisi indigenae et doctorum ac magistrorum nostra-
tium famuli, qui hac lege soluti sunt.
Praeceptores suos cum privatos tum publicos revereantur.
quos debito honore prosequantur neque eis refragari aut resistere
debent, immo vero in rebus licitis et honestis per omnia obedire.
praesertim quantum ad disciplinam schohisticam attinet, sub poena
vel mulcta pro admissi qualitate a magistris regentibus infligenda.
Quicunque ad gradum baccalaureatus vel magisterii aspirare
contendit, praeter publicos praeceptores privatum aliquem sui
gymnasii sibi deligat tradatque se in eius disciplinam. qui si
adhuc institutione ^grammatica eget, det praeceptori suo quatuor
florenos annuos, pro qua pecunia teneatur sibi magister privatus
indies repetere duas horas. sin mediocriter doctus, ut illa puerili
institutione ei iam non sit opus, dabit duos florenos annuos et
audiat a praeceptore indies unam horam, sub qua leget bonura
aliquem et classicum scriptorem. quodsi profectioris eruditionis
fuerit ac caeteris lectionibus occupatus, pro privata disciplina
integro anno pendet dimidium aurei, ut saltem eum magister
privatus pro discipulo agnoscat. cum pauperibus mitius agatur.
Publicas tum ordinarias tum formales lectiones, disputationes
item domesticas et publicas visitent diligenter aliis privatim et
publice semper opponendo. lectionibus et disputationibus a prin-
cipio ad finem usque interesse et modelte attenteque auscultare
debebunt; qui secus fecerit, non censebitur ei disputationi vel
lectioni interfuisse eiusque completionibus derogabitur. cessa-
tores et studia sua non continuantes posthac pro studentibus non
reputentur neque etiam privilegiis et libertatibus universitatis
nostrae gaudebunt. ab unoquoque opponente, respondente et lumi-
nante absentibus, quia tales aliis incommodant impediuntque nego-
tium literarium, exigatur unus albus magistrorum praesentiis in-
ferendus. pro qua mulcta regentes illa hora candelas pro absen-
tibus sufficiant. latine passim et ubique loquentur.
Ante primam lauream magistris et baccalaureis praesidentibus
quater pro se quisque respondeat. tractandis epistolaribus argu-
mentis vel declamationibus stilum singulis septimanis exerceant.*'
*^ Statuimus insuper, quod quisque scholarium singulis semestribus
dimidium aurei conferat pro gymnasiorum conservatione atque structura.
Lectiones vero tarn ordinarias quam formales et paedagogiorum im-
fHisterum audiantur gratis.
Die Mainzer Burseii und ihre Statuten. 143
De honestate vitae^ moribus ac habitu discipulorum.
luventus nostra pietatem imprimis colat nee temere iuret nee
«liris quemquam devoveat, sed et dominicis quibusque una cum
aliis festis diebus discipuli praeceptores subsecuti parochialem
saam ecelesiam petant, divinae rei officio peragendo diligenter
interfuturi, sacram quoque concionem attente per silentium aus-
cultaturi reverenter adeant, similiter vespertinis precibus praedie-
torum dierum intersint. quicunque vero secus fecerint, quatuor
nummorum mulctantor.
Dominos magnificum rectorem, doctores, licentiatos, magistros
aliosque viros, canonicos potissimum ae sacerdotes honestasque
iuxta mätronas honorifice reverenterque aperto capite venerentur.
A flagitiosorum hominum convictu, alea, ebrietate, laicorum
choreis, publicis tabernis, inhonestis suspeetisque domibus, aliis
quoque id genus peccatis ac locis in totum abstineant. si quis vero
harum legum praescriptum transsilierit, poenani dimidiati floreni
ab universitate in hoe praeseriptam experietur.
Eadem mulcta statuta est nocturnis erronibus, et praesertim,
qui post horam nonam in plateis deprehenduntur. item si quis
domum, hortum, vineam aliave loca cuiuscunque sine domini
consensu et voluntate ingressus fuerit, is solvet universitati inte-
grum florenum.
Si quis studiosorum fores gymnasii praeclusas illicito modo
aperuerit aut etiam egredi vel ingredi moliatur, is pendat univer-
sitati ternos aureos.
Habitu ae vestitu honesto scholastici nostri utantur nee in
humeros indecore reiecta lacinia incedant; nemo quoque pallia
gestet neque ex tunica pallium faciat. omni denique vestitu, qui
Studiosos in publico dedecet, modis omnibus abstinere volumus,
sub poena regentium arbitraria. quod si punitus non desistat,
magnifico rectori puniendus sisti debet, qui in talem pro suo ani-
madvertet arbitrio.
Culinam nullos ingrediatur temere, sub poena quatuor num-
morum; iteranti culpam augebitur muleta.
Nulius utensilla, fenestras, fores, teeta, parietes, breviter quie-
quid ad huius domus usum attinet, vel effringere vel corumpere
audeat neye loca passim exc^rnendo vel meiendo inquinato, sub
poena pro modo delicti a magistris infligenda.
Vestibulum atque fores gymnasii non statio, non ambulacrum,
sed transitus sit praetereuntibus. vel vieinis vel contubernalibus
quavis raUone, ne sint molesti, caveant, sub arbitraria regentium
poeoa.
Id quoque cautum est, ne quis discipulorum nostrorum pro
foribus aut in area sive atrio domus tumultum aut indecoram ali-
quam vociferationem committat neve iisdem in locis absque tunica
conspiciatur, sub poena magistrorum regentium arbitraria.
Nemo alteri vel re vel verbis iniuriam aut negotium facessat
nee armis instructus sit quisquam, sed si qua habet, iam inde a
principio simulatque discipulus esse coeperit praeceptori suo pri-
vato aut regentibus tradat, sub poena amissionis eorundem. bre-
134 Frilz Herniiann.
TÜer nemo sludiosorum arma defcral sub poena in slatutibns
universilalis expressa .
Alius in alium nc ioco quiiiem pugiunculum aut cultrum dis-
tringilo. nemo sui vindictam ab alio sumat. sed regentea ant pri-
vati pra«ceptores iudices esse debenl.
Ludere nee ubique nee scmper. sed diebus Jovis liberum sii:
ludentli locus area posterior, modus liberalis ac recreandi animi
causa, non in pecunia esto.
De baccalaureis,
Baccalaurei in supplicationibus. publicis aclibus, niensis. nudi
loriis primum locum inter discipulos ocrupent.
lidem ante niagisterium magislris publice praesidentibii5
sexies respondeant.
Diebus item dominicis publice hora prima quater praesidesni.
propositis in id grammaticis, dialecticts physicisque themalibu^.
Domesticis quoque dispulationibus frequenter inleiesse vu-
lunms et respondendo ef opponcndo sese exerceant.
Praeterea viginli niagislrornm dispulationibus publiris a ra-
pile ad raicem usque interfuissc ad magisterium adspiralun debenl.
Statulorum domesticorum linis.
ü
■i
SÄ:
IV.
Die Wiederbesetzung erledigter Professuren.
Ein Beitrag zur Mainzer Universitatsgeschichte des
au^ehenden i6. sowie des 17. Jahrhunderts.
Von Heinrich Schrohe.
Drei Jahrhunderte führte die Mainzer Universität ein
höchst bescheidenes Dasein und reichte in ihrem Einfluß nicht
über die engen Grenzen des Kurstaates. Erst im dritten Jahr-
zehnt vor ihrem Untergange erregte sie in weiteren Kreisen
Interesse. Es war dies zunächst im Jahre 1781, als der Kur-
fürst Friedrich Karl von Erthal drei reiche Mainzer Klöster zu
Gunsten der Universität aufhob; er wollte auf diese Weise
die stets unzulänglichen Mittel seiner Hochschule vermehren.
Dieser Maßnahme, die bei den einen lebhafte Zustimmung, bei
den anderen große Entrüstung hervorrief, folgte 1784 das
pomphafte Universitätsfest. Letzteres ist bereits in das Be-
reich der Darstellung gezogen worden*; dagegen ist die
ältere Universitätsgeschichte noch ziemlich unerforscht; die
Dürftigkeit des weithin zerstreuten Stoffes mag hieran schuld
sein. Die Aktenstücke, die hier zum erstenmal milgeleilt
werden', klären die Zustände an der Mainzer Universität
i Vergl. Bocken hei Hier, die Reslauralion liet Mainzer HocIiHchule im
.■.ihre 1784, Mainz 1884.
- Flip L'rkunJen fntslamnien füllt Aklonfaszikeln der Gcneralrrzeptur
des Mainzer Universität sfonds. Nur diese Reste des ehemaligen .Mainzer
Iniversilätsarchivs befinden sich heute noch an genannter Stt'lle. IVr
i.ieiieralrezeplor, Herr Pinanzamtiiiann llofmanti, dem aurti an dieser Stelle
für sehr freundliche» Entgegenkommen gedankt sei, hat sii> mir zur
Itciiulzung gütigst nberlassen. Ihrem Inhalte nach lassen sich iliese Akten-
sliii-ki' ini wesentlichen in folgende drei Gruppen gliedern: 1. .^ktensliicke,
di- »ich auf die Klosterauf hebuiifien im Jahre 17«! beziehen. Sie sind ein
mir liereits zu einer Darstellnng verarbeitet, die voraussichtlich in diesem
Jahre erscheinen wird. 2. Aktenstücke, welche einzelne finanzielle Vor-
126 Heinrich Schrohe.
wenigstens nach einer Seite und für eine Zeit; sie zeigen
nämlich vor allem, wie im 17. Jahrhundert die erledigten
Professuren besetzt wurden; daneben geben sie wertvollen
Aufschluß über die Verhältnisse, aus denen damals die
Mainzer Universitätsprofessoren hervorgingen.
Wie an anderen Hochschulen, so wirikten auch an der
Mainzer die Professoren mit, wenn es sich um die Neube-
setzung erledigter Lehrstühle handelte. Doch war ihr Anteil
an dieser Erneuerung des Lehrkörpers nicht in allen Fällen
der gleiche. Wie es scheint, hing die Neubesetzung einzelner
Professuren ganz von der Universität ab. Dahin gehörte die
einstmals von Jvo W^ittig gestiftete Professur der Geschichte.
Rektor und Universität verliehen ^ diese nach dem Tode
Dr. Bürgers am 16. September 1617 dem Magister Gerhard
Holtmann, nach dessen Hinscheiden am 28. November 1618
dem Dr. phil. et med. Stephanus Dominicus Brunheimer.
Deshalb bittet* auch Dr. iur. utr. Karl Faber am 16. Sep-
tember 1637 Rektor und Universität, man möge ihm die Profes-
sur der Geschichte übertragen, die durch den Tod Dr. Kaspar
Beußers erledigt sei. Auch einzelne Lehrstühle der Theologie
wurden wohl durch die Universität neu besetzt. Vor 1^
richtet^ der Mainzer Quintinspfarrer Liz. Christian Hipparius
an Rektor und Universität das Ersuchen, sie möchten nicht
eher inbetreff der Präbende an der Liebfrauenkirche, mit der
eine Lehrstelle an d^r theologischen Fakultät verbunden war,
entscheiden, als bis sich der Kurfürst über sein (des
hältnissi; der Mainzer Universität und der ihr einverleibten Kanonikate fc»*
troffen. Mil ihrer Bearbeitung bin ich zurzeit beschäftigt. 3. AktendHIda^
welche die; Besetzung erh'digter Professuren und Korrespondenzen rwindlW
Kurfürsten und der Universität zum Gegenstande haben; sie werden s&mt-
lich in dem vorUegenden Aufsatze veröffentlicht. Diese letztgenanaten
Urkunden waren wohl schon in kurfürstlicher Zeit zu einer Gruppe ver-
einigt; denn es findet sich bei ihnen ein Blatt mit folgender Aufschrift:
„Die Professuras Singularum facullatum domus Schenkenbergicae betref-
fende Sachen, besonders Churfürst. praesentationes ad Professuras et bis an-
nexos Cannonicatus Universität is Moguntiae ad 1583. II. S. 3". Auf der
Rückseite des Blattes wird vermerkt: ,,Pro notta in dießem fasciculo be-
finden sich Suppliquen pro obtinendis professuris ad Archiepiscopos et
Rlectores Moguntinos und von dießen Universitati überschickte praesenta-
tiones Professorum und Andere schreiben, welche alle Secundum ordineni
Chronologicum gelegt seynd, und dienen dieße Documenta ad Supplendani
Seriem Professorum Mogunt. und geben ein und andere Historische Nach-
richt von der älteren Verfaßung allhiesiger Universität*'. Jedenfalls lagen
in diesem Umschlag früher mehr Aktenstücke als heute; denn es findet
sich ein Blättchen vor mit der Aufschrift: Concept Doct. Johan Friderich
Travellmans Praesentation an D. Georg Bruels verledigten Lectur stanndt
1574. Der so beschriebene Kntwurf fehlt heute bei den Akten.
3 S. unten Brief No. XX. — * S. unten Brief No. XXIV.
^ S. unten Brief No. I.
Die Wiederbesetxnng erledigter Professuren. 187
Hipparius) Schreiben geäußert habe. Selbst als 1639 der
Kurfürst Anseim Kasimir einen so hervorragenden und gut
empfohlenen Gelehrten wie Dr. theol. Johann Jakob Völcker
mit einem Kanonikat an Liebfrau und der entsprechenden Pro-
fessur begabt wissen wollte, konnte er nichts anderes tun,
als ihn der Universität angelegentlich empfehlen.^ „Also
haben Wir" — so schreibt Anseim Kasimir an die Universität
— „nachgestalt dießes subiecti, welches in Theologica Fa-
cultate ad Professuram habite et qualiücatum, nit underlaßen
wollen, Euch solches hiemit bestermaßen reiommendiren,
Euch dabeneben genedtigst ersuchent, ermelten Vökkher auß
denen oberzehlten Ursachen damit (d. h. mit dem Kanonikate)
zu providiren . . ." Auch dann, wenn es dringend geboten war,
einen Lehrstuhl neu zu besetzen, durfte der Kurfürst in die
Befugnisse der Universität nicht eingreifen. Im Jahre 1596
starb der Professor der Medizin Dr. Dietrich Lac. Da um diese
Zeit in Mainz eine Seuche herrschte, und die Zahl der Arzte
gering war, so lag eine rasche Erlediguri;; der Vakanz in aller
: S. unlen Brief No. XXV.
Ii28 Heinrich Schrolie.
Interesse. Auch das Domkapitel hatte an die Dringlich-
keit der Angelegenheit gemahnt. Trotzdem beschränkte^ sich
Kurfürst Wolfgang darauf, zu schleunigem Verfahren aufzu-
fordern. Waren durch irgend einen Anlaß die Rechte, die der
Universität bei einer Neubesetzung zustanden, geschmälert
worden, so schreckte sie nicht davor zurück, auf ihre Befug-
nisse selbst einen Kurfürsten hinzuweisen. So erklärte* die
Universität am 18. Dezember 1620, der Hofsekretarius Gabriel
Dopperich habe sich die Geschichtsprofessur, die gar nicht
erledigt gewesen sei, angemaßt; ein Schreiben, das Kur-
fürst Johann Schweickhardt an seinen Siegler richtete, und
in dem die Kollatur enthalten war, habe Dopperich hierzu
veranlaßt. Sie sandten ferner dem Kurfürsten einen Extrakt
aus den Statuten, wonach die Vergebung der Geschichte-
professur zu allen Zeiten Sache der Universität war. „Also
verhoffen wir unterthenigst**, so schlössen sie ihre Eingabe,
„Euer ChurfürstJiche Gnaden - (werden) unnß,. Ayie bißhero,
also fürohin bev solchem herbrachten Jure conferendi ver-
m
pleiben, die Statuta in väterlichen Gnaden handthaben usw.
lassen".
Natürlich war auch dann, wenn die Universität eine
Professur neu zu besetzen hatte, die Mitwirkung des Kur-
fürsten nicht völlig ausgeschlossen. Der Geschäftsgang war
vielmehr folgender: In dem Concilium congregatum einigte*
sich die Universität auf eine geeignete Persönlichkeit, die ihr
entweder schon aus eigner Beobachtung bekannt war, oder
die sich bei ihr um den erledigten Posten bewarb. Dieselbe
präsentierte und nominierte sie in besonderer Urkunde dem
Kurfürsten. Dieser ließ^" nun der vorgeschlagenen Per-
sönlichkeit eine Präsentationsurkunde ausfertigen, die ihr
durch die Universität ausgehändigt wurde.
Wie viel(* Professuren in dieser Weise der Universität
zustanden, konnte nicht ermittelt werden. Wenn die Tat-
sache, daß die meisten hier veröffentlichten Gesuche um
Professuren unmittelbar an die Kurfürsten gingen, einen
Rückschluß gestattet, so besetzen letztere die Mehrzahl der
Lehrstühle aus eigner Machtvollkommenheit. Wie es insbe-
sondere bei der Artistenfakultät gehalten wurde, läßt das
vorliegende Material völlig unentschieden; denn es ist in ihm
auch nicht ein Gesuch enthalten, das eine Professur in ge-
nannter Fakultät zum Gegenstande hat.
Doch nicht nur bei Neubesetzungen machten die Kur-
• S. unt(Mi Hricf Nu. VII. — 8 s. unten Brief No. XX.
'•^ ^^. unten lirief Nu. V. — lo s. unten Brief No. VI.
Die Wiederbeselzung erledigter Professuren. 129
fürsten ihren Einfluß gellend. Sie griffen auch dann ein,
wenn ihnen irgendwelche Verhältnisse mißfielen oder wenn
sie als höchste Instanz zur Entscheidung angerufen wurden;
das heißt, sie beaufsichtigten die Universität und sprachen
in besonderen Angelegenheiten der Universität Recht.
Zwischen 1561 und 1582 tadelte ^^ der Kurfürst Daniel die
Unregelmäßigkeiten, die sich bei Abhaltung der Vorlesungen
eingeschlichen hatten, und forderte darüber Bericht ein.
Streitigkeiten, die zwischen den Doktoren der Medizin Justus
Hartlieb und Johann Martin Hohenstatt ausbrachen, be-
wogen^- den Kurfürsten Anselm Kasimir, den derzeitigen
Rektor der Universität mit einem Ausgleich zu betrauen.
Umgekehrt wurde die Universität bei dem Kurfürsten vor-
stellig ^3, als sich Stephanus Dominicus Brunheimer durch den
Hofsekretär Dopperich in seiner Geschichtsprofessur beein-
trächtigt sah. Mit diesem Aufsichtsrecht der Kurfürsten
hing es zusammen, daß alle Änderungs- und Verbesserungs-
vorschläge ihnen unterbreitet werden mußten. Deshalb
wandten 1* sich die Mitglieder der medizinischen Fakultät, als
sie 1661 das Studium in dieser verbessern wollten, mit
ihrem Vorhaben an den Kurfürsten.
Die zweite Richtung, nach der die unten folgenden Ur-
kunden Aufschluß geben, betrifft die Persönlichkeit einzelner
Bewerber. Freilich sind unter letzteren Mediziner mid
Artisten nicht vertreten. Von den beiden Theologen, die nach
Professuren streben, kommt Hipparius nicht in Betracht; aus
seinem Schreiben^^ nämlich können wir über Bildungsgang
und Charakter dieses Mannes kein Urteil gewinnen. Dagegen
tritt uns in Dr. theol. Johann Jakob Völcker ein Gelehrter
entgegen, der auch wohl heute noch den Anforderungen einer
katiiolisch-theologischen Fakultät entspräche. Er hatte ^^
nach siebenjährigem Studium im Collegium GcTmanicum in
Rom mit höchstem Lob und Preis den Magister der Philo-
sophie erworben, sodann in Perugia den Dr. der Theologie
errungen; außerdem besaß er Empfehlungen verschiedener
Kardinäle.
Im Gegensatz zu Völcker, der an fremden Universitäten
den Grund zu seinem Wissen gelegt hatte, stehen die zahl-
reichen Juristen, von denen die folgenden Aktenstücke
handeln. Sie strebten meist aus praktischen Berufen heraus
nach dieser oder jener juristischen Professur. Dr. Kuehorn^'
n S. unten Brief No. II. — 12 s. unten Brief No. XXVI.
1» S. unten Brief No. XX. — 1* S. unten Brief No. XX VIII.
i-i S. unten Brief No. I. — 1« S. unten Brief No. XXV.
17 S. unten Brief No. IV.
Beiträge z. Qesch. d. UniTersitäten Mainz u. Gießen. 9
130 Heinrich Schrohe.
war kurfürstlicher Siegler und Professor des kanonischen
Rechtes. Professor Dr. Offenhals versah^® die Stelle eines
Assessors bei dem kurfürstlichen Hofgericht. Dr. Kaspar
Beußer, der sich 1611 um die Professur der Institutionen
bewarb, war^^ kurfürstlicher Rat und Hofgerichtsassessor;
diese Professur war erledigt worden durch den Tod Lic.
Konrad Kennickens, der zugleich das Amt eines weltlichen
Richters versah. -« Licentiat Franz Philipp Faust vereinigt^*^
das Kanzleramt und die Professur des Zivilrechtes in seiner
Person. Bei den Bewerbern um juristische Professuren, die
aus praktischen Berufen hervorgingen, ist es natürlich, daß sie
auf ihre seitlierige treue Pflichterfüllung als Empfehlung hin-
weisen. Ein Beispiel mag in dieser Beziehung ausreichen!
Licentiat Franz Philipp Faust rühmt dem Kurfürsten Johann
Schweickhardt seinen Schwiegersohn Dr. Kaspar Beußer mit
folgenden Worten ^2. ^^Wiewol ich nhun sein, meines dochter-
maus, qualitet nehcr nicht anzihen soll, wil oder kan, als
E. Churf. Gnaden dieselbige vileicht von andern, sonderlich
dem Hern Vicario in Spiritualibus, auch dero hem Vitzdhomb
und Hoffrichtern zu Meintz bißhero vernhomen hab oder noch
vernhemen kan . . .** Andere wiesen auf ihr gutes Exanien,
auf die erfolgte Doktorpromotion und auf einzelne erfolg-
reich abgehaltene Übungen hin. Dr. Dionysius Campius tat^
sich nach dem Gutachten des kurfürstlichen Kanzlers und
anderer in publice docendo et disputando rühmlich hervor.
Johann Karl Fichart ist 2* ein „gelehrter man in den rechten,
welches nit allein die Professores ordinarij fürnemblich E.
Churf. Gnaden (Wolfgangs) Cantzler Doctor Philips alhier
in examine habito von ime erfahren, sondern auch doctis
commentarijs suis, so er beschrieben, etwan öffentlich be-
zeugen würdt**. Dr. Muntzethaler sagt^^: Ich habe mich
„ein Zeitla*ng hero nach angenommenem Gradu doctoratus
und gehaltener alhie gewöhnlicher repetition nicht allein
bei Churf. Gnaden (Johann Schweickhardts) wohlverord-
netem loblichen Hoffgericht advocando, sonder auch der
loblichen Universitet gewohnlichen üblichen Proceß (ohne
gesagtem rhum) dermaßen kündigt und erfahren gemacht
daß" usw. Am meisten entspricht unseren Anschauungen
die Art, wie sich Johann Adam Krebs für die Pro-
1« S. unten Brief No. Vlll. — 10 S. unten Brief No. IX.
2f' S. unten Brief No. XI.
21 S. unten Brief No. XV, XVI. XVII u. XVIII.
2iJ S. unten Brief No. IX. — 23 s. unten Brief No. XI u, XIII
2- S. unten Brief No. III. — 26 55. unten Brief No. XVII.
Die Wiederbesetzung erledigter Professuren. 131
Bssur empfiehlt^ß; er erklärt dem Kurfürsten Anselm Kasi-
lir: ,,\Van ich dan, gnädigster Churfürst undt herr, nach
oilenden vieljährigen Juridischen Studijs undt ange-
lohmenem gradu Doctoratus Zeit wehrendes unseres exiiij
ttit consens Juridicae facultatis dieser orths ein collegium
►rivatum ein Zeitlang gehalten** usw. Krebs hatte also schon
er der Bewerbung eine Art akademischer Lehrtätigkeit aus-
;eübt. Die meisten anderen Bewerber um Lehrstellen
lormten auf Ähnliches sicher nicht hinweisen, indem sie
iben lediglich praktische Juristeii waren. Als solche hatten
ie zum Teil auch sehr merkwürdige Anschauungen über den
Vert und die Bedeutung einer Professur. Dr. Caspar Beußer
littet*^ den Kurfürsten Johann Schweickhardt um die er-
edigte Professur für Zivilrecht in folgender Weise: Es
nögen mich Euer Kurf. Gnaden, „wofern keiner auß
lero Churf. Gnaden Hochansehenlichen Herrn Hoff-Räthen,
lenen ich dißfalls gahr gehrn cediren will und zu cediren
;chiildig binn, dero mehrbesagter Lectur begeren solte, vor
inderen damitt gnedigst providiren und gleichsam b zur
lecompens meiner ahn obgedachtem E. Churf.
inaden Vicariats-Gericht bißanhero gehabter men-
liglich derorthes bekhandter mühe unndt arbeit be-
gnadigen wollen**. Dr. Lubentius Pfingsthorn wünscht^s
lie Professur des verstorbenen Dr. Bloienstatt, „In sonderer
)etrachtungh, daß ich mein übrige hoffnungh lebens (so ich in
»tudijs et praxi gesetzt hab) under Ew. Churf. Gnaden pro-
ection schütz und schirm woll zubringjenn undt meiner biß-
lero in studijs gehabter mühen und angewandtenn fleiß
einigen nutzen spüren und befinden mögt**.
So suchte sich mancher für seither geleistete Dienste
nit einer Professur zu entschädigen. Unter dieser Voraus-
setzung verstehen wir es auch, daß verdiente Staatsdiener
hre nächsten Angehörigen dem Universitätskörper einzu-
rerleiben suchten ; sie wollten so gleichsam ihr Anrecht auf
ir^ergünstigungen im Staatsdienste anderen zuwenden. Es
jittet deshalb Dr. Christoph Faber»» für seinen Schwager
Fohann Karl Fichart, der weltliche Richter Adam Ebers-
leim*® für seinen Sohn Dr. Gerhard Ebersheim, Lizentiat
^ranz Philipp Faust'^ für seinen Tochtermann Dr. Kaspar
3en£er, Lizentiat Anton Bayerns für seinen Tochtermann
Dr. Dionysius Campius, um eine Professur. Andere Bewerber
*<•• S. unten Brief No. XXIII. — 27 s. unten Brief No. XVIII.
2» S. unten Brief No. XXII. — 2» S. unten Brief No. 111 u. IV.
»0 S. unten Brief No. VIII. — si s. unten Brief No. IX.
w S. unten Brief No. XI u. XIII.
9*
132 Heinrich Schrohe.
um Professuren machen geltend, daß ihre Verwandten die-
selben vorher innehatten, oder daß sich letztere um den
Staat irgendwie verdient machten. So weist^^ Dr. jur. utr.
Karl Faber auf die Verdienste hin, die sich seine Ver-
wandten um die Mainzer Universität erworben haben.
Dr. Franz Vogt wünscht s* die Professur, die durch den Tod
seines Schwagers erledigt wurde. Dr. Kaspar Beußer^^ meldet
sich für die Professur seines Schwiegervaters.
Gewiß verraten solche Bewerbungen keinen besonderen
Blick für die Bedürfnisse der Universität, vielmehr eine ge-
wisse Selbstsucht. Aber die Aktenstücke versetzen uns ja
auch nur in die Verhältnisse eines bescheidenen Staates.
In diesem kommen Herrscher und Beamte öfter in Be-
rührung und darum auch in nähere Beziehungen. Auch
darauf ist zu achten, daß Bittgesuche, wie die vorliegenden,
persönlichen Wünschen entspringen; diese legt der Antrag-
steller häufig ganz offen dar, um auf Erfüllung seiner Bitten
rechnen zu dürfen. In solcher Intimität liegt der Reiz, den
derartige Aktenstücke gewähren, aber auch die Gefahr für
deren falsche Beurteilung.
Urkundliche Beilagen.
I.
Lizentiat Hipparius bittet Rektor und Universität in Sachen
der Präbende an der Liebfrauenkirche, mit der eine Theologie-
lektur verbunden ist, nicht eher zu entscheiden, als bis
sich der Kurfürst zu seinem erst abgesandten Bittgesuch
geäußert hat.
Vor 1559.1
Gen.-Rez. Mainz.
Salutem plurimam cum omnium obsequiorum meorum prorap-
titudine, Magnifico dominc Rector, praestantissimi excellentissimi
doctissimique Viri dni Doctores Licentiati atque Magistri.
Heri sub Crepusculum ex PedelloUiiiversitatis intellexi vestras
patenütates atque dominationes hodie ad horam 7. conventuros ad
3- S. unten Brief No. XXIV. — ^ S. unten Brief No. XV.
3^ S. unten Brief No. XVI u. XVIII.
1 In (Ion Predigten des Johannes Wild, die Hipparius 1559 heraus-
gal), ist bereits davon die Rede, daß er „schweren Chorgangs halben"
an weiterer literariscJier Tätigkeit gehindert sei. Forschner, Geschäfte der
Pfarrei und Pfarrkirche St, Quintin in Mainz, S. 94—96. Falk, Bibel-
studien in Mainz, S. 203.
Die Wiederbesetzung erledigter Professuren. 133
audienduin quaedam proponi nomine Reverendissimi quae for-
tassis Stipendium Theologicum iam vacans concernere possint.
Quomodo vero ego maxima hactenus Infirmitate et Tabellionum
penuria diffidentiaque impeditus Memoratum iam Reverendissinmm
Dominum Nostrum, Principem meum Clementissimum, hodie tan-
dem hora sexta per proprias litteras ad proprias Ipsius Reve-
rendissimae Celsitudinis traditas in Causa praefati Stipendij nostra
persona et parte informavi, Idcirco Vesiras paternitates atque
dominationes humiliter obnixeque observatas velim (Cum bis
meis precibus et admonitione non opus sit, et ego de Vestra
Consultissima prudentia et diligenti aequitatis consideratione bona-
que erga me benevolentia et voluntate optime sperem atque
confidam) si illae quae proponuntur, saepe dictum Stipendium con-
cernunt, non prius procedere velint, donec etiam principis sen-
tentiam ad meas litteras vel hodie vel propediem perceperint.
Hisce paucis paternitatibus dominationibusque in suam defen-
sionem et paternam curam me humiliter conmiendo offeroque
me cum omnibus meis (?). Scriptum ex lecto et summa infirmitate
intra septimam et octavam quod citius tremulis manibus scribere
non potui.
Paternitatum Dominationumque Vestrarun, Obsequentissimus
Christianus Hipparius propria manu.
Quer geschrieben von Hipparius : Praebenda Universitatis ad
gradus Mariae Mog.
Von anderer Hand: Supplicatio D. Licentiati Hipparii pro obtinendo
stipendio Theologico seu Canonicatu ad gradus B. M. V. cui professura
Theologien annexa erat.
n.
Dekan und Mitglieder der theologischen Fakultät (dem Je-
suitenorden angehörig) geben einer Aufforderung des Kur-
fürsten Daniel zufoge über die Gründe Aufschluß, die
Verzögerungen und Unterbrechungen der theologischen Vor-
lesungen verursachten.
(Zwischen 1561 — 1582; vielleicht 1564 oder 1571, beides Seuchojahre,
vergl. Schrohe, Kurmainz in den Pestjahren 1666/67, S. 1, Anm. 1.)
Gen.-Rez. Mainz.
Etsi non ignoramus, Revorendissime in Christo Praosul et
Hlustrissime Princeps, paternam Vestrae Celsitudinis adinoni-
tionem ad Academiam Moguntinam non ita pridem institutam,
nequaquam principaliter et omnino Facultatem nostram concernere
(singulis enim diebus binae a fratribus nostris Jesuitis habentur
lectiones, declamatur, disputatur, praedicatur, ut fermc plures
lectiones fiant quam sunt auditores) tarnen ut Vestrae Celsitudini
satisfiat nosque velut membra in omnibus obsequentia cxhibeamus,
libuit paucis nostrae morae et intermissionis causas referrc. Nam
primo nonnulli ex nobis fuerunt ad sedandos tumultus hinc a
Vestra Celsitudine delegati, ubi aliquamdiu sunt, haud sine vitae
suae periculo commorati, donec tandem in statu res fuerint meliori.
IntereapestishicMoguntiaecoepitgrassariet ita sevire, ut utrunque
ColJegium, immo omnes Facultates amplius Anno siluerint penuria
134 Heinrich Schrohe.
auditorum coacti. Deinde, cum Vestrae Celsitudinis munificenlia '
instauraretur Collegium Algesheim, in quo hactenus Theologia
praelecta, non fuit urbis locus certus, ubi profiteremur, assignatus,
nee Dominus Lambertus ausus fuit nos sine Vestrae Celsitudinis
consensu ad pristinum Auditorium recipere. Rogavimus igitur j
Reverendos Dominos Doctorem Lambertumi» et Christianum, ut
ipsi interim vices nostras gererent et ordinarie praelegerent quod
et summa fide, industria, cura ab illis, ut supra dixi, et factum
est, et adhuc fit in diem praesentem. Moneat Deus omnipotens
suo Spiritu corda hominum, ut tanta diligentia audiant et discant,
quanta Deo volente a nobis docebitur, certe nos omnes tales
praestabimus in hoc studio, ut Vestra Illustrissima Celsitudo
omnem humilitatem et obsequium agnoscat. Dens pater Doraini
nos tri Jesu Christi conservet Vestram Celsitudinem in gloriam
sui nominis et animae salutem atque adeo totius Ecciesiae aedifica-
tionem diu salvam et incolumen. Amen.
Rmae Cels. V. Decauus et Facultas Theologica Universitatis
Moguntinae. Universitatis Moguntinae.
Rückseite: Theologorum Excusatio an Churfürst Daniel ob internus-
sas Lcclioncs.
III.
Dr. Christoph Faber bittet den Kurfürsten Wolf gang, die
Lektur in Jure Canonico, die durch den Tod des kurfürst-
lichen Sieglers Dr. Kuehorn^ erledigt sei, seinem Schwager
Johann Karl Fichart zu übertragen.
^\schai!enburg, den 16. Dezember 1586.
Mainz. Stadtbibl. Univers. No. 108.
Hochwurdigster Churfürst. E. Churf. Gnaden sein mein
unterthenigste gehorsamme willigste dienst jeder Zeit zuvor.
Gnedigster Her. E. Churf. Gnaden soll ich in unterthenigkaitt
onberichtet nit laßen. Nachdem Doctor Kuehorn E. Churf.
Gnaden geweßener Siegelcr am 16. dieses mit todt abgangen,
daß derwegen E. Churf. Gnaden eine Lectur in iure Canonico
alhier gnedigst zue conferiren haben.
Dieweill dan meiner haußfrawen prüder Johan Carlle
Fichartt, ein furnemer, geschickter und gelehrter man in den
rechten, welches nit allein die Professores ordinarij fürnemblich
E. Churf. Gnaden Cantzler Doctor Philips alhier in examine
habito von ime erfaren, sondern auch doctis commentarijs suis,
so er beschrieben, etwan öffentlich bezeugen würdt.
Also ist mein unterthenigst pitten, wie dan auch er hiemit
selbst unterthenigst pitten thut, E. Churf. Gnaden wollen ime
solche Lectur gnedigst conferiren.
Dargegen ist er erpietig, mit fleißigem öffentlichem profitiren
in den rechten (wie er dan ondaß sich darzue gefast und ent-
schloßen gewest) sich dermaßen zu erzaigen, daß die Studiosi
la \ (.rjzl. über Lambert Auer, den ersten Rektor der Mainzer Jesuiten,
Schunk, Beitr. zur Mainz. Gesch., III, S. 163.
2 Knodt, De Moguntia Litterata Comm. II, S. 58.
Die Wiederbesetzung erledigter Professuren. 135
inen gern hören, auch E. Churf. Gnaden und dero Facultas
Juridica darab sonder gnedigst und angenemes gefallens haben
werden.
Und obwoll er noch zur Zeitt gradum Licentiae nit erlanget,
so ist er doch a Professoribus Juridicis darzue gelaßen und würdt
seinen actum, geliebts Gott, in Kurtzer zeitt, wan eß dem Pro-
motori und Cancellario gelegenn, haltten. Und thuen E. Churf.
Gnaden dem Allmechtigen zue seinem Göttlichen schütz und
schirm hiemit unterthenigst bevelen. Datum Maintz am 16. De-
cembris anno 1586.
E. Churf. Gnaden
unterthenigster gehorsammer diener Christoff Faber Dr.
Piückseite: Dem Hochwürdigsten Pursten und hem, hem Wolffgang
Ertzbischoven zue Maintz, des Hailigen Römischen Reichs durch Ger-
manien Ertz-Cantzlem und Churfursten, meinem gnedigsten hernn. Von
anderen Händen: 1586, 16. Dec. Dr. Faber verschreibt seinen Schwager
Johann Karlen Ficharten zur verlediglen Lectur weylandt Dr. Johan
Kuhorn selig. Praesentirt Aschaffenburg Datum den 18. Decembris 1586.
IV.
Kurfürst Wolfgang antwortet auf das vorstehende Schreiben
des Dr. Christoph Faber, in dem dieser für die erledigte Lektur
des Sieglers Dr. Johann Kuehorn seinen Schwager Johann
Karl Fichart empfiehlt; es sei immöglich dieser Bitte zu
willfahren, da diese Lektur einer geistlichen Person zu-
komme, indem sie mit einem Kanonikat an der Frankfurter
Bartholomäuskirche verbunden sei.
Aschaffenburg, den 19. Dezember 1586.
Mainz. Stadtbibl. Univers. No. 108.
Wolfgang
Ehrsamer und hochlerter lieber getrewer. Wir haben aus
deinem Schreiben vom 16. diß gnediglich le.^eudt vernommen,
welchergestalt du deiner haußfrawen Brueder Johann Carl
Ficharden zu erlangung deren Lectur, so durch thödtlich ableiben
weilandt unnsers gewesenen Siglers in unnserer Statt Mainz Doctor
Johann Kuehorn selig, in Jure Canonico vacirt, bey unns unter-
theniglich verschreiben unnd verbitten thuest.
Ob wir nun wol auf solche deine unnd anderer bey unns
eingewandte Commendation berurten, deinem Schwager mit an-
gezogener Lectur gnediglich gern willfahren wollen, So mögen
wir dir yedoch nit pergen, das solche Lectur per BuUam Sixti
Qoarti piissimae memoriae auf ein Canonicat unnserer St. Bar-
tholomes Stifftskirchen in Franckfurt fundirt unnd die praesen-
tatio der Universitet in berurter unnserer Statt Maintz incorporirt,
solche Lectur auch bißanhero yederzeit von Geistlichen Personen
possedirt worden ist. Die weil es dann die gelegenheit hat, so
magst du verstendiglich selbst abnemen, wie gerne wir auch
sonsten dir unnd obermeltem deinem Schwager hiermitt befur-
derlich erscheinen weiten, das unns danmter ainige enderung
furzunemen nit wol gepuren thue, Welches wir dir zur nach-
136 Heinrich Schrohe.
richtung und wissenschafft in geneigten gnaden hin wider nit pergen
wolten. Datum Aschaffenburg 19. Decembris 86. An Doctor
Christof Fabern.
Zu Beginn des Schreibens links oben: J. D. Kurtzvolck.
V.
Johann Karl Fichart bittet den Kurfürsten Wolfgang, ihm
die Lektur des kanonischen Rechtes, die durch den Tod
des Kanzlers Dr. Johann Kiiehorn erledigt ilst, zu übertragen
und ihn mit dem dazu verordneten Kanonikat an St. Bar-
tholomäus in Frankfurt zu providieren, zumal ihn die Uni-
versität, der bei dieser Lektur das Recht dazu zusteht,
ihrerseits präsentiert und nominiert.
Mainz. Siadtbibl. Univers. No. 108.
Hoch würdigster Churfurst. E. Churf. Gnaden sein mein
unterthenigste gehorsamme willigste Dienst meinem geringen ver-
mögen noch jederzeit zuvor. Gnodigster Her. Nachdem weilant
Doctor Johan Kuehorn E. Churf. Gnaden geweßener Siegeler
vor wennig tagen mit tott abgangen, dem Gott gnedig sein wöU,
dadurch dau lectura in iure Canonico alhie vacirt; Dieweil dan
den Ehrwürdigen hoch- und w^ohlgelehrten Hern Rectori Decanis
caeterisque Doctoribus Licentiatis et Magistris almae universi-
tatis Moguntinae Nomina tion einer qualificirten personen zue
angeregter Lectur und darzue verordneten Canonicats auf dem
Stifft zue St. Bartholomeus zue Franckfortt vermög einer Bäpst-
licheii Bullen Sixii IUI zuestehet und gepüret.
Also haben sie in congregato concilio sich verglichen und
entschloßen meine wiewoll geringfügige person E. Churf. Gnaden
alß perpetuo executori angeregter bapstlichen Bullen zu prä-
sentiren und zue noniiniren und darauff mir beigefügte nomination
fertigen und zuestellen laßen.
Wau dan ich dero unterthenigster Hoffnung bin, E. Churf.
Gnaden werden mir von wegen meines avi und proavi (so diesem
Ertzstifft viel iahren gedienet) zue diesem meinem anfenglichen
aufnemmen und woUfart mit gnaden woll gewogen sein. Und
den ich deßen entlichen entschloßen, gleich nach erlangter pro-
motion in Licentiatum iuris (wie dan verhoffentlich in künfftigem
Januario geschehen soll) mit schuldigem und möglichem fleiß
in iure alhie publice zue profitiren.
Also ist an E. Churf. Gnaden mein unlerthenigs pitten,
die wollen angeregt Canonicath und dardurch bemelte Lectur
gliedigst mir conferiren unnd darauff gepürliche literas provisionis
an die Ehrwürdige Hern Dochaiit und Capittell obgenannts stiffls
S. Bartholomei (denselben meine person und qualification zue
solchem Canonicath wolbekant) bei dero Cantzleien fertigen und
mir zuekommen laßen.
Solches umb E. Churf. Gnaden underthenigst zu verdienen,
will ich iederzeit meines läbens genaigt und bereit sein. Und
thue hiemit E. Churf. Gnaden dem AUmechtigen zue seinem
göttlichen schütz und schirm und mich deroselben zue gnaden
Die Wiederbesetzung erledigter Professuren. 137
iederzeit unterthenigst bevelen. Datum Maintz am 24. Decembris
anno 1586.
E. Churf. Gnaden unterthenigster gehorsambster diener
Joannes Carolus Fichardus.
Rückseite: Dem Hochwurdigsten Fürsten und Hern, Hern Wolffgang
Ertzbisclioven zue Maintz, des haiiigen Römischen Reichs durch Ger-
manien Ertz-Gantzlern und Churfürsten, meinem gnedigsten henm. V'on
anderer Hand: 1586 27. Dez. Praesentirt Aschaffenburg, den 27. De-
cember 86.
VI.
Kurfürst Wolfgang bestätigt die Präsentation des Johann Karl
Fichart^, den die Universität für die Lektur des verstorbenen
Sieglers D. Johann Kuehorn vorgeschlagen hat.
Aschaffenburg, den 14. Januar 1587.
Gcn.-Rez. Mainz.
Wolffgangh
Unseren grueß zuvor. Ehrsame hochgelorte liebe andech-
tige und getrewe. Uff evvere uns jüngster Tagen wegen ab-
sterben weylandt unsers gewesenen Siglers D. Johan Kuhoms
sehligen zu seiner verledigten Lectur bescheene praesentation
uff unseren auch lieben getrewen Johann Cerlen Fichardten
gerichtet, haben wir demselben zu volg beyligende Praesentation
uff sein Fichardts Person verfertigen und außgehen lassen. Dho
ehr nhun ewerem anzeigen nach hierzue qualificirt oder noch
darzue sich geschickt machen werdet, habt Ihr Ime dieselb dar-
zutun, zuzustellen und vervolgen zu lassen.
Wollen wir euch zur nachrichtung in gewogenen gnaden
uhnverholen sein. Datum Aschaffen bürg den 14. Januarij
Anno 1586.*
Adresse: An Rector und Universität zu iMeintz. Rückseite: 1586
14. Jan.
VII.
Kurfürst Wolfgang fordert die Universität auf, für die Pro-
fessur des verstorbenen Mediziners Dr. Dietrich Lac\ um
die sich zweifellos schon etliche beworben hätten, in An-
betracht der herrschenden Seuche bald eine in facultate
medica und praxi erfahrene Person zu bestellen.
A.?chaffenburg, den 15. Oktober 1596,
Gen. -Roz. Mainz.
Wolffgang
Unseren grues zuvor. Ehrsame hochgelerte liebe andechtige
unnd getrewen. Demnach khurzverrückter tagen weilandt D. Diete-
rich Lac seliger gewesener Professor Medicae facultiitis bey Uiniser
" 3 Knodt, a. a. 0., S. 84.
* Da die Bewerbung Ficharts (vergl. V) erst am 24. Dezember 1586 er-
folgt, so kann die Bestätigung der Präsentation nicht von einem früheren
Datum sein; denn letztere machte eine Bewerbung überflüssig; es muß
also dio Bestätigungsurkunde wohl das Datum <les 14. Januar 1587 tragen.
* Knodt, a. a, 0., S. 63.
138 Heinrich Schrohe.
Universitet in unser Statt Maintz zeitlichen todes verfahren, dero-
wegen Unns nit zweifelt, es werden alherait etliche umb desselben
gehaibte und nunmehr verledigte Lectur bey Euch angehalten
haben oder sich noch künfftiglich angeben: Und aber sonderlich
bey yetziger aus Göttlichem gerechten Zorn umb unnser vilfaltig
Sünde unnd unbuessfertigen lebens willen eingerisßenen beschwer-
lichen seuchte die notturfft nur wol erfordert, solche verledigte
stelle und lectur einer solchen qualificirten in facultate medica et
praxi wolerfarnen Person zu conferiren, damit sowohl Euch selbst
als auch unsern Geistlichen unnd Weltlichen zuegewandten unnd
underthanen insgemein bedienet sein möge. So begeren Wir hier-
mit gnediglich bevelhendt, Ir wollet solche vacirendte stelle unnd
lectur änderst nit dan mit einer in facultate Medica et praxi wol-
erfarnen geübten unnd genugsam qualificirten Person, welche vor
allen dingen unnser wahren Catholischen Religion zuegethan und
membrum universitatis seye oder deroselben statu tis sich zu
conformiren gewißlich versprechen und würcklich laisten thue
widerumb ersetzen unnd bestellen, auch derselben Person naraen
und gelegenheit vor der endtlichen reception und bestettigung
Unns in allwege wisßendt machen. An solchem, beneben denie
es Euch selbst zum Pesten geraicht, verhandlet Ir Unnserm ge-
felligen gnedigen willen, unnd wir seindt Euch sambt unnd sonders
zu gnaden wol gewogen. Datum Aschaffenburg 15. Octobris 96.
Adresse: An Rektom und Universitet zu Maintz.
Zu Beginn des Schreibens links oben: D. Ulrich oder Dulrich.
Das Mainzer Domkapitel hatte in dieser Angelegenheit am 11. Ok-
tober 1596 ein besonderes Schreiben an den Kurfürsten gerichtet (Mainz.
Stadlbibl. Univcrs. No. 108: präsentiert am 15. Oktober 1596 in Aschaffen-
burg). In diesem wird betont, daß man in den „ietzigen betrübten unndt
schwindenn gofehrlichen leufften, da mann alhier (= in Mainz) nit ohnne
sonderes betraueren aller mediconim eußerlicher Hülff faßt entsetzt ist"
einen in der , .Profession und Praktik" erfabrenen Mann heranziehen möge.
Die Domherrn wollen selbst nach Vermögen eine billige Gebühr „zue
einem iärlichen Stipendio solcher qualificirter personnen gemeinem weßcn
zum bestenn*' beitragen. Das Schreiben des Domkapitels beantwortete der
Kurfürst in der Weise, daß er ihm, ebenfalls unter dem Datum des 15. Ok-
tober, von dem Befehle Kenntnis gab, den er an diesem Tage an Rektor
und Universität richtete. (Das Schreiben an das Domkapitel befindet sich
in Abschrift in den Akten der Generalrezeptur.)
VIII.
Kurfürst Johann Schweickhardt bestätigt seinem Kanzler
den Empfang eines Schreibens, das Heinrich Faber*' und
Adam Ebersheim ^ an letzteren richteten; es kam darin die
Neubesetzung der Professur zur Sprache, die durch den
Tod des Hofgerichtsassessors Dr. Offenhals erledigt war.
Der Kurfürst befiehlt, Dr. Gerhard Ebersheim, dem Sohne des
weltlichen Richters Adam Ebersheim, die Präsentation an-
^ Knodt, a. a. 0., S. 87. — - Knodt, a. a. 0., S. 84.
Die Wiederbesetzung erledigter Professuren. 139
fertigen zu lassen, da dem Vater und damit dem Sohne be-
stimmte Anwartschaft auf die erledigte Lektur bereits er-
öffnet worden ist.
Seligenstadt, den 2. März 1607.
Gen. - Rez. Mainz.
Johann Schweickhardus
Ersamer und Hochgelehrter Lieber getreu wer, Wir haben aus
deinem Schreiben und dessen beylagen gnediglich verstanden,
was der auch Ersam und Hochgelehrte unser Decanus unserer
Juristen facultet und Rath und dan unser Richter unsers welt-
lichen Stattgerichts zu Maintz und liebe getreu wen Henrich Faber
der Rechten Doctor und Adam Ebersheim wegen den durch töd-
liches abieben unsers gewesenen Assessoris unsers hofgerichts
zu Mainz Doctoris Petri Offenhals seligen verledigten lectur iuridi-
cae facultatis und derselben praesentation halber an dich und du
fürters an uns gelangen lassen und daruff uns underthenigst
anheim stellen thust.
Dieweyl wir uns dan in gnaden zu entsinnen wissen, daß wir
dem gedachten unserm weltlichen Richter der angedeutten vaci-
renden lectur halber, und damit dieselbe seinem Sohn Gerharden
der Rechten Doctorn conferirt werden möchte, alberei t gnedigste
Vertröstung gethan und dan er H. D. Gerhard albereit dem Her-
kommen nach seine repetition gehalten haben solle, also be-
gehren wir hiemit genedig, du wollest die befürderung thun, damit
die mehr berührte praesentation bey unserer Canzley gepührender
maßen außgefertigt und alß dan ihme Doctor Ebersheim nacher
Mainz zu geschickt werde, Crafft welcher er sich hernacher bey ob-
erwehntem \mserm Dechant unserer Juristen facultet darselbsten
der gepühr angeben und was sonsten dißfalls die Schuldigkeit er-
fordert, wircklich praestircii und volnziehen möge.
Und wir wollten es dir hinwider gnediglich nit verhallten
lassen.
Datum Seligenstatt den 2 Martij Anno 1607
An H. Cantzlern.
Zu Beginn des Briefes links oben: Casp. Grüning.
IX.
Lizentiat Franz Philipp Faust« bittet den Kurfürston, bei der
Besetzung der Professura Institutionum, die durch den Tod
des Lic. Kennicken erledigt ist, seinen Tochtermann, den
kurf. Rat und Hofgerichtsassessor Dr. Kaspar Beußer, in
Betracht zu ziehen.
(9. Februar 1611.)
Gen. -Rez. Mainz.
Hochwurdigster genedigster Churfurst und herr.
Diesen nachmittag kompt mir daß beygelegte schreiben vom
hern Prothonotario ein, die durch absterben Lic. Ken nicken s seligen
erledigte professuram Institutionum in der juristischen facultet
« Vergl. Beilage X, XV, XVI, XVII u. XVHI.
140 Heinrich Schrohe.
belangendt. Daneben aber bittet auch noch mein Dochterman
D. Caspar Beuser E. Churf. gnaden Rath und Hoffgerichts-
Assessor, do ich vermeint, daß die genad ime widerfahren könne,
daß ich ime meine wenige officia darzu praestiren woltte, ob es wol
über 24 fl. Jahrs nicht erreicht, so komt es Ime doch bey diesen
theuren Jahren ettwas vorthelffen. Wiewol ich nhun sein, meines
dochtermans, qualitet neher nicht anzihen soll wil oder kan, als
E. Churf. gnaden dieselbige vileicht von andern, sonderlich dem
Hern Vicario in Spiritualibus, auch dero hern Vitzdhomb und
Hoffrichtern zu Maintz bißhero vernhomen hab oder noch ver-
nhemen kan, So stelle ich doch billich diese Verordnung zu
E. Churf. gnaden gnädigstem gefallen, dieweil es alle gut leuth
sein, wem hie damit gnädigst gratificirn wollen.
E. Churf. Gnaden gehorsambster diener
F. P. Faust Licentiatus.
Rückseite: Meinem genedigsten Churfürsten und hern (von anderer
Hand: 1611 9. Febr.). Von der Hand Johann Schweickhardts : „Wo fern
D Beysser anderer geschefften halber der Lectur in der Woche obwortten
konnte, soll solche Ime vor andern werden dessen gclegenheith sich der
Cantzler zu erkundigen**. Deiren (?),
9. Febr. 1611 Archiepiscopus Moguntinus.
X.
Lizentiat Franz Philipp Faust bittet den kurfürstlichen Kam-
merdiener Bartholomäus Kon, bei dem Kurfürsten dahin zu
wirken, daß die erledigte Lektur in der Juristenfakultät einem
der beiden anderen Bewerber verliehen wird, damit Fausts
Schwiegersohn Dr. Kaspar Beußer aus dem Verdacht kommt,
er erhalte diese Stelle.
Aschaflenburg, den 7. Mai 1611.
Gen. . Rez. Mainz.
Domine Bartholomee Ihr wißet, daß sich mein gnedigsler
her der dreyen Competenten halben umb die Lectur in der juri-
stischen Facultet noch nichts erkleret, außerhalb weßen Ihre
Churf. Gnaden sich meines dochtermanß halben sub conditione,
wan er die Lectur auch exerciren könne, gnedigst resolvirt, wor-
über er aber seine entschuldigung underthenigst eingewendet,
darauff seindt mir solche schrifften durch euch widerumb zu-
gestelt ohne einzige meidung warauff Ihre Churf. Gnaden Ihren
Ausschlag geben. Wan nhun die andere beide Competenten
D. Campius und D. . . . steths ahnnehmen und meinen dochter-
mann im verdacht haben, als wan er solche Lectur bekomen,
So bitte ich, ihr wollet mit gelegenheit unbeschwert bey Ihrer
Churf. Gnaden underthenigste Erinderung thun, ob sie sich
genedigst resolviren wollen uff einen oder andern, damit D. Caspar
auß dem verdacht komt, daß verdiene ich hinwider gantz guet-
willig damit eine gluckselige Zeit. Datum Aschaffenburg den
7. Maij 1611. Ewer gueter freundt
F. P. Faust Licentiatus.
Rückseite: Churf. Maintzischern Cammenlienere her Bartholmc Konen
Meinem sondern gueten freundt. Von anderer Hand: 1611 7 Maij.
Die Wiederbesetzung erledigter Professuren. 141
XL
Lizentiat Anton Bayer^ bittet den Kurfürsten Johann
Schweickhardt, eine der beiden Lektüren, die durch den
Weggang Dr. Gerhard Ebersheims und den Tod des Lizen-
tiaten Konrad Kennicken in der juristischen Fakultät er-
ledigt wurden, seinem Tochtermann Dr. Dionysius Campius^^
zu übertragen.
Mainz, den 17. Juni 1612.
Mainz. Stadtbibl. Univors. No. 108.
Hochwirdigster Fürst. Dero Churf. Gnaden seyen jederzeitt
mein underthenigst schuldig unnd gehorsambste dinst eusersten
Vermögens bevor, Gnedigster Churfürst unnd Herr, WiewolE. Churf.
Gnaden under anderen deroselben jtzo obliegenden hochwich-
tigsten geschafften Ich ohngern fernere bemuhung verursachen
wollt, So hab Ich doch nitt umbgehen mögen, E. Churf. Gnaden
underthanigst ahnzumelden, daß vor wenig tagen Ich glaublich
berichtet worden, welchergestaltt D. Gerhardt Ebersheim sich in
numerum procuratorum Judicij Camerae Imperialis zu Speyer re-
cipiren lassen unnd des Endts nuhnmehr zuvcrbloyben bedacht,
daher auch die Lectur, welche Ihme alhie in facultate Juridica zu
versehen obgelegen, erledigt worden soye, wie dann auch durch
todlichen abgang Licentiati Conradi Kennicken gewesenen weltt-
lichen Richters Lectura Institutionum Imperialium vor diesem
vacirend worden. Wann nuhn E. Churf. Gnaden Selbige beyde
Lecturen zu conferiren haben unnd dann Ich meinen tochter-
man D. Dionisium Campium, welcher uff begeren bemelter facultet
vor diesem alhie publice Docendo et Disputando rühmlich sich
gebrauchen lassen unnd zu der gleichen Conditionen versehent-
lich genugsam qualificirt ist, .hierzu gern befurdert sehen woltt, Er
auch ohne das weniger nitt als dessen Palruus I). Jacobus Campius
Protonotarius S. (= selig?) zuvorderst E. Churf. Gnaden under-
thanigst unnd getrewhlich zu dienen nach vermögen vcrwillig, So
ist mein underthenigst unnd hochvfleisßigste bitt, E. Churf. Gnaden
geruhen gedachts meines tochtermans in gnaden ins^edonck zu sein
unnd selbiger Lecturen eine Ihme gnediglich zu conferiren, wirdt
sich gewißlich darbey also verhalten, daß Juridica facultas mitt
Ihme zufrieden sein unnd E. Churf. Gnaden Ihnen zu Höheren
Sachen zu gebrauchen ursach haben werden. So seindt wir beyde
auch ein solches umb E. Churf. Gnaden underthenigst unnd ge-
trewhlich zu verdienen zeitt unsers Lebens nach euserstcm ver-
mögen so willig als schuldig, dero Churf. Gnaden in schütz des
Allmechtigen zu Langwiriger Fridl icher regirung guter gesund-
heitt unnd allem glucklichen wolstandt, auch mich sampt den
Meynen zu beharrlichen Churfurstlichen gnaden underthanigst
bevehlendt. Datum Maintz 17. Juni Anno 1612.
E. Churf. Gnaden
underthenigster gehorsambster Diener
Antonius Bayer Licentiatus
ö Knodt, a. a. 0., S. 80. — i» Kuodt, a. a. 0., S. 88.
142 Heinrich Schrohe.
Rückseite: dem Hochwirdigsten Fürsten und Hern, Hern Johann
Schweichardten Ertzbischoven zu Maintz des Uay. Römischen Reichs durch
Germanien Ertz-Cantzler unnd Churfürsten, Meinem gnedigsten Hern.
Von anderer Hand: 1612 17. Jun. H. Schultheiß zu Maintz pitt für seinen
dochterman D. Campio zur vacirenden Lectur in der Juristen Facultet
zu Maintz. Hieran Ihre Churf. Gn. zu deroselben glücklichen ankunfft zu
Maintz zu erindern. Praesentirt Franckfurth den 19. Junij Anno 1612
XII.
J. Coloniasis^i Juris utr. Dr. schreibt an einen unbekannten,
es möge ihm die Professur des Zivilrechtes zuerteilt werden,
die Dr. Gerhard Ebersheim bis zu seinem Weggang innege-
habt habe, und deren jährliche Besoldung aus den erzbischöf-
lichen Einkünften erfolge.
Den 18. August 1612.
Gen.HRez. Mainz.
Informavit me Dr. Faber, quod ipse habeat et possideat Lec-
turam et professuram Decretorum et quod inde a Canonicis
Aschaffenburgeiisibus accipiat suum annuum stipendimn nempe
50 fl. monetae curr. Quam autem obtinebat Dr. Gerhardus Ebers-
heim, erat professura Juris civilis cum stipendio annuo 50 fl.
qui (= floreni) solvuntur ex reditibus Archiepiscopalibus. Fiat
et expediatur provisio mea in spem ad hanc quam ipse Dr. Ebers-
heim habuit et quae ob eius discessum et migrationem extra
civitatem Moguntinam ad procuratorium in camera vacavit, qda
ad hanc et non ad aliam intentio directa fuit Reverendissimi cuius
ego quoque etsi Ecclesiasticus tamen uti Juris utriusque Doctor
sum capax sicut Dr. Faber alterius uti Decretorum Dr., quem
gradum eius professurae et lecturae curam se accepisse asserebat
cum iam ante fuisset L. L. Dr.
J. Coloniasis. (Coloniasius ?)
Rückseite: 1612, 18 die Aug.
XIII.
Lizentiat Antonius Bayer i- bittet den Kurfürsten Johann
Schweickhardt nochmals, eine der beiden Lektüren Dige-
storum und Institutionum Imperialium, die durch den Tod
des Liz. Konrad Kennicken und den Wegzug Dr. Gerhard
Ebersheims erledigt sind, seinem Tochtermann Dr. Dio-
nysius Campius zu übertragen.
Mainz, den 8. September 1612.
Mainz. Stadtbilb. Univers. No. 108.
Hochwirdigster Fürst, Dero Churf. Gnaden seyen jederzeitt
mein underthenigst schuldig und gehorsambste Dinst eusersten
Vermögens bevor. Gnedigster Churfürst unnd Her, In Februario
nechstabgewichenen 1611 Jahrs, wie auch in Junio jüngsthin
Seindt E. Churf. Gnaden durch den Groshoffmayster mundtlich und»
dann durch mich in schrifften underthanigst berichtet unnd ge-
11 So oder Coloniasius zu lesen; sonst heißt er Johannes de Colonia;
verg!. z. B. unten Beilage XIV. — i- \rergl. oben Beilage XI.
Die Wiederbesetzung erledigter Professuren. 143
ölten worden, Nachdem durch absterben Licentiati Conradi
ennicken unnd dann wegen der durch D. Gerhardt Ebersheimern
a Speyer ahngenommener Procuratur zwo underschiedliche Lec-
iren Digestorum et Institutionum Imperial, in facullatc Juridira
Ihie vaciren unnd derer Collation E. Churf. Gnaden gepuren
leiten, Daß dero Churf. Gnaden meinen tochtermann D. Dioni-
ium Campium so in vorigen Jahren uff guttachten E. Churf.
naden Canntzlers unnd anderer heren Profossoru in publice do-
Bndo et disputando sich rühmlich gebraucht unnd darzu genug-
a.m qualificirt ist, mitt deren einer gnedigst providiren woltten.
lieweil aber vermuttlich anderer vorgefallener Verhinderung
alben E. Churf. Gnaden sich hieruff biß noch nitt resolvirt Unnd
;h gleichwol nochmahls der underthenigsten ohnzweivenlichen
Öffnung bin, E. Churf. Gnaden werden mich unnd die meynen in
aaden maynen, So hab ich nitt umbgehen mögen, E. Churf.
naden hierunder underthenigst zu erinnern, Unnd ist hiermitt aber-
lahls mein underthenigst unnd hochvleißigste bitt E. Churf. Gnaden
»^öllen angeregtem meinem suchen gnedigst stadtgeben unnd sich
eswegen in gnaden wilfahrig resolviren, Hingegen wirdt gedachter
lein tochtermann D. Campius sich vermittelst Gottlicher gnaden
Iso verhalten, daß nitt allein facultas Juridica sich dessen zu
ahmen imnd die Studiosi mitt Ihme zufrieden sein können,
Sondern auch E. Churf. Gnaden Ihnen zu höheren sachen zu
ebrauchen ursach haben werden, Unnd seindt wir beyde solches
imb E. Churf. Gnaden underthenigst zu verdienen nach euserstem
ermögen schuldig unnd willig Dero Churf. Gnaden in schütz
es Aliraechtigen zu langwiriger fridlicher regirung, guter leibs-
;esundheit unnd allem glucklichem wolstandt, auch zu dero
leharlichen Churf. Gnaden mich sampt allen meinen underthenigst
>evehlendt. Datum Mainz 8ten Septembris Anno 1612.
E. Churf. Gnaden
underthenigster willigster Diener Antonius Bayer Lic.
Eigenhändige Bemerkung des Kurfürsten Johann Schweick-
lardt: Dieweil der Siegler alberaids praesentation erlangt ver-
)leibe es dobey und wan dan die Universitet kein ferneres difii-
rulteten machen, quantum ad Lecturam Institutionum, ist solche
[^ampio bewilligt.
Rückseite: Dem Hochwirdigsten Fürsten und Hern. Hern Johann
Schweicharden Ertsbischoven zu Mainlz des Hayl. Romischen Reichs durch
jcrrmaiiieii Ertz-Cantzler unnd Churfürsten, Meinem gnedigsten Hern. Von
inderer Hand: 1612 8. Sept. Lic. Bayr pit Seinen Tochterman D. Cam-
pium entweder mit der profeßur Digestorum oder Institutionum zu provi-
iiren. Praes. Maintz 10. Septembris anno 1612.
XIV.
Dr. Dionysius Campius ^^ teilt dem Kurfürsten mit, daß der
turfürstliche Siegler Johannes de Colonia seine Lecturam
Digestorum mit seiner Lectura Institutionum wegen Sigilli-
ir. Vergl. oben Beilage XI.
144 Heinrich Schrolie.
feratsgeschäften tauschen möge, und bittet uin diesbezügliche
Genehmigung.
Mainz, den 17. Februar 1616.
Gen. - Rez. Mainz.
Hochwurdigster Churf. Euwer Churf. Gnaden seyen ieder-
zeit meine underthänigst schuldig und gehorsambste dienst euser-
sten Vermögens bevor, gnedigster Churf. und Herr! Wiewoll
Ich Euw. Churf. Gnaden wegen andern deroselben itzo obligenden
hochwichtigsten geschafften einige fernere bemuhung ungern ver-
ursachen sollen, So hab Ich doch Euw. Churf. Gnaden under-
thenigst zuverstehen geben wollen, welcher maßen der Erwürdig
und Hochgelahrter Herr Joannes De Colonia Euwer Churf.
Gnaden Sigler seine Lecturam Digestorum quam ex CoUatione
Rmao Celsitudinis suae habet, wegen allerhandt täglich ein- und
überfallenden Sigilliferatsachen mitt meine, Mir vor von E. Churf.
Gnaden gnedigst conferirle Lecturä Institutionura zu permutireuo
bedacht.
Wan dan hochwurdigster Churf. und Gnedigster Herr Ich
mich, ohne rühm zu melden, etliche jar hero tcäglichen fast do-
cendo et profitendo gebrauchen laßen, deßen mir nicht allein
vornembliche vom Adell und geringeres standts, sondern auch
eine hochlöbliche Universitet und deroselben anverwand te sampt
und sonders zeugnuß geben können, wie dan auch solchem meinem
instituto mitt allem möglichen fleiß nachzusetzen ich wie ver-
nichtet, also erpietig.
Also ist mein underthänigst hochfleißigste pitt, Euw. Churf.
Gnaden geruhen solche permutation gnedigst zu gestatten, und
selbige Lecturam Digestorum uf Mich et viceversa Institutionum
Lecturam uff ehegemelten hern Sigilliferum zu transferiren.
Solches umb Euw. Churf. Gnaden die tag meines lebens nach
eusersten vermögen underthänigst zu verdienen, bin Ich schuldig
und willig, Dero Churf. Gnaden in schütz des Almechtigen zu
langwerender fridlicher regierung, guetter gesundheit und aller
glückseeliger wolfahrt und Mich zu beharlichen Churf. Gnaden
demütiglich befehlendt. Datum Maintz den 17. Februarij 1616.
Euw. Churf. Gnaden
Underthenigster Willigster Diener
Dionysius Campius Dr.
Pfickseitc: Dem Hochwurdigsten in Gott Fürsten und Herrn, Herrr»
Johan Schweickharden Ertzbischoven zu Maintz des Hailig. Rom. Reiche
durch Germanien Ertz-Cantzler und Churfursten, Meinem gnedigsten Herrn-
Von anderer Hand: 1616 19. Febr. Doctor Campius petit dimissio*
nem professurae Institutionum. Praesentirt Aschaffenburg den 19. Fe-
bruarij 1616.
XV.
Dr. Franz V^ogti* bittet den Kurfürsten Johann Schweickhardt,
ihm die Professur zu verleihen, die durch den Tod seines
1^ Knodt, a. a. 0., S. 96.
Die Wiederbesetzung erledigter Professuren. 145
iwagers, des kurfürstlichen Kanzlers Lizentiaten Franz
Philipp Faust, erledigt sei.
Den 30. April 1616.
Gen. r Rez. Mainz.
Hochwürdigster Ertzbischove unndt Churfürst! E. Churf.
laden seindt mein underthänigst gehorsarnbst unndt schuldigst
ast zuvor. Genädigster Herr! Waß gestalt der Edel unndt
^hgelärt Herr Licentiat Frantz Philips Faust E. Churf. Gnaden
itzler, mein freundtlicher lieber schwager, iüngst todth vor-
ren, desen seelen der Allmechtige Gott genade, werden E.
irf. Gnaden ohne Zweiffei berichtet sein. Wan dan ehr Herr
itzler seliger alhir zu Maintz auch professor Ordinarius ge-
jen, wie dan auch solche stell loblich unndt wol vertretten
idt nhunmehr E. Churf. Gnaden dieselbe mit einer anderen
tlificirten person zu ersetzen gnädigst wol bedacht sein werden,
hofifentlich ich mich in anderen obliegenden unndt mir von
Churf. Genaden ahnbefolenen unndt vertrauwten sachen also
halten, daß E. Churf. Genaden daran ein Gnädigstes belieben
len werden oder zum wenigsten in meinem vermögen kein
agel erschienen, wenigerß auch nit ich furterß unndt in anderem
erscheinen underthänigst wol so schuldig als willig bin.
Also gelangt ahn E. Churf. Genaden mein underthänigst bitt,
jelbe gerhuen, mir auch obberurte vaccirende professur gnädigst
vertrauwen unndt anzubefelen, inmasen ich mich desen beruff
idt Verrichtung aller gebur zu bezeigen underthänigst gemeint
It aller Schuldigkeit bestes fleiß obliefi;en wolle. E. Churf.
naden damit zu langwüriger erwünschter wolfhart unndt glück-
iger regirung dem Allmechtigen lieben Gott treuwligst befolen.
ben den 30. April 1616.
E. Churf. Genaden
underthänigster
Frantz Vogt Dr.
Ruckseite: Dem Hochwürdigsten in Gott Fürsten unndt Hern, Hern
Iwn Schweicharten Ertzbischoven zu Maintz des Hayligen Romischen
iches durch Germanien Ertz-Cantzlern unndt Churfürsten meinem Gnä-
58ien Hern.
Von anderer Hand: Praesentiret Mcintz den 30. Aprilis Anno 1616.
• Vogt. (Job. Schweickhardts Hand ?)
XVI.
f. Kaspar Beußer^^ bittet den Kurfürsten Johann Schweick-
^rit, ihm die Lectura Juris Civilis, die sein Schwiegervater,
'r kurf. Geheime Rat und Kanzler Lizentiat Franz Philipp
iust bis zum vorgestrigen Tage innegehabt habe, über-
tragen zu wollen.
Mainz, den 1. Mai 1616.
Mainz. Stadtbibl. Univers. No. 108.
Hochwürdigster Churfürst. E. Churf. Gnaden seindt meine
i^Vergi. Beilage IX, X, XVlll, XXI, XXIV, und Knodt, a. a. 0.,
88 u. 95.
Beitiftge s. Getch. d. Univeniaten Maiuz u. Gießen. 10
146 Heinrich Sclirohe.
unndertheiiigst unnd gehorsambste dienst eußersten vleyß umnl
Vermögens iederzeitt bevor. Gnedigster Herr!
E. Churf. Gnaden hab v^orgesteriges tags mitt trawrigeni ge-
müth unnderthenigst berichtet, welcher gestalt der Allmächtig liob*
(iott durch seine Göttliche ohn wandelbare Schickung dero Churf.
Gnaden gehaimen Uath unnd Cantzler Herrn Licentiaten FranU
Philips Fausten, meinen beliebten Herrn Schweher unnd Vatteni,
seligen andenckens von dießer zeittlichen weldt uimd ihrem Jainer-
thal durch den natürlichen thodt in die ewige frewdt gantz selig-
lich hingenommen unnd versetzt hatt, deßen abgeschiedener Schien
die Göttliche Allmacht gnedig unnd barmhertzig sein wolle. Wann
aber nuhn, Gnedigster Churfürst unnd Herr, E. Churf. Gnaden
zweifelsohne gnedigstes wissen tragen werden, waßmaßen erst
wohlgedachter unnd geehrter mein Herr Schweher uniid Vatter
seliger von E. Churf. Gnaden Hochlöblichsten Herrn Vorfordem,
weilandt Herrn Churfürst Wolffgangen Christmiltester gedächtnus,
in dero löblichen Universitet alhie mitt einer Ordinari Lectur
Juris Civilis gnedigst providirt unnd begnadiget geweßen unnd
solche Lectur nunmehr durch deßen thödtliches ableiben erlediget
unnd vacirendt ist, welche E. Churf. Gnaden ohngezweiflfelt ander-
wert lieh zu bestellen gnedigst gewilt sein werden, Also ist unnd
gelangt denmat^h ahn E. Churf. Gnaden mein gantz unnderthenigste
bitt, dieselben geruhen, meiner wenigsten person dero gnedigsle
gnad in so viell zu bezaigen unnd mitt solcher ahnietzt berürter
vacirenden Lectur mich gnedigst zu providiren, Soll auff solche
verhoffen tl ich beschehene gnadterweyliung ahn meinem orth daß-
ienig, waß bey solchem officio Lecturae mihr beneben anderen
verordneten Herrn Professorn zu thuen unnd zu verrichten obligen
wirdi, alßo getrewes empsiges vleyß vermittelst Göttlicher ver-
leyhuug versehen unnd volnzogeji werden, daß E. Churf. Gnaden
zuvorderst unnd dann die gesample Herrn de Facultate Juridia
darahn ein gueles sattsames genuegen haben sollen, In dießem
erweyßen E. Churf. Gnaden mihr ein hochrühmliche Churfürsl-
liche gnad, unnd will dieselbige Zeitt meines lebens mitt meinen
unnderthenigsten gleichwohl geringfügigen diensten auffs eußerst
unnd gantz gehorsambst, wie ohne daß pflichtschuldigst binn,
zu bediehnen allzeit bereit unnd gevließen sein, Thue darüber
E. Churf. (Jnaden, die der Allmächtige Gott bey beharrlicher guter
loibs vermr)glichkeit unnd friedfertiger bestendiger Regierung
vätterlich lang fristen unnd erhalten wolle, gnedigste willfährige
lesolution in unnderthenigkeit gantz tröstlich hoffen unndt er-
wartlen. Signaturn Meintz 1. Maij 1616 E. Churf. Gnaden unnder-
thenigsler unnd gehorsambster diehner Caspar Beußer Dr.
Rückseito: Dfin Hochwürdijjsten Fürsten uimd Herrn, Herrn Johan
Schwoickhardtcu Ertzbischoven zu Meintz doß heyligen Römischen Reichs
durch Gerniaiiien Erlz-Cantzlorn unnd Churf ürsten, Meinem Gnedigsten
Herrn.
\'<)n anderer Hand : IfJlß 1 Maij. D. Boysser. (Joh. Schweickhardls
liand?! Praesenlirt Meintz den (?rsten Maij Ao. 1616.
Die Wiederbesetzung erledigter Professuren. 147
XVII.
. H. C. Muntzethaler bittet den Kurfürsten Johann
hweickhardt, ihm die Professur Codicis zu verleihen, die
rch den Tod des Kanzlers Lizentiaten Franz Philipp Faust
erledigt sei.
(Den 2. Mai 1616.) Mainz. Stadtbibl. Univers. No. 108.
Hochwürdigster in Gott Ertzbischoff und Churfürst. E. Churf.
aden seyen. mein underthenigst schuldtwiUigst undt gehor-
nbste dienst eußersten Vermögens zuvor. Gnädigster Herr!
Denmach auf gesterigs tags bescheheiics tödtliches abieben
(ilandt deß Ehrenvesten Hochgelehrten Herrn Licentiaten Fran-
ci Philippi Fausten Churf. Cantzlers deßen verwaltete professur
•dicis vaciret und erlediget und nunmehro dieselbe mit einer
dem qualificirter person zu ersehtzet bey E. Churf. Gnaden
edigst verhaltett.
Undt aber ich ein Zeitlang hero nach angenommenem gradu
ctoratus und gehaltener alhie gewöhnlicher repetition nicht
ein bey E. Churf. Gnaden wolverordiietom löblichem Hoffgericht
vocando, sonder auch der loblichen Universitet gewohnlichen
lieben Proceß (ohne gesagtem rhum) mich dermaßen kündig
d erfahren gemacht, daß ich mich der orten besonder gern in
istcn dem gemeinen wohlstandt meines geliebten vatlerlandts
e guttem gebrauchen zu laßen, gäntzlig entschloßen, auch solche
rmittelß Göttlicher gnaden der gebühr zu vertretten getrawe.
Also gelanget ahn E. Churf. Gnaden mein Underthenigst hoch-
ißiges bitten, dieselbe geruhe mich zue solcher vacirenten pro-
jsur stell gnädigst uf- undt ahnnehmen.
Will Ich mich in ahnbefohlenen Sachen verhülfiich Göttlichem
Island allem möglichstem fleiß nach dermaßen erzeigen undt
iden laßen, daß E. Churf. Gnaden undt mäniglich ob solchem
a gnädigstes stätsammes genügen undt kein rhewliches nach-
tncken haben soll. E. Churf. Gnaden Göttlicher Almacht zue
agwuhriger friedtfehriger regirung undt allem Churf. wolstandt
iderthenigst trewlichst entfehlendt Undt deroselben verhoffent-
;he gnädigste resolution underthenigst erwahrtend.
E. Churf. Gnadten underthenigster Gehorsamster
H. C. Muntzethaler. Dr.
Rückseite: Dem hochwürdigsten in Gott Fürsten undt herrn, herrn
ban Schweickharten Ertzbischoffen undt Churfürsten zu Maintz, meim
ledigsten herrn.
Von anderer Hand: 1616 2 Maij. Durchstrichen: 1643 hoc anno
iit Hern*. Faber. Knodt, S. 48, Unter der Adresse: Muntzontlialer. (Joh.
hweickhardis Hand?)
XVIII.
r. Kaspar Beußer, seither am kurfürstlichen Vikariatsgericht
jschäftigt, bittet den Kurfürsten Johann Schweickhardt,
e Lectura in Jure ci\n[li, die durch den Tod seines Schwie-
jrvaters, des kurfürstlichen Kanzlers Franz Philipp Faust,
iedigt sei, ihm zu übertragen, wofern nicht Hofräte sich
i'i*
148 Heinrich Schrohe.
darum bewürben. Er unterstützt sein Gesuch mit dem Hin-
weis darauf, daß sein Schwiegervater beabsichtigt habe, ihm
zum sicheren Besitze der Professur zu verhelfen.
(Den 12. Juni 1616.)
Mainz. Stadtbibl. Univers. No. 108.
Hochwürdigster Churfürst E. Churf. Gnaden seindt iederzeitt
mein underthenigst unnd gehorsambste dienst pflichtschuldigsten
vleyß unnd eußersten Vermögens zu voran. Gnedigster Herr!
E. Churf. Gnaden haben ohne Zweiffell bißannoch in gnedigstem
andencken, waß gestalt dieselben zu näherem mahl nach thödt-
lichem abieben weiland t Herrn Frantz Philips Fausten E. Churf.
Gnaden geweßenen Cantzlers meines Hochgeehrten unnd beliebten
Herrn Schweher-Vatters seligen ich umb deßen erledigte Lectur
in Jure Civili, welche er in seinen lebtagen unnd sonderlich in
zwüschen der Zeitt, nachdem er von E. Churf. Gnaden Hoff zu-
gestandener leibs ohnvermöglichkeit halben sich zu mehreren!
ruchsamen weßen begeben müßen, iiitt ohne bekhandtlichen rühm
in allwegen bediehnet unnd versehen gehabt, in Unnderthenigkeit
supplicirendt angelangt, warzu mich dann nitt allein die ahn
E. Churf. Vicariat Gericht nuhn ettliche Jahr hero fast quadruplirte
ordinari mühsame laborn alß die sich auch ins khünfftig, wo nitt
häuffen unnd mehren, doch zum wenigsten alßo continuiren
mögten, hingegen aber die Wenigkeit davon habenden Jährlichen
salarij angetrieben, Sondern mihr auch wohlermeldtes meines
Herrn Schweher-Vatters uff seinem thodtbett drey tag vor seinem
seligen abscheiden ultronec ohne einige meine erinnerung geführte
reden, daß er mihr zwahr längst hiebevor die Vertröstung gethan,
seine bißanhero gehabte Lecturam Juris bey E. Churf. Gnaden
vor meine person unnderthenigst dergestalt außzubitten, daß ich
nach seinem absterben deren gantz gesichert sein solte, hette aber
deme seines theills gethanem vertrösten noch zur Zeitt nitt nach-
gesetzt, mögte gleichwohl selbige mihr von hertzen gehrn gönnen
und gnugsame anleitung gegeben haben. Wiewohl ich nuhn
mittler weill dero tröstlichen hoffnung gelebt, E. Churf. Gnaden
auff solches derselben mein eingeschicktes unnderthenigst suppli-
cirn, gegen dem Edlen unnd Hochgelehrten Herrn Nicoiao Gernon
der Rechten Doctorn E. Churf. Gnaden gehaimen Rath unnd Vice-
Cantzler alß meinem zu dem effect erpettenen großgünstigen Herrn
Patron unnd Maecenaten einer gnedigsten gewirigen antwortt sich
erklären würden, So ist iedoch einige biß dato nitt ervolgt. Wann
ich aber eußerlich so viell berichtet werde, daß obberürte va-
cirende Lectur von E. Churf. Gnaden biß noch ohnconferirt ver-
plieben, sondern in gnedigster election unnd wähl der concur-
rirenden Supplicanten stehen sollen, derohalben gelangt ahn E.
Churf. Gnaden nochmals mein gantz underthenigst unnd hoch-
flehentliches bitten, wofern keiner auß dero Churf. Gnaden Hoch-
ansehnlichen Herrn Hoff-Räthen, denen ich dißfals gahr gehrn
cediren will unnd zu cediren schuldig binn, dero mehrbesagter
Lectur begeren solte, dieselben mich vor anderen damitt gnedigst
providiren und gleichsamb zur Recompens meiner ahn obge-
dachtem E. Churf. Gnaden Vicariat-Gericht bißanhero gehabter
Die Wiederbeselzung erledi^er Professuren. 149
menniglich derorthes bekhandter mühe unnd arbeit begnadigen
wollen, Verhoffe unnd getrawe solche Lectur Stell unnd waß
dabey mihr alß dem iüngst ankhommenden wie gepreuchlich
praesidendo promovendo referendo unnd sonsten weitters zu ver-
richten obligen wirdt, alßo vermittelst Göttlicher gnad zu ver-
dretten unnd zu versehen, daß andere zur Juristen Facultet ver-
ordnete Herrn Ordinarij Professores ahn meiner person unnd
fürfallenden Expeditionen versehentlich ein gutes contentament
gewinnen sollen. Welcher von E. Churf. Gnaden meines theills
unnderthenigst gepettener gnad mich gäntzlich getrösten thue
unnd will solche gnaderweyßung die Zeitt meines lebens, gestalt
ohne daß verpflichtet binn, mitt meinen eußerst vermöglichen wie-
wohl zumahl geringfügigen diensten gehorsamst zu bediehnen
empsiges ohngespartes Vleiß bereit unnd gevliesßen sein, E. Churf.
Gnaden damitt dem Allmächtigen zu lang bestendiger leibsge-
sundtheit unnd friedtglücklicher Churfürstlicher Regirung, mich
aber Deroselben zu wehrenden gnaden in unuderthenigstem gohor-
samb anbevehlendt
E. Churf. Gnaden
Unnderthenigster unnd gehorsambster diehner
Casp. Beußer Dr.
Rückseite: Dem Hochwürdigsten Fürsten unnd Herrn, Herrn Johann
Schweickhardten Ertzbischoven zu Meintz deß Heyligen Römischen Reichs
durch Germanien Ertz-Cantzlem unnd Churf ürsten. Meinem Gnedigsten
Herrn. Von anderer Hand: 1616 12. Jun. Praesentirt Meintz, den 12. Junij
Annu 1616. D. Beysser. (Joh. Schweickhardts Hand?)
XIX.
Dr. med. Stephanus Dominicus Brunheimer^^, welchem nach
dem Tode des Dr. Gerhard Holtmanni^ die Lektur der Ge-
schichte übertragen wurde, hat während zweier Jahre keine
Entschädigung dafür erhalten, ja es wurde sogar der Sekre-
tär Dopperich mit der Lektur betraut. Er bittet daher Rektor
und Universität, seine Rechte zu wahren.
Mainz, den 13. Oktober 1620.
Gen. - Rez. Mainz.
Jam secundus ferme agitur annus, Magnifice Rector cacterique
Patres Assessores Academici, quod post defunctum Venerandum
senem D. Gerardum Holtman piae memoriae Lectura Historica
donatus sum communi Assessoruin tum temporis calculo. Cuius
Pei gratia meum erga Academiarn nostram aniinum magis devinc-
tum habebam, sed (quo nescio fato) contigit, quod eadem lectura
hacienus frui neutiquam mihi licuerit pcnsumve duorum anno-
if fber Stephanus Dominicus Brunheimer findet sich in dem Album
der Mainz, medizinischen Fakultät folgender Eintrag: Anno Domini 1616
21. Januarij receptus est ad facultatem Medicam iuxta eiusde^ Statuta
Stephanus Dominicus Brunhejmerus, proniotus Friburgi Brisgoviae
Kedicinac Doctor, praesentibus Clarissimis et Experientissimis DD. Joane
Georpio Thein Decano et Joanne Nicoiao Fischer Seniore. Vergl. auch
Knodt, a. a. 0., S. 93 u. 97. — i" Knodt, a. a. 0., S. 72.
150 Heinrich Schrohe.
mm nulluni receperim. Et lecturae ut video praeter Academicorum
scitum alius longe post me, Dominus nempe secretarius N. Dop-
richt substitutus sit.
Res duobus his ferme annis summopere mihi cordi fuit atque
iam dudum libellum hunc reminiscentiae obtulissem, nisi spes
me aluisset, patres Academicos privilegiorum memores (cum his
alios cadere durum sit) pro necessitate laboraturos, ut sui con-
socii Academici Jurati ad munera et stipendia demerenda magis
promoverentur quam alius quispiam qui vel gradu palaestrico
non insignitus Vel letiam in album Academicum nuUo modo
inscriptus sit.
His igilur pensatis tandem ego pro partis meae debito
decentique ad Vestrara Magnificentiam et Clarissimos D. D.
Vestras supplex venio, ut gratiae munus quoddam tarn erga me
quam statu torum nostrorum symphoniam demonstretis, rem, ut
aequi bonique est, persolvatis et tandem securitatem mihi authori-
tate vestra causetis.
Id ipsum, si qua ratione per me erga Magnificentiam et Cla-
rissimas DD. Vestras recompensari queat, omnem me lapidem
motarum nolim dubitetis. Mogunliae 13 1»« Octobris 1620.
Magnificentiae Vestrae et Clarissimis Dominationibus Vestris
officiose addictus Stephanus Dominions Brunheimerus Med. Doctor.
Copia supplicationis Domini Doctoris Stephani Dominici
Almae Universitati Mog, 16. Decembris 1620 exhib.
XX.
Rektor und Universität erklären dem Kurfürsten Johann
Schweickhardt, ihnen habe die Übertragung der Lectura
historiarum stets zugestanden und dementsprechend hätten
sie diese im Erledigungsfalle dem Dr. phil. et med. Stephanus
Dominions übertragen, während sich diese der Hofsekretär
Gabriel Dopperich angemaßt habe; übrigens könne letzterer
eine Professur oder Lektur nicht erhalten, weil er an der
Universität weder graduiert noch immatrikuliert sei. Sie
bitten deshalb, dem Dr. Stephanus Dominicus zu seinem
Recht und seinen Gebühmissen zu verhelfen.
Den 18. Dezember 1620.
Gen. - Rez. Mainz.
Hochwürdigster Ertzbischove !
Waß ahn unnß dieser tage Stephanus Dominicus philosophiae
unnd Medicinae Doctor schrifftlich supplicando gelangen laßen,
daßelb haben E. Churf. Gnaden auß der Beilagh mit nehreriu
gnädigst zue vernehmen.
Nuhn ist nit ohn, daß uff absterben Magislri Gerhardi holl-
mans so nach Dr. Bürgers thodt seeligen die vom supplicanten
angedeute Lecturam Historicam anno 1617 den 16, Septembris
von unnß einj>fangen, wie ihme Doctori Dominico hernachmals er-
wente Lectur alß wieder Vacirent den 28. Novembris abgewichenen
Sechßzehenhundert Achtzehenten ihars einhelliglich conferiret.
• Die Wiederbesetzung erledigter Professuren. 151
darab er vom herrn Siegler seithero daß hörlich Gelt nhie nit be-
kohmen, Sondern hingegen in Crafft eines von E. Churf. Gnaden
ahn vorigen herrn Sieglern Joannem de Colonia sub dato den
12. Decembris ermeltes Sechßzehenhundort Achtzehenten Jahrs
abgangenen Schreibens unnd darin begriffener Collatur sich deßen
dero hofifsecretarius Gabriel Dopperich angeniaßet unnd noch an-
maßen thuet.
Dieweill aber in unsern statutis^»^ außdrücklich vorsehen
unnd bißhero bey der Universitet so gehalten worden, daß nie-
mandt einige lectur oder Profeßur haben solle noch möge, welcher
zuvhor der Universitet nit Immatriculirt unnd in einer Facultet
graduirt ist, Also kan ermelter secretarius, so weder graduirt noch
immatriculirt, dieser lectur zuemahl nit fehigh sein.
Zue deme vermögen auch die statuta, wie E. Churf. (jnaden
auß beygefüegtem extract*^ gnedigst zuesehen, daß Rector unnd
Universitet diese lectur iederzeit conferiren sollen, gestalt bißhero
ihe und allewegh beschehen. Sinthemahl dan nuhn solche Lectur
nhie nit vaciret (wie E. Churf. Gnaden zwahr änderst berichtet
worden), sondern nach absterben D. Bürgers dieselbe alßbaldten
Dr. Holtman und nach solchem ietzigem su|)plicanten conferiret
gewesen, dabey auch den statutis unnd observantiae nachgesehen
worden.
A1.S0 verhoffen wir derohall)en unnderthenigst E. Churf.
Gnaden deme unnd den statutis ichtwas zuewieder nicht be-
schehen, sondern vielmehr unnß wie bißhero also furohin bey
solchem herbrachten Jure conferendi verpleil)en, die Statuta in
vätterlichen Gnaden handthaben unnd obangeregtem supplicanten
sein gebühr sambt deme ausstandt hiefuhro von dero ietz ver-
ordtnetem herrn Sieglern gnedigst vergnüegen unnd liefferen
i^ In den Akten der Generalrezeptur finden sich dio Stellen der
Statuten, die für diese Erklärung in Betracht kommen, in doppelter, nicht
ganz gleichlautender Ausfertigung; die Varianten sind eingeklammert:
Extractus Statutorum Almae Universitatis Mogun. Ex Ruhrica. De
Matricula. Statuimus et ordinamus, ut (omnes) cpii de Corpore Universität is
Mogun. censeri et reputari volunt, in Matriculam se iiiscrihi faciant. alias
enini eos (nee privilegijs Universitatis praedictae ftaudere) nee ad aliquam
professionum maxime, ut in illis legant, recipi volumus.
Ex Rubrica. De Lecturis: Statuimus praeterea et ordinamus, ut
nullus Doctorum, (Licentiatorum, Magistrorum, aut ruiusque aherius
Status) in aliqua professione seu facultate legere, exercere, aul dispu-
tarc praesumat, nisi prius üniversitati nostrae sit immatriculatus et (in
eam facultatem, in qua legere intendit, sit receptus et) a Rectore denique
iicentiam obtinuerit. — Auf der Rückseite des oinen Auszuges sieht 1(520
10. Dezember.
^^ Ebenda: die Stelle, die hier in Betracht kommt, hat in der aus-
führlicheren Form folgenden Wortlaut:
Ex Statutis Collegii Schenckenhergli suh. Tit. De Lectionibus: His
superest lectio Historica, quam piae memoriae Vir l>ominus Ivo Wili-
ps, Juriunr«. Üoctor et Juris (Canonici Ordinarius alque sigillifer, sua muiii-
ficentia instituit; (ea alternis octennis annis utrique gymnasio per vic«^s
cedit;) quod si professor liistoricus (intra octennij spatium) lectionem re-
bignaverit, Universitatis (non facultali.s) est, alium ex eadem domo sufficere.
152 Ueüirich Schruhe.
werden laßen. Solches gereicht zue handthabungh der Universilet
Jura unnd Statuta unnd wir seint es hienwider umb E. Churf.
Gnaden zu verdienen wie ohne daß Pflichtschuldigh also willigh.
Dieselbe damit Göttlichem Gnadenreichem Schutz trewiichsl
dero aber unnß zu bestendigen Churfürstlichen Gnaden under*
thenigst gehorsambst empfehlent.
Datum den 18. Decembris 1620.
E. Churf. Gnaden underthenigst gehorsambste
Rector unnd Universitet in Meintz.
Rückseite: Copia Schreibens ad Reverend issimum Archiepiscopuni
Moguntinum (1620 18. Dec.)
XXI.
Dr. Kaspar Beußer-® bittet den Kurfürsten Georg Friedrich,
ihm die erledigte Lectura Juris civilis zu übertragen. Diese
Bitte sprach er unlängst aus, als Dr. Valentinus Amandus
Bleydenstatt^i von gefährlicher Leibesschwachheit ergriffen
wurde; jetzt, da Dr. Bleidenstatt in verflossener Nacht ver-
starb, wiederholt er sie.
Mainz, den 30. Juni 1628. Mainz. Stadtbibl. Univers. No. 108.
Hoch würdigster Churf ürst, E. Churf. Gnaden Seyen meine
Underthenigst getreuwilligste dinst in schuldigstem gehorsamb
jederzeit bereit zuvorahn.
Gnedigster Herr!
E. Churf. Gnaden möegen sich ahnnoch gnedigst erinneren,
waß ahn Dieselben Ich ohnlängsthin, alß damahlß herr Dr. Va-
lentinus Amandus Bleydenstatt in gefährlicher leibsschwacheit
begriffen geweßen, Seiner bey alhiesiger Universität habendter
Lecturen Juris Civilis halben da selbige uff deßen begebendten
töttlichen abgangh vacirent werden soltte, in underthenigster Pitt
gelangen laßen, Wan nuhn ehr Dr. Bleydenstatt, maßen Ich bericht
bin, in verwichener Nacht Sein leben geändet, deme der Almechtig
liebe Gott vätterlich gnaden undt barmhertzigh sein wolle, und
also deßelben Lectura Juris nuhnmehr E. Churf. Gnaden lediglich
ahnheimb gefallen ist, So will meine dabefohr abgangene demüh-
tigste Pitt, weßen auch dabeneben gegen E. Churf. Gnaden unndt
dero herrn Cantziern mich gehorsambst erpietig gemacht, noch-
mahlß underthenigst wiederholt haben, lebe daruff dero getrösten
Zuversicht, wo solche lectur von E. Churf. Gnaden ettwan noch
zur Zeitt ohnbegeben sein soltte, Sie werden damit meine w^enige
Persohn vor anderen gnedigst nitt ohnbedacht laßen, undt thue
hierumbe E. Churf. Gnaden der Göttlichen obacht zue beständiger
guetter leibß vermöglighheit langwehrendter Churf. Regierungh
undt allem erwünschten wohlstandt, dero aber mich zue ge-
trewisten immermöglichsten schuldtpflichtigsten diensten gantz
underthenigst empfhelen. Geben Meintz den 30. Junij Anno 1628.
Ew. Churf. Gnaden
Underthenigster und gehorsambster diehner
Caspar Beusser Dr.
ifo Vergl. Beilage No. IX, X, XVI, XVIII u. XXIV.
21 Knodt a. a. 0.. S. 88.
Die Wiederbesetzung erledigter Professuren. 153
Rückseite: Dem Hochwürdigsten Fürsten undt Herrn Herrn Georg
Friderichen Ertzbischoven zue Meintz deü hayügen Römischen Reichs
durch Germanien Ertzcantzlern undt Churfürsten, Bischoven zue Wormbs,
Meinem Gnedigsten Herrn. Von anderer Hand: Dr. Beusser. Praesentirl
Meintz den 1. Julij 1628.
XXII.
Dr. Lubentius Pfingsthom", dem Aussicht auf eine Richter-
stelle oder auf ein Assessorat bei dem kurfürstlichen Hof-
gericht eröffnet worden ist, bittet den Kurfürsten Georg
Friedrich, ihm die Professur zu verleihen, die durch den
Tod des Dr. iur. Bleidenstatt in der juristischen Fakultät er-
ledigt ist.
(Den 8. Juli 1628.)
Gen. . Rez. Mainz.
Hochwurdigster Churfurst, Gnädigster Herr. Ew. Churf.
Gnaden haben sich ohn Zweiffell noch gnädigst zu entsinnen, waß
maßen Ew. Churf. Gnaden (alß ich vor etlichenn monathen umb
ein guete wilfarige gnädigste befurderungh, da inßkünfftigh bei
einem weltlichen Stattgericht durch eines thodtlichen abgangh ein
Richterstelle oder bei einem löblichen Churf. Hoffgericht ein
Assessorat erlediget solte werden, mir zu erweißenn in under-
thenigst supplicando hab angehalten) die gnädigste vertröstungh
gethann, meiner inßkünfftigh auf begebende gelegenheit in Gnaden
eingedenkh undt behülfflich zu sein. Dieweil sich nun nach dem
willen Gottes begebenn undt zugedragenn hatt, daß der Ehrnvest
undt hochgelehrt her Pleienstatt der Rechten doctor undt in facul-
tate Juridica alhie zue Maintz geweßener Professor iuris Ordinarius
kurtz verrückter tagen thodts verfahrenn und auß dießem zer-
gienghlichen leben in Godt verschiedenn ist, deßen Sehl Golt
gnädigh undt barmhertzigh sein wolle, also daß solche professur
nhunmehr erledigt undt dan Ew. Churf. Gnaden ahn deß im hern
entschlaffenen Doctoris Pleienstadten statt ein andere qualificirte
Persohn zu verordtnenn gnädigst bedacht ist, Wan dan ich solchen
obangeregten erledigten dienst undt professur vermittelß Gött-
licher Gnaden getreuUch zu versehen getraue, auch nichts liebers
wünschen mögt, alß daß von Ew. Churf. Gnaden ich zu solcher
erledigter professur gnädigst jkönte bef ürdert werdenn. In sonderer
betrachtungh, daß ich mein übrige hoffnungh lebens (so ich in
studijs et praxi gesetzt hab) under Ew. Churf. Gnaden protection
schütz und schirm woU zubringenn undt meiner bißhcro in studijs
gehabter muhen undt angewandtenn fleiß einigen nutzen spuren
und befinden mögt. So glangt undt ist ahn Ew. Churf. Gnaden
mein underthenigst gehorsambste bitten undt begehrenn, Dieselbi^e
geruhen mich der gnädigsten vertröstungh nach in Gnaden ietz
zu bedencken undt ahn deß im hernn entschlaffenen Doctoris
Pleienstatt geweßenen in facultate juridica alhie zu Maintz Juris
Professoris ordinarij erledigte Stelle für anderen exspectanten zu
genuß deßelben mich khommen, auch mich darzue auf- undt ahn-
" Vergl. Beilage No. XXVI.
154 Heinrich Srhrohe.
zunehmen gnädigst ahnordtnen laßen, wil ich demselben getreu-
lich vermittels Göttlich Gnaden also abwartenn undt mich so ge-
fließenn verhalten, daß Ew. Churf. Gnaden undt sonsten menigh-
lich verhoffentlich werden darab ein Gnädigst gunstigen undt
freundtlichenn wolgefallenn haben undt dem gemeinen Vatter-
landt zu nutz undt meines Nechsten wolfhart geraichen soll.
Solches umb Ew. Churf. Gnaden bin ich mit underthenigsten ge-
horsambstenn dienstenn zu verdienen willigst Damit Ew. Churf.
Gnaden Göttlicher protection zre langhwiriger glücklicher Re-
gierungh emphelendt
Ew. Churf. Gnaden
Underthenigster
Lubentius Pfingsthornn Dr.
Rückseite: Ahn den Hochwurdigsten Fürsten und Herrn Herrn Georgh
Friderichen deß heiligen Stuelß zu Maintz Ertzbischoffen, deß heiligen
Römischen Reichs durch Germanien Ertz-Cantzelern undt Churfürsten.
Rischoflen zue Wormtß, Meinem Gnädigsten Furstenn undt herm. [Inder-
thenigsto supplication. Lubentij Pfingsthornn Dr. Von anderer Hand:
1G28 8. Juli.
XXIIl.
Dr. Johann Adam Krebs ^3 bittet den Kurfürsten, ihm die Pro-
fessur zu verleihen, die in der juristischen Fakultät durch
den Tod des Dr. Andreas von Jossen frei wurde. Krebs
weist zu seiner Empfehlung u. a. darauf hin, daß er während
des Exils (= schwedische Besetzung der Stadt Mainz) an
seinem Aufenthaltsort mit Zustimmung der juristischen Fa-
kultät ein Privatkolleg gehalten habe und gleiches für den
kommenden Winter seines Unterhaltes wegen plane.
(Den 7. November 1635.)
Gen.-Rez. Maini.
Hochwurdigster Ertzbischove undt Churfurst. E. Churf-
Gnaden seyen meine underthänigst gehorsainbste dienst ver-
pflichtem eußerstem vermögen undt debuoir nach bereit vor-
Gnädigster Herr!
Waß moßen E. Churf. Gnaden professuren eine zuMeintzdurchi-
ableben ür. Andreae Jossen vacirendt worden undt deroselben giia.^
digstem belieben nach wiederumb zu ersetzen ist, deßen werder»-
E. Churf. Gnaden zweiffelß ohne annoch gnädigster erinnerunfS^
sein. Wan ich dan, gnädigster Churf. undt herr, nach Vollender»
vieljahrigen Juridischen Studijs undt angenohmenem gradu Doc
toratus Zeit wehrendes unseres exilij mit consens Juridicae facul'
tatis dieser ortß ein collegium privatum ein Zeitlang gehalten*
auch noch ferners dießen winter über (im fall der Allmechtig^
unsere restitution prolongiron werde) derogleiche collegia zu
notwendigem meinem underhalt anzufangen undt zu volfuhren
mich (Belibts Gott) zu undernehmen gedenckhe dergestalt,
daß im fall schier oder morgen durch E. Churf. Gnaden gnädigster
Verordnung daß Studium Juridicum in flohr undt öffentliche
2^ Vergl. Beilage No. XXVll.
Die Wiederbesetzung erledigter Professuren. 155
Tjung in deroselben Churf. haubt- undt residentz-Slatt Meintz
olle gebracht werden die gesagte ledige professurstell (ohne
ahm zu melden) nicht allein der gebühr undt erforderter
chuldichkheit nach zu verdrehten niihr wohl getrauete, sondern
ff solche begabenheit nach derogleiche pfofcssur auch so viel
oh mer gehorsambst anhalten wölte.
Also habe die underthänigst flehentlichster pitt, mich bey Ew.
'hurf. Gnaden hiermit gebrauchen wollen, daß dieselbe mit an-
eregter professur stelle mich zu begnädigen undt mihr selbe vor
ndern anzuvertrawen gnädigst geruheten.
Welches umb E. Churf. Gnaden mit gebührendem fleißigsten
hacht bey offtgesagter professur undt sonsten mit schuldigst
ehorsambstem ufwarten eußerstem Vermögen nach zu verdienen
iiich underthänigst befleißen werde; Gott den Allerhöchsten
»ittent, daß Er E. Churf. Gnaden langwierige gude leibßfristung
verleihen undt deroselben Churf. regierung also vatterlich segnen
Völle, dahmit dehro Ertzstifft undt daß Rühm. Reich inßgemein
inieezo, schier künfftig aber die posteritot deßen sich zu er-
freuen möge haben.
E. Churf. Gnaden
Underthänigst gehorsambster Diener
Johan Adam Krebß Dr.
Rückseite: Pitt underthenigst umb die durch abieben Doctoris An-
«ireae Jossen verledigte Professur Stelle.
Von anderer Hand: 1635 7. Noveinbris. Underthänigste supplication
Dr. Jo. Adami Krebs. Praesentirt Cöln, den 7. Novenil)is 1635.
BenQcrkung des Kurfürsten: Fiat, ut petitur; Anseimus Casimirus
Archiepiscopus.
XXIV.
Dr. iur. utr. Karl Faber** richtet an den Rektor Dr. theol.
N. Broich und an die Universität die Bitte, ihm die Professur
der Geschichte, die durch den Tod Kaspar Boußers erledigt
sei, zu übertragen.
Den 16. September 1637.
Mainz. Stadtbibl. Univors. Nu. 108.
Reverende et Eximie alniae Uaiversitatis Moj^untiaae Rector
^^^gnifice, sacrosanetae Theologiae Üoctor profundissiine, Domino
^^'^iendissime.
Reverendae Magnificentiae Vestrae absquo dubio innotescit
^ualiter ab obitu quondam Clarissinü et Consultissimi viri Domini
^^pari Beassers professura eiusdem Historiarum Reverendae
^^gnificentiae Vestrae almaeque universitati Moguntinae confe-
^^nda cesserit.
** Bald nach dem Tode des Dr. iur. Dionysius Campius erhielt Karl
^*ber dessen erledigte Stelle an dem kurfürstlichen Vikariats- u. Proto-
nolariatsgericbte. Unter dem 16. Oktober 1641 (Datum Mainz) befiehlt
der Kurfürst Anselm Casimir dem Provicar in spiritualibus Dr. Freys-
kch, an Stelle des abwesenden Vikars in s[)iritualibus Dr. Karl Faber
in Pflicht zu nehmen und an genannten Gerichten zu installieren. Akten
der Generahrezeptor.
156 Heinrich Schrohe.
Itaque cum nemo sit qui in praefata universitate ean-
dem hactenus expetierit, haud iniqua spe fretus reor eos
qui quorumve parentes erga hanc almam universitatem Mo-
guntinam bene meriti fuerunt prae aliis bravio quodam sive
honore condecorandos fore. Eapropter summis quam possam
precibus contendo, Reverenda Magnificentia Vestra atque alma
haec universitas Moguntina me eodem honore et professura
honorare sive conferre non dedignetur.
Quod cum summa gratitudine animi tum omni genere humani-
tatis et officij erga Reverendam Magnificentiam Vestram adeo
que totam universitatem Moguntinam promereri conabor, Re-
verendae Magnificentiae Vestrae animi declarationem desuper soh-
misse expectans 16. Septembris Anno 1637.
Reverendae Magnificentiae Vestrae ad obsequia paratissimus.
Carolus Faber J. ü. Dr.
Rückseite: Reverendo et Eximo viro Domino N. Broich** almae uni-
versitatis Moguntinae Rectori Magnifico, S. S.*® Theologiae Doctori pro-
fundissimo nee non coliegiatae Ecclesiae ad S. Petrum Moguntiae Cano
nico Capitulari dignissimo, Dno suo colendissimo.
Von anderer Hand: Carolus Faber supplicat, ut ipsi Professura
historiarum conferatur a. 1637.
XXV.
Kurfürst Anselm Kasimir ersucht Rektor und Universität
den Dr. theo!. Johann Jakob Völcker^^a mit dem Universitats-
Kanonikate zu providieren, das an dem Liebfrauenstift durch
den Tod Dr. Sebastian Stechmanns seit längerem er-
ledig:t ist.
Mainz, den 12. Januar 1639.
Mainz. Stadtbibl. Univers. No. 108.
Anselm Casimir von Gottes gnaden Ertzbischove zu Maintz
und Churfurst.
Unsern grüß zuvor. Ersame undt hochgelährter Liebe An-
dechtige und getrewe. Bey unß hatt sich der auch Ersame
und hochgelährte Johann Jacob Völckher S. S. Theologiae Doctor
underthenigst angemeldt und ihme zu deme durch tödtliches
ableiben weylandt Doctoris Sebastiani Stechmans Unßers Stieffts
Divae Virginis ad Gradus alhie selig vacirendem Canonicat durch
mittel Unßerer intercession gnädtigst zu verhelffen gantz in-
stendigst gebetten.
Nun haben Wir unß zwar gnedtiglich erindert, welcher-
gestalt in Anno 1635 auß da zumahl von ermeltem Unßern Stifft
eregten und erheblichen Ursachen wir Euch gnedtiglich dahin
vermahnet, daß Ihr mit Ewerer nomination ad vacantem Prae-
bendam Universitatis einhalten und ad tempus damit supersediren,
Euch aber dabeneben versichert halten, daß solches zu keinem
praeiuditio inßkünfftig außgedeutet werden solte, inmaßen dan
wir auch gern vernehmen, daß dem Stifft zu guetem solche da
zu mahl eingewilliget worden ist; Dieweil Wir nun gleichsamb
25 Knodt, a. a. 0., S. 94, 96, u. 101. — »sa Vergl. auch Beil. No. XXVI.
Die WiederbesetzuDg erledigter Professuren. 157
bey unß gnedtiglich erwegen, daß eine geraume Zeit verfloßen
ist, daß solches Canonicat vacirendt verblieben und der ietzige
Supplicant alß ein originarius dießer ohrten seine Studia Philo-
sophica und Theologica alsoweit volnführt, daß er sich nach
verfließung Siebenjähriger Zeit in collegio Germanico zu Rom
mit höchstem Lob und Preyß in Magistrum Philosophiae, hernechst
aber in Doctorem S. S. Theologiae zu Perus promoviren laßen,
unß auch seiner herrlichen vortrefflichen qualiteten halben voa-v^c-
schiedenen Cardinal und andern also hoch gerumbt und ge-
prießen werden, welche sich an ietzo in der thadt also erweiß-
lichen befinden, daß wir ihnen zu seinem vorhabenten intent
und zu erlangung deren bey Unßerm Stifft Stae Mariae Virginis
ad gradus noch ohnbegebenem Canonicat desto lieber befürdert
sehen möchten, Also haben wir nachgestalt dießes subiecti,
welches in Theologica Facultate ad Professuram habile et quali-
ticatum, nit underlaßen wollen, Euch solches hiemit bestermaßen
recommendiren. Euch dabeneben gnedtigst ersuchent, ermelten
Völckher auß denen oberzehlten Ursachen damit zu providiren
nit zweiffelendt, unßer Stifft ad gradus sich seiner persohn her-
nechst in vielfaltigen occasionibus nutzlichen zu bedienen wißen
wurdt und nechst deme eine solche willfährige erklährung unß
zu sonderbahrem gnedigsten gefallen gereicht, So wollen wir
es auch gegen Euch hinwider in gnaden erkennen, damit wir Euch
ohnedaß sambt und sonders wohl gewogen verbleiben. Datum
zu St. Martinsburg in Unserer Statt Mäintz, den 12. Janua'rij
Anno 1639.
Anseimus Casimirus Archiepiscopus Moguntinus.
(Eigenhändige Unterschrift.)
Rückseite: Den Ersamen und Hochglährten Unsem Lieben Andech-
tigen und Getrewen Rectorn Dechant und Doctorn unserer Universitel in
UDBerer Statt Mäintz. Prd. (Produciert?) den 17. Januarij Anno 1639.
Von anderer Hand: Littera Electoris Anselmi Casimiri quibus Joannes
Jac Völcker Theol. Dr. ad Professuram et Canonicatuni ad gradus B. V.
per tempus vacantem commendetur d. d. 12. Jan. 1639.
XXVI.
Beschluß der Universität in der Streitsache des Dr. med.
Hartlieb mit Dr. Hohefcistatt wegen Zulassung des letzteren
zur medizinischen Fakultät.*« Hohenstatt wird für ein rich-
tiges Mitglied der Fakultät erklärt, doch werden ihm, damit
er aller Universitätsprivilegien teilhaftig wird, genannte Ver-
pflichtungen auferlegt.
(Den 16. Dezember) 1646.
Gen. - Rez. Mainz.
Denmach zwischen herrn Justo Hartlieb undt herrn Johan
Martin Hohenstatt, beeden der Artzney Doctorn, sich wegen ietz
*« Über diese beiden Professoren der Medizin sowie über Professor
Simon Jung vergl. Beilage No. XXVIII, ferner Knodt, a. a. 0., S. 102,
103, 106 u. 100: über den Rektor von Andlau Knodt, a. a. 0., S. 100;
158 Heinrich Schrohe.
berührten herrn Hohenstatts admission ad facultatem Medicarn
ein zeithero etliche strittigkeiten erhalten, auch deßwegen Ihro
Churfürst. Gnaden Anselm Casimir hochseligsten andenckens.
dem hochwurdig wohl Edelgeborn herrn Johan Ulrich von And-
law deß hohen Ertz- undt Dohmstieffts Maintz Dohmbsengem etc.
derozeit dieser löblichen Universität Rectorn gnedigst anbefohlen,
diese strittigkeit, befindenen (sie) dingen nach in der gutte zu
componiren undt vergleichen, Also haben hochgedachte ihro
Gnaden dem Edlen undt hochgelehrten herrn Lubentio Pfingst
hörn, der rechten doctorn gnedigst committirt, daß mit zuzihung
gesambten Assessorn dieser Universitet alß herrn Johan Jacob
Völckern S. S. Theol. Doctorn, herrn Frantz Philips Beusseni, der
rechten Licentialen, herrn Johan Jacob Oppenheimern undt herrn
Johan Adam Pfeffern, beede der rechten Doctorn, herrn Simon
Jungen undt herrn Georg Blum, beede der Medicin Doctorn, un<lt
herrn Magist ri Hanseri diese sach furnehmen, beede partheyen
Vorbescheiden, dieselbe ihrer notturfft nach anhören undt dahin
trachten undt sehen sollen, wie vermög obengeregtes gnädigstes
Churf. befelchs diese Differentien ohn andere weitleuffigkeit hin-
zulegen sein mögten. deme dan zu gehorsamen volg Montag den
16. Decembris vermeltc herrn sambt beeden eingangs gedachten
herrn Medicis zusammen kommen undt nach genügsamer an
hörung eines undt andern theilß vor- undt anbringen, endtlichen
die sach dahin componirt undt verglichen, daß weilen facultas
Medica vor 2 Jahren die admissionsgelter von herrn Dr. Hohen-
statt empfangen, zugleich ihnen das gewohnliche juraraentum
praestiren laßen, also wurcklich ad facultatem uff- undt an-
genohmen, wie dan auch derselbe etzliche actus factae adniissioiiis
exercirt. Daß erwenter herr Dr. Hohenstatt auß diesen undt andern
mehr fürbrachten motiven undt Ursachen von zeit an er solches
iuramentum abgelegt pro vero facultatis membro zu achten undt
halten seyo, auch gleich andern aller Universitets pri\ilegien im-
ipuniteten undt befreyungen zu gaudiren undt zu genießen habe
allein mit diesem anhang, daß innerhalb Jahresfrist die gewohn-
liche repetition verrichten oder anstatt derselben uf begebene
gelegenheit einem candidato praesidiren solle. Also reciproce
hierz wischen und hinfüro alle differentien und strittigkeiten hie-
mit uffgehoben amicabiliter et fideliter den patienten zu trost zu
hegebenten occasionibus invicem consultiren undt beyrähtig zu
sein verglichen und beschloßen worden.
Joannes Hoeglein
Syndicus Universitatis Mogunt. in fidem.
Rückseite: Diuis al) Audio Rector Universitatis fuit Anno 1646-
Voh anderer Hand: Coriclusuni Universitatis Moguntinae ex paile
Doctoris Hohenstadt contra Doctorem Hartlieb 1646.
über Lul)entiiis Pfingsthorn Beilage No. XXII; über Oppenheimer Knodt,
a. a. p., S. 101 ; über Reusser ebenda, S. 104; über Pfeffer ebenda,S. 103;
über Völcker Beilage No. XXV.
Die Wiederbesetzung erledigter Professuren. 159
XXVII.
Kurfürst Anselm Kasimir teilt der Juristenfakultät mit, daß
er 1635 seinem Rat, dem Dr. iur. Johann Adam Krebs ^S die
erledigte Professur des Dr. Andreas von Jossen übertragen
habe; darum befiehlt er, daß dieser baldigst dazu präsen-
tiert würde.
Mainz, den 17. September 1647.
Gen. - Rez. Mainz.
Anselm Casimir
Unsern grues zuvor. Ersamb und hochgclerte liebe an-
dächtig und getrewe. Demnach wir dem auch Ersamb hochge-
lerten Unserm Ralh und lieben getrewen Johann Adam Krebßen
der Rechten Dr. im Jahr 1635 diejenige professurstelle, die
durch absterben weylandt Dr. Andreae von Jossen bey unserer
Juristen-Facultet alhie dahmahlen vacirendt worden gnedigst con-
ferirt undt dahero gern sehen theten, daß derselbe ehist hierzue
praesentirt undt vorgestelt werde, zumahlen Er sich bei jüngst
vorgegangener praesidirung hierzu genugsamb qualificirt gemacht
hat, also befehlen wir hiemit gnedigst, Ihr wollet gedachten
Unsem Rath auf- und annehmen undt unserer facultet an obged.
Dr. Jossen see. blaz dem herkommen gemeß praesentiren, daran
erstattet ihr Unsern gnedigst befehlenden willen und hleil)en
euch benebens zue gnaden wol gewogen. Datum zue S. Martins-
burg in unser Statt Mainz den 17. septembris 1647.
Adresse: Ahn die Juristenfacultet aUiie. Zu Beginn des Schreibens
<»ben links: Cron.
XXVIII.
Die medizinische Fakultät erklärt dem Kurfürsten ihro Be-
reitwilligkeit, sich bei dem jetzt eingetretenen Frieden in
den Dienst der studierenden Jugend zu stellen, und bittet
deshalb um ein jährliches Stipendium; mit dessen Einrich-
tung wünscht sie den Domdechanten und Statthalter betraut.
(Den 21. Februar 1661.)
Gen. - Rez. Mainz.
Hochwürdigster Ertzbischoff und Churfürst. Gnedigster Herr!
Ewer ChurfürsÜiche Gnaden werden zweiffeLsfrey gnedigstes wissen
tragen, was gestalt ahnnoch kurtz vor dem letzthin im h. llöni.
Reich insonderheit aber dieser orthen ahm Rhein- und Mayn-
slrom eusserst gewütenden Kriegs- und Unweßen alle vier Fakul-
täten dero Universität oder hohen schul alhie zu Mayntz also
darunter auch die löbl. Mcdicin vermittelst fleißiger professur
oder öffentlichen leßens, vigore Churfl. befehlen und Statuten
im flor geweßen, aber neben vielen andern guten und nützlichen
Sachen viel iahr lang bis daher gantz daniderligen blieben.
Wan aber durch die gute des Allmächtigen und Ew. Churfl.
(inaden als Patriae patris höchstrühmliche Ireweyfferige (^oope-
27 vergl. Beilage No. XXIV.
160 Heinrich Schrohe.
ration, hülff und Sorgfalt wir nuhnmehr samptlich widerumb in
ruh und frieden gesetzt seind, darinnen die gesampte Studia za
Gottes Ehr und des Vatterlands Wohlfahrt ferner floriren und
neben der Theologia iurisprudentia und Philosophia auch das noth-
wendige heylsame Studium medicum vermittelst fleißiger professur
reassumiret und wider ahngestellet werden könte« zumahlen da
sich dieser Zeit, in welcher sonsten kein geringer defectus mehrer i
medicorum zu spühren, von Scholaren oder Studenten meist
landskindem etzliche feine ingenia ahngeben und hierinnen gern
die hülffliche band gebotten sehen möchten.
So weren wir unterschriebene von E. Churfl. Gnaden Lobl.
Universität ahn statt doctoris jungen und doctoris hartliebs
Seel. ernante zu professoribus Medicinae geneigt und erbietig, za
berührtem Zweck und Verlangen der studirenden Jugend unßere
von Gott verliehene Talenta ersprießlich ahnzuwenden, in Ew.
Churfl. Gnaden gnedigstes gefallen gehorsambst stellend, ob selbige
diese unßere wohlgemeinte unterthänigste offerta gnedigst genehm i
halten und umb ein billiches iährliches Stipendium, darahn zwar
das stifft S. Stephan ein gewisses weniges zu erledigen schuldig
were, authentisiren, zu dem end auch, jedoch ohne unßer maß-
geben, des herrn Dhomdechants und Statthalters Hochwürden und
Gnaden dieses werck bester und billigster maßen, weilen besa^
Stifft S. Stephani unßerer medicinischen facultät ohnedas noch
ein zimliches im rest, das werck einzurichten gnedigste coro*
mission ertheilen wolten.
Hierüber Ewer Churfürstlichen Gnaden gnedigste befehlende
resolution und meinung unterthänigst erwartend
Ew. Churfl. Gnaden
Unterthänigste trewgehorsambste
Ludwig von Hörnigk
J. Martin Hochstatt
Job. Joachim Becher
Medicinae Doctores.
Rückseite: Ahn Ihre Churf. Gnaden underthänigst memoriale ^
Medicinischen Facultät doctoren in Mayntz.
Von anderer Hand: Den 21. Februarii 1661 ist diese schrÜR
originaliter nach würtzburg geschickt und hiesigem herrn Statthaltern
unterlhänig recommendiret worden. ^8
Beilage zu dem Aktenstück XXVIII.
Ober die in dieser Eingabe genannten Professoren der M«;
dizin Simon Jung und Jodocus Hartlieb sowie über die drei
Unterzeichner der Urkunde finden sich in dem Album der
Mainzer medizinischen Fakultät (Mainzer Stadtbibliothek)
folgende Einträge:
Anno Domini 1617 undecimo Januarij receptus est ad facul-
latem Medicam iuxta eiusdem statuta Simon Jung Moguntinus,
2P Der hier erwähnte üomdechant und Statthalter ist Johann voa
Heppenheim, genannt von Saal. Vergl. über ihn Schrohe, in der Fest
Schrift für Prälat Schneider, S. 141—157.
Die Wiederhesetzung erledigter Professuren. 161
lotus Romae in Medicinae Doctorein, praesentibiis Clarissimis
si)erientissiniis D.D. Joanne Georgio Thein Decano et Joanne
lao Fischero et Stephano Dominico Brunheymer.
Anno Domini 1617 22. Martij receptus est ad Facultatem
cam iuxta eiusdem Statuta Jodocus Hartlieb. -^ Bam-
ensis, Ingolstadij promotus in Modicinae Doctorem, praesen-
; Clarissimis et Expertissimis Dnis D. Joanne Georgio Thein
mo Stephano Dominico Brunheymero et Simone Jung.
Ego Ludovicus von Hörnigk, die 24. Maij st. vet. 1625
intorati in Doctorem Medicinae legitime et solemniter pro-
is a Dno Doctore Melchiore Sebitio seniore Facultatis, hodie
sima Decembris adeoque penultima Anni 1653, postquam
ssimis Dnis Doctoribus Medicae Facultatis et juramento prae-
et aliis satisfecissem, ad dictam inclytam Facultatem suni
ptus Decano venerabili Nob. et Experientissimo Dno Doctore
.nne Martino Hohenstadt praesentibus reliquis duobus puta
D. Simone Jungio et dno D. Jodoco Hartlieb.
Ego Joannes Martinus Hohenstadt Ao 1644 23. Junij
aotus Romae Medicinae Doctor A Dno Simone Jung Medicae
iltatis Seniore hodierna die 22. nimirum Januarij stipulata
e ad Facultatem Medicam receptus iuxta statuta praesentibus
ssimis atque experientissimis Dnis Domino Doctore Simone
l D. D. Jodoco Hartlicb Anno millesimo Sexcentesimo quadra-
tno sexto. Obiit ultimo Maii 1664.
Ego Joannes Joachimus Becherus Spirensis, Die Decima
1 Septembris hujus anni currentis MDC.LXI in ipsa hac
untia Medicinae Doctor legitime et solenniter promotus,
ie vigesimo octavo Novembris immediate subsequentis ab
ytae Facultatis p. t. Decano Spectabili Domino Ludovico
Hörnigk, postquam superaddito juramento consueto Facultati
sfecissem, ad eandem sum receptus Praesente Nobili et Ex-
lentissimo Domino Doctore Joanne Martino Hohenstatt suo
motore.
ter Ludwig von Hörnigk — einzelne Daten über ihn bei
mnk, Beiträge zur Mainzer Geschichte IH, S. 309, Knodt
a. 0., S. 104, und Schrohe, Kurmainz in den Pestjahren
>6/7, S. 98 — fand im Jahre 1663 eine Doktorpromotion
tt, zu der in folgender Weise eingeladen wurde (das
kat befindet sich in den Akten der Generalrezeptur) :
L. S. /vrN eEOr OAAAMA. Ad/Sanctissimae Trinitatis
orem Gloriam, / Ecclesiae Catholicae Incrcmentum, / Bei-
•ücae Universae Emolumentum, / Patriae Charissimae Ornamcn-
i,/Ipsis Calendis Martij media hora octaua matutinä, Anni nati
isiae supra Milesimum sexcentesimi / sexagesimi tertij, / Post
^ In dem Memorienbuch des Reichklaraklosters in Mainz heißt es : „Den
Dezember 1658 ist gestorben unser Medicus Herr Dr. Jodocus Ilart-
welcher unserem Konvent in der pestilenzischen Krankheit jiroße
und Treue erzeigt hat". Schrohe, Geschichte des Ueichklara-
ers, S. 19.
eitrige z. Gesch. d. Universitäten Mainz u. Gießen. tl
162 Heinrich Schrohe.
collatam prius licentiam / a / Reverendissimo in Christo Patre ac
Domino, / D. WoUhero Henrico A Strevesdorf. / Episcopo Ascalo-
nitano Eminentissimi Principis / Electoris et Archiepiscopi Mog.
Suffraganeo, SS. Theolog. Üoctore / Eximio, Facultatis Theolog.
UniuersiUtis Coloniensis inter Ordinarios Professores et Regentes
aliquot /annis Seniore, üniuersitatis Mogunt. Cancellario Aniplis-
simo, Collegiatae Ecciesiae / B. Virg. Erfurt! Praeposito, hie ad
D. Petri Scholastico et Canonico, ün. nostro / suspiciendissimo ,
Magnificus, Nobilissinms et Excellentissimus Vir, / D. Ludovicus
von Hornigk, U. Juris, Medicinae/et Phil. Doctor, S. Sedis Aposlo-
licae et Maj. Caesareae/ad rem Librariam in Imperio Comniissarius
et Censor Generalis, Caesareus itidem Consiliarius / et Conies Pala-
tinus, Consiliarius Mogunt. Aulicus et Med. prof. pub. / Ord. iiec
non p. t. Decaims, / Ex Venerandae Facult. Medicae in antiqua
Universitate hac Moguntinä, unanimi Consensu et Decreto/No-
bilem, Clarissimum et Experientissimum Medicinae Canditatum/Dn.
Michaelem Capitel Veldkircharhoctum in Medicinae Doctoreni /
More Maiorum, Rituque solenni in Brabeuterio RR. PP. Soc.
Jesu maiore, / creabit, declarabit et pronunciabit / ad quam Pane-
gyricum Actum / Omnes ac singuli quotquot Virtutibus bonis-
que litteris volunt, pro statüs sui conditione, debitä / observantiä
officiose et amanter /rogantur, accersuntur, invitantur. /Benevole
itaquc / Adeste, spectate, favete, et re a nobis bene gesta, plau-
dite. P.P. et Facult. iigillo subsignat. die 28 febr. 1663./Disser-
tatiunculae Inaugurales / D. Promotoris / De Jurisprudentiae et
Medicinae «SsX'^tXta seu Consororietate vol saltcm arcUx et magna
Consanguinitate et Conjunctione./ D. Doctorandi/De Curatione
Podagrae per solum Lac et an talis unquam fieri possitV/Mogun-
tiac, ex Tvpographeio Nicolai Hevll, Üniuersitatis Typographi
jurati Anno AI. DC. LXIII.
XXIX.
Kurfürst Damian Hartard übersendet die Klageschrift des
Dr. Cranebiter, dem die juristische Fakultät die Professur
nicht gestattete, an den Rektor Dr. Volusius und die Univer-
sität zur Entscheidung.
Mainz, den 13. August 1G76.
Gen.-Rez. Mainz.
Damian Hartard.
Waß von Dr. Cranebiter gegen unsere Juristen facultät alhie
und) (leßwillen, weil sie ihine die ordinari professur nicht ge-
statten wolle, bey unß underthänigst geklaget, wohin sich auch
beklagte facultät dagegen vernehmen laßen, solches communiciren
Wir euch ab Ikh' verwahrten orignalacten mit dem giiedigsten
befehl, daß ihr euch hierunder bestendig informiren und verfügen
sollet, waß rcM'ht ist, seindt, euch damit.
Mainz, den K^. August 1G76.
Adresse: Alm Weihbischüllen Dr. Volusiuin alß rectorem Magnificum.
Link^ üben zu Hejiinii des Schreibens: Zinn S. Rechts oben: styloft.
Die Wiederbesetzung erledigter Professuren. 163
XXX.
Die Juristenfakultät teilt dem Kurfürsten Franz Lothar die
Gründe mit, die sie bestimmten, dem Bakkalaureus Christoph
Rudolf Winterhelt juristische Privatvorlesungen zu unter-
sagen; der Kurfürst hatte nämlich das Memoriale Winter-
helts der Fakultät übersandt und diese zum Bericht auf-
gefordert.
(Juni 1697.)
Mainz. Stadtbibl. Univcrs. No. 108.
Hochwürdigster Ertzbischoff und Churfürst
Gnädigster Herrl
Aus dem ahn Ew. Churf. Gnaden von Christoph Rudolph
Winterhelt übergegebenen und unß von dero hochlöbi. Regirung
communicirten Memoriale, umb darüber unsern bericht unter-
thänigst zu erstatten, haben wir mit mehrerern ersehen, VVaß-
gestalten derselbe sich beklage, daß von Decano facultatis Juridicae
privata coUegia zu halten, wiewohlen er es umbsonsten thete,
Ihme seye inhibirt wordten. Nun geruhen Ew. Churfürst I. Gnaden
gnädigst, sich unterthänigst referiren zu lassen, wie daß l."»<^ er-
melter Winterhelt in seinem Memoriale selbsten gestehet, daß
Er kein Licentiatus, sondern nur Baccalaurcus seye, es hat aber
hier keiner, wan er auch schon von hiesiger Universitet, vorher
facultatem docendi, er seye dan wenigstens licentiatus Juris und
membrum facultatis Juridicae, welches derselbe 2^'' seiner Eigenen
geständtnuß nach ebenfals nit ist, deßwegen hier jederzeit ob-
serv'irt wordten, daß wan einer, so sich anderwerts etwa bette
graduiren lassen, in allhiesige facultet einzutretten und deren
Privilegien sich theilhafftig zu machon verlangt, zuvor die consueta
Jura abstatten müssen wie under andern H. Dr. Hörnick der abge-
lebten. Dr. Moll, so zu Ingolstatt Licentiam bekommen, deßgleichen
unser mitprofessor Laßer selbsten gethan haben, dannoch ist
3 tk> auch denjenigen, die Membra hiesiger facultet seint, nit zu-
gelassen, propria authoritate privatim zu profitiren, sondern die
haben jederzeit bei denen professorn umb permission angehalten,
wie auß denen noch vorhändigen Mcmoralien von Dr. Cranebiter,
Dr. Waßmuth sehl., Dr. Heger und Lic Flärk. die doch de facul-
tate wahren, zu ersehen, ohnerhörl^ aber ist, daß sich ein solches
einer ab Externa facultate mit bestand solte ahni^omaßl haben
und dieses zwar darumb, auff daß durch solches unordentliche
dociren keine Confusio in Studijs der gantzen Universitet zum
nachtheil erwachse und denen auditoren dardurch von einem
zum andern zu vagiren, quibus \}Ct se varietas placet, kein anlaß
gegeben werdle, also daß sie, wie sichs gebührt, nichtß recht ab-
solvirn, sondern zu dero ohnersetzlichen schaden Zeit und Kosten
übel anwenden und in Jure kein fumiament, wie [)er Studium
ordinatum continuum geschehen nuiß, setzen, sodan pro 4.*'^ haben
Dr. Haaren ad Jus Canonicum und Dr. Petz ad Institutiones so-
wohl vergangenes Jahr alß auch dieses von Martini ahn biß hie-
hero ieder alle woche meistens 4 lectiones gehalten und ist
IG4 Heinrich Schiohe: Wiederbeselzung erledigter ProressureD.
Dr. Honcamp ebenEalß bereith, wan einige auditoreii voa i
anfangen woltcji, daß seinige zu verrichten, es mag aber
zur sach thuen, daß gedachter Winterhelt privata collegia
sonst zu hallen vorgibt, maßen diejenige, so under üiifl
Instttuliones hören und waß gewöhnlich zahlen, ein |antzes ii
mit 4 Bthlr. auslangen. Armen aber bey unß auch umbsonst
zugelassen werdlen, also daß dieses geringe, so doch von i
nit gereicht wirdl, deß andenß nit wehrt, auch kein erhebliduhj
ursach sein mag, darumb die alte bcy der Univeraitet wol"
gebrachte privilegia oder üblige observantz zu infnugiren.
Dahero gelanget ahn Ew. Churfiirsti. Gnaden unser
thänigsles bitten, dieselbe geruhen gnädigst die vom Baccalai
Winterhelt eigenthätig angefangene ohnzuläßlicbe zu praeJD<yi
hiesiger Utnversilet und deren jirotessoren gereichente Collegii
einstellen z« lassen, zeitliche professores aber bcy denen her-
brachten Privilegien gnädigst zu schützen alß die wir zu En'.
Churfürstl. Gnaden underthänigsten dinsten immerdar geSissen
seint und leben
Ew. Churfürstl. Gnaden
untertbänigste
Decanus Senior Dociores und professores
der Jurisien facultet alhier.
Biitksoilc: Ihro Churfürstl. Gnaden zu Maintz und Bischoflen in
Bamberg undcrlhänigsfer hericlil und bitte sambtlicher Professoren dfr
Jiirisicn FacullH alhier deO Baccalaurei Winlerlielts anmasliche collefii
betreffend.
\on anderer Hand : Pracsenlirt den 8. Jun. 97. Entsprechend dem
Vemierk auf der Vorderseite links oben : Ad consiliuni, steht auf der
Rückgeile : Lei:1um et conclusuin. Man haltet darvor, daB dem Bacca-
laurcü Winlerhält femcrweith Collegia privata zu halten von der albisi|n^i>
L'niverRilät zu untersagen sey und demselben bedeutet werden köiite, sicli
bcy der Universität lorderist zu legiliniireii und praeslanda zu praestiren,
welchem nach Er alB duii die hergebrachte privilegia genießen kdnte.
Mayniz den 8, Junij 97. F,(x) M(andato) E(mminentis8imi),
Von einer dritten Hand : Licentiato vel Baccalaureo Juris Winterhelt
werden die Collegia J^rivata zu halten verholten.
Vie man im i8. Jahrhundert an der Univer-
it Mainz für die Ausbildung von Professoren
der Kameralwissenschaft sorgte.
Voo Wilhelm Stieda.
I.
Nachdem Friedrich Karl Joseph von Erthal im Jahre
'4 die Zügel der Regienmg als Kurfürst von Mainz er-
ffen hatte, ging alsbald sein Bestreben dahin, die Hoch-
mle z» Mainz tunlichst zu fördern.' Mit Besorgnis hatte
die einheimische Jugend, der zu Hause nichts Aua-
:hendes geboten wurde, auf auswärtige Lehranstalten
W sehen. Nachteile waren hieraus erstanden, und so
ien es zu ihrer Vermeidung zweckmäßig, die Universität
I zu beleben, um so mehr, als dadurch die Stadt Mainz,
heilige Religion und damit das allgemeine Staatswohl
ler ebenfalls Nutzen haben würden. Zu diesem Zwecke
Schloß sich der Kurfürst, zur Aufhebung dreier Klöster
Mainz, der Karthause am Micheisberg, des Altmünster-
der Mainzer Hocbschulu i
166 Wilhelm Stieda.
(weibl. Zisterzienser) und des reichen Klarissen (Mino-
riten)-Klosters am Flachsmarkte und schenkte am 15. No-
vember 1781 deren Vermögen der Hochschule.^
So konnte im nächsten Jahre Johann Friedrich von
Pfeiffer, ein Kameralist von Ruf, der durch eine große An-
zahl von Schriften die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt
hatte, obwohl er Protestant war und bereits im 64. Lebens-
jahre stand, zum Professor der Kameralwissenschaften, und
zwei Jahre später Nikolaus Karl Molitor in jugendlichem
Alter auf den Lehrstuhl der Chemie und Pharmazeutik be-
rufen werden.3 Beiden Männern verdankt man die Errich-
tung einer Kameralfakultät, an der für Unterrichtszwecke
zunächst drei Lehrstühle vorgesehen waren: für Land- und
Stadtwirtschaft sowie für Handlungswissenschaft, für all-
gemeine Polizeiwissenschaft, für Staatswirtschaft und Finanz-
wissenschaft.* Doch gehörten zu der „kameralischen** Fa-
kultät, der sechsten in der Reihe, auch noch die Lehrer
der angewandten Mathematik, der Botanik, der Chemie, der
Vieharzneikunde. Sie sollte sich insbesondere bestreben:
„die eigenen Landesproductc, deren vor andern räthlichen
Verarbeitung, den Aktiv-Landeshandel und den wichtigen
Gegenstand zu ergründen, was für einen Antheil die beydeii
Rhein- und Main-Flüsse an dem allgemeinen europäischen
Kommerzium wirklich haben imd etwa haben könnten".*
Unter den Kameralwissenschaften, so führte die im Jahre
1784 veröffentlichte Neue Verfassung der verbesserten hohea
Schule zu Mainz ^ aus, versteht man die Wissenschaft, die
einzelnen Familien in Wohlstand zu setzen und dadurch den
Staat reich an allerhand Gütern, auch wohl nach Verhältnis
mächtig zu machen, eine weitläuftige, schwere und gleicb
allen anderen unerschöpfliche Wissenschaft.^ Im letzteix
Grunde war es mithin der Wunsch, die wirtschaftlichen
Verhältnisse im Kurstaate erfreulich günstig zu gestalten,
der auf die Errichtung einer eigenen Fakultät und die nach-
drückliche Beförderung der in ihr vertretenen Wissen-
schaften führte. Als Zuhörer dachte man sich Studenten
der Jurispnidenz, die indes erst gegen den Schluß ihres
auf vier Jahre berechneten Studiums sich mit den Fächern
vertraut zu machen haben würden. Sie sollten im sechsten
Semester die Vorlesungen über Landwirtschaft, Gewerbe-,
2 BockenboinKT, a. a. 0., S. 14.
3 Williclni Stieda, Die Nationalökonomie als l'niversitätswissenschaft
Leipzig l*)Öt;, S. 188. — * Stieda, a. a. 0., S. 11)5.
^ Verfaßt von Benzel, Mainz 1784. — 6 Stieda, a. a. 0., S. 192.
Ausbildung in Eameral Wissenschaft. 167
Manufaktur- und Fabrikwesen sowie die Handlungswissen-
schaft, und im siebenten Semester die Polizei-, Finanz- und
Staatswirtschaft hörenJ
Mehr Schwierigkeiten bereitete die Wahl der Lehrenden.
L'nter den Männern, die für den Vortrag der Kameralwissen-
schaften in Frage kamen, einer Wissenschaft, die damals
seit kaum viel mehr als 50 Jahren an deutschen Univer-
sitäten gelehrt wurde, gab es keine große Auswahl. Schon
laß man auf den 64jährigen Pfeiffer gegriffen hatte, deutet
«rohl die Verlegenheit an, in der man sich befand. Als
L5 Jahre später an der Universität Greifswald die Pro-
fessur für Kameralwissenschaften zu besetzen war, hatte
[nan ebenfalls die größten Schwierigkeiten zu überwinden
lind konnte nur mit Hülfe einer ausgedehnten Korrespon-
lienz endlich den geeigneten Mann ausfindig machen. Es
sab eben noch verhältnismäßig wenige Kameralisten, die
sich dem gelehrten Berufe des Professors zu widmen geneigt
waren. Diejenigen aber, die sich dazu bereit erklärten,
waren in erster Linie Naturforscher, Landwirte mid Techno-
logen, noch keine eigentlichen Nationalökonomen. Damals
schrieb Professor Franz in Stuttgart«, „wie gut es die
Kameralisten hätten, die, nachdem sie ausstudiert, sich alle
so sanft zu betten gewußt, daß es bcynahe unmöglich wäre,
einen von ihnen aus seiner behaglichen Lage herauszu-
heben".»
Nun war Pfeiffer kränklich, durch seine sonstigen Amts-
geschäfte oft von Mainz fem gehalten, — er bekleidete wie
^s scheint, außer seiner Professur noch einen praktischen
Posten — und man mußte auf einen Ersatz im Hinblick
^yt sein Alter bedacht sein. Da kam man auf den nahe-
liegenden Gedanken, zwei talentvolle Studenten, Schüler
Von Pfeiffer, dazu zu bestimmen, sich dem akademischen
Berufe zu widmen. Auf Grund von Instniktiorien, die wahr-
scheinlich Pfeiffer selbst aufgesetzt hatte, der auf die Aus-
bildung der jungen Männer, in denen er weiterzuleben ge-
dachte, großes Gewicht legte, wurden sie in Mainz in be-
sonderen Privatvorlesungen unterwiesen und mit Stipen-
dien aus der kurfürstlichen Kasse auf Reisen und auf andere
leutsche Universitäten geschickt. Diese Instniktionen und
»inige Reiseberichte haben sich im Großherzoglichen Haus-
ind Staatsarchiv zu Darmstadt erhalten. We<ren des all-
7 Stieda, a. a. 0., S. 193.
« F. Chr Franz, 1751—1828, Stieda, S. 152, 365.
9 Süeda, a. a. 0., S. ÜO.
168 Wilhelm Slieda.
gemeinen Interesses, das sich an sie knüpft, lassen wir
sie im Anhange wörtlich folgen. Sie erlauben, in die An-
schauungsweise des 18. Jahrhunderts und den Entwicklungs-
gang der Studien, die man für nötig hielt, er\\ünschteii
Einblick zu nehmen.
II.
Eines Tages hatte der Kurfürst befohlen, daß Professor
Pfeiffer einige „Subjekte** in Vorschlag bringen möge, die
zu künftigen Lehrern der Kameralwissenschaften ausge-
bildet werden könnten, und aus denen man dann einen
auswählen wollte. Bald darauf konnte der im Jahre 1782
aus dem Ruhestand zurückberufene Freiherr von Benzel,
der zum Kurator der Universitäten Mainz und Erfurt be-
stellt worden war^«, melden ^^ daß zwei Herren in Frage
kämen, die sich „durch Fleiß und besondere Fähigkeit'*
auszeichneten. Es waren Franz Karl Spoor, der Sohn
eines verstorbenen Mainzer Bürgers, im Alter von 25 Jahren,
und Georg Adam Schleenstein**, der Sohn eines Mainzer
Getreidehändlers (Fruchtmitter), 23 Jahre alt. Beide werden
als „halb bemittelte** charakterisiert. Leider ist es nicht
möglich gewesen, über ihre Familie und ihre persönlichen
Schicksale Nachrichten zu erlangen. Keines der vielen
Nachschlagewerke, das Ausweise über die Gelehrten des
18. Jahrhunderts enthält, kennt ihre Namen. So hat sich
auch nichts mehr über ihre wissenschaftlichen Leistungen
ermitteln lassen. Spoor ist schon im Jahre 1796 gestorben,
im Alter von mutmaßlich nur 38 Jahren, scheint somit zu
rechter Entwicklung nicht gelangt zu sein.^* Er hatte
im Jahre 1783 eine Prüfung aus der Polizei Wissenschaft
mit allgemeinem öffentlichem Beifalle überstanden und wurde
gerühmt, „von Lernbegierde, vielem gleiße, wirklich gutem
Vortrage und gesetztem Geiste** zu sein. Es gereichte ihm
zur Empfehlung, daß er auch in der Jurisprudenz guten
Fortgang genommen hatte. Für Schleenstein wurde geltend
gemacht, daß er mehr natürliche Fähigkeit (doch wohl im
Vergleich mit Spoor), einen lebhaften Geist besäße und
gleichmäßigen ausgezeichneten Fleiß zur Schau getragen
^" nockcnheinier, a. a. 0., S. 17.
1' Am 5. April 1783, Akten im Großh. Hess. Haus- u. Staatsarchiv in
Darmsladt, betreff, die Kameralfakultät zu Mainz.
^^ Auch Schlehenstein geschrieben.
13 Gef. Milteilun«: von Professor Velke in Mainz, Stieda, a. a. 0.,
S. 109.
AiisbilduDg in Kameral Wissenschaft. 169
hätte. Auch in den nicht kameralistischen Vorlesungen hatte
er sich als einer der besten Studenten erwiesen.
Bei solcher Charakteristik war offenbar die Ent-
scheidung, wen man zum Professor bestimmen sollte, nicht
ganz leicht Pfeiffer selbst hatte gemeint, daß man beide
eine Zeitlang weiter zu bilden suchen müsse, um sich
davon zu überzeugen, wer der tüchtigere sei, während Frei-
herr von Benzel, ohne es näher zu begründen, sich mehr
für Schleenstein aussprach. Schließhch wurde die Frage
dadurch zur Zufriedenheit beantwortet, daß der Kurfürst
beide Herren auszubilden befahl, da sie als Lehrer in Mainz,
Erfurt oder sonstwo würden Verwendung finden können.
Jetzt kam es darauf an, durch Instruktionen den ein-
zuhaltenden Bildungsgang festzulegen. Pfeiffer verlangte,
daß der Kandidat 1. alle wesentlichen Teile der Kameral-
wissenschaft theoretisch sich zu eigen machen müsse,
2. den Hülfswissenschaften fleißig obzuliegen habe, 3. prak-
tisch sich betätigen und 4. außerhalb Landes reisen müsse,
um Universitäten, Kameralschulen usw. zu besuchen und
auf diese Weise weiter zu studieren. Zu den Hauptfächern
rechnete Pfeiffer Landwirtschaft, Stadtwirtschaft mit Manu-
faktur- und Fabrikwesen, Handlungswissenschaft, Polizei-
wissenschaft, Staats Wissenschaft. Er wollte auf diesen Ge-
bieten beiden Herren Privatvorlesungen halten und sie zu
praktischen Ausarbeitungen anleiten. Im zweiten Lehrjahre
sollten sie ihrerseits versuchen, sich im Lehramte zu üben,
indem sie mit den Teilnehmern der Pfeifferschen Vorlesungen
Repetitorien anstellten. Zu den Hülfswissenschaften rech-
nete Pfeiffer theoretische und praktische Mathematik, Natur-
geschichte und Naturlehre, Chemie, Vieharzneikunst. Die
praktische Betätigung sollte darin bestehen, daß sich die
zukünftigen Leuchten der Wissenschaft mit der Landwirt-
schaft, dem Ackerbau, dem Weinbau, dem Holzanbau, der
Bewirtschaftung von Landgütern vertraut zu machen be-
mühen und Fabriken und Manufakturen besichtigen sollten.
Demnach würde nach der Pfeifferschen Auffassung für
die weitere Ausbildung zum Professor nötig gewesen sein:
Besuch von Vorlesungen, seminaristische Tätigkeit, be-
stehend in schriftlichen Ausarbeitungen über bestimmte
Fragen und Veranstaltung von Repetitorien mit jüngeren
Studenten, Besichtigung von Landgütern und industriellen
Betrieben, endlich Besuch anderer Universitäten, oder
spezieller Lehranstalten für Kameralwissenschaften, offenbar
in der Absicht, die Auffassungen von hervorragenden Fach-
vertretern kennen zu lernen. Man würde auch heute noch.
170 Wilhelm Stieda.
um Rat befragt, wie man sich am besten für eine Professur '
der Nationalökonomie vorbereite, keinen bessern erteilen
können. Nur daß allerdings der Rahmen der zu studierenden
Fächer, insbesondere der Hülfswissenschaften, anders ge-
zogen werden müßte. Die juristischen Fächer hatte Pfeiffer
augenscheinlich nicht genannt, w^eil die beiden Kandidaten
im eigentlichen Kameralkursus, wie er für die Universität
Mainz vorgesehen war^*, sich mit ihnen hinlänglich bekannt
gemacht haben mußten.
Sollte dieses Gutachten zunächst w^ohl wesentlich theo-
retisch den Umfang der anzueignenden Wissenschaften be-
stimmen, so schloß sich daran eine im speziellen Fall unter
Berücksichtigung der Eigenart der jungen Leute einzu-
haltende Anw^eisung. Pfeiffer hatte, nachdem die kurfürst-
liche Zustimmung zu ihrer Ausbildung eingetroffen war, seine
Schützlinge noch einmal eingehend geprüft und gefunden,
„daß diese Leute in den nötigsten fremden Sprachen und
in der Philosophie ziemlich bewandert, allein in den mathe-
matischen, ökonomischen und Finanzwissenschaften sind sie
ebenso unerfahren als in der Kunst, sich in schriftlichen Auf-
sätzen kurz, zierlich, deutlich bestimmt in ihrer Muttersprache
auszudrücken". 1^ Darauf faßte der Freiherr von Benzel in
dem Bericht an den Kurfürsten ^^^ der somit über die An-
gelegenheit auf dem Laufenden gehalten sein wollte, zu-
sammen, w^as demnächst zu geschehen habe: Privatlektüre
und tägliche theoretische imd praktische Übungen bei Pfeiffer,
Naturgeschichte bei Bergmann", Mathematik bei Westhofen^*
und Eickemeyer^». Chemie und Vieharzneikunde dagegen
sollten noch zunächst ausgesetzt w^erden.
An diese Auslassungen schließen sich offenbar die un-
datierten Instruktionen, die Professor Pfeiffer ausgearbeitet
hatte und die nur auf 4 Monate Geltung haben sollten, leb
denke mir, daß dabei an die Zeit von Mai bis Ende August
1* stieda, a. a. 0., S. 193.
1^' Bcriclit vom 28. April 1783.
'^^ Unter dem 29. April 1783.
^* Joseph B., Exjesuit, 1740 — 1803; Bockenheimer, a. a. 0., S. 3^-
^^ Karl Westhofen, Professor der mathematischen Wissenschaften»
stirht 1804; Bockenheimer. a. a. ()., S. 38. Tber ihn als Müglied de»
Khihs in Mainz siehe K. G. Bockeniieiiner, Die Mainzer Klubisten, Main*
1896, S. ()7.
1'-^ Rudolph Eickemeyer. 1753—1825, ursprünghch Militär, ProfessO*
der niatliematischen Wissenschaften; Bockenlieimer, a. a. 0., S. 38. ,,Deft^'
würdijikeiten" des Generals Eickemeyer sind 1845 von Heinr. Koenil?
herau.«5gegcben.
Ausbildung in Kameralwissenscliaft. 171
.783 gedacht worden ist.*® Sie brachten insofern einige
inderungen, als nicht nur Chemie, sondern auch Natur-
;eschichte auf den nächsten Kursus verschoben, die Physik
md Mathematik jedoch noch auf die weiteren Kurse aus-
;es€ftzt wui-den.
Ganz richtig hatte sich nun Professor Pfeiffer klar ge-
nacht, daß sich eins nicht für alle schicke. Wenn die beiden
ungen Leute zu künftigen Professoren herangebildet werden
lollten, empfahl es sich wohl, jedem eine Spezialität zuzu-
weisen. Aus diesem Bedürfnis erklärt sich die zweite In-
itruktion, die den künftigen Dozenten für „Landkultur** vor-
lieht.*^ Von diesem ist in dem kuratorischen Bericht an
len Kurfürsten nicht die Rede.
Der einstige Vertreter der Technologie und Handlungs-
heorie hatte nach der Instruktion damit zu beginnen, sich
m Zeichnen zu vervollkommnen. Im übrigen mußte er
lie besten literarischen Erscheinungen seines Fachgebiets
[das heißt Technologie, Fabrikwissenschaft, Handelstheoric,
Warenkunde, Buchhalterei) studieren und nachdem er in
der Theorie der Maschinen, Werkzeuge, Apparate fest ge-
worden, dazu schreiten, sich praktische Erfahrungen zu
sammeln. Dies sollte durch Inaugenscheinnahme von Hand-
werks- und Fabrikbetrieben in Mainz und eifriges Studium
in den Kammerakten angebahnt werden. Für die praktische
Erlernung des Handels aber sollte der junge Gelehrte die
Kontore in Mainz besuchen und in freundschaftlicher Unter-
redung mit den Handelsherren Kenntnisse erwerben. Nach
beiden Richtungen seien kleine Reisen zur Besichtiginig
von Fabriketablissements in der Umgegend, insbesondere
anch der von den französischen Refugies angelegten, an-
zuschließeti und endlich Wtährend der künftigen Herbst-
ferien in einem Aufenthalte in Frankfurt a. M. Vervoll-
kommnung zu erstreben. Für diesen wurde etwas naiv
empfohlen, unter dem Vorwand eines Handelsgeschäfts mit
oen'orragenden Kaufleuten Fühlung zu nehmen „und d-d-
^^rch sich manche praktische Erfahrung zu sammeln**.
Auch der spätere Vertreter der Landwirtschaft sollte
^it Übungen im Zeichnen von Pflanzen, Bäumen, öko-
'^pniischen Maschinen, Gartenanlagen usw. beginnen; dann
^^ch mit den besten theoretischen Werken über Landkultur
^'frtraut machen. Da in dieser Hinsicht die Universitäts-
bibliothek in Mainz nicht viel zu bieten imstande war.
*•* Anhang No. 1. — 21 Anhang No. 2.
17-2 Wilhelm Slieda.
sollte er selbst durch Namliaftxnachung von Büchern zu
deren Vervollständigung beitragen. Um praktische Kennt-
nisse sich anzueignen, sollte er von Zeit zu Zeit auf ein
nah belegenes Landgut sich begeben, femer jede Woche
einige Male die Bauern in den Dörfern bei ihren Feldarbeiten
beobachten und kleinere Fahrten ins Rheingau, ins
Nassauische, Pfälzische usw. unternehmen. Daraus würden
ihm Kenntnisse des Getreidebaues und Weinbaues sowie
der Kultur von Handelsgewächsen, als da sind Hanf, Flachs,
Tabak etc., zu eigen. Über dem Studium von Getreide-
bau, Hopfenbau und Viehzucht war das der Gartenkunst
und Forstwirtschaft nicht zu vernachlässigen, das gleich-
falls durch Besichtigung hervorragender Gärten und main-
zischer, hessischer, pfälzischer Waldungen betrieben werden
könnte. Endlich sollte er den Zutritt zur kurfürstlichen
Universitäts-Kameral-Deputation haben, um aus deren Akten
über landwirtschaftliche Geschäfte neue geistige Nahrung
ziehen zu können.
Man darf hofEen, daß beide Herren dieser ihnen von
einem hervorragenden Vertreter ihres Fachs gegebenen An-
regung gemäß sich während des Sommersemesters 1783 dem
Studium in Mainz hingegeben haben werden. W^enn sie
gewissenhaft verfuhren, hatten sie keine leichte Aufgabe
zu erfüllen. Am Schlüsse derselben winkte dann die Be-
lohnung in Gestalt der ebenfalls vorgesehenen kleineren
Reisen in die nächste Umgebung. Beide Herren hatten bei
ihren theoretischen Studien gefunden, daß die meisten
Kanieralwissenschaften „so enge** mit dem anschaulichen
und der eigentlichen Praxis verbunden seien. Dement-
sprechend wünschten sie jetzt zur Reise schreiten zu können.
Dem Kurator schien das kein unbilliges Verlangen und er
empfahl daher dem Kurfürsten--, nach Schluß der Vor-
lesungen die Herren Spoor und Schleenstein zur Besichtigung
von Fabriken und Manufakturen in die umliegende Gegend
verreisen zu lassen. Es könnte sich handeln um Höchst
Orb, Lohr, Offenbach, Hanau und Frankenthal. In diesen
Städten befänden sich viele von Wiedertäufern (?)" an-
gelegte Etablissements, die berücksichtigt zu werden ver-
dienten. Jedem Kandidaten schlug der Freiherr von Benzd
2-' Am 23. August 1783.
^^* Hier liegt wolil eine Verwechslung mit Refugies und Wallonen vor.
Über (leren Bemühungen, industrielle Anlagen in Hanau, Offenbach uni
Frankfurt zu begründen, siehe Pirazzi, Bilder und Geschichten aus Offea-
bachs Vergangen lieit (1879), S. 162. Von Fabriken und Manufakturen ift
Hanau vgl. Hanauisches Magazin (1783) XLII — LH. lu Orb mochte etw»
Ausbildung in Kameral Wissenschaft. 17:^
^or, 50 Taler zu verabfolgen und sie zu verpflichten, ein
)iarium zu führen, in dem sie ihre Beobachtungen würden
eintragen müssen.
Auch diese Berichte, die getreu die Eindrücke wieder-
;eben, haben sich erhalten.-* -^ Schleenstein berichtet in dem
leinigen-*, daß er gemäß der Instruktion einige Male in jeder
rVoche die Dörfer besucht und dann eine Reise ins Darm-
itädtische, Nassauische, Pfälzische, Zweibrückische und in
len Rheingau unternommen habe. Seine Reise hatte ihn
:ennen lernen lassen die Ortschaften Gonzenheim, Mombach,
Jretzenheim und Hechtsheim, Nackenheim und Bodenheim,
jräfenhausen im Darmstädtischen, Pfungstadt, Gundern-
lausen, Dieburg, Aschaffenburg, Emmerichshofen, Nassau,
iVendeisheim im Pfälzischen, Kirchheimbolanden, Kaisers-
autern. SchwerHch wird er eine alle diese Orte berührende
zusammenhängende Reise gemacht, sondern wahrscheinlich
kleinere Fahrten unternommen haben. Schließlich hatte sein
Weg ihn in den Rheingau geführt, wo er indes die einzelnen
Orte, die er besucht hatte, nicht angibt. Der Wunsch, die
Bedingungen des Weinbaues zu erforschen, hatte ihn dabei
geleitet. Von allem, was er gesehen, w^ußte er sachgemäß
zu berichten und gab am Schlüsse seines Berichts zwei be-
achtenswerte Auslassungen wesentlich technischer Natur,
die sich auf den deutschen Klee- und Krappbau bezogen.
In andere Gegenden hatte sich unterdessen Spoor be-
geben. Dieser hatte sich zunächst mit verschiedenen Hand-
werksbetrieben bekannt gemacht und dadurch Lust und
Fähigkeit erworben, sich nach den entsprechenden Verhält-
^ssen im Auslande umzusehen. Am 10. September 1783
trat er seine Fahrt an. Er reiste zuerst nach Frankfurt a. M.
^nd fand hier in der Tat, indem er sich „als einen Kom-
Diissionär hinstellte, der vielleicht noch mancherlei Ge-
schäfte mit ihnen zu machen Gelegenheit haben würde",
Zutritt zu den Kaufleuten und ihren Gewölben. Auch mit
Fabrikanten gewann er Fühlung und ließ sich Auskunft
^ber ihre Tätigkeit erteilen. Indes kam hierbei, weil die
Anschauung fehlte, seine „wissenschaftliche Neugierde'* zu
l^orz. Daher begab er sich am Schlüsse der Messe nach
Offenbach, das „mit Recht ein Manufakturstädtchen*' ge-
^i^ Saline, in Lohr die Spiegelmanufaktur, in Höchst die Tabakfabrik von
ßolongar«, in Frankenthal die Porzellanfabrik die Sehenswürdigkeit für
Kaffleraiisten sein. Vgl. Fr. N. Wolf, Das Landgericht Orb und seine Sa-
line (1824); Friedr. Stein, Gesch. der Stadt Lohr am Main (1898), S. 140ff.;
ßerning, Die Lahn- und Maingegend von Kms bis Frankfurt (1821), S. 98/99
(über Höchst). — 24 Anhang No. 3. — ^•' Anhang No. 4.
174 Wilhelm Stieda.
nannt zu werden verdient-S und dort fand er die erwünschte
Gelegenheit, sich über allerlei Industriezweige, als Bijouterie,
Plüsch- und Kaffaweberei -^ Wollfärberei, Wachslichtzieherei
usw., ausgiebig zu unterrichten.
Weniger befriedigt war er über den Verkehr mit den
Arbeitern selbst, die er unfähig fand, über ihre Tätigkeit
etwas auszusagen. Meist seien sie nicht gewohnt über sie
nachzudenken und würden über den Fremden, der sie mit
Fragen und Einwänden aufhielte, ungeduldig. Von Offenbach
kam er nach Seligenstadt, wo er die Wollenweberei studierte.
Hier geriet er auf einen praktischen Gedanken, indem er
die Pfälzer und die Gräflich Erbachschen WoUenw^eber und
Tuchmacher von dem Besuch der Märkte in den Mainzischen
Landen im Interesse der Seligenstädter Tuchmacherei aus-
geschlossen wissen wollte. 2« Nur dadurch könnten die
letzteren vor dem sonst unausbleiblichen Verfalle bewahrt
bleiben. Den Beschluß macht ein Aufenthalt in Franken-
thal, wo er andere Industrien als in Offenbach, nämlich
Wollenzeug- und Tuchmanufaktur und die Porzellanfabri-
kation kennen lernte. 29
Beide Berichte, wenn sie heute uns auch den Eindruck
hinterlassen, mehr an der Oberfläche stehen geblieben zu
sein, als hätte erwünscht sein müssen, erfüllten doch den
Professor Pfeiffer mit großer Befriedigung. Nachdem er sie
gelesen, sandte er sie weiter »o an den Freiherm von Benzel,
indem er hinzufügte: „Warheit, Sachkäntnis, Beurteilungs-
kraft mit einem ungekünstelten aber deutlichen Vortrag,
herrschen in der Relation und dienen zum unverwerflichen
Zeugnis, daß die Verfasser den edlen Stoltz besitzen, brauch-
bar zu werden und sich dem Vaterlande recht nützlich zu
machen. Der Gedanke, daß ich in diesen jungen Leuteu
noch lange leben werde, gereicht mir zu besonderer Satis-
faction und ich hoffe sie den Winter über soweit zu bringen,
daß sie künftigen Frülihg mit vielem Nutzen aufs Handwerk
^'' über Offenbachs Industrie geben einige Auskunft P. Heber, G^
üchiclite der Stadt Offenbach (1838), S. 188—191, und Emil Pirazp,
Bilder und Geschichten aus Offenhachs V^ergangenheit (1879), S. 159— l^ß-
2^ Caffa, ein fassonnierter, mit erliabcnen Blumen gewebter wollen«
Pli'scli, Samt oder Velvct in allerlei Farben. G. C. Bohns Warealager,
neu bearbeitet von Norrrnunn, I8O0.
'^^ Über Seligenstadt, das an der Geleitsstraße von Augsburg und
>Jürnberp zur Frankfurter Messe lag, und seine eigenartige Sitten vfl
Pirazzi, a. a. 0., S. 151 ff.
'"•* Über die Porzellanfabrik zu Frankenthal im Jahre 1782 vgl. Mann-
heimer Geschichtsblätter (1904), Nu. 4: weitere Literatur bei Stieda, Die
keramische Industrie in Bavern. S, 8. — so ^m 26. Növbr. 1783.
Ausbildung in Kameralwissenschaft. 175
reisen und sich den Sommer über qualificiren können in
alle Sättel des so weitläuftigen Cameral-Fachs gerecht zu
werden.** Auch auf den Kurator von Benzel, der die Berichte
dem Kurfürsten zu unterbreiten hatte ^i, machten sie einen
guten Eindruck. Er meinte, daß der Bericht „viele gute An-
merckungen enthielte**, und „bewiese die von den beiden
Kandidaten angewandte Aufmerksamkeit und den in ihrem
tüchtigen und weitläuftigen Fache schon gemachten Fort-
gang**.
Den Winter von 1783 auf 1784 haben dann die Herren
Speer und Schleenstein augenscheinlich im benihigenden
Gefühl ihre Pflicht getan zu haben, verbracht. Die Hoff-
nung auf die größere programmäßig vorgesehene Reise
dürfte ihre Brust geschwellt haben. Hoffentlich werden sie
von der gebotenen Gelegenheit, sich in Mainz belehren zu
lassen, guten Gebrauch gemacht haben.
Professor Pfeiffer vergaß auch nicht, sich ihrer anzu-
nehmen. Am 29. Februar 1784 regte er beim Kurator an,
die jungen Männer auf Reisen zu schicken. Nachdem sie
eben "noch die Anfangsgründe der Chemie, die er privatissime
vorgetragen habe, gehört hätten, seien sie in der Theorie
fertig und um „nun das Gehörte gleichsam in succum et
sauguinem zu verwandeln**, wären sie jetzt auf Reisen zu
schicken. Vom April bis Ende Oktober sollte die Fahrt
dauern. Er werde für eine Marschroute und Empfehlungs-
briefe sorgen. Von unterwegs sollten die beiden Reisenden
dann von Zeit zu Zeit ihre Tagebücher einsenden.
Vom Kurator daraufhin wahrscheinlich angeregt, sich
darüber zu äußern, inwieweit es sich empfehle, für die
beiden Herren die schon begonnene Beschränkung der
Studien auf einen Teil der Kameralwissenschaften festzu-
halten, äußerte sich Professor Pfeiffer am 11. März 1784
noch einmal zur Sache. Jedem Professor sollte man die
^Wissenschaft anvertrauen, zu der er die stärkste Neijiuiit^ zu
haben scheint. Daher soll Spoor sich auf Staalswirlschaft,
Staats-Kommerzienwesen, Städtewirtschaft, Polizi*ivvissen-
s<^haft, Finanzwissenschaft, Manufaktunviss<Miscliaft und
Technologie legen. Schleenstein dug'.*gen hätte zu treiben : die
ganze Landwirtschaft, einschließlich Vieharzneikunst, Kisrhe-
f^i, Bergwerke, Forsten, ökonomische Chemi? (Lehre von Erd-
und Steinarbeiten, Hafner-, Fayence-, Porzellan-, (ilasniaclH^r-,
Ziegel- und Kalkbreimerei), Zivilbaukunst; Lehre von den
31 Am 7. Dezbr. 1783.
176 Wilhelm Slieda.
Salzarten (Potaschesiedereien, Vitriolöl- und Scheidewasser-
brennereien, Borax, Zuckerraffinerien) ; Lehre von brennbaren
Körpern (Raffination des Kampfers, Zubereitung des Siegel-
lacks, Verkohlung des Holzes und der Steinkohlen, Wachs-
und Ünschlittkerzen-Verfertigung), Lehre von Metallen und
metallischen Fabrikaten, Probierkunst, Glasmalerei usw.,
Lehre von Färbereien, Waschen, Bleichen, Lackieren, Walken,
Weissieden, Vergolden, Versilbern, Verzinnen, Ätzen und
Beitzen, Lehre von der Gärung, der Fermentation. Mit der
kaufmännischen Rechnungs-Verfassung sich zu beschäftigen,
scheint Pfeiffer nicht für nötig erachtet zu haben, da sie
„für den großen Haufen der Kandidaten, die in einem Jahre
absolviret werden wollen, entbehrlich und zu w^eitläuftig"
sei, auch bald vergessen wäre.
In bezug auf die einzuhaltende Marschroute entwarf
Pfeiffer zwei Pläne. Der eine führte von Mainz über Heidel-
berg, Bruchsal, Speyer, Stuttgart nach Ulm, von da zu
W^asser nach Wien, dann nach Steiermark, Kärnten und
Triest bis Venedig: zurück durch Tirol über Augsburg,
Sachsen, Berlin, den Harz, Göttingen nach Cassel und Mainz.
Nach dem anderen Plan sollten Stuttgart, Augsburg, München,
Wien, Prag, Dresden, Leipzig, Berlin, der Harz, Göttingen und
Cassel nebst den dazwischenliegenden Gegenden mit den
„Augen eines guten Beobachters** bereist werden.
Keiner der beiden Pläne ist vollständig zur Ausführung
gelangt. Wahrscheinlich ist noch im letzten Augenblick oder
nach Rücksprache mit den Reisenden selbst eine andere
Route aufgestellt worden. Auch von dieser kamen dann
noch Abweichungen vor. Dem Kurfürsten wurde kein be-
stimmter Plan mitgeteilt, sondern ihm nur durch den Kurator
empfohlenes, überhaupt die beiden Privatdozenten auf Reisen
ziehen zu lassen. Beide seien, meinte Freiherr von Benzel,
gesetzten Geistes und vom besten Willen beseelt. Man könne
erwarten, daß sie ihren Auftrag gut erfüllen würden. Die
einzige Verpflichtung, die man ihnen auferlegen zu müssen
glaubte, bestand in der Versicherung, daß sie niemals ohne
kurfürstliche Genehmigung in andere Dienste übergehen
würden. Die Tagegelder wurden für beide auf vier Gulden
und 48 Kreuzer bestimmt. Doch wurden die Fahrikosieu
außerdem bezahlt.
32 Am 13. März 1784.
Ausbildung in Kamera! Wissenschaft. 177
III.
Am 18. April 1784 reisten Spoor und Schleenstein aus
[ainz ab, und am 19. Mai war der Kurator in der Lage, dem
.urfürsten den ersten Bericht über die Reise, datiert vom
. Mai aus Halle »*, zu unterbreiten. Er schilderte, was man
i Aschafienburg, Würzburg, Fürth, Erlangen, Nürnberg,
eipzig erlebt und gesehen hatte. Wissenschaftliche und
faktische Rücksichten verstanden die Reisenden zu ver-
inigen. Der Besuch von Rats- und Universitätsbibliotheken,
on "Anatomien und chemischen Laboratorien, von Zucht-
äusern und Spitälern verband sich mit der Besichtigung
on Landgütern und Manufakturen." Auf dem kurfürstlichen
konomiehof bei Aschaffenburg verfehlten die Reisenden
en Inspektor Wesseli"**, in Würzburg aber erfreuten sie sich
er gütigen Führung durch denHofkammerratStoll^ib^ dessen
^kanntschaft ihnen eben so lehrreich als angenehm war.
a Nürnberg ereilte sie das Mißgeschick, daß sie diejenigen
Persönlichkeiten, an die sie Empfehlungsschreiben hatten,
licht daheim trafen. Doch wurden sie entschädigt durch
lie Bekanntschaft mit dem Ordensgeistlichen aus der Abtei
£berbach, Herrn Baumann, dem Verfasser der „entdeckten
Geheimnisse der Land- und Hauswirtschaft", der ungemein
herzlich gegen die jungen Reisenden war. Er beabsichtigte,
sich an der Universität Würzburg um eine Professur der
Ökonomie zu bewerben. ^^
Sehr entgegenkommend war die Aufnahme in Erlangen.
I'ür die Gefälligkeit, Freundschaft und Verbindlichkeit der
dortigen Professoren gegen die Fremden hat der Bericht
höchst anerkennende Worte der Dankbarkeit. Selbst Pro-
^ Anhang No. ö.
^ Welche Ktablisscmonts sie in joder Slatlt aufsiiclileii, sielie im cnn-
^hen in der Abrechnung, Anhang No. 8.
**•'* Adam Thoma-s Wesseli wurde am 1. Okthr. 1782 bei der neuen
Amtoreinrichiung im Kurstaat Mainz zum herrscliaftlirhen Güter- oder
"konomieinspektor und Frondschreiber am Vizedomamt Aschaffenburg er-
^M. Er war 1810 noch in der gleichen Stellung. (Jefällige Mitteilung
^^ Kgl. Kreisarchivs Würzburg.
**^ Franz Sebastian Stoll, bis 1770 Slraßenbaukommissions-Sekretär,
^Mde am 8. Mai 1779 zum Hofkammerrat ernannt, in welcher Stellung er
«ich 1802 noch nachweisen läßt. Er hat sich große Verdienste um den
Cimusseebau und den W^einbau erworben. Gregor Schöpf. Historisch-
«tatistische Beschreibung des Hoclislifts Würzburg, Hildburgh. 1802, S. 111.
152, 193, 194. Gefällige Mitteilung des Kgl. Kreisarchivs Würzburg.
3^ Sein Wunsch scheint nicht in Erfüllung gegangen zu sein, da
Kegele in der Geschichte der Universität Würzburg ihn nicht als Professor
nfübrt. Das Buch »^Entdecktes Geheinmis" usw. erschien 1783.
Beitrftge t, Oeacb. d. Univenitftten Mainz u. Gießen. 12
178 Wilhelm Stieda.
fessor Schrebor^^, den man ihnen als einen Mann geschildert
hatte, „bei dem sie das Gefällige im Umgänge nicht suchen
dürften", übertraf ihre Erwartungen. Er war, obwohl
„schüchtern, ängstlich und zurückhaltend**, doch in jeder
Hinsicht hülfsbereit, erklärte den jungen Kollegen alles und
gab ihnen einen Empfehlungsbrief an Professor Leske in
Leipzig mit.*^ Sein Vater, der Vorgänger Leskes auf dem
Lehrstuhle der Kameralwissenschaften in Leipzig, war damals
schon gestorben.*« Professor Suckow, ein bejahrter, gut-
herziger Mann, zeigte den physikalischen Apparat und
empfahl sie an seinen Bruder, den Professor der Physik
und Kameralwissenschaften in Jena.*^ Den Historiker
Meusel*® suchten sie mehrere Male auf, immer freundlichst
aufgenommen, und wohnten auch einer seiner Vorlesungen
bei. Der Jurist Häberlin*^ aber, der zugleich Vorstand der
Universitätsbibliothek war, ließ es sich nicht nehmen, sie
in seine Anstalt und nachher zu einigen in der Nähe be-
findlichen industriellen Etablissements zu geleiten. ** Nur
mit dem Kliniker Delius**, der zugleich als „großer Chemist"
galt, hatten sie Unglück, insofern als er, krank im Bett, sie
nicht empfangen konnte. In einer Gesellschaft von Pro-
fessoren und Juristen, in der sie von Häberlin eingeführt
wurden, hatten sie (lelegenheit, sich über die seither voll-
zogene Restauration der Universität Mainz auszulassen.
Hierbei kam dann wohl etwas Lokalpatriotismus zutage,
wenn nicht die Absicht, dem Kurfürsten Angenehmes zu
sagen, indem sie berichteten, bemerkt zu haben, daß aus den
Mienen der Erlanger Professoren „oft ziemlich deutlich Be-
neidung** hervorgeblickt hätte. *^
^•'' Joliann Christian Daniel Schrel)or, 1739—1800. Allg. Deutsche
Hiojrr. Stieda, a. a. O., S. U)7.
^7 Natlianael (loltfried {.esko, 1751— 178G. seit 1777 ordentlicher Pro-
fessor der Kameralwissenschaften in Leipzig, Stieda, a. a. O., S. 309.
»« Im Jahre 1777, Stieda, a. a. O., S. 30^).
33 Simon (Jahriel Surkow, 1721 — 178t>, seit 1752 ordentlicher Pro-
fessor in Erlangen. G. A. W. Fikenscher, Vollständige akademische Ge-
lehrten -deschichle der Universität Erlangen, 1806. Lorenz Joh. Dan.
Suckow, 1722 — 1801, ordentlicher Professor in Jena, Stieda, a. a. 0., S. 78-
*<> Joh. Georg Mensel. 1743—1820.
*i Doch wohl Karl Friedrich Ifäberlin gemeint, 1756—1808, der seit
1782 außerordentlicher Professor war und nachher nach Helmstedt über-
siedelte.
*-* über die Industrien in Erlangen vgl. Georg Schanz, Zur Geschieht«
der Kolonisation und Industrie in Franken (1884), S. 105 ff.
*3 Heinr. Friedr. Delius, 1720 — 1791, ordentlicher Professor der Me-
dizin, Fikenscher, a. a. 0., 2, S. 51 ff.
** Über die Universität Mainz: Ijockenheimer, Die Restauration der
Mainzer Hochschule im Jahre 1784, Mainz 1884.
Ausbildung in Kamerahvissenschafl. 179
Prägte sich der Aufenthalt in Erlangen gesellschafllich
unseren Reisenden stark ein, so vermochton sie für ihre
fachliche Ausbildung sich weniger gefördert anzusehen.
Denn keine einzige der in ihr Fach schlagenden und im
Lektionsverzeichnis angekündigten Vorlesungen war zu-
stande gekommen.**
In Baireuth, wohin sie an den Kammerregistrator
Wunder verwiesen worden waren, zeigte ihnen dieser das
ansehnliche Naturalienkabinett und die im sogenannten
Brandenburger Zuchthause eingerichtete Marmorschneiderci
und Schleiferei.*«
Nach Leipzig gerieten die Reisenden gerade während
der Ostermesse und fanden den Aufenthalt so kostspielig,
daß sie, rasch entschlossen, die Fahrt nach Halle fortsetzten.
Professor Leske, bei dem sie ein Empfehlungsschreiben ab-
gaben, war derart mit Geschäften überhäuft, daß er bei aller
Freundlichkeit der Aufnahme nicht viel Zeit für sie hatte.
Nicht ganz ohne Opfer war all das Schöne, das sie ge-
nossen hatten, erlangt. Auf den schlechten Frühjahrswegen
hatten die beiden Kameralisten viel auszustehen gehabt und
auch unter dem wechselnden Aprilwetter gelitten. Ihre
Reisekosten waren dadurch gestiegen und sie sahen mit
Schrecken dem Ende ihrer Barschaft entgegen. Daher schloß
der erste Bericht bereits mit der Bitte, bis zum 22. Mai unter
der Adresse des „Blauen Engel'* in Leipzig, wohin sie nach
der Messe zurückzukehren beabsichtigten, einen frischen
Wechsel zu senden. *7
Dem ersten Briefe folgte vier Wochen danach, am
5. Juni, der zweite, aus Leipzig datiert, der den Eni[)fang von
200 Talern dankend anzeigte. In Halle, wo die Reisenden
Mitte Mai eingetroffen waren, hatten die Vorlesungen noch
nicht begonnen. Daher hatten die Kameralislen die (ielegen-
heit wahrgenommen, um die Salzsiedereien in Halle selbst,
i
*•'* über die Kameralwisscnschaflen an der Tnivcrsität Krlangon im
18. Jahrhundert sielie Stieda, a. a. ()., S. 82 83.
*^ Clir. Meyer, Hardenberg und seine ViTwaltun«; (181)2), S. 103, 15.0.
beziffert für das Jahr 1797 den Wert der Fabrikation auf 3000 Gulden
und auf ebensoviel den Wert der Ausfuhr der Marmorfabrik in Baireuth.
Die „Vertrauten Briefe über das Fürstenthum Baireuth" (Baireiitli 1794),
S. 112, erwähnen das Vorkommen von Marmor, der zu Epitaphien, Al-
lären, Särgen etc. gebraucht würde, in beinahe allen CJegenden des Voigt-
landes.
*• Der Blaue Engel war ein Clasthof auf der vornehmen Petersstraße
va Leipzig, dessen Inhaber im Jahre 1784 Phil. Beruh. Orb war. im
^ipwger Adreß-, Post- und Reise-Calender vom Jahre 1784 heißt es von
^: „schenkt Wein, speiset und logirt Fremde**.
180 Wilhelm Stieda.
die Kohlenwerke von Löbejün*^ und Wettin*^ ein Gut des
Herrn Oberamtmanns Holzhauäen bei Gröbzig^*>, sowie die
Kupferschmelze zu Rothenburg ^^ zu besichtigen. Nach Halle
zurückgekehrt, wo unterdessen die Vorlesungen begonnen
hatten, konnten sie ihr Wissen bereichern durch die Vor-
lesungen des Professors Förster^-, des Physikers Karsten",
des Botanikers Junghans ^*, des Chemikers Richter ^^ und des
Zoologen Goldhagen. ^^
Besonders nahm sich ihrer Professor Förster an, wie
sie glaubten, „aus besonderen Absichten**." Er führte sie
in eine Gesellschaft Gelehrter ein, wo sie verschiedene in-
teressante Bekanntschaften anknüpften. Die Bibliothek in
Halle schien ihnen für ihre Fächer nicht belangreich.
Auf dem Rückwege nach Leipzig machten sie zunächst
dem Kammerdirektor Hofmann aus Berlin einen Besuch, der
sich während des Sommers auf seinem Gute Dieskau^^ auf-
hielt. Durch ihn, der ein eifriger und „sehr großer Landwirt**
war, fühlten sie sich außerordentlich gefördert. Desto
weniger war das in Leipzig selbst der Fall, wo sie das
Studium der Kameralwissenschaften „wider Erwartung**
schlecht betrieben fanden. Leske konnte in seiner Vorlesung
über Naturgeschichte nur sechs, Professor Roessig** in der
sein igen über Ökonomie gar nur vier Hörer aufweisen. Die
Bibliothek war für ihre Fächer ebenso gering wie in Halle,
*^ Steinkolilengruben im Saalkreis, Rgbzk. Merseburg.
*9 Stadt im Saalkreis, Rgbzk. Merseburg.
-'^ Stadt an der Fuhne in Anhalt-Dessau.
^^ Pfarrdorf im Saalkreis, Rgbzk. Merseburg.
^' Job. Christian Förster, 1735—1798, Stieda, a. a. 0., S. 85; er las
über theoretische Philosophie und zujileich über Verwaltungsfächer.
•»•■^ Wenzeslaus Job. Gust. Karsten, 1732—1787, seit 1778 Professor
der Physik in Halle.
^* Phil. Kaspar Junghans, 1738 — 1797, ordentlicher Professor und
Direktor des botanischen Gartens in Halle.
^'' Einen Professor der Chemit^ dieses Namens weisen Schrader, Ge-
schichte der Friedr.-Universität Halle (1894), und Poggendorf, Biogr. elc.
Wörterbuch, nicht nach.
^*' J. Friedr. Goldhagen, stirbt 1788, zunächst Professor der Natur-
geschichte, seit 1778 Professor der Medizin, Schrader, a. a. 0. 1, S. 401.
^^ Vielleicht machte er sich Hoffnung auf eine Professur in Mainz.
Tatsächlich war damals nach einem Berichte des Kurators vom 27. April
1785 erwogen worden, „einige Männer von erster Größe von außen'* zu
berufen. Doch fand sich Försters Name niclit unter den genannten, Stieda,
a. a. 0., S. 200.
•*^ Dorf und Rittergut im Saalkreis, Rgbzk. Merseburg, Prov. Sachsen.
^i' Karl Qottlob Roessig, 1752—1806, Stieda, a. a. 0., S. 274. Nach
dem Vorlesungsverzeichnis für das Sommerseinester 1784 las Roessig
Ökonomie am Montag und Dienstag um 10 Dir, Leske einen „Cursus hislo-
riae naturalis'* viermal die Woche um 9 Uhr.
Ausbildung in Kameral Wissenschaft. 181
und der botanische Garten von „sehr geringem Umfange**. ^o
Beide kamen daher zu der Überzeugung, daß in Leipzig ihres
Bleibens nicht lange sein konnte und sie ihre Reise nach
Jena alsbald fortsetzen müßten.
In Mainz verfehlte dieser Brief nicht Eindruck zu
machen. Der Kurator war zufrieden damit, daß die beiden
Praktikanten ihre Zeit gut zu verwenden schienen. Aber
er konnte sich nicht enthalten, seinem Begleitschreiben an
den Kurfürsten vom 14. Juni 1784 die Bemerkung hinzuzu-
fügen: man sehe, daß von manchen deutschen und be-
rühmten Universitäten eben das nicht geleistet wird, was
iem äußeren Scheine und dem Rufe nach davon erwartet
werden sollte.
Auf der Reise von Leipzig nach Jena berührten die
beiden Privatdozenten am 14. Juni Würchwitz, wo der damals
schon durch seine Bemühungen um die Ausbreitung des
Kleebaues berühmt gewordene Schubart«^ ansässig war. Er
fährte sie gefällig durch seine Felder und erklärte ihnen alles.
lena konnte ihnen wenig bieten. «^ Den weimarischen
Kammerrat Suckow, der seit dem Jahre 1756 Lehrer der
Physik und Mathematik, auch Forstwirtschaft, Land- und
3tadtwirtschaft war, lernten sie als einen „sehr großen Eiferer
[ür die Kameralwissenschaften** kennen. Wenn sie auch
iußer ihm noch einige Bekanntschaften machten und be-
sahen, „was in ihrem Fache dienlich seyn konnte**, so ent-
schlossen sie sich doch bald, nach Erfurt weiter zu reisen.
Doch diese ehrwürdige Hochschule leistete auf dem Ge-
biete der Kameralwissenschaften nicht mehr wie Jena. Pro-
fessor Gotthard«*, der an die Stelle des im Jahre vorher ge-
storbenen Professors Hadelich^* getreten war imd nicht ohne
Beifall die Wirtschaftswissenschaften vortrug, lernten sie
nicht kennen. Sie begnügten sich, den Beamten der Kammer
ihre Aufwartung zu machen, deren einer, der Kammernit
Müller, sie zur Erbacher^^ Stahlquelle hinführte, wo er ihnen
einige Experimente vormachte. Außerdem zogen das Polizei-
^ t?ber die Geschichte des botanischen (iartens vergl. Milteihingen
ler Deutschen Gesellschaft in Leipzig, Bd. 10, S. 54/55.
*^ Johann Christian Schubart, edler Horr von dem Kieefrlde, 1734 bis
[787, bewirtschaftete die G<i(er Würchwitz, Pobles und Kreischati in der
fegend von Zeitz. Meusel, Lexikon der verstorbenen SchriflslelkT. Bd. 12,
5. 482.
«2 fber das Kameralstudium in Jena Stieda, a. a. 0., S. 78, 70.
«» Job. Christian Gotthard, stirbt 1813, Stieda, a. a. ()., S. 104.
«* Sigismund Leberecht Hadelich, 1734—1783, Stieda. a. a. 0., S. 91).
^^ Jac. Dominicus, Erfurt und das Erfurtische Gebiet etc. I7i)3,
kl. 1, S. 17, führt ein Stahlwasser bei Urbich an.
182 Wilhelm Stieda.
haus und die Zeug- und Wollenbandmanufaktur ihre Auf-
merksamkeit auf sich. Der einzige Professor, von dessen
persönlicher Bekanntschaft der Bericht spricht, war Stumm.**
In Göttingen fanden die Reisenden endlich eine Lehr-
anstalt, die sie fesselte. Die Persönlichkeit Beckmanns, der
seit dem Jahre 1766, zuerst als Extraordinarius, seit dera
Jahre 1769 als Ordinarius über Mineralogie und Landwirt-
schaft, Technologie, Handlungswissenschaft, Polizeiwissen-
schaft und Kameral Wissenschaft vortrug ®^, war in ihrer Uni-
versalität offenbar eine Idealfigur für die Mainzer Kamera-
listen. Der Ruhm dieses Gelehrten sowie seine zahlreiche Zu-
hörerschar flößten gebührende Achtung ein, und da ihnen
„an seiner Freundschaft viel gelegen w^ar**, so schrieben sie
sich für seine Vorlesung über Ökonomie und Technologie ein,
obwohl dieselbe schon begonnen hatte. Die „vollkommen be-
setzte" Bibliothek, der in sehr gutem Zustande befindliche
botanische (ökonomische) Garten, die Erlaubnis Beckmanns,
seine Mineralien- und Maschinensammlung zu benutzen,
mußten weitere Anziehungsmittel sein.«»
Fünf Wochen später berichteten sie dann aus Göt-
tingen«^, daß ihre Studien sich in normaler Weise vollzögen,
der eine Tag wie der andere. Sie hörten zwei Stunden
täglich Vorlesungen bei Beckmann, benutzten Vor- und Nach-
mittags einige Stunden die Bibliothek, „die in allen Th^ilen
der Kameralwissenschaft gut besetzt'* war, und arbeiteten am
Morgen in der Frühe wenigstens zwei Stunden im öko-
nomischen Garten. Die ihnen dann noch übrigbleibende
Zeit verbrachten sie mit dem Ordnen ihrer Auszüge und
Niederschriften zu Hause. Bei ihren Studien erwies sich
ihnen von großem Nutzen der Bibliotliekar Dietze"®, der zwei
Wochen darauf an die Bibliothek in Mainz benifen wurde,
aber leider früh starb. •* Kr erlaubte, die Büchersammlung
nicht nur zu den gewöhnlichen Zeiten, zweimal die Woche,
*»'' Wie es sclieint kein Univorsitätsprofessor; wenigstens nirgends
nachweisbar.
♦»• Johann Beckmann, 173D — 1811. Frensdorff, Festschrift zur löOjäh-
rigen Feier der Gesellschaft d. Wissenschaften (1901), S. 549; $tieda,
a. a. 0., S. 37.
^^ Anhang No. 7. Auch J. Meerniann, Freiherr von Dalem, der sieben
Jahre später, naclideni er dort ,,zwey der nützlichsten Jahre'* seines Le-
bens zugebracht liatte, aufs neue nach Göltingen kam, war seines Lobes
voll. In einem Vergleiche Göttingens mit Leipzig mußte das letztere „be-
siegt vom Kampfplatze treten". Moermanns Reise durch Preußen. Oster-
reich und andere deutschen Länder (1793), Teil I, S. 34 ff, 271.
f'O Anhang No. 8.
"'• Johann Andreas Dietze, 1729—1785. Meusel. L(^xikon, Bd. 2,
S. 365. — "J Bückcnhcimer, a. a. 0., S. 43.
Ausbildung in Kameralwissenschaft. 183
sondern auch außerhalb dieser Stunden zu l)enutzen, gab
ihnen Bücher mit nach Hause «und hatte nichts) dagegen, wenn
sie außerhalb der vorschriftsmäßigen Bücherausgabe ohne
vorhergegangene Bestellung sich Bücher holten. Trotz aller
dieser fleißigen Vorarbeiten konnten sie sich eines gelinden
Schauers nicht erwehren, w^enn sie an die Ausarbeitung' ihrer
Vorlesungen für den bevorstehenden Winter dachten. Sie
verfehlten nicht, den Herrn Kurator darauf aufmerksam zu
machen, daß sie für diesen Zweck noch manche schöne
Stunde würden opfern müssen. Noch mehr wurde dieser
Gresichtspunkt im letzten Bericht vom 5. September
1784'* betont. Sie erklärten es geradezu als unmöglich, die
Menge der von ihnen gemachten Auszüge schon in Göt-
lingen in ein zusammenhängendes System zu bringen, und
baten, im bevorstehenden Wintersemester noch keine Vor-
lesungen von ihnen zu erwarten.
Laut der ihnen gegebenen Anweisung hatten die
Reisenden den Rückweg über den Harz zu nehmen, offenbar
in der Absicht, sich das dortige Bergwerkswesen genauer
anzusehen. Bei der Verwirklichung dieses Planes zeigten
sich indes Schwierigkeiten. Wenn sie Göttingen nicht vor
Schluß des Semesters verlassen wollten, so konnton sie
erst im Oktober, das heißt einer für den Harz ungeeigneten
Periode, ihre Bergwerksreise unternehmen, für die sie
glaubten, vier Wochen nötig zu haben. Wollten sie aber
Göttingen schon im Septeml)er aufgeben, so mußten sie
auf alles verzichten, was ihnen den Aufenthalt daselbst
so wertvoll erscheinen ließ. Die Anrejijung, die sie dort
empfangen konnten, schien ihnen zu wichtig, als daß sie
sie ohne weiteres entbehren mochten, ja sie hegten vielleicht
die Hoffnung, daß der Kurator ihnen erlauben würde, das
Wintersemester 1784/85 ebenfalls in Göttingen zuzubringen.
Wenigstens teilten sie mit, daß in diesem, drei Wochen
nach Michaelis, die Vorlesungen offiziell begännen, tatsäch-
lich eine Woche nach diesem Tennine und schickten ein Ver-
zeichnis der für dasselbe angekündigten Vorlesungen. Die
Bergwerksreise durch den Harz, meinten sie, würde vermut-
lich viele Unkosten verursachen und außcM-dem glaubten sie,
da ihnen ja noch weitere „praktische Reisen" in Aussicht ge-
stellt waren, dieselbe ,,mit weit größerem Vortheile'* nach-
holen zu können.
Demnach ist es offenbar zur Rückreise über den Harz
nicht gekommen. Anfang Oktober verließon die beiden
Kamcralisten Göttingen, das ihnen so lieb geworden war, und
71' Anhäng No. 9.
184 Wilhelm Stieda.
kehrten über Cassel und Fulda nach Mainz zurück, wo sie
gegen Ende des Monats eintrafen.
Nach glücklicher Beendigung ihrer Reisen waren sie nun
jedenfalls so weit, daß ihrer Zulassung als Privatdozent^n
nichts im Wege gestanden haben dürfte. Vermutlich ist unter
Empfehlung von Pfeiffer ihre Habilitation ohne jede weitere
Förmlichkeit erfolgt.'^ jn dem Catalogus lectionum für das
Mitte November 1784 beginnende Wintersemester erscheinen
denn auch erstmalig als Docentes Privati Spoor und Schleen-
stein. Der erstere trug die Polizeiwissenschaft (de ordinando
rei public^e statu interno, vulgo Politiam tradet), der letztere
die Landwirtschaft (fundamenta oeconomiae ruralis) vor.
Wie wir wissen, waren beide ohne Vermögen, und da von
dem Honorar für die Vorlesungen vermutlich nicht viel er-
wartet werden konnte, so mußte ihnen ein Einkommen aus-
geworfen werden. Der Kurator beantragte beim Kurfürsten,
ihnen „bis zu weiterer Verschickung ein mäßiges Gehalt"
auszusetzen, das sich auf 100 Fl. quartaliter belaufen sollte.
Der Kurfürst war damit einverstanden.'* Freiherr von Benzel
hielt aber dafür auch an der Forderung fest, daß beide im
Wintersemester 1784/85 als Magistri legentes auftreten
sollten. Es würde an Vorlesungen fehlen, wenn sie sich nicht
betätigen wollten, andererseits kämen sie dadurch ,,in den
Strohm der Arbeit". Sie würden auf diese Weise die noch in
ihren Kenntnissen vorhandenen Lücken am besten ausfüllen.
Es hat den Anschein, als ob sie sich dem Wunsche gefügt
hätten und das Wintersemester 1784/85 also in ernster Tätig-
keit verbrachten, denn die Ausarbeitung ihrer ersten Vor-
lesungen war trotz der mittlerweile erlangten Gelehrsamkeit
keine einfache Sache. Sie scheinen sich ihrer Aufgabe mit
Erfolg unterzogen zu haben, da Professor Pfeiffer in einem
Berichte an den Kurator mit Entschiedenheit hervorhob, daß
beide Privatdozenten „verdienten zur Vollkommenheit geführt
zu werden**.^^ Er hielt eine nochmalige Reise für zweckmäßig-
Nur müsse diese so angeordnet sein, daß man bei der Wahl
der Gegenden auf vernünftige Ersparnis der Kosten und vor-
züglichen Unterricht Bedacht nehme. Spoor, der sich mit
Polizei-, Manufaktur-, Kommerzienwissenschaft und Techno-
logie befassen sollte, wäre nach den Niederlanden, Bremen,
Lübeck, Hamburg, Sachsen, der Ober-Iiausitz zu schicken und
könnte über Teplitz und Nürnberg zurückkehren. Schleen-
^•' rijor (Wo Aus])il(lunji des modernen Privatdozententums vergl. K.
Hörn, Zur (leschiclile der Privatdozenten, in Mitteilungen der Gesellschaft
f. deutsche Krziehunßs- und Scliulget^ehiclite, IM. XI (1901), S. 46flF.
••i Benzeis Bericht vom 20. Novbr. 1784. — " ^ni 16. März 1785.
Ausbildung in Kameralwissenschaft. 1H5
ler sich den ökonomischen Wissenschaften und der
«nssenschaft zugewandt habe, sollte über Göttingen
em Harz reisen, über Dessau und Magdeburg nach
Schlesien, Böhmen fahren und über Regensburg und
imkehren.
ichtschuldigst nahm der Kurator die Pfeifferschen An-
m auf und ließ sie an den Kurfürsten gelangen.^*^
m beide Herren ein halbes Jahr öffentliche Vor-
n gehalten, sei an ihre abermalige Verschickung auf
zu denken. Indes fügte der Kurator hinzu, daß für die
IT ins Auge gefaßten Reisen es noch zu früh schiene.
3n noch nicht in der Fassung, ihr Amt, wie es sein
5U erfüllen. Benzel hielt dafür, daß wesentlich nach
chtungen die weitere Ausbildung vor sich gehen möge,
sollten die Herren die Hülfswissenschaften, die ihnen
bgingen, nachholen und zweitens sollten sie durch
ron Vorlesungen fortzuschreiten versuchen. Bei Pro-
Fiebig" könnten sie im nächsten Schuljahr die öko-
le Naturgeschichte und Botanik, bei Professor Molitor
3mie „ordentlich** hören. Das Studium der Physik
r angewandten Mathematik könnte noch bis zum
en Jahre verschoben werden. Unterdessen aber
beide in ihrem Lehramte fortfahren Und sich mit den
ach einschlagenden Schriftstellern und überhaupt den
ikern vertraut machen.
r Kurator legte ferner Gewicht auf praktische Durch-
. Schleenstein sollte Zutritt und Bekanntschaft in
3ei Mainz nahegelegenen Land^ute suchen, um sich
)chentlich einmal über die laufenden Geschäfte zu
hten. Im Spätjahre sollte er dann einige Wochen bei
sogenannten Wiedertäufer (sie!) im Wormsischen
I. Endlich wäre er auch zu den Geschäften der kur-
len Beamten zuzulassen, also etwa in (iernsheim,
llte zu den kurfürstlichen Waldvisitationen an der
iße zugezogen werden, in die Tätigkeit der Kameral-
ion, der Generalrezeptur Einblick nehmen usw.
stein sollte namentlich die örtlichen Zustände im
tentum zu erfassen sich bestreben, denn „es giebt
it in keiner Wissenschaft wenigere allenthalben an-
re Grundsätze als in der Landwirtschaft'*. Spoor
m müßte bei dem kurfürstlichen Vizedom-Amte in
Jutritt erlangen. Er hätte zunächst die Handwerker
im 27. April 1785.
übann Fiebig, Professor der Mineralogie, stirbt 1792; Bocken-
, a. 0., S. 34.
186 Wilhelm Stieda.
und Künstler in Mainz zu verzeichnen und zu klassifizieren
und sich dadurch praktische technologische Kenntnisse zu
erwerben. Vorzüglich käme es auf Beförderung der Spinne
reien und Webereien an. Im Herbste sollte dann auch er
eine Reise machen und zwar nach Seligenstadt und in das
obere Erzstift, auf dem Rückwege Hanau und Offenbach he-
suchen, sich überall danach umsehen, wie es mit dem Aus-
teilen der Wolle an Landleute zum Verspinnen zu geschehen
pflege. Von Frankfurt und Hanau aus werde dieses Ver-
legen besonders geübt.
Der Kurator kam somit auf die in den ursprünglichen
Instruktionen und Vorschlägen Pfeiffers enthaltenen Ideen
zurück. Seligenstadt, wo Spoor schon gewesen war, mochte
wegen der dortigen Tuchmacherei sich für die Erlangung
wirtschaftlicher Kenntnisse und behufs kritischer Vorbil-
dung zur Durchführung von Reformen besonders eignen.
Die Entscheidung zog sich jetzt länger hin, als es früher
der Fall zu sein pflegte. Die Privatdozenten warteten mit
Ungeduld und drängten auf eine Entschließung. Im Juni
1785 berichtet der Kurator dem Kurfürsten, daß sie mit
ihren Vorlesungen über Polizeiwissenschaft und Landwirt-
schaft fertig geworden wären und nun um Angabe bäten,
was sie im Sommer tun und mit welchen Gegenständen sie
sich im Winter beschäftigen sollten. Offenbar wird diese An-
frage eine Wiederholung gewesen sein, denn bis in den Juni
hinein konnte das Wintersemester nicht gedauert haben.
Was dann daraus geworden ist, ist unbekaimt. Die Akten,
aus denen geschöpft w^erden konnte, reichen nicht weiter.
An ihr Ziel sind beide Kandidaten richtig gelangt. Seit
dem Wintersemester 1788 weist der Catalogus lectionum
(und dann auch der Kurmainzische Hof- und Staats-
Kalender) als ordentliche öffentliche Lehrer an der Universi-
tät Mainz nach Franz Karl Spoor für Technologie, Fabrik-
wissenschaft, Handelstlieorie und Staatsrechmmgswissen-
schaft, Schleenstein für Landwirtschaft, Forstwissenschaft,
die Theorie der Gartenkunst, die ökonomische Botanik imd
ökonomische Zoologie. Spoor erscheint zum letzten Male
im Vorlesungsverzeichnis für das Wintersemester 179495;
er starb im Jahre 1794. Schleenstein ist zum letzten Male
im Vorlesungsverzeichnis für das Wintersemester 1797/^8
nachgewiesen. Er war jedoch schon im Jahre 1793 nach
Mannheim übergesiedelt^**, weil er der französischen Regie-
rung den bekannten ,,Eid für Freiheit und Gleichheit" nicht
^** Eigenhändiges Schreiben Schleensteins aus Mannheim vom 25. Märt
17y3 an den damals mit dem Hof und der Regierung in Miltenberg wei-
Ausbildung in Eameralwissenschaft. 187
leisten wollte. Nach Aschaffenburg wird er, wenn nicht
schon früher, jedenfalls nach dem Tode Friedr. Karl Joseph
von Erthals, der im Jahre 1802 erfolgte, übergesiedelt sein.
Karl Theodor, der neue Kurfürst, gründete aus den ihm über-
lassenen Einkünften des Kollegiatstifts St. Peter und Ale-
xander einen allgemeinen Schul- und Studienfonds, aus dem
er das an die Stelle der Mainzer Hochschule getretene
Lyceum in Aschaffenburg dotierte.'^ Unter den Professoren,
die laut einem Dekrete Dalbergs vom 10. Oktober 1802 für
die Übersiedelung nach Aschaffenburg, um im bevorstehen-
den Lehrjahre mit Anfang des Novembers Collegia zu lesen,
in Frage kamen, war auch Schleenstoin.**^ Er war um diese
Zeit bereits in Aschaffenburg anwesend. Über seine dortige
Tätigkeit hat sich nichts mehr ermitteln lassen. Er dürfte
im Oktober 1816 gestorben sein, da in diesem Monat seine
Witwe um ein Gnadengehalt aus dem allgemeinen Schul-
und Studienfonds sich bewarb. Durch den Tod Schieon-
steins waren diesem .einschließlich der Naturalien, die der
verstorbene Professor bezogen hatte, 1064 fl. und 24 Kreuzer
anheimgefallen, aus welcher Summe der Witwe 212 fl.
Sustentationsbeiträge zugewiesen worden waren. Mit diesem
Betrage nicht befriedigt, erneuerte die verwitwete Professorin
ihr Gesuch am 13. März 1807, ohne daß aus den Akten
ersichtlich ist, ob sie Gehör gefunden hat.«^
Spoors Vorlesungen erstreckten sich außer der Polizei-
wissenschaft, mit der er im Wintersemester 1784/85 seine
akademische Wirksamkeit begonnen hatte, und die er auch
im Sommersemester 1785 las, auf Technologie und Gewerbe-
polizei (politia opificiorum), die er bis zum Sommerseinester
1788 im Sommer täglich von 7 — 8 Uhr, dann seit dem Winter
1788.89 im Wintersemester vortrug. Sie war seine Haupt-
vorlesung und wurde im Anschluß an Beckmanns I3uch**-
gehalten. Neben ihr kündigte er seit dem Somnierseniester
1788 Handelstheorie und Staatsrechnungswissenschaft an,
falls sich Zuhörer finden sollten (siquis adsit desiderantium
numerus). Später scheint das Interesse für die» letztere
Vorlesung, die ja auch eine sehr wichtige war, gew\achson
lenden Statthalter und Domdei'liant DallHTjr. (icfjillij:«' MiUcilung dos
Kreisarchivs Würzburg.
'* Bavaria, Landes- und Volkskunde dfs Königroiehs Havoni, Md. 4,
S. 339 (1866).
«^ Bericht des (Jeistlirhon Halos Sclioidols auf das Delikt Kolhorgs.
Gefällige Mitteilung des Kpl. Kroisarchivs Würzbiirji.
«' Kgl. Kreisarchiv München. M. A. 1M)7. Herr Professor (l. Hart
in Ascbaffenburg hatte die Güte, mich auf diesen Akt aufmerksam zu
macbeti. — ®^ Anleitung zur Technologie etc., 1777.
188 WUhelm Stieda.
ZU sein, denn seit dem Sommer 1789 las er Handelstheorie
und Staatsrechnungswissenschaft täglich des Morgens von
7 — 8 Uhr. Daran schloß sich eine, vermutlich kürzere, Vor-
lesung über den Einfluß des Handels auf den Geist der
Nationen. In diesen beiden Vorlesungen bestand das Pro-
gramm des Sommersemesters, das in Mainz vom 1. Mai bis
Ende September, oder von Mitte April bis Mitte September zu
daueni pflegte. Im Wintersemester, das in der Regel am 12.,
seltener schon Anfang November begann und bis Mitte April
dauerte, beschränkte er sich dann auf die Technologie und
Gewerbepolizei, einschließlich der Geschichte gewerblicher
Erfindungen.
Schleensteins Programm war etwas umfangreicher. Er
las über die Theorie der Landwirtschaft, femer Forstwissen-
schaft und Forstrecht, über Handelstheorie (seit dem S.-S.
1796) und seit dem S.-S. 1797 über Technologie. An
einen bestimmten Turnus, in dem seine Vorlesungen wieder-
kehrten, scheint er sich nicht gehalten zu haben.** Auch
er schloß sich an Beckmannsche Bücher an und legte die
Grundsätze der deutschen Landwirtschaft^* seinen Be-
trachtungen zugrunde.
Zur Herausgabe selbständig erscheinender Bücher
scheint weder der eine noch der andere Neigung gehabt zu
haben. Ob sie gelegentlich in der periodischen Presse
kleinere Abhandlungen und Aufsätze veröffentlicht haben,
habe ich nicht zu ermitteln vermocht.
Anhang.
1. Instruktion für den Dozenten der Technologie und
Handlungs-Theorie.
Großh. Hess. Haus- u. Staatsarchiv Darmstadt, Akten betr. die Kameral-
fakultät zu Mainz, S. 19—22.1
1.
Die gegenwärtige Instrukzion beschränkt sich bloß auf die
Vorbereitung, welche innerhalb dieser vier Monathe bis zu An-
fang des nächsten Kursus zu nehmen wäre.
*"• Nach den allerdings nicht lückenlos erhaltenen Vorlesungsverzeich-
nissen der Universität Mainz von 1784 — 1797 in der Stadtbibliothek JO
Mainz. — '* Erste Ausgabe, Göttingen 1769.
1 Die Wiedergabe dieses wie der folgenden Stücke erfolgt unver-
kürzt und in der Schreibweise des Originals. Nur in der Interpunktioa
und in dem Gebrauche großer Buchstaben zu Beginn der Worte ist g^
Icgcntlich des bessern Verständnisses wegen geändert worden. Sofern
die Überschriften vollständig vom Herausgeber herrühren oder einige Worte
in ihnen ergänzt sind, wurden Klammern angewandt.
Ausbildung in Kamerahvissenschaft. J89
2.
Da Naturgeschichte und Chemie bis auf den nächsten Kurs,
lysik und Mathematik aber bis auf die weiteren Kurse aus-
setzt bleiben, so hätte er sich inzwischen im Zeichnen zu üben,
)rzüglich aber sich Fertigkeit zu erwerben, Werkzeuge und
ischinen, wie er sie bey Handwerkern, Künstlern und Fabri-
nten antrifft, gleich nachzeichnen zu können.
3.
Dessen Hauptbeschäftigung aber bleibt sich sowohl im theo-
Lischen als praktischen des demselben angewiesenen Faches
. üben, da Sr. Kurfstl. Gnaden ihm Technologie, Fabrikenwissen-
haft, Theorie des Handels, der Warenkunde und des Buchhaltens
ädigst bestimmt haben.
4.
Um sich aber A. im Theoretischen Kenntnisse zu sammeln,
habe derselbe die beste in seinem Fache bisher erschienene
tteratur zu benutzen, und welche Werke ihm zu seiner weiteren
Idung nöthig seyen, anzuzeigen, daß sie angeschafft werden.
>rzüglich habe er durch geschickte Zeichnungen sich schon
>iläufig alle Werkzeuge und Maschinen, die ganze Manupulation
jy Handwerkern, Künstlern und Fabrikanten bekannt zu machen,
m schon die ganze Art zu kennen, und um nicht alsdann erst
ie Anfangskenntnisse davon studieren zu müssen, wenn bei
Iwaigem Besuch derer Handwerker, Künstler und Fabrikanten die
leit schon zu wirklicher Beurtheilung und zu soliden Raisonne-
neats über Kunstanlage zu verwenden ist.
Dergleichen Zeichnungen sich in denen Kupferwerken der
Pariser Encyclopadie in folio und in denen eigends zu solchen
Gebrauch zu Paris herausgegebenen Zeichnungen unter Aufsicht
'ier Akademie über Handwerker, Künstler und Fabriken befinden. i**
Er habe also zu sorgen, daß, ehe er die Werkstätto derer
Handwerker, Künstler und Fabriken besuche, ihm die Theorie
^iavon schon ganz geläufig seye.
5.
Um sich aber B. auch zugleich i)rak tische Erfahrungen
*^ seinem Fache zu sanmieln, so habe derselbe
a. Werkstätten derer Handwerker, Künstler und Fabrikanten
*^ hiesiger Stadt zu besuchen, vorzuglich diejenigen zu beob-
^hten, deren Hauptprodukte zu einem Handelszweig werden,
^nd welche mit Spinnen und Weben sich beschäftigen. Er habe
*ber übrigens alle Gattung Handwerker und Künstler zu be-
suchen, um bey dem Akademischen Vortrag der Technologie mit
Bnsicht und Erfahrung sprechen zu können.
Um aber hierinn desto mehr (jelegenheit zu seiner Vorbe-
reitung zu erhalten, geruhen Sr. Kurfstl. Gnaden demselben den
Jutritt bey dem Kurfstl. Amt der hiesigen Stadt gnädigst zu ge-
*»* Doch wohl Diderot et d'Alembert, Encyclopedie ou dictioimaeri,
iisftnnc etc. des sciences, des arts et des m6tiers, 1751 — 1777, gemeint.
190 Wilhelm Stieda.
statten, mit dem Auftrage» die Handwerker und Künstler der
hiesigen Stadt (namentlich die vorzüglichsten jeder Art) zu ver-
zeichnen, zu klassifizieren und sich dadurch praktische techno-
logische Kenntnisse zu erwerben. Der weitere Zutritt zu denen
Stellen, welche mit der eigentlichen Handlung beschäftigt sind,
bleiben noch vorbehalten.
6.
um sich zugleich
b. auch praktische Erfahrung des Handels zu ver-
schaffen, habe derselbe sich um Bekanntschaft und Zutritt in ver-
schiedene hiesige Handels Comtoire zu bewerben, um in freund-
schaftlicher Unterredung auch den praktischen Gang des Handels
zu erfahren und mit anzusehen.
7.
dann habe er
c. kleine Reisen nach Höchst, Frankfurt, Offenbach, Hanau,
Homburg und zu denen der dortigen Nachbarstadt sich befindenden
Kolonien französischer Refugids, ferner nach Frankenthal und
Neuwied zu machen, um die an solchen Orten befindlichen
Fabriken zu besehen, auch gelegentlich solcher Reisen in denen
oberen Städten* und in Seeligenstadt sich umzusehen, in welchem
Zustand die Wollspinne rey und Tuchweberei dort gegenwärtig
seye, und zu untersuchen, wie stark ihre Zahl seye, wie weil
ihre Arbeiten in den Grad der Kunst gehen und wohin sie solche
Produkte ihrer Industrie veräußern.
8.
und endlich habe er
d. während der künftigen Herbstmesse in Frankfurt sich
aufzuhalten, sich das bei Anfang der Messe erscheinende Meß-
schema anzuschaffen, die darinnen genannte auswärtige Fabri-
kanten und große Kaufleute zu bemerken, ihre Gewölber zu be-
suchen, um die Art ihrer Waaren, und die Preise kennen zu
lernen, wobey er durch geschickt angelegten feineren Umgang
Gelegenheit haben wird unter dem Vorwand eines Handelsgeschäfts
in nähere Unterredung zu kommen und dadurch sich manche
praktische Erfahrung zu sammeln.
Er habe zu gleicher Zeit in Frankfurt den Zug des dortigen
Handels und die verschiedenen Niederlagen auswärtigen Handels
zu studieren, bey welchen Frankfurt der Hauptort des Umtausches
und deren Bestellungen geworden ist.
2. Note zur Instruktion für den Dozenten der Landkultur.
Gpoßh. Hess. Haus- u. Staatsarchiv Darmstadt, wie oben.
1.
Die Hauptabsicht dieser Instrukzion wäre, wie sich erwähnter
Dozent innerhalb dieser vier Monathen bis zu Anfang des künf-
tigen Kursus zu beschäftigen und zu seinem angewiesenen Fach
sich vorzubereiten hal>e.
^ lui oberen Erzstifte V
Ausbildung in Kameralwissenschaft. 191
2.
•
Da ökonomische Zoologie, ökonomische Botanik und Chemie
bis auf den nächsten Kursus; Physik und Mathematik aber bis
auf weitere Kurse ausgesetzt bleiben, so hätte derselbe inzwischen
auf Fertigkeiten im Zeichnen zu denken, und zwar vorzüglich
Pflanzen, Bäume, oekonomische Maschinen, Garten- Anlagen, Län-
derei Eintheilungen, oekonomische Gebäude etc. zu zeichnen.
3.
Dessen Hauptgeschäft bliebe aber sich das Theoretische und
Praktische seines angewiesenen Faches mehr bekannt zu machen
und zwar
4.
a. in Absicht dos Theoretischen die Theorie seines Faches
in denen besten Schriftstellern über Landkultur und in denen
neuesten Werken hierüber zu studieren, neu erfundene Arten
der Landkultur und ökonomische Maschinen zu untersuchen, auch
die neuesten Meinungen in landwirtschaftlichen Sachen sich be-
kannt zu machen, und sie zu prüfen, ob sie wirkliche Nutzen und
Anwendung finden oder nur bloß an Charlatanerie grunzen; auch
diese letztere mus man wissen, da ein geschicktes Genie durch
gehörige Abänderungen und Zusäze sie zu denen praktischen
Säzen berichtiget.
Hiezu hätte er aber die theils auf der Universitäts-Bibliothek
schon vorhandenen Werke zu benuzen, theils anzuzeigen, was
ihm nöthig scheine, daß ihm zu solcher Vorbereitung noch an-
geschafft werde.
5.
In Absicht des Praktischen aber, (§ 3) um sich zu-
gleich praktische Erfahrung zu sammeln und sie mit seiner Theorie
zu vergleichen, habe er innerhalb dieser vier Monathen folgende
Vorbereitung zu befolgen, und zwar
a. Von Zeit zu Zeit in ein nahe gelegenes großes Landgut
zu geben, die dortige Einrichtung zu studieren, und zugleich den
ganzen Gang der dortigen Ökonomie und denen Feldarbeilen zu
beobachten, dann
b. die Woche etlichmal in die der Stadt nahe gelegenen
Dörfer zu gehen und die Einrichtung ihrer Feldarbeilen imd ihrer
Landkultur zu untersuchen, auch
c. beständig kleine Reisen in benachbarten Gegenden vor-
zunehmen, z. B. ins Rheingau, ins Nassauische, Darmstädtische,
Pfälzische, um auch dort die verschiedene Art der Landkultur
zu beobachteu, und zwar nicht bloß in Absicht des Getreidebaues
und Weinbaues, sondern in Absicht des Hanfs, Flachs, Tabak,
Futterrüben, Färbekräuter etc.
d. gelegenheitlich solcher Reisen sich Mühe zu geben mit
geschulten Landwirthen unserer Gegend in Bekanntschaft zu
kommen und mit ihnen ökonomische Gegenstände zu korre-
ononrliarATi
192 Wilhelm Stieda.
Bey solchen Reisen hal)e er sich nun die Flur-Eintheilung
und Erdarten bekannt zu machen, ob Brache, Gemeinde weiden da
seyen oder nicht, ob man Allmende habe, und wo man sie ab-
geschaft hat, auf welche Art es geschehen seye, was für Pro-
dukte gezogen werden, wie die Viehzucht beschaffen seye, worinn
ihr Vorzug oder Mangel bestehe, was für Futterkräuter, was
für Handelskräuter, ob Bienenzucht da seye und wie sie ge-
schehe, ob auch schon etwas Seidenbau da seye usw.
6.
Da er aber in seinem Fach nicht bloß auf Gretreidebau,
Hopfenbau, Viehzucht eingeschränkt ist, sondern demselben auch
Gartenkunst und Forstwissenschaft angewiesen sind, so habe der-
selbe auch hierauf Vorbereitung vorzunehmen, und besonders
a. die schönen englischen Gärten unsrer Gegend zu besuchen;
den Schwezinger Garten, den schönen Busch, das Wilhelms Bad',
den Garten der verstorbenen Landgräfin bei Hanau, den Graf!.
Osteinischen Garten auf dem Niederwald.*
b. Von Schwezingen eine kleine Reise nach Carlsruhe zu
machen und die dortige schöne Baumschule zu studieren, und
c. auf diesen Reisen in denen mainzischen, pfälzischen,
nassauischen, hessischen Waldungen ihre Forsteinrichtung zu
beobachten und die in jeder gepflanzte Holzarten, wodurch sich
zugleich vorbereiten wird, bey der nächsten kurfürstl. Wald-
Visitazion, wozu ihm der Zutritt gnädigst gestattet ist, seine Reise
mit mehr Einsicht benutzen zu können.
7.
Bei allen diesen habe er aber hauptsächlich darauf zu
sehen, daß er die Lokal Verhältnisse unsrer Gegend, ihre Pro-
duktion, Natur-Vortlieile, die gegenwärtige Art der Landkultur
kennen lerne, u. sie mit denen benachbarten pfälzischen,
nassauischen, hessischen, Badenischen Gegenden vergleiche, um
einzusehen, worinnen dieselbe voneinander abgehen, was aus
solchen Staaten wohl noch gut"^ wäre, und überhaupt was nach
unserem Lokalverhältniß auf seinen durch solche Vorbereitung
gesammelten theoi'etischen u. praktischen Kenntnissen« sich wohl
bey uns anwenden ließe.
8.
Inzwischen seye ihm auch der Zutritt a) bei der kurfsll.
Universitäts Cameraldepulazion und b) bei der Universitäts Ge-
neral Rezeptur gestattet, um auch durch die dort vorhabenden
landwirtschaftlichen Geschäfte Gelegenheit zu seiner weiteren
Bildung zu nehmen, sich allenthalben anschaulich zu belehren
und würklich mit Hand anzulegen.
•^ Hoi Wachenbuchen.
* t'ber Gartenbau vergl. Hirsclifeld, Theorie der Gartenkunst, 1779.
in kameralistischer Beziehung Krünitz, Knzyklopädie, Bd. 16, S. 1471.
341 ff. Weitere Literalurangaben da.selbst S. 376. Außerdem J. v. Falke,
Der CJarten, seine Kunst und Kunstgeschichte, o. J.
5 Unleserlich. — ^ Unleserlich.
Ausbildung in Kameralwissenschaft. 193
9.
Es bleibe ihm aber zu seinem Fache angewiesen die ganze
Landwirtschaft, inclusive die Theorie der liandkultur samt Oarten-
bau, Forstwissenschaft, der ökonomischen Zoologie und der öko-
nomischen Botanik.
3. (Schleensteins) unterthänig gehorsamste Berichterstattung
von einigen kleinen ökonomischen Reißen.
Großh. Hess. Haus- u. Staatsarchiv Darmstadt, Aktori bclr. die Kaineral-
fakultät zu Mainz, S. 35 ff.
Der von Ew. Excellenz am 15. July mir gnädig zugetheilten
Instruktion zu Folge, war es sogleich meine erste Beschäftigung,
die der Stadt nahe gelegenen Dörfer die Woche etlichemal zu
besuchen und die Einrichtung ihrer Feldarbeiten und ihrer Land-
kultur zu untersuchen.
Hierauf nahm ich kleine Reißen in das Darmstädtische,
Xassauische, Pfälzische, Zweibrückische und in das Rheingau
vor, um auch dort (nach gnädiger Vorschrift) die verschiedene
Art der Landkultur zu beobachten und dieselbe mit der unsrigen
zu vergleichen usw.
Mit dem Wunsche, daß ich hierin die Hohen Absichten
Ew. Excellenz nahe gekommen seyn möchte, erstatte ich Hoch-
denselben meinen unterthänigen Bericht ab.
Cionzenheim.' Die vorzüglichsten Produkte, welche hier
gewonnen werden, gewährt der Gartenbau, den die hiesigen
Laridleute in einem Grade von Vollkommenheit treiben, der alle
Aufmerksamkeit verdient. Der Boden beinahe in der ganzen
Gegend besteht aus einem leichten hitzigen Sande, dem man
aber in der Nachbarschaft des Dorfes seine erste Gestalt nicht
so leicht mehr ansieht. Die geschickte Behandlung des Bodens,
die starke Bedüngung (wozu nebst dein eigenen Viestande des
Dorfes die Nähe der Stiidt den größten Vorschub leistet) haben
ihn in einen so glücklichen Mittelboden verwandelt, in dem die
meisten Gewächse freudig ihr Fortkommen haben. Zum Garten-
bau aber hat ihn die Natur, da sie die Gegend mit Wasser ver-
seben hat, da das Dorf in der Nähe einer großen volkreichen
Stadt liegt, wo die Gartengewächse gerne Abnehmer linden, vor-
züglich geschickt gemacht. Beide Vortheilc wissen die hiesigen
Landleute sehr gut zu benutzen. Ihre Gartenländer sind in
schmale Beete abgetheilt, die an einer Seite mit Graben versehen
sind, wohin sie denjenigen Vorrath von Wasser leiten, den sie
zu hinlänglicher Befeuchtung ihres Landes bedürfen. Erfahrung
und lange Übung haben die meisten hiesigen Wirthe zu ge-
schickten Küchengärtnern gemacht.
' Über die Ortschaften Gonsenheini, Mornbarh, Dretzenheim, Hcchts-
h'eim, Bodenheim, Wachenheini verjjl. K. J. Rrilmayer. Rheinhessen, 1905.
tber Frachtbarkeit, Pflanzenproduktion usw. dieser rheinlicssischen Dörfer
gibt einige Auskunft J. Konr. Dahl, Statistik und Topographie der mit
dem Großh. Hessen vereinigten Lande des linken Rheinufers, 1816, S. 22 ff.
Beitiige s. Gesch. d. Universitäten Mainz u. Gießen. 13
194 Wilhelm Stieda.
Moinbach. Auch hier macht der Gartenbau eins der vor-
züglichsten Produkte aus, Allein in der Vollkommenheit, wie ich
ihn in Gonzenheim antraf, wird er hier noch nicht betrieben.
Bretzenheim und Hechtsheim. In diesen beiden Dörfern
hat der Fruchtbau den Vorzug. Das Erdreich besteht im Ganzen
genommen aus einem vermischten Leimboden, der fast durch-
gängig sehr gut gedüngt und zubereitet ist. Fast alle Haupt-
arten werden hier vortheilhaft gebauet. Aueh fand ich hier
meistens beständige Stallfütterung eingeführt, besonders in
Bretzenheim, wozu freilich die Noth wegen Mangel an Weid-
gange die Leute gebracht hat. Man irret aber, wenn man er-
wartet, daß man dagegen einen starken Kleebau eingeführt hätte;
ich fand nur sehr wenig ewigen und deutschen Klee angebaaet.
Allein hier eröffnet sich eine andere Quelle zu Unterhaltung
ihres Viehstandes. Da die Stadt so nahe ist^ so besteht ein
großer Theil der Fütterung aus den Abgängen von den Bier-
brauereien, Branntweinbrennereien u. d. g., welche aus der Stadt
herbeigeholt werden. Beide Dörfer würden ihren Viehstand un-
gemein vermehren können, wenn sie, indem sie gute Felder
haben, den deutschen Kleebau mehr einführten. An beiden
Orten herrscht noch die Gewohnheit, die Felder in drei Fluren
einzutheilen, doch aber fand ich mit Vergnügen, daß man schon
einen guten Teil der Brache mit Rüben, Kappes u. d. g. anbauet.
Eingeführter Kleebau, mehrere Einschränkung der Schäfereien,
die hier ziemlich beträgtlich sind, Freiheit, seine Felder nach
W'ohlgefallen zu benutzen, würden den Wohlstand dieser Dörfer
ungemein erhöhen.
Nackenheim und Bodenheim. Die Lage und der Boden
des hiesigen Landes haben dasselbe theils zum Weinbau theils
zum Fruchtbaue geschickt gemacht. Mit Bedauern sah ich an
dem letzteren Orte eine ungeheure Strecke sehr guten Landes
zu einem elenden Weidgange bestinunt, das, wenn es theils zum
Fruchtbaue, theils zum ordentlichen Klee- und Wiesenbau be-
nutzt würde, seinen Ertrag ungemein vermehren und die Ge-
meinde in Stand setzen würde, ihren Viehstand ansehnlich zu
vermehren. In Nackenheim sah ich, daß man sich schon mehr
auf Produktion einiger andern Naturalien gelegt hatte, die ich
an den oben benannten Orten noch sehr vermißte, a. B. Flachs,
Lein, Welschkorn; auch traf ich hier schon hier und da sehr
schönen deutschen Klee an.
Gräfenhausen im Darmstädtischen.^ Das Land von
Mainz bis Groß Gera und von hier nach Gräfenhausen besteht
aus feinem Sande, der fast durchgängig gut zubereitet ist. Ober-
haupt herrscht im Darmstädtischen unter den Landleuten viel
Industrie. Man kann eigentlich nicht sagen, was das Haupt-
*^ Hechtsheim liegt eine Stimde von Mainz.
ö Liber Gräfenhausen, Pfungstadt, Gundcmhausen und Dieburg vtrfL
J. A- Demian, Statistik und Topographie des Großherz. Hessen, 182Ö,
Teil 2; sowie G. W. J. Wagner, Statistisch-to[K)gr.-histor. Beschreibung des
Großherz. Hessen, 1829— 3i.
Ausbildung in Kameralwissenscliatt. 195
Produkt des Landes ist. Man sieht die Felder hier mit Roggen,
Gerste, Haber, Welschkom, Hirse, Lein, Hanf, Mohn, Kappes,
Cartoflen usw. abwechslen. Die Landwirte gewinnen dadurch
den Vortheil, sich, wenn ihnen ein oder das andre Produkt
nnisrathen sollte, an den andern wieder zu erhohlen. Hier fand
ich fast allenthalben die Methode eingeführt, deutschen Klee
unter die Sommerfrüchte mit auszusäen und nach abgebrachtem
Getreide den Klee in der Brache zu benutzen. Viele ehemalige
Weidgänge fand ich hier abgeschafft und auf eine einträglichere
Art tenutzt. kurz, ich bemerkte noch manche zurückgelassenen
glückliche Spuren der in Darmstadt 1777 angeordneten, 1780
aber wieder aufgehobenen Landkommission. ^^
Das herrschaftliche Schloß in Grafen hausen dient zu einem
Invaliden Hauße und zur Erziehung der armen Soldaten- Waisen-
kinder.** Den Fond dazu macht ein sehr ansehnliches dazu ge-
höriges Gut aus. Mit Vergnügen sah ich hier, wie man die Kräfte
der Alten sowohl als jene der Kinder zum Vortheile des Haußes
und zur Erhaltung der Gesundheit in den manichfaltigen Ge-
schäften der Wirtschaft zu benutzen suchte. Da dem Guie ein
sehr geschickter Verwalter vorgesetzt ist, so fand ich hier für
meine Wißbegierde sehr viele Nahrung. Der Viehstand, der nicht
aus dem Stalle kömmt, ist sehr groß, ohne daß bei dem Hofe
viele natürliche Wiesen sind. Man mußte also die Hauptstärke
auf den Kleebau, sowohl den deutschen als auch den ewigen,
setzen; und wirklich wird derselbe in einem Grade von Voll-
kommenheit getrieben. Die Methode, wie man hier den deutschen
Klee baut, habe ich in der Beilage sub Lit. A beigefügt.
Pfungstadt. Der hier eingeführte Krappbau reizte vorzüg-
lich meine Aufmerksamkeit. Die Art, wie er an diesem Orte ge-
baut wird, habe ich in der Beilage sub Lit. B. bemerkt. So ein-
träglich der Krappbau ist, so gewiß reicht die Art, wie man hier
zu Werke gehet, den meisten Landleuten zum Verderben. Es
hat sich nämlich eine Gesellschaft zusammengethan, welche durch
baaren Vorschuß den Krappbau befördern will. Hieher wendet
sich der Landmann, der des (ieldes bedürftig ist, er bietet sich
an, einen Morgen Landes mit Krapp zu bepflanzen, und erhält
dafür zum Voraus 30, 40 und mehrere Gulden. Anstatt nun den
Acker, wie es der nützliche Krappbau fodert, tüchtig zu bearbeiten
und zu düngen, verfährt er in beidem ganz nachlässig, und die
Folge davon ist, daß zur Zeit des Einsammelns anstatt etwas zu
gewinnen, kaum der Landmann seinen Vorschuß herausbringt.
Von hier aus reißte ich über Darmstadt, wo ich die beiden
englischen Gärten sah, nach Gunernhaußen.
Herr von Rimpsch^^ besitzt hier eine sehr ansehnliche, wohl
*'^ Vergl. über sie Fr. Soldan, Geschichte des Großherzogtums Hessen,
1896, S. 176 ff.
*i Es wurde im Jahre 1770 zu diesem Zwecke angewiesen und dann
seit 1810 als Militärhospital benutzt; Wagner, a. a. 0., Bd. 1, S. 87.
^' Unleserlich; könnte auch Rimpach gelesen werden.
18«
196 Wilhelm Stieda.
eingerichtete Wirtschaft. Bei dem melkenden Rindviehe ist be-
ständige Stallfütterung eingeführt. Allein mit den Ochsen wird
eine andere Methode befolgt. Da zu dem Gute ansehnliche Wal-
dungen gehören, so bleiben dieselben beständig darinnen, fressen
sich fett und werdoiii alsdann verkauft. Ein großer Theil der ge-
wonnenen Produkte wird in der bei Hofe befindlichen Brauerei
und Brennerei benutzt.
Dieburg. Die merkwürdigsten Gegenstände, die meine Auf-
merksamkeit auf dem Gute des Herrn von Großschlag ^^ beschäf-
tigten, waren: 1. Ein sehr schöner und in wohlgebauten Ställen
gut unterhaltner Viehstand. 2. Der Küchengarten. Die verschie-
denen Gattungen, Arten und Abarten der Gemäße, die man in
diesem vortrefflichen Garten antrifft, müssen in jedem Oekonoiuen
den Wunsch erregen, daß doch verschiedene derselben, die gewiß
zum Theil weit einträglicher sind, als unsere gewöhnlichen, in
unseren Feldern gemeiner gemacht würden. 3. Das ausländische
Gehölze. Man findet hier auf einem kleinen Platze eine große
Manigfaltigkeit desselben.
Aschaffenburg. Der Oeconomiehof Seiner Kurfürstl.
Gnaden. 13a
Das hier aufgeführte Oekonomiegebäude ist schön dauerhaft,
und in allem, dem Zwecke der Oekonomie gemäß. Die darinn
befindlichen Ställe sind reinlich, geräumig und zum Füttern und
Melken des Rindviehes sehr bequem eingerichtet. Aus demselbf^n
sind Rinnen in das in der Mitte des Hofes angebrachte Dünger-
magazin geleitet, das zugleich mit Cisternen versehen ist. Der
Viehstand ist sehr ansehnlich und von guter Schweizerart. Be-
sonders aber vergnügte mich die Nachzucht, darunter ich Stücke
fand, die mir vor der Mutterart Vorzug zu haben schienen. Das
Land, welches zu dem herrschafthchen Gute gehört, besteht
theils aus feinen hitzigen Sande, theils aus etwas gröberem Kies-
boden. Da es hier an genügsamen natürlichen Wiesen fehlt, so
muß auf den Kleebau vorzüglich Rücksicht genommen werden,
den ich auch bei meinem Hierseyn sehr gut gerathen fand. Allein
diese Quelle bleibt bei der Beschaffenheit dieses Bodens in
trockenen Jahren für itzt noch immer äußerst gefährlich. Sorg-
fältiger Bau des Erdreiches, gute und tüchtige Bedüngung des-
selben werden in wenigen Jahren das ganze Land in einen so
gesegneten Mittelboden umschaffen, dem man fast alle Arten von
Früchten mit Vortheil wird zumuthen können. Auch werden
die Obstbäume (welche man in einer bei dem Oekonomiegebäude
1" Der letzte Freiherr Carl Friedrich Wilibald Gröschlag von Di^
purg starb 1799. Kneschke, Allgein. Deutsches Adels-Lexikon, 4..S. H
13a Dpi- Ökonomiehof Seiner Kurf. Gnaden ist der heutige Nilkheimer
Hof in der Gemeinde Seider bei Aschaffenburg. Vergl. über ihn P. A.
Winkopps topogr.-stat Beschreibung des GroßheJzogtums Frankfurt, Weim.
1812, S. 344/345; J. W. C. Steiners Gesch. u. Topographie der alten Graf-
schalt und Cent Ostheim u. der Stadt Obernburg a. M., Aschaffenb. 1821,
S. 294 ff. Eine Instruktion für den Hofverwalter vom Jahre 1780 im KfL
Kreisarchiv Würzburg. Gefällige Mitteilung des Herrn Kreisarchivn^
Dr. Göbl in Würzburg.
Ausbildun)? in Kameral Wissenschaft. 197
ir weißlich selbst angelegten Baumschule erzieht), in gehöriger
Inung auf den Feldern umhergepflanzt, dem Land mehr An-
Xh und dem Boden mehr Consistenz geben. Auch der hier
'gerichtete schöne Bienenstand wird bei dieser Umfassung un-
nein gewinnen.
In den beiden schönen Gärten, dem Schönbusche und Schön-
Je, fand ich bei dem Vergnügen auch für meine Wißbegierde
le Nahrung. Ich studierte die Anlage der beiden Gärten, be-
läftigte mich mit den darin befindlichen ausländischen Hölzern
1 besonders mit der Manigfaltigkeit der im Schönthale an
Inden gezogenen Obstarten.
Emerichshofen. Das Landgut Sr. Excellenz Herrn Curators
1 Bentzel."
Man muß bei dem Anblicke, dieses herrlichen Landgutes
h nur einen Augenblick die ehemalige Sandwüste denken, um
i entzückende Vergnügen zu fühlen, gleichsam eine neue
^öpfung durch Menschenhände hervorgebracht zu sehen. Der
den des Landes besteht fast durchgängig aus einem leichten,
zigen Sande; allein durch abwechselnde Bedüngung desselben
t Leim, Asche und Viehdünger, durch seine geschickte Bear-
tung und Bepflanzung, sieht man ihm bei dem ersten Anblicke
nen eigentlichen Ursprung nicht an. Das ganze Land ist in
lönen Ordnungen mit Obstbäumen bepflanzt, die für das Auge
3n so vielen Reiz haben, als sie dem Boden durch Ertheilung
{hrerer Haltbarkeit nützen. Die zu dem Gute gehörigen Wiesen
d mit italienischen Pappeln umpflanzt und bestehen aus einem
rf gründe, den man aber durch geschickte Leitung der Canäle,
rch Oberdeckung mit anderer Erde usw. gezwungen hat, das
lönste und gesundeste Gras zu geben. Allenthalben sieht man
j Natur durch Einsicht und Industrie zum Vortheile ihres Be-
eers umgewandelt. Das herrschaftliche Gebäude, das an der
len Seite an einen schönen Garten stößt, der mit einem Teich
iflossen ist, ist dauerhaft wirtschaftlich bequem und fällt herr-
h ins Auge, ohne verschwenderisch prächtig zu seyn. Die
rigen Wirtschaftsgebäude, die Scheunen, Ställe, die Brennerei,
3 Brauhauß stehen in der schönsten Symetrie; alles, was bei
r Wirtschaft dem Auge eckelhaft seyn könnte, hat man sehr
schickt zu verl)ergen gewußt, und doch wird man, alle diese
*♦ Heute die zur Gcmeirnle Kahl a. Main gehörige Einöde mit Schloß
: drei Wohngebäuden. Bis 1767 befand sich an dieser Stelle das dem
inzischen Staate gehörige „Kahler Reisig", einst Wald, damals unfrucht-
•e Heide, etwa 2500 Morgen. Der Kurfürst Emmerich Josef, nach dem
Ort Emmcrichhofen genannt wurde, überließ am 17. März 1768 das
Tain in Erbbestand an die drei ,,Kntreprenneurs'* : den Geheimen Hofrat
mz Anselm Freiherm von Henz(?l, den Hofrat Philipp Karl von Dael
i den Hofkammerrat Johann Heinrich Linden zum Zwecke der Urbar-
rhtmg. In den nächsten Jahren wurde die Kultivierung durchgeführt
1 drei Höfe gegründet. Der Besitz Benzeis war stark überschuldet und
Ite im Jahre 1792 gerichtlich versteigert werden. Nach einem kur-
inzischen Hofkammerakt im Kgl. Kreisarchiv Würzburg. Gefällige Mit-
ung des Herni Kreisarchivrats Dr. Göbl in Würzhurg.
1
198 WUhelm Stieda.
Gebäulichkeiten nach den strengsten Regeln der Oekonomie be-
urtheilt, nicht sagen können, daß ein einziges bequemer und näU-
licher hätte angebracht werden können. Das Rindvieh ist hier
nicht von großer Schweizer Art, sondern von einem sehr ein-
träglichen Mittelschlage. Allenthalben fand ich Gegenstände, die
meine Aufmerksamkeit reizten und meine Wißbegierde befriedigten,
und ich kann dieses Landgut als eine praktische Schule der
Landwirtschaft ansehen.
Nassau. Unsere großes ten Cameralisten, worunter ich Herni
von Pfeifer in seinem Lehrb. 2. B., 1. Th., § 268, nur anführen
will, haben es schon lange als ein Hauptmittel zur Verbesserung
und Aufnahme der Landwirtschaft angesehen, die zerstreuten
Güter der Unterthanen zusammenzulegen und ihnen ihre Grund-
stücke in großen Strecken beisammen zuzumessen. Mit diesem
wichtigen Geschäfte hat man im vorigen Jalire zu Frikhofen^**
im Nassau-Dillenburgischen den Anfang gemacht. Ich begab mich
hierher, um den ganzen Gang ihres Verfahrens einsehen und die
Mittel kemien zu lernen, wodurch sie die Unterth^en zu diesem
Unternehmen bewegten. Ich hatte das Glück, an den Herrn
Comissarien sehr gefällige Männer zu finden.
Wendelsheim im Pfälzischen.^*
Hier hatte ich Gelegenheit, mit einem sehr geschickten Oeko-
nomen bekannt zu werden, Herrn Krämer, der sich schon als
Schriftsteller in diesem Fache gezeigt hat.^* Er verwaltete die
Güter des Prinzen von Salm Kirburg^^, und ich fand auf den-
selben Einrichtungen, die für mich in vielen Absichten sehr lehr-
reich waren. In Begleitung dieses Mannes setzte ich meine
Reiße nach Kirchenpolandi^ fort, wo ich den dasigen englischen
Garten sah. Von hier aus kamen wir nach Kayserslautern.
dem ehemaligen Sitze der Pfälzischen Cameral hohen Schule.*^
Ich besah hierauf in dem Umkreise von 3 bis 4 Stunden einige
Landgüter, die mir vorzüglich waren gerühmt worden. Den
Schellenberg, einen ehemaligen schlechten Weidegang von
mehr als 1000 Morgen, sah ich in schönes Landgut umgewandelt
Auf der Reichenbach, einem ansehnlichen Gute, fand ich
herrliche Felder. Zu Sichelbach, wo die hohe Cameralschule
ein Gut angekauft hatte 2®, war ich Augenzeuge von der Pro-
stitution, die sie sich in der ganzen Gegend gemacht haben. Schon
14a Frickhofen, Pfarrdorf im preuß. Regbzk. Wiesbaden.
1^ Rheinhessisches Pfarrdorf. Brilmayer, a, a. 0.
i<* Vielleicht ist Job. Jak. Krämer gemeint, der im Jahre 1782 „Be-
trachtungen über die oekonomischen Bemühungen des 18. Jahrhunderts"
veröffentlicht hat.
1^ Friedr. Joh. Otto Franz Christian Philipp, Fürst von Salm-Kyrbarg
seit 1779; geb. 1745. Krebel, Europ. genealogisches Handb. für 1784.
18 Kirchheim-Bolanden, Stadt in der bayerischen Pfalz.
I 1* Über die Hohe Kameralschule in Lautem, Stieda, a. a. 0.., S. 109
bis 119.
^^ Über das Landgut am Siegelbach, das die Hohe Kameralschule
als Mustergut bewirtschaften heß, vergl. C. Fraas, Geschichte der Landbao-
und Forstwissenschaft, 1865, S. 116; Stieda, a. a. 0., S. 110.
Ausbildung in Kameral wissenschalt. J99
r 3. Pächter war kurz vor meiner Ankunft durchgegangen und
i Früchte wurden auf dem Felde versteigert. Das einzige
^nument, das man noch davon hier antrifft, ist ein prächtig
>aater Viehstall.
Rheingau. Meine Hauptabsicht bei dieser Reise war, die
"schiedenen Laagen, Erdarten und die Art und Weise den
»instock zu behandeln genau kennen zu lernen.
Im Vertrauen auf die gnädige Nachsicht Euer Excellenz
terwerfe ich diese meine Berichterstattung hohen Einsichten.
Euer Excellenz unterthänig gehorsamster
Schleenstein.
Beilage Lit. A.
Methode den Deutschen Klee mit den Sommerfrüchten
zu bauen.
Man säet in ein gut zubereitetes und wohlgedüngtes Feld
t der Gerste z. B. den deutschen Kleesamen aus und läßt
[des mit einander aufwachsen. Nun zur Aerntezeit wird die
rste abgebracht, und wenn das Wetter ein wenig günstig ist,
hat man sich in diesem Jahre noch einer Kleeärnte zu er-
;uen. Den Winter über bleibt das Kleestück mit Mist bedeckt,
r das folgende Frühjahr wieder abgezogen wird. Ist nun im
ühlinge kein Frost mehr zu befürchten, so wird Gyps auf den
ee gestreut, imd die Pflanzen werden dadurch stärker aus dem
Kien getrieben. Bedient man sich aber dieses Mittels zu frühe,
setzt man sich der Gefahr aus, bei einstellenden Frost seinen
ee zu verlieren. Nun wird der Klee den Sommer über 3 biß
tial benutzt. Gegen den Herbst wird das Feld in groben Stücken
T einmal umgestoßen, und ohne neuen Dünger zu geben, Roggen
f den Acker ausgesäet. Die Kleeschollen faulen den W^inter
er, legen sich zusammen und düngen den Boden. Wenn nun
3 Roggenämte eingethan ist, so wird der Acker durch Pflügen
id Eggen tüchtig zerrissen und gut gedüngt. Nun fängt man
eder von vorne an, säet z. B. Gerste mit Kleesamcn aus und
rfährt auf die oben beschriebene Weise.^i
Beilage Lit. B.
Wie der Krappbau in den Gegenden dos Rheinstroms
behandelt wird.
1. Werden zu einem Morgen guten Landes a 160 Ruthen
a 16 Rheinland. Schuhe 16 vierspännige Wagen Dung
erfordert.
*i Ober die Verbreitung des Kleebaues in Üeiitschlaiid s. C. Fraas,
schichte der Landbau- und Forstwissenschaft, 1865, S. 215, 219. In
• Pfalz beginnt der Kleebau sich wesentlich in dem Jahrzehnt 1760 — 1770
szubreiten; am Rhein soll er durch einen Schüler Schubarts einge-
irt sein.
200 Willielm Stieda.
2. wird der Dung 2 Schippen tief untergraben und wenn
dieses geschehen ist, zu Anfang des Mayen, bei einer
feuchten Witterung die Pflanzen gesetzt.
3. Auf den Morgen werden 12000 Stücke Pflanzen gerechnet.
4. Wird der Acker in Beele abget heilt, deren jedes 10 biß
12 Schuhe breit, und zwischen 2 allemal ein Zwischenraum
von 2 Schuhe gelassen wird, welchen man im ersten Jahr^
zu Kraut, z. B. Kohlrabi, benutzt. In folgenden Frühjahre
wird dieser Zwischenraum ausgehoben, und auf die Beete
vertheilt.
5. Diese Beete werden in kleine Furchen abgetheilt, da-
rinnen die Krapp Setzlinge 5 biß 6 Zoll von einander
gelegt, mit Erde die Wurzel bedeckt und mit dem Fuße
zugetreten. In diesem Zustande werden sie gelassen bis
in den folgenden Herbst, da dann der Acker unigerodet
und der Krapp ausgemacht wird. Inzwischen aber muß
der Acker etlichemal von Unkraut gesäubert werden. Vor
dem Ausmachen wird das Krappkraut abgemähet, gedörrt,
und den Winter über mit den Ochsen verfüttert.
Anmerkung.
Wenn der Acker also gut zubereitet ist, so kann er bei
einem Mittelertrage 80 Zentner grüne Wurzeln liefern, die a 2 11.
pro Pfund von dem Acker verkauft werden, ohne was vorher
aus Pflanzen gelöst werden kann.
oo
4. (Spoors) kurzer Bericht über eine kleine technologische
Reiße.
Gnoßh. Hess. Haus- u. Staatsarchiv Darmstadt, Akten betr. die Kameial-
fakultät zu Mainz, S. 29—33.
Bevor ich, nach der mir gnädig ertheilten Instruction, die
kleine technologische Reiße unternahm, so machte ich mich mit?er-
schiedenen Handwerkern in hiesiger Stadt bekannt, um mir da-
durch Lust und Fähigkeit zu erwerben, den Zustand derselbeiv
auch hei Ausländem zu untersuchen, und ihre Vortheile unt^
neue Erfindungen zu bemerken.
Mit dieser j)raktisrhen Vorbereitung ausgerüstet, die nii^
meine, auswärts gemachte, Bemerkungen gar vorzüglich erleich.-
terte, träte ich d. 16 ^^n Sept. meine Reiße an.
Mein erster Aufenthalt war in Frankfurt während der Messe*-
Ich Schafte mir allda das, bei Anfang derselben erschienen^
Meßschema an, und l)emerkte mir die, darinn genante, aus-
wärtige Fabricantcn und Kaufleuthe.
o.>
rbor Krapp oder Färberrötlio s. Vom Anbau und Coramerc€ des
Krapps in Deutschland, Leipzig: 1770, S"; Krünitz, Enzyklopädie, Bd. 12tJ.
S. 213 IT., und J. Heckniann, Gesch. d. Krfindungen, Bd. 4, S. 41ff. Df^
Krapp wurde im 18. .laliriiundert wesentMch in Breslau und im Elsaß in
der Gegend von Hajienau und Hischweiler jrebaut.
Ausbildung in Kameralwissenschaft. 201
Nachdem ich mir ihre Bekanntschaften durch mancherlei
eege zu machen suchte, bat ich sie um die Erlaubniße, ihre
twöll>er zu besuchen, wozu sich Einige desto bereitwilliger
igten, je gewisser ich mich als einen Commissionair hinstellte,
r vielleicht noch mancherlei Geschäften mit Ihnen zu machen
degenheit haben würde.
Auf solche Weiße lernte ich die Art der Waaren, ihre Mannig-
tigkeit, ihre Güte und Preiße kennen.
Auch war es mir hier schon eine vorzügliche Gelegenheit,
ch mit den Fabricanten über die Verfertigung der Waaren
Ibsten in nahe Unterredung einzulassen; wodurch aber meine
ssenschaftliche Neugierde nicht befriedigt wurde, weil ich nicht
Ort und Stelle wäre, wo ich die ganze Verfahrungsart mit-
sehen konte, wie aus Naturproducten Kunstproducte werden.
1 begäbe mich daher, nach weiterer Anweisung meiner In-
Tiction am Ende der Frankfurter Messe nach Ofenbach, das
t Recht ein Mänufacturstädtgen genannt zu werden verdient.
Hier hatte ich die erwünschteste Gelegenheit, die Arbeiten,
d Verfertigung der Bijouterie waaren, des Plüsch, und Cafa,
r Wollenfärberei, der Wachslichter, Waagbalken, usw. in ge-
riger Ordnung zu sehen; wodurch ich in den Stand gesetzet
irde, vermittelst meiner Kenntnisse aus der Naturgeschichte,
lisik, Mechanik, und Chimie die Grünflo der verschiedenen
beiten, und ihre Folgen leicht zu begreifen, und einzusehen.
Ich bemühete mich sodann die Kunstsprache der Arbeiter
i verstehen, fände aber hierbei, wie unangenehm es seye, daß
nerlei Werkzeuge und Arbeiten, bei verschieden(»n Handwerkern,
inz verschiedene Benennungen haben; welche man, wenn gleich-
wohl die technologische Terminologie philosophisch, oder siste-
utisch bearbeitet werde, sich dennoch immer eigen macheu
luß. so lange wir von den Handwerkern und sie von uns ver-
^^nden werden sollen; sogut als man die Provinzialnahmen
5r Pflanzen wissen muß, wenn man die Botanik gemeinnützlich
achen will.
Die rohe Materalien, und Nebenmateriaiion. die Verschieden-
st in Werkzeugen, und Geräthschaften, die entweder neue Er-
idungen, oder noch nicht allgemein bekannt sind, suchte ich
-ht allein kennen zu lernen, sondern auch letztere durch Zeich-
'Hgen meinem Gedächtnisse aufzubewahren.
Ich wurde in den Werkstellen von dein Grundsatz voU-
'tuiien überzeugt, daß die Geschicklichkeit der Handwerker,
»^^i die Künstlichkeit der Werkzeuge meistens in verkehrter
'i'hältniß stehen, daß je künstlicher die Werkzeuge, desto ein-
ftiger die Arbeiter seyen, usw. - - Ich bemerkte aber zugleich,
i« schwer es falle, von den Arbeitern etwas abzusehen, und
i erfragen, die meistens nicht gewohnt sind, über ihre Be-
•häftigungen nachzudenken, noch weniger Lust und Fähigkeit
iben, sie zu erklären; die ungedultig über den unwissenden
f^mbden werden, der sie mit Fragen und Einwürfen aufhält,
id die aus Einfalt eben dasjenige, als eine seltene Kunst, und
202 Wilhelm Stieda.
als ein unerforschliches Geheimniß verheelen, wonach sich der
Gelehrte sorgfältig erkundigt.
Von Ofenbach setzte ich meine Reiße nach Seeligenstadt
fort. In diesen Landstädtgen wohnen ohngefähr 40 Wollen-
weber **, von welchen aber nur 18 oder 20 auf ihre Rechnung
arbeiten. Sie verfertigen aus Landwolle ^1^ breite geringe Tücher,
liefern solche theils an das hiesige Militär, theils verkaufen, und
schneiden sie selbige in den benachbarten Gegenden auf den
Märkten aus, und schmeicheln sich aus dergleichen Tücher einen
beträchtlichen Gewinn zu ziehen; wenn nur der Absatz davon
durch die Menge sehr schmaler und schlechter Tücher, welche
die Pfälzische und Gräfl. Erbachische Weber im Mainzer Lande
um einen geringen Preiß verkaufen, nicht alzusehr geschwächet
werde; da doch derselben Herrschaften den Seeligenstädter nicht
erlaubten, auf den Märkten in ihren Landen, mit Tücher, die.
doch weit besser seyen, feil zu halten. Ja sogar bestellten die,
in Seeligenstadt, und in der Nähe wohnenden Juden bei den
auswärtigen Weber dergleichen schlechte Tücher, und gingen
mit denselben allda haußiren.
Es ist nicht zu läugnen, daß die Seeligenstädter Tücher nach
ihrer Art gut ge webet seyen; nur fehlet es ihnen, meiner Ein-
sicht nach, an Kenntnisse und Muth, die Wolle gehörig zu sor-
tiren, und daraus mehrere, der Feinheit und Breite nach ver-
schiedene, Tücher zu machen, da es doch allemal, sowohl für
den Tuchmanufacturisten, als für den einzelnen, sich selbst
verlegenden, Weber keine vortheilhafte Einrichtung ist, nur ge-
ringe, grobe Sorten von Tücher zu verfertigen. Die hohe Direction
der Handwerker würde also sehr reiflich handeln, die Seeligen-
städter Weber anzuweisen, auf welche Sorten von Tücher sie
ihre Industrie verwenden sollen, damit daraus sowohl für sie,
als das Land der bestmöglichste Vortheil gezogen werde: und
dann wird das erste seyn, denselben in genauer und richtiger
Sortirung der Wolle, geschulten und faßlichen Unterricht zu geben.
Ich behalte mir vor, sobald mein Lehramt mir einige Zeil
übrig last, und ich die Seeligenstädter Webereien noch einmal
besuchet habe, einen vollständigen Plan zu entwerfen, wie den-
selben auf die leichteste Art aufzuhelfen seye.
Vor der Hand aber ginge mein dermaliges Gutachten dahin,
die Pfälzer und Gräfl. Erbachischen Weber von dem Verkauf
ihrer Tücher auf den Märkten im Mainzer Lande aufzuschließen ;
weil 1. derselben Herrschaften den Anfang gemacht haben, eit^
gleiches gegen unsere Weber zu verordnen; weil 2. dieser ans-
wärtigen Tücher weit schlechter sind, und unsere Unterthanea^
durch den Anschein eines wohlfeileren Preises, ohnbemerkt be-
trogen werden. — Sodann solle man eben den in Seeligenstadt
wohnenden Juden, den Verkauf der Pfälzischen und Erbachischen
Landtücher untersagen. Durch diese gegründete Verbothe werden
wenigstens unsere Seeligenstädter Webereien vor dem gänzlichen
^•'' Im Jahre 1825 hatte Seligonstadt noch 22 Tuchmacher aufzuweisen
Demiaii, a. a. 0., 2, S. 83.
Ausbildung in Kaineralwissenschaft. 203
ill gesichert, welcher ihnen nicht ausbleiben kann, sobald
licht einen ungestörten Absatz, auf dermalen und mit ge-
n Tücher, erhalten.
Der letzte Ort, den ich auf meiner Reiße besuchte, wäre
kenthal, wo ich wieder verschiedene Manufacturen, und
Iken angetroffen, die in Ofenbach nicht etabliret sind, als
3nzeug- und Tuchmanufactur, Porcellanfabrik, und andere,
»rauchte hier die nemliche Art, meine praktische Kenntnisse
ermehren, die in Ofenbach mir so mancherlei Nutzen ge-
te, und hatte auch das Glück, in diesen Manufacturstädtgen
hes, sowohl in der Zubereitung der Materialien, als der-
n Verarbeitung, zu erfahren, das meine Erwartung übertraf.
Ich schließe meinen, in die Kürze gezogenen Bericht mit
»der Anmerkung, daß ich schon auf dieser praktischen
3n Reiße recht lebhaft empfände, was D'Alembert von den
ten und Handwerken sagt: „Es lohnt sich sehr wohl der
I, daß man sie kennen lerne, die Künste und Handwerke; es
mtweder wegen der Vortheile, die man daraus zieht, oder
n der Ehre, die sie dem menschlichen Geiste machen. In
lern Sisleme der Phisik, und Metaphisik, bemerkt man mehr
iungsgeist, mehr Weisheit, mehr Harmonie, als in den Ma-
en des Strumpfwirkers, des Tressenmachers, des Posamen-
des Tuchmachers oder des Seidenarbeiters?" Ein Urteil,
^anz eines D*Alemberts würdig ist!
Unterthänig gehorsamster
F. C. Spoor.
(Reisebericht der Herren Spoor und Schleenstein.)
1. Hess. Haus- u. Staatsarchiv Darmstadt, Akten betr. die Kameral-
lakultät zu Mainz, S. 91—94.
Halle d. 1^^^ May 1784.
Hochwohlgebohrener Reichsfreiherr.
Gnädiger Herr Curator!
Eine fehlgeschlagene Gelegenheit, mit welcher wir schon
ll^° April unsere Reiße anzufangen dachten, machte, daß
dieselbe zuerst den folgenden Tag antratten. — Wir be-
rten, daß wir auf dem Kurfürstlichen Oeconomiehof bei
laffenburg H. Inspector Weßeli nicht antreffen konnten. Wir
ten aber, soviel es möglich wäre, uns um die ganze Anlage
Einrichtung zu erkundigen. — In Würzburg waren wir so
dich, an H. Hofkammerrath Stoll einen Mann zu finden,
m Gefälligkeit, und Einsichten in die Landwirtschaft uns
t Bekanntschaft eben so angenehm, als lehrreich machte,
atte die Güte, uns selbst auf den Fürstlichen Oeconomiehof,
er vorgesetzet ist zu begleiten, und alles was diese ganze
ilt betrifft, zu erklären. Die vornehmste Gegenstände un-
Aufmerksamkeit waren diesemnechst das berühmte Juhus-
204 Wilhelm Slieda.
hospital-*, nebst der dabei befindlichen Botanik *^ Anatomie-^
und chiniischen Laboratorium, die Universitätsbibliothek, die
Wollenspinnerei, und Manufactur im Zuchthauße.^^ Wir reisten
von hier über Fürt nach Nürnberg; hier begegnete uns das Un-
angenehme, daß diejenigen Personen, an welche verschiedene
gute Freunde uns Addressen mitgegeben, abgereist waren. Wir
fanden in Rücksicht der Manufacturen, die bekannte Rohgießereien
ausgenommen, beinahe alles wieder, was wir in Fürt gesehen
haben. =*« Auf der Hatsbibliothek hatten wir das unverrauthete
Vergnügen den Verfasser der entdeckten Geheimnissen der Land-
und Haußwirtschaft^ö, H. Baumann, Ordensgeistlichen aus der
Abtei Eberbach, kennen zu lernen. Er bezeigte ungemeine Freude,
als er die Absicht unsrer Reiße erführe, bot uns seine Freund-
schaft und Briefwechsel an, und machte uns sogleich wegen ver-
schiedenen ausländischen Sämereien einige Aufträge. Er ginge
auf Würzburg, wo er, wie wir zu vermuthen viele Ursache
haben, sich um eine Professur der Oeconomie bewerben wird. —
Wir werden uns immer mit dem lebhaftesten Vergnügen an
unsere Aufnahme bei den H. Professoren zu Erlangen erinnern,
ihre (jefälligkeit, Freundschaft, und Verbindlichkeit gegen Fremde
last nichts zu wünschen übrig. H. Hofrath Schröber, an welchen
wir von H. Geh. Rath von Pfeifer eine Addresse hatten, war uns
als ein Mann beschrieben worden, bei dem wir das Gefällige
im Umgang nicht suchen dürften. Würklich schien uns sein
Äußeres nicht günstig; er ist schüchtern, spricht sehr ängstlich,
und zurückhaltend. Um so auffallender wäre es uns, da er
mit ungemeiner Gefälligkeit uns selbst in den hiesigen botanischen
Garten führte, in dem Universitäts- so wie in seinem Privat
Naturalienkabinett mit unverdroßener Mühe uns alles vorzeigte
und erklärte, und uns empfal, bei unserer Rückkunft nach Mainz
ihm Nachricht zu geben, auch bei jeder Gelegenheit, wo er uns
eine Gefälligkeit erweisen könte, ihm zuzuschreiben. Auf unsre
Bitte, uns mit einer Addresse nach Leipzig zu versehen, war er
sehr willig, und überreichte uns ein Empfehlungsschreiben an
H. Professor Leske. Bei H. Hofrath Suckov, einem bejahrtea.
gutherzigen Mann, der uns eine Empfehlung an seinen H. Bruder
zu Jena mitgab, sahen wir die phisicalische Instrumenten. Herr
Hofrath Meißel, der uns sehr freundlich aufnähme, besuchten wir
verschiedenmalen, und wohnten einer seiner Vorlesungen bei-
H. Hofrath Delius, Vorsteher des hiesigen klinischen Instituts,
-* Vorgl. Lutz, Rückblick auf die Entstehung und Entwicklung des
Juiiusspitals, Würzhurg 1876.
^'' Vcrgl. Lutz, a. a. 0., S. 33, 83.
'^^_ Vergl. Lutz, a. a. 0., S. 33, 81, 82.
-" Das Zuchthaus wurde im Jahre 1695 eröffnet und in ihm ei«^
Tuchfabrik zur Beschäftigung der Sträflinge errichtet; eine Verbessernnf
nahm im Jahre 1732 der Fürst hischof Friedrich Karl von Schönbom vor.
Archiv des historischen Vereins von l'nterfranken und Aschaffenburf.
bd. 47 (1905), S. 49. Anm. 2.
-^ Die gleiche Bemerkung bei Meermann, Reise, Teil 2, S. 271
29 Wien 1783.
Ausbildung in Kamei'alvvissenschatt. ii)b
ein großer Chimist, verlangten wir zu sprechen; allein er war
krank und lag zu Bette.
H. Hofrath Heberlin, an welchen wir von H. Hofrath Hart-
leben ^o eine Empfehlung zu machen hatten, begleitete selbst uns
in die Universitätsbibliothek, und von da nach denen daselbst
befindlichen Manufacturen.' Den Abend vor unsrer Abreiße führte
er uns noch in eine Gesellschaft, die sich wöchentlich einmal
versammelt, und worinnen wir noch andere H. Professoren, und
Justitzräthe kennen lernten. Der Inhalt ihrer meisten Gesprächen
mit uns beträfe die verbesserte Universität zu Mainz : daß ihre
Lobeserhebungen unverstellt waren, zeigten ihre Mienen, aus
denen oft ziemlich deutlich Beneidung hervorblickte. Wir würden
uns mit Vergnügen auf dieser Universität noch lange aufgehalten
haben, wenn w^ir Gelegenheit gehabt hätten, ein in uns^r Fach
schlagendes Collegium zu besuchen. Es waren zwar in der
Lectionstafel verschiedene angezeigt, wovon aber keines zu Stande
gekommen war. In Rücksicht der Polizei und Oeconomie der Stu-
dierenden erhielten wir verschiedene hierüber herausgekommene
Vei Ordnungen. — H. Hofrath Schroeber hatte uns an H. Kammer-
legistrator Wunder in Baireit eine Emphelung mitgegeben; dieser
zeigte uns das dortige ansehnliche Naturalienkabinett. In dem
sogenannten Brandenburger Zuchthauße, nicht weit von der Stadt,
sahen wir die berühmte Marmorschneiderei und Schleiferei : Wir
erhielten die Verzeichnisse sowohl der verschiedenen Marmor
Sorten, als der Preiße der gefertigten Waaren. — In Hof, wo
?ehr viele Baumwolle gesponnen, und zu Schnupftüchern ver-
arbeitet wird, besuchten wir einige Webstühle. — In I^i|)zig,
wo wir uns eine Zeitlang aufzuhalten gesonnen waaren, gaben
wir unser Emphelungsschreiben an H. Professor Leske ab, von
^eni wir auch sehr freundschaftlich aufgenommen wurden. Allein
wir fanden ihn we^en der Messe mit so vielen Geschäften über-
lauft, überhaupt alles so sehr im Gedränge, und den Aufenthalt
so kostspielig, daß wir unsere Reiße nach Halle fortzusetzen,
und von da nach Leipzig wieder zurückzukehren beschlossen. —
Unßere Reiße hatte bis Hof wegen l)eständig anhaltendem
^gen und Wind viele Beschwerlichkeit für uns. Aber dieses war
wttr unbeträchtlich gegen das, was wir durch das Voigtland aus-
^tehen hatten. Der häufige Schnee, der auf vielen Bergen noch
*iicht weggeschmolzen war, hatte alles bodenlos gemacht. Wir
halten Mühe, mit 3 Pferden des Tags G Stunden weit fortzu-
kpnimeu, saßen immer in offenen Wagen, und nmßten täglich
die Abwechslungen von Regen, Schnee und Hagelwetter erfahren.
•^Ife diese Unbequemlichkeiten verdopixjlten unsere Reisekoston,
da wir überdies hier alles theurer, und in schwerem Geldfuße
^U bezahlen hatten.
Wir bitten daher unterthänig, Ew. Excellence mögen die
pnade haben, uns einen Wechsel nach Leipzig unter der Acldresse,
'n dem blauen Engel, wo wir d. 22 ^^"c May wieder eintrefen
30 Franz Joseph Hartlebcn, 1740—1808, Professor der Pandekten
^ Mainz.
!2<)6
Wilhelm Stieda.
werden, anzuweisen. — Wir erwarten demnächst den Hohen Be-
fehl, ob wir die Rechnung wegen dem empfangenen Gelde in
der Mitte oder am Ende unserer Reiße einschicken sollen.
Ew. Excellence werden es uns nicht zur Ungnade aufnehmen,
daß wir nach unserer Schuldigkeit Hochdenselben nicht schon
eher Nachricht von unserer Reiße gegeben haben; indem wir
keinen sicheren Ort haben anzeigen können, wo wir die Hohe
Befehle zu erwarten hätten.
Die wir mit schuldigster Ehrfurcht uns zu nennen die Gnade
haben Ew. Excellence
Unterthänig gehorsamste
F. Spoor und Schleenstein.
6. (Reisebericht der Herren Spoor und Schleenstein aus
Leipzig 1784, Juni 5.)
Großh. Hess. Haus- u. Staatsarchiv Darmstadt, Akten betr. die Kaxnenl-
fakultät zu Mainz, S. 96 ff.
Hochwohlgebohrner Reichsfreiherr,
Gnädiger Herr Curatorl
Mit dem gerührtesten Danke für die Hohe Fürsorge, die uns
Ew. Excellence immer angedeihen ließen, melden wir Hochden-
selben, daß wir von Herrn Kammerrath Frege zu Leipzig einen
Wechsel zu 200 Rlr. Louisd*or ä 5 Rthlr. den 31. May ausbezahlt
erhielten.
In Halle waren bei unserer Ankunft die Vorlesungen noch
nicht angefangen; wir besahen daher innerhalb Halle die Sladt-
und königliche Salz-Koten, das berühmte Waisenhauß mit allen
dazu gehörigen Einrichtungen, verschiedene Fabriken und machten
sodann eine kleine Reiße auf einige Meilen in der Gegend ron
Halle. Wir befuhren wegen der Verschiedenheit der Kohlen und
der Art, sie zu gewinnen, zwei Kohlenwerke zu Löbegin und
Wettin; im ersteren hatten wir noch das Glück, eine ganz neue
Anlage eines Derckes (?) anzutrefen. EJei dieser Gelegenheit be-
suchten wir auch den durch die Schriften des Herrn Hofrathen
Schubart so berühmten Landwirthen Herrn Oberamtmann Holx-
hausen^i in Gröbzig, welcher die Güte hatte, uns seine ganze
sehr beträchtliche Oeconomie zu erklären und allenthalben selbst
zu begleiten. Endlich die nahe dabei gelegene Kupferschmelzhütte
zu Rothenburg. Dei unserer Rückkehr hatten die Kollegien ihreti
Anfang genommen, wo wir besonders den Vorlesungen der Renen
Professoren Förster und Karsten, Professor der Experimental-
phisic, — Junghans, der Dotanik, — Richter, der Chemie, — '
Goldhagen, der Zoologie, beiwohnten. Herr Professor Förster be-
zeugte uns, wie wir glauben aus besonderen Absichten, ricl^
•* Vielleicht ist Job. G. Holzhausen gemeint, der allerdin^ tt^
spätor, nämlich im Jahre 17R5 „Beilage zu J. C. Schuharts Schriften" vd
1787 „Schreiben an Schubarl v. Kleefeld über Riems Reise nach Gröbnf
veröffentlicht hat.
.?.
Ausbildung in Kamend Wissenschaft. 207
Freundschaft und Gefälligkeit; er führte uns in die Gesellschaft
der Gelehrten, wo wir auf einmal mit mehreren berühmten
Männern Bekanntschaft machten und von Verschiedenen die
Correspondence erwarben. Nebst verschiedenen Privatnaturalien-
Kabinetten besuchten wir noch die Bibliotheken, welche wir aber
in unserem Fache schier gar nicht benutzen konten.
Bei unserer Rückreise nach Leipzig machten wir dem Herrn
Kammerdirektor Hofmann von Berlin, der sich während des
Sommers auf seinen Gütern zu Discau aufhaltet, unsere Auf-
wartung. Wir hatten hier das Glück, einen sehr großen und
eifrigen Landwirthen zu finden. Nachdeme er uns die ganze Ein-
richtung seiner Wirthschaft erklärte, hatte er sogar die Gefällig-
keit, uns sein Oeconomiebuch und Rechnungen zur Ueberzeugung
seiner vortheilhaften Bestellung vorzulegen.
In Leipzig erkundigten wir uns sogleich bei Herrn Pro-
fessoren Leske und Roeßig um alles, was in unser Fach einschlage.
Wir erfuhren aber wider Erwartung, daß das Studium der
Kameral Wissenschaften auf hiesiger Universität schlecht betrieben
würde: Professor Leske zählet in seinen Vorlesungen über die
Naturgeschichte 6 Studenten und Roeßig über die Oeconomie nur
Vier. Die Bibliothecken sind in Ansehung dieser Wissenschaften
gar nicht zu achten, und der botanische Garten ist in sehr ge-
ringen Umfang. Wir werden daher auch in Leipzig uns nicht
lang aufhalten, sondern sobald möglich nach Jena unsere Reise
fortsetzen. Göttingen wird wohl der einzige Ort seyn, wo wir
uns mehreres von der Bibliotheck und botanischem Garten zu
versprechen haben. Wir werden eilen, dahin zu -kommen.
Wollen daher Ew. Excellence an uns hohe Befehle ergehen
za lassen geruhen, so erwarten wir selbige in Göttingen, jedoch
«1 mehrerer Sicherheit mögen Ew. Excellence auf die Adresse
Post restant zu schreiben die Gnade haben.
Leipzig d. ö.*«» Juni 1784.
Ew. Excellence
unterthänig gehorsamste
F. Spoor und Schleenstein.
'• (Reisebericht der Herren Spoor und Schleenstein aus
Göttingen 1784, Juli 6.)
^fofih. Hess. Haus- u. Staatsarchiv Darmstadt, Akten betr. die Kameral-
fakultät zu Mainz, S. 100—101.
Excellence
Hochgebohrner Reichsfreiherr,
Gnädiger Herr Curator!
Bei unserer Reiße von Leipzig nach Jena besuchten wir den
^nrch seine oeconomische Schriften so sehr berühmten H. Hof-
'athen Schubart** auf seinem Landgute zu Würgwitz, welches
*- Oeconom.^Jcameralistische Schriften, Leipzig 1783—1789.
!208 Wilhelm Stieda.
nur einige Meilen von der ordentlichen Straße ablag. Dieser große
und eifrige Laiidwirth hatte die Gefälligkeit, uns allenthalben hin
auf seine Felder selbst zu begleiten, und alles augenscheinlich
zu zeigen, was er in seinem Werke über die Landwirthschaft
lehret. In Jena fanden wir zwar an H. Kammerrath Suckow
einen sehr großen Eiferer für die Kameralwissenschaften, dessen
Korrespondenz zu erhalten, wir auch so glücklich waren; allein
im Ganzen geschiehet auf dieser Universität in Rücksicht er-
wähnter Wissenschaften sehr wenig. Wir machten also nach
Unserer Instruktion Bekanntschaft mit noch einigen H. Pro-
fessoren, besahen, was uns in unserem Fache dienlich seyn konnte,
und setzten unsere Reiße nach Erfurt fort. Hier bedauerten wir
die Abwesenheit Sr. Excellence Herrn Stadthalter; allein weil
man von Hochdesselben baldiger Ankunft sprach, so erkundigten ,
wir uns, um Gewißheit zu haben bei H. Hofrathen Redacker, der ,
uns aber auch nichts bestimmtes sagen konnte. Wir machten in
Begleitung des H. Kammeracceßisten Thelemann bei H. geheimen
Ralh von Bellmont^^^ m^d h Kammerräthen unsere Aufwartung.
H. Kammerrath Müller führte uns in Gesellschaft des H.
Professor Stumm und Thelemann nach der Erbacher Stahlqueile,
wo ersterer die gewöhnlichen Hand proben mit diesem Wasser
machte, und uns zugleich das Resultat der aus diesem Wasser
gemachten chimischen Untersuchung mittheilte.
Wir reißten sodann nach Dietendorf, um die dortige Manu-
facluren der Herrnhuther zu sehen. In Erfurt besuchten wir vor-
züglich das Polizeihauß, die Zeug- und Landmanufactur. Unsere
Reiße von Erfurt nach Göttingen nahmen wir über Heiligenstadt**,
wo wir uns einen Tag aufhielten. In Göttingen sprachen wir so-
gleich mit H. Professor Beckmann, bei dem wir uns um den Zu- ;
stand der Kameralwissenschaften erkundigten. Wir erfuhren von
ihm, daß die Bibliothek in diesen Fächer vollkommen beselit,
und der oecouomische Garten in sehr gutem Zustande seye.
Wir freuelen uns, hier endlich das, was wir nirgend antrafen,
nemlich einen Ort zu finden, wo wir mit den nöthigen Hülfs-
mittein unterstützet, unsere Kenntnisse erweitern könne. Da
uns an der Freundschaft des Professor Beckmann sehr viel
gelegen ist, theils um die öfentliche Bibliothek, und den oeco- ]
nomischen Garten, theils seine eigene Privatbibliothek, Mine*
ralien, und Maschinensanmilung zu benutzen, und überdies d«^
Ruhm dieses Mannes und sein zahlreiches Auditorium uns aS^'
lockte, so beschlossen wir, seinen Vorlesungen über die Oecö'
nomie und Technologie beizuwohnen. Hiezu kömmt noch, d^
er durch den oeconomischen Garten, die ansehnliche Sammlui^Ä
von Maschinen usw. in Stand gesetzt wird, die Sachen, die ^
vorträgt, vor Augen zu legen. Wir glaubten daher nicht, d^^
Hohen Willensmeinung Ew. Excellence entgegen zu handeln, weO*
33 Joh. Arnold Bellmont, 1718—1803, Chiirf. Mainzischer wirkl. g«^
Rat und Regicrungsdirektor in Erfurt.
34 Preui:. Stadt im Regbez. Erfurt.
Ausbildung in Kameralwissenschaft. 209
wir uns in seine Collegien für dieses halbe Jahr einschreiben
ließen, die zwar schon einige Zeit angefangen waren; allein da
wir aus den Vorlesungen des H, Geheimen Raths von Pfeiffer in
diesen Wissenschaften schon bewandert sind, nichts dabei ver-
lieren. —
Wir bitten nun, Ew. Excellence mögen die Gnade haben,
uns einen Wechsel nach Göttingen zu überschicken: wir können
leicht vermuthen, daß es Hochdenselben sehr auffallend seyn
werde; allein die große Reißunkosten und das außerordentlich
theure Zehren von Leipzig bis Göttingen, die Praenumerations-
gelder für die Collegien, die Anschaffung der nöthigen Hand-
bücher und sonst noch andere Vorausbezahlungen entblösten uns
ganz vom Gelde.
Wir werden mit dem zu hofenden Wechsel viel länger aus-
dauern können, indem die sehr schwere Reißunkosten uns von
einer sehr ansehnlichen Ausgabe befreien.
Die wir uns zu beharrlichen Gnaden schuldigst empfehlen
Göfüngen, den 6. Juli 1784.
Ew. Excellence
Unterthänig gehorsamste
F. Spoor und A. Schleonstcin,
wohnhaft bei Schneidermeister Bruhns
auf der Jüdenstraße.
8. (Reisebericht der Herren Spoor und Schleenstein aus
Göttingen 1784, Aug. 11.)
Großh. Hess. Haus- u. Staatsarchiv Darmstadt, Akten betr. die Kaineral-
fakultät zu Mainz, S. 108—112.
Göttingen, d. 11. Aug. 84.
Excellence
Hochwohlgebohrner Reichsfreilicrr,
Gnädiger Herr Curator!
Das Hohe Schreiben Ew. Excellence vom 25^^'" Juli haben
wir den 30.*®" Juli empfangen, und sagen Hochdenselben dafür
^«n gehorsamsten Dank.
Die Gnädige Aufnahme unserer eingeschickten Berichte ist
^ die stärkste Ermunterung, alle Kräften aufzubieten, uns
^ö der Zukunft dem Staate recht brauchbar zu machen.
Die an die Kurfürstliche Kammer in Heiligenstadt ange-
lesene 300 fl. dortiger Währung haben wir den SM^^ Aug. er-
*^ten. Es war uns daher ohnmöglich, dem Hohen Befehl Ew.
«xcellence zufolge die beiliegende Rechnung zu Ende des Julius
ewizusehicken. Nichts wird der Rechnung Ew. Excellence so
auffallend seyn, als der Betrag des Fuhrwesen : Allein oft trafen
^r den Postwagen zu der Zeit nicht an, wo wir mit unseren Ge-
schäften fertig geworden; oder, wir würden uns manchmalen
ohne allen Nutzen 2 oder 3 Tagen an einem Ort aufgehalten
^^rtgc «. Gesch. d. Universitäten Mainz u. Gießen. 14
210 Wilhelm Stieda.
haben, wenn wir ihn hätten abwarten wollen. Zum andern wäre
es ohninöglich, bei sehr kaltem ungestümen Wetter durch die
Nacht auf offenem Wagen zu fahren. Und w^ir fanden nach ge-
nauer Berechnung, daß der ordinäre Wagen für uns beide mit
unserem Koffer beinahe eben so hoch gekommen wäre, als wenn
wir auf einen besonderen Wagen gefahren.
Unsere Beschäftigungen in Göttingen sind an einem Tage,
w^ie dem Anderen. Die Gegenstände unserer Arbeiten sind 1. die
Vorlesungen über Oeconomie und Technologie, den Tag durch
2 Stunden beizuwohnen, 2. die Universitätsbibliothek, welche in
allen Theilen der Kameralwissenschaft gut besetzet ist, und welche
w4r die Morgends- und Nachmittagszeit durch mehrere Stunden
benutzen, 3. der oeconomische Garten, der uns des Morgens in
der Frühe wenigstens zwei Stunden beschäftigt. Die übrige Zeit
müssen wir dazu anwenden, die aus Büchern gemachte Auszöge
zu Hauße in gehörige Ordnung zu setzen.
Ew. Excellence werden daher gnädig einzusehen geruhen,
wie beschwerlich uns die Aufarbeitung unserer zukünftigen Vor-
lesungen durch den Winter fallen, welche uns manche Stunden
kosten, die uns zu den erslen Gegenständen beinahe ohnentbehr-
lieh sind.
Nach unseier Instruktion sollen wir auch den Harz be-
reißen. Wir finden dazu keine andere Zeit, als nach geendigten
Collcgien im Monath October, in welchem aber die gewöhnlich
in hiesiger Gegend eintretende übele Witterung unsere Reiße
dahin sehr leicht hindern kann; — Bleiben daher Ew. Excellence
bei der Instruktion, so müssen wir, um dem Hohen Befehl ganz
sicher nachzukommen, den Monath September dazu wehlen, wo
wir aber die richtige Vortheile in Ansehung der Bibliothek, des
oeconomischen Gartens und der oeconomischen Vorlesungen
dieser Reiße aufopfern müssen; da unser Aufenthalt auf dem
Harz wenigstens durch 4 Wochen bei schwerem Geldaufwand
w^ehren nmß, um daraus den gehörigen Nutzen zu ziehen.
So leid es uns ist, die schöne Werke auf dem Harz der-
malen nicht zu befahren, so sahen wir uns dennoch aus ange-
gebenen Ursachen verbunden, bei Ew. Excellence deswegen noch
einmal anzufragen; da wir uns überzeugten^ daß es der Hohen
Absicht, warum man uns hieher nach Göttingen geschicket, um
deswillen entgegenseye, weil wir verschiedene Vortheile entsagen
müßten, wodurch wir unsere Theorie fester und ausgebreiteter
machen, und wir ohnehin die Befahrungen mehrerer Bergwerken,
sofern uns die praktische Reißen Gnädigst gestattet werden, auch
mit weit größerem Vortheile nachholen könnten.
W'ir werden uns itzt nicht getrauen, die Reiße nach dem
Harz vorzunehmen, l)evor Ew. Excellence deswegen die Hohe
Willensmeinung an uns wieder hal)en ergehen lassen.
Die Wintervorlesungen fangen gewöhnlich 3 Wochen nach
Michaelistag an und endigen sich in der Osterwoche. Die Sommer-
vorlesungen nehmen 3 Wochen nach Ostern ihren Anfang und
werden in der Michaeliswoche beschlossen.
Ausbildung in Kameralwissenschaft
m
Bei dem ersten Eintritt in die Bibliothek suchten wir die
nntschaft des H. Professor und Bibliothecarius Dietz, der
auch gleich anfangs gegen uns außerordentlich freundschaft-
bezeigte. Er böte uns an, die Bibliothek nicht nur zu den
ähnlichen 2 Tagen der Woche, sondern auch außer dieser
zu besuchen, die Bücher, so wir besonders benutzen wollten,
Hauße mitzunehmen, und außer den gewöhnlichen Stunden
Selbsten ohne weitere Anfrage Bücher zu holen. — H. Pro-
r Dietz (hat) Sonnabend öffentliche Vorlesung über die ge-
B Geschichte, besonders vom 15.^«° Jahrhundert, welcher wir,
nehr mit ihm bekannt zu werden, beiwohnen. — Aus seinem
freundschaftlichen Betragen, welches er gleich Anfangs gegen
geäußert, merkten wir, daß er eine geheime Absicht dabei
n müßte; und wir haben gefunden, daß wir dieselbe errathen,
dem wir 2 Wochen nachher seine Vocation an die Kurf.
z. Universität erfahren.
Ew. Excellence mögen die Hohe Gnade haben, uns zu er-
3n, zwei Herbaria viva, die wir auf Anrathen des H. Pro-
►r Beckmann bei dem oeconomischen Gärtner bestellt haben,
ie nächste Rechnung einzuführen. Wir haben dieselbe aus
!r Ursache für sehr nothwendig gehalten, weil sie nicht allein
zu Unterhaltung der gesammelten Kenntnissen der Gewächsen
jn, sondern auch wir die Pflanzen nach der Natur den zu-
tigen Zuhörern der oeconomischen Vorlesungen vorlegen
len. Wir hätten diese Bestellung noch nicht unternommen,
em zuvoderist bei Ew. Excellence darum angefragt, wenn
nicht hätten befürchten müssen, daß nach einiger Zeit ver-
jdene Pflanzen mit den Blüthen ausgegangen wären. Das
i Papier mit Gewächse einzulegen, kostet 36 Kr., wie stark
die Einlagen werden, läßt sich jetzt noch nicht bestimmen.
Wir empfehlen uns Ew. Excellence zu Hohen Gnaden.
Ew. Excellence
Unterthänig gehorsamste
F. Spoor, und A. Schleenstein.
1784
Berechnung der Gelder, so
uns für unsere Sommerreiße
aus dem Kurfürstlich main-
zischen Universitätsfonds aus-
bezablt worden.
Ein-
nah-
men
fl. Jkr.
rh. i
Aus-
gaben
fl.
rh.
kr.
Rest
fl. ikj.
rh, I
ild.lOte°
d.31ten
;ust
3icn
d.
In Mainz Conventionsgeld
In Leipzig 300 fl. in Louisdor
ä 5 Thlr. macht . . .
In Heiligenstadt 300 fl. in
Louisdor ä 5 Thlr. 4
Groschen machet . . .
300
360 I-
347 -23
14*
\
Wilhelm äti«da.
1784
Berecliming der Gelder, so
Eiti-
nah-
Aus-
gaben
R^l
unü für unsere Summerrei&e
aus dem Kurfürstlich main-
zischoii üiiiversitätsfonds aus-
11. ;(,,
^- k.
fl-Lt
liezahll worden.
rh. 1 -
.h- '''■
rb.
VomlS.Apri
Diäleii rar Beide
bisIl.Augusl
inclus.
p. Tag 1 n. 48 kr. beiragen
-
-
5r.G: IS
Rfiseuukoaten ii. Trink-
gelder
Mainz
April d, IS""
Für Fuhrwesen nach Asehaf-
fenburjr
—
—
ly
4
Aschaffenburg
d. ly«"
Die Einridilung auf dein Kur-
fürsll. Oekunomiehor zu
1
scheu
_
_
48
_
Für Fuhrwesen iiadi Würz-
burg
—
—
12
20
Würz bürg
1
d. L>1'™
Trinkgeld für diejenigen, so
uns im Hospital alles zeigten
—
—
3
24
— —
d. a-jw
Auf dem fürstl. Oeconomiehof
—
—
—
48
_ L-
d. 24'"
InderWoUeLspinnemundMa-
nufactur im Zuchthause .
—
_.
—
34
_
In der Bibliothek ....
—
—
—
36
—
d. 2;i"-"
Für Fuhrwesen nach Nürnberg
Nürnbere und FiirLh
—
—
18
8
—
d. ^ti'^
Dem Lohiidiener p. 1 '/» Tage
—
—
1
30
—
_
Auf der Rathsbibliulliek . .
—
_
1
12
— '—
—
In der Ruthgießerei . . .
_
—
_
36
_ ;—
—
In der Ürillantschleiferei im
/uehthause
—
^
24
— ._
d. -11'^"
Auf der l'apiennühlezu Mögels-
dorf hei Nürnberg . . ,
30
d. ^8'™
In der Hulfabrik ....
_
_
_
24
— -
—
In den Drahtxiehereien . .
_
_
48
—
In den Roth gerbereieil . .
_
_
_
20
d. 29""
Für Fuhrwesen nach Er-
langen
Erlangen
Dem botanischen Giirlner .
-
-
3
ÜO
d. liO'""
_
_
1
12
J^
_
Im Naturalien kabinet . . .
_
._
48
_ ,—
Mav
d. 1'«°
In der Kattun manufaklur
_
_
_
36
-
In der Pa|.iermüble . . .
-
-
-
26
Ausbildung in KHinenü wissen sc hafl.
17«4
Beredinung der Gelder, so
Ein-
nah-
gaben
Rest
uns für unsere Sommer rei&e
aus dem KurfürsUich niainzi-
sclien Universitätsfonds ausbe-
fl.
fl-'kr
3;.;-
zahll worden.
Lh. I<r.
vh. *■'■
y d. 1-
In der Spiegelsdiieiferei . .
_ _
- ; üi
-^ ,_
In der Ooldsdilägerei . . .
—
—
~
1^
— —
\. :i'"'
in der Anatomie ....
■2i
In der Bibliütheli ....
_
„
_-
m
— 1^
—
Gewürkle Strumpfmaeher
—
—
—
Ü2
— —
Handscliubmadier ....
•24
Bandmaiiuraktur ....
,-
_
•m;
_ _
Seiden- u. Sammelmaouraktiir
_
__
_
18
—
_-
]. 4'^"
Für Fulinvesen nacli Bayreutii
Bayreuth
—
-
15
45
—
i. 5""-
—
—
—
48
—
—
—
In der Marmorsdi neiderei im
Zudilhause
—
—
1
12
—
—
1. e«-
Vür Fuhrwesen nadi Hof_ .
—
—
7
10
—
—
_
Unterwegs Alaunsiedereieii
und Sdmidzwerk . . .
-
ä
2*<
—
—
Hof
J. 7"^"
IndenBaumwollenspinnereien
_
und Webereien ....
_
—
„
4»
Für Fuhrwesen naeh (iera
—
-
14
42
—
—
Gera
,. lO'«"
In der Zeugmanufaktur . .
_
—
—
43'/,
_
—
—
Das Fuhrwesen nacli Leipzig
_
_
15
31"/"
—
_
^
Das Goffre nachznholen . .
Leipzig
—
—
5
~
—
"
1. 11""
Dem Lobiidiener ....
l
12
1. la's"
Für Fulirweseii nadi Halle
Halle
-
—
11
22'/.
—
—
1. 15"°
In den Salzkoten ....
1
^5
1. IS«"
Für Fuhrwesen nadi Lübegin
und Gröbzig
—
—
i
25
—
—
—
In der Kohlengrube L6 hegin
—
—
1
25
—
—
Dem Aufseher zu Grflbzig .
■st\
1. 19'^-"
Für Fuhrwesen von Gröbzig
nach Rothenburg, Wellin
und zurück nach Halle .
5
53
—
hl derSchmdzhüttezuIiolhen-
burg
—
—
1
19
—
—
—
In den Kohlengruben zu Weltin
_
—
2
31
—
—
1. 21'*"
Die Einrichtung im Waisen-
hau&e
—
—
l
12
—
"
Wilhelm Slieda.
1784
Ein
..
Bereclmung der Gelder, so
gaben
Real
uns für unsere SommerreiSe
men
aus dem Kurfürstlich inainzi-
scliea Universitfitsfonds ausbe-
n.
fl.
''
"-Ikr
zaldt worden.
rh.
'■
th.
rlf
Mayd. Sl"*"
1(11 Naluralienkabiriet , . .
T~
~
TT
U
-^
Dem Vorsieher der Seiden-
l>lanlage
—
—
—
4*
- -
d. ^'i'«"
In der Universitätsbibliothek
ii
_
hl der Rathsbibliotfaek . .
_
1
n
—
In der seidenen Strumpfinanu-
faklur
- 2«
d. äö«"
Für das Fuhrvvesea zurück
nach Lei])zig
—
—
9 3r>
Leipzig
(i. 2(1'«"
Zusammen dem Lohndiener
—
—
2 2-1
bis 11. Juni
d. 28""'
Ein Privalnaturalieiikabinet zu
sehen
—
-
1
12
--
(i. aw»
Die UniversitäUhibliothek .
_
_
_
30
d. 3«"
Die Modellkammeni . . .
_
—
—
5i
— '—
d. Tten
Die Ratbsbibliothek . . .
—
—
1
19
- ~
d. 9'«°
Die verschiedenen Einrichtun-
gen bei Breilkupf . , .
__ —
I
12
-
—
—
Kammfabrik
_ —
36
— ' —
d. 10'«°
Seidene Slrumpfmanufaklur
— —
—
18
- -
d. 11'^"
Im botanischen Carlen . .
4r.
d. l^'™
Fuhrwesen nach Zeilz . ,
Zeitz
Fuhrwesen zu Hofralh Scliu-
~ r
10
lä
- '
d. U"-i
barl WQrchwitz ....
5
18
d. In«™
Fuhrwesen nach Jena . .
10
28
-
d. IS^«"
Jena
Im Naluralienkabinet auf dem
SeldnS
_
—
1
12
—
_
Auf den Bibliotbekeji . . .
_
_
1
39
—
d. 19'=°
Im biititnisdien Gai'ten . .
_
_
27
—
-
Wollene Slrumpfmanufaklur
_
_
—
13'/t
-
Gerbereien
27
d. -im^^
Fuhrwesen nach Erfurt . .
Erfurt
In der Wollenbandmanufaktur
-
-
8
19
-
'
d. 2^«»
_
_
_
27
d. -Ji'«"
Nach Diwlendurf um die dor-
ligen Manufakturen der
1
Herrenliuler zu sehen . .
—
-
3
36
-
'
Ausbildung in KHmeml Wissenschaft.
178J
Bereclinuug der Gelder, so
uns für unsere Sonimerrpiße
aus dem Kurfürsllich mainzi-
schen Universilälsfunds ausbe-
zahlt worden.
Eiü-
men
lli
Von Erfurt über Gotlia, MüJil-
hausen nach Hciügcnstadt
Heiligenstadt
Fuhrwesen nach Göltinge:i
Göllingen
KollegieDgelder iin<[
Bücher
Das Hoimrariuin fiii-Pnif. Beck-
mann
Beckmann Landwirtschaft in
duplo*')
Beckmann Technologie'*)
Vogt Mineralogische Beisen°')
Nicolai Beißen'*) ....
Für ein Werk die Einriclitung
im Hall i sehen Pädagogio he-
trelTend
Diu Einrichtung im Hatliscben
Waisenhause
Sumtri
Jötlingeii den 11'«" August 1784.
Unlerthänigst gehorsamste
G. A. Schleeustein.
F. C. Spoor.
' Gnindsälze der deutschen Landwirtschall, 3. Aufl. 1783. 1 IKIr.
< Anleitung lur Technologie. 2. Aull. 1780. 2 Rtlr.
' J. Karl Wilb, Voigt, Miiicralogischo IleiRcn durch das Herzogtum
,r II. Eisenach, 1782. 1 Rtlr. 15 Gr.
* Fr. Nicolai, Bcscbrciliung einer Hcis<> diirrli Deutschland und die
ii, 12 Teile. 1783—17117, zu 1 Rtlr. Danarh «-aren offenbar noch
mehr als 7 Bände erstrliJenen. Die Itlicherp reise nach Hcinsius'
'Icxikon angegeben.
216 Wilhelm Stieda: Ausbildung in Eameralwissenschaft.
9. (Reisebericht der Herren Spoor und Schleenstein an den
Kurator Benzel in Mainz aus Göttingen 1784, Septbr. 5.)
Onoßh. Hess. Haus- u. Staatsarchiv Darmstadt, Akten betr. die Kameral-
fakultät zu Mainz, S. 115 — 116.
Excellence
Hochwohlgebohrner Reichsfreiherr,
Gnädiger Herr Curator!
Unseren Brief vom 11. i^" Aug. nebst der dabei gelegten
Rechnung werden Ew. Excellenz erhalten haben.
Womit wir uns hier beschäftigen, haben wir im vorigen Briefe
schon die hohe Gnade gehabt Hochdensell)en anzuzeigen. Be-
sonders macht uns die Bibliothek, worauf wir den größten Theil
des Tages zubringen, außerordentlich viel zu thun; und dieses
um so mehr, da es uns an der Litteratur in den Kanieral\>isseii-
Schäften beinahe ganz fehlte. W'ir sind beschäftiget alle Werke
in diesem Fache durchzugehen, und uns aus tiUem, was uns
nützlich scheint, Auszüge und Anmerkungen zu machen. Diese
Arbeit häuft sich aber so sehr, daß wir die Hofnung aufgeben
müssen, die Menge der Auszüge hier in ein zusammenhängendes
Sistem zu bringen. W^ir würden Ew. Excellence um die hohe
Gnade ersucht haben, uns von den Vorlesungen den nächsten
W^inter zu befreien, um aus dem gesammelten ein vollkommenes
Ganze zu machen, wenn wir nicht überzeugt gewesen wären,
daß unsere Bitte gegen den Plan von Ew. Excellence seye.
Wir legen hier einen Catalog von den nächsten Winler-
vorlesungen in Göttingen bei ; wir müssen aber bemerken, datl
die Vorlesungen gewöhnlich 8 Tage später, als die Anzeige ist,
ihren Anfang nehmen.
Nach unserer Instruction nehmen wir die Rückreise über
Cassel und Fuld. Wir halten es daher für nöthig, zu Anfang
des Octobers von Göttingen abzureisen. Ew. Excellence werden
aus der eingegebenen Rechnung zu ersehen die Gnade haben,
daß wir mit dem angezeigten Reste bis zu Ende des Octobers
nicht auskommen können. Wir bitten dahere Hochdieselbe uns
wieder mit einem W'echsel nach Göttingen zu versehen.
Die wir Ew. Excellence uns zu hohen Gnaden ferner eiiiphcleu
und in tiefester Ehrfurcht beharren
Ew. Excellence
untorthänig gehorsamste
Spoor und Schleenstein.
Göttingen d. 5. September 1784.
-<0»0»€»-
iträge zur Geschichte der
idt und Universität Gießen.
Alt- Gießen.
Von Gustav Frhm. Schenk zu Schweinsbei^.
einer Siegdtafel und einem Lagf|)lan; im Tcxk- eine PlanskizM,
Ansichten, drei tiiegelabbildunficn. Nelist drei urkundlidien Bi-igalien
und einem Anhang.)
Die Anfänge einer Stadt, die mehr als einmal in
reren Kriegszeiten den Landesherrn und seine obersten
irden in ihren festen, von Philipp dem üroßniülij;en er-
en Mauern geborgen und die LandgrafschaFt Hessen-
nstadt so vor dem Unlergang; bewahrt hat, einer Stadt,
jeit 300 Jahren der Sitz der Landeshochschule ist, die
ich auch als Gemeinwesen in erfreulichstem Aufblühen
ifien ist, verdienen eine eingehendere Untersuchung,
»e es bisher erfahren haben.
Meine Arbeit soll dazu den Anfang machen; ihre Er-
ung wird hauptsachlich von einer planmäßigen weiteren
eckung der Grundmauern der Burg ?.n erwarten sein.
I. Die Gründungszeit der Stadt (iießcn.
Die Stadt Gießen wird zum erstenmal im Mai des
3S 1248 erwähnt r der Schultheiß, die SchfiRen und die
einde der Bürger zu ,,Gizen" bekundeten damals einen
ihrer Kapelle ausgesprochenen Verzicht. Die Urkunde
ifi'i Gustav Frlj-. > herLk zi Schweinsber^.
fuhrt als Handlun'^szpugen sieben Ritter und fünf Schöffea
auf: ihr wurde das Stadtsiegel — ..nostre ci\itatis sigillum"
— angehän^'t.' Dieses .Siegel zeigt einen gepanzerten Reiter
mit Schild und Fahne: es führt in einem späteren, besser
erhaltenen Abdruck, der auf der Siegeltafel unter Xo. 2
wiederge;;eben_ist. die Umschrift: t Willemmus. dei gracu.
Palatim s. COM. IN. TrT'ii.^ Man lernt also aus ihm den
Stadtherrn kennen: den Grafen Wilhelm von Tübingen,
der mitunter auch als (iraf von Gießen bezeichnet wurde.
Fast gleichzeitig mit dem ersten Auftreten der Stadt-
gemeinde erhält man Kenntnis von dem Vorhandensein einer
zweiten Korporation in Gießen, der der Burgmannen der
gräflich tübingenschen Burg. An zwei Urkunden aus den
Jahren 1251 und 1255 hängen die „castellani" von Gießen
ihr gemeinsames Siegel an, ohne dabei der Mitwirkung der
Stadtgemeinde Erwähnung zu tun.^ Fürst F. K. zu Hohen-
lohe-Waldenburg hat das an der Urkunde von 1255 hängende
Burgmannensiegel nach dem Original abgebildet.* Eine Ver-
gleichung mit dem Stadtsiegel ergibt aber, daß es sich um
ein und denselben Stempel handelt, der in den Urkunden
sowohl als Stadt-, wie als Burgmannensiegel bezeichnet
wird. Beide Gemeinschaften waren mithin seit Gründung
der Stadt in organische Verbindung getreten, ohne daß die
Burg ihre Sonderexistenz aufgegeben hätte.
Wenn eine Stadtgemeinde ein Siegel führt, unter einem
Schultheißen steht, ein Schöffenkollegium gebildet hat und
ihren Gott(»sdienst in einer eigenen Kapelle besucht, so ist
offenbar ihre Gründung bereits zum Abschluß gelangt. Es
würde im allgemeinen nichts entgegenstehen, die Entstehung
Gießens vermutungsweise bereits in eine etwas ältere Zeit
zu versetzen : in vorliegendem Falle kann man aber mit
Wahrscheinlichkeit den rechtlichen Abschluß der Gründung
als innerhalb der Jahre 1243 bis 1248 geschehen ansetzen.
Gerade das gemeinsame Siegel der Stadt und der Burg-
mannschaft ermöglicht diese Ansetzung. Es ist nämlicl^
durch einen stümperhaften Stempelschneider einem Siegel
des Stadtherrn selbst, des Grafen Wilhelm von Tübingen,
* Trkundc No. 1.
^' A. Wyß, Hessisches Urkundenbuch, 1, Abt. I, No. 215, und H^'
No. 13r)f). Wyß wollte es als No. 3 der Siegellafeln seines 3. Bande?
vvi'*dert:<'berj. Infoljie seiner F^krankunc unterblieb es.
•' V. F. d. Gudeniis, Codex Diplomaticus etc., II, No. 66 u. P^-
* K K. z. il. t'ber die Siegel der Pfalzgrafen von Tübingen s. 6 ö-
Taf. II. .')•'. Der Abbildung zugrunde liegt das Originalsiegei im fürsHicl'
s()lnisis( heil Hausarchive zu Hraunfels. Dann desselben Autors Sphrap-
«tische Aidiorisnien, S. 103 u. Tafel 25, No. 281.
Alt-Gießen. 221
Lchgebildet worden, das dieser zuerst im März 1244 führte,
Ihrend er im August 1243 noch mit einem nur Schild und
jlm des Hauses Tübingen darstellenden anderen Stempel
^gelte.*^ Fürst Hohenlohe bildete beide Siegel nebeneinander
', und wies bereits auf die Abhängigkeit des Siegels der Stadt
>n dem ihres Herrn hin. Er kannte freilich das älteste
egel des Grafen Wilhelm nicht, das z. B. einer hessischen
•künde aus dem Jahre 1239 anhängt. Es wurde auch zu
n Schiffenberger Fälschungen aus angeblich 1229 und 1235
nutzt.^ Dieses Siegel war, besonders auch in der Umschrift,
3it besser gestochen als das von 1244. Die große Lilie,
3 in dem Siegel von 1244, wie in dem Stadtsiegel, als auf-
lliges Beizeichen zwischen Bein und Gewand des Reiters
m Rande aus hoch hinauf reicht, findet sich im Siegel-
st von 1239 an jener Stelle gar nicht, obgleich sie darauf
;h1bar sein müßte. In dem Fragment von 1229 sei sie, sagt
yß, unter den Füßen des Pferdes teilweise erhalten. Sie
iiß also bedeutend kleiner gewesen sein; etwa nur so
oß wie in dem Siegel des älteren Bruders Rudolf.'
Ich vermag mich bei dieser Sachlage der von Wyß aus-
sprochenen Ansicht, daß das älteste Siegel des Grafen
ilhelm als Muster für das Gießener neue Stadtsiegel ge-
ent habe, nicht anzuschließen. Der Stempelschneider mag
i zwar gekannt haben, richtete sich aber in wesentlichen
unkten auch nach dem von 1244, das seinem schwachen
önnen eine leichtere Aufgabe stellte.
Dann müßte also der Abschluß der Stadtgründung kurz
or 1248 fallen. Dazu stimmt gut die Zeugenreihe einer
rkunde von 1245, die einen Austausch zwischen den
Röstern Arnsburg und Altenberg über ihre Höfe zu Heuchel-
«im bei Gießen betrifft. Als anwesende Zeugen aus (ließen
reten dabei nur drei Burgmannen auf; aus Heuchelheim zwei
ort wohnhafte Gießener Burgmannen und alle Bauern des
torfes. Wäre ein Schultheiß von Gießen bereits bestellt go-
'^sen, so würde seine und der Schöffen Anwesenheit erwähnt
worden sein, ebenso wie bei einer Urkunde von 1251, in
^r es sich auch um Heuchelheimer Grundstücke handelte.*
Die Sitte, daß landesherrliche Städte in ihren Siegeln
^s Bild und das Wappen ihres Herrn führten, kommt gerade
^ Wirtembergisches V.U. IV, S. _60 u. 76. Die Umschrift lautet :
COMES WlLLEHELMl'S DE TUWING.
« Wvß, a. a. 0.. III, Nu. 1347, 1348 u. 1349, und in seinen Exzerpten.
QU der. Umschrift ist erhalten: f WILHE GRACIA • P
HNGIN — • F. Hohenlohe, a. a. 0., Tafel I, No. 3.
8 De Gudenus, Codex dipl., II, No. 59 u. 66.
SiJ
Gustav Frhr. öilienk zu Scliiveinsberj!,
in Hessen um Jiese Zeit recht häufig vor. Nach dem Ver-
kauf der Herrschaft Gießen an den Stammvater des hes-
sischen Fürstenhauses erscheint das Bild des Landgrafen
in dem neuen Siegel."
Auffällig ist die völlige Beibehaltung der Umschrift des
Herrensiegels in dem der StadI, ohne jeden auf den Ort be-
züglichen Zusatz. Aus der Nachbarschaft ist das älteste
gemeinsame Siegel von Burg und Stadt Friedberg bekannt,
das auch den gemeinsamen Herrn, den Kaiser, als Subjekt
enthält: Sigillum Cesaris in Frideberic.'" Hier trennte sich.
aber Sladt und Burg bald, wahrend in Gießen die Gemein-
schaft auch in den Siegeln erhalten blieb.''
Vor der Gründung der Stadt Gießen scheint das
zum tübingenschen Landesteil gehörige Großen-Linden der
Markt- und .Münzort der Herrschaft gewesen zu sein.i= ,
/««v»
r^-^*^:
" Kü M rorslnhpnd abgebildet worden. Auch erscheiot es <>''''
gezeichnet als Aiißcnschmurl: dieses Bandes.
'" Ahgchildel in den Kuiiatdeiikmälem im Großh. Hessen, Kreis Ffi*^'
berp, S. 72, — " Das Näliere iin Ahsrlinilt VII,
'- Die HüHZC Na. 1K2 im Funde vun Naubom mit der deutlitli*
Umsi-tirifl. Lindeii(Miunio) wini i-on Faclileuten als ein IJeischl&g ru if
No. 117 desselben FundeK anposehen. Ich halte sie für ein Enenp^
der LindeniT Münzslätle, die von dem Herrn, dem Ptaligrafeo von !*■
liinppii. Weiler verliehen gewesen sein wird. Xn das MinisterialengtechlKV
V. Linden als Mlinzlierrn ist sirlicr nicht zu denken. Zeilschrift L TJnW»-
malik, XVI, S. lälE: H. Wctier. Der Hünzfund von Nanbora.
Alt-Giei^cn. nS
II. Die Burg Gießen.
rüher als die Stadt selbst findet sich schon ihr Name,
1 dem befestigten Sitz des Gründers, des Grafen Wil-
von Tübingen und seiner Vorfahren von der Mutter-
her, haftete. Nicht nur er selbst wird seit 1214 mit-
als Graf von Gießen bezeichnet, auch seine Groß-
r, die Gräfin Salome, wohnte als Witwe im Jahre 1197
?r Burg „Giezzen**. Sie starb vor dem Jahre 1203. Ihre
e Tochter Mechtild war mit dem Vater des Grafen Wil-
dem schwäbischen Pfalzgrafen Rudolf von Tübingen,
hlt, dem sie die halbe Erbschaft des einst nach dem
Tg benannten Grafenhauses in die Ehe gebracht hatte,
raf Wilhelm von Gleiberg, der sich urkundlich von
-1158 findet, war mit einer Gräfin, die denselben
en Vornamen Salome führte, vermählt. Es liegt kein
hender Grund vor, an der Identität der um das Jahr
erwähnten, mit der noch 1197 lebenden Gräfin zu
An. Sie mag die letzte Gattin des Grafen Wilhelm
en sein; als ihr Geburtsjahr aber kann man etwa das
1117 annehmen. Sie würde dann als Achtzigerin ver-
in sein." Ihre einzige Tochter kann als Spätling, etwa
geboren sein. Sie nannte ihren jüngsten Sohn nach
Vater Wilhelm; ein Taufname, der dem Hause Tü-
a bis dahin fremd war. Die Einschiebung einer Gene-
L zwischen den Grafen Wilhelm von Gleiberg und die
;räfin Mechtild halte ich für überflüssig.^*
Ilrich, Graf von Tübingen, Herr zu Gießen, ein Sohn
rrafen Wilhelm, hat dann bekanntlich diese ihm ent-
3 Besitzung zwischen dem 15. August 1264 und dem
*pteraber 1265 an Landgraf Heinrich, Herrn von Hessen,
ßert.i* Aus der Sühneurkunde des Käufers mit Hartrad,
i von Merenbergi«, erfährt man, daß die edlen Männer
[senburg und von Brauneck auch wegen des Kaufes
reite mit dem Landgrafen lagen. ^^ Der Herr von Meren-
^ Dio Hypothese, die Wyß, a. a. O., S. 4filff., über ihre Abstam-
auf gestellt hat, ist nicht haltbar. Es fehlen ja unter den Mitlierren
etternich um 1185 z. B. die Herren von Isenburg und die Grafen
atzeneinbogen, also die Hauj»terben der Grafen von Arnstein.
4 Anders Wyß, a. a. 0.. S. 451 f.
* Zuletzt in meinem Aufsatz in den Quartalblättern des Hist. Vereins
iroßh. Hessen, N. F., IL Bd., No. 6 (1897), S. 227 ff., erörtert.
6 Wyß, a. a. 0., No. 1356».
' Ich habe dort zu zeigen versucht, daß es sich um Ansprüche
te, die von den Ehemännern und Kindern zweier Schwestern des
iers erhoben wurden. Ich bin jetzt zu der Ansicht gelangt, daß
, außer um Heilwig von Isenburg, noch um die ungenannte Gattin des
2:24 Gustav Frlji*. Schenk zu Scliweinsbcrg.
berg erhielt das ehemals von dem Grafen von Tübingen
getragene Gießener Burglehen, auf das er bei Beginn des
Streites verzichtet hatte, zurück. Die Erwähnung gemein-
samer Gerichtsbezirke zeigt, daß dieses Verhältnis, das noch
lange zwischen Hessen und Nassau fortbestand, aus alter
Zeit herrührt.
III. Die Familienzugehörigkeit des Grafen Wilhelm
von Gleiberg.
Daß Graf Wilhelm von einem Sprößling aus der Ehe
des Grafen Friedrich von Luxemburg mit einer Schwester
des letzten, 103(5 verstorbenen Konradiners der Wetlerauer
Linie, des Grafen Otto von Hammerstein, herstammte, darüber
besteht jetzt wohl kein Zweifel mchr.*^. Er mag etwa ein
Enkel des 1057 erwähnten Friedrich von Gleiberg gewesen
sein; der Name seines Vaters ist unbekannt. Das Reiter-
siegel Wilhehns, das Wyß seiner trefflichen Abhandlung
beizufügen beabsichtigte, liefere ich unter No. 1 der Siegel-
tafel nach, weil ich mit ihm darin übereinstimme, daß es
sich mindestens um den Abguß von einem echten Siegel
handelt, wenn es auch einer späteren Schiffenberger Fäl-
schung angehängt ist. Wilhelms Geburtsjahr kann man etwa
auf das Jahr 1090 ansetzen.
Die einzige ernste Schwierigkeit, die dieser Ableitung
der letzten Grafen von Gleiberg entgegenzustehen scheint,
ist der Umstand, daJJ weder Graf Wilhelm, noch sein Vater
in der SchiiTenberger Stiftungsurkunde von 1129 erwähnt
werden, während die Stifterin, die Gräfin Clemencia von
Gleiberg, hervorhebt, daß sie eine Teilhaberin, die Pfalz-
gräfin Gertrud, hatte, der ein V'^iertel des Wiesecker Waldes,
in dem das Kloster erbaut wurde, zustehe.^^ Da man an der
Echtheit der Urkunde nach der sorgfältigen Untersuchung
von Wyß nicht wohl zweifeln kann — das ihr aufgedrückte
erzbischöfliche Siegel folgt unter No. 3 der Siegeltafel^ — , so
bleibt nur die Annalmie übrig, daß die Folgen der 1103 ge-
Hoinricli von Hrauiicck liiinckln wird (1245 — 1265), die zwei Söhne.
Gobhard (1267fr.) und Heinrich (12ü7ff.), haue.
^^ Si(»lie meine genealogischen Studien zur Reichsgeschichte im Archiv
für Hess. Gesell, u. A.-K., i\. F., III, S. 351 ff. Außer Wyß hat sich gleich-
zeilig H. Witte in seinen genealogischen Untersuchungen zur Reichs-
gescbichte unter den salischen Kaisern mit dem Hause Luxemburg-Gleiber^
eingelu^nd iK'Scliäftigt. (Mitteilungen des Instituts für österreichische Ge^
Schichtsforschung, V. Ergänzungsband, S. 441 ff.)
!•' Die Pfalzgräfin l>esaß diesen Bruclitcil als Zubehör der spateren
Herrschaft Cleeberg, die ihren Anteil an der Grafschaft Gleiberg darstellte.
-<* Noch ein and<?res Siegel desselben Krzbischofs folgt unter No. 5
der Siegeltafel, auf das Wyß wiederholt Bezug nimmt.
Siegeltafel zu dem Aufsatze Alt-Qießen.
Alt-Gießen. 2!25
enen Eroberung der sehr festen Burg Gleiberg durch
Heinrich, den Vater des Grafen Wilhehn auch seines
es an dem Wiesecker Wald, und zwar zugunst^en
' Agnaten in Luxemburg beraubt hatte. Die Rostitu-
aag erst nach der Gründung Schiflenbergs geschehen
Nachträgliche Schwierigkeiten können also der Stiftung
räfm Clemencia bei dieser Sachlage leicht erwachsen
über deren Beseitigung man aus echten Urkunden
weiß.
m Anhaltspunkte für Zeit und Umstände der Erbauung
irg Gießen zu gewinnen, ist eine Orientierung über die
veigungen des Hauses Luxemburg erforderiich,
lema, das auch durch Wyß und Witte nicht völlig
l worden ist. Es sind dabei zuerst einige künstlich
iffene Erschwerungen des Problems zu beseitigen,
'itte bringt die Eroberung Gleibergs mit dem Kampfe
IS Erbe des Pfalzgrafen Heinrich von Laach in Ver-
ig, den er für einen Bruder des 1057 erwähnten Grafen
ich von Gleiberg und für einen Sohn des Grafen Dietrich
axemburg, des jüngsten Sohnes der konradinischcn Erb-
r, hält. Ich sehe aber keinen Grund, an der gleich-
en Angabe in der Chronik des Marianus Scottus zu
iln, daß Heinrich von Laach ein Bnider des Vaters des
königs Hermann von Salm gewesen sei.-' Es bedarf nur
leichten Änderung in der Anordnung der Genealogie
iuses Luxemburg, um diese Nachricht verständlich zu
n. Man hat Gisilbert Graf von Salm zu scheiden
nnem ältesten Sohn Gisilbert Graf von Luxemburg,
i jüngerer Halbbruder Heinrich Graf von Laach ge-
sein wird. Als nächste Erben des Pfalzgrafen, der
)ekanntlich seinen Stiefsohn an Kindesstatt annahm,
n nur seine Großneffen in Betracht gekommen sein,
ie nachstehende Übersicht ausweist,
on den sechs Söhnen des Grafen Friedrich von Luxem-
)leiben nur zwei als mögliche Ahnherren der späteren
i von Gleiberg übrig, die Grafen Hennann und
erich.
an hat versucht, diesen Grafen Hennann mit dem
rafen Hermann II. von Lothringen (1064 f 1085) zu
izieren.^* Das scheitert an den Altersveriiältnisson und
Herr Archivdirektor Dr. Friodensburg hatte die Güte, die be-
? Stelle im Codex Palatinus 830 zu vergleichen: sie ist unzweifel-
ichzeitig und richtig gedruckt.
Wenck, Hess. Landes?., III. S. 206—217; dann Annalen d. hist.
f. d. Niederrhein, XV, S. 37 ff. Ihnen sind M. Schmitz, Die
Ige z. Gesch. d. Universitäten Mains u. Gießen. 15
zzo
Gustav Frhr. Schenk zu Schweinsberg.
S S 2 ß
es J
Gesch. d. lothringischen Pfalzgraicn, S. 32ff., und Witte, a. a. 0., S.443
aucli Meyer v. Knonau in den Jahrbüchern d. D. R. gefolgt; währ»
Wyß, a. a. 0., S. 4553), diese Hypothese für schwach begründet erklW
-y
= £*
BS
§1 'S
II.
■US der Notiz über die Guter der Äl>lei Siegbiirg zu Bendorf her-
te Aigument ist durch Oppermanns Unlcrsuchung beseitigt wordtu
(deutsche ZeitschriFt f. Gesch. u. Kunat, XXI, S, 83J
:2!28 Gustav Frhr. Schenk zu Schweinsberg.
besonders auch daran, daß Heinrich von Laach aus ehe-
rechtlichen Gründen unmöglich die Witwe des Bruders
seines Vaters hätte heiraten können. Man weiß über die Her-
kunft dieses Pfalzgrafen Hermann nichts Sicheres. Da er als
cognatus König Heinrich V. bezeichnet wird, und seine Erb-
schaft wenigstens zum Teil an diesen gelangt sein soll, da
er ferner, gemeinsam mit König Heinrich IV., im Jahre 1082
einen Forst im Kirchspiele Remagen besaß, so muß er aus
sehr angesehenem Geschlecht entsprossen sein. Dafür
spricht auch seine geplante Heirat mit einer Tochter des
Gegenkönigs Rudolf und sein Ehebund mit Adelheid von
Orlamünde. Grafenrechte besaß er im Ruhrgau und Keldach-
gau; auch seine Beziehungen zum Kloster Brauweiler endlich
sprechen stark dafür, daß er mit dem Hause des Pfalz-
grafen Ezzo verwandt war, dem sein Vorgänger angehörte.*'
Bezüglich des Grafen Theoderich aber habe ich in der
folgenden Tafel eine Vermutung zum Ausdruck gebracht,
deren Begründung, als hier zu weit führend, bei anderer
Gelegenheit versucht werden soll. Es bliebe also nur Graf
Hermann als Ahnherr der letzten Grafen von Gleiberg übrig,
deren übersichtliche Zusammenfassung vorstehend versucht
worden ist.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Herren
von Merenberg durch Beerbung eines Grafen Otto von Glei-
berg Mitherren von Gleiberg geworden sind.** Sein an ge-
fälschter Urkunde hängendes Siegel ist unter No. 7 der Siegel-
tafel wiedergegeben.
Meine, in der genealogischen Tafel gegebene Hypothese
über die Abstammung der Grafen von Are aus dem Hause
Luxemburg beseitigt die Schwierigkeit, daß die halbe Herr-
schaft Gleiberg allein kein Äquivalent für die den anderen
Söhnen Graf Friedrichs zugefallenen reichen Besitzungen
gewesen sein kann.^^ Bereits Witte hat die Momente her-
vorgehoben, die für eine Verwandtschaft beider Häusef
sprechen. Die Güter um den Laacher See würden danacl*
2^ So schon Lacomblet im Archiv f. d. Gesch. des Niederrlieins, H^»
J, S. 33. Die späteren Beziehungen seiner Witwe zu Limburg a. d. I^b'*
erklären sich einfach aus ihrer dritlcn Ehe mit Heinrich v. Laach.
24 Der Zweifel, den Wyß (a. a. 0., S. 458ff.) an der Existenz eines
Grafen Otto von Gleiberg erhoben hat, läßt sich gegenüber dem meder
aufgelundenen lateinischen Original des Eppsteiner Lehnbuches, dess^o
Veröflentlicliung durch Herrn Archivdirektor Dr. Wagner bevorsteht, nicht
aufrechterhalten.
2'» Auch Graf Wilhelm von Gleiberg war zu Thür im Maiengau be-
gütert.
Alt-Gießen. 229
i den ältesten Besitzungen des Hauses Luxemburg ge-
>ren können, über dessen Abstammung ich mich bei
iderer Gelegenheit, abweichend von Parisot, äußern werde.
. Graf Heribert. — Das Alter der Burg Gleiberg.
Der Schwiegervater des Grafen Friedrich von Luxom-
irg, der ihm als Mitgift seiner Tochter die Burg Gleiberg
igewiesen haben muß, war der Konradiner Graf Heribert,
r jüngste Sohn des Grafen Udo (f 949), der der Wetterau
id dem Oberrheingau vorstand.-«^ Die Mutter Heriberts
unmtc aus dem Hause Vermandois. Vermählt war er mit
nintrud (Imiza), einer Tochter des Grafen Megingoz und
r Herzogstochter Gerberge von Lothringen.*^
Heribert starb im Jahre 992, nicht 997, wie man seither
ich einer unbestimmten Angabe Thietmars annahm.-» Sein
)destag war vielleicht der 5. Juni ; es findet sich im Nekro-
gium des S. Cyriaciklosters Naumburg in der Wetterau ein
ntrag, den man auf ihn beziehen kann.^» Dieses in der
jrg Naumburg errichtete Kloster scheint bereits eine Grün-
ing seiner Vorfahren gewesen zu sein. Auch ein uneho-
zhev Sohn Heriberts, namens Bernhart oder Bennelin, bo-
rhenkte es im Jahre 1035 mit einigen Hörigen.^»
Aus einem Beichsaufgebot für Italien vom Jahre 981
rhellt, daß Graf Heribert selbst mit 20 Gepanzerten zu er-
icheinen hatte. ^i Im Todesjahre Heriberts verfügte König
3tto die Bückgabe der ihm zu Benefiz verliehenen Güter des
vlosters S. Maximin, die im Nahegau, Wormsgau und Speier-
;au gelegen waren. Im Jahre 976 lagen drei Orte bei Geln-
hausen im Kinziggau in der Grafschaft Heriberts. 3- Daß er die
^urg Gleiberg bereits besessen hat, das erhellt aus einer Nacli-
^'' rdo war ein Sohn dos 910 verstorlienen Herzogs Gebhard von
'^•hringen.
"' Siehe meine genealogischen Studien zur Reichsgescliichte im Ar-
*^'v f. hess. Gesch. u. A. K.. N. F. III, S. 351 ff.
^ **' Mon. Germ. SS. XIII, S. 20H. Z. 48: Ob Horibraht comes; S. 207,
'•4: Oh Heribran(h)t comes. Thietmari Chron. IV, 60.
20 Oroßh. Hofbihiiothek zu Darmstadt, Handschrift J. 1955 fol.:
'^'iifacii episcopi. Obiit Herebertus. Qui contulit mojiaslerio nostro pro
^^edio anime sue quedam mancipia et jus (juod habemus in ErbsUit.
5" Schmidt. Zur Gesch. d. Kl. Naumburg, im Archiv f. hess. Gesch.
• A. K., I, S. 2J3ff. — Im Necrologium ist die Schenkung zum 1. Ja-
uar eingetragen. — Dieser Bennelin scheint sich auch als Zeuge seines
'^ders Otto v. Hammerstein bei einer Sclienlcung an die Abtei Werden
1 finden. H. Bresslau in Forsch, z. D. Gesch., XXI. S. 405.
«' Neuester Abdnick bei Uhlirz, Jahrbücher d. I). R. unter Otto II.
»• III.. Exkurs VIII. - 32 M. G., DD. II, No. 128.
230 Gustav Frhr. Schenk zu Schweinsberg.
rieht, die seine an Weif II. vermählte Enkelin Imiza von
Luxemburg betrifft. Sie stamme aus dem salischen Ge-
schlecht von der Burg Gleiberg. Das kann sich nur auf die Her-
kunft ihrer Mutter beziehen; es bedeutet, daß Gleiberg von
diesem Geschlecht bereits bewohnt war. Ich halte es aber für
unwahrscheinlich, daß es eine alte Feste der Wetterauer Kon-
radiner gewesen ist, deren Hauptsitz im mittleren Lahngau
vielmehr das benachbarte Wetzlar war. Die Grenze des
Wetzlar umgebenden Bannforstes lief so nahe an Gleiberg
her, daß es bei dessen Abgrenzung nicht Sitz eines Kon-
radiners gewesen sein wird. Auch findet sich innerhalb des
zum Gleiberg gehörigen Gebietes ein alter Herrensitz zu Oden-
hausen a. d. Lahn, der, seinem Namen nach, Gründung eines
Udo ist. Er diente noch im 13. Jahrhundert als Witwensiiz
der Herrschaft Merenberg.^^ Auch das Nichtvorhandensein
einer Klosterstiftung zu Gleiberg spricht für eine spätere
Entstehung; etwa nach der Erbteilung, die Heribert mit
seinen Brüdern getroffen hat; also nach der Mitte des
10. Jahrhunderts.
Die Grafschaft in dem vom Dekanat Wetzlar des Erz-
bistums Trier eingenommenen Teile des Lahngaues, der
sich von Gießen bis Weilburg zu beiden Seiten der Lahn
erstreckte, scheint nach der Katastrophe des Herzogs Eber-
hard den Konradinem nicht mehr zugestanden zu haben.
Während des 10. und 11. Jahrhunderts finden sich wenigstens
keine Grafennamen, die sich mit der Familie des Grafen
Heribert oder seiner Erben in Verbindung bringen ließen.
Es scheint, daß erst im 12. Jahrhundert die Grafenrecht^
in der östlichen Hälfte des Gebietes an das Haus Gleiberg
gelangten, das bis dahin seine Grundherrschaftals Immunitat
besessen haben wird. Die Art der Verteilung der Gerichts-
barkeit im Hüttenberg zwischen Hessen, Nassau und der
Herrschaft Clc^berg legt allerdings die Vermutung nahe, daß
mindestens die Centgerichtsbarkeit dort schon frühe zu Glei-
berg gehörte; während noch 1065 das zum Hüttenberg gc
33 Jni Jahre 1906 habe ich hinter dem Kirchhofe von Odenhaus^i*
die Reste eines wahrscheinlich quadratischen Wohnturmes von über 9 Met^^
Seitenlang«' bloßgelegt, dessen Mauerstärke 1,50 beträgt. Er gehörte t^
einem Herrenhofe, der jetzt größtenteils von dem Kirchhof bedeckt ist-
Die Kirche, eine kleine romanische Basilika, gehörte sicher bereits f*
diesem Herrenhofe. — * Über Odenhausen, auf dem Gipfel des Berge*
Altenburg, habe ich vor einigen Jahren einen ovalen Mauerring festgestellt-
Die gut mit Speiß versehenen Bruchsteinmauem haben eine Fundameiit^
stärke von ca. 2 m; der Umfang des Mauerzugs beträgt 384 m, die gröW*
Breite 77 m; der Inhalt 0,95 Hektar. Da sich keinerlei Sparen d«r de-
Wohnung dieser Stätte fanden, so scheint diese Burganlage unvollendet ge-
blieben zu sein.
Alt-Gießen. 231
örige Großen-Linden in der Grafschaft eines Grafen Wern-
er lag.
Auch die oberlahngauische Grafschaft Ruchesloh, die
n Beginn des 13. Jahrhunderts den Herren von Merenberg
Is Allod zustand, zeigt in früherer Zeit fremde Grafen-
amen, die freilich, ebenso wie im Hüttenberg, Vasallen-
imilien der Konradiner und ihrer Erben angehört haben
önnten.
Daß die übrijgen Kinder Graf Heriberts, insbesondere
rraf Otto von Hammerstein und Gerberga, Markgräfin von
chweinfurt, teil an Gleiberg gehabt hätten, dafür findet
ich keine Spur. Sie sind offenbar mit anderen Besitzungen
bgefunden worden.
Auch die Pfalzgrafen von Tübingen hatten, obgleich
ie in der Burg Gießen Alleinbesitzer waren, ihren Anteil
n Gleiberg nicht etwa aufgegeben. In der Sühneurkunde
wischen Hessen und Merenberg vom Jahre 1265, die
wistigkeiten anläßlich des Ankaufes der Herrschaft Gießen
eilegte, überträgt der Landgraf alle Rechte und Ansprüche,
ie der Verkäufer, Ulrich, Graf von Tübingen, an der Burg
lleiberg hatte, dem Herrn von Merenberg zu Eigentum.
Endlich vermag der Grundriß der Burg Gleiberg
lelbst uns vielleicht, neben der Geschichte ihrer Herren,
Vnhaltspunkte zu gewähren, die für die älteste Geschichte
Qießens ins Gewicht fallen können.
Aus der hier beigefügten, nach dem Gleiberg-Führer
'^^fgestellten Skizze des ältesten Teiles, der Oberburg Ghd-
^rg, erhellt, daß zu beiden Seiten des innersten Tores a
*^^ndere Baugruppen lagen; jede hatte einen Berchfrit
w Und c) und daran anstoßende Wohngebäude (d und e).
P^r zwischen den beiden Baugruppen gelegene Hof (f) harrt
^^ seinem oberen Teil noch der Aufräumung. Die Reste der
romanischen Kapelle liegen im westlichen Teile bei g. Dieser
Befund entspricht dem, was wir aus der Geschichte der
2:^12 Gustav Frhr. Schenk zu Schweinsberg.
Burgherren erfahren haben, daß nach dem Jahre 1136 nur
noch zwei Linien an der Burg beteiligt gewesen sind.
Auch mir erscheint die Art des Mauenwerks an dem
viereckigen, in der Außenmauer stehenden, gebrochenen
Berchfrit erheblich älter zu sein als die des freistehenden
runden Turmes b. Der Turm c ist aus verhältnismäßig
kleinen, rauh behauenen Stücken hergestellt, die eine recht-
eckige Vorderseite zeigen, während der Turm b aus Basalt-
säulen aufgemauert ist. Die Mauerstärke des viereckigen
Tunnes beträgt nach meiner Messung 3,65 m, die lichte Weite
des Innenraumes 4,65, so daß also die Seitenlänge nahezu
12 m erreicht. 3*
Es scheinen mir zwei Möglichkeiten zur Erklärung vor-
zuliegen.
i. Nach der Zerstörung der Burg im Jahre 1103 fand
der Neubau des viereckigen Turmes statt. Später, nach
1136, wunle die Burg geteilt, der Besitzer der Osthälfte
errichtete sich dann den Rundturm auf seinem Alleineigen
tum. VjT oder seine Erben kamen in Streit mit ihrem Nach-
barn, und zerstörten ihm den alten, früher gemeinsamen vier-
eckigen Berchfrit. Der so in seiner Sicherheit Bedrohte
baute sich eine neue Burg im Tale zu den Gießen.
2. Nach der Zerstörung von 1103 wurde die Trümmer
Stätte geteilt. Der Herr der Osthälfte baute sich einen neuen
nmden Berchfrit, während der der Westhälfte, auf dessen
Anteil der 1103 gebrochene viereckige Berchfrit gefallen
war, sich nicht zu einem Neubau auf Gleiberg entschloß,
sondern (ließen erbaute. Er behielt seine Rechte auf die
Hälfte von Gleiberg zwar bei, machte aber immer weniger
Gebrauch davon. Erst 1265 ging das volle Eigentum der
Wcsthälfto auf den Herrn der Osthälfte über.^^
' -''^ Die völlige Ausräumung dos Turmes und Hofes steht bevor; aurb
die UntorsiKhunu der höher erhaltenen Turmwand nach dem Albertusbau
hin \v;ir(' erwünscht.
"'* Herr Dr. Dersch hat in einem Marburger Vortrag, über den die
Oherhessisclie Zeitung referierte, die Ansicht geäußert, daß der viereckig«?
Herchfrit noch loGl bestanden liaben müsse. Er stützt sich auf eine ini
Marburger Staatsarchiv verwahrte flüchtige Kartenskizze, die in jenem Jahr^
anläßlicli von Grenzstreitigkeiten zwischen Hessen und Nassau gefertigt
w(»r<Ien ist. (legonüber der deutlichen Federzeichnung Dilichs von 1591
und der guten Ansicht der Burg bei P. Fürst, Lihellus novus politicus
pp. VI, F 17. 1638, müßte dann die Zerstörung des Turmes vor 1591
geschehen sein. Ks fehlt aber auch keineswegs an älteren Skizzen^ di«
deutlich nur den einen runden Berchfrit zeigen; z. B. Plan No. 662 in»
l)iiiu*släulci' Haus- u, Staatsarchiv, der zu denselben Grenzstreitigkeiten
gehört, wie der I^lan von 1561. Zudem ist der Marburger Plan von !5C-
ganz schematisch ausgeführt: er zeigt keine Spur des Bemühens, sorgfältig
den Zustand d(M- Burg wiederzugeben. Vergl. auch: Hessenland 1906,
X. 20, 21 u. 23.
Alt-Gießen. 233
Da Graf Wilhelm von Gleiberg (1131—1158) in seinen
•künden stets allein, ohne Erwähnung seines an Gleiberg
tbeteiligten Verwandten, handelt, so scheint mir die
ilung, wie sie später zwischen Hessen und Nassau vor-
nden war, schon frühe, etwa bald nach 1136, statt ge-
aden zu haben.
Die Nichterwähnung von Gießen zwischen den Jahren
36 und 1197 ist meines Dafürhaltens kein genügender
rweis dafür, daß die Burg erst kurze Zeit vor 1197 er-
•htet worden ist.
Die Lage und die Reste der Gießener Grafenburg.
Man hat in Gießen drei Burgen oder Schlösser zu
iterscheiden :
1. Die Grafenburg aus dem 12. Jahrhundert, die den
ilaß zur Gründung der Stadt gab. Sie hieß im 15. Jahr-
mderi die alte Btirg, im Gegensatz zu einem Neubau.
2. Die zweite Burg, der Sitz des landgräflichen Amt-
anns; später das alte Schloß, die Kanzlei, genannt. Ihre
rbauungszeit ist unbekannt; sie fiel vermutlich mit der Er-
eiterung der Stadt zusammen; also etwa in das erste
iertel des 14. Jahrhunderts.
3. Das neue Schloß, das erst etwa 1537 von Land-
[raf Philipp, anläßlich der Erbauung der Festungswerke er-
ichtet wurde.
Die falsche Datierung dieses dritten Baues hatte früher
Mißverständnisse verursacht. Hier soll die Lage der Grafen-
>urg und ihre Ausdehnung, genauer als seither bestimmt
^erden.36
Johann-Just Winckelmann, der 1620 als Sohn eines
Superintendenten in Gießen geborene Verfasser der Hessi-
schen Chronic, hatte bereits die richtige Auffassung, die
*ich späteren Anzweifelungen gegenüber bestätigt hat.^"
'^ Frühere Literatur: F. Kraft, Gesch. v. Gießen etc., S. 136 ff.
J^ine daran anknüpfende Ausführung im Archiv f. hess. Geschichte etc.,
p\ S. 427 ff. H. V. Ritgen, Die erste Anlage Gießens und seiner
Befestigungen, im IV. Jahresbericht des ol)erhess. Vereins f. Lokalgeschichte,
>. 35 ff.
^' Hessenlands Beschreibung, H, Cap. 6. S. 209: „darzwischen
'Onegst ein Burg-Schloß gestanden, itzo noch die alte-Hurg genant, dessen
"6 ifauren mit dem Umgang und .Schießlöchern in der Mitten zusehen ....
? gedachter Alten Burg sind die Gebäue und Gründe frey, darin ist auch
10 Superintcndur mit Hauß, Hof, Stall und Garten begriffen, an deren
^ Schwaibach adelichen Wohnung; ist vormals ein Fürstl. Lehen ge-
wesen, aber im Jahr 1585 mit Bewilligung des I^ands-Fürsten, von den
^veldoii erblich zum Ober-Pfarrhauß erkauft Die Haubt-Kircho
^ehet negst bey der alten Burg."
1234 Gustav Frhr. Schenk zu Schweinsberg.
Aus dem beigefügten Grundriß erhellt, was sich bis-
her von den Resten der Burgmauern gefunden hat, und wie
sich deren Ergänzung etwa zu denken wäre. Ich schätze den
Flächeninhalt dieser Wasserburg auf fast 31/2 Morgen, wozu
dann noch der breite äußere Graben käme.
Sie bestand aus einer im Rechteck angelegten, mit hohen
Mauern umgebenen inneren Burg von etwa 46 m X 28,5 m,
deren Einbauten sich auf den Palas des Grafen und einen
Berchfrit beschränkt haben .werden. In dem geräumigen
Zwinger, der in unregelmäßig eiförmiger Gestalt die innere
Burg umgeben haben muß, hat man die Ställe und Scheuem,
auch die Unterkunftsräume für die Burgmannen und das
Gesinde zu suchen.»» Über das Vorhandensein einer Vor-
burg wird weiter unten die Rede sein.
Auf der Grundrißskizze sind die Umrisse der Häuser
und Hofreiten, sowie ihre Nummern, nach der amtlichen Auf-
nahme eingetragen. Seitdem ist über die Burgstätte die
Kirchstraße neu durchgeführt worden.
Die vorhandenen Mauerreste und die Spuren der Graben-
anlagen sind mit dem bezüglichen Urkundenmaterial nach-
stehend übersichtlich zusammengestellt worden.
A. Die innere Grafenburg.
1. Die Reste der Burgmauer.^*
Erhalten sind über der Erde in dem Wohnhause der j
Hofreite Flur I, No. 1088 (1887 Eigentümer: Wallenfels, ';
August ; bis 1772 Lehen der Familie v. Schwalbach, dann
dem Landesherrn heimgefallen), die Außenmauern nach
Westen und Norden (1,50 m stark und 9,50 m hoch).*® Süd-
lich an diese Hofreite stößt die Hofreite Flur I, No. 1093,
„hinter dem Burggraben** (1887 Eigentümer: Leib, Karl und
Ehefrau, früher ein Teil der alten Superintendentur, 1807
an Wagner Loos verkauft). Die westliche Hausmauer ist
die Verlängerung der des nach Norden anstoßenden Hauses
Wallenfels. Südlich daran stieß in derselben Hofreiie ein
dreistöckiges Wohnhaus (die alte Wohnung des Superinten
deuten), deren Westwand, die Fortsetzung des seither ver-
3« Dio Anordnung des Grundrisses erinnert an die Burg Nordeck, die
aus romanischer Zeit stammt. — 3^ v. Ritgen, a. a. 0., S. 42 — 44.
*o Kraft, a. a. 0., S. 136. v. Ritgen sagt, in der Westmauer bitten
sich zwei Rundbogenfenster in tiefen Nischen befunden, die sp&ter er-
weitert und ins Viereck umgestaltet worden seien.
Alt-Gießen. 235
Igten Maüerzugs war.*i Auch zur Südseite dieses Wohn-
Luses muß als Fundament die Burgmauer benutzt worden
in. Bei Anlage der Baugrube zum neuen Pfarrhause (Flur I,
3. 1095), das über der Ecke des alten Baues steht, trat
e Südwestecke der Burgmauer gut erhalten zutage.*^ Da-
it wäre die Länge der Mauer und die Richtung dreier
iiien derselben festgelegt. Für die Lage der vierten, der
ätseite, scheint zwar v. Ritgen auch Anhaltspunkte ge-
nden ^u haben, bezeichnet sie aber leider nicht näher.*^
ir diese nach der Kirche zu gerichtete Seite des Recht-
;ks der inneren Burg liegt mir nur eine sichere An-
ibe aus dem Jahre 1772 vor. Als damals das heimgefallene
^hwalbachische Burghaus (I, No. 1088) für den landgräf-
:!hen Oberamtsverwalter hergerichtet wurde, berichtet der
berst und Oberbaudirektor L. J. Müller: die Hofmauer sei
3ihr ruiniert, sie habe, dem Ansehen nach, vor alten Zeiten
ine Defensionsmauer vorstellen müssen. Insoweit solche
ach dem Kirchenplatz zu gehe, wolle sie der Oberamts-
erwalter Sues heruntergebrochen haben, weil der Hof allzu
nge davon eingeschlossen sei. Hier wird man also die von
Ä'inckelmaan beschriebene alte Mauer mit dem Umgang
und den SchieÄlöchem zu suchen haben.
Verlängert man die Nordwand des schwalbachischen
Hauses (1088) bis zur heutigen Grenze der Hofreite nach
dem Kirchenplatz zu, so wird man jedenfalls ganz in der
^ähe der Nordostecke der inneren Burg sein. Eine Parallele
durch diesen Punkt zu der Westmauer schneidet die Hof-
reite 1092, dann die schmälste Stelle der Kirchgassc, und
trifft rechtwinklig mit der Verlängerung der Südmauer, etwa
an der Grenze der alten Parzellen 1100 und 1099a, zu-
sammen. An diese schmälste Stelle der Kirchgasse setze ich
die 1527 erwähnte Behausung in der alten Burg neben und
über der Porthen. Dieses innere Burgtor lag danach nahe
der Südostecke. Für den von Ritgen vermißten Berchfrit
stehen bisher nicht überbaute Hof- und Straßenflächen inner-
halb der Herrenburg zur Verfügung. Auch ist es nicht aus-
geschlossen, daß ihn eine der älteren Bauten überdeckt hat.
** Beim Abreißen dieses Baues im Jahre 1868 scheint leider keine
^'•'fnahmo der Mauer stattgefunden zu hahen. Laut Bericht von 1779 he-
jUnd diesc' Wand des Hauses aus Stein. (Großh. Haus- u. Staatsarchiv,
*hen, Pfarrgebäude, Gießen.)
*- Eigene Erinnerung, die die allgemein gehaltene Angabe v. Ritgens
^tätigt.
*-'* Nach seiner Rechnung müßten die Nord- und Südseite je 32 m
^'^g gewesen sein, während icli nur 28,50 m annehme.
i2:^ö Gustav Frhr. Schenk zu Schweinsberg.
2. Urkundliches über die Hofreiten der inneren
Grafenburg.
a. Der erste schwalbachische Burgsitz (I, No. 1088;
daranstoßend im Zwinger, 1089 und 1090). Dieser Burg-
sitz in der alten Burg zu Gießen, ein Hauptwohnsitz der
Familie, war hessisches Lehen. Er fiel 1771 dem Lehns-
herrn heim.
b. Der zweite schwalbachische Burgsitz (Teil von
1099a und 1100). Dieser Burgsitz, gelegen zwischen dem
Kirchtunn und der Superintendentur, war ebenfalls hessi-
sches Lehen. Er grenzte 1712 an das Haus des Kriegszahl-
meisters Meurer, der ihn mit lehnsherrlichem Konsens von
den von Schwalbach erwarb.** Es sei ein uraltes Gebäude
nebst Gärtchen. Das Meurersche Haus lag an der Kirch-
gasse, gegenüber dem Kirchturm und der Hofreite No. 1092.
Es gehörte nach und nach dem Superintendenten Dr. Lieb-
knecht, dem Advokat Dr. Liebknecht, dem G. K. Filimann.
Im Brandkataster von 1819 führte es die Nummer 18.*^
1695 wird der Garten bezeichnet als gelegen bei dem
Haus in der Altenburk, wo die Durchfahrt unterher
gehet, an der Frau Clodien Hauß*«, mit dem Platz, wo
die Scheuer darauf gestanden bei dem Habs.*^ Ein alter
Vermietungsvertrag dieses Hauses vom Jahr 1527 bezeichnet
es als die Behausung in der alten Burgk beyneben und
über der Porthen und die Schuwer daran, den Garten
bueßen der porten zu der obgemelten Behausung gehörig.
Die V. Schwalbach verliehen sie damals an den Stadt-
schreiber Job. Hornigk, der die verfallenen Gebäude wieder
herstellen sollte.*«
An der engsten Stelle der Kirchgasse befand sich also
noch 1695 die alte überbaute Pforte in die innere Burg.
c. Der erste und zweite Burgsitz der v. Roden-
ha Ilsen. Diese Familie trug noch 1496 zu hessischen Lehen:
Ein Haus mit seiner Zubehörung gelegen zun Gießen in-
wendig der Altenburg, und noch ein Haus nebst Zubehöning
daselbst gegen der von Dembach Hausung, die früher der
verstorbene Graft v. Rodenhausen gehabt habe.*^ Im Jahre
^^ Großh. Haus- u. Staatsarchiv, Lehnsakten, v. Schwalbach.
^'* Großh. Ürtsgcricht Gießen, Kataster, errichtet zwischen 1728 und
1743 und später fortgeführt.
4« Vergl. hei 2, d. Gemeint ist die Hofreite No. 1092.
♦^ (Jroßh. Haus- u. Staatsarchiv, Lehnsakten, Band betr. Ausfindig-
machung der Lelmsl)estandteile von 1695 ff.
♦^ Großh. ILius- u. Staatsarchiv, Urkunden, Gießen. Alte Abschrift
aus Nebels Nachlaß.
*•♦ Großh. Haus- u. Staatsarcliiv, Leluil)uch Landgraf Wilhelm lH.
fol. 81'.
Alt-Gießen. ^7
erkauften die Lehenträger dem Lehnsherrn ihre
g mit dem Beihaus und der Hofstätte dabei in der
rg zu Gießen gelegen.^^ Es ist als sicher anzunehmen,
3 dieselbe Hofreite ist, die Landgraf Philipp im Jahre
inem Rentmeister zu Gießen, Endres Salfelt genannt
rn und seiner Hausfrau auf Lebenszeit einräumte,
d in der Urkunde als die landgräfliche Behausung
lem Pfarrkirchhof bezeichnet." Diese Vergünstigung
ielte der Landgraf später in ein Mannlehen. In
henrevers der Söhne Salfelts wird es als landgräf-
reihaus, an Joh. v. Schwalbachs Behausung gelegen,
net. Im Jahre 1585 verkauften die salfeltischen
^itzer dieses Haus an den Gotteskasten zu Gießen,
er Lehnsherr 1590 einwilligte,
j älteste der beiden Häuser in der Superintendentur
1807 veräußert (No. 1093), das andere wurde, wie
wähnt, abgerissen. Es liegt eine Skizze über den
iieser großen Hofreite aus dem Jahre 1780 vor.
ilich fällt jedenfalls zum Teil noch in die innere Burg
der Burgsitz der von Dernbach (I, No. 1092,
ihörig Knoll, Wilh., und Ehefrau). Obgleich diese
ing während des 15. Jahrhunderts öfters erwähnt
> fehlt es doch an älteren auf sie bezüglichen Lehns-
jn. Als im Jahre 1661 ein Bauplatz für den Super-
it Dr. Misler gesucht wurde, kam ein solcher auf
rchhof, hart an dem schwalbachischen Hause in
lg. Der noch mit einem Kellergewölbe versehene
n lange Jahre her wüst, früher habe nur ein Stall
gestanden. Es heiße, er sei ein Lehen, das die
hach trügen, die es aber an die vom Scheide ge-
Veschpfennig versetzt hätten.
V. Dernbach bestreiten die Lehnseigenschaft und
i sich zum Verkauf bereit^-, der auch zustande kam.
N. Misler erbaute ein Wohnhaus, das er an eine
i Professor D. Clodius verheiratete Tochter vererbte,
lofreite wechselte häufig ihre Besitzer. Im Jahre
körte sie einem Herrn v. Rottenhoff^», der sie meist-
veräußem ließ. Dies Anwesen wird erst nach Zer-
der Ostmauer angelegt worden sein; es erstreckt
er die innere Burg hinaus in den Zwinger hinein.
rroßh. Hans- u. Staatsarchiv, Urkunden, Gießen,
litteilung des Staatsarchivs Marburg; aus dem Idauen Kopiare
224. — 52 Großh. Haus- u. Staatsarchiv, Pfarrakten, Gießen,
ficht „V. Rotenliausische", wie v. Ritgen, a. a. 0., S. 44, irrig
238 Gustav Frhr. Sclienk zu Schweinsberjf.
B. Der Zwinger.
1. Burgmannshäuser im Zwinger.
a. Der Hof der Familie Riedesel v. Bellersheim
(Flur I, No. 1097 und 1098, Hofreite hinter dem Burggraben.
1887 : Baltzer, Karl). Seit 1455 bis zum Heimfall im Jahre
1599^* findet sich ein Zweig der Familie Riedesel v. Bellers-
heim im Besitz eines hessischen Burglehens: ein Haus mit
Scheuern und Hofreite gelegen zu den Gießen in der Alten-
burg. Seit 1599 wird das Einkommen aus diesem Lehen
an Miete und Erbzinsen in der Gießener Amtsrechnung
verrechnet. Landgraf Ludwig hatte einen Teil des Gartens
zu der nach Norden anstoßenden Superintendentur abge-
treten, damit darauf eine Scheuer erbaut werden könne.
Dieses Stück reichte bis an die Südmauer der inneren Burg,
umfaßt also etwa die Hälfte der heutigen Pfarrhaushofreite
(1095, 1096). Der Rest wurde 1622 an den Vizekanzler
Dr. Nie. V. Otthera gegen einen Grundzins von 5 fl. über-
lassen.*^
Diese große Hofreite wird vermutlich aus mehreren
alten kleineren Burgsitzen zusammengelegt sein.
b. Der Burgsitz der von Elkerhausen, früher den
von Buseck gehörig. 1408 belehnt Landgraf Hermann
Drei v. Elkerhausen mit seinem Hof, als der begriffen hat
gelegen zwischen der Stadtmauer und der Kirchen zu den
Gießen, der ihm von Burkard und Herrn Gernand v. Buseck,
Ritter, heimgefallen sei. 1446 wird der Hof im Lehnbrief
bezeichnet als „zu der Cappellen** ; 1458 wohnte der Lehn-
träger darin. ^<5 j^^ Jahre 1470 willigte Landgraf Heinrich
in den Tausch, den der Lehnsbesitzer Graft v. E. über
sein Haus und Burgseß bei der Kirche zu Gießen mit den
Baumeistern und Heiligenmeistem der Gießener Pfarrkirche
getroffen hatte. Der Tausch sei ,,um merglichs noitdorftiges
nutzens willen" der Kirche geschehen. Auf dem Rücken
der Originalurkunde steht von wenig späterer Hand „zum
baw**.^^ Es ist l>ereits früher bemerkt worden, daß der
allein noch von der alten Pfarrkirche stehende Turm die
^* Der letzte Lehenträger war Quirin Riedesel, f 1599, Aug. 17.
^'' Großh. liaus- u. Staatsarchiv, Lehnsakten und Rechnungen. ^^
späteren Besitzer hießen nach dem Gießener Grundbuch Dr. Overijfk.
(ich. Rat und Universitätskanzler Koch, Hofkammerrat Emmeriing, Georf
Heinrich Ehel, Joh. Daniel Ebel. — Nach dem Brandkataster von 18^^
führte es die No. 715.
^•"' Copional des Statthalters Rudolf Schenck im Archiv des Oberhof»
zu Nieder-Otleiden, fol. 187* flf.
^'' Großh. Haus- u. Staatsarchiv, Urkunden, Gießen.
Alt.Gie&en. 239
reszahl 1487 trägt. Das Chor der alten Stadtkirche
hte bis auf gleiche Höhe wie das Haus an der Nordost-
5 des Marktplatzes, und war nur ca. 22 Fuß von dem
hause der Schloßgasse entfernt.^'* Die Kirche ist nach
nach westwärts vergrößert worden, ihr Turm scheint
der elkerhausenschen Hofreito erbaut zu sein, die sich
dem Platz zwischen der Kirche und den Hofreiten
2 und 1089 befunden haben mag. Diese Lagebestimmung
zwar nicht ganz sicher; die urkundlichen Nachrichten
ersprechen ihr aber nicht, wie ein Blick auf den Lage-
1 zeigt.
c. Der dritte Burgsitz der v. Rodenhausen, später
von Trohe zuständig. In den Jahren 1414 und 1440
en sich hessische Lehnsurkunden der v. Rodenhausen,
lach sie einen Burgseß zu Gießen auf dem alten Bürg-
ten gelegen bei der Kirchen trugen. Im Jahre 1471
xien vier Gebrüder v. Trohe mit einem Burgseß zu den
Ben gegen der Capellen daselbst und 3 Mark Geldes
der Stadt beliehen, inmaßen die Senand von Roden-
sen und seine Altern gehabt. Die Lage dieses Burg-
es konnte im Jahr 1590 nicht mehr ausfindig gemacht
•den. auch 1627 war sie gänzlich unbekannt.^» Es scheint,
\ auch dieser Burgsitz in dem Raum zwischen der Kirche
l den Nummern 1092 — 1088 gelegen hat, neben dem
se der v. Elkerhausen. Er wird also zum alten Kirch-
hinzugeschiagen worden sein.
d. Der Burgsitz der Familie Schlaun v. Linden,
diard Schlaun hatte 1414 einen Burgseß in der Alten-
•g zun Gießen zu hessischem Burglehen. Seine Nach-
nmen wurden noch im 16. Jahrhundert damit beliehen,
»es Lehen kam später auf die Schetzel und 1661 an
1 Kanzler Fabricius. Er und seine Lehnserben führten
en langen Prozeß mit den v. Schwalbach, dio den
Jaunschen Burgsitz im Jahre 1517 angeblich gemietet
)eii sollen. Es scheint also, als wenn der Platz dieses
rgsitzes unter dem Zubehör der großen schwalbachischen
freite zu suchen wäre, etwa auf No. 1089.
}. Mauer- und Grabenrestc des Burgzwingers.
Der einzige Mauerrest, der sich bis jetzt nach Mitteilung
{ Tiefbauamts Gießen gefunden hat, liegt in der schmalen
^ Grundriß vom 30. Okt. 1811 zum Neubau der Stadtkirchc im
ßh. Haus- u. Staatsarchiv, Plansammlmig No. 681 (5). Eingetragen in
diesem Aufsatz beig;egebenen Lageplan der alten Burg.
*ö Großh. Haus- und Staatsarchiv, Lehnsurkunden und Adel, Eu-
er Tal.
240 Gustav Frhr. Schenk zu Schweinsberg.
Gasse zwischen dem Hause No. 1097 und der Grenze von
No. 1107 gegen 1106. Ein ungefähr 2 m starkes Mauerstück
zieht in Tiefe von etwa 1 m quer über die Straße, gleich-
laufend mit dem sogenannten Burggraben. Es kann keinem
Zweifel unterliegen — ich habe es bei seiner Aufdeckung
gesehen — , daß es ein Rest der äußeren Burgmauer
ist. Noch heute heißt der Raum hinter den Häusern am
Markt der Burggraben. Rechnet man seine Breite von
der Verlängerung dieses Mauerrestes bis zur Grenze der
Hofreiten am Markt, so ergäbe sich das stattliche AusmaB
von 10 m. Denkt man sich den Grabenzug in dieser Breite
um die vorher beschriebenen Hofreiten fortgeführt, so er-
gibt sich das in der Planskizze entworfene Bild. Die heutige
Stadtkirche würde mit ihrer hinteren Hälfte in dem alten
Burggraben stehen. Die äußere Pforte wird man dicht süd-
lich des Kirchturms anzunehmen haben. Der Anschluß der
ältesten Stadtmauer ist längs der nördlichen Häuserreihe
am Kirchenplatze zutage getreten. Das schwächere Mauer-
werk mitten in der Gasse von der Marktstraße nach dem
Burggraben hin, bedarf noch weiterer Untersuchung.
Es ist selbstverständlich, daß sich durch V^erfolgung
der Spuren der Außenmauer noch Änderungen in ihrem
Grundriß ergeben köimen. Bei der feuchten Beschaffenheil
des Untergnmds, auf dem sie erbaut wurde, ist es nicht
wahrscheinlich, daß man später auch ihre Fundamente völlig
entfernt hat, die auf einem Pfahlrost ruhen werden.
W. Die zweite Burg und der Lauf der ältesten Stadt-
mauer.
Die Anlage einer zweiten Burg in Gießen zeigt, daß di^
Verhältnisse der alten Grafenburg dem Bedürfnis des Herr^
von Burg und Stadt nicht mehr genügten. Es kann seii^*
daß die gewöhnlich in der schwäbischen Heimat wohnende?^
Grafen v. Tübingen ihren Gießener Burgmannen, auf dere?^
Treue die Erhaltung ihres Besitzes hauptsächlich beruht ^^^
nach und nach zu viele Rechte eingeräumt hatten. Ihre g^'
nossenschaftliche Selbständigkeit mag dem neuen Lande^^'
herrn, dessen Hausbesitzungen in der Nähe lagen, lästig ^^'
worden sein. Auch das Anwachsen der Stadt und damit di^
Beschränkung des Raumes für die landgräfliche Gutswirt'
Schaft, ebenso die veraltende Art der Befestigung der Grafe^'
bürg kann den Neubau mitveranlaßt haben, in dem d^^
Amtmann des Landgrafen allein wohnte. Er enthielt aucA.
wie heute wieder, Unterkunftsräume für den Landes-
herrn (Beilage III, S. 251) selbst.
I
I
Alt-Gießen. ü^\
Die erste urkundliche Erwähnung der neuen Burg mag
das Jahr 1328 fallen, was natürlich nicht ausschließt,
die Erbauung selbst beträchtlich früher anzusetzen sein
1. Im Jahre 1336 erneuert Landgraf Heinrich dem Kon-
Herrn V. Trimberg ein Burglehen „ad caslrum nostrum
das dieser bereits von Landgraf Otto getragen habe
328).«o
Ob es Zufall ist, daJJ Landgraf Heinrich von Hessen im
•e 1305 einen Burgmann aufnahm „ad oppidum nostrum
um G"., und sein Sohn Otto, als er den Johann Herrn
^Testerburg 1324 zum Burgmann in Gießen annahm, auch
von dem „oppidum" G. spricht ?ß* Wäre es wörtlich zu
men, so bestand die neue Burg damals noch nicht. Ich
ne keine ältere Urkunde, die b^ide Burgen nebeneinander
ahnt.
Zur annähernden Bestimmung der Erbauungszeit der
en Burg kann auch noch der Umstand herangezogen
den, daß Stadt und Herrschaft Gießen wahrscheinlich be-
? vor dem Jahre 1335, sicher aber vor 1338, an die Reichs-
imerer von Falkenstein, Herren zu Münzenberg, zur
te wiederkäuflich veräußert worden war.^- Diese Zwei-
'schaft dauerte bis zum Jahre 1364 an. Die Herren von
:enstein erhielten ihre Hälfte zu hessischem Lehen; sie
den von Hessen auch als Ganerben in die Herrschaft
Jen aufgenommen, das von den Besitzern der nahen
en Lieh und Butzbach eine kräftige Stülze für das 1324
lerte, exponierte Gießen erwarten niochte.^^ gg jgt un-
rscheinlich, daß während einer solchen Besitzgemein-
ift der Neubau der Burg geschehen ist; er wird bereits
I>andgraf Otto angeordnet worden sein.
^^ Senckenberg, Sciccta juris <'t Ilistoriaruni elc, III, S. .IßS, uiul
:k, Hess. Landesgesch., II. II. H., S. 342.
" VVenck, Hess. I^ndespescli.. 11. V. B., S. 24Ü. ^Korrektur dos
TIS nach Mitteilung des Herrn Arcliivdirektors Dr. Reimer.) Heur-
eto Nachricht v. d. . . . Comrnende Scliiffenberg, II, Beilagen No. 220.
«- Urk. von 1338 in: B<?urkundete Nachricht v. d Com. Scliiffen-
II, Beilage No. 220.
«••» Archiv f. Hess, (iesch. u. A.-K.. I. S. 52 u. 53; II, S. 132. Die
nde von 1335 April 27 hei Heimer, Hanauisches l'.-B., II, No. 439,
3t dafür, daß damals die Falkenstoincr bereits Mitherren in Gießen
1. Wyß hat die Urkunde von 1331). Juli 28, übersehen, in der sämt-
Herren v. Falkenstein als Herren von Gießen handeln (Scriba, He-
ra, Oberhessen, No. 1310). Kr bezieht irrig die (Janerbeneigenschaft
alkensteiner zu Hessen, Merenberg und Isenburg auf Cleeberg (a. a. 0.,
>. 495}. während sie sich auf ihre Mitherr.schaft in Gießen gründete,
luß, analog der Urkunde von 13(>3, bei der ersten Veräußenmg bereits
?setzt worden sein, die ich zwis<*hen 1328 und 1333 geschehen an-
1 möchte.
iltiige z. Gesch. d. Universitäten Mainz u. Gießen. 16
{
24i2 Gustav Frhr. Schenk zu Schweinsberg.
Die Beilage 2 enthält ein Inventar der Burg und der
zugehörigen Wirtschaftsgebäude aus dem Jahre 1435.
Die Ansicht der Aula auf Seite 327 gewährt gleichzeitig
das Bild des alten Schlosses, wie es im Jahr 1754 beschaffen
war. Daß es vor Anlage der Festung Gießen einen andern An-
blick gewährte, erkennt man aus zahlreichen Einträgen der
Festungsbaurechnung von 1533.^* Da werden wiederholt
von den Maurern Steine an der Stadtmauer liinter dem
Schloß gebrochen, ebenso von der Stadtmauer vor dem
Schloß. Es war also zwar von der Stadt durch eine Mauer
getrennt, al)er doch von der Stadtbefestigung mit einge-
schlossen. Die Mauerreste, die sich früher und in neuerer
Zeit vor und hinter dem Schloß in der Erde vorgefunden
haben, rühren wohl daher.
Der heutige Zustand des alten Schlosses scheint mir
nicht zu gestatten, seine Erbauungszeit über das 14. Jahr-
hundert hinauf anzusetzen. Insbesondere spricht der spitz-
bogige innere Torbogen neben dem Turm, ein Bauteil, der
wenig Änderungen ausgesetzt zu sein pflegt, für diese Zeit.
Es findet sich zwar im Keller eine im Rundbogen geschlossene
Türöffnung, aber ohne jede Gliederung. Eine runde, aus
Quadern aufgeführte Säule, ebenfalls ohne alle Gliederung,
stützt das Tonnengewölbe des Kellers zunächst des Heiden-
turmes. Sie steht nicht in der Mitte des Gewölbes, scheint mir
vielmehr erst nachträglich, zur Verstärkung gegen eine neu
angebrachte Belastung des Gewölbes über ihr, angebracht
worden zu sein.*»^ Die Art der Bearbeitung der Quader-
steine hat seinerzeit E. Wörner veranlaßt, sich für ihre
Entstehung in romanischer Zeit auszusprechen««; nach
Äußerungen von Fachmännern aber ist dieser Schluß nicht
zwingend. Es könne sich auch um flüchtige Renaissance-
arbeit handeln. Bekanntlich wurde das alte Schloß im Jahre
1590 von Landgraf Ludwig IV. neu zugerichtet.«*
'•• (iroßh. Haus- u. Slaatsarcliiv. Kriejis- u. Militärangeiegenheitcn,
II. Abi., Küiiv. 10.
G-' Audi V. Kitgou. a. a. 0., S. 53, glaubt, daß sie eine später
angi'brachlc Mauer slülzen sullte.
•''i QuartalbläthT des Hist. Vereins f. d. Großh. Hessen, 1889, S. B2.
»'•' Kraft, a. a. ü., S. 135, Anni. -j. Durcli Herrn Hauptmann und Kon-
servator Krämer freundlich verinitteltc l^botographie, und gutachtliche brief-
liche Milteilunj: des Herrn Prof. Dr. B. Sauer, der auch eine xlußerttng
des Herrn Privatdozenten Dr. Rauch erwähnt. Herr Professor Sauer h*l'
dje untere Kellertüre, die kein Profil und keincjn Beichlag hat, wegen
der Ahnlichkeil ihrer HerstelluiiK mit einer Kellcrtüre auf dem Wirberf
für romanisch.
Alt-Gie&en. 243
Bei Herstellung des Schlosses für das Absteigequartier
des Landesherrn und für das Museum des Geschichtsvereins
hat der bauleitende Architekt H. Hofmann keine Bauteile
bemerkt, die meiner Datierung widersprächen.
Vielleicht aber führt ein indirekter Weg zum Ziele:
die Verfolgung der Mauern der ältesten, kurz vor
1248 gegründeten Stadt. Ich kann mich für diese Auf-
gabe auf die detaillierten Angaben von Kraft und v. Ritgen
(a. a. 0., S. 45 fE.) stützen, sowie auf die Einzeichnungen,
die das städtische Tiefbauamt im Verlaufe der Kanalisations-
arbeiten gemacht und mir freundlich zur Verfügung gestellt
hat. Kraft hebt auf S. 139 mit Recht hervor, daß man dabei
xlen Umstand nicht außer acht lassen dürfe, daß bereits
1325 eine Neustadt, südlich neben der alten Stadt, angelegt
worden war, deren Bewohner damals, ebenso wie die vor
den Toren Wohnenden, den Bürgeni, die innerhalb der
Mauern der Stadt wohnten, gleichgestellt wurden. Es liegt
nahe, daß man nach 1325 die trennende Mauer zwischen
Alt- und Neustadt beseitigte. Kraft rechnet zu dieser alten
Neustadt die Häuser der Marktstraßo (Kühgasse) vom
E. Pistorschen Hause an bis zur abgerissenen Neustädter
Pforte. Mauerreste haben sich in der Alarktstraße jedoch
nur weiter nach dem Marktplatz zu gefunden. Vom Pistor-
schen Hause zieht er die Mauer der Altstadt westwärts an
den Stadtbach, an dem Südende des Burj^grabens ; nach Süd-
Osten aber auf das J. B. NoUsche Haus (,,Zum Ritter**)
zu, von da an den Hintergebäuden der Häuser an der Mäus-
burg her an die Hintergebäude von Ph. Möhl, in dessen Hof
ein halbrunder Wehrturm erkennbar gewesen sei (S. 138).
Von dort lief sie nach dem früheren Stadtwagehaus in der
Schulstraße hin, neben dem noch ungefähr bis zum Jahre
1870 ein Stück der Stadtmauer erhalten war. Bei der Kana-
lisation in der heutigen Schulstraße haben sich Mauerreste
nach dem Markt hin nicht vorgefunden, so daß man an-
nehmen darf, daß es sich bei der Stadtwaji!;e um einen Rest
der ältesten Mauer gehandelt hat. Geht man nun zuerst zu
der Nordseite der Altstadt am Kirchhofe über, so haben
sich die Fundamente der 1533 auch hier abgerissenen Stadt-
mauer längs der Häuser an der IVonlseite des Kirchen-
platzes vorgefunden. Sie zogen danach durch den Burg-
graben nach der Zwingerniauer der Burg hin. Kraft hat die
Fundamente der Stadtmauer östlich davon, hinter dem früher
H. Heichelheimschen Hause am Lindenplatz, zu dem eine
kleine Gasse von der Schloßgasse nördlich abzweigt, ge-
sehen; sie seien ,,im Bogen nach der Schloßgasse ein-
244 Gustav Frhr. Scbenk zu Schweinsberg.
gezogen" gewesen.^^ Wenn ich diesen Ausdruck richtig
verstehe, so lief dieses Fundament also nicht parallel dem
Stadtgraben, der nach dem alten Schloß zu in gerader
Richtung streicht, sondern es wendete sich im Bogen nach
Süden hin, nach der Schloßgasse zu. Verbindet man diesen
Punkt im Bogen mit dem Mauerrest an der Stadtwage, etwa
vor dem Ostende der Kaplaneigasse her, so fiele das alte
Schloß, samt den ihm gegenüberliegenden Hofreiten, außer-
halb des alten Mauerrings.
Kraft rechnet (S. 140) zur alten Stadt nur die Häuser
am Markt und an der Süd- und Ostseite des Kirchenplatzes,
in einem Teile der Schloßgasse, die früher Burggasse hieß,
die Kaplaneigasse, einen Teil der Schulstraße, die Wagen-
gasse, die Mäusburg bis zum Stern, die Wettergasse und
die Marktstraße bis zum Pistorischen Hause, dessen hintere
Hofreite an den Burggraben stößt. Endlich noch das Gäßchen
von der Marktstraße nach dem Burggraben zu.
Das ist ein sehr beschränkter Raum, der den einer
geräumigen Vorburg nicht viel überschreitet. Da in der
innem Grafenburg und dem Zwinger keine Kapelle gelegen
zu haben scheint, so darf man annehmen, daß die spätere
Stadtkapelle dicht vor dem Burgtor wenigstens in einer von
Alters dazu gehörigen Vorburg lag. Diese Vorburg, von deren
Befestigung vielleicht noch die Mauerreste im südöstlichea
Teil des Burggrabens herrühren, wurde, nur wenig erweitert
zur Anlage der Stadt verwendet. Der Neubau der zweilca
Burg und die Anlage der Neustadt im Süden mögen danir
auch eine unbedeutende Erweiterung der Stadt an der Nord-
ostecke mit sich gebracht haben, um die Befestigung der
neuen Burg mit der Stadtmauer in Verbindung zu bringen.^^
6^ Kraft glaubt, daß die alte Waldpforte deslialb hinter dem Heichel"
heinischen Hause gestanden habe, nicht an der Ecke des Einhorns. Di^^
starken Fundamentreste am Einhorn sprechen aber gegen Krafts Annahnio*^
Übrigens ist der Zug der Mauer durch die Schloßgasse bei der Kanalisier'
rung nicht angetroffen worden.
^^ Man iiat lediglicli aus dem Straßennamen Mäusburg schließe**
wollen, daß noch eine dritte Befestigung bestanden habe. Mir scheint ^^-
viel näher zu liegen, daß dort Hürger des zu Gießen häufigen Namen ^
Mauß wohnten, deren Behausung von Studenten bewohnt, scherzweise di^^
Mäußburg genannt wurde. Der Name kommt meines Wissens nicht vof
l(i4r> urkundlich vor; er war damals wohl noch neu. Einen ähnlicheö
Scberznamen legten nach Nebels chronikalisclien Aufzeichnungen 1786 Stü-
deuten einem alten Keller auf dem sogenannten Graveliusberg bei, in den^
sie sich einrichteten. Sie nannten ihn die Eulenburg, welcher Name blei-
bend wurde.
VII. Die Genossenschaft der Burgmanncn.
Gießen muß von der Ritterschaft der Umgegend be-
sonders als Wohnort bevorzugt worden sein. Auch in der
Stadt selbst, nicht nur in der alten Burg, gab es nicht
wenige ihnen zuständige Wohnhäuser, die natürlich nicht
frei waren, sondern der Stadt zu dem üblichen Grundzins
beitrugen, der jährhch an den Stadtherrn abzuführen war. In
dem Zinsregister der Stadt von 1495, das Herr Oberbiblio-
thekar Dr. Ebel für mich freundlich ausgezogen hat, finden
sich Häuser des Wigand v. Rodenhausen, Gilberts v. Buseck,
Grafts V. Weitershausen, eine ehemalige Elkerhausensche,
jetzt landgräfliche Hofstatt. Ferner das Haus des Graft
V. Badenburg und der Halber (jetzt landgräflieh), das des
Mengos v. Fetzt)erg (früher dem Craft Rode und den Milch-
liiigen gehörig), Wernher Rüßers v. Buseck, Mengos v. Fetz-
berg (angefallen von Eckard v. F.; früher Imelut Clemmen
gehörig), Grafts v. Elkerhausen, ein Pfarrhaus (früher Fyhen
V. Bleichenbach zustehend) und endlich das den Burg-
mannen gemeinsam gehörige Haus.
Die Burgmannen waren beteiligt am Gericht der Stadt'",
an der Vermögensverwaltung, besonders an der des Mark-
waldes, an der Vorstandschart der Kirchenfabrik. Sie traten
noch lange hin, auch in Kriegsfällen, als Genossenschaft
selbständig auf." Noch im 14. Jahrhundert führten Burg-
Diannschatt und Rat, wie früher, ein gemeinsames Siegel,
^ hierunter abgebildet ist.
Später, vor 1371, führte die Stadt ein eigenes Siegel.
"^ wenig schöne, mit dem geflügelten ü. und der heid-
'" Noch 1356 prfolgte eim' Auflassung vor Burg man neu und Schöffen,
"« Recht ist zu den Gycaen. Baur. U.-B. d. Kl. Amsburg. No, 836.
'■ So 2. B. 13T0 IT) einer Fehde mit dem Staufenherg besitzenden
'''afen r. Ziegenhain; Kuchenbecker, Analecta Hassiaca, 1, S. 130.
246 Gustav Frhr. Suhenk zu Schweiiisber^.
nischen Krone versehene größere Stadtsiegel, das nicht vor
1500 vorkommt, ist am Schlüsse dieses Aufsatzes abge-
bildet worden.
Wie die Burgmannen ihre geselligen Vergnügungen j;e-
regelt hatten, wußte man bereits aus einer Einung vom
30. Dezember 1477, die unter Mitwirkung des Landesherm
zustande kam.-^ Die Beilage 2 gibt eine ältere Einung aus
dem Jahre 1388.
Das gemeine Haus der Burgmannen, ihr Rathaus, Trinb-
stube und Festhaus, die heutige Engelsapotheke (No. 793 des
Lageplans), gehörte im 18. Jahrhundert den beiden letzten in
Gießen ansässigen Burgmanne ngeschlechtem, den v. Schwal-
bach und den Nachkommen des Statthalters Rudolf Scheuet
zu Schweinsberg, der 1544 das Burglehen derv. Elkerhausea
erworben hatte. Während die Familie v. Schwalbach ihren
Wohnsitz in der alten üratenburg bis zu ihrem Erlöschen bei-
behielt, wohnten die anderen Burgmannengeschlechter spälw
meistens auf ihren Gütern. Nur in Kriegszeiten bevölkerten
sich ihre im Schutz der Landesfestung gelegenen Burgsilze.
Erklärung der Siegel.*)
Auf der Tafel:
1. AcRoliliches Su'gt'l des Grafen Wilhelm von Gleibcrg (1131— 1158) ««
einer petälschtcn Urkunde. Umschritl: f COMEÖ - WILLEHFXM'K
GLIZIf . . Vcrgl. A. WyB, HesB. Urkunden buch, I. 3- Band. So. l'ß*
und S. 444 ff., ^ 34 u. g 35.
3. (iem(-in»anies Siegel der Biirpnanneti und der Stadt Gießen, 134J ^
um. Umscliritl: t WLLI.EHMVS ■ DEI . GltACIA PALAlim'SCO«
IX TViGI. Verfil. A. WyÜ. a. a. O., 1, 1, No. 21Ö; I, 3, Ko. 1^, Anui.
Abs. 2, Im Text difscr .^bhatidluiif Seile 2'20.
■s Estor, Auserlest-no kleine Scbriften, III, S. 296— 303. Falls Mainw^
Jahre^aiifan}! anzunehmen wäre, so müQtc man 1476 datieren.
'; In ^/j der wahren Größe dargestellt.
Alt-Gießen. U7
3. Siegel des Erzbischofs Megener von Trier. 1129. Vergl. A. Wyß,
SU a. 0., I, 3, No. 1329; S. 409, Kap. 2.
4. Angebliches Siegel der Gräfin Clemencia von Gleiberg von einer ge-
fälschten Urkunde. Vergl. A. Wyß, a. a. 0., I, 3, No. 1332; S. 444,
§ 24. Auch abgebildet bei F. K. Fürst zu Hohenlohe^Waldenburg,
Sphragistische Aphorismen, No. 43.
5. Zweites Siegel des E. B. Megener. 1129. Vergl. A. Wvß, a. a. 0.
6. Siegel des Klosters Schiffenberg. 1246. Vergl. A. Wyß, a. a. 0.,
No. 1352.
7. AngebHches Siegel des Grafen Otto von Gleiberg von einer gefälschten
Urkunde. Umschrift: t OTTO • COMES • DE • GL IBER(G). Vergl. Wyß,
a. a. 0., I, 3. No. 1342; S. 445, § 25.
Im Texte:
8. Seit«? 222. Zweites Siegel der Stadt Gießen. 1264 ff. Umschrift: SIG
ILLVM : CIVITATIS : DE : GIEZEN. Vergl. A. Wyß, a. a. 0., No. 1356.
9. Seite 245. Gemeinsames Wappensiegel der Burgmannen und Bürger zu
Gießen. 1332ff. Umschrift: t S' CASTRENSIVM ET OPIDANORVM
In GYZYN. Vergl. A. Wyß, a. a. 0., I, 2, No. 576 u. 569.
10. Größeres Siegel der Stadt Gießen: ein geflügeltes g, daraus hervor-
springenden Löwen, darüber eine „heidnische** Krone darstellend. 1500:
1500. Umftftrift: 8 maiufi • opibonorö • in • flieSfen. Seite i246.
(Der Stadt klein Ingesiegel findet sich 1392 erwähnt bei A. Wyß,
a. a 0., No. 1245.)
Beilagen.
1. Schultheiß, Schöffen und Gemeinde der Stadt Gießen
bekunden den Verzicht des L. v. Rodheim u. s. Ehefrau
gegen Kloster Arnsburg auf Güter zu Steinbach. 1248 Mai.^
Canradus sculthetus, scabini et burgenses universi in Gizen.
Constare facimus omnibus litteras has visuris, quod Ludewicus
de Rodeheim et Binhildis uxor ejus, communicata manu renun-
ciaverunt, nobis presentibus ante capellam nostram in Gizen,
^ Aus eigenhändiger, alle Abkürzungen nachzeichnender Abschrift
^<><hnanns, die beim Nachlasse Nebels (Großh. Haus- u. Staatsarchiv zu
^innstadt} verwahrt wird. Die sorgfältige Nachzeichnung des Siegels
^^^eist, daß es das auf der Tafol unter No. 2 wiedorgegebene älteste
Gießener Siegel ist. Von der stark beschädigten Umschrift war nur er-
^en: ... MI GRACI Dasselbe Siegel wurde be-
^^its nach schlechter Zeichnung aus Kindlingers Handschriftensammlung ab-
pbildet von Günt'her, Die Wappen der Städte des Großh. Hessen, Fig. 14
Wrchiv f. Hess. Geschichte u. A.-K., III. 2. Heft, XI, S. 30). Unvollständiger
"^ck bei Baur, U.-B. d. Kl. Arnsburg, No. 54, nach Kindlingers Hand-
schriftensammlung. Der im hiesigen Archive vorhandenen Abschrift
'^^ die Bemerkung beigefügt: „Sigillum cerae albae jam fuscae impressum".
Ij, Das Original befindet sich gegenwärtig im Staatsarchive zu Marburg.
^^ trägt die Rückenaufschrift: De böls l Steinbach. No. 16.
j^ Das Siegel ist nicht mehr im selben Zustand, als ihn die Zeichnungen
^manns und Kindlingers erkennen lassen. Es fehlt jetzt das untere
^^ck, anf dem die Lilie im Siegelfeld sichtbar war. Das Faksimile l^od-
'^^^niis ist fehlerfrei.
248 Gustav Frhr. Schenk zu Schweinsberg.
omni actioni et querimonie, quam habebant vel habere poterant
contra conventum in Arnesburg super bonis in Steinbach, et
resignaverunt eadem bona in manus Wilhelmi abbatis ejusdem
loci, recipientes decem et octo solidorum Coloniensium ab eodem.
In evidentiam hujus rei testes ibidem fuerant deputati : Sifridus
de Hattenrode et Wernerus filius ejus. Waltherus Sluen. Ernestus
de Rodeheim. Wernerus de Rodeheim. Johannes de Leikestren.
Eckardus de Luzellinde, milites, Meigotus, Wigandus, Eckardus,
Rubertus, Heinricua scabini. Albertus quondam abbas in Arnes-
burg, Fridericus Ovelacker et alii quam plures. Ut hoc itaque
ratum maneat, nostre civitatis sigillo fecimus hanc paginara
confirmari. Actum anno domini m.^cc." xlviij. Mense Majo.
2. Ordnung der Trinkstube der Burgmannen zu Gießen.
1388 Ausg. 1.2
Dis hiernach geschrieben ist die alte Einunge^ unser der
burgman zu Gießen.
Wir die burgman gemeynlich zu Gießen, die wohnhaftig sein
zu Gießen oder noch wohnhaftig werden, erkennen öffentlich in
disem brieffe vor uns und alle unsere erben, das wir einmutig-
liehen mit unser aller guten willen, wissen und verhängnus einer
eynung uberkonmien sein, als von unsers gemeinen haus wegen
zue Gießen, als hiernach geschrieben stehet. Zum ersten, welcher
burgman unter uns abgehet von tods wegen, das gott lange ver-
halte und söhne lesset, die nicht haus gehalten haben und bey
uns wohnhaftig sein wollen, der söhne soll ieglicher geben den
bawmeistern an den baw des hauses ein gülden und geloben,
die eynung zu halten als hiernach geschrieben steht. Were es
auch Sache welcher burgman söhne bette, die gewapnet ritten,
die sollen auch geloben diße eynung zu halten. Auch zöge ein
burgman bey uns in, (der) in unser haus nit gehöret, und wil
der in unser eynung, der soll geben vier gülden an den baw des
hauses, als wir vor geben haben, und die eynunge schweren
zu halten. Auch soll unser keiner sich mehr zu unserm haus
zu thun, unten oder oben, er thue es dan mit rath der bauw-
meister. Es ist auch geredt, daz unser keiner unsern keller oder
haus beraden*, weder mit wein oder hier, oder mit keiner andern
Sachen solle, es were dan sache daz wir gemeynlichen oder
unser ein theil heiße sie mehr oder minner ^ wein oder hier
kauffen wollen, daz mögen wir in unsern keller legem und unter
uns den wein oder hier ohn ein kerb geben pristern und bürg*
mannen. Und sollen die bauwmeister den wein und hier scheren,
und wen sie zu ihnen ncmen nach moglicheyt. Und wan der wein
oder hier auskommet, wer dan wein oder hier getrunken hat, soll
bezahlen den unserm knechte binnen ^ den nechsten monat dar-
nach, und wer das nicht thete und der knecht den bauwmeistern
2 Aus ungefähr 1600 gefertigter, fehlerhafter Abschrift im Großh.
Haus- u. Staatsarchive, Urkundenabteilung, Gießen.
^ In der Vorlage: ,,zeigunge**. * „bewoden" in der Vorlage.
^ „mehr oder nimmer". — • „fienen*.
Alt-Gie&en. 249
Lgete, den sollen die bauwmeister pfenden und des möge
lacht han, und mag der knecht die pfände versetzen oder
:ffen ohn zorn und ohn alle gefehrde, und were es
das iemandt sein pfände wehre te den bauwmeistern, das
uns die bauwmeister kundt thuen und zusprechen, und
llen wir ihme gemeynlich helffen pfenden, und wer es darzu
kommen, der soll es verbüßen mit einem gülden, den soll
uch niemandt laßen und soll gefallen an den bauw. Auch
iser keiner oder unser söhne spielen in uiiserm hauße umb
)der um bedegunge ohn gefehrde, und wer das breche, der
verbüßen mit einem gülden an den bauw und soll man den
ndt laßen, und wer den gülden nit gebe, den sollen die bauw-
r pfenden als vorgeschrieben stehet. Auch wan wir holtz
fen in unserm haus des sollen ihr zween ein wagen vol
s fuhren, wen die bauwmeister es zu der zeit heißen ahn
dte, darwieder soll sich unser keiner setzen und wer das
det, den sollen die bauwmeister pfenden vor sesse thornus
»rgeschrieben stehet als dicke es nur geschieht. Were es
das wir bauwens an unserm hauße bcdorffen, betten wir
itt gemeynes geldts, so sollen die bauwmeister mit unser
ath oder der meinsten menge ein^ geldt setzen ^ ein thornos
oder minder und daz bauwen nach rath als vorgeschrieben
, und wer des geldts nit gebe, den sollen die bauwmeister
m als vorgeschrieben stehet vor zwirnt als viel als
gesatzt^ ist. Were es auch sache, das wir gemeynlichen
mser eins theils zehren wolten in unserm hauße, wan dan
knecht oder magdt aus gewinnet von was Sachen das were,
)llen wir gutlich bezahlen und wer das nit thete und unser
t oder magdt den bauwmeistern das sagten, den sollen die
neister pfenden als vorgeschrieben stehet vor zwirnt als
Is er gelten solt ohn geverdte. Ist es auch sache, das unser
heils zehren in unserm hauße, es sey eßen oder trincken,
soll niemandt greiffen, er wolte dan mit gelden oder sey mit
willen, det das iemandt darüber, den sollen die bauwmeister
»n vor zwirnt als viel als der einer in der mitschaft gilt
►rgeschrieben stehet. Were es auch sache, daz unser einer
nehr mit unserm knecht und magdt zu schaffen gewonnen
de mit uns von was sachen das queme, des sollen sie und
1 den bauwmeistern belieben und wen sie unter uns darzu
jn und sollen des macht haben gütlichen oder rechtlichen
tscheiden. Auch soll ein jeglich burgman der gesessen ist
n knecht und magdt geben zwischen S. Michelstage und
rtenstage alle jerlichen zwo mesten korns und wer das nit
den sollen die bauwmeister pfenden vor daz körn, und
ein pfandt wehrete, der soll es verbüßen mit eim gülden.
5 auch ein bauwmeister ab von todts wegen, das gott friste,
l der ander bauwmeister nach unser aller rath einen andern
neister kueßen oder nach reth der meinsten menge binnen lo
echsten viertzehen tasten, und darwider soll sich niemand
„mit**. — 8 ,^stechen**. — ^ ,.gesagt'*. — ^^ ^finnen'*.
i
:250 Gustav Frhr. Sclienk zu Schweinsberg.
setzen. Auch sollen wir keinerley zweygunge mit worten oder
mit vvercken in unserm hauße unter ein haben, von was sacben
das queme, und soll unser keiner auch den andern keinerley
schuld in unserm hauße fordern, wer das breche und nicht heltt^
der soll aus dem landt^^ als ferne ryden und bleiben als die
bauwmeister und wen sie unter uns zu ihn nehmen sprechen,
das er thun solle ohn geverdte. Welche zeit auch unser bauw-
meister uns verbotten in unser haus umb unser noth, da sollen
wir alle hinkommen ohne gefehrdte, und wer daz nit thete, der
soll das verbüßen mit einem Engeischen, als dick des noth ge-
schieht. Alle diße vorgeschriebene stuck und artikul und ein
jeglichen besonder haben wir gelobt und geloben in handt in
guten treuen ahn aydtstadt stett und veste zue halten ohn alle
gefehrdte und arge liste. Und des zu uhrkundt und vestigkeyt
haben wir die burgmannen die in unser eynung sind alle mit
ein gebeten die strengen herm C rafften von Rodenhausen, herm
Cunen von Dernbach, herrn Heinrich vjon Schwalbach, herm Ger-
nanden von Bußecke, rittere, das sie ihr eigen insiegel vor uns
und unsere erben und vor sich selber umb unser bitt willen an
dießen bricff gehangen, des wir die vorbenanten uns bekennen.
Datum anno domini millesimo trecentesimo octuagesimo octaro.
in crastino Petri aposloji ad vincula.
3. Verzeichnis des 1435 abgeliefert3n Inventars und Vorrats
in der Burg zu Gie'ßen.
Anno domini m^ cccc xxxv sabbato post festum beati Martini
sunt scripta sub sequentia.
Item hain ich Heynrich Sneydeler myme gnedigen herren
virandeleg(etj in syme huse czun Gießen czuni irsten:
Item 850 maldir gedroschens kornß uff den leben in dem
huse czun Gießen und 201/2 maldir korneß. — Item 80 maldir
gedroschener habern und 21/2 maldir. — Item 8V2 maldir ge-
droschener erwiß. — Item 3 maldir unde 4 mesten oleyß. -7*
Item 11/2 nialdir unde 5 mesten robesamenß. — Item 80 maldir
korncs in der schuwern in dem stroe alz daz myns gnedigen
herien hoffemeynster unde sin gesworn gesynde geacht(et) haint
dy es myt der band dar in gelegt hain. — Item 85 maldir
habern auch in der schuwern in dem stroe alz daz myns vor-
ge{nanten) gnedigen herren gesynde auch geachtet haint. — Item
40 maldir gerslen in dem stroe in der schuwern als das dy
egnant(en) myns gnedigen herren knechte geacht(et) hain. —
Item 1 vienie malcz czu eyme gebruwe unde hoppen dar czu. —
Item 12 maldir meles uff der loyben alz daz myns gnedigen herren
hoffemeynster geacht(et) hait. — Item in unßers herren forwergk
23 melkekuwe. — Item 20 steer unde kelbere. — Item 73 swyne
groeß unde clcyne. — Item 9 phaelepherde unde 1 jungfoln. -*
Item 4 folnhengist unde 1 mudirchen.^^ — Item 85 schefen kese.
— Item 826 kese alz man pleget zcun Gyeßen machen. — Item
n ,/ler handt". — i-' „den".
1-^ 1437 war der Viehbestand: 21 küwe (16 melke), 91 swine (16 0^
dem koben zu mesten), 318 schaffe.
Alt-Gießen. 25!
:|uart botem. — Item 1 donne smalczes. — Item 150 syten
seh unde 25 syten. — Item 7 kuwe dorres fleyschis. — Item
cuwe in dem salcze. — Item' 1 firtel schafe in dem salcze. —
1 8 fudir beers. — Item 11/2 fudir dunbeers. — Item 7 kessel
>ß unde kleyn. — Item 9 phanne groeß unde cleyn. — Item
•en doppen groeß unde kleyn. — Item 8 ysern kochleffel. —
1 9 ysern unedeckel(!) — Item 2 haeln. — Item 1 dyegel.
tem 4 hackemeßer unde 1 schabe. — Item 8 beslahen eymer.
Item i senffmolen. — II cm 2 eßigkruge unde eyn veßchiu
eßiges. — Item 1 braetspiß. — Item 1 morßer unde 1 stoeßel. —
1 2 genße panne. — Item 2 roeste. — Item in dem bnihuse
rüphanne. — Item 2 koppern schufen. — Item 1 sodekessel.
Item 200 hemel unde 3 hemel in dem salcze. — Item eyn
jeczauwe von bodden. — Item 4 achtel salczes. — Item
ryntener unßlydd(es). — Item 50 phund wachses alz daz der
emeynster unde Henne Ychel geacht(et) hain. — Item 3 hand-
. — Item 3 erenbecken. — Item 4 erenluchter. — Item
irmbrost. — Item 1 wynde. — Item 2 sp&ngurtel unde
locken. — Item 5 banckducher. — Item 9 stiilekußen. —
n 3 phund garneß czu dyeschtuchern. — Item myns gnedigen
Ten bette in syner kammern. — Item 1 heubtp51. — Item
ruwedeckc. — Item 1 schürduch. — Item 4 bette in des
iribers kammern. — Item 3 heubtpole. — Item 7 par lylachen
der burgk. — Item 1 bette der kelnirßen unde 1 heubtp51.
Item uff dem kellir 1 bette unde 1 heubtpöl. — Item dy
arknechte 2 bette unde 2 pare lylachen. — Item den meyden
bette unde 1 heubtpoel eyn decken unde 1 par lylachen. —
m der hofemeynster 1 bette, 1 heubtpöl, eyn betteduch unde
ylachen. — Item des foydiß junge eyn bette, eyn decke unde
lylachen. — Item 2 betteduchir. — Item Claeß der almüser
ylachen. — Item 1 ruwedecken uff des schrybors bette. — Item
kfißen uff den betten in der burgk. — Item 10 drelich dys-
ben. — Item eyn gude lange drelichs handtwele myns gnedigen
rren. — Item anderwerbe 5 kleyne drelich handtvvelen. —
m 4 brotducher den knechten. — Item eyn wenig fläßes in
Ties gnedigen herren kysten. — Item 3 kluwen garneß. — Item
ionne myt feedem. — Item 4 hantb6ßen. — Item eyn halbe
nne myt pylen. — Item 5 nuwe boßen dy myn gnediger herre
fn Gießen hait gesand kleyne unde groeß. — Item 6 hindir-
•gke an dy boeßen. — Itcni eyn bölien dy man nennyt den
lenhüd. — Item 16 fudirge vaß. — Item 1 halbfudirg vaß. —
ni 4 kappftßbödden. — Itom 13 secke hose unde gud. —
m 5 mesten. — Item 12 gude ulen myt suermylch. — Item
bestehen weyne in myns gnedigen herren forNv'ergk. — Item
plugk unde 3 cyden.^* — Item 4 czenen schußein. — Item
Ivalbfirtels fleschin. — Item 1 quart flesch. — Item 1 firmaß
Jch. — Item 4 eckeß. — Item 4 hauwegabeln. — Item 0 mist-
beln. —
Original im Großh. Haus- u. Staatsarchiv zu Darmstadt, Domanial-
'äude, Gießen.
1* Ob statt cydem = zetter (Vordeichsel)?
Anhang.
Giessa Hassorum,
eine in Kupfer gestochene Ansicht der Stadt aus
dem Jahre 1612.
H. V. Ritgen hat in seinem Aufsatze: „Die erste Anlage
CJießens und seiner Befestigungen** die ihm bekamit ge-
wordenen Abbilduni^en der Festungswerke von Gießen auf-
gezählt. ^ Im Jalire 1887 erwarb das Großherzogliche Haus-
und Staatsarchiv aus einer aufgelösten Darmstädter Prival-
sammlung einen bis dahin unbekannten Kupferstich, der
(ließen von Südost her darstellt. Wie mangelhaft er vom
künstlerischen Standpunkt aus sein mag, so gibt er doch ein
deutliches IJild der Festungswerke und der Hauptgebäude
der Stadt, so daß er neben der trefflichen Federzeichnung
W. Dilichs aus 1591 einen bescheidenen Platz findea mag.
Das Orij^inal mißt in der Breite 32,5 cm, in der Höhe fast
18 cm: nebenstehend ist es verkleinert wiedergegeben.
Auf dem bnMlen, unteren Rande sind zwei dichterische
Krzeugniss(5 zum Lobe (ließens gedruckt. Das in lateinischer
Spraciie hat (Um Professor der Dichtkunst und Historie,
auch Universitätsbibliothekar, Konrad Bachmann zum Ver-
fasser; (l(»r des deutschen zog es vor, seinen Namen zu ver-
schweig(Mi. Dann folgt eine Erklärung der dem Stiche
beig(»fügt(Mi Buchstaben. Das Stück ist nebenbei ein alter
datierter Druck Cbemlins-, der es für die Besucher der
neuen Fniversität hergest(»llt haben wird. Es macht fast
den Findruck einer Reklame.
Sit: facirs (ill:lSSAK oft, (luani fofsa atque aggere valli
Cinxit Amor Patriae, Magno Philippe, tuus.
Hoc Valium, haue foffam poft Caefaris ira diremit,
Keftituit Fdei* fed Ludovicus honor.
* VicruT JaliroshiTicht ilos ()I.K'rii<'ssisth(.'n Vereins f. Lokalgeschichte^
(üciioM ixxr). s. r)7f.
- Er uarder zwoilälh'sto (iii'l5ein*r Uuclidrucker. Vergl. Ivönnccke,Hesi.
I{iicl:«lrurk.Tl)ii(li. Marljurj; ^H\^, S. 24:J, und Büchner, Die Anfänge d»
r.iu'li(lni(ks ... in (ii«'ßcii. .Milt«Ml. d. OIktIicss. Ciesch.-Ver., N. F., V,
i>. :54: VI, S. 11)1 IT. — - So für fi<lei.
254 ■ Anhang.
Impofuitquc doiisK|jba "Mairli et belli ufibus aptaiu,
Fecit et anribuä divite lubridium.
Nunc Utriusque Nepos animam infpiravit, et urbem
Eduxit Coelo, Tideribusque locat,
Caefaris induitu quando huc Academica jura
Tranftulit; hinc Patruo Major Avoqne cluet.
Conradtis Barhmannus Profeffor,
GIESSEN die Statt in HeWenland
Nun mehr in aller Welt bekand /
; Von Sud-Ost her fo wird gefehn /
Wie f ie thut hier vor Augen {tehn /
Philips Lantgraff das Fürstlich Blut
! Dem gantzen Vatterland zugut
Die Fertung / Burg / und gantze Statt
Mit Wehr und Wall umbgeben hat:
Die doch hernach durchs Keyfers Zorn
Zerfchleifft / zerbrochen / und verlorn :
.Biß das Ludwig der gütig Helt
Sie widerumb zu recht gelle 11 1 /
Verbelfert hat Paftei und Wall
; Dem gantzen Land zu wolgefaln.
Das Zeughauß auffgebawet schon /
Daflelbig mit Munition
Gar wol verfehen und Gefchütz /
Und was zu Krieges Brauch ilt Nütz.
Letzlich aber Ludwig der frumb
Als in fein erblichs Eigenthumb
Ein hohe Schul gerichtet an /
Wie das l)ekann(l ift Jederman /
Dadurch ihr liOb / Ruhm / Preiß und Ehr
Von Tag zu Tag wechft mehr und mehr/
Gott wol hinfort diefelbig Schul/
Widern Teuffei und hellfchen Pfuel
Gnädig befchützen inunerdar /
Behüten auch für falfcher Lahr
Und uns erretten auß Gefahr.
nfdcnituni: der Buchstaben im Abriß: a Dedeut die Kirch / b »Vit
l niversitet und nou Fürstlich Colletriuin. c. Das Zeughauß. d. Die Altaua
d<'li lliinniolslaiif! zu obsorx'k'rn. e. Das Ampthauß. f. Das Rahthaut
|r. Die vier l'forteii.
(iedruckt zu Gieffen / durch Cafpar Chemiein. 1612.
Auf dem Stiche ist das Xeuweger Tor, dem das bo*
Dilich erschoinonde Vorwerk fehlt, mit dem prosaischen
JVamori „Kuhthor" bezeichnet, der im Voiksmunde noch iio
Allfange des neunzehnten Jahrhunderts gebräuchlich g^
Wesen sein soll.
VII.
Neue Betträge zur Geschichte
von Johann Balthasar Schuppius in der zweiten
Periode seiner Marburger Professorentätigkeit
(1639—1646).
Von Wilhelm Diehl.
Unter den E*rofessoren der liossen - darmstädtisclipn
I^iidesuniversität zu Marburg liat keiner das Olürk gehahl.
'derartig oft nach aUeri Seiten seines Wesens in Mono-
gfaphicn dargestellt zu werden wie Johiinii Balthasar
Schuppius, Trotzdem giht es in der Lebonsgeschirhte dos
Mannes, vor allem in den hessischen PeriiKlen seines Lehens,
■ßimer noch recht viel zu entdociten. Das sehen wir z. B.
an den beiden jüngsten Arbeiten von Hessen-Darms tädtern.
•l'e sieh mit Schuppius hescliilftigeii : der Ausgabe von Job.
Balthasar Schupps Briefwechsel mit dem Landgrafen .lohann
^on Hessen, die Neb(?l 1890 in den Milteilungen des Oh^T-
hessischen Geschic^htsvereins. Bd. II. S. 49f[., veransUvItet
'•at, und der vor kurzem in den ,, Beiträge zur hessischen
Schul- und üniversitätsgeschicble", Bd. I. S. 169 ff., abge-
liruckten Arbeit \V. Ü. Beckers „Ans Johaiui Balthasar
Schupps Marburger Tagen", die eine Anzahl von liriefen
:>r)G Wilhelm Diehl.
Schupps an den Ulmer Superintendenten Dieterich mitteill.
Beide Arbeiten bringen nicht nur eine Fülle neuen, bisher
unbekannten und unbenutzten Materials bei, sie rücken auch
das Wirken des Maruies unter ganz neue Gresichtspunkfe und
lassen manches, was man bisher nicht oder nicht recht ver-
stand, in einem neuen Lichte erscheinen.
Nachfolgende Arbeit soll eine Ergänzung zu den Bei-
trägen von Nebel und Becker bilden. Sie bezieht sich auf
die Zeit, die zwischen den von beiden Forschem behandelten
Perioden liegt. Sie hebt mit dem Zeitpunkt an, wo der von
Becker herausgegebene Briefwechsel Schupps mit Konrad
Dieterich durch Dieterichs im März 1639 erfolgten Tod einen
jähen Abbruch fand und erstreckt sich bis zum Anfang von
Schupps Braubacher Zeit, von der Nebels Studie ihren Aus-
gangspunkt nimmt. In den acht Jahren, welche zwischen
den beiden Endpunkten 1639 und 1646 liegen, sind für
Schupps Leben drei Ereignisse besonders wichtig geworden:
1. der Auftrag, den ihm der Landgraf Georg IL im Jahre
1639 zur Ausarbeitung einer Geschichte Ludwigs V. und
Georgs IL bis zur Gegenwart gab, 2. Schupps Prorektorat
im Jahre 1643 und 3. die finanzielle Not, in die Schupp
1644 kam, die 1645 gegen ihn geführte Disziplinarunter-
suchung und die damit zusammenhängenden Bestrebungen,
von Marburg wegzukommen. Die drei Ereignisse stehen iß
einem gewissen Zusammenhang. Die beiden letzten sind
die Ursache dafür geworden, daß aus dem ersten und damit
Schupps Opus historicum nichts ward. Hieraus ergibt sich
die Kiiitoilung der nachfolgenden Studie.
Das Material, das zu der nachfolgenden Arbeit benutzt
ist, und bei dessen Sammlung ich in weitgehendem Maße von
Herrn Staatsarchivar Dr. Dieterich unterstützt ^vurde, ist
zum Teil bereits früher von Forschern auszugsweise be-
nutzt worden, zum Teil war es bisher unbekannt. Es ent-
stammt drei Fundorten, dem Haus- und Staatsarchiv ia
Darmstadt, der Registratur des Ministeriums des Innern ift
Darmstadt und dem Universitätsarchiv in Gießen. Ganz un-
bekannt wanm bisher die aus der Ministerialregistratur
stammenden Akten über Schupps Prorektorat (Faszikel
,, Rektorwahlen'*) sowie die aus den Gießener Akten mit-
geteilten LJ(»richte, die sich auf Schupps Professorentätigkeit
und seine Anteilnahme an der Verteidigung von Marburg
beziehen. T(nl weise benutzt waren die Darmstädter Archiv-
akten, die von der Reauftragung Schupps mit der Aus-
arbeitung eines Opus historiciun hassiacum handeln, sowie
diejenigen, welche den Briefwechsel Schupps mit Maxi-
I
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 357
milian zum Jungen darbieten. Notizen und Auszüge aus
ihnen haben Wenck in seiner hessischen Landesgeschicht3
und Henke in der Zeitschrift für historische Theologie (1866)
dargeboten.
I. W^olff von Totenwarts Plan zu einer hessischen Chronik
und das Projekt der Ausarbeitung einer Geschichte Ludwigs V.
und Georgs II. durch Schuppius.
Im Jahre 1639 tauchte einmal wieder das schon mehr-
mals in Angriff genommene, aber bisher noch niemals durch-
geführte Projekt auf, zur „höheren Ehre des hessischen
Regentenhauses** eine hessische Chronika bearbeiten zu
lassen und herauszugeben. Die Veranlassung hierzu bot
der damals in Hessen hochangesehene, bei Georg II. „in
besonderen Gnaden** stehende Kanzler Anton Wolff von
Totenwart, der seit 1626 auf die Notwendigkeit der Veraus-
gabe eines solchen Opus historicum hingewiesen und es
zum Beispiel auch fertig gebracht hatte, daß sein Freund
Melchior Goldast im Anfang der dreißiger Jahre den Auf-
trag zur Bearbeitung einer Chronica hassiaca erhalten hatte,
deren Vollendung und Drucklegung leider durch Goldasts
Tod vereitelt worden war. Wolff von Totenwart richtete
am 19. März 1639 zwei und am 3. April 1639 ein drittes
Schreiben an Landgraf Georg IL, in denen er seinen Plan
ausführlich darlegte und eingehend begründete. Wir bringen
diese drei Berichte unten zum Abdruck (Beilage 1). Nach
ihnen sollte das von Totenwart geplante Werk die ganze
hessische Geschichte in Vergangenheit und Gegenwart be-
treffen und zu ihr die wichtigsten Quellenstücke und Ma-
terialien, teils im Wortlaut, teils im Auszug darbieten. Es
sollten diese Mitteilungen gleichsam ein „Opus Raritatum
Hassiacarum" bilden und die Tendenz verfolgen, des „uhr-
alten fürstlichen hessischen Hauses Gloria" so zu verherr-
lichen, wie diese es verdiente. Dabei sollte es die Gegen-
wart ebenso berücksichtigen wie die Vergangenheit; so
sollten zum Beispiel in ihm die ,, Schwedische und Rüssels-
heimische Sach" und die Universit<ätsstatuten ebenso ge-
wissenhaft behandelt werden, wie beachtenswerte Kund-
?ebungen Ludwigs V. und aller seiner Vorgänger.
Außer diesen Nachrichten über die Anlajce des «ranzen
erkes bekommen wir aus den drei Berichten noch Mit-
teilungen über die Persönlichkeiten, die bei der Heraus-
gabe beteiligt sein sollten. Einen bedeutenden Einfluß auf
^s Werk wahrte sich der Kanzler selbst, und zwar da-
Bdtüge I. G€8ch. d. Unlrersitftteu MaIos u. Gießen. 17
258 Wilhelm Diehl.
durch, daß er die Materialsammlungen, die er sich seit
Jahren hergestellt hatte, zur Grundlage des Werkes machte.
Außer ihm sollten an dem Werk noch zwei Personen in
besonderem Maße arbeiten: Professor Konrad Bachmanii,
dem der Kanzler die Rolle eines Vervollständigers und R^
daktors seiner Sammlungen zugedacht hatte, und der Ober-
archivarius Tu Isner, der die Oberleitung über den Druck
haben sollte.
Aus dem in den drei Berichten entwickelten Plan des
Kanzlers ward nichts. Als er im Jahr 1639 in Ungnade fiel.
liel mit ihm auch das eigenartige Projekt, zu dessen Her-
stellung er so dringlich geraten hatte. Toten wart trug dazu
selbst ein Wesentliches bei. Er vernichtete im Zorn über
seine Entlassung seine ganze Materialsammlung ^ und machte
es dadurch unmöglich, daß man bei der Absicht beharren
konnte, möglichst bald eine die gesamte hessische Ge-
schichte umfassende Chronika zu schaffen. Wollte man möjr-
lichst bald ein Opus historicum hassiacum haben, so mußte
man nunmehr sich dazu bequemen, nur diejenige Zeit zu
behandeln, für die das von Totenwart gesammelte und dann
vernichtete Material am ehesten wieder herbeigeschafft
werden konnte : also die Zeit der letzten Jahrzehnte. Man tat
dies auch. In den Berichten, die von der Weiterführang des
Totenwartschon Projekts liandeln, ist stets nur die Rede von
einer Geschichte der letzten zehn Jahre des 1626 verstorbenen
Landgrafen Ludwig V. sowie der Regierung des derzeitigen
Landgrafen Georg IL Aus dem Opus Raritatum Hassiaca-
runi, das alle Perioden der hessischen Vorzeit durch Dar-
bietung bedeutsamer Aktenstücke behandeln sollte, ward ein
mehr darstellendes Werk über die 24 letzten Jahre hessischer
Geschichte. Wie ein unseren Akten beiliegendes Blatt aus
dem Jahre 1640 beweist, sollte dies neue Opus historicum den
Titel tragen : „Vitae Ludovici lidelis et Georgii Pacifici Hassia»*
Landgraviorum, tibi quasi in Theatro, figuris aeneis ingenio-
sissima manu Matth. Meriani sculptis, ob oculum ponuntiir.
et simul per digressionem repraesentantur, et fide historica
recensentur Res, in S. R. Imperio publice gestae, ab Anno
CD IOC XVll. usque ad annum MDCXL." Was in dieses Buch
alles Aufnahme finden sollte, wird uns annähernd klar, wenn
wir das Aktenstück l)etrachten, das wir unter No. III zum Ab-
1 Auf den Bericlit Totenwarts vom 19. März 1639 hat eine Hand »W
Gcorjjs IL Zeit geschrieben: „Diese herrliche Collectanea hat der hoch-
qualificirte Herr Stathalter Wolf von Todenwart bey seiner Widrigkeit BW
Verfolgung verbrennet und gesagt : Es were das Hauss Hessen der gleicbfp
hochschätzbaren Schatzes nicht würdig, uti audivi ex ore Dn. filü Coosi-
liarii Aulici Caesarei".
Keue Beiträge zur Gesciiichte Scbuppa. !£äV'
druck bringen. Es ist ein Entwurf zu dem von Georg II.
handelnden zweiten Hauptteil des geplanten Weites, her-
gestellt von einem Mitglied des Geheimen Rates.
Wie man hinsichtlich des Inhaltes des zu schaffenden
Geschichtsweites eine Änderung eintreten ließ, machte man
w auch mit der Person des llisarliiiittTs. Der von Totenwart
^Redaktor vorgeschlagene Professor Bachmann wurde bei-
*ite geschoben und für ihn der damalige Professor der Elo-
luenz und Historie Joliann Ltallhasar Schuppius mit der
Ausarbeitung des Opus historicuin betraut. Es lag dies
^rigens auch viel näher, Schupii war zur Zeit der einzige
Vertreter des Faches der tii'schichte an der Universität,
S60 Wilhelm Diehl.
während Bachmaiin zwar vor einer Reihe von Jahren auch
einmal Professor der Historie gewesen war, 1618 sogar eine
Übersetzung von Christoph Helwigs „Chronologia univer-
salis" hatte erscheinen lassen, aber seit Jahren sich aller
Publikationen aus dem Gebiet der Geschichte enthalten hatte.
Dazu kommt, daß Schuppius in den letzten Jahren deutlich
gezeigt hatte, daß er der Pflege der Historie im Sinne seines
verstorbenen Schwiegervaters Christoph Helwig sein ganzes
wissenschaftliches Können zu widmen bereit war. Nachdem
er 1635 seine Lehrtätigkeit mit einer — nach unseren Be-
griffen allerdings eines Geschichtsprofeasors wenig würdigea
— dem Kanzler Totenwart gewidmeten Oratio solemnis, be-
titelt: „Series chronologica imperatorum in Monar-
chia Romana** (einer Zeittafel von Julius Cäsar bis Kaiser
Ferdinand IL) eröffnet hatte, hatte er Christoph Helwigs
„Theatrum historicum et chronologicum/* sowie
dessen „Chronologia universalis," ersteres mit reichen
Zusätzen, neu herausgegeben und außerdem zwei weitere
historische Arbeiten, seinen „Deucalion cristianus seu
de vero natali Jesu Christi controversia theologica'*
und seinen „Hercules togatus seu de illustrissimo
Georgio IL Cattorum Landgravio** geschrieben. Welche
Mühe er sich gab, auch die Studentenschaft für das Ge-
Schichtsstudium zu interessieren, beweist ein unter No. II ab
gedruckter Anschlag am schwarzen Brett, mit dem er zu
einer Oration eines seiner Schüler einlud. Er redet darin von
der Wichtigkeit der Geschichtsforschung in hohen Tönen.
Jedenfalls war Schupp als Historiker dem alten Bachmann
überlegen. Der Landgraf trug ihm aus diesem Grund auch
gleichzeitig die Ausarbeitung des Panegyrikus auf den ver-
storbenen Landgrafen Friedrich, dessen Herausgabe Toten-
wart ebenfalls als notwendig bezeichnet hatte, auf. Schupp
ließ ihn 1642 unter dem Titel „Oratio de familia, vitaet
obitn Friederici Hassiae Landgravii" erscheinen.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, was man von den
über Bachmaruis Stellung in der Reihe der offiziellen
hessischen Chn)nikenschreiber verbreiteten Ansichten z»
halten hat. Bachmann wurde weder vor noch mit Schupp
zur Ausarbeitung einer hessischen Chronica herangezogen.
Auch wissen die Akten nichts davon, daß er in Ungnade fiel-
Endlich ist es falsch, wenn man mit Bischoff behauptet,
Schupp sei in die Arbeit nach Bachmanns Tod eingetreten.
Baclunann, der nie den Auftrag zur Ausarbeitung des Opus
historicum erhalten hatte, freute sich noch sechs Jahre nach
der Übertragung der Chronikbearbeitung auf seinen Schüler
und Kollegen Schupp des Lebens.
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. S61
Unter welchem Datum Schuppius mit der Ausarbei-
tung dieses Werkes beauftragt wurde, ist zur Zeit aus
den vorliegenden Akten nicht zu ersehen. Doch scheint
es sicher, daß er noch in der zweiten Hälfte des Jahres
1639 angewiesen wurde, sich an die Bearbeitung eines
Planes für die „Vitae Ludovici fidelis et Georgii paci-
fici" zu machen, und daß man ihm schon damals „zu
dissem Behuff Herrn Goldasti arbeit communicirte." Be-
reits am 4. März 1640 erging eine Verfügung von Seiten der
hessischen Räte Dieterich Barthold von Pleß und Philipp
Ludwig Fabricius an Schuppius, die im Hinblick darauf, daß
der Landgraf „gern den anfang solches Wercks hal)en
möchte**, den Wunsch aussprach, Schupp möge doch „soviel
nach ietziger betrüblicher Bewandtnus der LeufEte geschehen
löag, nochmahls seine Gedancken auf das Werck schlagen;
er habe sich gewiß zu versichern, da Er in solcher ihme auf-
getragenen arbeit dcme von Ihrer F. Gn. auf ihne gestellten
guthen Vertrawen nach fleißig fortsetzen würd, daß Seine
F. Gn. solches mit würcklichem gnedigen Daiick gegen ihn
zu erkennen ohnvergessen bleiben werden**. Zugleich
wurden Schupp zwei kleinere neue Aufträge gegeben. Er
sollte „den ihm übersandten, zwischen den beeden fürstlichen
Linien Cassel und Darmstatt aufgerichteten Haubtaccord, wie
auch die darüber vorhandene Kayserliche Confirmation in
einem feinen zirlichen Stylo lateinisch, je eher, je besser
vertiren**. Ferner wurde er damit betraut, eine Apologie,
die Landgraf Georg auf ein „an eine vornehme bekandte
Person abgelassenes Schreiben des Schwedischen Hofcantz-
< lars und Legatus in Teutschland Herrn Salvius** durch
I Professor Schütz hatte abfassen lassen, „in höchster ge-
haime** und „sobald immer müglich, etwas kürtzer und klärer
zu stylisiren**, damit sie in einer etwas „weniger weitlauff-
tigen** Form an ihre Adresse befördert werden könne.
Wenn die Geheimen Räte gehofft hatten, daß Schuppius
'^^reits mitten in der Arbeit für die „Vitae*' wäre, so hatten
sie sich getäuscht. Schuppius berichtete am 7. März 1640
'n einem Schreiben, das wir unten (Beilage IV) mitteilen,
daß er vor Berufsgeschäften und anderen wissenschaftlichen
Aufträgen noch nicht recht an das neue Werk gekommen
sei; er bat zugleich um Fintschuld igung wegen dieser Pro-
fr^tination.
Trotzdem Schuppius in dem ebenerwähnten Schreiben
Versprach, „daß ihm das bevvuste Historische Werck wohl
^'econmiendiert bleibe**, kam er vor anderen Geschäften
5uch im Verlauf des nächsten Jahres nicht dazu, dem Pro-
962 Wilhelm Diehl.
jekte ernstlich näher zu treten. Das erste Schreiben, das
wir über die Abfassung des Opus historicum aus der nächst-
folgenden Zeit besitzen, ist ein vom 17. Juni 1641 datierter
Brief Schupps (Beilage V). Er zeigt, daß Schuppius es
bisher nur zu dem Entwurf „einer disposition** gebracht
hat, daß er aber von der Absicht erfüllt ist^ nunmehr das
Werk ernstlich in Angriff zu nehmen. Ehe dies allerdings
geschah, hielt er es für nötig, daß allerlei Vorfragen ihrer
Lösung entgegen geführt würden. Vor allem wünschte Schup-
pius, daß man ihm einen Amanuensis, einen Gehülfen seiner
Arbeit, beigebe, der „unice von ihm dependire**, über den
er Tag und Nacht verfügen und den er im Notfall auch ent-
lassen könne, femer, daß man dem Amanuensis und ihm
selber, die durch ein besonderes Jurament auf die neue
Arbeil zu verpflichten wären, nicht bloß für die Zeit während
der Bearbeitung ein „Recompens** verspreche, sondern für
sie auch eine spätere besondere Belohnung in Aussicht
nehme. Für den Amanuensis erbat er „einen schriftlichen
Promiß zukünftiger Beförderung auf einen guten ahnnehm-
liehen Pfarrdinst**, für sich aber richtige Auszahlung seiner
bisherigen Professorenbesoldung (hinsichtlich deren er seit
Jahren Grund zu ernsten Klagen hatte), außerdem Liefenmg
von 12 Klaftern Holz und ein par Stück Wild jährlich
und ebenfalls eine schriftliche Versicherung des Landgrafen,
daß er und seine Nachfolger Schupp und seine Familie
das, was sein Schwiegervater Helvicus und was Schupp
selber zum Besten des historischen und oratorischen Stu-
diums bisher getan hätten, und was Schupp mit seiner Aus-
arbeitung des Opus historicum noch tun werde, gnädig
später wolle genießen lassen.
Auf die soeben mitgeteilten Wünsche Schupps ging der
Landgraf ohne weiteres ein. Am 6. Juli 1641 ließ er ihm
durch ein Schreiben von Philipp Ludwig Fabricius kund
tun, daß man dem Amanuensis „52 Reichsthaler und etwa
noch eine Uiscretion, jede Woch nemlich 1 Reichsthaler'*
geben und die Versicherung tun werde, daß man ihn, „waa
das Werck fertig, zu einem guten annehmlichen Pfarrdinst
befördern wolle, seinen Qualitäten nach**. Ferner erfuhr
Schupp aus dem Schreiben, daß ihm die 12 Klafter Holz,
sowie zwei Stück Wild und eine W^ildsau bewilligt seien,
daß man für richtige Bezahlung seiner Besoldung sorgen
und ihm unter Hand und Siegel des Landgrafen die f'
wünschte schriftliche Versicherung geben wolle. Zuglei<*
wurde von Schupp Bericht erfordert, „ob der Amanuensis
ein Landkind und woher er sey**, ob die Geldbesoldung ßr
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 263
jn Amanuensis genüge, und wie er etwa denke, daß die
nie Geldquelle für seine (Schupps) Besoldung erschlossen
erden könnte, auf die er in seinem Berichte vom 17. Juni
n gewiesen hatte.
Ehe diese Verfügung, die vom 2. Juli datiert war, in
rhupps Hände kam, hatte er bereits einen neuen Bericht,
u Memorial, eingereicht (Beilage VI), in dem er nochmals
if die Bedingungen, unter denen das Werk begonnen werden
mne, einging. An wen dieses Memorial, das wir unten
im Abdruck bringen, gerichtet ist, und unter welchem Datum
j abgesandt wurde, wissen wir nicht; doch ist sicher,
aß es in die Zeit nach dem 17. Juni und vor Einlieferung
er Verfügung vom 2. Juli fallen muß. Schupp wiederholte
ier seine Wünsche und erweiterte sie zugleich. Er bat
ür den Amanuensis um eine Discretion pro labore, sowie
rier Klafter Holz zur Erwärmung des Losaments. Für sich
iber bat er die Gnade aus, daß man ihm nicht nur sofort
einen Abschlag seiner rückständigen Besoldung aus den
Geldern des geistlichen Landkastens gebe, sondern der Uni-
versität reskriptlich mitteile, „daß Schupp lesen möge, wann
er kann**, daß er also von seiner Vorlesungspflicht teilweise
entbunden werde. Letztere Notiz ist besonders beachtens-
wert, weil Schupp hier diesen Wunsch, der später erfüllt
wurde, zum erstenmal aussprach. Das Memorial ist übrigens
noch in anderen Beziehungen beachtenswert. Schupp läßt
in ihm durchblicken, daß er bereits an fler Arbeit ist: in
Punkt 1 bittet er um Akten über die Erziehung, Reisen und
Hochzeit des Landgrafen Georg H. und in Punkt 3 drängt
er auf Verpflichtung des Amanuensis, damit „er ihm sicher-
lich eins undt anders abzuschreiben undt zu excerpiren
ahnvertrawen dörffe**. Ferner gibt er uns in Punkt 5 und
der Beilage zu diesem Memorial einen interessanten Beitrag
2ur Gießener Stadtgeschichte.
Die Antwort, die Schupp auf die Verfügung vom
-• Juli gab, kennen wir nicht. Vielleicht hat er sie
<lem Vizekanzler, mit dem er in der vorliegenden Sache
|nehrfach persönlich konferierte, mündlich gegeben. Es
ist dies um so bedauerlicher, als wir dadurch die Mög-
jichkeit verloren haben, den Namen des Amanuensis, des
in Aussicht genommenen zukünftigen Verfassers einer „deut-
^hen Hessischen Chronic", zu erfahren. Wir müssen uns
<iamit begnügen, festgestellt zu hal)en, daß es ein Student
^ar; die Annahme, Bachmann (damals ein Mann von
"9 Jahren!) habe Schupp (seinem Schüler) als Amanuensis
ß^dient, ist damit endgültig als irrig erwiesen.
264 Wilhelm Diehl.
Trotzdem nach der Verfügung vom 2. Juli nur nocl
nebensächliche Punkte zu regehi waren, kamen in dei
nächsten Monaten die Verhandlungen wegen des Opu
historicum ins Stocken. Schuppius, der um des übei
nommenen Werkes willen seinem Freunde Merian die vei
sprochene Neuausgabe der historischen Chronik aufgc
kündigt, den Amanuensis zum Zweck besserer Bewahmn;
des officii tacitumitatis in sein Haus und an seinen Tiscl
genommen und sich mit ihm bereits mit Eifer an die Arbei
gemacht hatte, glaubte bereits, dem Landgrafen sei die Sach(
wieder leid geworden, er „habe etwan seine Resolutioi
geendert". Um nicht zwecklos arbeiten zu müssen, sandt4
er gegen Ende September 1641 zwei Schreiben wegen def
Opus historicum ab; eines, „Memorial** betitelt, an ein«
uns unbekannte Adresse, das andere datiert vom 27. Sep
tember an den Vizekanzler Fabricius (vergl. unten No. VI
und VIII). In dem Memorial bat er, daß doch endlich di
Anweisung für die 12 Klafter Holz, die Formula juraraent:
der wegen Schupps Vorlesungstätigkeit an die Akademi
zu erlassende Befehl und die „Versicherungen** für ihn un»
den Amanuensis ausgestellt und übersandt werden möchter
Zugleich erneuerte er die Bitte um Bewilligung von vie
Klaftern Holz für den Amanuensis, bat um Auskunft übe
die Art der „Edition des Buchs**, gab Nachricht, in welche
Weise er für einen rechten Fortgang des Werkes und sein
Stellvertretung in seiner Professorentätigkeit gesorgt hab(
oder noch zu sorgen denke, und fügte zum Schlüsse eiaig<
Fragen an (über die Instrumente Philipps von Butzbach un(
die gesetzwidrige Arretierung eines Studenten durch eifi
kaiserliches Kommando), die mit unserer Angelegenheil
nichts zu tun haben. Schuppius läßt in diesem Memorial
deutlich erkennen, daß er eine bestimmte Entscheidun?
darüber wünscht, ob das W^erk fortgeführt werden oder
liegen bleiben solle.
Ausführlicher und darum wertvoller wie dies Memorial
ist der Bericht, Uen Schuppius am 27. September au den
V^izekanzler abgehen ließ (Beilage VIII). In ihm kommen
alle Klagen und Bitten, die Schuppius im Memorial aus-
spricht, wieder vor. Daneben aber enthält der Bericht einig?
Stücke, die über das Memorial hinausgehen. Schuppius
gibt uns davon Kenntnis, daß auf seine Veranlassung eil
„ehrlicher Mann** bereit sei, ein Stipendium für das Studiun
der Elocjuenz zu stiften, das an zukünftige Theologen ve
geben werd(*n solle, und macht Vorschläge, wie man m
Hülfe des zu diesem Stipendium gewidmeten Grundkapita
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 36^
n und vielleicht noch einen zweiten Professor in dieser Not-
nt eine Zeitlang kontentieren könne, bis die Verhältnisse
ieder besser würden. Femer gibt er am Schlüsse seines
riefes an, wie er die Arbeit jeder Woche einzuteilen gedenke,
r will drei Tage in jeder Woche unice der Theologie widmen
nd den Rest der Woche ganz auf das Opus historicum
»^enden. Endlich teilt er uns mit, in welcher Weise er
är die Vertretung seiner ordentlichen Professur gesorgt
labe. Er hat zwei alte Studiosen dafür gewonnen, daß sie mit
iülfe der ihnen von Schupp übermittelten „arcana" seine
CoUegia oratoria und historica übernehmen wollen. Er
aennt auch ihre Namen: es handelt sich um Daniel
Richter, einen Schlesier, und Heinrich Delius, einen
Westfalen. Ersterer ist derselbe Gelehrte, der sich später
als Lehrer an der fürstlichen Schule zu Gotha, und zwar
besonders durch eine von Schuppius entlehnte Lehrart ein^^n
Namen machte. Schuppius j^edenkt seiner in seiner Schrift
yjkt teutsche Lehrmeister" (II, S. 71) mit folgenden beach-
tenswerten Worten : „Ich habe hiebevor, vermittels eines
sonderlichen methodi, als ich noch Professor Eloquentiae
^ar, meine Auditores zur Wolredenheit in der Lateinischen
Sprache angeführt, und ihnen gezeiget, wie sie copiam ver-
borum et rerum sich leichtlich sammlen, und eine Rede
Dait zierlichen Worten, fast auff unzehliche Arten verändern
können. Ich weiß, daß alle die, so meiner information sich
hierinn bedienet, wohl dabey gefahren sind. Es ist, wie
ich berichtet werde, dieses compendium nunmehr in der
herühmten Fürstlichen Schul zu Gotha durch Herrn Daniel
Richtern, Fürstlichen Gothischen Rath und Amptsverwesern,
dem ich diese und noch andere Handgriffe gezeiget, einge-
führet worden.**
Die beiden eben erwähnten Briefe Schupps bewirkten
^»daß die Vorverhandlungen, die wecken des Opus historicum
flötig geworden waren, rasch zum Abschluß kamen.
Am 29. September 1641 erging an die Universität eine
l^ndgräfliche Verfügung, in der in Anbetracht der Tatsache,
laß Schuppius „bey fleißiger und schleuniger Fortsetzung
ler ihm auferlegten sonderbahren Arbeit nicht wohl jeder-
zeit und zu gewöhnlichen Stunden die ordentliche Lectiones
ferde halten können", bestimmt war: „daß er Schuppius
war noch jeweils publicas lectiones halten und einen wie
en andern Weg dahin sehen solle, wie der studirenden
igend in studio Eloquentiae et Historiarum und also soviel
•ine Profession anlangt, durch sonst ojute anderwertliche
nstalten noch wohl vorgestanden werde, jedoch aber solte
2€6 Wilhelm Dlehl.
er umb ietzangeregter Ursachen willen die Verwilligung und
Erlaubnus haben, daß er innerhalb zweyer Jahren nicht
eben die ordentliche lectiones praecise zu halten verbunden
sein solle**.
Vier Wochen später lief in Marburg das Formular für
die Eidschwüre ein, auf die Schuppius und sein Amanuensis
angenommen werden sollten. Der Inhalt des Eidschwurs, für
den bei Schuppius „Handtastung an leiblich geschworenen
Ayds statt** eintreten sollte, ging dahin, „daß beide ver-
sprechen und zusagen mußten, daß sie alles dasjenige, was
durch Sr. F. Gn. hirzu verordnete Rhäte und Diener oder
sonst zu Behuf des bewusten Operis Historici von allerhand
üriginalien und andern Schrifften, die in einem un3 andern
Gehaimbhaltung erforderten, ihnen zu "banden oder sonsten
in Erfahrung kommen würde, bey sich in geheim behalten
und davon keinem Menschen, wer der auch seye, Offen-
bahrung weder schrifftlich noch mündlich nicht thun, noch
durch andere in einige Weiß oder Wege thim oder propa-
liren wollen, so wahr ihnen Gott helffe durch seinen Sohn
Jesum Christum*'.
An demselben 29. Oktober, an dem die beiden Eides-
formulare expediert wurden, ging an Schupp eine Verfügung
mit zwei Beilagen a'b. In der Verfügung wurde Schupp g^
stattet, sich einen Amanuensis zu halten, für den „ein ge-
wisses Salarium, nemlich jährlich 52 Reichsthaler und
4 Claffter Holtz" ausgeworfen wurde, und ihm Mitteilung
davon gemacht, daß „er von Haltung der Lectionum ordi-
nariarum innerhalb etlicTier Zeit, wan er in solcher Arbeit
begriffen sein werde, befreyet sein solle, daß man sich aber
dessen in Gnaden zu ihm versehe, er werde gleichwohl der
studirendcn Jugend dameben also wahrzunehmen wissen,
daß sonderlich die Exercitia oratoria nicht gar zurückblieben."
Gleichzeitig wurde ihm angefügt, daß — wie die beiden Bei-
lagen auswiesen — „ihm vom ersten anfang seiner Arbeit an
zu rechnen, jährlich zwölf Claffter Holtz und dan 2 Stück Wild
sambt einer Sawen in sein Wohnhauß und Küche geliefert
werden sollten; die Lieferung des Wildprets sollte durch den
Oberforst- und Landjägermeister Caspar Moritz von Waich*
mar, die des Holtzes von dem Oberforstmeister von Marbur?
Jost Burckhard Rau von Holzhausen erfolgen."
Mitte November wurde Schuppius und seinem Amanu-
ensis das juramentum taciturnitatis abgenonrmien. Gegen
Ende November wurden ihm drei Tomi Akten von Gießen aus
zugeschickt. Am 4. Dezember bedankte er sich in einem
unten abg(»druckten Briefe (Beilage IX) für die Gnadener-
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 267
ise, die der Landgraf ihm „zu dem vorhabenden großen
jrk" hatte zu teil werden lassen, worauf dieser wieder am
Dezember in einem herzlichen Schreiben Schuppius er-
hnte, auch weiterhin seinen Fleiß dem Werk zu widmen.
Mit dem Schreiben des Landgrafen vom 10. Dezember
H brechen unsere Akten ab. Es ist dies auch begreiflich,
luppius hatte die Vorverhandlungen zu Ende geführt. Es
n nun darauf an, den Auftrag in ruhiger Arbeit durchzu-
iren. Berichte an die Behörden waren nur nötig, wenn es
I, neue Akten zu erhalten, die in dem Opus historicum ver-
)eitet werden sollten. Wenn Schupps Berichte mit dem
ttuar 1643 trotzdem wieder einsetzen, so kommt dies daher,
ß Verhältnisse ganz besonderer Art eingetreten waren, die
n Fortgang des Werkes wesentlich hemmten. Wir gehen
f sie im nächsten Abschnitt ein.
II. Das erste Hemmnis bei der Ausarbeitung des Opus
historicum: Schupps Prorektorat im Jahr 1643.
Unter den Tatsachen, die der Ausarbeitung des Opus
storicum besonders hemmend im Wege standen, steht oben
t die Arbeit, die Schupp mit der Führung des Prorektorates
i Jahre 1643 hatte. Da über diesen Punkt noch recht große
iklarheit herrscht, ist es unsere Aufgabe, hierauf etwas aus-
hrlicher einzugehen. W^ir sind dazu imstande, da von uns
e Akten über Schupps Prorektorat im Ministerium des
nern in Darmstadt aufgefunden worden sind.
In seiner „Ersten und Eylfertigen Antwort auff M. Bern-
id Schmids Discurs de reputatione academica** schreibt
huppius (I, S. 776): „Ich bin 10 Jahr ein Professor auff
ler vornehmen Teutscheii Universität gewesen, habe die
mehmste officia academica als Rectorat und Decanat ver-
ütet, und der Bengel, der noch in die Schule gegangen, und
i Ruthen gestrichen worden ist, als ich in einem vor-
hmen Ehren-Stande gesessen habe, gehet mit mir um, als
ich mit ihm Brüderschafft gesoffen oder mit ihm die
hweine gehütet hätte!** Auf Gnuid dieser Stelle behauptet
il (S. 12), daß Schuppius das höchste Ehrenamt der üni-
rsität, das Rektorat „wenigst(Mis Ein Mal bekleidet habe.*'
ist unsere Aufgabe, zu untersuchen, ob und wann dies der
II war.
Vor allem möchten wir hiorb(»i feststellen, daß Schuppius
seiner Professorenlaufbahn nur höchstens einmal Rektor
resen sein kann und zwar entweder im Jahre 1639 oder
Jahre 1643. Die philosophische Fakultät stellte während
268 Wilhelm Diehl
der ganzen Zeit der Professorentätigkeit von Schuppius, wie
das ganz in der Ordnung war, nur dreimal den Rektor, 1636,
1639 und 1643; von diesen drei Jahren muß aber 1636 für
Schuppius ausgeschaltet werden, da er erst vor kurzem Pro-
fessor geworden war, und das Herkommen die Wahl eines
„neuen" Professors zum Rektor ausschloß. Ebenso ist sicher,
daß Schuppius entweder nur im Jahre 1639 oder nur im
Jahre 1643 das Rektorat verwaltet haben kann, da nach altem
Herkommen jedesmal, wenn das Rektorat wieder an dieselbe
Fakultät kam — also in der Regel alle vier Jahre — ein
anderes Mitglied als vorher für diese Ehrenstelle gewählt
wurde; besonders in der philosophischen Fakultät, die viele
Mitglieder zählte, war es einfach unmöglich, daß jemand in
zehn Jahren zweimal Rektor werden konnte.
Sehen wir uns die im Ministerium des Innern in Dann-
stadt aufbewahrten Akten über die Rektorwahlen an, so tinden
wir, daß 1639 ein anderer Professor der Philosophie das Rek-
torat führte, und daß 1643 Schuppius an der Reihe war, Rek-
tor zu werden. Es ist auch sicher, daß die Kollegen 1643 ge-
willt waren, ihn zu wählen, und daß es unter den Studenten
viele gab, die ihm von Herzen diese Ehre gönnten, wähnend
andere wiederum es bedauerten, daß Schuppius unter der Last
der Rektoratsgeschäfte ihnen nicht mehr das in wissenschaft-
licher Beziehung weiterhin sein könne, was er ihnen bisher
gewesen war. Alle diese Stimmungen kommen schön in
dem ersten Teil eines deutschen Gedichts zum Ausdruck, das
am 4. Januar 1643, zu einer Zeit, wo der neue Rektor noch
nicht gewählt war, der Student Christoph Hoffmann seinem
verehrten Lehrer in einem mit lateinischer Vorrede und
Schlußwort versehenen Schreiben zugehen ließ. Er läßt in
ihm Aglaia, Thalia und Euphrosyne auftreten und zuerst ihre
(Jedanken über die bevorstehende Rektorwahl vorbringen.
Aglaia gibt der Stimmung Ausdruck, daß von dem bisherigen
Rektor, dein Mediziner Horst das Szepter an Schuppius weiter-
gegeben werden müsse ; Thalia und Euphrosyne finden dies
bedenklich : dem Mann der Wissenschaft ist Ruhe nötig,
darum soll man ihn mit der Last des Rektorates nicht be-
laden. Der erste Teil des Gedichtes, der diese Stimmungen
zeichnen will, lautet :
,, Aglaia.
Höret waß neues, Ihr Schwesteren, höret!
Höret, und machet es männiglich kund!
Welcher unlängsten mit Feder und Mund
Musen und (Jratien wieder verehret
Voriges Leben und ewige Zier,
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 269
Unser Herr Schuppiuß, hat itzt erlanget,
Daß Er zu Marpurg, als Rektor, herpranget,
Daß Ihm Glück wünschet ein jeder alhier.
Thalia.
Ist oder wird es in Warheit geschehen,
Daß von Herr Horsten Ihm Scepter und Macht
Heute wird ordentlich werden gebracht,
Müssen wir traurig, wie vormals, hergehen:
Phöbuß erblasset mit großem Wehmuth;
Pallaß sich hermet; und alle Göttinnen
Müssen nur Klage-Gethöne beginnen,
Weil man an unserem Lieben so thut.
Euphrosyne.
Thut nicht so übel an unserem Lieben!
Warumb sol sein getrew-eyfrigfer Fleiß,
Welchem auch Leyden gab Beyfal und Preiß,
Sich wie auch andre nicht herlich außüben?
(iläubet mir sicher: Ich sage Euch zu:
Weißheit und Künste verdunkelt erliegen,
Unser Ruhm bleibet auch gäntzlich verschwiegen.
Wo man Herr Schuppen nicht gönnet die Ruh.**
Euphrosyne behielt recht. Schuppius wurde das Rekto-
nicht übertragen. Es wurde in der Sitzung, von der
Gedicht redet, beschlossen, was vorher schon einmal
Aussicht genommen worden war, dem 13jährigen Erb-
zen, „Herr Landgraf Ludwigen, uf den Fall Ihr Fürst-
; Gnaden anhero zukommen sich gnedig beliben ließe, die
tra Academica unterthenigst zu offcriren.** Hiergegen
3 sich zwar eine starke Opposition. Der Präsident des Ge-
len Rates glaubte, „von der Annahme dieser Offerte** ent-
eden abraten zu sollen, „in Ansehung (wie es in einem
cht vom 13. Januar 1643 heißt) der darzu erforderter
bey diser Zeit schwer fallender Spesen, welche man
Anstellung eines ans«henlichen Convivii Ehrenhalber
i anwenden müssen, und dan auch, daß die jungen
tzen ein Zeithero in ihren studiis und exercitiis nicht
ig versäimibt und man wohl Ursach hatt, mehr auf
•ig Widereinbringung desselben zu gedenken, alß fernere
mimpirung vorgehen zu lassen, wozu noch weiter kombt,
ob man zwar in Ermanglung fürstl. Gutschpferde etwa
renpferde nehmen könte, er doch ohngern darzu rahten
te, das in Ermangelung der Gutscher man die libe junge
tzen durch Bawernknechte den bößen Weg über den
solte hinüber gen Marpurg führen lassen und könte
270 . Wilhelm DiehL
Über diß alles die Electio ja wohl und gar leichtlich biß
ins künfftig Jahr verschoben werden.** Aber der Einwand
des Präsidenten half nichts. Der Vizekanzler und der Land-
graf waren dafür, daß des Landgrafen ältester Sohn, Land-
graf Ludwig (der spätere Ludwig VI.), die Rektorwürde an-
nahm. Am 28. Januar siedelte Landgraf Ludwig mit seinem
Hofmeister v. Oynhausen nach Marburg über und am 29.
trat er in feierlichem Akte das Rektorat an und „erwiese
nicht allein bey dero im auditorio publico gehalttenen Ser-
mon, besondern auch die ganze wehrende solennität über
solche hochfürstl. qualiteten, daß sowohl die gesampte Herrn
Professores alß studiosi sich warhafftig darüber verwundert,
. . . verschidene ehrliche Leuth vor Freuden drüber ge-
weinet, die Studiosi auch insgesampt sich verobligirt, bey
ihrem Magnificentissimo auf alle Begebenheiten Gut und
Blut aufzusetzen.**
Auch im Jahr 1643 war Schuppius nicht Rektor. Trotz-
dem wäre es verfehlt, wenn man in der NichtÜbertragung
des Rektorats auf Schuppius eine Zurücksetzung des Mannes
sehen wollte. Daß eine solche nicht beabsichtigt war, er-
sehen wir schon daraus, daß er durch Dekret vom 18. Januar
zum Prorektor ernannt und dadurch mit sämtlichen Rekt*>
ratsgeschäften, die der Rektor Magnificentissimus nicht ver-
sehen konnte und sollte, beladen wurde. Wir können sogar
noch weiter gehen: die Übertragung des Rektoratsauf
Landgraf Ludwig geschah hauptsächlich gerade auf
Schupps Veranlassung. Neben dem bisherigen Rektor,
Schupps Schwager Professor Johann Daniel Horst, kommt
in den Akten über diese Rektorwahl immer nur ein Mann
als das eigentlich treibende Element vor: Schuppius. Ganz
besonders deutlich trat dies zutage, als in der ersten Hälfte
des Januar es schien, als werde aus der Sache nichts werden.
Neben den Präsidenten, der entschieden gegen die Über-
nahme sich aussprach, traten damals nämlich natürlicie
Gewalten. Es trat eine furchtbare Kälte ein, außerdem war
die Lahn derart angeschwollen, daß man z. B. in Gießen,
wo „der Schießplatz mannshoch uberschwenmiet** war, den
Fluß nicht passieren konnte. In dieser Zeit gab sich
Schuppius die größte Mühe, dem entgegenzuwirken, daß man
die Übernahme des Rektorats auf das nächste Jahr, wie der
Präsident wünschte, verschob oder auch, wie es der Wunsch
Anderer war, eine „Creirung in absentia** eintreten lie8*
Er richtete mehrere Briefe an den Vizekanzler Fabricius,
von denen wir den letzten unten abdrucken (Beilage X), uod
brachte es durch unablässiges Bitten und Fordern, auch e)^^
- %
Neue Beiträge zur Greschichte Schupps. 271
gewisse Schärfe dahin, daß aus dem Projekt schließlich doch
etwas ward.
Aus dem allein auf uns gekommenen letzten Brief
Schupps an Fabricius ersehen wir übrigens auch, weshalb
sich Schupp so sehr dafür begeisterte, daß aus der Rek-
toratsübernahme durch den jungen Landgrafen etwas ward.
Schuppius, in dessen ganzer Auffassung des Studiums der
Eloquenz in dem letzten Jahr ein gewaltiger Umschwung
eingetreten war, ein Umschwung nämlich zugunsten der
bisher auch von ihm mißachteten deutschen Sprache, sehnte
sich danach, einmal bei einer wichtigen Gelegenheit von
t diesem Umschwung und den dadurch im einzelnen bedingten
? Fortschritten Zeugnis abzulegen. Er hatte nicht nur sich
^ selbst zu „großen Taten** gerüstet, sondern er hatte seit
T Wochen eine große Anzahl seiner Schüler dazu veranlaßt,
4 poetische und oratorische Arbeiten in deutscher Sprache
t zu verfassen, die bei Gelegenheit der Rektoratsübernahme
dem Landgrafen dargeboten werden sollten. Er wollte sich
:-| mit seinen jungen Leuten nicht umsonst bemüht haben;
- I er wollte auch nicht, daß ihm diese günstige Gelegenheit
zur Ostentatio ingenii entgehe.
Durch einen günstigen Umstand sind einige von diesen
dichterischen Erzeugnissen auf uns gekommen. Eines haben
wir oben zur Hälfte mitgeteilt. Sein zweiter Teil schildert
den Eindruck, den die Nachricht von der Bereitschaft des
Landgrafen zur Rektoratsübernahme gemacht hat, klagt
jl darüber, daß der Landgraf wegen der „zornigen Län" noch
\ in Gießen bleiben muß, und schließt mit einem Wunsch
für Schupps weitere wissenschaftliche Arbeit. Dieser zweite
Teil lautet:
Aglaia.
Bessere Zeitung, Ihr Schwesteren, kommet:
Darumb so lasset das Sorgen nur seyn.
Itzo schickt Darmstad den Printzen herein,
Welcher das Rectorat über sich nimmet.
Oeffnet dem Printzen von Hessen die Thorl
Danck-saget euerem Vater und Helden,
Daß Er Sein Marpurg noch lasset was gelten!
Schwebet in völliger Freuden und Florl
Thalia.
Stillet das Sausen und Brausen, Ihr Winde!
Lasset das Bellen und Schellen aiistohnl
Rase nicht also, du zornige Länl
Fließe doch! Fließe doch wieder gelinde!
272 Wilhelm Diehl.
Solche vor niemals gesehene Fluth,
Solches unsägliche Demmen und Schwemmen,
Sehet I wil unser Verlangen auffhemmen;
Machet unß einen recht-traurigen Muth.
Euphrosyne.
Gießen mag dieses Haupt haben indessen.
Bis sich der Himmel auffs neue beschmüekt,
Erden und Felder und Wälder anblickt.
Brauche der Zeiten; und mache, das Hessen,
Wie du, Geliebter, vor diesem gethan.
Möge dein Ehren-Lob weiter außbreiten!
Schreibe! Dein Nähme zu itzigen Zeiten
Klimmet schon biß an der Sternen Altan.
Drei weitere Dichtungen, eine „Entschuldigung der auf-
geschwellten Lahn**, einen Dialog, betitelt „Marpurger
Schäffer Wüntsche" und einen Hymnus auf Ludwig VI,
bringen wir in Beilage X (b — d).
Sehen wir aus den soeben dargebotenen Nachrichten,
daß schon die Vorbereitungen auf das Rektorat Ludwigs VI.
gerade Schuppius viel Mühe machten und sich als Hemmnis
seiner ruhigen Arbeit an dem Opus historicum erwiesen, so
war dies noch mehr der Fall, als ihm am 18. Januar unter
dem Titel des Prorektorats die ganze Fülle der Rektorats-
geschäfte aufgeladen wurde. Seine Arbeit mußte darunter
notwendig leiden. Es trat ein Stillstand in der Ausarbeitung
des Opus historicum ein, der bis Ende 1643 anhielt.
III. Weitere Hemmnisse bei Ausarbeitung des Opus hifttoricum
und das Ende der historischen Arbeiten Schupps.
Die Verwaltung des Prorektorates im Jahr 1643 warf
Schupp in seiner Arbeit am Opus historicum zurück. Immer-
hin hätte er in dem kommenden Jahr manches Versäumte
nachholen können, wenn sich nicht noch ein anderes viel
<i;efährlicheres Hemmnis eingestellt hätte: Schupps ver-
zweifelte finanzielle Lage. Es ist aus anderen Darstellungen
bekannt und auch leicht begreiflich, daß der im Jahr 1643
begonnene sogenannte „Hessenkrieg'* ganz besonders die
Universität Marburg, und zwar vor allem in finanzieller Be-
ziehung, schädigen mußte. Einer, der dabei am schwersten
l)etroffen wurde, war Schuppius. Schon 1641 hatte er über
mangelhafte Lieferung seiner Besoldung zu klagen. Er be-
mühte sich vergeblich, (ieldquellen ausfindig zu machea,
aus denen der Landgraf ihm das liefern könne, was ihm
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. S73
Hl Rechts wegen gebühre. Als dies nichts half, suchte er
i Jahr 1642 Geld zu leihen. Dies gelang ihm auch, aber
>ch nicht in dem Maße, daß er der Greldsorgen auf die
iuer ledig geworden wäre. Bereits im November 1643 be-
nd er sich, wie Beilage No. XI beweist, in solcher Lage,
iß er zu ganz absonderlichen Maßnahmen greifen mußte.
a Jahr 1644 erreichte das Elend des Mannes, der alles
idere, nur nicht ängstlich rechnen konnte, den Gipfelpunkt.
um Beweis sei auf den Brief hingewiesen, den wir unter
iO. XII mitteilen. Er redet eine deutliche Sprache 1 Schupp
alte bereits in der ersten Hälfte des Jahres 1644 die Über-
.eugung, daß er in seiner Marburger Professur nicht bleiben
:önne, wollte er nicht verhungern. Er erneuerte darum seine
)ereits vorher begegnenden ^ Versuche, in einen Dienst zu
kommen, der ihn besser ernährte. Es boten sich ihm auch
irerschiedene Gelegenheiten. Am 29. Juli 1644 schrieb der
bisherige Superintendent von Schmalkalden, Hieronymus
Prätorius, der einen Ruf nach Frankfurt an des verstorbenen
D. Tettelbachs Stelle erhalten hatte, daß er sich in seiner
Schmalkaldener Stelle, um die sich eifrig sein KoUega
M. Johannes Stephani bewerbe, keinen anderen Nachfolger
2ÜS Schuppius wünsche. Er pries ihm die Stelle als „conditio
?uieta, lauta et honorifica** an. Schupp hatte auch Aussicht,
iie Stelle zu erhalten. Statthalter Pleß, dem er sich wegen
Üeser Angelegenheit offenbarte, trat in einem noch erhal-
tenen Bericht vom 28. Oktober 1644 warm für Schupp
^in.» Aber Schupp zog nicht recht. Er hatte schwere Be-
ienken, an einen Ort zu gehen, von dem er vielleicht in
'inem halben Jahr wieder vertrieben werden konnte. In
Ueser Lage schrieb er an Maximilian zum Jungen den in-
^ressanten Brief, den wir unter No. XII abdrucken. Er
«ijt dem vertrauten Patron darin mit, wohin eigentlich seine
Vünsche zielen. Er möchte nach Frankfurt in den Pfarr-
Üenst kommen, wohin er schon 1G39 getrachtet hatte, und
labei im Nebenamt Rektor des Gymnasiums werden. Wenn
-r nur irgend Aussicht hat, will er sofort seine Professur
Juittieren, sich ganz dem Predigtdienst in Marburg widmen
^i „sich sonsten in der Theologia üben**.
Es ist ganz klar, daß die schweren Existenzkämpfe,
iie Schuppius in dieser Zeit durchmachen mußte, ihn zu
Rüdiger Arbeit nicht kommen lassen konnten. In dem so-
* Vgl. Bocker, a. a. 0. Außerdoni hatte er sich 1G42 Mühe gegeheii,
^öperintendent in Gießen zu werden.
• Vgl. Job. Just Winckelmanns „Einfältiges Bedenken", herausg.
QU Diehl, S. 1891
Bdtrttce s. Geicb. d. Universitäten Mains u. Gießen. 18
274 WUhelm Diehl.
eben erwähnten Brief vom 4. Dezember 1644 sagt er ja
ganz offen, daß er bereit sei, alle seine bisherigen Berufs-
geschäfte, also auch den Auftrag betreffend Ausarbeitung des
Opus historicum fallen zu lassen und sich lediglich den
Übungen zu widmen, die ihm den Weg in die Frankfurter
Pfarrei besser ebnen könnten. Tatsache ist femer, daß
Schuppius weder 1644 noch 1645 eine Arbeit im Druck er-
scheinen ließ, ganz im Unterschied von seinen Gepflogen-
heiten in den vorausgehenden und in späteren Jahren.
Schon aus den im Herbst 1644 geschriebenen Briefen
Schupps geht deutlich hervor, daß ihr Autor verbittert war.
War es in der hessen-darmstädtischen Kirche bisher auch
schon mehr als einmal vorgekommen, daß leistungsfähige
Theologen den Weg nicht machten, den sie hätten machen
müssen, so war doch unter diesen Leidenskollegen Schupps
keiner, der soviel gearbeitet und in einer Zeit, die so manchen
„promovierten Schwachkopf** aufwies, so wenig erreicht
hatte, wie er.
Die Folgezeit lieferte ihm neue Anstöße zu weiterer Ver-
bitterung. Er kam nicht nach Frankfurt und auch in Hessen
bot sich die Gelegenheit zur Promotion, die er suchte,
nirgends. Dafür brachten ihm die nächsten Monate eine
Disziplinaruntersuchung, die geeignet war, das gute
Urteil, das Landgraf Georg von Schupp hatte, wesentlich 2U
modifizieren und dadurch seine Aussicht auf die verdiente
Beförderung noch weiter hinauszurücken. Aus dem Be-
streben heraus, die Marburger Bevölkerung religiös zu
fördern, hatte Schupp, der seit Professor Steubers 1643 er-
folgtem Tod Prediger im Deutschen Haus in Marburg war,
eine Betstunde eingerichtet, die allsonntäglich um 1 Uhr in i
der Elisabethenkirche abgehalten werden und in „einer Unter-
richtung des Catechismi** gipfeln sollte. Dadurch hatte sich
aber eine „unerhörte Neuerung" eingestellt. Die Betstunde
wurde nicht hur von „dem Teutschhäusigen Gesinde und den
Armen im Hospital**, deren Parochus Ordinarius Schupp war,
sondern auch von vielen Marburger „Bürgern und Bürger-
innen zusambt ihren Kindern, Knechten und Gesind** be-
sucht, außerdem hatte Schupp für das Gebet eine Form ge-
wählt, die über alles Herkommen hinausging: es wurde iß -
ihm nicht nur für den Kaiser und die hessischen Fürsten,
sondern auch für den Teutschmeister und die Ordens-
personen gebetet 1 Vicestatthalter, Vicekanzler und Räte in
Marburg hielten Schupps Vorgehen für im höchsten Maß be-
denklich. Sie luden ihn deshalb auf den 4. Januar 1645 zu
einer Vernehmung vor die Kanzlei und berichteten darauf
Neue Beitrftge zur Geschichte Schupps. 275
den Landgrafen. Das Protokoll von Schupps Vernehmung
um der Antworten Schupps willen höchst beachtenswert,
r bringen es in Beilage XIII zum Abdruck. Ehe die
rburger Regierung mit der Abfassung ihrer Anklage-
irift gegen Schupp fertig war, in der auf Erteilung eines
iharpfen und ernstlichen Verweises** Antrag gestellt wurde,
il Schupp „in seinem aigensinnigen Kopf allerhand an-
gliche und verächtliche Wort in seiner Vernehmung ge-
Luchet**, trat ein neuer Fall ein, der Material für ein Vor-
len gegen Schupp lieferte. Als Schupp es nicht erreichen
mte, daß die Leichenpredigt für das in diesen Tagen ge-
rbene Kind seines Schwagers Horst, das in der Elisa-
iienkirche beigesetzt wurde, von dem deutschherrischen
irrer Happel in Seelheim gehalten werden durfte, ließ er
:ht den Marburger Archidiakonus Henckel die Beerdigung
rsehen, sondern hielt sie selbst und erwähnte „pro ex-
iio, wie es an dem were, daß er jetzunder billich bey den
eunden und in der Trauerreihe stehen solte, hette aber
jse Predigt übernehmen müssen, dan was er thäte (da
gleich zu der Ehr Gottes angesehen), were unrecht, und
)lte ihm alles sinistre interpretirt und nicht gut geheißen
3rden und möchte auch wohl darumb der unglückseligste
Bnsch sein;** außerdem schloß er „bey gethanem Gebett
e Teutsche Herrn wider Verbott und Herkommen expresse
it ein**. Auch über diesen Vorfall wurde von der Re-
ening in Marburg eingehend an den Hof berichtet.
Das Ergebnis der Disziplinaruntersuchung brachte für
chupp eine schwere Ahndung seiner Übertretungen. Am
L Januar 1645 wurde eine aus Gliedern der Regierung
ttd der Universität bestehende Kommission ernannt, „die
ch invorders mit allem nötigen Underricht vorher auß den
-tis und sonst gefast machen, furters ihn Schuppium vor
ch erfordern, demselben seinen Unfug und ungeziemende
ebahrung vorhalten, des Landgrafen darob geschöpfte
isplicentz neben einem starken Verweiß zu erkennen
oben und die befehlende Mainung dahin anzeigen solte,
aß er sich der angemasten Neuerung und seiner unge-
emenden Gebahrung künftig bey Vermeidung schwerer
Ddung gäntzlich und allerdings enthalten solle.*' Am 21.
ärz 1645 fand die Untersuchungssachc gegen Schupp ein
ade. Er mußte in allen Stücken nachgeben. Seine Bet-
imde und sein Gebet fielen; os wurde sogar ein Patent an-
schlagen, daß alle Bürger und selbst die Studenten von
n an nur in der Stadtkirche kommunizieren dürften. Nur
riel erreichte Schupp, daß es ihm gestattet wurde, „in
.1
1
276 Wilhelm Diehl.
das Hospital zu gehen und die armen, wan selbige gessen
haben, aus dem Catechismo zu examiniren.**
Durch die Disziplinaruntersuchung, deren Gang und
Ergebnis wir eben geschildert haben, wuchs Schupps Ver-
bitterung. Wir sehen das aus den Briefen dieser Zeit Noch
ehe das Urteil gefällt war, wandte er sich mit einem
Memorial (Beilage XIV) an den Landgrafen, in dem er „aus
hochdringender Noth und höchstbewegenden Uhrsachen"
dem Landesfürsten vorträgt, was sein Herz bewegt. Er
gibt darin eine Geschichte seines Marburger Martyriums»
legt dar, was er gearbeitet hat, und wie ihm die Arbeit ge-
lohnt worden ist, und bittet, ihm Gelegenheit zu geben, daß
er sich in der Untersuchungssache rechtfertigen und aus
seiner Not erlöst werden könne. Ähnliche Gedanken und
Stimmungen begegnen uns in einer Reihe weiterer Briefe,
die wir unter No. XV ff. zum Abdruck bringen.
Schupps Memorial konnte den Ausgang der Unter-
suchung wegen der Betstunde nicht modifizieren. Dafür
bot es aber die Veranlassung dazu, daß man am Hofe sich
wieder einmal an das Projekt der Ausarbeitung des
Opus historicum erinnerte und Maßnahmen ergriff, mn
es aufs ne::e zu fördern, und daß Schupp gezwungen
wurde, diesem Werk noch einmal vorübergehend seinen
ganzen Fleiß zu widmen. Am 9. Januar 1645 ließ der Land-
graf den Statthalter von Pleß auffordern, sich doch einmal
fj^enauer über den Stand der Schuppischen Arbeit, von
der man in Darmstadt so lang nichts gehört habe, zu
orientieren, „die Arbeit selbst sobald sich zeigen zu lassen"
und über das, „was dißfals verfertiget were, nachrichtlich
zu berichten." Selbstverständlich stellte sich dabei heraus,
(laß Schupps Arbeit noch lange nicht vollendet war. Schupp
erklärte dem mit den Erhebungen von Seiten des Statt-
halters betrauten Johannes Mylius: „Er hoffe, der Herr
Vicestatthalter werde sich g. erinnern, in was Troubles Er
(Mue jijeraume Zeit gelebt, welche Ihn oftmal so verwirret
in seinen Gedanken gemacht, dz er gar nicht eine solche
Arbeit zu verfertigen vermocht, massen er anitzo eben-
mäßig in solchen angustiis begrieffen, daß er seiner nicht
mächtig sey. Er trage deßwegen Bedencken eine halbaus-
gefertigte Arbeit censuriren zu lassen, thue aber unsern
gnedigen Fürsten und Herrn underthenig versichern, so
wahr er ein ehrlicher Mann sey, wolle er das Ihm aufge-
gebene Werck zu hoch besagter Ihre F. Gn. Contento aus-
fertigen. Er wolle gleichwohl auch dem Herrn Vicestatt*
halter morgen selbsten zusprechen und Ihm sein Anliegen
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 277
entdecken.** Was Schuppius dem Statthalter „entdeckt** hat,
(vissen wir nicht. Wir können es aber erraten. Er hat ihm
i^^ohl ein doppeltes entdeckt: erstens den Stand seines
Werkes und zweitens den Stand seiner Finanzen. Wir
folgern dies daraus, daß aus dieser Zeit drei nicht genauer
iatierte Briefe Schupps vorliegen, einer an den Statthalter
ron Pleß (Beilage XVI), einer an den Kanzler Fabricius
Beilage XVII), und endlich ein Memorial (Beilage XV), in
ienen diese beiden Themata im Mittelpunkt stehen. In
iem Brief an Pleß insbesondere übersendet Schuppius den
ersten Bogen seines Werkes und nimmt dessen unvollendete
stilistische Form gegen etwaige Einwendungen in Schutz.
Zugleich bittet er dringend um völlige Befreiung von seiner
E^ofessur und um Zahlung seiner Besoldung, da er sonst
genötigt sei, den Dienst zu quittieren. In dem Schreiben
an Fabricius, das von einem neuen gleichzeitig in Pflicht
zu nehmenden Schreiber des Schuppius tiberbracht wurde,
handelt Schuppius von denselben Dingen. Fabricius hat
bereits den ersten Bogen in Händen gehabt und an ihm
Kritik geübt, die sich besonders auf die von Schupp ' ge-
wählte Form des Dialogs mit Lucidor bezog. Schupp suchte
die Einwände des Kanzlers zu entkräften und ließ gleich-
zeitig durchblicken, daß es viel besser wäre, daß man ihm
zu seinem Geld helfe, als daß man an einem im ersten
Entwurf befindlichen Werk herummäkele. Die Klagen wegen
mangelnder Besoldung muß Schupp in der Folgezeit noch
mehrfach geäußert haben. Sie führten schließlich dazu, daß
der Landgraf ihm im Mai 1645 ein Präsent überreichen
ließ, für das Schupp in dem unter No. X\' 111 abgedruckten
Briefe sich bedankte. Dieser Brief beweist übrigens nocli
mehr als die beiden vorausgegangenen, daß Schuppius wieder
mitten in der Arbeit war. Hatte er in dem vorhergehenden
Brief an Fabricius in Aussicht gestellt, daß er demnächst
das fürstliche Archiv in Gießen einmal zu seinen Zwecken
durchmustern werde, so bittet er hier um «ranz bostimnile
Alten, die er zu seiner Arbeit braucht, die (lenealogien,
die Bachmann einst dem Landgrafen verehrt hatte, eine
Arbeit des Hofrats Johannes Mylius und ,,so etwa sonsten
etwas von Hessischen Anti(juitäten vorhanden**. Gleich-
zeitig bedankt er sich für die Übersendung einer ,,ratzen-
elnbogischen Chronick**. In einem vom 13. Mai datierten
Schreiben bittet er um Auskunft wegen einer Lindener
Sage und um nochmalige Übersendung!; alles dessen, ,,was
nur von alten schrifftlichen Documentis vorhanden sei'*.
Bei dieser Gelegenheit erfahren wir, daß Schuppius immer
278 Wilhelm Diehl.
noch in den Anfängen seiner Arbeit steckt; er hofft aber,
zur „Beschreibung der fürstl. Darmstadischen Liniae" über-
gehen zu können.
Schupps Wunsch nach genealogischen Akten und Ma-
terialien wurde erfüllt. Am 17. Mai wurde der Statthalter
von Pleß aufgefordert, für Schupp alle einschlägigen Ma-
terialien, die Bachmann oder Mylius unter Händen hätten,
zu entlehnen. Gleichzeitig wurde zur Überlieferung an
Schupp „eine hessische alte Chronic in 4to, eine in folio
und eine Beschreibung der an Hessen angränzenden Lande"
abgeschickt und Schupp eröffnet, daß „sich in Gießen von
Genealogicis nichts sonst und fast nur fragmenta befunden
hätten, außer einer großen Tabula Genealogica, deren In-
scription (vera Genealogia etc.) auf einligendem Zettul zu
sehen**. In einem Postskriptum wurde Pleß noch aufge-
geben. Schupp „ein weiteres zugleich mittkoramendes Con-
volutlein von hiebevor in Vorschlag gekommener Zusammen-
truckung etlicher Hessischen Raritäten" vorzulegen, „davon
Professor Bachmannus gute Nachricht haben werde". Es
ist dies das in unseren obigen Ausführungen benutzte, zur
zeit im Haus- und Staatsarchiv aufbewahrte, von Bachmann
handelnde kleine Faszikel.
Die Begeisterung, mit der Schupp trotz der Geldnot
und des üblen Ausgangs der Disziplinaruntersuchung die
Bearbeitung des Opus historicum wieder in Angriff ge-
nommen hatte, hielt nur etwa ein halbes Jahr an. Es ist
auch durchaus begreiflich. Seine finanzielle Not ward von ^
Monat zu Monat immer größer statt geringer. Im August "^
1645 belief sich sein Ausstand an rückständiger Besoldung
auf über 1000 Kammergulden. Dazu kommt, daß ihn das
Unglück geradezu verfolgte. Seine Frau wurde von einem
schweren Leiden befallen, das ihre Verbringung in ein Bad
nötig machte. Sein Vater, von dem Schupp seit Jahren
die Ausliefenuig eines stattlichen Patrimonii erhoffte, hei
ratete im Jahr 1645 noch einmal und machte dadurch
Schupps Finanzpläne ein für allemal zuschanden. Die Gläu-
biger drängten ihn ; er mußte, um die schlimmsten unter
ihnen zit befriedigen, wertvolle Geschenke und sein Silberge-
räte verpfänden (vergl. hierzu die Briefe aus dieser Zeit).
Außerdem war keine Aussicht, daß es bald besser würde.
Die Umgegend von Marburg füllte sich mit Kriegsgetümniel,
das nach keinem guten Ende aussah, und in Hessen regte
sich niemand, um Schupp auch nur eine Vertröstung aui
eine bessere Zukunft zu geben.
Schupps Interesse am Opus historicum ließ unter solchen
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 279
V^erhältnissen naturgemäß nach und die Folge hiervon war,
laß ihn nun auch dieser Auftrag nicht mehr an Marburg
imd seinen bisherigen Beruf kettete. Als sich im August
1645 neben der noch immer offenen Schmalkaldener Super-
intendentur eine weitere, bessere Pfarrstelle, die Stelle eines
Hofpredigers bei Landgraf Johann in Braubach, auftat, für
iie Schupp einen Ruf erhielt, forderte er, kurz entschlossen,
iron der Universität seine Entlassung. Er erhielt sie. Die
Folge dieser Aufkündigung war der Verzicht auf Weiter-
irbeit an dem begonnenen historischen Werk. Es war daher
cein Zeichen der Ungnade, sondern ein ganz folgerichtiger
Akt, daß Landgraf Georg IL am 16. Oktober 1645 an Schup-
pius den Befehl gelangen ließ, alle ihm überlassenen Akten
lern Sekretarius Malcomesius abzuliefern, „damit sie noch
vor dem bevorstehenden abzugk naher Darmstatt mit
sicherer Gelegenheit zum fürstl. Archiv in Gießen gebracht
wTÜrden**. Außerdem ist zu beachten, daß Marburg immer
mehr in Bedrängnis kam, wovon der Bericht No. XXIII und
XXIV Zeugnis ablegt, mithin für den Verlust der wertvollen
Stücke zu fürchten war.
Schupp blieb in Marburg bis Anfang Dezember. Am
2. Dezember nahm er honores Doctorales in Theologia* an.
Dann traf er wegen seiner zukünftigen Stellung die Wahl.
Da Schmalkalden nun nicht mehr in Betracht kam, weil
Praetorius daselbst verblieb, entschied er sich für Brau-
bach, für welche Stelle er anfänglich nicht recht begeistert
gewesen war. Dann verließ er Marburg.
Mit Schupps Abreise von Marburg hören alle seine Be-
ziehungen zu dem Opus historicum hassiacum auf. Man
übertrug dessen Ausarbeitung im Jahr 1647 Schupps Schüler
Johann Justus Winckelmann, änderte dabei aber den
Plan des Werkes wieder im Sinne des ursprünglichen Toten-
wartischen Projektes : Winckelmann bekam den Auftrag, eine
,,hessische Chronica** zu schreiben, die die gesamte hessische
Vergangenheit behandelte. Ob Schuppius bei der Auswahl
dieses jungen Mannes irgendwie mitgewirkt hat, wissen wir
nicht. Wahrscheinlich ist es allerdings nicht. Ebensowenig
wissen wir, wohin nun das, was von Schuppius wirklich
ausgearbeitet war, sowie seine Matcrialsiuninluug gekommen
/st. Schuppius hat nach seinem Weggang von Marburg
keinerlei historische Arbeiten mehr im Druck herausgegeben.
Käst alle seine Schriften, die er in der Zeit zwischen 1646
* Hierzu sollten ihm nach des Landgrafen Wunsch 40 — 50 11. Zu-
ichuß gegeben werden. Da kein Geld vorhanden war, sprach die Uni-
'ersität für die gleiche Summe „Wahren beym Krämer" gut.
280 Wilhelm Diehl.
und 1661, seinem Todesjahr, erscheinen ließ, bezogen sich
auf die Gegenwart und erörterten praktische Fragen der
Religion, Sittlichkeit und Bildung. Er scheint sogar ein«
gewisse Abneigung gegen die Herausgabe weiterer histo-
rischer Schriften gehabt zu haben. Sonst hätte er doch
wohl die Herausgabe einer der vielen, zum Teil umfang-
reichen Schriften, die er in den Jahren 1657 — 1661 er-
scheinen ließ, unterlassen und dafür eine vermehrte und
verbesserte Neuauflage von Christoph Helwigs Theatnim
chronologicum besorgt, die Schupp so nötig schien und
so sehr am Herzen lag, daß er in seiner Schrift „Freunde
in der Noth** im Jahr 1657 an seinen Sohn Anton Meno
schrieb: „Allein diss einige must du mir zu Gefallen und
auff meinen Befehl thun: Du must deines Großvaters Thea-
trum chronologicum augiren, und wieder aufflegen lassen.
Und du solt es hinführo augiren und defendiren, so lang du
lebst. Res haec non patitur moram. Dann von unterschie-
denen Orten gedrohet wird, wann ich es nicht also bald
wolle aufflegen lassen^ so wollen sie es aufflegen. Und
ist allbereit zu Londen in Engelland nachgedruckt worden."
Vielleicht, daß ein späterer Fund uns einen Teil des
Schuppischen Manuskripts wiederbringt! Bis dahin müssen
wir uns mit den Notizen, die wir oben gegeben haben, zu-
frieden geben. Eines freilich muß hier zum Schluß noch
einmal besonders betont werden. Die Annahme Bischoffs
(S. 16), Schuppius habe „wohl zur Beruhigung des Land-
grafen und als Vorgeschmack des zu erwartenden seinen
Hercules togatus sive de illustrissimo celsissimoque heroe
Georgio H. oratio 1640 in Druck gegeben**, mithin: man
müsse diese Schrift in Zusammenhang mit dem Opus histo- j
ricum bringen, ist unbedingt abzuweisen. Schuppius hat j
diese Rede, die recht wenig historischen Stoff enthält, im i
Anfang des Jahres 1638 in Marburg gehalten und sie erst- j
malig mit einer Vorrede, die vom Mai 1638 datiert ist, j
herausgegeben. Der Inhalt der Rede und der Plan, sie |
drucken zu lassen, stammt also aus einer Zeit, wo noch j
niemand an das von Schupp auszuarbeitende Opus histori- ]
cum dachte, wo noch nicht einmal Wolff von Totenwart dem I
Landgrafen sein Projekt zu einer Sammlung denkwürdiger :
Stücke aus Hessens Vergangenheit unterbreitet hatte. Axich ;
die Ansicht, daß Schupp um dieser Rede willen zur Heraus-
gabe des Opus historicum bestimmt worden sei, scheint
mir hinfällig. Beide Ansichten tun dieser Gelegenhoitsrede
eine Ehre an, die sie wirklich nicht verdient.
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 281
Beilagen.
I.
)rei Berichte des Kanzlers Anton Wolff von Todenwarth
LU Landgraf Georg II. über die Abfassung einer hessischen
Chronica.
(Dannstadt, Staatsarchiv, IV, 1, 8.)
a. Das erste Schreiben vom 19. März 1639.
E. F. Gn. mag ich, nechst undertheniger und gehorsamer
trbihtung meiner pflichtschuldigen getrewen Dinste, nicht bergen,
reicher gestalt ich, bey newlichster perlustrir- und Durchblätte-
xing meiner wenigen privatbibliothec under anderm sonderlich
)bservirt, daß albereit von etlichen hundert iharen hero die
löchste Kayser: und Königliche, auch Chur: und fürstliche
Jäusser, im heyligen Römischen Reich, Ihre große embsigkeit und
ntention dahin gerichtet, damit von Ihren und der Ihrigen großen
md löblichen thaten, auch tugendhaften expeditionen, und rühm-
ichen rahtschlägen und Verrichtungen fort und fort, in der
«reiten Welt viel möge gesagt, gerühmet, aufgezeichnet, zu ewigem
preiß in truck gebracht, von vornehmen Scribenten und Ver-
wahrern, gleichsam aus einer Hand des Ruhms und encomii in
die andere gelifert, und also allgemächlich eine familia nach
der andern celebrior, augustior et honoratior gemacht werden,
dessen dan viel, fast unzehlbare treffliche Zeugnussen vorhanden,
und insonderheit im hochlöblichen fürstlichen Hauß Hessen (wan
auch schon weiterer Bericht ermangeln solte) die treffliche historia
et series multorum praeclarissime actorum et rerum gestarum
ex scriptis Sleidani, Thuani et aliorum vorhanden seind, und
sonderlich ist Sleidanus gleichsam darzu erbohren, und vom
lieben Gott, aus Niderland in Oberteutschland gesandt worden,
daß er die, von Ewerer Fen. Gn. hochgeehrtem Herrn proavo
weyland Herrn Landgraf Philippsen dem Eltern, laudatissimae
recordationis zu Krigs: und Fridenszeiten geführte wichtige ex-
peditiones, auch jeweils dabey mit under^eloffene denckwürdige
reden, und anders mehr beschriben hatt, und in gefolgten Jahren,
hatt mein in der Jugend gewesener trewer praeceptor, under-
^'eiser und Informator Herr Friderich Hortleder, nunmehr
fürstlicher Sachsen-Weymarischer vornelinicr Rhat, vollends gar,
^He Caroli Quinti Imperatoris, adeoque etiarn Phiiippi Magnanimi
Woica et laudabilia facta et acta (so weit sich von Sleidano
darauf bezogen, und die jjantze historia Sleidani daraus com-
pilirt worden) zusammen trucken lassen, und wan derselbe Slei-
danus (welcher sich al)er dardurch dergestalt abgemattet, daß
^f endlich allerdings bis puer worden, und seiner leiblichen
Tochter Tauf nahmen, aus großer Schwachheit des (leniühts, nicht
Leiter nennen können) nicht auf die Bahn kommen were, und
das seinige, in so mühsamer fleißiger Conscribirung suae historiae
Carolinae, nicht so tugendlich gelaistel, und dem Stattrhat zu
Straßburg, nicht alles von Wort zu Worten vorgelesen, und der
flhat daselbst sich aus guhtwilliger anhörung, desselben ab: und
vorlesens, der Geschichte und wahrhaften Relation selbst nicht
282 WUhelm Diehl.
so trewlich erinnert hette, So würde Thuanus zu einem so ge-
waltigen Anführer und Wegweiser wohl nimmer kommen sein,
und würde sich Ewerer Fen. Gn. hochlöblicher Herrn Vorfahren,
und Ihres Uhralten fürstlichen Hauses, billiche gloria, nicht
ohn die größeste Injuri, sonsten sehr geschwächt, und gleich-
sam (salvo debito honore suo) zu Bodem gelegt und geschwächt
befunden haben, welchen Verlust keiner gesunden Verstands und
ehrlichen Hertzens, vor einen geringen Schaden, und vor ein
unschätzbares halten und dises hohen uhralten, alle Zeit mit
Römischen Kaysern, auch andern christlichen Königen starck
befreundeten fürstlichen Hauses Dignitaet und Reputation ein
anders gönnen würde.
Und mag E. F. Gn. ich mit beständiger redlicher Wahrheit
versichern, auch wohl mit ehrlichen trewen, ietzo noch lebenden
Leuhten beweisen können, daß E. F. Gn. hochseeliger liebster
Herr Vatter mein weyland gewesener genediger milder Fürst und
Herr, nicht nur von Erhalt: sondern auch nur von Ergrößemng
Seiner Fen. Gn. hohen Hauses, und eben auch von fleißiger
Aufzaichnung und künftiger Edirung eines und des andern löb-
lichen und rühmlichen Wercks, oftmahls im spatzirenfahren und
dan im fast täglichen auf: und abgehen, auf meinem Wahl-
garten zu Darmstatt, viel geredet und sonderlich anno 1626 rn
Rüsselsheim, under damahls von Hauß aus gebrauchter Sawer
bronnencur, manchmahl gantze stunden oder halbe Tage, zu
mir, in mein inngehabtes Zimmer, mit großer fürstlicher Leuht-
seeligkeit kommen, und von so bewandten Sachen, sehr eyferig
und dergestalt geredet, alß ob Seine Fe. Gn. auch nicht gern
Verzugk eines einigen Tags darin gestattet oder gesehen betten,
und wan es under so gestaltem, respective genedigem und unter-
thenigcm Gespräch ohngefehr geschehen, daß etwa freinbde Brief
oder Posten angelangt, oder sonst dergleichen andere avocamenta
sich zugetragen, haben Seine Gottseelige Fe. Gn. sich sehr oft
darüber bewegt, und allezeit die Impedition berewet, wie sonder-
lich der von Hertingshausen, Erbküchenmeister und alter Jäger-
meister (welcher deßmahls Ihrer Gottseeligen Fen. Gn. sonders
gehaimer und vertniwler Minister war und Seiner Fn. Gn. et\ra
selbst von denen Sachen reden gehört) bezeugen kann.
Nun habe Gnedigcr Fürst und Herr, ich eine Zeithero under-
thenig wahrgenommen, daß sehr viel, zu Ihrer und Ihres hohen
Hauses fürstlicher Reputation auch billichmäßiger Extollir: und
Laudirun^, gehörige Sachen, wo nicht gar nicht zu truck g«'
setzt, jedoch nicht mit solcher großen embsigkeit und Auf*
mcrckung, wie es sonst wohl biliich sein solte, für all zu großer
und häuftiger menigc der täglichen nicht wohl umbgänglicheo
Expediendorum in achtgcnonimen und considerirt worden; dan
obwohl in Seiner Gottseeligen Fen. Gn. annoch vorhandenem
Buch, daß Ehrengedächtnus genannt, viel feine und anmuthig^
Sachen befindlich sein mögen, so weys ich doch aus damahliget
Zeit noch selbst wie eylfertig alles bey Bestellung der fürstlichen
Leich und Aufsetz: oder Vergreiffung des fürstlichen Lebenver-
Neue Beiti'äge zur Geschichte Schupps. 383
ffs habe müssen dahergehen, und daß (wie gemeiniglich zu
chehen pflegt) der Geschäfte hernach, da mann einmahl zu
rten, aufzuschieben und die darzu nohtwendige geringe Sump-
zu ersparen angefangen, so gar viel zusammen kommen,
\ man hernach alß schon alles considerirt und vorüber ge-
gen, nicht wohl zu einem jeglichen Werck genügsame Zeit
i Arbeit anwenden können, und zweifelt mir nicht, wan in
i Tagen Seiner Fen. Gn. christseeligen Lebens, fein alles were
lammen gelegt, und dardurch dasjenige, was man hiernechst
mahl, serae posteritati gleichsam zu Händen lifern, und alß-
1 Ihro daran einen verborgenen Schatz vertrawen wolle, in
ipore starck beobachtet, und dem hohen fürstlichen Hauß,
i vilen aus demselben Hause, löblichst rührenden und her-
mmenden fürstlichen Häubtern, zu Dinst und Nutz, in Zeiten
ligirt worden, es solte sich mancher ehrlicher Patriot höch-
1 darüber erfreuwen und selbiger Gestalt würde ohn einigs
Qschen befugte Beschwemus, das Lob und die Würde dises
len Hauses ungleich weiter gebracht und ergrößert worden
a. Und bedünckt es mich, auch noch Zeit zu sein, daß die
:h übrige und vorhandene reliquiae et fragmenta, welche dan
:h, auf dise stund, nicht gering zu achten seind, compilirt,
i in einen tomum oder sonderbaren fascicuhim redigirt würden,
rzu Ewerer Frn. Gn. und dem gantzen Land, auch dero
"stlichen hohem Hause, gantz trewlich dinen, und trefflichen
laß geben könte, der noch alhie wohnende, und an dergleichen
:hen, seine Lust und Frewdigkeit habende und under den
Dfessoren zum längsten in Dinsten gewesene, aus Niderhessen
itige und Ewerer Frn. Gn. aufrichtig und trewlich zugethane
triot M. Conradus Bachmannus, mit welchem ich gestriges
ittags lang und viel darvon geredet, und hirmit derjenigen
ick, welche ich nur hinder ihm Gott lob stattlich und häuffig
Mi copiose vorhanden zu sein vermercke, zu underthenigcr
ichrichtung in abschrift etwas überschicke, und halte gantz-
ih darvor es werde auch das gantze Werck, welches wohl auf
liehe Alphabet excessiren möchte, in quarta forma oder in
lio füglich können verlegt, und zu dergleichen newen Collec-
neis manchem Libhaber so vilcr aiiinuhtiger sachen, ohn einige
Jschwerde geholffen werden, doch stehet alles zu Eweier Fen.
n. hochweiser genediger Verbesserung, alß deren ich keines-
egs, begehre hirinn oder sonst vorzugreifTen oder maas zu
'ben. E. F. Gn. und dero hochgelibte Fraw Gemahlin, auch
rstliche junge liebe Kinder Gottes allniögender Obhand und
ischirmung gantz trewlichst in underthenigkeit eniphelend.
Datum Marpurg am 19. Martii anno 1639.
Postscriptum.
Auch Durchleuchtiger Hochgeborner, Genediger Fürst und
rr, hab ich biß dato underthenig wahrgenommen, daß aus freund-
ber guhter einigkeit, je ein Fürst zu Hessen, für des andern
nes Mittfürsten Reputation und existimation sorgfaltig gewesen,
J darvor gehalten, daß die honorirung deß andern Anverwandten
284 Wilhelm üiehl.
Fürsten Ihm zubef ordern und in acht zu nehmen, sonderlich ob-
ligen solle, und solches ist dem geschworenen Erbvertrag ähnlich
und gemäß gestalt im Erbvertrag mit haytern Worten stehet, Wir
(principes Hassiae) sollen unß under einander fördern, und je einer
des andern nutz und ehre suchen, und trewlich mainen etc. und
zweiffeie nicht, wan etwa in vorigen Zeiten ein im Leben geblibener
Fürst, dem andern seinem Mittfürsten ehre erwisen, und aber der-
gleichen honorirung dißmahls nicht geschehen und underbleiben
solle, so würdens des seelig verstorbenen Fürsten hinderlasseiie
posteri, vor eine vorsätzliche geringhaltung oder gar despectirung
ihres tods verblichenen progenitoris (wo eben nicht öffentlich, je-
doch heimlich) mit Unmuht zu Hertzen und gemüht führen. Weil
dan nunmehr fast geraume Zeit verstrichen, in welcher wey-
land Herr Landgraf Friderich der Eitere, Ewerer Fen. Gn. Herr
patruus, unversehens dises Leben geendiget, so könte nicht
schaden, daß E. F. Gn. durch ein sonderlich fürstlich aus-
schreiben, dero Universität alhie befehlen lißen, daß Seiner Gott-
seeligen Fen. Gn. zum letzten ehren ein professor ex Academia
eine wohlstudirte lateinische laudation oder parentation halten,
und darmit es ihme oratori selbsten, an nohttürftiger materia
laudum nicht leicht mangeln möge, mit Ewerer Fen. Gn. ge-
heimen Rhat und Vicecantzlarn D. Fabricio fleißig und zeitlich
communiciren solle.
Dasselbe fürstliche Befehlschreiben nun, könte auch der
fürstlichen Fr<iw Wittib zu Homberg vor der Höhe freundlich
communicirt, und darbey gebetten werden, Ihre Fe. Gn. wollen
daraus ohnbeschwert Ewerer Fen. Gn. trewhertziges redlich ge-
meintes intent und gemüht, zum beßten versehen, und wan
Sie, hochgedachte fürstliche Fraw W^ittib, Gott zu ehren, und
dem gantzen fürstlichen Hauß zu rühm, und reputation etwas
zu moviren hette, dasselbe noch bey guhter Zeit thun, dan
E. F. Gn. gern sehen wollen, daß mit der vorhabenden alhiesigen
Oration und parentation dergestalt geeylet würde, darmit dieselbe
in kurtzem in offen truck ausgehe, und allenthalben zu desto
besserem glimpf verstanden werde.
Thue hiermit E. F. Gn. alß deren ich hierdurch keineswegs
begehi-e vorziigreiffen, in dero beharrliches fürstliches Wohl-
wollen mich nochmahls empfehlen.
b. Das zweite Schreiben vom 19. März 1639.
Die Vorzaichnus derienigen stücke, welche meines unvor-
greifflichen undorthenigen Darvorhaltens, in das vorhabende
sondorbaro große Opus Haritatuni Hassiararum kommen sollen,
hab ich eben ietzo under Händen und lasse es durch Ewerer
Fen. (\n. Landraiicollisten, Johann Hermann Henrici (welcher
sonst von gar fertiger Hand, und des Schreibens in Lateinischer
und Grichischer Sprach zindicb kündig sei) sauber zusammen-
tragen, in l'nderthenigkeit darvor hallend, wan es nur einmahl
fein rein und hübsch zusammengeschrihen ist, so werde hernach
der gantze Truck desto schleuniger fortgehen können, und bitte
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 285
mutig, £. F. Gn. geruhen, die hierzu nohtwendiglich gehörige
»ram, genedig im beßten aufnehmen.
Das Werck an sich selbst, soll mit Gottes Hülff, sich so
jlich schicken, und beschleunigen, daß es verhoffentlich Ihro
keiner Displicentz geraichen möge, und thue hiermit in Ewerer
n. Gn. Hulde und propension mich in Gehorsam emphelen.
Datum Marpurg am 19. Martii anno 1639.
c. Das Schreiben vom 2. April 1639.
Mir zweiffeit nicht, E. F. Gn. werden sich gnedig erinnern,
.s vor etlichen wenigen Wochen, an dieselbe ich von fleißiger
servir: und Zusammentruckung vornehmer stücke, welche zu
ro uhralten fürstlichen Hauses trefflichem und ewigem Ruhm
ieyen könten, underthenig überschriben.
Darauf hab ich nunmehr nicht underlassen, die Verzaichnus
rselben stücke, und den Catalogum selbst, underthenig und
ihlmainend umb desto wenigem Vergessens willen, aufzu-
lehnen, in ohngezweifelter demütiger Hoffnung, aus bloßer über-
kiung der, nunmehr gefertigter designation, werde das gantze
erck, viel heller und klärer sich selbst recommendiren. Und
iibt allezeit der ältiste under den hisigen professoren, M. Con-
dus Bachmannus, bey mir unwürdigem alten Diner, in der-
oigen Recommendation, daß er billich, einem guten und fleißigen
LÜquario, wo nicht eben vorzuziehen, doch optimo maximo
re zu vergleichen.
Derselbe ehrliche alte Mann aber lebet, wie ich wohl spüre,
iy seinen, disem hochlöblichen uhralten fürstlichen Hause
essen, trewlichst und willigst geleisteten Dinsten, nicht in merck-
chem Überfluß, also daß es an ihme ein wohlverdinter rechter
otteslohn were, wen E. F. G. seiner, alß eines alten Manns,
ach fürstlichem guten Beliben und Wohlgefallen, etwa zu ge-
igener Zeit, mit einem leidlichen Stücklein paaren Gelds gnedig
edencken lißen, doch bleibet alles, ohn einige masgebung zu
werer Fen. Gn. Beübung und Gefälligkeit lödiglich ausgesetzt.
Marpurg, am 2. Aprilis 1639.
Postscriptum.
Auch Durchleuchtiger Hochgeborner Genediger Fürst und
err, hab ich nicht underlassen, zuerwögen, und in Underthenig-
Bit zu überschlagen, was die abtruckung des gantzen, zu dises
ochlöblichen uhralten fürstlichen Hauses vornehmer Reputation
^gesehenen Wercks, erfordern und kosten werde. Und halle
unmaßgeblich mit Vorbehalt Ewerer Fen. Gn. höherer Gedancken
wvor, Ewerer Fen. Gn. ietziger Professor poeseos M. Conradus
achmannus, als welcher ohne das wegen der an Herren Land-
»f Henrichs hochseeligen andenckens, in truck gefertigter exe-
tialien, und darbey gehabter langwüriger und vieler müh, noch
begaben, und vor seine trew, mildiglich zu belohnen ist,
•rde in Underthenigkeit danckbar und sehr wohl zufriden sein,
n von Ewerer Fen. Gn. er vor dieselbe vorige müh, und dan
' die ietzige, an Conquirirung des tomi singularis Hassiaci,
286 Wilhelm Diehl.
in allem und allein getragene labores etwa mit dreyßig Reichs-
thalern paar begnadigt, und solches ihm forderlich gelifert werde.
Ich bedencke auch underthenig, daß bey edirung eines so an-
sehnlichen fürstlichen Buchs in Folio, eine nohtturft erhaische,
an einem bequemen Ort nach collocirung eben deßienigen fürst-
lichen hessischen und fürstlichen würtembergischen Wapens, wie
solche Wapen auf dem fürstlichen Schloßsaal alhie, in dem
höltzernen Portal stehen, so dan nechst Herbeyfügung des Chur-
sachsischen und fürstlichen Brandenburgischen Wapens, zwey
feine taugliche emblemata zu setzen, welches dan dem fürstlichen
Hauß Hessen und disem gantzen Buch einen merklichen Wohl-
stand geben würde, und vermeine underthänig, der Ewerer Fen.
Gn. ohne das gehorsamlich wohlzugethane Buchtrucker Merian,
werde vor solche Wapen und emblemata, wo nicht wohl-
feiler und leidlicher doch etwa aufs höchste mit vier und zwantzig
Reichsthalern zu contentiren sein.
Daß gantze buch an sich selbst würd mit Gottes Hülfif gar
wohl abgehen, sonderlich wan dieienige treffliche teutsche send-
brife, deren ich in meiner underthenigen Verzaichnis gemeldet,
darin gelassen, und nicht herausgenommen werden, dan es seind
die in der Schwedischen und Rüsselsheimischen sach, an den
damahligen Römischen Kayser abgeschickte Brif, so dan die
beede Schriften, w^elche alhie zu Marpurg anno 1625 auf dem
offenen fürstlichen großen Saal, durch Malcomesium lauht ver-
lesen worden, ferner Ewerer Fen. Gn. hochgeehrten Herrn Gros-
V alters, Herrn Landgraf Georgens hochseeligen milden Andenckens,
an das hochlöbliche fürstliche Hauß Würtenberg abgangene War-
nungen und andere, theils jocose, theils serio abgefaste und vor-
handene Stücke, trefflich und dergestalt gefasset, daß ich gänlz-
lich darvor halte, es werden dieselben Sachen allein daß Werck
sehr wehrt und angenehm machen, und die daraus helleuchtende
Constantz, W^eisheit, Resolution und Redlichkeit, denen in Gott
ruhenden hochgeehrten liben Fürsten und Herren das beste und
herrlichste Monument sein. Ich geschweige der hisigen fürstlichen
Hegirungsordnung auch statutorum Academicorum, welche Stücke
sänibtlich, mit solcher Vigilantz begriffen seind, das sie allein-
wohl etwas, bey einem ieden Leser nutzen werden, und billich
hochzuachten seind.
Und dörfften E. F. Gn. vor den Abtruck des gantzen Wercks
Selbsten, sich in keinen Unkosten wagen, sondern die Buch-
trucker werden Gott und Ewerer Fen. Gn. zu dancken ürsach
haben, wan ihnen das gantze opus (dessen conquirirung und Zu-
sammenbringung gleichwohl viel müh gekostet) frey under di6
Hand gegeben, und überlassen würde.
In alle Wege aber, Genediger Fürst und Herr, ist zu nöhtigef
Beobachtung und fleißiger correctur nöhtig, daß neben eines
ieden Buchtruckers ohne das billich underhaltendem fleißige''^
Correctore, auch insonderheit Ewerer Fen. Gn. Rhat und Ober*
archivario 1). Tülsnern anl)efohlen werde, ein scharpf Aug auf
die Obercorrection zu halten, und dieselbe Correctur za ver-
Neue Beiträge zur Gresehichte Scbupps. 287
tten, und darmit dasselbe mit desto mehrer anmuht und
iwdigkeit durch ihn beschähe, so könte durch E. F. Gn. ein-
ingt werden, daß Ihrem Rhat und Oberarchivario D. Tülsnern
supremo Correctori entweder an guten, ihme selbst wohl-
jtehenden rohen Büchern, oder an paarem geld durch die
pographos der Wehrt von viertzig gülden nach und nach ge-
ldreicht werde.
Wie hoch ein gantzes vollkommenes exemplar dises vor-
idenen Wercks lauffen werde, läßt sich ietzmahls, und eh man
ys, wie hoch es sich an der Anzahl des papiers ertragen
rde, schwerlich bestimmen. Weil aber E. F. G. selbst, wie
.n mit Wahrheit wohl sagen kann, der Author des gantzen
$rcks seind, auch auf solche maas und weise, wie ich in
derthenigkeit droben vorgeschlagen, die gradirstucke, gantz
rlegen werden, so vermeine ich gehorsamlich, es soll und
rde billich kein exemplar über vier gülden kommen können,
d were alßdan himechst auch nothig, daß umb wenigem
rtewerns, und aus der sach suchenden privatnutzens willen,
3 taxa aigentlich bestimbt, und dardurch Ursach gegeben werde,
& iederman welcher zu erkauf: und Lesung so gethanen gantzen
ercks Neigung trägt, desto leichter und ohngehinderler, darzu
»mmen könte. Welches alles Ewerer Fen. Gn. ohn einige Mas-
tbung, ich underthenig zugleich anfügen, und mir solches zu
ilden gnaden, zudeuten, und vor keinen Vorgriff aufzunehmen,
ihorsamlich bitten sollen. E. F. Gn. auch dero vielgeliebte
ochangehörige, Gottes starkem schütz und Schirm zu allem
irstlichen Wohlstand trewlich emphelend.
II.
iin Programma, mit dem Schuppius die Studenten zu einer
historischen üration eines seiner Schüler einlädt,
vom 16. Juni 1639.
(Gießen, Univ.-Archiv, Personalakten Schupps.)
Job. Balthas. Schuppius, Eloquent, et Historiarurn Professor
^ Academ. Marpurgensi Eloquentiae aliarumque arlium liberaliuin
'ultoribus s. p. p.
Euntes ad praelium milites, orationis igniculis accendendi
^t, ut hostem cupiant prius quam feriant. Dux ipse qui et
"ülitis officium subire solet, prius dicit quam ducit, prius hor-
*tur quam pugnat, et frustra hostem annis invadit, nisi suos
'fius vicerit oratione. Vivimus et nos in militia, o Juveiies,
lic castra et arenam habemus, intra hoc perpeluum bellum nobis
«ritur, et quotidie pugnandum est contra ignorantiam. Hodic
'Ora prima bono cum Deo in arenam producam tyronem quendam,
^ primum publicae lucis tyrocinium positurus, aut vincere cupit,
^i ab industria vestra vinci. Erit is Doctissimus juvenis Dn.
öann. Esaias Fabricius, qui Deo adjuvante orationem recitabit
« Serie Historiarum ab orbe condito usque ad hoc aevum. Reci-
^ri equidem debeat haec oratio in Auditorio philosophorum,
288 Wilhelm Diebl.
sed quia viri quidain iii illustrissima aula eminentes, eam audire
cupiunt, cogimur actum hunc instituere in coUegio ad Lanuin.
£a enim est philosophicae gentis sive negligentia sive fatalis pau-
pertas, ut ea subsellia non possideat, quibus excipere possit
bospites bonore dignissimos. Solus Aristoteles, cogitur ire pedes.
Caeterum ut prolixis verbis ad audiendam orationem hanc vos
invitem, non admoduni necessarium puto. In tempore vivimus,
turpissimum itaque nescire quid in tempore vel sit, vel fuerit.
Temporis lux est historia, historiae lex est veritas. Veritas
virtutem commendat. Virtutis censura requirit exactum Judicium
et facundum Ingenium. Si et ingenium et Judicium deest, utrum-
que suppleri potest labore, labore superari potest omnis si quae
occurrit molestia. Aestas jam est o commilitones aut si mavultis
fratres vocari. Cogitandum itaque de Hyeme. Hyems ritae,
senectus est. Senectutis baculus, bonesta Juventus. Juventutis
cibus, varia doctrina. Doctrinae condimentum Historia. Non
Video quomodo mereatur nomen literati, qui in historiis hospes
est. Quoties amaenissimum hunc bistoriarum bortum ingredior;
puto me invenisse omnia, quae alii mortales misere affectant et
aut raro aut nunquam consequuntur. Jactent alii opes suas,
mibi, cum Cn. Lentulo, tot sestertia numerare, licet quot libet
Alii in quibus nunc evebendis nunc deprimendis fortuna jocatur,
loquantur quas gerunt sive togae sive militiae primas dignitates.
Mibi nunquam aditus praeclusus est ad Rempubl. Romanam.
Quotidie loqui mibi licet, sive cum Julio Caesare sive cum
Augusto. Si bellum delectat, sine periculo cum Scipione Cartha-
ginem expugno. Si putatis o amici, me vana opinione falli,
respondeo, eandem opinionem totum fallere mundum. Vanitas
est in Omnibus rebus bumanis. Et boc ex bistoriis discitur.
Volui equidem dicere an etiam inveniri possint subsidia quibus
in lectione Historiarum uti possimus. Ast non solum Charta me
destituit, sed et tempus. Aptabit se propediem alia occasio, ea
de re disserendi. Interim valete et vos amantem redamare
peragite.
Dab. raptim 16. Jun. 1639.
III.
Zusammenstellung der Hauptabschnitte, die in der
,A ita Georgii 11." von Schuppius behandelt werden sollten.
(Entwurf des Geheimen Rats).
(Darm.stadt, Staatsarchiv, IV, 1, 8.)
Praefatio elegans praemittatur.
Eingang zu machen per diem natalem. Parentes. Auch nacl*
einander zu setzen, wie verschickt worden, wz vor Länder be-
suchet . . . zur Zeit obitus patris. Sey nit älter alß so und
gewesen, da sie in Regirung getretten, habe Privilegium Majoreii'
nitatis gezogen. Träume. Notificationes der Greheimden Räthe,-
Nvie Tot notificirt worden. Wie Comiles, Barones, Nobiles Dinsi»
gesucht, angemeldet. Habe sich dargegen vorgesehen.
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 289=
Vattern Käthen gehalten. Genedige Versprechnus der Gnade.
Stallungsrenovation u. Pflichtnehmung.
Illnstrissimi Ausschreiben nach H. L. Ludwigs Tot, so an
yser, Chur: und Fürsten ist geschriben worden. Item im Land
Regir., Univers, und Superintendenten, alle Beambten. Leich-
stattung.
Caesaris Gratulatio zur Regirung, Hispanischen Gesanden
atulation, der Churfürsten Meintz, Colin, Bayern, Sachsen und
üz, underschiedener Communen Gratulationes.
Testamentseröffnung. Privilegium Majorenn itatis H. L.
Huldigungseinnehmung.
Einbekommung der Feste Rheinfels, feste Platz Calz. ganz
d gar.
Einbekommung der andern adjudicirten Oerter.
Reformatio zu Schmalkalden und in der Nidergrafschafft.
Landgraf Johanße verschickt in frembde Lande.
Accord wegen des Franck. Hauses.
Fürstl. Beylager zu Torgaw.
Annus secularis Academiae Marpurgensis.
Gütliche Handlungsanfang mit H. L. Wilhelmen.
Vertragstomus. Confirmationstomus.
Selbstabfertigung einer Gesandschafft gen Wien pro confir-
atione Caesarea.
Verschickung Herrn Landgraf Johanßen, und wie der Ab-
'hied genommen, auch wz vor ein Schreiben mitgegeben worden.
Universal Landtag zu Cassell und gäntzliche Vollzihung deß
ccords.
Particularlandtag zu Marpurg und Schalzungsbewilligung
B ao. 28.
Abschaffung der Lindloischen Soldatesca auß dem Ober-
irstenthumb Hessen.
Newe Zunötigung der alten Landgrälin Fraw Julianen und wie
lostrissimus Ihr begegnet.
Der jungen Landgrafen, Casselischen und Darmsladischen
ini, Aidschwür auff den Haubtaccord.
Abwendung und Ausschaffung der casselischen Einquartirung,
>nderlich Illusthssimi Raiss gen Schweinfurt, und wie sich
ollaldo erzaigt, aucb wie Caesar so enixe rescribirt. Ubi no-
^nda lUustrissimi solicitudo pro subditis.
Verschickung H. L. Henrichs und L. Friderichs in frembde
ande.
Tötlicher Hintritt Fräulin Amalien und Leichbestattung,
ßichherausbringung.
Tötlicher Hintrit und Herausbringung auch L. Henrichs Leich-
^tattung.
Periculum principis in piscina Reinheimensi.
Fürstlich Kindtauff deß jungen Pri ritzen.
Kirchenvisitation, sonderlich die Instruction uff die Kirchen-
sitation.
Landvisitation und Instruction.
^^trilge X. Gesch. d. Universitäten Mainz u Gießen. 19
«90 Wilhelm Diebl.
H. L. Ludwigs Epitaphium zu Marpurgk, welches Illuslrissi-
mus uffrichten lassen.
Meldung Ehrngedechtnuß.
Ysenburgische Sach. Proceß mit Ysenburgk.
Proceß mit Maintz wegen etlicher Ebisdorffischer Gefälle.
Commissio in der Teutschmeister Sache und w^ie sich lllustr.
dargegen erzaigt. Seriem facti und wie Illustrissimus respondirt.
(1. Remonstrationsschrifft, 2. lalinus Extractus.)
Zusetzung, so lllustrissimo geschehen, in der Nidergraf-
schafft, Religionssachen betreffend, von Churtrier.
Illustrissimi Rayß gen Regenspurgk ao 30.
Regenspurgische Puncten, wie es derzeit im Reich gestanden.
wol auß zuführen.
Cantzleybaw zu Darmstatt, wz vor Schrifft hinein gelegt
worden.
Reichsritterschaff t Beginnen und wie Rlustriss. begegnet.
Leipsischer Tag und warumb lllustr. nicht erschienen und
doch darauf negotiirt.
Franckf. Compositionstag.
Güttlich Handlung im Reich.
Schreiben ad Caesarem wegen Rüsselsheim.
Item oratio publica, wie resolvirt worden.
Zumuthung, so H. L. Wilhelm beschehen, die Religion zu
mutiren.
Closter Geißmar betr.
Anderwortliche Dolirung der Universität.
Renovirung des Hohen Hospital und Almoßen.
Refutatio Casselischen Schreibens.
Statuta academica NB. Titulos nach einander zu setzen,
wan schon kein numerus darbey ist.
Discurs mit dem Reichscantzlar Ochsenstem pro pace.
Große convicia wider lllustr. et Illustrissimi Leuthe. Wz iR^
ausgestanden iimocenter. Drauf zu antwortlen glimpflich et per dicti'
Uff rieht ung des Gymnasii zu Darmstatt.
Schulbaw zu Darmstatt.
Theilung der Superintendentzen.
lllustr. sein damit umbgegangen ein Gymnasium zu Gißß^ ]
anzustellen, hab al)er nicht pro voto von statten gehen woilcJ^
propter tempora deplorata.
Comitiva pro Juridica Facultate.
Appellationsprivilegium.
Ostfrießländisch Heurath, Werbung zu Regensburg.
Abfertigung.
Anstalt deiJ Statutenbuchs.
Große Jagen, eventus mit dem Hirsch und Schwein.
E niewerte Definitorum Ordnung.
Judenordnung und was derselben anhangt.
Postanord nungen .
Executio über Straßenräuber, so 1. zu Gißen, 2. zu Darr*^
statt justificirt worden.
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. ^1
Illostrissimi Vortrag alhie zu Gießen, ob Illustr. Recht oder
recht gethan, daß sich des Leipsischen Tags enthalten, et
ponsum ad Landstände.
Theologorum responsum in eadem causa.
Regis Sueciae Schreiben ad Illustrissimum.
Regis Galliae schreiben ad Illustr.
Zu gedencken, daß Gesandschafften da gewest.
Deß Kön: Spanischen Ambassadeurs Verdugo Ankunfft und
atulation zu Illustr. Regirung.
Alß Spannisch Volck in Illustr. Land gewesen umb Gießen,
e 111. darum geschrieben und sonst uffschlagen wollen.
Illustrissimi Schickung ad reg. Sueciae.
Illustrissimi Selbstraisen ad Reg. Sueciae.
Uebergab Rüsselsheim et Capitulatio. Schreiben ad Caesarem
(fiwegen.
Ordnung wie es mit den Stipendiariis, so jura studiren, soll
jhalten werden, 13. Augusti 1633.
Vergleich mit H. Landgraf Johanßen Fr. Gn.
Vorhabende Anordnung eines Newen Revisions- oder Ober-
ppellationsgerichts.
Newe Cantzley Ordnung und darauff erfolgte kayserl. Con-
rmation den 6. Martii 1635.
Ordnung von besserer Haltung der Sonn- und Feyertag 1632.
Ordnung von besserer Übung deß Catechismi 1633.
Anstellung Fast-, Büß- und Bedtägen de Anno 1632 et segq.
Bestrafung der Gottslästerer.
Illustrissimi getragene Sorgfalt bey allgemeinen Fridens-
aetaten.
Wie Ulustrissimo zugemuthet, Niderhessische Volcker ein-
iinehmen, item in Nidersächsische Krayßverfassung zu begeben,
ad warumb Illustrissimus dessen Bedenckens gehabt 1639.
Deß Hertzogs von Longueville u. der Weimarischen Armee
bergang über Rhein und genommene Wintterquartier in lUu-
^rissimi Land, deren UflFbruch, Hinderlassung etlicher Regimenter,
eren Geldpressuren und Exorbitantien, 1640 vom Anfang des
^OQahts Januarii und in folgenden Monaten.
Beschickung deß Churfürstentags zu Nürnberg u. Antreibung
wn Pacificationsweßen 1640.
Niderhessische Administrationssach 1637.
Creiß Obristen Ambt 1636.
IV.
treiben von Schuppius an Dieterich Barthold von Pleß
Und Philipp Ludwig Fabricius vom 7. März 1640.
(Darmstadt, Staatsarchiv, IV, 1, 8.)
, Derselben hochgeehrtes schreiben, hab ich wohl empfangen,
'cht darauff in höchster eyl, daß mir das bewuste historische
^^k. wohl recommendirt bleibe. Nach dem ich aber in etz-
^^ schweren Theologischen Arbeiten begrieffen, undt Matth.
!29i2 Wilhelm Diehl.
Merian zu Francfort seine historische Chronic zu refonniren ver-
heißen, welcher sie gegen Johannis auflfiegen will undt zu dem
endt mit groseni Unkosten schon für einem Jahr etzliche Ball
Papier zu Basel machen lassen, undt über das die Studiosi in
sorgen stehen, die Beschwerung undt Trübsal des Landes möge
zunehmen undt wachsen, daß sie etwa genötiget würden you
hier abzuziehen, alß werde ich täglich ja fast stundtlich von
ihnen ahngelaufifen, undt will einer dieses für seinem Abschied
von mir haben, der ander ein anders. Daß mir also unmöglich
ist, alles mit Fleiß undt bedacht zu elaboriren. Bitt demnach
unterdinstl. E. Wohl E. St. auch E. Hg. wollen diese abgenötigte
Procrastination sowohl bey Ihre fürstl. Gn. in unter-thänigkeit
entschuldigen, alß auch für ihre Person in bestem ausdeuten.
Das scriptum Apologeticum hab ich gegenwertigem Botten
nicht können mit geben, will es aber verfertigen undt mit nechster
post über schicken. Den Vertrag zwischen beyden Fürstl. Heusern,
will ich gleichfalss durchlesen. Möchte gern \vissen, ob alle
beygefügte Schreiben auch sollen vertirt werden, welches auf
ein ziemlich opus auslauffen würde. Befehl E. hochE. St. auch
E. u. Hgg. in Gottes genädigen schütz, undt mich dero beharr- j
liehen Gunst, verbleibendt
Deroselben
alzeit verobligirter Knecht und Diener
Marp. am 7. Martii 1640.
V.
Schreiben von Schuppius an Philipp Ludwig Fabricius
vom 17. Juni 1641.
(Darmstadt, Staatsarchiv, IV, 1, 8.)
Aus dem ahn meinen Schwager D. Horsten jüngst abge-
lassenen Schreiben, werden E. Excell. verständiget seyn worden,
daß ich wegen gefährlicher Schwachheyt meiner Kinder ver-
hindert worden sey, wiegen Ahnstellung des operis historici weiter
Bericht zu thun. Undt nachdem diese Tag ein ander Zufall
sich bey diesen Kindern zugetragen, muß ichs nochmalß biß
auff künflftige Post verschieben. Sende inzwischen E. Excell-
diese in eyl entworfene disposition, und bitte sie wollen per
ocium sich darinn ersehen, und bedacht seyn, wie ich in diesen
acht puncten könne völlig informirt werden.
Wegen der Recompens hab ich mich bedacht, undt in con-
sideration gezogen, daß sich bey diesen bösen Zeiten ein jedf''
patientiren müsse. Es wird auch ein jeder der mein gemüth
kennet, wissen, wie so gar von keinem mercenario ingenio ich seye.
Bitte derohalben, daß mir nur ein Amanuensis gehalte^i
werde, und wohl accomodirt werde, jedoch, daß er unice voft
mir dependire undt ich macht habe, ihm tag und nacht zu b^
fehlen, undt ihn widerabzuschaffen, wann er mir nicht ahnständig'
Für mich, bitte ich nur umb richtige Bezahlung meiner Besal-"
düng. Will sie geliebts Gott so wohl verdienen, alß ein and^^
der mit dergleichen Arbeiten nicht beladen ist Und will zu def^^
Neue Beiträge zur Gescliichte Seimpps. -293
Irlangnng ein sonderliches extraordinari Mittel furschiagen, das
leinen Herrn Collegis ahn ihrer Bezahlung nicht soll verhinder-
ich sevn. Dofern aber in unverhofftem Fall, dieses nicht solle
hngehen, stelle ich zu E. Excell. Consideration, oh ich aus
[er fürstl. Renteammer meine gewisse Bezahlung haben könne,
Jso daß eß hernach der Academi ahn ihrem Deputat abgekürtzt
^erde. Wollen ihre fürstl. Gn. dem Oberforstm. befehlen, daß
tr mir auff den Winter 12 Claffter Holtz gebe, und ein par stück
Nildt schieße, hab ihrer fürstl. Gn. ich dafür unterthänig zu
lancken. E. Excell. werden sich auch erinnern, was bey ihrem
Vbzug wegen des Wildts gedacht. Wann ich es hal)en könte, wolt
ich nach gehaltener meiner Disputation die Professores einmahl
ins Avellin bitten und auff ihrer fürstl. Gn. Gesundtheit trincken.
Damit mir der Amanuensis desto williger sey, hoffe ich ihre
fürstl. Gn. werden ihm eine fürstl. schrifftliche promiß thun, daß
sie ihn, wann das Werck fertig sey, zu einem guten ahnnehmlichen
Pfardinst befordern wollen. Es ist kein gemeyn ingenium, wird
einmahl seine Lücke wohl vertreten können. Will ihn NB. dazu
ahnführen, daß er einmahl bey einem solchen ruhigen fetten
Pfarrdinst eine schöne deutsche Hessische Chronic schreibe.
Ich hab auch das unterthänige Vertrau wen zu ihrer fürstl.
Gnaden, sie werden sich nicht zu wider seyn lassen, mir eine
förstl. Versicherung zu thun, daß ihre fürstl. Gn. oder dero Suc-
cessores ahm Regiment, diese Arbeit, welche mir noch manchen
süßen schlaff brechen wirdt, undt derentwegen ich fast mein
Studium theologicum in etwas zurücksetzen muß, genädig gegen
niich oder hinfuro gegen die meinige erinnern wollen, undt
tollen mich oder die meinige genießen lassen, nicht allein des
f'leißes, den mein Schwigervatter D. Helvicus bey der Universität
Gießen ahngewendt, sondern auch des wohhneynens dessen ich
niich alhier gebraucht in Widerauffbringung des Studii llistorici
^d Oratorii, welche zu Marpurg fast erloschen waren.
Endlich stelle E. E. ich frey, ob sie ein fornmlam juramenti,
welches ich und der Amanuensis ablegen sollen, wollen abfassen
fassen, und mir es zuschicken, damit ich mich darin ersehen
könne. Biß nechst hiervon mehr, befehl E. Excell. in Gotles
Stareken Schutz, und wünsch ihr eine glückliche Bronnen Cur.
Marpurg in höchster Eyl am 17. Jun. 1G41.
VI.
Memorial Schupps, Juni 1641.
(Darmstadt, Staatsarchiv, IV, 1, 8.)
Memorial.
1. Von ihrer fürstl. Gn. Herrn Landgraf Georgen 1. educa-
^*on, 2. Reyse; bey dem von Grünroth.
Item ob Ehrnged. von Grünrod nichts annotirt, was in einem
^«r dem andern furgangen, auff dem Beylager in Sachsen, undt
^®r Heymführung zu Marpurg.
. 2. Daß ein fürstl. Rescript ahn die Academi geschehe, daß
'^" lesen möge, wann ich kann. 2. Daß mir das fürstl. Rescript
294 Wilhelm Diehl.
möge zugeschickt werden wegen versprochener genädiger Re-
muneration, wann das Werck glücklich verfertiget. 3. Ob ich ein
Ahnweysung auff die versprochene 12 Claffter Holtz haben könne.
NB. Wild. 4. formula juramenti.
3. Daß dem Amanuensi ein formula juramenti furgeschrieben
werde, damit ich ihm sicherlich eins undt anders abzuschreiben,
undt zu excerpiren ahnvertrauwen dörjffe. 2. Daß ihm das fürstl.
Rescript zukommen möge, darin ihre fürstl. Gn. ihm gg. ver-
sprechen, nach Verfertigung des Wercks ihn zu befordern, undt
jährlich eine Discretion zu geben pro labore. 3. Weil er viel
damit zu thun haben undt tag undt nacht arbeiten wird müssen,
ob er nicht ein Ahnw^eisung auff 4 Claffter Holtz haben könne?
Im übrigen will ich ihn versorgen.
4. Ob ich nicht, wann mir andere Mittel fehlen solten,
etwa 100 oder 150 Rthlr. auß dem Geistlichen Landtkasten, in
itziger Meß ahn Abschlag meiner Besoldung haben könne? Ich
sag, wann mir andere Mittel, darauf ich vertröstet binn, mangeln
solten.
5. In gg. Recommendation zu behalten, die Sache mit dem
Hauß. E. Excell. sehen hier ein Verzeichnüß von 21 Heusem,
darin schlechte Leuth wohnen, welchen mann gar leichtlich ein
ander Losament schaffen kann, undt ihre Hern Hoffmeister
Streyffen eingeben. Ich gedencke ihrer fürstl. Gn. so treuwlich
zu dienen alß der Herr Hoffmeister, hoffe derowegen ich habe
so viel Recht zu meines Vattern Gütern alß er. Wann der
Herr Hoffmeyster sagen wolt, er hab in diesen vorgeschlagenen
Heusern nicht Raum genug, wüste ich ihm kein bessern Rath
alß daß er den König in Spanien umbs Escurial ahnspreche,
darinn hat er Palläst genug. Wie mancher großmütiger vor-
nehmer General behilfft sich unter einem Bauwern Tach? Die
Stallung hat mein Vatter selbst vonnöthen und hat nicht so ;
viel Platz, darinn er ein Handvoll Grommet legen kann. Ich ge- |
schweyge, wie gefährlich der Schornstein seye, undt deswegen j
zu besorgen sey, es möge das Gesindt in Abwesen eines Hauß- i
hern der gantzen Statt ein Unglück auff den Hals ziehen. \
6. Wegen der fürstl. jungen Herrschafft, ob ich den bewusten
Grafen antworten solle?
Beilage:
(Verzeichnis von Gießener Häusern.)
1. Doctor Otterains Erben Hauß, so des Obristleutnamp*^
W. bewohn tt.
2. Juncker Schwalbachs Hauß, darinnen Hermann Rüdig^^^
wohnett.
3. M. Bachmans Hauß, darinnen der Organist w^ohnett.
4. Hanß Jacob Försters Hauß, so Volpert Daniell Schen^^
zuvor ingehabt, auch Secretarius Barda(?) bewohnett hatt
5. Balthasar Königs Hauß, darinnen ein Kutscher wohne' '^
6. Jost Junghauß Hauß, wohnett ein Trompeter.
Neue Beiträge zur Geschichte Schupp?. 295
7. Caspar Barthen Hauß, darinnen M. Jacob der Schneider
wohnett.
8. Des Wirth zum Hirsch Hauß über der Lindenbach.
9. 10. Zwei Häuser, davon eines Conratt der Trompeter be-
wohnett, das ander halt Her Jacob Fabritius der Cammerdiener
bewohne tt.
11. Herr Märten Stephani Hauß von Gleybergk.
12. D. Kropsan Hauß.
13. Capithän Ortten Hauß.
14. D. Samuels Hauß, darinnen Haupttman Scheuerman
wohnett.
15. Das Schohlhauß, darinnen ein Musicant wohnett.
16. Hanß Henrich Graulags Hauß, so lödig stehett.
17. Cloß Röderß Hauß, darinnen M. Herman der Balbirer
wohnett.
18. Das kalte Loch, darinnen Caspar Kirchnerß VV. wohnett,
zuvor Juncker Kollenbach undt Ehr D. Winckelnian S. Superin-
lendens, hatten dieses Hauß bewohnett.
19. Ludwig Reitzen Hauß, darinnen der Sattelknechtt oder
Marstaller wohnett.
20. Henrich Loni Hauß, welches der Herr Erbschenk dabevor
innengehapt.
21. Hans Schencken Hauß, darinnen M. ChristoflFel der
Schneider gewohntt. Welches zuvor Peter Junghen bewohnett,
auch seine Pferdt, Kühe undt Schwein darinnen gestallt, hat
4 wo nicht fünf Stuben.
VII.
Memorial Schupps, September 1641.
(Darmstadt, Staatsarchiv, IV, 1, 8,)
^ Memoriale.
1 1. Ahn Herrn Cantzlar Fabricium hab ich wegen des operis
[ felorici geschrieben, auch den 1. Sept. mündlich geredet, bitte
\ ^instl., mein hochgeehrter Herr wolle ahn seinem vornehmen Ort
<^ahin cooperiren, daß Resolution erfolge.
2. Ich hab damahls ahngehalten, daß mir mögen 12 Clafter
"oltz ahngewiesen werden, undt dann daß ich meine bey der
JJAiversität stehende Besoldung empfangen möge. Welches hochg.
"^rr Cantzlar mir auch 2. Jul. schrifftlich versprochen. Ob ich
'^'in eine würckliche Ahnweysung bekommen könne?
3. Weil der Amanuensis das juramentum taciturnitatis prae-
^^iren soll, wird sichs nicht wohl schicken, daß er bey Studenten
^ohne. Welche ihm in die Charte gucken, also stell zu meines
^hochgeehrten Herrn judicio, ob Ihrer fürstl. Gn. unterthänig vor-
zubringen sey, daß ihm zu erwärmung eines eygenen losaments,
^^Iches ich ihm eingegeben hab, mögen 4 Claffter Holtz ahnge-
^'*csen werden?
4. Zu Beförderung der Sachen hab ich den Amanuensem
^^ Disch genommen, undt versprochen sonsten nach NothurfiPt
•'^n zu accommodiren, damit er mir gleichsam ein Registratur in
2% Wilhelm Diehl.
den actis halte, undt mir nicht allein eines undt anders zu seiner
Zeit auffzusuchen wisse, sondern auch Achtung habe, daß nichts
verlohren werde. Nun kann mein hochgeehrter Herr leichtlich er-
achten, daß mir dieses schwer falle. Bitte also dinstl., er wolle
mir seinen Hath mittheilen, ob ich ihn bey Zeyten dimittiren solle
undt sein Glück lassen anderswo suchen, weil die würckliche Ahri-
ordnung wegen seines Unterhalts etwas lang außen bleibt, davon
in beyliegender Copia N. 2 ist gedacht worden.
4. Ob Ihre fürstl. Gn. das juramentum tacitumitatis von
mir undt dem Amanuensi wollen abnehmen lassen, damit desto
sicherer unß ein oder ander Document könne ahnvertrauwet
werden? Ob etwan wie ich längst gebeten ein formula juramenli
auffzusetzen sey, daß ich mich zuvor darinn ersehe?
5. Ob dem Amanuensi das fürstl. Genadenschreiben, davon
in dieser Copia N. 2 § 1 gedacht, könne eyngehändiget werden,
damit er mir zu aller Arbeit desto williger sey?
6. Ob mir das fürstl. Rescript, davon in dieser Copia N. 1,
§ 3 gedacht, könne zukommen? Es möchte etwa kommen, daß
Ihre fürstl. Gn. ich wann das Werck glücklich absolvirt, in Unter-
thäiiiijkiMl umb ein genad ersuchete, welche vielleicht ihrer fürstl-
Gn. Renteammer nicht würde schädlich fallen.
7. Wie eß mit der Edition des Buchß solle gehalten werden'^
8. Was ich gemacht habe, will ich alle Monat oder alle Vir-
theil Jahr nach Hoff schicken. Kann wöchentlich über ein Boge^
nicht machen. Hoffe aber, es solle so gemacht werden, daß es
sich mehr durch seine Qualität alß Quantität commendire.
9. Ob (las Schreiben ahn die Academi abgehen könne, daÖ
ich Macht habe zu lesen, wann mir möglich. Davon in Copi*
N. 1 zu sehen § 4. Ich hab schon solche Ahnordnung gemachte
daß so viel Privat collegia oratoria werden gehalten werden, da^
niemand über Mangel der Information klagen wird. Ich werd^
auch nicht vergessen, durch actus publicos jehandts die Jugea<i
zu excitiren.
10. Weyll ihre fürstl. Gn. Herr L. Philips ihre Instniraent
der Academi vollcnd verehrt, wie es mit dero Abholung solle ge-
halten werden?
11. ^'^o mann ein Platz nehmen solle, da die Instrumenta
hinzustellen seyen ?
12. Weyl Johann Witte Riga Livonus, unahngesehen daß er
ihrer fürstl. (in. Paß gehabt auch ein offenes testimonium von
der Universität furgezeygt, dennoch vom Keyserl. Commendaot
zu Hermanslein, Freyherrn von Metternich ahngehalten worden.
undt ihm nach Erlegimg einer Rantzion seine Bücher auffgehallen
werden, alß hat er deswegen ahn ihre fürstl. Gn. supplicirt 0^
es nun nicht ein Mittel sey, damit dem guten Kerle geholffen werd**'
daß ahn Ihre fürstl. Gn. von der Academi geschrieben würde und^
es 'hernach ihre fürstl. Gn. einschließen undt ahn den von Mette*"'
nich begehrten, daß er der Universität Suchen möge statt gebeO'
undt g. Witten die Bücher folgen lassen. Oder ob es ahn Herr**
Cantzlar Schützen könne geschrieben werden, daß er es et^'^
Neue Beiträge zur Gescliichte Schupps. 297
ahm Keyserl. Hoff suchte! Es ' periclitirt ihrer fürstl. Gn. Re-
putation, indem der Paß nicht besser in Acht genommen, undt
die Academi ist schuldig sich des Kerles in diesem unverdienten
Fall aihnzunehmen.
VIII.
Schreiben von Schuppius an Philipp Ludwig Fabricius
vom 27. September 1641.
(Dannstadt, Staatsarchiv, IV, 1, 8.)
E. Excell. wollen mir großg. verzeyhen, daß ich nochmahlige
Erinnerung thue wegen des operis historici. Ich hab zwey slu-
diosos dahin disponiret, daß sie collegia oratoria undt historica
halten wollen. Der eine ist ein Silesius, nahmens Daniel
Richter, der ander ein Westphalus mit nahmen Henr. Delius,
seindt 2 alte Cärles. Hab ihnen zu dem Ende etzliche arcana
communicirt, mit welchen ich sonst noch ein Weyl zurück ge-
halten hette. Undt weyl sie unterschiedene Materien tractiren
werden, hoffe ich, es soll eine Aemulation zwischen ihnen er-
wachsen, daß einer den andern zum Fleyß ahnfrische undt also
die Studirende Jugendt in diesem Paß keineswegs verseumbt
werde. Fürs ander hab ich Hern Merian seine historische arbeyt
anffgekündiget, damit ich zu diesem Werck desto mehr Zeyt undt
Ruhe haben könne. Undt hab hiemit einen grosen Zorn undt
Saiiersehens verdient. Fürs dritte hab ich den Amanuensem zu
Jwr ins Haus und ahn meynen Disch genommen, undt bitte dem-
nach E. Excell. zum dinstlichsten, sie wollen ihren hochwichtigen
Schafften, soviel abbrechen, undt etwa den Herrn Consiliariis,
welche itzo der Universitätsrechnung beywohnen, committiren, daß
sie das juramentum taciturnitatis von mir und meinem Amanuensi
ahnnehmen undt etwa sonst mit mir reden, was ihre fürstl. Gn.
in diesem Fall wollen von mir gehalten haben. II. Daß mir die
Acta, alsobalt gelieffert werden, damit ich alsobalt horis successivis
darauß excerpire, was zu meiner intention dienlich undt also
^öi wenigsten mache, daß mir der Amanuensis nicht müßig da
ßehe. III. Daß der Academi ahngedeutet werde, daß ich lesen
|nöge, wann ich kann. Ich werde doch nicht feyren, sondern
jehands ein actum publicum ahnstellen undt sehen, daß ich die
Studiosos bei gutem contentement erhalte. IV. Daß mir das fürstl.
^nadenschreyben eingehändiget werde, daß Ihre fürstl. Gn. die
Arbeit wann sie fertig ist, genädig erkeimen wollen. Ich will mit
Lottes genädiger Hülff, all mein euserstes Vermögen darin un-
Respart lassen. E. Excell. werden sich großg. erinnern, daß im
Rahmen unsers Gn. Fürsten undt Herrn sie mir den 2. Jul. schrifft-
lich versprochen, daß ich meine Besoldung richtig bekommen
*?Ü€. Also stelle zu E. Excell. großg. Belieben, ob sie mir ferner
•ue grose Gunst undt Beförderung thun wollen, undt machen, daß
^ Herrn Commissarii etwa auff Mittel gedencken, und mit mir
J"^en, wie ich meinen geringen Ausstand ahn Gelt und Frucht
^kommen könne. Wie ich hinfuro könne alle Meß bezahlt werden,
"^^u hoffe ich Mittel zu erfinden, welche weder ihrer fürstl. Gn.
:298 Wilhelm Diehl.
beschwerlich, oder eynem andern Professor! ahn seyner Zahlung
verhinderlich seyn sollen. Unter andern Mitteln ist auch dieses.
Es ist ein Ehrlicher Mann, welchen ich dahin disponirt, daß er
ein Stipendium stifften will, daß allezeit ein Studiosus zu Mar-
purg desselben genießen undt ihrer fürstl. Gn. sich verobligireii
soll, daß er sich auff das Studium eloquentiae begeben undt dahin
sehen wolle, daß er es in Theologia appliciren undt einen guten
Prediger geben könne. Welches itzo fast rarae aves sindt. Wann
nun dieser ehrliche Mann von der Academi dieses Capitals halben,
so er dazu vermachen wirdt, auff ein gewiß Unterpfand, genug-
sam könt versichert werden, also daß die Academi dieses Stipen-
dium davon richtig bezahlen wolte, könte mann dieses Capital
nehmen, undt nicht allein mich sondern auch sonst noch einen
Mann davon ein Jahr oder etzlich contentiren. Im Fall diese
oder dergleichen Mittel etwa falliren solten, hoffe ich, E. Exceil.
werden ihrem gg. Versprechen nach, mir Beförderung thun. daß
mir meine Besoldung alle Meß auß fürstl. Rentcanimer gegeben,
undt der Academi ahn ihrem Deputat abgekürtzt werde. Es ist
ein geringes, wirdt der fürstl. Renteammer wenig schaden, ich
aber kann es ohne höchste Beschwerung undt Verhinderung ahn
meinem scopo nicht entrathen. E. Excell. werden sich erinnern,
daß derselben ich ohnlängst zu verstehen geben, daß ich viel
auff frembden Academien auff meine Studia und Conversation
gelahrter Leuth gewendet und dannenhero ein hundert Thaler oder
etzlich schuldig blieben. Wann ich nun dazu ohne Besoldung;
leben solle, würde mir manche arbeyt gar widerwertig gemacht
werden. Mann würdt es leichtlich in diesem opere spüren können,
wann ich liberi et praesentis animi gewesen sey. E. Excell. ver-
sichern sich, werde ich ein wenig contentirt, ich will das Werck
mit Gottes Hülff so freuwdig und eyfferig ahngreiffen, daß das
gantze fürstl. Haus Hessen bey der Posterität Reputation davon
haben soll. VI. Verhoffe auch, E. Excell. werden ahnordnung
machen, daß der Amanuensis das versprochene fürstl. Rescript
bekomme, daß ihre fürstl. Gn. ihn nach vollendeter Arbeyt, auJ
seyn unterthänig ahnsuchen ihn für andern gn. befordern wollen,
wozu er qualificirt. Versicher E. Excell., daß es kein gemeyi^
Ingenium sey, und seine Stell wohl einmahl werde mit Ruhn»
zu orniren wissen. E. Excell. werden auch etwa eingedenck seyn»
wie er sonsten soll accommodirt werden. Undt weil mehr mi^
diesem W^erck es zu thun geben wirdt, alß mancher meynt, undt
aber der Amanuensis sehr fleißig ist, und des Nachts wird wiede^
einbringen wollen, was er des Tags in seinen privat-Studiis vef'
seumbt, alß bitt E. Excell. ich dinstl., sie wollen für allen Dinget
dahin gg. cooperiren, daß ihm zu Erwärmung seiner Stube ^
mögen 4 Claffter Holtz assignirt werden. Ich wolte wohl miltf^]^
linden, daß ihm ein ander das Holtz bezahlt. Weil er aber i
Sache so er abzuschreiben hat, niemand darff sehen lasse
muß er ein eygne Stub haben, undt allein wohnen. Daß Ubri
sey zu ihrer fürstl. Gn. genädigen Disposition gestellet, ob sie
seyner Alimentirun^ etwas w^eyters verordnen wollen oder nie
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 299
II. E. Excell. werden sich auch gg. entsinnen, daß sie den 2. Jul.
iiß Gießen berichtet, daß Unser Gnädiger Fürst und Herr dem
erm Oberforstm. Rauwen genädig befehlen wollen, daß er mir
ieses Jahr 12 Claffter Holtz, 2 stück Wildt undt 1 Sauw lieffern
3lle. Nachdem nun der Winter für der Thür ist, alß stelle
. Excell. ich ahnheimb, ob sie mir Beförderung thun wollen,
aß ich des Holtz halben eine Ahnweygung bekommen könne.
1 unverhofftem wiedrigen Fall müste ich mich bey Zeyten ander-
rerls versehen, ehe etwa, welches Gott gg. verhüte, des Krigs
olcks halben die Wald unsicher werden wolten. E. Excell.
Aachen, daß zugleich im Befelch ahn H. Oberforstm. des Wildts
;edacht würde, dörffte E. Excell. ich hinfuro nicht etwa weiter
larumb bemühen, undt würde veruhrsacht gegen E. Excell. danck-
öar zu seyn. Wie ich dann ohne das durch vielfaltige Guththaten
von E. Excell. so hart verobligirt binn, daß ich nicht weyß, wie
ich meiner Schuldigkeit genug thun könne.
E. Excell. verzeyhen mir, daß dieselbe ich dieser Sachen
halben so weitleufftig importunire. Ich hab die betrübte Weyß
ahn mir, daß wan ich meine Gedancken cum impetu auff ein Werck
geschlagen hab, undt werde daran verhindert undt laß gemacht,
so werde ich hernach des Dings gantz überdrüssig undt binn
hernach gar schwerlich dran zu bringen, Drumb bitte ich dinstl.
E. Excell. wollen machen, daß ich in jetzigem calore erhalten
werde. Ich hoffe wann ich drüber komme, ich wolle halt mit
^ttes Hülff viel gemacht haben. Ich hab mir fürgenommen, wann
<Üe Rechnung undt mein Promotionwesen furüber ist, ich wolle
einmahl ein par Monat nicht für die Thür gehen, und 3 Tag in
<ler Woche unice in Theologia studiren, die übrige Tag aber unice
auff diese Arbeit wenden. Im Fall Ihre fürstl. Gn. etwa ihre He-
solntion geendert betten, undt das Werck wolten ahnstehen lassen,
were ich auch in Unterthänigkeit wohlzufrieden undt wüste meine
Zeit genugsam ahnzuwenden. Ich habe jüngst ahn Ihre HochE.
St. Herrn Praesidenten Plessen geschrieben, hoffe nicht, daß Ihre
HochE. St. mir meinen gebrauchten Furwitz werden für übel
hallen. Im Fall aber seyne HochE. St. eynige üisplicentz daran
geschöpfft, bitt ich E. E. wollen ihrer preyßwürdigen Gewohn-
heit nach mich bestermahsen exculpiren. E. Excell. befehl ich
<^amit neben ihren lieben Ahngehörigen in Gottes Bewahrung undt
Weibe so lang ich lebe.
E. Excell.
gantz ergebener treuwer Diener.
Marpurg in Eyl am 27. Sept. 1641.
IX.
Schreiben von Schuppius an den Landgrafen Georg II.
vom 4. Dezember 1641.
(Darmstadt, Slaatsarchiv, IV, 1, 8.)
Was E. fürstl. Gn. wegen Ubernehmung des operis Historici
genädig befohlen, undt deswegen sich ferner fürstlich resol-
300 Wilhelm Diehl.
virt, hab ich mit unterthäniger Reverentz vernommen, untlt nicht
allein neben meinem dazu benötigten Amanuensi das juramentuin
taciturnitatis in Gegenwart E. fürstl. Gnaden Raths und Pro-
fessoris D. Tülsneri abgelegt sondern auch im Namen Gottes
ein würcklichen Ahnfang zu der Arbeyt gemacht.
E. fürstl. Gn. versichern sich, daß sie durch ihre nicht allein
auß selbigem schreyben sondern auch andern fürstlichen Be-
zeygungen verspürte Clementz mein gantz Gemüth dergestalt ver-
knüpfft undt verbunden haben, daß ich solang ein lebendiger
Athem in mir bleiben wirdt, gantz begierig undt eyferig seyn
werde, alles zu thun und zu leysten, was in meinen eusersteu
Kräfften und Vermögen ist, und was nur immer ein treuwer auf-
richtiger Patriot seinem so gütigen Landtsfürsten undt Herrn in
unterthänigem Gehorsam leysten kann oder soll. Ich hab offt
beklagt, daß E. fürstl. Gnaden hocherleuchten von Gott reichlich
gesegneten Verstandt undt andere heroische fürstliche Quahtäten
andere Leuth mir nicht allein alhier sondern auch hiebevor in
frembden Landen, so vielfaltig gerühmt, undt ich niemalß das
Glück gehabt habe, E. fürstl. Gnaden fast recht zu sehen oder
dero fürstliche hochweyse Discurs selbst ahnzuhören. Undt wie-
wohl ich zu diesem schweren VV'erck E. fürstl. Gnaden voll-
kommene Tugenden zu beschreiben ich mich gantz ungeschickt
undt viel zu gering befinde, so will ich doch nechst fleißiger Ahn-
ruffung der Göttlichen Allmacht mich Tag und Nacht dahin be-
arbeyten, daß E. fürstl. Gnaden undt die Posterität auß diesem
opusculo sehen, daß ich Fleyß, Vermögen undt unterthänige
Affection hab ungespart gelassen. Hoffe E. fürstl. Gnaden werden
ihrer offt hochgerühmten Gütigkey t nach mir mein Unvermögen
bis zu besserer Übung geuädig zu guth halten.
Ich ruffe Gott den allerhöchsten in warer Ahndacht meine>
Hertzens demütig an, und bitte er wolle E. fürstJ. Gnaden noch
viel erstreckte Jahr in gesundem Auffwesen undt florirendem fürst
liebem Wohlstandt erhalten, damit sie als ein exemplarischer
dapfferer weyser Regent nicht allein unser Hebes Vatterlan^t.
sondern auch die übrige gantze hochedle deutsche Nation niil
vielen hochweysen, friedfertigen Rathschlägen undt glücklichen
successen erfreu wen, undt meiner mehr willigen alß vermögendem^
Feder eine Occasion über die ander suppeditiren, E. FürsÜ-
(inaden unsterbliches Lob gleichsam wie in einem Spiegel der
Posterität zu zeygen, damit also E. fürstl. Gn. ihrer beyvvohnenden
hohen unvergleichlichen Qualitäten hochverdienten Lob bey den
Tugentliebonden Nachkommen empfinden, undt dieselbige ein
Exempel eines tugentreichen Regenten, von E. fürstl. Gn. nehmen
können. Derselbe getreuwe Gott wolle auch E. fürstl. Gnaden
fürstliche Gemahlin undt junge Herrschafft mit langem Leben
sättigen, undt auß einer fürstlichen Glückseligkeit in die ander
führen. Mit welchem christlichen Wunsch ich alles beschließe,
undt E. fürstl. (inaden genädigen undt l>eharrlichen Affection mich
in Unterthänigkeit ferner recommendire.
Geben Marpurg am 4. Decembr. 1641.
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 301
X.
Ichreiben von Schuppius an Philipp Ludwig Fabricius
vom 16. Januar 1643 nebst poetischen Beilagen.
(Darmstadt, Ministerium, Rektoratswahlen.)
E. Excell. sende ich hierbey etzliche carmina fast von den
ngsten, welche Herrn Landgraf Ludwigen zu ehren von den
diosis gemacht, undt bey seiner fürstl. Gn. ankunfft haben ahn
Kirche sollen geschlagen werden. Andere schöne Eccho,
ier. Sonnet, Hirten undt Musen Gespräch, undt dergleichen
ireiche poetische Inventiones, deren allzeit noch 15 Stück '
11, so theilß noch nicht gantz außgearbeitet, theilß noch nicht
Bschrieben, werde ich mit nechstem schicken. Stelle noch-
[ß zu E. Excell. weyser consideration, ob es nicht möglich sey,
1 einmahl ein geschrey davon spargirt, daß ihre fürstl. Gn.
en küniftigen Sontag herkommen. Ahn meinem wenigen Ort
it ich nacht und tag nachsinnen, daß Ihre fürstl. Gn. in diesem
cio gleichsam ein fundamentum famae publicae legten, undt
le nutz und frucht in Ihren studiis nicht abginge. Ist noch
e spes dazu übrig, so möchte ich wünschen, daß es durch
en eygnen hotten auf Darmstatt geschrieben würde, ich wolt
i hotten gern bezahlen. Daß Ihre fürstl. Gnaden in absentia
tirt werden, ist furwar ihre fürstl. Gn. nicht reputirlich proptei*
las causas, quas praesenti praesens exponam. E. Excell. ver-
fhen mir, daß deroselben ich so libere beichte. Sie schließen
raus meine dinstliche affection, welche E. Excell. so vielfaltige
leficien in mir erweckt und macht, daß ich; biß in mein grab
ch obligirt erkenne, beharrlich zu seyn
E. Excell.
gantz ergebener treuwer Diener.
Raptim in Marpurg 16. Jan. 1643.
a. Entschuldigung der auf^eschwelleten Lahn.
1. Zürnet nicht, zürnet nicht über das Schwellen,
Edelster Prinz, so ich neulich gemacht.
Warlich ohn meine Schuldt haben die Wellen
Hessenlandt in so groß Schaden gebracht.
Ich bin sonst vol Gütte,
Undt jage das Leidt
Von aller Gremütte,
Die sich bey mir zu erquicken bereit.
2. Alle die Berge, so immer gefunden
Umb diese Gegendt, die hatten zue Häuf,
Nur bloß aus Rachgir sich hefftig verbunden
Mir durch viel. Wasser zue hemmen den Lauf,
Weil ich so vol Gütte etc.
3. Aber ich habe nun alle^ vertrieben.
Was mir zuvor so verwirte den Sin,
Fließe nun sänfter nach meinem Belieben
Wieder durch Gärte und Felder dahin.
Ich bin ja vol Gütte etc.
30t2 Wilhelm Diehl.
4. Kommet nur, kommet nur, ich will mich hütten,
Schönester Fürst, daß ich bringe kein Schad
Nicht sobaldt wiederumb durch überschütten,
Weyll es viel Seufzer veruhrsachet hat.
Ich bin ja vol Gütte etc.
5. Phoebus der wil Euch den Scepter vertrauen,
Über der Musen geadelte Schaar,
So will ich alsdan mit Fleiße beschawen,
Wie Euch ich mindre des Winters Gefahr.
Den ich bin vol Gütte etc.
6. W"an nun der Früling wirdt wieder erscheinen,
Sollen die Offer in Blütte da stehn,
Weyl ich ohn Fruchtbarkeyt werde bey keinem
Können hinrauschen mit süßem gethön.
Ich bin ja vol Gütte etc.
7. Alß dan soll von Euch die Tugendt vermelden
Unser Herr Schupp, undt selbieger Ziehr
Billich vorziehen viel muthiegen Helden,
Unter dem schönen gemürmel alhir,
Den ich bin vol Gütte etc.
8. Kommet nur, kommet nur, ich will mich hütten
Schönester Fürst, daß ich bringe kein Schad
Nicht sobaldt wiederumb durch überschütten,
Weyll es viel Seufzer veruhrsachet hat.
Ich bin ja vol Gütte etc.
b. Marpurgcr Schäffer W^üntsche.
W'iewohl die Winterlufft sich hefftig außgelassen,
Jedennoch mit der Herdt auf einem Hügel saßen
Gantz nah bey dem Parnaß, der weise Coridon
Undt alte Titirus, undt redeten darvon,
Daß großen Schad gcthan mit vielem üebergießen
Die vormahls kleine Lahn. Indem kont man nicht wissen „
Was vor ein schöner Thon. nicht weit darvon geschact^ ,
Darumb der Titirus in solche W^ort entbrach.
Titirus.
Was mag dieses wohl bedeuten,
Daß dort oben ein Geschrey?
Man siht, daß schon diesen Leuten
Nunmehr fast vergessen sey,
Waß das W^1sser umb undt an
In gantz Hessen hat gethan.
Coridon.
Laß sich doch die Armen frewen
Wiederumb nach solchem leidt.
Denn der Himmel zu verleihen
Ihnen wollust ist bereit,
Weill der Fürst in diesem Landt
Herr der Musen ist erkant.
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. r?03
Titirus.
Ey, so will ich daii nicht schweigen,
Will mein Sackpfeif lassen gehn.
Nimm du Coridon dein Geigen,
Ich will besser wohl bestehn
Alß due, undt es machen recht
Bistu schon ein Musenlcnecht.
Coridon.
Nun es soll mir auch behagen,
Waß wiltu dan setzen auf?
Ich will diesen Stab hir wagen,
Gib ein Schaf due aus dem Häuf,
Wan der Sig im Singen mein;
So kanstu der Erste sein.
Titirus.
Wie der Lähnberg^ vielen andern
Gehet in der Höhe vor.
Wie due wirst umbsonst durchwandern
Diese Gegent bis auf Lohr
Undt nicht finden wohl ein Haus
Dem dis Schloß was gebe rauß;
Wie mein Stab vor andern allen
Jungen Mägdlein wohl gefeit;
Also muß auch wohl gefallen
Allen Völckern auf der Welt
Dieser Fürsten hoher Stamm
Undt so weyt berümbter Nahm.
Coridon.
Wie Parnassus edle Spitzen
Alle Berge stechen ab.
Wie die Mauren, so beschützen
Konten vieler Völcker Hab
Undt das Große Babylon
Andere stißen von dem Thron
Wie Apollo Leyer können
Keiner Sackpfeif werden gleich.
Also wirstu dich besinnen
Gantz vergebens auf ein Reich,
Da ein Stam, den dieser nicht
Weyt an Tugendt übersticht.
Titirus.
Wie ein Böc-klein vor zuegchen
Baldt sich schicket vor der Herdt;
Wie zue reiten thut l)estehen
Alsobaldt ein statlich Pferdt
Also thut Herr Ludwig auch
Wieder aller Jugendt Brauch.
•^prünglich: Langenberg.
304 Wilhelm Diehl.
Coridon.
Wen ein Adler kaum bekühlet
Schwingt er sich schon in die Höh*
Wen ein Lew die Zähne fühlet,
Sucht er wo er Raub erseh*
Auch der Fürst in diesem Landt
Macht sich in der Blütt bekandt.
Titirus.
Ey, so sollen dan die Felder
Ihm zue ehren fruchtbar sein,
Alle püsch' undt alle Wälder
Grünen, wan der Sonnenschein
Wieder Hirt undt Herd erfreuet
Mitt der güldnen Frülingszeyt.
Coridon.
Muthieges Hessen thue nicht vergessen der voriegen Trew;
Liebe vermehre und stets verehre, Herr Ludwig aufs New.
Alles gesinnen, alles beginnen dis fürstliche Hertz
W' irt dahin richten, daß es mög schlichten den traurigen SchmerU,
Den von viel Jahren due nun erfahren durch Krieges Gewaldt
Schädlicher Leute, die wegen Beute in Lieben erkalt.
Drumb Ihn auch krönet undt itz belehnet der Phoebus mit Macht
über die Schaaren, so zue vor wahren von Musen ver wacht.
W^en dis geführet undt sich verliehret bestimmete Zeyt,
Haben viel Kräntze, fröliche Täntze die Musen bereit.
Herr Schupp Euch tragen nach dem Behagen des Helicons auf
Allen zue singen von diesen Dingen, zue ziehren den Lauf.
Alles bekleibet, so Ers beschreibet bey ewiger Welt,
\Vas nur wirdt können weißlich ersinnen der Edelste Heldt.
Was wiltu nun hierzue sagen?
(lehn dir solche Reim auch ab?
Wirstu es nun weyter wagen
So bin ich ein rechter lap,
(reit due kanst itzundt gar Naut?
Schem dich nur in deine Haut.
Der Titirus blutrot, warf seine Sackpfeif nieder,
Sah Coridon schel an, verfluchte alle Lieder,
Undt gab ein Schaf, undt meint, er bette sehr geirrt,
Daß er so töricht mit dem Mauskopf sich verwirl.
c.
0 wolte, wolte Gott, ihr bettet ewre Gaben,
Die in der Poesi Opitz und andre haben,
0 Musae mir verehrt, so würde diesesmahl
Der Printz, der Edle Printz, der Hessen, dem die Wahl
Und Würde hat gebracht, daß er ein Scepter führet,
Ein Scepter, wie bekand, daß Königen gebühret,
Ein würdig Lobgedicht in Unterthenigkeit
Empfangen. Hier gebrichts. Doch ist der Will bereit
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 305
ohlan du liebe Leyr, so laß ein Thon erklingen
^r schlechten einfalt nach, laß deine Seyten zwingen
Von unerfahmer Hand, und sey auff Lob bedacht
Nach bester Möglichkeit, nicht wie mans sonsten acht.
n^, weret ihr, o Printz, nicht fürstlich vom Geblüthe
iß Königlich doch ist, hett gleichwohl daß gemüthe
Zum Fürsten Euch gemacht! Ja singe auch, daß Bluth
Wie göttlich es auch ist, bey euch das minste thut.
in seyt ihr nit ein Bild und. Spiegel aller Tugendt
m Mutterbrüsten ahn, vom ersten Jahr der Jugendt?
Hatt nit der große Sin und fewrige Verstandt
Auff daß waß göttlich ist, von Kindheit sich gewandt?
rumb hatt der große Fürst, von dem ihr seyt entsprossen
) bald er nur vermerckt, daß Phöebus hab begossen
Den unvergleichten Sin mit seiner gaben schaar
Gantz keine müh gespart, dieweil er Vatter war,
am Vatterland zu guth, also zu unterbawen
atß die Posterität hieran mög Wunder schawen.
Diß aber hatt gefehlt, weil Phoebus nit gewolt.
Daß sein beliebter Sohn Regierer werden solt
i seinem großen Reich, erst nach so vielen Jahren:
ein, sprach er, nit also. Jetzt sollet ihr erfahren
Sonst unerhörte Ding. Dieweil sichs umgewand
Daß dießer junge Printz den Alten ahm Verstand
nd Künsten kommet gleich; Soll er Gesetze geben
arnach in meinem reich all Unterthanen leben,
In seiner Jugendtblüth : dan der die Cron verdient
Er sey jung oder alt, der wird damit gekrönt,
lück sey, o wehrter Fürst, bey dießen hohen ehren
ie der gelehrten schaar und Phoebus euch gewehren:
Die Weyßheit selber nuhn euch ihren Herren nennt.
Daß ist der rechte Lohn, daran man Tugend kent.
5r Macedonier und andre Potentaten
an sie umb höchstes Glück die alte Götter bathen.
So wünschten Sie allein, daß in der Weisen Chor
Und Künsten in der Welt, sie andern kehmen vor.
^ß habt ihr, Edler Fürst, mit höchstem rühm erlanget.
^d noch zum Überfluß ihr mit dem Scepter pranget
Das alle Kunst regiert; dem Scepter, so die Welt
Und gute Policey in ihren Schrancken helt.
lück zu, o Hessenlandt, du magst dich seelig nennen^
aß du wirst dermahleins ein solchen Fürsten kennen,
Durch dessen hohen Sin und mechtigen Verstandt
Wird wohl regieret sein daß gantze Vatterlandt.
^ch den die güldne Zeit und Fried wird wiederkommen
^a über zwantzig Jahr gantz Teutschland nit vernommen
Dan wird die große angst und Threnenflüß verkehrt
In Frewdenzeichen sein und waß man lang l>egehrt
lo wird daß öde Feld und umbgekehrte Awen
ersüngen ihre Frewd, wan jedes sehn wird bavven
Beltrigre z. Gesch. d. Unlversit&ten MalDz u. Gießen. 20
306 Wilhelm Dielü.
Das, so Pest, Raub und Brand in Grund verwüstet hat
Ja lauter Frewdigkeit kombt an der Threnen stat.
Wan dan ein besser Lied von den gelehrten Zungen
Dir wird, o thewrer Printz, zu Ehren sein gesungen.
So soll mein alte Leyr, wan gleich auch keiner will,
Von deiner Tugendt Lob doch nimmer schweigen still.
XL
Schreibeil von Schuppius an Maximilian zum Jungei
vom 7. November 1643.
(Darmstadt, Staatsarchiv, XII, 154.)
Nechst dem von E. Hhg. ich abgeschieden, hat es so '
seltzame änderunge an diesem Ort gegeben, undt last sich n
ferner so seltzam an, daß ich undt andere gute leuth unser :
selbst vergessen. Undt ist dieß die Uhrsach, daß E. Hohg. ich
hero nicht ferner zugeschrieben, undt mich bedanckt für alle
zeygte hohe Gunst und Beförderung, welche zu verdienen ich
mein Lebtag will hochlich angelegen seyn lassen. Undt da
E. Hohg. ich ferner Occasion an Hand gebe, mich je mehr
mehr zu verknüpfen, so erinnere dieselbe ich unterdinstlich,
ich jüngst gedacht, wie meine nothurfft erfordere, daß ich
Stück Gelt uff meines genädigen Fürsten undt Hern schrifftlic
Consens undt sowohl ihrer fürstl. Gnaden alß auch meine
thane genügsame Versicherung aufnehme. Hab zu dem End un
dinstlich gebeten E. E. hochg. wollen mir ferner die grose
förderung thun, und auß gewissen Uhrsachen an ihrem ho
Ort durch ihre vielgeltende Authorität dahin cooperiren, daß
Jud im Vogelgesang könne dazu disponirt werden, alß welcl
der mcynigeu Zustand bekant, undt der auch desto kühner
hochg. ihrer fürstl. Gnaden im Widerfordem seyn undt derowe
mich desto eher wider auß der Obligation bringen könte, in (
er mir Anlaß geben würde, auf die Zahlung desto besser
tringen, wann er mich treiben würde. Wann nun dazu Hofn
vorhanden, bitte ich unterdinstlich E. E. hhgg. wollen durch d
praeceptorern mich mit zweyen Worten berichten lassen. 0
durch Zoygern dieses Herrn Hans Georgen Neubauwern, dem
etwas zu thun undt darauf vertröstet habe. E. E. Hhgg. wöP
mich sehr dadurch obligiren, undt es würde an starcker \
Sicherung a parte Illustrissimi nicht mangeln, alß desen Für
Gnaden itzo meiner armen Feder zu gebrauchen, undt derowej
es mir an genädiger Hülf nicht werden mangeln lassen, wann
nur Mittel zu helfen vorschlagen werde. W^olte von Unserm ^
stand particularia schrcyben, wann ich nicht eben mit and<
verdrießlichen negociis obruirt würde undt Zeiger dieses eyl<
E. E. Hhgg. werden theils von Ihm selbst vernehmen könn
Womit E. E. Hgg. neben allen dero lieben Angehörigen ich
(xottes genädigen Schutz empfehle, undt bleib so lang ich lebe
E. E. u. Hhgg.
gantz ergebener treuwer Knecht undt Diene
In höchster eyl.
Marpurg am 7. Nov. 1643.
l
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 307
xir.
Schreiben von Schuppius an Maximilian zum Jungen
vom 5. Dezember 1644.
(Darmstadt, Staatearchiv, XII, 154.)
Wie hoch E. Wohl E. St. ich mich obligirt erkenne, hette
ich schon längst in einem publice scripto remonstrirt, wann nicht
andere sonderbare Geschaffte, Widerwertigkeyten undt Schwach-
heyten mich bisher dran verhindert undt es aufzuschieben mich
genötiget betten. Inzwischen schwebt E. St. grose Humanität mir
immer für Augen, und macht mich so kühn, daß dieselbe als
einen arbitrum meines künfftigen Glücks ich ersuche, undt die-
selbe bey dieser zwar eylfertigen jedoch sicheren Gelegenhey t
umb einen guten Rath bitte. E. St. hab als einem berühmten
Patrono operum literatorum, ich schon für einem Jahr zu Franck-
fort gekla^gt, wie mit groser Beschwerung ich mich nun ins
zehende Jahr bey der Philosophischen Facultät zu Marpurg auf-
gehalten, undt weyl der Universität alle Mittel zerrinnen, undt
mit menschlichen Augen keine Besserung noch in vielen Jahren
zu ersehen sey, were mir unmöglich dieß Leben lä,'nger zu con-
tinairen, in sonderbarer Betrachtung, daß ich weder mein oder
meiner Hausfrau wen Patrimonium in Händen hab, sondern an
meiner Besoldung hangen müsse wie ein Kind an seiner Mutter
Brüsten. Weil nun dieselbe so viel Jahr außen blieben, müsse
ich mich notwendig in despect setzen, weyl ich keinen Credit halten
könne etc. etc. Euwer St versichern sich, wann ich meinem
ärgsten Feind mein Uhrsachen all entdecken sollt, welche mich
bewegen, daß ich alß ein mühdes abgemattetes Pferd, aus diesem
i «cwegeii, uajj icii aiu tjiii iiiuimti.s augeinai.ii.n45s ri«iii, aus uiestsiii
[ Professorischen Joch gern weite ausgespannet seyn, er würde
\
\
sie für erheblich genung halten, wann nur noch ein christlicher
\ Blutstropffen in seinem Hertzen zu finden were. Ein Stück dieser
Ührsachen hab ich meinem Patron Vice Statthalter Plessen ent-
[ «leckt, welcher zwar ungern siehet, daß ich von der Universität
I sollt abgerissen werden, weyl er aber meine Resolution so fest
gegründet befunden, hat seine St. mich gar beweglich an Unsern
^enädigen Fürsten und Herrn reconmiendirt, undt gebeten, daß
Ihre Fürstl. Gn. auf anderwertliche Beförderung genädig bedacht
seyn wollen. Es hat auch Herr Stall ha Her mir zu verstehen
geben, was Ihre fürstl. Gn. Ihm mit eygnen Händen geantwortet
haben.
Undt ist an dem, daß ich zum SufKirintendenten zu Schmal-
^Iden begehrt werde, wie E. St. unter andern aus Herrn Super-
miendenten Praetorii Originalschreyben zu ersehen, da er gedenckt
*^ medio epistolae: Successorem i)raeler Te nulluni alium de-
sidero esse. Nun stehe ich abermals in Sorgen, ob meine Wider-
Fertigkeit hierdurch möge geendet oder vielmehr in ein ander
Model gegossen undt also nur geändert werden? Dann 1. ist
5<lhmalkalden ein Ort, den Unser Genädiger Fürst und Herr nur
Pfandsweys inn hat, undt ist mann nicht versichert, daß mann
®'nen Monat da sicher bleiben könne, so ^ar lassen sich die
20*
308 Wilhelm DiehL
Cassellaiier itzo mit ihrer Intention heraus. Nun hab ich eine
weitlaufftjge Bibliothec, welche ich nicht zurücklassen kann, soll
ich diese mit grosem Unkosten den unsichem Weg führen, eine
neuwe Haushaltung formiren, undt nicht wissen, ob ich über
Nacht wider aufbrechen müsse, das kompt mir undt den meynigen
sehr beschwerlich für. Zum Andern hab ich einen alten Vatter,
von dem ich ein ehrlich Patrimonium zu erwarten, ziehe ich weit
von Giesen, so sind Unser Sachen so gethan, daß ich deren
wann ich weyt davon binn, nichts werd genießen können. Anderer
Discommoditäten zu geschweygen. Ich hab zwar alles in Gottes
genädigen Willen gestellet. Jedoch hat ein Mensch auch seinen
Verstandt von Gott, daß er desen braucUs^ E. WohlE. St.
verzeyhen der eylfertigkeyt desen, dem ich diesen Brief anver-
trau we, welcher mir nicht zuläst mich recht zu expectoriren,
und mit gebührender Discretion E. WohlE. St. mein Anliegen zu
entdecken. Mit wenigem erinner E. WohlE. St ich etzlicher
hochg. Wort, so dieselbe gegen mich schießen lassen, als von
derselben ich zu Francfort Abschied nahm. Undt schütte in
höchster Demuth dieß Arcanum in E. St. Schoa, und beychte
deroselben von Hertzen, daß mir nach Marpurg kein Ort in
der gantzen Welt bequemer sey, darin ich mein Leben zubringen
möchte, als Francfort. Wann nun Hern D. Tettelbachs Stell
besetzt were, undt ich könte im Ministerio eine quamcunqu«
stationem haben, also daß mir dabey das Gymnasium anver-
trauwt würde, dasselb in Flor und Aufnehm durch Gottes Hüli
zu bringen, Ich wollte alle meine Kräffte darin consumiren, und
leicht auf Mittel dencken, daß Ihre Fürstl. Gnaden mich iJ^
Genaden dimittirten. £. St. entdeck Ich dieß arcanum nicht
alß einer vornehmen Regimentsseulen, sondern als ihrer Privat-
person, und meinem Hochgeehrten Patron, undt sage das, daß
ich keinem Menschen auf der Welt lieber gönnen wolt die Ehr
mich zu befördern, alß E. St. Will demnach derselben micli
hiemit selbst gleichsam schencken undt verehren. Ein besser
Geschenck als mich selbst, hab ich nicht. E. St machen aas
mir, was sie selbst wollen, so wird das Greschenck desto precioser
werden. Käthen E. St. mir, daß ich die Gondition zu Schmal-
kalden acceptire, so seyen sie versichert, daß sie an dem Ort
einen Diener haben werden, der täglich für sie beten wird-
Rathen sie mir aber etwas anders, so will deroselben ich auch
gehorsamlich folgen. Euwer St. thuen doch in diesem Fall bef
mir wie sonsten Ihre hochlöbliche Gewohnheyt ist gegen tugeD<i-
liebende undt arme Leuth zu thun. Die erste Belohnung, «r*
warten sie von Gott, die ander mit meinen treuwen DinsleD
zu erlegen will ich mir aufs höchst angelegen seyn lassen. Herr
Praetorius wird den nechsten allhier erwartet. Dmmb bitt E. St
ich demütig, sie wollen Ihrem Domestico M. Matthiae nur mit
zweyen Worten befehlen, mir zu schreyben, ob und wie ich nüA
wegen Schmalkalden resolviren solle? Ich schreyb Unserni
Herrn Gott nicht für, hoffe aber E. St. werden meine innerste
Hertzensgedancken, welche ich wegen Franckfort hab, nicht übel
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 309
ausdeufen. Ich rede also davon nach menschlicher Thorheyt,
undt überlasse Gott (qui per media agil) die Disposition. Undt
damit ich in meiner Thorheyt fortfahre, so mach ich mir leicht
die Gedancken, es werde, wann etwas furgehen sollte, Difficultät
haben, wegen der Oberstell. Allein E. St. seyen versichert,
wann mir dieselbe offerirt würde, daß ich sie constantissima
modestia recusiren wolte. Mallem ego locum ornare quam a
loco omari. Ich binn durch so viel Vanitäte gangen, daß ich
nun das Ding weniger als nichts achte. Ich weys, was es thut,
wann man von seynen Collegis geneydet undt nicht recht geliebt
wird. E. St. lassen mir nach ihrer beywohnenden Höflichkeit
zu, daß ich meiner süßen phantasey weyter indulgire, undt mich
erbiete, wann ich spem an das Ort haben könt, undt an meinen
Qualitäten in Theologicis mangel were, wolt ich alsobalt meine
Profession quitiren, undt mich eynig im Deutschen Haus noch
ein Jahr concionando exerciren, mich sonsten in Theologia üben
und also femer durch Gottes Hülf capable machen. Sed quorsum
ego? E. Wohl E. St. nehmen hieraus ab die grose Confidentz,
so zu derselben ich geschöpfft, undt wie begierig ich sey, mich
diefer in deroselben Schuld und Observantz zu setzen. Die eyl-
fertigkeit des Überbringers vergönnet mir nicht, daß ich alle Wort
auf die Wag lege, welches ich auch nicht für gar nötig halte bey
einem solchem Patron, desen hoher Verstand mein demütiges
Hertz ansehen, undt dieses von einem geängstigten redlichen
Gemüth hergeflossenes eylfertiges Schreyben mit ewiger Ver-
schwiegenhey t vergraben wirdt. Ich widerhohle meinen christ-
lichen Wunsch so für E. W^ohlE. St. und dero hochangehörige
ich oft thu, undt bleib mit gantzem hertzen
E. WohlE. St.
treuwer gehorsamer Knecht u. Diener sohmg ich lebe
Raptim 5. Xbris 1644 in Marpurg.
XIII.
Protokoll der Vernehmung Schu[)ps in der Disziplinarunter-
suchung wegen Anstellung der Betstunden.
(Darmstadt, Staatsarcliiv, V, 7, 4G.)
^«n 4. Januarii Anno 1645.
Ist Herrn Lt. Schupi)en, Professorii und Predigern zu St. Eli-
sabethen Kirchen durch den Cantzleyknecht angezeigt worden,
*^6 daß im Nahmen und von wegen des Durchleuchtigen Hoch-
gebornen Fürsten und Herrn, Herrn Georgen, Landgrafen zu
Hessen, Unsers gnedigen Fürsten und Herrn, wir mit ihme etwas
nolhwendiges zu reden iieitcn, und er doch auf die Cantzley
kommen, und solches vernehmen wolle, solle Er, wie der Cantzley-
inecht berichtet, zur Antwort gegeben haben, 1. Er wehre etwas
unpäßlich, 2. bette auf zwey Predigten zu studiren und 3. wüste
nicht, ob er ohne Serenissimi Specian)efelch erscheinen solte,
sich aber doch zu bestimbter Zeit noch eingestelt.
310 Wilhelm DiehL
Darauf ist in Praesentia Herrn Vicepraesidentens, Johann
Adolph Rawens von Holtzhaußen, Herrn Vicecancellarii D. Ruppels.
Herrn Superintendentis D. Herdenii, Herrn D. Hannekenii, Ilerrn
I). Seilen, Herrn D. Gehren, und Herrn Lt. Ruppels mit ihm ver-
handelt worden, wie folget.
Anfänglich ward ihm vorgehallen, welchergestalt die fürstl.
Regirungs Räthe in Erfahrung gebracht, ob solte Er in der
St. Elisabethen Kirchen eine sonderbare Bettstund angeordnet,
solches publice vor dem Altar verkündiget und noch darzu ein
eigenes Gebet begriffen, solches trucken zu lassen begehret, und
darinn gesetzet haben, daß erstlich vor den Römischen Kayser.
2. vor den Teutschmeister, 3. vor das fürstl. wHauß Hessen und
4. vor die Ordens Personen solle gebeten werden.
Nun betten wir unß selbst christlich zu erinnern, daß das
Beten hochnötig wehre, und wir die Intentionem, welche Herr
Lt. Schupp etwa haben möchte, nicht improbiren könten. Es
müste aber solcher Anstalt also gemacht werden, damit unsemi
gnedigen Fürsten und Herrn und dero hochlöblichem Fürstlichem
HauB Hessen dardurch in nichts praejudicirt noch einige ge-
fährliche Newerung zugezogen würde : wie dann niemahls erhört,
daß in St. Elisabethen Kirchen vor den Herrn Teutschen Meister,
oder die Ordens Personen gebeten worden wehre. So pflege man
auch nicht in geiiere vor die Fürsten zu Hessen zu bitten, sondern
es würde jedes Orts der Landsfürst vorgesetzet, dero F. Gn. Fraw
Gemahlin, fürstliche Kinder und dann dero Herrn Brüder dar-
auf benand, und eRdlich des fürstl. Hauses Hessen in genere ge-
dacht, und bette ihme in allwege obligen und gebüren wollen,
solcher nachdencklichen wichtigen Sachen sich nicht allein nicht
anzumaßen, sondern uffs wenigst die F. Regirung, oder den
Herrn Superintendenten darvon zu berichten, alsdan hette alles
mit besserer Manier hergehen können: Item, man möchte ieti-
under leichtlich etwas anordnen, welches hirnechst die Pontificü
allegiren, extendiren, und zu ihrem großen Vortheil gebrauchen
dürften, doch hettcn wir vor eine Nottnrft erachtet, Ihn selbst
zu hören, und mit ihm aus diser Sachen zu comnmniciren, wie
er etwa vermeine, eines und das ander zu behaubten.
llle: hette ietzunder seine Gedancken nicht frey, möchte
wünschen, daß er zu anderer gelegenheit erfordert worden wehre.
doch wolle er so viel ihm thunlich sich vernehmen lassen, fragte
demnach sobald, ob der Teutsche Meister nicht der Teutschen
Ordens Personen Obrigkeit wehre?
Nos: Ja, doch certo respectu, und daß unser gnediger Fürst
und Herr als Landsfürst vornehmlich geehrt und dessen Lands-
fürstliche Hoheit beobachtet würde.
nie: Weil dan wir geständig, daß der Teutsche Meister der
Ordens Personen Obrigkeit wehre, so wehre Gottes Wort gemitf,
daß man vor die Obrigkeit betten solle, welches er gethan.
Nos: Er müste aber auch nichts newes, noch solche zur
bösen Consequentz gereichende Ding anstellen, sondern der fürstl.
Hessischen Kirchenordnung und herbrachter Observantz sich con*
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 311
•mireii, darinn würde er finden, daß zwar vor alle Christliche
tentaten in genere solte gebeten werden, gar nicht, daß er
specie vor den Teutschen Meister beten solle.
nie: Er wüste nicht, wie er sich in dise Sachen richten
Ite, man wolte Mücken säugen, und Cameel verschlucken.
Nos: Das wehren sehr harte picquante unbedachtsame Wort.
, man also zu reden nicht pflegete. Wir sässen alhir im Nahmen
id von wegen des Landsfürslen, und seyen schuldig und pflichtig,
rer f. Gn. jura besten Fleißes in acht zu nehmen, gantz nichts
»er zu negligiren, oder zu versäumen, und betten mit ihm
acide reden wollen, So gebrauchte er sich nur solcher un-
jscheidener W^orten, solte sich versichert halten, daß wir an
(hörigen Ort dises underthänig berichten werden, und waji er
it dem Herrn Superintendenten, als seinem Obern auß diser
ächen vorher communicirt hette, wie er zu thun schuldig ge-
esen, würde selbiger ihm andere und bessere Information ge-
?ben haben, maßen dan under anderm zum Exempel referirt waitl,
hnangesehen Chur-Trier Condominus zu Ober-IU)spach wehre,
aß doch der Pfarrer in specie vor selbigen nicht bitten dörffte.
nie: Er respectirte den Herrn Superintendenten als einen
Iten vornehmen Theologum, aber als seinen Obern zu respec-
ren, dessen hette er keinen Befelch, auch hette L). Steuberus
el. selbigen als einen Obern niemahls agnoscirt, wie dan auch
er Herr Landcommenthur nicht nachgeben wollen, daß er sich
Ihir in der Stattkirchen hette ordiniren lassen dörffen, sondern
etle eher naher Franckfurt reisen, und daselbst sich ordiniren
issen sollen.
Nos: Der Carlstadische Vertrag brächte cläriich mit sich,
aß Serenissimus Landsfürst wehre, und in dero Land das jus
piscopale hette. Item daß die Prediger in St. Elisabethen Kirchen
ach der fürstlichen Hessischen Kirchenordnung sich reguliren
'üslen, hette nun Serenissiiims das jus episcopale und kein
nder, so würde er auch Serenissimum und diejenige, welche
Ire F. Gn. an dero statt verordnet, als seinen Superiorem halten
nd erkennen müssen, und hette ihme darurnb gar nicht gebüret,
n absonderliches Gebet zu machen, und gantz newerlich den
eutschen Meister und andere Ordens Personen, darin zu setzen,
eniger vor sich eine absonderliche Bettstund anzuordnen, son-
-rn hette er erstgedachten Carlsladischen Vertrag besser be-
Jachten sollen.
nie: Der Carlstadische Vertrag würde ihn nicht selig machen,
K:h am jüngsten Tag verantworten. Er hette seine erhebliche
rsachen zu solchem gemachtem Anstalt, insonderheit aber wehre
m beweglich zu gemüht gangen, daß auf den Sontag im Teut-
hen Hauß nur eine Predig und zwar des Morgens uinb Sechs
IT gehalten und darauf der gantze Tag entweder mit Fressen
d Sauffen, Müßiggang und sonsten das sextum praeceptum zu-
icht werde, item daß die Annen in ihrem Christenthum so
ilecht erbawet wehren, daß über zwey oder drey das Vatter
jer nicht recht beten könten, disem allein nun hette Er, so viel
312 Wilhelm Diehl.
möglich vorbawen, auch daran sein wollen, daß die arme Leulhe
besser hetten beten lernen sollen.
Nos: Seine Intention würde von uns gar nicht improbir!.
sondern er hette einen andern modum gebrauchen, und es mit
Vorbewust Serenissimi oder der f. Regirung anstellen, und dem
fürstl. Hauß Hessen zu Praejuditz und dem Pabstumb zu Vortheü
gereichende Newrung nicht vornehmen sollen.
nie : Er hette mit den Herrn Theologis auß diser Sachen com
municirt, die hetten sich ja solches belieben lassen.
Herr D. Hannekenias: Sagt Ja, Er hette mit Ihme geredet
auch das abgefaste Grebet zu censiren geschickt, darmit es ge-
trucket werden möchte. Er hette aber mit dem Herrn Superinten-
denten tmd andern seinen Herrn Collegis in Facultate Theologien
communicirt, welche nebens ihm darvor gehalten, es wehre nicht
zuzugeben, daß das Gebet sonderlich mit der Ueberschrift auf
Anordnung des Herrn Landcommenthurs getrucket würde, so er
Herrn L. Schuppen angezeigt, und darbey errinnert, Er wüste
nicht, ob es styli wehre, daß man vor den Teutschmeister und
Landcommenthur also bäte und solte Lic. Schupp sich darinn
wol fürsehen. Item es würde sich nicht schicken, daß man nur
in gencre vor die regirende Fürsten in Hessen bähte und unsere
gnedigen Fürsten und Herrn in specie nicht gedächte, sintemahl
wir ja mehr vor Ihre f. Gn. als vor die Fürstin zu Cassel zu bitten
hetten: Item Herr Lt. Schupp hette referirl, das Gebet solte im
Hospital abgelesen und verrichtet werden, und w^ehre der Kirchen
nicht gedacht worden. I
II le: Wann er wissen solte, daß es ihm Ungelegenheit
geben solte, wolle er lieber den Dinst garitz resigniren, hette doch
nicht so viel darvon, daß er einer Magd lohnen könne.
Herr D. Hannekenius: Er solte sich bedencken, was er
redete, es ließ sich nicht thun, daß man unserm Herrn Gott den
Stul wolte vor die Thür setzen.
Nos: Das wehre keine Ursach, den Dinst zu resigniren, dann
daß wir die Errinnerung thäten, und zwar nicht unbilHch, vor
unserm gnedigen Fürsten und Herrn, exclusis Magistro et mini-
stris ordinis Teutonici allein zu bitten, das wehre die Ursacb?
weil Ihre f. Gn. Landsfürst wehre, und dan auch nicht die Teut-
schen Ordensherm die Intraden zu Underhaltung der Armen, derep
die Teutschen Herrn Pflegere wehren verschaffet, sondern d^^
Fürsten von Hessen nach und nach alles hergeben hetten, E''
solte selbst bedencken, was vor gefehrliche Inconvenientien dar-
außer entstehen könnten wann der Anstalt mft der Bettstund^
bey dem Landcommenthur stehen, oder man vor dem Teutschefl
Meister und die Teutschen Ordens Personen in der Kirchen beten
wolle, und daß sich solche und dergleichen nachdenckliche Sachen
ohne Ihi-er F. Gn. Vorbewust nicht anstellen ließen, wie dan wir
nicht nachgehen konten noch wollen, daß er die Betstunde femer
halten möchte, sondern solte warten, biß Unser gnediger Fürst
und Herr von der Sachen underthä^ig berichtet wehre, und sieb
darauf gnedig resolvirt helle.
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 313
Hirauff hat Herr Superintendens per discursum gedacht,
wie so vielmahl Errinnerung geschehen, daß ein Prediger im
Teutschen Hauß, wan er die Beicht hörete und das Abendmahl
des Herrn halten wolte, außer den Ordenspersonen und Dienern,
Niemand weiter admittiren, sondern die Bürger und Bürgerin
remittiren solte, dessen aber unerachtet, vernehme man, daß
noch immer fort sehr viel Bürgersleuthe in der St. Elisabethen
Kirchen zum Tisch des Herrn gingen.
nie: Er wüste nicht, was das vor Picquen wehren, daß man
solches verbieten wolle.
Herr Superintendens: Ey wie er doch darzu komme,
und dise Erinnerung Picquen nennen möchte, die Cieistliche in
der Stattkirchen betten ihre befugte gnugsam erhebliche Ursachen,
und betten selbige allein wegen der Bürger curam animarum
und wehre billich, wo einer hingepfarret wehre, daß er auch
daselbst zum Tisch des Herrn gehen müste, maßen dan die
fürstl. Erleuterungs Puncten über die Kirchenordnung solches
austrucklich erfordern.
nie: Es wehre ihm leid, daß soviel Personen bey ihm im
Teutschen Hauss zum Tisch des Herrn gingen, und wüste er
nicht, wie er solche zurückweisen könte. Er sehe selbst, daß es
eine Confusion gebe und wüste er wohl, daß die Bürger in der
Statt seine Schaafe nicht wehren.
Nos: Dieweil die Bürger in der Statt seine Schaafe nicht
wehren, so solte er Sie auch nicht weiden, und könte er der
Sachen leichtlich rahten, wan er die Bürgersleuthe von sich ab,
nnd zur Stattkirchen wiese, wann man aber die Leuthe gleichsam
an sich reitzete, und Ursach darzu gebe, so gienge es alsdan
alsoher, und betten wir vernommen, daß verwichenen Newen
Jahrstag Er einen Pfarrer von Seelheim zu sich genommen,
welcher nebens ihm die Beicht hören helffen, welches gleichfalls
niemals erhöret worden wehre.
nie: Er wehre ein Ordenspfarrer, den würde er ja zu ge-
l>rauchen Macht haben.
Nos: Das geben wir nicht nach, sondern (sicut Dn. Super-
intendens addebat, der Pfarrer von Selheimb M. Happel bette
seine Vocationem naher Sehlheimb und nicht anhero) und seye
^ben die Ursach, daß die Bürgers Leuthe so heuffig in der St.
Elisabethen Kirchen zum Tisch des Herrn giengen. Er solte bey
des Ordens Leuthen bleiben, und die andere zur Haubtkirchen
remittiren, zumal er verschiedene Leuthe admittire, uinb welcher
Thun die Stattprediger und Kirchen Seniores offtmals solchen
Bericht betten, daß selbige allezeit so schlechthin nicht zu ad-
niittiren wehren, Er bette die Kirchenordnung und die Erklärungs-
puncten, damoch solte er sich achten.
nie: Er bette kein Exemplar, Herr D. Steuber hetle zwey
Eiemplaria gehabt, und wüste er nicht, wo solche hinkommen
Mehren.
Nos: Wir wolten schon darauf bedacht sein, daß Er ein
Exemplar bekommen solle.
314 Wilhelm Diehl.
XIV.
Memorial Schupps an den Landgrafen, Anfang 1645.
(Darmstadt, Staatsarchiv, V, 7, 46.)
Memorial.
1. Daß Ao 1632, als das Studium Eloquentiae lange Zeyt
auf dieser Academi darnieder gelegen, und ich von fremden Uni-
versitäten kommen, und exercitii gratia memoriter perorit und
ein collegium historico-Geographicum angeschlagen, Herr Cantzlar
Wolf wider meine Gedancken mich zu sich erfordert, und nach
gethanen grosen promissen mich adhortirt, daß ich mit dem
Studio Theologico das Studium Oratorium fleißig treiben, in
ihre fürstl. Gnaden Dinst mich begeben, und nicht allein mit
den Stipendiaten, sondern auch mit andern Studiosis allerhand
exercitia anstellen solle. Dafür wollen Ihre fürstl. Gnaden mir
nicht allein ein jahrliches Recompens geben, sondern auch 2 oder
3 Jahr auf ihrer fürstl. Gnaden Unkosten auf frembde Univer-
sitäten schicken.
2. Als aber ich solches eine Zeit lang angetrieben, undt darauf
in Holland gereyst, da heutiges tags die beste Oralores leben,
ist die böse Zeyt eingefallen, und sonderlich nach der Nörd-
linger Schlacht das Land durch Pest und Krieg sehr ruinirt
worden, Herr Cantzlar Wolf auch meyste Zeyt außerhalb Lands
dem Pacificationswesen abgewartet, also daß sich niemand meiner
angenommen, da ich dann meinem genädigen Landsfürsten, dem
Vatterland und der Universität zu ehren, von meinen eygnen Un-
kosten dieß Studium continuirt, und nun hören muß, daß man ■
mir diese wohlangewendete sumptus an meinem patrimonio ab-
kürtzen wolle.
3. Im Anfang meiner Profession hab ich mich bey rechter i
Pferdtsarbeyt mit 140 fl. Besoldung contentirt, biß endlich ihre
fürstl. Gn. meinen Fleis und Treuw mit genädigen Augen ange- i
sehen und mir die Besoldung vermehrt. Da aber alsobalt die
VVeymarische Armee ins Land kommen, und bishero die Besoldung ^
ins Stecken gerathen.
4. Was ich durch Gottes Bey stand bey der Profession gethan, i
davon werden die zeugen können (wann sie aufrichtig wollen
zeugen) die sich meiner Inventionen gebraucht, mit meinen
Federn geschmückt undt in oder auser dem Land, in Dinsten
sitzen oder sonsten noch sich qualificirt machen.
5. Weil ich aber mit dem Ding et quidem docendo nun mW
12 Jahr zubracht, nicht allein in Academiis, sondern auch in
officio das meinige drüber zugesetzt, meine beste Zeyt damit
verderbt und mich in meinem studio theologico gehindert, da
hergegen andere so auf Ihrer fürstl. Gnaden Unkosten studirt,
haben ruhig sitzen und ihrer facultati superiori abwarten können,
undt nun die unumbgangliche Nothurfft erfordert, daß ich micb
mit ernst und allem Fleiß aufs Studium theologicum lege.
Neue Beiträge zur Greschichte Schupps. 315
6. Als ersuche Ihre fürstl. Gnaden ich unterthänig und de-
mtig, sie wollen meiner genädig eingedenck seyn, und mich als
in mühdes Pferd genädig ausspannen, undt zu einem officio
cclesiastico genädig befordern lassen, da ich meines Lel)ens
hrlichen Unterhalt und Occasion hal)en könne, im Predigen
ind andern exercitiis sacris mich unice zu üben. Es mag sonst
las officium so unansehnlich und gering seyn als es woll.
7. Unterdessen bitt ihre fürstl. Gnaden ich demütig und unter-
thänig, sie wollen der Professionis Eloquent iae mich in genaden
erlassen, und biß zu eröfnung anderer Promotion mich bey
der Universität schützen, und inzwischen die Anordnung thun
lassen, daß mir alle Viertheil Jahr der vierdte theil meiner aus-
stehenden Bestallung geliefert werde.
8. Dagegen versprech Ihrer fürstl. Gnaden ich in Unter-
thänigkeit, daß ich das opus historicum, darauf ich bißhero
meine meditationes geschlagen, unter der Zeyt mundiren, undt
alle Viertheil Jahr ein Stück davon uberschicken, auch kein
Gelt fordern wolle, die Arbeyt sey dann schon da.
9. Weyl etzlichen unter den fürstlichen Herrn Räthen bekant,
daß mir gantz und zumahl unmöglich falle, meine familiam rebus
sie stantibus alhier in die Läng zu führen, undt vielleicht in-
zwischen sich keine Beförderung zu einem officio ecclesiastico
diesen Oertern eröfnen möchte, alß will ich hoffen Ihre fürstl.
Gnaden werden es für keine perfidiam ausdeuten, wann ich
andern meinen fautoribus extra patriam meine Noth klage, und
deren Beförderung entweder suche oder acceptire. Ihre fürstl.
Gnaden verobligir ich mich in Unterthänigkeit, daß krafft einmahl
Sethanen juramenti ich derselben treuw verbleiben wolle biß in
•öein Grab, und dofem ihre fürstl. Gnaden hinfuro meiner wenigen
Person wider begehrten ich gehorsamlich wider folgen wolle.
10. Weil ich auch vernehme, daß das Werck mit der im
deutschen Haus angefangenen Bethstund ungleich aufgenommen
Worden. Alß bitt ich unterthäaiig ihre fürstl. Gnaden wollen
^wa durch dero Hofräth mich hören und den rechten Grund
^«mehmen lassen. Ich binn in meinem Hertzen und Gewissen
Versichert, daß ich neque in ipsa re neque in modo peccirt hab.
sondern vermög meines Ampts und deson dein deutschen Orden
^^rgebenen Revers weniger oiler mehr nicht hah thun können.
Ich hab alzeyt 6 Wochen zuvor, nicht nur mit einem sondern
"^^it unterschiedenen Ihrer fürstl. (in. geystlichen und weltlichen
Vornehmen Dienern davon geredt, welche mir von keinem Interesse
fösagt, das Ihre fürstl. Gnaden bey dieser Sachen haben, also
«*b ich dafür gehalten, ich hah keinen Beruf dazu, in dieser
Sachen mehr oder weniger zu thun. Wollen Ihre fürstl. Gnaden
naich in geheym genädig abhören last^en, so will ich mein ein-
fiUliges Bedencken hierin ferner eröfnen, welches in Schrifften zu
Jiun ich Bedenckens trage.
316 Wilhelm Diehl.
XV.
Memorial Schupps, Anfang 1645.
(Darmstadt, Staatsarchiv, IV, 1, 8.)
Memorial.
1. Nachdem ich solche Wort, deren ich gestern hab hören
müssen, nicht mehr hören kann oder will, alß will ich mit
Gottes g. Hülf, omni diligentiae impetu mich über bewuste arbeyt
machen, daß ich davon komme, und soll mir unterweilens die
Sonn so früh nicht aufgehen, daß ich nicht schon will drüber
seyn, soll auch keine W'och oder keine Post furbey gehen, da ich
nicht etwas davon uberschicken will, sobalt nur bewuste com-
mission, welche den 22. Aprilis angestellt, abgelegt ist. Welche
mir so zu thun macht, daß an deren guten oder bösen Fortgang,
ein gros Stück meines zeytlichen Glücks oder Unglücks dependirl
2. Ich w-ill aber verhoffen, ich werde meine Zahlung, wie mir
versprochen, erlangen. E. E. hab ich meinen elenden Zustand ent-
deckt. Er kann leicht schließen, was einer bey solchem Zustand
für influentz habe. Frigent carmina quae scribuntur ab aquae po-
toribus, sagt jener. Protestir, daß, wo mir nicht mit meinem aus-
stand nach und nach geholfen wird, so kann ich solche arbeyt
mit keiner Dexterität verrichten.
3. Hoffe auch ihre fürstl. Gn. werden mich der Professionis
Eloquentiae genädig erlassen. Nam non possum simul sorbereel
Hare. Will darneben hoffen, Ihre fürstl. Gnaden werden mich so
lang ich mit dem o\yeve Historico bemühet, bey der Universität
Freyheyten schützen, und mir g. vergönnen, daß ich noch unter-
weilens möge ein publicam orationem halten, deren ich etzliche
hiebevor entworfen, und noch nicht gar elaborirt und publidrl
hab. Stell es zu ihrer fürstl. Gnaden genädiger Discretion, ob sie
mir noch ein Jahr etwa die Helft meiner Bestallung g. gönnen
wollen, will desto fleißiger in opere Historico seyn, und dem
künftigen Professori Eloquentiae solche manuduction thun, daß es
Ihn nicht gereuwen soll, wie Ich dann 24 mit fleiß elaborirte Dis-
positiones Oratorias bey mir hab, welche ich Ihm alsbalt über-
lassen will, davon er ein schön collegium zum ^fang halten und
das, was ihm an dem jährlichen salario abgehet und mir zuge-
wendet wird, fast wider verdienen kann. Hab diese Orationes
selbst itzo nach der Meß unter die Bursch spargiren wollen, allein
w^eil so auf dieß Werck getrungen und ich durchaus davon seyn
will, als ist mir die Zeyt zu edel.
4. In bew^uster Commission ist D. Bauer auch zum Com-
missario verordnet. Nachdem ich nun seines verstorbenen Bruders
halben in Differentz mit Ihm gerathen, und die Sach coram Ma^;;
fico schwebt, alß bitt ich dahin alle Beförderung zu mittebi,
die Commission möge eingezogen oder an seine Stell jenis
anders substituirt werde.
5. Wegen D. Schaudantzen, die distinction unter einein
Juristen und jiutiMi Christen zu expliciren.
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 317
6. Für 11/2 Jahr ist von Ihro fürstl. Gnaden mir ein fürstl.
^ret geben worden, daß ich 200 Rthlr. entlehnen solle. Darauf
1.1 mir Herr Schäfer 50 Rthlr. gelehnt, wann ich die übrigen
>0 Rthlr. ahn einem Ort aufnehmen könt, wolt ich meine gantze
aereditatem matemam consensu et scitu Serenissimi dafür ver-
[änden, und mich verobligiren nichts davon hinfuro zu genießen,
iß dieß bezahlt sev. Ad hanc extremitatem res meae devenerunt.
.axin es nicht seyn, und werden mir auch sonst keine Mittel ge-
öYg^> so mus ich gezwungen etwas anders aus Desparation
hun. Ich kann oder weys nicht länger fortzukommen.
XVI.
Sclireiben von Schuppius an den Statthalter von Pleß,
Anfang 1645.
(Darmstadt, Staatsarchiv, IV, 1, 8.)
Dieß blat hab ich aus meinen locis communibus geschnitten
aus mangel gelt und papiers. Wann ich meinen billich gefasten
Unmuth darauf beschreyben sollte, wolt ich keine Figur in der
gantzen Rhetoric unersucht lassen, und würde mir dieses blätlein
dazu viel zu klein werden. Hette ich mehr Papier gehabt, wolle
ich mehr von dem opere Historico uberschickt haben. Nun aber
sende E. HochE. St. ich hiemit nur den ersten Bogen, und stelle
€8 zu dero hochg. Belieben, ob sie ihn Unserm Genädigen Fürsten
wid Hern zuschicken wollen. Bißher ist mein Vatter neben
löeinen Brüdern auf fürstl. Commission hier gewesen, da ich aller-
^d Anfechtimgen hab begegnen müssen, und hab also nicht ehe
dieß Ding uberschicken können. Zudem hab ich vermeynt, Herr
Cantzlar Fabricius oder D. Conrad würden hero zu L. Ruppels
Hochzeyt kommen, da ich vermeynt, mündlich mit ihn hieraus
2U conferiren. Wollen E. HochE. St. mich hören, will derselben
ich Uhrsachen andeuten, warumb das Werck ich auf diese Art
stylisire, undt wie ichs ferner formire. Ich binn im Anfang nur
aöf die res bedacht, daß ich dieselbe zusammen bringe. Elegan-
Ham verborum will ich geliebts Gott wohl hinzu zu thun wissen,
Wann mir Gott hinfüro besser Ruhe gönnet. Wollen Ihre fürstl.
Gnaden mich der Professionis Eloquentiae genädig erlassen, und
die genädige anordnung thun, daß ich alle quartal den vierten
Wieil meiner ausstehenden Besoldung bekomme, so will ich ge-
Hebls Gott, alle post oder alle Woch ein stück von dem Werck
Kefem biß daß es fertig ist. Im widrigen Fall wird mich kein
Christ verdencken, daß ich ein ander Resolution fasse. Es wird
JÄ noch etwa ein Stättlein oder Dorf lein in Hessen oder sonst
^ Deutschland seyn, dem ich so viel predigen könne, das es mir
^ines Leibs notthurfftigen Unterhalt verschaffe. Ehe ich länger
^ leben wolt, ich wolt ehe ein Mussquetirer werden. Meine
»öder in solcher arbeyt zu führen, kompt mich schwerer an alß
^e Mousquet zu tragen, und wo ist ein Mussquetirer im Hessen-
^d, der ein Mont oder 5 Schildwacht gestanden, und nicht ein
Qiahl ein Monat Sold bekompt? E. HochE. St. wollen nach
318 Wilhelm Diehl.
ihrer beywohnenden hohen Discretion verzeyhen meines Hertzens
Trawrigkeit welche mich auf diese desperate Wort verleylet.
Wunsch derselben so viel Glück, so viel Unglück und Unmuths
ich empfinde, und bleib mit gantzem Hertzen
E. HochE. St.
verobligirter treuwer Knecht, Diener
und Vorbitter bey Gott.
XVII.
Schreiben von Schuppius an den Kanzler Fabriciiis,
Anfang 1645.
(Darmstadt, Staatsarchiv, IV, 1, 8.)
Briefzeygern hab ich zu meinem kleinen Sohn genommen,
daß er ihn informire, und mir darneben etwas abschreybe. Nach
dem ich nun sub juramento promittirt, daß ich die von Ihre fürstl.
Gnaden communicirte arcana niemand frembdes communiciren
wolle, alß bitt ich nochmals E. Excell. wollen^ zu Beförderung
undt endlicher Abhelfung meines Vorhabens, Briefzeygern in
Handgelübnüs nehmen lassen, damit ich Ihm sicherlich etwas ab-
zuschreyben geben könne. Daran mich bishero mein gethanes
eydiiches promissum verhindert hat. E. Excell. seyen versichert,
daß er solche Ding wegen seiner Jugend nicht verstehet, und
als Ding, die zu seinem scopo nicht dienen, nicht hochachten
wird, also daß ich keiner Gefahr mich bey ihm versehe,
sondern nur mein Conscientz wegen des gethanen promissi li-
berirt haben möchte. Und möchte wünschen, daß er, als ein junger
Mensch kein solenne juramentum thun möchte, sondern nur Hand-
gelübnüs von ihm genommen würde. Dann wann viel solennia
bey ihm solten furgehen, möcht er mir hof fertig werden, und
meynen, ich werde ihn als ein geheymen Secretarium tractiren
müssen, dazu ich bey diesen Zeyten keine Mittel hab, sondern
mus mich selbst für mein eygen Person strecken nach der Decken.
E. Excell. wissen zwar, was mein genädiger Fürst und Herr zu
Underhaltung eines Amanuensis gn. versprochen, auch wie niir
Ao. 1642 eine Anweysung von füi-stl. Renteammer mit Ihre fürstl.
Gnaden eygnen Händen unterschrieben, gegeben worden, über
34 Rthlr., so mein erster Scribent verzehrt, allein ich hab nicht
ein Weispf. empfangen, hab der Renteammer die Anweysong
wider zugestellt. Daß ich nun von dieser Arbeyt komme, will ich
zu mehrer Beförderung, diesen jungen Cärles selbst accomodiren.
2. Daß ich zu Communication etzlicher nothdürftiger Acten
gelange, binn ich nochmals resolvirt, morgen mit auf Gießen »
ziehen und mich in der fürstl. Archiv ein wenig umbzusehen,
dofern ich Beförderung haben kann, etwa auf ein Wagen für
meine person zu kommen. Bitt E. Excell. wollen durch Zeygent
mir widerantwort widerfahren lassen.
3. E. Excell. gedachten gestern, sie wüsten keinen Historicum
der auf solche Art und quasi per modum dialogi ein Ding be-
schrieben. Nun hab ich im Anfang protestirt, daß von solchen
Dingen nicht zu judiciren sey, biß es recht fertig sey. Gott selbst
Neue Beiti'äge zur Geschiebte Schupps. 319
chuf im Anfang rudern indigestamque molem, darnach ordinirt
ind formirt er es. Was den methodum anlangt, so will E. Excell.
ch etzliche vornehme Scribenten erzehlen, wann wir ferner zu-
ammenkommen, die sich desen gebraucht. Die Acta Apostolorum
ind historiae ecclesiasticae primitivae Ecclesiae. Da braucht
dch der h. (reist selbst eines solchen Methodi, undt erzehlt es
lem Theophilo. Vide Acta 1, v. 1. Eia solcher Theophilus soll
nir in diesem Fall der Lucidor seyn. Sed de bis plura praesenti
praesens.
Wünsch E. Excell. eine glückselige Zeyt, und bleib mit
ganzem Hertzen
E. Excell.
willigster und treuwer Diener.
XVIII.
Schreiben von Schuppius an den Kanzler Fabricius,
Mai 1645.
(Darmstadt, Staatsarchiv, IV, 1, 8.)
E. Excell. hochgeehrtes Schreyben ist mir vergangenen Sonn-
abend wohl geliefert. Bedancke mich unterdinstlich und zum
allerhöchsten für die verspürte continuirliche hohe Affection,
werde mit nechster Post meinem Genädigen Fürsten und Herrn
Selbsten unterthänig dancksagen für das genädige Praesent. Ver-
sicher Ewer Excell., daß ich mein Lebtag in solchen angustiis
nicht gewesen alß itzo, dennoch aestimir ich hoher ihre fürstl.
Gn. genädige affection, und E. Excell. dabey verspürte hoch-
günstige Cooperation, als das Praesent selbst. Ist mir leyd, daß
der fromme Fürst mit solchen querelis bey diesem ohne das be-
trübten Zustand von mir importunirt worden, allein wann mancher
meinen Zustand wüste, er würde mich gar leicht excusirt halten.
Ich hab auf die fürstl. Anweysung noch nicht einen pfennig vom
^ouomo empfangen, und wann E. Excell. meinen Unmuth
wüsten, sie würden sich nicht verwundern, daß in diesem opere
bistorico es etwas kaltsinnig hergehe, und schlechte Influentz
sich spüren lasse. Sed dabit Deus his quoque finein.
E. Excell. übersende ich hiemit in höchster eyi diesen Bogen.
Bedanck mich für communication der Catzenelnbogischen
Chronick, welche ich mit Fleiß durchlesen hab, und den nechsten
wider schicken will. Bitt E. Excell. wollen mir doch ferner com-
fliiiniciren, was ihre fürstl. Gnaden von Genealogien haben,
sonderlich die, welche unser Poet Bachmannus Ihre fürstl. Gnaden
soll in Unterthänigkeit verehrt haben. Item H. Mylii laborem,
und so etwa sonsten etwas von Hessischen Antiquitäten vor-
handen. Ich binn itzo nur auf eueres bedacht, Ich will es hinfuro
eeJiebts Gott, wohl wissen zu mustern. Befehl E. Excell. Gottes
l^nädigem Schutz, bitt meiner Eylfertigkeit gg. zu verzeyhen, Ich
>Jeib so lang ich leb
E. Excell.
gantz ergel)ener treuwer Diener
und Vorbitter bey Gott.
320 Wilhelm Diehl.
Raptim Marpurg, Montags nach dem Sontag Vocem jucun-
ditatis, quam post has miserias publicas audire iterum patiaUir
misericors Dens 1645.
XIX.
Schreiben von Schiippius an den Kanzler Fabricius
vom 13. Mai 1645.
(Darmstadt, Staatsarchiv, IV, 1, 8.)
Gestern hab E. Excell. ich etwas uberschickt, und dabey unib
Communication etzlicher Sachen gebeten. Sende hiebey noch
einen Bogen. Und erinner mich, daß mir hiebevor erzehlt, daß
da die Sophia Brabantina sey mit ihrem Sohn in Hessen kommen,
da hab sich kein Ort so widerspänstig gegen sie erzeygt als Lindeii
bey Gießen, welches damals eine ahnsehnliche Statt, Gießen aber
noch ein Dorf gewesen sey. Da sey die Sophia sehr über die von
Linden entrüstet worden, und sie mit Gewalt überzogen, und ihre
Stattmawren niederreyßen lassen. Des Dings hab ich in Discursen,
auch damals alß ich peregrinirt hab, viel gehört, weys aber
nicht, ob ichs glauben soll? Bitt E. Excell. wollen mir doch
communiciren lassen, was nur von alten schrifftlichen Documentis
vorhanden. Ich werde mich nicht lang mehr hierin aufhalten,
sondern zu Beschreybung der fürstl. Darmstadischen Liniae
schreyten. Thu es aber nicht ohn erhebliche ührsache, daß ich
diese Ding praemittire. Proxime plura. Befehl E. Excell. Gottes
genädigem Schutz und mich dero beharrlichen Gunst, verbleih
E. Excell.
gantz ergebener treuwer Diener
und Vorbitter bey Gott.
Raptim Marpurg am 13. Maii 1645.
XX.
Schreiben von Schuppius an Maximilian zum Jungen
vom 10. September 1645.
(Darmstadt, Staatsarchiv, XII, 1Ö4.J
E. WohlE. St. werden vielleicht dencken, als ob der Favor
so mir für 2 Jahren mit der Lehnung der 20 Ducate geschehen,
Ich vergessen hett, weil Ich bißhero so still geschwiegen. AlleiD
Ich hab von Tag zu Tag auf Besserung gewartet, und dieselbe
will sich unter dem Marpurgischen Horizont nicht praesentiren,
deswegen Ich zu anderer Resolution binn getrieben worden und
bitt E. WohlE. St. wollen sich noch eine kleine 2^yt patientiien,
da Ich mein danckbar gemüth im Werck selbsten declariren will-
Ich hab von der Universität meinen Abschied gefordert, weil
Ich als ein junger Mann so ohne Besoldung nicht leben kann. ^
stehen mir über dausent fl. Cammergelt aus, den fl. zu 4 Kopst-
Weil Ich nun zu deren Zahlung kein Mittel sehen kann, als hab
Ihre fürstl. Gn. ich gebeten, daß es mir an ein Capital geschlag^
und mit Frucht verpensionirt werde. Stehen mir etzliche Gelege^'
heyte für, welche Ihrer fürstl. Gnaden ich angedeutet hab, ^ua
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 321
rwarfe Ihrer fürstl. Gn. Resolution, ob sie mich etwa selbst im
^and mit einem officio ecclesiastico accomodiren wollen. Herr
iandgraf Johann begehrt unter andern meiner zum Hofprediger,
illein die Wahrheyt zu bekennen, hab Ich nicht gern mit Fürsten
ind Herrn zu thun. Wann es ja Gottes Will were, daß ich im
lessenland bleiben solt, wolt ich lieber nach Schmalkalden. Gott
Stolle es alles zu seinen Ehren dirigiren. Vier Wochen nach
ler Meß werde ich geliebts Gott honores Doctorales annehmen.
Veil nun mein Vatter ad secunda vota geschritten und es aller-
land Misverständ geben, daß ich der Mittel, die mir Gott und
lie Natur gegönt nicht geniesen kann, und darneben meine Haus-
rauw in eine Schwachheit gerathen, daß Ich sie nach Schwalbach
ind von dannen ins Embser Bahd hab schicken müssen, als
binn ich genötiget worden, mein Silbergeschirr zu versetzen, und
darauf ein Stück gelt zu entlehnen. Habs auch von Herrn Hans
Georg Neuwbauwern empfangen. Nachdem er aber bericht, daß
er itzo des gelts selbst benötiget sey, und schreybt, daß er es
verkaufen wolle, mir aber durchaus das Ding nicht feyl ist, als
hab E. WohlE. St. als einen communem patronum literatorum
ich dinstlich ersuchen wollen, sie wollen das opus charitatis
christianae in diesem Nothfall an mir erweysen, und g. Hern
Neuwbauwer Anleytung und Beförderung thun, daß er seyn gelt
gegen gebührlich Interesse auf dieß Pfand auf ein Jahr oder
Vi Jahr könne bey einem guten Mann empfangen. Ich will den
pechsten anstallt machen, daß sonderlich das was im Kästleia
ist, wider ausgelöset werde. E. WohlE. St. werden mich in meiner
andern zu Gottes Ehr ziehlenden Intention hiedurch mächtig be-
fördern, Gott wird der erste Vergelter seyn, und ich werde an
ineinem wenigen Ort alle Occasion suchen, mein danckbar Hertz
?egen E. HochE. St. lieben Angehörige zu contestiren. Bitt E.
WohlE. St. wollen dem nothfall, darin mich amor patriae et boni
Publici bracht, verzeyhen, und diese Bitt in bestem ausdeuten.
Jch mag nicht gern haben, daß viel dicentes davon geschehe, wolt
sonst E. WohlE. St. nicht bemühet haben. Es ist im Kästlein
ein Crantz von Perlen, desen ich nach der Meß bey meiner pro-
Daotion werde von nöthen haben, wann jemand itzo das Gelt
schießen wolt, wolt ich denselben nach der Meß mit so viel gelt
^der auslösen, als er werth were. Befehl E. WohlE. St. in
Gottes g. Schutz, neben allen deren lieben Angehörigen, und bleib
E. WohlE. St.
gantz ergebener treuwer Diener
und Vorbilter bey Gott.
In höchster Eyl den 10. Sept. 1645 in Marpurg.
^^^e t. Gesch. d. Universitäten Mainz u. Gießen. 21
322 Wilhelm Diehl.
XXI.
Schreiben von Schuppius an Maximilian zum Junge
vom 17. September 1645.
(Darmstadt, Staatsarchiv, XII, 154.)
Wann ich jüngst aus viel zu groser Confidentz peccirt,
ich unterdinstlich umb Verzeyhung. Die Noth darin mich a
virtutis et patriae meae gebracht hat, hat mich dazu genöt
und mir alle Blödigkeit benommen. E. WohlE. St. seyen ui
desen dinstlich gebeten, und continuiren als ein communis lil
torum afflictorum patronus ihre grose affection gegen ra
Wenigkeyt, ich hoff es, werde Gott balt Mittel zeygen, mein da
bar Hertz zu remonstriren. Mein jüngste Bitt, hatt zumahl r
dahin gezielt, ob wolt E. WohlE. St. ich molest seyn, son<
daß E. WohlE. St. ein guten Rath mittheilen möchte, wie ich
einem guten Mann zu dieser Intention gelangen könt? Herr N<
bauwer schreybt mir, daß er die Sachen verkauffen wolle,
sind sie mir gantz \md gar nicht feyl, wann ich auch s(
hundert Ducate mehr dafür bekommen sollt, fals sie es w
sind. Dann ich nicht hoffe, daß es in dem Zustand mit mir
bleyben soll. Succedunt summis optima saepe malis. Bitt <
nach E. WohlE. St, unterdinstlich, sie wollen ihre vielgeltt
Authorität interponiren, und ihm H. Neuwbaur zureden las
daß er es zum wenigsten auf ein Monat bey Juden oder Chri
deponire, so will ich nach euserster möglichkeyt ander H
suchen. Ich hab mein Wort von mir geben, daß ich m
6 andern Licent. Juris die Woche für Martini, Deo volenlc
Doctorem promoviren woU, und werden andere enderung mit
furgehen, daß ich mich itzo nicht anders wenden kann. E. Wo
St. werden mich hierin hoch obligiren, und Gott wird der e
Vergelter seyn, desen Schutz dieselbe ich befehl, und b
wie ich binn
E. WohlE. St.
willigster treuwer Diene
Raptim Marpurg am 17. Sept. 1645.
XXII.
Schreiben von Schuppius an Maximilian zum Junge
vom 19. September 1645.
(Darmstadt, Staatsarchiv, XII, 154.)
E. St. wollen mir grosg. zu guth halten, daß dieselbe icl
vielfaltig importunire. Es ist mir sonderlich hoch angelegen,
das Silbergeschirr so ich H. Neuwbauwern oppignorirt, nicht
kauft werde, und solt ich auch hundert Ducate mehr dafür
kommen, als es werth ist. Bitt demnach E. St. nochmals i
dinstlichsten, sie wollen ihm doch zureden lassen, daß er es
Juden oder Christen zum wenigsten auf ein Monat lang verse
biß ich nach andern Mitteln getrachtet. Ich will ihm Inter«
davon geben, wieviel er begehret. E. St. werden mich hierin h
obligiren, und werden die erste Belohnung von Gott, die an
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 323
on meiner Wenigkeit zu erwarten haben. Befehl dieselbe sampt
iren lieben Angehörigen, in den Schutz Jesu Christi, und bleib
ie ich binn
E. WohlE. St.
verobligirter treuwer Knecht
und Vorbitter bey Gott.
Raptim JVIarpurg am 19. Sept. 1645.
XXIII.
Schreiben von Schuppius an den Rektor
vom 1. November 1645.
(Gießen, Universitätsarchiv, Personalakten von Schupp.)
Ich hab vergangene Nacht nicht ein Aug recht zugethan,
ion wegen vielfaltigen auff- und ablaufens von Hertzen mühd,
ttd soll morgen früh predigen, darauf ich noch nichts meditirt,
.tt also E. Magnif. wollen mich entschuldiget nehmen, daß der-
slben ich nicht selbst ZQ9|Ncecbe. Berichte sie Interim, daß in
esem Moment der H. Oberf. Rauw von mir gangen, der aus
jm Lager kommen, und mich berichtet, daß auf E. Magnif. uber-
hicktes memorial, H. Generalmajeur sich resolvirt hab, er wolle
e Academi nicht in diese Tractate einflechten, sondern sie bey
rer vorigen freyheit allerdings lassen, auch derselben eine
juwe Salvagardi ertheilen auf Art imd Weys, wie sie selbst be-
ihre. Also ist des Herrn Oberforstmeisters Rath, daß E. Magni-
:entz communicato consilio ein Modell einer wohlclausulirten
ilvaguardi aufsetze, und sie ihm dem Hern Oberforstmeister
rderlich zusende, so werde sie von hochg. Hern Generalmajeur
iterschrieben und bekräftiget werden. Bittet darneben E. Magnif.
ollen eylen so viel immer möglich, damit dieser kostbare Gast
ider von diesen Gräntzen komme. Ita valeat V. Magnif. et
Qoscat festinanti, lassaeque manui.
1. Novembris 1645 Noctu.
Vest. M. ob.
Schuppius.
XXIV.
Schreiben von Schuppius an Maximilian zum Jungen
vom 14. Dezember 1645.
(Darmstadt, Staatsarchiv, XII, 154.)
In was für betrübten Zustand die Statt und Universität Mar-
urg geratben, wird meinem hochgeehrten Hern bewust seyn.
nchdem nun nichts gewissers zu erwarten, als eine gantzliche
^rstrewung der Professorum und Studenten, als hab ich mich
solvirt, bey Zeyten meinen Abschied zu nehmen, und hab den
Decemb. die honores Doctorales in Theologia angenommen,
td darauf in Hern Landg. Johanns Dinste mich begeben, und
-y ihre fürstl. Gnaden mich auf ein Zeit lang für einen Hof-
jediger und Inspectorem uhev Ihre fürstl. Gnaden angehörige
irche bestellen lassen. Dörfte wohl geschehen, daß Ihre fürstl.
21*
324 Wilhelm Diehl.
Gn. halt ein ander Resolution fasten und widerumb ein Schwerd
angürteten, da dann der gütige Gott etwa ein ander örtlein mir
zeygen wird. Binn unterdesen zur Reyse gerüst gewesen, und hab
auf Francfort und vollents auf Epstein reysen wollen, alß ich
aber anhero nach Gießen kommen, hat Herr General Majeur
Eberstein mir hochlich widerratben, auf Francfort zu ziehen,
wegen der in der Wetterauw ankommenden Völcker. Hab demnach
nolens volens meine Reyße auf Weilburg und Catzenelnbogen
wenden müssen. Werde aber den nechsten geliebts Gott auf Ep-
stein und dann auf Francfort kommen, da meinem hochgeehrten
Herrn ich aufwarten, und wegen desen vielgeliebten Sohns, etwas
sonderlichs reden werde.
Inzwischen bitt meinen hochgeehrten Hern ich dinstlich, er
wolle die elende Zeyt contempliren, darin wir gerathen, wir
Professores zu Marpurg haben seyt Ao. 1640 nachdem die Wey-
marisch und frantzösisch Armee im Land gewesen, alle euserste
Mittel ergriffen, und unter unser Arbeit von dem unserigen leben
und zehren mü^en, und haben allzeit auf Besserung gehofft, nun
aber gehet dem Faß der Bodem gar aus. Ich und andere gute
leuth, die wir unser patrimonia noch nicht in Händen haben,
haben all unser Silbergeschirr versetzt, daß wir uns fortbracht
haben. Und hab ich unter andern ein Kästlein bey Herrn Hans
Georg Neuwbauwern mit Silbergeschirr, Ring und anderm Ge-
schmeyd versetzt, welches ich zwar für einem Monat wider an
mich lösen wollen, allein diese Verwirrunge sind darzwischen
kommen, daß es unmöglich gewest. Bitt demnach meinen hoch-
geehrten Hern als eine vornehme Regimentsperson und berühmten
fautorem literatorum, er wolle g. Hern Neuwbauwern zureden
lassen, daß er in Gedult stehe, biß in die Woche nach dem neuwen
Jahr, da ich geliebts Gott zu Francfort seyn, und ihm genungsame
satisfaction thun will, daß er mit Fug nicht zu klagen hab. Daß
die Sache verkaufft werden, ist durchaus meines Thuns nicht
Und do sie wider alles Verhoffen verkaufft weren, muß ich sie
wieder haben. Daß ich mit der Widerauslösung etwas verzogen,
ist nicht mir, sondern der eingefallenen unverhofften Unruhe zu
imputiren. Hab E. St. hierumb ersuchen und bitten wollen, sie
wollen ratione officii mehrg. Hern Neuwbauwern zu Gemüth führen,
was in solchen unverhofften Fällen die christliche Lieb erfordere.
Und dofern H. Nouwbauwer nicht zu solcher geringen ihm zumahl
nicht schädlichen Gedult zu disponiren were, will ich sein
H. Neuwbauwers Schreiben zu Epstein oder Braubach gewärtig
seyn. Hab das dinstlich Vertrauwen zu E. St., sie werden hierin
mein hochgeehrter Beförderer seyn. Ich verbinde mich zu schul;
diger Danckbarkeit, befehl E. St. in den Schutz Jesu Christi
und bleib
E. St. hhg.
willigster Diener solang ich leb.
Raptini Gießen den 14. Decemb. 1645.
Neue Beiträge zur Geschichte Schupps. 325
XXV.
Memorial Schupps an den Ökonomus der Universität
Marburg von Montag nach Trinitatis 1646.
(Gießen, Univ.-Archiv, Personalakten Schupps.)
Memorial an den Herrn Oeconomum zu Marpurg.
Demselben wird ohn mein Erinnerung bewust seyn, was
noch bey der hochlöbl. Universität zu fordern hab. Nun wer
selbiger ausstandt an zehen örtern fast nötig, zuAbdielgung
schulden, welche in der Universität Dinsten zu machen, ich ge-
iget worden. Ich sehe aber mit betrübten Augen ahn den
iden Zustand, darin die gute Universität versirt, und wiewohl
in ihre fürstl. Gn. meines genädigen Fürsten und Herrn Landg.
lanns Dinsten ich mich begeben, die Zusag auf diese Con-
on fast eynig fundirt gewesen, daß ihre fürstl. Gn. bey ihrem
m Bruder mir zu wegen bringen wolten, daß ich mein aus-
sende Besoldung empfangen, meinen ehrlichen Namen lösen,
ine Creditores befriedigen, und also mit jedermans gutem con-
to von der Universität Abschied nehmen könte, ihre fürstl. Gn.
in genädiger Fürst und Herr, Herr Landg. Georgen auch in
jener fürstl. Person mir g. versprochen, dieser des Hern Brüdern
ercession würcklichen Platz einzuräumen, so mach ich mir
ch ein Gewissen, dieser fürstl. respective Intercession und
Omission ferner zu inhaeriren, und also meinen hochgeehrten
«resenen Hern CoUegis dadurch gleichsam einen Abtrag oder
aejuditz zu machen, wiewohl ich viel durchtringende Mittel
rzu wüste, welche, wann ich eygennützig seyn wolt, auf hoher
rsonen ansinnen, leichtlich ihren fortgang gewinnen möchten.
Ich begehr es aber nicht, sondern suche vielmehr nach
Binen eusersten Kräfften der hochl. Universität Conservation und
weyterung, und wann ich es mit Wercken nicht erreichen kann,
11 ichs thuen mit einem guten Wunsch.
Und erbiete mich, wann der hochlöbl. Universität damit ge-
int sey, daß nach geschehener, itzo im Werck begrieffenen
ser geschwisterlichen Erbtheylung ich all mein vätterlich und
itterlich Erbguth feyl bieten, und zu Gelt machen wolle, was
Gelt zu machen sey, und wolle Ehrng. Universität ein halb
usent Gülden, mehr oder weniger, in diesem ihrem betrübtem
istandt, an Gelt oder Wein oder andern Victualien fürst recken,
t der Condition, daß sie mein ausstehend Besoldung diesen
0 oder mehr fl. addiren, und mir für die gantze Summ etzliche
ter eingeben wollen, davon ich mein pension für dieß capital
leben könne.
Solche guter eygenthumhlich an mich zu bringen, trage ich
denckens. Dann es geyst liehe guter, und gemeyniglich mit
rcken clausulis vermacht sind, daß sie nicht ad profanos usus
len verwendet werden. Also stell ich zu der hochlöbl. Univer-
it Consideration, ob sie solche Güter als ein Pfandlehen, mir,
iner Hausfrauwen und unsern Leibserben auftragen wollen,
o daß wir derselbigen Zevt unsers Lebens an Statt der Pension
3i(t Wilhelm Diehl: Neue Beilrftge Eur Geschichte Schnpp«.
geniesen sollen. Wann es aber nach Gottes Willen sich zutiüge,
daß ich oder meine Hausfraw ohne Leybserben sterben sollm,
so solle die Helfft des Capitala der Universität gescbenckt, die
übrige HelfFt aber meinen rechtmesigen Erben bezahlt, nndt also
die verpfändele Lehengüter der Universität wider zagefallen seyn.
DieQ faab zu des Hern Oeconomi Privatinformation ich obiter
andeuten und bitten wollen, er ivolle sich gefallen lassen, mit
ihre Magnif. wie auch den H. Decanis daraus za commoniciien
und meiner orklärung auch was für guter zu benennen seyn,
ferner zu erwarten.
Raptiin Montag nach Trin. 1646 in Marp.
Salvo
I. B. Scfaapp.
(Bitte dieß mein übel concipirtes projekt zu seiner infonnitiaB
zu behalteil und niemand verständiges zu zeygen in originilL
NB. mit dem davon wir gestern gered haben, wolle der Hni
Schw. so lang inhalten, biß ich sehe, ob dieser Vorschlag fortgebe;}
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ar Geschichte des Pennalismus in Marburg und
Gießen.
Von Wilhelm Martin Becker.
Die Darstellung des akademischen Lebens früherer Zeiten
[ von jeher als ein wichtiger Zweig der Kulturgeschjcht-
hreibung betrachtet worden. Denn sie lehrt das Leben
les Volksteiles kennen, der sich von altersher bis heute
sondert hat von der großen Masse des Volkes, der aber
its seinen Nachwuchs aus den Besten des Volkes ent-
inimen hat, und der mehr als einmal an erster Stelle,
!ts aber in bedeutungsvoller Weise an der Entwicklung der
iltur teilgenommen hat.
Es verlohnt sich aber nicht nur, die großen, allgemeinen
ge des akademischen Lebens kennen zu lernen, sondern
r können hier die Erscheinung wahrnehmen, daß bei
er Gle'ichheit im großen und ganzen die einzelnen Hoch-
lulen individuelle Züge tragen, daß sich auf dem Boden
r einer. Universität das Leben in ganz anderer Weise
Spielt als in einer anderen Musensladt, daß die hohen
hulen durch den herrschenden Ton, durch Sitten. Bräuchf^
Deinander sich abheben. Mag das Fluktuieren der stu-
ntischen Bevölkerung, der Wechsel der Professoren noch
:HS Wilhelm Marlin Becker.
soviel von den Zügen der akademischen Einzelphysiognomie
verwischen, der Einfluß einzelner überragender Persönlich-
keiten, die Stellung zur Behörde, die Tradition einzelner
lokaler Gebräuche, endlich die Einwirkung der bürgerlichen
Bevölkerung der Universitätsstadt hat stets dafür gesorgt, daß
keine Hochschule der andern gleich war, daß — wie Goethe
sagt — „jede der deutschen Akademien eine besondere
Gestalt** behielt.» Daher wird es auch weiterhin dem Kul-
turhistoriker von Wert sein, zu beobachten, wie die großen
Züge der Entwicklung ini kleinen Einzelbilde leicht variiert
wiederkehren, denn durch diese Einzelheiten wird das Ge-
samtbild erst lebensvoll.
Diese Betrachtung mag es rechtfertigen, wenn ich ver-
suche, hier zur Geschichte des Pennalwesens auf der hessen-
darmstädtischcn Landesuniversität zu Marburg und Gießen
einen Beitrag zu liefern, zu dem meist ungedrucktes Material
benutzt werden konnte. Auch hier werden Einzelzüge stär-
ker hervortreten, die man bisher im Bild des Ganzen wenig
beachtete, wie ja überhaupt die Erforschung dieser abson-
derlichen Kulturerscheinung noch an vielen Punkten zu wün-
schen übrig läßt. Unter dem Pennahvesen oder dem Pen-
nalisnuis ist bekanntlich ein besonders im 17. Jahrhun-
dert blühender Brauch zu verstehen, der darin bestand,
daß die älteren Studenten die jungen Ankömmlinge („Pen-
näl(**' oder ,, Pennäler**) ein Probejahr durchmachen ließen.
ehe sie ihnen durch die „Absolution** die Rechtsgleichheil
mit (Um älteren zugestanden. In diesem Probejahr waren
sie den älteren Burschen zu allerlei Dienstleistungen ver-
pflichtet, nuißten Quälereien nach deren Belieben ertragen,
ihnen Geld zn Schmausereien spendieren; ja schon äußer-
lich mußten die Neulinge ihre niedere Stellung dadurch
zum Ausdruck bringen, daß sie in schmucklosen, zerrissenen
Kleidern einhergingen, keinen Degen trugen usw. Der Kampf
der Beh(")rd(Mi jregen die Auswüchse dieses Brauches reicht
vom Beginn dos Jahrhunderts bis weit in dessen zweite
Hälfte h'nuMn; einen ausschlaggebenden Erfolg konnte er erst
um 1 ()()() vorztMchnen.
1.
Der Pennalismus in Marburg nach dem Übergang
der Universität an Hessen-Darmstadt
Im Jahre 1()24 ergriff Landgraf Ludwig V. auf Grund
kaiserlichen Urteils Besitz von der Universität Marburg, die
^ xVus iiH'iiM'in Li'Im'II, sK'listes Buch.
Zur Geschichte des Pennal ismus in Marburir und Gießen. 3!JV
330 Wilhelm Martin Becker.
zwei Jahrzehnte lang unter der alleinigen Leitung des Land-
grafen Moritz von Hefesen-KafjSel gestanden hatte. Dieser
Eingriff bedeutete für die Universität mehr als den bloßen
Wechsel des fürstlichen Erhalters. Durch rücksichtslose Eat-
lassung einer Anzahl von Professoren, die dann nach der
Suspension der Gießener Universität von dorther ersetzt
wurden, erhielt die Marburger Hochschule einen gänzlich
veränderten Charakter; vor allem trat sie aus der Reihe
der reformierten in die der lutherischen Hochschulen über.
Auch die Studentenschaft, die sich zur Zeit der Neuorgani-
sation fast ganz verloren hatte, rekrutierte sich jetzt mehr
aus lutherischen Gebieten; bald konnte Marburg wieder eine
für die Kriegszeit ansehnliche Frequenz aufweisen.
Ein Erbe hatte diese Studentenschaft von früher her
in die neuen Verhältnisse übernommen, ein Erbe, das sich
sowohl von Altmarburg wie von Gießen herschreiben konnte,
den Pennalismus.
Das Pennalwesen ist in Marburg bereits im Beginn des
17. Jahrhunderts nachweisbar^; eingeschritten ist der Mar-
burger Rektor gegen pennalistische Formen, die „Pennal-
schmäuse** und die „Tischrückungen", bereits 1610^ Und
in Gießen findet sich der Pennalismus schon in der Grün-
dungszeit der Hochschule.* Sind das gleich Anfänge, die
iroch nicht auf eine allgemeine Einführung pennalistischer
Bräuche schließen lassen, so nahm doch bis 1624 die Sache
bereits derart zu, daß die Universitätsbehörden zu ernsten
Maßregehi gedrängt wurden.
Gerade in den ersten Jahren der neuorganisierten Mar-
burgcr Hochschule schien es nun, als ob der Mißbrauch des
Pennalismus nicht einzudänunen sei, wenn nicht anders
als bisher vorgegangen würde. Es sind die Jahre, in denen
der nachmals berühmte Johann Balthasar Schupp in Mar-
burg zu studieren begann, und was er vom Pennalwesen
sagt — er kommt ja in seinen Schriften öfters darauf zu
sprechen — , das beruht meist auf eigener Marburger Er-
fahrung.^
- Das Scliiinpfwort „Pennal" wird bereits im Protocollum acad. Mar-
pnrg. von KJÜo (Marburger Universitätsarchiv) erwähnt.
^ Catalopus studiosorum Marpurg. ed. Caesar, Bd. IV der Buchao^
«labc (1887). S. 57 ff.
* Vergl meine Ausführung in: Mitteilungen des Oberhess. Geschichls-
\ereins, XI (1902), S. 83.
s „Der unterrichtete Student" (Lehrreiche Schriften, II, 408f., der
Ausj:. V. 1719): „Von der Einbildung*' (ebenda, I, 540f.); „Der Freundin
der Noht" (Neudruck, Halle 1878, S. 57) u. a.
Zur Geschichte des PeDnalismus m Marburg und Gießen. 331
Die Rektoratsakten jener Zeit sind nur lückenhaft vor-
handen; aber wir können doch feststellen, daß am
26. August 1626 und wieder am 9. Dezember 1627 Edikte
(Programmata) der Universität gegen den Pennalismus er-
gingen.« Wie wenig damit erreicht wurde, ersehen wir aus
der Tatsache, daß um die folgende Fastnacht junge Pennale
sich vor den Zumutung^i verkleideter älterer Studenten
nur durch schleunige Flucht von Marburg nach Gießen,
netten konnten.'
Aus den vorhandenen Quellen ersehen wir, daß sich der
Pennalismus damals in den typischen Formen abspielte:
„vexationes et exactiones, quibus novitii studiosi a vete-
ranis impetuntur**. Die Pennale wurden gezwungen, den
älteren Studenten, namentlich beim Eintritt in die Tisch-
gesellschaft (Introitus, Akzeßschmäuse), mit Speise und Trank
reichlich aufzuwarten, selbst wenn sie zu diesem Zwecke
Bücher und Kleider verpfänden mußten ; dazu kamen allerlei
Verhöhnungen und Vexationen. Wurden die Täter ver-
nommen, so gaben sie vor, es habe sich nicht um die ver-
botenen Pennalschmäuse gehandelt, sondern um harmlose
Schmause oder Zechereien. Die Pennale selbst aber ver-
rieten ihre Quäler auch nicht.
Die Universitätsbehörde suchte dem Unwesen zu steuern
durch Androhung der Relegation mit der Verschärfung, daß
das Relegationspatent gedruckt und den Eltern und Heimats-
behörden des Relegierten überschickt werden sollte. Von
einer Ausführung dieser Drohung ist in diesen Jahren jedoch
nichts zu bemerken.
Ober die Stellung der jungen Studenten zu den älteren
herrschten nämlich in den Kreisen der akademischen Lehrer
Anschauungen, die zwar nicht den Mißbräuchen des Penna-
Usmus Berechtigung zugestanden, wohl aber ihrer Grundlage,
dem Glauben an die verschiedene Rangstellung der jungen
^nd alten Studenten, zustimmten. So wird selbst in den
Scharfen Verboten, die gegen das Pennalwesen ausgingen,
öicht eine Gleichstellung aller Studenten, die doch unter
gleichen Gesetzen stehen und gleiche Privilegien genießen
Sollten, erstrebt, sondern den älteron Studenten wird ein
• Konzept des letzteren von Feurborns Hand im Gießener Ijniversi-
^Isarchiv. Am 15. Sept. 1626 schreibt der alte Prof. Mcntzcr an Konrad
IHeterich in Ulm, er könne von Dietorichs in Marburg studierendem Sohn
^ie Namen derer nicht erfahren, die ihn pennalisiert hätten. Er ist für
»Delegation; ein Programm ist angesclilagen. ,,Es mangelt aber oft der
l^ken an einem guten klüpfel." (Or. Staatsbibl. München, Deutsche
Hdschr. [Cgnt] 1255, Bl. 326.)
' Catal. 8tud. Marp. IV, 199. Erlaß dagegen von V. Cal. Mart.
332 Wilhelm Martin Becker.
höheres Ansehen zugesprochen, dem die jungen Achtung
schulden. Das Edikt von 1627 verlangt daher von den
novitii : „ut in vera animorum suorum submissione, seposito
omni fastu superciliosoqne spiritu, veteranos studiosos ob-
servent et honorent et suo se pede metientes, ta tSia pie
agant**. Man will also den älteren Studenten nicht ihr Vor-
recht nehmen, sondern nur dessen Mißbrauch abwehren.
Es ist der tiefeingewurzelte Begriff der Standeszugehörigkeit,
der Abstufung der Stände, der hierin seinen Ausdruck findet,
derselbe Begriff, den die Studenten von ihrer Seite ebenfalls
geltend machten, wenn sie das Pennaljahr, den „Status**,
von den Neulingen verlangten. Wie in so vielen Ständen
der Aufnahme eines neuen Mitgliedes eine Probezeit voraus-
gehen mußte, so hielt man sie auch hier bei dem selbstbe-
wußten und bevorzugten Burschenstand für unumgänglich.
Hinzu kam, daß die Pennale doch oft sehr jugendlich
waren, und daß man es seit alter Zeit für notwendig ge-
halten hatte, jeden einzelnen in Abhängigkeit von einem
älteren Studenten, dem praeceptor privatus, zu halten. Da
war es natürlich, daß an eine Gleichberechtigung aller Stu
deuten auch damals noch nicht gedacht wurde.
Die Erfahrungen, die man mit dem Pennalwesen gemacht
hatte, finden natürlich auch ihren Ausdruck in dem großen
Statutenwerk, an dem in Marburg seit einigen Jahren ge-
arbeitet wurde, und das 1629 in Kraft trat So schloß man
an den aus Philipps des Großmütigen akademischen Gesetzen
entnommenen Paragraphen gegen die Verführung junger un-
erfahrener Studenten zu Ausschweifungen® folgende neue
Bestimmung an (Titulus LXX\^ § 24) : „Quicunque novitios
studiosos contumeliis male consuetis affecerint, ad compo-
tationes vulgo Peamalschmeuse dictas, quocunque titulo
velentur, sive in initio sive in medio, sive in fine primi ip;
sorum anni academici ullo modo provocarint et eiusmodi
symposiis interfuerint, ii et praesertim exactores et authores
istorum symposiorum non tantum omnes istos sumptus statini
refundant, sod etiam pro ratione circumstantiarum pu-
blice relegentur et relegationes istae typis impressae in cuius-
que relegati patriam transmittantur**.
Hierzu fügte man noch ein Verbot der Introitus- oder
Akzeß- und der Valete-Schmäuse sowie der Nötigung zü
großen Geburtstagsfeiern usw.
Wie verfuhr man nun in der Praxis? Wenige Tage
vor der öffentlichen Publikation der Bestimmungen (Leclio
•'* Hildebrand, Urkundensammluug über die Verfass. u. Verw. d.
Univ. Marburg (1848), S. 27 : „Novicium vcl qucmvis alium **.
Zur Geschichte des Pennalismus in Marburg und Gießen. 333
;um), die in Marburg am 1. Juli stattzufinden hatte, kam
i Fall vor, der uns das Verfahren der Universitätsbehörden
istriert. Am 17. Juni wurden einige Studenten, die von
nnälen ein „Symposium** erpreßt hatten, zum Ersatz der
>sten verurteilt I Der Rektor fühlte selbst, wie wenig
jse „Strafe** den Drohungen entsprach, in denen sich die
iherigen Edikte ergingen, und fügte in den Annalen wie
tschuldigend hinzu : „. . . et gravius etiam fuissent puniti,
;i intervenientes circumstantiae aliquam mitigationem
stulassent**.» Die in der Statutenbestimmung befindliche
atertür war also benutzt worden.
Wahrscheinlich kam diese lächerliche Bestrafung, die
;entlich gar keine war, auch dem Landgrafen Georg II.
Ohren, wenigstens erging von ihm am 24. Juni ein
hreiben an die Universität^^: Man habe mit Bedauern er-
iren, daß das Unwesen, das durch die neuen Wörter
ennäl, haußpennäl, pennäl- und absolvirschmäuse** be-
lehnet werde, auch in Marburg einreiße. Er sei ent-
blossen, es in seinem „seminario ecclesiae et reipublicae**
cht zu dulden. Ein mitgeschicktes, vollzogenes und be-
Jgeltes fürstliches Edikt solle den Studenten den Ernst
igen; es solle daher neben dem zur Lectio legum ein-
lenden Rektoratspatent öffentlich angeschlagen werden.
Was hierauf die Universität tat, zeigt deutlich, daß die
ihonung, die man soeben im Einzelfalle gezeigt hatte, nicht
isnahme war, sondern System; man wollte keine strengen
Eißregeln gegen die Übertreter ergreifen. Die Universität
hrieb nämlich am 1. Juli an ihren Landesherm: Inner-
ilb weniger Tage seien etliche Pennalschmäuse derart hart
«traft worden, daß manche daran Anstoß nähmen; die
corbitanten hätten mit Handschlag an Eidesstatt Besserung
irsprochen ( — also war keiner, wie im Gesetz vorgesehen,
legiert worden I). Das „Häuserstürmen** sei erst einmal
►rgekommen, der Tumult durch den Rektor gestillt worden.
3ute habe man den Eifer des Landgrafen den Studenten
nstlich vorgeistellt und ein Patent abgefaßt, worin die in
ii neuen Statuten angedrohte Strafe publiziert werde. Das
likt des Fürsten habe man noch nicht angeschlagen
d bitte, daß es unterbleiben dürfe. Als Grund für diesen
iderstand gegen einen fürstlichen Befehl gibt das Begleit-
ireiben des Rektors Feurborn an: die in den Statuten
* Catal. stud. Marp., Fasz. XV (od. Falckeiihcincr), Marburger Pro-
nm 1888, S. 7f.
1" Dieses und die folgenden Schriftstücke befinden sich im Gießener
ersitätsarchiv.
334 Wilhelm Martin Becker.
festgesetzte und die in dem fürstlichen Edikt angedrohte
Strafe stimmten nicht überein. Letztere sei eine Verschär-
fung, da von gefänglicher Haft und von Leibesstrafe die
Rede sei. Diese Drohung könne sich nur auf notorische
Kriminalfälle beziehen, nur für diese sei ja die fürst-
liche Jurisdiktion zuständig, über alle sonstigen Ver-
gehen habe die Universität zu befinden.
Das war deutlich; die Universität verbat sich hiermit
die wohlgemeinte fürstliche Einmischung unter geschickter
Berufung auf ihr Exemtionsprivileg. Und sie hatte Erfolg:
am 12. Juli nahm Landgraf Georg, dem es sehr darauf an-
kam, keine Rechte der schwererkämpften Universität zu ver-
letzen, sein Edikt zurück. Es blieb also beim alten, und
die „Pennalputzer" hatten wieder freie Hand.
Das im Schreiben des Senates erwähnte Universitäts-
edikt wurde dann unterm 19. Juli gedruckt und angeschlagen.
Es richtet sich gegen die gewöhnlichen Pennalqnälereien
und Erpressungen, daneben aber auch besonders gegen eine
Spielart des Pennalismus, gegen die Verfolgung der „Haus-
pennäler**.
Mit diesem Namen bezeichnete man diejenigen Stu-
denten, die aus der Universitätsstadt selbst gebürtig waren
und in ihr studierten, ohne jemals auf anderen Universi-
täten gewesen zu sein. Ihnen standen nach damaliger stu-
dentischer Anschauung die Vorrechte des Studenten nicht
zu, und zwar deshalb, weil das älteste aller deutschen aka-
demischen Privilegien, die Authentica Habita des Kaisers
Friedrich Barbarossa nur auf solche Studenten sich be-
zieht, die ihrer Studien halber die Gefahren einer Reise
auf sich genommen Jiaben.^^ Ihnen pflegten die übrigen
Studenten ihre Mißachtung wie den Pennalen durch Angriffe
und Beschimpfungen zu zeigen. Gegen diese auch sonst
verbreitete, in Marburg aber besonders stark auftretende
Erscheinung richtete sich im Edikt vom 19. Juli die bezeich-
nende Bestimmung:
„Quicunque sive studiosos iuniores vocitaverint pennales
11 Vergl. hierzu Schupp, Vou der Einbildung (Lehn. Schriften,l719.
1, 54 Ij, die Gießener Denkschrift von 1659/60 (z. B. bei Schöttgen, Gesch.
^. Pennalwesens [1747J, 48, womit sich dessen Erklärung des Wortes
„Hauspennal**. S. 18, erledigt). Aber auch Juristen waren gleicher Ansicht,
2. B. Horatius Lutius, Tractatus de privilegiis studentium, Franoof. 1625.
S. 231. D(»r Gießener Professor Liebenthal betont dagegen in seiner 1620
l^ehalter.en Disputation de privilegiis studiosorum, daß nicht nur Aie
studiorum causa pereprinantes, sondern auch die in patria academia slu-
diorum gratia commorantes die Rechte der Auth. Hab. genießen; desgl.
schon Petrus Rebuffus, Privilegia universitatum, Francoi 1575, S. S45L
Zur Geschichte des Pennalismus in Marburg und Gie&en. 335
aliisque iniuriosis scommatibus aut etiam verberibus affe-
cerint, sive nostros^^ aut dorn, consiliariorum officialiumque
ac reliquorum incolarum civiumque filios appellitav^rint pen-
nales domesticos, Haußpennäler, aliisque indignis mo-
dis eos tractaverint, hi pro ratione circumstantiarum gra-
vissime punientur".
Im übrigen wurde in diesem Programme das erwähnte
Statut in Erinnerung zurückgerufen, sodann aber auch die
Pennäler, die zu den Schmausen die Kosten beitrugen, mit
Relegation oder i — pro circumstantiarum ratione — mit
Karzer bedroht; dabei wird wiederum nicht vergessen,
die jugendlichen Studenten zur schuldigen Achtung vor den
älteren zu mahnen.
Aber der Erfolg? Im November desselben Jahres resi-
dierte Landgraf Georg selbst im Marburger Schlosse; es
konnte ihm nicht entgehen, daß der Unfug so arg wie nur
je war. Wir merken noch den Unmut über jene Abweisung
seiner Hülfe im Juni, wenn er am 14. November die Uni-
versität auffordert, doch nun auch selbst Ordnung zu halten,
wenn sie dann die Hülfe seiner Regierungsorgane abweise.
Gegen zwei Studenten, die auf dem Markt vor dem Haus
des Ökonomen „selbst und durch ihre bey sich gehabte
jungen tmnultuirt, agirt und agiren lassen** (es handelte sich
wieder um Aktionen gegen Hauspennäler), mußte in der
Tat jetzt einmal scharf verfahren werden. Sie wurden re-
legiert i*; aber es darf billig bezweifelt werden, ob dies
auch geschehen wäre, wenn sich der Landgraf nicht um
die Sache gekümmert hätte.
Warum ließen es die Professoren aber auf dieses Ein-
greifen des Fürsten ankommen?
Erstens scheinen Klagen aus den Reihen der Pennale
Selten gewesen zu sein. Denn die Rangordnung, die das
Pennaljahr verlangte, war ihnen so in Fleisch und Blut
übergegangen, daß sie sich dagegen nur ausnahmsweise
einmal auflehnten, in den meisten Fällen aber ihre Peiniger
'^icht anzeigten. Sie fürchteten mit Recht, am Ende des
Jahres nicht „absolviert** zu werden und dann nie für voll
^U gelten. Hinzu kam bei manchen wohl auch die Lust,
^s später anderen ebenso zu machen. So konnte es nur
in krassen Fällen Klagen geben.
Ferner aber sahen die Professoren ein, daß es erfolglos
^ein würde, wenn sie scharf eingriffen. Das Ergebnis mußte
1* Also die Professorensöhne !
12 Vergl. Catal. stud. Marp. XV, 13.
330 Wilhelm Martin Becker.
sein, daß die Freunde des Pennalismus sich auf andere Hoch-
schulen begaben. Rottete man in Marburg den Mißbrauch
aus, so wurden die dortigen Studenten selbst in höheren
Semestern auf anderen Universitäten als Pennale behandelt
So hören wir bereits : Die Studenten haben verlauten lassen,
daß die, welche hier die bräuchlichen Schmause nicht geben,
sie auf andern Universitäten geben müssen. So gut war
die Studentenschaft bereits in sich organisiert, daß diese
Kontrolle in der Tat möglich war. Der Senat war daher
der berechtigten Meinung, daß nur ein gemeinsames Vor-
gehen aller deutschen Universitäten Erfolg verspreche.
Hiermit im Zusammenhang stand ein persönlicher
Grund. Vertrieb man wirklich durch zu strenges Verfahren
die Studenten, so sank mit der Frequenz das Ansehen der
Universität und das Einkommen der Professoren aus ihrer
Stellung als Tischwirte und aus ihren teuren Privatkollegien.
Daher ließ man in der nächsten Zeit, wie es scheint,
das Pennalwesen wieder unangetastet**, bis man in der
Lage war, einen großen Schlag dagegen zu führen
II.
Marburgs Anteil
an der Gründung des Universitätskartells.
Wie wir sahen, wirkte der Pennalzwang von Universität
zu Universität, so daß nicht leicht einer durchschlüpfen
konnte, da von einer Hochschule zur anderen Mitteilungen
über die Pennale sich verbreiteten. Demnach war die Or-
ganisation des Studentenbrauchs im Vorteil gegenüber den
stets nur lokal wirkenden Maßregeln der Senate. Nur eine
«lemeinsame Aktion aller Universitäten konnte hier helfen.
Diesen Gedanken hatte Professor Feurbom als Rektor seinem
Landesherrn gegenüber bereits 1629 ausgesprochen, und er
ließ ihn auch in der Folgezeit nicht los. Im FrühHng 1633
machte er eine Reise nach Kursachsen. In Wittenberg nahm
ihn der Professor Hülsemann, ein Marburger Doktor der
Theologie, freundlich auf»'', und Feurbom benutzte seinen
Aufenthalt in der angesehensten lutherischen Universität,
1^ Nur 1632 tritt boi einer Relegation unter vielen anderen Ver-
gehen auch der Pennalisrnus als Grund auf (Catal. stud. XV, 32). ^^^
in dem Edikt vom 5. Mai 1633 wird bei der Einführung der hessischen |
Hußtagf förniHcli mit den Pennalschmäusen gerechnet: ,,quos (dies) . •
sancte observabilis, a compotationibus quibuscunque, maxime vero iis, quas
.1 novitiis studiosis deposcitis, abstinebitis . .**.
^'* Seelen, Deliciae epistolicao (1729), S. 92 ff.
Zur Geschichte des Pennalismus in Marburg und Gießen. 337
n seine Idee eines Zusammenschlusses wenigstens der
niversitäten dieses Bekenntnisses gegen den Pennalismus
ngehend mit den dortigen Professoren zu besprechen. ^*^
Wahrscheinlich ist es seinem Zureden zuzuschreiben, daß
enige Wochen nachher die Universität Wittenberg den
rsten Schritt tat zur Ausführung des Kartellgedankens.
ektor und Senat von Wittenberg wandten sich am 8. Mai
S33 an die Universitäten Marburg, Helmstädt, Frank-
irt a. 0., Leipzig, Jena, Straßburg, Altdorf und Königs-
erg*" mit dem Vorschlag, sich gegen den Pennalismus zu-
ammenzuschließen ; jeder Student, der von jungen Studenten
Iwas erpresse oder sie stark tribuliere, solle nicht nur
on der einzelnen, sondern von allen Universitäten relegiert
«in. Jedes Programma relegationis solle daher allgemein
mgeschlagen, auch an seine Eltern überschickt worden,
lach wird empfohlen, daß ein Versprechen, sich vom Penna-
ismus fernzuhalten, in das Inunatrikulationsgelöbnis auf-
;enommen wird. Der Marburger Senat war etwas rniß-
rauisch gegen die übrigen Universitäten; man befürchtete,
laß „die relegirte sauff- und schmaußbrüder nicht weniger
in ein oder andern orth wegen etwa privatrespecten auf-
ind angenommen und gedultet werden** könnten, und man
vollte doch nicht durch eigene Strenge den andern Uni-
versitäten die Studenten zutreiben. Immerhin äußern die
Warburger Professoren — in Übereinstimmung mit ihrem
-•andgrafen — ihr Einverständnis mit dem Wittenberger
Vorschlag, wenn nur möglichst viele Universitäten gewonnen
werden könnten. Für das einzuhaltende Verfahren macht
iiarburg weitere Vorschläge: nur die Universität, von der
ier Delinquent relegiert worden ist, soll das Recht haben,
ihn wieder aufzunehmen; stelle sie ihm aber ein testimonium
factae receptionis aus, so solle ihn jede Kartelluniversität
wieder aufnehmen müssen. Doch dürfe diese Amnestie
nicht zu bald geschehen und nur gegen schriftliche An-
erkennung, keinen Pennalismus mehr zu treiben oder von
neuem relegiert zu sein. Bei Rückfälligen soll die Rezep-
Won um so schwieriger sein, je häufiger Rückfälle vorge-
kommen seien. Zu solchem Verfahren sei jedoch volle Ein-
i€ Feurbom an Dieterich, ohne Datum (Cgni. 1258, Bl. 101): „1683
•■».da ich zu Wittenberg hiervon [Vereinigung der Universitäten] sorgfältig-
fch handelte".
" Idi Staatsarchiv Damistadt (Landesuniv., K. 9) befindet sich das
^^hreiben an Marburg, sowie Abschriften der weiteren Akten; ob Königs-
berg und Altdorf mit den and(jrn Universitäten ganz gleichzeitig Anschrei-
ben erhielten, ist nicht völlig sicher.
Bcitrige s. Gesch. d. Univenitäten Mainz u. Gießen. 22
338 Wilhelm Martin Becker.
mütigkeil des Senats erforderlich; daher wird eine Mar-
burger Bestimmung von 1628 zur allgemeinen Einführung
empfohlen, nämlich: kein Rektor darf allein oder privatim
über einen Studenten erk<^nnen, sondern nur mit dem Senat
(consistorium), und falls es sich um den Tischgenossen eines
Professors handelt, ist der letztere von den Verhandlungen
auszuschließen. Ein gewisser Gesamtbeschluß aller verbün-
deten Hochschulen, meint Marburg weiter, müsse zur allge
meinen Kenntnis gebracht und bei der Immatrikulation mit-
geteilt werden.- Schließlich betont der Marburger Senat aus
Kenntnis der Verhältnisse: „Es muß auch die angedräwte
straff denen exorbitirenden ohn ansehen der persohn unauß-
bleiblich infligirt und von allen steiff und fest darüber ge-
halten werden. Sonsten würde dieß heilsame werck wieder
ein loch gewinnen und nur zur beschimpfung der universi-
teten gerathen*'.
Diese endlich im September 1633 an Wittenberg abge-
sandte Antwort blieb ohne Gegenäußerung. Über Marburg
wie über Wittenberg kam mancherlei Drangsal durch Pest
und Krieg, imd die Kartellangelegenheit drohte, in Vergessen-
heit zu geraten. Doch Feurborn behielt sie im Auge und
bestürmte in wiederholten Briefen den Wittenberger Pro-
fessor Hüls(Mnann, sie weiterzuführen."
x\m 2. Mai 1636, fast drei Jahre nach dem ersten Aus-
schreiben, komite Wittenberg seine Ergebnisse dem Mar-
burger Senat unterbreiten. Gleichzeitig sandte es einen Ent-
wurf der künftigen Kartellstatuten mit, die von allen Univer-
sitiiten gleichzeitig in Kraft zu setzen und auch durch den
Huchhaiidel zu verbreiten seien. — Straßburg hatte sich
damals noch nicht geäußert, was den Marburger Theologen
Sorge maclit(\ Feurborn und sein Kollege Hanneken hatten
deshtdl) bewegliche Briefe an den dortigen Theologen SchmW
geschrieben und auch auf Umwegen Straßburg zum Beitritt
zu treiben tresucht. Trotzdem dort im Kreise der Professoren
selbst sich Widerstand gellend machte, erklärtv? denn auch
Stxaßbur«: und das ist offenbar Marburgs Verdienst —am
23. Mai 1()3() seinen Beitritt zur Übereinkunft.^^
^^^ ljiisc}iul<lii!e Xachrichtoii 17 IS. S. 410.
li' r«Mjrl)(>rn au Diot^-rirli, Cjini. 125«, Bl. 101, 98. Auch Dieterich
wird um Liilorstülzutig des Anliegens in Straßburg gebeten. „Ich l»t)f
keinen söhn auff dieser weit mehr", schreibt Feurborn, „und gleichwohl las*
ich mir zur ehr jzottes und zum besten meines nehesten diß werck seiff
zu htTlzen «iehen. Dan solanjz dem pcnnalleuffel nicht gowehret ^4
.solang werden redlicher eitern kinder uff universiteten getödtet oder w
verwundet, oder ie in ihren studiis verhindert und umb viel gelts gebniclit
Vergl. auch iSchmids Brief: Seelen, Deliciae, S. 70—73.
'-~'j
Zur Geschichte des Pennah'smus in Marburg und Gießen. 339
Aus den Antworten der einzelnen Universitäten ent-
nehmen wir, daß völliges Einverständnis mit den Vorschlägen
Wittenbergs zunächst bei Jena, Altdorf und Königsberg
herrschte; auch Frankfurt konnte, obgleich die Universität
sich zurzeit auf der Flucht in Küstrin befand, ihre und ihres
Kurfürsten Zustimmung erklären. Straßbiirg war ebenfalls
einverstanden, beantragte jedoch, gleichzeitig mit der
Tochter, der Pennalputzerei, auch deren Mutter (,,oder doch
zum wenigsten pennalismi occasio**), die Deposition, abzu-
schaffen. Helmstädt nahm den Gedanken des Zusammen-
schlusses am eifrigsten auf und suchte die Organisation
durch positive Vorschläge zu bereichern. Der dort herr-
schenden versöhnlichen Tendenz zufolge wünscht der Senat
nicht nur eine Übereinkunft in der Pennalangelegenheit, son-
dern aufrichtiges Vertrauen unter den Universitäten herge-
stellt zu sehen, so daß ärgeniiserregende Streitigkeiten aus-
geschlossen seien; am besten sei es, eine Konferenz von
llniversitätsvertretern einzuberufen. Auch in den speziellen
Vorschlägen zeigt sich die milde Gesinnung der Helmstädter:
die erste Relegation eines Studenten soll noch nicht für
alle Kartelluniversitäten Gültigkeit haben ; auch bei infamen
Vergehen, auf die Helmstädt die Übereinkunft ausdehnen
will, soll eine Relegation anfangs nur für die verurteilende
Universität gelten, und selbst bei Rückfälligen soll auf Für-
sprache oder glaubwürdigen Nachweis der I3ess(»nmg Resti-
tution möglich sein, allerdings soll dann bei nochmaligem
Rückfall ewige Relegation von allen Hochschulen die Folge
sein. Eine bessere Kontrolle versprach sich Helmstädt von
der Einführung eines Abgangszeugnisses (ähnlich der heu-
Wgen „Exmatrikel**), das einen Vermerk über das Betragen
(bene, mediocriter usw.) enthalten soll, und ohne das kein
Student die Hochschule wechseln darf.
Eigentlichen Widerstand leistete dem Wittenberger Vor-
schlag nur Leipzig, damals die meistbesuchtt* deutsche
Universität. Der dortige Senat erklärte, was aniTv^strebt
Werde, habe man in Leipzig längst: Relegation und Ex-
klusion als Strafe für Peiinalismus. Man sei bereit zur
Anerkennung der Relegationen von Wittenberg, mit dem
ohnehin enge Reziehungen beständen, halte aber weiteres
für bedenklich. Für Kursachsen genügten die bestehenden
Maßregeln, und ohne Zustimmung aller Landesherren könne
^nan nichts tun. Wittenberg nahm diese Sonderbündelei
Glicht tragisch und meinte, durch sein Abkoni!n<*n mit Witten-
^«rg stehe Leipzig ohnehin im Einverständnis gegen den
gemeinsamen Feind.
340 Wilhelm Martin Becker.
In Marburg blieb das Wittenberger Schreiben mit seinen
Beilagen den Sommer 1636 über liegen; die Angst und
Aufregung über die schwedisch -niederhessische Brand-
schatzung ließ es wohl nicht zu ruhiger Erwägung kommen.
Im September aber erklärte Marburg mit Genehmigung des
Landesherrn seine völlige Zustimmung. Gern habe man
gesehen, fügt Marburg hinzu, daß auch Erfurt eingeladen
werde. Wenn man des dortigen Professors Meyfart kürzlich
erechienenes Buch betrachte 2", „darinn er gleichwol, wie
wir eusserlich berichtet worden sind, die andern teutschen
universiteten wegen des bißhoro gelittenen pennalismi allzu-
hart angestochen haben sol**, so werde dessen Tendenz
jedenfalls doch zum Beitritt führen, „ohnerachtet was D.
Meyfartus in excessu verübelt haben mag**. Da Leipzig
wohl seine Beilenken fallen lassen werde, so bestände die
Übereinkunft denn schon aus zehn Universitäten. Man
könne daher die beabsichtigten Gesetze publizieren, selbst
wenn sich die noch fehlenden Hochschulen (Rostock, Greifs-
wald, Tübingen und Rinteln) nicht anschließen sollten. Unter
den Marburger Vorschlägen zur Umgestaltung des Statuten-
entwurfs ist hervorzuheben, daß noch immer die Notwendig-
keit betont wird, die jungen Studenten zur Ehrfurcht vor
den älteren zu erziehen.-* —
Jetzt trat wieder eine große Pause in den Verhandlungen
ein. Erst am 1. Oktober 1638 antwortet Wittenberg auf
Marburgs Schreib-en: Tübingen, Greifswald, Rostock, Rin-
teln und Erfurt haben wegen der Kriegsgefahr noch nicht
benachrichtigt werden können; es soll aber nicht mehr ge-
wartet werden, sondern die Leges — deren umgearbeiteter
Entwurf beifolgte — sollen am 1. Januar 1639 allerseits
publiziert werden.
Es klingt recht unwahrscheinlich, daß es der Universität
Wittenberg innerhalb zweier Jahre nicht gelungen sein solfc
die Erfurter Hochschule in Kenntnis von ihren Absichten
zu setzen, während das soviel entferntere Marburg benach-
-" Gemeint ist die „Christliche Erinnerung von der auß den Evan^
lischou Hochen Schulen in Teutschland ... entwichenen Ordnungen t
Schloißingen 1636**. Vielleicht hat das Erscheinen dieses gerade durch
seino Cbertreibungen Aufsehen erregenden Buches die Wittenberger Cd»*
versität erst wieder zu positivem Handeln angeregt; vergl. die ErwähnoDS
in der Einleitung des schließlich zustande gekommenen Statuts („^oü »od^
illi lihri ; teruntur rnultorum manibus feruntque applausum").
-1 Nebenbei sei ein Vorschlag erwähnt, der sich an jenen Helinstiilt«^
anschließt, al>er weit über ihn hinausgeht : die ständige Einführung ^
schiedsgerichtlichen Verfahrens bei Streitigkeiten unter lutherischen G^
lehrten. S. Festschrift der Univ. Gießen, I, 249.
L f
Zur Geschichte des Pennalismus in Marburg und Gießen. 341
richtigt werden konnte. Wir haben es offenbar mit einer
Ausrede zu tun; die Wahrheit liegt anderswo. Die kur-
sächsischen Theologen wollten mit der Universität, an der
Meyfart entscheidenden Einfluß besaß, nichts zu tun haben.
Meyfart, der sich ja allerdings in starken Cbertreibungen
und unberechtigten Verallgemeinerungen bewegt, hatte die
maßgebenden Kreise Sachsens so vor den Kopf gestoßen,
daß nicht nur sein Buch im Kurfürstentum konfisziert wurde,
sondern die Theologen, besonders der Hofprediger Hoe von
Hoenegg, Gegenschriften vorbereiteten-, worauf Meyfart den
Hofprediger ebenfalls persönlich angriff.-^
So schied für die Sachsen die Universität Erfurt aus;
doch blieben noch immer neun von den vierzehn lutherischen
Universitäten im Einverständnis, und mit der Publikation
der Gesetze brauchte nicht mehr g'.»wartet zu werden. In
diesem Sinne schrieb Marburg noch am 12. November 1638
an Wittenberg ; alles schien gemäß der Verabredung zu ver-
laufen.
Es möge hier gestattet sein, auf den Inhalt der Gesetze
einen Blick zu werfen, deren Publikation vorb(T(»itet wurde,
und namentlich Marburgs Einfluß bei ihrer (iestaltung fest-
zustellen.»*
Die Einleitung stammt aus dem Wittenberg(»r Entwurf.
Sie gibt eine Schilderung des Mißbrauchs, den die» unter
dem Namen Studenten auf den Hochschulen sich aufhal
tenden unfähigen Drohnen (inertes fuci) und träg(4i Tiere
(pecus ignavumj an den Neulingen üben. Der üble Zustand
sei offenbar ein Werk des Teuft^ls, der die guten Studien
zu vernichten trachte. Daher habe er os soweit gebracht,
daß in ganz Deutschland die Universitäten von diesem Vor-
fall ergriffen wurden. Die Anstrengungen der Bc^hörden auf
den einzelnen Hochschulen seien vergeblich gewesen, und
schon sei es dahin gekommen, daß die deutschen Uni-
versitäten in Mißachtung gerieten. Das könne nuni aus
bekannten und beifällig aufgenommenen SchriftiMi („nee certe
auctorum futilium**) sehen; schon hätttMi hervorragende
Fürsten einzelne rniversitälen geradezu in Verruf erklärt.-^
*- Tholuck, Lebonszougen der luth. Kircho (1859), S. 213; vergl. auch
Thüluck, Akad. Loben, I (18o3i. S. 278f. ; Scliötttion. Ferinalwescii, S. .VJf.
-3 Schöttgen. S. 4 f.
-* Ich benutze den Wortlaut des Marburger Druckes (Sociannn (Jer-
^iMiniac academianiin leges et statuta de Pennal ismo. quem vocant. tetra
ilU et noxia quam plurimorum malorum lerna, universaliter abrogando
^ extirpando, Marpurgi Cattorum 1639} und die Akten des Staatsarchivs
IWmstadt.
,Sic principes maximos audimus censura publica academias no-
ii>
342 Wilhelm Marlin Becker.
Um den guten Namen den Universitäten wiederzugewinnen,
müsse man mit vereinten Kräften vorgehen. Zu diesem
Zwecke habe man sich auf Einladung und unter Führung
der Universität Wittenberg auf bestimmte Leges geeinigt,
die man hienuit publiziere. Hierauf folgen die elf Gesetzes-
artikel.
Im ersten Artikel wird verboten, von den Novitii Geld
oder Gasterei zu erpressen oder abzulocken, ihnen etwas
zu rauben oder abzunehmen, sie mit Schimpf und Schlägen
zu traktieren oder sonstwie zu quälen oder auch dazu
Beihülfe zu leisten. In diesen Fällen darf der Rektor nicht
allein erkennen (vergl. Marburger Vorschlag von 1633), son-
dern nur der gesamte Senat, dem nichts verheimlicht werden
darf. Sind die Angeklagten Tischburschen oder Hausge-
nossen eines Senatsmitglieds, so darf dieses nicht mitver-
handeln, um Beeinflussungen zu vermeiden (ebenfalls ein
Marburger Gedanke). ^^ — In diesem Artikel hat Marburg
einen Zusatz zu dem Wittenberger Entwurf von 1636 er-
wirkt, der zeigt, welche Bedeutung dem erwähnten Brauch,
die „Hauspennäler** zu quälen, gerade in Marburg beigelegt
wurde; zu dem Begriff „novitii** ist ausdrücklich zugefügt;
„sive aliunde accesserint academias sive in iis nati atque
ad literarum cultum ibi a suis educti fuerint**. Auch die
Verallgemeinerung des Begriffes der Quälerei : „aut quans
ratione, quocunque loco ac tempore exagitasse** ist Mar-
burger Zusatz. Ebenfalls auf Marburger Antrag, der einer
direkten Mahnung Landgraf Georgs" Folge leistete, geht
die Stelle zurück, die ein Mißtrauensvotum gegen die Rek- ;
toreri enthält, indem sie den Professoren gegenüber einem
allzu nachsichtigen Rektor selbständiges Vorgehen zur Pflicht
macht.^**
Die beiden folgenden Artikel sind inhaltlich durch Mar-
burger Abänderungsvorschläge nicht beeinflußt; sie ent-
sprechen jedoch dem oben mitgeteilten Marburger Statuten-
lasso nonnullas atque sie quasi in mari scopulos aut pestilentia funesU
loca praecepisse vitandas."
^^' „Nc si is lenius forte ac mitius de suis (quibus non pauci faven'
semper assolent) statuat aut ilectat in diversa alios, si sit facundus ac
eloquenb, aut libere decernendi potestatem eripiat iis, apud quos su»
autoritate phirinuim valet."
27 An die Universität Marburg, 1G36 Sept 29.
28 „Nunquani autem nee connivebit quicquam rector aut dissimulabit
huiusmodi, nee etiam alios patietur id facere. Si fiat tarnen (quod minime
futurum existinianius), reliqui professores sui quemque sedulo monebont
officii dabuntque operani, ut rei ac sontes pro legum ratione mature *c
sine mora puniantur."
Zur Geschichte des Pennalismus in Marburg und Gießen. 'SAH
ikel. Artikel II bestimmt: die dem Novitius verursachten
isfen sind von den Urhebern zu ersetzen; letztere sind
ne jede Rücksicht zu relegieron, je nach dem Grad
s Vergehens auf mehr oder weniger Jahre, so daß die
delsführer am schärfsten bestraft werden, die Mitläufer
i geringsten. Nach Artikel III müssen, wie dies in Mar-
rg schon früher angedroht war, die Relegationspatente
Iruckt und Exemplare davon in die Heimat der Relegierten
jchiclct werden.
Vor allem aber müssen -^ nach dem vierten Artikel —
j verbündeten Universitäten Abzüge dieser Patente er-
Iten, um sich vor der Aufnahme Relegierter hüten zu
nnen. Die Rädelsführer und Hauptteilnehmer an Peimal-
lionen müssen für bestinunte Zeit von allen Universitäten
sgeschlossen bleiben; die Mitläufer und Verleiteten aber
rfen von den anderen Hochschulen aufgenommen werden,
mn sie der Behörde ein Bekenntnis ihrer Schuld und das
^sprechen abgeben, sich in Zukunft von derartigem fern-
ihalten. Hier ist ein Marburger Zusatz in das Gesetz auf-
nommen, der zeigt, wie ernst man es dort mit der prak-
ichen Durchführung des Gesetzes meinte und wie man
«halb Hindemisse aus dem Wege zu räumen suchte: Der
npfang des Relegationspatentes muß den Absondern be-
ätigt werden; bleibt die Bestätigung aus, so muß die ah-
ndende Universität annehmen, daß die Sendung verloren
gangen ist, und sie von neuem ausfertigen.-^
Auch im fünften Artikel, der im ersten Entwurf fehlte,
ideii wir einen Marburger Gedanken verwendet: wenn
11 Teilnehmer eines Pennalschmauses nachweislich nicht
iißte, daß es ein solcher war, so ist er nicht mit [Relegation
bestrafen.
Dagegen gibt Artikel VI bereits im Wittenberger Ent-
Jrf den Sinn der Ilelmstädter Vorschläge von 1638 wieder,
f die wohl schon die mildere Bestimmung des Artikels IV
rückzuführen ist. Vorher waren von der sofortigen Wieder-
fnahme die Rädelsführer ausgeschloss(»n word(»n. Jetzt
ißt es, auch ihnen dürfte nicht alle Hoffnung genommen
Tden. Doch könne die Restitution nur von der Universität
llzogen werden, von der die Relegation ausgesprochen
^•' „Sociao vero acadeiniae, simulac arxopcrint huiusincHli litera,s,
}ondebunt statim ac. significabunt roclc fuiss<» perlatas. Quo, si detine-
jr alicubi forte aut intorc(?ptac penitus sint, ox ipso silcntio, quid iis
um, constare queat, utque submitti aliae possint, quae priorum partibus
logantur. Atque baec ratio in aliis quoque negotiis, u})i roinrnunica^
e quadam opus f?st, observabitur.**
344 WiUielni Martin Becker.
sei; und diese müsse ein schriftliches Zeugnis darüber ai
stellen. Die Verzeihung darf nicht alsbald gewährt werde
sondern nach reiflicher Erwägung; der Relegierte muß vorh
eine Bescheinigung über Besserung seines Lebenswandc
beibringen, und vornehme Leute müssen Fürbitte für il
einlegen und gewissermaßen Bürgschaft für ihn übernehme
Wird er dann wieder rückfällig, so ist er von allen Univt
sitäten dauernd auszuschließen.
Damit kein Student Unkenntnis des Gesetzes vorwend
könne, bestimmt Artikel VII die Aufnahme eines geg<
den Pennalismus gerichteten Verspr3chens ins Immatrik
lationsgelöbnis.30 Im achten Artikel werden die Pedelh
zur Aufspürung und Anzeige der „pennalisationes** vc
pflichtet, im neunten die Rektoren angewiesen, durch d
ordentliche Obrigkeit auf die Gasthalter, Wirte usw. eil
zuwirken, damit sie Pennalschmäuse weder bereiten, noc
dazu helfen bei Verlust ihrer Auslagen und bei Stra'fe.
Der zehnte Artikel schärft den Universitätsbehörde
ein, von jeder Relegation „quamcunque ob causam", di
Kailelluniversitäten zeitig zu benachrichtigen (vergl. Hein
Städter Vorschlag), damit der Relegierte bei seiner Ankiini
auf einer anderen Hochschule schon bekannt ist und übei
wacht werden kann. Dreimal Relegierte sollen auf keine
Hochschule mehr aufgenommen werden; dasselbe gilt vo
den cum infamia Exkludierten. Schließlich ward bestirnnr
(Artikel XI), daß für diese Gesetze die Zustimmung un
Autorität derjenigen Obrigkeit, unter der die Universiti
stehl, erwirkt werden soll.
Die Universität Marburg hatte ihren Landgrafen übe
die Verhandlungen stets auf dem laufenden gehaltei
Georg II. ließ daher am gleichen Tag, an dem das Kartei
Statut in Marburg publiziert wurde (l. Januar 1639), ein
Verordnung im Druck erscheinen, worin er die (iesetze Ik
stätigte und im Sinne des Artikels IX die Lieferung voi
Speise und Trank zu den Pennalschmäusen verbot, soga
unter Androhung von Leibesstrafe.^^
•'*" WdIiI auf Marburgs Antrag wurde hier das Wort iurisiurandi J^
auctoranienti verwandelt, mit dem Zusatz „prout recepta admittit ratio"
in Marburji; wurde hei der Aufnahme kein Eid geleistet.
31 D(»s . . . Herrn Georgens, Landgrafens zu Hessen . . . Confinnatioj
und Bestättigung desjenigen Statuti, welches mit seiner f. gn. Vorbewo»
und Consens dero Universität zu Marpurg sambt andern consentirendeo
Acadenüeri in Teutschland zu Abschaffung deÜ eingerissenen schädlicb*
Pennalunwesens auffgerichtet .... Marpurg 1639. Wie aus der Verordnung
S. 11 her\'<)rgeht, war gerade vorher ein Fall gefährlicher Vennindun^
aus Anlaß des Pennalismus vorgekommen.
Zur Geschichte des PennaÜsmos in Marburg und Gießen. 345
Parturiunt montes — entsprach der Erfolg den Maß-
regeln? Daß ein halbes Jahr später der Kampf gegen den
Pennalismus in Marburg noch dauerte, zeigt eine Rede des
Rektors SchragmüUer, mit der er die statutenmäßige Lectio
legum am 1. Juli einleitete.^* Sie betont die Notwendigkeit
der gemeinsamen Aktion gegen den Pennalismus. Und an
die Marburger Spezialität, das Hauspennälertum, werden
wir erinnert, wenn es der Rektor auch bei dieser Gelegen-
heit für nötig erachtet, die Anwendbarkeit der Authentica
Habita auch auf die non peregrini zu erweisen, die „vel
in academiis nati et educati vel ultra milliare patriam ab
academia dissitam non habentes**. In rhetorischer Weise
greift er nochmals den Pennalismus an, der mit den ärgsten
Namen bezeichnet wird. Also nichts Neues, denn die Aktion
gegen den Pennalismus war ja auch bisher stets mehr rhe-
torisch als praktisch gewesen.
Für die nächste Zeit fehlt es uns an Material üb<?r die
Wirkung des Pennaledikts; es steht uns daher frei, anzu-
nehmen, daß das Kartellstatut doch heilsamen Schrecken
verbreitet hat. 1641 aber kam wieder ein noctunius ac
execrabilis tumultus vor, der im Zusammenhang mit dem
Pennalwesen stand. Jetzt war der Augenblick da, wo man
den Tätern zeigen mußte, daß das Kartellstatut ernst ge-
meint sei. Aber die Universität verhängte milde Bußen.
Wieder, wie einst 1629, griff der Landgraf ein, verlangte
verschärfte Strafen. Wieder leistete der Senat Widerstand :
^ werde dann den Anschein haben, als sei vorher nicht
statutengemäß verfahren worden, und man könne auch dar-
aus schließen, daß der Landgraf in die Disziplinargewalt
^er Universität eingreife, was viele Studenten abschrecken
öiußte.»3 Und die Universität drang durch: ein aka-
demisches Edikt, dessen Entwurf sich erhalten hat, spricht
*- Pennali8 exulans sive do causis abrogati perinalisrni in aliquot
<^onfoedfralis Germaniac academiis. Serm<» panegyricus . . . liabitus a
M. Conr. Schragmüllem . . acadciniae p. t. rcctorc. Marpurgi 1639.
3:, Universität Marburg an Landgraf Oeorg, 1642 Mai 22. — Zum
l^onflikt zwischen Landesherr und Universität war es zu gleicher Zeit aucli
*U8 anderem Anlaß gekommen. In einer Duellsache war die Universität
'^'cht statutengemäß verfahren und hatte scbließlich zugeben müssen, das
^treffende Statut sei „nicht zur obsenanz kommen'*. Das nahm Landgraf
Georg gewaltig übel. Es habe den Anscliein. läßt er sich vernelmien,
tM& stünde es in eweren mächten und w^ilikühr, die von unü sanrirto leg«'s
*cademicas zu halten und durch gehörige erfüllung denseilbt^n kraft zu
feben, oder durch einige densell>en obngemäße gelindigkeit und nachsehen
flieselben zur Observanz nicht kommen zu laj^sen". Wie die Universität
*^en Standpunkt verteidigte, ist auch heute noch bemerkenswert: Sie ist
gegen die vom Landgrafen verlangte Relegation cum infamia der Duellanten,
^'^il „es leider dahin kommen, das unsers wissens solche [Duelle] ingemein
346 Wilhelm Martin Becker.
aus, daß die Haupttäter, Joh. Conrad! und Bemh. Bruch,
relegiert — würden, wenn sich nicht hervorragende Leute
für sie verwendet hätten, und der Landesherr diesmal Gnade
für Recht ergehen lassen wolle. Bruch war mit zwei Tagen
Karzer durchgekommen, von Conradis Strafe ist uns nichts
bekannt.
So sah es mit der Handliabung der Kartei Istatuten in
Marburg aus. Die Ursache ist nicht schwer festzustellen. Das
ganze Kartellstat ut konnte nicht zur Durchführung kommen,
weil die maßgebendsten Universitäten im letzten
Augenblick abschwenkten. Die Publikation des Kartell-
statuts erfolgte außer in Marburg nur in Altdorf, Frankfurt
und Rostock.»* Gerade die großen sächsischen Hochschulen,
auch die ausschreibende Universität Wittenberg, hielten sich
nicht an das Übereinkommen. Den Grund hat schon Tholuck
im Wittenberger Archiv ermittelt: der Kurfürst von Sachsen
hatte das gemeinsame Vorgehen nicht genehmigt.*'*
In Marburg wußte man von dieser Wendung der Dinge
damals noch nichts =*«, sonst wäre die Pubhkation wohl auch
dort unterblieben. Denn unter diesen Umständen mußte
sich das Vorgehen der Universitäten, von vorübergehenden
lokalen Erfolgen abgesehen, als ein Schlag ins Wasser er-
weisen ; es konnte die akademische Autorität nur schädigen,
denn wollte die einzelne Universität nicht ihre eigene Fre-
quenz zugunsten der sächsischen vermindern, so durfte sie
ihr eigenes Statut nicht ausführen.
Als man dann in Hessen über die Haltung der Sachsen
klar zu sehen begann, beauftragte Landgraf Georg seine
Universität, in Wittenberg Schritte- zu tun, um die Fühlung
wiederzugewinnen, und es liegt auch das Konzept eines
Schreih(*ns an seinen kurfürstlichen Schwiegervater vor,
worin auf Publikation der Kartellgesetze auch in dessen
Hochschulen gedrungen wird. Von einem Erfolg ist nichts
zu bemerken.
und indistincte in provo(!ante et provocato auch assistenten vor ein ohn-
ehrlich und schehnenstückh an keinem ort gehalten werden, bevorab da
solche von i^rosson potentaten. fürsten und herrn geduldet, verwillJ?|'
l)efohlen oder auch wohl seihst an handt genommen werden müssen"-
Ik'sonders gegenüher hochgehornen Studenten lasse sich die Bestrafung
nicht durchführen
•^- In Rostock erst am 19. Mai 1G89. Die Titel der Drucke bei Kr-
man u. Hörn, Hihliographie d. deutschen Univ., Bd. I, No. 12527, 1252^.
1252J^a. tjher Rostock vergl. Hofmeister im Archiv f. Kulturgesch., 1^
(1906), 190. — ^^•' Thohick, Akad. Lehen, 1, 291 f.
•'^'' Landgraf (ieorg wies in seiner Bestätigung (oben Anm. 31) •^- ?
u. 8 noch ausdrücklich auf die Vereinigung mit den kursächsischen 1'"^'
versitäteii hin.
Zur Geschichte des Pennalismus in Marburg und Gießen. 347
So war man in Marburg der in den nächsten Jahren
nehmenden Zügellosigkeit der Studenten gegenüber auf
5 eigene Kraft angewiesen. Die Aktenstücke ^7, aus denen
r unsere Kenntnis der Zustände von 1643 und 1644
löpfen, zeigen uns, daß von Disziplin gar nicht mehr die
!de ist; jeder tut, w^as ihm gefällt. Nur wenige Züge aus
m Studentenleben jener Tage seien mitgeteilt: einige Stu-
nten besuchen einen einzelnen (Pennal), lassen sich zu
nken geben, zerschlagen ihm sämtliche Fenster, werfen
äche und Bänke hinaus, schießen beim Gesundheittrinken
it „Pufferten** und Pistolen, halten vorübergehende Sol-
len an, werfen auf dem Heimweg einer Witwe die Fenster
n, geraten dann mit Soldaten aneinander; ein Fähnrich
lut einem Studenten auf den Kopf, wird dafür von den
idern bis zum Schloß verfolgt, wo ein Student alle (Sol-
lten?) Mann für Mann herausfordert. — Gegen das unge-
jhrliche Steinehauen (mit den Degen) und Jauchzen will
rorektor Schupp einschreiten; einer der Studenten „hat
ch alsbald in postur gestellt, ihm den Degen vorgehalten
nd gerufen: Er bleibe mir vom leibe, daß er keine maul-
*helle kriege!** — Frankfurter Pennäler werden im Hause
öu der Straße aus belästigt, werfen mit Steinen; dafür
erden ihnen die Fenster eingeworfen; den Sturm auf das
aus verhindert der Prorektor mit der Scharwache. — Beck-
laiin von Lippstadt fällt in der Bezechtheit dem daher-
Jitenden Heydw^olf von Birmershausen in den Zügel, dieser
eht die Pistole, die aber nicht losgeht, haut diem Beck-
lann mit dem Degen auf den Kopf, daß die Waffe in Stücke
)riagt. — Alles dies wird von der Universitätsbehörde selbst
it dem Pennalwesen in Verbindung gebracht, das den An-
fi zu derartigen Vorgängen gebe. Dazu kam freilich noch
ie Wirkung des Trunkes: „Dz biersaufen**, schreibt Pro-
itor Feurborn 1644, „nimpt jetzo überhand, welches hiebe-
)r alhie nicht also gebreuchlich gewesen ist, und weil es
icht soviel kostet als der wein, so wird dz saufen jetzo
ihr gemein. Die hiesige bierbräwer sollen auch solche
icheii in dz hier thuen, dardurch den leuten die köpfe toi
'machet werden. Darauff überladen sie sich mit brand-
ein und saufen toback und sind dann gleichsam rasend
id begehen viel böses.**
In Marburg taucht denn auch schon damals der Ge-
^e auf, dem Unfug durch Beschluß eines Reichstages
Leibe zu gehen.
3" Akten im Gießener Universitätsarchiv.
348 Wilhelm Martiu Becker.
III.
Der Pennalismus in Gießen 1650 — 1660.
In Marburg hatte die schreckliche Kriegszeit ihre
lähmende Wirkung auf die akademischen Behörden geltend
gemacht; in Gießen, wo nach den Verträgen von 1648 und
1649 die Landesuniversität von Hessen-Darmstadt wieder
ihren Sitz erhielt, hatte man mit der äußeren Bedrängnis
nicht mehr zu rechnen. Mit der benachbarten hessen-
kasselischen Universität Marburg war ein engeres Pennal-
karteil abgeschlossen 3», und der alte Gregner des Pennalis-
mus, Professor Feurborn, trat auch in Gießen wieder auf
den Plan. Es zeigt sich gleich anfangs ein Umschwung im
Verfahren; mit der Relegation wird 1650 unter Feurboms
letztem Rektorat Ernst gemacht. Freilich ist bald auch der
alte Schlendrian zeitweise wieder zu bemerken, aber nach-
gerade scheint die öffentliche Meinung der alten Duldsam
keit nicht mehr günstig gewesen zu sein. Bekanntlich er-
folgte am 1. Mai 1654 ein Reichsschluß der evangelischea
Stände gegen das Pennalwesen, an dem auch Hessen-Darm-
stadt durch den Gießener Kanzler Just Sinold, genannt
Schütz, teilnahm. Der Inhalt bietet gegenüber dem Pennal-
statut von 1639 nichts Neues, im Gegenteil sind die prak-
tischen Bestimmungen jener Übereinkunft nur obenhin er-
wähnt.»» Das Ergebnis war in den folgenden Jahren kein
anderes als das von 1639. Auch jetzt scheiterte jede Aus-
führung zunächst am passiven Widerstand Kursachsens.
So war auch in Gießen trotz aller Bemühungen des Land-
grafen und der Professoren in den nächsten Jahren noch
nicht viel Besserung zu bemerken. Erst als 1661 der Kur-
fürst von Sachsen sich zu einem Pennaledikt entschloß.
war ein gleichmäßiges Vorgehen möglich, und von jetzt ah
verschwindet der Pennalismus wenigstens in seinen auf-
fälligen Formen (Kleiderunterschied!) mehr und mehr von
allen Universitäten. *o
3^ Justi, Hossisclie Denkwürdigkeiten, 1 (1799), 194.
39 Gedr. Lüni?, Reichs-Archiv, part. gen., S. 437f. ; Schöttgen, S. 149 ff •
V. Meiern, Acta comltialia Ratisbon. publ., I (1738), S. 1156 ff., mit Lese-
fehlern in den Unterschriften. — Auch die Bestimmung, daß Pennal-
putzer nicht zu Ämtern zugelassen werden sollen, ist schon früher geäußert
worden.
*o Vergl. für Gießen: Unschuldige Nachrichten 1710, S. 324f.; Acv
demia Hasso-Gissena antiquo suo incremento . . . restituta (1661), ^- "
(vorn 4. Sept.). Daß aber Überfälle auf den Stuben und Akzeßschinäu^
noch immer hie imd da vorkamen, zeigen die Akten der Visitation ^^n
1665 (Staatsarchiv).
Zur Geschichte des Pennalismus in Marburg und Gießen. 349
Ich bin hier auf den äußeren Verlauf des Kampfes
gegen den Pennalismus nicht genauer eingegangen, möchte
aber dafür aus den Akten einige Angaben machen, die uns
eine bisher wenig beachtete Seite des pennalist ischen Treibens
enthüllen. Im Jahre 1656 kam es zu einem Verhör, dessen
Protokoll uns noch vorliegt.*^ Fünf Füchse wurden darüber
befragt, was man ihnen getan habe. Ihren Aussagen ent-
nehme ich folgendes.
Einem Pennal wird in der Kirche** angezeigt, wann Pcn-
nalkonvent sein soll ; er lehnt ab, wird aber durch die Drohung,
(laß er nicht absolviert werde, eingeschüchtert. Man dringt in
ihn, daß er sich einschreibe (in die nachher zu erwähnende
Liste). Andernfalls dürfe er nicht in der Kirche bei den
anderen stehen. Auch Ohrfeigen werden angedroht. (Diese
Drohung wurde auch öfters ausgeführt, wenn ein Pennal
die aufgegebenen Abschriften nicht rechtzeitig lieferte.) Der
Hauptdränger ist ein gewisser Kopeke *^ ein Holsteiner. Von
ihm heißt es: „Röpicke wolte einen jeglichen tribuliren,
und die exteri (zu denen R. gehört) wollen die lantskinder
undertrücken.** Ein anderer Pennal gibt an, Kopeke habe
als Senior vier Präfekten zur Wahl vorgeschlagen : Kose,
Bernfeld, Plebanus und Tilen. Bei dem letzten Konvent
habe sich niemand so „des Werks angenommen** als Kopeke,
der sich aber doch nicht sicher fühlt, da er erfahren hat,
daß ihn ein Pennal beim Kektor angezeigt hat. Er äußert
daher beim Heimweg vom Konvent „vor dem Tor'*, wer
das tue, komme „bey der bursch in ungnad** und werde
'^jcht absolviert. „Hette zeitung mitt hinauß genommen, daß
die ankommendte solten lesen, und wenn sie französisch
pnd andere worth nicht betten können lesen, so hette er
^hn ausgelacht, wenn einer aber hette fertig können lesen,
so hette er gesagt: daß gibt ein brafe pfaffe.** — Ein Dritter
s^gt: „Drey seien praefecti gewesen, da er recipirt worden,
^Jß Thiele, Kose, Plebanus." Durch eine mitgebrachte Brille
'^^üssen sie knieend die Leges lesen, oft durch Zwischen-
rufe, sie möchten das Maul auftun, unterbrochen. Sonder-
bare Vexierbilder werden den Neulingen vorgehalten: ein
^ürkenkopf mit einem Herz, „eine jungfraw sampt virilibus**
~^ sie sollen sagen, was das sei, wissen es nicht zu er-
*^ Im Gießener Universitätsarchiv.
*• Die neue Empore in der Gießener Kirche führte, wie wir aus
•^^nem Schreiben von 1650 entnehmen, bei den Studenten den Namen
"^emialburg".
*» In der Matrikel (Klewitz-Kbel, S. 24): Röpeh, im Rolegationspatent
^'^m 26. Jan. 1657 : Röper.
350 Wilhelm Martin Becker.
klären und werden veispoüet. Einem Nürnberger wird unver-
merkt „ein schwänze** angehängt, womit dieser bis in die Stadt
geht. Immer wiederholt sich die Drohung : w^er ausplaudere,
solle sein Leben lang nicht absolviert werden. Die Schreib-
arbeit blüht: einer soll 29 Bogen abgeschrieben haben; ein
Student hat ein collegium concionatorium aus Wittenberg
mitgebracht, das die Pennale abschreiben müssen. Für die
Musik müssen sie Beiträge zahlen. — Nur ungern und, ,,den
groll der Studenten zu vermeiden**, hat sich ein anderer
„undergeben". Bei der Einladung zum Konvent, die ihm
in der Kirche geworden sei, habe man ihm gesagt: „Es
bette nichts zu bedeuten, wehre nuhr, wan die bursch auf
Wartung begehrt, daß man wüste, wer darzu zu gebrauchen,
und wan etwz abzuschreiben wehre.** Wiederum Kopeke
„hatte den Dolman** mitt hienauß gebracht, hette ihm zwar
versprochen gehabt alles guts im posthauß, aber darauff
hette er es am ärgsten gemacht, hette ihn genandt mit Übeln
nahmen, es glaubte keiner, wie es zu gemüth ginge, wan
einer so tractirt würde." Auch den Piofessoren gegenüber
gebrauchte Röpeke despektierliche Ausdrücke; er nannte
den Theologieprofessor Nikolaus Misler den „Kirchenklaus".
dessen Kollegen Peter Haberkorn den „Kirchenpeter'* oder
auch den ,, geistlichen Oßwald**, wie dieser viele Pferde
hätte, so hätte er viele Postillen. *^ — Ein anderer reicht
seine Beschwerde schriftlich ein : ,,Wir sindt auff einem con-
vent geweßen im walt unter eychen, da wahren viel newe
ponel kommen, da hatt der Röpick ein schnür vol hölzern
klöz, die musteii die penel anhangen, das wahre ihr pater-
nister, darnach warff ihnen der Röpick auß der schnür, sc>
musten sie die penel wieder auffiesen und in die schnür
thun .... Item in den erlen ist damalß ein Nürnberger
penal dagewessen ; denselbigen haben sie den Narnbürger
rhat [jrenannt?], wie derselbe in aufhabung des brilles ge-
lesen, hat ihn ein penal, Odwalt genandt, den rapp-
schnabel*^' von der nasen ziehen müssen, daß ihm die naaß
i»ebhitet. Item in den erlen hat Ropicken die propositiones
jzethan und haben 4 praefecten envehlet, auß jedwetter
nalion einen*", deren einer Tliilen, Plebanus, Roß, den
•*-• Klcwitz-Ebel, iS. 20: ein Livläiider.
*•'' Vorgl. dit' Bezeichiuiiig ..Postillenreiter** für einen Pfarrer, der fiJ»*
Pn digtcii aus P(>still('n abschreibt; Oßwald war wohl ein Bereiter »^
Gießen.
*'^ liapschnab«*! sonst in der Bedeutung Grünschnabel; das ,,Abziehen"
des R. ein /i«'b('n an der Xase. vergl. das Folgende.
*" Die einzige Stelle der Gießener Akten, wo von Nationen die R^*^
isl; daher wabrselieinlich nur eine Fiktion Röpekes, der den Nationalisni«^
Zur Geschichte des Pennalismus in Marburg und Gießen. 351
ierdten weiß ich nicht zu nennen. Diese aber alle mitein-
ider haben im letzten convent resignirt. NB. Der Ropick
luß uff alle penelschmäussen sein, daß er die penel, die
jffwartten müssen, plaget und schändlich ausmachet, daß
j zu erbarmen ist**.
Geben uns nun diese Aussagen bereits ein Bild von
*m Treiben in den Pennalkonventen, so muß es Erstaunen
•regen, wenn man sich zu der Feststellung genötigt sieht,
iß es sich nicht um Übergriffe von älteren Burschen gegen
eulinge, sondern um lauter Quälereien unter den Pen-
aten selbst handelt, daß also bei dieser Untersuchung
ein Tadel auf die Burschen fällt, außer dem, daß sie Pennale
um Abschreiben benutzen. Denn der Senior und die Prä-
jkten, auch dieser berüchtigte Röpv?ke, sind selbst noch
^ennäle, wenn auch älter als ihre Opfer, eine Art Brand-
iichse. Sie lassen ihren Mutwillen bereits ebenso an den
"ieulingen aus, wie es nur die Burschen dürften, und miß-
5rauchen die Autorität des Burschenstandes zur Einschüch-
erung der unerfahrenen Novizen.*"* Das Verhältnis der
Burschen zu den Pennälern scheint nach dieser Unter-
suchung gar kein besonders übles gewesen zu sein; von
Quälerei durch die Burschen ist nichts zu spüren, — wenn
s auch noch vorkam, daß nach altem Brauch einmal ein
'ennal auf seiner Stube überfallen wurde — , nur gewisse
flichtmäßige Leistungen, wie Abschreiben, Aufwarten usw.
nden statt. Wenn eine solche Arbeit zu verrichten ist,
'enden sich die Burschen wohl an die Pennalpräf(»kten
nd lassen sich einen geeigneten Pennal abkommandieren;
Uch nehmen sie jedenfalls an den Pennalschmäusen teil,
ber die Präfekten haben ihren Spezialpennalismus ein-
öfiihrt: ihnen muß — wie wir jrloich sehen werden -
m Antrittsschmaus (von Heringen) gegeben worden, sie
rillen und quälen die jungen Ankömmlinge unter ßeihülfe
irer gleichalterigen Genossen nach Herzenslust und erheben
trafgelder und Gebühren von ihnen.
•Us Rostock?) kennen mochte. Thileu ist ein Frankfurter oder ein Aache-
*r (Klewitz-Ebel, S. 25), Plebaii aus Butzbach, Rose aus der Grafschaft
ippe.
*^ Diese Cberordnung der älteren Pennale ül)er die jungem kennen
*!• auch aus Jena, wo eine Einteilung in verschiedene Klassen nach der
^ll der akademischen Wochen üblicli war (Pennalismus proscriptus pro-
^gatnscfue ab acad. Jenensi. 1G61). Die Erwählung von Präfekten aus
ö* Zahl der Pennale, „welche das register der inniorum halten, auff die-
-Ibe achtung geben, sie convociren. ihnen coniniandircn und sie den
It^m studiosis zu ihren diensten in gewisser Ordnung anweisen sollen"
5^eßener Bericht von 1(>59/H0), findet sich aber meines Wissens nur in
ießen.
352 Wilhelm Martin Becker.
Ein anderer Anzeigezettel, der nach den vorkommenden
Namen einige Jahre später (1659/60) entstand, mag die Lage
der Pennale weiter illustrieren. „Solches ist vorgangen am
sonnabent auff dem convent bey den pennelen und auch
sonsten. 1. Haben sie den gebrauch under ihnen, wann
itzund ein newer ankompt, welche sie ein fuchs nennen,
der muß zu erst den praefecten einen schmaus geben und
darnach ein kopstück inschreibgelt. 2. so muß der fuchs
alle woch zweymahl in die fuchsecken** gehen, so schlagen
sie die praefecten und rupffen sie bey dem haar und ziehen
sie bey der naßen, das heißen sie den ratzschnabel (I) ab-
ziehen. 3. Darnach wenn sie wiederumb auff dem convent
sein, so haben sie ein dollen hut mit lauder hanenfettern
bestücket, denselben setzen sie den fuchsen auff und jagen
sie durch die leuth .... [Die Präfekten haben dem Petri
für 4 Kopfstücke Heringe und für 2 Köpfst. Bier verzehrt,
ähnlich dem Doli] 7. so haben sie einen newen
pennal, der kann ein wenig auf der flöthen peiffen, der
selbige muß ihnen als peiffen, dan müßen die fuchse
dantzen, wan einer nicht dantzen will, so geben sie ihm
stattliche stoße. 8. so hatt der Steusing einen pennal,
welcher noch new ist, geschlagen, der hatt ihm müßen
singen, und hatt ihm mitt einex spißgerten an das maul
gehawen, dz ihm daß maul ist gantz uffgesprungen und
ihm das blut über seine kleider ist herunter gelauffen, daß
er gar erbärmlich geweinet hatt, dz die andre pennel all
über den Steusing gezörnet haben, dz er den kerlen so
ohne uhrsach geschlagen **
Ihre schärfste Beleuchtung aber findet die I^age der Pen-
nale neben diesen Äußerungen naiver Roheit durch die
Leges, die Pennalgesetze (Fuchskomment), nebst den Unter-
schriften der darauf verpflichteten Pennale, die eine voll-
ständige Pennalliste für 1655/56 darstellen ; sie sind bei der
vorerwähnten Untersuchung 1656 in die Hände der akade-
mischen Behörde gefallen. Es existieren zwei Fassungen;
beide sind ganz im Stile der akademischen Gesetzgebung ge*
halten. Den damals vielgelesenen Scherzdisputationen de
iure et naturca pennalium, de beanis, de studiosis usw. können
si(5 ihrer scheinbar juristischen Form wegen zur Seite gestellt
werden, sind aber von jenen ihrer Bedeutung nach doch sehr
verschieden. Während es sich bei den erwähnten Dispn*
tationen um scherzhaft-übertreibende Darstellung derstuden-
4^ Nach den nacliher folgenden Leges (B IV) hatte der Fuchs ü"
ersten Monat an den Fredigten und Vorlesungen stehend und barhäuptig
toilzunolmicn, und zwar an dem ihm vorgeschriebenen Platz (Fuchseck?)-
Zur Geschichte des Pennalismus in Marburjr und Gießen. 353
hen Gruppen und ihrer Rechte handelt, sind diese Pennal-
etze, von älteren Pennäloii den jüngeren aufgezwungen,
er ernst gemeint. Ihre Mitteilung möge den Schluß dieser
sfühningen hilden.
Passung A der Pennalgesetze.
Cuicunque iugum Pennaiisnii subeundi aninnis est, is legibus
>sequentibus se obstrictum esse noverit. •
I. Si convenlus iunionini a seniore propter certas causas
titutus fuerit, et hunc vel ipse vcl alias suo nomine et iussu
licaverit, hoc autem quis susque deque ferens emariserit, albis
iltatur 4. Si quis auteni se vocatum lieget et res interini aliter
mperiatur, albis rnultatur 5. Exceptis tarnen iis, qui iustam
lansionis suae protulerint causam.
II. Si quis gymnasia et scholas triviales reliquerit seque ad
adeniiam nostram Gissensem studiorum causa contulerit inque
atum numerumve nostrum vulgo dictum Pennal-Stand, referri
)luerit, antequam nobis interesse velit, si adhuc cornua gerat,
jpositorem adibit, depositionem subibit, depositus nos conveniet,
sie in nostnim recipietur numerum ; si quis contra fecerit, non
Imittetur, sed quasi infamis (ut nos infamiam accipimus) se-
■«getur.
III. Si quis forte, dum suis antehac interfuit scholaribus,
?ulis sericis vel aliis ad fastum usus fuerit, illa deponet sibique
>nvenientia assumet, renuens pericula non evitabit onmia.
IV. Cum mos hie nostrae sit academiae, ut iunior vulgo
Pnnal dictus, antequam plenam studiosi potestiitem acripiat, toto
pno expectare c«gatur, idcirco illis, qui sine ulla studiosorum
imissione veniave patriam suam visitarunt, reversis illud quod
eglexerunt tempus duplicabitur.
V. Quicunque singulis mensibus in loco conventui nostro
icato iusto tempore non comparuerit, solvet albos 3.
VI. Quicunque ea, quae proposita et inter nos traclata
^rint, divulgarit, albis punietur 10.
VII. Quicunque officii sui immemor debitani studiosis re-
ßrentiam non exhibuerit, tradita describendo, caput aperieudo,
^tus apparendo, 10 albis multator.
VIII. Quicunque absolutiouis actum subire meditatur, 1. tem-
^8 legitimum et studiosorum calculo approbatum observet, 2. prae-
ctum adeat, e pennalium numero ut eximatur petat. Secus si
Cent, tarn diu pro infame et non absolute habebitur, (juamdiu
Vitien ipsius inter peimalisantium nomina invenietur.
IX. Hisce legibus qui se opposuerit, illas non approbando
^t po«nam a lege iuste definitam destinato tempore non solvendo,
albis multator; hanc autem coustitutam poenam non solvendo
Uumero nostro removebitur.
Bdtit^e z. Gesch. d. Unlvernltäten Mftins u. Gießen. W
354 Wilhelm Martin Becker.
Fassung B der Pennalgesetze.
Leges,
[quibus] onines, qui in alma Ludoviciana pennalem [agere?] aul
qui annum pennaliticum absolvere gaudent, tenentur et obliganlur.
Cuicunque in alma acaderaia hac Giessena annum agere
animus est, sive e gymnasio aut paedagogio, sive alia schola
triviali excesserit, sequentibus legibus sese submittat necesse
est. Nemo vero sibi falso persuadeat has sequentes leges a nobis,
sed a dominis studiosis esse traditas et nunc denuo confirmatas.^*'
Ergo si unicam tantum hanim legum quis negligat, poenas infra
notatas suo damno sentiet.
I. Cornigerum quoniam albo pennalitico indignum plane
iudicamus, ideoque haec prima cura esto, ut a depositore cor-
nuum, quae gerit, decussum impetret, qui tarn ipsum ritibus
studiosorum academicis initiabit. De huius intercessione [ni'
si forte constaret, vel pecunia(m) reciperetur, vel iam tum re-
ceptus turpiter excludetur.^i
II. Deinde sine mora praefectum adito, ut inseratur albo
l^nnalitico demisse rogato illique honorarii loco 10 albos offerto,
recusans 20 numerato.
III. Vestimenta statui nostro convenientia gestato, illa ul
ligulis boinbycinis, subsericis et omni luxu nuda sint iubeinus.
Si vero quis igitur ignarum(!) i)eccet, indicabitur ipsi huius legis
violatio; sin admonitionem [nihili] faciat, ornatu suo denudabitur.
20 albis mulctabitur.
IV. Pennalitico habitu indutus locum a seni[ori]bus selectuni.
quem vulgo fuchs feck(!) vocant, primo mensi occupato, cou-
cionibus et lectionibus aperto capite sine sessione auscultato.
V. Nemo vero talia metuens doini sese al^scondat vel diver-
ticula quaerat, sed absque omni exceptione et excusatione se
sistat, impunis non abibit.
VI. Elapso mense praefectum adeat et ab ipso ab ouere boc
liberationem privilegiorumque pennaliticorum cominunicatiouei»
debita(m) cum reverentia i)etat.
VII. In primis dominis studiosis debitum obedientiae f ^
reverentiae culturn exhibeto, vocatus citissime adesto, servitia
nulla detrectato, caput studiosis pietatis [causa] detectum pra^'
beto et ad quemvis eorum nutum flectendum pennalibus esse
aninmm scito. Refractariis poena(m) per studiosorum arbitriun^
decernet[ur].
VIII. Nee suum absolutis et senioribus honorem denegat*^';
obviam illis veniens in salutando prior esto. ContrariuiD ^*
innotescit, tempore conventus 10 alb. plectetur.
IX. Nimia quia etiam extitit inter iuniores licentia palH^^
unico tantum gestandi humero, inposterum illud non cuivis cov^"
^^ Deckung der Pennalpräfektcn durch die Autorität der Bursc^^^^'
•'»* Verderbte Textstelle. Statt reciperetur wohl: mulctabitur.
Zur Gescliiclile des P^iinalismuä in Harburg und üiefien. ST^
letar, nisi i ad minimuin meases pennalem egerit, delinquens
Mre mulctabitur 10 alb.
X, Conventum si seniores instituuQl. nemini emanendi facul-
em coQcedimua, nisi iustissimami praefeclo indicaverit causam,
as si quis pro lubitu aberit, ex albo pennalitico delebitur.
XL Serio aatem mandamus omnibus et smgulis, ut con-
itiim, acta in illo, instilatoris (!?), praefectum omniaqiie celent
dccultent nee lemere quidvis apud quemvis effundant; si vero os
3ddani infrene latentia in apricum protulerit, [sine] omni recep-
ne intempeslirus ille gamilus e numero nostro exciudetur.
XII. Si propterea qnidam in carcerem coniicerentur, reliqui
a solum illos visitent alloquioque temporis taedium dispellant,
i et e carcere illos redimant.
XIII. Nemini las eslo patrios revisitandi lares nisi iinpetrata
doiitinis studiosis, pracfecto et senioribus venia. Sccus si res
boerit, lempus emansionis duplicabiliir, mulctabiturque pro
oioruin iudicio.
XIV. Si quis actum absolutioiiis meditatur, praefectum rogel,
sibi testimoiiium practerlapsi temporis suppedilet. quod do-
inis studiosis exhibere possit.
XV. Postea dominorum studiosorum suffra(;ia colligat atque
t e numero pennalium eximatur iuraque et privilegia studentira
ibi conferantur submisse pet[at].
XVI. Quicunque legis violatlonem videt nee violatorem in-
ical, eadem dissimulantem quae deliriquentem poena manebit.
Zwei hessen- homburgische Prinzen als Gieflener
Studenten 1722—23.
Von Ludwig Voltz.
Von der Sittengeschichte unserer Landesuniversitül be-
sitzen wir, zumal für die äftere Zeit, noch kein geschlosseueä
Bild. Um ein solcheszugewinnen,bedarf esnoch violerwicli-
tiger und auch kleiner Züge, welche überallher zusammen-
zutragen sind, um dann von berufener Hand vereinigl iü
werden. Sie zu finden ist nicht immer leicht und oft eine
Sache des Zufalls. Der in amtlichen Schriftstücken aufsc-
sammelt« Stoff entbehrt naturgemäß meist der Einzelheiten
und der persönlichen Züge. Was aber von nicht amtlichen
Aufzeichnungen namentlich persönlicher Art vorhanden
war, fiel oft aus Unverstand oder Gleichgültigkeit der Ver-
nichtung anheim, anderes kommt erst gelegentlich zutage
wieder anderes hat Haß und Schmähsucht mit eutstellemitT
Feder niedergeschrieben. So fehlt zu einer Geschiditi'
Gießens und der Ludoviciana immer noch viel, und viir
erst mag jeder neue Beitrag dazu nicht unwillkommen sein>
Ein solcher läßt sich auch aus den Briefen und Rechnungen
über den Studienaufenthalt zweier hessen-homburgiscIiP^
Prinzen in Gießen, welche als Konvohit von metirei*"
hundert Blättern im Groläherzo glichen Haus- und Slaals-
archiv zu Damistadt aufbewahrt werden, gewinnen. Neb''''
menschlich nicht Uninteressantem erzählen uns diese Blatte'
«S^ K-ill
Zwei hessen-homburgische Piinzen als Gie&ener Studenten. 357
auch manches von der Universität und ihrem Leben im
ersten Viertel des 18. Jahrhunderts, wodurch die Darstel-
lung jenes Aufenthalts gerechtfertigt erscheinen mag.
Im Frühjahr 1722 bezogen die beiden Söhne des Land-
gKafen Friedrich Jakob (Friedrich III.) von Hessen-Homburg*
CU8 Universität Gießen. Beide standen noch in recht jugend-
Alter. Der ältere, Ludwig Johann Wilhelm Gnino,
gerade 17, der andere, Johann Carl Wilhelm Ernst Lud-
wig, zählte noch nicht 16 Jahre. Daß fürstliche Personen
S> jung zur Universität kamen, war damals, wie jetzt, nichts
ngewöhnliches ; in diesem Falle mag aher der Wunsch des
Vaters, die Erziehung seiner Söhne, deren Mutter im Sep-
tanber 1721 gestorben war, zum Abschluß zu bringen, bestim-
mend gewesen sein. Die Wahl der Universität Gießen erscheint
selbstverständlich wegen der Nähe der Heimat wie der ver-
wandtschaftlichen Beziehungen zum Landesherrn. Zum
Begleiter der jungen Herren wurde Christian Gottlieb Passern
bestimmt. Von Beruf Jurist stand er schon seit dem Jahre
1719 in Diensten der landgräflichen Familie, vermutlich als
Erzieher der Prinzen. Seine Stellung mochte er in erster
Linie der hohen Tüchtigkeit verdanken, welche sein Vater,
der Lic. jur. Justus Eberhard Passern als langjähriger Diener
der Laridgräfin-Regentin Elisabeth Dorothee von Hessen-
Darmstadt, bewährt hatte.* Die Gießener Informatorstelle
übernahm der junge Passern für jährlich 100 Gulden in der
Hoffnung, mit den Prinzen große Reisen machen zu können ;
es glückte ihm auch, sie später nach Rußland begleiten
zu können. Nach seiner Heimkehr finden wir ihn 1725
als Regierungsassessor in Gießen wieder.
Die Instruktion, welche Passem bezüglich der Unter-
weisung der Prinzen gegeben wurde, liegt nicht vor; doch
lassen ihn die Briefe als einen sorgsamen und eifrigen,
seinen Schutzbefohlenen aufrichtig ergebenen Mann er-
kennen, werm sich auch seine Fürsorge oft gar sehr aufs
Äußerliche, auf die ängstliche Wahrung der Etikette gegen-
über seinen erlauchten Zöglingen erstreckt. Die Oberleitung
des Aufenthalts der Prinzen in Gießen übernahm auf Er-
suchen des Vaters der hessen-darmstädtische Oberamtmann
•
lu Gießen, Johann Friedrich von Kametsky^, bereitwilligst,
^ Ein ansprechendes Bild des Landgrafen entwirft in wenigen Strichen
'• G. Estor, Neue kleine Schriften 1, Marhurg 1761. 705.
2 Vergl. L. Baur im Archiv für österreichische Geschichte 37, Wien
»867, 273 f
., * In der Form Kametsky schreibt der Oberamtmann selbst seinen
^*nien; in anderen Schriftstücken findet sich Kametzky und Kameytsky,
*'Pich letzteres die ursprüngliche und richtige Namensform darstellt.
358 Ludwig VolU.
konnte sich ihr aber erst im Juli unterziehen, da er bis
dahin dienstlich von Gießen abwesend war.
Am Mittwoch 8. April 1722 wurde die Reise nach
Gießen unternommen. Drei Wagen mit sechs Pferden be-
förderten die Reisenden und ihr Gepäck, darunter auch
Möbel, sowie andere nicht unbedingt nötige und befremd-
liche Gegenstände, wie z. B. drei Ohm Bier und i/« Zentner
Pulver. Im Gefolge der Prinzen befanden sich außer Passern
der Kanzleirat Stüler, Leutnant Ulner und sechs Bediente.
Über Oberroßbach ging's nach Butzbach, wo im Goldnen
Löwen bei Georg Karl Happel zu Mittag gespeist wurde,
während sich die Kutscher bei der Frau Maifahrtin im
Weißen Roß verköstigten. Am Abend kamen die Reisenden
in Gießen an. Am Seltzerthor präsentierte die Wache, doch
wurde kein Spiel gerührt und von dem Offizier nicht mit
dem Sponton serviert. Die Prinzen mit Passern nahmen
Wohnung im Schlosse, wo keine Wache gestellt war „ohn-
erachtet doch schon ohnlängst deßfalls mit Herrn General
von Prettlach zu Frankfurth Abrede gepflogen". Eine ziem-
liche Unordnung empfing die Ankömmlinge. Das Gepcäck
traf der schlechten Wege halber erst um V2IO Uhr abends
ein, und die Frau eines Sergeanten mußte ihnen die Betten
machen. Noch am selben Abend kamen der Oberst Längs-
dorff, der Major Wille und einige andere Offiziere vom
oberrheinischen Kreisregiment, um ihre Aufwartung zu
machen. Der nächste Tag verging mit Besuchen und Ge-
schäften. Der tägliche Mittagstisch wurde nicht in einem
der Gasthöfe genommen; man wird daraus nicht schließen
dürfen, daß sie übermäßig schlecht gewesen seien, sondern
den Wunsch möglichster Zurückhaltung und Abschließim?
in dieser Maßregel erkennen müssen. Daher wurde mit der
Frau Regierungsrätin Hoffmann (Marie Sophie Hoffmännin,
geb. Myliin) Verabredung getroffen, welche anfänglich nicht
geneigt war, die Prinzen in Kost zu nehmen, bis endlich
nach langem Flehen sie sich dazu resolvierte, sie und
Passem für wöchentlich 21/2 Gulden die Person mittags zu ver-
kr)stigen. Den Wein mußten sie bei Frau Hoffmann selbst
Stollen; anfänglich tranken sie eine Sorte die Maß zu 1 fl-?
weil denn solcher zu kostbar, kaufte Passem eine halbe
Ohm Moselwein von Professor Arnoldi für 22 fl. 15 Albus.
womit er bei täglich 1/2 Maß bis Ende Juli zu reichen dachte-
Die Tischgesellschaft der jungen Herren bestand aus zwei
Herren von Kametzky, Herrn von Löw^enstem, von Stemmer,
Dexter, Rudrauff und Professor Masson. Das Abendessen
gleichfalls dort zu nehmen, erschien dem Informator nicW
Zwei hessen-homburgische Prinzen als Gießener Studenten. 359
ten, weil die Studenten gemeiniglich gern pflegen zu
en und sich darauf lustig zu machen, so daß einer
er Bezechtheit leicht den Respekt vergessen könnte;
ds schickte daher Frau Hoffmann die Speisen in ein-
m Assietten aufs Schloß. Außerdem wurde manches
Abendessen direkt eingekauft, so Brot täglich für 1 Al-
Limburger Käse für 1 Albus 4 Heller, ein anderes Mal
3, beziehungsweise 6 Albus. Auch wurden die jungen
eu von Hause mit Bier versehen. Außer den mitge-
menen 3 Ohm bekamen sie am 23. Mai 1 Ohm V2 Ohm
ertel. „Das letzte vom ersten Faß so nicht zu trinken
jsen, weil es so sauer worden, ist es den Laquaien ge-
n worden." Übrigens tranken sie den verbrauchten Wein
das Bier nicht allein, sondern die Wein- und Bier-
nungen weisen aus, daß häufig dem einen oder andern
hohen Offiziere und Professoren einige Maß als Ge-
nk zugeschickt wurden. In der zweiten Nacht gegen
Ihr brachten einige Studenten ihren erlauchten Kommi-
en eine schöne Nachtmusik. Weil aber die Prinzen
n zu Bett waren und die Huldigung nicht vorher an-
eldet war, „hat man solches wie ein Nachtständchen
jchweigend angehört, da im Gegenteil derenhalben eine
ation hätte müssen gegeben und eine Danksagung ab-
\{iei werden; welches uns aber desto lieber gewesen,
en dadurch große Depenses nebst vielen aufs Trinken
Igende DesoiSres vermieden geblieben".
Am 9. April weckten die Pfeifer vom ganzen Regiment
einer Frühmusik die Prinzen. Nachdem dann vor-
ags weitere Besuche von Offizieren erfolgt waren und
Prinzen die Wache hatten aufziehen sehen, ging am
Imiittag Passern zum Rektor der Universität, Professor
Bielenfeld, um die Ankunft der Prinzen zu melden
ihren Besuch für Freitag Nachmittag 3 Uhr anzu-
n. Darauf erschienen am Freitag Vormittag die Pro-
oren Dr. Weber und Dr. Vordries als Deputation, um
erlauchten cives academici den Willkomm der Univer-
zu entbieten. Die Herren wurden von Passem unten
ler Treppe, von den jungen Herren an der Tür des Vor-
achs empfangen und beim Weggehen in entsprechender
se geleitet. Nachmittags 3 Uhr stellten sich die Prinzen
Rektor vor. Unten am Tior wurden sie empfangen
in das Zimmer geleitet, „allwo schon 2 große Sessel
z allein vor die durchlauchtigsten Printzen gestellet
en. Als sie nun saßen, wurden vom Universitätspe-
3n die zwei große silberne Zepter gebracht und im
360 Ludwig Voltz.
Ziiimier auf den Tisch, das Matricül-Buch aber dazwischen ge-
leget, folgends von denen durchlauchtigsten Printzen selbsten
dero Namen hineingeschrieben und ihnen darauf vom Rec-
tore ein und andere gedruckte Exemplare wie gewöhnlich
überreicht". Dann wurden sie mit einem Glase Wein und
einem Aufsatz Konfekt traktiert, und schließlich geleitete
sie der Rektor wiederum bis ans Tor. Der Vater der Prinzen
war nicht damit einverstanden, daß sich seine Söhne hatten
inskribieren lassen, weil er es für unnötig hielt; erst der
Hinweis, alle anderen Prinzen hätten sich gleichfalls im-
matrikulieren lassen und dieser Akt bedeute nur eine Ehre
für die Universität, vermochte seine nachträgliche Zustim-
mung zu erwirken.
Die nächsten Tage waren wieder durch Besuche, Depu-
tationen und Einladungen ausgefüllt, unter anderen bei dem
Obersten Langsdorff, in dessen schönem Garten vor der
Stadt die Prinzen sich nach Tisch mit Spazierengehen
divertierten ; zur Verschönerung erbat sich Langsdorff durch
Prinz Gruno vom Landgrafen ein halb Dutzend Oranien-
bäume von allerlei Sorten und Figuren. Am 19. machte
der Rektor Bielenfeld seinen Gegenbesuch, wobei ihn Passem
auf der Hälfte der Treppe, die Prinzen vor der Tür des Vor-
gemachs empfingen. Er wurde, „weilen es sich mit Wein
nicht schickte, mit einer Tasse Kaffee traktirt mit dem Ver-
melden, daß die Prinzen des Nachmittags solchen gemeinig-
lich pflegten zu trinken." Die Bewirtung war nötig, weil auch
der Rektor die Prinzen bewirtet hatte; es wurden 4 Lot
präparierter Kaffee für 10 Albus und Biskuit und Konfekt für
8 Albus gebraucht. In der folgenden Woche, am 28., gab sich
der Rektor die Ehre, seine vornehmsten Kommilitonen zum
Mittagessen einzuladen. „Im Hinfahren gingen allerseits
Laquayen neben der Chaise her. Die Printzen wurden vom
Rektor und den schon anwesenden invitirten Gästen unten
am Tor, von der Frau Generalin von Spiegelin, und des
Herrn Dr. Bielenfelds Frau Gemahlin aber oben in dem
Zimmer sehr höflich empfangen. Vor und nach dem Essen
wurde den Printzen von Herrn von Rodenhausen das in
massiv Silber bestandene Lavor präsentirt, wogegen sie sich
bedanket. Es waren bey Tische denen durchs«" Printzen
ä parte Sessel gesetzet und ist nicht eher getrunken worden.
bis die durchl^'**" Printzen das erste Glaß Wein getrunken.
Nach dem Essen fuhren die Printzen, als sie von allen an-
wesenden Gästen wieder biß ans Thor convoyiret worden,
wiedenim ins Schloß**. Die Berichte Passerns mochten dem
Vater in Homburg zuviel von Geselligkeit und Besuchen
Zwei hessen-liom burgische Prinzen als Gießeuer Studenten. 361
erzählen, denn er bestimmte, daß die Visiten auf gewisse
Tage und Stunden gesetzet werden, damit seine Söhne da-
durch nicht an ihren Studien mögen verhindert werden.
Daher wurden Mittwoch und Samstag von 5 Uhr nachmittags
ab als Empfangszeiten bestimmt. Inzwischen war auch die
Frage der militärischen Ehrenbezeugungen dahin geregelt
worden, daß ein Doppelposten mit aufgepflanztem Bajonett
vor der Wohnung der Prinzen aufgestellt wurde. Wo sie
sich zeigten, traten die ganzen Wachen ins Gewehr. Als
Kapitän des Kreisregiments erhielt Prinz Gruno täglich
durch zwei Sergeanten die Parole. Femer wurde angeordnet,
daß die Prinzen beim Eintreffen von Siandespersonen jedes-
mal schriftliche Meldung von der Torwache erhielten, um
sie begrüßen zu können. Bei der Durchreise des Fürsten
von Waldeck fühlten sie indessen keine Veranlassung, ihre
Aufwartung zu machen, weil er „ein neuer Fürst**.*
Mit der Wissenschaft waren die jungen Herren zum
erstenmal am 15. April in Berührung gekommen, wo sie
einer theologischen Disputation beiwohnten. Dabei saßen
sie über dem Rektor, was nur den Fürsten vom Haus, aber
nicht den ausländischen Prinzen zugestattet wird. Anfang
Mai begannen endlich auch die Kollegien; vorher waren
nicht alle Professoren anwesend, um sich wegen der Zeit
ihrer Vorlesungen zu verständigen, welche den Prinzen pri-
vatim im Schlosse gehalten wurden. Es liegt darüber fol-
gender täglicher Stundenplan vor:
Stunden-Einteilung der Collegien, so die durchlauchtigsien
Prinzen halten,
des Morgend s
Von 6 Uhr biß 7 wird auf die Collegia vorher studiert und
gelesen.
Von 7 biß 8 geh ich nur obiter mit denen durchl»*^" Printzen die
Institutiones civiles durch, um zuvor ehe Sie ein Collegium
darüber halten, ein praegustum dav^on haben zu können.
Von 8 biß 9 kombt Herr Professor Anioldi und traktirt mit denen
durchist^» Printzen Philosophica.
Von 9 biß 10 kombt Herr Professor Ayermann und ließt über
die Historie.
* Die Grafen von Waldeck waren mit Georg Friedrich von der Wil-
yunger Linie seit 1682 und nach deren Erlöschen mit Friedrich Anton
prich von der Eisenberger Linie seit 1712 der Reichsfürstenwürde teil-
iJ^ftig geworden (vergl. z. B. .1. Hoffmeister, Historisch-genealogisches Hand-
^^ch über alle Grafen und Fürsten von Waldeck und Pyrmont, Kassel 1883j.
^^t' Letztgenannte war der, welchem die Homburger Prinzen den Gruß
^^^ Gleichstehenden verweigerten.
362 Ludwig Voltz.
Von 10 biß 11 ist frey, es werden aber in dieser Stunde die
Collegia wieder ruminirt.
Von 11 biß 12 Herr Professor Masson über das Jus naturae.
des Mittags.
Von 2 biß 3 Herr Professor Liebknecht über die Matheraatic.
Von 3 biß 4 wird vorhergehendes repetiret und auch das nach-
folgende gelesen.
Von 4 biß 5 kombt Herr Professor Verdrieß und ließt über die
Physic, wobey Er auch die Geographie und andere nötige Wissen-
schaften tractiren wird.
Diese Fächer wurden im Winter 1722/23 weiter vorgetragen,
wenn auch wohl mit etwas verschiedenem Inhalt und zu anderen
Stunden.
Wie man sieht, ein ganz reichliches Programm mit
täglich neun Arbeitsstimden, wozu im Sommer noch wöchent-
lich dreimal Reiten und von Pfingsten an viermal Tanzen,
im Winter von Dezember an viermal Fechten, sowie zwei-
mal Zeichnen und Malen kam.
Als Prinzen vom Hause hatten die jungen Herren den
Unterricht an der Universität frei. Doch wird schon sehr bald
in den Briefen die Frage behandelt, ob den Lehrern nicht
doch ein Geschenk für die Unterweisung zu geben sei.
Und so erhielten am Schlüsse ihrer Lehrtätigkeit Professor
Masson für neun Monate Unterricht im jus naturae, sowie für
vier Monate Politik und die neueste Zeit in französisch
Schreiben 100 fl., Professor Liebknecht für neun Monate
30 fl. 15 Albus, ebensoviel Profess-or Arnoldi für die philo-
sophischen Vorträge, Professor Ayrmann für neun Monat«
Vorträge über die Historie 40 fl., Professor Verdries für die
gleiche Zeit über Mathematik und Physik denselben Betrag,
der akademische Zeichenlehrer Pronner bekam 5 fl. Dagegen
erhielten der Tanzmeister Neuwaldt für neun Monate 48 fl..
der Fechtmeister Kaiser (?) für vier Monate 24 fl., der Stall
meister Meyer 20 fl. und die beiden Stallmeister an der
Reitschule 6 fl., woraus sich die Wertschätzung wissen-
schaftlicher Arbeit imd Bildung in jener Zeit unschwer er-
kennen läßt.
Zu Lektüre und Studium hatten die Prinzen auch eine
Anzahl Bücher, welche teils mitgebracht, teils im Laufe
des Sommers von Hause oder von den Buchführern Johann
Rhilipp Andreae, Dominicus van Sande und Johann Müller
beschafft wurden. Die Zusammenstellung dieses studen-
tischen Bücherschatzes hat wohl Interesse genug, um W^^
eine Stelle zu finden. Es waren (in alphabetischer Ordnung,
die Titel sow^eit möglich ergänzt) :
Zwei hessen-homburgische Prinzen als Giefiener Studenten. 363
strde, Reflexions sur le Ridicule.
i Job. Heinr. Resolutiones legum obstantium, Wittenberg
699, 8», 1 fl., zu binden 4 Albus.
reibung der Bastille, 8^, 8 Kr.
juris naturae ad Dominum** Duaci (Halae), 1719, 4°, 45 Kr.
on; Telemac teutsch, 8", 40 Cr., zu binden 12 Alb.
^buch, 2 Expl., zu binden je 18 Alb.
iramatica latina, zu binden 6 Alb.
►rius, Job. Gottfr.) Melissantes jetzt lebendes Europa, 4 Bde.,
rankfurt 1715—1720, 80, 2 fl., zu binden 2 fl.
r (Samuel), Gründliche Anweisung zur Logica, Bautzen
704, 8«, 2 Expl., je 12 Kr., zu binden mit Titel je 12 Alb.
s (Hugo), De jure belli et pacis c. n. var. et Becmanni,
rancofurti 1699, 4», 3 fl.
, Georg Paul), Betrugs-Lexicon, Coburg 1722, 8«, 15 Alb.,
u binden 3 Alb.
*, Andr. Laz.), Historischer Bilder-Saal mit der Fortsetzung,
—6, Anhang, 7, Nürnberg 1697 (1712)— 1719, 8», 15 fl., zu
inden in 8 Bände 3 fl. 6 Alb.
((lOttfried), Einleitung zum jure publico, Leipzig 1708
L715), 80, 2 Expl., je 1 fl. 20 Kr., zu binden 12 Alb.
»ndiöses Lexicon Metaphvsicum J. H., Nürnberg 1715 (1717),
0, 2 Expl., je 12 Kr.
ici, Prozesse (wohl ein Sammelband mit den verschiedenen
chriften L.'s), 4^, 3 fl. 3 Batzen 3 Kr., zu binden mit Titul
0 Alb.
i'epliers) Peplieur, Grammaire (royale franpaise), eine der
ielen Ausgaben vor 1722, zu binden 12 Alb.
lorf (Samuel), Einleitung in die Historie . . ., 4 Bde., Frank-
irt 1709 ff., 4 fl., zu binden 1 fl. 18 Alb.
Lchsische Robinson, Leipzig 1722, 8^, 30 Kr.
fderi (Gabrielis) Introductio in jus publicum, Tübingen
722? 8«, 1 fl., zu binden 12 Alb.
i Jurisprudentia lat., 12*^, 3 Expl., je 48 Kr., zu binden
5 10 Alb.
(Samuel), Examen juris feudalis, Francofurti 1689 (1704),
2®, 2 Expl., je 22 Kr., zu binden je 9 Alb.
es, Studenten-Bibliothecgen. Leipzig 1718 (1721), 12«
d. 8», 24 Kr., zu binden 10 Alb.
isius (Christian), Fundamenta juris naturae et gentium,
[alae 1705 (1708, 1713), 4», 30 Kr.
es (Job. Melch.j, Conspectus phiiosophiae naturalis seu phy-
icae introductio, Gießen 1720, S\ 2 Expl., je 32 Kr., zu binden
lit Titul je 12 Alb.
3ach (Christian), Wahrhaffte Cur aller Krankheiten, Straß-
urg 1712 (1715), 8'\, 48 Kr., zu binden 12 Alb.
iische Zeitung vom 19. September 1722 bis 19. März 1723,
fl. das Halbjahr.
svergen-Jagten, fol., 48 Kr.
achdem auch noch Papier (einmal für 24 Albus), Tinte
! Albus), Streusand (für 3 Albus) und Löschpapier
364 Ludwig Voltz.
(für 4 Heller) besorgt waren, konnte das Studium beginnen.
Außer den üblichen Einladungen und Besuchen, von denen
Passems Briefe nach Homburg öfter berichten, mag in
Gießen wenig vorgegangen sein, was die jungen Herren
von ihren Studien ablenken konnte. Von allgemeineren ge-
sellschaftlichen Veranstaltungen, von künstlerischen Dar-
bietungen, Konzerten usw. erfahren wir nichts. Als beson-
deres Ereignis wird gemeldet, daß Herr Professor Liebknecht
die latema magica vorführte, daß Herr Professor Kortholt
alle kuriose Bücher und Medaillen der Universitätsbiblio-
thek zeigte, und daß Herr Professor Hensing einen Vorlrag
de lapide philosophorum hielt und mit Experimenten er-
läuterte. Man wird nicht fehl gehen mit der Annahme, daß
überhaupt in jenen Monaten sich nichts ereignet hat, was
in der angedeuteten Richtung auf Bedeutung Anspruch er-
heben könnte. Denn es ist außer allem Zweifel, daß die
Prinzen daran teilgenommen hätten. Die Genügsamkeit der
Gießener Gesellschaft in dieser Beziehung und der Mangel
an künstlerischen Gelegenheiten, welche uns für die zweite
Hälfte des 18. Jahrhunderts bezeugt sind*, wird dadurch auch
für die frühere Zeit bestätigt. Selbst wenn man die Sonimer-
monate für diese Dürre und Stille verantwortlich macht,
bleibt das Verhältnis dasselbe. So bot das Leben in Gießen
den Prinzen wenig Abwechselung.
Gleich zu Anfang aber ergaben sich Schwierigkeiten.
Der älteste Prinz war morgens nicht aus dem Bett zu bringen
(was eigentlich nicht zu verwundern ist), so daß nachdrück-
liche Schreiben nach und von Homburg gingen, die denn
auch den Säumigen zu seiner Pflicht zurückführten.*
5 0. Buchner, Gießen vor hundert Jahren, Gießen 1879, 76 ff.
6 Schummer aber erschien in den Augen Passerns und des Vaters
ein anderes Vorkommnis, über welches eine beträchtliche Menge Papier ver-
schrieben wurde. Passerns Bericht darüber lautet : . . . daß, als ohnlängst
der allhiesigc Oberstlieutenant von Kametzky einen Cadet von der all-
hiesigen Garnison auf den Esel und wieder davon setzen lassen, derselbe
wie nicht weniger wegen noch anderen mir unbekandten A£fairen mit dem
Herrn Obrist Langsdorff, indem alles ohne dessen Vorwissen geschehen seyn
soll, sehr verfallen, so, daß sie sich ex post dem Verlauten nach darauf
noch duelliren müssen, hat der älteste durchlauchtigste Printz daaamaW
den Affcci zu sehr gezeyget und sich bey Tisch vor den Obrist Lanp-
(lorfT, nemlich daß solcher recht hätte, hingegen der Obrist Lieutenant eiaeo
Cadet als einen Edelmann nicht so sehr beschimpffen und auf den Esel,
noch vielweniger ohne vorhergegangene Meldung beym Obristen wiedenu»
henmter setzen lassen können, sehr interessiret. (Das Reiten auf deo
j.Esel" oder dem ,, Pferd" gehörte zu dpu Disziplinarstrafen, welche ohne
weiteres Verfahren verhängt werden konnten. Der „Esel** war eine Art
Langbaum, auf den sich der Bestrafte rittlings setzen mußte, unter Umstan*
den mit Gepäck und mit Steinen an den Füßen. Die Strafe dauerte wobl
Zwei hessen-homburgische Prinzen als Gießener Studenten. 365
Nun verliefen einige Wochen ohne bemerkenswerte Er-
isse. Ende Juni traf der Oberamtmann von Kametskv
dem, wie oben bemerkt wurde, die Oberaufsicht über
Prinzen übertragen war. Er hatte auch die Studienzeit
verstorbenen Prinzen Franz Ernst von Hessen-Darmstadt
'wacht und war so vertraut mit den Formen und Pflichten,
ihe junge Herren von Stand zu beobachten hatten. Vom
ili «an nahmen sie den Mittagstisch bei ihm, zu 3 fl. die
:he für jede Person, der Wein wurde extra berechnet,
die Person täglich V2 Maß, zu 12 Albus die Maß.
Mit Kametskys Ankunft wurde naturgemäß die Stellung
;ems, wie alle derartigen schon von Hause aus nicht die
iteste, noch weniger angenehm.' Viel Kummer machte
e Stunden. Ob sie über Kadetten wirklich nicht verhängt werden
e, scheint fraglich und war wohl eine falsche Anschauung der jungen
jn. Dagegen mußte die Beendigung der Strafe dem anwesenden
sten Vorgesetzten gemeldet werden; vergl. z. B. J. F. Ludovici, Ein-
ig zum Kriegs-Proceß, Halle 17183, 4, 197.) Daß der Prinz sich in
umperamentvoller Weise und dazu noch in Gegenwart seiner Tisch-
ten, der jungen Herrn von Kametzky, zweier Vettern des Oberst-
Miants über den Vorfall geäußert hatte, war zweifellos nicht richtig
höchst unangenehm. Aber es will doch scheinen, als wenn die Sache
buhrlich aufgebauscht worden wäre. Die richtigste Auffassung hatte
unge Übeltäter selbst, wenn er um Verzeihung bittet für den Fehler,
jr aus einer recht großen Unschuld begangen. „Ich habe keinen affron-
habe auch keinen immediate touchiret, sondern nur frey und auf-
ig herausgeredet was ich gedacht. So hat sich auch kein Mensch dar-
affrontirct befunden, hat auch keiner gedacht sich dargegen zu defen-
Immerhin erhielt er eine nachdrückliche Verwarnung und Wei-
, sich nicht um fremde Angelegenheiten zu kümmern, und sich vor
1 Wortwechsel und besonders für allen unnötigen Religions-Disputen,
US nichts anderes als Haß und Verbitterung zu entstehen pflegen,
Uten.
' In der ersten Zeit des Juli hatte in dieser Hinsicht Passern eine
itümliche Sache nach Homburg zu berichten. Eines Tages erfuhr
aß die Wache am Schlosse den Befehl habe, nach 9 Uhr abends ohne
ruckliche Erlaubnis des Oberamtmanns niemand außer ihm selbst
»zulassen. Diese Maßregel entrüstete den Informator und die Prinzen
löchsten Maße, und das mit Recht: mußte sie doch auf den Lebens-
lei und die Sitten der Prinzen ein höchst bedenkliches Licht werfen,
sie sich rasch in der ganzen Stadt herumsprach, ist selbstverständ-
Der älteste Prinz regte sich dermaßen auf, daß er einen ganzen Tag
8 essen konnte und zu Bett liegen mußte. Passern fühlte sich so sehr
^iner Ehre gekränkt, daß er beim Landgrafen um seine Entlassung
der Informatorstelle nachsuchte. Er sei nicht geneigt, für eine will-
che ungerechte Anordnung seine Reputation aufs Spiel zu setzen und
5 kein Edelmanns-Sklav sein; auch wolle er nicht, daß seine Prinzen,
iie er, wenn nötig, gern sein Leben lasse, vilain oder denjenigen,
he etwann läuffig und etliche Grad geringer sind, gleich gehalten und
ieret würden. Auch werde er zurückgesetzt und bei vielen Gelegen-
n, wo er nach seiner Instruktion die Prinzen zu begleiten habe, nicht
ngezogen, so daß er nicht in der Lage sei, sie dort zu beaufsichtigen.
i
366 Ludwig Voltz.
dem Infonnator auch das Exterieur der Prinzen, worinnen
sie in der Jugend sehr negiigirt worden, so daß er immer
und immer wieder zurechtweisen mußte. Auch stellte sich
heraus, daß beide, namentlich aber der jüngste, im Fran-
zösischen sehr schwach waren. Da diese Sprache großen
Herren heutiges Tages ohnumgänglich und höchst nötig,
schien besonderer Unterricht darin erforderlich. Weil aber
die beyde hier befindliche Sprachmeister (Gabriel Maria
und Dulac«) in der Prononciation sowohl als nach den Regeln
zu weißen gantz nichts taugen, gewann man später Pro-
fessor Masson als Lehrer. Einstweilen aber erbat Passem
aus der Homburger Bibliothek den Bellegarde sur le Ridi-
cule in duplo, um Französisch daran zu üben. Und so wurde
nach und nach der Studiengang der jungen Landgrafen in
feste Bahnen geleitet. Ein kurzer Besuch beim Vater unter-
brach Ende August auf drei Tage die Arbeit des Semesters.
Noch vor seinem Ablauf sah sich Passern veranlaßt,
die Anschaffung neuer Kleider für die jungen Herrn zu
beantragen, indem beyde schwarze Röcke, deren einige ge-
vvendt gewesen, schon gantz abgetragen und völlig unbrauch-
bar und kahl, hingegen die alte rothe Röcke, welche sie
dennoch auf der Reitbahn und sonsten zu tragen pflegen, all
zu kurz und enge worden sind. Nach Rücksprache mit dem
Oberamtmann hielt Passern vier Anzüge für notwendig, für
welche folgender Voranschlag aufgestellt wurde:
Zu vier Kleider, nemlich 2 gute und 2 alle tags Kleider,
16 staab tuch unterschiedene Farbe, den Staab ohn-
gefehr 6 fl 96
unter die 2 saubere Kleider 18 Ehl taffet zu unterfutter
die Ehl ä 4 oder Rthler 27
auf saubere Kleider massiv-knöpfe die garnitur ä 8 Rthler
vor 2 garnitur 24
von denen durchbrochenen Borten auf ein Kleid 25 Ehl
thut auf 2 Kleider 50 Ehl diese wiegen ohngefähr
40 loth, das loth äl 60
Die verstorbene Landgräfin habe ihm ihre Söhne aufs Herz gebunden und
ihm zur Pllicht gemacht, die Stelle niederzulegen, wenn er die notwen-
dige Unterstützung nicht finde. Daher bäte er, ihn dieses unangenehmen
und beschwerlichen officii zu entheben. Es stellte sich schließlich heraus-
daß dio Ordre auf Veranlassung des Herrn Hofmeisters von La Vallee an
den Obersten Langsdorf! ergangen war. Wer aber der eigentliche Öf*
heber der Absperrung war, wurde nicht festgestellt. Schließlich wurde <!»*
Sache dahin erklärt, daß die Verordnung nur für die beiden jungen Herfl*
von Kametsky (die Söhne des Oberamtmannes?) gegolten habe. Passeriö
Demission wurde nicht genehmigt, nach einigen energischen Briefen des
Landgrafen und des alten Geheimrats Passern war der Friede wieder her*
gestellt, und die Studien nahmen ihren weiteren Verlauf.
8 0. Buchner, Aus Gießens Vergangenheit, Gießen 1885—86, 251.
Zwei hessen-homburgische Prinzen als Gießener Studenten. 367
den alle tags Kleider halb Camelhaar u. seidene Knöpfe
die garnitur ä 3 fl. thut 2 garnitur auf 2 Kleider 6
sppon zum unterfutter 20 Ehl auf ein Kleid, thut auf die
2 alle tagskleider zusammen 40 Ehl. 4 Ehl vor 1 15
Summa 228 fl.
o ein ganz anständiges Sümmchen.
Die Sache wurde zunächst nicht entschieden, viehnehr
sten die Prinzen am 16. September in die Ferien nach
.use, wobei in Butzbach im Hirsch bei Johann Jost Kramer
igekehrt wurde. Am 12. Oktober kehrten sie nach Gießen
rück, um das Wintersemester zu beginnen. Die Vor-
lungen des Sonmfiers wurden fortgesetzt. Bald nach Be-
in des Semesters wurde die Absicht der Universität laut,
n ältesten Prinzen Gruno fürs Jahr 1722 zum Rektor
ignificentissimus zu wählen. Die Gepflogenheit, fürstliche
udierende durch Wahl zum Rektor zu ehren und zugleich
n Glanz des fürstlichen Namens an die Universität zu
LÜpfen, findet sich früher überall und ist auch in Gießen
übt worden. Schon im ersten Jahrhundert der Universität
aren eine große Zahl junger Herren aus fürstlichen und
)chadeligen Häusern Rectores magnificentissimi gewesen»,
ad erst kurz zuvor im Jahre 1707 war der junge Landgraf
udwig (später Ludwig VIII.) und 1709 Landgraf Franz
mst n)it dieser Würde geschmückt worden. Nun fanden
eitläufige Besprechungen und Schreibereien zwischen Hom-
urg und Gießen statt. Zuerst war der alte Landgraf nicht ge-
eigt, seine Zustimmung zu geben und hätte lieber gesehen,
'enn das Rektorat des Prinzen noch tun ein Jahr verschoben
''Orden wäre. Der junge Herr schien ihm noch nicht
ie erforderlichen Eigenschaften zu besitzen, und außerdem
laiibte er, daß die Studien notleiden würden. Endlich hatte
er Vater auch wegen der Kosten Bedenken gegen die Über-
ahme des Ehrenamtes. Allein man wollte in Gießen offen-
ar von einer Verschiebung nichts wissen und noch weniger
on einer Ablehnung. Es wäre kein Exempel, daß ein Prinz
ergleichen Dignität rekusieret, ließ sich der Oberamtmann
«lehren. Auf die Bedenken dos Vaters gegen die sofortige
Übernahme berichtete er:
Sonsten hat ein Rektor magnificentissimus außer der latei-
ischeri Harangue, die er bey der Erwählung in auditorio öffent-
«ih abzulesen hat und wodurch der durchlaucht. Printz große
• Seit Gründang der Universität hatten bis zum Jahr 1723 nicht
feiger als 22 Herren aus dem liohen Adel das Amt des Rector magni-
*«ntis8imas innegehabt. Vergl. Gießer Intelligenz-Blatt 1798, No. 13 bis
5 u. 18, S. 49/50, 54/5, 58/9. 70/1.
368 Ludwig Watz.
Ehr zu acquiriren verhoffet, mit den Rektoratsaffairen das ganize
Jahr hindurch nicht das allergeringste zu schaffen, sondern liegt
dieses munus einig und allein dem zeitigen Prorectori ob, wie
denn der Seel. Printz Frantz im drevzehndten Jahr seines Alters
diese Dignität gehabt, müßte also, falls Euer Hochfürstl. Dchl.
solches nicht gut placidiren, gantz ein andrer praetext und ent-
schuldigung genonmien werden. Die Depense von den Rektorats-
festin, wann alle mögliche menage gebraucht wirdt, dörffte wohl
auf 200 fl. kommen, weil die Studenten bey dieser Gelegenheit
mit einer musique des nachts aufzuwarten pflegen, da dann
zimblich wein aufgehet. Ihro Dchl. der ältere Printz ist sehr en
peine, es möchte ihn ein refus so wohl hier in der Stadt als
bei anwesenheit vieler fremder Studenten an anderen orthen
nicht w^enig tort thun und jedermann auf den Gedanken gerathen,
es geschähe aus bloßer menage.
Der Prinz selbst war denn auch schon vor der er-
langten Genehmigung des Vaters entschlossen, sich die
Ehrung nicht entgehen zu lassen, und hatte sich auf eigne
Faust und gegen Passems Vorstellungen dafür schon expresse
ein neues Kleid, welches über 200 fl. kostet, verfertigen
lassen, was ihm allerdings einen gehörigen Tadel vom Vater
eintnig und Passem zu der Bemerkung Anlaß gab, die Prinzen
möchten sich selbsten zuschreiben, wann sie dermahleinst
nichts vor sich gesparet haben. Nachdem die Sache einmal
soweit gediehen war, übernahm der Oberamtmann von Ka-
metsky, welcher auch dem Prinzen Franz bei seinem Rek-
torat zur Seite gestanden hatte und daher die wünschens-
werte Erfahrung besaß, die notwendigen Verordnungen und
Vorbereitungen.
Während so der ältere Prinz einer hohen Ehre entgegen-
ging, gab in dieser Zeit der jüngere Prinz Carl Veranlassung
zu ernsten Klagen. Nachdem die Ermahnungen und Zu-
rechtweisungen seines Erziehers offenbar schon seit langer
Zeit ohne jeden Erfolg geblieben waren, wußte sich Passern
nicht anders zu helfen, als daß er dem Vater davon Mitteilung
machte : daß sich der jüngere Printz zeithero gegen alle jeder-
zeit gethane treuste aber nicht angenommene Vermahnungen
sowohl in studio als bei Taffei sehr nachlässig, kindisch
nebst denen noch an ihm klebenden alten und einem Printzen
gar nicht anständigen moribus auch sonsten in annoch con-
tinuirenden railliren woraus einsmahls in der Frembde sehr
große Ungelegenheiten entstehen körmen, sehr übel aufge-
führet. Der alte Landgraf war begreiflicherweise sehr be-
trübt und aufgebracht und drohte dem jungen Missetäter
mit den schärfsten Maßregeln, Gefängnis und körperlicher
Züchtigung. Das gab einen heilsamen Schrecken, Carl ge-
Zwei hessen-homburgisclie Prinzen als Gießener Studenten. 369
►te Besserung und bat um Geduld, wenn er die böse an-
bendc affecten nicht auf einen coup mit der Wurtzel aus
n Hertzen reißen könne; bald konnte Passern berichten,
ß es mit den guten Vorsätzen Ernst sei und bat um Ver-
häng für seinen Zögling, die denn auch gewährt wurde.
So ging das Jahr 1722 zu Ende, und es nahte der große
g der Rektoratsübernahme, der 1. Januar 1723. Über die
stlichkeiten verfaßte Passern einen ausführlichen Bericht,
dem man den Stolz des Lehrers auf die Ehrung seines
glings zwischen den Zeilen liest; er wird uns den Ver-
if der Feier am besten schildern.
Unterthänigster Bericht, wie es mit der den l**'" Tag im
ir 1723 Vorgegangenen Wahl des durchlauchtigsten Printzen
1 Herren, Ludwig, Johann, Wilhelm, Gruno, Landgraffen zu
ssen (tot. tit.) zu einem Rectore Magnificentissimo auff der
iversität zu Gießen gehalten worden.
Anfangs, und zwar etliche wochen vorher hat hochlöbliche
iversität zu Gießen durch gewisse deputirte Professores bey
rrn Ober-Ambtmann von Kametzky sondiren lassen, ob Ew.
jcbfürstliche Durchlaucht wohl gnädigst erlauben und die hohe
lade Ihnen gönnen würden (Nb. welche anfrage oder erlaub-
lö auch bey andern fürstlichen Rectoratswahlen zuvor ge-
beben), dero ältesten durchlauchtigen Printzen, Ludwig, Johann,
ilhelm, Gruno, auf gegenwärtigen Neüenjahrstage 1723 zu
lern haupt der Universität und Rectore Magnificentissimo mit
iterthänigster devotion gehorsambst zu ervvehlen; Nachdem nun
melter Herr Ober-Ambtmann von Kametzky wie nicht weniger
ti desfals unterthänigste anfrage gethan, und darauf alles
ädigst placitiret worden. Als hat das ganze Corpus Academicum
n IS***" Dec. eine ordentliche Deputation, nemlich den Herrn
'. Verdries Professor Med. onl. und Herrn Massen Professor
oral. ord. abgeschicket, davon dann der erstere an den durch-
ichtigsten Printzen ohngefehr in folgenden terminis die An-
ie gethan: Ihre Hochfürstliche Durchlaucht ließe das gantze
>rpus Academicum sich unterthänigst empfehlen, und hiermit
horsambst mit tiefsten respect intimiren, wie es gesonnen
ye, Ihre Durchlaucht jetzo herannahendes neue Jahr seiner
iterthänigsten Schuldigkeit gemäß zum Rectore Magnificen-
simo zu erwehlen, hoffe, ihre Hochfürstliche Durchlaucht
irden solches in Gnaden aceptiren pp. Worauf Ihre Durch-
lebt der Printz etwa folgender maßen antworteten : Sie befänden
;h sehr obligiret, daß das corpus Academicum Ihnen die Ehre
thun wolte, Sie zum Rectore Magnificentissimo zu erwehlen,
B würden solche Ehre mit gröster plaisir acceptiren und
inschten nichts als nur im Stande zu seyn, dargegen wiederum
iige gefäll igkeiten erweisen zu können pp.
Den Tag vorm Neujahr als den 31. Dec. 1722 wurden die
5rm Professores und einige Herren Geistlichen durch den Uni-
rsität-Pedellen, die Herren officiers und andere aber durch die
BdUife s. 0«8Ch. d. Universitäten Mainz tu Gießen. 84
:M0 Ludwig VolU.
Laqiiayen auf den tag nach dem Neüenjahr um 11 Uhr mittags
zur Rectorats-Mahlzeit aufs Schloß invitiret.
Eodem den 31. Dec. nachmittags kämmen die sämbtlichen
Herix»n Regierungsräthc nebst dem Herren Cantzley-Director und
gratulirten beiden durchlauchtigsten Printzen zum Neüen-Jahr,
da dann der Herr Regierungsrath Zang ein gedrucktes carmen
in lateinischen versen mit rothem Sammt gebunden und güldenea
bürden besetzet als ein gratulatorium zum Rectorat Selbsten
überreichte.
Am Neüenjahrs tag 1723 morgens früh hatte ich die Gnade
ein schlechtes Carmen wegen des Rectorats dem ältesten durch-
lauchtigsten Printzen zu überreichen und zugleich allerseits durch-
lauchtigsten Printzen zu dem in hoher Prosperität erlebten Neuen
jähr unterthänigst zu gratuliren.
Darauf kamen noch vor der Frühpredigt Herr Obrist, Herr
Obristlieutenant, Herr Major nebst denen sämbtlichen Herren
üfficiers vom Crayß Regiment, und wünschten denen beyden
durchlauchtigsten Printzen ein glückseeliges Neues Jahr.
Folgends fuhren beyde durchlauchtigsten Printzen, wie ge-
wöhnlich in die Kirche.
Nachmittags ohngefehr um 1. Uhr versammleten sich die
sämtlichen Herren Professores auf dem Collegio, und schickten
aus denen 4 facultäten an den ältesten durchlauchtigsten Printzen
wiederum Üeputirte ab, nemlich aus der theologischen Facultät:
den Herren Superintendenten Ür. Schuppart, aus der Juristischen
Herrn Dr. Härtung, aus der Medicinischen Herren Dr. Verdries,
aus der Philosophischen Hn. Professor Ayermann; unter welchen
gedachten Herr Su])erintendent Schuppart höchslermelten Durch-
lauchtigsten Printzen ohngefehr mit folgenden Worten anredete:
Ihro Hochfürstliche Durchlaucht selten im Nahmen des gantzen
corporis Acadeniici Sie hiermit in unterthänigkeit hinterbringen,
wie heute die einhellige Wahl zu einem Rectore Magnificentissimo
auf Ihro Durchlauchtigkeit gefallen seye, nun holen sie, Ihro
Hochfürstliche Durchlaucht würden solche Ihre hierunter zeigende
unterthänigsto Devotion (inädigst auf- und annehmen, und Ihnen
heute die Hohe faveur gönnen, dem Actui Rectorali in Auditorio
Solenni zu einem sonderbahren Splendeur der Universität in
hoher gegenwarth selbsten beyzuwohnen, Sie würden solche hohe
(inade, worinnen Sie sich sämbtlichen gehorsambst empfehleten.
lebenslang zu rühmen wissen pp. Ihro Durchlaucht der Printz
l>edanckten sich hierauf in einer kurtzen antworth, und giengen
(weilen es nicht weit) mit denen Herren Deputirten vom schloß
aufs Collegium, worl)ey die 2 pedellen mit Ihren Soeptern und
gewöhnlichem habit Voran marchirten, und Ihro Durchlaucht der
Printz gantz allein und folgends die Herren Deputirten nach-
folgten; (Nb. sonsten hätten auch der Durchlauchtigste Prinf^
in der chaise aufs Collegium fahren, und die Herrn Deputirt«
Voraus gehen können); Unten auf der treppe des ColIegJ'
empfingen den Durchlauchtigsten Printzen der Prorector H.
Dr. Weber, der gewiesene Rector Herr Oberkirchen-Rath ond
Superintendent Dr. Bielenfeld nebst denen sämbtlichen Herren
Zwei hessen-homburgische Prinzen als Gießener Studenten. 371
i*rofessoribus ; Als nun ermelter Herr ProRector Herr Dr. Weber
ind Herr Superintendent ein kurtzes Empfangungs-Compliment
ibgeleget, gingen die 2. pedellen mit Ihren Sceptern Voran, darauf
ler Durchlauchtigste Printz gantz allein, folgends Herr Prorector
md gewesene Rector Dr. Bielenfeld nebst denen übrigen Herrn
J^rofessoribus nach der Ordnung in das Auditorium solenne,
iVorinnen sogleich die Music angienge, höchstgedachter Durch-
auchtigste Printz sich auf die Professor-banck gantz oben an
letzte, der Herr Prorector Dr. Weber und der gewesene Herr
Elector Dr. Bilenfeld aber, wie gewöhnlich, sich oben auf den
Katheder hinstellten; (Nb. Ihro Durchlaucht Printz Carl kamen
sogleich nachgefahren, und setzten sich bey dero Herren Bruders
Durchlaucht) da dann Herr Dr. Bilenfeld wegen seines jetzo ab-
egenden Rectorats officii eine lateinische oration hielte, das
matricul-buch, die Schlüssel zum Collegio etc. etc. währender
oration dem durchlauchtigsten Printzen zeigend, dem Prorectori
Dr. Weber darreichte; nach endigung dieser rede fiengen Ihro
Durchlaucht der Printz als nunmehriger Rector Magnificentissimus
seine nachgesetzte lateinische Dancksagung mit großem applause
abzulegen. (Vom Abdruck der Ansprache sehen wir ab, da sie
nur die üblichen Dankesworte an die Universität und die
Professoren enthält.)
Nach dieser geendigten rede fienge Herr Prorector Dr. Weber
ebenfals eine lateinische oration an zu halten, auf deren schluß
die music wiederum angienge, und hiermit der Actus Rectoralis
in Auditorio beschlossen war; (Nb. währender dieser music
Ihro Durchlaucht Printz Carl voraus in die Kirche) nun hätten
ebenfals der älteste Durchlauchtigste Printz von da in die Kirche
fahren können, allein weilen es ziemlich gut weiter, so giengen
Sie wieder wie zuvor, nemlich die beyde pedellen mit ihren
Sceptern voran, der Durchlauchtigste Printz gantz allein, hernach
der Prorector Dr. Weber und übrige Professores nach ihrer
Ordnung, mit zu Fuß in die Kirche, und setzten sich alda zur
Ehre der Universität bey die Herren Professores; (Nb. Ihro
Durchlaucht der älteste Printz hätten sich auch, wofern Sie mit
dero Herrn Bruders Durchlaucht oder auch alleine in die Kirche
gefahren, in dero ordentlichen und gewöhnlichen Kirchenstuhl
setzen können, alwo dazumahl Ihro Durchlaucht Printz Carl ge-
sessen, allein es ist das gegentheil, wie gemekll, aus sonderbahrer
Gnade und zur gloiro der gantzc Academie geschehen, w. vor-
hero von Herrn Ober-Ambtmann von Kametzky placitiret worden.)
In der Kirche wurden die Scepter von den Pedellen, wie jeder-
zeit bey diesem Actu gebräuchlich, auf das altar geleget; nach
verrichteten Gottesdienst fuhren Ihro Durchlaucht der Printz
nacber Hauß, hingegen begleiteten die Hn. Professores welches
vorhero mit Fleiß ebgeredet worden, den Herrn Prorectorem
oacher Hauß.
Eodem wurden anstauen gemacht auf die morgende Mahlzeit.
Den 2. Jan. Versammleten sich die geladene Herren Gäste
''üttags um 11. Uhr und zwar folgende: 1) der Herr Prorector
^. Weber, Herr Ober-Kirchen-Rath Dr. Bilenfeld und sämbtlich
372 Ludwig Voltz.
Herren Professores. 2) Der Junge Herr Graff van Erbach. 3) Herr
Ober-Anibtmann von Kamelzky. 4) alle Regierungs- und andere
Räthe. 5) Herr Obrist Langsdorff. 6) Herr Major von Wille.
7) Herr Hauptmann von Buseck. 8) Herr Hauptmann von Moritz
und folgende Herrn Capitains vom Regiment. 9) die junge Herren
von Kametzky im nahmen der sämbtiichen Herren Studenten.
Weilen nun diese Persohnen nicht alle an einen tisch zu
bringen, wurden 2 tische in einem Zimmer gedecket, um nun
alle Rangdisputen unter denen Herren Gästen vorzukommen,
setzte sich der eine durchlauchtigste Printz an eine, der andere
an die andere taffei, folgends alles belle melle; So bald der
älteste Printz nun an der eine taffei die gesundheit anfienge, so
liengen Ihro Durchlaucht dero Herr Bruder an der andern taffei
solche zugleich ebenfals an, dabey allemahl eine Compagnie
Soldahten vom Ober-Rheinischen Crayß Regiment zu Fuß Salve
gegeben; Zwischen der Mahlzeit wurden 1) Ihro Durchlaucht
l^rintz Carls unter dero versteckten Nahmen per anasramma
W. E. L. C. H. L. J. Z. gedruckte französische, 2) derer sämbtiichen
Herren ofßciers vom Regiment teütsche in blauem Sammet mit
Silber gestickt eingebunden, 3) Des Herren Regierungs - Raths
Zangens lateinische, 4) Herrn Dr. Verdries teütsche, 5) Herren
Professor Liebknechts lateinischen programma und 6) meine ge-
ringe Teutsch-verfertigte Carmina ausgetheilet.*®
Nach aufgehobener Taffei brachten die Sämbtiichen Herreu
Studiosi des abends eine Music mit vielen fackeln, und hielte
vor dem Durchlauchtigsten Printzen der Herr von Stammer ein
Studiosus im nahmen der übrigen eine schöne teütsche rede,
wobey Er eine ebenfals in rothem Sammet eingebundene teütsche
Cantata überreichte: darauf sind die Herrn Musici und alle
Studiosi ins Zimmer geführet, mit confect und Wein tractiret,
und hiermit alle Rectorats-Solenniläten beschlossen worden.
Gießen den 3^'-» Jan. 1723.
C. G. Passem iunior.
Die Kosten der Rektoratsübernahme, welche den Vater
der Prinzen schon geschreckt hatten, waren in der Tat nicht
unbedeutend. Kanietsky versichert in späteren Briefen
wiederholt, daß er alle orsinnliche menage vorgewandt, alles
so sparsam wie möglich eingerichtet habe. So z. B. bei der
Serenade, wo das Haus von oben biß unten voll gewesen,
habe er allein an die 100 Thaler gespart, dadurch, daß er
seinen Keller schließen ließ und die Studenten persuadirte,
daß sie sich retiriret, denn sonsten gewiß dreymal soviel
Wein würde daraufgegangen sein. Trotz aller Sparsamkeit
beliefen sich die Ausgaben, soweit nachweislich ist, auf etwa
300 Gulden. Angesichts der kurz vorher erlassenen land-
gräflichen Verordnungen gegen den Aufwand bei Rektor- und
^^' Den Druck dieser Gedichte mußte der Gefeierte zum Teil selbst
bezahlen.
Zwei hessen-homburgrische Prinzen als Gießener Studenten. 373
ktorschmäusen", mögen einige Auszüge aus den Rech-
ngen nicht ohne Interesse sein. Es wurde unter anderem
dem Festmahl gebraucht:
Da an zwey Taffein jede von 26 Couverten benebst noch
hr als 40 Bedienten gespeist worden: für 4 geinäste Welsche
hne, das Stück ä 2 fl. 10 albus, 9 fl. 10 Alb.; für 16 alte
hner zur Potage, das Stück 71/2 albus, 7 fl.; für 20 junge
hner zu Pasteten und Ragout, das Paar 10 albus, 3 fl. 10 Alb. ;
6 geräucherte Gänße, das Stück ä 221/2 albus, 4 fl. 15 Alb.;
75 e Ochsenfleisch, das S 21/2 albus, 6 fl. 71/2 Alb.; für
S Kalbfleisch, das ß 2 albus, 2 fl. ; für 36 S Hammelfleisch,
J 8 21/2 albus, 3 fl. ; für vier Westphälingische Schincken 6 fl. ;
vier Hasselhühner, das Stück 20 albus, 2 fl. 20 Alb.; für
Ibsbrüste 2 fl. 18 Alb. ; für Schnecken 1 fl. 28 Alb. ; für Ar-
boten Blumenkohl und andere grüne Wahren so von Ffurt
[nmen lassen 6 fl. 20 Alb.; für Castanien 1 fl. 27 Alb.; für
itten 1 fl. 15 Alb. ; für 64 ffi frische Butter, das S 6 albus,
fl 27 Alb.; für geschmeltzte Butter 3 fl. 15 Alb.; für Eyer
a. 20 Alb.; für Schön Weißmehl 3 fl. 10 Alb.; für 16 Maß Wein
in der Küche gebraucht auch den Köchen gegeben 6 fl. 12 Alb.
Außerdem wurde noch Wildpret von Darmstadt geliefert,
der Umgegend von Gießen wurden Krammetsvögel zu-
mmengekauft und von Walther de Boche aus Köln ein
ißchen Austern für 2 fl. 15 Alb. bezogen. An Konfekt
iferte Georg Heinrich Kohlermann seelig:
2 S trucken obst 2 fl.; 2 S candirt 2 fl. ; IV2 S bißcuit 1 fl.;
8 peffernuß 20 Alb.; 1 S biter mandelkuchen 24 Alb.; 4 B back-
Jrck 4 fl.; 1 S Zimniet Mandeln 24 Alb.; 1 8 gebackenc Mandeln
Alb.; l S Zuckermandeln 15 Alb.; 1 B Mandelbrodt 20 Alb.;
8 bomerantze schallen 2 fl. ; 1 ffi Macronen 20 Alb. ; 2 tf
»nfeckt 1 fl.; lg Makronen 20 Alb.; IV2 ff peffernuß 1 fl;
8 bißcuit 15 Alb.; 1 S candirt 1 fl.; 2 tE backwerck 2 fl.;
8 biter mandel Kuchen 24 Alb.; in Summa 22 fl. 26 alb.
Auch der Verbrauch an Wein war ganz ansehnlich,
imlich :
20 Maß Hochheimer zu 20 Alb. (13 fl. 10 Alb.); 129 Maß
f'«»^ Nürsteiner zu 18 Alb. (77 fl. 12 Alb.); 78 Maß Ib^^^ Nür-
8iner zu 15 Alb. (38 fl.) und 36 Maß Bert^sträßer für die Köche
id Lakaien zu 12 Alb. (14 fl. 12 Alb.), im (ianzen bei dieser einen
^legenheit 263 Maß Wein für 143 11. 4 Albus.
Nach Beendigung der Festlichkeiten fuhren die Prinzen
Q 3. Februar nach Homburg. Aber nicht lange sollte sich
^* 0. Büchner, Aus Gießens Vergangenheit, 278.
^' Die Rechnungen bieten überhaupt wertvolles Material zur Kultur-
Jchichte; als besonders interessant seien diejenigen der Frau Apothe-
nn Scipionin ausdrücklich namhaft gemacht.
374 Ludwig Voltz: Zwei hesaen-liom bürg. Printen ab Gi«fi«n«r Slttdenltn.
der neue Rektor seines Ehrenamtes erfreuen. Ein mächti|et
Wiile griff unversehens in die Laufbahn der jungen Land-
grafen und gab ihr für immer eine neuf und ungeahnte
Richtung. Am 12. Januar 1723 erschien als Abgesandter
des Zaren Peter des Großen von Rußland der Generailenl-
nant Jagushinski in Homburg, mit einem Schreiben des
Zaren, in welchem er die Prinzen zum Eintritt in den ni*
sischen Heeresdienst aufforderte. Peter löste damit eio Ver-
sprechen ein, welches er vor Jahren dem Vater gegeben hatte.
In aller Eile wurde zur Abreise gerüstet, und schon am 13.
machten sich beide Prinzen mit Passem auf die Reise
nach dem fernen Lande. In Gießen blieb noch vielerlei lU
ordnen. Namentlich waren noch Zahluris;sver[jflich(ungen in
der Höhe von 1218 fl. vorhanden. Ihre Krfüllunf; machte an
sich keine Schwierigkeiten, veranlaßte aber eine Menge
Schreibereien, zumal die dem älteren Prinzen als Kapilän
zustehende Gage (monatlich 32 fl. 43Vk Kr. und sonstige
Kompetenzen) zur Deckung verwandt werden sollte, was la
umständlichen Verrechnungen führte. Im Jahre 1727 endlich
war alles geregelt, so daß die neun Monate Studienzeit für
die Prinzen und ihren Informator zusammen 2448 fl. 14 Alb-
gekostet hatten.
Die Gießenor Zeit war nur eine flüchtige Episod''
in dem bewerten Leben der beiden jungen Herren. Diirrh
Passern, welcher 172.'j nach Gießen zurückgekehrt war,
hielten sie Verbindungen und Beziehungen der verschie-
densten Art aufrecht, bis ihnen das ferne Zarenreich eine
zweite Heimat wurde, in der beide zu hohen, der ältere so-
gar zu den glänzendsten Ehrenslellen, emporstiegen, che sie
der Tod in der Blüte ihrer Jahre hinwegraffte.'*
" MiltpiliincPn Hes Verfins für Gf^chichte und Allertunisfcunilf i«
lluniliur^ V. <i. H.. h. Jlett, HomliuiT! 1892 (LehensbeschKtbung des Prinim
Ludwig lirumi von Krnst Scliulzf). — l'onickau, Friedrich Wilhelm voo,
linmpm'iilirondos Elm-n-dcdaclitniß. wclclies . . . Johann Carl Wilhfli"
limst Ludwig Landgraff zu HcKsen . , . Ihm Selbsten aufgerichtet Hip
„Von tÖdUchem Ableben und solenner Beerdigung
Rectoris Magnifici."
Von Karl Bader.
Ein seltsames BegintK'n; vom Tod zti roden iinil ornsler
Trauerprozession in den Tajren der freiuligen Feier! Wanmi
die hcllslrahlende Fackel nach unten keliren, warum diu
lustig flatternden Fahnen halbstoek senken, wnnim Toten-
Slofken ins Festgelänt nml Tranerkantaten in Jnhelhymnon
Illingen lassen?
Die staunende Frage ist so berechtigt, wie die AnlwurI
nicht schwer!
Wohl bei keiner der Kürperschafleri in nnserem öffent-
lichen Lel)en sind Feiern nnil Fest." liänÜKer als liei den
akademischen ; während sonst allont halben pnink-. oft
fast weihelosp Rinfachheil alte Festp-bränclie ohne Krbarmen
Verdrängt hat, stehen diese anf den l'niversilälen (trotz
"lancher Beschränkung auch liier) noch znr Siniide in hoher
Blüte. Das macht deren stete Fühlung mil der .lugend, die
die Feste feiert, wie sie fallen, und bei der weder das ,,zu
*'iel" noch das Oeld eine einhaltgebietende R(ilh> spielt.
V'olkskunde und Silfeiigeschichle freuen sich deß. Denn
Feste und Aufzüge si)i<'geln die Zeilen wieder, in denen
sie stattfanden, sie sind Marksteine des (leschinacks, der
(leschmacklosigkeit, sie bezeugen den Wohlsland oder früher
auch wohl ein von fürstlichen Gnaden befohlenes Zerrbild
37B Karl liader.
desselben. Sie melden uns, wie und worüber man trauerte,
was als Mittel beliebt war, die Massen zu belustigen. Diesen
aber bildete ehemals unendlich viel mehr als jetzt das Fest
einen grellen Kontrast zum Alltagsleben, von dem die roman-
tisch angekränkelte Phantasie sich noch immer eine viel
zu rosige Vorstellung macht. Wen man feierte, wann, wie
lang, warum, mit welchem Aufwand, das alles sind Fragen,
an denen die Geschichtsforschung über Völkergeschicke,
Kriege und Umwälzungen stolz vorüberrauschte oder noch
rauscht, es sei denn, daß ein gekröntes Haupt sich geneigt
hätte zum ewigen Schlaf und mit höchsten Ehren bestattet
wird. Viele aber wissen auch schon, daß nicht nur die Kö-
nige und Großen der Erde deren Geschichte verkörpern,
sondern auch der Einzelne in seinen kleinen und kleinsten
Lebensbetätigungen mit zum Bild des Ganzen gehört, früher
als Staffage, jetzt mehr als je im Vordergrund stehend. Sie
ergreifen daher liebevoll jeden Zug, der, wie ein erhellender
Lichtstrahl in unsere, nicht eben allzu genaue Kenntnis vom
täglichen Kleinkram früherer Jahrhunderte fallend, Eniv^eite-
rurig und Vertiefung unseres Wissens von alter Zeit darstellt
Welch' reiche Beute für die Kostümgeschichte kann die
bildliche Darstellung eines Festzugs bringen, welche Einsieht
in das Geistesleben vergangener Tage vermag die Stoff-
geschichte aus seinen Reihen zu gewinnen, wie viel steht
zwischen den Zeilen von Devisen und Emblemen! Welche
Fülle von Devotion submissest ersterbender Diener spricht
aus den Strophen der Gelegenheitsgedichte und Festcarmina.
Man ist erstaunt, daß so vielen nach einem gestaltungsfähigen
Thema Verlegenen die Wünschelrute in dieser Ader, der
deutschen Heortologie, noch nicht den überreich spni
delnden Quell gezeigt hat.
So mag denn auch der nachstehende, bescheidene Beitrag
zur Kulturgeschichte der Gießener Universität nicht als un-
berechtigt unter den Festgaben Aufnahme finden. Unwillkür-
lich fordern Jubiläen zum sinnenden Überblicken der Zeit
laufte heraus, die durchmessen wurden, bis die Tage bedeut-
samen Abschnitts erreicht waren; aber auf der durcheilten
Strecke stehen nicht nur Meilensteine und Weiser nach dem
stets weiterrückenden und darum nie erreichten Ziele der
Wissenschaft : der Erkermtnis, sondern auch ernst gemahnend
an die irdische Endlichkeit Grabsteine, die vom Leben.
Streben und dem für die forschende Arbeit stets zu früh
eingetretenen Tode mancherlei Fesselndes zu erzählen
wissen. So auch bei der hessischen Landesuniversität.
Ihrer zwei berichten uns „Von tödlichem Ableben uud
.Tödliches Ableben und Beerdigunj^ Recturis Magnifici.* 377
enner Beerdigung Rectoris Magnifici", von Gelehrten, die
'ade das höchste akademische Amt inne hatten, als der
bezwingende Tod sie aus dieser Zeitlichkeit abrief;
; gewiß an sich nicht wclterschütterndes Ereignis: das
ischeiden des Präsidenten einer vortrefflichen, jedoch
inen Gelehrtenrepublik, wie die Hochschule Gießen sie
pstellte; aber an der Hand darüber erhaltener Akten ge-
hrt es uns einen fesselnden Einblick in das Hin und Her
corpus academicum, wenn es gilt, in der prunkvollen
istinction** der sterblichen Reste des Hauptes zugleich eine
rang der Glieder, also auch des eigenen Ichs zum Aus-
ick zu bringen, und in die Beratungen des hohen Senats
er die kleinsten aber nun einmal notwendigen Dinge im
snste dieser Veranstaltung.
Wem jedoch Trauergeleite und -geläute nicht zu des
stes „klingendem singendem Schall" passen wollen, der
lg bedenken, wie nahe schon ohnehin Trauer und Fröhlich-
it beieinander wohnen, zumal, wenn ein hoher Würden-
iger zur Grabesruhe gebracht wird; das findet ja symbolisch
treffend seine Bekundung in dem Brauch, „bei entdecktem
iel" unter den Klängen lustiger Weisen den Rückweg
m Begräbnis anzutreten, zu neuer Arbeit, neuer Freude —
jlleicht auch neuem Leid — , und ein noch so feierliches
iktorenleichenbegängnis ist doch nicht für alle Teilnehmer
le ausschließlich im Zeichen der Trauer stehende Feier,
r Gießener Studenten des 18. Jahrhunderts zumall —
Wenn man auch wohl zum Rektor magnificus und er-
Lhltem Vertreter der Hochschule einen Mann bestellte,
m nicht Krankheit oder hohes Alter die Bürde des Amtes,
n dem es in einem Berichte heißt, es bringe „große
ihe und Verdruß", noch schwerer machte, und bei
m darum jeden Augenblick Tod oder Arbeitsunfähigkeit
gewärtigen stand, so rechnete doch der Titulus 14 der
eßener Statuten, lelzter Paragraph: ,,si contingal, ut Reclor
'ademiae decedat** immerhin mit der Möglichkfüt, daß Rek-
ren sterblich sind. Weniger durchdrungen von dieser Über-
ugung war offenbar der Verfasser der ,,Series Professorum
leolog. Giessensium**, der dem Rektor Joh. Gottfried
'hupart nachrühmt: ,,primus exemplo docuit, rectores
►stros esse mortales".*
Merkwürdigerweise ist das an sich seltene Ableben eines
?ktors im Amt zu Gießen vor 1730 ^ar nicht, dann aber
^ Acacl. I.udov. Reclor Solcnnia novi Hoctori«, 29. Sept. 1818, iri-
'^, Giessae, S. 15.
378 Karl Bader.
im 18. Jahrhundert nicht weniger als dreimal eingetreten
(von Ereignissen ähnlicher Art der Neuzeit ist hier absicht-
lich keine Rede). Der erste derartige Fall, der die Universität
des „Caput corporis** beraubte, war der Tod des erwähnten
Professors und Superintendenten Schupart*, der von Heil-
bronn 1721 nach Gießen berufen, neun Jahre später die Rek-
torwürde innehatte; eine akademische Merkwürdigkeit, ein-
mal, weil er als amtierender Rektor starb, und fast mehr noch,
weil er der erste nicht promovierte Professor der Theologie
zu Gießen war, was noch nach langen Jahren die einen als
eine unerhörte Tatsache, die anderen als willkommenen Prä-
zedenzfall für Ähnliches bezeichneten. Er war 1677 geboren,
also ein rüstiger Mann, als er im Sommer 1730 die Kur zu
Schwalbach gebrauchte und von einer, wie es heißt,
„apoplexia inopinata** plötzlich dahingerafft wurde, im
52. Jahre seines Lebens, am 3. August. In Schwalbach wrirde
er auch begraben. In welcher Gestalt die Universität ihrem
Anteil an seinem Hintritt Ausdruck gab, ist nicht bekannt;
das Schwalbacher Kirchenbuch vermeldet nichts davon.' Es
ist auch belanglos, da seine Beerdigung nicht an der Statt?
seiner Wirksamkeit stattfand, also auch eine Feier bei ihr
nicht in Frage kam.
Es sollte nur sechs Jahre währen, bis die Hochschule
Gießen wiederum vor die Aufgabe gestellt war, den Tod
ihres Rektors zu notifizieren und diesmal mit der Notwendig-
keit, für seine Beisetzung eine der Würde des Verstorbenen
und des von ihm bekleideten Amtes angemessene, feierliche
Form zu finden und mit hochfürstlicher Genehmigung in den
Grundzügen ihr Zeremoniell festzulegen.
Diesmal war es die medizinische Fakultät, die aus ihren
Reihen dem Tod Tribut zollte, und die Teilnahme weiterer
als der speziell akademischen Kreise am Grabgeleite war
dadurch gesichert, daß der Verstorbene ein Gießener Kind
war, also zur Musenstadt manche Beziehungen hatte, wenn
er auch als Junggeselle gestorben war: Johann Melchior
Verdries.
Wer mit Interesse und Teilnahme im Geiste einer Leiche
folgt und nicht den toten Körper ohne alle Besinnung
auf die seiner Hülle entwichene Seele begleitet, sucht
sich gern über den Lebensgang des Verstorbenen z^
unterrichten. Im Falle Verdries steht er freilich bald bei
den Nachrichten über das Leben dieses Mannes kleinen Vn-
2 Nach Strieder, F. \V., Cirundl. z. einer Hess. Gelehrten geschicbte^
M, S. 40.
^ Gütige Milteilung des Kgl. Dekans Boell in Langenschwalbach.
.Tödliches Ableben und Beerdigung Recloris Magnifini." 379
ligkeiten gegenüber, die an sich nicht allzu wichtig
trotzdem aber den bisherigen Mangel an einer zuver-
en Neubearbeitung der Biographie hessischer Ge-
tr recht deutlich kennzeichnen und fühlbar machen,
ler, der annoch unentbehrliche Berater der Forscher
r Biobibliographie unseres engern Vaterlandes läßt Ver-
1735 sterben. Nach Strieder richtet sich Pagel in
illg. Deutschen Biographie und nach Poggendorffs bio-
isch-literärischem Handwörterbuch zur Geschichte der
en Wissenschaften, II. Bd. 1197. Hier ist 1735 und
1736 als Sterbejahr angegeben. Hirsch in seinem
on der Ärzte VI, 89 läßt Verdries 1735 in Schwalbach
rben sein, eine auf flüchtigem Lesen beruhende Ver-
slung mit dem schon genannten Schupart. Ob, wie im
sehen Artikel behauptet wird, die kleinen und großen
sinischen Schriften und Abhandlungen des Professors
irzneigelehrsamkeit keine große wissenschaftliche Be-
ng beanspruchen können, mögen Berufene entschei-
Fleißig schriftstellerisch tätig war der Verstorbene, das
ichnis von ihm veröffentlichter Schriften bei Strieder,
> Stück, füllt vier Seiten aus.
ohann Melchior Verdries war am 26. Juni 1679 in
n, nach anderen am 26. Januar, geboren als Sohn des
m Christoph Verdries, eines Handelsmannes, der zu-
i Bürgermeister, Ratsherr, Schöffe und Kirchenältester
Er begann seine Studien an der vaterstädtischen Uni-
:ät, deren Rektor er einstmals werden sollte, 1694 mit phi-
hischen und medizinischen Vorlesungen. Nach seiner
otion und nach Studien in Halle und mancherlei Reisen
e er in die Heimat zurück, wo er bald zu Amt imd
le emporstieg: seit 1707 außerordentlicher Professor,
e er 13 Jahre später ordentlicher, 1727 Rat und Leib-
3US. Am 25. Juli 1736 abends 9 Uhr starb er, gleich
part ein Mann, der noch weit von der Schwelle des
enalters entfernt war, „ein so gelahrt als berühmt und
eißiges Mitglied der Universität**. Da seine feierliche
tzung erst im November erfolgte, so hatten die obersten
rden in Darmstadt einer- und die akademischen in
{n andererseits reichlich Zeit, zu deliberieren, wie die
cvolle Rektorenbestattung „modo convenienti** nach dem
3r anderer Hochschulen ausgerichtet werden könnte. Die
tzung war lediglich eine Repräsentationsfeier, keine
iche Beerdigung (denn die erfolgte ja alsbald nach dem
), imd das in einer Zeit, in der ganz besonders streng
i den Luxus bei Trauerfällen in Privatkr:}isen vorge-
380 Karl Bader.
gangen wardl Es ist klar, daß es der Universität darauf
ankam, neben dem Ehrengeleit für den verstorbenen Rector
magnificus einen Aufzug zu veranstalten, bei dem der Rang
und das Ansehen der obersten wissenschaftlichen Landes-
anstalt zu gebührender Anerkennung kam. Der Rektor, so
berichtet der Senat an den Landgrafen, sei ein ansehnlich
Amt und Haupt einer Körperschaft mit hohem, Prälatenrang.
Auch später klingt die Wahrung der „dignitas rectoralis"
und der „Ehre des corporis** durch die Vorbereitungen hin-
durch. So kommt es auch, daß die Universität nach altera
Brauch sich einen Vertreter des Landesherm in den Leichen-
zug erbittet und zur „Erspahrung** der Kosten den Geh. Rat
Zang vorschlägt, was unterm 20. August mit einem Teil
anderer von ihr gemachter Vorschläge beim Landgrafen aller-
höchste Billigung findet.
Statt der in Gießen erbetenen sechs Pferde zum Leichen-
wagen bewilligte das landgräfliche Reskript freilich nur deren
zwei. Kurze Zeit darauf hat der Rektor sich abermals nach
Darmstadt gewandt und unter Hinweis darauf, daß den Uni-
versitäten seit den Tagen Kaiser Friedrichs darum Purpur
und Szepter zugelegt sei, um anzudeuten, daß sie den Rang
haben über Bischöfen und Prälaten, dringend zu baldiger Ge-
nchmigimg empfohlen, daß der Leichenwagen des Rektors
von sechs Pferden gezogen würde, denn deren nur zwei, die
jeder haben könnte, dienten nicht genügend, den Rektor zu
distinguieren. Zu dessen weiterer Ehrung diente dann
noch die Schmückung des Sarges mit dem Antoniterkreiiz,
als dem Wappen der Universität, am Fußende das Pri-
vatwappen des verstorbenen Rektors und die Fakultäls-
Wappen an den Seiten. Diese Auszeichnung des Rectors
Magnificus als „caput totius corporis*' tritt auch bei anderen
Gelegenheiten in feinen Abstufungen im Gepränge zutage.
Als am 9. September 1755 die im Wochenbett verstorbene
Gattin des gerade amtierenden Rektors Johann Ernst Höpfner
bestattet ward, sehen wir ein Programm angeschlagen und
vier Pferde den Wagen mit der Leiche ziehen: zwei
Marschälle und alle Studiosi geleiten sie im Fackelschein
und unter dem Geläut aller Glocken Gießens zur letzten
Ruhestatt, wo Musik ertönt luid eine kurze Predigt gehalten
wird. Was die Ehrung eines verstorbenen Kanzlers angehl
so erfahren wir, z. B. bei der Beerdigung des procancellarii
Franz Justus Kortholt, 1771, daß ihm der Schmuck des Sarges
mit den Wappen der vier Fakultäten bei aller Verehrung und
Würdigung der Verdienste seiner Person versagt blieb, weil
dergleichen in ähnlichen Fällen nie geschehen sei und keine
.Todliches Ableben und Beerdigung Rectoris Bfagnifici.* 381
•dnung bestehe. Überhaupt: Verordnung und Obser-
I eine für viele zwingende, alles Bedenken und jede
rung von vornherein ausschließende Macht I
)ie unterm 20. August erlassene, schon erwähnte land-
che Willensmeinung verlangt, daß alles in guter Ord-
und „menage" vor sich gehe, doch wurden am 22. Ok-
die sechs Pferde vor dem Leichenwagen genehmigt.
iVer im Leben steht, weiß, daß alles, auch die höchsten
j, erst durch allerlei Hindemisse, Kleinigkeiten und
jreitungen hindurch zur Vollendung reifen. Im Leben
Jniversität ging es damals nicht anders: vom Rector
ificus, der sich um Trauermäntel, Marschallstäbe, Hand-
le, Fackeln kümmern muß, Wein, Bretzeln, Gebäck,
turen beschaffen soll, zu den mit gewichtigem pro und
a votierenden Professoren, hinter deren oft sehr treffende,
)er auch unpraktische und nicht frei von Animosität ge-
ic Gutachten man gerne „parturiunt montes" schreiben
te. Die Frage der Zitronen im Kondukt hat einiger
egung bedurft, doch siegte die Einsicht in ihre absolute
lüssigkeit. Daß aber bis in die Elite des Geistes auch
5 V^orurteile über Rang und Vortritt dringen und sich
breit machen können, ist ein hochinteressanter, wenn-
i nicht neuer Beitrag zur Geistesgeschichte. Einige,
1 der Rang und die Einweisung in den Zug nicht zu be-
i schien, waren verdächtig, der „Prozession** fernbleiben
ollen, so daß man ernstlich erwog, welche Strafmittel
ir Teilnahme zwingen könnten. Schließlich verlief aber
alles, wie meist bei derartigen Ereignissen, trotz schein-
müberwindlicher Hindernisse programmäßig.
)ie am 8. November, also drei Monate nach dem Tode
;te öffentliche Leichenfeier berichten nach den Akten
,Frankfurtischen Gelehrten Zeitungen** 1737, S. 39 ff.
eine merkwürdige Geschichte*', und in der Tat mag es
i eine Schaustellung gewesen sein, von der zu lesen
noch heute den Freund der Gießener Universitätsge-
hte unterhalten mag.
Nachdem um 10 Uhr das hochfürstliche Militär in sau-
Montur alle Posten mit Musketieren besetzt, die
idiere aber zur Hauptwache entsandt und das Audi-
n mit Doppelposten bestellt hatte, und von 11 — 12 der
l der sämtlichen Glocken die Feier eingeläutet hatte, ver-
leite sich um 1 Uhr eine sehr illustre Trauerversamm-
Die Spitzen der Behörden im schwarz ausgeschlagenen
ischen Auditorium, die Studenten im theologischen,
lern Haus des Kommandanten stand die Garnison in
382 Karl Bader.
Parade, die Front nach dem Kollegium, mit eingeflortem Spiel.
Nach feierlicher Einholung des landgräflichen Vertreters und
Empfang durch den Rektor setzte sich der Zug in Bewegung.
Marschalldienst taten Studiosi mit schwarzen Stäben; ihrer
zwei eröffneten die Prozession. Singend folgten die Stadt-
schüler, nach ihnen kamen die praeceptores des Pädagogs
mit dessen Schülern, eine Gruppe, deren Einreihung schon
Unfrieden gestiftet hatte und noch mehr stiften sollte; aber-
mals schritten zwei Marschälle vor dem Leichenwagen, den
sechs schwarz behangene, von ebensoviel schwarz gekleideten
Knechten geführte Pferde zogen. Bunt stach von der düstern
Decke das Wappen der alma mater: blau in silber eingefaßt
das Antoniterkreuz ab, und nicht minder an den Seiten die
Schilder der vier Fakultäten und der verstorbenen Magnifi-
cenz eigenes Familienw^appen. Studenten geleiteten als Wan-
delspalier den Wagen. Es folgten die ministri academici,
die Symbole des Rektorats, die Szepter, alle umflort, tragend,
der fürstliche Deputierte, Geh. Rat Zang, der Rektor und
die Professoren in Trauermänteln paarweise schreitend.
Den für die nächste Gruppe vorgesehenen Sprach- und Exer
zitienmeistern — es hatte da vorher Rangstreit gegeben -
kam die Studentenschaft zuvor, indem sie den Platz unmittel-
bar hinter den Professoren in Anspruch nahm ; wieder ge-
leitet von Marschällen schloß sich die hochfürstliche Regie-
rung an, Räte, Assessores, Akzessisten, Advocati, Procura-
tores u. a. m., alsdann der Herr Oberstleutnant Vogelsang
mit Stabs- und nicht zur Parade konunandierten Subaltem-
oflizieren, Oberamt, Stadtrat und endlich die Zünfte, 22 an
der Zahl, in ausgeloster Ordnung hinter ihnen drein. So
ging*s durch die neuen Baue übers Kreuz nach dem Markt,
allwo eine zweite Parade stattfand, und nach der Kirche,
die abgesperrt war und nur den Teilnehmern in bestimmter
Platzordnung ihre Türen öffnete. Auf der schwarz ausge-
schhigenen Professorenbühne nahmen der fürstliche Abgeord-
nete und die Professoren ihre Sitze; während die Pedellen
die schwarzen Szepter auf den Altar legten, rückten die Stu-
denten in die ersten Reihen der Weiberstühle, die Ratsstühle
standen der Regierung, den Offizieren die Regierungsstühle
offen. Bürgermeister und Rat setzten sich hinter die Studiosi
Zünfte und Paedagogici nahmen auf den ihnen immer zu-
stehenden Stühlen Platz, die singenden Stadtschüler blieben
im Chor. Nun ertönt die Trauermusik. In den ihre Vorbe-
reitungen betreffenden Akten machen wir u. a. die Bekannt-
schaft des Herrn Musikdirektors Bieler, eines Mannes, dessen
Bericht sich wendet „A molto ed Excellentissimo lUustrissi-
.Tödliches Ableben und Beerdigung Recloris Magnifici.* 383
ino Signor Signor Wahl, Rectore ed Dottore di leggi deir Acca-
demia di Gießa, ed presentzialmente a sua Loggia** und den er
mit der Anrede „Magnifice, hochedler, vest- und Hochgelahr-
ter, Innsonders hochgeertester Herr Rector und vornehmer
Herr Patron** einleitet.* Dieser etwas eigenartige Mann war,
„pererratis aliquot regionibus** nach Gießen gekommen, aber
schon nach dreiviertel Jahren vom Amt des Musiklehrers am
Pädagog abgesetzt worden, da ihm Albernheit und Undankbar-
keit vorgeworfen wurde, nach mancherlei Zusammenstößen
mit seinen vorgesetzten Behörden. Die Musik der Verdries-
schen Leichenfeier aber lag ihm ob, und die notwendige „Me-
nage** will er gern eintreten lassen, aber, „wenn die paeda-
gogici mit musiciren sollen**, so bittet er, „daß mir einer
oder zwei von denen Herren Pedellen Alss Zeugen kommen,
um zu sehen und mitwahrzunehmen, ob sich diese unarthige
böse Schüler so bezeigen und aufführen, wie ihre Schuldig-
keit erfordert oder pp. damit ich vor Lügen und Trügen gegen
den Herrn Professor Benner mich verwahrt sehe. Jedoch
an das Pädagog versetze ich keinen Schritt, sondern die
Schüler mögen zu mir ins Haus oder in die Kirche zur Probe
konmien**. Man sieht, die ermunternde Wirkung des Lieds,
und wäre es ein Trauergesang, bei jungen Gemütern ist alt,
und der Kampf der Gesangslehrer um eine geordnete Dis-
ziplin ist nicht von gestern. Ob Bieler sich mit seiner zu-
sammengekratzten Schar Vokal- und Instrumentalmusiker
seiner Aufgabe gut entledigt hat, verraten die Akten nicht.
Jedenfalls hatten inzwischen die Träger Zeit, eine feierliche
Aufbahrung des Spriegels in der Kirche vorzunehmen : die
wappengeschmückte Totenbahre, bewacht von den zum
Ehrendienst erlesenen Studiosis und vom Schein der in zwölf
silbernen Leuchtern brennenden Wachskerzen bestrahlt.
Daß gerade der Superintendent Liebknecht, dem Wunsch des
Verstorbenen folgend, über Psalm 73 V. 23 u. 24 sprach
von „die grünende Gebeine eines Rectoris magnifici — ** etc.,
bedeutete eine Ehrung des Menschen und seines iVmtes zu-
gleich. Alsdann senkte man den Sarg von der Totenbahre zur
Erde nieder, und der Trauerzug begab sich unter abermaligem
Glockengeläut nach dem Brand. Das blühende Leben trat
nieder in seine Rechte, vielleicht bei manchem bald nur
allzu kräftig pulsierend! Ein Marsch ward ,,bei entdecktem
Spiel** geschlagen, und nachdem vor dem Kolleg Schüler und
Zünfte abgerückt waren, begab sich der übrige Trauerkon-
* Yergl. Beil. z. Jahrcsber. d. (iroßh, Gymnasiums zu Gießen, Ostern
1905, S. 10-12.
384 Karl Bader.
dukt je nach Rang in die einzelnen Hörsäle, wo Confituren,
Mandeln, liretzeln undWein gereicht wurden. Bis nach 8 Uhr
währte die Feier; ob aber die zur Vermeidung von „Des-
ordres'* vorgenommene Verstärkung der Hauptwache um
zehn Mann sich als nötig erwies und einschreiten mußte, ist
nicht überliefert, doch wird man nicht fehl gehen, wenn
man kein allzu geräuschlos verlaufenes „Traktament" an-
ninmit, und eine später gemachte Anspielung macht dies sehr
wahrscheinlich. Der nächste Tag brachte in der Frühe um
10 Uhr eine akademische Feier, bei der der Professor elo-
quentiae Benner, von dem wir noch hören werden, die Fest-
rede hielt; nach ihr nahm der fürstliche Abgesandte vom
Rektor und von den deputierten Professoren in offizieller
Weise Abschied. Damit war die Feier beendet, bis auf die
noch zu erledigenden Geschäfte : den Zünften ihre 40 fl. zum
Vertrinken zuzustellen, die fremden, von Bieler besorgten
Musikanten zu verpflegen und den Butzbachern ihre anher
geliehenen Mäntel wieder dankend zurückzuschicken.
V^ersuchen wir aber doch noch einmal, das eigenartige
Bild im Geiste festzuhalten, wie ein feierlicher, ernster
Leichenzug durch die Straßen Gießens zieht. Was ihm
fehlt, ist die Farbenpracht, die allem Trauerflor zum Trotz
neuzeitliche Studeiitenaufzüge so besonders auszeichnet;
keine Orden und Bänder, aber schwarze Stäbe, Handschuhe
und Mäntel zeichnen seine Spur. Und wie wir im allge-
meinen gut tun, mit wenig rosig gefärbten Bildern uns Er-
ei}!;nisse der Vergangenheit zu beleben, so auch im beson
deren und hier. Es gibt zu denken, wenn die Universität
hervorhebt, die Straßen, vor allem der Brand, würden
vom Unrat gereinigt werden, und es rät zur Vorsicht und Ein-
sicht, uns von dem damaligen Gießen keine übertriebene
Vorstellung zu machen, zumal in einer Zeit, da möglichste
„Erspahrung** ein beliebter und oft erklingender Warnungs-
ruf war. Wenn wir z. B. gerade zum Jahre 1769 in den
Kam bachischen Sammlungen lesen, daß die Besoldung eines
Lehrers für einen ledigen nicht ausreichte-^ so zeigt uns dies
an, daß bei der Rektorsleiche von 1768, von der noch die
Rede sein wird, wie bei der von 1736 das äußere Anseheft
dieser im Zug wandelnden Gruppe kaum ein durch Elegant
besonders auffallendes gewesen sein mag, und so müssen
wir uns das Ganze denken; daß die hochfürstliche Garnison
Gießen und das Kreisregiment — es zählte 630 Mann -^
^ Bei Scliädel, Jahresher. d. Gymnasiums zu Gießen, Ostern 19t^-
Deil, S 18.
«Tödliches Ableben und Beerdigung Rectoris Magnifici.* 385
mit den neuen silberbetreßten Uniformsröcken, den roten
Strümpfen und Hutfedern in sauberer Montur auch damals^
den Vogel abgeschossen hat, wird keinem einsichtigen Be-
urteiler des äußeren Anblicks der Prozession zweifelhaft
sein. Auch vor allzu hohen Zahlenbegriffen müssen wir
uns hüten. Das ganze Pädagog stellt mit seinen 48 Schülern
und vier Präceptoribus kaum ein halb hundert Köpfe zum
Zug, heute oft die Schülerzahl einer einzigen Klasse einer
Lehranstalt, 17 Personen betrug das Professorenkollegium,
etwas mehr die Stärke der Oeconomi und sonstigen Be-
diensteten. Etwa 180 Studenten waren 1736 immatrikulierte
Höchstens 100 Leidtragende, Vertreter aus den Kreisen der
Regierung, das Konsistorium, die Advocati und Procura-
tores dürfen wir annehmen, doch entsandten, laut Rech-
nungsausweis, die Zünfte allerdings 518 Mann zur letzten
Ehrung des verstorbenen Rektors und Gießener Kindes.
Was Professor Benner in seiner „Oration" gesagt hat,
ist uns nicht überliefert. Aber es läge nicht fem, anzu-
nehmen, daß er im Namen der gesamten Universität wünschte,
dieser möchte ein gleicher Schlag, wie er die Hochschule nun
in sechs Jahren zweimal getroffen hatte: der Tod eines
Rektors im Amte ad multos annos erspart bleiben. Es kam
anders, und gerade der Redner selbst sollte, als der einzige
der gesamten Professoren von 1736, noch ein drittes Mai
den tödlichen Hintritt eines Rektors erleben, ja, wie wir
sehen werden, in die Vorbereitungen zur Leichenfeier be-
sonders verwickelt sein.
Wenn Buchner in seiner Schrift: „Gießen vor 100
Jahren", Gießen 1879, S. 23 meldet: „Im Dezember 1768 war
der Rektor Müller gestorben, wurde am 22. mit großen Feier-
lichkeiten beerdigt", so ist die erstere Angabe nicht richtig.
Wahr ist, daß der gerade im Rektoramt befindliche Professor
Müller am 24. Oktober 1768 gestorben ist und zwei Tage später
früh inorgens in der Stille auf seinem Erbbegräbnis beigesetzt
Wurde, daß acht Bürger ihn trugen, beim Scheine zweier
Fackeln, daß die Pedellen mitgingen, und daß diese Be-
erdigung, im Gegensatz zur feierlichen Leichenparade, auf
Privatkosten vor sich ging. Es ist gewiß kulturgeschichtlich
ßicht ohne Bedeutung, wieviel Zeit die Vorbereitungen in
Anspruch nahmen, und was Wichtiges es dabei zu bedenken
^öd zu beachten gab, bis am 22. Dezember, also nach
^ei Monaten, die Leichenfeier stattfand. Wer nun war
* Keim, Gesch. d. Inf.-Regts. No. 117.
^ ^ Nach Eulenburg, in Abh. d. phil.-hist. Kl. d. Sachs. Ges. d. Wiss.,
2y, Ko. II, S. 160.
Heitiftge.s. G€tch. d. Universitäten Mainz u. Gießen. 25
:5Sr, Karl Bader.
<ler entschlafene Rector Magnificus? Ein Personalbogen der
Akten erzählt uns von dem „weiland hochwürdigen, in Gott
andächtigen und hoch berühmten Herrn, dem dermaligen in
Gott ruhenden Rector Academiae Magnificus, Johann Stephan
Müller, der heil. Gottesgelahrtheit weitberühmtem Doctor, wie
auch ordentlichem öffentlichem Lehrer, Superintendent und
Assessor Consistorii**, daß er 1730 geboren, seinen „theuer-
geschätzten Eltern, zumal der groß-, ehr- und tugendbe-
lobten Frau Mutter** durch Spuren eines frühzeitigen Ver-
stands und vorzügliche Fähigkeiten Freude machte und nach
mancherlei Streben und Arbeit 1763 nach Gießen kam, wo
ihm später neben anderen Auszeichnungen die Superinten-
dentur des Marburger Distriktes übertragen ward. 1768 er-
hielt er die einhellige Berufung zum Rektorat, in welchem
Amt er ungeachtet seiner schwächlichen Lreibeskonstitution
alle Kraft daran setzte, mit durch Liebe gemäßigtem Ernst
und außergewöhnlicher Klugheit sich allgemeinen Beifall
zu erwerben.
Wie ein rechtes Lebensbild mit Sonnenschein und
trübstem Leid mutet uns seine kurze Biographie an. Zwei-
mal seiner Gattin durch den Tod beraubt, im zweiten Fall
durch eine Krankheit, die ihn selbst hinraffen sollte, heraus-
gerissen aus der Arbeit („Dogmatica, Polemica, Moralia atque
Catechetica per instans semestre tractabit** heißt*s im Vor-
lesungsverzeichnis seines Sterbejahres), zum dritten Male
verheiratet, aber phthisisch, ein vorzeitig gefällter Bauni mit
Blüten und grünen Blättern, aber morschem Wurzelwerk.
Er starb, erst 38 Jahre alt. Hier, wo es gilt, ihn begraben,
nicht ihn preisen, bleibt die Frage seiner wissenschaftlichen
Fähigkeiten füglich außer Betracht. Aber wiederum gibt
uns die Art, wie man den Tod des Rektors aufnahm und
ihm eine Leichenfeier ausrichtete, ein nicht uninteressantes
Bild aus der Zeit, da dies geschah. —
Am 17. Oktober 1768 war der Rector Magnificentissinius
vom Jahre 1707, Landgraf Ludwig VIIL, von jähem Tod
dahingerafft worden. Eine Woche später folgte der Rector
magnificus nach, und alsbald berichtet die Tniversität
in der Gewißheit, Serenissimus werde gnädige Kompassion
tragen, den Todesfall nach Darmstadt und fragt wegen
des Ersatzes und der feierlichen Beisetzung an, zugleich
sich den Oeh. Rat Mollenbeck zu Gießen als Vertreter
des Landesfürsten erbittend. Die Genehmigung der vor-
getragenen Punkte bietet nichts Neues, nur soll i^^
Schniaus, als ,,eine entbehrliche und nur zu Aus-
schweif unj^en Anlaß jTobende Ausgabe** in Wegf^^^ ^
, Tödliches Ableben und Beerdigung Recloris Magniftci/ 387
kommen. Wir werden also wohl vermuten dürfen, ja ge-
radezu annehmen müssen, daß bei ähnlichen Ereignissen,
auch bei der Verdriesschen Leichenfeier in vorgerückter
Stunde unliebsame Vorkommnisse den Tag übNßl abge-
schlossen hatten, und man dem vorbeugen wollte. Pro-
fessor Thom, dem das Rektorat bis Ende des Amtsjahres
übertragen ward, hatte also mit Wein und Bretzeln keine
Beschwer, aber die mancherlei Vorbereitungen kleiner und
kleinster Art, deren Fäden in seiner Hand zusammenliefen,
wurden auch ihm natürlich nicht erspart, doch war, da der
gleiche Fall 1736 ja vorgekommen war, allzuviel Neues
nicht zu beachten. Uralt und doch ewig neu waren nur
die Rangstreitigkeiten, deren Vorgeschichte und Erledigung
sittengeschichtlich genügend interessant ist, um uns ihre,
im Grunde genommen, unendliche Unwichtigkeit eine Zeit-
lang vergessen zu machen. Was sich vor unseren geistigen
Augen wie eine Komödie abspielt, dabei ist damals ganz
ernsthaft agirt und agitiert worden, und die Vertreter der
einzelnen Rollen treten in Wohlwollen oder Voreingenommen-
heit oft sehr drastisch in die Erscheinung.
Wer allerdings ein unbeugsamer Anbeter der Heilig-
keit der ,, Observanz** (ein in den Akten beliebtes Schlag-
Wort) ist, für den ist der im folgenden skizzierte Streit von
großer Wichtigkeit.
Den praeceptoribus classicis als „membris** dc»r Univer-
sität stand von alters ein Platz .bei dem corpus academicum
offen, zumal bei öffentlichen Aufzügen, und zwar ,,undisputir-
lich** und bei Trauerprozessionen hinter der Leiche, wo ja
auch die Universität ging. 1736 aber halte man sie nebst
ihren Schülern vor die Leiche gereiht, was von vielen als
eine Gleichstellung mit den um Geld singenden Stadtschülern
und darum als Herabsetzung empfunden wurde. Auch in den
Rambachischen Aufzeichnungen wird es alsbald als eine Un-
gehörigkeit bezeichnet, der abzuhelfen Sache des künftigen
Pädagogiarchen sein werde. Ebenso, heißt es da, wie im
Streit der Schüler mit dem Gießener Gemeinderat um den
Vortritt (einer kulturgeschichtlich köstlichen Episode) die
ersteren siegten, so würden sie auch künftig sich den ge-
bührenden Platz hinter der Leiche gewiß wieder zu ver-
t schaffen wissen. In der Tat reichten, als die Frage bei der
^ Rektorsleiche 1768 wieder praktisch ward, die praeceptores
\ eine Denkschrift ein, in der sie hinter den Professoren zu
m gehen beanspruchten. Während ein Teil der Professoren dies
■ y^ohl berechtigt findet, sieht ein anderer nicht ein, warum
1 diesmal „Schwührigkeiten** gemacht würden. Die praecep-
388 Karl Bader.
tores finden in Hermann Benner, dem langjährigen Leiter des
Gymnasimns und vielangefeihdeten Mann einen warmen Für-
sprecher; die vom Rektor eingeforderten Vota im Senat
waren, wie gesagt, zwiespältig: hier vorurteilsfreie Einsicht
in die Billigkeit des Verlangens und die Überzeugung, daß die
Rangordnung von 1736 nicht unumstößlich sei, zumal sie
von „Erbfeinden des Pädagogiums" herrühre, die „nicht
frey von Affekten** waren, dort Unfähigkeit oder Mangel an
Wille, sich von dem Fürstl. Reskript von 1736 frei zumachen.
Manche sprachen sogar direkt davon, die Rangfolge bei der
Verdriesschen Leiche sei geradezu zur besonderen „Distinc-
tion Rectoris Magnifici" j;emacht und darum doppelt unantastbar.
Besonders ablehnend verhielt sich der Professor der
Rechtswissenschaft Dr. Job. Christoph Koch. Die Gründe
der Präceptores sind für ihn „gar seicht**, das ganze ist
„bloßer Schulstoltz**, das Pädagog sei zwar keine Trivial-,
wohl aber eine niedere Schule und gehöre samt den Präcep-
toren vor den Sarg. Das Lehrerkollegium, das dem Rektor
Verdries die letzten Ehren erwies, sei auch keine Gesellschaft
von „Katzenköpfen** gewesen und hätte den ihm zugewiesenen
Platz durchaus nicht tur zu gering und „verkleineriich'' gehallen.
Inwieweit die bekannten Deinakämpfe«, deren Aus-
bruch damals vielleicht gerade besorgniserregend sich an-
kündigte, in diese Verhältnisse hineinspielen, kann hier nicht
untersucht sein. Immerhin ist es angezeigt, an sie zu erinnern.
Ob es nun ein Sturm im Glas Wasser war, der tobte und
die Gemüter erregte, oder die berechtigte Äußerung eines ur-
alten Ranganspruchs: jedenfalls geschah den Präceptoribus
wie Paedagogicis nach Wunsch. Wir finden die Lehrer im
Zug hinter den Professoren, die Schüler hinter den Studiosis
eingereiht.
Diese letzteren hatte der Rektor in einem besonderen,
eigenartigen Programme eingeladen, das am 14. Dezember
in Gestali einer acht Seiten umfassenden Druckschrift er-
schien.» Darin spricht sich der Rektor, wiewohl seines
Zeichens Professor der Eloquenz und des Naturrechts des
näheren über das Wesen der Schwindsucht aus, nicht
ohne ihre Unheilbarkeit besonders hervorzuheben. Was
heute daran noch wissenschaftlich brauchbar ist und gilt,
mögen Fachleute beurteilen. Hat doch der Professor Thom
selbst das Gefühl seiner Unzuständigkeit in die Worte g^
kleidet : ,,sed quid de hoc statuendum est, melius ü»
^ Mitl. d. GeseUsch. f. d. Schulgesch,, 12. Jahrg.
9 Hector Ernestus Thoni ad Exequias .T. St. Mülleri cives acadeiuicos
invitat, Giessae 1768. 4^.
I
.Tödliches Ableben und Beerdigung Rectoris Magnifici.* 389
j
rum scientiam ea pertinent, disserere possunt".
jrade diese Krankheit, so führte er weiter aus,
31 Gießeiier Universität zwei Rektoren im Amt
1, erst Verdries und nun Müller. Diesem das-
eleit zu geben, fordert er die gesamte Studenten-
uf, sei es im Ehrendienst als Marschall, sei es als,
tier an der wandelnden Kundgebung im Trauerzug.,
ewegte sich drei Tage vor Weihnachten genau nach
schritten von 1736 durch die Stadt. Freilich eine,
ßten Teil wohl neue Generation schritt in ihm; von
antlichen Professoren hatte nur Benner schon dem
sehen Leichenbegängnis beigewohnt, von den prae-
am Gymnasium keiner. Benner hielt auch diei
•ede. Ein Traktament mit Wein und Speisen fand
tt. Und nach der Gedächtnisrede, die am andern Tag,
Dezember, Professor Bechtold in der Universität
akademischen Feier dem verstorbenen Rektor hielt,
tfusik und in ihren Klängen u. a. die Worte :
„Wenn selbst des Volkes Lehrer fallen,
So ist der Schade allgemein,
Ihr Wohlergehen nützet allen
Und flößt den Gliedern Kräffto ein.
Wo aber Haupt und Seele weichen,
Da muß der Körper bald zerbleiclien.
Wenn selbsten würd'ge Häupter fallen.
So ist der Schade allgemein,
Ihr Wohlerireh'en -
.. ^rif'ii '
' eine große Geschichte der deutschen Dichtung
wird an diesen Strophen mitleidig lächelnd vor-
m; vielleicht spielt es ähnlich um die Mundwinkel
ches, der mit uns den Zug hat am geistigen
►rüberziehen lassen. Aber den Forscher auf dem
Igst nicht genug bestellten Feld der Landes- und
hichte ficht das nicht an. Es ist ein Vorrecht dieser
historischer Arbeit, daß sie in ihren Ergebnissen
rge zu versetzen brauchen; auch kleine Züge dienen
1 Biographen wie dem Geschichtsforscher. Es wäre
zu wünschen, daß noch ein stattlicher Haufen ähn-
jiner, kunstloser und unbehauener Bausteine zur hes-
Geschichte zusammengetragen würde. Aneinander
äben sie wertvolles Material zum großen Bau einer
iden Geschichte unserer engeren Heimat, das zu
sich der Beste nicht zu schämen brauchte. Aber
en harrt das Werk noch des genialen Meisters. —
XI.
Symbola.
Aus alten GieQener Stammbüchern.
Von Erwin Preuschen.
Von welchem Worte die Stammbucheintragiinfren für
die Kultur- und Studentengieschichfe sind, ist iiachgeradi'
so allgemein anerkannt, daß man darüber keine Wort? zu
machen braucht. Die Entwicklimg der studentischen Orden
und Landsmannschaffen empfängt ihr Licht in erster Linie
ans den Stamm büchem. für die Trachten, die galanten Silien.
für studentischen und bürgerlichen Brauch und ähnliches
sind diese kleinen Bändrhen eine unerschöpiliche Quellf.
Die Forschung hat freilich erst angefangen, sich mit dieser
Quelle zu befassen. Es ist nicht der richtige Weg, wenn
man imr auf interessante Einträge oder auf die Autogramm''
hekanntpi' Persönlichkeilen -lagd macht. Was auf dies? Weise
erreicht wird, ist nur Stückwerk, so interessant auch di^
Ergebnisse derartiger Streifzüge durch die Stammbücher im
einzelnen sein mögen. Was vor allem nötig ist. dürfte dif
Scheidung nach den einzelnen Universitäten und den unl«
ihrem Einfluß stehenden Landschaften sein. 'Jede Univer-
sität hat ihren besonderen genins loci, der sich freilich im
Laufe der .Jahrhunderte verändert, aber doch so, daß die g^-
Symbola. Aus alten Gießener Stammbüchern. 391
schichtliche Kontinuität gewahrt bleibt. Verständlich wird
lieser genius loci mir aus der Universitätsgeschichte und den
ffancUtingen des geistigen Lebens, des Geschmackes und der
ätlicfaen Urteile. Wie stark man aber diese geistige Eigenart
kir einzelnen Universitäten empfunden hat, beweisen Stamm-
blichbilder, wie das auf S. 329 abgebildete, denen sich
tndere mit den Vertretern anderer Hochschulen an die Seite
itellen ließen.
Für die richtige Ausnutzung der Stammbucheinträge ist
1I0O zweierlei erforderlich: Kenntnis der Geistesgeschichte
imd Kenntnis der Universitätsgeschichte. Es ist selbstver-
ständlich/ daß sich beide gegenseitig bedingen und gestalten.
Die großen geistigen Strömungen werden auf den Uni-
rersitäten in Verbindung mit dem dort herrschenden eigen-
flmlichen Geist immer eine besondere Verschmelzung ein-
gehen und ein eigenartiges Leben erzeugen, ein Leben, das
n seiner Besonderheit eben nur dem voll verständlich sein
vird, der die Vergangenheit der Hochschule kennt und in
hr den Schlüssel zum Verständnis gerade ihres Wesens und
hrer geistigen Struktur besitzt. Besser als auf irgendeine
mdere Weise läßt sich diese Eigenart aus den Stammbüchern
Tkennen; denn sie sind die intimsten Zeugnisse, nicht für
remde Augen bestimmt, sondern nur für denjenigen, der
nit diesem geistigen Leben irgendeine Fühlung hat oder eine
;oIche sucht. Es kann nicht die Sache eines im Räume eng
)egrenzten Aufsatzes sein, dies bis ins einzelste mit Be-
nutzung des gerade für Gießen recht reichhaltigen Materiales
lachzuweisen. Ich muß mich vielmehr darauf beschränken,
in der Hand der Einträge die Wandlungen des Urteils und
les Geschmackes kurz deutlich zu machen.
Die ältesten Stammbücher, die bis in die Gründungs-
:eiten der Universität zurückreichen, sollen offenbar eine
^rt von Kompendium der Lebensweisheit darstellen, ge-
ichaffen von Männern, die durch Rang und Stand orter durch
hre Bildung und Gelehrsamkeit ihrem Wort einen l}eson-
leren Nachdruck zu verleihen imstande war?n. Da die Ein-
ragenden, wie sich aus der Gleichartigkeit ihrer Einträge in
leu verschiedenen Stammbüchern ergibt, ihre Wahlsprüche
einzuschreiben pflegten, so bietet sich die Möglichkeit, zu
erkennen, in welchem Motto man damals den Inhalt seines
geistigen Lebens niederzulegen gewohnt war. Die Mehrzahl
st in dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts noch religiös
jefärbt. Ein Prunken mit gelehrten Reminiszenzen findet
sich kaum. Höchstens ein Orientalist glänzt einmal mit
einem syrischen oder hebräischen Sätzchen; so wenn sich
:i[)i> Erwin Preuschen.
1()20 ein M. Aloxaiider Christian aus Demmin in Pommern
mit der Sentenz: Ratiare ut potiare und daninter mit ihn
syrischen \Vort(»n : Neheweh zebiänä d'alähä (der Wilh'
(rotles wird geschehen) verewigt hat. Oder wenn der Lacher
Dekan Th. (luajrnerus (Wagner) 1(>18 schreibt:
Hcbraeis quatliior (cjuae votis onuiibiis opto)
Nomina sunt C'ör iTöw 2Dw löC
— T V* -ViVT
Signant haoc cociuni, solein, rumoreni oleumque
Sir viviini seniper lerque bcatus ero.
Verhältnismäßig seilen sind auch griechische Spruche.
Nur Mentzer schreibt seinen Wahlspruch: r'avcorcpa xoXXto
und darunter den Vers:
.loh. Wolff von Weitolshausen gen. Schrautenbach, Stadt-
hauptmann von Gießen, steuert einen spanischen Spruch
b(»i : 0 dios de mi alal)anca no calles lorsque bocca de
impio e bocca engeima(h>r se han abierto contra mi, han
hablado de mi con lengua mendicosa (Ps. 109, 1 ff.).
Viel häutiger sind Zitate aus der Bibel oder Spräche
rein religir)sen Inhaltes, (iraf Ernst zu Solms schreibt 1608:
„CInislus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn"
(Phil. 1, 21). Johann Winckehnann : „Ro in virtute domini"
(Ps. 71, !()). Just US Feurborn hat den Spruch des Paulus
gewählt: (nus nostrum de seipso rationem reddet deo
(llömer 14, 12). M. Christian Scheibler zitiert PsaUn 32, 10:
l)er (Jolllose hat viele Pla{i;e; wer aber auf den Herren
hofl'et, den wird die (iüle umfanjren. Der Jurist Christian
Liebenthal hält es wieder mit Pauhis Römer 8, 31 : Si deus
pro nobis, (|uis contra nos? Zuweilen zieht man eine all-
gemeinere Sentenz vor; so (leorg Horstius: Quid melius
animo pio sua sorte contento? Oder der schöne Wahl-
sj)ruch ein(»s (lraf(»n zu Solms: Virtute decet non sanguine
niti. Der Komtur des Deutschherrnordens zu Schiffenberg,
Oihmar (ialen, s<'hr(Mbl: Ante obitum moriens numquani
morilunis obiter.
Solciie und ähnliche Sprüche führen uns in die Zeit
der lulh(Misclien Orthodoxie, deren charaktervolle Vertreter
die l:)(»ürütider der TniviTsilät, ein Balthasar Mentzer und
Johann Winckehnann, frewes<Mi sind. Für sie ist wirklich
die Hibrl das Huch des l.el»ens. Wie man aus ihr die
Kirchenlehre entninnni, die Formulierunji der Glaubenssätze
auf ihr Wort baut, wie sich in den Predigten der Zeit ein
l{(Mchlum an liibels])rüch(»n findet, der auf die alleren|isle
Dekaimtschaft mit d(»r Bib(*l schließen läßt, so ist das Bibel-
Synibola. Aii^ alten Utt-Iiener Slniiimbflclierti. 393
394 Erwin Preuschen.
wort aiicli der Führer im Leben. Es sind die Nachklänge
der Ileformationszeit, die den gleichsam neu entdeckten
Schatz ausmünzt und sich in seiner Verwertung nicht genug
tun kann. Für Tod und Leben hat man nichts besseres als
das Wort Gottes.
Hundert Jahre später war in Gießen die Orthodoxie
verdrängt und der Pietismus eingezogen. An die Stelle der
starren Formeln, zu denen die Lehre der Lutheraner er-
starrt war, sollte wieder eine lebensvollere Erfassung der
Glaubenswahrheiten treten. Es hat einen harten Kampf
gekostet, bis der Pietismus, den man wohl als eine Sache
des Fortschrittes bezeichnen kann, den Sieg erfochten hatte.
Leider sind gerade aus dieser Zeit nur wenig Einträge er-
halten. Es wäre interessant, zu sehen, inwieweit die Ge-
danken der Pietisten sich allgemeinere Geltung zu ver-
schaffen gewußt haben. Aber auch die beiden Einträge, die
sich in einem Stanunbuche aus jener Zeit finden, sind be-
zeichnend genug. J. L. Kübel schreibt 1707: Justitia et
pietas Christiani ornamentum. An sich hätte jedes Zeit-
alter so schreiben können ; aber es ist sicher nicht zufällig,
daß hier als der Schmuck des Christen nicht nur die Ge-
rechtigkeit bezeichnet wird, wie es nach paulinischer Lehre
etwa die Orthodoxen getan hätten, sondern daß daneben
auch die Frömmigkeit tritt. Darin eben spiegelt sich der
Geist des Pietismus. Noch charakteristischer ist der Ein-
trag von J. C. Bielefeld, des Mannes, der ^dem Pietismus
in Gießen zum Siege verholfen hat. Er steuert folgende
Verse bei :
Wan nutzt ein bloßer Baum, der ohne Frucht und Saflft?
Und was ist Gottes Reich in Wortten ohne Krafft?
Die „Worte ohne Kraft**, an die Bielefeld denkt, sind
ohne Zweifel die orthodoxe Lehre, die Kraft aber, die er
verlangt, ist die sittliche Kraft, ohne die der Glaube wert-
los ist.
Fünfzig Jahre danach ist ein anderer Geist auf der Hoch-
schule spürbar. Die Stammbücher sind nun nicht mehr
Kompendien der Lebensweisheit, die von Professoren und
hochstehenden Persönlichkeiten ihren Inhalt bekommen,
sondern sie werden daneben und vor allem Denkmäler der
Burschenfreundschaft. Wer dem Besitzer freundschafllid^
nahe tritt, steuert ein Blatt bei, nicht wenige, indem sie
zugleich eine Silhouette als bleibende Erinnerung auch a"
die äußere Frschoinnn»!; heifü<ren. And3re stiften ein BM'
ch(?n, wie man sie damals wohl handwerksmäßig für der-
Symbola. Aus alten üießener Stammbüchern. 395
ige Zwecke hergestellt hat. Eine größere Anzahl der
der, welche diese Schrift schmücken, verdankt den Stamm-
ehern ihren Ursprung.
Die Einträge sind in dieser Zeit wesentlich anders ge-
•rden. Sie werden prätentiöser; man prunkt mit einer
?vissen Gelehrsamkeit, sucht seine Literaturkenntnis zu
gen. Die deutschen Dichter, ein Opitz, Hagedom, Günther,
3ist, Neukirch, Geliert, werden zitiert, ein Beweis dafür,
ß die deutsche Literatur in den Kreisen der Studenten
•e Anhänger gefunden hat. Selbst die ausländischen
:rhter werden zuweilen angeführt. Leider macht sich auch
dem nicht ganz seltenen Gebrauch der französischen
räche bei den Einträgen die Ausländerei als Modekrank-
it schon unangenehm bemerkbar. Es ist nicht abzusehen,
trum L. R. v. Drechsel den geistreichen Eintrag: Penses
moi! Souven^s vous mon eher en lisant ces lignes de
tre tres humble serviteur et fidel ami nicht ebensogut
utsch hätte ausdrücken )i:önnen. Nicht weniger gedanken-
kiwer ist auch der Eintrag von F. v. Geusau: toujours le
jme! C. F. Seiferheld zitiert Lafontaine: Nous faisons
s du beau, nous meprisons Tutile, et le beau souvent
US detruit.
Mit einem Wort aus Popes Essay on Criticism hat sich
Vpfner verewigt, der Jurist, der als Tribunalsrat in Darm-
idt 1797 gestorben ist: *tis with our Judgments as our
atches, none go just alike, yet each believes bis owne.
n anderer, der Magister der Weltweisheit Weisman, zitiert
»pe in deutschem Gewand : Alle Freuden der Sinne liegen
dreyen Worten: Gesundheit, Friede und Nothdurft. Aber
e Gesundheit bestehet allein mit der Mäßigkeit, und der
iede, o Tugend! gehöret ganz dir!
Die Professoren lieben Zitate aus den römischen und
iechischen Klassikern. So schreibt der Prokanzler der
liversität F. J. Kortholt einen Spruch aus Phädriis:
Non sernper ea sunt quae videntur: decipit
Frons prima multos, rara mens intelligit
Quae interiorc rura condidit angulo. (IV, 2, 6.)
Aus Isokrates ad Deinonicum führt J. G. Bechtold die
orte an : töv [lev deöv rpoßoö, xotx; Ss 7ovei^ tt[ia, xotx; dk yt-
US Horaz (carm. II, 16, 25ff.):
Laetus in praesens animus, quod ultra est
Oderit curare : et amara laeto
Temperet risu. Nihil est ab omni
parte beatum!
396 Erwin Preuschen.
Den Schlußsatz allein hat J. Christoph Koch als Motto
erwählt. Ein anderes Wort des Horaz (carm. III, 2, 21S.i
schreibt der Theologe J. Stephan Müller ein:
Virtus recludens immeritis inori
Coelum, negata tentat iter via:
Coetusque vulgares et udam
Spernit humum fugiente penna.
Den Euripides zitiert in lateinischer Form der Hofrat
L. Gottfried Mögen:
Nullus hominum per omnia felix est.
In den deutschen Sentenzen macht sich der Geist der
Aufklärung schon sl:ark fühlbar. Gott, Tugend, Unsterblich-
keit werden die Schlagw^orte, die dann bald zum Überdruß
wiederholt das Glaubensbekenntnis der neuen Zeit abgeben.
Für diese Stimmung sind Verse bezeichnend wie die
folgenden :
Ich bin vergnügt, das bleibt mein Glück,
loh habe wenig und doch alles.
Die Seelen-Ruh bleibt nie zurück.
Mein Heil befürcht* sich keines Falles;
Ich weiß, daß mich kein Kummer kränket.
Der Friede wird mir nicht entrissen.
Was ist's, das mir die Wohlfahrt schenket?
Gott, Tugend und ein gut Gewissen!
So schreibt sich 1764 ein Theologe ein; ein anderer:
Nur zärtliche, nur reine Triebe,
Ein Herz, das voll von Menschenliebe
Auf ewig für die Freundschaft glüht;
Dies kan uns unser Lob vergrößern,
Dies kan uns unser Glück verbessern.
Wenn man dal)ei auf Tugend sieht.
Der Jurist G. W. E. Hertel trägt die Verse ein:
Es ist kein nichtiges Wort, o Freund ! es giebt eine Tugend,
Es wohnt ein göttliches Etwas in uns,
Das unsere Thaten durchschaut, sie billigt oder verdammet.
Und in verborgene Tafeln sie gräbt
Daneben tauchen jetzt auch kecke Burschenliedch^^
auf, die zu beweisen scheinen, daß das S. 329 mitgeteiH*
Bild mit seiner Charakteristik des Gießener Burschen rect*^
hat. Es mag mit einigen Proben dieser Poesie genU»
sein: G. L. Klingelhöiler schreibt sich 1764 mit folgende^
Zeilen ein:
Ein Held bey Gläsern und bey Schönen
Kan sich das Siegen angewöhnen.
Das seh ich ein;
Symbola. Aus alten Gießener Stammbüchern. 397
Doch daß er Feinde werde schlagen,
Die Türken von dem Throne jagen,
Das kan nicht sein!
anderer, Schönhals, läßt sich so vernehmen:
3dler Pursche lebt vergnügt, jedoch nicht liederlich,
i dem, der nur stehts vor dem Zapfen liegt,
täglich Streit und Schläge kriegt,
Jungfer und die Magd betrügt,
s endlich wenn sich alles fügt
Am Ende lauserich.
Pursche, der wie du mein Freund
rüderlich und ehrbar meynt
Das ist ein Mann vor mich!
: und gut dichtet Dem:
er schöne Mädgen haßt und auf Studenten schilt,
sr ist mit Haut und Haar des Teufels Ebenbild.
5 selten geworden sind religiöse Klänge. Selbst die
n zitieren nicht die Bibel, sondern lassen Dichter
riftsteller, altklassische und moderne, reden. Es
ischend, zu sehen, wie schnell der Pietismus religiös
ist und wie sehr er der von Frankreich her ein-
en Aufklärung die Wege geebnet hat. Es ist, als.
Mnen Bami gebrochen, der auf dem geistigen Leben
deten gelegen hatte. Der Gesichtskreis wird weiter,,
ng strebt hinaus ins Weite. Die etwas hausbackene
ie sie Geliert, Hagedorn, Günther, Kleist und andere
Markt brachten, enthielt genug praktische Lebens-
die, wenn auch ohne Schwung vorgetragen, doch
en reifer v^erden ließ. Ganz selten sind patriotische
den Eintragungen. Das Vaterland scheint bei dem
ertum der Zeit nur noch eine ideale Größe zu
r einmal hat sich ein Student, G. C. Wahler aus
., an Friedrich dem Großen begeistert. Er schreibt:
Auf das Wohl von Friedrichs Staaten
Trincken wir ein gantz(es) Glas aus:
Groß an Helden, groß an Thaten,
Lobe sein gecröntes Hauß,
Groß im Siege, groß im Kriege
Lebe hoch sein tapfer Heer,
Und der letzte seiner Siege
Sey den Feinden ewig schwer!
st bezeichnend, daß eine andere Hand zu diesem
lie Bemerkung hinzugeschrieben hat: Herr Bruder
ir einander hier an ! Offenbar waren politische An-
n verpönt.
398 Erwill Preuschen.
Auch Schlüpfrigkeiten und galante Anspielungen fehlen
in der Mitte des 18. Jahrhunderts noch fast ganz. Ein
Offizier schreibt einmal ein französisches Lotterliedcheu:
J'ai jure ä ma maitresse
De Taimer jusqu'au tombeau
Dessus la feuille d'un orineau,
J'ai ecrit cette promesse.
Mais par malheur il fait du vent,
Adieu la feuille et le serment!
Doch bleibt solche Poesie noch vereinzelt. Un^l
J. L. Meyer wird nicht so unrecht gehabt haben, wenn (^^
1752 schrieb :
In Gießen geht es liederlich,
So heißt es überall,
Allein mein Freund erkund'ge dich,
Wie geht es anderswo und sonst in diesem Fall?
So wirst du bald erfahren müssen,
Es gehet dorten wie in Gießen.
Dennoch wird man nicht in Abrede stellen dürfen, daß
der Gießener Student, wie der in Halle und Jena, auch auf
galante Abenteuer ausging, wenn sich die Gelegenheit bot.
Auch das gehörte zu dem burschikosen und fröhlichen
Leben, das nach dem bereits genannten Bild das Kenn-
zeichen des Gießener Studenten bildete. Von der Kost-
spieligkeit dieser galanten Abenteuer weiß C. W. Schmidt
ein Lied zu singen :
Soll ein galantes Kind uns zu Gefallen lachen,
So muß der Beutel erst die Komplimenten machen.
Drum ist ein schöner Mund ein kostbarer Magnet,
Nach dem mit manchem Kuß auch mancher Thaler geht.
Man führte das Wort Tugend oft und gern im Mund^-
Das war nicht bloßes Spiel. Noch wirkten die strengen sitt-
lichen Begriffe des Pietismus insoweit stark genug nach,
daß man nicht eine Ehre darin sah, wenn der Student di^
Sittengebote, die Forderungen des Anstandes und der Zucbt
■einfach mit Füßen trat. Die Zeiten sollten bald anders
werden. Am Schlüsse dieser Übergangszeit mag noch ei^
17ö() von J. W. Beck eingetragenes Gedicht stehen, desset^
Verfasser ausfindig zu machen sich lohnen möchte:
Laß es blitzen, donnern, wittern,
Laß brausen, prasseln, untergehn;
Laß alles, was du bist, erzittern:
Du bleibest dennoch feste stehn.
Wenn alles Uebel deiner Nacht
Verblitzt, verschossen und verkracht,
Svmbola. Aus alten Gießener Stammbüchern. 399
So wird es endlich still und öde:
Dann folgt die schöne Morgenröte
Und gleich darauf der helle Tag.
Dann scheint dir deine Sonne wieder
Und was kein Licht vertragen mag,
Das muß in seine Höhlen nieder.
die Zeiten der Nachwirkungen des Pietismus und
n Anfänge der Aufklärung folgte bald die Auf-
die zwar das Motto: Tugend, Gott, Unsterblichkeit
t, aber dennoch wenigstens zeitweilig zu einem
tlichen Verfalle führte. Die Stammbücher zeigen
ich genug. Es ist eben schon darauf hingewiesen
daß man auch in den dem Rationalismus voraus-
Jahrzehnten die Ansätze zu einem Verfall der
obachten kann, und es wäre sicherlich ungerecht,
lärung und die von Frankreich her importierten
ind Vorstellungen allein für etwas verantwortlich
m, was gewiß schon längst, wenn auch nur latent,
n gewesen ist. Es wäre sicherlich nichts ver-
ils zu meinen, daß es mit der Sittlichkeit auf den
i Hochschulen in der Zeit von 1750 bis 1780 plötz-
ab gegangen sei. Was jetzt auffallend zutage tritt,
)ffenheit, mit der die Nachtseiten des Studenten-
is Licht gezogen werden. Es war wohl früher in
e auch nicht viel besser bestellt mit der Moral
3hen; aber man scheute sich doch wenigstens, da-
zu reden. Nun konunt die Zeit, wo man in der
um schlimmer war als früher, wo man aber etwas
;ht, mit den Heldentaten auf dem Feld der Liebe,
Idenmachens, des Renommierens zu prahlen. Auch
a eine Modekrankheit gewesen, und wir wissen
Bviel an diesem Zustand der verderbliche Einfluß,
flne verkommene Studenten ausgeübt haben, schuld
sein mag. Wenn F. C. H. Lauckhardt 1775 ein
j Distichon einem Freunde ins Stammbuch schreibt,
dessen Mitteilung verbietet, so läßt sich ermessen,
Unheil der Verkehr mit ihm stiften konnte. Man
nicht wundern, \venn auch andere Theologen es
;h zu tun suchten. Vielleicht treffen wir hier auf
en der Wirksamkeit von C. F. Bahrdt, der eben
n Jahre Gießen mit Marschlinz vertauschte,
ieser Zeit erscheinen die Parodien, die auch vor
)ottung von Bibelsprüchen nicht Halt machen. So
1791 ein Student mit Benutzung von 1. Job. 5, 7 :
trahlt wirklich der Mond 1 — Sternlein funkeln am
400 Erwill Preuschen.
Himmel! Da wacht die Liebe, die Weisheit, die Freund-
schaft, und diese drei sind eins — heilige Dreieinigkeit! Ein
anderer verballhornt Paul Ebers Lied : Wenn wir in höchsten
Nöten sein, in folgender Weise:
Wenn wir in höchsten Nöten sein
Und wissen nicht, wo aus und ein.
So reiten wir zum Tor hinaus
Und lachen die Philister aus.
Ein Theologe besingt die Liebe in den Versen:
Die Liebe fängt vom Himmel Flammen
Ihr Thun das ist gerecht und rein,
Die Engel lieben sich zusammen.
Wie kann es Menschen straf bahr sein?
Drum wähl ich diesen edlen Trieb
Und hab ein schönes Mädgen lieb!
J. A. Diehl spottet der Philosophen:
Ein Leibnitz lehrt aus Unstern Gründen,
Es sei kein leerer Raum zu finden;
Doch zeigt des Purschen Beutel ja,
Quod saepe dentur vacua.
Das Burschentum, wie es Zachariae in seinem Re-
nommist geschildert hat, tritt uns entgegen, in dem Gespräch
zwischen zwey honorigen Purschen, das J. G. Beyn 1781 in
ein Stammbuch eintrug:
A. Ein bisgen Ehre küzelt doch
Und war es noch so klein.
So trägt man doch die Nase hoch
Und mögt honorig seyn.
B. Ey, wenn es um die Ehre
Nicht so was großes wäie.
Wer würde wollen Pursche sevn?
A. Ich nicht! B. Ich auch nicht!
Das Zechen verherrlicht ein anderes Verschen:
Es leb* ein jeder deutsche Mann,
Der seinen Rheinwein trinkt.
So lang er's Kelchglas halten kann
Und dann zu Boden sinkt.
Doch es lassen sich auch schon ernstere Töne ver-
nehmen. Zwar fehlt es nicht an den Rührseligkeiten, ^^
denen die Zeit reicher gewesen ist als frühere und spätere
Perioden. In hohen Worten wird die Freundschaft gepriesen*
Lodere zärtliche Froundschaftsflamme, die zu unserem GWck
unter uns angefochten (!) ist? aber Freund laß sie durch der
Zeiten Länge endlich in ein warmes und unverlöschliches
Feuer ausbrechen. Ein anderer gibt folgenden guten R^**
Symbola. Aus alten Gielsener Stammbüchern. 40jt
1 du bey einem Mädgen ein fühlendes Herz, sanfte
1 und einen durch Wissenschaften verschönerten Geist
st, so verbünde dein Schicksal mit dem ihrigen, mache
ir zur Freundin, zur Gefährtin, zur Gattin ! Ein dritter
3rrlicht mit den Worten von Hagedom die Freundschaft :
menschlich ist der Trieb, vom Menschen sich zu scheiden,
d Timons Bärenstand ist nimmer zu beneiden;
in Weiser haßt die Welt. Auch sie versichert ihn,
s werd* in einem Freund ein heyrger Schatz verliehn.
Nicht alle Einträge dieser Zeit bewegen sich auf so
ilosen Pfaden. Die Ideen der französischen Revolution
en auch hier durch. Es geschieht noch nicht häufig ; es
die ersten abgerissenen Töne der Sturmglocken. Was
nser Leben ohne Freiheit? so fragt 1783 einer. Vier
3 später schreibt ein anderer: Freiheit ist das Leben der
ten, Zwang ihr Tod! Ein anderer läßt sich 1779 so ver-
len : Ein köstliches Ding ist die Freiheit. Wer von ihr
noch so wenig hat, glaubt viel zu haben. Aus dem-
jn Jahr ist der Eintrag:
Ruhm, Reichtum, Pracht, des Hofs Beschwerde,
Vom Volk verehrt
Ist Wahn und nicht des Herrn der Erde,
Des Weisen, wert.
Daneben wagt sich auch einmal der Pessimismus, wenn
nur schüchtern, hervor. Glücklich sind die Gestorbenen,
. sie leben nicht mehr, schreibt 1784 ein Student. Lange
rt 1779 Goethes Werther: War der Leidenskelch dem
3 vom Himmel auf seinen Menschenlippen zu bitter,
im sollte ich groß tun und mich so stellen, als schmeckte
ir süß?
Wenige Jahre später hat die Flut der politischen Er-
sse auch die Hochschulen ergriffen und ein neuer Geist
it sich in den Einträgen geltend. Auch jetzt fehlt es
t an allgemeinen Sentenzen, wie sie für jede Zeit und
jede Lebenslage passen. So fordert Schulz fröhlichen
insgenuß mit den Versen :
Der ist ein Thor, der für den Morgen
Auch nur eine Freude spart;
Weiser, wer sich trennt von Sorgen
Im Genuß der Gegenwart.
Ernster sind die Verse Kosegartens, die Buxmann 1801
hrt:
Was Staub ist, muß verstäuben,
Was Moder ist, vermodern,
Was flanmit, wie Flamme verlodern.
Was haucht, wie Hauch vergehn.
Itrftge z. Gesch. d. Universitäten Mainz u. Gießen. 26
i
402 Erwin Preuschen.
Mit mehr als Erdenblüle
Blüht Tugend, Unschuld, Güte,
Ist himmlisch göttlich, ewig.
Mag nimmer untergehnl
Ganz besonders beliebt ist Schiller. Ihn muß man da-
mals besonders eifrig in den Kreisen der akademischen
Jugend gelesen, an seinen Ideen sich begeistert, berauscht
haben. Ein hoher und idealer Schwung geht durch die
Jugend, der sich auch in den Wahlsprüchen ausdrückt. Nun
tauchen Symbole auf, wie: Wahrheit und Recht, oder: Dem
Vaterlande treu! oder: Ewigkeit geschworenen Eiden!
Solchen Wahrsprüchen sind denn auch die Einträge ange-
paßt. Mit Kant sagt Schleuning 1802: Gerechtigkeit hört
auf, eine zu sein, wenn sie sich für irgend einen Preiß
hingiebt.
Welcker schreibt 1801 : Wer frei denkt, denkt edel ! Und
Zwenger in demselben Jahre:
Mut gegen Unterdrückung,
Verachtung gegen Uebermut.
Spricht sich schon in solchen Zitaten ein ernster Simi
aus, der eine Begeisterung für die höchsten menschlichen
Ideale ahnen läßt, und der uns das Aufflammen dieser Be-
geisterung in den Freiheitskriegen verstehen lehrt, so wird
diese Beobachtung bestätigt, wenn wir auf die Zitate aus
Schiller sehen. Heusler, dessen Wahlspruch Wahrheit und
Recht ist, schreibt die Distichen (der Forscher) aus:
Alles will jetzt den Menschen von innen, von außen ergründen
Wahrheit, wo rettest du dich hin vor der w^ütenden Jagd?
Dich zu fangen ziehen sie aus mit Netzen und Stangen
Aber mit Geistestritt schreitest du mitten hindurch.
Ein anderer führt das Distichon an:
Gleich sei kein:^r dem andern und gleich sei jeder dem Höchsten
Wie das zu machen? — Es sei jeder vollendet in sich.
Eckstein schreibt die zwei Tugendwege ins Stammbucti
Zwei sind der Pfade, auf welchen der Mensch zur Tugend
emporstrebt ;
Schließt sich der eine dir zu, thut sich der andre dir auf.
Handelnd erzwingt der glückliche sie, der leidende duldend,
Wohl dem, den sein Geschick liebend auf beiden geführt
Diese Beispiele mögen genügen. Sie zeigen, daß du"
Worte der Dichter in den Herzen der Jugend Nachhall g^
funden haben. Man hat sie nicht nur gelesen, hat sich
nicht allein an dem Klang der Sprache berauscht, sond^ni
man liat sie zu Lebensführern zu machen gesucht. Es zeigte-
e
Symbola. Aus alten Gie&ener StainnibQchern. 403
1, daß die Dichter nicht vergeblich gesungen hatten. Ein
63 Geschlecht wuchs heran, dem gewaltige Aufgaben ge-
lt waren. Wie es sich gerüstet hat, diese Aufgaben zu
illen, das können uns die Stammbücher aliein nicht
ren. Aber sie geben einen nicht unwichtigen und nicht
nteressanten Beitrag zu dieser Frage. Gerade, wenn man
it nur die Denkmäler studentischer Freundschaft aus
5er Zeit allein betrachtet, sondern auch die der voraus-
enden Jahrzehnte zum Vergleich mit heranzieht, ergibt
i deutlich, wieviel ernster der Student in dem einen Jahr-
nt von 1795 bis 1805 geworden ist. Die galante Spielerei
: fast ganz in den Hintergrund. Die Süßlichkeiten der
maligen Modedichter sind vergessen, von Phyllis und
is redet man nicht mehr; die Zeiten sind vorbei, wo der
denl nur an „Freundschaft, Wein und schöne Mädgens**
hte. Die Zeiten sind hart geworden und verlangen ein
steres Geschlecht. Auch der Gießener Student hat in
sen Tagen seinen Mann gestanden.
Leider sind aus der Zeit der Befreiungskriege keine
mmbücher erhalten oder mir bekannt geworden, die sich
Besitz von Gießener Studenten befunden oder Einträge
i solchen erhalten haben. Ohne Zweifel würde man aus
en sehen können, wie die Gedanken, die seit 180O unter
i Angehörigen der Hochschule Platz zu greifen beginnen,
b immer stärker durchsetzten und wie so das Geschlecht
'wuchs, von dem im besonderen Maße galt, was 1619
eits von dem Professor der Theologie Steuber als Wahr-
lich der jungen Universität eingetragen wurde: Litteris
armis, ad utrumque parati. Das Resultat dioser Ent-
::klung hat im Jahre 1819 in dem Stammbuch eines Offi-
res, des Hauptmanns Schmitz, Düring mit den Worten
sgesprochen :
Dann wird's, dann bleibt's nur gut
Wenn du au Gut und Blut
Wagst Blut und Gut.
Es ist ein schönes Stück deutscher Geistes- und Kultur-
ichichte aus zwei Jahrhunderten, das uns diese Stamm-
:her vor Augen führen. Schade, daß die schöne Sitte
Abgang gekommen, oder, wo sie sich noch findet, zur
»ßen Kinderei geworden ist. Diese alten vergilbten Blätter
d mehr, als interessante persönliche Zeugnisse ver-
igener Generationen. Ob sich Gelehrte eingetragen haben,
ren Namen auch heute in der Geschichte der Wissen-
laften noch unvergessen sind, oder Studenten, die später
Leben ihren Platz ausfüllten und von denen solch ein
404 Erwin Preuschen.
Eintrag vielleicht heute die einzige Lebensspur ist — in allen
Fällen lassen sie uns alle einen Blick tun in das Denken und
Fühlen, in das Hoffen und Sehnen ihrer Zeit. Sie sind mit
ihren kurzen Sprüchen ein Spiegel der Vergangenheit und
enthüllen uns oft deutlicher, als die Schilderungen der Sitten-
schreiber ihrer Tage die Geheimnisse des geistigen Lebens
früherer Epochen.
Aus den Gründungsjahren der Universität Gießen zeigen
sie uns die ehrenfesten Männer, die mit Vorliebe die Bibel
reden lassen und deren Blick nach oben gerichtet ist, auf
jene Welt, die nach Balthasar Mentzers Wahlspruch die
schönste ist. Am deutlichsten läßt diesen Geist das Stamm-
buch erkennen, das dem M. Conrad Bachmann, dem ersten
Bibliothekar von Gießen, die Kollegen überreichten und in
das ihrer dreizehn sich eingetragen haben. Der ehrw^ürdige
Johann Winkelmann eröffnete den Reigen, alterum pedem
in sepulchro habens, wie er am 23. Dezember 1625 selbst
hinschrieb. Ein halbes Jahr später weilte er nicht mehr ani
Leben. Sie alle haben, jeder in seiner Art, der neugegrün-
deten Hochschule ihren Geist aufgeprägt, einen Geist, der
sich trotz der Nähe Marburgs und anderer Hochschulen er-
folgreich behaupten konnte. Und schließlich ist es doch
dieser Geist gewesen, der es bewirkte, daß die Ludoviciana
nicht zu ähnlicher Bedeutungslosigkeit herabsank, wie etwa
Herborn und Rinteln, Altdorf und Helmstedt.
Hundert Jahre später öffnet Gießen neuen Gedanken
und neuen Zielen die Tore. Was der Pietismus für das
geistige Leben unseres Volkes bedeutet hat, wie er Schranken
niederriß, unter denen die Gebildeten seit hundertfünfzi?
Jahren seufzten, das kann hier nicht ausgeführt werden. Ver-
gleicht man die Entwicklung bis zum Jahre 1750 mit der-
jenigen des ersten Jahrhimderts, so sieht man deutlich, auf
welche Ziele sie zusteuert.
Es bereitet sich ein Aufschwung des ganzen geistigen
Lebens vor, der nach einer kurzen Zeit des Niederganges am
Anfang des 19. Jahrhunderts eine kraftvolle Entfaltung des
geistigen Lebens der Nation brachte. Das Volk beginnt z^
erwachen, die Jugend stellt sich unter die Leitung der
geistigen Führer, der Dichter und der Philosophen. Zuerst
freilich ergötzt man sich an dem leichten Getändel ; es waren
erst die Präludien, mit denen die Instrumente gestimnit
wurden. Die Schäferspiele wichen bald dem Ernst des
Lebens. Gestalten, wie die des großen Preußenkönigs, d'^
Taten seines Heeres und seiner Helden zeigen, daß das
Leben nicht nur ein scherzendes Spiel ist. Auch der Stu-
SymboU. Aus alten Gieäener Statombachern.
405
: erkennt, daß es mit dem „burschikos und fröhlich" allein
it getan ist, und daß es höhere Ziele gibt, als mit Mädchen
ikem, den Schläger wetzen und die Philister ärgern. Von
ikreich her erschallt verlockend der Ruf nach Freiheit;
iadet ein mächtiges Echo. Um »o mächtiger, als der
g der Ereignisse dem Sehnen die Ketten schmiedet durch
Faust des Eroberers. Die Flammen, die in den Freiheits-
gen emporloderten, sind aus den Funken entstanden,
seit zehn Jahren in den Herzen der Studenten glimmten.
c auch von den Geschlechtern des vierten Saeculums
m, was von denen der beiden ersten gilt, daß sie dea
ich zur Wahrheit machton :
LUteris et armts ad utnimque parati.
Karl Ludwig Wilhelm von Grolman in Gießen.
Von Karl Esselbom.
Die Verfassiingsurkunde des Großherzogtunis Hessen
vom 17. Dezember 1820 weist neben der Unterschrift des
erlauchten Fürsten, der sie gegeben, die Gegenzeichiiuuj!
„von Grohnan" auf. Das Loben dieses Mannes bis zu dem
Zeitpuiiivt, wo er als verantwortlicher Minister die Geschicke
seines Vaterlandes zu leiten begann, sollen die folgemlen
Seiten beschreiben.
Karl Ludwig Wilhelm Grolman wurde zu r.ießen
am 23. Juni 1775 geboren, einige Monate vor Paul Johann
Anselm Feuerbach, mit dem ihn eine durch seine straf-
rechtlichen Schriften vermittelte Freundschaft verband, die
in ihrer Art an die Freundschaft zwischen Goethe uml
Schiller erinnert.
*' DU- K<)[iflinsli.' ist i.'ini' vprkloini?rle KacLbÜdung einer, der Krau
Malliilili' viN tiroliiiaii in Karlsruhe gehörenden Silhouette, dif ""
April Iftft'i nach der Taufe seines Sohne» Johann August (IfOJ i"3
ItUSI, naclini.ils Professor der Heclite in Gießen, angefertigt wurde. Auf
ihr sind vüri rechts anfangend folgetidn Personen abgebildete
1. Profe*iSorGroIinan;2. seine Kran; 3. seine TochlerWiihelmine.
geb. 14. Sdveiiiber 1801, gest. 8. .^iiril 1875 als Witwe des Hof|crichls-
prifcidentpn Kriedrich von Homhergk zu Vach; 4. seine Torhter C!i*r-
lutte, geb. 15. Mai 1MI3, gest. zu Darmstadt am 28. Februar If«';
.">. die Stiffsrhwesler seinfr Frau, Marie Charlotte von Grolman, ff»-
IT. August 1784, gest. 9. Juni 1873 als Witwe des DiatrikUeinnebroerä
Gg. licssemer in Rüsselsheini; li. eine freundin seiner Frau, Fräuifi"
Kar<ilinc von Mosel aus Kleve, eine Patin des Neugeborenen.
Karl Ludwig Wilhelm von Grolman in Gießen. 407
Der Zweig der Familie Grolman^, dem Karl Ludwig
Wilhelm entstammte, war seit drei Generationen in Gießen
ansässig. Sein Großvater Melchior Dettmar Grolman,
der jüngste der vier Söhne des gemeinsamen Stammvaters
des ganzen Geschlechts, des 1635 geborenen und 1714 als
Kaufmann und kurfürstlich brandenburgischer Rentmeister
zu Bochum in Westfalen gestorbenen Georg Grolman, war
am 17. Februar 1668 zu Bochum geboren, hatte zu Mar-
burg, woselbst er im Jahre 1689 promovierte und sich habi-
litierte, Rechtswissenschaft studiert und war 1703 als vierter
Professor der Rechtswissenschaft nach Gießen berufen
worden. Im Jahre 1714 schloß er eine dritte Ehe mit
Maria Klara Mollenbeck (1694—1766), der Tochter des
Geheimen Rates, Kanzlers und Professors-Primarius der
Rechte Bernhard Ludwig Mollenbeck. Ein Jahr später
wurde er akademischer Syndikus und nach dem 1720 er-
folgten Tode seines Schwiegervaters dessen Nachfolger als
erster juristischer Professor und Kanzler der Universität.
Er starb am 28. September 1722, nachdem ihm kurz vorher,
am O.Juni, noch einSlammhalter, Adolf Ludwig, der Vater
Karls, geboren worden war. Adolf Ludwig war Geheimer
Regierungsrat bei der Regierung zu Gießen und hatte sich
1772 mit der 22 Jahre jüngeren Anna Sophie von Rauen
(gestorben am 26. August 1827 zu Gießen), der Tochter
des braunschweigischen Obersten und Forstmeisters Fried-
rich Wilhelm von Rauen, vermählt. Er war „ein edler
deutscher Mann, treuer Diener seines Fürsten, guter Vater
und Gatte. Stolz kannte er keinen außer den über
seine Familie. «Vergeßt nie, daß ihr Grolmäner seid»,
pflegte er seinen Kindern zu sagen, «das ist mein Segen.
So könnt ihr nie schlecht werden.»** -
Als im Jahre 1786 König Friedrich Wilhelm IL von
Preußen bald nach seiner Thronbesteigung den Adelsstand,
in den die Nachkommen des ältesten Sohnes Georg Grol-
mans im Jahre 1741 aufgenommen worden waren, auch auf
> Die Genealogie der Familie Grolman ist am übersichtlichsten zu-
sammengestellt in dem 2. Bande des „Handbuchs des preußischen Adels**,
Berlin 1893. S. 382—31)5, und in dem 1. Jahrgange (1907) des „Gothaischen
genealogischen Taschenbuchs der bricfadligen Häuser", S. 227 — 237. Diese
Darstellungen beruhen auf der von Friedr. Heyer von Rosenfeld bearbeiteten
Genealogie im 8. und 13. Jahrgang (1883 u. 1888) des „Genealogischen
Taschenbuchs der Adeligen Häuser'*. Die Heyerschen Materialien be-
finden sich im Großh. Haus- u. Staatsarchiv zu Darmstadt.
2 Diese und die folgende Schilderung A. L. Grolmans berulit auf
Einern im Konzept erhaltenen Briefe seines Sohnes Ludwig an den Geh.
Obertribunalspräsidenten Heinrich Dieterich v. Grolman in Berlin aus d. J.
1811. Das undatierte Konzept besitzt Frl. Lolo v. Grolman in Darmstadt.
408 Karl Esselborn.
die Nachkommen der beiden jüngsten Söhne Georg Grol-
mans ausdehnen wollte, weigerte sich Adolf Ludwig, „aus
einer Art von bürgerlichem Vorurteil"*, an dieser Aus-
dehnung teilzunehmen, so sehr ihn auch sein Vetter, der Re-
gierungs- und Konsistorialdi rektor Ludwig Adolf Christian
V. Grolman zu Gießen (1741 — 1809), zuriet. Auch seine Ge-
mahlin, die dessen Vorstellungen unterstützte, indem sie
geltend machte, der Adel könne doch wohl einem ihrer vier
Söhne nützlich werden, wagte es nicht, den festen Willen
ihres Gatten zu bestreiten, der ebenso stolz auf seine „Bürger-
lichkeit** wie auf seinen Namen zu sein schien und ge-
legentlich schwur, dasjenige seiner Kinder zu enterben,
welches sich adeln ließe. Dieser Zug ist um so charakte-
ristischer, als der Adel seiner Gattin und der Umstand, dai5
Mitglieder des neugeadelten Zweiges seiner Familie neben
ihm in Gießen lebten, sowie der Vorteil, den seine Söhne
später aus der Adelsverleihung haben mochten, ihn zur An-
nahme der angebotenen Auszeichnung hätten bestimmen
müssen.
Karl Ludwig Wilhelm war der Zweitälteste Sohn
seiner Eltern, aus deren Ehe im ganzen sieben Kinder, vier
Söhne und drei Töchter, hervorgegangen waren. Sein älte-
ster, im Jahre 1773 geborener Bruder Friedrich Ludwig
Adolf (Kriminalrichter, gestorben als Hofgerichtsrat 1855)
ist auch schriftstellerisch hervorgetreten; sein zweiter, 1777
geborener Bruder Ludwig, den er mehr als sich liebte*,
war nach vielfachen Schicksalen in badische Kriegsdienste
gekommen, Generaladjutant des Großherzogs von Baden ge-
worden und am 6. Februar 1813 in Wilna gestorben, während
sein jüngster Bruder Friedrich Ludwig Karl Christian,
im Jahre 1784 geboren, 1859 als Geh. Rat in Darmstadt ge-
storben ist. Von seinen drei Schwestern war die älteste, Luisa
(1780 geboren), mit dem Professor Arens verheiratet, wäh-
rend die beiden jüngeren, 1782 und 1786 geboren, bald nach
der Geburt starben.
Karl genoß eine sorgfältige Erziehung. Sein Vater
scheint die Liebe zur Arbeit und zum Studium frühzeitig in
dem Sohne geweckt zu haben. Charakteristisch ist in dieser
Beziehung der Stammbucheintrag, den er ihm am 27. März
1789 ins Stammbuch ^ schrieb:
3 Brief Grolmans an den Geh. Staatsreferendär Frh. v. Lichtenberg,
V. 3. Januar 1812, in den Adelsakten d. Großh. Ministeriums d. Innern.
* Zil. Brief vom 3. Januar 1812.
^ Im Besitz der Enkelin Grolmans, Frau Auguste von Znaniecka, geb.
von Grolman, in Gießen.
Karl Ludwig Wilhelm von Grolman in Gießen. 409
„Ein Knabe leidet viel in Arbeit Frost und Schwitzen,
Eh* er bei alten darf im Ehren Tempel sitzen.
ienke dieses mein Sohn! und werde nie laß im studiren.
y fromm, tugendhaft und ein Menschenfreund; so wirst
glücklich sein und Freude machen Deinem Vatter
L. Grolman.**
Seinen Schulimterricht erhielt Grolman teils zu Hause,
is in dem Gymnasium seiner Vaterstadt. Strebsamkeit,
waltender Fleiß und schnelle Fassungsgabe werden ihm
Agerühmt. Bei den am Schlüsse des Semesters regel-
ßig stattfindenden Schulfeierlichkeiten trat er mehrfach
Redner auf, so am 18. März 1788, wo er von den Zwei-
npfen der alten Deutschen sprach ß, und am 15. September
?9, wo er eine selbstverfertigte Rede über das Leben und
1 Tod Josephs II. in französischer Sprache hielt.^ Von
nen Lehrern sei hier nur erwähnt der Lektor und nach-
.lige Professor der französischen Sprache Franz Thomas
astel, zu dem er, wie ein Stanunbucheintrag beweist, in
tierer persönlicher Beziehung stand.
Schon während seiner Schulzeit unterrichtete ihn der
1 1784 privatisierende Regierungsrat Renatus Karl Frei-
rrvonSenckenberg, der die Schwester Anna Mar gare ta
ner Mutter zur Frau hatte und sein Pate war, in dem
utschen Rechte und in der Diplomatik. Vielleicht war es
nckenberg, der dem Knaben schon frühzeitig die akademi-
le Laufbahn als erstrebenswertes Ziel vor Augen gestellt
tte. Jedenfalls legen die in einem Stammbucheintrag
nckenbergs vom 13. Juni 1789 vorkommenden Worte : „in
quoque, mi Carole, Grolmannorum Mollenbeciorumque
►ria indubitate transibit, modo Tu virtutes eorum velis
itari**, diese Vermutung nahe.
Mit 16 Jahren verließ Grolman das Pädagogium und
irde am 25. September 1791 als akademischer Bürger der
doviciana inmiatrikuliert. Das ganze erste Semester und
n größten Teil des zweiten verwendete er zu dem Studium
r Philosophie und Geschichte; er hörte bei Job. Daniel
in rieh Musaeus, der mit seiner Cousine » verheiratet war,
6 Einladungsschrift 1788 „ad Paedagogia solemnia D. XVII. et
III. Mart. MDCCLXXXVIII celebranda", S. 18.
7 Einladungsschrift 1789, „Bei Gelegenheit der auf den 14. u. 15.
Septembers anzukündigenden Redeübung im Giesner Pädagogium'*,
23.
8 Johannette Charlotte Henriette Friederike Grolman (1750—1794) war
Tochter der Schwester von Grolmans Vater, Lucretia Charlotte, und
, Geh. Regierungsrats Hermann Adolf Grolman, eines Vetters seines
ers.
Karl Ei^selhoni.
und Ijpi Hplwic Bcnihard Jaup Vorloaiingen über Reichsge-
s.-liir!ih., |p..i ,ln),. (Inllfrjprl Si!;i«nniiifl l-(ii--li n -^r iil.^r NMur-
■clii niul Rechisj^t'scliitlife, bei Aii^nst Friedrich Wilhelm
roriie über Slalistik, bei Job. Friedrich Roos über eiiro-
* Da^ I>i'it;innl. nus itein NiidilHÜ seiner um 38. Februar 18^ ver-
•>Th-m-\\ T.>(liicT Cliarliitli; stammeml, besilit Frau Mathilde von GtoI
au zu Kurbrulie.
Karl Ludwig Wilhelm von Grolman in Gießen. 411
päische Geschichte, bei Georg Gottlieb Schmidt über Mathe-
matik und Experimentalphysik, bei Karl Christian Ehrhard
Schmidt, der vom Sommer 1791 bis Sommer 1793 dem Lehr-
körper der Liidoviciana angehörte, imd bei Friedrich Wilhelm
Daniel Snell über Logik und Metaphysik. Nach diesen Vor-
' Madien widmete er sich ganz dem Studium der positiven
Bechtswissenschaft, indem er bei dem Kanzler Joh. Christoph
Koch Institutionen, Pandekten, Straf- und Kirchenrecht, bei
Itiisaeus Grundsätze des deutschen Rechts, des Handels-
Iqad Wechselrechts, bei Jaup deutscTies Staats-, Lehens- und
Tfeivatfürsten recht, bei Büchuer zum zweitenmal Insti-
lifttionenund Pandekten, sowie eine Erklärung des 49. Buches
iter Pandekten und schließlich in seinem Kotzten Gießener
Semester bei Joh. Christian Gottlieb Schau mann Natur-
Wcht hörte, d
„An. dem sogenannten Burschenleben seiner Zeit hat
. t3ä!ohaian*\ wie sein Biograph in den „Zeitgenossen** ^^^ be-
ziehtet, „in soweit Anteil genommen, als solches seinen
ttbrigen Bestrebungen zusagen mochte**, und mit s?inen
Stadiengenossen „die Freuden und Genüsse geteilt, die das
akademische Leben jener Zeit gewährte**.
Eine authentische Quelle für das Student?nleben Grol-
ikians hat sich in seinem bereits envähnten Stammbuch er-
halten. ^^ Aus dem bei zahlreichen Gießener Einträgen an-
gebrachten Frankenzeichen — einem verschlungenen 3r und C
{^ Franci coniuncti), das auch in Verbindung mit einem
p Und m (= fidelitatem constantiamque praestare memento)
sowie mit N. I. L, (:= Francos coniunctos nemo impune
• Die Schilderung seines Studiengangs l)eruht auf einem lateinisrli
(ncfariebenen Lebenslauf, der in der Kinladungsschrift zu seiner Promo-
'&Hi: jjlusaeus, de investitura eventuali, Gissac 17U.V, S. 14 — 17, abge-
4nickl ist Der Lebenslauf ist noch vor dem Tode seines Vaters, der
^Jurin alfi noch lebend erwähnt wird, abgefaßt.
w „Zeilgenossen, Neue Reihe 3", Leipzig 1823, S. 2— 4(1 Der Ver-
fMier dieser Biographie, dessen Namen nicht ermittelt worden konnte,
kiftte Grolman nahe gestanden und, wie er selbst S. 16 sagt, „(ielogenheit
■timbt} Grolmans Gesinnung in traulicher Unterhaltung k<*nnen zu lernen".
Diese zu Lebzeiten Grolmans erschienene Biographie, die zum Teil auf
mfindtiche. nicht mehr in allen Stücken auf ihre Richtigkeit zu prüfende
Quellen zurückgeht, hat insoweit die Bedeutung einer ursprünglichen
Quelle für Grolmans Leben. Auf diese Biographie gehen im wesentlichen
zurück die biographischen Aufsätze in dem ,, Neuen Nekrolog der Deut-
srhen**. 7. Jahrg. 1821), I, S. 171—180 (1831). in der „Allgemeinen Enzy-
klopädie der Wissenschaften von Ersch und Gruber*', II. Sektion, Bd. i)2,
S. 67 — 72 (1872), verfaßt von H. Pa 11 mann, und in der „Allgemeinen
deutKhen Biographie'*. Bd. ü, S. 7 13 f.
1* Die im folgenden aus den Stammbucheinträgen gezogenen Schlüsse
verdanke ich brieflichen Mitteilungen des Herrn Bibliothekars Dr. \Vilhv.dm
Fabricius in Marburg.
4n Karl Esselborn.
lacessat) vorkommt — geht, ebenso wie aus den sich gleich-
falls vorfindenden Devisen: F(ortiora) A(dversis) O(pponite)
P(ectora) R(ebus) und T(empore) D(uro) I(nspicienda) F(ides)
hervor, daß Grolman der 1788 in Gießen gestifteten Lands-
mannschaft Franconia angehört hat, die, wie eine Unter-
suchung im Jahre 1789 erwiesen hat, in einem näheren
Verhältnis zu den Harmonisten stand. Seine Angehörigkoit
zur Franconia wird auch bestätigt durch eine in der Univer-
sitätsbibliothek zu Gießen befindliche, etwa im Jahre 18O0
angefertigte Abschrift einer älteren Frankenkonstitution i-,
deren Mitgliederverzeichnis einen „Grollmann I aus Gießen"
sowie eine Anzahl in Grolmans Stammbuch vorkonunender,
als Franken gekennzeichneter Namen i», und zwar einige in
unmittelbarer Nähe Grolmans aufführt.^*
Den Schluß seiner dreijährigen Gießener Studienzeit
bildete das glücklich bestandene juristische Fakultätsexamen.
Mit diesem hielt er aber seine Vorbildung noch nicht für
abgeschlossen; er beschloß vielmehr, auf der Erlanger Uni-
versität seine Studien fortzusetzen. Im September 1794
machte er sich auf den Weg dorthin. Ein Freund und
Studiengenosse, L. Stamm aus Darmstadt, begleitete ihn
bis Würzburg und trennte sich dort von ihm, nachdem er
ihm herzliche Abschiedsworte ins Stanunbuch geschrieben.
In Erlangen hörte Grolman bei dem bekannten Pandek-
tisten Christian Friedrich Glück, dessen freundschaftliches
Entgegenkommen er rühmend erwähnt, Pandekten und Straf-
1- Hs. 34 g. Vergl. daselbst auch die Erklärung der Zeichen und
Devisen, Bl. 1^, 8, 11»> u. 12.
1^ Es sind dies folgende Namen: Carl Besserer, d. R. B. aus Gießen
(1793), S. 191 ; Besserer, stud. jur., später Fahnenjunker 1790, S. 97;
Danz (1792), S. 200; G. E. Erdmann, d. G. G. B. (1792), C. Erdmann,
d. G. G. B. (1794), beide aus dem Darmstädtischen, S. 156, 160; G. P
F. Haberkorn (1792), S. 127 (auffallend jedoch die Anrede „Sie");
P. Heumann. d. Theol. B. „aus dem Canton Odenwald" (1792), S. 213:
L. C. Ludwig, d. R. B«. aus dem. Darmstädtischen (1792), S. 212; Fr.
Müller, d. R. B. aus Gießen (1794), S. 124; Pilgram, d. A. G. B. aus
Ziegenberp (1793), S. 225; G. Rauch, d. R. B. aus Hatzfeld (1793), SAb»;
G. Schäfer, d. G. G. B. aus Biebesheim bei DarmsUdt (1794), S. 265:
H. L. Schott, d. F. B. (1792), S. 198; Staudinger (Vorname unleserlich)
aus Vöhl (1792). S. 157; Carl Sues, d. R. B. aus Gießen (1792), S. 126.--
lu der Frankenkonstitution lauten die angeführten Namen: Besserer und
Besserer II aus Gießen, Danz aus Gedern, Erdmann I und II aus Zwingen-
berjr, Haberkorn aus Grünberg im Dariiistädtischen, Heumann aus Reiß-
heim, Ludwig aus Bessuiigen bei Darmstadt, Müller aus Gießen, Pilgra"^
aus Ziegen berg bei Friedborg, Rauch aus Hatzfeld, Schaefer aus Biebe>-
heim im Darmstädtischen, Schott von Grumbach im Darmstädtischen, Stau-
dinger aus Vöhl in der Herrschaft Itter, Sues aus Gießen.
1* Besserer, Staudinger, Danz, Müller, Sues.
Karl Ludwig Wilhelm von Grolman in Gießen. 413
echt, bei Joh. Burckhard Geiger Kirchenrecht, Theorie des
i^ozesses und der gerichtlichen Klagen sowie die Erklärung
les westfälischen Friedens, endhch bei Johann Ludwig
Clüber deutsches Recht und den Prozeß der Gerichtshöfe
les Reiches.
Auch in Erlangen hinderte ihn sein Eifer für das Studium
licht an der Teilnahme an dem Studentenleben. Sein Bio-
graph in den „Zeitgenossen** erwähnt sogar rühmend eines
Zweikampfs, den er in Erlangen ausfocht, während uns
;ein Stammbuch erraten läßt, daß er dem Orden der Ami-
Kisten angehörte. Abgesehen davon, daß bei den Erlanger
Einträgen häufiger als bei den Gießenern das Amicisten-
seichen^* und die Devise I.S.A.C.S.I.V.N.i« vorkonrunt, redet
n einem Eintrag der Schreiber desselben, der als Amicist
iurch den Ordensspruch und das an der Jahreszahl 1795
ingebrachte Amicistenzeichen imzweideutig gekennzeichnet
ist, von „unserm Bund** imd „unserm heiligen Bunde**, und
in einem anderen bezeichnet sich der Schreiber durch das
iem Worte „Bruder** vorgesetzte Amicistenzeichen unwider-
leglich als „Amicistenbruder**, eine Bezeichniuig, deren er
sich nur einem Mitgliede des Ordens gegenüber bedienen
konnte.
Grolmans Aufenthalt in Erlangen war nur auf ein Jahr
bemessen. Kurz vor seinem Abschied schrieb ein Freund
und Ordensbruder, Karl L. H. Rabe aus Stendal, der „nach
einem Ziele** mit ihm strebte, für den Fall des Nichtwieder-
sehens folgenden Wunsch, der sich bei Grolman bald er-
füllen sollte, diesem ins Stanunbuch: „Lebe glücklich am
Arme eines braven Weibes und geliebt von Deinen Mit-
arbeitern und geachtet von Deinen Zuhörern nebst dem ge-
lehrten Deutschland. Vivat crescat Dein Auditorium ! ! Dem-
nächst die Pfeife und das Canape.** — Noch am Tage des
Abschieds, dem 1. September 1795, rief ihm ein anderer,
stud. iur. C. W. D. Hussell aus dem fränkischen Ritterkanton
an der Altmühl, folgende Worte nach, die, weil sie Grol-
man als Freund charakterisieren, hier eine Stelle finden
mögen : „Nimm hier nochmals schriftlich den w^ärmsten Dank
hin für alles mir erwiesene Gute. Gebe mir doch das Schick-
sal bald wieder einen Freund, wie Du warst; aber leider
ist dies eine Hoffnung, die wohl lange — vielleicht auch
gar nicht in Erfüllung gehen wird**.
1^ Dieses bestand aus einem V, in das ein umgekehrtes A geschrieben
war, und bedeutete vivat Vera Amicitia, Vivat Amicitia Fruclus Honorum.
^^ Jungimur sancto amicorum consensu sit indissolubile vinculum
nostrum.
414 Karl Es.selborn.
Den Rückweg nach Gießen nahm Grolman über Würz-
burg; zwei Stammbucheinträge vom 5. September über-
liefern uns den Tag seiner Durchreise daselbst. Offenbar hat
er in Begleitung von Freunden die Rückfahrt angetreten
und in Würzburg neue Freunde kennen gelernt
Ein schmerzliches Ereignis sollte ihn bald nach seiner
Ankunft in Gießen treffen: der Tod seines Vaters, der am
21. September 1795 eintrat.
Noch in demselben Jahr, am 15. Dezember, verteidigte
er seine, vermutlich in Erlangen ausgearbeitete, die donatio
propter nuptias behandelnde Dissertation", nachdem er vor-
her über sechs, am Schlüsse seiner Dissertation abgedruckte
Thesen disputiert und eine Probevorlesung über das Thema:
,, Inwieweit ist eine Enterbung in einem Testament zwischen
Eitern und Kindern zulässig (Nov. 107)?** gehalten hatte.
Die nächste Zeit widmete sich Grolman der angestreng-
testen Arbeit, sowohl literarischer Tätigkeit als auch der Vor
bereitung zu seinem akademischen Lehrberufe. Im Jahre 1796
verfaßte er seinen „Versuch einer Entwickelung der recht-
lichen Natur des Ausspielgeschäftes**, der 1797 zu Gi3ßen
erschien. Veranlassung zu dieser Schrift, die einen für die
juristische Literatur neuen Gegenstand behandelte, bot ihm
ein Rechtsfall, den der Marburger Professor Robert der
Jüngere zum Zwecke seiner praktischen Vorlesungen hatte
drucken lassen. Das theoretische Resultat der Grolmanschen
Untersuchungen ist das folgende:
Wenn der auszuspielende Gegenstand den Spielern ge-
meinschaftlich gehört, so besteht das Spielgeschäft darin,
daß jeder sich verpflichtet, sobald die Bedingung gegen ihn
verneinend ausfallen würde, von der durch die Ausspielung
gebildeten Gesellschaft abzutretsn, seinen als Gesellschafts-
gliod ihm an die gemeinschaftliche Sache zustehendenRecht^n
zu entsagen und sie den übrigen, gegen welche die bestimmte
Bedingung noch nicht absprechend entschieden habe, also
der übrigen noch bestehenden Gesellschaft, überlassen wolK'-
Von diesen übrigen Gesellschaftsgliedem hat keiner größere
Rechte an dem Gegenstand als der andere. Sie behalten
also auch, wenn sie die Gemeinschaft fortsetzen, gleiche
Rechte, und bekommen gleiche Anteile, wenn sie Teilung
^' ..Coininontationis iuridicae de donatione proptor nuptias, vidualit'^
atquo (lotalitio. praecipue de eonnn effectibus et accurata a se invict*"^
distinctione sectio prima: de donatione propter nuptias Romana et pra^/'
puo (üuö effectibus." — Von dieser auf droi Tiile barechnetcn Arlx'^'
er.scliien nur der erste.
Karl Ludwig Wilhelm von Grolman in Gießen. 415
)elieben. Gehörte dagegen die auszuspielende Sache einem
nnzelnen, so geht dem eigentUchen Spielgeschäft ein vor-
)ereitendes Geschäft voraus, wodurch die zur Ausspielung
rereinigte Gesellschaft die Sache erst erwirbt. Dieses Ge-
»chäft ist in der Regel ein Kauf, und zwar dann, wenn dem
ausspielen ein Einsetzen vorausgeht, wobei der Einsatz aller
Spieler den Kaufpreis darstellt. ^^
Grolman hatte seine Schrift u. a. auch dem durch Goethe
bekannten, seit 1780 als Oberappellationsgerichtsrat in Darm-
>tadt lebenden Professor Ludwig Julius Friedrich Höpfner
geb. 3. November 1743, f 2. April 1797) übersendet, dar
lie anscheinend sehr beifällig aufgenommen hat. Denn am
12. Februar 1797 bedankt sich Grolman bei ihm „nicht nur
ür die schmeichelhaftesten Beweise seiner Wohlgewogen-
leit gegen ihn, sondern auch zugleich für sein? interessanten
Bemerkungen und literarischen Notizen. Am Schlüsse dieses
Briefes macht Grolman noch das Geständnis, „daß er bei
seiner Arbeit auch nicht ein einziges Buch gebraucht habe,
iveil er in keinem eine, auch nur im geringsten befriedigende
Erklärung seines Ausspielgeschäftes gefunden habe, sonst
würde er dasselbe anzuführen nicht vergessen haben.** ^»
Ebenso günstig wie von Höpfner wurde Grolmans Ver-
such von der Kritik aufgenommen. In einer dieser Be-
sprechungen finden sich die charakteristischen Wort?: „Der
Verfasser liefert hier ein? Probe, wie ein junger denkender
Mann eine Materie, über die er beinahe bloß denken muß,
behandelt. Alles in der kleinen Schrift ist gedacht, die
Schreibart gut und das Ganze so beschaffen, daß es ein?n
Mann zeigt, der künftig den Ruhm seines Großvaters, d?s
1722 verstorbenen Kanzlers Grolman, wieder erneuern
wird**.^^
Eine abfällige Beurteilung scheint Grolman nur bei dem
Kanzler Koch gefunden zu haben. In einem Briefe vom
12. März 1797 fragt dieser bei Höpfner an, wie ihm denn der
Grolmansche Versuch des Ausspielgeschäftes gefallen habe,
und fährt fort: ,,Die Fälle sind nicht vollständig und die
Note Seite 6G ist gar zu erbärmlich. Hier hätte der Ver-
fasser Gelegenheit gehabt, und zwar die schönste von der
lö Vergl. S. 22, 26, 47. 60.
^^ Briefe aus dem Freundeskreise von Goethe, Herder. Höpfner und
Merck. Aus den Handschriften herausgegeben von Karl Wagner, Leipzig
1847, S. 363 f.
20 jveue allgemeine deutsche Bibliothek, Heft 33, Kiel 1797. S. 139
^»s 141. Eine Aufzählung der wichtigsten Besprechungen von Grolmans
^Verken gibt Strieder, Grundlag^en zu einer hessischen Gelehrten- und
^^hriftstell^rgeschichte, 18. Bd.,"^ Marburg 1819, S. 183 ff.
416 Karl Esselborn.
Welt, sich als einen soliden Juristen und als einen Ictum
criticum et elegantiorem zu zeigen. . . . Herr Grolman
scheint von seiner Gelehrsamkeit sehr eingenommen zu sein
und hat mich gar nicht consultirt, da ich ihm doch nach
meiner Offenheit und Dienstbegierde allen freundschaftlichen
Rat liebreichst erteilt haben würde. So wie der Versuch da
liegt, ist es ein exercitium aus einem collegio ellaboratorio
practico.** — Drei Tage später erklärt Koch, daß „er über
den Grolmanschen Versuch sich in Gießen gegen keinen
Menschen geäußert habe, und er zweifle daran, ob ihn einer
in Gießen von den Ictis (Jaupio forsan excepto) ganz ge-
lesen und die erbärmliche Note Seite 66 studiert habe".
Bei diesem harten Urteil Kochs mochte die Eifersucht
mitgesprochen haben. Denn, wie der Biograph in den „Zeit-
genossen" (a. a. 0. S. 6) mitteilt, fanden Grolmans Lehnor-
träge, in denen er ebenso wie Koch das Strafrecht behandelte,
solchen Beifall, daß sie immer von einer ansehnlichen Menge
Studierender besucht waren.
In dem Vorlesungsverzeichnis der Universität erscheint
Grolman zwar zuerst im Sommersemester 1797, wo er eine
„Praecognita iuris Romani privati novissimi", eine private
über Theorie des Prozesses, sowie ein Privatissimum über
bürgerliches und Strafrecht ankündigte. Seine Tätigkeit als
Privatdozent hat aber in Wirklichkeit schon früher begonnen,
denn in seinem, Ende Dezember 1797 bei dem Landgrafen
eingereichten Gesuch um Übertragung des Amtes eines außer-
ordentlichen Professors sagt er, daß er sich nun bereits
läncjer als zwei Jahre in Gießen als Privatdozent aufsehalten
habe.
Bald nach dem Versuch über die rechtliche Natur des
Ausspielgeschäfts erschien das erste Stück der von Grolman
herausgegebenen „Bibliothek für die peinliche Rechts-
wissenschaft und Gesetzkunde**. Diese Bibliothek, von
der gleich nach jeder Messe ein Stück erscheinen sollte,
deren drei einen Teil ausmachton -^ brachte neben Abhand-
21 Das zweite Stück erschien 1798; es enthält neben einem später
zu erwälinenden Aufsatz von Feuerbach zwei Abhandlungen von Grolman:
„Über den Grund der liärteren Strafe des gefährlichen Diebstahls (CCC 159'"
und: „Wird Dolus bei begangeneu Verbrechen vennutet?**. — Von den
Rezensionen sei nur die von J. G. Fichtes „Grundlage des Naturrechts"
besonders« angeführt. Das dritte, 1799 erschienene Stück, in welche^
Harscher von Almendingen zum erstenmal als Mitarbeiter auftritt, enthält
von Grolman einen Nachtrag zu der Abhandlung: „Über die Begriffe von
Dolus und Culpa", sowie eine Besprechung der Feuerbachschen Schrift
„Antihobbeb*'. — Der zweite Band, von dem nur ein Stück 1800 er-
Karl Ludwig Wilhelm von Grulman in Gie&en. 417
Lingen Rezensionen der auf der betreffenden Messe er-
chienenen Schriften, sowie unter der Rubrik „Miscellen**
nteressante Verordnungen, neue Vorschläge, Anekdoten,
Tachrichten, Anfragen und Anzeigen. Das erste Stück hat
irolman auch größtenteils zum Verfasser, so insbesondero
ie Abhandlungen „über die Begriffe von Dolus und
/Ulpa", „über doctrinelle Gesetzesauslegung** (CCC
04 und 105), „über die Strafe der Bigamie** (CCC 121)
md „über die Strafe des Raubes** (CCC 126). Von den
lezensionen sei namentlich die von Kants „Metaphysischen
infangsgründe der Rechtslehre** hervorgehoben, weil sich
irolman in ihr mit Entschiedenheit gegen das Prinzip der
Viedervergeltung erklärt.
Dem Jahre 1797 gehört die Vollendung der „Grund-
ätze der Criminalrechts w issenschaf t nebst
iner systematischen Darstellung des Geistes der
leutschen Criminalgesetze** (Vorrede vom 1. Novem-
ber 1797) an, die im Jahre 1798 erschienen und ihn mit
iinem Male unter die ersten strafrechtlichen Schriftsteller
irhoben. Am 9. April 1798 brachte die „Allgemeine Literatur-
:eitung** eine Besprechung des Werkes, die mit den Worten
»eginnt: „Noch nie war Rezensent durch eine juristische
Jchrift freudiger überrascht worden, noch keine schien ihm
;o sehr das Gepräge des entschiedenen Talents an sich zu
ragen und zu größeren Erwartimgen von ihrem Verfasser
:u berechtigen, als die gegenwärtige. In ihr lebt und regt sich
;in fester philosophischer Geist, der durch Interesse für
Vahrheit geleitet wird, und zugleich bescheiden die Scliran-
:en anerkennt, welche ihm die Rechte einer positiven Wissen-
chaft vorgezeichnet haben. Ihr Verfasser hat nicht bloß
Philosophie gelernt, sondern er versteht zu philoso-
phieren; und mit diesem unter den Rechtsgelehrten so
;eltenen Talent, welches durch edle Freimütigkeit einen be-
londeren Wert erhält, verbindet er die ebenso seltene und
loch so notwendige Gabe, richtig und bestimmt zu schreiben.
Rezensent wünscht der Wissenschaft zu einem solchen
Pfleger von Herzen Glück und Herrn Grolman, daß er überall
^eser und Beurteiler finden möge, die seiner würdig sind.** —
cfaien, ftthrt Feuerbach und Almendingen neben Grolman als Herausgebor
uf dem Titel an; er enthält nur einige Rezensionen und Miszellen Grol-
lans, während der größte Teil des Inhalts die beiden andern Herausgeber
u Verfassern hat; namentlich findet sich in ihm die Fortsetzung der
ilmendingenschen Besprechung der ,, Grundsätze der Criminalrechtswissen-
cliaft'*, deren Anfang im 3. Stück des 1. Bandes erschienen war.
Beitrtge z. Gesch. d. Universitäten Mains u. Gießen. 27
418 Karl Esselborn.
Der Rezensent, der, so sehr er auch in allen Teilen dieser
Schrift den Scharfsinn des Verfassers anerkannte, ihm
dennoch, was die von ihm aufgestellten Prinzipien der
Wissenschaft betraf, seinen Beifall nicht geben konnte, war
— Paul Joh. Anselm Feuerbach. Diese Kritik ist das
älteste Zeugnis für die Beziehungen beider Männer zu
einander.
Aber nicht bloß Freunde, auch Gegner erwuchsen Grol-
man aus den ,, Grundsätzen der Criminalrechts Wissenschaft".
Hatte er doch in der Vorrede der älteren Jurisprudenz gleich
sam die Fehde angekündigt. „Jeder Mann", sagt er dort,
„muß bemerkt haben, daß, ohnerachtet alles dessen, was
bisher geleistet wurde, dennoch die mehrsten Criminal
reformatoren gar sehr im Finstern mnhertappen. Noch
immer hat man es vergessen, die Wissenschaft, über welche
man reden wollte, auf ihre letzten Gründe zurückzuführen,
wodurch doch allein das viele seichte und vage Raisonnierea
und Deraisonnieren über Gegenstände der Philosophie des
Criminalrechts und der Criminalgesetzgebung hätte verbannt
werden können**.
Den von Grolman hingeworfenen Fehdehandschuh nahm
Ernst Ferdinand Klein22, gegen den Grolman auch in seiner
„Bibliothek für die peinliche Rechtswissenschaft** polemisch
aufgetreten war, auf, und richtete gegen ihn einen Aufsatz:
„Herr Professor Karl Grolmann**, in seinem mit Aloys Gallus
Kleinschrod herausgegebenen „Archiv des Criminalrechts*'
(l. Bd., 4. Stück. Halle 1799. S. 128—151). Gleichwohl er-
teilt auch Klein zu Beginn dieses Aufsatzes, Grolman das
„gerechte Lob", daß er „gründliche Kenntnis der Criminal-
rechtswissenschaft habe, und unter die denkenden Köpfe ge-
höre, von welchen sich viel Gutes erwarten lasse". Am
Schlüsse dieses Aufsatzes spricht Klein den Wunsch aus,
daß „Herr Grolman seine Theorie entweder weiter ausführte
oder näher bestimmte*'. Diesen Wunsch erfüllte Grolraans
nächstes größeres Werk, das etwa um dieselbe Zeit wie der
Kleinsche Aufsatz erschien.
Außer den „Grundsätzen der Criminalrechtswissen-
schaft** erschien im Jahre 1798 eine weitere Veröffentlichung
2- Nachwcisbaro persönliche Beziehungen hatte Grolman zu Klein
ebensowenig wie zu Kleinschrod. Wenn daher Grolman in der „Deulschen
Biograpliie** a. a. 0. als „Schüler Kleins und Kleinschrods** bezeichnet
wird, so beruht dies auf einein Mißverständnis folgender Stelle in ^^'^
„Zeitgenossen" (a. a. 0., S. 5): „Im peinUchen Rechte waren es beson-
ders Klein und Kleinschrod, womit er sich viel zu schaffen machte: ^^"
mit ersterem meistens nur, um ilin zu bekämpfen".
Karl Ludwig Wilhelm toii Grolman in Gießen. 419
Grolmans: das erste Heft des ersten Bandes des von ihm
„angelegten** „Magazins für die Philosophie des Rechts
und der Gesetzgebung**, welches auf 95 Seiten zwei Auf-
sätze (irolmans „Über Ehre und guten Namen** und „Ober
die Rechtsgültigkeit der Verträge** brachte, ^^
Aber nicht bloß in literarischer, sondern auch in persön-
licher Beziehung ward das Jahr 1798 für Grolman bedeutungs-
voll. Wie bereits erwähnt, hatte dieser Ende Dezember um
Verleihung des Amtes eines außerordentlichen Professors
nachgesucht. Durch ein von dem Kanzler Koch entworfenes
Votum praeliminare beschloß die Fakultät mit der Begrün-
dung, daß Grolman „mit Beifall gelesen und sich auch durch
einige gelehrte Schriften bekannt gemacht habe**, dieses Ge-
such höchsten Orts zu unterstützen, worauf er am 19. Fe-
bruar 1798 zum außerordentlichen Professor mit einer jähr-
lichen Besoldung von 100 Gulden ernannt wurde. Die feier-
liche Einführung in sein neues Amt, bei der er in einer Rede
die Strafen des Kindesmordes kritisch erörterte, fand am
S. März 1798 statt. 2*
Nachdem nun eine Grundlage für seine Existenz ge-
schaffen war, schloß er am 1. April 1798 zu Kleve die Ehe mit
Emilie van de Wall, der Stieftochter des Geh. Regierungs-
rats Georg Christian Ludwig Adolf von Grolman 2^, an deren
Seite es ihm vergönnt sein sollte, fast 30 Jahre zu leben,
da sie, die etwa neun Wochen älter war als er, ihm nur
um einige Monate (am 7.- Mai 1828) im Tode voranging.
Die Ehe, aus der zehn Kinder hervorgingen, die aber zum
23 Das 2. Heft des 1. Bandes erschien 1799 und enthielt ebenfalls
zwei Aufsätze von Grolman: ,,Noch ein paar Worte über den Eid", und
„Einige Gedanken über den Gerichtsgebrauch**. Die in den Jahren 1799
und 1800 unter dem Titel: „Magazin für die Philoßophie und Ge-
schi'chte des Rechts und der Gesetzgebung** erschienen und
unter diesem Titel mit den beiden ersten Heften als 1. Band vereinigten
vier Hefte, enthalten nur die eine Abhandlung von Grolman: „Sollte es
denn wirkHch kein Zwangsrecht zur Prävention geben?*'. Dagegen ent-
halten die drei folgenden Bände, von denen die beiden letzten von Grol-
man und Löhr, und nach des ersteren Tod von letzterem allein, unter
"dem Titel: ,,Magazin für Rechtswissenschaft und Gesetzgebung** (Neues
ISagazin etc., 1. u. 2. Bd.), herausgegeben wurden, nichts von Grolman.
Das letzte (4.) Heft des 4. Bandes erschien 1844.
24 Em. Ludov. Willi. Nebel, Series professorum in ordine iuriscon-
sultonim Giessensium, Giessae 1813, S. 29.
2'i Er war der i5ohn des in Note 8 erwähnten Hermann Adolf
<j«rolman in Kleve.
27»
420 Karl Esselborn.
Teil im zartesten Kindesalter starben, scheint eine glück-
liche gewesen zu sein.^e
Wie schon erwähnt, begannen Grolmans Beziehungen
zu Feuierbach im Jahre 1798. Noch im Jahre darauf schreibt
dieser in einem Brief an seinen Vater vom 30. Januar:
„Ich kenne bloß den Gelehrten Grolman, der Mensch
Grolman ist mir ganz unbekannt. Unsere Freundschaft und
Feindschaft sind bloß literarischer Art**.*' — Aber hierbei
sollte es nicht bleiben. Die literarischen Beziehungen
wuchsen sich in persönliche aus; zwei Jahre später sehen
wir Feuerbach als Paten eines am 29. November 1800 ge-
borenen, aber bereits am 12. April 1801 gestorbenen Sohnes
Grolmans, und am 1. Januar 1821 konnte Feuerbach an
seinen Freund schreiben : „Unser erstes Begegnen war der
Anfang eines ernsten heißen Kampfes; aber eines Kampfes,
welcher das Eigentümliche hat, daß in demselben der ab-
gesagteste Gegner zugleich als der treueste Genosse und
Mitstreiter seines Widersachers gilt und der Besiegte selbst
jedesmal die Freude des Sieges teilt, weil er immer gerade
so viel für sich gewinnt, als der Sieger über ihn gewonnen
zu haben scheint. Du weißt, mein edler Freund, welchen
Kampf ich meine. . . Darum achteten wir uns, während vni,
in Kampflust brennend, als galt es Sieg oder Tod, mit Jüng-
lingshoffnungen aneinander uns versuchten; und schieden
endlich Freundschaft im Herzen, aus dem unentschiedenen
Streite, jeder seine Straße ziehend, doch beide zu dem einen
Ziel, welches heißt: das Wahre, Rechte und Gute**.-*
Die Theorien Feuerbachs und Grolmans werden als
Theorie des psychologischen Zwangs oder Generalpräven-
tionstheorie und als Spezialpräventionstheorie bezeichnet.
Nach der ersten haben die in dem Gesetz angedrohten Strafen
den Zweck, alle unter der Herrschaft des Strafgesetzes
Stehenden von der Begehung von Wider rechtlichkeiten al>-
zuschrecken, das heißt in ihnen Gegenmotive gegen die
zu Widerrechtlichkeiten hindrängenden Motive zu setzen,
26 Eino für das häusliche Leben Grolmans charakteristische Stelle
findet sicli in einem Briefe seines früheren Schülers, des württem-
bergischen Justizministers Mau der, an ihn vom 16. Mai 1818: „.
Ihr schätzbares Schreiben vom 25. v. M. rief sehr lebhaft das Andenken
an die Zeil zurück, welche ich in Ihrem Familienkreise, in Ihrem Hör-
saale und auf Ihrem Studierzimmer gleich angenehm zugebracht . •
Dem geneigten Andenken Ihrer liebenswürdigen Frau Gemahlin bitte ioh
mich angelegentlich zu empfohlen.'* (Großh. Haus- u. Staatsarchiv.)
2^ Ludwig Feuerbach, Anselm, Ritter von Feuerbachs Leben und
Wirken, 1. Bd., Leipzig 1852, S. 51.
2^ Widmung in Feuerbachs Betrachtungen über die Öffentlichkeit
und Mündlichkeit der Gerechtigkeitsptlege. Gieißen 1821.
Karl Ludwig Wilhelm von Grolmaii in Gießen. 421
während nach der Spezialpräventionstheorie die Strafe die
Sicherung der Rechte vor künftigen Verletzungen des Ver-
brechers bezweckt, indem sie nur den Bestraften selbst
von weiteren Widerrechtlichkeiten abhalten soll. Gegen die
Spezialpräventionstheorie, die, an sich nicht neu und nament-
lich durch Kleinschrod und Stübel vertreten, von Grolman
eifrig verteidigt und klarer und ausführlicher dargestellt
w^orden war, hatte sich Feuerbach schon vor dem Er-
scheinen der „Grundsätze der Criminalrechtswissenschaft**
in seinem „Antihobbes" (Gießen, 1797, Vorrede vom 12. Au-
gust, S. 205) erklärt. Eingehender bestritt er sie jedoch zuerst
in der durch jenes Werk Grolmans veranlaßten Abhandlung:
„Ist Sicherung vor dem Verbrecher Zweck der Strafe,
und ist Straf recht Präventionsrecht?** (Bibl. f. d. peiril.
R. W., 1. Teil, 2. Stück, S. 2—43). Diese Abhandlung und
Feuerbachs bereits erwähnte Kritik der „Grundsätze der
Criminalrechtswissenschaft" bestimmten G ro 1 m a n , seine
Theorie näher auszuführen und gegen die Angriffe Feuer-
bachs zu verteidigen in der 1799 erschienenen Schrift : ,,Über
die Begründung des Strafrechts und der Strafgesetz-
gebung nebst einer Entwicklung der Lehre vom
Maßstabe der Strafen und der juridischen Impu-
tation". (Vorrede vom März 1799.)
Zu gleicher Zeit arbeitete Feuerbach seine Einwen-
dungen gegen die Grolmansche Theorie weiter aus in der
„Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des po-
sitiven peinlichen Rechts" (insbesondere 1. Teil, Anhang
zum 1. Kapitel), die zusammen mit Grolmans „Begründung"
auf den Büchermarkt kam (Vorrede vom 4. April 1799). Da
keine dieser letztgenannten Schriften die andere benutzen
konnte, so begegnete Feuerbach den neuen Argumenten
seines Gegners in der Schrift: „Über -die Strafe als Siche-
rungsmittel vor künftigen Beleidigungen des Ver-
brechers" (Chemnitz 1800)-». Auf diese Schrift antwortete
wieder Grolman in seiner Abhandlung: „Sollte es wirk-
29 Vergl. „Die Revision der Fortschritte des Criminalrechts
in den letzten drei Quinquennien** in der ,, Revision der Literatur**
für die Jahre 1785 — 1800 in den Ergränzungsblättern zur „Ailg. Lit.-Zeitung**
dieses Zeitraums, 1. Jahrg., 1. Bd., Sp. 388 f. — Landsberg, Geschichte
der deutschen Rechtswissenschaft, 3. Aft., 1. Halbhand, Noten S. 318
(Mönchen und Leipzig 1898), schreibt diese Artikelserie, die sich auf die
Nni. 33. 34 und 49—52 der angeführten „Revision** erstreckt, Grolman zu.
Wenn es auch feststeht, daß Grolman Mitarbeiter der ,.AUg. Lit.-Zeitung**
war (vergl. Jahrg. 1829, Bd. 5, Intelligenzblätter, Sp. 308), so sprechen
doch sowohl innere wie äuUere Gründe (z. B. die durchgängige Schreibung
seines Namens mit ,.nn**) gegen seine Verfasserschaft dieser Artikelserie.
422 Karl Esselborn.
lieh kein Zwangsrecht zur Prävention geben?** (Maga-
zin, Bd. 1, Heft 2, S. 241—265.)
Es ist hier nicht der Ort, die Wandlungen darzulegen, die
Grolmans Theorie ^o im Verlaufe seines Streites mit Feuer-
bach durchgemacht hat. Die Gestalt, in der sie aus diesem
Kampfe herv^orging, ist folgende, ^i Die Idee eines recht-
lichen Zustands erfordert nicht bloß das Unterbleiben jeder
wirklichen Rechtsverletzung, sondern auch die Ab-
wesenheit jeder auf eine Rechtsverletzung gerichteten
Willensbestimmung. Dies ist aber nur dann möglich, wenn
der Wille der Menschen, der ihre Handlungen leitet, in allen
Momenten genügende Motive gegen das Unrecht findet. Des-
halb entspricht jedes derartige Motiv, auch wenn es nur rein
äußerlich, ohne die Gesinnung des Menschen zu berühren,
wirkt, der Rechtsgesetzgebung. Ein solches äußerliches
Motiv zur Willensbestimmung ist der Zwang; aber nicht
der Entschädigungszwang, das heißt der zivilrechtliche An-
spnich auf Herausgabe (rei vindicatio) und Schadensersatz,
der nur das geschehene Unrecht aufhebt, sondern der
Straf zwang (Präventionszwang i. e. S.), welcher die Ge-
fahr aufliebt, die in der Möglichkeit einer widerrechtlichen
Willensbestimmung liegt. Wer nun ein Verbrechen begeht
oder es zu begehen versucht, beweist dadurch unzwei-
deutig, daß bei ihm die Möglichkeit einer widerrechtlichen
Willensbestimmung vorhanden ist, das heißt, daß bei ihm
genügende Motive gegen solche Willensbestimmungen fehlen.
Er erscheint daher, solange dieser Zustand unverändert
bleibt, als stets gefahrdrohend. Gegen ihn ist deshalb
der Präventionszwang begründet, dessen rechtlicher
Zweck es ist, durch Aufhebung seines Grundes den Zu-
stand der Gefahrlosigkeit herzustellen. Diesem Zwecke
dienen die Präventionsübel, das heißt die Strafen; diese
können nur insoweit gerechtfertigt werden, als sie in jedem
einzelnen Fall für ihren Zweck notwendig sind, und zerfallen
in bloß abschreckende und absolute Sicherheitsstrafen. Die
letzteren heben die physische MögHchkeit, Rechtsver-
letzungen zu begehen, auf und dürfen nur dann gebraucht
30 Von der reichen Literatur über diese Theorie sei hier nur hervor-
gehoben der Aufsatz von F. V. Ziegler: „Über die Sicherungstheorieen"
in Bd. 14 (1862; des „Gerichtssaals** (Literaturangaben daselbst, nament-
lich S. 27): Heinze, „Strafrechtstheorioen und Strafrechtsprinzip** im l.Bd.
des Holtzendorffschen „Handbuchs des deutschen Strafrechts** (1871), insbes.
S. 261 f., und V. Bar, „Geschichte des deutschen Strafrechts und der Straf-
rechtstheorien*- (1882), S. 246 ff.
31 Gnindt?ätze der Criminalrechts-Wissenschaft, 4. Aufl., Gießen 1825,
§§ 1-1^.
Karl Luilwi{? Wilhelm von Grolman in Gießen. 4^3
werden, wenn die abschreckr»nden Mittel erfahrungsgemäß
keine Wirkung auf den zu Bestrafenden ausüben.
Beschränkt sich hiernach die beabsichtigte Wirkung der
Strafe auf die Person des Verbn»chers (Spezialprävention),
so bewirkt doch die in dem rechtlichen Bewußtsein eines
jeden Menschen, sei es nun an und für sich existierende
oder durch das Strafgesetzbuch geweckte, Vorstellung der
auf die illegale Handlung notwendig folgenden Bestrafung eine
(psychologische) Abschreckung aller (Generalprävontion).
Nicht unerwähnt mag bleiben, daß einer der bedeutend-
sten neueren Kriminalisten, der im Jahre 1902 gestorbene
Hermann Seuffert^^ ein Anhänger der Spezialprävention
war. In einer 1896 gehaltenen Rektoratsrede hat er es klar
ausgesprochen, daß „nur die Einwirkung auf den Verbrecher
selbst, um ihn vor weiterem Unrechttun abzuhalten'*, das
Ziel der staatlichen Strafe bilden könne.
Neben Feuerbach muß auch dessen und Grolmans ge-
meinsamer Freund, der Herborner Professor der Rechte und
spätere Oberappellationsgerichtsrat zu Hadamar, Ludwig
Harscher von Almendingen genannt werden, wenn
auch die freundschaftlichen Beziehungen Grolmans zu ihm,
die etwa in derselben Zeit begannen wie diejenigen zu Feuer-
bach, bald erkalten sollten. Als Mitarbeiter an (Irolmiuis
„Bibliothek für die peinliche Rechtswissenschaft* haben wir
Almendingen schon kennen gelernt. Wie nahe seine persön-
lichen Beziehungen zu ihm waren, zeigt sich darin, daß er
neben Feuerbach bei einem Sohne Grolmans die Patenstelle
versah.
Ihrem gemeinsamen Freundschaftsbunde haben alle drei
in ihren Schriften ein Denkmal gesetzt. Voran jiing Feuer-
bach, der seinem zuerst im Jahre 1800 in Gic^ßen erschiene-
nen „Lehrbuch des gemein L*n in Deutschland gültigen
peinlichen Rechts** die bedeutsame Widmung voran-
schickte: „Seinem von Almendingen und Sv-^inem (irolman.
'A^a^j eptc quum invicem se mutuis exhortationibus amici
ad amorem veritatis exacuunt.** Ihm folgte Grolman, indem
er seinen beiden Freunden seine ,, Theorie des gericht-
lichen Verfahrens** ,,zum Denkmale seiner innigsten Ver-
ehrung und jener ewigen Freundschaft und Liebe widmete,
welche die Herzen aller redlichen Forscher nach Wahrheit,
3" Herrn. Seuffert, „Was will, was wirkt, was soll die staatliche
Strafe?*', Bonn 1897, S. 25. — Verpl. auch v. Liszt, „Hermann Seuffert, ein
Nachruf**, Zeitschr. f. d. gesamte Strafrechtswissenschaft, 23. Bd. (1903;,
S. 322 ff.
4!24 Karl Esselborn.
SO verschieden auch die Resultate ihres Forschens sein
mögen, unzertrennlich vereinigt**. Auch Almendingen
stand nicht zurück, indem er den ersten Band seiner kleinen
juridischen Schriften, der die Darstellung der rechtlichen
Imputation enthielt (Gießen 1802), „seinen Vorgängern,
Führern, Freunden, Feuerbach imd Grolman, zum Denk
mal inniger Verehrung und Liebe** darbrachte.
Von den im Jahre 1799 erschienenen Schriften Grol
maus haben wir die größte, die „Begründung des Straf
rechts**, bereits kennen gelernt. Daneben veröffentlichteer
in diesem Jahre noch einige kleinere Abhandlungen, die zum
Teil in zwei von ihm in Verbindung mit seinen Kollegen J. E.
C. Schmidt und F. W. D. Snell»» begründeten Zeitschriften
enthalten waren. Die erste dieser, das „Journal zur Auf-
klärung über die Rechte und Pflichten des Menschen
und Bürgers**, dessen „ersten Bandes erstes Stück'* zur
Oslermesse erschien, hatte, wie in der „Vorerinnerung** gesad
wird, den Zweck, „die wichtigsten Wahrheiten der Rechts
lehre, Sittenlehre, moralischen Religionslehre und Staats
Wissenschaft, die noch zu sehr ein Eigentum der Schule
seien, unter dem großen Publikum zu verbreiten und sie
zum Gemeingut jedes denkenden Mannes machen zu helfen".
Von den in dem ersten Stück enthaltenen Aufsätzen rührt
der zweite : „Über die Notwendigkeit, die Menschen in der
Rechtslehre und Gesetzkunde zu unterrichten** und wohl
auch der erste über die „Würdigung der Gründe für und
wider das Unternehmen, über Rechte und Pflichten der
Menschen zu schreiben** von Grolman her.
Dem ,, Journal** war jedoch nur eine kurze Zeit des Be-
stehens beschieden; dem im folgenden Jahre erschienenen
3^ Mit Schmidt, Siieii und Ludwig Dieffenbach, dem V'erfasser des
Aufsatzes „Einiges über die Erziehung zur Geistesgröße", des letzten d^s
Journals, kam Grolman, wie Friedrich Gottheb Welcker in seiner Selbst-
biographie berictitet, abends im Buschischen Garten zusammen. In diese
Gesellschaft wurde u. a. auch F. G. Welcker zugezogen. Welcker gedenkt
zwar seines* ersten Bekanntwerdens mit den „Dioskuren an dem kleinen
Slernhimme! der Universität**, dem Theologen Job. Ernst Chr. Schmidt
und Grolman, von denen er dem ersteren den Vorrang an »»wissenschaft-
licher Genialität** einräumt, doch scheint er in keine näheren Beziehungen
zu Grolmjm getreten zu sein. Berichtet er doch, daß ihn Grolman und
Arens, als er im Herbst 1816 nach seiner Berufung nach Göttingen einen
beweglichen Abschied im Pädagogium genommen hatte, bei dem Examen
zu „verunglimpfen** suchten. Vgl. Kekul6, Das Leben Friedrich Gottlieb
Welcker?., Leipzig 1880, S. 29f, 147. Der daselbst S. 59 mitgeteilte Brief
vom 15. August 1806 ist vermutlich an Grolmans jüngsten Bruder Friedrich,
einen Altersgenossen und — wie ein Blatt in Friedrich Grolmans Stamm-
buch (im Besitze seiner Enkelin, Fräulein Lolo von Grolman zu Darm-
stadl) beweist — Freund und Bundesbruder Welckers, gerichtet.
Karl Ludwi)^ Wilhelm von Grolman in Gie&en. 4^
weiten Stück, in dem sich kein Aufsatz als von Grolman
errührend nachweisen läßt, folgte keine Fortsetzung mehr,
loch weniger lebensfähig erwies sich die zweite Zeitschrift,
ie „Allgemeine Bibliothek der neuesten philoso-
'hischen Literatur**, die ihr Erscheinen mit dem ersten
itück des ersten Jahrgangs einstellte. An Beiträgen von
rrolman enthält dieses erste und einzige Stück eine aus-
iihrliche Besprechung von Joh. Gottl. Buhles , »Lehrbuch
es Naturrechts** sowie von Feuerbachs ,,Antihobbes**, den
r bereits im dritten Stück des ersten Teils der „Bibliothek für
ie peinliche Rechtswissenschaft**, jedoch nur insoweit be-
prochen hatte, als in ihm die letzten Gründe des Straf-
echts behandelt waren.
Der Aufsatz: „Ein Wort über Untersuchungen bey
ngeschuldigtem Verbrechen der beleidigten Maje-
tät. Bey Gelegenheit der Rechtssache des Herrn von Bra-
eck zu Söder**, den das 15. Heft des Häberlinschen „Staats-
irchivs** (Bd. 4, S. 387—395) brachte, schließt die Reihe
einer Veröffentlichungen des Jahres 1799. (Vgl. auch
'euerbachs Leben, a. a. 0., S. 53.)
Da sich Grolman bei seinen Vorlesungen keiner Hefte
lediente, um abzulesen, sondern völlig frei sprach, so war es
hm ein Bedürfnis, einen gedruckten Grundriß in den Händen
einer Hörer zu wissen. Aus diesem EJeweggrund halte er die
.Grundsätze der Criminalrechts Wissenschaft** ver-
aßt, die „vorzüglich zum Gebrauche bei seinen Vorlesungen
►estimmt** waren. Demselben Motive verdankt auch seine
.Theorie des gerichtlichen Verfahrens in bürger-
ichen Rechtsstreitigkeiten nach den gemeinen deut-
chen Gesetzen**, die im Frühjahr 1800 (Vorrede vom
. April) gleichzeitig mit dem spater sehr beliebt gewordenen
Lehrbuch des deutschen gemeinen bürgerlichen Prozesses**
on Christoph Martin erschienen.
Grolmans „Theorie des gerichtlichen Verfahrens** stellt
inen bedeutenden Fortschritt gegenüber den älteren An-
eitungen zum Prozesse dar. Auch vor dem erwähnten Mar-
inschen Lehrbuch, das, ohne Ansprüche auf Neuheit und
Eigentümlichkeit zu erheben, seine Sätze kurz und einfach
ortrug, hat sie den Vorzug der anregenden Darstellung,
'on den älteren Lehrbüchern des Prozesses unterscheidet
ie sich in der Form namentlich dadurch, daß die allge-
leinen Betrachtungen den besonderen vorausgehen, ver-
chiedene fremdartige Teile, wie alles auf den peinlichen
lerichtsstand und den peinlichen Prozeß Bezügliche weg-
issen, dagegen die sogenannte Praxis des Prozesses, das
4:26 Karl Esselborn.
heißt namentlich eine Anleitung zur Anfertigung prozessualer
Arbeiten sowie eine Darstellung der Richtungen der Tätig-
keit des Richters bei einem Rechtsstreite, aufgenommen
worden ist.
Das Werk wurde von der Kritik sehr günstig aufgenom-
men. „Es ist die erste in einer wissenschaftlichen Manier, so
wie sie unseren Zeiten angemessen ist, geschriebene An-
leitung zum deutschen Prozeß**, heißt es in einer Be-
sprechung, s* Welchen Anklang das Werk fand, geht aber
am deutlichsten daraus hervor, daß es bereits im Jahre 1803
eine „zweite, zum großen Teile umgearbeitete Auflage** (Vor-
rede, Mai 1803), im Jahre 1810 eine dritte und, nachdem
Grolman bereits seine akademische Lehrtätigkeit aufgegeben
hatte, in den Jahren 1819 und 1826 noch zwei weitere Auf-
lagen erlebte.
Kurz vor seinem 25. Geburtstag erfolgte durch Dekret
vom 7. Juli 1800 seine Ernennung zum ordentlichen Pro-
fessor und ordentlichen Mitglied der Juristenfakultät unter
Gewährung einer Besoldungszulage von 200 Gulden. Noch
in demselben Jahre, am 22. Dezember, wurden ihni die
vollen Rechte eines ordentlichen Professors der Rechte nebst
dem Anteil an den Promotionssporteln übertragen.
Eine weitere Verbesserung seiner Stellung erhielt Grol-
man dadurch, daß er am 24. Juni 1801 zum Bibliothekar
der von seinem am 18. Oktober 1800 gestorbenen Oheim
und Paten Renatus Karl Freiherm v. Senckenberg der Uni-
versität vermachten Bibliothek ernannt wurde, wodurch er
eine jährliche Gehaltszulage von 200 Gulden und freie Woh-
nung im Senckenbergschen Hause erhielt. Ob Senckenberg,
als er am 22. August 1800 in seinem Testamente bestimmte,
daß „jedesmal der jüngste Professor der Rechte oder der
Geschichte, welcher die beste Handschrift habe, . . . zum
Bibliothekar genommen werden solle**, an seinen Neffen ge-
dacht hat, der damals der jüngste Professor der Rechte
war, und dessen zierliche, kleine und deutliche Handschrift
den Vergleich mit keiner anderen, die nicht gerade eine
Kopistenhandschrift war, zu scheuen brauchte? — Es ist
möglich, daß Senckenberg bei der Errichtung seines Testa-
meJits seinen baldigen Tod geahnt und in Grolman den
Bibliothekar seiner Bibliothek erblickt hat, zumal es bei
^^ „Neuf allgemeine deutsche Bibliothek", 60. Bd., Berlin u. Stettin
1801, S. 44. Vergl. auch „Allgemeine Literatur-Zeitung" 1800. Bd. 4»
X<j. 28S, Sp. 65 — 70; „Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen", 1^00,
3. Bd., S. 1401 IT., und „Literatur-Zeitung", Erlangen 1800, Bd. 2,Sp.l40U
Karl Ludwig Wilhelm von Grolman in Gießen. 427
[1er Bestätigung des Genannten als Bibliothekar ausge-
sprochen wurde, daß es Wille des Stifters sei, „daß der
jüngste Professor der Rechte das Bibliothekaramt bis zu
seinem Lebensende behalten solle". Dieses Nebenamt hat
[irolman bis zu seiner endgültigen Berufung nach Darm-
stadt bekleidet, wenn er auch später die ihm obliegende
.\rbeit der Anfertigung eines Katalogs mit Einwilligung der
Universität einem ünferbibliothekar übertrug, den er jähr-
ich mit 200 Gulden, dem Betrage seines Gehalts als Biblio-
hekar, besoldete. ^^ Bis zu seinem Weggang von Gießen
^at Grolman auch in dem Senckenbergischen Hause ge-
lohnt; sein Nachfolger als Bibliothekar ward am 4. Ok-
ober 1819 MarezolL^e
Bei der Bedeutung, die Grolman durch seine erfolg-
reiche literarische Tätigkeit erlangt hatte, ist es nicht zu
verwundern, daß auswärtige Universitäten sich bemühten,
ihn für sich zu gewinnen. Der erste bekannte Ruf, der von
?iner andern Universität an ihn erging, ist der durch Nico-
aus Thaddäus Gönner (1764—1827)3" vermittelte Ruf als
)rdentlicher Professor nach Landshut mit einem „fixen
5alario** von beinahe 1000 Reichstalern. Der Annahme dieser
Berufung, die seine pekuniäre Lage wesentlich verbessert
lätte, indem der Gehalt, den er in Gießen selbst bei künf-
igeni Aufrücken jemals erhalten konnte, noch nicht die
tälfte des einstweilen von Landshut aus gebotenen betrug,
Land sein Wunsch entgegen, „dem Fürsten seine Dienste
a widmen, welchem doch selbst im Auslande sein Herz
tets angehören würde", einem Fürsten, ,, dessen erhabene
enkungsart sich durch die mildeste und gnädigste Re-
ierung charakterisierte, und dessen persönliche erleuchtete
rundsätze dem Freunde der Wissenschaften eine Lehr-
nd Schreibefreiheit verbürgten, welche er in dem Grade
ergeblich in einem andern Staate suchen würde". Er lehnte
eshalb am 23. Dezember 1801, nachdem ihm für den Fall
er Ablehnung des Rufes nach Landshut von dem Land-
rafen, an den sich Grolman auf den Rat seines „hohen
Gönners", des Staatsministers Freiherrn von Barkhaus,
3'» Bericht an Großh. Staatsministerium vom 16. Juli 1810 über die
3äter zu erwähnenden Gießener Konferenzen, in den Akten Großh. Mini-
«riums der Justiz.
3*» Heuser, Beiträge zur Geschichte der Universitätsbibliothek Gießen
s Beiheft 6 zum Centralblatt für Bibliothekwesen, Leipzig 1891, S. 48.
*' Mit Gönner stand er in dauernden freundschaftlichen Beziehungen.
>ies beweist ein im Besitze der Frau Auguste v. Znaniecka befindlicher Brief
lönners vom 6. Oktober 1819, in dem Gönner Grolman zur Teilnahme an
inem zu gründenden „Archiv für die Gesetzgebung" auffordert
428 Karl Esselborn.
am 17. Dezember unmittelbar gewandt hatte, eine Gehalts-
zulage von 350 Gulden zugesichert worden war, die er auch
bei künftiger „Ascendenz** behalten sollte, die Berufung nach
Landshut aus. Dasselbe tat er am gleichen Tage in An-
sehung eines kurz zuvor an ihn ergangenen Rufes nach
Erlangen, den, weil er nach seinem eigenen Geständnis dort
„die schönsten Tage seines Lebens verlebt hatte, nicht so
gleichgültig betrachten konnte". ^^
Die Erfolge, die Grolman bisher auf theoretischem Ge-
biet erzielt hatte, wiesen die Regierung darauf hin, seine
Fähigkeiten auch unmittelbar für die Praxis, und zwar zu-
nächst auf dem Gebiete der Gesetzgebung, nutzbar zu
machen. War man sich doch wohl bewußt, daß die durch
den Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803
herbeigeführten Gebietsveränderungen neben der Neuorgani-
sation der gesamten Staatsverwaltung bedeutende gesetz-
geberische Aufgaben stellte, und auf keinem Gebiete not-
wendigere, als auf dem der Strafgesetzgebung. Waren doch
neben die, in den alten Landen geltenden mangelhaften und
veralteten Strafgesetze, die bei jeder wichtigeren Entschei-
dung die Einholung der Sanktion des Gesetzgebers erforder-
lich machten, in den neuen Gebietsteilen besondere Gesetze
getreten. Demgemäß erging am 20. Juli 1803 an Grolman
und den Regierungsrat Schwabe in Gießen die Auf-
forderung, innerhalb vier Wochen ein Gutachten darüber zu
erstatten, welches die zweckmäßigsten Modifikationen seien,
unter welchen die in dem badischen achten Organisations-
edikte vom 4. April 180339 enthaltenen Normen über die
Strafgerechtigkeitspflege als Gesetz in den hessen-dann-
städtischen Landen bei Belassung der peinlichen Gerichte
in ihrem bisherigen Bestand *<^ eingeführt werden könnten.
Trotzdem Grolman und Schwabe ihrer Berufsgeschäfte
teilweise enthoben waren, genügte die kurze Frist zur Voll-
endung der ihnen aufgetragenen Arbeit nicht. Sie baten
deshalb am 16. August 1803 um Fristverlängerung, weil sie
sich, wie sie in ihrem Gesuche ausführten, „sehr bald über-
zeugten, daß die prozessualischen Verfügungen, welche das
3^ Vergl. die im Großh. Haus- u. Staatsarchiv befindlichen Briefe
Giolmans an den Geh. Sekretär Schleiermacher vom 17. u. 23. Dezember
1801, sowie die Eingabe an den Landgrafen vom 17. Dezember 1801.
*'' Organisation der Badenschen Lande. Neue Aufl., Mannheim 1^03
*" Das geplante Strafgesetz sollte, wie das badische Vorbild, nur
ein provisorisches sein, weil die Einführung eines endgültigen zu viel
Zeit zu erfordern schien.
Karl Ludwig Wilhelm von Grolmau in Gießen. 4S9
badische Edikt enthalte, überaus unvollständig seien, über-
dies zum großen Teil auf falschen Ansichten beruhten und
zu einer Nachahmung in den diesseitigen fürstlichen Landen
nicht zu empfehlen seien. Sie hätten sogleich die Notwendig-
keit eingesehen, sich über die Brauchbarkeit oder Nicht-
brauchbarkeit der in der peinlichen Gerichtsordnung von
1726 enthaltenen Normen über das Verfahren erklären zu
müssen, und hierbei entwickelten sich ihnen viele notwendige
Gegenstände für ihre Berücksichtigung, so daß sie sich ab-
solut genötigt sähen, sich über das ganze gerichtliche Ver-
fahren ausführlich zu verbreiten**.
Am 20. Oktober reichten sie den Gesetzesentwurf mit
dem Gutachten in zwei stattlichen Bänden ein. Da ihrer
in dem Cberreichungsschreiben entwickelten Ansicht zufolge
das badische Edikt, dessen prozessualische Verordnungen
nicht viel besser als gar keine seien, anstatt die Gerichte
nach Aufhebung des akkusatorischen Prozesses zu einer
Quelle hinzuweisen, die nur für die abgeschaffte Prozeßart
Bestimmungen enthalte, weit besser daran getan hätte,
wenn es die Strafen der Karolina beibehalten und den Straf-
prozeß möglichst bestimmt geregelt hätte, so enthält der
Entwurf, auf dessen Inhalt an dieser Stelle nicht näher ein-
gegangen werden kann, in seiner ersten Hälfte strafpro-
zessuale Bestimmungen. Neben der Aufhebung aller landes-
gesetzlichen Kriminalgesetze schlägt der Entwurf die An-
erkennung einer subsidiären Geltung der peinlichen Gerichts-
ordnung Kaiser Karls V. insoweit vor, „als sie mit den, auf
müdere Grundsätze gebauten Bestimmungen dieses neuen
provisorischen Gesetzes im Einklang stehe**.
Die Erhebung des Entwurfs zum Gesetze wurde nie
c^rnstlich erwogen. Zwar wurden Gutachten der in dem
Organisationsedikte vom 12. Oktober 1803 zur Ausarbeitung
oines neuen Zivil- und Kriminalgesetzbuchs niedergesetzten
CJesetzgebungskommission eingefordert, der Grolman seit
fäem 13. Oktober 1803 als Mitghed und Redakteur ange-
liörte, bis er am 27. September 1808 auf sein Nachsuchen
dieses Amtes enthoben wurde. *i Dann blieb aber der Ent-
jvurt bei den Akten liegen*^ und auch sein Inhalt wurde
*i Mini sterialref erat vom 21. September 1808 im Großh. Haus- und
Staatsarchiv Über die Gesetzgebungskommission bemerkt dieses Referat
^anz allgemein, daß „die Erfahrung gelehrt habe, daß bei ihr überhaupt
nicht der bei ihrer Errichtung beabsichtigte Zweck erreicht werde, viel-
mehr öfter« nur die Sache verweitläuftiget werde, und hiemächst wohl
doch eine anderweite Einrichtung nötig sein dürfte**.
** Akten des Ministeriums der Justiz, X. Abt. Justizangelegenheiten,
7. Abschn. Materielle Justiz in Strafsachen: Entwurf einer löriminalgesetz-
gebung.
430 Karl Esselborn.
nicht bekannt, weil Grolman „weder der von der Baye
Tischen Regierung bestimmte Preis auf die besten Be-
merkungen über die Kriminalgesetzgebung, noch Privatauf
forderungen, die ihm von Mitgliedern der bayerischen Ge
setzgebungskommission zugingen, noch endlich vorteilhafte
buchhändlerische Anerbietungen bestimmen konnten, irgend
etwas von dem zu divulgieren, was er dem Besten seines
Vaterlandes glaubte einzig gewidmet zu haben.***'
Die literarische Tätigkeit Grolmans, die er selbst
als seine ,, Lieblingsbeschäftigung** bezeichnete**, hatte sich
mit seiner Ernennung zum ordentlichen Professor, die ihin
weitergehende Amtspflichten auferlegte, vermindert und zeit-
weise ganz geruht. Im Jahre 1803 beschränkte sie sich auf
die Neuherausgabe seiner „Theorie des gerichtlichen Ver-
fahrens** und einen Aufsatz: „Über die, in dem Verfahren
bei Reichsständischen Gerichten so häufig ver-
kannte Nothwendigkeit einer Citation bey unclau-
sulirten Mandaten**, der im zweiten Hefte des von Martin
und Walch herausgegebenen „Magazins für den gemeinen
Teutschen bürgerlichen Prozeß** erschien.
Das nächste Jahr brachte ihm abermals eine ehren-
volle Berufung. In einem Briefe vom 15. Januar 1804 frug
der Marburger Professor Johann Karl Ludwig Hauff bei ihm
an, ob er geneigt sei, eine mit einem Gehalt von 2000 Rubel
und der Verleihung des erblichen Adels verbundene Stellung
als Lehrer des Kriminalrechts an der Universität Mos-
kau anzunehmen. Auch dieses Mal blieb Grolman der
Ludoviciana treu; die Verleihung des Charakters eines
wirklichen Oberappellationsgerichtsrats mit der Aussicht, bei
einer schicklichen Vakanz in das Oberappellationsgericht zu
Darmstadt einzutreten, sowie die Gewährung einer Gehalts-
zulage von 300 Gulden bestimmten ihn zur Ablehnung des
Rufes nach Moskau. Am 25. März 1804 bedankte er sich
bei dem Landgrafen für die ihm gewordene Beförderung.
Die Aussicht einer Benifung nach Darmstadt erschien ihm
verlockend. „Einst unmittelbar unter Eurer Landgräflichen
Durchlaucht Augen dem Staate dienen zu dürfen**, so schrieb
er, „ist mein größtes Glück.*' — Dieses Glück sollte ihm
später in größerem Maße zuteil werden, als er damals
ahnen konnte.
*'^ Bericht an das Ministerium vom 19. Dezember 1808 in den .\kten
des Großh. Ministeriums der Justiz, betr. Einführung des Code Napoleon.
** Vorrede zur 2. Aufl. der „Theorie des gerichtlichen Verfahrens".
Karl Ludwig Wilhelm von Grolman in Gießen. 431
Die ihm als Oberappellatioiisgerichtsrat obliegende
itigkeit, die in der einstweiligen Ausarbeitung geschlosse-
r, bei dem Oberappellationsgericht hangender Rechts-
chen bestand, sagte ihm namentlich aus folgenden Gründen
3nig zu. Zunächst förderte ihn diese Arbeit nicht, weil
seine Ausarbeitungen einschicken und ihrem Schicksal
►erlassen mußte, ohne daß ihm, wie dies beim Abstimmen
einem Richterkollegium der Fall gewesen wäre, die Wider-
jung seiner Gründe wenigstens Belehrung gewährt hätte,
mn konnte er sich nicht verbinden, „die Arbeit in circa
?r Wochen zu absolvieren, da der akademische Gelehrte,
jnn er seine Pflichten als solcher erfüllen wollte, öfters
jhr als vier Wochen zu einer Recherche verwenden und
jrbei notwendig nach ungebundener Laune arbeilen
ißte**. Dazu kam, daß seine Zeit durch die inzwischen
twendig gewordene neue Auflage seiner „Grundsätze der
iminalrechtswissenschaft**, deren er für seine im Winter-
nester 1805/6 zu haltende Vorlesung über das Strafrecht
lurfte, damals sehr in Anspruch genommen war. Grol-
in suchte deshalb unter Anführung dieser Gründe um
thebung von dieser Tätigkeit nach, die ihm am 17. März
06 gewährt wurde. ^"^
Sein Ruf nach Moskau war nicht der letzte, den Grol-
tn erhielt. Sind auch die näheren Umstände und die Daten
ner späteren Berufungen unbekannt, so wissen wir doch
3 seiner Biographie in den „Zeitgenossen" (a. a. 0., S. 45),
ß er einen Ruf nach Göttingen; aus dem bereits er-
ihnten Brief an Lichtenberg vom 3. Januar 1812, daß er
lon mehrmals „V^okationen in Preußische Dienste" und
och zuletzt einen glänzenden Ruf auf die erste Universität
lutschlands" erhalten hat und endlich aus dem ebenfalls
reits erwähnten Briefe Mauclers vom 16. Mai 1818, daß
1 „der König von Württemberg für seinen Dienst und ins-
sondere für die Revision und Bildung der Zivil- und
iminalgesetzgebung zu gewinnen" gewünscht hat. Alle
?se Berufungen teilten aber das gleiche Los, Grolman
mtc sie sämtlich ab.
Die zweite, wesentlich umgearbeitete Auflage
iner „Gnmdsätze der Criminalrechts Wissenschaft"*^ er-
hien zur Herbstmesse des Jahres 1805. In dieser Auflage
rteidigte er, wie er in der vom 23. Juli 1805 datierten
*^ Vergl. das im Großh. Haus- u. Staatsarchiv befindliche Mini-
rialreferat.
*♦* So lautet von dieser Auflage ab der im Verhältnis zu dem der
ten Auflage gekürzte Titel.
43a Karl Esselborn.
Vorrede ausführte, „sein früheres System seinen wesent-
lichen Bestimmungen nach**, obwohl ihn ein schmerzlich
beunruhigendes Gefühl ergriffen hatte, „als er auch die
denkendsten Köpfe die Präventionstheorie verdammen sah,
als von Alm endin gen seine frühere Verteidigung dieser
Theorie öffentlich bereute, als Stübel selbst öffentlich die
Theorie verwarf, auf welche er ihn geführt hatte, und als
er endlich gar von den Revisoren des Kriminalrechts in der
„Leipziger Literaturzeitung** seinen Freund Tittmann da-
rum öffentlich bemitleidet sehen mußte, weil er noch einzig
einer Theorie anhänge, von welcher man nicht einmal mehr
zu reden brauche**.
Einen bedeutenden Einfluß auf Grolmans Leben sollte
das Edikt vom 1. August 1808 ausüben, das die Einführung
des Code Napoleon als allgemeines Gesetzbuch im Groß-
herzogtum unter Vorbehalt der Bestimmung über den Zeit-
punkt seines Inkrafttretens und die Art seiner Annahme
durch ein späteres Edikt anordnete, eine besondere Kom-
mission zur Prüfung „der Modifikationen und Bestimmungen,
welche Verfassung und besondere Verhältnisse erheischten",
ins Leben rief, die Abhaltung öffentlicher Vorlesungen über
den Code Napoleon auf der Landesuniversität befahl und
sämtlichen Justizdienem vorschrieb, sich mit dem Geiste
dieses Gesetzbuchs vorläufig bekannt zu machen.
Zu Mitgliedern dieser Kommission wurden am 1. Ok-
tober 1808 Grolman und der Professor Heinrich Karl Jaup*'
ernannt. Das Dekret ihrer Ernennung wurde von Winkopp
in dessen Zeitschrift: „Der Rheinische Bund" (Bd. 8, S.457)
veröffentlicht, was für beide die Unannehmlichkeit hatte,
daß sie am 16. Dezember 1808 zum Bericht darüber auf-
gefordert wurden, „wie das lediglich an sie gerichtete
Reskript auf diesem Wege und noch dazu in einer höchst
entstellten Unterschrift*» zur öffentlichen Kunde gebracht
worden wäre". — Beide erklärten in einem gemeinsamen
Bericht vom 19. Dezember, daß die Veröffentlichung ohne ihr
Wissen und Zutun erfolgt sei. Außerdem schrieb Grolman
am folgenden Tage an den Geh, Staatsrefendär Freiherm
von Lichtenberg, daß „ihm lange nichts widerfahren sei, was
ihn so tief gekränkt hatte, als dieses Ereignis Er könne
*• Er war der Sohn Helwig Bernhard Jaups (f 1806), den wir als
Lohrcr Grohnans kennen gelernt haben.
*« Von den Nanien der beiden unlerscliriebenen Greh. Referendi^en
Frhr. v. Lichtenberg und Strecker war der des letzteren eine Zeile tiefer
gedruckt. Vergl. „Rheinbund", Bd. 10, S. 336.
Karl Ludwig Wilhelm von Grolman in Gießen. 438
auf die Ehre des redlichen Mannes versichern, daß er nie
einem Sterblichen das höchste Reskript mitgeteilt habe. Nur
über dessen Natur habe er sich mehrmals mit denkenden
Männern, insbesondere mit Herrn Geh. Rat von Münch unter-
halten und er glaube, daß dieses eher pflichtgemäß als tadel-
haft genannt werden könne**. — Da Winkopp in einem Briefe
vom 10. Januar 1809 an Lichtenberg erklärte, ein Freund,
der weder ein Untertan seiner Königlichen Hoheit sei, noch
in den großherzoglichen Staaten wohne, habe ihm die
Abschrift jenes Reskripts übersandt, die er vermutlich bei
seiner Reise durch Gießen genommen hätte, so begnügte
sich das Ministerium mit dieser Erklärung und der Be-
richtigung der entstellten Unterschrift.
Die nassauische Regierung, die den Code Napoleon
ebenfalls „mit Modifikationen, wie sie deutsche Sitte, Lage
und Anordnungen erheischten**, einzuführen gedachte,
schlug, um eine gleichfönnige Einführung des französischen
jiesetzbuchs in beiden Staaten zu bewirken, der hessischen
ilegierung einen Zusammentritt der beiderseitigen Kom-
nissionen vor, und zwar hatte sie als ihren Kommissar den
Jberappellationsgerichtsrat Harscher von Almendingen
lusersehen. Die hessische Regierung erklärte am 19. De-
ember 1808 ihre Zustimmung und schlug zugleich vor,
f ießen zum Orte des Zusanmientritts deshalb zu bestimmen,
veil die diesseitigen Kommissarien, die Professoren Grol-
nan und Jaup, deren vorläufige Ernennung zu Mitgliedern
lieser hessisch-nassauischen Kommission am Tage darauf
frfolgte, dadurch nicht in ihren Vorlesungen gehindert werden
irürden.
Am 14. Juni 1809 forderte die hessische Regierung den
"ürsten Rrimas auf, an den gemeinschaftlichen Beratungen
lurch zu ernennende Kommissarien teilzunehmen. Dieser
erklärte am 22. Juni seinen Beitritt und ernaimte zu Kom-
nissarien den Appellationsrat Danz zu Frankfurt, den Pro-
essor Bachmann in Aschaffenburg und den Professor
5iickel in Wetzlar.
Bereits am 20. Mai 1809 hatte Harscher von Almen-
lingen dem Freiherrn von Lichtenberg einen Aufsatz über
lie „Gesichtspunkte für die von den deutschen Regenten
Mir die Bearbeitung des Kodex Napoleon niedergesetzten
Konunissionen** überreicht.*^ Diese Gesichtspunkte wurden
** Diesen Aufsatz veröffentlichte Harscher von Almendingen zuerst
im Julihefl 1809 des „Rheinischen Bundes" (Bd. 12, S. 142—148). femer
ia der „Allg. Bibliothek für Staatskunst, Rechtswissenschaft und Critik**,
Heft 10, Gießen u. Wetzlar 1810, S. 42—51, sowie in seinen „Offiziell-
Beitr&ge s. Gesch. d. Universitäten Mainz u. Gießen. 28
434 Karl Esselborn.
von dem Ministerium gebilligt und Grolman und Jaup,
deren bisheriges Stillschweigen Zweifel erregte, ob sie bei
ihren Vorarbeiten auch von dem richtigen Gesichtspunkt
ausgingen, am 13. Juni zur Richtschnur mitgeteilt.
Zum Zeitpunkt des Zusammentritts der gemeinschaft-
lichen Kommission wurde der 1. September festgesetzt. Es
fanden sich zu dieser Zeit Danz, Stickel und Almen-
dingen in Gießen ein, während Bachmann durch Krank
heit, die seinen Tod am 8. Dezember 1809 herbeiführte, ani
Erscheinen verhindert war. Am 4. September wurden die
Sitzungen in einem von der Großh. hessischen Hofkammer
zu diesem Zweck eingeräumten Zimmer eröffnet. Es fanden
im ganzen 45 Sitzungen statt.^^ Einen großen Teil dieser
Beratungen füllten die Vorträge Almendingens aus, die
er zum größten Teil in den Jahren 1811 — 1813 in zwei Bänden
veröffentlicht hat.
Die hessischen Konmiissarien trugen in den Sitzungen
vom 7. — 9. September 1809 ein ausführliches Gutachten.
„Bemerkungen über die Vorfragen, welche deutsche Re
gierungen bei einer beabsichtigten Einführung des Code Na
poleon zu entscheiden haben", vor, dem sie in den Sitzungen
vom 14., 15. und 18. September desselben Jahres zwei Nach
träge und am 27. Oktober eine „schließliche Erklärung über
die bei der Einführung des Code Napoleon von deutschen
Regenten zu lösenden Vorfragen und den darüber von der
Herzogt. Nassauischen Kommission erstatteten Vortrag'
folgen ließen. ^^
Dagegen hielten die primatischen Bevollmächtigten keine
ausgearbeiteten Vorträge, sondern beschränkten sich auf die
Abgabe von Erklärungen. Appellationsrat Danz ^^rdr
wissenschaftlichen Vorträgen über den Codex Napoleon und seine orga
ganischen Umgebungen, gehalten in den Conferenzen zu Gießen" IBH
1. Bd., S. 1—8.
SP Am 4., 5., 7.-^9., 11, 14., 15., 18., 20., 23., 26. und 30. September.
femer am 17., 18., 23., 27. und 28. Oktober, 1., 18., 20. und 21. November. ;
U.— 16. Dezefrnber 1809, sowie am 15., 16., 18. und 31. Januar, 1.. '-
7.-9. Februar und am 8., 10., 12.— 14., 24., 26. und 28. März 1810.
Über die Geschichte dieser Verhandlungen vergl. „AUg. Bibliothek für
Staatekuiisi. Rechtswissenschaft und Critik", Heft 10, S. 32—41, u. Heft U
S. 1—17. Gießen 1811; sowie „Zeitgenossen", 3. Reihe, 1. Bd., Heftöu.^-
S. 101—110, und Brei den bach, Commentar über das Großh. Hessisch^
Straf?esetzburh. 1,1, Darmsladt 1842, S. 9 ff., sowie die Akten des Großh
Ministeriums des Innern und der Justiz, X. Abt. Justizangelegenhciten.
2. Absch. : Materielle Justiz in Zivilsachen, Gesetzbücher: Einführung <Ip"^
Code Napoleon.
^1 Außer diesen Vorträgen der hessischen Kommission sind noch die
in der Sitzung vom 26. September verlesenen Bemerkungen zu Almen
dingens Vortrag über den ersten Titel des ersten Buchs des Code Napoleon.
sur la jouissance et la privations des droits civils zu nennen.
Kar) Ludwig Wilhelm von Grolman in Gie&en. 435
Übrigens bald zurückberufen und verabschiedete sich in der
Sitzung vom 15. September 1809. Auch der als einziger
primatischer Kommissar zurückgebliebene Professor Stickel
schied am 30. September des gleichen Jahres aus und wurde
durch den Direktor und Kurator von Mulzer aus Aschaffen-
burg ersetzt.
Die Beratungen umfaßten das französische Zivilgesetz-
buch in allen seinen Teilen; am ausführlichsten wurden die
Vorfragen und das erste Buch erörtert. In bezug auf die wich-
tigsten Grundfragen vertraten die hessischen Kommissare
folgende Ansichten: Die französische Gesetzgebung sei als
Kodifikation ohne subsidiären Fortbestand des römischen
Rechtes zu rezipieren und zwar, da sie noch zu neu sei,
als daß eine wahrhaft gute und fehlerlose Übersetzung jetzt
schon möglich sei, im Original. Deshalb müßten die Modi-
fikationen in einem besonderen Promulgationsedikt enthalten
sein, welches die obligatorische Kraft des ganzen Code auf
^ine bestimmte Zeit suspendieren solle, nach deren Ablauf
3r mit allen seinen „wesentlichen Umgebungen** in die Wirk-
ichkeit einzutreten habe. Zu den notwendigerweise aufzu-
lehmenden französischen Instituten gehörten: 1. wegen
Gänzlicher Trennung von streitiger und freiwilliger Gerichts-
barkeit, das Notariat. 2. das Ministäre public, 3. die Standes-
imter (officiers de Tetat civil) und 4. die Hypothekenbe-
wahrer. Die, die Freiheit des Eigentums lähmenden Rechts-
institute, die vom Code Napoleon teils ausdrücklich, teils
stillschweigend abgeschafft seien, wie namentlich das Re-
traktrecht, die Bauerngüter, Leibeigenschaft, gutsherrliche
Frondienste und Bannrechte, Stammgüter und Lehensver-
fassung seien allmählich abzuschaffen.
Eine der wesentlichsten Abweichungen der nassauischen
Kommission von den Ansichten der hessischen bestand da-
rin, daß jene dem Code Napoleon einen viel weitgehenderen
Einfluß auf die gesamte Staatsverfassung und Behörden-
organisation einräumte als diese, und daß sie eine stufen-
weise Rezeption des Code Napoleon empfahl, derart, daß
dieser zunächst nur insoweit rezipiert werden sollte, als
■er keine anderen als die einheimischen Behörden, die soweit
als möglich den fremden substituiert werden sollten, voraus-
setze; soweit er aber die Schaffung neuer Behörden, die
nach und nach errichtet werden sollten, erheische, sollte
er bis zur Errichtung der betreffenden Behörden suspendiert
bleiben.
Auf die Einzelheiten der Verhandlungen kann hier nicht
^eingegangen werden. Am 28. März 1810 gab die Kommission
436 Karl Esselborn.
ihre gemeinschaftliche Überzeugung in einer von Mulzer ver-
faßten Erklärung^- zu Protokoll, wobei sich die hessische
Kommission ihre schließlichen Erklärungen wegen mangeln-
der Instruktion vorbehielt. Darauf wurden die gemeinschaft-
lichen Kongreßsitzungen bis zum Empfang weiterer Wei-
sungen auf unbestimmte Zeit, wie sich später zeigen sollte,
ad kalendas graecas vertagt.
Am 5. April 1810 erhielt Grolman von Mulzer die Mit-
teilung, (laß der Fürst Primas bei den Veränderungen,
welche dem Primat ialstaate, dem künftigen Großherzogtuni
Frankfurt bevorstünden, die auf den 1. Mai 1810 festgesetzte
Einfühnmg des Code Napoleon auf den 1. Januar 1811 ver-
schoben habe und wünsche, daß die so nützliche Aus-
tauschung der Ideen auf dem Kongresse zu Gießen noch fort-
dauern möge.
Nachdem Almendingen von diesem Schreiben in
Kenntnis gesetzt worden war, verließ auch er am 11. April
Gießen, um — nach einer von Grolman in zwei Briefen an
den Geh. Staatsreferendär Freiherrn von Lichtenberg vom
12. und 16. April 1810 geäußerten, nicht von der Hand zu
weisenden Vermutung — in Frankfurt zu versuchen, ob man
nicht mit dem Fürsten Primas schnell über ein gemeinschaft-
liches Arrangement sich einigen könne. Anfang Mai finden
wir Almendingen in Darmstadt, wo er die Instruktion, mit
(leren Mangel die hessischen Kommissarien so oft ihre ver-
weigerten Erklärungen entschuldigt hatten, unmittelbar an
der Quelle zu erwirken suchte und ein vom 4. Mai datiertes
Promemoria überreichte. Diese Schritte Almendingens
hatten insofern Erfolg, als am 12. Mai eine neue Instruktion
an Grolman und Jaup erging.
Nach dieser waren 1. alle Veränderungen in* der inneren
Verwaltungsorganisation auf unbestimmte Zeit zu suspen-
dieren und Gutachten über die aufzunehmenden neuen fran-
zösischen Rechtsinstitute einzureichen; 2. war der Code
Napoleon in Übersetzung durch ein Rezeptions- urid Modi-
fikationsedikt aufzunehmen, das alle Zusätze und Abände-
rungen enthalten und die bisherigen Rechtsnormen als subsi-
diäres Recht anerkennen sollte; 3. war der Entwurf einer
Prozeßordnung einzureichen und 4. wurde der Kommission
zur Beratung von Gegenständen, welche die Finanzver-
waltung berührten, der Geh. Rat und Hof-Kammerdirektor
V o n M ü n c h beigegeben. Die Bestimm img eines Einführungs-
tennins und die gleichzeitige Abschaffung der dem Code
^- Teilweise abgedruckt in der „Allg. Bibliothek für Staatskunst',
Heft II, S. 3—6.
Karl Ludwig Wilhelm von Grolman in Gießen. 437
apoleon fremden deutschen Rechtsinstitute lehnte die In-
truktion ab und ordnete zum Schlüsse die Fortsetzung der
erhandlungen mit dem nassauischeii Kommissar entweder
urch konferenzielle Beratungen oder schriftliche Mit-
jilungen, sowie die gutachtliche Prüfung der Almendingen-
:hen Vorträge an.
Grolman und Jaup setzten sich jedoch nicht mit Almen-
ingen in Verbindung. Wie sie in einem Berichte vom
5. Juli 1810 an das Staatsministerium ausführten, hatte
ieser sie von der Beendigung seiner interimistischen
endung, derentwegen er im April Gießen verlassen, nicht
i Kenntnis gesetzt. Die Prüfung der Almendingenschen
orträge glauben sie, wie sie in dem erwähnten Bericht er-
ärten, am besten durch Ausarbeitung eines ausführlichen
ezeptionsedikts mit Motiven ausführen zu können; „da
ese Vorträge größtenteils entweder dem Mangel solider
ristischer Kenntnis des Code, oder einem übertriebenen
'uritus reformandi ihren Ursprung verdankten, so würde
ne direkte Beantwortung derselben für sie eine saure und
idankbare Arbeit sein, welche sie noch dazu der ünan-
jhmlichkeit aussetzen würde, durch notwendige Be-
hningen die üble Stimmung eines Mannes zu reizen, der,
> viel sie ihn kennten, lieber belehren als belehrt werden
olle*'. An den Entwurf des Einführungsedikts und der
rozeßordnung könnten sie erst dann gehen, wenn fest-
ehe, „was unbeschadet der gegenwärtigen administrativen
Erfassung des Großherzogtums von der französischen
echtsverfassung angenommen werden solle'* ; ihre erste
rbeit müsse deshalb die Ausarbeitung eines ausführlichen
iitachten über die Aufnahme des Notariats, des Enregistre-
ents, der bureaux conservateurs des hypotheques und der
ficiers de l'etat civil sein. Doch empfehle es sich gerade
n diesen Institutionen, sie durch einen oder mehrere Sach-
^rständige in Frankreich beobachten und dann begutachten
i lassen. Schließlich führten sie aus, daß sie nicht in der
Ige seien, sich sämtlichen ihnen aufgetragenen Arbeiten
i unterziehen. ,,Er, der Oberappellationsrat Dr. Grolman
ibe mehrere Tage in der Woche vier Stunden Vorlesungen
1 halten, welche ihm, im Durchschnitte genommen, doch
enigstens sechs Stunden dc^s Tags raubten. Er sei jetzt
ekan der juristischen Fakultät, im September falle ihm
is Rektorat der Universität an. Diese beiden Funktionen
.übten durch vielfache, obgleich nicht bedeutende Ge-
häfte immer noch eine beträchtliche Zeit. Nehme man
nzu, daß es ihm Pflicht sei, in der Literatur nicht stille
438 KrH EsselboriL
ZU stehen, daß die Fortsetzung seines Handbuchs über den
Code, wenn auch nicht von dem öffentlichen, doch auf jedea
Fall von seinem individuellen Interesse erfordert werde,
daß er zugleich die dritte Auflage seines Lehrbuchs über
den Prozeß besorgen müsse, so werde man zugeben müssen,
daß schon eine dauerhafte Gesundheit dazu gehöre, um
nur diesen Arbeiten nicht zu unterliegen.** — Ähnliche
Gründe führte Jaup an.
Auf diesen Bericht hin wies das Ministerium unterm
30. Juli 1810 Grolman und Jaup an, die „Vernehmlassung"
der Nassauischen Kommission abzuwarten, da derselben am
12. Mai eröffnet worden sei, daß die Hessische Kommission
die Instruktion erhalten habe, entweder auf konferenzielle
Weise oder im Wege schriftlicher Mitteilung die Verhand-
lungen fortzusetzen. Im übrigen wurde die Ansicht wegen
der Prüfung der Almendingenschen Vorträge gebilligt, wegen
der aufzunehmenden französischen Rechtsinstitute sei den
angekündigten Vorschlägen der Nassauischen Kommission
entgegenzusehen, und man erwarte, daß sie einen Teil ihrer
Muße zur Vollziehung ihres ehrenvollen Auftrags verwenden
würden.
Damit ließ man von Seiten der hessischen Regierung die
Sache einschlafen, zumal der inzwischen zum Großherzog
von Frankfurt erhobene Fürst Primas durch ein kurzes Edikt
vom 25. Juli 1810 den Code Napoleon vom 1. Januar 1811
an in seinen Staaten einführte ^^ und sich damit offiziell von
der Vereinbarung mit Hessen und Nassau lossagte, und auch
letzteres durch ein landesherrliches Edikt vom 4. Februar
1811 den Napoleonischen Zivilkodex als Hauptgesetzbuch
vom 1. Januar 1812 an einführte.^*
Aus seiner Beschäftigung mit dem französischen Zivil-
rechte, über das Grolman, entsprechend dem Edikte vom
1. August 1808, zum erstenmal im Wintersemester 1808/09
eine Vorlesung hielt, ging sein Entschluß hervor, ein auf
sechs bis acht Bände berechnetes ,, Ausführliches Hand-
buch über den Code Napoleon zum Gebrauch wissen-
schaftlich gebildeter deutscher Geschäftsmänner** zu ver-
fassen. Hierzu bestimmte ihn nicht „Streben nach eitlem
literarischen Ruhme, sondern das patriotische Bestreben,
seinem Vaterlande durch Abhelfung eines der dringendsten
^'^ „Frankfurter Staats-Ristretto", 128. Stück, Samstag, den U.Aug.
1810. S. 639f. ; auch abgedruckt im „Rheinischen Bund**, Bd. 16 (1810i>
S. 200—206.
S4 ,,Der Rheinische Bund", Bd. 18 (1811), S. *264.
Karl Ludwig' Wilhelm von Grolman in Gießen. 439
Bedürfnisse der Zeit nützlich zu werden. ''^'^ — Diese
vor Erscheinen des ersten Bandes seines Werkes getane
Äußerung zeigt, daß er erst nac^h denn 1. August 1808
mit der Bearbeitung dieses Werkes begonnen haben kann,
denn vorher lag für die hessischen Beamten keine Veran-
lassung vor, sich mit dem Inhalt der französischen Gesetz-
gebung zu befassen.
Seinem Charakter entsprechend, „da, wo er etwas als
eine Pflicht erkenne, zu deren Erfüllung er die Kräfte zu
haben glaube, nicht erst abzuwarten, ob andere diese Pflicht
erfüllten und ihn der Aufopferung, welche mit der Erfüllung
derselben verknüpft sei, überheben würden** ^ß, ging er eifrig
au die Ausarbeitung, so daß zur Ostermesse 1810 der erste
Band erscheinen konnte. In diesem Werke wollte er „kein
bis in das feinste Detail entwickeltes und ausgeführtes System
des französischen Zivilrechts**, sondern nur „eine Samm-
lung dogmatisch exegetischer Bearbeitungen der einzelnen
Titel des Code** liefern. Deshalb sei in seiner Arbeit „die
Bearbeitung eines jeden Titels für sich ein Vollstcändiges,
dem die Ankündigung, daß dieser Bearbeitung noch Be-
arbeitungen ande'rer Lehren folgen würden, weder einen
größeren Wert geben, noch irgend etwas von seinem Werte
rauben könne**. — Diese Worte» finden sich in der im März
1811 geschriebenen Vorrede zum zweiten Bande, wo er
schon mit der Möglichkeit rechnet, daß „di? Zufälligkeiten
des menschlichen Lebens es ihm 'nicht erlaubten, die Samm-
lung über die sämtlichen Titel zu erstrecken**. Während
er in dem ersten Bande nach einer „Einleitung über die
Ziviljustizverfassung Frankreichs** den Präliminarartikel, so-
wie den ersten bis vierten Titel des ersten Buches des
Code Napoleon behandelt, enthält dv?r zweite Band den
fünften Titel: „Von der Ehe'* und d?r dritte, zur Ostermesse
1812 erschienene Band den sechsten Titel: „Von der Ehe-
scheidung**.
Durch die Nichterwähnung seiner Schriften in dem
„Handbuche** fühlte sich Almendingen vorletzt, zumal er
glaubte, daß Grolman durch Entlehnung von (Jedanken aus
seuien Schriften Plagiate an ihm verübt habe.*^^ Deshalb
verfaßte er im Dezember 1810 eine in sehr scharfem Tone
^•'* In dem auf der Gießener Konferenz am 7. — 9. September 1801)
vorgetragenen ausführlichen (iutachlen S. 63.
*^ S. die im Februar 1810 verfaßte Vorrede zum ersten Bande des
„Handbuchs", S. VI.
^' Almendinpen, PoHtische Ansichten über Deutschlands Vergangen-
heit, Gegenwart und Zukunft, Wiesbaden 1814, S. 377.
440 Karl EsseUioni.
gehaltene ,,Bcurkundete Eigenthumsklage mit recht-
licher Bitte gegen das ausführliche Handbuch über
den Code Napoleon des Herrn Oberappellationsraths
Grolniann zu Gießen**, die 1811 im Januarheft dos „Rhei-
nischen Bundes** (Bd. 18, S. 16 — 36) erschien. Diese „be-
urkundete Eigentumsklage** ist das erste öffentliche Zeichen
einer Entzweiung Grolmans und Almendingens, die offen-
bar auf der Gießener Konferenz stattgefunden hat. Denn
aus der Nichterwähnung der Almendingenschen Schriften
in dem „Handbuch** konnte noch nicht auf einen Bnich
zwischen beiden Männern geschlossen werden, weil die
Literaturangaben in diesem Werke eben nicht reichlich, ge-
schweige denn vollständig sind. Hebt doch selbst Thibaut
in seiner noch näher zu betrachtenden Kritik des „Hand-
buchs*'^'* hervor, daß Grolman manche und insbesondere
deutsche Schriften nicht erwähnt habe. Für die Beurteilung
der Nichterwälmung der Almendingenschen Schriften kommt
allerdings hinzu, daß sich deren Verfasser zu dieser Zeit
infolge einer gewissen Cberhebung in wissenschaftlichen
Kreisen in einer Art Verfehmung befand.^^ Er selbst sajit
hierüber, daß „vom Anfang des Jahres 1809 an seine
Schriften aus allen literarischen Zeitschriften als Kontre-
bande proskribiert worden seien**.^'^
Einen Verteidiger in dem durch seine „Eigentumsklage"
angestrengten „Rechtsstreit** fand Almendingen nur in dem
Professor an der napoleonischen Universität Koblenz, F. von
Lassau Ix^^S der in einer im übrigen durchaus anerkennen-
den Besprechung von Grolmans „Handbuch** in den von ihm
herausgegebenen „Annalen der Gesetzgebung Napoleons""
folgendes ausführt: „Unter den deutschen Rechtsgelehrten,
welche als Schriftsteller über das französische Recht anf-
getreten sind, hat kcnner gleich anfangs eine so vertraute
Bekanntschaft mit dem Geiste der französischen Gesetz-
gebung bewährt, als Herr von Almendingen. Um so mehr
mußte es uns auffallend sein, dessen Namen in dem rirol-
^» Hoidi'll.erger Jahrbücher der Literatur, 1811, S. 33—44. 60-64,
sowie 1812, S. 8G4— 867.
ö« Allg. deutsrhe Biographie, Leipzig 1875, Bd. 1, S. 351.
^" Politische Ansichten etc., S. 376.
6' hl der Vorrede zum 1. Bd. seines „Handbuchs" (S. IX) verteidigt
Groi.inan Lassaulx durch die Worte: „Dieser in deutschen Blättern zur Un-
gebühr und nicht zur Eliro der deutschen kritischen Anstalten mißhandelte
Mann habe sich durcli seinen Kommentar (zum Code Napoleon) allerdings
Verdienste erworl)en'*.
ß2 Bd. 4. Koblenz 1811, S. 37 ff., 137 ff. und 250ff.; Bd. 5(1811).
S. 44 0. Die zitierte Stelle s. Bd. 4, S. 147 f.
Karl Ludwig Wilhelm von Grolman in Gießen. 441
manschen Werke auch nicht ein einziges Mal erwähnt zu
finden, während wir uns doch des Gedankens kaum er-
wehren können, daß Herr Dr. Grolman mehrere seiner An-
sichten aus den v. Almendingschen Schriften entlehnt
habe . . . Auch können wir die stillschweigende Vorbei-
gehung eines der um das neue französische Recht verdien-
testen Rechtsgelehrten um so weniger dem bloßen Zufall
zuschreiben, als man in dem G roimanschen Werke die deut-
schen Schriftsteller über die Napoleonische Gesetzgebung
mit großer Vollständigkeit angeführt findet, so daß wir,
außer den Almendingschen Schriften, keine derjenigen ver-
missen, welche bis zur Herausgabe dieses ersten Teils über
die darin abgehandelten Gegenstände in Deutschland er-
schienen waren.**
Es steht nicht fest, ob Grolman auf die von Almendingen
gegen ihn angestrengte „beurkundete Eigentumsklage** sich
eingelassen hat oder nicht. Wahrscheinlich ist das letztere
der Fall. Seine Ansichten über die Almendingschen Ar-
beiten ist uns bekannt; er hat sie in dem Bericht an die
hessische Regierung vom 16. Juli 1810 dargelegt (s. o. S. 487).
Die allgemeine Ansicht über das Grohnansche „Hand-
buch'* gibt der Heidelberger Rechtslehrer Thibaut in seiner
bereits erwähnten Besprechung desselben wieder, indem er
^agt: „In der TatI das ist ein Werk, welches, des Namens
des Verfassers würdig, unserer Nation in vieler Hinsicht
die größte Ehre macht. . . Zu den geringsten Verdiensten
dieses Werkes gehört eine herrliche klassische Sprache und
^ine nur selten von deutschen Schriftstellern erreichte Ruhe
xind Würde bei Prüfung streitiger Meinungen. Der innere
Gehalt der Ideen des Verfassers übertrifft noch, wenn es
t:nöglich ist, die äußere Form. Überall die höchste Klarheit
und Konsequenz des Gedankenganges . . . Der Verfasser
gibt gereifte, von allen Seiten durchdachte Grundsätze und
^eiii Bestreben, die Theorie mit Interpretation der französi-
schen Praxis zu verflechten, verdient musterhaft genannt zu
Averden.** Daß Thibaut kein blinder Lobredner ist, ergibt
sich daraus, daß er in der Besprechung des zweiten Bandes
^„zweierlei im allgemeinen tadelt, nämlich teils, daß die Dar-
stellung nicht selten etwas zu ausführlich und gedehnt ist,
teils, daß der Verfasser manchmal auf unerweisliche Be-
^weggründe des Gesetzes zu viel bauet, zu viel voraussetzt
xind annimmt, was durchaus dunkel und ungewiß ist.'*
Das „Handbuch über den Code Napoleon** ist ein Torso
geblieben. Hieraus darf man keine weitgehenden Schlüsse
auf die politische Gesinnung Grolmans ziehen, wie es Pall-
44:2 Karl Esselborn,
mann (a. a. 0., S. 69) tut, indem er „einen Zusammenhang
der Unterlassung der Fortsetzung dieses Werkes mit der
Wendung am politischen Horizont" annünmt. Bezeichnet
sich doch Grolman selbst in einem Briefe vom 20. Januar
1812«^ als „der Politik abgestorben und in literarische Ar-
beiten vergraben**. Bedenkt man, daß Grolman in seinem
Handbuche zunächst den richterlichen Beamten seines
engeren hessischen Vaterlands, die sich nach dem Edikt
vom 1. August 1808 mit dem Geiste des französischen Ge-
setzbuchs einstweilen vertraut zu machen hatten, ein Hülfs-
mittel zu dessen Studiiun in die Hand geben wollte, so war
es nur folgerichtig von ihm gehandelt, daß er, nachdem
seit dem erfolglosen Ausgang der Gießener Konferenzen
während zweier Jahre von der Regierung kein weiterer
Schritt zur Einführung des Code geschehen und es immer
fraglicher geworden war, ob es je dazu kommen werde,
das Handbuch nicht mehr fortsetzte. Welche politischen
Motive für das Verhalten der hessischen Regierung in Frage
kommen mochten, mag dahingestellt bleiben, auf Grolman
hatten sie keinen unmittelbaren Einfluß.
Wie bereits erwähnt, hat Grolman im Wintersemester
1808/09 zum erstenmal über Napoleonisches bürgerliches
Hecht gelesen, eine Vorlesung, die er im folgenden Somraer-
semester fortsetzte und vollendete. Seitdem hatte er von
1809 bis 1814 in jedem Wintersemester in einem zwölf-
stündigen Kolleg das Napoleonische Gesetzbuch unter Zu-
grundelegung der 1809 zu Gießen erschienenen, von dem Hof-
gerichtsadvokaten Heb. Friedr. Daniel Gerhardi zu Darm-
stadt verfaßten Übersetzung, die er, wie wir aus einer Be-
merkung Almendingens wissen^, durchgesehen und durch
Kartons verbessert hatte, dogmatisch-exegetisch erläutert.
Eine hier bis jetzt noch nicht betrachtete Seite von
Grolmans Berufstätigkeit betrifft die Verwaltung der Uni-
versität. Der hervorragende Anteil, den er an ihr nehmen
sollte, beginnt mit dem Jahre 1807.«^ Die Gießener Universität
hatte nämlich den Mangel eigener Disziplinargesetze öfters
schmerzlich empfunden und sich häufig darüber beklagt,
daß sie sich teils mit den alten Marburger Statuten, teils
mit verschiedenen einzelnen Reskripten, an deren zweck-
^^ An den Geh. Staatsreferendär Frhr. v. Lichtenberg in den Adels-
akten des Großh. Ministeriums des Innern.
64 Vergl. „Der Rheinische Bund", 18. Bd., S. 30.
6* Der folgenden Darstelhing liegen Ministerialreferate im Besitz
des Großh. Haus- u. Staatsarchivs zugrunde.
Karl Ludwig Wilhelm von Grolrnan in Gießen. 443
mäßige Sammlung nie gedacht worden war, behelfen müsse.
Um diesen Mangel zu beseitigen, hatte Ludewig 1. befohlen,
daß die vorhandenen Gesetze gesammelt und unter Benützung
der Statuten anderer Universitäten, insbesondere der neuen
Würzburgischen, mit den nötigen Zusätzen bereichert werden
sollten. Die daraufhin von dem Ministerium dem Großherzog
vorgelegten Grundprinzipien des zu entwerfenden Dis-
ziplinargesetzbuchs genehmigte dieser am 24. April 1807,
sowie den weiteren Antrag, daß die Ausarbeitung den Pro-
fessoren Schmidt, Grolman, Müller und Crome über-
tragen werden sollte. Die von den Genannten eingereichte
Arbeit wurde von dem Ministerium einer genauen Prüfung
unterzogen, in Einzelheiten ergänzt und näher ausgeführt
und am 21. Mai 1808 genehmigt. Damit hatte das neu er-
richtete Disziplinargericht gesetzliche Normen erhalten.
Dieses Gericht, dessen Errichtung bereits am 3. Juli
1805 von dem Landesherrn, dem Antrage der Universität
entsprechend, beschlossen worden war, erschien, nachdem
das Kanzellariat durch den am 14. Januar 1808 erfolgten
Tod des Kanzlers Koch erledigt und bald darauf aufgehoben
worden war, als ein dringendes Bedürfnis. Über die Art der
Konstituierung hatten die zur Redaktion des akademischen
Gesetzbuchs ernannten Kommissarien vorgeschlagen-, daß das
Gericht außer dem Rektor aus vier, den vier Fakultäten an-
gehörigen Professoren bestehen solle, von denen alljährlich
einer auszuscheiden habe, um durch ein anderes, durch
scrutinium zu bestimmendes Mitglied derselben Fakultät er-
setzt zu werden. In Fällen, wo es auf den Modus procedendi
und das Straferkenntnis ankommt, habe der juristische
Beisitzer eine fingierte Stimmenmehrheit; gegen den Spruch
des Gerichts sei eine Appellation an das Ministerium zulässig.
Diese Vorschläge befürwortete das Ministerium mit der Maß-
gabe, daß die Fakultätsmitglieder nicht per scrutinium, son-
dern nach dem senio eintreten sollten, und daß der juristische
Beisitzer keine fingierte Mehrheit haben, und daß auch keine
Appellation stattfinden sollte.
Im Herbst 1810 ward Grolman zum Rektor der Uni-
versität gewählt und machte sich während seines Rek-
torats um die Besoldungsverhältnisse der Professoren, die
Verwaltung des Universitätsfonds, die Vermehrung der Sti-
pendien und vor allem um die Verbesserung der Disziplin
wnter den Studenten sehr verdient. Seine Veridienste wurden
auch insbesondere von seinen Kollegen empfunden und ge-
würdigt. Allen voran ging Groimans ehemaliger Lehrer
Crome, der im Juli 1811 den Wunsch äußerte, man möge
444 Karl Esselborn.
das Rektorat Grolmans, welches auf Michaelistag endigle,
uni ein Jahr verlängern. Denn Grolman, der durch Eifer,
Tätigkeit und Energie diese heilsamen Verbesserungen zu
vollstrecken, zu befestigen und bis aufs kleinste Detail zu
vollenden gesucht, und bei den damit verbundenen Schwierig-
keiten so viel wie nicht leicht ein anderer außer ihm erreicht
habe, müsse Gelegenheit haben, die noch einer weiteren
Pflege bedürfenden neuen Verbesserungen mehr zu be-
gründen.
Auf den Antrag des Ministeriums, dem durchaus ge-
rechtfertigten Wunsche Cromes zu entspreclien, verfügte der
Großherzog am 29. Juli 1811, es sei nötig, da Crome nicht
das Ganze der Professoren darstelle, sondern nur als Einzel-
person erscheine, die übrigen Professoren darüber zu hören,
ob sie mit diesem Vorschlag einverstanden seien oder nicht.
Bei der hierauf veranstalteten Abstimmung stimmten sämt-
liche Professoren bis auf je zwei Angehörige der medizi-
nischen und philosophischen Fakultät für die Verlängerung.
Nebel war gegen diese, weil er durch die Verlängerung ein
Jahr später zum Rektorat gelange, Wilbrand deshalb, weil
er die Würde der übrigen Mitglieder des Lehrkörpers dadurch
heruntergesetzt glaubte. Von den dissentierenden Ange-
hörigen 5er philosophischen Fakultät äußerte Rumpf den
Wunsch, daß Grolman wenigstens für so lange Mitglied der
Pädagogkommission sein möge, bis sich die neue Organi-
sation als wirkliche Verbesserung bewährt haben würde.
Welcker dagegen wollte sogar neben dem wechselnden Rek-
torat ein ständiges Direktorium, also im Grunde das Kan-
zellariat, welches Grolman zu übertragen sei, eingeführt
wissen. Nunmehr bewilligte der Großherzog am 6. Sep-
tember 1811 die Verlängerung des Rektorats Grolmans um
ein Jahr.
Grolmans Rektorat zeichnete sich durch eiiien Kampf
gegen die studentischen Verbindungen aus. Er war Vor-
sitzender des Disziplinargerichts, das die Ergreifung von
Maßregeln gegen die auf den Universitäten bestehenden
Landsmannschaften, Kränzchen oder sonstige verbotene Stu-
dentenverbindungen beantragte. Die dem Großherzog ge-
machten V^orschläge hielt dieser jedoch nur dann für die
Universität von Nutzen, wenn sie mit den auf andern Uni-
versitäten ergriffen(»n Maßregeln übereinstimmten, während
sie ihm im entgegengesetzten Fall, wenn sie nur für Gießen
allein zur Anwendung kämen, dieser Universität mehr Nach-
teil als Vorteil zu bringen schienen. Erst nachdem ihm be
richtet worden war, daß sowohl auf den badischen Univer-
(
Karl Ludwig Wilhelm von Grolrnan in Gießen. 445
en Heidelberg und Freiburg, als auch in Tübingen
Leipzig ähnliche Maßregeln ergriffen worden seien, ge-
nigte er am 6. September 1811 die folgenden Bestim-
gen««:
„1. Daß in Zukunft alle Studiosen, welche in irgend
verbotene Verbindung, was sie auch für einen Namen
en möge, träten, so wie alle diejenigen, welche sich
. schon in einer solchen befänden und nicht sogleich
raten, ohne alle Rücksicht mit der Strafe der öffentlichen
gation belegt werden sollen.**
„2. Daß das akademische Disciplinargericht die Befugnis
n solle, in jedem einzelnen Fall, wo es, nach seiner
alischen Überzeugung, glaube, daß eine vorgefallene
aJität mit den jetzigen oder ehemaligen Verhältnissen
Täters zu einer verbotenen Verbindung im Zusammen-
stehe, diesen sogleich und ohne Weiteres mit der
:e der öffentlichen Relegation zu belegen.**
Es ist nicht zweifelhaft, daß dieses Vorgehen der Re-
ingen gegen die studentischen Verbindungen dem Ein-
e Napoleons zuzuschreiben ist, der ein sicheres Gefühl
r hatte, daß sich diese Verbindungen zu Pflanzstätten
' national-deutschen Gesinnung, die sich gegen die
idherrschaft erheben würde, entwickeln könnten.
Dieses auf deri ersten Blick befremdlich erscheinende
ehen gegen die studentischen Verbindungen seitens Grol-
5, der selbst einer solchen während seiner Studienzeit
hörte, war nicht durch die Bewundenmg der franzö-
en Staatseinrichtungen, die ihm das Studium des fran-
chen Rechts eingeflößt hatte, veranlaßt, sondern eine
endige Folge der für Hessen durch seine Zugehörig-
zum Rheinbund vorgeschriebenen Politik, für die er
erweise persönlich nicht verantwortlich gemacht werden
Ebensowenig ist, wie es Pallmann (a. a. S., S. 69) ver-
t, die Erhebung Grolmans in den Adelsstand als
Belohnung für seine französische Gesinnung anzusehen,
nicht Behauptung gegen Behauptung zu stellen, ist es
, auf diese Angelegenheit näher einzugehen.
Grolman beantragte, wie gleich an dieser Stelle hervor-
ben werden mag, die Erhebung in den Adelsstand, die
selbst nur insofern von Nutzen sein konnte, „als er
zum Teil in Venuögenshinsichten im Preußischen inter-
»* Disziplinar-Gesetze und Statuten der Großh. Hess. Universität
1, 1815, S. 46 f.
446 Karl Esselborn.
essiert war", nicht um seiner selbst willen, sondern handelte
dabei einzig und allein im Interesse seines Bruders Lud-
wig.«" Dieser war, da ihm als einem Nichtadeligen der Ein-
tritt in preußische Kriegsdienste erschwert wurde, im Jahre
1792 in holländische Dienste getreten, hatte aber, als Holland
in vollständige Abhängigkeit von Frankreich geraten war,
trotz vorteilhafter, ihm wegen seiner Kenntnisse im Ingenieur-
fache gemachter Anerbietungen den holländischen Dienst
verlassen, um nichts mit den Feinden seines Vaterlands
gemein zu haben.
Nachdem er darauf einige Zeit in hessen-darmstädtischen
Diensten gestanden hatte, nahm er im Jahre 1803 eine Stelle
als Adjutant des Erbgroßherzogs Karl, des Enkels des Kur-
fürsten Karl Friedrich von Baden an. Den im Jahre 1805
ausgebrochenen Koalitionskrieg gegen Frankreich machte er
als Chef des Generalstabs der von Baden dem Kaiser Na-
poleon gestellten Truppen mit, einzig aus Pflichtgefühl, nicht
um der Sache willen, die ihm verhaßt war. Den im folgenden
Jahre entbrannten Krieg Frankreichs gegen Preußen machte
er als Adjutant des Erbgroßherzogs mit und hatte an d n
Gefechten nur passiven Anteil.
Zu Anfang des Jahres 1808 ward er Major und
nahm an dem spanischen Feldzug teil, bis er im Febniar
1809 unter Ernennung zum Flügeladjutanten und Obrist
lieutenant nach Karlsruhe zurückgerufen wurde, weil ein
Krieg mit Österreich vor der Türe sei. Nach seiner
Rückkunft empfing ihn der Erbgroßherzog Karl, der seit
1808 Mitregent war, ungemein gnädig und sagte ihm: „Der
Adel mag ein Vorurteil sein, aber Sie wissen, wie sehr man
an unserni Hofe darauf sieht. Ich habe durch Ihre Er-
nennung zu einer bloß adeligen Stelle für Sie das Außer-
ordentliche getan. Nun höre ich aber, daß Ihre Familie ge-
adelt ist. Wozu dann der Stolz, das Wörtchen «von» weg-
zulassen, da Sie wissen, daß dieses Ihnen und mir
schadet**. — Grolman setzte ihm darauf den Sachverhalt
rückhaltlos auseinander, worauf ihn der Erbgroßherzog .,bat,
nicht länger anzustehen, den adeligen Titel anzunehmen".
Alsbald nach der Thronbesteigung des Erbgroßherzogs wurde
Ludwig (irolman in das neuverfertigte Adelsbuch des
^^ Dor folgenden Darstellung liegt der in Note 2 erwähnte Brief zu-
grunde, der im Jahre 1811 nach dem Regierungsantritt des Großherzogs
Karl von Baden (10. Juni 1811) geschrieben ist. Vergl. auch L. Grolmans
von r. J. Rehfues im Jahre 1814 hsgg. „Tagebuch eines deutschen Offiziers
über seinen Foldzug in Spanien im Jahre 1808", sowie „Badiscbe Biogra
phien", hsgg. von Friedr. von Weecli, Bd. 1, Heidelberg 1875, S. 321-323.
Karl Ludwig Willielin von Grolman in Gie&en. 447
Landes eingetragen, indem der Großherzog befahl, daß die
Abschrift des Adelsbriefes, den Grolman von seinem Vetter,
dem Regierungs- und Konsistorialdirektor Ludwig von Grol-
man in Gießen (f 25. Dezember 1809) hatte kommen lassen
müssen, auch als für ihn gültig zu betrachten sei.
Ludwig Grolman, der bald darauf Generaladjutant gewor-
den war. konnte für seine Person die badische Anerkennung
seines Adels genügen. Jedoch der Gedanke, daß er einen
adeligen Titel führe, der seinen Brüdern nicht zukomme,
und der Wunsch, falls er heiraten und Kinder bekommen
sollte, diesen keinen andern, als den preußischen Familien-
adel zu vererben, ließen ihm die Ausdehnung des alten
Adelsbriefes auf sämtliche Söhne seines Vaters erstrebens-
wert erscheinen. Deshalb hatte er in der zweiten Hälfte des
Jahres 1811 in Frankfurt eine Zusammenkunft mit seinem
Bruder Karl. Welche Schritte Ludwig selbst nun zur Er-
reichung dieses Zweckes getan hat, ist ungewiß. Soviel steht
iber fest^ö, daß sein Bruder, der Professor Karl Grolman,
>ei dem Geh. Obertribunalspräsidenten Heinrich Dietrich
/on Grolman (1740 — 1840) in Berlin, — dem Vater des
jJeiierals Karl von Grolman, und wie dieser von glühendem
lasse gegen Frankreich beseelt — angefragt hat, ob er sich
:u bewirken getraue, daß der alte Adelsbrief auf ihn und seine
3rüder ausgedehnt werde.
Nach Empfang der zusagenden Antwort wandte sich
[Jrolman in einem Briefe vom 3. Januar 1812 an den Geh.
iJtaatsreferendär Frhrn. v. Lichtenberg, in welchem er diesem
lie Gründe auseinandersetzte, die ihn zu diesem Schritte
jestimmten und ihn um eine schriftliche Erklärung der
tlegierung bat, daß man ihm erlaube, die Ausdehnung des
preußischen Adels auf den Zweig der Familie Grolman, dem
?r angehöre, zu erwirken, und daß man diesen Adel auch
m Großherzogtum anerkennen werde. Lichtenberg erteilte
laraufhin in einem nicht erhaltenan Briefe Grolman Rat-
schläge, wie dieser zu seinem Ziele gelangen könnte.
[n Grolmans Dankschreiben vom 20. Januar 1812 auf diesen
Brief „gesteht er, daß ihn ei«i;entlich die Furcht, Preußen möge
sich für die russische Partie erklären, zu dem Versuche be-
stimmt habe, ob nicht noch vor dem Torschlüsse die An-
gelegenheit in Ordnung zu bringen sei. . . . Sollte Preußen
tlie unglückliche Partie ergreifen und, wie es dann wahr-
scheinlich sei, untergehen, so habe er jede Hoffnung ver-
loren, seinem Bruder helfen zu können". Er beschließt diesen
•»** Die folgende Darstellung l)eruht auf den Adelsakten des Großli.
"Ministeriums des Innern.
448 Karl Esselboni.
Brief mit der Bitte „um die einzige geneigte Gefälligkeit,
daß er (Lichtenberg) ihn von dem Eintritt des wahren Zeit-
punkts nur durch die zwei Worte: «izt handle I» benach-
richtigen möchte. Der Politik abgestorben und in literarischen
Arbeiten vergraben, würde er diesen Zeitpunkt, den der
Leute Gerede sehr falsch bestimmen dürfte, nicht zu er-
kennen vermögen**.
Diesen Zeitpunkt gab ihm Lichtenberg in einem ebenfalls
nicht erhaltenen Briefe vom 1. März, den Grolman erst am
7. März erhielt, an. Gleich am folgenden Tage ließ Grolman
die „Bittschrift** an den Großherzog abgehen. „Ich glaubte",
so 'schrieb er an dem hämlichen Tage an Lichtenberg, „keinen
Augenblick versäumen zu dürfen, weil mein Bruder, um
dessenwillen ich dieses Alles tue, sich wieder bei der Armee
befindet*^^ und vielleicht izt noch ein Momentchen ergreifen
kann, um die Sache in Berlin zu ihrem Ziele zu führen**. —
Er fürchtet jetzt keinen unglücklichen Ausgang seines Ver-
suchs mehr, wenngleich er noch immer mit der Möglichkeit
rechnet, „daß der Plan — z. B. wenn sein Vetter unterdessen
seinen Einfluß am Berliner Hofe verloren hätte — noch
scheitern könnte**.
Die an den Großherzog gerichtete Bitte Grolmans halte
Erfolg. Am 28. Mai 1812 wurde ihm die Versicherung, daß
der Großherzog die Ausdehnung des der Grolmanschen Fa-
milie im Jahre 1786 verliehenen preußischen Adels auf die
Linie seines Vaters gestatte, und solche, wenn sie erteilt
werde, bestätigen würde. Auch in Berlin hatte Grolman
Erfolg, denn am 22. Oktober 1812 wurde er und seine Brüder
in den preußischen Adelsstand erhoben.
Wie die vorstehende Darstellung zeigt, hat Grolman
die Erhebung in den Adelsstand durch den als franzosen-
feindlich bekannten Geh. Obertribunalspräsidenten erreicht
und nur durch diesen zu erreichen gesucht. Damit ist aber
die Vermutung Pallmanns widerlegt, daß „es vielleicht eine
Belohnung für die französische Gesinnung Grohnans ge-
wesen sei, wenn der König von Preußen, dem damals alles
daran gelegen gewesen sei, von Frankreich nicht als Feind
behandelt zu werden, ihm für sich und seine Nachkommen
den Adel erneuerte**.
Grolman selbst machte zunächst von seiner Erhebung
in den Adelsstand keinen Gebrauch und unterließ es vor-
erst, um ihre landesherrliche Bestätigung nachzusuchen. „Er
wurde in diesem Entschlüsse durch das Unglück der Zeiten
^^ Er begleitete den Grafen Wilhelm von Hochberg als Chef seines
Generalstabs auf dem Feldznge nach Rußland.
Karl Ludwig Wilhelm von Grolman in Gießen. 449
rkt; das auch ihn aufs empfindlichste verwundete, indem
Jruder, dessen Interessen einzig sein Handeln bestimmt
n, vielleicht auf immer für ihn verloren war." ^" — Erst
eh. Rat von Stein, von dessen „pniritus Zeitschriften zu
ehern** er schon vor Jahren einmal gesprochen hatte '^
Nachricht von seiner Standeserhöhung in dem letzten
tnberheft der „Allgemeinen Literaturzeitung** "^^ das Grol-
ersl im Februar 1813 zu Augen kam, einrücken ließ,
er dem Freiherrn von Lichtenberg in einem Briefe vom
ebruar 1813 den soeben geschilderten Sachverhalt mit,
cherte ihn ausdrücklich, „daß er wirklich vollkommen
luldig an einer Bekanntmachung sei, welche von seiner
, vor der Bestätigung seines gnädigsten Herrn, einen
nswerten Gebrauch von dem Preußischen Adel dar-
in könnte**, und bat ihn imi einige ihm wichtige Auf-
sse. Alsdann suchte er am 24. Februar 1813 um die
jsherrliche Bestätigung der Ausdehnung des preu-
en Adels der Grolmanschen Familie auf die Linie
s verstorbenen Vaters, Adolf Ludwig Grolman, nach.
> wurde ihm am 4. März erteilt und am 9. März in
,Großh. Hessischen Zeitung** '^ bekannt gemacht.
Das letzte Produkt von Grolmans schriftstelle-
lier Tätigkeit war, wenn von den beiden letzten Auf-
L der „Grundsätze der Criminalwissenschaft** (3. Aufl.
; 4. Aufl. 1826) und „der Theorie des gerichtlichen Ver-
ins** (4. Aufl. 1819; 5. Aufl. 1820) abgesehen wird, eine
3ßschrift, die, wie sehr viele derartige Schriften, anonym
ihre 1814 erschien. Ihr Titel lautete: „Über olographe
mystische Testamente. Eine Deduktionsschrift in
Rechtssache der verstorbenen Freyfrau von Barkhaus-
enhütten, geborene von Veitheim, gegen die Intestat-
1 derselben**.
Die Veranlassung dieser Deduktion ist folgende: Die
ahlin des ehemaligen hessischen Staatsministers Frei-
1 von Barkhaus-Wiesenhütten, der uns als „Gönner**
nans bereits bekannt ist, hielt sich mit ihrem Gatten in
etzten Zeit ihres Lebens zu Frankfurt a. M. auf, wo sie
3. Februar 1812 nach den Vorschriften des Code Na-
'^ Diese in einem Briefe an den Freiherrn von Lichtenberg vom
ebruar 1813 ausgesprochene Ahnung trog Grolman nicht; einige
vorher, am 6. Februar, war sein Bruder in Wilna gestorben.
^1 In einem Brief an Lichtenberg vom 20. Dezember 1808 in den
über die Gießener Konferenzen.
'- Ko. 328 vom 31. Dezember 1812. — ^3 Jahrgang 1813, S. 236.
ilrftge z. Gesch. d. Unirendtäten Mainz u. Gießeu. 29
450 Karl Esselborn.
pol6on, der damals im Großherzogtum Frankfurt galt, zwei
wörtlich gleichlautende Testamente, ein olographes, das heißt
eigenhändiges, und ein mystisches, das heißt dem Kotar
verschlossen übergebenes, errichtete. In diesen Testamenten
hatte die im April verstorbene Erblasserin ihren Gemahl
mit gänzlicher Übergehung ihrer Halbgeschwister, die ihre
gesetzlichen Erben gewesen wären, zum Universalerben ihres
ganzen beträchtlichen Vermögens eingesetzt. Auf Grund
dieser Testamente hatte sich der Gemahl in den Besitz der
Erbschaft gesetzt. Gegen ihn erhoben die gesetzlichen Erben
bei dem Hofgericht zu Darmstadt Klage auf Herausgabe der
Erbschaft, weil die beiden Testamente nichtig seien.
Als ' den Klägern die Erlaubnis zu triplizieren nicht er-
teilt wurde, ließen sie die für sie als Triplik ausgearbeitete
Deduktion im Druck unter dem Titel: „Über die Grund-
lage, die Natur und die Behandlungsart des olo-
graphen und mystischen Testaments des Franzö-
sischen Rechts" (Wiesbaden 1814) erscheinen. Der Ver-
fasser dieser Deduktion war Harscher von Almendingen,
und nicht, wie dieser in zwei von ihm selbst verfaßten
Kritiken"* seiner Schrift angibt, der Hofgerichts- und Re-
gierungsadvokat Stam[m]. Der Widerlegung der Deduktion
Almendingens ist diejenige Grolmans gewidmet. Das Gericht
schloß sich den zweifellos zutreffenderen Ansichten Gröl-
inans an, indem es unter Anerkennung der Rechtsbeständigkeit
der beiden Testamente die Klage kostenpflichtig abwies.'^
Der Biograph in den „Zeitgenossen" (a. a. 0., S. U)
schreibt diesem Siege Grolmans über Almendingen eine Ent-
zweiung der beiden Freunde zu. Er sagt mit dieser Be-
hauptung aber offenbar zu viel. Denn das Verhältnis beider
Männer zueinander war einerseits schon seit den Gießener
Konferenzen ein so kühles, daß von einer Entzweiung nicht
mehr die Redcj sein konnte; andererseits war kein völliger
Bruch zwischen beiden eingetreten, denn sonst hätten nicht
die beiden letzten Auflagen der „Theorie des gerichtlichen
Verfahrens", ebenso wie alle früheren ihm und Feuerbach
gewidmet sein können.
Der Wirksamkeit Grolmans als Rektor ist bereits g^
dacht worden. Hier ist nur noch die Frucht zu erwähnen,
die ihm die bewährte Führung seines zweijährigen Rektorats
"* Alljromeine Literaturzoitung, Leipzig 1814, I, No. 42 u. 43, Sp. 329
l)is 33y. Jonaische allg. Literaturzeitung 1814, I, No. 43, Sp. 837-844;
die letztere Besjjrechung ist L H v. A unterzeichnet.
^^ Heidelberger Jahrbücher der Literatur, 7. Jahrg. 1814, S. 465 — 4^2.
Karl Ludwig WiUielm von Grolman in Gießen. 451
ichte: die Übertragung der höchsten Würde, die die
idoviciana zu vergeben hatte, nämlich des Kanzel -
riats.^^ Das Kanzellariat, das im Gegensatz zu den übrigen
ademischen Verwaltungsämtern, die alljährlich wechselten,
uernd übertragen wurde, sollte die Einheitlichkeit in der
rwaltung wahren. Der Kanzler stand gleichsam an der
itze sämtlicher Zweige der Universitätsverwaltung, die,
sich voneinander unabhängig, durch ihre Unterordnung
ter diese ständige Instanz in einen gewissen organischen
isammenhang zueinander traten.
Nach dem Tode des Kanzlers Koch wurde die mit Ge-
lt verbundene Kanzlerwürde am 2. April 1808 aufgehoben
d ausgesprochen, daß, wenn je wieder ein Kanzler er-
nnt werden sollte, diese Auszeichnung nur ein reiner
irentitel sein solle. Neben Gründen der Sparsamkeit war
r die Aufhebung noch die Erwägung maßgebend, daß einer-
its der ursprüngliche Zweck des Kanzellariats, die Er-
ilung der Erlaubnis zu den Promotionen im Namen des
lisers, dessen Reservatrecht die Verleihung akademischer
ürden bildete, nach Auflösung des Reiches weggefallen war,
id daß man andererseits im Jahre 1805 dem Rektor einen
is den vier Fakultäten gebildeten engeren Ausschuß zur
nie gestellt hatte, der den Rektor bei seiner Amtsführung
iterstützen sollte und den Wirkungskreis des Kanzlers ver-
tigerte, wenn nicht überhaupt illusorisch machte.
Allein dieser engere Ausschuß ersetzte, wie sich bald
ligte, den Kanzler keineswegs. Ebensowenig bewährte sich
e von dem Rektor und den Dekanen der vier Fakultäten
jführte Verwaltung der Universitätsgefälle, und zwar auch
inn nicht, als man im September 1808 den Wechsel der
ommissarien aufhob und eine ständige Verwaltungsbehörde
edersetzte, die jedoch dem bisherigen Gebrauch gemäß
IS Mitgliedern der vier Fakultäten bestand. Die Mißstände
aten klar zutage, als der geistliche Rat Schmidt, der als
eologischos Mitglied der Kommission den Vorsitz in ihr
hrte, am 4. Oktober 1815 dieses Amtes enthoben wurde,
eil er dasselbe „als fremd und mit seinen Berufsgeschäften
keiner Verwandtschaft stehend ansah**. Es erschien des-
ilb wünschenswert, „daß erstens bei Constituierung der
erwaltungs-Kommission nicht auf Alter und Dienstjahre,
ich nicht auf die Fakultäten, sondern auf persönliche Kennt-
sse und Qualifikation gesehen werde, und daß zweitens
ü derselben ein mit dem Geschäfte, das er leiten solle, und
^6 Die fülgcrulo Darstellung beruht auf Ministerialreferaten im Be-
z des Großb. Haus- u. Staatsarcbivs.
452 Karl Esselborn.
der Üniversiiätsverfassung überhaupt vertrauter Direktor
vorgesetzt werde, damit Einheit, Ordnung und Tätigkeit in
das Geschäft komme und jemand vorhanden sei, der eine
Übersicht über das Ganze habe".
Zur Bekleidung dieser wichtigen Stelle erschien Grol-
man, wie das Ministerialreferat vom 11. Dezember 1815 an-
gibt, aus folgenden Gründen hervorragend geeignet: „Ein-
mal sei die Kenntnis von Geschäften und rechtlichen Formen
bei den Mitgliedern anderer Fakultäten (als der juristischen)
nicht zu erwarten; außerdem habe Grolman bei seinem
Rektorat bewiesen, daß er dieser Stelle vorzüglich gewachsen
sei. Unter seiner leitenden Hand sei in alle akademischen
Institute neues Leben gekommen. Er habe die Reform des
Pädagogs bewirkt und es zu einer Stufe der Vollkommen-
heit gebracht, auf der es lange nicht gestanden hätte; er
habe die organischen Gesetze des philologischen Instituts
entworfen, die bei der Stipendienkommission stattge-
fundenen, durch den Erfolg bewährten Veränderungen in
Vorschlag gebracht und die Disziplin mit so viel Würde
und Schonung gehandhabt, daß das gesamte akademische
(k>rpus darauf angetragen hätte, seine Rektoratszeit auf ein
weiteres Jahr zu verlängern, damit das von ihm angefangene
(iute unter seiner Pflege feste Wurzeln fassen könne.
Einzelne Professoren hätten sogar damals schon darauf an-
getragen, ihm entweder das Kanzellariat oder ein ständiges
Direktorium der Universität zu übertragen. Weiterhin ver-
bürgten die von ihm während seines Rektorats ge-
sammelten Erfahrungen, seine vielseitigen Kenntnisse, seine
Tätigkeit und der lebendige Anteil, den er bisher an allen
Zweigen des akademischen Wesens und an ihrem Besser-
werden genommen hätte, sowohl seine vorzügliche Fähigkeit
zu diesem Amte als auch seinen Willen, diesen Obliegen-
heiten Genüge zu leisten".
„Überdies habe sich sein Patriotismus für sein Vater-
land und dessen hohe Schule durch Ausschlagung reizender
und vorteilhaftester Vokationen bewährt; daher dürfte diese
Beförderung, obwohl sie eigentlich nicht sein, sondern der
Universität Bestes bezwecke, nebenher zugleich als Beloh-
nung und als ein neues Band, das ihn fester an die Univer-
sität knüpfte, angesehen werden.** Schließlich könnte man
dieses Amt nicht mit einem der beiden älteren Professoren
der juristischen Fakultät, die auf diese Auszeichnung, wenn
sie bloß Ehrenamt wäre und nicht zugleich die ganze An-
strengung eines Mannes in Anspruch nähme, ihres höheren
Dienstalters wegen „aspirieren** könnten, besetzen, ohne,
Karl [judwig Wilhelm von Grolman in Gieücn. 453
\vie seither, in den Fehler zu verfallen, „daß nicht persön-
liche Kenntnisse, sondern eine gewisse, durch Alter und
Fakultät bestimmte Rangordnung den Weg zu akademischen
Ämtern bahnte". Zudem habe der eine — Professor Büchner
— sich schon seit geraumer Zeit Selbsten von allem An-
teil an öffentlichen Geschäften zurückgezogen, und des
anderen, Professors Musaeus, Alter vertrüge sich nicht mit
der „Tätigkeit**, welche besonders in den ersten Jahren die
Haupteigenschaft des Kanzlers sein müsse. Deshalb könne
letzterer mit der Erklärung zufriedengestellt werden, daß
man ihn mit den vielerlei anstrengenden Geschäften, die
das Kanzellariat auferlege, aus schonenden Rücksichten nicht
habe beschweren wollen. —
Der Großherzog genehmigte am 1,4. Dezember 1815 diese
Vorschläge und ernannte Grolman zum „Kanzler der Uni-
versität** mit einem jährlichen Gehalt von 300 Gulden und
den statutenmäßigen Befugnissen und Rechten eines
Kanzlers. Gleichzeitig wurde der Geh. Rat und Universitäts-
syndikus Dr. Joh. Daniel Hch. Musaeus „im Vertrauen auf
seine besondere Bekanntschaft mit den Rechtsangelegen-
heiten der Universität** der akademischen Verwaltungskom-
mission „beigesetzt**, die aus den seitherigen Mitgliedern,
Geh. Rat Büchner sowie den Professoren Nebel, Walther
und Schmidt (Mathematiker) als ständigen Beisitzern und
aus dem Kanzler als Vorsitzenden gebildet wurde.
Die Wiederherstellung des Kanzellariats wurde von der
Universität freudig begrüßt. Der Geh. Rat Schmidt, der in
ihr einen wesentlichen Gewinn sowohl an Würde als an
innerer Haltung erblickte, beantragte am 25. Dezember des-
selben Jahres den Erlaß eines Dankschreibens an den
Oroßherzog, ein Antrag, der, von dem damaligen Rektor
Dr. Arens warm befürwortet, allgemein angenommen wurde.
Nur Musaeus fand keinen (jrund zu einem solchen
Schreiben, da seiner Ansicht nach dies eine persönliche
Pflicht des zu der neu hergestellten Würde Beförderten sei.
Dagegen fügten ihrem Votum besondere Worte der Zu-
stimmung bei : der alte Cromo: „Ich dächte, man dürfte nur
an das zweifache Rektorat des werten Kollegen und Ober-
appellationsrats Dr. Grolman und an dessen Wert für
die Universität sich erinnern, mn dem werten CoUegen Geh.
Rat Schmidt beizupflichten**; Löhr: „Ich glaube, daß die
Ernennung eines in jeder Hinsicht ausgezeichneten Mannes
zum Kanzler der Universität es uns zur Pflicht macht. Seiner
Königlichen Hoheit zu danken**, und Müller: „Majora sind
da und ich werde unterschreiben, ob es gleich etwas neues
454 Karl Esselborn.
und niemals geschehen ist. Schätzte ich Herrn Kanzler
V. Groiman nicht als einen gelehrten und rechtschaffenen
Mann, der außerdem eine Zierde unserer Universität ist,
so würde ich nicht unterschreiben".
Die Übertragung der neuen Würde hat Groiman nach
seinen eigenen Worten „ganz unvermutet, wie ein Dieb in
der Nacht überfallen und war ihm eben darum besonders
angenehm, weil sie, nicht entfernt von ihm veranlaßt, ihm
als ein Beweis freyer Gnade seines Herrn erschien".^"
Das Bild von Grolmans vielverzweigter Wirksamkeit
würde kein vollständiges sein, wenn nicht seiner Tätigkeit
als Chef des ersten Bataillons' des Landwehrregiments No. 17
und später als Inspekteur der 8. Landwehr-Inspektion kurz
gedacht würde. Die Landwehr war im Großherzogtum Hessen
durch Edikt vom 7. Januar 1814^8 eingeführt worden; sie
diente neben den durch Konskription gebildeten Linien-
truppen der Landesverteidigung imd zerfiel in drei Klassen,
von denen in der Regel nur die erste Klasse, die sich aus
denjenigen Leuten der Konskription von 17 bis 25 Jahren,
welche in der Regel vom Zug frei waren, aus den waffen-
fähigen Männern der konskriptionspflichtigen Klassen vom
25. — 35. Jahre, sowie aus denjenigen Söhnen der Bürger
Darmstadts und Gießens, deren Familien nicht wenigstens
einen Freiwilligen-Jäger gestellt hatten, zusanmiensetzte, auch
außerhalb der Landesgrenzen und zmn Ersatz der Linien-
regimenter gebraucht werden konnte.
Die Spuren dieser militärischen Tätigkeit Grolmans sind
bis auf einige Berichte im Großh. Haus- und Staatsarchiv,
die kein allgemeines Interesse bieten, verweht. Sein Biojiraph
in den „Zeitgenossen" (a. a. 0., S. 16) berichtet, „daß aus
allen seinen Äußerungen die bestimmte Tendenz her\^orging,
erforderiichenfalls mit gewaffneter Hand und unter Auf-
opferung aller individuellen Rücksichten des Eigennutzes,
der Rückkehr eines politischen Verhältnisses im Vaterland
abzuwehren, dem, nach seiner Überzeugung, dasselbe nur
mit Schmach und Schande sich würde unterziehen können.
Die feurigen Reden und Tagesbefehle, die Groiman in seiner
neuen Eigenschaft als militärischer Chef seiner Vaterstadt
erließ, flössen demnach gewiß aus den innersten Motiven
seines Gefühls".
'7 Brief Grolmans vom 23. Dezember 1815 an seinen ältesten Bruder,
den Ilofgerichtsrat Adolf von Groiman, im Besitze der Tochter des Adres-
Sciten, Fräulein Berta von Groiman in Gießen.
'^ Sammlung der in der Großh. Hess. Zeitung vom Jahr 1814 publi-
zierten Verordnungen, Darmstadt 1815, S. 2 — 4.
Karl Ludwig Wilhelm von Grolman in Gießen. 455
Auch diese Haltung Grolmans billigt Pal Im an n nicht;
nn indem jener den auf den deutschen Hochschulen
senden napoleonfeindlichen Geist in der Blütezeit der na-
leonischen Herrschaft eifrig bekämpft habe, nach 1813
er ebenso eifrig gegen Napoleon aufgetreten sei, „habe
zu der zahlreichsten Klasse von deutschen Männern ge-
rt, welche den Franzosen, solange sie mächtig waren,
die Hand arbeiteten, um sie nachher ebenso schnell zu
rlassen**. — Dieses Urteil ist in seiner schroffen Richtung
gen Grolman nicht gerechtfertigt. Denn dieser teilte die
iitik des von ihm innig verehrten und aufrichtig bcwun-
rten Großherzogs Ludewigs I. Als dieser, durch seine
utsche Gesinnung ausgezeichnete Fürst, der, wie die
uosten Untersuchungen J. R. Dieterichs^» überzeugend
abgewiesen haben, in der vergeblichen Hoffnung auf die
ilfe Preußens so lange mit dem Anschluß an Frankreich
zögert hatte, bis diesen Schritt Selbsterhaltung und Not-
jhr geboten, der Verbündete Frankreichs geworden war,
>chien die Rheinbundpolitik als unabänderliche Norm für
olmans Handeln, die aber für ihn die bindende Kraft ver-
•, sobald sich sein Landesherr von dem Rheinbund los-
sagt hatte.
Die politischen Veränderungen in Deutschland und
iropa sollten bald einen bedeutenden Kinfluß auf die Ge-
bicke Grolmans ausüben. Bei der territorialen Umge-
staltung des Großherzogtums schien di? Gleichförmigkeit
r Gesetzgebung als ein Mittel, um das Band zwischen den
en und neuen Landesteilen auf beiden Seiten des Rheins
iter zu knüpfen. Deshalb verfügte ein Edikt vom 4. No-
mber 1816^« die Ausarbeitung eines neuen Zivilgesetz-
chs für das gesamte Großherzogtum auf Gnindlage des
rgerlichen Gesetzbuchs der österreichischen Monarchie, so-
e einer neuen Zivilprozeßordnung.
Man hatte sich um deswillen entschlossen, die neue
nlgeselzgebung an ein bestehendes Gesetzbuch anzu-
iließen, weil ein ganz neues Zivilgesetzbuch zu schaffen
n beabsichtigten Zweck, die neuen Gesetze bereits am
Januar 1818 in gesetzlicher Kraft zu erblicken, offenbar
rzögert und erschw^ert haben würde. Für das öster-
chische Gesetzbuch entschieden hierbei „namentlich sein
atscher Ursprunjr, seine Beschränkung auf den Kreis des
••' Quartalblättcr dos Historischen Vereins für das Großherzogtum
{sen, Neue Folge 4, S. 40 £f.
8*^ Großh. Hess. Zeitung vom 14. November 1816, No. 137.
456 Karl Esselborn.
reinen Privatrechts, seine Kürze und Bestimmtheit, die für
es sprechende Erfahrung und der bei der letzten Redaktion
gemachte Gebrauch anderer Gesetzbücher, namentlich des
französischen, wodurch besonders die neuen Staatsange-
hörigen auf der Unken Rheinseite manches Bekannte und
Gewohnte wiederfinden konnten**.
„Da es weniger auf theoretische Vollkommenheit ein-
zelner Sätze als auf baldige Begründung eines auf jeden
Fall besseren und gewisseren Zivilrechtszustandes ankam,
so sollten nur da, wo es notwendig oder offenbar nützlich
wäre, Abänderungen vorgeschlagen werden", zumal man
dabei auch in Erw^ägung zog, „daß, je geringer die Anzahl
der Abänderungen in dem österreichischen Zivilgesetzbuch
sein werde, desto größer die Möglichkeit der nicht ganz
unbegründeten Erwartung sein werde, daß das Beispiel
Seiner Königlichen Hoheit bei manchen Nachbarstaaten
Nacliahmung finden, mithin Veranlassung zu einer dem-
nächstigen größeren oder geringeren Gleichförmigkeit in der
Gesetzgebung mehrerer deutschen Staaten geben könne".**^
Zur Ausarbeitung dieser neuen Gesetzgebung wurde
durch Verordnung vom gleichen Tage eine neue Gesetz-
gebungskommission gebildet, die aus dem Universitätskanzler
von Grolman, dem Oberappellationsgerichtsrat Peter Josef
Floret zu Darmstadt und dem Kriegsgerichtspräsidenten
Wilhelm Wernher zu Mainz bestand. Dieser Kommission
waren der Oberappellationsgerichtsrat Peter Josef Freiherr
von Gruben und der Oberforstrat Karl Christian Eigen-
brodt beigegeben, damit sie „zu den Beratungen der Kom-
mission in dem Maße mitwirken sollten, daß sie nicht nur
mit ihr über einzelne Hauptarbeiten, wenn diese beendigt
seien, zu konferieren und ihr Gutachten abzugeben hätten,
sondern auch während der Arbeiten über einzelne Punkte
zugezogen werden könnten**. Der eigentlichen Kommission
war aufgegeben, „bis zum 2. Dezember 1816 in Darmstadt
zusammenzutreten, um über die Art und Weise und Ein-
teilung ihrer Arbeiten gehörige Verabredung zu treffen*'. -7
Bereits im Jahre 1808 hatte Grolman bei Gelegenheit
seines Gesuchs mn Entlassung aus der älteren Gesetzgebungs-
kommission betont, „daß der Gesetzgebung notwendig eine
81 Vergl. die vorläufige Instruktion der Kommission in den k^^^^
des Großli. Ministeriums des Innern und der Justiz, Abt.: Gesetze-Redak-
tionskommission, Konv. I. — Außer diesen Akten vergl. zum folgenden:
Breidcnbach, a.a.O., S. 14£f. ; Motive zu dem Gesetzbuch für dasGro»-
herzogtum Hessen über das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, heraus-
gegeben von P. J. Floret. 1. Heft, Darmstadt 1818. S. 1£E.
Karl Ludwig Wiliielm von Grolman in Gießen. 457
Stelle in der Zentralregierung gebühre, und daß die Re-
daktion schlechterdings nicht von einer Provinz aus besorgt
werden könne" «2^ und abermals in seinem Bericht über die
letzten Verhandlungen der Gießener Kommission vom 12. Mai
1810 darauf hingewiesen, daß „bei einer Sache, welche, wie
Gesetzgebungen in ihren einzelnen Teilen und in ihrem
feineren Detail, einer großen Verschiedenheit der Ansichten
verständiger Männer Raum ließen, es wirklich nicht wohl
möglich sei, in dem schriftlichen Vortrage alles so zu ent-
"wickeln, daß zum Voraus jeder möglichen anderen Ansicht
begegnet würde. Vorzüglicher sei es in dieser Hinsicht gewiß,
wenn neue, große Reformen der Gesetzgebung entweder
selbst von denjenigen oder doch unmittelbar unter der
Leitung derjenigen bearbeitet würden, welchen der Vortrag
im Gesetzgebungsfach in der höchsten Zentralregierung an-
x^ertraut sei."
Die Richtigkeit dieser Bemerkungen Grolmans hatte man
^war dadurch anerkannt, daß man der neuen G^setzgebungs-
Ivommission ihren Sitz in Darmstadt anwies, ihre Bedeu-
tiung aber insofern nicht völlig gewürdigt, daß man, wie
<lie vorläufige Instruktion erklärt, „bei dem Interesse, welches
<:lie Anwesenheit des Gr. Universitätskanzlcrs v. Grolman
-ZU Gießen für die Landesuniversität habe, von der Ansicht
.ciusging, daß . . . derselbe vielleicht während der Dauer
dieser Arbeiten nicht inuner in Darmstadt verweilen müsse,
Xjnd daß namentlich, wenn etwa derselbe die Redaktion der
-Zivilprozeßordnung vorzüglich übernehme, auf diese Weise
das Interesse der legislativen Arbeiten mit dem der Landes-
^miversität einigermaßen zu vereinigen sein möchte". —
--Aber die Tatsachen zeigten bald, daß eine Vereinigung beider
Zwecke nicht möglich sei; Grolmans Anwesenheit in Darm-
^tadt sollte zu einer dauernden werden.
Als Grohnan sich zur Übernahme der legislativen Ar-
Jbeiten nach Dannstadt begab, hegte man in den Kreisen
^er Universität die Erwartung, daß seine Entfernung nicht
lange dauern, und daß er seine Vorlesungen mit dem Anfange
<ies Jahres 1817 wieder fortzusetzen imstande sein werde.
-Als sich jedoch diese Erwartung nicht erfüllte, richteten
^eine Zuhörer in den ersten Tagen des Januar, in der Be-
sorgnis, daß die ersehnte Rückkehr ihres verehrten Lehrers
-sich noch länger verzögern könnte und ihnen dadurch dessen
Vorlesungen für das Wintersemester 1816/17 völlig entzogen
"Würde, an den Rektor Professor Baiser eine Bitte
8» Brief an den Geh. Sekretär Schleiermacher vom 20. August 1808
im Großh. Haus- u. Staatsarchiv.
458 Karl Esselborn.
um dringende Verwendung für die baldigste Rückkehr
Grolmans.
Diese Bitte wurde durch einen Bericht vom 8. Januar
1817«^ an die höchste Staatsbehörde erfüllt, dem das
Schreiben der Studierenden beigelegt wunle. Dieser schil-
derte zunächst den „großen fortdauernden Schaden, welchen
einen sehr beträchtlichen Teil der Studierenden durch die
längere Abwesenheit des Großh. Kanzlers treffen müsse,
und welchem man durchaus nicht zu begegnen imstande sei,
da keiner der Fakultätskollegen die große Lücke auszufüllen
vermöchte, welche die Unterbrechung der Grolmanschen Vor-
träge nach sich ziehe**. Dann fährt der Bericht fort: „Je
allgemeiner überdies der Ruf und die Verdienste unseres
hochverdienten Kollegen in dem In- wie in dem Auslande
anerkannt sind, um so nachteiliger muß die Kunde seiner
Entfernung auf die Akademie z\irückwirken, welche in ihm
eine ihrer schönsten Zierden besitzt, und es ist mn so mehr
vorauszusehen, daß dadurch manche abgehalten w^erden, die
hiesige Universität zu besuchen, da wir mit Bestimmtheit
versichern können, daß schon jetzt einige allein aus dem
angeführten Gnmde nicht wieder zurückgekehrt sind, und
daß noch mehrere, welche hauptsächlich wegen der Vor-
träge unseres abwesenden Kollegen sich hierher begaben,
bei längerer Entfernung desselben die hiesige Universität
zu verlassen entschlossen sind**. —
Zum Schlüsse weist der Bericht für den Fall, daß die
Geschäfte der Kommission für die Revision der Zivilgesetze
eine längere Abwesenheit Grolmans notwendig machen sollte,
darauf hin, „daß durch die Verlegung des Sitzes jener Kom-
mission von Darmstadt nach Gießen für die Arbeiten der
Kommission wohl kein erheblicher Nachteil entspringen, der
Akademie aber der Vorteil zuteil werden könnte, daß der
Großh. Kanzler von Grolman alsdann zugleich täglich eine,
vielleicht auch zwei Stunden seinem Lehramt noch zu
widmen vermöchte, wodurch den eben geschilderten Nach-
teilen wenigstens zum größeren Teile begegnet werden
würde**. — In Darmstadt glaubte man noch immer an die
Rückkehr Grolmans nach Gießen. Für das Sommersemester
1817 kündigte dieser eine Vorlesung an: „Über das rechtlich
Notwendige und Mögliche in den Gesetzgebungen und Ver-
hältnissen der Völker, oder über das sogenannte Natur-
und Völkerrecht**.
**- In den Akten der Großh. Landesuniversität, betr. Professor Ober
appellationsrat von Grolman.
Karl Ludwig Wilhelm von Grolman in Gießen. 459
Grolman hat diese Vorlesung nicht gehalten. Mit dem
Wintersemester 1817/18 verschwindet sein Name für immer
aus dem Vorlesungsverzeichnis der Ludoviciana. Am 7. Sep-
tember 1818 wurde seinem Schwager, Professor Arens, der
ihn inzwischen schon vertreten hatte, wegen der noch fort-
dauernden Abwesenheit Grolmans der „spezielle Auftrag zu-
teil, auf so lange, als der Großh. Universitätskanzler noch
von Gießen abwesend sein werde, an dessen statt und bis
zu dessen hiemächstigem Wiedereintritt die Funktionen eines
Universitätskanzlers zu verrichten, auch in allen nicht
dringenden Fällen mit dem Kanzler, damit auch dieser die
Obersicht behalte, amtlich zu korrespondieren oder wenig-
stens ihm Universitätsberichte zuzuschicken**.«* — Lag also
immer noch eine Rückkehr Grolmans nach Gießen im Be-
reich der Möglichkeit, so sollte diese bald ganz schwinden,
indem Grolman am 31. Juli 1819 „zur Erleichterung** des
von einer unheilbaren Krankheit befallenen Staatsministers
Freiherrn von Lichtenberg zum wirklichen Geheimen
Rate und Mitglied des Geheimen Staatsmini-
steriums ^^ und nach Lichtenbergs Tode am 25. März
1820 zum Staatsminister ernannt wurde. **6
Kanzler der Universität blieb Grolman nominell bis
zum 3. Februar 1821, wo Arens, dem am 1. Oktober 1819
die von Grolman innegehabte dritte Professur übertragen
worden war, zum Universitätskanzler ernannt wurde. Damit
war das letzte BanJ, das Grolman mit der Ludoviciana ver-
knüpft hatte, zerschnitten, vielleicht nicht ohne schmerz-
liches Gefühl für diesen, der um die Zeit seiner Ernennung
zum Geh. Rate bei Schleiermacher angefragt hatte, „ob
ihm die Intention des Großherzogs über die Frage: wie es
mit dem Kanzellariate gehalten werden solle? bekannt sei**,
und für den Fall, daß „darüber noch kein Beschluß gefaßt
wäre**, den Wunsch äußerte, „daß ihm diese Stelle vor-
behalten bliebe**, da er „dadurch das beruhigende Bewußt-
sein erhalte, daß er bei möglichen Ereignissen, z. B. wenn
^^ Akten der Grußh. Laiuiesuniversität. botr. Kanzler Dr. von Arens.
'*•'' Großh. Hess. Regierungsblatt 1819, S. 28. Bald nach seiner Beru-
ung ins Ministerium wurde Grohnaii am 17. August 1819 des ihm am 9. Juni
.818 übertragenen Präsidiums bei dem für die Provinz Rheinhessen in
>ann8tadt provisorisch errichteten Kassations- und Revisionsgericht ent-
loben. Eine Remuneration war mit diesem Amte übrigens nicht ver-
aiüpft; denn Grolman eraclilete sich für die während seines Aufenthaltes
Q Darmstadt ihm gewährten Tagegelder „zu jeder ihm daselbst über-
ragenen außerordentlichen Dienstleistung verbunden'*. Vergl. das Mini-
iterialreferat vom 16. August 1819 im Großh. Haus- u. Staatsarchiv.
86 Reg.-Bl 1820, S. 172.
460 Karl Esselbom.
er das Unglück, was Gott verhüten möge, haben sollte, den
besten Fürsten zu überleben, sich auf diesen ehrenvollen
Posten zurückziehen könnte".
Die Gesetzgebungskommission erkannte bald, daß eine
Verbesserung der bürgerlichen Gesetzgebung die Festsetzung
einer gleichförmigen Justizverfassung für das ganze Groß-
herzogtum und die Bestimmung gleichförmiger Grundlagen
für das gerichtliche Verfahren voraussetze. Dieser Er-
kenntnis verdankt das hauptsächlichste Ergebnis der Kom-
mission sverhandlung, das Edikt vom 1. Dezember 1817*^
seine Entstehung, das den Grundsatz der Trennung der
Justiz von der Verwaltung verkündete und als Grundlagen
des künftigen gerichtlichen Verfahrens, sowohl in Straf- als
auch in Zivilsachen die Grundsätze der Öffentlichkeit und
Mündlichkeit anerkannte.
Auf dieser Grundlage bearbeitete die Kommission den
Zivilprozeß. Sie vollendete nur den ersten und zweiten
Abschnitt des besonderen Teils, die das gewöhnliche Ver-
fahren bei den Land- und Stadtgerichten, sowie bei den
Mittelgerichten in erster und zweiter Instanz behandelten.
Diese beiden Abschnitte wurden unterm 21. August 1818
bezw. 14. Mai 1819 publiziert«^, damit die Justizbeaniten
das neue Gesetz nach und nach kennen lernen sollten. Der
dritte bis vierte Abschnitt, der das gewöhnliche Verfaliren
bei dem Oberappellationsgerichte in erster und zweiter In-
stanz, die Arten des außerordentlichen Verfahrens und die
außerordentlichen Rechtsmittel gegen Urteile enthalten sollte,
sowie der allgemeine Teil, der die Lehre von den Ge-
richten, den Gerichtspersonen, den Parteien, den Prokura-
toren und Advokaten, die allgemeinen Verfügungen über
dcui Prozeß und die Lehre von den Beweisen behandeln sollte,
blieb unausgeführt, da die Arbeiten der Kommission bald
nach Grolmans Berufimg in das Ministerium ausgesetzt
wurden. Hatten dessen legislativen Arbeiten in dieser Kom-
mission zwar mehr Erfolg als seine früheren im Jahre 1803
und 1809/10, so blieb doch auch dieser letzten Konunission
die Erfüllung ihrer Hauptaufgabe versagt: der Entwurf eines
bürgerlichen Gesetzbuchs und einer Zivilprozeßordnung, so
daß noch Art. 103 der am 17. Dezember 1820 erlassenen
Verfassungsurkunde deren Einführung in Aussicht stellte.
^'' Zit. Sammlung der Verordnun^jon 1817, S. 103 — 111.
8B Zit. Sammlung der Verordnungen 1818, S. 113—132; 1819, S. 35
bis ß6. Mit Motiven herausgegeben von Floret als : „Motive zn dem Ge-
selzbuche für das Großherzogtum Hessen über das Verfahren in bürger-
lichen Rechtssachen", Heft 1, Darmstadt 1818; Heft 2, ebd, 1819.
Karl Ludwig Wilhelm von Grolnian in Gießen. 461
In Grolman hatte die Ludoviciana nicht nur einen Ge-
lehrten von anerkanntem literarischem Ruf, sondern auch
einen hervorragenden akademischen Lehrer verloren. Wie
sein Biograph in den „Zeitgenossen" (a. a. 0., S. 11) be-
richtet, huldigte er nicht der damals mehr als heutzutage ver-
breiteten Unsitte des Diktierens. Klarheit und Deutlichkeit
seines imponierenden und angenehmen Vortrags sollen nach
derselben Quelle seine Vorlesungen zu den besuchtesten und
erfolgreichsten gemacht haben. In diesen hat er übrigens
nicht nur die Gebiete, auf denen er schriftstellerisch hervorge-
treten ist, nämlich Strafrecht, Prozeßrecht und französisches
Recht behandelt, sondern* namentlich auch — auf Grund-
lage der Lehrbücher von Gros bezw. Hellfeld — das soge-
nannte Natur- und Völkerrecht, sowie das Pandektenrecht.
Mit seiner im Jahre 1819 erfolgten endgültigen Über-
siedelung nach Darmstadt verließ Grolman für immer den
Schauplatz, auf dem sich mit Ausnahme seines Erlanger
Studienjahres sein ganzes früheres Leben abgespielt hatte,
Gießen, die Stätte seiner Jugend-, Schul- und Studienzeit,
des Wirkens in seinen besten Mannesjahren und der Ent-
stehung seiner sämtlichen schriftstellerischen Werke. Da-
mit hat auch sein mit der Ludoviciana so enge verknüpftes
Leben das unmittelbare Interesse für diese verloren. Die
Schilderung der folgenden Jahre seines Lebens, das am
L4. Februar 1829, fast 14 Monate vor demjenigen seines
jeliebten Landesfürsten, den er ja nicht zu überleben ge-
nrünscht hatte, geendigt hat, würde nicht als ein „Reitrag
:u der Geschichte der Universität Gießen" angesehen werden
:önnen. Dazu kommt, daß die Darstellimg der staats-
nännischen Tätigkeit Grolmans, die in der bewegten Zeit
ler Entstehung der hessischen Verfassimgskunde beginnt,
>ei dem Mangel einer ausführlichen Darstellung der hessi-
jchen Geschichte des gleichen Zeitraums ein so ausführ-
iches Eingehen auf diese erfordern würde, daß sie den hier
:u Gebot stehenden Raum weit überschreiten müßte. Es
lürfte daher gewiß gerechtfertigt erscheinen, daß die Gie-
Jener Zeit Karl Ludwig Wilhelm von Grolmans hier
üs ein abgeschlossenes Ganze behandelt ist, und die Dar-
stellung des letzten Teils seines Lebens der Zukunft über-
assen wird.
XIII.
Ein Gießener Professor als hessischer
Staatsminister.
Von Julius Reinhard Dieterich.
Fürst Bismarck bespriclil im einleitenden Kapitel seiner
„Gedanken und Erinnerungen" den auffälligen Umstand, daß
Preußen seit den Tagen Friedrichs des Großen bis auf seiiie
eigene Zeit so arm an einheimischen Diplomaten gewesen
sei. So begegneten uns als Vertreter der preußischen Könige
an auswärtigen Höfen fast aiisschließUch Träger ausländi-
scher Jiamen, die man zum Teil aus fremden Diensten über-
nommen habe. Nicht nur dies! Auch die erfolgreichsten
preußischen Feldherren, so beschließt er seine Erörterungen.
die Blücher, Gneisonau, Moltke und Goeben, seien „keine
preußischen Urprodukte, ebensowenig wie im Zivildienste
btein, Hardenberg, Hotz und Grolman", gewesen.
Es ist sicher kein Zufall, daß wir die gleichen Beobach-
tungen, wie Bismarck bei Preußen, bei den meisten deutschen
Staaten des ausgehenden achtzehnten und in der ersten
Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts machen. Gberall
stoßen wir in den leitenden Stellen des Heeres, im diploma-
tischen Dienst, in den Ministerien und Staatskanzleien auf
landesfremde \md zum Teil nichtdeutsche Namen.
Die Ursachen für dieses merkwürdige Zurücktreten des
einheimischen Elements sind wohl in vielen Fällen dieselben
oder ähnliche gewesen wie in Preußen. In der Landgraf-
schnft Hessen-Darmstadt haben dazu außer der AbneigunE
Ein Gießener Professor als hessischer Staatsminister. 463
des Adels gegen die diplomatische Laufbahn und der Enge
des Gesichtskreises der herrschenden Bureaukratie, wie sie
Bismarck für Preußen feststellt, noch eine Reihe weiterer,
unten erörterter Gründe mitgewirkt. Tatsache ist aber auch
hier, daß in den Zeiten der letzten Landgrafen und des
ersten Großherzogs fremde Elemente im Zivil- wie im Militär-
dienste die erste Rolle gespielt haben.
Karl Friedrich von Moser, der Vorgänger des Sachsen
Christian Hartmann Samuel Gatzert, dessen staatsmännische
Tätigkeit den Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen
bilden soll, war ein Schwabe, Gatzerts Nachfolger, Karl
Ludwig von Barkhaus-Wiesenhütten, der Sproß einer Alt-
frankfurter Kaufmannsfamilie. Der hervorragendste hessi-
sche Minister des neunzehnten Jahrhunderts, Karl du Bos
du Thil, der 1829 den Hessen v. Grolman^ ablöste, gehörte
einer im Solms-Braunfelsischen heimisch gewordenen Huge-
riottenfamilie, Reinhard v. Dalwigk, du Thils Nachfolger,
dem niederhessischen Adel an. Nennen wir daneben den
Kurhessen v. Pappenheim, die Hannoveraner v. d. Bussche
und V. Düring, den Holländer v. Oyen, den Engländer Graf
Jenison-Walworth, dann haben wir auch zugleich die Mehr-
zahl der hervorragenden militärischen Namen aus der Zeit
Ludwigs IX. und X. (I.) hergezählt.
Woher kam diese Bevorzugung der Fremden?
Die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt umfaßte unter den
beiden letzten Landgrafen mit der seit 1736 mit ihr vereinig-
ten Grafschaft Hanau-Lichtenberg rund 500 Quadratkilometer
mit etwa 270000 Einwohnern. Sie war zu klein und zu eng,
lun einen geeigneten Nährboden für das Heranwachsen her-
vorragender Staatsmänner und Soldaten abzugeben.
Die Reichsgeschäfte der Landgrafen beschränkten sich
seit dem Frieden zu Hubertusburg und bis zur Zeit der
Koalitiouskriegc gegen die französische Republik im wesent-
lichen auf die Teilnahme an den Verhandlungen des alters-
schwachen und würdelosen Reichstags zu Regensburg, auf
dem nach einem Worte du Thils die Politik „mit Folianten
der Reichsabschiede und der Reichshistorie** gemacht wurde,
und auf die Beschickung des oberrheinischen Kreistags zu
Frankfurt a. M., der im kleinen ein Abbild des jämmerlichen
Regensburger Reichstags darstellte.
Regensburg ist in jener Zeit alles andere eher gewesen
als eine hohe Schule für Diplomaten und Staatsmänner.
1 Die Familie Grolman war übrigens auch landesfremd, sie stammte
aus Westfalen.
464 Julius Beinhard Dietericb.
Schon die Tatsache, daß Hessen-Darmstadt beim Reichstag
über ein Jahrzehnt durch einen unfähigen, pedantischen und
geschwätzigen Gesandten, den bei Freund und Feind gleich
gering geachteten Geh. Rat v. Schwarzenau, vertreten war,
beweist uns, wie wenig Gewicht auch der Landgraf auf
die Reichstagsverhandlungen legte. Am Hofe des Kaisers
selbst, in Wien, ließ er in der Regel seine Geschäfte durch
untergeordnete Agenten und Residenten führen, die mit-
unter zugleich noch andere kleine Reichsstände vertraten,
und bei deren Auswahl wohl nur zu oft weniger die Geschick-
lichkeit als ihre geringen Anforderungen an den Staatssäckel
den Ausschlag gaben.
Landgraf Ludwig IX. ist, wie sein Sohn in der ersten
Zeit seiner Regierung und in den Jahren nach dem Sturze
des Staatsministers v. Barkhaus, sein eigener Minister des
Auswärtigen gewesen. Ein nicht ungeschickter, energischer
und zielbewußter, aber vorurteilsvoller und eigensinniger
Minister !-
Im großen und ganzen erschöpften sich die auswärtigen
Geschäfte der Landgrafschaft in jenen Tagen in Grenz-,
Geleits- und Lehnsstreitigkeiten mit den Nachbarn, in Ver-
handlungen über Münz- und Zollfragen und über die Durch-
märsche fremder Truppen und ähnliches mehr \md endlich
in der Pflege der nicht inmier freundschaftlichen Beziehungen
zu dem mächtigeren Bruderstaate Hessen-Kassel.
Der nicht sehr zahlreiche Adel der Landgrafschaft —
der fürstliche Lehnhof umfaßte um 1790 nur rund ein halbes
Hundert adeliger Familien — hielt sich von jeher, besonders
aber 'seit dem Regierungsantritt des seiner Ritterschaft wenig
günstig gesinnten Landgrafen Ludwig IX. fast ganz von den
Militär- und Zivildiensten zurück. Unter der höheren Be-
amtenschaft des Landes finden wir zu seiner und zu Lud-
wigs X. Zeiten einep einzigen Vertreter des hessischen
Adels. Auch die Offizierslisten des Pirmasensers weisen nur
einen Namen der hessischen Ritterschaft auf. Unter den
mehr als hundert Adeligen, die unter Ludwigs X. Fahnen
dienten, kommt nur ein knappes Dutzend hessischer Edel-
leute vor. Übrigens bestand das Offizierkorps vorwiegend
aus Bürgerlichen.
2 So hat er beim Abschlüsse des Fürstenbunds 1785 aus einer an
sich durchaus achtenswerten, aber unzeitgemäßen Ehrfurcht vor der
brüchigen Reichsverfassung das einstimmige, sicher unter dem Einflüsse
Gaizerts entstandene Gutachten seines Geheimen Rats, der sich für den
Anschluß an Friedrich den Großen aussprach, zugunsten einer unklugen
Neutralitätspolitik verworfen und sich so die Sympathien beider Parteien,
der Preußen wie des Kaisers, verscherzt.
Ein Gießener Professor als hessischer Staatsminister. 465
Da auch die Matrikel der Landesuniversität in jenen
hrzehnten nur sehr wenige adelige Namen aus Hessen ver-
ichnet, wird der hessische Adel, soweit er nicht in fremden,
kaiserlichen, holländischen und anderen Militärdiensten
tnd, vorwiegend der Bewirtschaftung seiner Güter gelebt
ben. Als (inmd für dieses Fernbleiben aus don Diensten
•es Landesherrn wird einmal in einer Denkschrift der
tterschaft die Zurücksetzung vorgeschützt, „welche die
ssischen Ritter im inländischen Dienste erführen, und
) sie zwänge, im Ausland ein Fortkommen zu suchen**.
In der Tat war das Verhältnis des Adels zu den Land-
ifen, namentlich aber zu Ludwig IX., nicht das beste,
if den Landtagen hat die Ritterschaft unter der Führung
r Erbmarschälle zumeist in der schärfsten Opposition ge-
mden. Mit ihr hat, wie wir sehen werden, Minister Gatzert
ine erbittertsten Kämpfe führen müssen.
Auf der anderen Seite stellte die Beamtenschaft des
ndes, in deren Reihen Gatzert durch das Vertrauen seines
rsten berufen wurde, eine fest zusammengefügte, jedem
rtschritt abholde Kaste dar. Sic rekrutierte sich aus einer
rhältnismäßig kleinen Anzahl von Familien. Einzelne
iter verblieben oft mehrere Generationen hindurch in
lem und demselben Hause. Der Sohn erhielt die Anwart-
laft auf die Stelle seines Vaters, die „Exspectivierung**.
m konnte so fast von einer Erblichkeit dieser Stellen
rechen.
Wie jede Kaste, schloß sich auch die hessische Bureau-
atio eifersüchtig gegen jeden Zuwachs aus den unteren
assen und aus der Fremde ab. In der Gesetzgebung des
ndes genossen die „Honoratioren** besondere Vorrechte
r Bürgern und Bauern. Man ging sogar zur Zeit Lud-
gs X. mit dem Gedanken um, in Darmstadt ein besonderes
[onoratiorengefängnis** zu bauen.
Dem Sohn des kleinen Mannes war nicht nur der Zutritt
den höheren Beamtenstellen so gut wie verschlossen,
s Studium wurde ihm sogar nach Möglichkeit erschwert,
e Stipendien an der Landesuniversität waren vorw^eg für
3 „Honoratiorensöhne** bestimmt; es sollte, wenn es an-
ige, ganz vermieden werden, daß durch Handwerker- und
Luemsöhne „andere von Jugend auf zur Wissenschaft erzo-
ne und durch ihren Stand bestimmte Leute verdrängt*'
irden.
Ludwi«: IX., der selbst durch eine jahrelange Abwesen-
it aus seinen Stammlanden die Mißstände in seiner Be-
Bciträge z. Gesch. d. üniversitAtcn Mainz u. Gießen. 30
406 Julius Reinhard Dieterich.
amtenschaft in erster Linie verschuldet hatte, konnte,
trotzdem er gelegenthch einmal in seiner derben Weise
dazwischenfnhr^, auf die Dauer nichts gegen die festge-
schlossene Phalanx der vielfach untereinander versippten
Bureaukratie ausrichten. Erst Ludwig X. hat hierin allmäh-
lich Wandel schaffen können, und daß es ihm gelungen ist,
verdankt er nicht zuletzt einem Fremden, dem von seinem
Vater in den Geheimen Rat berufenen Gießener Professor
Christian Hartmann Samuel Gatzert.
Der Haß gegen die fremden Eindringlinge^ die den ein-
heimischen Honoratioren das Brot wegnahmen, hat wesent-
lich zu dem Sturze des größten Staatsmannes mitgewirkt,
den Hessen-Darmstadt im achtzehnten Jahrhundert besessen
hat. In dem Kampfe, den Karl Friedrich von Moser nach
seiner Entlassung gegen den Fürsten führte, der iltn ins
Land berufen und fast ein Jahrzehnt gegen die versteckten
und offenen Angriffe seiner Kollegen und Untergebenen ge-
schützt hatte*, trat der Ingrimm der Einheimiscben gegen
den Fremdling oft in der häßlichsten Form zutage.
Mit diesem Hasse hatte auch der Mann zu kämpfen, der
in vieler Hinsicht die Erbschaft Karl Friedrichs v. Moser
antrat, derselbe Mann, der in dem Kampfe Ludwigs IX.
^ So resolvierte er auf das Referat vom 20. Februar 1790, durch
das einem Handwerkersohii das Studium erschwert werden sollte, in den
scharfen Worten : „Ich statuire absolute kein Monopolium in diesem Fall.
Ich habe Exempei, daß Bauern- und Soldatensöhne weit besser ausgefallen
sind, als die Kinder der Geheimbden und anderen Räthe. Jene verlassen
sich nicht auf Protektionen, die diese mit auf die Welt bringen, und so
wenig die Geschicklichkeit angeerbet und durch das Hoch- und Wohl-
geborene Blut fortgepllanzet wird, so sehr bemühen sich im Gegenteil
arme hilflose Kinder, sich durch wirkliche Geschicklichkeit fortzubringen."
* Eine scharfe Abfertigung der Fremdenhasser stellt die Resolution
des Landgrafen auf die Eingabe der Landstände gegen die Bevorzugung
der Fremden vom 13. April 1776 dar. „In der Annahme derer Bedienten",
so lieißt es hier, „sie seyen Landeskinder oder fremd, lassen Wir uns
ninmiermehr die Hände binden, hätten Wir keine frembie Diener ange-
nommen, wie z. E. der Präsident von Moser ist, so wäre das Land und
dessen Interesse so wenig als das Meinige gewahrt, und die Erfahrung
lehrt, daß je mehr Frembde eingeschaltet werden, je mehr Emulation
gibt. es. und je weniger Hoffnung oder Rechnung haben sich die im Land
getKirenen Ignoranten auf Beförderung zu machen, die sich in vorigeQ
Zeiten darauf verlassen haben, die Bedienungen seien erblich, sie mögen
etwas oder nichts leisten, könne es Ihnen nicht fehlen; es gehet just wie
bei einem Ilejiiment, je mehr Nationen darunter sind, je größer ist der
Ehrgeiz und die Ambition, und in denen größten Staaten suchet man
getreue und jieschickte Subjecta, ohne sich zu erkundigen, wes Landes
Kinder sie sind.
Ludwig, Landgraf zu Hessen."
Ein Gie&ener Professor als hessischer istaatsmi nister. 467
gegen Moser die stärkste Stütze des Landgrafen war :
Christian Hartmann Samuel fiatzert. Seine erbit-
tertsten Gegner hat auch er unter den Mitgliedern der Körper-
schaft gefunden, die ihn dem Landgrafen zur Berufung nach
Darmstadt vorschlug, in dem fürstlichen Geheimen Rat, der
etwa dem heuligen Gesainlministcrium entsprach.'
* Der Geheime Rat, dessen MitiilieOcr zuweilen auch Minister genannt
nnrilen, bestand zu Mosers Zeit aus dem PräsiiU'ntcn sUmllJcbcr
Landcskolle^ien, Moser selbst, lU-t aber zu^leirh Präsident der Regie-
rung zu Darnistadl. Präsidpnl der l,Jiiidli(iinniisaion und der Genera ikasse-
deputation war, und aus vier Geheimen Hiilt-n : dein Präsidenten des
Oberappellat Jonsgerichts, ilen Direktoren der Regierung(>ii zu {Hellen und
468 Julius Reinhard Dieterich.
Nachdem der seitherige Oberappelationsrat Neurath
durch einen ehrenvollen Ruf ans Reichskammergericht dem
hessischen Staatsdienste entfremdet war, schlugen die Ge-
heimen Räte zu seinem Nachfolger den Gießener Professor
der Rechte Gatzert vor. ,,Er besitzt", so empfiehlt ihn das
Referat vom 19. Januar 1782, „neben einem rechtschaffenen
Charakter außer der bürgerlichen Rechtsgelahrtheit eine
solche Stärke im deutschen Lehn- und Staatsrecht**, daß er
es verdient, außer der Stelle am Oberappelationsgericht noch
die Stelle eines „Publicistcn und Deducenten des Fürstlichen
Hauses** zu bekleiden, „um die Publica des Fürstlichen
Hauses und die Streitigkeiten mit denen benachbarten und
anderen Ständen** zu führen. Gatzert solle, so schlugen die
Minister vor, das Referat darüber im Geheimen Rat über-
nehmen imd in diesem als Geheimer Referendarius Sitz und
Stimme haben.
Ihnen, wie Landgraf Ludwig IX. selbst, kam es vor
allem darauf an, in den wichtigen Prozessen, die damals
gegen Hessen-Darmstadt beim Reichshofrat in Wien an-
hängig waren oder, wie der Prozeß Moser, in Aussicht
standen, einen im Reichsrecht wohlbewanderten Helfer und
Führer zu werben. Der Landgraf stimmte deshalb freudig
zu, und Gatzert, der „in denen unangenehmen Collisionen,
worinnen er mit seinen Collegen stehet, des Professors Leben
mid des so oft vorkommenden Vortrags einerley Wahrheiten
von Herzen müde** war, nahm die Rerufung an. Schon ain
22. Februar 1782 hat ihn der Landgraf „als einen bekannt-
lich geschickten und ehrlichen Mann** zum wirklichen Ge-
heimen Rat ernannt.
Gatzert ist dem Versprechen, seinem Adoptivvaterlande
nach Kräften zu dienen, treu geblieben. Dald nach seinem
Eintritt in den hessischen Staatsdienst trat eine verlockende
Berufun»:; an das Reichskammergericht an ihn heran. Die
ihm in Aussicht gestellte Besoldung war glänzend, das Ein-
kommen, (las er in Darmstadt erreichen konnte, weit ge
rin<i,er. Trotzdem ist er in seinem Entschlüsse, bei Landgraf
Ludwiir IX., dessen Vertrauen er sich in kurzem erworben
Duniisladl und dorn Kammcrpräsidonton, der zugleich Präsident des ObtT-
forsfanils und der Kriejiskonnnission war. Nach Mosers Entlassung Miel'
die Stelle eines ,, Präsidenten aller Landeskollejrien" unbesetzt. Bei (iatzert^
Killt ritt bestand der Geheime Hat aus dem l)irektor der Generalkasse v.
Hesse, dem Direktor der ReKierunti zu Darmstadt v. Miltenberg, doiu
Kammerpräsidenten Klipstein und d<Mn Präsidenten des Oberappellatiom-
«ijerirhis Hofmann. Von 1787 bis zum Kintritt des Geheimen Rats v. Bark-
haus-Wiesenhiitlen (17^)8) bestand der Geheime Rat nur aus drei Gliedern:
V. Hesse, Gatzert und Lehmann.
Ein Gießener Professor als hessischer Staalsminister. 469
lattc, auszuharren, nicht wankend geworden. Er hat seine
Vblehnung des Rufes nach Wetzlar nicht zu bereuen gehabt,
n Wetzlar wäre er zwar auch nur, wie in Darmstadt, Mitglied
»ines Kollegiums gewvirden. In Darmstadt hat er abc^r schon
lehr bald seine Kollegen überflügelt und einen Einfluß er-
angt, wie er ihn als Kammergerichtsbeisitzer nie hätte er-
eichen können. Beide Landgrafen, denen er diente, haben
hu im Laufe der Zeit mit Ehrenstellen und Auszeichnungen
iberhäuft. Sie haben ihn auch schließlich so gut gestellt,
laß die finanzielle Einbuße, die er durch den Verzicht auf
las Reichskammergerichtsassessorat erlitt, mehr als aus-
;eglichen wurde.
Als „Publicist und Deducent des fürstlichen Hauses**
mtfalteteGatzert eine eifrige, erfolgreicheTätigkeit. Er führte
lie verzweifelten Prozesse des Landgrafen am Reichshof-
at mit soviel Geschick, daß die in mehr als einem Falle
Irohende Reichsexekution vermieden wurde. In der Mainzer
vlostersache« ergriff Ludwig IX. auf sein Betreiben Re-
kurs an den Reichstag, und hier hat Gatzert als geschickter
Vnw^alt seines Herrn die Vertagung der Sache durchgesetzt.
Me ist erst durch die Umwälzungen am Anfang des neun-
:ehnten Jahrhunderts, mit dem Übergang eines Teils der
•echtsrheinischen Mainzer Ämter an Hessen, aus der W^elt
geschafft worden.
Der wichtigste Prozeß, der gegen den Landgrafen beim
leichshofrat anhängig wurde, war der des gewesenen hes-
lischen Ministers v. Moser. Über das Maß des Rechts und
Jnrechtp auf seiten der Parteien, Mosers und des Land-
grafen, ist schwer zu urteilen. Die Tatsache, daß gegen
^foser tumultuarisch und nicht nach strengen Rechtsbegriffen
rorgegangen wurde, hat Gatzert später selbst zugegeben.
)ie infamierende Entlassung, die finanziellen Schädigungen
les Entlassenen und seines Bniders, die der leidenschaftliche
^andgraf verfügte, überschritten das Maß des Erlaubten. Auf
1er anderen Seite hat sich der gewesene Minister schwere
k^erfehlungen in seinem Amte und gegen seinen Landesherrn
zuschulden kommen lassen. In dem Prozesse war Moser
nsofern im Vorteil, als er die Gunst des Kaisers besaß,
foseph II. hat ihn 1781, als er beschwerdeführend in Wien
<> Landgraf Ludwig IX. liatto die in seinom Gebiete liojjendcn Güter
md Gefälle der zugunsten des Mainzer Universitätsfonds aufgehobenen
vlöster eingezogen, war aber in dem vom Erzbischof beim Reichshofrat
mhängig gemachten Prozesse unterlegen, zur Herausgabe der beschlag-
lahmten Stücke verurteilt worden und auf seine Weigerung hin der
leicbsoxekution verfallen.
470 Julius Reinhard Dieterich.
erschien, zum Reichshof rat, also zum Mitglied des höchsten
Gerichtshofs selbst, an dem der Prozeß zur Entscheidung
kommen mußte, ernannt und ihm die Stelle eines ersten Etats-
rats in Wien angeboten. In der Tat ergingen verschiedene
Urteile des Reichshofrats gegen den Landgrafen, und es hat
der ganzen Geschicklichkeit eines im Reichsrecht so gut be-
schlagenen Juristen, wie Gatzert es war, bedurft, um die
auch hier drohende Reichsexekution abzuwenden oder
wenigstens hinauszuschieben. Gatzert ist die Seele des Pro-
zesses gegen Moser geworden. Auch zu dem publizistischen
Kampfe gegen die Pamphlete Mosers hat er die Richtlinien
gezogen und das Material geliefert. Die Folge davon war,
daß Moser auch ihn in der leidenschaftlichsten und ge-
hässigsten Weise angriff. Gatzert verrichte Scharfrichter-
dienste an ihm. „Scharfrichterdienste an ihm getan zu
haben", schreibt daraufhin der Landgraf in seiner bissigen
Weise, „ist unwahr; denn sonst müßte der Kopf hunten
liegen, und Ich wünsche, daß dieses noch geschehen kann**.
Durch diese seine Tätigkeit in der Moserschen Sache war
Gatzert dem Landgrafen bald unentbehrlich geworden. Seine
Dankbarkeit für die Hülfe drückt Ludwig IX. inuner wieder
in den wärmsten Worten aus. Zweimal hat er in offenen
Briefen seinen Diener gegen die Angriffe des Exministers in
Schutz genommen und ihm sein Wohlverhalten bezeugt.
Gatzert war in der Tat in der erbitterten Fehde die stärkste
Stütze Ludwigs, der im Gegensatze zu ihm die Unfähigkeit der
übrigen Darmstädter Geheimen Räte in der schärfsten Weise
betont.
,, Drittens ist uns bekannt", heißt es z. B. in seinem Briefe
vom 9. August 1784, ,,daß die übrige Herrn Geheimde Käthe
ebenfalls darinnen (d. h. im Reichsrecht) nicht weit gekommen
sind, und außer dem Herrn Geheimden Rath in wichtigen Sachen
wenig leisten können.
Geh. Rath v. Hesse ist ein Musicus, wäre einsmals zu
Frankfurt h mit Schulz, rühmte bei der retour blos seinen Empfang,
so daß Schulz endlich sagen mußte, wir müssen doch auch dem
Prinzen von der Haupt Sache sprechen.
Klipstein ist abgearheitet, und verstünde ehedessen was
vom Keichs Prozeß.
Miltenberg ist vor dem Sporer Thor bekannt' und nahm
Antheil an der Juden Parthien.**
"* In Kranichstoin? Bei dorn Erbprinzen? Daß Ludwig IX. auf
seinen Sohn eifersücbtiji war, ist bekaiuit. Haben sich die Minister mit
dorn Thronerben wider den Willen des Vaters gut gestellt? Auch Gatzert
hat schon frühe die Beziehungen zu dem späteren Landgrafen Ludwig X.
gepflegt. Oder soll der barocke Ausdruck nur die Enge des Gesichts-
Ein Gie&ener Professor als hessischer Staatsminister. 471
Lehmann ist wegen seines Hochmuths und Eigensinn von
Zweybrücken weggekommen.
Dem Herrn Geh. Rath Gatzert müssen Wir aber das Zeugnis
ertheilen, daß Er der einzige ist, der nach Unserm Willen und
Beyfall arbeitet, und als Geh. Rath Praestanda praestiren kann,
und seinen Zirkel ausfüllet.
Seit Aö 1741 habe ich die Geister gerufen^ und meine
Diener kennen lernen. Wären die übrigen Geheimde Räthe nicht
gewesen, und hätten sie ihre Schuldigkeit gethan, So wäre Moser
nicht in den Dienst gekommen. Wenn also wieder eine Stelle
im Geheimden Rath erledigt werden sollte. So werde Ich einen
Mann erwählen, der auch arbeiten und wie der Herr Geheimde
Rath Dienste mit Beifall und Ehre thun kann, und mit welchem
ich wohl zufrieden bin.
Der Herr Geh. Rath Musicus ist ebenfalls vor dem Jäger thor«
nicht unbekannt.**
Aus dieser Charakterisierung der Minister geht hervor,
wie gering Ludwig IX. seine Geheimen Räte, wie hoch er da-
gegen Gatzert einschätzte. Ludwigs Briefe und Resolutionen
sind überhaupt erfüllt von starken Ausfällen gegen die Darm-
städter Beamtenschaft, die „Honoratioren*'.
Daß die Zustände in diesen Kreisen auf die Dauer un-
haltbar waren, konnte einem Manne wie Gatzert nicht ent-
gehen. An seinem Teile hat er redlich dazu beigetragen,
Besserung zu bringen, in seinen eigenen Kreisen hat er
wenigstens mit eiserner Faust Ordnung geschafft.^^
Im Jahre 1785 übertrug ihm der Landgraf, ohne auf
die Einwände der übrigen Geheimen Räte zu hören, neben
dem Direktorium im Oberappelationsgericht, das ihm bald
nach seinem Eintritt in den Staatsdienst zugefallen war,
auch noch die Stelle eines Direktors bei der Darmstädter
Regierung. Aus den Berichten Gatzerts an Ludwig IX. und
den Vorschlägen, die er machte, um den Geschäftsgang bei
den ihm unterstellten Kollegien zu verbessern, können wir
entnehmen, welche Zustände bei dieser Behörde herrschten.
Zwei von ihm entworfene scharfe Verordnungen aus
den Jahren 1785 und 1786 versuchten dem Unwesen zu
steuern. Schon aus den drakonischen Strafen, die hier
kreiscs der beiden Minister andeuten? Vielleicht dürfen wir darin auch
einen Hinweis auf einen lockeren Lebenswandel des Getadelten sehen?
8 Eine mir unverständliche Anspielung.
^ Ludwig IX. schrieb sich die Oa!)e des Hellsehens zu.
10 Gatzert hatte schon als Gießener Professor Erfahrungen auf diesem
Gebiete sammeln können. Er hatte im Winter 1778/79 dem Grafen von
Solms-Rüdelheim bei der Neuorganisation der Verwaltung der Grafschaft
mit Hat und Tat Beistand geleistet.
472 Julius Reinhard Dieterich.
angedroht werden — einjährige Suspension ab officio et sa-
lario, Kassation u. s. f. — , schließen wir, wie notwendig ein
rücksichtsloses Eingreifen w^ar.
Über den Erfolg können wir den Akten nichts entnehmen.
Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß sich die Verhält-
nisse in der Beamtenschaft, nicht zum geringsten durch
Gatzerts Tätigkeit und wohl auch durch sein Beispiel der
Pflichttreue, langsam, aber stetig gebessert haben. Die Klagen
sind freilich noch lange nicht verstunmit. Aus verschiedenen
Äußerungen Ludwigs X. können wir entnehmen, daß unter
ihm noch bei vielen Behörden ähnliche Zustände, wie bei
der Darmstädter Regierung zur Zeit ihrer Übernahme durch
Gatzert, herrschten. So spricht Ludwig in einer Resolution
vom 30. Juni 1794: „von denen räudigen Dienern, die ich
dorten (in Gießen) habe". „Auf diese schlechten Leute**
sei ein wachsames Auge zu haben, „damit ich im Nothfall
mit einem solchen ein frappantes Beispiel geben kann".
Gründlichen Wandel in dieser Hinsicht hat erst die große
Erzieherin, die Not, geschaffen. Die Neuorganisation Hessens
nach dem Reichsdeputationshauptschluß hat ein anderes
tüchtigeres, pflichttreueres Geschlecht vorgefunden. ^^
Freilich: viele Freunde wird dem rücksichtslosen, tat-
kräftigen Manne dieses Vorgehen nicht gerade geworben
haben. In dieser Hinsicht teilte Gatzert das Schicksal seines
größeren Vorgängers und Gegners, Karl Friedrichs von Moser.
Gleich Moser hat er sich, zu der Gegnerschaft seiner
Amtsgenossen und Untergebenen, noch die erbitterte Feind-
schaft der hessischen Landstände, besonders aber der Ritter-
schaft zugezogen. Die Kämpfe, die er mit diesen auszu-
fechten hatte, haben seine ganze Darmstädter Amtszeit von
seinem Eintritt in die Dienste Landgraf Ludwigs IX. (1782)
bis zu seiner Abordnung zur Rastatter Reichsfriedensdepu-
tation (1797) erfüllt.
Sie hoben mit 1782, wenige Monate nach seiner Über-
siedlung nach Darmstadt, an. Er hat den Verhandlungen des
landständischen Rechnungstages im August dieses Jahres
als fürstlicher Kommissarius beigewohnt und hier ziun
erstenmal Gelegenheit gefunden, sich auszuzeichnen. Er hat
auch in der Folge dieses Amtes auf den Landtagen und
^^ Gatzert hat auch, wie wir sehen werden, bei der Neuorganisation
der rechtsrlieinischen Ämter der Grafschaft Hanau-Lichtenberg die erste
Rolle gespielt. Auch hier hatte er mit ähnlich verrotteten Zuständen zu
kämpfen, wie 1785 86 hei der Darmstädter Hegierimg, auch hier hat er
talkräftig durchgegriffen und Besserung bewirkt.
Ein Gieüener Professor als hessischer Stautsminister. 473
agungen der laiidsläudischen Ausschüsse zur großen Zu-
riedenbeit seiner fürstlichen Auftraggeber gewaltet. Der
echte Mann am rechten Platze, vertrat er hier die Rechte
einer Herren in den schwierigsten Lagen und gegen gefähr-
che Gegner. Mit unermüdlichem Eifer, scharf und rück-
ichtslos, dabei aber mit einer Klugheit und Geschmeidig-
eil, die ihm nachhaltige Erfolge zeitigten, hat er die Ver-
andlungen der Stände in des Wortes voller Bedeutung
eleitet.
Gatzert, der zu Mosers Zeiten als Vertreter der Landes-
niversität von der Prälatenbank aus, auf der die Abgeord-
eten der Hochschule saßen, zeitweilig selbst der Regierung
charf opponiert hatte, trat jetzt den unbotmäßigen Ständen
Is ein erklärter Anhänger des fürstlichen Absolutismus ent-
egen. Er hat, wie die beiden Landgrafen, denen er diente,
US seiner Abneigung gegen das landständische Wesen kein
[ehl gemacht. Eine Auflösung des Landtags freilich, mit
er er gelegentlich spielte, oder gar seine Abschaffung, die
rst im Jahre 1806 unter veränderten Zeitumständen er-
)lgte, konnte er aus Rücksicht auf die Staatsgläubiger, denen
ie Stände verbürgt waren, nicht wagen. Er hat sich deshalb
lit ihnen, so gut oder schlecht es ging, verständigen müssen.
Gatzert suchte vor allem durch eine kluge Nachgiebigkeit
n kleinen den guten Willen der „kapriciösen" Ritterschaft,
ie unter Führung der Erbmarschälle die hartnäckigste
fegnerin der Forderunj^en ihrer Landgrafen und uner-
lüdlich im Vorbringen von „Desiderien" und Besch\verden
rar, zu gewinnen. Gelegentlich hat ihm die Beliebtheit des
rbprinzen, des späteren Landgrafen Ludwig X., Vorspann
eisten müssen, um die Stände günstig zu stimmen. Er hat vor
eni Rechnungstagc Juni/Juli 1794, um die Mißvergnügten
u beschwichtigen --- das ganze Land seufzte unter den
lilitärlasten -, den Landgrafen dazu veranlaßt, den Vätern
Her im Felde stehenden und der neu zum Dienst eingc-
ogenen Soldaten eine halbjährige Kontribution zu erlassen,
.udwig IX. hatte in einem ähnlichen Falle Gatzerts Vor-
chlag, die einflußreichsten Vertreter der Landstände durch
esonderc Liebenswürdigkeiten und Verwilligungen vor der
'agung kirre zu machen, als seiner unwürdig abgelehnt. ^-
V'o es anging, spielte der Minister nach dem Grundsatze *di-
ide et impera' die Vertreter des einen Standes gegen die
^2 „Weil ich den ohnehin scliiihnjicn guten Willen eines jeden Lands
tands pegen seinen Landesherni nicht zuvor capliviren und überhaupt
leiner Neigung denio guten rechtschaffenen Manne Zufriedenheit zu be-
eugen, nicht schon jetzo eine Gene geben will."
474 Julius Reinhard Dieterich.
anderen, die Städte etwa gegen die Ritter und Prälaten aus.
Im äußersten Falle aber scheute er selbst nicht vor der
offenen Drohung mit der Ungnade und Rache des Fürsten
zurück. Die Klagen über das schroffe Auftreten des fürst-
lichen Kommissars, dem alle Mittel recht schienen, um seinen
Auftraggebern Vorteile zu verschaffen, waren deshalb sicher
nicht unberechtigt.*'
Gatzerts außerordentliche Gewandtheit mit Wort und
Feder, seine ausgebreiteten Kenntnisse im Staats- und Lehn-
recht kamen ihm bei den Verhandlungen der Landstände
sehr zu statten, vor allem aber der Umstand, daß sich im
Kreise der Prälaten, zu dem auch seine früheren Kollegen
von der Landesuniversität rechneten, der Ritter imd Städter
kein Einziger fand, der ihm an schlagfertigem Wissen auch
nur einigermaßen gewachsen gewesen wäre.
Die Erfolge blieben nicht aus. 1782, um nur die Haupt-
tagungen zu erwähnen, hat Gatzert nach heftigen Kämpfen
sämtliche Forderungen des Landgrafen bis auf einige ge-
ringe Abstriche durch- und sich so in der Gunst Lud-
wigs IX. festgesetzt. 1790 verschaffte er dem jungen Land-
grafen zu seinem Regierungsantritt ein reicheres don gratuit,
als es seither herkömmlich war, und der Landgräfin ein über
alles Erwarten großes Geschenk der Landstände.** Auf dem
Notlandtage 1792, der diesmal in Gießen, wohin sich der Hof
vor den Franzosen zurückgezogen hatte, abgehalten wurde,
setzte er es bei den Landständen durch, daß sie, freilich
nicht ohne die Sicherung durch eine Generalhypothek auf
sämtliche Einkünfte der Landgrafschaft, die Bürgschaft für
ein vom Landgrafen aufzunehmendes Kapital von 600000 11.
übernahmen.
^'' Als Beispiel für die Art, in der Gatzert mit den Landständen verfuhr,
sei hier das scharfe Mandat wiedergegeben, das er bei Gelegenheil des
Gießener Rechnungskongresses am 24. Juli 1794 an die Abgeordneten erließ:
„Da es denen Landständischen Herrn Deputirten geftällig gewesen, l)ei der
Session des gegenwärtigen Congresses gegen Observanz ohne Degen zu
erscheinen, so muß fürstliche Kommission diese befremdliche AVillkühr
um so mehr durch gegenwärtiges zur protokollarischen Rüge bringen, als
solches den repraesentativen Verhältnissen derselben eben so wenig an-
gtniessen, als dem Herkommen und der feyerlichkeit der Zusammenkunft
enti^prechend ist".
1^ Bei der Verteilung der Summen, die das fürstliche Ehepaar von
diesen Verwilligungen zu wohltätigen Zwecken bestimmte, erwirkte Gatzert
wie er selbst in einem Briefe an den Rektor mitteilt, 10000 fl. für die
schon lan«ie geplante, aber inmier wieder wegen des Widerstands des
Lanrllags zurückgestellte Errichtung eines Landeshebammeninstituis
in (ließen.
Ein Gie&ener Professor als hessischer Staatsminister. 475
Den Beschwerden der Landstände gegenüber verhielt er
h meist ablehnend oder er behandelte sie dilatorisch. Ein-
.1 dagegen, bei Grelegenheit des landständischen Kongresses
5 Jahres 1794, der wieder in Gießen zusammentrat, hat er
h zum Sprachrohr der Beschwerden der Gießener
irgerschaft gemacht.
In Gießen herrschte unter den Bürgern große Unzu-
3denheit über den Wachdienst. Die Festung war von
ippen entblößt. Deshalb lag den Bürgern die Bewachung
r Stadttore ob. Da von den 700 Bürgern sich 400 unter
3n möglichen Vorwänden von dem Dienste drückten,
eben nur 300 waffenfähige Bürger zur Bewachung der
idt übrig, so daß die Einzelnen fast Tag für Tag Posten
hen mußten. Die Erbitterung in den davon besonders hart
roffenen Handwerkerkreisen war, da der altersschwache
tdtkommandant auch die Besetzung überflüssiger Posten
•langte, sehr groß. Ein Schreiner, der sich unter diesen
iständen die Franzosen herbeiwünschte, wurde ins Zucht-
iis gesetzt.
So lag die Sache, als Gatzert in Gießen eintraf, und die
rgerschaft bei ihm vorstellig ward. Der hartköpfige Stadt-
umandant, von ihm zur Rede gestellt, wollte sich auf
e Einschränkung des Postendienstes nicht einlassen. So
ndte sich der Minister in einer eingehend motivierten
igabc an den Landgrafen.
Er stellte darin die üble Lage der Bürgerschaft vor,
r schon durch den Abzug der Garnison der Verdienst
schmälert sei. Die Universität verfalle mehr und mehr.
5 zähle jetzt nur noch 140 Studenten. Ein großer Teil
r Handwerker sei brotlos. Sie murrten über den über-
ißigen Wachdienst, den sie für die Soldaten, die doch
s ihren Steuern erhalten würden, leisten müßten. Statt
innschaften nach Gießen zu schicken, beurlaube sie der
ndgraf, und sie müßten zu den Steuern auch noch die
enste der Soldaten leisten. Die Unzufriedenheit sei all-
nein. Man denke daran, eine beschwerdeführende Do-
tation an den Landesherrn zu schicken. „Kurz**, so schließt
r Minister seinen Bericht, in dem er die Sache der Gießener
m Landgrafen wann ans Herz legt, „die Lage ist kritischer,
; ich vorher vermuthete**.
Ludwig X. sagte sofort Abhülfe zu. Die schlechte Stim-
mg in der Bürgerschaft komme nicht von selbst, sondern
n den „räudigen Dienern**, die er dorten habe. „Daß wenig
jdenten sich auf der Universität befinden, ist Folge des
iegs, und daß Gießen eine (zwar erbärmliche) Vestung
476 Julius Reinhard Dieterich.
ist. Wenn diesem Krieg und dem schändlichen Professors
Krieg endlich ein Ende gemacht worden ist, so wird es
ganz anders mit der Universität aussehen. "^^
Den letzten Zusanunenstoß mit den Landständen hat
Gatzert auf dem „Rumpflandtag** von Alsfeld im Jahre 1796
gehabt. Die Stände des von den Franzosen in der
schlimmsten Weise gebrandschatzten und mit einer nahezu
unerschwinglichen Kontribution belegten Oberfürstentunis
hatten sich, mit Genehmigung des ältesten Ministers
V. Hesse, aber ohne Wissen imd Willen des in Klein-
Tschocher bei Leipzig im Exil weilenden Landgrafen, hier
versammelt, um über die Aufbringung der Gelder zu ver-
handeln.
Gatzert. traf zufällig auf seiner Rückreise von Leipzig,
wo er mit Ludwig X. über die Lage des Landes beraten
hatte, in Alsfeld mit den Ständen zusammen. Er beteiligte
sich an den Sitzungen und Verhandlungen, trotzdem er
vom Landgrafen keine Vollmacht hatte. Es kam zu heftigen
Zusammenstößen. Die Stimmung im Lande war für den
Frieden. Das Volk war aufgebracht über die Abgabe d^r
sogenannten englischen Brigade. Die Stände verlangten
deren Zurückberufung. Sie beschwerten sich über Gewalt-
tätigkeiten und Härten bei den Werbungen. Die „Gemüter
waren sehr gespannt und beschwert**. Die Ritterschaft war
für eine Anleihe in Kassel, das heißt bei dem dortisen Land-
grafen, wozu sich Ludwig X. unter keinen Umständen
verstehen wollte. Die Stände der Obergrafschaft waren über-
haupt nicht eingeladen worden, da ihnen von den Fran-
zosen eine noch viel höhere Kontribution^^ auferlegt war,
an der die Oberhessen nicht teilnehmen wollten.
Das Rumpfparlament in Alsfeld verlief so sehr stürmisch.
Näheres über die Verhandlungen wissen wir nicht, da die
Akten der Tagung verloren sind. Doch soviel steht fest,
daß der Landgraf und sein Minister im Drange der ^'ot
schließlich Zugeständnisse gemacht haben. Ludwig X., der
aufs äußerste über die eigenmächtige Berufung des Kon-
gresses und die Vorgänge in Alsfeld aufgebracht war, hat
seinen Ständen diese Überrumpelung nie vergessen.
Mit der Teilnahme am Alsfelder Kongreß schloß die
landständische Tätigkeit (iatzerts ab. Sie hatte ihm Ge-
*•' Dor Ausriruck „schändlicher Professors Krieg'* geht auf die uii-
enpiicklichon Verhältnisse, die damals schon seit Jahren in der Gießener
l^iofessorcnsrhaft herrschten, und die seinerzeit auch Gatzert den :\uf'
enthalt an der Alma niater Ludoviciana verleidet hatten.
1^ 2 .Million 11., die des Oberfürslentums betrug IV2 Million H-
Ein Gießener Professor als hessischer Staatsiiiinister. 477
?geriheit gegeben, seinem Herrn die größten Dienste zu
eisten. Seine Tätigkeit in den Staatsprozessen und auf den
•andtagen haben den Grund zu der tiberragenden Vertrauens-
tellung gelegt, die er bei Ludwig IX., mehr noch aber bei
lUdwig X. inne gehabt hat. Dem alten Landgrafen ist
atzert der vertrauteste Diener, aber immerhin nur Diener
ewesen, dem jungen dagegen ist er schon bald zum ver-
•autcsten Freunde geworden.
Wir wissen nicht, ob Ludwig IX. Gatzert überhaupt per-
inlich gekannt hat. In den letzten Jahren seiner Herrschaft
at der Landgraf Darmstadt und seine Stammlande gemieden,
as aber wissen wir gewiß, und fast jede Seite des regen
riefwechsels, der zwischen Herrn und Diener geführt wurde,
ezeugt es uns, daß Gatzert sich fast vom ersten Tage
^iner Darmstädter Wirksamkeit des vollsten Vertrauens
3ines Fürsten erfreut hat, und daß die Dankbarkeit, die
ch so oft in den Briefen Ludwigs IX. in den wärmsten
Torten äußert, wohlverdient und berechtigt war.
Näher noch als das Verhältnis zu dem Pirmasenser
aren die Beziehungen Gatzerts zu Ludwig X. und der
andgräfin Luise. Ludwig X. hat sich schon als Erbprinz
:ters den Rat des klugen und diskreten Ministers erbeten.
"ar dieser unter Ludwig IX. der bevorzugte Ratg?ber der
rone gewesen, so hat er unter dessen Nachfolger nahezu
n Jahrzehnt unbestritten die erste Rolle im Staate gespielt.
Der junge Landgraf war von seinem Vater eifersüchtig
Dil den Regierungsgeschäften fern gehalten worden. Er
ar von dem besten Willen, von einer warmen Liebe zu
;inem Volke, die immer wieder in seinen Entscheidungen
im Ausdruck kommt, beseelt, als er 37jährig die Zügel
3r Herrschaft ergriff.^^ Ein neuer, frischer, gesunder Geist
im in die Verwaltung des kleinen Landes, seitdem der
andgraf in Darmstadt selbst, in der alten Residenz seiner
tamnilande, und nicht mehr in dem weltverlorenen Pir-
asens residierte. Mit wahrem Feuereifer stürzte sich der
inge Fürst in die Staatsgeschäfte. An allem nahm er leben-
igen Anteil. Kein Ressort, in dessen Wirkungskreis er
ch nicht einmischte. Daß dabei Mißgriffe unvermeidlich
1* Unter den Pai»ieren Ludwijjs X. findet sich der Entwurf zu einer
i^rordnunjr, durch die er l)eini Antritt seiner Regierung die Leil)eigenschaft
seinen Herrscliaftsgehieten aufhel)en wollte. Die Ungunst der Zeiten,
e Franzusennot und die finanziellen Schwierijikeiten, in denen sich die
indgraf^cliaft befand, liaben es verhindert, daß dieser hocliherzige Hnt-
hluÜ schon damals zur Tat geworden ist.
478 Julius Reinhard Dieterich.
waren, nimmt uns bei ihm nicht wunder, der bis zum Tode
seines Vaters als bescheidener Privatmann im Auerbacher
Fürstenlager gehaust und wenig Gelegenheit gefunden hatte,
Staatsmann ische Erfahrungen zu sanuneln.
Das schwierigste Gebiet war das der Finanzen, die durch
die altüberkommene Verschuldung, durch die kostspieligen mi-
litärischen Passionen des alten Landgrafen und zuletzt noch
durch das Ausbleiben eines großen Teiles der Elsässer Re-
venuen in der übelsten Verfassung waren. Ludwig übernahm,
um die Einnahmen und Ausgaben seines Landes überbHcken
und regeln zu können, selbst die Verwaltung der General-
kasse. Den Vorsitz im Kriegskolleg, den er, allerdings
ohne einen bestimmenden Einfluß ausüben zu können, schon
in den letzten Jahren seines Vaters geführt hatte, behielt
er bei. Die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten,
die in einer Zeit, in der sich jene gewaltigen Umwälzungen
in Frankreich vollzogen, die auch ihn durch seine elsässische
Grafschaft in Mitleidenschaft zogen, und in der sich der
Gegenstoß der deutschen Großmächte gegen die Revolution
vorbereitete, von Tag zu Tag auch für unsere Landgraf-
schaft bedeutsamer Avurden, nahm er gleich seinem Vater
selbst in die Hand.
Auf allen diesen Gebieten, dem der Finanzen, dem
militärischen und dem der auswärtigen Politik hat der Land-
graf in den ersten Jahren schweres Lehrgeld bezahlen
müssen, auf allen dreien ist ihm aber mit der Zeit der
Minister Gatzert ein treuer Helfer und kluger Berater ge
worden, auf allen dreien hat er schließlich nichts mehr
ohne oder gegen dessen Stimme unternommen. Allmählich
hat sich darm eine solche Harmonie der Anschauungen in
den wichtigsten Fragen bei Herr und Diener herausgebildet,
daß Ludwig X. nur selten etwas an den Vorschlägen seines
Ministers auszusetzen und zu ändern hatte, und daß es uns
heute schwer fällt, den Anteil beider an der inneren und
äußeren Politik Hessens zu sondern.
Mit dem jungen Landgrafen, so selbstbewußt und
herrisch er auftreten konnte, war in jeder Hinsicht leichter
und besser zu arbeiten, als mit dem alten eigensinnigen
Herrn. Ludwig X. war einsichtig genug, der überlegenen
Erfahrung Gatzerts Zugeständnisse zu machen, die seinem
Vater niemals hätten abgerungen werden können. Er ver-
trug unter Umständen auch ein offenes, tadelndes Wort
und behandelte den in seinen Diensten ergrauten und zeit-
weise überarbeiteten und überreizten Minister mit einer
Ein Gießener I'rofessor als hessischer Staatsminister. 479
rührenden Geduld und Schonung. Auf der anderen Seite
hat Gatzert niemals die Linie überschritten, die ihn, den
Diener, von seinem Fürsten trennte.
Aus dem Vertrauen, das ihm Ludwig X. von allem
Anfange an schenkte, ist mit den Jahren eine seltene Freund-
schaft erwachsen. Die Beweise der Anhänglichkeit und Dank-
barkeit, wie sie die Briefe des Landgrafen an den Minister
und vor allem die unzähligen Resolutionen auf Referate
und Gutachten Gatzerts erfüllen, legen Zeugnis von den
innigen Beziehungen beider ab. Bei den mit den Jahren
häufiger auftretenden Krankheiten Gatzerts äußert sich die
Teilnahme des landgräflichen Paares in rührender Anhäng-
lichkeit. Die Versicherungen der Dankbarkeit kehren in den
Briefen Ludwigs X. immer wieder. Sie sind ernst und ehr-
lich gemeint. Die Schuld des Landgrafen ist es nicht ge-
wesen, daß diese Freundschaft nicht, wie er einmal in
launigen Worten in Aussicht stellt, das Grab überdauert hat.^*
x\ls „Deducent des fürstlichen Hauses** bekleidete Gatzert
von allem Anfang an eine Vertrauensstelle bei seinem
Landesherrn. Die Abfassung von Ehepakten, der Ausgleich
der Streitigkeiten um Apanagen und Erbschaften, die Rege-
lung des Schuldenwesens der jungen Prinzen, der Brüder
und Vettern des regierenden Landgrafen, die staatsrechtlich
verwickelten Verhandlungen mit der apanagierten Homburger
Seitenlinie : all dies gehörte in sein Ressort als Hausminister.
Er hat sich auch hierin das unbeschränkte Vertrauen
des Landesherrn, durch den Freimut und die Gradheit aber,
mit der er den Brüdern und Vettern Ludwigs X. entgegen-
trat, mächtige Feinde am Hofe erworben. Als der Land-
graf im Sommer 1792 zur Armee abgehen, vorher aber
sein Haus bestellen wollte, hat Gatzert im Auftrag seines
Herrn die Verhältnisse der Vormundschaft über die land-
gräflichen Kinder, die Aufbesserung des Wittums der Land-
gräfin, die Regelung der Apanagen in einem ausführlichen
Gutachten erörtert. Seine Vorschläge sind von dem Auf-
traggeber genehmigt und rechtskräftig geworden.
^^ Resolution vom September 1793: „. . . tausend Dank hiermit schrift-
lich, und erschrecken Sie nicht, wenn meine Person es Ihnen mündlich
bald noch mehr danket, und bitte meine Person auch nicht für einen Geist
anzusehen; sollte auch die Lauter (der Landgraf war im Begriff zur preu-
ßischen Armee abzugehen, die damals an der Lauter stand) mich zum
Gespenst machen, so kann ich nichts als ein guter Geist für Ihnen werden,
der mir so viele Proben von wahrer, aufrichtiger und geradeaus gehender
Freundschaft immer gegeben hat, sollte ich es nicht mehr körperlich sein,
so ivill ich es wenigstens noch geistig bleiben.**
480 Julius Reinhard Dieterich.
Überwog schon unter Ludwig IX. das Ansehen Gatzerls
das der anderen Minister, so hat sich unter dem letzten
Landgrafen sein Einfluß so gehoben, daß er unbestritten
der erste nach dem Fürsten war. Dem Dienstalter nach
rangierte zwar der Geheime Rat v. Hesse vor ihm. Hesse
unterzeichnete die Referate an erster Stelle. In der Tal
aber war Gatzert der allmächtige Premierminister, in dessen
Händen zuletzt alle Fäden der inneren und äußeren Politik
Hessen-Darmstadts zusanunenliefen, ohne den keine wich-
tigen Entscheidungen, in welchem Ressort es auch gewesen
wäre, gefaßt werden konnten. Die Hanau-Lichtenberger An-
gelegenheiten, die in der ersten Zeit den Angelpunkt der
hessischen Politik bildeten, hat er unabhängig von dem Darm-
städter Ministerium geleitet. Seit etwa 1792 gehen die aus-
wärtigen Angelegenheiten durch seine Hände, allein durch
seine Hände. Seine Kollegen im Ministerium, über deren
Fähigkeiten auch Ludwig X. gering dachte, wurden nur ganz
ausnahmsweise und unter dem Widerstreben ihres Landes-
herrn um Rat gefragt. Sie beklagten sich dann w^ohl darüber,
daß sie ganz ohne Kenntnis der Lage und der V'^orv^erhand-
lungen urteilen sollten, und schlössen sich in den meisten
Fällen unbedingt der reiferen Erfahrung Gatzerts an. Als
der Minister Freiherr v. Lehmann einmal in einem Referat
durchblicken ließ, daß er die seither befolgte Politik nicht
billige, zog ihn der Landgraf strenge zur Verantwortung.
Auch auf die militärischen Angelegenheiten gewann Gat-
zert immer mehr Einfluß. Wie in der Elsässer Sache mit
dem passiven Widerstände der Buchsweiler Regierung, halte
er hier mit dem bösen Willen des Kriegskollegs zu kämpfen.
Bei Hofe arbeitete ihm eine starke Partei, wie es scheint,
unter der Führung des preußenfreundlichen Prinzen Georg,
entgegen. Auch mit dem ftinzen Friedrich hat er sich zeit-
weise überworfen. In bitteren Worten klagt er einmal über
die Intriguen, die durch einen ehemaligen Hanau-Lichten-
berger Regierungsrat Hermanni von Darmstadt, vom Hofe
aus gegen seine Politik in Basel angezettelt wurden. „Ich
war überzeugt**, heißt es in seinem Referat vom 22. Juli
1795, „und bin es noch in diesem Augenblicke, daß die
Sache ein hier angelegter Handel ist, unsere zu Basel (zu)
machenden Einleitungen auszukundschaften und zu contre-
carriren. Es ist unglaublich, wie und unter welchen Per-
sonen die Cabale hier gegen alle gute Unternehmungen im
Fiiistern schleichet, wie schwarz und gröblich gottlos intri-
guirt wird, und wie sehr man dabey höchstdero gutes Herz
mißbrauchet, daß Sie selbst noch ohne es zu wissen imd zu
Ein Gießener Professor als hessischer Staatsminister. 481
wollen, die Hände und Unterstützung dazu biethen müssen.
Stünde ich nicht wie der Felss im Wasser, und behielte ich
nicht meinen unbeugsamen steifen Gang, so wäre meine
moralische Existenz schon lange nicht mehr.**
Gatzert hat sich, gestützt auf das Wohlwollen und Ver-
trauen seines fürstlichen Freundes, aJlen diesen Widerstän-
den zum Trotz, überall durchzusetzen vermocht. Eine kurze
Übersicht seiner Tätigkeit in den neunziger Jahren, die not-
wendigerweise zugleich eine Skizze der hessischen Politik
jener Zeit überhaupt sein muß, zeigt uns den Aufstieg zum
Höhepunkt sedner Tätigkeit als Ministerund wird uns zugleich
die Ursachen klarlegen, die endlich seinen jähen Sturz herbei-
geführt haben.
Die Frage der Entschädigung für die Verluste auf dem
linken Rheinufer hat von 1790 bis zum Reichsdeputations-
hauptschluß den Angelpunkt der hessischen Politik gebildet.
Durch den denkwürdigen Beschluß der französischen
Nationalversammlung vom 4. August 1789 waren dem Land-
grafen die landesherrlichen Rechte und Einkünfte in seiner
elsässischen Grafschaft Hanau-Lichtenberg, zu der noch die
sogenannten Reichsämter Lemberg mit Pirmasens links,
Schaafheim, Lichtenau und Willstätt rechts des Rheins ge-
hörten, beträchtlich geschmälert worden. Die Grafschaft löste
sich, so anhänglich die Bevölkerung an das angestammte
Fürstenhaus war, unter dem Drucke der Revolution all-
mählich von der alten Herrschaft los. Die Regierung zu
Buchsweiler, die von jeher auf Grund des Testaments des
letzten Grafen von Hanau-Lichtenborg (f 1735) eine große
Selbständigkeit genoß, verhandelte auf eigene Faust mit den
französischen Machthabern und wahrte nach der Ansicht
Ludwigs X. das Interesse Darmstadts nicht, wie es wün-
schenswert gewesen wäre.
So tauchte bei Gatzert schon 1790 der Gedanke auf,
die Verwaltung der Grafschaft schrittweise aufzulösen und
nach und nach der Regierung der Landgrafschaft an- und
einzugliedern. Er schlug seinem Herrn vor, die Buchs-
weiler Regierung, um besser auf sie einwirken zu können,
vorläufig in das näher und außerhalb des Bereichs der
Franzosen gelegene Pirmasens, später aber, bei günstiger
Gelegenheit, nach Darmstadt zu verlegen. Zunächst solle
man wenigstens das einige Stunden von Darmstadt ent-
fernte Amt Schaafheim der Dannstädter Regierung ganz
einverleiben und die drei übrigen Reichsäniter einer be-
sonderen, in Darmstadt einzurichtenden Behörde unter-
Beiträge z. Gesch. d. Universitäten Maiuz u. Gießen. 31
48^ Julius Reinhard Dieterich.
stellen, die sie allmählich in die hessische Verwaltung hin-
überleitete. Zugleich könne dieser Behörde die Oberaufsicht
über die sämtlichen Hanau-Lichtenberger Angelegenheiten
übertragen werden.
Auf seine Vorschläge hin ward Gatzert selbst mit dem
Titel eines Hanau - Lichtenbergischen Greheimen Kabinetts-
ministers zum Vorstand dieser neuen Behörde ernannt. Der
Widerstand der inzwischen nach Darmstadt geflüchteten
Buchsweiler Regierung gegen die neue Organisation war
schwer zu überwinden. Ihr seitheriger Präsident, Freiherr
Ludwig Samson von Rathsamhausen, der durch Gatzerts Er-
nennung von der ersten auf die zweite Stelle herabgedrückt
war, ließ nichts unversucht, dessen Pläne zu hintertreiben.
Dieser Widerstand und die Kriegsereignisse der Jahre 1792 bis
1794 haben den Abschluß der Reform, die schon zum I.Januar
1792 durchgeführt sein sollte, bis ins Jahr 1794 hinaus ver-
zögert. Der letzte Rest der Selbständigkeit der Hanauer Ämter
ist dann erst nach Gatzerts Sturz und nach der Abtretung
des linken Rheinufers an. Frankreich verschwunden.
Als Hanau-Lichtenberger Geheimer Kabinettsminister
referierte Gatzert unmittelbar an den Landgrafen. Das Re-
ferat über die auswärtigen Angelegenheiten, die sich in
den neunziger Jahren um die Hanau-Lichtenberger Ent-
schädigungsfrage drehten, ist so allmälilich in seine Hände
hinübergeglitten. Der Landgraf hat seinen Minister mit weit-
gehenden Vollmachten ausgestattet. Gatzert hat das Ver-
trauen in jeder Weise gerechtfertigt. Er hat seinem Herrn
so viel gerettet, als noch zu retten war, und sich den Dank
der Hanau-Lichtenberger Untertanen in den schweren Jahren
der französischen Okkupation und der Koalitionskriege durch
sein väterliches Walten in vollstem Maße verdient.
Seine rechte Hand in Pirmasens imd später in den
rechtsrheinischen Ämtern Lichtenau und Willstätt war der
Regienmgsrat Kappler, ein verbummelter Theologe ^^ der,
nachdem er als Weinhändler bankerott geworden war, zuerst
als Agent, dann als Beamter in Hanau-Lichtenberger Dienste
kam, ein überaus gewandter, kluger und willensstarker, in
der Wahl seiner Mittel nicht immer wählerischer, seinem
Fürsten aber aufrichtig ergebener Mann. Er hat später bei
den Baseler Friedensverhandlungen und in Rastatt eine
große, freilich nicht immer eindeutige Rolle gespielt.
Mit der Hanau-Lichtenberger und der Entschädigungs-
frage war die ganze auswärtige Politik der Landgrafschaft
^^ Nach anderen war er Jurist.
Ein Gießener Professor als hessischer Staatsminister. 483
0 eng verwachsen, daß sich der Einfluß einer so energischen
nd zielbewußten Persönlichkeit, wie Gatzert es war, bald
uch auf anderen Gebieten fühlbar machte. Ludwig X. be-
iente sich seiner u. a. zu seinen Korrespondenzen mit dem
/iener und Berliner Hofe.^o Gatzert hat mit der Zeit auch
?lbständig und ohne Mitwirkung seiner Amtsgenossen die
istniktionen für den hessischen Gesandten beim Regens-
urger Reichstag entworfen. Sein Einfluß auf die Ent-
:hließungen Ludwigs X. ist so immer mehr gewachsen, bis
ieser zuletzt in der auswärtigen Politik auch nicht den
leinsten Schritt ohne den Beirat des klugen und gewandten
[inisters unternahm, dessen gewandte Feder dem im schrift-
chen Ausdruck wenig Geübten bald unentbehrlich wurde.
Schon 1790 hat Gatzert mit dem preußischen General
rafen Kalckreuth über einen mit Preußen abzuschließenden
ubsidientraktat korrespondiert. Das Nähere darüber ent-
ieht sich noch unserer Kenntnis. Die Verhandlungen
^heinen zwischen Ludwig X. und seinem Schwager König
riedrich Wilhelm II. direkt und zum Teil mündlich geführt
u sein. Sie sind überhaupt nicht zum Abschluß gekommen
nd erst im Sormner 1792 wieder aufgenommen worden.
Die Subsidienfrage war eine Lebensfrage für die Land-
rafschaft. Ohne Subsidien war es Ludwig X. auf die Dauer
nmöglich, eine achtunggebietende Militärmacht, wie er sie
790 aus den Bataillonen seines Vaters neu formierte, auf
en Beinen zu erhalten. Hatte er bei seinem Regierungs-
ntritt die strengste Sparsamkeit eingeschärft : auf einem
ebiete gab es kein Sparen für ihn, auf dem des Militär-
''esens. Als Erbprinz hatte er der Einschränkung der mili-
irischen Ausgaben das Wort geredet und sich hierin im
(Cgensatz zu seinem Vater befunden. Die Militärausgaben
teilten zu Ludwigs IX. Zeiten, die Zeiten des Friedens
raren, Luxusausgaben dar, Ausgaben für eine kostspielige
liebhaberei des Landesfürsten. Als Ludwig X. 1790 die
Legierung antrat, waren die Verhältnisse von Grund aus
erändert, war die Bereithaltung einer starken Militärmacht
ine Lebensfrage für Hessen-Darmstadt geworden.
Der Konflikt der deutschen Großmächte und des durch
ie Maßregeln des Nationalkonvents im Elsaß schwer ver-
»tzten Reiches mit Frankreich war in nächste Nähe gerückt,
ludwig X. sah mit Sicherheit voraus, daß er in einem Kriege
ur dann mitzusprechen und etwas auszurichten vennochte,
»-enn er eine ansehnliche Militärmacht in die Wagschale
2'> Verhandlungen mit Frankreich hat der Landgraf in der ersten Zeit
omer schroff von der Hand gewiesen.
8l«
484 Julius Reinhai'd Dieterich.
werfen konnte und außer dem schwachen Reichskontingent
von 300 Mann Infanterie, das er im Falle eines Reichs-
krieges zu stellen hatte, noch ein wohlgeübtes, gut ausge-
rüstetes, für die Größenverhältnisse seines Landes starkes
Korps von allen Waffengattimgen zur Verfügung hatte.
Mochten einzelne Reichsstände sich mit der Stellung
ihres Kontingents begnügen oder gar durch Zahlungen in
die Reichsluitionskasse loskaufen: der Verlust des Land-
grafen auf dem linken Rheinufer war so beträchtlich, seine
Lage in unmittelbarer Nähe des Reichsfeinds so gefährlich,
daß für ihn ein schwaches, passives Verhalten die ver-
kehrteste Politik gewesen wäre. An eine Entschädigung für
die Verluste bei einer künftig unausbleiblichen Neuordnung
der Verhältnisse und an ein. Eintreten der Großmächte für
ihn war nur dann zu denken, wenn Hessen-Darmstadt im
Besitze einer schlagfertigen Truppe war.
Ludwig X. hat deshalb 1790 die einzig richtige Politik
eingeschlagen: er entschloß sich schweren Herzens zur
Beibehaltung und Neuformation seines Heeres. Schweren
Herzens, denn die schlimme Finanzlage seines Landes schien
weitere Aufwendungen für militärische Zwecke zu verbieten.
Von allem Anfange an hat sich der Landgraf deshalb auch
mit dem Gedanken getragen, im Falle des seiner Ansicht
nach unvermeidlichen und nahe bevorstehenden Krieges
mit Frankreich seine Truppen an eine der beiden Groß-
mächte oder das Reich gegen Subsidien abzugeben. Die
Vorteile des Planes waren doppelte: einmal erwies er den
Großmächten einen Gefallen imd erwarb in ihnen mächtige
Fürsprecher in der Entschädigungsfrage, dann aber be-
deutete die Abgabe der Truppen gegen Subsidien eine große
Erleichterung für sein schwer belastetes Land und im
günstigen Falle ein gutes finanzielles Geschäft. Er sah bei
seinem Vetter, dem Landgrafen von Hessen-Kassel, der seine
in Deutschland damals beispiellose finanzielle Lage in erster
Linie seiner Subsidienpolitik verdankte, welche Vorteile aus
einem günstigen Subsidientraktat herausspringen konnten.
Im Gegensatze zu dem Kasseler Vetter hat aber Ludwig X.
von vornherein eine Abgabe seiner Truppen an eine fremde
Macht weit von sich gewiesen. Nur das Reich oder die
beiden deutschen Großmächte, Preußen imd Österreich, und
die Teilnahme an dem unvenneidlichen Reichskrieg kamen
für ihn in Frage. Er hat sich erst in der allergrößten Not,
unter dem Drucke der Verhältnisse zur Abgabe eines Teils
seiner Truppen an die Engländer verstanden.
Im Sommer 1792 hat Landgraf Ludwig die abge-
Ein Giefiener Professor als hessischer Staatsminister. 485
brochenen Verhandlungen über einen Subsidienvertrag mit
dem König von Preußen wieder aufgenommen. Er hat mit
seinem königlichen Schwager, der im Juli zu Mainz mit
Kaiser Franz II. zusammentraf, mündlich darüber verhandelt.
Subsidien zu zahlen, war Preußen infolge seiner schlechten
finanziellen Lage nicht imstande. Dagegen wurde verab-
redet, daß der Landgraf unter preußischer Garantie bei dem
preußischen Hofbankier Geh. Rat v. Willemer in Frankfurt
eine Anleihe von 900000 fl. aufnehmen, dagegen aber sofort
seine Regimenter mobil machen und zu den Preußen stoßen
lassen solle, die am Vorabend ihres Einmarsches in Frank-
reich standen.
Die Verhandlungen über die preußische Garantie, die
Aufnahme der 9000lOO fl. und den Anschluß des hessen-
darmstädtischen Korps an die preußische Armee zogen sich
in die Länge. Das Geld war sehr knapp. Die Darlehens-
geber zeigten sich schwierig. König Friedrich Wilhelm II.
verlangte, nachdem ihm sein Schwager die Truppen zuge-
sagt hatte, für seine Garantie immer neue Bürgschaften,
Verpfändungen und Sicherheiten. Zuletzt stellte er eine Art
von Rückversicherung durch den Kaiser als Bedingung. Als
dann Ludwig X. seinerseits Forderungen stellte und vor
allem außer der Garantie feste Zusagen über die Gewährung
bestimmter Entschädigungen für den Fall eines Friedens
mit Frankreich verlangte, drang Preußen auf eine be-
dingungslose Annahme der von ihm vorgeschlagenen
Militärkonvenllon. Nur zu einer ganz allgemeinen Zusage
seiner Verwendung für Hessen-Darmstadt beim Friedens-
schluß verstand es sich schließlich.
Erst in diesem Stadium der Verhandlungen wandte sich
der Landgraf an seinen Geheimen Rat. Bis dahin hatte er
die Verhandlungen mit den Preußen im tiefsten Geheimnisse
betrieben. Nur sein Schwager, Landgraf Georg, war ein-
geweiht und bei den Abreden beteiligt gewesen.
Das Referat der Minister vom 27. Juli 1792, in dem sie
sich über die Bedingungen, imter denen Hessen seine Truppen
marschieren lassen sollte, und über die preußische Garantie
äußerten, führt eine feste, offene und würdige Sprache. Die
Ausdrucksweise Gatzerts ist in ihm nicht zu verkennen.
Die Geheimen Räte verwahren sich feierlich dagegen, daß
sie, die bei den seitherigen Verhandlungen über die Sub-
sidien- und Garantiefragen übergangen worden seien, jetzt
die Verantwortung übernehmen sollten.
Bedingungen zu stellen, sei es zu spät. Man müsse, da
des Fürsten Ehre engagiert sei, bedingungslos, „gewisser-
486 Julius Reinliard Dieterich.
maßen auf Diskretion** die Militärkonvention annehmen und
sich wenigstens die geringen Zusagen der großen Mächte
verbriefen lassen. „Eine schriftliche, wechselseitige, verbind-
liche Verabredung ist allemal wesentlich nöthig, und eine
späte ist immer noch besser als gar keine**. Zur preußischen
Garantie eines Anlehens, die Hessen an Preußen auf Gnade
und Ungnade ausliefere, raten sie, nur im äußersten Not-
falle, und wenn sie ohne entehrende Bedingungen gegeben
werde, zu greifen.
Um gut zu machen, was noch gut zu machen war, nach-
dem der Landgraf selbst in allzugroßer Vertrauensseligkeit
die Sache verfahren hatte, wurde Gatzert im August 1792
in das preußische Hauptquartier nach Trier geschickt. Die
Preußen verharrten auf ihren Bedingungen: forderten ihrer-
seits bedingungslose Annahme der Militärkonvention und
verweigerten unter allen möglichen Ausflüchten die Garantie
für die Aufnahme der für die Mobilmachung unbedingt not-
wendigen 900000 fl. So zerschlug sich, zum Glück für den
Landgrafen, die ganze Sache.
Der Ausgang des preußischen Feldzugs in der Cham-
pagne ist bekannt. Nach den Unglückstagen von Valmy trat
die Armee einen unrühmlichen Rückzug an. Ludwig X.
hatte inzwischen, immer noch in dem Gedanken, den An-
schluß an Preußen doch noch zu finden, einen Teil seiner
Truppen mobil gemacht und stand in und um Darmstadt.
Ende September, beim Einfall Custines wurde er vor
die Entscheidung gestellt, ob er sich der Koalition anschließen
wollte oder nicht. Auf diese Entscheidung hat Gatzert durch
ein motiviertes Gutachten eingewirkt, bei dem wir etwas
länger verweilen müssen. Stellt es doch die erste, ent-
scheidende Einwirkung überhaupt dar, die er auf die aus-
wärtige Politik des Landgrafen ausgeübt hat.
Custine bedrohte mit 15000 Mann Speyer und die dort
befindlichen wertvollen kaiserlichen Magazine. Speyer war
nur durch ein schwaches Korps von Österreichern und Kur-
mainzern gedeckt. Der kaiserliche Minister beim ober-
rheinischen Kreise, Graf Schlick, forderte den Landgrafen
zur schleunigen Hülfeleistung auf. Der Bischof von Speyer
bat flehend, seine Stadt zu retten. Dieser Brief kam schon
zu spät. Die Franzosen waren so überraschend erschienen,
daß das zweite, am selben Tage (30. September) abgelassene
Schreiben des Bischofs schon von dem Beginn des für
die Reichstnippen unglücklich verlaufenden Gefechts bei
Speyer melden konnte.
Ludwig X. war zur Hülfeleistung bereit. Aber das
Ein Gießener Professor als hessischer Staatsminister. 487
Darmstädter Korps mit seinen 3 — 4000 Mann war allein
dazu zu schwach. Nur mit Unterstützung der pfälzischen
Truppen war ein Angriff auf die Übermacht der Franzosen
zu wagen. Die pfälzische Regierung in Mannheim aber,
an die sich Ludwig schon wegen des Durchzugs und der
Benutzung der Rheinbrücke bei Mannheim gewandt hatte,
verriet die deutsche Sache und erklärte ihre Neutralität.
Ludwig, der schon den Befehl zum Ausmarsch seines ganzen
Korps gegeben hatte, und selbst schon mit einem Teile im
Marsche war, mußte so das aussichtslose Unternehmen auf-
geben und umkehren. Wie es sich später herausstellte,
wäre er außerdem sicher zu spät gekommen.
Zu seinem Entschlüsse und zu den ferneren Maßnahmen
hat ihn zweifellos in erster Linie Gatzert bestimmt, der im
Einverständnis mit den anderen Ministern und mit dem
Generaladjutanten v. d. Bussche in einem eingehend moti-
vierten Gutachten vom 4. Oktober 1792 die Rämnung Darm-
stadts und den Rückzug ins Oberfürstentum nach Gießen
vorschlug.
Ein verhängnisvoller Vorschlag, dessen Ausführung dem
Landgrafen die schlimmsten Vorwürfe eintragen sollte!
Gatzert wirft im Eingang des denkwürdigen Akten-
stückes die Fragen auf: was hat Ludwig als Fürst und
Vater seines Landes und zur Aufrechterhaltung seiner
eigenen Ehre ,,in Ansehung der gethanen zeitherigen
Schritten zu tun?"
Die landesväterlichen Pflichten gehen unter
allen Umständen vor. Der offene Bruch mit Frankreich,
der seither noch vermieden war, kaim unübersehbare Folgen
für Fürst und Land haben. Es ist unmöglich, daß Hessen
allein den Franzosen Widerstand leistet. „Die hiesigen
Bürger sind schon äußerst schwührig und bis zu einem
Grade des Mißmuths und der Frechheit durch das heutige
Ausmarschieren gebracht worden . . . ., daß sie ohne Scheu
drohten, wenn auf solche Art der Feind gereizt, das aus
lauter Landeskindern bestehende Militare auf die Schlacht-
bank ausgeliefert, ihr Eigentum Preiß gegeben und Stadt
und Bürgerschaft der Verheerung ausgesetzt werden wolle,
sie sich widersezzen und so gut als möglich selbst helfen
und Sicherheit verschaffen würden und müßten.** „Hier**,
so fährt das Gutachton fort, „droht also öffentlicher, sich
gar leicht im ganzen Lande verbreiten könnender Aufruhr,
und ich muß aufrichtig bekennen, daß ich diesen inner-
lichen Feind für weit gefährlicher, besonders in der Folge
halte, als den äußerlichen**.
488 Julius Reinhard Dieterich.
Der Landgraf möge deshalb seine Truppen ins Ober-
fürstentum entsenden, „um sowohl in Ansehung der Fran-
zosen den Schein feindseliger Absichten und geflissent-
licher Reizzung zu beseitigen, als den Unterthanen ihre
Besorgnis mit einemmal zu nehmen".
Dem Kaiser und den Reichsständen müsse dieser Rück-
marsch als „forciert und notgedrungen", den Franzosen und
dem Lande als freiwillig hingestellt werden. Der Land-
graf behalte so zunächst immer noch freie Hand, „unter
veränderten Umständen die Reichsständischen Pflichten,
vielleicht auch, so weit thunlich, Ihre sonst getroffenen
Engagements seiner Zeit annoch zu erfüllen".
Die Furcht vor einer Insurrektion war es also in erster
Linie, die Gatzert zu seinem Rate, den Landgrafen zum
Rückzug ins Oberfürstentum bestimmte. War sie begründet?
Wir hören allerdings gelegentlich von französischen
Emissären in Langen, Arheilgen und Nieder-Beerbach, später
von Putschen der Handwerker in Darmstadt, Gießen und
Umstadt — in Darmstadt ist sogar 1795 vor der Bierbrauerei
von Appel eine „Art von Freiheitsbaum" aufgepflanzt worden
— , doch hat es sich dabei nur um vereinzelte Vorkomm-
nisse gehandelt. Die Furcht vor einer Erhebung des Volkes
erscheint uns heute als Gespensterfurcht. Das Gros der
Bevölkerung ist sicher gut gesinnt und fürstentreu gewesen.
Das Entschuldigungsschreiben, das am Tage nach dem Volks-
auflauf, am 5. Oktober, die Darmstädter Bürgerschaft an
ihren Landesherrn richtete, um ihn ihrer unwandelbaren
Treue zu versichern, verdient Glauben. Glaubwürdig ist
auch ihre Versicherung, „daß, wenn auch in der Angst, wo-
rinnen sich alles um sein Leben und sein Eigenthum be-
fand, einer oder der andere einen Ausdruck gebraucht haben
sollte, der sich mit seinen Pflichten nicht gereimet hätte
oder einer zweydeutigen Auslegung fähig gewesen wäre,
solcher nicht als die Meynung seines Herzens zu betrachten
sey". Der Landgraf hat daraufhin den Bürgern seiner Re-
sidenz in einem ungemein gnädigen Schreiben vom 6. Ok-
tober volle Verzeihung gewährt: „Nur bei der unvermeid-
lichen Gefahr werde ich mich entfernen, verlassen werde
ich meine gute hiesige Bürgerschaft niemals".
Stellen wir uns die Lage vor, so werden wir die Be-
sorgnisse Gatzerts begreifen. Die Furcht vor der revo-
lutionären Propaganda war damals am Rhein allgemein.
Daß selbst militärische Kreise davon nicht frei waren, be-
w^eist ein Brief des Generaladjutanten v. d. Bnssche an den
Landgrafen vom 3. Oktober, in dem er dringend vor offen-
Ein Gieüener Professor als hessischer StaatsmiDister. 489
siven Maßregeln warnt. Sie würden dem Lande, ,,d essen
Unterthanen schon schwierig sind, nur schaden".
Gatzert gegenüber hat sich derselbe noch offener ge-
äußert, „damit doch heute oder morgen jemand existiere,
der seine wahren Gesinnungen zu deuten wisse**. Er sei
der Ansicht, „daß das ganze Korps entweder gefangen oder
desarmiert. oder man genöthigt werden würde, sich zur Neu-
tralität zu erklären oder zum Nicht-Dienen ( ?) anheischig zu
machen. Er wünscht daher, daß, statt das ihm anvertraute
Füsilier-Bataillon (das in Gießen lag) hierher bringen zu
sollen, er beordert werden möge, in Gießen zu bleiben, daß
die Truppen auseinandergehen und beurlaubet werden
möchten." Auf meine Frage, schließt Gatzert seine Mit-
teilung, „warum er dieses Höchstdenenselben nicht selbst ge-
sagt habe?", fiel die Antwort: „er könne nicht damit an-
kommen".
In der nächsten Umgebung des Landgrafen sind Strö-
mungen für die Offensive gewesen.. Durch sie ist v. d. Bussche
an einer offenen Aussprache seiner Meinung gehindert
worden. Gatzert hat das Odium auf sich genommen und
die Zurückberufung der bereits abmarschierten Truppen
und den Rückzug des ganzen Korps in das Oberfürstentum
durchgesetzt. Man hat Gatzert sein Eintreten für die neutrale
Haltung Hessen-Darmstadts in Hof kreisen sehr verargt. Eine
Zeitlang schien es, als ob er diesen Einflüssen weichen
müsse. Aus den Tagen der Krisis liegt ein Abschiedsgesuch
von ihm vor, das aber der Landgraf nicht genehmigt hat.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß Gatzerts Ver-
halten in dieser Angelegenheit bestimmend für die künftige
Politik der Landgrafschaft gewesen ist. Daß sein Votiun
richtig war, hat die Folge gelehrt.
Noch war der Reichskrieg gegen Frankreich nicht er-
klärt. Den Krieg gegen die Republik führten nur die beiden
Großmächte und die mit ihnen durch Militärkonvention Ver-
bündeten, wie der Landgraf von Hessen-Kassel. Die Hessen-
Darmstadt angetragene Konvention war, nicht durch die
Schuld des Landgrafen, gescheitert. Die benachbarten Mit-
stände, Baden und die Pfalz, verhielten sich neutral. Die
Franzosen waren überall im Vordringen. Hessen-Darmstadt
lag ihnen offen. Ein Übertritt Ludwigs X. zur Koalition wäre
in diesem Augenblicke Wahnsinn gewesen.
Der schwerste Vorwurf, der dem Landgrafen gemacht
worden ist — er würde auch seinen Ratgeber Gatzert mit-
treffen, weim er berechtigt wäre — , ist der, daß durch seine
Schuld Mainz verloren gegangen sei. Er ist so wenig be-
490 Julius Reinhard Dietericb.
rechtigt wie der, daß Ludwig X. Speyer im Stiche gelassen
habe.21
Der Landgraf zog sich mit seiner gesamten Truppen-
macht in die Festung Gießen zurück. Gatzert folgte ihni
dahin, während die übrigen Minister in Darmstadt blieben.
Die Landgrafschaft wurde von den Franzosen, die am linken
Mainufer gegen Frankfurt vorrückten und die Obergrafschaft
ganz verschonten, sehr glimpflich behandelt. Dies w^enig-
stens hatte der Landgraf durch sein auf Gatzerts Rat ein-
geschlagenes Verhalten erreicht.
Gatzert entfaltete in Gießen eine ausgebreitete Tätig-
keit. Es gelang ihm, was schon erwähnt ist, bei den Land-
ständen die Garantie für die Aufnahme eines Kapitals von
600000 fl. durchzusetzen und so die ganz erschöpften Kassen
wieder auf einige Zeit zu füllen. Diese Anleihe ging ganz
durch seine Hände ; er hat sie mit unbeschränkter Vollmacht
des Landgrafen verwaltet. In den nächsten Monaten hat
er sich überhaupt die größten Verdienste um die Finanzen
Hessens erworben. Ohne seine Anweisung durfte nichts
aus der Generalkasse, die er neben der Reichskontingenten-
kasse verwaltete, bezahlt werden. Er entnahm Gelder aus
der einen Kasse, um den Bedürfnissen der anderen abzu-
helfen. Auch die Kriegskasse „und allenfalls andere Kassen"
standen zu seiner Verfügung. In der ersten Hälfte des Jahres
und weiterhin bis zur Lösung der Subsidienfrage — es sind
für die hessischen Finanzen die schlimmsten Monate des
ganzen schlimmen Jahrzehnts gewesen — hat Gatzert das
Unmögliche möglich gemacht und den Staat, der dem
Bankerott nahe war, über Wasser gehalten.
Die Verpflegung der Truppen, die Instandsetzung der
Festung Gießen, die Vorbereitung für die Errichtung eines
Landsturms: Alles lag auf dem einen Mann.
In Gießen erwartete der Landgraf, der entschlossen war,
sich hier gegen die Franzosen, die bis nach Nauheim vor-
gerückt waren, zur Wehr zu setzen, das Vorrücken der ver-
bündeten Hessen-Kasseler und Preußen. Um den Schein
der Neutralität zu wahren — noch war der Reichskrieg gegen
die Franzosen nicht erklärt — , beschloß er, sich von der preu-
ßischen Armee gewissermaßen mit fortreißen und zum An-
schlüsse zwingen zu lassen.
Dies geschah. Ludwig führte Anfang Dezember 1792
dem König von Preußen seine Truppen zu, nahm aber an
-^ Icl) werde im nächsten Bande des ,, Archivs für hessische Ge-
scliichte*' auf diesen Vorwurf zurückkommen.
Ein Gießener Professor als hessischer Staatsminisler. 491
den kriegerischen Aktionen nur geringen Anteil. Als die
Preußen Mainz zernierten, zog er sich in die Obergrafschaft
zurück und deckte sie gegen Einfälle der Franzosen. Erst
nach der Kriegserklärung des Reichs (22. März 1793) ging
er über den Rhein und stieß zu den Österreichern, ver-
einigte sich aber später wieder mit den Preußen vor Mainz.
Auch diesmal „auf Diskretion**! Der Versuch, Preußen
zur Übernahme der Hessen gegen Subsidien oder auch nur
zu einer Anleihe zu vermögen, schlug wieder fehl. Mit
Hängen und Würgen verstand sich Friedrich Wilhelm H. zu
einem Darlehen von ganzen 37000 fl., die beinahe ganz für
„Douceurs** an preußische Offiziere draufgingen, und zur
Garantie eines Anlehens von 40000 fl., von der aber Lud-
wig niemals Gebrauch gemacht hat.
Mittlerweile nahm der Barbestand der hessischen Kassen
und Hessens Kredit reißend ab. Die Truppen vor Mainz
zehrten die unter ständischer Garantie aufgenommenen
600000 fl. auf. Woher Sold und Gage, Brot und Fleisch,
Pferde und Ausrüstungsgegenstände bezahlen?
In dieser Not erbot sich der kaiserliche Oberbefehls-
haber, Prinz von Koburg, zur Übernahme der Hessen-Darm-
städter gegen Reichssubsidien. Prinz Georg, Ludwigs X.
Schwager, führte die Verhandlungen: wieder unter völliger
Ausschaltung des Ministeriums. Sie kamen bald ins Stocken,
Die Kaiserlichen w^ollten und konnten die hessischen For-
denmgen nicht erfüllen. Die Reichsluitionskasse, aus der
die Subsidien bezahlt wurden, war beinahe erschöpft. Das
französische Emigrantenkorps, das man unter viel gün-
stigeren Bedingungen, als man sie jetzt Hessen anbot, auf-
gestellt hatte, verschlang Unsummen. Die Gelder gingen-
spärlich ein, da ein großer Teil der Reichsstände, der
sich seither losgekauft hatte, seine Kontingente in natura
stellte.
In diesem kritischen Augenblick, als der ganze Plan
schon gescheitert schien, griff Gatzert, trotzdem er durch
die Zurücksetzung des Geheimen Rats gekränkt war, wider
den Willen des Landgrafen in die Verhandlungen ein. Der
kaiserliche Unterhändler, der die für Hessen-Darmstadt un-
annehmbaren Gegenvorschläge aus Wien überbringen sollte,
ließ sich — der Landgraf war abwesend — in Darmstadt
bei ihm melden und besprach mit ihm die Lage. Gatzert
berichtete darüber. Ludwig verwies ihm zwar den Eingriff
in die Befugnisse des Prinzen Georg, nahm aber doch wenig-
stens des Ministers gute Ratschläge an. Im Lauf der Ver-
handlungen wurde Gatzerts Rat dem Landgrafen bald un-
49:2 Julius Reinhard Dietericb.
entbehrlich. Als die Not aufs höchste stieg, und der Zu-
sammenbruch Hessens ihm drohend vor Augen stand, hat
er sich an der unbeugsamen Willenskraft Gatzerts aufge-
richtet, der so zuletzt auch in der zuerst ganz den Militärs
vorbehaltenen Subsidiensache unbestritten die Führung hatte.
Auch Prinz Georg hat schließlich den Minister darum gebeten,
sich der unter seiner Leitung gänzlich verfahrenen Sache
anzunehmen.
Entscheidend war das Gutachten, das Gatzert am 15. Mai
1793 über die Gegenvorschläge der Kaiserlichen erstattet.
Mit außerordentlicher Klarheit wägt er hier das Für und
Wider mit einer erstaunlichen Beherrschung der finanziellen
und militärischen Fragen ab und kommt zu dem Schlüsse,
daß man dem Kaiser ein Ultimatum stellen müsse. Die
Drohung, daß der Landgraf seine Truppen von der Be-
lagerung von Mainz abrufen und auflösen werde, war ernst
gemeint. Sie hat schließlich auch gefruchtet.
Auf Gatzerts Rat ist dann Prinz Georg, um den Abschluß
zu beschleunigen, nach Wien gegangen. Seine Instruktionen
sind sämtlich aus Gatzerts Feder geflossen. Nach seinen
Weisungen hat Prinz Georg in Wien verhandelt, hat Lud-
wig X. seinem Schwager die Befehle gegeben.
Die Kaiserlichen zeigten auch jetzt nur geringes Ent-
gegenkommen. Kein Wunder! Auch ihre Kassen waren
leer! Auf der anderen Seite war Hessen-Darmstadt außer-
stand, noch etwas zuzusetzen. So blieb denn Ludwig X.
nach dem Fall von Mainz nichts anderes übrig, als seine
Drohung wahr zu machen. Er zog sein Korps in die Ober-
grafschaft zurück und beurlaubte es zum großen Teile.
Dies wirkte in Wien. Die Verhandlungen kamen wieder
in Fluß. Es war aber auch die höchste Zeit! Das W^asser
stand den Hessen am Halse. Gatzert aber wußte auch jetzt
noch Mittel und Wege. Er wies die ihm von dem Prinzen
von Koburg angebotenen Vorschüsse zurück, um sich nicht
die Hände binden zu lassen. ,,Und, wenn der Traktat nicht
zustande kommt** ? fragt ihn verzweifelt der Landgraf. ,,Aber,
Gott!" antwortet er, ,,was soll es alsdann geben? Und welch'
ein Abgrund stehet ims dann bevor, wenn wir uns durch
unsere Selbständigkeit helfen sollen!**
Endlich, am 5. September 1793, trifft aus W^ien die
frohe Botschaft ein: „Der Vertrag ist gesichert!** Aber noch
waren die Tage des Hangens und Bangens nicht vorüber.
Das Verhängnis wollte es, daß Ludwig X. durch einen
falschen Schachzug das Ganze wieder in Frage stellte.
Am selben 5. September schlug der englische Gesandte
Ein Gießener Professor als hessischer Staatsminister. 493
am preußischen Hofe, Lord Yarmouth, dem Landgrafen einen
Subsidientraktat mit England vor. In der Meinung, durch
die Mitteilung hiervon die Kaiserlichen eifersüchtig machen
und den Abschluß beschleunigen zu können, schrieb dies
Ludwig X. ohne Wissen Gatzerts sofort an seinen Schwager
in Wien, damit er davon geeigneten Gebrauch mache.
In Wien war man aber froh, einen Partner gefunden zu
haben, trat mit England in Unterhandlung und machte Lud-
wig den Vorschlag, England und das Reich sollten sich in
seine Truppen teilen.
In Darmstadt hatte unterdessen, auf die Nachricht vom
5. September hin, der Landgraf mobil gemacht, um sofort
nach Unterzeichnung des Traktats mit der vollen Truppen-
zahl in den Genuß der darin stipulierten Bezahlung treten
zu können. Für diesen Zweck nahm er jetzt auch den schon
einmal angebotenen Vorschuß aus der Reichsreluitions-
kasse an.
In fieberhafter Spannung wartete man inzwischen in
Daraistadt auf die Nachricht von der Unterzeichnung des
Traktats. Sie blieb aus. Endlich kamen die Wiener Vor-
schläge, die auf eine Teilung der hessischen Truppen
zwischen dem Reich und England hinausliefen.
Der Entschluß, seine Truppen zu teilen und die eine
Hälfte den Engländern zu überlassen, kostete Ludwig X.
viel Überwindung. Die Aufregungen der letzten Wochen
hatten ihn krank gemacht. Auch Gatzert konnte nur mit
übermenschlicher Anstrengung, halbtaub imd fiebernd, seinen
Geschäften nachgehen. Er riet zur Annahme der Wiener
Vorschläge. „Inzwischen**, so tröstete er seinen niederge-
schlagenen Herrn, „muß man noch an den Pforten der Hölle
den Mut nicht sinken lassen**.
Die Lage war in der Tat verzweifelt, der finanzielle Zu-
sammenbruch stand, verwarf man den Subsidien vertrag, in
nächster Nähe. Wie sollten die 350000 fl. Vorschuß aus der
Reichskasse zurückgezahlt werden ?
Es blieb kein anderer Ausweg. Ludwig verstand sich
zur Teilung seiner Truppen. Am 23. September 1793 meldete
er Gatzert den Abschluß des Traktats mit England, am 25.
beglückwünschte ihn dieser zu der am 17. erfolgten Unter-
zeichnung des Wiener Vertrags. Schon am 27. marschierten
die ersten drei Bataillone zu den Österreichern ab.
Damit waren die größten Sorgen von Ludwig und seinem
Minister genommen. Die Übernahme des Militärs in fremden
Sold und fremde Verpflegung überhob sie der finanziellen
Nöte und gab der hessischen Politik ihre feste Richtung.
494 Julius Reinhard Dieieiich.
Ludwig hat den Vertrag mit dem Kaiser nicht als einen
Dien st-, sondern mehr als einen Bündnis vertrag angesehen.
Die darin aufgenommene Zusicherung, der Kaiser garantiere
ihm im kommenden Frieden seine linksrheinischen Be-
sitzungen, die von Franz IL in dem jetzt reger werdenden
Briefwechsel zwischen Wien und Darmstadt immer wieder-
holte Beteuerung, er werde seinen treuesten Bundesgenossen
niemals verlassen und ihm im Frieden entweder die Graf-
schaft Hanau-Lichtenberg oder doch wenigstens ein an-
ständiges Äquivalent verschaffen, erweckten in dem reichs-
und kaisertreuen Landgrafen das Gefühl vollkommener
Sicherheit. Auf diesem festen Grunde hat er mit Gatzert
sein „System*' aufgebaut, das in einer blinden Anhänglich-
keit an den Kaiser gipfelte. Gatzert hat freilich dabei noch
die Pflege guter Beziehungen zu Preußen betont, von der
Ludwig, der seit Mainz und der Subsidiensache mit seinem
Schwager Friedrich Wilhelm II. entzweit war, wenig wissen
wollte. Er war fest überzeugt, daß ihm Preußen in Wien
Steine in den Weg geworfen und das Übereinkommen
zwischen dem Reich und England über seine Truppen be-
fördert habe.
Die nächsten Monate waren für Gatzert Zeiten ver-
hältnismäßiger Ruhe. An dem Kongreß in Wilhelmsbad nahm
Landgraf Ludwig aus Rücksicht auf den Kaiser nicht teil.
Seitdem sie in den Subsidienverträgen vom Jahre 1793 einen
festen Untergrund gewonnen hatte, war die hessische Politik
sehr einfach geworden.
Gatzert l>efaßte sich mit der Neuorganisation der Hanau-
Lichtenberger Lande, mit Landtagsverhandlungen u. a. m.
Neue Arbeit auf dem Felde der großen Politik gab es wieder
für ihn, als Preußen in Basel Friedensunterhandlungen mit
Frankreich einleitete. Es suchte auch den Landgrafen zum
Mittun zu gewinnen. Ludwig X. wies aber den Gedanken
an einen Separatfrieden mit der verabscheuten Republik
weit von sich. Dagegen ordnete er wenigstens, aber „nur
auf Spekulation*', seinen Regierungsrat Kappler nach Basel
ab, um bei den Franzosen seine elsässischen Ansprüche
und alten Forderungen an die Krone Frankreichs geltend zu
macheu. Kappler war aufs strengste angewiesen, sich nicht
als Charge d 'affaires und Friedensunterhändler aufzuspielen.
Wir wissen, daß er trotzdem einmal, September 1795, dem
französischen Minister Barthelemy in einer Note von einem
französisch-hessischen Separatfrieden sprach. Daß er dies
ohne Auftrag tat, geht klar aus seiner Korrespondenz mit
Gatzert und aus dem vertraulichen Briefwechsel Gatzerts mit
Ein Gießener Professor als hessischer Staat<<minisler. 495
Ludwig X. hervor. Als der Landgraf Verdacht schöpfte, wurde
Kappler streng angewiesen, „zu keinen Zweydeutigkeiten
Anlaß zu geben**. „Ich habe bewiesen**, schreibt Ludwig
am 10. Oktober 1795 an Gatzert, „daß Beharrlichkeit endlich
siegt, ohne zur Schlechtigkeit seine Zuflucht nehmen zu
müssen**, und eine Schlechtigkeit war jedes separate Ver-
handeln mit Frankreich in seinen Augen. Gatzert aber hat
seinem Vertrauten „eine tüchtige Lektion" gegeben, „damit,
wenn die Nachwelt dereinst diese Papiere der Baseler Korre-
spondenz findet. Niemand auf den irrigen Gedanken ge-
rathen kann, als hätten Euere Hochfürstliche Durchlaucht
oder auch nur meine Wenigkeit dergleichen Schlechtigkeit
im geringsten gutgeheißen oder ohne Ahndung gelassen".
Ludwig X. war über den Friedensschluß Preußens mit
Frankreich aufrichtig empört. Er lehnte es ab, in die darin
verabredete Demarkationslinie eingeschlossen zu werden, und
hat es seinen Beamten verübelt, daß sie September 1795
bei Einfall der Franzosen den Schutz der Preußen, den diese
sehr bereitwillig zusagten, nachsuchten. Die Stimmung des
Volkes war allerdings dafür. Mit Neid sah man auf die
Nachbarn in Hessen-Kassel, die infolge ihres Friedens mit
der Republik von beiden kriegführenden Parteien verschont
wurden, während die befreundeten Österreicher in der
Obergrafschaft wie in Feindesland hausten.
„Über Plünderungen auf dem Lande**, schreibt Gatzert,
den der Landgraf bei seiner Flucht vor einem französischen
Einfall Ende 95 mit plein pouvoir zurückgelassen hatte, an
diesen, „wird sehr geklagt**. Die Damistädter seien den
Österreichern aufsässig. Es sei zu Exzessen gekommen, und
die Darmstädtor Polizei tauge zu nichts. An ein Separatab-
kommen mit Frankreich, zu dem soeben der kurmainzische
Minister v. Albini einlade, sei trotz dieser Stimmung nicht
zu denken, solange kaiserliche Truppen im Lande
stünden.
Hat Gatzert vielleicht schon damals im Innerst?n ge-
schwankt, Ludwig X. hielt, trotzdem er im Exil zu Eisenach
weilte, unabänderlich an seinem gefaßten Entschluß: ,^kein
Friede ohne das Reich und den Kaiser*' fest und erklärte das
wieder einmal umgehende Gerücht, er habe Friede mit Frank-
reich geschlossen, für eine „Infamie**.
Daß Gatzert schon damals an der Zuverlässigkeit der
Österreicher zu zweifeln anfing, geht aus einem Referat
vom 3. Januar 1796 hervor, in dem er wieder von Friedens-
gerüchten schreibt : „England soll sich mit Friedensgedanken
tragen. Österreich mag alsdann wohl einen ziemlichen
496 Julius Reinhard Dieierich.
Frieden machen, allein das Reich dürfte übel weg-
kommen; da England für uns gar nichts thut, so machen
alle diese besonderen Umstände nöthig, auf unsere Politik
eine neue und doppelt fürsichtige Wachsamkeit zu legen,
damit wir am Ende vom Kayser wider seinen Willen und
eigenen Wunsch nicht gar mit bloßen papierenen Compli-
menten abgespeiset waren.**
Ludwig dagegen war voll Siegeszuversicht, und die Siege
der Österreicher gaben ihm zunächst recht. Im Sommer 1796
wendete sich dagegen wieder einmal das Blättchen zugunsten
der Franzosen. Der Landgraf mußte zum zweitenmal das
Land seiner Väter verlassen und in Klein-Tschocher bei
Leipzig eine Zuflucht suchen.
Diesmal lastete der Krieg schwerer als je auf dem armen
Hessenlande. Unerschwingliche Kontributionen und Requisi-
tionen, Räubereien und Mordbrennereien der französischen
Soldateska trieben das Volk fast zur Verzweiflung. Gatzert,
der an der Spitze der Regierung zurückgeblieben war, brach
unter der Wucht der auf ihn einstürmenden Ereignisse zu-
sammen. Württemberg und Baden, der schwäbische und frän-
kische Kreis verständigten sich mit Frankreich. Es schien,
als ob Süddeutschland rettungslos dem Feinde preisgegeben
wäre. Da entschloß auch er sich zu dem schweren Schritt,
seinem Herrn zum Abschluß eines Waffenstillstands oder,
wenn es nicht anders anginge, eines Separatfriedens zu raten.
In einem ausführlichen Gutachten, dem sich seine beiden
Kollegen anschlössen, begründete er seine Sinnesänderung.
Er selbst ging mit diesem Gutachten nach Leipzig, um bei
seinem Herrn persönlich seine PLäne zu vertreten. Zu gleicher
Zeit wurde Regierungsrat Kappler in das Hauptquartier des
französischen Generals Jourdan abgeordnet, um mit diesem
zunächst ein vorläufiges Abkommen zu treffen.
Das Nähere über die mündlichen Verhandlungen in
Leipzig und Klein-Tschocher wissen wir nicht. Fest steht
nur, daß er Ludwig X. den Entschluß, in Verhandlungen mit
den Reichsfeinden einzutreten, mit großer Mühe abgekämpft
hat. Am 21. August stellte der Landgraf Gatzert eine weit-
gehende Vollmacht aus, die ihn zu Waffenstillstands- und
Friedensverhandlungen mit Frankreich ermächtigte.
(latzert hat von ihr keinen Gebrauch machen können.
Er wurde auf dem Rückwege durch das Rumpfparlament in
Alsfeld aufgehalten. Als er nach Darmstadt zurückkam,
hatte sich die Situation völlig verändert. Erzherzog Karl
hatte seine Siegeslaufbahn angetreten. Ganz Süddeutsch-
land jubelte ihm zu, als er Jourdan und Moreau über den
Ein Gießener Professor als hessischer Staatsminister. 497
Rhein zurückwarf. Ludwig X., der sich noch eben in seinem
Asyl von den Franzosen bedroht gesehen hatte, atmete auf.
Schon am 6. September widerrief er in kategorischer Form
alle Vollmachten, die er in letzter Zeit ausgestellt hatte^
darunter auch die Gatzerts. Aus seinen Briefen an diesen
klingt der Jubel darüber heraus, daß ihm der schwere Schritt,
ohne den Kaiser mit den Franzosen zu verhandeln, erspart
geblieben ist. In den schärfsten Worten verurteilt er jede
Verhandlung mit der Republik als einen Verrat an Kaiser
und Reich. Mit Leib und Seele ist er kaiserlich. Die Fort-
schritte des jungen Helden, Erzherzog Karls, verfolgt er
mit heller Begeisterung. Der ersehnte Frieden mit den Ent-
schädigungen für die schweren Verluste der letzten Jahre
schien ihm schon in nächste Nähe gerückt.
Gatzert, der wieder in Darmstadt mit unumschränkter
Vollmacht waltete, war skeptischer. Auch er ist dafür, daß
man an der einmal ergriffenen Partie festhalte und jetzt
alles auf die Karte Österreich setze. Der Tag in Alsfeld hatte
ihm die Augen über die Stimmung des Volkes geöffnet. Von
einer Volksbewaffnung, wie sie anderwärts beim Rückzug
der Jourdanschen Armee ins Werk gesetzt wurde, riet er
dringend ab. Die Erbitterung gegen die Österreicher war
im Wachsen: „auch die biedersten Einwohner des hiesigen
Landes sind gegen das weise System ihres der Reichs-
Constitution treuen Fürsten taub.** Die Furcht vor der Rück-
kehr der Franzosen und ihrer Rache im Falle einer allge-
meinen Volksbewaffnung sei überall sehr groß. Dazu käme
die Sorge um die Geiseln, die die französischen Generale
bei ihrem Rückzug mitgeschleppt und wahrscheinlich ins
Innere Frankreichs verschickt hätten.
Waren die österreichischen Waffen in Deutschland sieg-
reich, um so schlimmer sah es auf dem italienischen Kriegs-
schauplatz aus. Hier war Bonaparte in stetem Vordringen.
Im April stand er nur noch wenige Tagemärsche von Wien
entfernt und zwang so die österroicher zu dem am 18. April
1797 unterzeichneten Präliminarfrieden von Leoben. I3er
Kaiser bedang sich darin wohl die Integrität des Reiches
aus, zur Beratung über den Reichsfrieden sollte aber ein
besonderer Kongreß berufen werden, auf dem die
schon 1795 gewählte Reichsfriedensdeputation, zu der
auch gegen das Votum Preußens und auf das Betreiben
des Kaisers Hessen-Darmstadt vom Regensburger Reichs-
tag bestimmt worden war, gemeinsam mit dem Kaiser und
Frankreich die Friedensbedingungen ,,auf der Grundlage der
Integrität des Reiches** feststellen sollte.
Beiträge z. Gesch. d. Univenltäten Mainz u. Gießen. 82
498 Julius Reinhard Dieiericb.
Bereits 1795 war Gatzert zum Deputierten auf den Reichs-
friedenskongreß ernannt und bevollmächtigt worden. Er
hatte sich schon zur Abreise nach Basel, wo der Kongreß
stattfinden sollte, bereit gemacht, als der Wiederausbnich
der Feindseligkeiten das kaum begonnene Friedenswerk über
den Haufen warf.
Daß auch jetzt als hessen-darmstädtischer Bevollmäch-
tigter nur Gatzert in Frage kam, versteht sich von selbst;
ebenso, daß auf dem kommenden Kongreß Hessen-Darm-
stadt nur im engsten Anschluß an den Kaiser vorgehen
konnte. So wollte es das System.
Um vor dem Abschlüsse des definitiven Friedens noch-
auf die Wiener maßgebenden Instanzen einwirken und
womöglich noch eine Beriicksichtigung der hessen- darm-
städtischen Forderungen im Friedensinstrument durchsetzen
zu können — Ludwig X. glaubte, darauf als Verbündeter
des Kaisers Anspruch zu haben, und war durch die Nicht-
erwähnung Hessens im Präliminarfrieden befremdet — ,
schien es Gatzert gut, persönlich in Wien für Hessen einzu-
wirken, und sein Vorschlag, ihn selbst dahin abzuordnen,
fand den Beifall des Landgrafen.
Am 10. Mai traf Gatzert in Wien ein. Er ward vom
Kaiser, von Thugut und sämtlichen maßgebenden Persön-
lichkeiten im Staats- und Reichsministerium mit Auszeich-
nung empfangen. Man hörte seine Vorträge freundlich an
und gab ihm überall unverbindliche, wohlwollende Zusagen.
Da das Reichsministerium mit dem Staatsministerium verfein-
det war, imd beide fast ohne Fühlung miteinander vorgingen,
und der hessische Abgeordnete von dem einen Ministerium
ins andere verwiesen und überall mit billigen Versprechungen
abgespeist wurde, kam dieser, trotzdem er nichts unversucht
ließ, während seines monatelangen Aufenthalts in Wien
auch nicht einen Schritt weiter. Nicht einmal das Ver-
sprechen einer besonderen Verwendung, einer „Mediation"
des Kaisers bei Frankreich gelegentlich der künftigen Reichs-
friedensverhandlungen, vermochte er zu erlangen. Bei allen
Behörden, mit denen er zu tun hatte, beim Kaiser selbst,
bei den Ministem fand er eine auffallende Unkenntnis der
Verhältnisse im Reich und namentlich des Landgrafen. Er
hat diesem Mangel durch eine Reihe von Noten, Gutachten
und Denkschriften abzuhelfen versucht. Sie wurden wohl-
wollend entgegengenonnnen, fruchteten aber auch nichts
weiter. Über die Friedensverhandlungen in Campo Formio
hüllte man sich in undurchdringliches Schweigen. Landgraf
Ludwig ging sehr irre, als er eimnal, verführt durch die
Ein Gießener Professor als hessischer Staalsminister. 499
begeisterten Schilderungen Gatzerts über seine Aufnahme
und seinen immer steigenden Einfluß, schrieb; er hoffe, daß
sein Minister die Aufnahme eines für sein Land günstigen
Artikels ins Friedensinstrument durchsetzen könne. Gatzert
selbst täuschte sich über das Gewicht seiner Vorstellungen
in Wien. Er nahm die glatten Worte der gewiegten Diplo-
maten für Ernst und schätzte einzelne Vertrauensbeweise ^^^
viel zu hoch ein, so daß er selbst zum Schlüsse eine über-
triebene Vorstellung von seinem Einfluß bekam. Gelegent-
lich freilich dämmerte doch in ihm die Erkenntnis auf, daß
auf Österreich kein Verlaß sei. Dann empfahl er wohl ein-
mal direkte Verhandlungen mit Paris. Auch legte er dem
Landgrafen an das Herz, die Fürsprache Preußens zu ge-
winnen. Er habe, schreibt er einmal, „immer das System
gehabt, die Assistenz dieses Hofes mit der des Kayserlichen
zu verbinden". Preußen würde es nicht übel nehmen, wenn
der K. K. Hof für Hessen bei Frankreich vermittelte, der
K. K. Hof nicht, wenn Hessen die Unterstützung Preußens
suchte. „Beide Höfe sind aller politischen Kälte ohnerachtet
dennoch keine Feinde**. Wien zur Zeit Thuguts! Konnte
man die Lage mehr verkennen, als hier Gatzert?
Trotzdem man ihn über den Frieden von Campo Formio
noch immer im Dunkeln ließ, trotzdem er auch nicht die
geringste feste Zusage erhielt, wuchs unter dem faszinie-
renden Einfluß der österreichischen Diplomaten, eines Thu-
gut, Lehrbach und Metternich, das Vertrauen Gatzerts in die
Zuverlässigkeit des österreichischen Hofes so, daß er zuletzt
fast blind gegen die sich immer mehrenden Anzeichen der
Perfidie wurde, mit der Österreich in Campo Formio das
Reich und seine Bundesgenossen behandelte. Am 1. Juli
1797 meldete er stolz nach Darmstadt, „daß an den Orten,
wo es gilt, das Vertrauen gegen mich täglich zunimmt, und
zwar oft in einem Grad, der mich schamroth macht; daß die
Zusagen, sich unserer bestens annehmen zu wollen, wieder-
holt bestätiget werden, und ich durchaus überzeugt bin,
daß zu unseren Gunsten hier überall sich Rechtschaffenheit
mit dem besten Willen vereinigt. Ich hoffe also, es durch
mein unablässiges Anklopfen so weit zu bringen, als es die
2iii Die Staatskauzlei hatte ihm u. a. vertraulich die Instruktionen für
die Delegierten zum lleichsfriedenskongreß vorlegen lassen, in denen diese
angewiesen wurden, die Forderungen Hessen-Darmstadts besonders zu
unterstützen. Er selbst wurde aufgefordert, seine Gedanken darüber zu
Papier zu bringen, und nun berichtete er dies triumphierend nach Darm-
stadt. Auch auf die Ernennung der Delegierten selbst und ihres Personals
schrieb er sich, doch wohl irrtümlich, einen weitgehenden Einfluß zu.
82*
500 Julius Reinhard Dieterich.
Umstände mir immer erlauben und manchen hinter mir
zu lassen, der die nemlichen Anliegen hat."
Das Vertrauen Ludwigs X. in Österreichs Bündnistreue
wurde durch diesen und ähnliche Briefe nur bestärkt. Als Ok-
tober 1797 der Wiederausbruch der Feindseligkeiten mit
Frankreich drohte, kam für ihn ein Waffenstillstand oder
ein Abkommen mit den Franzosen, die sicher zu haben ge-
wesen wären, überhaupt nicht in Frage. Er machte sich
zur Flucht nach Prag bereit. Freilich müsse er, so schreibt
er am 5. Oktober an den Minister Gatzert, dann sein Land
preisgeben, das alle Schrecken des Krieges noch ein-
mal auskosten werde. Er solle ihm einen Rat geben, wie
dem Unglück gesteuert werden könne „auf eine gute und
loyale Art**.
Ludwigs Besorgnisse waren unbegründet. Der Friede
von Campio Formio kam zustande. In der publizierten
Fassung war nichts über die Entschädigung des Landgrafen
zu finden. Die geheimen Artikel, die wichtigsten, wurden
auch Gatzert^ trotz seines eingebildeten Einflusses^ vorent-
halten. Mit leeren Händen und mit vielen nichtssagenden
Versprechungen kam er zurück, aber trotzdem ganz im
Bann der österreichischen Politik. Er war mit den
beiden Hauptgesandten Österreichs und des Reichs zum
Rastatter Friedenskongreß, mit den Grafen Metternich und
Lehrbach, befreundet. Beide gaben sich zugleich als auf-
richtige Freunde des Landgrafen aus. Lehrbach war hes-
sischer Vasall und Ludwig X. vielfach zu Danke verpflichtet.
Er hatte sich seither schon seine Freundschaft teuer abkaufen
lassen.
Im Vertrauen auf diese persönliche Freundschaft und
auf die leeren Zusagen, die man ihm in Wien gemacht hatte,
ging Gatzert nach Rastatt, in dem Glauben, daß er hier
eben durch seine Wiener Beziehungen berufen sei, eine
große Rolle zu spielen. „Wenn es der Stimme des hiesigen
Publikimis nachginge**, schreibt er einmal, „würden wir bey
dem Frieden am besten wegkommen. Jedermann glaubt
dieses und gratuliert uns.**
Am 16. November 1797 ist Gatzert in Rastatt einge-
troffen. Er fand bald ein gutes Verhältnis zu den fran-
zösischen Ministem, ohne sich aber in nähere Verhandlungen
einzulassen» weil es „durchaus der Verfassung zuwider"
sei. Die Reichsverfassung war überhaupt für den alten
Staatsrechtler, der so viel über Verfassungsfragen ge-
lehrt und geschrieben hatte, der Leitstern bei allen seinen
Verhandlungen. Da Hessen-Darmstadt durch das Vertrauen
Ein Gießener Professor als hessischer Staatsminister. 501
des Reiches in die Reichsfriedensdeputation berufen sei,
sei es doppelt verpflichtet, die Reichskonstitution zu wahren.
Er selbst fühlte sich in erster Linie als Vertreter des Reichs,
erst in zweiter als Vertreter des Fürsten, der ihn nach
Rastatt abgeordnet hatte. In den Konflikten zwischen seinem
Reichsauftrage und seiner Pflicht gegen den Landgrafen,
die nach Einleitung direkter Verhandlungen zwischen Darm-
stadt und Paris unvermeidlich waren, hat ihn sein Herz
auf die Seite des überall und von allen mißhandelten Reichs
getrieben.
Vorerst ließ sich in Rastatt alles gut an. Die Aufnahme,
die Gatzert bei einem Besuche in Karlsruhe fand, war
glänzend. Seine Wiener Freunde empfingen ihn liebens-
würdig wie immer. Wie ein Meteor tauchte vor Er-
öffnung der Verhandlungen Bonaparte in Rastatt auf, um
noch vor Eintreffen des kaiserlichen Plenipotentiarius, des
Grafen Metternich, wieder zu verschwinden.
Der vertrauliche Bericht, den Gatzert über seinen Be-
such bei Bonaparte an den Landgrafen gerichtet hat, möge
hier im Wortlaut folgen. Ist sein Inhalt auch dürftig, so
verdient er doch wegen des Mannes, von dem er handelt,
den Abdruck.
Rastatt, den 29. Nov. 1797.
Gestern Abends 8 Uhr habe ich in Gesellschaft einiger andern
Deputirten zu der von Ihm bestimmten Zeit meine Visite bey dem
General Buonaparte gemacht. Er empfing uns überaus höflich,
kam uns biß an die Thür seines Hauptzimmers entgegen, setzte sich
mit uns an den Camin und begleitete uns hernach biß an die Thür
seines ersten Vorzimmers. Die Unterhaltung war die Einrichtung
der Deputation und bey Gelegenheit, daß von der Religions Gleich-
heit gesprochen wurde, kam er auf die Kriege Carl des fünften,
des Churfürst Friedrichs und Moriz von Sachsen, Philipps des
Grosmütigen von Hessen p. Er war sehr gesprächich, ob er schon
sonst gar wenig redet. Er war munter, mischte Scherze mit ein,
versprach sich baldigen Frieden und äußerte sich im allgemeinen
sehr billig. Das Aeußere des kleinen, hagern und überaus blassen
Mannes verspricht die Größe nicht, die seine Thaten und Geistes
Kraft voraussezzen. Er hatte nur 2 Adjutanten im Zimmer, die
an der Wand auf einem Sopha saßen. Sonst war er ohne allen
Prunk und hatte nur die gcstikkte ganz zugeknöpfte Generals
Uniform an, selbst ohne Degen und Schärpe. Einer seiner Ad-
jutanten empfieng uns an der Thür des ersten Vorzimmers luid
ein anderer begleitete uns hernach biß an die Trepj)e. Bey den drey
anderen französischen Bevollmächtigten wurden wir nicht ange-
nommen. Ueberhaupt war der Besuch nur noch zur Zeit eine
bloße privat Höflichkeits Visite ; sobald die Legitimation geschehen
seyn wird, muß die Kaiserliche Pienipotenz-- uns der französischen
-' Der Generalbevollmächtigte des Kaisers, Graf Metternich.
502 Julius Reinhard Dieterich.
Gesandtschaft en Corps präsentiren. Er trug uns auch noch über-
haupt sein Compliment an unsere hohe Principaischaft auf. Seine
Lebens Art ist besonders. Vormittag gegen 11 Uhr stehet er ge-
wöhnlich auf; frühstückt sodann, fährt oder reitet sodann aus;
dann gehet es an das schreiben und arbeiten um 3 Uhr; um 6 Uhr
speiset man gewöhnlich zu Mittag; um 8 Uhr gibt man Audienz,
nimmt Besuche an oder giebt sie; das Schauspiel folgt hierauf;
sodann schreiben und arbeiten; um Mitternacht wird soupirt und
hernach legt man sich zu Bette. Er erklärte, seine Gemahlin
werde nur alsdann kommen, wenn der Congreß lange dauern sollte.
Dermalen sey sie zu Paris. Vorerst hat er ihre Zimmer mit be-
zogen.
So eben (um 3 Uhr) schickt er einen General Adjutanten,
den Obrist Marbois, statt der Gegen Visite mir sein Compliment
zu machen, wie bey allen übrigen Gesandtschaften.
Der Eindruck, den Bonaparte auf Gatzert machte, muß
groß gewesen sein. Von der Energie des kleinen, mageren
Generals hat er offenbar eine günstige Einwirkung auf den
Fortgang der Friedensunterhandlungen erhofft. Sein Weg-
bleiben von Rastatt bedauerte er deshalb sehr. „Das Trau-
rigste ist**, schreibt er am 6. Dezember 1797 an den Land-
grafen, „daß man anfängt, an der Zurückkunft des Buona-
parte hierher zu zweifeln.**
Am 9. Dezember 1797 fand endlich die erste Sitzung
statt. Gleich im Anfang setzte es eine kleine Rang-
streitigkeit mit der badischen Gesandtschaft ab. „In An-
sehung der Alternative,** meldet Gatzert am 6. Dezember
nach Darmstadt, „zwischen mir und der badischen Subdele-
gation, muß ich zugleich eine Art von Differenz erwähnen,
die der Umstand, daß bei der letzteren außer dem Minister
von Edelsheim auch ein Secundarius in der Person des
Geheimen Rats Meiers angestellt ist, veranlaßt hat. Schon
vor mehreren Tagen stellte ich dem Minister von Edelsheim
vor, daß die Alternative zwischen mir und ihm bey den
Sessionen zwar keinem Zweifel unterworfen seyn könne,
daß ich oben gemachten Anstand nehmen müsse, auf eine
gleiche Weise seinen Secundarius gegen mich altemiren zu
lassen, weil ich alsdann im Fall, wenn Baden den Vorsitz
hätte, jedesmal zwey Stühle herunter käme, und solches eine
auffallende Disparität bewirken würde.**
Nach vielem Hin und Her kam man endlich auf den
Ausweg, daß neben den hessischen Subdelegatus jedesmal
ein leerer Stuhl gesetzt würde, „den meines gnädigsten Herrn
Hochfürstliche Durchlaucht nach Gutfinden alsdann 'auch
durch einen secundarius einnehmen lassen könnte**.
Die Verhandlungen des Kongresses, die sich monatelang
Ein Gielsener Professor als hessischer Staatsminister. 503
hinzogen, sind bekannt. Gatzert hat fleißig über alle
Wechselfälle Bericht erstattet. Er ging immer und überall
im engsten Anschluß an die Kaiserlichen und den öster-
reichischen Delegierten vor und richtete seine Abstimmungen
nach den ihrigen ein.
Selbst die Übergabe von Mainz an die Franzosen infolge
der österreichisch-französischen Konvention hat ihn nur
einen Augenblick an seinen Wiener Freunden irre gemacht.
Schreibt er am 20. Dezember an den Landgraf: „die Trac-
taten-Abschließer in Wien erscheinen in einem sehr bösen
Licht**, so entschuldigt er seine Freunde später so : die Über-
gabe der Festung sei eine unerwartete Folge einer im übrigen
harmlosen Maßregel gewesen. „Einer Convention zu Campo
Formido wegen Maynz, der Rheinschanze oder überhaupt
des linken Rheinufers widersprachen sie: aber der Fehler
lag in der Zusage, die Haustruppen, Artillerie pp. zurück-
zuzuziehen. Man dachte nicht an die gleichwohlen so
leicht vorauszusehenden Folgen. Hinc illae lacrymae.**
In Darmstadt sah man freilich die Sache anders an wie
Gatzert. Die Wegnahme von Mainz stellte eine stete Be-
drohung der Obergrafschaft dar. Das Benehmen der Kaiser-
lichen, die bis dahin jedes heimliche Abkommen mit Frank-
reich geleugnet hatten und jetzt auf Grund von heimlichen
Artikeln des Friedens Mainz dem Feinde preisgaben, wurde
hier, wie überall, verurteilt. Die Stimmung in den wei-
testen Kreisen war deshalb gegen Österreich und für eine
Verständigung mit Frankreich. Auf die Dauer konnte sich
auch der Landgraf, der noch im Januar 1798 seinem Dele-
gierten in Rastatt versicherte, daß er fest auf die Erkennt-
lichkeit des Kaisers baue, dieser Stimmung nicht entziehen.
Am Hof in Darmstadt bekämpften sich damals drei
Strömungen, eine kaiserfreundliche, die aber durch die Ab-
wesenheit ihres Hauptführers, Gatzerts, geschwächt war, eine
preußische und endlich seit kurzem eine dritte Partei, die
für den Anschluß Hessen-Darmstadts an Frankreich ar-
beitete. Führer dieser Partei war der Oberstallmeister Frei-
herr V. Barkhaus-Wiesenhütten.
Karl Ludwig v. Barkhaus war durch die Vermittlung
Gatzerts in den hessischen Staatsdienst gekommen. Er war
ihm nicht nur hierfür zu Dank verpflichtet. Wie aus den
mir zur Verfügung gestellten hinterlassenen Papieren
Gatzerts 2^ hervorgeht, hat ihm dieser mehrmals aus schweren
finanziellen Nöten geholfen. Dies hat Barkhaus nicht ab-
2-^ Ich bin für deren Überlassung Herrn Geh. Regierungsrat Bopp,
Darmstadt, zu Dank verflichtet.
504 Julias Reinhard Dieterich.
gehalten, in die schärfste Opposition gegen Gatzert einzu-
treten. Der weit- und geschäftsgewandte, in der Wahl seiner
Mittel nicht gerade skrupulöse Oberstallmeister machte be-
reits Ende 1797 einen Vorstoß. Es sind uns zwar nur Reste
seiner Korrespondenz mit seinem Schwager, Oberst v. Pap-
penheim, erhalten. Doch geht aus diesen deutlich hervor,
daß es bereits 1797 nahe daran war, daß Pappenheim oder
Barkhaus selbst in geheimer Sendung nach Paris ging. Der
Einfluß der Landgräfin scheint diesen Plan, der wohl unter
dem frischen Eindruck des Verrats von Mainz entstanden
war, vereitelt zu haben.
Februar 1798 war die Partei der Franzosenfreunde glück-
licher. Von Paris aus selbst wurde die Entsendung eines
Agenten in Darmstadt angeregt. Die Nachrichten aus Rastatt
lauteten trostloser denn je. Gatzert selbst mußte zugeben,
daß auf eine allgemeine Säkularisation der geistlichen
Staaten, wie sie von Frankreich und allen den Fürsten, die
auf Entschädigungen für Verluste in Elsaß Anspruch hatten
— nur nicht von Hessen-Darmstadt, das die größten Ver-
luste erlitten hatte — , betrieben wurde, kaum zu rechnen
sei. Der kaiserliche Hof vor allem war dagegen und stand
für die Erhaltung der drei geistlichen Kurfürstentümer, „als
wesentlich zur Verfassung des Reichs gehörig**, ein. Ini
Falle einer Abtretung des linken Rheinufers sollten die Erz-
bischöfe von Mainz, Köln und Trier auf dem rechten ent-
schädigt werden. Daß dann für die weltlichen Fürsten und
ihre Ansprüche herzlich wenig oder gar nichts abfiel, viel-
leicht nur eine Geldentschädigung, war leicht vorauszusehen.
Preußen, zu dem das Verhältnis Hessen-Darmstadts auch
nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms HI. nicht
wärmer geworden war, war zurückhaltend und zweideutig,
wie immer in den letzten Jahren. Frankreich allein, das sich
aufs entschiedenste für die allgemeine Säkularisation und
für die Entschädigung der Elsässer Verluste auf dem rechten
Rheinufer einsetzte, schien der einzige Hort der deutschen
Fürsten zu sein. Schon verhandelten einzelne von diesen
in Paris direkt mit dem Direktorium.
Hier setzte Barkhaus ein, und es gelang ihm, Lud-
wig X. für die Entsendung eines Agenten, der aber ge-
gebcnenfalies auch als Gesandter sich legitimieren konnte,
nach Paris zu bestimmen. Den richtigen Mann für diese Auf-
gabe schluo er ebenfalls vor: August Wilhelm von Pappen-
heim. Ende Februar ist dieser in geheimer Sendung an
das französische Direktorium nach Paris abgeordnet worden.
Diese Abordnung bedeutete eine empfindliche Nieder-
Ein Gie&ener Professor als hessischer Siaatsminister, 505
läge für Gatzert und sein System. Gatzert hatte wohl selbst
früher einmal gelegentlich die Entsendung eines Spezial-
gesandten nach Paris ins Auge gefaßt: gegen die Abord-
nung Pappenheims hatte er sich aber mit allen ihm zu Ge-
bote stehenden Mitteln gewehrt. Der Landgraf, den die
Übergabe von Mainz und die österreichischen Erklärungen
über die Säkularisation völlig ernüchtert hatten, hörte nicht
mehr auf ihn. Seine Gegner in Darmstadt gewannen immer
mehr Terrain. Barkhaus wurde ins Ministerium berufen
und brachte hier bald seine Maxime: „los von Österreich
und Preußen, die uns nichts mehr zu bieten haben, und
hin zu Frankreich** ! zur vollen Geltung.
Pappenheim hatte in Paris die beste Aufnahme ge-
funden. Mit List und Gewandtheit verschaffte er sich Zu-
tritt zu den maßgebenden Stellen. Die von ihm vorgebrachten
hessen-darmstädtischen Entschädigungsforderungen wurden
wohlwollend geprüft und im Prinzip gebilligt. Schließlich
schlug man dem Landgrafen eine Defensiv- und Offensiv-
allianz vor. Der Plan eines Rheinbundes deutscher Fürsten
unter Hessens Führung tauchte auf.
Den Gedanken an eine Allianz mit Frankreich, die sich
nur gegen das Reich und den Kaiser richten konnte, hat
aber Ludwig X., trotz seiner Erbitterung über die Unzu-
verlässigkeit der Österreicher, entrüstet von sich gewiesen.
Auch Gatzert, der zu Gutachten über die Vorschläge Pappen-
heims aufgefordert wurde (Mai/Juni 1798), hat sich, wie
dies nicht anders von ihm zu erwarten war, aufs schärfste
dagegen ausgesprochen: „Als redlicher treuer Diener Sere-
nissimi kann ich zu einer Off- oder Defensiv Allianz mit
Frankreich, solange unsere Reichs Verfassung noch existiert,
gegen Kayser und Reich um so weniger einem Fürsten rathen,
der sich fast einzig und allein durch treue Anhänglichkeit
an dieselbe den ganzen Krieg hindurch so vorzüglich aus-
gezeichnet und (leßhalb seinem Nahmen und Hauß einen
unverwelklichen ewigen Ruhm erworben hat**. Eine Ver-
bindung gegen das „deutsche Vaterland auf dieser Basis**
erklärt er offen für einen ehrlosen Verrat. Also keine
Allianz, sondern nur eine friedliche Verständigung über die
schwebenden Fragen für den Fall eines Wiederausbruchs
des Kriegs sei anzubahnen. Davon müsse man aber loyaler-
weise die Höfe von Wien und Berlin verständigen. ,, Einen
anderen Ausweg weiß ich nicht anzugeben. Statt daß mich
Jean de Bry^* - hier kommt Gatzerts ganzer Schmerz über
die veränderte Politik des Landgrafen zum Durchbruch —
'* Französischer Minister in Rastatt.
506 Julius Reinhard Dieterich.
sonst rhomme vendu ä TEmpereur nannte, heißen wir jetzt
hier überall die ärgsten Anhänger der französischen Re-
publik.**
Pappenheim, dem übrigens Gatzert in diesem Gutachten
das Zeugnis ausstellt, er sei „ganz auf dem richtigen Weg
bei seiner Unterhandlung**, ein Zugeständnis, das dem Ge-
rechtigkeitsgefühl des Schreibers alle Ehre macht, Pappen-
heim verstand es, die Machthaber in Paris, ohne sich tiefer
auf die ihm gemachten, verlockenden Anträge einzulassen,
günstig für den Landgrafen und seine Forderungen zu
stimmen und sich offene und geheime Wege für wichtige
Verhandlungen zu bahnen. So verließ er Paris wieder, um
die Beratungen mit den zu den Friedensverhandlungen nach
Rastatt delegierten französischen Ministern fortzusetzen.
In Darmstadt hatte sich unterdessen der große Um-
schwung in der auswärtigen Politik vollzogen. Durch den
Eintritt Barkhausens ins Ministerium war die Landgrafschaft
ins franzosenfreundliche Fahrwasser gekommen.
Dieser Umschwung machte sich sofort auch in der Stel-
lung Gatzerts beim Reichsdeputationstage zu Rastatt gel-
tend. Die Anzeichen, daß der noch vor wenigen Monaten
allmächtige Minister von den jüngeren Rivalen aus dem
Sattel gehoben war, mehrten sich. Am 6. August 1798
ward August Wilhelm von Pappenheim als Vertreter des er-
krankten Regierungsrats Strecker unter dem Titel eines Ge-
sandten und Bevollmächtigten nach Rastatt abgeordert. Er
hatte den Auftrag, die in Paris begonnenen Unterhandlungen
mit den französischen Ministern beim Reichsfriedenskongreß
fortzusetzen. Die ganze Entschädigungsfrage, das Herzstück
der auswärtigen Politik Hessens, wurde in seine Hand
gelegt. Er hatte den gemessenen Auftrag, sich über
alle Fragen mit Gatzert zu benehmen, während dieser um-
gekehrt angewiesen wurde, seine Instruktionen und Vota mit
Pappenheim zu „kommunizieren**. Da Pappenheim von vorn-
herein die Erlaubnis hatte, ohne besonderen Urlaub nach
Darmstadt zu reisen — Gatzert war durch die Sitzungen der
Deputation gebunden — , blieb er in steter Fühlung mit dem
jetzt ganz und gar von Barkhaus dirigierten Geheimen Rat
und mit dem Landgrafen selbst, während Gatzerts Stellung
immer isolierter wurde.
Schon im August 1798 kam es zum Konflikt. Gatzert
wird Pappenheim zunächst ganz ignoriert haben. Man
schien ihn sogar in Darmstadt im Verdacht zu haben, daß
er seinen persönlichen Einfluß dazu ausnützte, um Pappen-
heim gesellschaftlich bei den Gesandtschaften zu schädigen.
Ein Gie&ener Professor als hessischer Staatsminister. 507
Die Anweisung an Gatzert, er solle sein Votum nach
den mit Pappenheim vorher getroffenen Vereinbarungen ein-
richten, war allerdings schwer für einen Mann, der seit
Jahren unabhängig und selbständig die ganze Politik Hessens
geleitet hatte. Ob er wohl gewußt hat, daß Pappenheim
beauftragt war, in seinen Berichten nach Darmstadt die
Punkte anzugeben, auf die Gatzert in Rastatt instruiert
werden sollte? Wahrscheinlich! Pappenheim war am
22. August nochmals angewiesen worden, seine Instruktionen
Gatzert ebenfalls vorzulegen.
Wie hatten sich die Zeiten geändert! In Darmstadt
beherrschte Barkhaus den Geheimen Rat. Wie vordem
Gatzert selbst, erstattete er die maßgebenden Gutachten, hatte
er das Ohr des Landgrafen. In Rastatt verfolgte Pappenheim
eine von Gatzert verabscheute Politik, die des Anschlusses
an Frankreich. Gatzert, der seither selbständig gehandelt
und die ihm von Darmstadt zugesandten Instruktionen selbst
vorher entworfen und eingesandt hatte, wurde jetzt ange-
wiesen, die genauesten Berichte nach Darmstadt zu schicken,
damit man ihm dort die Instruktionen ausfertigen konnte,
die ihm Abstimmungen vorschrieben, die seiner politischen
Überzeugung stracks zuwiderliefen.
Gatzert hat sich, wohl im Vertrauen auf die Freund-
schaft seines Landesherrn, um diese Befehle zunächst nicht
viel gekümmert. Da beschwerten sich die Minister in Darm-
stadt: er schicke die einverlangten Gutachten nicht. Noch
mehr: er habe auf die letzte, in sehr genauer Weise abge-
faßte Instruktion erwidert, „daß er ohnverfehlen würde,
sein Votum, so weit Klugheit oder Vorsicht es gleich-
balden zulassen", einzurichten. Das sei offene Wider-
setzlichkeit. Die Resolution (28. August) des Landgrafen ist
in sehr erregtem Tone abgefaßt. Ludwig X. empfand Gatzerts
Verfahren als eine Beleidigung „für mich und dem Mini-
sterium**, als „vorsätzliche Widerspenstigkeit gegen Meine
Befehle und Gleichgültigkeit gegen Meinem und des Landes
Wohl**. Der Schluß war: Gatzert solle angewiesen werden,
künftig „purim (so!) sein Votum nach der Instruktion ein-
zurichten**. „Es kostet ihm'*, begründete der Landgraf am
folgenden Tag (29. August) seinen Tadel, „viel weniger
Überwindung, wie es scheint, mein Interesse auf das Spiel
zu setzen, als von der Österreichischen Parthev sich zu
entfernen. Er macht Ausflüchte. Redet (er) von seinen dop-
pelten Pflichten gegen Mir und das Reich, so ist das lächer-
lich.** Gatzert habe nur seine, des „Kommettenten**, Befehle
auszurichten. „Ich sollte fast glauben, daß böser Wille eine
508 Julius Reinhard Dieterich.
Triebfeder bey ihm ist, um alles, was mir Vortheil ver-
schaffen kann, zu vernichten.'* Wenn der Landgraf dann
fortfährt: „Seine pohtischen Neuigkeiten glaube ich nicht**,
so will er kaum damit sagen, daß Gatzert ihn belüge, son-
dern vielmehr, daß er gutgläubig, was ihm seine öster-
reichischen Freunde voriogen, weitergebe.
Gatzert sah ein, daß seine Stellung unhaltbar sei. Er
reichte seine Entlassung ein. Sie wurde abgelehnt. Er
blieb, um sich Demütigungen über Demütigungen auszu-
setzen. Seine Feinde waren in den Mitteln, ihn zu kränken,
nicht wählerisch. Selbst das alberne Gerücht, er sei von
Österreich bestochen, ist ausgesprengt und geglaubt worden.
In seinen Instruktionen wurde Gatzert ausdrücklich auf die
Abstimmungen in der Reichsdeputation und auf sein Amt
als Hanau-Lichtenberger Kabinettsminister eingeschränkt.
Die Verhandlungen über die Entschädigungsfrage wurden
ganz in Pappenheims Hände gelegt. Als Anfang De-
zember 1798 der Wiederausbruch des Krieges drohte, ver-
fügte der Landgraf, daß, komme es zum Bruch, alles nach
den Vorschlägen Pappenheims gehen müsse.
Im Frühjahr 1799 ward Pappenheim mit neuen Auf-
trägen nach Paris gesandt. Um diese Zeit ist Gatzert
wieder einmal in einem scharfen Schreiben an seine Pflicht
verwiesen worden. Die Antwort darauf war ein erneutes,
allerdings noch nicht formell gestelltes Entlassungsgesuch.=^^
Seitdem v. Pappenheim in Paris mit Talleyrand direkt
verhandelte, war Gatzerts Stellung in Rastatt zu völliger
Bedeutungslosigkeit herabgesunken. Er hielt noch bis zum
Schlüsse aus und hat noch einen eingehenden Bericht über
den Rastatter Gesandte rmiord nach Darmstadt erstattet.
Sofort nach seiner Rückkehr am 8. Mai 1799 reichte er sein
Entlassungsgesuch ein. Er begründete es einmal mit den
verschiedenen scharfen Verfügungen, die ihn schwer ver-
letzt hätten, dann aber mit Krankheit — sein Gehör, sein
Gesicht, seine Kräfte hätten abgenommen, ein Auge habe
er fast gänzlich verloren — , vor allem aber mit der Un-
gnade seines Herrn.
-'' „übrigens kann ich Ew. Hochfürstl. Durchlaucht in tiefster Weh-
mut treudevotest nicht bergen, daß ich über den sonstigen In- und
Gehalt er\s ahnten, gnädigsten Rescripts (vom 3. Februar 1799) mich in
mehrerm Betracht äußerst zu beschweren gerechteste Ursache habe, und
dali dasselbe, verbunden mit der zeither unverdienter Weise erlittenen
Behandlungsart, mich nöthiget, auf der huldreichen Gewährung einer
hüchstdenonselbcn bei meiner letzten Anwesenheit zu Darmstadt mündlich
dar^'elegten unterthänigsten Bitte bei meiner Zuröckkunft treugeh oi-samst
zu bestehen."
Ein Gießener Pi'ofessor als hessischer Staatsminister. 509
Am 14. Mai hat Ludwig das Abschiedsgesuch in gnä-
digen Worten gewährt. „Der in gedachtem Ihrem Schreiben
geäußerten Meinung aber", heißt es hier, „als ob mein sonst
gegen Sie, lieber Herr Geheimer Rath, gesetztes Zutrauen
erloschen seye, muß ich um so mehr wiedersprechen, als
Sie versichert seyn können, daß ich meinen Grundsätzen,
die Sie jederzeit eifErigst zu unterstützen bemüht waren,
immer treu bleiben werde, und daß hiervon jene Fälle, wo
die Lage der Umstände und Verhältnisse mich nöthigten,
Ihnen die Schritte vorzuzeichnen, gänzlich verschieden sind."
In seiner Antwort vom 20. Mai hat dann Gatzert noch ein-
mal unumwunden den Gefühlen der Zurücksetzung und der
„gekränkten Ehre" Ausdruck gegeben. Der Landgraf scheint
darauf nicht erwidert zu haben. Doch ist Gatzert nicht in
Ungnade aus hessischen Diensten geschieden. Er hat später
noch Briefe mit seinem alten Herrn gewechselt. 1805 hat
ihn dieser in Gießen besucht, zu einer Zeit, in der für ihn
und Hessen alles auf dem Spiele stand, an dem Vorabend
des Übertritts Hessen-Darmstadts auf die französische Seite.
Bis dahin hatte wenigstens Ludwig X., trotz aller Verhand-
lungen mit den Machthabem in Paris, das von Gatzert über-
kommene System wenigstens insofern weiter befolgt, als er
nähere Anknüpfung mit Frankreich vermieden hatte.
Am 2. April 1807 hat der Tod dem arbeits- und sorgen-,
aber auch segensreichen Leben des Entlassenen eine Grenze
gesetzt.
Ganz anders als der leidenschaftliche Moser hat Gatzert
den Verlust des Amtes, das ihm zu schwer geworden war,
ertragen. Ein Kampf, wie ihn Moser jahrzehntelang mit
verbissener Wut vor Gericht und literarisch gegen seinen
alten Herrn gekämpft hat, lag nicht in seiner Natur. Gatzert
war, als er sein letztes Entlassungsgesuch schrieb, ein ver-
brauchter, körperlich und wohl auch seelisch gebrochener
Mann. Schweigend und gehorsam, mit ruhiger Würde zog
er sich von der Stätte seiner Tätigkeit zurück, um noch
ein paar Jahre beschaulicher Ruhe in der kleinen Uni-
versitätsstadt zu verbringen, von der seine staatsmännische
Wirksamkeit ihren Ausgang genommen hatte.
Es liegt nahe, Vergleiche zwischen Moser und Gatzert
zu ziehen. An Material dafür fehlt es nicht. Beide Staats-
männer haben eine fast unübersehbare Reihe schriftlicher
Zeugnisse in ihren Berichten und Gutachten, Referaten und
510 Julius Reinhard Dietericb.
Briefen hinterlassen. Schon im Äußerlichen prägt sich der
Charakter der Schreiber aus. Mosers Handschrift ist gleich-
mäßig, klar und deutlich, dabei aber schön und elegant;
die Gatzerts groß und ungelenk. Ihr eigenartiger Duktus mit
seinen steifen, schlichten, aber klaren und kräftigen Buch-
staben entspricht dem Bilde des Mannes, das wir entworfen
haben.
Mosers amtliche Schriftstücke sind frisch und anschau-
lich, zum Teil geistreich entworfen. Sie stellten vielfach kleine
literarische Meisterstücke dar und ergehen sich leicht ins
Allgemeine, Philosophische, Sententiöse.
Gatzert ist inuner logisch, sachlich und nüchtern. * Seine
Ausdrucksweise ist kurz und treffend, nur zuweilen eintönig
und trocken. Staunenswert ist die Meisterung des Stoffes,
die Übersichtlichkeit und Durchsichtigkeit der Disposition.
Auch auf Gebieten, die dem Jurist ferne lagen, auf dem
Finanziellen, Militärischen u. s. f., spricht er nur dann, wenn
er sein Material vollständig beherrscht und wirklich etwas
zu sagen hat. Kommt bei Moser immer wieder der Philosoph
und Schöngeist zum Vorschein, so kann Gatzert nirgends
den Juristen verleugnen. Seine Schriftstücke, so tunfang-
reich einzelne sind, hat er meistens ohne Konzept in einem
Zuge und fast ohne Korrekturen und Einschaltungen nieder-
geschrieben. Fremder Schreibhülfe hat er sich, namentlich in
vertraulichen Sachen, anscheinend nur ungern bedient.
Die Gewandtheit mit der Feder scheint nicht unwesent-
lich seine Stellung zu seinen Kollegen beeinflußt, ihm schon
bald ein Übergewicht über sie gegeben zu haben. In kurzem
bürgerte sich der Brauch ein, daß er die Ergebnisse
wichtiger Beratungen selbst niederschrieb. Bei Gutachten der
Geheimen Räte ließ man ihm, trotzdem dienstältere Kollegen
vorhanden waren, den Vortritt. Es war freilich für diese
älteren Kollegen recht bequem, daß der Jüngere so die
Hauptarbeit auf sich nahm. Mit der Zeit hat aber diese
Gepflogenheit die überragende Stellung Gatzerts, die ihm
sein Wissen und Können auch sonst verbürgten, nur ver-
stärken können. Darin, daß ihm in späterer Zeit in den
Referaten fast immer der Vortritt gelassen wird, prägt sich
die Tatsache aus, daß er, wenn nicht de iure, so doch
sicher de facto der Premierminister Hessen-Darmstadts ge-
wesen ist. Moser ist auch de iure der Präsident des Ge-
heimen Rats gewesen. Nach seinem Rücktritt wurde diese
Stelle nicht wieder besetzt. Gatzert war nur der primus
inter pares.
Moser und Gatzert sind die markantesten Erschei-
Ein Gießener Professor als hessischer Staatsminister. 511
nungen Hessens in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahr-
hunderts. Beide Staatsmänner haben viel Gemeinsames in
Wesen und Wirken. Beiden eignete eine staunenswerte ,
Arbeitskraft, eine zielbewußte Seelenstärke, eine ungemeine
Vielseitigkeit und Gewandtheit, die es ihnen ermöglicbte,
sich in den verschiedensten Geschäften zurechtzufinden.
Doch ist K. F. Mosers Gesichtskreis der weitere gewesen.
Moser war die tiefere Natur. Er stand mitten in den litera-
rischen und philosophischen Bewegungen seiner Zeit. Seine
Herkunft aus einer altangesehenen Familie mit literarischen
Traditionen war seiner staatsmännischen Ausbildung förder-
lich. Von Jugend auf in Staatsgeschäften bewandert, der
geborene Hofmann, dem das Leben an den kleineren und
größeren Höfen, in Wien und Kassel, vertraut war, hatte er
vor dem aus kleinen Verhältnissen stanunenden Gießener
Professor, der erst allmählich in seine Aufgaben hinein-
wuchs, einen bedeutenden Vorsprung.
Gatzert trat erst in reiferen Jahren in die Staatsgeschäfte
ein. Er mußte sich Erfahrungen und Geschicklichkeiten,
die jenem sozusagen angeboren waren, erst erarbeiten. Er
ist zeitlebens ein etwas weltfremder Doktrinär geblieben.
Das glatte Parkett der Höfe war ihm ein ungewohnter Boden.
Wien und Rastatt zeigten uns, wie leichtgläubig und
linkisch er war. Eine gerade, offene Natur, die ohne Um-
schweife das heraussagte, was er dachte, ist er der Spiel-
ball gewissenloser Diplomaten geworden.
Wie seine Briefe lehren, ist er nicht unempfänglich
gegen Ehrenbezeugungen gewesen. Charakteristisch für seine
Art ist die Geschichte seiner Erhebung in den Reichsfrei-
herrenstand.
Sein Kollege, Geh. Rat Lehmann, hatte den Wunsch,
geadelt zu werden. Geh. Rat v. Hesse, der dies dem Land-
grafen übermitteln sollte, fragte erst bei Gatzert, der als
der Dienstältere ein näheres Anrecht auf Ehrung hatte, an,
ob er ihn dem Landgrafen zum Adel eingeben solle. Gatzert
lehnte es ab: er sei kinderlos und lege keinen Wert auf
derartige Auszeichnungen. Nun wurde Lehmann allein ein-
gegeben. Als* aber Gatzert, der seither von Lehmanns Be-
mühungen um den Adel nichts wußte, hörte, daß der Land-
graf an den Reichsvikar, den Kurfürsten von der Pfalz, dem
die Verleihung des Adels während der Vakanz des Kaiser-
throns nach Josephs H. Tod (1790) zustand, ein die Verdienste
Lehmanns ungemein lobendes Fürbittschreiben richten wolle,
regte sich in ihm die Eifersucht: jetzt verlangte auch er
eingegeben zu werden. Der Landgraf tat dies und über-
512 Julius Reinhard Dieterich.
nahm die nicht unbeträchtlichen Kosten des Adelsdiploms
auf die Staatskasse, während Lehmann die seinigen selbst
bezahlen mußte.
War Gatzerts Gesichtskreis auch enger als der seines
großen Rivalen, sein Arbeitsfeld kleiner: auf den Gebieten,
auf denen er eingearbeitet war, waren seine Leistungen denen
Mosers ebenbürtig.
Moser war erfüllt von modernen Ideen, Gatzert ein
Freund der Tradition, des Althergebrachten. Beide sind Ver-
treter eines aufgeklärten Absolutismus. Moser war selbst ein
Despot. Seine Herrschsucht führte den Bruch mit Ludwig IX.
herbei, der ihm bis dahin freie Hand gelassen hatte. Gatzert
dagegen war von wahrer Ehrfurcht vor dem Träger der
Krone erfüllt. Er hat nie vergessen, daß der Landgraf sein
Herr und er der Diener sei. Bescheiden tritt er überall
hinter den Herrscher zurück. Seine Fürstentreue, seine An-
hänglichkeit und Ergebenheit und nicht zuletzt seine Auf-
opferungsfähigkeit sind unbestritten.
Bei Moser war die eigene Person die Hauptsache. Den
Landgrafen benutzte er für seine Zwecke. Das Glück des
Landes, so oft er es auch im Munde führte, kam ihm erst
in zweiter Linie. Herrisch, launisch und hochfahrend,
wechselnd in seinen Entwürfen und Entschlüssen, sich in
immer neuen Plänen übereifemd, zu ungeduldig, um
seine Unternehmungen ausreifen zu lassen, war Moser das
Gegenstück zu dem gelassenen, zielbewußten, in seinen ein-
mal gefaßten Entschlüssen unabänderlichen Gatzert. War
dieser nicht so reich an Einfällen, wie Moser, so übertraf
er jenen in der Exaktheit der Durchführung. Seine dritten
Worte sind „systematisch", „System**, „Konsequenz'* und
„konsequent**. An seinem einmal angenommenen System
hält er bis zur äußersten Konsequenz fest. So konrnit es
auch, daß er sich in die neue Zeit nicht schicken kann und
will und darüber zugrunde geht.
Sind Mosers Pläne oft zu weit gespannt oder gar fast
phantastisch, strebt er nach dem Unmöglichen, so faßt
Gatzert immer nur das Mögliche ins Auge. Er ist ein
nüchterner, kalter Rechner» IVIoser dagegen leicht begeistert,
leidenschaftlich und unüberlegt. Die Urteilsfähigkeit im
übrigen ist bei beiden gleich groß: sie finden sofort das
Wesentliche, den Kern der Sache heraus und sind uner-
schöpflich in ihren Mitteln. Besonders Gatzert hat viel von
der Art eines guten Advokaten. Er durchschaut die Winkel-
züge der (legner und begegnet ihnen mit kalter Überlegen-
heit. Sein Unglück ist es geworden, daß er geglaubt hat, mit
Ein GieBener Professor als hcs.sis<rlier Staalsniinister. 51 '{
liesen Künsten auch auf dem Felde der hohen Politik aiis-
:nreichen.
Sind beide Staatsmänner Männer einer rücksichtslosen
•Energie, so ist Gatzert doch der nachhaltigere gewesen,
^rotz Krankheit und Schmerzen, im Fieb<»r, halbtaiib und
blind erlahmte er nicht in der Arbeit für seinen Herrn.
Selbständige Helfer duldete keiner von ihnen neben sich.
\'enn Gatzert sich der Hülfe des Rejjierungsrals Kappler
n den Hanau-Lichtenberger Angelegenheiten, in Basel und
Rastatt bediente, wenn er in späteren Jahren seinen Neffen,
len Regierungsrat Strecker, zu einzelnen VertTauenssachen
leranzog: einen größeren Einfluß auf seine Entschlüsse und
intscheidnngen hat, soviel wir sehen, keiner von ihnen aus-
geübt. Seine Koll(»gen schob er überall auf die zweite Stelle,
^ficht als ob er sich herrschsüchtig in ihre Kreise eingedrängt
lätte, sein überlegenes Wissen und Können bewirkten es,
vie von selbst^ daß er einem nach dem andern die Zügel
lus den Händen nahm. Die ungewöhnliche Zeil verlangt«^
iu^ewöhnliche Mittel und ungewöhnliche Menschen.
Es isl eine stehende Erfahrung, daß Männer vom Schlage
»ines Moser und Gatzert, zumal wenn die Umgebung so
jubaltern ist wie die ihrige, zu Menschenverächtem werden.
Jie Schroffheit, mit der sie auftreten, das scharfe Urteil über
.^ersonen und Dinge erg<?ben sich von selbst aus den Um-
iländen, unter denen sie wirken. Auch hierin haben beide,
iatzert und Moser, viel Gemeinsames. Nur sind die Cha-
-akterzüge, die sich aus ihrem Verhältnis zur Umw(»lt er-
geben, bei Gatzert durchweg sympathischer als bei Moser.
Ist (lieser j)arteiisch, vorurteilsvoll, leidenschaftlich im
Lieben wie im Hass<»n, so ist fJatzerl bei aller Strenge und
Schärfe genaht und maßvoll, gerecht auch izegcMi seinen ev-
9ittertsten Gegner, Moser selbst: er isl leidenschaftslos und
gelassen im Unglück, während Moser durch seinen Sturz zum
Denunzianten und Pamphletisten winl. Die ätzende» Schärfe,
iie ironische Art, mit der Moser charakterisiert, gehl Gatzert
fast ganz und gar ab. Macht er auch gelegentlich spöttische
[Bemerkungen über seine Kollegen, so erkennt er auch wieder
mdrcsrseits das Gute an ihnen unumwunden an.
Im Glücke einsam, haben beide Staatsmänner im Un-
glück wenige oder keine Freunde gehabt. Der lange ange-
sannnelte Haß der beiseite geschob(»nen Kollegen, der ge-
knechteten und verspotteten SubalterntMi kam jetzt zum
Durchbnich. Moser hat sich durch wütende Angriffe an
seinen (ic^gnern gerächt. Aus Gatzerts Feder ist uns aus der
Belirkije z (.;os(!h. d. rniversitäten Mainz u. Gießen. a.l
514 .1. R. Uieterich: Ein Gie&ener l^rolcssor als hessischer Staatsminit»ter.
Zeit nach soiiiem Rücktritt kein Wj)rt der Klage und des l'n-
niuts erhalten. Dies erklärt sich, wie aus ihren Charakteren,
auch aus den Umsländen, unter denen sie aus dem Amte
schieden.
Moser war noch mitten in derArhoit. Viele seiner Unter-
nehmunjien waren noch in ihren Anfängen. Er stand auf dem
Höhepunkte seiner Macht, als er fiel und den Posten des all-
mächtigen Ministers mit dem eines verarmten Privatmannes
vertauschte. Aus der Ferne mußte er mit ansehen, wie seine
Pläne durch den linverstÄud seiner Mitarbeiter verkrüppelten,
und seine Reformen z. T. rückgängig und zunichte gemacht
wurden.
Gatzerl hatte abgewirtschaflel, als er ging. Er war am
Ende seines Könnens. Sein System war hinfällig geworden.
Zum llnjlernen war er zu alt.
So hat Beider Lebenswerk keinen Bestand gehabt. Daü
Moser nicht vergessen ward, verdankt er weniger seinen Re-
formen, als seiner literarischen Wirksamkeit. Gatzerts Namen
ist fast verschollen. Als du Thil, der wenige Jahre nach
üatzerts Rücktritt, in den Staatsdienst trat, seine Lebens-
erinnerungen schrieb, war das Gedächtnis des ehemaligen
Gießener Pwfessors der Rechte in Darmstadt schon so ver-
blaßt, daß du Thil nur noch wenige unwesentliche Anekdoten
von ihm zu erzählen wußte. Der Lhnstand, daß der größte
Teil der Gebiete, denen Gatzerts Walten als Kabinettsminister
gegolten hatte, Hessen entfremdet wurde, mag dazu beige-
tragen hab<Mi. Die Zeit der großen Umwälzungen in Hessen
und Deutschland um die Wende des achtzehnten aber und
die groß<?n Reformen in den ersten Jahrzehnten des neun-
zehnten Jahrhunderts haben die letzten Spuren seines
Wirkens V(T\vischt.
Daß (^hrislian Hartmann Samuel Gatzert es trjtzdvMn
verdient, daß sein Gedächtnis erneu<Tt wird, werden die
vorsteh<MHlen Blätter bewiesen haben. Die Tage, an denen
imsere Alma mater TiUdoviciana, der er seine kräftigsten
Mannesjnhre geweiht hat, ihr Ehrenfest feiert und das An-
denk(Mi so vieler ehemalij^jer (ilieder des akademischen Lehr-
körpers wieder auffrischt, haben den erwünschteu Anlaß ge-
geben, d(Mn Manne ein Blatt der Erinnerung zu weihen, der,
ein aufri('hliji(»r h'reund s<»ines Fürsten, Hessen in der
scJi\veF*(Mi Z(Mt der Kranzoseiinot die wichtigsten Dienste ge-
leislel. hat. und dem k<'in schönerer Ehrentitel beijieleijl
werden knnn, als d(*r, den ein (inWit^rer für sich in Anspruch
genoinnuMi hat: .,ein triMier Diener seines H(»rrn'*.
Register.
Von Frau Emi Dieterich.
Aai:hen 7, JJÖl,
Aclorft. Dr. :i.
Ar-slicampiaiius. Joh.
12. 29. 41. 47f. 50t.
!>3SL ö'Jf. Ü2f[. üü.
71. 77. 7il. 81;(;<;or([
m.
Aerii'ol.1. Ruii, ö.
Alhiiii. Minister V. im.
Alicli, Wi-rtu-r, aus
Spn-Di 97.
.Minrnilin)!!-]!, Ludwig
Harsi'lHT von 4lli.
417. 423(. 433ff.
430 ff. 450.
.Mstflii 47<i. 4!lüf.
AlliliTf. InivcrsiMI
ff;i7- ;!;!!). 34».
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Alk-tiburi.' bei Odeu-
huii».'[i 230.
Aiiintili'-ii». I'iiiil. iius
Pr,rd<>ii<>ii[- 3)1.
413.
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Aii<lr.-ac, J..li. I'ljil,,
riiir]i(ii]|r<>r .'1112.
Anüsl. Wi.lfü., uns
Aiisticlin, rii. 31.
.\iil«i.r|MMi 14. 38.
Ai'urtaiiuH. it. Jürm-ii
Ari-iis, Prüf. I''rz. Job.
408. 424. 4.5:1. 4511.
ArheilRcn 488.
ArnsburR. Kl. 221.
247f.; Abi Albi-rt
2Hi; Aht WillU'liii
248.
Anioldi. I'rof. 35«.
3B1 f-
AniHli'iii, lira.fcii v. l
Asi'biiffi'nbiirg 73. 81.
173. 177. 187. 196.
203. 212: Stift: St.
187:
177.
ViiifdnmaiMt
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Am-rlJarh 72. 82, 47t
AugHbure 47. 172. 17G:
AventinuB', Joh. 7H.
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lt.
ßiK'hiJiaiiii, Prof. Kuiir.
2.'i2. 2ü8tf. 277f.
2KI. 2«r.. 294. 31'.!. ,
404; l'raiiK Moritz ,
4331.
Bai-illarius Axungia,
Pubijus Viuilaiilius
BaMunaus, Hier. PiuH
33.
liallenHtädt, Adalb. v.
22fi.
Balspr, Cii-org Frieilr.
Wilh. 4.-.7.
Baiiilicrg r>4. 71.
nanliBiitcr. Konr. 89.
Bania, äi-krctar 204.
Bark liaus- W icse n-
liütten, Karl Lud. v.,
SlaalsiiiiiiistiT 427.
449, 4ti3t. 4I1Ö.
503ff.
Hartli. (.-afipar 295.
B;i»i-I r)7. 77. 82. 91.
292. 480, 482. 494!.
498. BiichdrunkiT:
IliTunerii 70. Konzil
91.
Bastilk 3C.3.
Hauer. Dr. 3tfi.
Bawcr, Woltß., a. I-.-ip-
ziR !>H.
Itaiiniaiin. H.. MAnrh in
KbiThacli 177. 204.
Knut7,<']i %-i.
ll:i
489. 49ß. 502.
B<-rh<: W.ilth.;rdr373.
516
Register.
Beck, Renatus. ,,zuin
TiergcorleFi'*, Buchdr.
in Straßl>urs 33.
Beckmann, J., Prof.
182. 187f. 208. 211.
215. 363.
Beckmann, Stud. aus
Lippstadt 347.
Bi'haim, Dr. Lorenz 54.
72.
rj'diiMm, (feorji, Kan.
an rjebfran in Mainz
9i) f.
Beilstein. Adelav. 220;
Graf Konrad v. 22ü.
Beiliel, Dr., Jod. 27.
Bellegarde 3i;3. 3(5(>.
Bellersheini
s. Riedesel.
Bellniont, .loh. Arn.
208.
Bendorf 227.
Benner, Prof. Joh.
Herni. 383 ff. 387.
38i).
Benzel. FrciluTr von
16(i. 168 ff. 184 f.
197. 208. 215.
Bcrgeri, Joh. Hcinr.
3Ü3.
Bergmann, Prof. Jos.
170.
Berlin 17(i. 180. 185.
207. 483.
Bernfcld, J^fud. 341).
Bfrnhart iBennelin),
Bastard des Grafen
Heribert 229.
Beioaldus. LMiil. 7. 26.
46. 56. 71.
Bertram, Prof. Joh., a.
Naumburg 78. 97.
Besold, Matliias 58.
Bcsserur, Carl 412
Besserer, stud. jur.
412.
Beuschel (Beußel) aus
Rnjeiiburu a. T., M.
Juhamn's iJoJi. Tu-
berinus Krythrapoli-
tanusi 65.
BeuI3<;r, Dr. Franz Phil.
158.
BeulJer, Prof. Casp.
126. 130 ff. 139 f.
145 ff. 152. 155.
Bevn, J. Ci. 400.
Biel (GabrieD 6. 88.
Bielenfeld, Prof. Dr.
J. C. 359 f. 370 f.
394.
Bieler, Musikdirektor
383.
Bingen 97.
Birmershuusen 347.
Bismarck 462'. 514.
Bleichenbach, Fvhe v.
245. *
Bb'vdenstatt, Prof. Dr.
Val. A. 131. 152.
Blücher 462.
Blum, Dr. Georg 158.
Bock. s. V. Pack.
Bodeidieim 173. 193 f.
Bodmann 89 ; s. Kuppel.
Böhmen 185.
Bologna 7. 11. 28f. 32.
37.46f.56f. 71. 78 f.;
deutsche Nation 78.
Bolongaro 173.
Bonaparte 497, 501 f.
B(matus de Forlivio,
(Juido 38.
Bonn, Gerb., Propst zu
097
IU)nomus, Petrus aus
Triest 40.
Brabant, Herzogin
Soi>hie V. 320.
Brabeck, Moritz v. 425.
Bracellus, Jac, aus
Genua HS.
Brandenburg, Kurfürst
V. 339; Joachim 60 f.
72; s. Mainz.
Braut, Seh. 33.
Brau})ach 279. 324.
Brauneck, Fdelherrn v.
223; Gebh. v. 224;
Heinr. I. v. 224;
Heinr. II. v. 224.
Braunschweig Sf<.
Braunschweig-Lüne-
burg, Herz. Heinr.
13; Herzogin Marg.,
geb. Herzogin v.
Saclisen 13.
Brauweiler, Kloster
228.
Breitknpf 21 L
Bremen 39. 181.
Brendel, Daniel, von
HniTibur^' KU : s.
Mainz.
Breitenbach, Domherr
Bernh. v. 42. 92.
Breithart, Adolf v.,
Stiftsherr 90.
Breslau 14. 68. 80.
Bretten 80.
Bretzenheim 173.
193 f.
Brixia 46.
Broich, Prof. D. N.
155.
Bruch, Bernh., stud.
346.
Bruchsal 176.
Bruder, Job., aus Mün-
ster, gen. Monasterii,
Kan. 97.
Bruel, Prof. Dr. Georg
126.
Brulefer, Steph., ord.
S. Franc. 97.
Brumann, Heinr., aus
Mainz 59. 61 f. 75.
Brunfels, Otto a5f.
Brunheimer, Prof. Dr.
ph. et. med. Stepb.
Dominikus 126. 129.
149. 161.
Buchdrucker in
Basel: Herwage»
70 ; D e V e n t e r : v.
Breda 39; Genf:
Fick 29; Gießen*
Chemlin 252; Ha-
ue n a u : Secerius
68: Gran 63. 84;
Köln: Quentel 89;
Leipzig: LotteröO;
Mainz : Faust; Fust»
17. 76; Friedberg 9.
20. 27: Gutenberß
17 f. 89: Heumann
84;Heyll62: Schöf-
fer 67. 76; Oppen-
heim :Koebel 19.60;
T*forzheim: Ans-
helm 31: Spever:
Dracb 96; Straß-
burg: Cephalaeus
68f. ; Grüninger 68;
Mvlius 70; Schott
85; Prüß 31; Beck
33; KnoHouch t»6.
Büchner, Joh. Gotlfr.
Sigism. 410. 453.
Buchsweiler 480 f.
Bülüw s. Lebus.
Reirisler.
r>i7
Bürg«T. Prof. Dr. 12ß.
150 f.
Buschius Pasiphilus.
}I(>rnuuiniis (v. d.
Biisschot 41. 61.
Biisock, Burpsitz deror
V. 238; Burk. V. 238;
(Jornand V. 238. 250:
(iilb. V. 245; .Ma-
karius v. 92; Woni-
h«*r lliissor v. 245:
Hnuptni. V. 372.
Busse iic. (ienoraiadju-
taiit V. d. 4B3. 487 ff.
Butzbach 241. 358.
307. 381; „Goldener
Low»'** und „Weiüos
Hob- 358: „Hirsch"
3<)7.
BuxMiann 401.
i\ und K.
Kärnten 170.
Kahl a. Main 197.
Kaiser und Könige,
deulstlie: Albrerhtll.
«9; Franz IF. iHTt.
488. 494 ff. 497 f.
Ö04f. ; Friedrich I
334. 345; ' Frie-
drich [II. 11. 3t). 38;
Ileinricli IV. 228;
Heinrich V. 09; .lo-
sepli II. 404. 409 f.
51 1 ; Karl V. 53. 57.
OK f. 252. 281. 289.
501 : Maximilian 1.
11. 17. 19. 28. 30 f.
39 f. 71; Otto 111.
229; Rud.)lf 228.
Kaiser. Hermann 58.
Kaiser (^?J, Fecht-
meister 3t)2.
Kai.se rsberp Ol f.
s, (ieiler, An^st.
Kaiserslautern 173.
198.
Kaickreuth. (Jraf 483.
Calidomius s. Lupinus.
Calphurnius, Prosp. 40.
Joh. 40.
Kametzky, Joh. Frii'dr.
V.. Oheramtmann
357 f. 301. 305 ff.
Kam peil 39.
Campius, Dr. Dionvs.
130 f. UOff.
I
Campe Fomiio 498 ff.
503.
Kant, Immanuel 417.
Cariter Frisiua Andr.
38; Jac. 27 f. 35.
38 f. 41: Petor 38;
l'rsula (Gerda) 38.
(.'apitel, Ür. Michael
102.
Capito, Wolf«. Fahri-
cius 83. 85.
Capnio s. Reuchlin.
Cappel 92.
Kappler, Regierungsrat
482. 494 ff. 511.
Karbach. Nik. 75 ff.
81 ff.
Karl, Großherzüt» v.
Baden 440 f.
Karlsruhe 440. 501.
( 'a rlstadtischer Vert ra^
311.
Karlstadt. Andr. 79.
Karsten, Prof. W. J. (i.
180. 200.
Cassel 97. 170. 1.S4.
210. 201. 289. 308.
470.
Kastei 90; s. Frank.
Kalz a. Rh. 289.
Kalzeiielnbogen 289;
tirafeii v. 223: Chro-
nik 277. 319.
Kaufmann, Jnh. 38.
Keilbach. M. Ph. 71.
80.
Keidachßau 228.
Cellarius Gnostopolita-
nus, Job., aus Kun-
stadt 85.
Celtis, Konr. 7. 9. 27 ff.
33. 35 ff. 40. -15 ff.
50. 70 f. 84.
Kempen, Johannes 89.
Konr. 130. 138. 141 f.:
Prof. WiKand, aus
Paderborn 0.
(*ephalat>us, Wolfj?.»
Buclidr. in Straß-
burg t)8f.
Kepj>e| 87.
Cervantes 17.
Kesse. Heinr.. l*fr. in
Hirnjeii 97.
Charnpat^ne 480.
Chaslel. Franz Tho-
mas. Lektor 409.
■ Christian. AI. 392.
Kinziggau 229.
KirchiHTg. Job., Stifts-
herr 90.
Kirchheinibolanden
173. 198.
Kirchner. Kasp. 295.
Kißlau 9.
Kitzscher, Joh. von 20.
CU»eberg, Herrsch. 224.
230; Grafen v<)n, und
Mörlo 220.
Kb'efelde. v. d., s.
Schubart.
Klein, Krnst Ferd.418f.
Klein . Tschocher 470.
490.
CI(>nune. Imelut 245.
Kk»inschro<I, AIovs
Gallus 418. 421.
Klipslein, Geh. Rat v.
40K. 470.
KÜiber, J(diann Lucj.
wie 413.
Klingelbnffer, G. L.
390.
Clodius, Prof. 237;
Frau 230.
: Knaiier, l*rof. Ant.
!»S.
. Knobh)ucli. Job., Straß-
I burger Buchdr. 00.
; Knodt, Dr. Heinr. 88 ff.
93.
Coburc 303.
Coccius Sabellicus,
Marc. Antou. 45.
Koch, Geh. Rat» Uni-
versität skanzler 238.
38«.
Koch, Joli. Christoph,
411. M5. 410. 419.
4i;;. 451.
Koch. Chr. 390.
Cochlaeus, Joh. 82.
Code Napoletm 432 ff.
C(»drus Urceus, Ant.
aus Rubiera 45 f.
Köl>cl, Jak.. Buchdr. in
Oppenheim 19. 00.
Köln 5. 38 f. 41. 40.
5H. Ol. 73 f. 87 ff.
97. 100. 102. 373;
Buchdr. Quentel 39;
Reichstae 41.
Kurfürst 2S9. 504:
Köniu. Balth. 291.
51 S
Register.
Kr>nigsberg 337. 339.
Köui^stoin o2, s. V.\)-
stein. Kunigsteiii.
Kdhlennaiin, (ioorjk!
Heinr. 373.
Kolor, Dr. Jac. 7.
Cüllaltü 2m.
Collaurius Firmianus,
Joh. 2S.
Kolionbach, Junker
295.
Colunia ( Colon iasius?\.
Joh. <k\ Siogler
142«. 151.
Coloniensis, Barth. 39.
Kon, Barthol., Kam-
merdiener 140.
Conrad, Dr. 317.
Conradi, Joli., Stud.
34ß.
Konradiner 230 f. s.
Wotterau.
Coppernikus 46.
Curdiis, Kuricius 39.
68.
Kortholt, Prof. Kranz
Just. 364. 380. 395.
Corvinus s. Ungarn.
Co«pus, Angel US, aus
Bologna 37.
Cranebiter, Dr. lH2f.
Kranichstein 470.
Krakau 11. 45: Stu-
dium Jage11oni('uni45.
KräFiior, Job. Jak. 198.
KranuT, Joh. Jost 367.
Krebs, Prof. Dr. Juh.
.Adam 131. 154 f.
159.
Krfischau bei /ritz
181.
KffÜ. Ant. 54.
Crome, Aug. Friedrich
Wilhelm 410. 443.
444. 453.
Kronberg s. Mainz,
Kurfürst»'».
Kropsan (Vi. I). 295.
Trotus Rubiiitnis 74.
Kniinitiau 38.
Kübel. J. L. 394.
Küh(»rri (Cui-hnrni. Dr.
FJernhard, aus Slult-
u.irl?56. 130. 134ff.;
Jaki))) 5S: Johann
56. 5S: s. i"'fini<'n»r.
Küstrin 339.
, Kunigstein, Joh. (v.)
76. 80.
I Kunowitz, Job. v. 56.
Kunstadt 85.
Kuppel, Marl, von Bod-
mann 97.
Curcellina arx 67.
Cusanus 34.
Cuspinianus, L. Jnh.
27 f. 35 f.
Custine 48<i.
D.
PalbiTg. V. 187; Joh.
45. 50. 70 ; s. Worms.
DalcFu s. Meermann.
Dalwigk, Reinhard v.,
Staatsminister 463.
Danz 412; Appella-
tionsrat 433. 434;
j J. F. F. 433 f.
' Daripinus s. Sibutus.
Darmstadt 191f.
194 f. 261. 271. 276.
282. 301. 379 f. 408.
415. 430. 436. 450.
454. 456 ff. 465
467 ff. 477. 480 f.
486 ff. 490 f. 493 ff.
497. 49». 501 f.
503 ff. ; Kanzlei bau
290; (lymnasium
290 ; Sporer-; Jjicer-)
Tor 470; Brauerei
Appel 488.
Decimator (Zebendcri,
Prof. 75. 78.
Deel. Pn>f. Phil. Karl
von 197.
Dclius, Heinr., fürstl.
(lothaisrher Bat
265. 297.
Debus, Prof. H. F. 178.
204.
Dernhach, v. 2t)6f.;
Burgsitz der Familie
236 f.; Cune v. 2.50.
Dessau 1H5.
, Devonler. Buchdrucker
' Jacobus Bre'iensis
39.
De Wall, Kmiiie van,
406. 119.
Dexter 358.
Dieburg 194. 196.
Diedendorf 20S. 214.
I
Dieffcubach, Ludw.
424.
Diehl, J. A. 400.
Dietericb, Kour.. Sil-
pt^rint. in Ulm 301.
338.
; Dietze. J. A., Biblio-
thekar 182. 211.
Dil, Floren!. 96.
Diskau 207.
Doli, Stud. 352.
Dolman, Stud. 350.
, Dominicus, Dr. pkil.
et med. Sleph. 15<).
Dopperich, Gabr., Hof-
sekretarius 128 f.
1.50 f.
Dorfricht, Sekretär
149 f.
Drach, Peler, Buch-
drucker in Speier 9ft.
. Drechsel, L. R. v. .39o.
i Dresden 176.
j Dürkheimer. Xik., Pfr.
zu EltviUe 97.
Dürer. A. 40. J83.
Düring, (Jeneralleut-
nant v. 463.
du Thil, Karl du BtH^s,
Staatsminister lOil.
514.
E.
Ebel, ü. H. 23S; J. D.
23«.
Kber, M. Alex. 9.
Eberbach 177. 204.
Ebersheim, .Adam 131.
138 f.: Prof.Dr.Uerh.
131. 138f. 141 f.
' Eberstein, Generalma-
jor 323 f.
Ebsdorf 290.
Eck, Johann 41. 79.
I Edelsheim, Minister v.
; 502.
Eggeling (Angelu'*
Becker) von B ran ti-
sch we ig 88.
j Egnatius 82.
' Eickemever. Prof. F^ujI.
! 170.
Eigenbrodt, Karl
Christ. 456.
Eisenach 495.
Eier, Andn^as aus Mfi-
ningen 97.
Rejrister.
51«
Kifuthoriiis s. LohkI-
rius.
Elkorhauson. v. 238 f.;
Hurgsilz (U'TOT v.
288. 24;") f.; Oaft v.
Klsaß 478. 4H()f. 488.
494. 504.
Eltville 97.
KiiKleii 89.
KiniiK'rirJishofcii 178.
197.
Knirnorling, fldfknin-
iiuTiat 288.
r.ins 321.
KnjilanH 484. 492 ff.
495 f.; <*n(flis(ho Uri-
gadi* 47().
Kpislolae obsrurnriiin
vironim 7. 72 ff. 84.
?'l.p<»rwlorf, H^'inr. v.,
aus Frd[>iirg ß9.
K].|)stoin 324.
Kjistein, Philipi) Fn*i-
lu»rr V., H«*rr in
Königsteiii 52.
Krasirius, Dt'sidcriiis
58. ()7. (>9f. 72. 7(1.
81 f. 84 ff.
Krharli 202; C.raf v.
872; StahlqiiHI('l81.
208.
Erhsta<lt 229.
Knlinaiiu, (J. K. H2;
(;. 412.
Erfurt, Tniv. 5. 8 f. 11.
58. 78. 87. 97. IB8.
181. 208. 2nf. 810.
Krlaiigcn. l'niv. 177 ff.
212. 41 2 ff. »28.
r.rtiial s. .Mai?'/., Kur
fürstcn.
Ksrhcnlirockor. fiolt-
srhalk aus Kiildii,
SliflsluMT 90.
E'ic-hlcr, Prof. .Idli.
98.
Ksi iirial 294.
Kliling«'ri 15. 17.
Kiirharius, Dr. 75. 80;
F.
KalKT ."^lajiuh.'iisis, Jac.
81 f.: Dr. Karl 12().
181 f. 184 f. 18sf.
142. 155 f.
Fahririus, Joli. Esaias
287; V\i. Lud., hess.
Cioli. Rat und Vize-
kanzler 289. 2t»lf.
270 r. 277. 284. 291 f.
295 ff. 801. 81 7 ff.;
.Icicob, Kamm«Tdi«*-
iier 295.
Kalki*usl(*in zu Mün-
z<MilH*rtr, Honr. v.
241.
Faust, Prof. lAr. Franz
l'hil. 180 f. 189 f.
145ff. ; .lolianu 7(>;
s. Fust.
l'Vynor, Konrad, aus
ri<'rhaus«'n 17.
Feldkirrh 40.
IV-tudon 8()8.
I'rru'strifiris, ('orn»dius
74.
Ffrrara 29. 4(5.
Fetz her«. Mfuiios v.
245; Eckard v. 245.
I'(MM.*rl>ac'li, Paul .loh.
.\ms. 4(H;. M8. 420ff.
450.
Fi'urhoni, Prof. 881.
888. 88t». 888. 847.
848. 892.
l'VuiTfeld 5t).
Fichart, Prof. .loli.
Karl 180 f. 18 t ff.
Ficht«', J. (;. Ut>.
Fick, Joh. Wilh. Bucii-
drucker zu (iont 29.
Fifbig, Prof. J. 185.
Fiosro, Befehlshaber
von liolo^na 78.
Finck. Dr. .\ik., aus
Lorch 7.
Firuiianus s. Collau-
rius.
Flach, Marlin 29.
Fia<-hs\v<'ihT, Peter,
aus Trier 97.
Fläck, Lic. 1158.
Florenz 4(5.
Floret, Peter .h»sef 15(5.
tt»0.
Förster. Pn»f. .1. Fh.
180. 20(5.
ITirsler. Hans .lakob
294.
I'oroiulii 48.
Fiirlivin 8S.
I'rank. M^rr-h.. Pfi-. zu
Kastei 90; Dr. Henn.
I Franken, Herzog Eber-
i hard V. 280.
; Frankenthal 172. 174.
i 190. 208.
FraFjkfurl a. M. 14 f.
57. 74. 80. Vri. 172.
18(5. 190. 278 f. 289 f.
811. 824. 847. 851.
858. 8(i8. 48(>. 488.
447. 449. 4(58. 470.
485. 490; S. Harthol.
(5. (17. 185 f.; Messe
174. 2(K).
Frankfurt a. d. ()., Uni-
versität 8. 54 f. 58.
(50 ff. 72. 887. 339.
840.
Frankreich 291. 463.
478. 481. 488 f.
485 ff. 491. 194 ff.
508 ff.
Kranz, Prof. F. Chr.
1(57.
Freg<', Kammerrat 2(H5.
Freiburg, l'niversität
88. 40 f. (59. 81. 99.
Freising, Hischof. Pfalz-
graf Heinrich 52.
F'revstjult i. S. 45.
Frietlberg 222; Peter
V.. Buchdrucker in
Mainz 9. 20. 27.
I'riedrich Wilhelm I?
V. Preußen 407.
Friedwalt, Hieb., Kan.
100.
Frikhofen 198.
I'risius s. ('anter, l-l-
senius.
Fritzlar. St. i».-ler 92.
Fuchs, .lak. 71.
Ffirderer ( Forderet"), -
Joli. 5(5; s. Kühorn.
Fürth 177. 201. 212.
Fulda 90. 194. 21«.
Fust, Joh., Buch<lr. zu
Mainz 17. 7(5.
(i.
Ctiilvu. Otlnnar 892.
(Jalla. Frsula 85.
(■aliinarius, .loh., aus
Heidelberg 81. (50.
(iaihis, .liidokus29. 81;
s. Villa hei.
520
Ke^riäler.
Galz, .lodokus 29.
(rarson s. (Jorson.
(lalzcrt, Froih. Christ.
HarLni. Samuel v.,
Slaatsiiiiiüster 462 f.
4 (55 -5 15 ; Fort rä I s
4«2. 467.
CiaudtMisis s. Badius.
(Jebwiler, Hior. 12. 2'.» f.
83. :i5.
Ciohron. Dr. 310.
(ioyor, J)r. Baltli. 67.
(it'iger, Joli. ßurckli.
413.
(rcilcr von KaistTsberg.
.loh. 6. 31. 3*^ 55.
«1.
(ieisenheiin 81.
(liMsiiiar 290.
(it'ldoni, Graf (.Icrliard
V. 226; Gräfin Clo-
iiientia 226.
GeiiihausLML 229.
Gi'inuiiiigfMi K. Mainz,
Firzbisrhöfr.
Gcnea iogioii, hessische
277 f. 319.
(ienf, Buchdrurker:
Kick 29.
Gensfleisch s. Sort^en-
lücb.
Gera 213.
Gorbelius, Nieolaus, zu
Straßburi; 68. 82.
100.
Gerhardi, Heb. FritMlr.
Daniel 442.
(ierhausen 17.
Gernon, L)r. -\ik. 148.
(iernsheini 185.
Gerson, Job. 41. 60.
(iousau. F. V. ;>95.
Giebelslatt ;s. /obel.
(ließen, JStadt 217
254. 263. 26r>. 270 ff.
278. 290 f. 308. 320.
324. 331. 363 f. 367.
374. 406. 1.33. 461.
467. 472. 474 ff.
487 ff.; Ansichl.'n
217. 2.Ö3. 255; Sieuel
220. 222. 2 15 ff.:
fÜFslI. Archiv 277.
27J); Sc.buUiieilj,
Sclinffrn219f.247f.;
Kaprib' 219 f. 2U.
247; Kirche 238.
349: PfarrkirchlK.f
237. 239. 243: (iot
teskasten 237 ; Su-
pcrinlendenlur 234.
236 f. 238 ; neues
i*farrhaus23 1 : Kirch
Straße, Kircbtiasse
234 ff. ; Kirchen platz
2:^5. 244; Markt 239.
243 f.: VValdpfortr«
244 ; Schloßijasse
239; Neustadt 2 43 f.:
Kubt^asse 243; Lin-
denplatz 243 ; Scbloß-
({asse 243 ff. ; Kapla-
neifiasse 248; \Va
«engasse 241; Sladl
waKebaus 243 f.:
Kuhlnr (Neutori252:
J.in<lenbach 295;
das ,, kalte Loch**
295; ,,zum Hirsch"
295; „der llaller"
295; Mäusbur« 243 f.
Burg 223 ff. 231 ff.;
Alteburg-G rafen-
burg 233ff. Gruntl-
riß 2.34; die 'Porlhe*
235 f. : der Zwinger
237 ff.; lh>f zu der
Capellen 238; „auf
dem alten Burggra-
hen" 239 f.; „hinler
dem Burggraben'*
234.2.38; Burgmauer
234 ff. ; altes
Schloß i Kanzlei)
233:ncues Schloß
233; neue Burg
240 f.; Inventar der
Burg 2 15 f.; Burg-
mannen 220 f. 24().
245 ff. ; Haus der
Burgmaimen 246 ;
Ordnung der Trink-
stube 248ff; (ira-
f«'!! V. (ließen s.
(Weiberg, Tübingen;
l)Uclidru<*ker :
Clu'tnlin 2-52; Fe-
stung 242; Garni-
sf.n 381. 384. 454:
Gravriiusburg 244;
Kuleiiliurg2 1 4 : I'ni
viTsiät 217. 514.
.356 ff. 37(>ff. 409 ff.
41(). 442 ff. 450 ff.
457.. 465 f. 468. 471.
473 ff. 509. Rektor
377. 381 f. 38Hf.:
I.'uiv. -Statuten 257.
442 f.: Kanzellarial
443. 107. 451 ff. 450.
481 ff.; Disziplinar-
gericht 443. 445: P.--
dellen :i82t. 385:
Studenten 377.
382 ff. 388: Stamii.
bücher 390 f. 40« f.
411 f. 424; Fennahs-.
nius 327. 330. 34.s
— 355; Nationali^•
uHis 3.59: Hanno-
nisten 414; Fnin-
conia 411 ff. ; Kon-
ferenzen über d. Ein-
führung d. Code Na-
jxdeon 433 ff. : Gym-
nasium 290. 408; Pü-
dagug 383. 385. >>^;
Landesh<d)atnnien
institut 474.
Gleiberg 223. 22ö.
228 ff. 295 ; Bunj
231 ff. (fMan 231:
Grafschaft 224. 22S:
Gräfin ( -lernen t in
224 ff. (Siegel 247 :
Crraf Friedrich 224 f.
227 f. : Graf Hermann
227: (fraf NX. 225.
227; Graf Otto 227 f.
(Siegel 228. 247»;
(jräfin Salome 22S.
227; Graf Wilhelm
223 f. 227. 232. 246.
(Siegel 224); (.iräfiri
Mechtild s. Tübingen
223. 227.
(jrlizberg s. Gleib«>rg.
Glück. Christ. Fried r.
412.
(ineisenau 462.
(rnostopolitanus
s. Cellarius.
(jueben, A. v. 462.
(fönner, Nicol. Th.idd.
427.
(ioeUie 328. 415.
(löttingen 41. 176.
182f. 185. 207. 2(K»!.
215 f. 431.
(ioldast, Melch. 257.
261.
Register.
521
Goldhagen, Prof. J. F.
180. 206.
(lonzenheini 173. 193 f.
Gotha 215; Fürstt^n-
sciiulo 2()5.
GoUhard, Prof. J. Cli.
181.
Grafen hausen 173.
194 f.
(iran, Heinrirh, Buch-
drucker in Hagenau
63. 84.
(rratius, Ortwin 74.
Graulag, fians Hein-
rich 293.
Gravensand, Gishert
von 's 88.
(iregorius, Joh. GoUfr.
363.
(Jreifswald, Universität
1H7. 340.
Gresemiuid son., gen.
Meschede, Dr. Die-
trich 8 f. lOff. 23.
42. 59: Dr. Dietrich
jun. 7. 9f. 12. 18ff.
27 ff. 42. 47. 51. r>3i.
57. 59. 66. «0: AI.
({ottschalk S: M.
Ih'rmann 8. 59.
Gricius, M. Svlv. 67.
74. 78. 80 f.;* s. Hüt-
ten.
Gröhzig (AFih. -Dessau)
180. 206. 213.
Gi-oeninnen 38.
Grolman, Ad. Ludw.
407. 414. 448 f.:
Anna S(»i>lii<' ^eh.
von Hauen 407 ; Char-
lutte406.410;Eniilif
g<'l). van de Wall
406. 419; Friedrich
Ludw. Adolf 408.
44Sf. ; Friedr. Ludw.
Karl Christian von
408. 424. 447; Georg
407 ; (ig. Christian
Ludw. Adolf von
419; Hch. Dieter,
von 407. 447 f.:
Herrn. .Adolf von
409. 419; Joh. Aug.
409.419; Joh. Chart.
H<'nr. Friederike 409 :
Karl Ludw. Wilh.
406-461. 463; Lu-
cretia Charlotte 409;
Ludwig Theod. Die-
ter. Christian 407 f.
446 ff.; Luisa 408;
Marie Charlotte von
4(M>; Maria Klara
geb. Mollenbeck 407;
Melchior Dettinar
407. 409. 415; Wil-
helm Heinrich 462;
Wilhelmine 406.
Großen-Linden 222.
230. 277. 320.
Glx)8ser, Samuel 363.
Grosschlag v. Diepurg,
Frhr. Carl Friedr.
Wilib. 196.
Groß-Umstadt 488.
Grotius (Hugoi 363.
Gruben, Peter Joseph
Frhr. von 456.
Grüninger, aus Straß-
burg, Buchdrucker
tJ«.
Grünrolh v. 293.
(rrvnaeus, SjnioFi 70.
83.
Guarinus. Ba])t. 46.
Guben 57.
Günther, Pel., aus Neu-
stadt a. «1. H. 19.
30 f. 47. 6(>.
(iundernliau.sen 173.
194.
Gurk s. Lang.
Gutenberg, Joh. 17 f.
89.
H.
Haaren, Dr. 163.
Daberkorn, G. i*. F.
350. 412.
Hacus, Christoph 85.
Hadelich, Prof. S. L.
181.
Häberlin, Prof. K. F.
178. 205. 425.
Häffelin, Kas. 90.
Hagenau 63. 82. 85;
Buchdrucker: s.Ciran
84; Secerius 68.
Halberstadt 13.
Halle 177. 179f. 205f.
213. 215. 363. 379.
Hambaclier, Seh. 7t).
Hamburg 184.
Hamelburg 1 2.
Hammerstein, Graf
Otto V. 224. 229.
231.
Han, Jak., aus Straß-
burg 22.
Hanau 172. 186. 190.
192.
Hanau-Lichtenberg
480 ff. 494. 508.
Hanneken, Prof. 310.
312. 338.
Happel, Pfarrer in Seel-
heim 275. 313; G(*org
Karl 358.
Hardenberg, Fürst 462.
Harthiben, l'rof. Franz
Jos. 205.
Hartlieb, Prof Dr. med.
Justus 129. 157.
160 f.; Dr. Jod. 161.
Härtung, Prof. Dr. 370.
Harz 176. 183. 185.
210.
Hassenstein v., Bohus-
laus 39. 47.
H.'issenst<*i!i s. Lob-
kowitz.
Hatstein, v., Markw.
77.
Hattenrode, Sifridus v.
248; Wernherv. 248.
Hattstein, Joh. v. 52.
Hauff, Joh. Karl Lud.
430.
HechtsheiFii 173. 193 f.
Heger, Dr. 163.
Heg i US, Alcv. 40.
Heidelberg, Universität
7 f. 15. 19. 29. 31.
38. 54 f. 81. 85. S8.
91 f. 98. 176.
Heilbronn 56 f.
Heiligenstadt :20Sf.
i'li.
Heind>ach, Hebcliii v.
96 ff. 106.
Hei na 20.
Helmstedt, Cniversität
17S. 337.339f. 343L
Helsinger, Ad. 101.
Hei w ig, Pn)f. Christ.
260. 262. 280. 293.
Henckel, Archidiak.
275.
Henneberg s. Mainz.
Erzbi.schöfc ; Hein-
rich v. "I'i.
ilenner (Gallinariusi,
5^:2
Register.
Dr. Fluch., aus Brot-
lou 75. 80.
Henrici, Joh. Horm.,
Landkanzellist 287.
Hcnsel. Konrad, aus
Kasst'l 97.
Hensing, Pnjf. Hß4.
H«Tdeiiius, I). Sup<'r-
intendont 310.
Hormaniii, Hetrjorungs-
ral 480.
Hcrmaniisgrün s. Wolf.
Hormamisleiri 296.
Hf^rold, Prof. Hf»inr. 98.
Hcrtol, G. W. 39«.
Hertingshausenv., Erl>-
küchonincister 282.
Hrrwagon, Buchdrucker
zu Basel 70.
HiTZogenhusch 41.
Hesse," Geh. Kai V. 468.
470 f. 476. 480. 511.
Hessen 224. 230 ff.
241. 280 ff. 298.
311 ff. ; Landgra-
fen: Heinrich I. 223.
238. 241: Hermann
238: Ludwig v. Mar-
burg 238. 242. 252:
Philip]» der Groß-
niülige 80. 219. 237.
252 f. 281. 332. 501:
H e s s e n - 1) a r ni s t a d t
219. 338. 348. 462
— 514; Landgra-
fen: Franz Km st
365. 367 f. : Krie-
drich 'i60. 284. 289;
Prinz Friedrich 480;
Georg I. 286. 293;
Georg H. 257 ff.
274 ff. 279 ff. 299 ff.
3(M»ff. 333 ff. 342.
344 ff. : Prinz Georg
480. 485. 491 ff.;
H.iiirich 285. 289;
Jnhanri 279. 289 ff.
321. 323 ff.; Lud-
wij» V. 257 ff. 282.
289 f. 328; Lud-
wig VL 289 ff. .301 ff.;
Ludwig Vl[. 367.
38o; Lufhvin L\.
n;2ff. 477 ff. 180.
»83; Ludwig X. 406.
116. 127 f. 4 13 f. 448.
459. 461. 462 ff. 470.
472-514: Philipp
(von Bulzhach) 296;
I.andgräfinnen :
Amalio 289; Elisa-
])eth Dorothea 357;
Juliane 289; Luise
474. 477. 479. 504;
Sophia 320; Land-
stände 466. 472 ff.
490.
Hessen -Homburg
479; Landgrafen:
Friedr. Jakob (Frie-
drich TU) 357. 360;
Johanti Carl Wil-
helm Ernst Ludwig
357 ff. ; Ludwig Jo-
hann Wilh. Grimo
357 ff.
Hessen -Kassel 320.
484. 489 f. 495;
Landgraf 330:
Wilhelm 289 f.
Heue hei heim 221.
Heumann. P. 412;
Friedr., Ruchdrucker
iu .Mainz 84.
Heusegen (Oecolampa-
dius) \Vynsj)urgen-
sis, Johannes 30.
Heverling. M. Thile-
mann 41.
Hevdwolf, Stud. v. Bir-
mershausen 317.
Heyl, Joh., von Cappel,
Kanonikus zu Fritz-
lar 92.
Heyll, Tniversitäts-
buchdr. zu Mainz
162.
Hipparius, Pfr. Dr.
Christ. 126. 129.
1 32.
Hochstaden, Graf Otto
V. 227.
Ihu-hstraten, Jakob v.
73. 75. 85.
Höchst 172. 190.
Hölzel. fiiasius 40.
lh>e V. Hoonegg, Hof-
{»HMliger 341.
Hönn, Gc.r^' Paul 363.
Höpfner. Job. Ernst
38(1: Ludwig Julius
Frieflrich 395. 415.
Ilüniigk, Dr. Ludwig
von 160ff. 163.
I
I
I
Hof 205. 213.
Hoffmann. Christ. 2Ö^:
Marie Sophie, geb.
Myliin 358f.
Hofmann. Kammordi-
rektor 180. 207;
Geh. Hat 468.
Hohenstatt, Dr. med.
Joh. Marl. 129. 157f.
1 60 f.
Höllenstein s.Straßburg.
Hohen stein, Graf Wilh.
V. 33.
Hohenzollern, Haus 72.
Holdingshausen 87.
Holdmann, Prof. Xik.
98. 100 f.
Holland 314.
Hol (mann. Prof. Gerh.
126. 149 ff.; s. HoM-
mann.
Holtzweiler. Dr. leg.
Fh>rentinus 7.
Holzhausen,Oberanitin.
Joh. G. 180. 200.
Homburg s. Mainr.
Brendel.
Homburg 101. IW.
284. 364. 373;
Bibliothek 3l>6.
Honcamp, Dr. 164.
Hornigk. .Tob., Stadt
schrei lier 236.
Horst. (L 392; Prof.
med. Joh. Dan.
268 ff. 275. 292.
Hortleiler, Friedr. 2Sl.
Hubertusburg 463.
Hülsemann, Pn»f. 33*».
338.
Hüttenberg 230 f.
Huß 87.
Hussell, C. W. D. 41:1.
Hütten, ririch v. 52f.
59. 61 ff. 71. 73f.
77 ff. 81 ff.: s. a.
Ciriccius.
Huttich, Job., aus
Strinz 35. 53. 5(5.
62 ff. 65 ff. 75 ff.
I. (.1.)
Jagushinski, (ieneral-
leutn. 374.
Jaup, Hehvig Bernli.
410. 416. 432:Heinr.
Karl 432 ff.
Rejf ister.
523
Ibichm (?\ Konr. 55;
Peter 55.
Jena 178. 181. 207 f.
214. 337. 339. 351.
Jenison-Walworth,
Graf 463.
Irnelin (Immularia),
Barb. s. Hiedner.
Inihof, Andr. Laz. 363.
Inimolarius Nemeten-
sis. Job. 30.
hieben, Marsilius v.
5.5.
Ingolstadt 3. 7. 37. 79.
iü3.
jnst<»nbüfer, Kl«)gius,
Kapitular an Lieb-
frau zu Wuniis 99 f.
Jourdan, franz. Gene-
ral 496 f.
In*niriis, Franz. 35.
53 f. 67. 76. 80 f.
Irniintrud (Iiitiza), (le-
inablin des Grafen
Heribert 229.
Isenburg 241. 290;
Herren v. 223; Heil-
wig V. 223; s. Mainz.
Krzbiscliöfe.
Italien 197.
.lung, Prof Dr. Simon
158. 160 f.
Jungen, Max. z. 256 f.
273. 306 f. 320. :522 f.
Jungbans, Prof. l'b. K.
180. 206.
Jungbaiiß. Jost 294.
Jungben, P«*ter 295.
K. s. u. ('.
L.
Laacb, Pfalzgraf Hein-
rich V. 225 f. 228.
Laacber S«*«* 228.
Lac, Prof. Dr. Dietr.
127. 137.
i^aetus, Poniponius 13.
34.
Labn 270 f. 28S. 301 f.
Lahnberg'.i^angcnbergi
302.
Labngau 230.
Landau in Xieder-
liayern 70.
Landsbut 427.
l^ang, Mattiiaeus, aus
Augsburg, Bisebuf v
Gurk, Kardinalerz-
biselinf V Salzburg
14.
Lange (Goltfr.) 363.
Langen 488; Rud. v.
27.
Langenscbwalbarb
378 f.
Langsdorff . Oberst 358.
3(>0. 364. 372.
Lapicida, Job. 100.
Lassaulx, Ferd. v. 440.
Lasser. Prof. 163.
Lauckbard, F. C. 399.
Lauter 479.
Lauterburg 27.
Lauten» 198.
Lebus. Biscbof: Dietr.
V. Bülow 61.
Leen, Gerbard, Bucb-
drucker zu Antwer-
pen 38.
Lebmann, Geb. Hat v.
468. 471. 4S0. 511.
Lelirbacb, Graf 499 f.
Leibyestcrn, JdIi. v.
24S.
Leinibacb. Job. v. 58.
Leyinpacb. Markus,
aus Leipzig 58.
Leipzig 3 ff. 7. 10. 12 f.
29. 42. 46. 50. 54.
5.S. 62. 65 f. 78 fL
85. 176fL 204 ff.
209. 211.213f. 290f.
337. 339. 363. 476.
496; Bucbdruc'ker:
Lotler 50; Gastb. z.
blauen Enge] 205.
LtMuberg. Amt 4M.
L(M.»bf'ii 497.
Leont(»rius. Koiir., aus
Mauibronn 20.
Leske. Prof. N. G.
178 f. 204 L 207.
Lieb 241.
Licbteuau, Amt 481 f.
Lichtenberg, Aug.Frbr.
V. 408. 431 f. 442.
448 ff. 459.
Liebentlial, Cbr. 392;
Prof. 334.
Liebknecbt, Prof. Job.
Gvnru 362. 361. 372.
383; Su]»erinten«lent
23*5; Advokat Dr.
236.
Limburg a. (L L. 228.
Linck, Jakob, aus
Munzingen? 56.
Linden, Itofkanunerrat
Joli. Heinr. 197; v.,
Ministerialen 222.
Lindloe'scbe Soldates-
ka 289.
Linz 40.
iiippe. (irafscb. 351.
Lippstadt 347.
Livland .350.
Lobkowitz V. Hassen-
stein, Bobuslaus 11.
Locber, Jakob 7. 48.
51.
Löbejün 180. 213.
]-.oebr, F.gid v. 419.
453.
Löwen 73.
Löwenstern, v. 358.
Lobr 172. 302.
London 280.
Longinus KleutbcTius,
Vinr<*nlius 45f.
Longuevilh', Herz. v.
291.
Loni. Henricb 295.
Lorcb 7.
Lorsch. Kl. 83.
Lossen, Prof. Dr. Andr.
V. 154. 159.
Lotbringen. (ierberga
V. 229: Herzog Geb-
bard v. 229; F»falz-
graf Kzzo 228; Her-
njaim II. 225f. 228;
Siegfried iv. Orla-
münde) 226 f.; Pfalz-
gräfin Gertrud (v.
Ncirdbeirni 224. 227.
L<»tt«T. Melchior. Buc.b-
d rucker zu Leipzig
50.
Luder. Peter, aus Kiß-
lau 9.
Ludersbeim b. Nürn-
beru 1 1 .
Ludovici 363.
Ludwig, L. C. 412.
Lilhben i.d. Ijausitz 64t'.
Lübeck 41. 18 L
Lützellin<len, Kckard
V. 248.
Lupinus (!alidomius,
.\lattbaeus 36.
Luther. Martin 79 f.
524
Register.
Lutrea 6.
Luxemburg 225. 2281;
Graf Dietrich 225; :
Friedr. 224. 227. i
229. I
Oiselhert 225 f.
Heinrich 22«. 227:
Hermann 225. 227 f.; :
Konrad 22ü; Theo-
derich 225. 227 f. ;
Wilhelm 226; Gräfin
dementia s. Glei-
burg; Imiza 230.
M.
Magdeburg 12 ff. 185;
Erzb. Herzog Ernst
V. Saclisen 13.
Maiengau 228.
Mainz, Erzstift,
Stadt u. Univer-
sität 3—21«. 290.
469. 485 f. 491 f. 494.
503. 505; Humanis-
mus in M. 3 — Sd;
f^rster Rektor 87 —
93; Bursen zum Al-
gesh(;imer und zum
SchenkiMiberK 94 bis
124; ihre Statuten
108-124; Berufun-
Ken von [*rofessc)n»ri
125 -164; kameral-
wisspuschaftl. Aus
bildung der Profes-
soren 165 216;
Kollegium zum hl.
Thomas v. Acjuino
99 ff.; I'niviTsitäts.
Statuten 95. 98; Sta-
tuten der Artisleii-
fakultät 98; Univer-
sitätsbibliothek 89f. ;
Erzbisrhöfo und
Kurfürsten 289:
Adolf (V. I^assaui 6.
8; Albn'cht iv. Bran-
<ienburgi 53. 5(5.
70. 77. 82 f.; An-
selm Kasimir 127.
129. 131. 156 ff.;
Bert hold (V. Ih'nn«*-
hergi 8 f. 13 f. 19.
30. 42 ff. 48 ff. 54:
Damiaii Harlrad
162: Daniel 129.
133; Diether \\\
I
Isenburg) 5 f. 11. 87.
99: Emmerich Jo-
seph 197; Franz Lo-
thar 163 ; Friedrich
Karl (v. Erthalj 125.
165. 187; Georg
Friedrich 152 ; Job.
Schweickardt (v.
Kronberg) 128. 130ff.
138 ff.; Jak. (v. Lie-
benstein) 32 f. 34.
49 ff. 52. 56. 111;
Karl Tlieodor 187 ;
Sebastian 101; Uriel
(V. Gemmingen) 52.
73. Wolfgang 128.
130. 134 ff.; Weihbi-
schof Malth. Emich
92; Buchdrucker:
Faust (Fust^ 17 f. 76;
V. Fried berg 9. 20.
27; Gutenberg 17 f
89; Heumann 84
96;Hevl 162; Schöf-
fer 15. 17 f. 19. 55.
76. 82 ff. 90.
Malc(miesius. Sekretär
279. 286.
Mannheim 186. 4^<7.
Mansfeld» Graf Albr.
V. 58; Graf Gel>h.
V. 58.
Mannt ius, Aldus 28.
37. 45. 82.
Manzohis, Alex. 46.
Marburg. Stadt u.
Universität 266.
269 ff. 272. 274 ff.
278 ff. 283.285. 287.
289 f. 292 ff. 299 ff.
306 ff. 320 ff. 327--
348; Universitätssta-
tuten 332. 342:
Duelhvesen 345 f.;
Pennalismus 323 —
347; Auditorium phi-
losophorum 288;
Collegiuin ad Lanum
288; Drut.sches Haus
272. 304 ff.
Marezoll. Gust. Ludw.
Thcnd. 427.
Maria, Spracli meist er
Gabr. 3t»6.
Marianus Srotus 225.
Mnrins. Dominikus
aus Novara 46.
Martin. Christoph 425.
430.
Masson, Prof. 358.
362. 366. 369.
Maucler, Paul Frie»lr.
Theod. Eugen Frhr.
V., württemb. Juslix-
minister 420. 431.
Maulbronn 20.
S. Maximin 91. 226.
Mecklenburg 41.
Meermann, j., Freiherr
von Dalem 182 ff.
Megini^oz, Graf 229:
Gem.: Gerl»erga v.
Lothringen.
Meier, Geh. Rat 501.
Meiningen 97; s Mein-
mingen
Melanchthon, Philipp
19. 26. 81.
Mellrichstadt, Melier-
Stadt s. Policli.
Memmiiigen 6.
Mentzer, Prof. v)31 : ß.
392.
Merenbcrg 228. 230 ff.
241 ; Hartrad v. 223.
007
Mergenthai 20.
Mergentheim, Dr. Juli.
7.
Merian, Matth. 25.**.
264. 286. 291 f. ĻT.
Merstetter. Jak., au.*
Ehinjfen i>9. 54 ff. 97.
Meschede 8; s. a.
Gresf*nmnd.
Metternich 223: Frei-
herr v., Komman-
dant von Hermann-
stein 296; Graf 49i«fL
Metz, Bisch. Konrad
91.
Meurer, Kriegszahi-
meister 23(>.
Mensel, Prof. J. (i.
178. 204.
Meyer, J. L. 39^;
Peter, zu Frankfurt
a. M. 74.
.Mevfart, Prof. 340 f.
Micvlhis. Jak. 83.
Milrhling, die 215.
Miller, Job. 38.
Mih.'nberß 186; Geh
Rat V. 468. 470.
Register.
525
pn, Dr. Albr. v.
bergfr, Rulin
Siipermtcndeiit
37; J. N. 237.
orf 212.
. Cleeberg.
L. G. 396.
Prof. Nik. Karl
r. U>3.
eck. Geh. Rat
386. 407. 409;
Klara 407.
462.
h 173. 193 f.
rii (Monster,
steri**nsis), Joh.
OO; s. Bruder.
franz. CJcneral
V., }Iau]itinann
430.
aroliiip von -KH).
lus. l Vir US 79.
Minister Karl
r. V. 4()3. 466ff.
. r)09ff.
62.
usen 215.
Prof. Joh.
.38."). 3S9. 39r,:
führcr 362: L.
"XTSt 23'); Karl
Christ. 443.
Fr. 412: Kani-
it 181. 208.
Hell. Krlir. v.,
Kat un<l Hof-
H'nlirf'ktnr 433.
n 39 f. 176.
r 97.
reifol, KI. 227
r-Maifcld H^.
, l)r. liieren.,
•>l(lkirrli 40.
IS, Joh. .\deij»-
aus Slralihnrjz.
V., Direktor u.
lor 4: {51-. 436.
IhaicT. Dr. 130.
; Munzingen 56.
Murner. Thomas 31.
I 42. 47 f. 80.
Musaeus, Joh. Daniel
Heinr. 409.411. 453.
Mutianus s. Uufus.
Mvlius, Joh., Diakonus
I 276; Hofrat 277 f.
i 319; Crato, Buch-
drucker in StraÜburg
69 f.
N.
Nackenheini 173. 194.
Nahegau 229.
Nassau 173. 191 f. 198.
224. 230. 232 f.; s.
Mainz, Frzbischöte.
Nassau-Di llenluirg 198.
Nassau-Oranien 87.
Nassau-Siegen 87.
Nauborn 222.
Nauclerus s. Veruen-
hans.
Nauheim 490.
Naumburg 97,
Naumburg i. d. Wet-
terau, Kloster S. Cv-
riaci 229.
Nausea 6.
Nebel. Krnst T.udwig
Wilh. 441. 453.
iS'enwaldt, Tanzmeister
3()2.
Netphen 87.
.Neubauer, Georg 30(».
321 f. 324.
Neuenahr, Hermann v.
53.
Neurath, (Jberappella-
tionsral 468.
Neustadt a. d. H. 19.
Neuwied 190.
Nicolai, Fr. 215.
Nieder-Beerbacli 488.
Niederlande 184.
Nilkheimer Hof 196.
Nittel, Martin 15.
Nördlingen 40.
Nr>rdheim s. Loth-
rinizen.
Nothafft. Peter v. 52.
.Xovara 46.
Nürnberg 11. 21. 39 f.
47. 54. 71. 172.
177. 181. 204. 212.
291. 350. 363.
Nurberß, Ulricii Graf v.
227.
O.
(dier-Ehnheim 48.
Oberlahngau 239.
Ober-Lausitz 184.
(Jberrheingau 229.
OberroDbacb 311. 358.
Odenliausen 230.
OdwaM, Slud. 350.
Okolampadius s. Heu-
segen.
Osterreich 484. 486.
489. 491 ff. 495 ff.
503. 505. 507 f.: Erz-
herzog Karl 496i.
Offenbacb 172. 174.
186. 190. 201 ff.
Offenburg 33.
Offenhals, Prof. Dr.
130. 1381.
Olmütz, Bisch.: Stanis-
laus Thurzo 37.
Opitz, Marl. 303.
Ol.peuheim 19. 34. 50.
81; Buchdrucker:
Koebel 19. tiO. 66.
t>ppenheimer. Dr. Jo-
hann .lak. 158.
Orb. Ph. B. 179.
Orl) 172.
Orlamunde s. Loth-
rinuen : Adelheid \ .
226. 228.
Ort lieb, Herrn., aus
Piotenburg 97.
Ortt, Capitän 295.
Oüwald 350.
Ostein. (Jraf v. 191.
Ostfriesland 290; Graf
Kdzaru 1. 39.
Olthera. Vizekanzler
Dr. Nie. v. 238.
294.
Ovelacker, Frid. 248.
Overlack, Dr. 238.
Oxenstierna 290.
Ovnhausen, Hofmeister
*v. 270.
( )v«'n, Generalleutnant
v. 463.
P.
Pa<k, Otto V. 68f. 75.
78 ff.: Philipp v. 69.
75. 78 f.; Dr. Jolianii
52ü
Register.
V. 78; Johannes v.
78.
Paderborn iX.
Padua 2S. 4().
Päpste: Alexander VI.
25. 30; Nikolaus V.
91.
Pallmann, R. 411. 441.
441 ff. 445. 448.
455.
Pap{)enheini v. 463.
. 504 ff.
Paris 5. 74. 94. 189.
409. 501 f. 504 ff.
Parisiensis. Ciuillier-
inus 40.
Pasiphilus s. Flusch ius.
Passern. Christ. Ciottl.
357 ff. ; fjc. jur. Ju-
st us Eberli. 357.
364 ff.
Pelri. stud. 352.
Pepliers des 363.
Perger, Beruh. 23.
Perugia 129.
Petri, Slud. 352.
Petz, Dr. 163.
IVutinger, Konr. 14.
34. 47. 67.
l'faff, Prof. Jnh. 98.
Pfalz 191. 199. 202.
487. 489; Kur-
fürst: 289: Philipp
7 f. 29; Karl Theodor
511; Pfalzgrafen:
rieorg. Johann, Heiii
ric.lj 52.
Pfalz-Z wci hrückcn
171; Pfalzgraf:
Ludwiy II, 66 f.
Pfeffer. Dr. .foh. Adam
1 ÖS.
Pfefferkorn, A. 7ü. 72.
Pfeiffer. Pmf. joh.
Prifdr. v. 1H5. 167 ff.
184. \S)H, 201. 209.
Pfirmsthoiii. l)r. fjj-
lirntius 131. 153i.
lös.
Pforzln'ini 66: Hurli-
drurker: Anshelin
31.
Pflui:. V. s. /»'il/.
Pfunustadt 17.".. 191 f.
Philips, hr. KiiMzhT
130. 131.
Philesiu-« 41.
Pierius Graecus, Jo-
hannes 36.
Pighinueius, Fridianus
13.
Pilgram 412.
Pinder, Dr. Ulr., aus
iNördlingen 40.
Pirckheiiner. Wilibald
47. 54. 67 f. 72.
Pirmasens 464. 472.
481 f.
Pistorius, Donivikar
Jak. 101.
Placeutinus 45.
Plcbanus, stud. 349.
351.
Ph'b. Dieterich Bar-
thold V., hess. Geh.
Rat, Statthalter 261.
273. 276 f. 278. 291.
299. 307. 317.
Pobles bei Zeitz 181.
Pork, Otto de 79.
Policli gen. Mellerstadt,
M., aus Mellrichstadt
10 f. 40. 58.
Ponmiersfelden, Lor.
Truehseß v. 73. 77.
Poniekau, Friedr. Wilh.
V. 374.
Pope 395.
Porca, Jac<>po ronte di
irouH's Purliliaruin)
43 f.
Pordenone 36.
Prartr)rius, Hit»r., Su-
perinfj'iident von
Schmalkalden 273.
279. 307 f.
Prag 5. 45. 176.
Pn'tllaek v., General
358.
Prt'uben 462. 479f.
483 ff. 4.s9ff. 493 ff.
497. 499. 504 f.; Kö-
niuc: Fri<Mlrirh II.
397. 462. 461: Fri.-
drirh Wilhelm II.
407. 483. 485. 490 f.
494: Fri.'drieh Wil-
heln. III. 504.
PronruT, Zeifhenlelirt-r
362.
PriiL»,.lnh.,lUu]»<lrutki.'r
31.
PuiViidorf Samuel-
••,••1
oo.>.
Purliliarum, romes s.
Porca.
Q.
Quenlel, Buchdrucker
39.
R.
Rabe, K. L. H. 413.
Rak s. Rhagius.
Rastatter Kongreß 472.
482. .500 ff. 506 fl.
Ratdolt, Erb., Buch
d rucker zu Venedig
38.
Ratsam hausen, Alb. v.
47: Ludw. Sams'm
482.
Rau V. Iloltzhauüon,
Ad. 51; Josl Burkh.
^ V.. hess. OberjägtT-
meister zu Marburg
26(5. 299. 323; Joh.
Ad., Vizepräsid. 310.
Rauch, G. 412.
Rauen, Anna Sophie v.
407; Anna Marg. v.
409 ; h riodr. Wilh. r.
407.
Redacker, Prof. H. 20S.
Regensburg 54. IST).
290. 463 iff. 483. 497.
Reichenbaoh 198.
Reichskamiuergericht
14 f. 56. 4ti8ff.
Reinheim 289.
Reisrh, Gregor 85.
Reitz. Ludw. 295.
Keinagen 228.
Renez v. Wiesen>ti'lij,
Martin, Rekt(»r v.
Heidelberg 91.
Reuchlin, Joh. (Cap-
nio), aus Pforzheim
15. 29. 31. 52 f. .'>4.
57. eV). Uli. 78.
84 f.
Khagius, Aesticain-
pianus, Job. 7. 43.
45 ff. .r2 ff. 60 ff.; s.
A es ticam planus.
Rheingau 54. 191 f.
199.
Hhegius, l'rbanus 79.
Rheinock, Graf Otto v.
226 f.
Rheinfels 289.
Rhenanus, Beatus, aus
Register.
527
tstadt 34 f. 60.
32.
Dan. •2(55.297: i
ISO. 20(>. '
in. l>r. Lam- ,
7.
Joli., V. Lu-
im bri Niirii-
Ll. 18.
, Dr. Jol». 57 f.: !
IfTslieini 288:
tz 2;^H[ Quirin
I
(>.
, V. 195. I
i Fhilc'sius, i
IS 41. ,
Univ. 840. i
un., Prof. 414. I
'rafr 245.
Ilsen, V. 28H. ;
m); Craft v.
50: Senand v.
Vi^and v. 245;
t/.(» der Fa 1
231). 239. :
i, leimst V.248:
dis V. 247 f.
K 247 f.: Wer-
. 248.
;ioß 295.
87. I
(U<ipi<k<» Rö
U>jHT. nö]iifki,
349 ff.
*w(. K. (;. 180. !
Ii, Hj'rnli. .'>7.
). U\. 82. 91. '
157. ;
s. .Inli. i\{). ■
.li. Tricdr. 410.
(Ivnßi. stud.
1!. II. 340.
J5 1 .
i'U a. T.. <>5.
Ciipfi rsclitiw'l/.«'
2i;i.
»ff, V. 2:J7.
4(1. I
i»li, ( ii.ii^'. ii. !
IV..!. .\ik. 9S.
f :ir)S.
M-ini 2S2.29()f.
Hüsser s. v. Buseck.
Huffach 29.
Kufus, Conr. Mutiauus
35. 43.
Ruhrj?au 228.
Rumpf, Friodr. Karl
444.
Ruppf'l, Dr. Vizekanz-
ler 310; Lic. 310.
317.
Rußland, IVler d. Gr.
374.
S.
Sabellicus s. Cocciu.s.
Sachsen 170.184.330.
339. 341. 348; Kurf.
V. 289. 340. 348;
Firn.sl 11 ; Friedr. d.
Weise 10. 77. 501:
.Moritz 501 : Herzf>ß
Krnst, Krzh. von
Maßdehurg 13 : rieorg
31. 05 ff. 79 ff.; Ko-
l)urK, Prinz v. 491 f.
SachsiMilniru 79.
Salfeld 233: Kndn's.
uen. zum Bern 237.
Salm, Ciisilhert v.
225 f.: Hermann v.
225 f.; Sf)phie Cirä-
fin V. 220; Fürst v.,
Frii'dr. Joh. Otto
Franz Clir. Ph. 198.
Salvins, sriiwed. H«)f-
kanzh.'r 201.
Salzburg s. Lang.
Sambucus, Jnh. 09.
Samuel, f). 295.
Sand«'. Domin. v..
Buchführer 302.
Sapidus, .loh.. aus
Srhh'itsladI :n. 85.
SchaaflH'iiii. Ai'it 1^1 ff.
Srhad. Dr. Jnli. 11.
Schäfrr, (;. 412; N. \.
317.
Scluiudanz, Ur. 310.
Scliaumann. .loli.
Christ, (lotll. 411.
Srhrihler, Christ. 392.
SchciN'nberu 198.
Schciirk. liaii.s 2ir);
Vt)lp<Tl D.nii.'l 291;
zu Sih\\<'inslM'rK
|{udi»ll 2;js. 210.
Sdi.-lzt'l. V. 239.
[
Scheuerma nn, Haupl -
mann 295.
Schourl, Clirist., aus
Nürnberg 29. 47.
56 ff.
Schiffr'iiberg 221.
224 ff.: (Siegoll 247.
Schiller 402.
Schlarp (Sorbillo), Joh.,
aus Geisenheim 70.
81.
Schlaun, Prof. Eurh.
98.
Schlaun v. Linden 239;
Kckhard 239; Wal-
ther 248.
Schlauraff, Phil. 75.
80.
Schleenslein, Georg
Adam 108fL 193.
203. 206 f. 209. 211.
215 ff.
Schleiermacher. Frnst
Christ. Frifdr. Adam
428. 457. 459.
Schlesien 185.
Schleltsladt 9. 33. 69.
71. 85.
Schlick, (;raf 480.
Schmalkaldon 47. 273.
279. 289. 307 f. 321.
Schmid, ProL in StraU-
burg 338: M. Beruh.
207.
Schmidberg, Dr. lleirir.
29.
Schmidt, (^hr. 398;
Joh. Krnst Clir. 424.
413. 451. 453: Karl
Chri'^t. Khrh. 411;
(n'Olg (inttl. 411.
l.-)3.
Schmu'k, .l(di. 57.
Srhiu'V(hT. Ih'iur. 250.
Sc h<»ffer, .Inh.. Buch
druckrr in Mainz 17.
19. 55. 70. 82 fL;
Ivn 83; Pcler 15.
17. 90.
Schnfferlin. Dr. Beruh.
15 f. 17. 82.
Scluuihusrh 197.
Schruihals 397.
Srhöiithal 197.
Srln.tl, Pinf. B..rnh.
9S: II. L. U2: .Jnh.,
Buchdrucker ju
5^8
Register.
Straßbiirg Ö5; Peter,
aus Straßburg 11.
Schragmüller, Prof.
345.
S<'lira\iff, Dr. Georg 7.
Seh reber, Prof. J. Cb.
D. 178. 204 f.
>>cbubart, J. Ch., edler
Herr von dem Klee-
feldc 181. 199. 206.
207. 214.
Schütz, Prof. 261 ;
Kanzler s. Sinolt.
Schulz, Geb. Rat 470.
Schupart, Prof. Job.
Gotlfr. 377f. 379.
Scbupparl, Dr. Super-
intendent 370.
Schuppius. Anton Me-
no 280; Prof. Job.
Balthasar 257-326.
330. 3'47; Porträt
259.
Schwabe, J«»b. Andr.
Pb., Regierurigsrat
428.
Srhwall»acb. v. 233 ff.
239. 246. 294; Job.
V. 237; Heinrich v.
250 ; s. Langeii-
scbwalbach.
Schwarzenau. Ge-
sandter V. 464.
Schwebelius, Job. 68.
Schweden. König v.
291 ; f Juslav Adolf
von 90.
Schweder ((iabriel)
363.
Schweinflirt 3<i. 289;
Markgrnfin Gerberga
V. 231.
Schwetzingen 191.
Secerius, Buchdrucker
in Hagcnau 68.
Si'elboini 275. 313.
Seider 196.
Si'Ibach, Jndocus 101.
Sciigonsladt 174. 187.
190. 202.
S'ij. Dr. 310.
S«*nckenberg, K. Frlir.
V. 409. 426.
Sfuffcrt, Herrn. 423.
SevJTUs. Pfr. 93.
Sibutus Daripinus,
(ieorgius 39. 41.
I
Sichelbacb 198.
Siegburg, Abtei 227.
Siegclbach 198.
Siegen, Landkapitel 87.
Siena 30. 46.
Simler, Georg, aus
Wimpfen 31.
Sinolt, gen. Schütz,
Just, Kanzler 296.
348.
Sirk s. Trier.
Sleidanus 280.
Snell, Friedr. Wilh.
Dan. 411. 424.
Solnis, Wigand v. 75;
Graf Ernst 329; Phi-
lipp 11; Rupert 92;
-Braunfels 463; -Rö-
delbeim 471.
Sommerfeld, Job. v.
45; s. Aesticampia-
nus.
Sopher, (rervasius 33.
Sorbillo s. Scblarp.
Sorgenlocb gen. Gens-
fleisch, Job., Vice-
pleban zu S. Emme-
ran 100.
Spangel, Pallas 60.
Spanien 289. 294.
Speier 6. 8. 18 f. 27.
56. 80. 96. 176. 486.
490 ; Buchdrucker
Peter Dracli 96.
Speiergau 229.
Spiegel.Generalin v.360.
Spießheim s. Cuspinia-
nus.
Sponbeim 20.
Spoor, Franz Karl
168 ff. 203. 206 f.
211. 215f.
Spretb 97.
Stahle» 34.
Slamni, Hofgerichtsad-
vokat 450; L. 412.
Stammer v. 372.
Staudinger 412.
Stechmann, Dr. Seh.
156.
Steiermark 176.
Stein, (ieorg v., kgl.
Ungar. Bat 72; Ei-
tel wolf V. 71 f.;
(ieorg 72: Minister
Frbr. 462; Frbr.
Franz Jos. 449.
Steinbach 247 f.
Steinfeld, Kl. 227.
Stemmer, v. 358.
Stephan, Märten 295.
Stephani, M. Joh. 273.
Steuber, Pfr. in Mar-
burg 274. 311.
Steusing (Steußing),
stud. 352.
Sticket, Prof. Frz. 433.
435.
Stolberg 58.
StoII, Franz Seh., Hof-
kammerrat 177. 203.
Straßburg 6. 15. 21 f.
31. 33. 41. 47 f. 51.
67 ff. 81 f. a-). 281.
337 ff. 363; Bischof
Graf Wilh. V. Hohen-
stein 51. 67; Buch-
drucker: Beck 33;
Cephalaeus 68 f. ;
Flach 29: Grüninger
68: Knoblauch W):
MyHus 70; Prüß 31;
Schott 85.
Strecker, Hegierungs-
rat 506. 511.
Streiff, Hofmeister 294.
Strevesdorf, W. H. v.
162.
Strintz 62.
Stromer. Dr. Heinr.,
aus Auerbach 72 t.
Struvius 363.
Stryck, Sam. 363.
St übel, Christ. Karl
421. 432.
Slüber, Kauzleiral 358.
Stunun, Prof. 182. 208.
Stumpf gen. Kberl»ach,
Prof. Joh. 98.
Sturm, Jak. 41. 60.
Stumus(Stnrlini), Job.»
aus Schmalkalden
47.
Stuttgart 56. 167. 176.
Suckow, Pn)f. S. G.
178. 181. 204. 208.
Sues, Carl 412; Ober-
amtsverwalter 235.
T.
Tallevrand 508.
•
Tannhauser, Peter,
aus Nürnberg 40.
Teplitz 184.
Register.
529
Tet sehen, Joli. v.. aus
*lt»r Farn. Wartcn-
t)<*rg IG.
Tetlelbach. Dr. *273.
308.
Teutlebon. Genoral vi-
kar Val. v. 98.
Theiii, Dr. Joh. Cloorg
161.
Tholfniann, Kammer
akzessist 20H; Prof.
208.
Themar 19 .»*. Werner.
TluMMlerlri, .Mcx., aus
MenuninKen (i. 9.
Thibaut. Ant. Kri»'dr.
Just. 410. 411.
Thietinar (v. Merse
hurg) 2'2\K
Tlioiuck :UJ).
Thom, Prof. Krnst
H87f.
Thuanus 281 f.
Thür im Maienj^an
228.
Thugut, Graf 4iWf.
Thurzu s. Olniülz.
Tileii (Thiele, Thilen)
stud. 3 19 ff.
Tinctoris, Uohnus 97.
Tirol 17H.
Tillmann, ('. A. 432.
Torgau 281).
Tütenwart, Ant. Wolff
V.. hess. Kanzler
257 ff. 2801. 314.
Travi'Hnian. Dr. Joh.
Friedr. I2ti.
Trier 91. 97. 22»; f.
230. 290. 480; Krzh.
504; Jakob v. Sirk
91 ; Meyeiier 247
1 Siegel I.
Triest 40. 17(J.
Triniberg, Kour. Herr
V. 241.
TriHu'mius, Joi)., Abt
zu Sponheim 20.
2()ff. 37. 41. 71.
Trohe, Durgsitz «lerer
V. 239.
Truchselj, l^omiz v.
I^lmmer^5f^.•ldl'n 73.
77.
Tuberinus Frythrapoli
(anus, .M. Job. s.
Beusehfl.
Tübingen 49. 56. 06.
84. 94. 99. 340.363;
(Jrafen- und Pfalz- j
grafen 221. 231. !
240: Gräfin Mech
tibi (s. (ileiborg)
223. 227; Pfalzgraf
Rudolf 221. 223.
227; Graf Flrich ,
223. 231: Pfalzgraf !
Wilhelm 220 f. 223.
227.
Tu Isner, he.ss. OImt-
archivarius 25.S;
Prof. 286 f. 3(K).
l\
r<li*nbeim, Oab» v. 71.
rim 176. 185. 331.
338.
riner, Leutii. 3.58.
risenius Frisius,
Dietr., aus Kampen
39 f.
Frigarn, König Mathias
(,'orvinus 72. !
Ingariseh-Brud in |
Mähren .56.
libig bei Krfurt 181.
l'rceo s. Cord US.
V.
\alla Plao'ntinus, (ie-
orgius 15.
Valmy 486.
Vet'toris, Prof. Diether .
78.
Veggio, Maffeo 26.
Veluis, llioron 33.
Venedig 38. 45. S2
17(5; Huclidrucker
Iladult 38.
Venrai Sieamlier. Hut-
gf-rus 20. 27. (H).
Verdries, Joh. Christ.
379; Prof. Dr. Joh.
M.dch. 359. 362 f.
3(i9f. 372. 378 f. 383.
3NS f.
Verdugn. kgl. Span.
(iesandter 291.
VorKeiiha n> . Xaucleru>
Joli. 15; Lud. 15.
Vr'rnjandois 229.
Virrsi'ii. Prof. Prlrr v.
11. 92. 99 f.
Vigilius, Joh. 29. 33.
Beiträge z. Oewh. (\ Unlversitateu Miiiuz u. (Jiciicu.
Vilhaucr, Joh. 97.
Villa Dei, Dr. Alex de
45.
Völcker, Pnd. Dr. Joh.
Jak. 127. 129. 156.
158.
Vogelsang, Oberslllnt.
382.
Vogt. Dr. Franz 132.
144; J. K. Wilh. 215.
Voigtland 205.
Volusius, Rektor Dr.
162.
W.
Waehenbuchen 192.
Wachenheim 193.
Waeker, Joh. Dek. zu
S. Moritz 97.
Wagner, Tb. 392.
Wahl, Prof. Dr. 383.
WahhT, G. C. 397.
Wairbmar, Casp. Mor.
V., iiess. Oberforst-
meister 2()(i.
Waleh, Karl Friedr.
430.
Waldeck, Fürst v.
3()1 : -Kiseid)erg,
Fürst Frierlr. Anton
l'lrich V. 361;
-Wildungen Fürst
Georg Friedr. v. 361.
Warten i>erg ». Tot-
schen.
Walimuth. Dr. 163.
Weber. Prof. Dr. 359.
370 f.
Weidmaim, Prof. Dr.
Konrad. aus Basel 7.
57. 75 ff. 98.
W<-ilburg 230.
Weili. Ad. 101.
Weilibach. Christ. 363.
Weitershausi'ii, Craft
V. 245.
Weitmühl, Christ, v.
46 f.
Weitolshau.'ien. Wolf v.
W>'|ekrr 4n2; Frieilr.
(m.III. 424. 411.-
WrIdiT, Jak. ,s7ff. 97.
Wendelslwim i. tl.
Pfalz 173. 19S.
Wenb'U, Abt.'i 229.
Wi'rn«'r \^.m Tij<*mar.
Ad. 19. 27.
:u
HtTiili-r. (iraf 23fi:
Willi, jrili,
WVrllii-Liii. lii'niTulvi.
bur Grjf Willi, v.
Wessi'ii, InKpplilijrAiil.
Tlii.111. 177, -203.
WcsU'rLiiirv, J»li. Herr
V. 241.
Weslliniispii. l'n.f.
Kas|>. V. 7S.
Wi-stlioti-ri, l>n>r. Kiirl
inintrudl:
TocIiUt
J24ft. -iJT:
WicklT, Ihirl,-!! V. i)2.
Wicdi'Laili (Wideiib.l.
KuKp.. ituaUulii-iiriK,
61.
Wipn 7. 33. :lüf. lö.
17li. Itil. iÜHll 1K1.
JUlft. 4'J7ff.
Wit;s«rb 224 If.
tt'k'sunsleip s. Rfiii-z.
Wilbrami, J.-h. Bt-nA,.
444.
Wilhclmabad 192. 494.
4K5.
Wtll<-iidorf S7.
WJllatiitt 4»lff-
Wilna 4(K 44!i.
Wimpfi-liiig, ,liik., aii-i
Sililprisladr (If. !lf,
KJff. äHff. 41 f. 47f.
f.l. 5Hff. HO. 80. ^'i.
Winipfcii -M.
\Vijii|ijiiii, K.W. X i:-t.
Witirki-liiiaiiri.Joti.Jii;«!
■im. 2;t'>; Sii|HTinl.
2:!;!. 27:1, 27ü. 2'.):..
3t)2. 404.
\Viiil.-rli.-ll,Clirisl.itLji1.
llWf.
Wirl, Wie, 27.
Willi-, Joli.. aus Kit-ii
2ilü.
Wit1fJi1<.Ty 3. 10. 4r>f.
JW. 7K Ml. K5. 3:-«i
;i4;i. ;t4ii. 35U. ;(ü3.
\V;i(iti, Joli. 12; Iva.
ans Ilniiii.'lbiirK 12ff.
17. -)4. 81. 89. 120.
1KH; Klaus 12; Mar-
Kar. 12.
Wiiir, .\liiiilidlls .H2. 41.
(!0: Tlwtua« junior
2H. .111. 41. 17/. üO;
Joh. (v. llprmaiius-
grünj 13.
Worms Ü3; Biüiliot:
üalbetv.Joli.v.U.iü.
4.^. 50. 7».
\V(jrma([au 229.
Wiln-liwilz IKl. 214.
WiirlU'mlMTj[28C; (iwl
KbiTliariNO; Herz«
llrii-li l.j.
; Wiir7,l.ur^71. 177.2031
Vai
Hill,
-iird
ZrtiiU. t;i;li. Ital 3«P.
;i82: Rejr-Kal :i70.
Zasius, l-lrirh 41. 77.
Z''lKMidi'r li; *. llrti-
Zi'ilz 18i.214;Bisrlio[
Julius V. Pfiup ;ü.
ZivRloi', Jak., au« Lmi-
liau 70.
/iii|;i'l, (iPoriiius UX
/tilitl von Uiohulstadt,
Ur. Jtielr. mt. o3.
I)(i. 77,
Zolkni. Ural Kili^l
l''rii-itri('li KaniniL-r
richlpr 14.
ZumtiH'rleltt s. S<>m-
Zwt'ibrüeken 193. 471.
Bemerkungen zu den Abbildungen und Plänen.
Dio /cM-liMiinjj; zu dviu SiiiiuM rlrs llislor. Voiviiis für das (iroÜli.
Hesseil auf KiiibaiiiMcrkc, l'inschl.i}: iiiid V<»rsatzi)lalt von Arcli. N. F. Hd. V
ist von Prof. H. Hülse fier, D.irmsta«!!, nach d«'rn ällrsleii SiejU'l Land-
graf Heinrichs I. vnn Hessen anjirfeiiijrl. H. liat. auch die Zeiclninn?; für
den Heitor niil dem Ji>'^sisclifn Wappen auf Kiniiaiiddeck<*, rnischla<! und
Tile! de»' Sunderausiiabe «liesi's iJjiiuIes (..llcilrägi« •/.. (Jesch. d. Tniv. Mainz
und Gießen") und auf dein i\el>entilel vi»n Anh. N. F. V nach dem
(ließener Stadlsi»*«rel von 125»), das auf Seite 222 nacii dem Original
wiederjrejfeben isl. enhvorf«*n.
Die Ansicht von Mainz um 1550 ^Seiie ^{^ \:\\}\ einen Hdlzschnill im
Uesilz dei (IroLJh. Hofliihliothek, di«* von ca. ltK)() (Seit«; 127) den Stich
von rieler Hendrik ScInU \vied«'r. Für <li<' .Mdjildunu ih-r iJurse zum
Algesheimer in ihrem heuti}jcn Zuslan«! Seite OÖ. Imt uns Fml'. Neel>,
Mainz, eine von ihm ^^cierlij^tü photo^Tapiiisclie Aufnahme in dankenswerter
Weise ül)erlassen.
Auf Seile- 21 i) ist (ii«'ücn nach einer [''tMltTziMchnunir W. Dilichs v. .1,
1591 dargestellt. Die Ansicht auf S<-ite 2i)'i uiifl die AhhildunK des Kolle^ien-
iiebäudes (Seiti* 327) wiedeiluden zwei im Jahre 1751 \oii (!. M. I'romier
.ius|ieführle Aquarelle der Handschrift No. 2')1» der firoüh. Hofhihliothek.
Das Hild von (lielien auf Seite Vil. die Ansicht des SchielJhauses. Seite ;i5t),
die tles Hu.schschen Wartens, S*Mtc ;J7.'), jene der rniversitätsreilhahn,
Seite 391, und die beiden Studenlenbilder auf Seite 329 und 393 sind alten
Gießener Stammbüchern aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
entnommen.
Die Silhouette: Grulman im Familienkreis, Seite 406, und das .lujiend-
bildnis K. L. W. v. Grohnans. Seite 410, sind nach Oriiiinah'ii im Hesitze
von Frau Math. v. Gmlman, Karlsruhi». u'cätzt worden. Die Silhouette
Ch. Galzerts auf Seite 4li2 ist im Kupf«'rsiich in dem Gießener juristi-
schen Almanach von 1782 enthalt*Mi. Das Fnrtiäl auf Seite 4f)7 uiht einen
von C. Felsinjü nach der in Darmstadt im Jalire 1791 entstanch'nen Zeich-
nunji F. J. Hills« anjief«'rlititen Kupferstich wieder. Das Bild Johaim Hal-
thasar Sclnipps auf Seite 259 ist im Jahre 1043 von Sebastian Furck in
Frankfurt a. M. in Kujifer gestochen worden. Wir geben es nach einer
Pliotojiraphie im Besitze des Großh. Lantlesnmseums wieder, dem wir
aucli die Vorlagen zu den Bildnissen Gatzerls verdanken.
Die rniversitätssiejiel (Siei^el der Universität Mainz. Seite 1. Siejiel
der dortigen medizinischen Fakultät, Seile 8tl, der Jurist i^lH-n, Seile 93.
der theologischen, Seite 124. der plnlosophischen. Seite 104, der l'niver-
sität (iießiMi, Seite 217. «ler dorti;;en tlKHjloiiisi lien Fakultät. Seile 320, der
philosophischen. Seili- .'>.")5, der jurisliscljcn. Seite 374, der medizini.scheri,
Seite 405) sind nach F. und H. Gritzner, „Die Siegel der deutsehen Uni
58a BemerkunKei) zu den Abliildungen und PlAnen. — Nachtrag.
vtM*silül«Mi. Münihorp IIKIU** (,I. SicluiuuluTs großes und allgeüLeines AVapiJon-
buch I, IS, Al v\i«MliT}jrt'y;rln'ii.
Di«' SioirrI auf di'i- Sifui-ltaft-l izvvischon Seite 224 urid Seite 225)
und die Siejicl d.-r Stailr (iießt-ri \c»ii i2Ji4 (Seite 222) und 1331 jSeite246i
howie ^la^ der Hurüniannen und lUirjit.'r zu üioüen von 1332 (Seite 245) sind
nach (iip>Ml)iiiW>en und Orijfinalfn iin Üesitze des Großh. Haus- u. Staiits-
aicliivs zu Dannstadt al>ge})il(h'l. Kine genaue Beschreibung findet sich
auf Seile 24t) 217.
Die Abbilflium der Medaille auf dii? Wiedererrichtinig der Mainzer
l niversiliit im .lahn- 17M auf Seile Dki «libl i-ini'U Kupfei*stich des Mainzer
riiivi'rsität.-kujiferslri Ihts IL Cnntiii'U in i;iner Dissertation v. J. 1784
v.i»M|i-r.
Die (Irundri!'»skiz/.iri der Unr;^ (IIimImt«: auf Sfil«' 2.'U und der liurjr
zu (lii'tien. {\\o zwischen Seil»» 24t) und 241 einjfeschall«*! ist, .^^ind von
diMii Virfasfser »h's Aufsatzes „Alt (JieiJt-ir*. Archivdirektur Dr. Frhr.
Sriieiik ;: u Schwii ns he r{£, sellist entworfen.
Nachtrag zum Beitrag VI. Alt- Gießen.
:\;uli Abschiulj iiitMiM'r Arbeil <Mbielt icb v*ui Herrn l'rofossor
Dr. A. Rocschi'ii eine t'rj^iliizeiKle Mitteilung. Er booluuhtote
im Soiinner 1905 in (l(»r Scbloligasse Mauerresto, die bei der
Kanalisation ziitai^e traten. Ks fand sich am östlichen Eingang
d<M' Schloüiüasse ein Maiierzuu zwischen der Möbelfabrik von
Pb. Brück lind dem Hocbsletterscben Ibuise. Ein anderer Mauer-
resi t. rat in der Mille dcM* Straße zutage vor dem Hause
des Sehn bmac hermeislers Wacker. Er zoj; längs der
Scbl<»ßij;asse von Osten nach Westen; seine Stärke betrug
uni;«'fähr einen Meter.
Dieser zweite Maiierzug scheint entweder der ältesten Sladt-
maih'r anznt;;<di«»r<'n oder eiiu^m (rebäude der alten StaiU. das
bei (bMen Erwi'ileruiii^ (b'r Straßenanlage weichen mußte. Die
zu*Msl erwähnte Maiu'r ist zweifcdlos die bei Anlage der Festung
abgiM'issene Stadtmauer nach dem alten Schlosse zu. G. s /. s.
Xitteris et arm/s
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